Europa und die deutsche Einheit: Beobachtungen, Entscheidungen und Folgen [1 ed.] 9783666301865, 9783525301869

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Europa und die deutsche Einheit: Beobachtungen, Entscheidungen und Folgen [1 ed.]
 9783666301865, 9783525301869

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Michael Gehler / Maximilian Graf (Hg.)

Europa und die deutsche Einheit Beobachtungen, Entscheidungen und Folgen

In Zusammenarbeit mit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED -Diktatur sowie mit Unterstützung des Instituts für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und des Instituts für Geschichte der Stiftung Universität Hildesheim.

Europa und die deutsche Einheit Beobachtungen, Entscheidungen und Folgen

Herausgegeben von Michael Gehler und Maximilian Graf Unter Mitarbeit von Sophie Bitter-Smirnov

In Zusammenarbeit mit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED -Diktatur

Vandenhoeck & Ruprecht

Mit 1 Schaubild Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-666-30186-5 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de. Umschlagabbildung: Das definitive Ende des Kalten Krieges: Staatsoberhäupter der teilnehmenden Mitgliedsstaaten der damaligen KSZE beim Gipfel von Paris, Palais de l’Elysée, 19. November 1990. Foto: George Bush Presidential Library/OSCE/CC BY-ND 4.0 © 2017, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, 37073 Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U. S. A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de

Inhalt Markus Meckel Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Michael Gehler und Maximilian Graf Europa und die deutsche Einheit. Eine kurze Einführung zu diesem Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Der deutsche Einigungsprozess Hanns Jürgen Küsters Helmut Kohl, die CDU und die Wiederherstellung der deutschen Einheit 27 Hermann Wentker Die Außenpolitik der DDR im Prozess der deutschen Wiedervereinigung 43 Heike Amos und Tim Geiger Das Auswärtige Amt und die Wiedervereinigung 1989/90 . . . . . . . . . 65 II . Die Vier Mächte

Christian F. Ostermann The United States and German Unification . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Andreas Hilger Die getriebene Großmacht – Moskau und die deutsche Einheit 1989/1990 117 Hinnerk Meyer Participation on limited cooperation – Großbritanniens schwierige Rolle im deutschen Einigungsprozess 1989/90 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Tilo Schabert “The German Question is a European Question”. France and the Reunification of Germany. A critical assessment . . . . . 161

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Inhalt

III . Neutrale Staaten: Irland, Schweiz und Österreich

Mervyn O’Driscoll A Small Country’s Big Responsibility: Ireland, German Reunification and “the Acceleration of History” 1989–1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Georg Kreis Die deutsche Wiedervereinigung aus schweizerischer Sicht. Was die „Neue Zürcher Zeitung“ dazu schrieb . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Maximilian Graf Österreich und das Ende der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Michael Gehler Von der Befürwortung zur Verzögerung und Verhinderung: Österreichs EG -Antragsgesuch, die Bundesrepublik und die Annäherungen der DDR an die Europäischen Gemeinschaften 1989–1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Andrea Brait „Vor Torschluss“: Österreichs Kulturbeziehungen zur DDR 1989/90 . . . . 349 Philipp Greilinger und Sarah Knoll Die deutsche Einheit. Internationale Reaktionen aus Sicht der österreichischen Diplomatie . . . 375 IV. Neutrale und NATO -Staaten: Skandinavien

Aryo Makko The Road to Salvation? Sweden, the German Question, and the New Europe . . . . . . . . . . . . 399 Juhana Aunesluoma and Marjo Uutela In Germany’s Footsteps. German Reunification and Finland, 1987–1994 . . . . . . . . . . . . . . . 415 Thorsten Borring Olesen and Niels Wium Olesen Denmark and German Reunification: Anxious Feelings and the Limits of Europeanization . . . . . . . . . . . . 439 Hans Otto Frøland Norway and German Reunification . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467

Inhalt

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V. Die Benelux-Staaten Anjo Harryvan and Jan van der Harst “The Irritability of a Small Nation with a Great Past”: The Netherlands and German Unification, 1989–1991 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 Steven Van Hecke Less Europe in a Larger Union: Belgium and its Old and New Eastern Neighbours . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 Siebo Janssen Von der deutschen Wiedervereinigung bis Lissabon – Luxemburg als kleines Land und „großer“ europapolitischer Akteur? . . . 521 VI . Die Staaten Ost- und Mitteleuropas

Andreas Schmidt-Schweizer Die deutsche Einheit als Herausforderung für Ungarn 1989/90 . . . . . . 547 Miroslav Kunštát Die deutsche Einheit als erkannte Notwendigkeit: die tschechoslowakische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 Dominik Pick Deutsch-polnische Beziehungen und die deutsche Einheit . . . . . . . . . 599 Arnold Suppan Jugoslawien und die deutsche „Wiedervereinigung“ . . . . . . . . . . . . . 627 VII . Die Staaten Südeuropas

Birgit Aschmann „Mein Freund Felipe“ – Spanien und die deutsche Einheit . . . . . . . . . 639 David Schriffl Portugal and German Reunification. The End of Utopia and Fears of the Periphery . . . . . . . . . . . . . . . . 663 Deborah Cuccia Italien und die deutsche Einigung 1989–1990 . . . . . . . . . . . . . . . . 677

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Inhalt

Andreas Stergiou Greece, German Reunification, and the 1995 EU Enlargement . . . . . . . 701 Hüseyin I. Çiçek Weder Fluch noch Segen. Die Türkei und die deutsche Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 VIII . Transnationale Parteiennetzwerke

Michael Gehler and Hannes Schönner The European Democrat Union and the Revolutionary Events in Central Europe in 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739 Giovanni Bernardini Too little, too late? The Socialist International, German reunification, and the Transition in Eastern Europe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767 IX . Schlussbetrachtung

Michael Gehler Die Unvermeidbarkeit einer politischen Entscheidung. Europa und die deutsche Einheit: Bilanz und zukünftige Forschungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 791 Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 831 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 834 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 840

Markus Meckel

Vorwort Als bei der großen Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989 in Leipzig nicht geschossen wurde, war ich mit vielen Akteuren der Friedlichen Revolution in der DDR zuversichtlich, dass wir mit der Demokratisierung der DDR erfolgreich sein würden. Die Überwindung nicht nur der Mauer, sondern der deutschen Teilung selbst schien plötzlich möglich. Doch eines nach dem anderen, so dachte ich in diesen Wochen. Mit dem Fall der Mauer am 9. November war das Nacheinander von Demokratisierung und der Perspektive der deutschen Einheit mit einem Schlag hinfällig. Beides rückte auf die Tagesordnung. Dafür brauchte es eine legitimierte DDR-Regierung, die diese Verhandlungen führen konnte. Der Runde Tisch in der DDR ebnete den Weg zu freien Wahlen und im Frühjahr 1990 hatte eine demokratisch gewählte Regierung dieses Mandat. Die Alliierten des Zweiten Weltkrieges, die nach wie vor für „Deutschland als Ganzes“ zuständig waren, hatten anfangs große Schwierigkeiten, sich auf die neue Situation einzustellen. London, Paris und Moskau reagierten skeptisch bis ablehnend. Im Dezember 1989 trafen sich nach langer Zeit erstmals wieder die Botschafter im Alliierten Kontrollrat  – ohne die Deutschen. Das aber konnte, ja durfte nicht sein. Es galt sicherzustellen, dass die Deutschen, die im Westen längst eine anerkannte Demokratie waren und im Osten gerade eine siegreiche Freiheitsrevolution hinter sich hatten, ihre Zukunft selbst bestimmen und dafür die Zustimmung der ehemaligen Siegermächte erhalten. So wurde nach manchem hin und her der Mechanismus der Zwei-plus-Vier-Gespräche erfunden. Frankreichs Vorbehalte ließen sich dadurch ausräumen, dass die Bundesregierung einer Weichenstellung zur gemeinsamen europäischen Währung zustimmte. Gleichzeitig begannen Verhandlungen für einen neuen europäischen Vertrag, mit dem dann 1992 in Maastricht die „Europäische Union“ geboren wurde. Schwieriger gestaltete sich 1990 die Klärung der Sicherheitsfragen. Die USA machten die NATO -Mitgliedschaft des vereinten Deutschland zur Voraussetzung ihrer Zustimmung. Genau das aber war für die Sowjetunion zunächst inakzeptabel. Es war schließlich vor allem Gorbatschow zu verdanken, dass Moskau im Frühsommer 1990 in dieser Frage einlenkte. Er sah in der Kooperation mit dem Westen mit Recht die eigentliche Chance für die Zukunft seines Landes. So konnte am 12. September 1990 der Zwei-plus-Vier-Vertrag unterzeichnet und die deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 vollzogen werden. Damit war Deutschland, das im 20. Jahrhundert so viel Schrecken über ganz Europa gebracht hatte und in der Folge über Jahrzehnte geteilt war, wieder vereint – von seinen Nachbarn anerkannt und mit diesen vielfältig verbunden. Eine Glücksstunde für Deutschland und Europa. Die „Charta von Paris“ besiegelte im

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Vorwort

November 1990 den neuen Aufbruch, getragen von gemeinsamen Werten, auf die sich alle verpflichteten. Kurz darauf zerbrach die Sowjetunion in sehr unterschiedliche Nationalstaaten, die sich ihren selbstbestimmten Weg erst suchen mussten. Nach anfänglicher Demokratisierung wurde Russland unter Präsident Putin wieder zu einem Machtzentrum mit imperialem Anspruch gegenüber seinen Nachbarn. Die Europäische Union und die Nato entwickelten nach 1993 kooperative Strukturen mit den östlichen Partnern und öffneten sich nach anfänglichem Zögern auch für die neuen Demokratien des früheren sowjetischen Herrschaftsbereiches. Seit 2004 sind zehn ostmitteleuropäische Staaten der EU beigetreten. Die friedlichen Revolutionen des Jahres 1989 waren damit nicht nur die Voraussetzung für die deutsche Einheit, sondern auch für die weitere europäische Integration. Die Jahre 1989 und 1990 können somit als Appell gedeutet werden, einen Status Quo nicht als unumstößlich zu betrachten. 1989 hatte sich niemand ernsthaft vorstellen können, dass die kommunistischen Diktaturen in Ost­ mittel­europa wie Kartenhäuser zusammenbrechen und die deutsche Wiedervereinigung binnen kürzester Frist Wirklichkeit werden könnte. Zwar war in den 1980er-Jahren immer häufiger vom gemeinsamen europäischen Haus die Rede, aber die Fantasie sollte gerade mit Blick auf Europa noch lange an den Grenzen des Vorstellbaren Halt machen. Es dauerte Jahre bis Tallin, Krakau oder Bukarest auf den Mental-Maps erscheinen sollten, die man sich im Westen des Kontinents in der Zeit der Teilung von Europa gezeichnet hatte. Doch die Jahre 1989/90 können nicht nur als Chiffre für die Überwindbarkeit von Teilung und Diktatur, sondern auch als Mahnung verstanden werden, die nach 1989 errungene europäische Integration nicht für unumkehrbar zu halten. Umso wichtiger wird die historische Selbstverständigung der Europäer. S­ icher: Der Blick in die Geschichte kann allein den europäischen Gemeinschaftssinn nicht stiften. Aber der Sammelband „Europa und die deutsche Einheit“ verdeutlicht, welche unüberwindbar erscheinenden Hürden vor einem guten Vier­ tel­jahrhundert überwunden wurden, um einige der bitteren Folgen des von Deutschland entfesselten Zweiten Weltkriegs in Europa zu heilen. Die von­ Michael Gehler und Maximilian Graf eingeworbenen Beiträge bieten erstmals einen Überblick über die unterschiedlichen Haltungen in Europa zur deutschen Wiedervereinigung sowie auf die nachfolgenden Schritte zur europäischen Integration. Der Sammelband ist dabei mehr als nur ein Beitrag zur zeithistorischen Forschung. Im Vergleich zu 1989/90 hat in Europa die Anerkennung der parlamentarischen Demokratie und die Begeisterung für die offene Gesellschaft sowie die europäische Idee eher ab- und dafür der Kleinmut und der Nationalismus eher zugenommen. Insofern möge der Sammelband „Europa und die deutsche Einheit“ jene Frauen und Männer  – argumentativ  – (be)stärken, die sich für den Bestand und den Ausbau Europas einsetzen und die die Probleme der Gegenwart als lösbar erachten – auch und gerade eingedenk der Jahre 1989/90.

Michael Gehler und Maximilian Graf

Europa und die deutsche Einheit Eine kurze Einführung zu diesem Band1

I. Vorbemerkungen Auf den ersten Blick gehört die deutsche Einheit zu den am besten aufgearbeiteten Kapiteln der jüngsten Zeitgeschichte, jedoch blieben viele Aspekte bisher unbeachtet und von einer umfassenden gesamteuropäischen Betrachtung kann keinesfalls gesprochen werden. Die bisherige Forschung fokussierte zum einen auf die innerdeutsche Dimension des Einigungsprozesses und zum anderen auf die internationale Durchsetzung der Einheit, dabei standen aber vor allem die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs im Mittelpunkt. Von den Nachbarstaaten Deutschlands hat, nicht zuletzt wegen der Frage der Grenzen, Polen besondere Aufmerksamkeit erfahren. Darüber hinaus wurden primär Einzelstudien zu den Haltungen anderer Staaten durchgeführt. Die Staaten Süd-, West- und Nordeuropas, sowie die mittelbaren und unmittelbaren mittel- und osteuropäischen Nachbarn der beiden deutschen Staaten blieben in der größeren Betrachtung bislang weitgehend unberücksichtigt. Es kann nicht Anspruch dieser Einleitung sein, den Forschungsstand zur Geschichte der deutschen Einheit vollständig zu besprechen, dies wäre aufgrund der Fülle an Literatur nahezu unmöglich und ist auch nicht notwendig. Es werden im Folgenden nur grundlegende Tendenzen aufgezeigt, eine detaillierte Besprechung erfolgt in den einzelnen Aufsätzen der im Band versammelten Expertinnen und Experten. Hier geht es vielmehr darum, kurz aufzuzeigen was dieser Band an Neuem leistet: Erstmals wird die deutsche Einheit aus einer gesamteuropäischen Perspektive in den Blick genommen.2 Für die einzelnen Länderstudien konnten jeweils ausgewiesene Kenner 1 Der vorliegende Band ist zum Teil, einzelne Beiträge wie diese Einleitung sind zur Gänze Ergebnisse des FWF-Projekts P 26439-G15 „Aktenedition: Österreich und die Deutsche Frage 1987 bis 1990“. Die dem Projekt entstammenden Beiträge sind jeweils durch die erste Anmerkung als Ergebnisse des FWF-Projekts ausgewiesen. 2 Vergleichbare Buchtitel haben dieses Versprechen nicht bzw. nur teilweise eingelöst: Detlef Nakath/Dörte Putensen (eds.), Der Weg in die deutsche Einheit. Die Sicht der Nachbarn (Potsdam: Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg, 2010); Raimund Krämer/Detlef Nakath (eds.), Kalter Krieg und deutsche Einheit. Perspektiven der Nachbarn (Potsdam: WeltTrends, 2014); oder haben keinen wissenschaftlichen Anspruch Angela Merkel (ed.), Europa und die deutsche Einheit. Zehn Jahre Wiedervereinigung: Bilanz und Ausblick (Freiburg: Herder, 2000). Einen globaleren Zugang verfolgte Michèle Weinachter (ed.), L’est et l’ouest face à la chute du mur. Question de perspective (Cergy-Pontoise: Editions du CIRAC , 2013).

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der Materie gewonnen werden, die sich beim Verfassen ihrer Beiträge an einem einheitlichen Schema in Form eines Fragenkatalogs orientiert haben. Durch diese systematische Herangehensweise wird die im Rahmen einer solchen Publikation größtmögliche Konsistenz sichergestellt. Die Beiträge des Bandes folgen im Wesentlichen folgender Struktur: Erstens wird eingangs der aktuelle Forschungsstand zum Thema kurz ausgeführt und diskutiert. Zweitens wird das Verhältnis des jeweiligen Landes zu den beiden deutschen Staaten vor 1989/90 charakterisiert, wo nötig wird das Verhältnis auch breiter historisch kontextualisiert. Drittens erfolgt eine ausführliche Befassung mit der Haltung zur Frage der deutschen Einheit im Zeitraum vom sogenannten „Mauerfall“ am 9.  November 1989 bis zum Vollzug der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990. Besonderes Augenmerk liegt darauf, wie sich Beobachtungen, Beurteilungen und Einflussnahmen im Laufe der Monate wandelten und ob sich konkrete Phasen herausschälen lassen. Viertens geht es ausdrücklich darum, die Ausführungen nicht nur auf Politik und Diplomatie zu beschränken, sondern auch Fragen der Medienrezeption, der Ökonomie und der Gesellschaft miteinzubeziehen. Fünftens erfolgt ein Ausblick auf die Perzeption des geeinten Deutschlands und seiner Rolle in Europa. Dies geschieht einerseits vor dem Hintergrund der Vertiefung der Integration durch den Unionsvertrag von Maastricht (1993) sowie andererseits unter Berücksichtigung der Erweiterung der Europäischen Union um Österreich, Finnland und Schweden im Jahr 1995. Darüber hinaus wird die Rolle Deutschlands im Europa des 21. Jahrhunderts thematisiert.3 Die einzelnen Länderstudien erfolgen allesamt vor dem jeweiligen nationalen historischen Hintergrund, liefern neue Erkenntnisse zu den Haltungen in den Jahren 1989/90 und geben zudem einen Ausblick auf die Frage des sich verändernden Deutschlandbildes. Die Aufsätze zum deutschen Einigungsprozess und zu den bereits intensiver beforschten Staaten, also vor allem den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs, stellen nicht minder primärquellenbasierte Neubesprechungen des Kenntnisstandes dar. Die Beiträge zu den europäischen Staaten gliedern sich in regional- und bündnisbedingte Themenblöcke 3 Zu den aktuellen Diskussionen über die Rolle Deutschlands in Europa nach 1989 siehe u. a.: Herfried Münkler, Macht in der Mitte. Die neuen Aufgaben Deutschlands in Europa (Hamburg: edition Körber-Stiftung, 2015); Stephan Bierling, Vormacht wider Willen. Deutsche Außenpolitik von der Wiedervereinigung bis zur Gegenwart (München: C. H. Beck, 2014); Gregor Schöllgen, Deutsche Außenpolitik. Von 1945 bis zur Gegenwart (München: C. H. Beck, 2013); id., Der Auftritt. Deutschlands Rückkehr auf die Weltbühne (Berlin: Propyläen Verlag, ²2004); Hans-Peter Schwarz, Die Zentralmacht Europas. Deutschlands Rückkehr auf die Weltbühne (Berlin: Siedler, 1994); Michael Gehler, Deutschland als neue Zentralmacht Europas und seine Außenpolitik 1989–2009, in: id/Paul Luif/Elisabeth Vyslonzil (eds.), Die Dimension Mitteleuropa in der Europäischen Union (= Historische Europa-Studien 20; Hildesheim/Zürich/New York: Olms, 2015), 25–78.

Europa und die deutsche Einheit

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(Neutrale und NATO -Staaten, Skandinavien, Benelux-Staaten, Mittel- und Osteuropa, Südeuropa). In gesamteuropäischer Perspektive steht insbesondere auch die europäische Integration im Fokus. Länderspezifische Schwerpunktsetzungen waren unvermeidlich und ausdrücklich erwünscht. Gerade diese Herangehensweise macht deutlich, wie unterschiedlich die deutsche Einheit in gesamteuropäischer Perspektive wahrgenommen wurde. In vielen Fällen spielten historische Erfahrungen mit Deutschland eine große Rolle und oftmals prägen sie das Deutschlandbild im jeweiligen nationalen, aber auch europäischen Rahmen bis heute. Des Weiteren wird auch erstmals die Rolle transnationaler Parteiennetzwerke im Kontext der Umbrüche in Mittel- und Osteuropa thematisiert. Abschließend erfolgt eine Synthese der Ergebnisse des Bandes, die mit einem Ausblick auf zukünftige Forschungsaufgaben endet. Der vorliegende Band basiert auf zwei internationalen Konferenzen die im Oktober 20154 und im Februar 20165 in Wien stattgefunden haben. Manch einer mag sich fragen, warum eine derartige Initiative von Wien ausging. Die Rolle des neutralen Österreich als Mittler zwischen Ost und West im Zeitalter des Kalten Krieges ist ebenso zutreffend wie mythologisiert. Auf der Ebene der großen Politik fungierte die Hauptstadt Wien spätestens seit dem Wiener Gipfel zwischen dem sowjetischen Ministerpräsidenten Nikita S. Chruschtschow und dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy im Jahr 1961 als Begegnungsstätte der Supermächte.6 Bereits zuvor war es 1957 gelungen, den Sitz der International Atomic Energy Agency (IAEA) nach Wien zu holen.7 Seit 1965 hat auch die Organization of the Petroleum Exporting Countries (OPEC) ihren Sitz in Wien. 1979 wurde die Bundeshauptstadt zum dritten ständigen Sitz der United Nations Organisation (UNO). Seither beherbergt die Wiener UNO -City auch die IAEA . Zudem war Österreich von 1986 bis 1989 Gastgeber des letzten Folgetreffens der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Auch die im Endeffekt erfolglosen – fast 16 Jahre dauernden – Verhandlungen über die gegenseitige Verminderung von Streitkräften und Rüstungen und damit zusammenhängende Maßnahmen in Europa (MBFR) fanden in Wien statt. Der nicht mehr ratifizierte zweite Vertrag zur nuklearen Rüstungsbegrenzung (SALT II) 4 Europa und die deutsche Einheit. Perzeptionen – Reaktionen – Entscheidungen, Dachfoyer des Haus-, Hof- und Staatsarchivs (HHStA), 1./2. Oktober 2015. Wir danken dem Direktor des HHStA Mag. Thomas Just für die uns zu Teil gewordene Gastfreundschaft. 5 New Perspectives on German Reunification and European Integration 1987–1995: The Role of Small States and Transnational Networks, Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, 22./23. Februar 2016. Die Konferenz fand mit freundlicher Unterstützung von Univ.Prof. Dr. Oliver Rathkolb statt. 6 Stefan Karner et al. (eds.), Der Wiener Gipfel 1961. Kennedy-Chruschtschow (Innsbruck/ Wien/Bozen: StudienVerlag, 2011). 7 Elisabeth Röhrlich, Die Gründung der International Atomic Energy Agency (IAEA) in Wien: Österreich, die atomare Herausforderung und der Kalte Krieg, in: Mitchell G. Ash/Herbert Matis/Juliane Mikoletzky (eds.), Wissenschaft, Technologie und industrielle Entwicklung in Zentraleuropa im Kalten Krieg (erscheint Wien: Lit, 2017).

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wurde 1979 durch US -Präsidenten Jimmy Carter und den sowjetischen Staatsund Parteichef Leonid I. Breschnew in der österreichischen Hauptstadt unterzeichnet.8 Darüber hinaus fanden immer wieder Treffen zwischen den sowjetischen und amerikanischen aber auch bundesdeutschen Außenministern statt. Beispielsweise wenn diese anlässlich der Staatsvertragsjubiläen in den Fünferund Nuller-Jahren dem seinerzeitigen Unterzeichnungsort eine Visite abstatteten. Zu einer deutsch-deutschen Begegnungsstätte avancierte Österreich in der Regel aus naheliegenden historischen Gründen aber nicht. Die Erforschung der Bedeutung des Standorts Wien als wissenschaftliche Begegnungsstätte zwischen Ost und West steht noch in ihren Anfängen. Jüngere Forschungen konnten beispielsweise zeigen, dass die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) sowohl vor als auch nach dem Mauerbau 1961 eine Plattform für deutsch-deutsche Kontakte im Kalten Krieg bot.9 Doch Wien war nicht nur Begegnungsstätte, sondern auch immer wieder ein Ort, an dem die deutsche Frage mitentschieden wurde.10

II.

Stand der Forschung und Weitung der Perspektive

Die historische Beschäftigung mit den Revolutionen von 1989 und der Geschichte der deutschen Einheit 1989/90 hat de facto unmittelbar mit dem Ende des Kalten Krieges begonnen und in der vergangenen Dekade ein noch weiter gesteigertes Interesse erfahren sowie eine wachsende Dynamik entfaltet. Freilich dominierten in den 1990er-Jahren noch Sammlungen öffentlich zugänglicher Dokumente und vor allem die Memoirenliteratur, die bereits die unterschiedlichen innerdeutschen, aber auch internationalen Wahrnehmungen der Entwicklungen der Jahre 1989/90 sichtbar machten. Die in Westeuropa zumeist üblichen Sperrfristen von 30 Jahren für staatliche Quellen standen einer quellengesättigten Erforschung der jüngsten Zeitgeschichte oftmals im Wege. Jedoch hat zunächst die Öffnung der Archive der Staaten des ehemaligen sozialistischen Lagers und der ehemaligen DDR im Besonderen für derartige Forschungen einen Schub bedeutet.11 8 Vgl. hierzu als Einführung: Erwin A. Schmidl, Wien als internationales Zentrum, in: Michael Dippelreiter (ed.), Wien. Die Metamorphose einer Stadt (= Geschichte der österreichischen Bundesländer 6; Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2013) 703–730. 9 Maximilian Graf, Die ÖAW als Begegnungsstätte ost- und westdeutscher Wissenschaft im Kalten Krieg? Die Perspektive der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin in den 1960er-Jahren, in: Johannes Feichtinger/Heidemarie Uhl (eds.), Die Akademien der Wissenschaften in Zentraleuropa im Kalten Krieg (erscheint Wien: Verlag der Akademie der Österreichischen Wissenschaften, 2017). 10 Siehe dazu mehr in Michael Gehlers Synthese am Ende des Bandes. 11 Siehe hierzu unter anderem die frühen Publikationen zum Ende der DDR Gerd-Rüdiger Stephan (ed.), „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“ Interne Dokumente zum Zerfall von SED und DDR 1988/89 (Berlin: Dietz, 1994); Hans-Hermann Hertle, Der Fall der Mauer.

Europa und die deutsche Einheit

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Anlässlich der zwanzig- bzw. fünfundzwanzigjährigen Jubiläen von Maueröffnung und deutscher Einheit 2009/2010 und 2014/15 folgten zahlreiche Konferenzen sowie Publikationen zum Jahr 1989, dem Ende der DDR und zur deutschen Einheit.12 Erste umfassende Bilanzen zum Zerfall des SED -Regimes und zur Geschichte der deutschen Einheit wurden gezogen.13 Diese Entwicklung führte dazu, dass sukzessive auch westeuropäische Akten, insbesondere zur Frage der Haltung der betroffenen Staaten zur deutschen Einheit, freigegeben wurden. Eine erste internationale Edition basierend auf Akten der Sowjetunion, zahlreicher weiterer osteuropäischer Staaten, der Vereinigten Staaten und ihrer Alliierten ist 2010 unter dem Titel Masterpieces of History erschienen.14 Auf Basis der inzwischen zur Verfügung stehenden umfangreichen, weiter unten exemplarisch aufgeführten Quellensammlungen entstanden die ersten Gesamtdarstellungen zur Geschichte der deutschen Einheit.15 Über die deutsch-deutsche Dimension und Die unbeabsichtigte Selbstauflösung des SED -Staates (Opladen: Westdeutscher Verlag, 1996); seither in mehreren Auflagen erschienen: id., Chronik des Mauerfalls. Die dramatischen Ereignisse um den 9. November 1989 (Berlin: Ch. Links, 1996, 112009). Unter stärkerer Berücksichtigung längerfristiger Entwicklungen siehe Charles S. Maier, Dissolution. The Crisis of Communism and the End of East Germany (Princeton, N. J.: Princeton University Press, 1997). Zuletzt als englischsprachige Gesamtdarstellung Mary Elise Sarotte, The Collapse. The Accidental Opening of the Berlin Wall (New York: Basic Books, 2014). Für wichtige frühe Publikationen von SED -Akten mit Bezug zur deutschen Einheit siehe Detlef Nakath/Gerd-Rüdiger Stephan (eds.), Countdown zur deutschen Einheit. Eine dokumentierte Geschichte der deutsch-deutschen Beziehungen 1987–1990 (Berlin: Dietz, 1996); Detlef Nakath/Gero Neugebauer/Gerd-Rüdiger Stephan (eds.), „Im Kreml brennt noch Licht“. Die Spitzenkontakte zwischen SED, PDS und KPdSU 1989–1991 (Berlin: Dietz, 1998). 12 Stellvertretend für die die Fülle an Literatur sei hier ein Wiener Beitrag genannt, der einer großen internationalen Konferenz des Jahres 2009 entsprang und im Jahr 2015 als Handbuch erschienen ist. Wolfgang Mueller/Michael Gehler/Arnold Suppan (eds.), The Revolutions of 1989. A Handbook (= Internationale Geschichte 2; Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2015). 13 Klaus-Dietmar Henke (ed.), Revolution und Vereinigung 1989/90. Als in Deutschland die Realität die Phantasie überholte (München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 2009); Ilko-Sascha Kowalczuk, Endspiel. Die Revolution von 1989 in der DDR (München: C. H. Beck, 2009); Gerhard A. Ritter, Wir sind das Volk! Wir sind ein Volk! Geschichte der deutschen Einigung (München: C. H. Beck, 2009); Gerhard A. Ritter, Der Preis der deutschen Einheit. Die Wiedervereinigung und die Krise des Sozialstaats (München: C. H. Beck, 2006); Tilman Mayer (ed.), 20 Jahre Deutsche Einheit. Erfolge, Ambivalenzen, Probleme (= Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung 97; Berlin: Duncker & Humblot, 2010); Hanns Jürgen Küsters (ed.), Der Zerfall des Sowjetimperiums und Deutschlands Wiedervereinigung/The Decline of the Soviet Empire and Germany’s Reunification (Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2016). 14 Svetlana Savranskaya/Thomas Blanton/Vladislav Zubok, Masterpieces of History. The peaceful end of the Cold War in Eastern Europe, 1989 (Budapest/New York: Central European University Press, 2010). 15 Andreas Rödder, Deutschland einig Vaterland. Die Geschichte der Wiedervereinigung (München: C. H. Beck, 2009); Mary Elise Sarotte, 1989. The Struggle to Create Post-Cold War Europe (Princeton, N. J./Oxford: Princeton University Press, 2009), id., 1989: The Struggle to Create Post-Cold War Europe, rev. ed. (Princeton, N. J.: Princeton University Press, 2014).

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den Rahmen der vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs hinausgehend wurde den internationalen Dimensionen sowie insbesondere den mannigfaltigen europäischen Perzeptionen der rasanten Entwicklungen hin zur deutschen Einheit bisher aber nur wenig Aufmerksamkeit zuteil. Eine Ausnahme stellt die umfassende Dokumentation der Medienreaktion in Europa und darüber hinaus dar.16 Bereits 1998 erschien in der Reihe Dokumente zur Deutschlandpolitik eine Sonderedition von Akten des deutschen Bundeskanzleramts aus den Jahren 1989/90, die sowohl die innerdeutsche als auch die internationale Dimension abdeckte.17 2010 folgte eine umfangreiche Dokumentation zur DDR-Außenpolitik 1989/90.18 Pünktlich zum 25. Jahrestag lag auch eine Edition der wichtigsten Akten der beiden deutschen Außenministerien zum Vereinigungsprozess vor.19 Die erste Sektion des vorliegenden Bandes nimmt sich insbesondere des deutschen Einigungsprozesses an. Hanns Jürgen Küsters nimmt als bester Kenner der Akten die Rolle Helmut Kohls in den Blick und fokussiert auch auf dessen parteipolitische Zwänge. Der führende DDR-Außenpolitikexperte Hermann Wentker analysiert die Politik der ersten frei gewählten ostdeutschen Regierung in Bezug auf den Einigungsprozess. Die Bearbeiter der Edition der Außenamtsakten Heike Amos und Tim Geiger leuchten in einer vielschichtigen Synthese die Rolle des Auswärtigen Amts im komplexen internationalen Mehrebenensystem aus. 16 Ines Lehmann, Die deutsche Vereinigung von außen gesehen. Angst, Bedenken und Erwartungen in der ausländischen Presse, 4 Bände (Frankfurt am Main et al.: Peter Lang, 1996, 1997, 2001, 2004). 17 Bundesministerium des Innern unter Mitwirkung des Bundesarchivs (eds.), Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90, bearb. von Hanns Jürgen Küsters/Daniel Hofmann (= Dokumente zur Deutschlandpolitik; München: Oldenbourg, 1998); siehe zudem Dieter Grosser, Das Wagnis der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion. Politische Zwänge im Konflikt mit ökonomischen Regeln (= Geschichte der Deutschen Einheit in vier Bänden, Band 2; Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1998); Wolfgang Jäger, Die Überwindung der Teilung. Der innerdeutsche Prozeß der Vereinigung 1989/90 (= Geschichte der Deutschen Einheit in vier Bänden, Band 3; Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1998); Werner Weidenfeld, Außenpolitik für die deutsche Einheit. Die Entscheidungsjahre 1989/90 (= Geschichte der Deutschen Einheit in vier Bänden, Band 4; Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1998); sowie Hanns Jürgen Küsters, Der Integrationsfriede. Viermächte-Verhandlungen über die Friedensregelung mit Deutschland 1945–1990 (= Dokumente zur Deutschlandpolitik, Studien 9; München: Oldenbourg, 2000); Hanns Jürgen Küsters, Das Ringen um die deutsche Einheit. Die Regierung Helmut Kohl im Brennpunkt der Entscheidungen 1989/90 (Freiburg, Breisgau/Basel/Wien: Herder, 2009). 18 Ines Lehmann, Die Außenpolitik der DDR 1989/1990. Eine dokumentierte Rekonstruktion (Baden-Baden: Nomos, 2010); siehe hierzu auch basierend auf der Wiedergabe von Zeitzeugeninterviews Ed Stuhler, Die letzten Monate der DDR . Die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit (Berlin: Ch. Links, 2010). 19 Heike Amos/Tim Geiger (Bearb.), Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess, ed. von Horst Möller/Ilse Dorothee Pautsch/ Gregor Schöllgen/Hermann Wentker/Andreas Wirsching (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015). Bereits zuvor auf breiter Quellenbasis zur Rolle des Auswärtigen Amts siehe Gerhard A. Ritter, Hans-Dietrich Genscher, das Auswärtige Amt und die deutsche Vereinigung (München: C. H. Beck, 2013).

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Insbesondere seit den späten 1990er-Jahren stellte sich auch in der Wissenschaft verstärkt die Frage nach den weltpolitischen Dimensionen des deutschen Einigungsprozesses und der jeweiligen Haltung der daran beteiligten Mächte – diesen ist der zweite Abschnitt des Bandes gewidmet. Während die zustimmende Haltung der Vereinigten Staaten zur deutschen Einheit20 kaum in Zweifel gezogen wurde, wurden die britischen, französischen und sowjetischen Positionen zur deutschen Einheit rege und kontrovers diskutiert. Einige Fragen konnten mit der fortschreitenden Deklassifizierung von Akten mit zunehmender Klarheit beantwortet werden. Darüber hinaus wurde in jüngster Zeit insbesondere die Frage der NATO -Osterweiterung kontroversiell debattiert.21 Der Beitrag von Christian F. Ostermann in diesem Band bietet vor diesem Hintergrund eine Neubesprechung der amerikanischen Haltung anhand der jüngsten verfügbaren Quellen. Naturgemäß wurde der sowjetischen Haltung besondere Bedeutung beigemessen. Nachdem Michail Gorbatschow selbst nicht nur umfangreiche Erinnerungen,22 sondern auch einzelne einschlägige Dokumente aus seiner Amtszeit veröffentlicht hatte,23 wurden seit Anfang der 2000er-Jahre sukzessive weitere sowjetische Dokumente zu Tage gefördert.24 Eine zuerst 2006 auf Russisch erschienene Edition der relevanten zugänglichen Akten liegt mittlerweile mit einer entsprechenden historischen Einleitung versehen in deutscher Übersetzung vor.25 2011 erschien eine Edition von erstmals freigegebenen Akten des Auswärtigen Amts zu den deutsch-sowjetischen Beziehungen 1989/90, die das Bild weiter vervollständigen konnte.26 In den Jahren 2014 und 2015 legten S­ tefan Karner und sein internationales Forschernetzwerk zwei gewichtige Bände  – zur Haltung des Kremls zur „Wende“ 198927 und zur „Wiedervereinigung“ 199028 – vor. Auf dieser Quellenbasis erfolgten vertiefende Analysen, die darum 20 Grundlegend dazu Philip Zelikow/Condoleeza Rice, Germany Unified and Europe Transformed. A study in Statecraft (Cambridge/Mass.: Harvard University Press, 1995). Zahlreiche weitere Akteure haben die Haltung der USA in ihren Publikationen dargelegt. 21 Michael Gehler, Revolutionäre Ereignisse und geoökonomisch-strategische Ergebnisse: Die EU- und NATO -„Osterweiterungen“ 1989–2015 im Vergleich (= Zentrum für Europäische Integrationsforschung Discussion Paper C 239; Bonn: ZEI, 2017). 22 Michail Gorbatschow, Erinnerungen (München: Goldmann, 1996). 23 Michail Gorbatschow, Wie es war: die deutsche Wiedervereinigung (Berlin: Ullstein 1999). 24 Alexander von Plato, Die Vereinigung Deutschlands – ein weltpolitisches Machtspiel (Berlin: Ch. Links, 2002); siehe zudem die ohne Zugang zu sowjetischen Akten verfasste umfangreiche Studie Ralf Biermann, Zwischen Kreml und Kanzleramt. Wie Moskau mit der deutschen Einheit rang (= Studien zur Politik 30; Paderborn: Schöningh. 1997). 25 Aleksandr Galkin/Anatolij Tschernjajew (eds.), Michail Gorbatschow und die deutsche Frage. Sowjetische Dokumente 1986–1991 (München: Oldenbourg, 2011). 26 Andreas Hilger (ed.), Diplomatie für die deutsche Einheit. Dokumente des Auswärtigen Amts zu den deutsch-sowjetischen Beziehungen 1989/90 (München: Oldenbourg, 2011). 27 Stefan Karner/Mark Kramer/Peter Ruggenthaler/Manfred Wilke (eds.), Der Kreml und die Wende 1989. Interne Analysen der sowjetischen Führung zum Fall der kommunistischen Regime (Innsbruck/Wien/Bozen: StudienVerlag, 2014). 28 Stefan Karner et al. (eds.) Der Kreml und die deutsche Wiedervereinigung 1990 (Berlin: Metro­pol, 2015).

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bemüht sind, die Haltung Moskaus zur deutschen Einheit stärker in die krisenhafte innere und wirtschaftliche Entwicklung des zerfallenden sowjetischen Imperiums einzubetten.29 Einen ebensolchen Ansatz verfolgt der Beitrag von Andreas Hilger, der an einigen der obengenannten Publikationen in sehr verdienstvoller Weise beteiligt war. Bisweilen wurde die britische Premierministerin Margaret Thatcher als schärfste Gegnerin der deutschen Einheit angesehen.30 2010 wurde eine britische Edition außenpolitischer Akten herausgegeben, die eine von der Politik Thatchers abweichende Sicht des Foreign Office deutlich erkennen lassen hat.31 An dem Befund, dass Thatcher ihre Ablehnung gegenüber der deutschen Einheit niemals aufge­ geben hat, auch wenn sie sich mit dieser letztlich abfinden musste, änderten diese neuen Dokumente kaum etwas. Hinnerk Meyer nimmt in seinem Aufsatz die britische Haltung, eingebettet in den größeren historischen Kontext, in den Blick. Zur Haltung Frankreichs und insbesondere des Präsidenten François Mitterrands sind bereits zahlreiche Interpretationen auf breiterer Quellenbasis erschienen. Die Einschätzungen gingen zum Teil diametral auseinander.32 Während sich in den verfügbaren französischen Akten keine ablehnenden Haltungen zur deutschen Einheit finden lassen,33 so erhalten diesbezügliche Annahmen 29 Wolfgang Mueller, The USSR and the Reunification of Germany, 1989–90, in: id./Michael Gehler/Arnold Suppan (eds.), The Revolutions of 1989. A Handbook (= Internationale Geschichte 2; Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2015), 321–353; id., Die Lage gleitet uns aus den Händen: Motive und Faktoren in Gorbatschows Entscheidungsprozess zur Wiedervereinigung Deutschlands, in: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED -Staat 39 (2016), 3–28; Stefan Creuzberger, Vom Mauerfall zur Wiedervereinigung: Die Sowjetunion und die deutsche Frage, in: Wolfgang Mueller/Andrea Schnöller/Hannes Stekl (eds.), 1989: Die Samtenen Revolutionen, Österreich und die Transformation Europas (=Austriaca; Wien: New Academic Press 2017), 56–76. 30 Siehe beispielsweise Klaus-Rainer Jackisch, Eisern gegen die Einheit. Margaret Thatcher und die deutsche Wiedervereinigung (Frankfurt am Main: Societäts-Verlag, 2004); Norbert Himmler, Zwischen Macht und Mittelmaß. Großbritanniens Außenpolitik und das Ende des Kalten Krieges (Berlin: Duncker & Humblot, 2001). 31 Documents on British Policy Overseas (DBPO), Series III, Vol. VII: German Unification, 1989–1990, ed. by Keith Hamilton/Patrick Salmon/Stephen Twigge (London/New York: Routledge, 2010); siehe auch DBPO, Series III, Vol. VI: Berlin in the Cold War, 1948–1990, ed. von Keith Hamilton/Patrick Salmon/Stephen Twigge, (London/New York: Routledge, 2009). 32 Zur Argumentation einer Strategie, die sowohl das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen anerkannte und gleichzeitig nach einem stabilen Ablauf im europäischen Rahmen verlangte siehe Frédéric Bozo, Mitterrand, la diplomatie française et la fin de la guerre froide (Paris: Odile, 2005); Tilo Schabert, Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit (Stuttgart: Klett-Cotta, 2002); dagegen mit Blick auf das Deutschlandbild Mitterrands in der Langzeitperspektive Ulrich Lappenküper, Mitterrand und Deutschland. Die enträtselte Sphinx (München: Oldenbourg, 2011). 33 Nunmehr liegt auch eine Edition französischer Außenministeriumsakten vor. Diese enthält keine ablehnenden Haltungen Mitterrands zur deutschen Einheit. Die Herausgeber Maurice Vaïsse und Christian Wenkel sprechen in ihrer Einleitung vom „Mythos“ einer Ablehnung der deutschen Einheit durch Mitterrand: Maurice Vaïsse/Christian Wenkel (eds.), La diplomatie française face à l’unification allemande (Paris: Tallandier, 2011).

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durch ausländische Quellenpublikationen immer wieder neue Nahrung.34 Tilo­ Schabert leistet auf Basis der jüngsten Quellenveröffentlichungen einen quellenkritischen Beitrag, der dahingehend argumentiert, dass die deutsche Frage für Mitterrand eine europäische Frage war. Insbesondere am Beispiel Frankreichs zeigt sich, dass die Haltung eines Staates zum Ende des Kalten Kriegs und zur „Wiedervereinigung“ Deutschlands nicht losgelöst von der spezifischen Interessenlage der Außenpolitik des jeweiligen Staats, in der ohne Ausnahme die europäische Integrationspolitik eine herausragende Rolle spielte, analysiert werden kann.35 Gerade in dieser Hinsicht bietet der Band neue Erkenntnisse und leistet einen innovativen Beitrag, da er bemüht ist, in den einzelnen Länderstudien diese wechselseitigen Abhängigkeiten deutlich zu machen. Die dritte Sektion des Bandes nimmt daher konsequenterweise drei neutrale Staaten, nämlich Irland, die Schweiz und Österreich in den Fokus. Zumeist wird nur als Randnotiz vermerkt, dass Irland im ersten Halbjahr 1990, also in den entscheidenden Monaten auf dem Weg zur deutschen Einheit, die EG -Ratspräsidentschaft innehatte. Mervyn O’Driscoll zeigt auf, dass insbesondere der irische Regierungschef Charles J. Haughey (ob aus europäischen oder spezifisch irischen Motiven) die Rolle eines ehrlichen Maklers innerhalb der Gemeinschaft einnahm und der bundesdeutschen Führung damit gute Dienste erwies. Die Schweiz wird von Georg Kreis anhand der Berichterstattung der Neuen­ Zürcher Zeitung abgehandelt. Dem zweiten neutralen Nachbarstaat Deutschlands wird aufgrund des Entstehungsortes des vorliegenden Bandes größere Aufmerksamkeit zu Teil. Maximilian Graf analysiert vor dem Hintergrund der österreichisch-doppeldeutschen Beziehungen die österreichische Haltung zum Ende der DDR und­ resümiert abschließend die Haltung der Wiener Regierung zur deutschen Einheit. Dahingehend werden im wesentlichen Ergebnisse von Michael ­Gehlers vor­hergehenden Analysen bestätigt, der sich in seinem Beitrag eingehend mit der Haltung der Bundesrepublik zu den österreichischen und ostdeutschen EG -­Poli­ tiken vor dem Hintergrund des deutschen Einigungsprozesses befasst. ­Andrea Brait macht in ihrem Aufsatz zu den Kulturbeziehungen Österreichs zur DDR 1989/90 deutlich, wie schwer der als Kulturnation stilisierten Alpenrepublik der Abschied von den „anderen“ österreichisch-deutschen Beziehungen fiel. Philipp Greilinger und Sarah Knoll bieten ein Panorama der internationalen Reaktionen auf die Vereinigung aus Sicht der österreichischen Diplomatie, das so manches – 34 Letter from Mr. Powell (Strasbourg) to Mr. Wall, Strasbourg, 8 December 1989 (= Documents 70, 71), in: DBPO, Series III, Vol. VII: German Unification, 1989–1990, 162–166. Gespräch des Vorsitzenden der SED -PDS , Gysi, mit Staatspräsident Mitterrand in OstBerlin, 21. Dezember 1989 (= Dokument 36) in: Die Einheit, 196–204. 35 Frédéric Bozo, France, German unification and European integration, in: id./MariePierre Rey/N. Piers Ludlow/Leopoldo Nuti (eds.), Europe and the End of the Cold War. A reappraisal (London/New York: Routledge, 2008), 148–160.

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mitunter hellsichtiges und pointiertes – „Schmankerl“ bereitstellt und somit, wie die Beiträge von Gehler und Graf, einen ersten Vorgeschmack auf die Edition der österreichischen Akten zur deutschen Frage 1987–90 darstellt.36 Der vierte Abschnitt ist den skandinavischen Staaten gewidmet. Hier werden Unterschiede zwischen den neutralen Staaten Finnland und Schweden sowie zwischen den mehr oder weniger direkten Nachbarn Deutschlands Dänemark und Norwegen sichtbar. Alle vier Beiträge nehmen zudem konsequent die Europapolitiken dieser Länder in den Blick. Während Aryo Makko für das neutrale Schweden aufzeigt, wie gut sich das Land im geteilten Europa zurechtgefunden hatte und zunächst recht langsam auf die Veränderungen des Jahres 1989 reagierte, wird im Beitrag von Juhana Auneslouma und Marjo Uutela einmal mehr deutlich, vor welch großen Veränderungen Finnland am Ende des Kalten Krieges stand und welche Rückwirkungen dies auf die Neutralitätspolitik des Landes hatte. Während Norwegen den deutschen Einigungsprozess befürwortete, wie Hans Otto Frøland deutlich macht, lässt sich im Beitrag von Thorsten Borring Olesen und Niels Wium Olesen erkennen, wie sehr im Falle Dänemarks histo­rische Hintergründe die Haltung zur deutschen Einheit (mit)bestimmten – wodurch offizielle und inoffizielle Positionen voneinander abwichen. Ähnliches lässt sich von den Niederlanden sagen, wo es große Auffassungsunterschiede zwischen Regierungschef und Außenminister gab. Anjo Harryvan und Jan van der Harst analysieren die niederländische Politik sowohl vor dem größeren Hintergrund der Umbrüche in Mittel- und Osteuropa sowie vor der Vertiefung der europäischen Integration. Selbiges gilt für den Beitrag von Steven Van Hecke zu Belgien. Siebo M. H. Janssen fokussiert insbesondere auf die luxemburgische Europapolitik bis ins 21. Jahrhundert. Es wird deutlich, dass für die Benelux-Staaten die europäische Einigung eine besondere Priorität darstellte, da der europäische Integrationsprozess am Ende des Kalten Krieges vor durchaus unterschiedlich wahrgenommenen neuen Herausforderungen stand. Die bis 1989 unter kommunistischer Herrschaft stehenden Staaten Ost- und Mitteleuropas standen während des deutschen Vereinigungsprozesses vor mannigfaltigen Herausforderungen und hatten die beginnende Transformation zu meistern. Dies wurde aber bereits andernorts eingehend analysiert.37 Die Be-

36 Michael Gehler/Maximilian Graf (eds.), Österreich und die deutsche Frage 1987–90. Vom Honecker-Besuch zur Einheit (erscheint voraussichtlich 2018). 37 Dieter Segert, Transformationen in Osteuropa im 20. Jahrhundert (Wien: Facultas, 2013); Philipp Ther, Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent. Eine Geschichte des neoliberalen Europa (Berlin: Suhrkamp, 2014); Michael Gehler, 1989: Ambivalent Revolutions with different Backgrounds and Consequences, in: Wolfgang Mueller/Michael Gehler/Arnold Suppan (eds.), The Revolutions of 1989. A Handbook (= Internationale Geschichte 2; Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2015), 587–604; id., Die revolutionären Ereignisse 1989 in Mittel- und Osteuropa. Ursachen – Anlässe – Strukturen – Verläufe – Wirkungen, in: Österreich und die Ostöffnung 1989. historisch-politische bildung. Themendossiers zur Didaktik von Geschichte, Sozialkunde und Politischer Bildung

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deutung Ungarns für das Zustandekommen der deutschen Einheit liegt nicht zuletzt in der Öffnung der Grenze zu Österreich für die DDR-Bürger im Spät­ sommer 1989 begründet.38 Andreas Schmidt-Schweizer vermag jedoch aufzuzeigen, dass auch der rasch befürwortete Einigungsprozess eine Herausforderung für das Land darstellte. Nahezu ebenso rasch positionierte sich die in Umgestaltung befindliche Tschechoslowakei, deren Beziehungen zu Deutschland (im Vergleich mit Ungarn) historisch erheblich stärker belastet waren, wohlwollend zur deutschen Einheit und zur NATO -Mitgliedschaft des geeinten Deutschlands, wie Miroslav Kunštát eingehend analysiert. Mit letzterer hatte auch Polen kein Problem. Jedoch boten insbesondere die Grenzfrage und die historischen Erfahrungen Anlass zu massiven Sorgen und Vorbehalten. Wie bedeutend dieses Thema für Polen war lässt sich auch in wissenschaftlicher Hinsicht leicht anhand der Tatsache ablesen, dass die polnischen Akten bereits in einer Edition publiziert wurden.39 Diese stellt eine der Hauptquellen des Beitrags von Dominik Pick dar. Wie nahe Einheit und Teilung in den Wendejahren zusammenlagen, zeigt nicht nur das Beispiel der friedlichen Scheidung der nun tatsächlich föderalen Tschechoslowakei in einen tschechischen und einen slowakischen Staat, sondern auch das Beispiel des blutigen Auseinanderbrechens Jugoslawiens, das so sehr mit seinen inneren Problemen beschäftigt war, dass der deutsche Einigungsprozess eher eine Nebenrolle spielte – wie Arnold Suppan in einem ersten Abriss zur Thematik betont. Zu Südeuropa bietet der Band zudem Beiträge zu Spanien, Portugal, Italien, Griechenland und auch der Türkei. Birgit Aschmann zeigt auf, wie sehr der spanische Ministerpräsident Felipe González für die zunächst einhellig positive Haltung seines Landes zur deutschen Einheit verantwortlich war. Im Falle Portugals, so David Schriffl, war die Einstellung zur „Wiedervereinigung“ von viel größerer Skepsis getragen. Im Gefolge der Wirtschaftskrise seit 2008 kamen einige der Vorbehalte wieder ans Tageslicht. Dies trifft noch viel stärker auf Griechenland zu, wo zuletzt, wie auch bereits im Zuge des Vereinigungsprozesses, die Frage der Reparationen aus der Kriegszeit eine große Rolle spielte, wie der Aufsatz von Andreas Stergiou deutlich macht. Im Falle Italiens wurde die Haltung der Politik und insbesondere die Position von Ministerpräsident Giulio Andreotti, der zumindest noch um den Jahreswechsel 1989/90 den Fortbestand von zwei deutschen Staaten wünschte, bereits Gegenstand wissenschaftlicher

(2015) 8, 7–14 (auch online abrufbar unter: http://www.didactics.eu/index.php?id=2899); id., Vom Glanz und Elend der Revolutionen. Die Umstürze in Mittel- und Osteuropa 1989 mit Blick auf die Jahre 2001 und 2011, in: Michael Corsten/Michael Gehler/Marianne Kneuer (eds.), Welthistorische Zäsuren. 1989 – 2001 – 2011 (= Hildesheimer Universitätsschriften 31; Hildesheim/Zürich/New York: Olms, 2016), 37–65. 38 Dazu grundlegend: Andreas Oplatka, Der erste Riß in der Mauer. September 1989 – Ungarn öffnet die Grenze (Wien: Zsolnay, 2009). 39 Włodzimierz Borodziej (ed.), Polska wobec zjednoczenia Niemiec 1989–1991. Dokumenty dyplomatyczne, (Warschau: Scholar, 2006).

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Forschungen.40 Deborah Cuccia weitet in ihrem Beitrag die Perspektive erheblich aus und zeigt auf, dass Italien in seiner Gesamtheit der deutschen Einigung erheblich positiver gegenüberstand. Für die Türkei war diese „weder Fluch, noch Segen“ wie Hüseyin Çiçek darlegt, und sie stand auch nicht im Mittelpunkt des Interesses. Das Land stand am Ende des Kalten Krieges vor anderen geopolitischen und innenpolitischen Herausforderungen. Bemerkenswert ist, wie sehr das Schicksal der türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland im Vergleich zu den politischen Umwälzungen medial präsent war. Zahlreiche Beiträge des Bandes machen deutlich, welche Bedeutung personelle und transnationale Netzwerke für die Positionierung der politischen Führung einiger Länder hatten  – Parteienkooperation und die europäischen Parteienfamilien spielten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Daher nimmt die letzte Sektion des Bandes zwei relevante transnationale Parteinetzwerke vor dem Hintergrund der Jahre 1989/90 in den Blick. Michael Gehler und Hannes­ Schönner zeigen, wie sehr die Europäische Demokratische Union (EDU)41 um eine aktive Rolle bemüht war. Die Sozialistische Internationale – so scheint es in einer ersten Analyse von Giovanni Bernardini – hinkte den Ereignissen hingegen etwas stärker hinterher. Dieses Themenfeld stellt jedenfalls weiterhin ein Desideratum der Forschung dar. Abschließend nimmt Michael Gehler eine Synthese der Ergebnisse des Bandes vor und zieht über die „Unvermeidbarkeit einer politischen Entscheidung“ in europäischer Perspektive Bilanz.

III. Dank Der Dank der Herausgeber gilt zunächst dem österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, dessen Förderung des Projekts „Aktenedition: Österreich und die deutsche Frage 1987–1990“ den Rahmen für die Durchführung der dem Band zugrundeliegenden Konferenzen bot. Die beiden Veranstaltungen wären ohne die Gastfreundschaft und Unterstützung, der ÖAW, des Haus-, Hof- und Staatsarchivs sowie des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien undenkbar gewesen. Stellvertretend für alle Beteiligten wollen wir Thomas Just und Oliver Rathkolb unseren Dank aussprechen. Die Durchführung dieser wissenschaftlichen Zusammenkünfte wurde von der tollen Arbeit des engagierten Projektteams bestehend aus Sarah Knoll, Phi40 Antonio Varsori, L’Italia e la fine della guerra fredda. La politica estera dei governi Andreotti (1989–1992) (Bologna: Mulino, 2013), 19–46; siehe auch Leopoldo Nuti, Italy, German unification and the end of the Cold War, in: Frédéric Bozo/Marie-Pierre Rey/N. Piers Ludlow/Leopoldo Nuti (eds.), Europe and the End of the Cold War. A reappraisal (London/ New York: Routledge, 2008), 191–203. 41 Siehe hierzu auch Michael Gehler/Marcus Gonschor/Hinnerk Meyer/Johannes Schönner (eds.), Mitgestalter Europas. Transnationalismus und Parteiennetzwerke europäischer Christdemokraten und Konservativer in historischer Erfahrung (St. Augustin/Berlin: Konrad-Adenauer-Stiftung, 2013).

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lipp Greilinger und Sophie Bitter-Smirnov getragen. Letztere hat auch das akribische und umsichtige Lektorat der Beiträge dieses Bandes besorgt und dessen rasches Zustandekommen koordiniert. Diese aktive Mannschaft hat wesentlich zum Gelingen des Projekts beigetragen. Abschließende Korrektur- und Registerarbeiten besorgte Frank Binkowski. Die Redaktion der englischsprachigen Beiträge erfolgte durch Gregory Weeks, der auch durch seine Expertise als Historiker zum Gelingen der Publikation beigetragen hat. Abschließend gilt es der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED -Diktatur und dem Leiter des Arbeitsbereichs Wissenschaft und Internationale Zusammenarbeit, Ulrich Mählert, für die Förderung der Publikation des vorliegenden Bandes, der außerdem durch Beiträge des Instituts für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung der ÖAW und des Instituts für Geschichte der Universität Hildesheim ermöglicht wurde, zu danken.

I. Der deutsche Einigungsprozess

Hanns Jürgen Küsters

Helmut Kohl, die CDU und die Wiederherstellung der deutschen Einheit

Die Ereignisse des Mauerfalls und der Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft in den ostmitteleuropäischen Staaten 1989/90 markierten das Ende der 45-jährigen Nachkriegszeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Welche Faktoren führten zu dem größten Erfolg der Diplomatie, die Teilung Europas zu überwinden und die Einheit Deutschlands wiederherzustellen? Welche Rolle Helmut Kohl spielte, ist bereits vielfach dargestellt worden.1 Welche Probleme er mit der eigenen Partei und innenpolitisch zu bewältigen hatte, vielleicht weniger. Es sind daher die innen- und außenpolitische Ausgangslage von Bundeskanzler Helmut Kohl und die parteiinternen Auseinandersetzungen in der CDU zu schildern, das internationale Krisenmanagement, die Weichenstellungen, Erfolgsfaktoren und Widerstände zu analysieren sowie zentrale Entscheidungen und Gefahren des Wiedervereinigungsprozesses aufzuzeigen.

I.

Innen- und außenpolitische Ausgangslage

Wie sah die innen- und außenpolitische Lage im Jahre 1989 aus? Erstens, der Kanzler befand sich in der Mitte der Legislaturperiode, von der keiner wusste, ob er an dessen Ende, nach mehr als acht Jahren Regierungszeit, ein drittes Mal zur Wiederwahl antreten werde.2 Immerhin hätte er dann nach Konrad Adenauer die zweitlängste Zeit regiert, etwas länger als Helmut Schmidt (1974–1982) und länger als die anderen Kanzler Ludwig Erhard (1963–1966), Kurt Georg Kiesinger (1966–1969) und Willy Brandt (1969–1974). 1 Henning Köhler, Helmut Kohl. Ein Leben für die Politik. Die Biografie (Köln: Quadriga, 2014), 626–740; Andreas Rödder, Deutschland einig Vaterland. Die Geschichte der Wiedervereinigung (München: C. H. Beck, 2009); Hanns Jürgen Küsters, Das Ringen um die deutsche Einheit. Die Regierung Helmut Kohl im Brennpunkt der Entscheidungen 1989/90 (Freiburg, Breisgau/Basel/Wien: Herder, 2009); Karl-Rudolf Korte, Deutschlandpolitik in Helmut Kohls Kanzlerschaft. Regierungsstil und Entscheidungen 1982–1989 (= Geschichte der Deutschen Einheit, Band 1; Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1998), 438–477; Bundesministerium des Innern unter Mitwirkung des Bundesarchivs (eds.), Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90, bearb. von Hanns Jürgen Küsters/ Daniel Hofmann (= Dokumente zur Deutschlandpolitik; München: Oldenbourg, 1998). 2 Hans-Peter Schwarz, Helmut Kohl. Eine politische Biographie (München: Deutsche VerlagsAnstalt, 22012), 491–505.

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Hanns Jürgen Küsters

Zweitens, die innenpolitische Stimmungslage des Kanzlers war schlecht. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion herrschte Unmut angesichts fallender Popu­ lari­täts­werte für Kanzler und Koalition und der seit drei Jahren anhaltenden Wahlniederlagen bei Landtagswahlen und mit Blick auf acht anstehende Wahlen.3 Themen mit Zündstoff harrten der Regelung: Steuerreform, Länderfinanzausgleich, Kostendämpfung im Gesundheitswesen, Erneuerung der Krankenversicherung und der Einstieg in die Teilprivatisierung der Deutschen Bundespost. In der Fraktion staute sich Wut über die „hundsmiserable Stimmung“ an der Parteibasis. Angst vor dem Machtverlust bei den Ende 1990/Anfang 1991 fälligen Bundestagwahlen ging um. Auch behagte so manchen in der Fraktion, die sich zum Vollzugsorgan der Regierung degradiert sahen, die Rolle des Kanzlers als übermächtiger Herrscher nicht.4 Kohl reagierte im April 1989 mit einem Kabinettsrevirement. Das hielt den selbsternannten Kanzler-Nachfolger, den badenwürttembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth, gemeinsam mit CDUGeneralsekretär Heiner Geißler und Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth, nicht von dem Versuch ab, auf dem Bremer Parteitag im September Kohl zunächst als Parteivorsitzenden, dann als Kanzler ablösen zu wollen. Kohl entzog im August dem Putschversuch den Boden, indem er ankündigte, Volker Rühe zum neuen Generalsekretär vorzuschlagen und damit Geißler hinauswarf.5 Drittens, auch in der Deutschlandpolitik war der Kurs der CDU nicht unumstritten. Die offizielle Position der CDU war stets: „Die deutsche Frage ist offen“. Es sollte heißen: Die Teilung Deutschlands wird nicht als endgültig und abschließend geregelt anerkannt. Eines Tages bestand die Notwendigkeit einer Entscheidung. Angesichts des Modus videndi in den innerdeutschen Beziehungen schien es tunlich, die Forderung nach Wiederherstellung der deutschen Einheit nicht gebetsmühlenartig zu wiederholen, sie jedoch im Hinterkopf zu haben. Damit fanden sich nicht alle in der CDU/CSU-Bundestagfraktion ab. So forderte Bernhard Friedmann verschiedentlich, die deutsche Frage wieder aktiv „auf die Tagesordnung der Weltpolitik“ zu setzen.6 Als einer der schärfsten Kritiker Kohls, dem er eine zögerliche Haltung vorwarf, hielt Friedmann die Wiedervereinigungsabsichten zu „einem Merkposten verkommen“. Er wollte die Abrüstungschancen nutzen und plädierte dafür, „durch Abrüstung zu Wiedervereinigung und Frieden“ zu kommen.7 Vor dem Wiesbadener Parteitag 1988 mehrte sich Kritik der Altvorderen wie Rainer Barzel und Karl Carstens, als vom Ziel der Wieder­vereinigung kaum noch die Rede war.8 Zudem schien sich die Haltung 3 Helmut Kohl, Erinnerungen 1982–1990 (München: Droemer, 2005), 721. 4 Ulrich Reitz, Wolfgang Schäuble. Die Biographie (Bergisch Gladbach: Lübbe, 1996), 80. 5 Kohl, Erinnerungen 1982–1990, 929–930. 6 Bernhard Friedmann, Einheit statt Raketen. Thesen zur Wiedervereinigung als Sicherheitskonzept (Herford: Busse + Seewald, 1987), 52–55. 7 Bernhard Friedmann, Undenkbares denken. Nicht alles unter den Teppich kehren (Reinbeck/München: Lau, 2015), 54–57, 114–117. 8 Korte, Deutschlandpolitik in Helmut Kohls Kanzlerschaft, 398–401. Dazu auch Schwarz, Helmut Kohl, 470–471.

Helmut Kohl, die CDU und die Wiederherstellung der deutschen Einheit

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des SED -Chefs Erich Honecker eher zu versteifen, nachdem erstmals nach dessen Bonn-Visite 1987 im Februar 1989 wieder ein Mensch von DDR-Grenzsoldaten, nämlich Chris Gueffroy, an der Mauer getötet worden war. Viel bewegte sich in den innerdeutschen Beziehungen nicht, obgleich sich deutsche Ministerpräsidenten der Reihe nach in Ost-Berlin die Türklinke in die Hand gaben.­ Honecker behauptete in einem Gespräch mit dem SPD -Vorsitzenden Hans-­ Jochen Vogel im Mai 1989, generell werde an der Grenze nicht geschossen.9 Viertens, Diskussionen über Kohls zögerliche Haltung gegenüber Michail Gorbatschows Reformkurs und sein Patzer im „Newsweek“-Interview10 durch den Vergleich Gorbatschows mit Goebbels hatten zweifelsohne Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und Bundespräsident Richard von ­Weizsäcker Mühe gekostet, den Schaden im bilateralen Verhältnis einigermaßen zu reparieren.11 Zwar war der erste Schritt durch den Besuch Kohls im Oktober 1988 in Moskau getan,12 der eingesehen hatte, dass seine Einschätzung Gorbatschows falsch war,13 jedoch war der Erfolg durch konkrete Fortschritte nicht abzusehen. Fünftens, europapolitisch standen die Zeichen eher schlecht, da die britische Premierministerin sich strikt gegen den Einstieg in eine Übergangsphase zu einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion wehrte,14 der französische Franc immer mehr an Wert gegenüber der D-Mark einbüßte und sich diese international zur dritten Leitwährung neben dem US -Dollar und dem Yen aufschwang. Sechstens, die weiteren außenpolitischen Rahmenbedingungen waren zum einen bestimmt durch den Wechsel der Administration in Washington von­ Ronald Reagan zu George H. W. Bush, der Möglichkeiten zur Überwindung des harten Konfrontationskurses mit Moskau erkannte, weil die Schwierigkeiten der sowjetischen Wirtschaft von Tag zu Tag wuchsen. Zum anderen war der Wandel in den deutsch-sowjetischen Beziehungen nach Gorbatschows Besuch Mitte Juni

9 Hans-Jochen Vogel, Nachsichten. Meine Bonner und Berliner Jahre (München/Zürich:­ Piper, 21996), 283–284. 10 Zu dem Interview des Bundeskanzlers mit dem US -Nachrichtenmagazin Newsweek im Oktober 1986 und dessen Äußerung über Gorbatschow sowie dem anschließenden Dementi: Kohl, Erinnerungen 1982–1990, 450–451. 11 Zur Übergabe des von Kohl autorisierten Textes der Richtigstellung an Gorbatschow: Hans-Dietrich Genscher, Erinnerungen (Berlin: Siedler, 1995), 517–518. Richard von Weizsäcker, Vier Zeiten. Erinnerungen (Berlin: Siedler, 1997), 339–343. 12 Kohl, Erinnerungen 1982–1990, 755–759, 763–772. Gespräch Gorbatschow – Kohl, Moskau, 24.10.1988 (Auszug), in: Aleksandr Galkin/Anatolij Tschernjajew (eds.), Michail Gorbatschow und die deutsche Frage. Sowjetische Dokumente 1986–1991. Deutsche Ausgabe, Helmut Altrichter/Horst Möller/Jürgen Zarusky (eds.), kommentiert von Andreas Hilger, aus dem Russischen übertragen von Joachim Glaubitz (München: Oldenbourg, 2011), ­122–126. 13 Kohl, Erinnerungen 1982–1990, 441. 14 Margaret Thatcher, Downing Street No. 10.  Die Erinnerungen (Düsseldorf/Wien/New York: Econ, 1993), 1023–1040.

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1989 in Bonn und der Verabschiedung der Gemeinsamen Erklärung15 unverkennbar, in dem der KPdSU-Chef erstmals das Selbstbestimmungsrecht der Völker anerkannte. Es waren die wirtschaftlichen Versorgungsschwierigkeiten, die ihn zu einer flexibleren Haltung in der Rüstungskontrollpolitik zwangen, wobei er zunehmend auf bundesdeutsche Wirtschaftshilfe setzte. Der Regierungswechsel bei den Wahlen zum Sejm Anfang Juni in Polen, bei der die Kommunisten eine katastrophale Wahlniederlage erlitten und nun demokratisch gesinnte Kräfte unter Tadeusz Mazowiecki die Regierung bildeten,16 eröffnete Perspektiven für einen Neuanfang in den bilateralen Beziehungen. Polen wurde zum Prüfstein für den sich im Ostblock vollziehenden Wandel. Zwischen Kohl, Bush, Margaret Thatcher und François Mitterrand herrschte weitgehend Einvernehmen darüber, in einer großen Unterstützungsaktion für die demokratische Regierung in Polen den Demokratisierungsprozess in Ostmitteleuropa weiter voranzubringen. Überdies ließ auch die Vereinbarung zwischen dem amerikanischen Außenminister James Baker III. und dem sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse am 22./23. September 1989 in Jackson Hole (Wyoming) erkennen, dass Gorbatschow zu wirklichen Fortschritten in der Rüstungskontrollpolitik bereit war. Immerhin wurden Vereinbarungen über die Kontrolle von Chemiewaffen, die gegenseitige Ankündigung größerer strategischer Übungen sowie über Prinzipien bei der Ausführung verifizierender und stabilisierender Maßnahmen nach Abschluss des Vertrages über die Verringerung und Begrenzung strategischer Offensivwaffen (START-Vertrag) getroffen.17

II.

Krisenmanagement, Weichenstellungen, Erfolgsfaktoren und Widerstände

Die Ereignisse, die zum Fall der Mauer am 9. November 1989 führten, sind weitgehend von der Forschung aufgearbeitet worden.18 Wichtiger waren die anschließend eingeschlagenen Strategien, das persönliche Krisenmanagement der Staats- und Regierungschefs und ihre Steuerung der Entscheidungsprozesse, die im Folgenden näher beleuchtet werden. Bekanntlich wurde die Bundesregierung von dem schnellen wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruch der DDR gegen Ende des Jahres 1989 selbst 15 Gemeinsame Erklärung, unterzeichnet von Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Gorbatschow am 13.6.1989, in: Bulletin, ed. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Nr. 61, Bonn, 15.6.1989, 542–544. 16 Klaus Ziemer, Zwischen Misstrauen und Hoffnung. Polen und die deutsche Vereinigung, in: Klaus-Dietmar Henke (ed.), Revolution und Vereinigung 1989/90. Als in Deutschland die Realität die Phantasie überholte (München: dtv, 2009), 509–524. 17 Wortlaut der Übereinkommen, 23.9.1989, in: Department of State Bulletin (1989) 2152 (Washington D. C.: United States Department of State, November 1989), 18–22. 18 Hans-Hermann Hertle, Chronik des Mauerfalls Die dramatischen Ereignisse um den 9. November 1989 (Berlin: Ch. Links, 122009).

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überrascht. Kohl nutzte die instabile Lage in der DDR nicht ungestüm für eine ausschließlich nationale Interessenpolitik aus. Er zögerte, wollte behutsam die Entwicklung handhaben. Ein Konzept für die Wiedervereinigung existierte im Bonner Bundeskanzleramt nicht. Grotesk war, dass der Anstoß zur Ausarbeitung eines Wiedervereinigungskonzepts aus jenen Kreisen orthodoxer Deutschlandpolitiker in Moskau kam, die jahrzehntelang die Wiedervereinigungspolitik der Bundesregierung boykottiert hatten. Die Frage des sowjetischen Beraters Nikolai Portugalow gegenüber dem außenpolitischen Berater Kohls, Horst Teltschik, nach Überlegungen der Bundesregierung zu einer möglichen Wiedervereinigung löste im Bundeskanzleramt Diskussionen um das Zehn-PunkteProgramm aus.19 Es stellte ein vorsichtiges Langzeitprogramm auf dem Weg zu einer deutsch-deutschen Vertragsgemeinschaft über eine Konföderation bis eines Tages hin zur Vollendung der deutschen Einheit dar. Kohl hatte eine klare Vorstellung davon, was unter der Wiederherstellung der deutschen Einheit zu verstehen sei: nicht die Wiederherstellung des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937,20 sondern die Zusammenfügung der Territorien der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik und Berlins. Damit knüpfte er im Grunde an die Vorstellung an, die der Völkerrechtsprofessor und bundesdeutsche Diplomat Wilhelm Grewe bereits 1952 in einem Kommentar zum Deutschlandvertrag von 1952 erstmals dargelegt hatte. Dieses Vertragswerk sei „zwar kein Friedensvertrag, aber doch immerhin ein provisorischer Kriegsabschlußvertrag“.21 Angesichts der westalliierten Vorbehaltsrechte mit Bezug auf „Deutschland als Ganzes“ beschrieb Grewe, wie der Begriff „Wiedervereinigung Deutschlands“ wohl zukünftig verstanden werden müsse, und zwar „in erster Linie“ als „die Beseitigung der noch bestehenden innerdeutschen Zonengrenzen und die Errichtung einer gesamtdeutschen Zentralregierung“. Unter „Herstellung eines einheitlichen Staatswesens“ verstand er „die Gebiete der Bundesrepublik, der sog. ‚Deutschen Demokratischen Republik‘ sowie West- und Ost-Berlins“. Er wies darauf hin, ein „Deutschland dieses gebietsmäßigen Umfanges“ habe „es jedoch niemals gegeben“. Zugleich betonte er, in internationalen Vereinbarungen und besatzungsrechtlichen Bestimmungen nach 1945 sei mit „Deutschland“ immer das Reichsgebiet in den Grenzen

19 Horst Teltschik, 329 Tage. Innenansichten der Einigung (Berlin: Siedler, 1991), 42–45; Stefan Karner/Mark Kramer/Olga Pavlenko/Peter Ruggenthaler/Manfred Wilke, Der Kreml und der deutsche Vereinigungsprozess 1989/90, in: Stefan Karner/Mark Kramer/Peter Ruggenthaler/Manfred Wilke u. a. (eds.), Der Kreml und die deutsche Wiedervereinigung 1990. Interne sowjetische Analysen (Berlin: Metropol, 2015), 13–108, hier 30–32. 20 Kohl, Erinnerungen 1982–1990, 906. 21 Wilhelm Grewe, Einführung. System und Grundgedanken des Bonner Vertragswerkes, in: Bonner Vertrag. Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten nebst Zusatzvereinbarungen und Briefwechsel, erläutert von Hans Kutscher, mit einer Einführung von Wilhelm Grewe (München/Berlin: E. H. Becksche Verlagsbuchhandlung, 1952), 1–22, hier 4.

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vom 31.  Dezember 1937 gemeint gewesen sei. Kohl hatte stets dieses wiedervereinigte Deutschland vor Augen und beabsichtigte zu keinem Zeitpunkt, die Oder-Neiße-Grenze als Ostgrenze in Frage zu stellen oder zu verschieben.22 Welche Faktoren waren nun für den Erfolg, das Erreichen der deutschen Einheit, ausschlaggebend? Erstens, allseits bekannt, aber dennoch zentral, war die Tatsache: Die persönlichen Beziehungen unter den Entscheidungsträgern ließen Kompromisse zu, weil die persönliche Chemie stimmte sowohl zwischen Bush und Gorbatschow, als auch zwischen Kohl und Bush sowie zwischen Kohl und Gorbatschow. Ebenso traf dies im Prinzip für das Verhältnis Kohls zu Mitterrand zu; allein die Beziehung Kohls zu Thatcher war angespannt. Zweitens, die Parteien hatten in der Deutschlandpolitik eine Situation erreicht, die Handlungszwang produzierte und aktives Handeln erforderlich machte. Innerdeutsch wegen der anhaltenden Fluchtbewegung der Menschen aus der DDR in die Bundesrepublik, ökonomisch wegen der Schwäche der Sowjetunion. Ein „Weiter-so“ hätte keine Partei zulassen können. Bonn wollte den Flüchtlingsstrom bremsen, Moskau konnte dem nicht auf Dauer tatenlos zusehen, ohne zu intervenieren oder eine grundlegende Änderung der Deutschlandpolitik vorzunehmen.23 Drittens, auf allen Seiten obsiegte die Rationalität und nicht die Emotion.­ Gorbatschow verzichtete auf militärisches Eingreifen, weil er ansonsten seine Politik der Perestrojka selbst desavouiert hätte. Bush und Kohl nutzten die sowjetische Schwäche nicht einseitig aus. Mitterrand und Thatcher kalkulierten auf alte sowjetische Positionen und glaubten nicht, dass Gorbatschow das Faustpfand, die DDR , aus der Hand geben und freie Wahlen zulassen werde, geschweige denn es zu einem sowjetischen Truppenrückzug aus der Mitte Europas kommen würde. Viertens, es bestand notgedrungen allseits ein gewisser Kompromisswille, eine Bereitschaft, die deutsche Frage zu lösen. Nicht aus dem Willen, den Status quo in Europa grundlegend zu verändern, sondern aus einer gewissen moralischen Pflicht den Deutschen gegenüber, ihnen 45 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg das Selbstbestimmungsrecht nicht mehr verweigern zu können. Denn in Wirklichkeit herrschten bei den europäischen Nachbarregierungen teils große Skepsis, teils heftige Bedenken, angefangen von den Niederlanden, Frankreich, Italien, Österreich,24 der Schweiz und den ostmitteleuropäischen Staaten über ein wiedervereinigtes Deutschland als Zentralmacht in der Mitte Europas.25 Allein Spanien bildete hier eine gewisse Ausnahme.26 Das Dilemma 22 Kohl, Erinnerungen 1982–1990, 388, 1043–1044 . 23 Karner/Kramer/Pavlenko/Ruggenthaler/Wilke, Der Kreml und der deutsche Vereinigungsprozess 1989/90, 37–38. 24 Siehe dazu die Beiträge von Maximilian Graf und Michael Gehler in diesem Band. 25 Vorlage Teltschik an Kohl, 30.11.1989, in: Deutsche Einheit, 574–577. 26 Vgl. hierzu den Beitrag Birgit Aschmanns in diesem Band.

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bestand darin, den Deutschen die Wiedervereinigung nicht verwehren und die Folgen für die Tektonik der veränderten neuen europäischen Ordnung nicht einschätzen zu können. Fünftens, Gorbatschow erkannte, dass er den Rüstungswettlauf nicht werde mitgehen können, und versuchte, der Gefahr zu entrinnen, dass die Entwicklung in Europa ohne ihn weitergeht und die Menschen sich abwenden. Mitterrand hoffte, die Wiedervereinigung so lange wie möglich hinauszögern zu können,27 Frankreich an die D-Mark in einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu binden und damit die „deutsche Atombombe“ unter Kontrolle zu behalten. Durch den ABC-Waffenverzicht Kohls als Bedingung jeglicher Wiedervereinigung28 blieb Frankreich das militärische Prä gegenüber Deutschland erhalten. Bush setzte auf die Bindung Deutschlands in der NATO, was auch Thatcher letztlich überzeugen müsste. Sechstens, die Strategie und das Timing stimmten, als der Wiedervereinigungsprozess sich mit größerer Dynamik vollzog, als alle Beteiligten erwartet hatten. Dazu trafen Kohl und Bush wichtige strategische Entscheidungen. Nach dem Gipfeltreffen des amerikanischen Präsidenten mit Gorbatschow auf Malta Anfang Dezember 1989 signalisierte Bush dem Kanzler beim Gespräch in Laeken Unterstützung, wenn Kohl den Wiedervereinigungsprozess nicht unnötig forcierte.29 Bush teilte als einziger das strategische Verständnis Kohls für die Situation. Der Präsident hegte allerdings Skepsis hinsichtlich Gorbatschows Nichteinmischungserklärung. Deshalb tendierte er zur Rücksichtnahme. Sein Problem war, herauszufinden, wie viel Freiheit die Sowjetunion den osteuropä­ ischen Staaten wirklich gewährte, vor allem im Hinblick auf Polen. Außerdem war Bush unsicher, ob alle Kräfte in der Sowjetunion den Verlust der DDR hinnehmen würden. Er wollte Gorbatschow nicht unter Zwang setzen, um ihm oder konservativen Kräften keinen Vorwand zur Intervention zu bieten oder Kräfte gegen ihn aufzubringen. Die Opposition Frankreichs und Großbritanniens gegen die Wiedervereinigung – sowohl prozedural als auch substantiell – wollten Kohl und Bush gemeinsam überwinden. Entscheidende Voraussetzung dafür war die NATO -Mitgliedschaft Deutschlands.

27 Ulrich Lappenküper, „La faiblesse soviétique fait la force des Allemandes“. François Mitterrand und die Wiedervereinigung Deutschlands 1989/90, in: Klaus Hildebrand/Udo Wengst/Andreas Wirsching (eds.), Geschichtswissenschaft und Zeiterkenntnis. Von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Festschrift zum 65. Geburtstag von Horst Möller (München: Oldenbourg, 2008), 383–395; Ulrich Lappenküpper, Mitterrand und Deutschland. Die enträtselte Sphinx (München: Oldenbourg, 2011). Dazu auch Maurice Vaïsse/Christian Wenkel (eds.), La diplomatie française face à la l’unification allemande. D’après des archives inédites (Paris: Tallandier, 2011); Frédéric Bozo, Mitterrand, the End of the Cold War, and German Unification (= Berghahn Monographs in French Studies Volume 9; New York/ Oxford: Berghahn, 2009), 168–170. 28 Gespräch Kohl – Bush, Camp David, 24.2.1990, in: Deutsche Einheit, 860–873, hier 865. 29 Gespräch Kohl – Bush, Laeken, 3.12.1989, in: Deutsche Einheit, 600–609.

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Die Bundesregierung und die Bush-Administration drängten im Januar und Februar 1990 darauf, die inneren30 von den äußeren Fragen der deutschen Einheit zu trennen. Kohl entschloss sich zum richtigen Zeitpunkt zu einem Strategiewechsel, indem er drei Grundsatzentscheidungen traf. Er warf das Konzept einer Vertragsgemeinschaft über Bord und strebte die Wiedervereinigung in Form einer bundesstaatlichen Lösung so schnell wie möglich an. Zudem wollte er mit dem Vorschlag einer deutsch-deutschen Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der DDR die innerstaatliche Wiedervereinigung vorantreiben. Mit der Abkoppelung der Regelung der Fragen der inneren Wiedervereinigung von denen der äußeren Aspekte in den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen bekamen die Deutschen das Heft des Handelns zum Teil selbst in die Hand. Die deutsche Wirtschafts- und Währungsunion erlangte eine Art Zugpferd-Funktion, nicht die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen. Gleichzeitig hielt die Bundesregierung die Krisenlage in der DDR solange aufrecht und verweigerte der DDR umfangreiche Wirtschafts- und Finanzhilfen, bis eine demokratische Regierung gewählt war,31 die Mitte Mai 1990 den Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der Bundesrepublik unterzeichnete. Schließlich entschied sich die Bundesregierung, den verfassungsrechtlich vorgezeichneten Weg des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik nach Artikel 23 Grundgesetz zu gehen. Darüber hinaus gelang es dem Kanzler, mit der Wahl der parteipolitischen Bündnispartner in der DDR und der Zusammenführung der „Allianz für Deutschland“, eine parteipolitische Wahlkampfplattform für die Volkskammerwahlen zu schaffen und über die Parteigremien Einfluss auf die innenpolitische Entwicklung in der DDR zu bekommen.32 Ebenfalls im Januar 1990 gab auch die Regierung Bush ihre Strategie der Schritt-für-Schritt-Politik auf und drängte auf eine schnelle W ­ iedervereinigung. Die veränderte Taktik beruhte auf der Überlegung, Deutschland nicht vor die Wahl „Einheit oder Allianz“ zu stellen. Hauptsorge war, dass diese Frage erst gar nicht aufgeworfen würde; und erst recht nicht die Option „Einheit oder Allianz mit der Sowjetunion“ in Betracht käme. In diesem Sinne schrieb Bush dem Kanzler, unmittelbar bevor dieser am 10.  Februar 1990 mit Gorbatschow in Moskau zusammentraf.33 Die amerikanische Strategie zielte auf die Unterstützung des Kanzlers, Einheit und Souveränität Deutschlands wiederherzustellen und das Land an den Westen zu binden. Es war die richtige Strategie von Bush und Kohl, damit Gorbatschow in die Enge zu treiben, um ihm die entscheidende Konzession, die NATO -Mitgliedschaft Deutschlands, abringen zu können. 30 Dazu Wolfgang Jäger in Zusammenarbeit mit Michael Walter, Die Überwindung der Teilung. Der innerdeutsche Prozeß der Vereinigung 1989/90 (= Geschichte der Deutschen Einheit Band 3; Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1998), 405–525. 31 Wolfgang Schäuble, Der Vertrag. Wie ich über die deutsche Einheit verhandelte, ed. und mit einem Vorwort von Dirk Koch/Klaus Wirtgen (Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1991), 22–24. 32 Kohl, Erinnerungen 1990–1994, 37–40. 33 Schreiben Bush an Kohl, 9.2.1990, in: Deutsche Einheit, 784–785.

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Siebtens, Gorbatschow hatte die Wiedervereinigung nicht bewusst und zielstrebig vorangetrieben. Vielmehr nahm er sie als Folge der Entwicklung hin, da ihm keine gewaltlose Alternative blieb. Beim Gipfeltreffen mit Bush bestätigte er das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen und machte damit einen nächsten Schritt hin zur Gewährung freier Wahlen in der DDR .34 Das minderte die Sorgen der Amerikaner über einen möglichen Einsatz von Gewalt. Doch fühlte sich Gorbatschow von Kohls Zehn-Punkte-Programm überrollt. Er erwartete keineswegs die deutsche Einheit so kurzfristig, vielmehr hoffte er auf den Reformschub in der DDR . Der Prozess der Wiedervereinigung, so schätzte er, werde noch eine lange Zeit dauern.35 Bis dahin würden gemeinsame europäische Institutionen geschaffen sein, nicht unter amerikanischem, sondern europäischem Schirm. Das ursprüngliche Denken kreiste um eine Form von Assoziation, vielleicht Konföderation in Deutschland. Die Rede Schewardnadses Mitte Dezember 1989 vor dem Europäischen Parlament in Brüssel belegte jedoch: Die Sowjets wollen sich nicht in Gegensatz zu Deutschland setzen; sie zeigten Elemente auf, die sie in der deutschen Frage für regelungsbedürftig hielten. Das hieß, sie wollten den Prozess politisch beeinflussen. Moskau unterschätzte allerdings die amerikanische Unterstützung für die Wiedervereinigung.36 Gorbatschow tat selbst wenig zur Mobilisierung der Gegenkräfte in Paris und London. Gleichwohl lag der Schlüssel zur Wiedervereinigung bei ihm. Nur er konnte den Deutschen die Wiedervereinigung anbieten, die Westmächte vermochten dies alleine nicht, obgleich in der sowjetischen Führung auch ein solcher Schritt nicht für ausgeschlossen gehalten wurde. Die Westmächte konnten vor allem Garantien geben. Aufgrund des enormen äußeren Drucks war Gorbatschow schneller zu einer Offerte gezwungen, als er ursprünglich beabsichtigt hatte. In der Folgezeit reagierte er mehr, als er agierte. Für seine Entscheidung Ende Januar 1990, den Deutschen das Selbstbestimmungsrecht zu gewähren, spielten die erhebliche finanzpolitische Zwangslage und massive Versorgungsschwierigkeiten ebenso eine Rolle wie die Erkenntnis, dass die Entwicklung in Deutschland und die Achtung des Selbstbestimmungsrechts ohne Gewaltanwendung nicht mehr aufzuhalten war.37 Die Massen34 Gespräche Gorbatschow  – Bush, Malta, 2.12.1989 und 3.12.1989, Auszüge in: Galkin/ Tschernjajew, Michail Gorbatschow und die deutsche Frage, 249–254. 35 Gespräch Gorbatschow – Genscher, 5.12.1989, Auszug, in: ibd., 254–265, hier 257–259. 36 Rede Schewardnadses vor dem Politischen Ausschuss des Europäischen Parlaments, 18.12.1989, Brüssel 1989, in: Europa-Archiv, Zeitschrift für Internationale Politik 45 (1990), D127–D136, und vor dem Europäischen Parlament, 19.12.1989, in: Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland (ed.), Umbruch in Europa. Die Ereignisse im 2.  Halbjahr 1989. Eine Dokumentation (Bonn: Auswärtiges Amt, 1990), 146–153. Dazu auch Rafael Biermann, Zwischen Kreml und Kanzleramt. Wie Moskau mit der deutschen Einheit rang (Paderborn/München/Wien: Schöningh, 1997), 367–370, 421. 37 Rede Schewardnadse auf dem Plenum des Zentralkomitees der KPdSU, 6.2.1990, in: Karner/Kramer/Pavlenko/Ruggenthaler/Wilke, Der Kreml und die deutsche Wiedervereinigung 1990, 151–156, hier 153.

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demonstrationen der Bürger in der DDR setzten Moskau unter Handlungsdruck. Gorbatschow musste schon im Januar 1990 auf die Bundesregierung zugehen und um Wirtschafts- und Finanzhilfe bitten.38 Selbst wenn er bis Ende des Jahres 1989 noch gezögert hatte, in welche Richtung er sich deutschlandpolitisch bewegen sollte, so war ihm spätestens nach dem Zusammenbruch des Staatssicherheitsapparates der DDR Mitte Januar klargeworden, dass der Staat DDR nicht mehr zu retten war. Zeitweise hinkte er den Entscheidungen hinterher. Stets waren sich Gorbatschow und einige seiner Berater aber darüber im Klaren, wann sie welche Zugeständnisse machen mussten, um vom Westen dafür Gegenleistungen einzuhandeln. Das wechselseitige Bedürfnis nach bilateraler Zusammenarbeit zwischen Bonn und Moskau nutzten sie dabei geschickt aus. Achtens, Mitterrand und Thatcher hatten der Strategie von Bush und Kohl keine Alternative entgegenzusetzen. Mitterrand war in seiner Haltung unentschlossen. Ihn verwunderte zwar der Gewaltverzicht der Sowjetunion zur Lösung der Krise in der DDR . Doch sah er Ende 1989 die Wiedervereinigung noch längst nicht kommen und propagierte zunächst die Idee einer europäischen Konföderation.39 Kohl war in seinen Augen unentschlossen, weil sein ZehnPunkte-Programm das Wort Wiedervereinigung nicht enthielt und nur von Konföderation die Rede war. Vor allem setzte Mitterrand auf Gorbatschows ablehnende Haltung.40 Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Sowjetunion letztlich ihre Zustimmung zur Wiedervereinigung geben würde. Damit versäumte er, selbst eine aktive Rolle in diesem Prozess zu übernehmen. Mitterrand teilte mit Thatcher dieselben historischen Befürchtungen gegenüber einem vereinten Deutschland. Aus französischer Sicht war es angenehmer, wenn Deutschland geteilt bliebe. Doch war für ihn vorrangig, wie sich die anderen Mächte verhalten würden. Thatcher hingegen war von Beginn an gegen die Wiedervereinigung.41 Sie hegte vor allem geopolitische Besorgnisse, dass Deutschland die dominierende Nation in den Europäischen Gemeinschaften werde. Sie wollte die Demokratisierung der DDR vorantreiben und gleichzeitig die Wiedervereinigung hinauszögern. Ein zu schnelles Zustandekommen würde aus ihrer Sicht drei 38 Teltschik, 329 Tage, 100–102; Anatoli Tschernajew, Die letzten Jahre einer Weltmacht. Der Kreml von innen (Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1993), 275–276. 39 Zur Neujahrsansprache Mitterrands, 31.12.1989: Frédéric Bozo, The Failure of a Grand Design. Mitterrand’s European Confederation, 1989–1991, in: Contemporary European History 17 (2008), 391–412. 40 Zur Rolle Mitterrands im Wiedervereinigungsprozess: Lappenküper, Mitterrand und Deutschland, 259–302. 41 Klaus Larres, Margaret Thatcher and German Unification Revisited, in: Wolfgang Mueller/ Michael Gehler/Arnold Suppan (eds.), The Revolutions of 1989. A Handbook (Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2015), 355–384; Anne Deigthon, Britain, Margaret Thatcher, and the End of the Cold War, in: Hanns Jürgen Küsters (ed.), Der Zerfall des Sowjetimperiums und Deutschlands Wiedervereinigung. The Decline of the Soviet Empire and Germany’s Reunification (Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2016), 247–253.

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unerfreuliche Entwicklungen begünstigen: zum einen die Stärkung des europäischen Föderalismus zur Bindung Deutschlands; zum anderen den Erhalt der deutsch-französischen Achse, mit dem Deutschland ebenfalls gebunden bliebe, und schließlich die Gefahr eines schrittweisen Abzugs amerikanischer Truppen aus Europa. Dahinter stand die Annahme, eine stärker integrierte Europä­ ische Gemeinschaft werde unter maßgeblicher deutscher Führung sowohl stabil als auch in der Lage sein, sich um ihre Verteidigung selbst zu kümmern. Thatchers deutschlandpolitische Strategie scheiterte,42 als sie im Januar 1990 vergeblich versuchte, dem wiedervereinigten Deutschland eine britisch-französische Entente-Politik entgegenzusetzen, der sich Mitterrand versagte. Denn auch Polen konnte kein wirklicher Partner sein. Bush erkannte ihre Bedenken gegenüber der Wiedervereinigung im Rahmen der westlichen Integrationspolitik, lehnte aber ein Wiederaufleben der alten Politik europäischer Nationalstaaten ab. Neuntens, Kohl betrieb eine permanente Rückversicherungspolitik und eine Politik der Vorleistungen bei den westlichen Mächten, gegenüber der Sowjetunion und den deutschen Nachbarstaaten in West und Ost. Entscheidend war sein kontinuierliches Festhalten an der NATO -Mitgliedschaft Deutschlands und die beschleunigte Vertiefung der europäischen Integration in Richtung europäischer Wirtschafts- und Währungsunion sowie der Einstieg in die Diskussion um die europäische Politische Union.43 Damit federte er Bedenken bei den westlichen Verbündeten ab. Verschiedentlich wurde behauptet, Mitterrand habe das schnelle Ende der D-Mark als Gegenleistung für die deutsche Einheit erzwungen. Als Beleg dient die Äußerung des Kanzlers gegenüber Baker am 12. Dezember 1989 in West-Berlin, als dieser zu hören bekam: „Diesen Entschluss habe er“, der Bundeskanzler, „gegen deutsche Interessen getroffen“.44 Fest stehen jedoch drei Dinge: zum einen wurde das Unternehmen europäische Wirtschafts- und Währungsunion damals schon seit gut einem Jahr diskutiert; zum anderen lief im Herbst 1989 der deutsch-französische Integrationsmotor wegen Befürchtungen einer D-MarkAufwertung nur stotternd; und zudem wollte das Bundeskanzleramt partout den Einstieg in eine europäische Wirtschafts- und Währungsunion an eine Regierungskonferenz über institutionelle Reformen der EG mit dem Ziel einer Politischen Union koppeln, weil man um die reservierte Haltung des französischen Präsidenten wusste. Mit dieser Entscheidung stellte er die Westbindung des vereinten Deutschland sicher, die ab März 1990 wesentlich von der EG -Kommission unter Jacques Delors unterstützt wurde. Insbesondere für Mitterrand war die europäische Ein42 Thatcher, Downing Street No. 10, 1094–1106. 43 Ulrich Lappenküper, Helmut Kohl als europapolitischer Netzwerker: Seine Zusammenarbeit mit François Mitterrand, Felipe González und Jacques Chirac, in: Hanns Jürgen Küsters (ed.), Deutsche Europapolitik Christlicher Demokraten. Von Konrad Adenauer bis Angela Merkel (1945–2013) (Düsseldorf: Droste, 2014), 203–231, hier 217–220. 44 Gespräch Kohl – Baker, Berlin (West), 12.12.1989, in: Deutsche Einheit, 636–641.

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bindung der deutschen Währung und Wirtschaftskraft ein entscheidender Faktor, der Wiedervereinigung zuzustimmen. Zehntens, Deutschland blieb nicht allein, sondern unverändert in europäischatlantische und gesamteuropäische Institutionen eingebunden. Bush sah schon bei seinem Amtsantritt eine historische Chance für die Abrüstung, weil bei Gorbatschow die Einsicht gewachsen sei, dass die Sowjetunion den Rüstungswettlauf verloren hatte. Jede zusätzliche Verschlechterung der Wirtschaftslage in der Sowjetunion würde nur das Scheitern der Perestroika begünstigen.45 Teil der Voraussetzungen für den Erfolg der Reformen war eine funktionierende westeuropäische Gemeinschaft, in der die Deutschen ihre Rolle weiterhin wahrnehmen.

III. Zentrale Kompromisse Wie sahen die Vorstellungen von der Rolle Deutschlands in einem künftigen „Gemeinsamen Europäischen Haus“ aus? Ein System ohne Blöcke, mit einer veränderten Rolle von NATO und Warschauer Pakt in einer Sicherheitszone auf der Grundlage der KSZE , von Abrüstungsverträgen und einer erstarkten Europäischen Gemeinschaft? Welche Faktoren waren entscheidend? Erstens, natürlich spielte die gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur eine entscheidende Rolle, aber noch viel wichtiger war die Beantwortung der Frage, welchen Part dabei das vereinigte Deutschland übernehmen würde. Kohl wollte es in den Europäischen Gemeinschaften weiterhin verankern und zugleich den Integrationsprozess durch die europäische Wirtschafts- und Währungsunion vertiefen. Bush intendierte die feste Bindung Deutschlands an die atlantische Allianz, weil damit dessen sicherheitspolitische Kontrolle unverändert gewährleistet wäre. Und aus Sicht Moskaus sollte Deutschland die Lokomotiv-Funktion beim Bau des Gemeinsamen Hauses Europa ausüben.46 Alles hing jedoch von der Frage der künftigen Bündnismitgliedschaft Deutschlands ab. Zweitens, die NATO -Mitgliedschaft des vereinten Deutschlands. Für Washington und das Bundeskanzleramt war dies eine Conditio sine qua non. Auch gegenüber Genscher, der offenbar andere Ziele hegte, Gorbatschows Konzessionsbereitschaft nicht mit einem zusätzlichen Abzug der sowjetischen Streitkräfte aus der DDR überfordern wollte und sich deshalb für mehr Entgegenkommen aussprach. Dies war ein Grundsatzstreit zwischen Kohl und seinem Bundesaußenminister über das strategisch-taktische Vorgehen mit unterschiedlichen 45 Stefan Karner, Von der Stagnation zum Verfall  – Kennzeichen der sowjetischen Wirtschaft der 1980er Jahre, in: Hanns Jürgen Küsters (ed.), Der Zerfall des Sowjetimperiums und Deutschlands Wiedervereinigung. The Decline of the Soviet Empire and Germany’s Reunification (Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2016), 15–45. 46 Analyse der Abteilung für Rüstungskontrolle des sowjetischen Außenministeriums über „militärpolitische Aspekte der Lage in Europa, ohne Datum, in: Karner/Kramer/Pavlenko/Ruggenthaler/Wilke), Der Kreml und die deutsche Wiedervereinigung 1990, 203–213.

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Zieloptionen:47 nämlich Westbindung um jeden Preis – auch des Nichtzustandekommens der Wiedervereinigung – oder Aufweichung der Westbindung durch Ablösung von der NATO als Preis der Widervereinigung, was der Kanzler deutlich gegenüber Genscher ablehnte.48 Wiedervereinigung ohne Westbindung des vereinten Deutschlands war für Kohl und die Unionsparteien inakzeptabel. Damit war die insgeheime Hoffnung auf sowjetischer Seite, das wiedervereinigte Deutschland lasse sich zumindest für eine Übergangsphase  – etwa bis 1995  – vielleicht neutralisieren, da beide deutschen Staaten dann unterschiedlichen Bündnis­systemen angehörten, hinfällig.49 Denn mit geschickter Verhandlungstaktik stellte überdies Baker Gorbatschow unmissverständlich vor die Alternative, ob der sowjetische Präsident lieber ein vereintes Deutschland außerhalb der NATO wolle, unabhängig und ohne amerikanische Truppen, oder ob er ein vereintes Deutschland bevorzuge, eingebunden in die NATO mit der Zusicherung, die NATO -Jurisdiktion nicht auf ostdeutsches Gebiet vorzuschieben.50 Kohl war dagegen, von NATO -Jurisdiktion zu sprechen.51 Das würde einen zweigeteilten Sicherheitsstatus Deutschlands implizieren und Gesamtdeutschland nicht unter den Schutz der Artikel 5 und 6 NATO -Vertrag stellen. Vom Verbleib Deutschlands in der NATO hing maßgeblich das amerikanische Engagement in Europa ab. Das war ebenso ein ausschlaggebender Grund für Briten und Franzosen, sich für die NATO -Mitgliedschaft Deutschlands auszusprechen und ein ganzes Bündel an Sicherheitsgarantien zu präsentieren. Der neun Punkte umfassende 47 Kristina Spohr, Precluded or Precedent-Setting? The „NATO Enlargement Question“ in the Triangular Bonn – Washington – Moscow Diplomacy of 1990–1991, in: Journal of Cold War Studies 14 (2012) 4, 4–54; id., How Kohl and Gorbachev wrapped up German Unifica­ tion while Bush ensured NATO’s Perpetuation beyond the Cold War, in: Hanns Jürgen Küsters (ed.), Der Zerfall des Sowjetimperiums und Deutschlands Wiedervereinigung. The Decline of the Soviet Empire and Germany’s Reunification (Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2016), 255–259. 48 Schreiben Kohl an Genscher, 23.3.1990, in: Heike Amos/Tim Geiger (Bearb.), Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess, ed. von Horst Möller/Ilse Dorothee Pautsch/Gregor Schöllgen/Hermann Wentker/Andreas Wirsching (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015), 380–381; Teltschik, 329 Tage, 182–183. 49 Analyse der Abteilung für Rüstungskontrolle des sowjetischen Außenministeriums über „militärpolitische Aspekte der Lage in Europa, ohne Datum, in: Karner/Kramer/Pavlenko/Ruggenthaler/Wilke, Der Kreml und die deutsche Wiedervereinigung 1990, 208. 50 Gespräch Gorbatschow – Baker, Moskau, 18.5.1990, Auszug in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow und die deutsche Frage, 406–413. Auch: James A. Baker, III, with Thomas M. Defrank, The Politics of Diplomacy. Revolution, War and Peace 1989–1992 (New York: G. P. Putnam’s Sons, 1995), 250–251. Philip Zelikow/Condoleezza Rice, Germany Unified and Europe Transformed. A Study in Statecraft (Cambridge/Massachusetts/London: Knopf, 1995), 263–264. Robert L Hutchings, American Diplomacy and the End of the Cold War. An Insider’s Account of U. S. Policy in Europe, 1989–1992 (Washington (D. C.)/ Baltimore/London: Johns Hopkins University Press, 1997), 128–131. 51 Gespräch Kohl  – Bush, Baker, 25.2.1990, Camp David, in: Deutsche Einheit, 874–877, hier 877.

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Katalog, den Baker Gorbatschow im Mai 1990 präsentierte,52 stellte eine Kombination deutscher, amerikanischer und allgemein westlicher Sicherheitsgarantien dar, die allesamt schon in den 1950er-Jahren diskutiert worden waren.53 Drittens, die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als deutsche Ostgrenze. Kohl war dazu von Beginn des Mauerfalls an bereit. Er behielt das Faustpfand solange in der Tasche, bis die Vier Mächte die Unterschrift unter den Zwei-plusVertrag geleistet hatten und das Zustandekommen der Wiedervereinigung irreversibel war. Deshalb hatte er sich im März 1990 harsche Kritik sowohl von Mitterrand als auch von der deutschen Presse anzuhören, die von ihm die Anerkennung vorab forderten.54 Viele übersahen die Schwierigkeiten, die ihm die eigene Unionsfraktion im Deutschen Bundestag bescherte. Der Vertriebenen­ flügel hatte Hoffnungen auf die Wiedererlangung der deutschen Ostgebiete noch nicht ganz aufgegeben. Jene Vertreter stellte Kohl vor die Wahl, die Wiederherstellung der deutschen Einheit in den Grenzen der Bundesrepublik, der DDR und Berlins zu bekommen oder an alten Träumen von der Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937 festhalten zu wollen und dadurch die historische Chance der Wiedervereinigung zu verspielen.55 Die Vier Mächte von der Verschiebung des Grenzvertrages mit Polen bis nach der Wiedervereinigung zu überzeugen und mittels gemeinsamer Entschließung des Deutschen Bun­ destages und der Volkskammer zu vertrösten56 und Polen solange aus den Zweiplus-Vier-Verhandlungen herauszuhalten, bis die wichtigsten Kompromisse zwischen Bonn, Washington und Moskau geschlossen waren, stellte zudem ein diplomatisches Meisterstück dar. Viertens, die Unabhängigkeitsbestrebungen im Baltikum. Vor allem die Entwicklung in Litauen wurde zur Bedrohung des Prozesses und ein ernster sicherheitspolitischer Testfall. Über Litauen, das sich am 11.  März 1990 gegenüber der Sowjetunion für unabhängig erklärt hatte, durften nach Kohls Meinung­ Gorbatschows Reformpolitik und die Abrüstungsverhandlungen nicht scheitern.57 Sie hätten den gesamten Wiedervereinigungsprozess gefährden können, wenn sich die Westmächte offen gegen Gorbatschow gestellt hätten, obwohl sie die Unabhängigkeitsbestrebungen der Aufständischen im Grunde guthießen. 52 Gespräch Gorbatschow – Baker, 18.5.1990, in: Galkin/Tschernjajew, Gorbatschow und die deutsche Frage, 406–413. 53 Dazu Hanns Jürgen Küsters, Der Integrationsfriede. Viermächte-Verhandlungen über die Friedensregelung mit Deutschland 1945–1990 (München: Oldenbourg, 2000), 842–844. 54 Telefongespräch Kohl – Mitterrand, 14.3.1990, in: Deutsche Einheit, 943–947. 55 Friedrich Bohl, Die Wiedervereinigung und die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze durch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in: Peter Ramsauer (ed.), Weichenstellungen für Deutschland und Europa. Theo Waigel. Stationen eines Politikers (München: Olzog, 2009), 111–121. 56 Gemeinsame Entschließung zur deutsch-polnischen Grenze des Deutschen Bundestages und der Volkskammer, 21.6.1990 in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, Bd. 153, Plenarprotokoll 11/217, Bonn, 17277–17279; Volkskammer, 10. Wahlperiode, Protokolle, Bd. 27, Berlin 565–566. 57 Helmut Kohl, Erinnerungen 1990–1994 (München: Droemer, 2007), 91–92.

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Fünftens, die teilweise Prolongation von Vereinbarungen der Bundesrepublik Deutschland mit den drei Westmächten aus dem Deutschlandvertrag von 1952/1954 und dem Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen, ebenfalls von 1954. Diese Vereinbarung fand bisher so gut wie gar keine Beachtung. Zu wenig ist bislang darüber bekannt, wie der bereits in der Literatur so genannte „Eins-plus-Drei-Vertrag“ zustande kam und was er im Detail wirklich bedeutet. Bekanntlich gab es am 27./28. September 1990, also unmittelbar bevor die Vier-Mächte-Rechte in Bezug auf Deutschland als Ganzes auf dem New Yorker Außenministertreffen am 2. Oktober 1990 mit Wirkung vom 3.  Oktober außer Kraft gesetzt wurden, einen Notenwechsel der Bundesregierung mit den drei Westmächten über die Fortdauer von Rechten aus dem Überleitungsvertrag von 1954.58 Zwar wurde dieser durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag außer Kraft gesetzt. Dennoch vereinbarten die Vertragsparteien, dass gewisse Rechte weiterhin gültig sein sollten. Dazu gehören die Urteile gegen Handlungen der Besatzungsbehörden, Fragen der Rückerstattung, der Verzicht der Bundesrepublik Deutschland auf Einwände gegen Maßnahmen, die gegen deutsches Auslandsvermögen vorgenommen wurden in Form von Reparationen und Restitutionen mit Ausnahme Österreichs, die Folgen der Reparationsleistungen sowie „gewisse Ansprüche gegen fremde Nationen und Staatsangehörige“, „welche die Erklärung der Vereinten Nationen vom 1. Januar 1942 unterzeichnet haben“ oder ihr beigetreten sind. Konkret betrifft dies Maßnahmen, „welche von den Regierungen dieser Staaten oder mit ihrer Ermächtigung in der Zeit zwischen dem 1.  September 1939 und dem 5.  Juni 1945 wegen des in Europa bestehenden Kriegszustandes getroffen worden sind; auch darf niemand derartige Ansprüche vor einem Gericht in der Bundesrepublik geltend machen.“59 Was genau darunter zu verstehen ist, eröffnet durchaus Interpretationsspielraum. Dass es sich hierbei um eine völkerrechtlich wirksame Vereinbarung handelt, steht wohl außer Frage, nicht jedoch, ob sie auch verfassungsmäßig zustande gekommen ist und somit im Widerspruch zum Grundgesetz steht.60

58 Bekanntmachung der Vereinbarung vom 27./28.9.1990 zu dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (in der geänderten Fassung) sowie zu dem Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (in der geänderten Fassung) vom 8.10.1990, in: Bundesgesetzblatt (BGBl.) 1990 Teil II, 1386–1389. 59 Ibd., Neunter Teil, Artikel 1, 442. 60 Gilbert H. Gornig, Drei-Mächte-Rechte in Deutschland, in: Rechtspolitische Entwicklungen im nationalen und internationalen Kontext. Festschrift für Friedrich Bohl zum 70. Geburtstag, ed. id. in Zusammenarbeit mit Philipp Stompfe (Berlin: Duncker & Humblot, 2015), 393–415.

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IV. Fazit Bundeskanzler Kohl musste die Wiederherstellung der deutschen Einheit gegen die Bedenken und Widerstände fast aller Regierungen mit viel Überzeugungsarbeit durchsetzen. Dass dies gelang, wäre ohne Unterstützung und Rückendeckung des amerikanischen Präsidenten Bush und der Kompromissbereitschaft Gorbatschows nicht möglich gewesen. Viel politisches Geschick zeigte Kohl, als es darum ging, das „Fenster der Gelegenheit“ zu nutzen. Sein Festhalten an den deutschlandpolitischen Grundprinzipien – Freiheit in Einheit, Wahrung des Selbstbestimmungsrechts aller Deutschen und Abhaltung freier Wahlen als ersten Schritt zur Wiedervereinigung – zahlte sich aus. Die Westbindung der Bundesrepublik Deutschland, von Konrad Adenauer Anfang der 1950erJahre eingeschlagen, war der Weg dazu. Kohl hatte mit seinem Festhalten an der Politik der gleichzeitigen Vertiefung der europäischen Integration durch Schaffung einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zusätzlich den Weg bereitet. Für diese Politik hatte er weitestgehend die Unterstützung der CDU und der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag erhalten. Gleichwohl gab es dort hinsichtlich der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze als endgültige völkerrechtliche Ostgrenze Deutschlands Überzeugungsarbeit für Kohl zu leisten. Mit Vorleistungen, Entgegenkommen und Rückversicherungen gegenüber Washington und Moskau, aber auch gegenüber den europäischen Nachbarstaaten, schuf Bundeskanzler Kohl eine Situation, die allen Beteiligten das Ja zur deutschen Einheit und zur NATO -Mitgliedschaft Deutschlands erleichterte. Ein wirklicher Friede ist eben erst dann erreicht, wie Paul Valéry erkannte, wenn alle Beteiligten mit der eingerichteten Ordnung zufrieden sind. Das traf anscheinend zunächst für alle europäischen Mächte zu. Ob dies auch heute noch von allen beteiligten Mächten so gesehen wird, ist eine andere Frage.

Hermann Wentker

Die Außenpolitik der DDR im Prozess der deutschen Wiedervereinigung

Der Gegensatz hätte kaum größer sein können. Inmitten einer Schar distinguierter Verteidigungsexperten und Spitzendiplomaten, unter anderem aus dem Auswärtigen Amt, trat am 8. Juni 1990 in Stockholm der bärtige DDR-Außenminister Markus Meckel auf. Er bekannte sich selbstbewusst dazu, dass seine Stimme die eines „peacenic“ sei, „who has been marching the streets in protest against the past wisdom of the defence intellectual community“. Obwohl er eine abtretende Regierung, ja einen abtretenden Staat vertrete, sei er fest entschlossen, dessen Außenpolitik aktiv zu gestalten. Er verfolge das große Ziel, „that the dynamism of the German unification process will spill over into  a pan-European dynamism which creates a huge wave, a determined movement of the two halves of Europe towards each other“.1 Ein Außenminister, der sich offen dazu bekannte, nicht zum politisch-diplomatischen Establishment zu gehören, der hochfliegende Pläne verfolgte, der unter extremem Zeitdruck handelte – konnte das gut gehen? Wie bekannt, kamen seine Ideen nicht zum Zuge. Gleichwohl sollte die maßgeblich unter seiner Ägide betriebene Außenpolitik damit nicht ad acta gelegt werden: Denn es handelte sich um einen der wenigen Versuche der Bürgerrechtler aus der ehemaligen DDR , ihre Ideen nach der friedlichen Revolution von 1989/90 umzusetzen und etwas grundlegend Neues zu beginnen. Und aus der Sicht des Außenministers Meckel war dies zu Beginn seiner Amts­periode durchaus nicht aussichtslos. Um die Außenpolitik der demokratischen DDR angemessen zu würdigen,2 wird nach einem kurzen Blick auf die politische Gesamtsituation Anfang 1990 1 Address by Markus Meckel to the IEWSS Annual Conference, 9.6.1990 [sic, eigentlich 8.6.], in: Heike Amos/Tim Geiger (Bearb.), Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess, ed. von Horst Möller/Ilse Dorothee Pautsch/Gregor Schöllgen/Hermann Wentker/Andreas Wirsching (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015), Dok. 110-ZD A (http://www.ifz-muenchen.de/fileadmin/user_upload/Forschung/ AA /AA_Dokumente/110-ZD %20A_1990-06-09_Rede%20Meckels%20vor%20der%20IE WSS%20Annual%20Conference.pdf; zuletzt abgerufen am 3. September 2015). 2 Die DDR-Außenpolitik im Prozess der Wiedervereinigung ist bisher lediglich im Rahmen größerer Darstellungen behandelt worden: Vgl. Werner Weidenfeld/Peter M. Wagner/Elke Bruck, Außenpolitik für die deutsche Einheit. Die Entscheidungsjahre 1989/90 (Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1998); Gerhard A. Ritter, Hans-Dietrich Genscher, das Auswärtige Amt und die deutsche Vereinigung (München: Beck, 2013). Außerdem wurde sie in Berichten von Zeitzeugen behandelt: Ulrich Albrecht, Die Abwicklung der DDR . Die „2+4-Verhandlungen“. Ein Insiderbericht (Opladen: Westdeutscher Verlag, 1992); Markus Meckel,

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und die Außenpolitik der Regierung Modrow die außenpolitische Konzeption der neuen DDR-Regierung ab April im Hinblick auf Kontinuität und Wandel genauer analysiert. Sodann geht es um die sowjetischen und westdeutschen Ver­ suche, auf die politische Ausrichtung Ost-Berlins Einfluss zu nehmen, bevor drei Schwerpunkte der ostdeutschen Außenpolitik genauer in den Blick genommen werden: die besondere Berücksichtigung des polnischen Bedürfnisses nach der völkerrechtlichen Festschreibung der Grenze zu Deutschland, der Versuch einer Institutionalisierung der KSZE durch eine trilaterale Initiative von DDR , ČSFR (Česká a Slovenská Federativní Republika) und Polen und schließlich das Konzept einer Sicherheitszone zwischen Warschauer Pakt und NATO. Im letzten Abschnitt wird verdeutlicht, wie sehr sich die DDR bei den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen ins Abseits manövrierte und wie groß die Enttäuschung des DDRAußenministeriums über das im Juli 1990 von den Westmächten und der Bundesrepublik Erreichte war.

I.

Die politische Gesamtsituation Anfang 1990 und die Außenpolitik der Regierung Modrow

Zwischen dem Fall der Berliner Mauer und dem Beginn des Jahres 1990 zeichnete sich eine Vereinigung der beiden deutschen Staaten als Lösung der deutschen Frage immer deutlicher ab. Die beiden stärksten Kräfte, die eine solche Vereinigung möglichst schnell anstrebten, waren die revolutionäre Volksbewegung in der DDR auf der einen und die Bundesregierung auf der anderen Seite. Widerstand dagegen gab es anfangs vor allem bei der DDR-Führung, unter den ostdeutschen Bürgerrechtlern und auf der internationalen Bühne von Seiten Großbritanniens, Frankreichs und vor allem der Sowjetunion; lediglich die Vereinigten Staaten unterstützten die Bundesregierung, allerdings unter der Bedingung einer NATO -Mitgliedschaft des vereinigten Deutschland. Im Januar 1990 klärte sich die Situation: Der französische Präsident François Mitterrand lenkte gegenüber Bundeskanzler Helmut Kohl ein, die britische Premierministerin Margaret Thatcher wurde durch das Foreign Office und die amerikanische Führung neutralisiert, und selbst der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow kam zu dem Ergebnis, dass der Vereinigungsprozess nicht mehr Die Außenpolitik der DDR in der Zeit der frei gewählten Volkskammer 1990, in: Hans Misselwitz/Richard Schröder (eds.), Mandat für deutsche Einheit: Die 10.  Volkskammer zwischen DDR-Verfassung und Grundgesetz (Opladen: Westdeutscher Verlag, 2000), 75–90; Hans Misselwitz, In Verantwortung für den Osten. Die Außenpolitik der letzten DDRRegierung und ihre Rolle bei den „Zwei-plus-Vier“-Verhandlungen, in: Elke Bruck/Peter M. Wagner (eds..), Wege zum „2+4“-Vertrag. Die äußeren Aspekte der deutschen Einheit (München: Eigenverlag der Forschungsgruppe Deutschland am Centrum für angewandte Politik, 1996), 40–69. Am ausführlichsten, aber ohne klare Struktur: Ines Lehmann, Die Außenpolitik der DDR 1989/90. Eine dokumentierte Rekonstruktion (Baden-Baden: Nomos, 2010), Einleitung, 25–367.

Die Außenpolitik der DDR im Prozess der deutschen Wiedervereinigung 

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aufgehalten werden könne. Aber er bestand darauf, dass das vereinigte Deutschland nicht der NATO angehören durfte.3 In der DDR fanden sich die Bürgerrechtler zunehmend mit der Vereinigung ab, wenngleich Vorbehalte blieben. Die DDR-Regierung unter Hans Modrow, der in seiner Regierungserklärung vom 17. November 1989 „den ebenso unrealistischen wie gefährlichen Spekulationen über eine Wiedervereinigung eine klare Absage erteilt“ und sich lediglich zu einer „Vertragsgemeinschaft“ der beiden deutschen Staaten bekannt hatte, behauptete noch am 11. Januar 1990 vor der Volkskammer, „daß eine Vereinigung von DDR und BRD nicht auf der Tagesordnung steht“.4 Doch in einem reformierten sozialistischen System die Eigenständigkeit der DDR zu erhalten, war angesichts des immer deutlicher zutage tretenden Staatsbankrotts unrealistisch. Die ostdeutschen Kreditwünsche waren sowohl bei der sowjetischen Führung als auch bei der Bundesregierung auf taube Ohren gestoßen, so dass sich schließlich auch Modrow veranlasst sah, auf den Vereinigungszug aufzuspringen. Am 30. Januar besprach er in Moskau mit Gorbatschow seinen Plan „Für Deutschland, einig Vaterland“, in dem es um eine schrittweise Vereinigung hin zu einer Föderation ging. Gorbatschow befürwortete das Vorhaben, ermahnte Modrow aber, „auf dem Wege zur Konföderation“ an der militärischen Neutralität festzuhalten und auf gegenseitiger Nichteinmischung zu bestehen, und schlug enge Absprachen mit dem sowjetischen Außenministerium vor.5 Diese politische Kehrtwende verschaffte Modrow  – entgegen seiner Hoffnungen – zwar keine Kreditzusagen von Kohl, mit dem er am 13.  und 14.  Februar 1990 zusammentraf. Aber die DDR konnte unter diesen Bedingungen an dem auf der Open-Skies-Konferenz in Ottawa am 12. Februar in Gang gesetzten „Zwei-plus-Vier-Prozess“ teilnehmen, mit dem das Ziel verfolgt wurde, die äußere Einheit Deutschlands im Einvernehmen mit den vier ehemaligen Siegermächten herzustellen. In Ottawa forderte der langjährige DDR-Außenminister Oskar Fischer in diesem Zusammenhang, „durch kooperative, bündnisübergreifende Strukturen zu einer neuen, produktiven Stabilität zu gelangen“, wobei man auf dem KSZE-Prozess aufbauen könne.6 Diese Hinwendung zur KSZE war im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) seit Januar 1990 zu beobachten und stellte 3 Vgl. dazu u. a. Andreas Rödder, Deutschland, einig Vaterland. Die Geschichte der Wiedervereinigung (München: Beck, 2009), 147–199. 4 Die Erklärung Modrows vor der Volkskammer vom 17. November 1989 in: Volker Gransow/Konrad H. Jarausch (eds.), Die deutsche Vereinigung. Dokumente zu Bürgerbewegung, Annäherung und Beitritt (Köln: Verlag Wissenschaft und Politik, 1991), 97–98., hier 98; die Erklärung vom 11. Januar 1990 in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 30, 437–438, hier 438. 5 Niederschrift des Gesprächs von Modrow und Gorbatschow am 30.1.1990, in: Detlef Nakath/Gerd-Rüdiger Stephan (eds.), Countdown zur deutschen Einheit. Eine dokumentierte Geschichte der deutsch-deutschen Beziehungen 1987–1990 (Berlin: Dietz, 1996), Dok.  62, 288–295, das Zitat 293. Modrows Deutschlandplan in: Gransow/Jarausch (eds.), Die deutsche Vereinigung, 122–124. 6 Rede Fischers, 12.2.1990, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 46, 468–469, hier 468.

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eine Kehrtwendung um 180 Grad gegenüber der DDR-Position von Anfang 1989 dar.7 In einem Memorandum nach der Konferenz von Ottawa forderte das MfAA neben den Verhandlungen im Zwei-plus-Vier-Rahmen ein rasches Expertentreffen der 35 KSZE-Staaten zur Vorbereitung des für 1990 vorgesehenen KSZE -Gipfeltreffens und regelmäßige Informationen der beiden deutschen Staaten für die anderen KSZE-Staaten über die von ihnen vorgesehenen Schritte; auf der Konferenz sollten beide einen gemeinsamen Entwurf einer Erklärung zur deutschen Frage einbringen, „die Bestandteil des Konferenzergebnisses werden soll“.8 Kurzum: Das ostdeutsche Außenministerium sprach sich für eine enge Verklammerung von KSZE- und innerdeutschem Vereinigungsprozess aus. Im Bonner Auswärtigen Amt wurde das aufmerksam registriert und zutreffend als „entschlossene Flucht nach vorn [bezeichnet], um eine möglichst lange Übergangsphase zu erreichen“.9 Letztlich hatte der verstärkte KSZE-Bezug mit dem Ziel einer „systemübergreifende[n] Friedensordnung“, die ohne die militärischen Bündnissysteme auskam,10 für die Außenpolitik der Regierung Modrow taktischen Charakter: Es galt, den Prozess der Vereinigung in die Länge zu ziehen, indem man diese letztlich von der Herstellung eines europäischen Sicherheitssystems abhängig machte.

II.

Die Konzeption einer neuen Außenpolitik unter Markus Meckel

Markus Meckel, Jahrgang 1952, studierter Theologe, sozialisiert im staatsfernen, protestantischen Milieu, war seit den 1980er-Jahren einer der prominentesten Vertreter der stark kirchlich geprägten Friedensbewegung der DDR .11 7 Memorandum des Ministeriums für Äußere Angelegenheiten (MfAA), 22.1.1990, in: ibd., Dok. 35, 445–447. Zur KSZE -Politik der DDR Anfang 1989 vgl. Hermann Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen. Die DDR im internationalen System 1949–1989 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 72; München: Oldenbourg, 2007), 550–552; Walter Süß, Die Wiener KSZE -Folgekonferenz und der Handlungsspielraum des DDR-Sicherheitsapparates 1989, in: Matthias Peter/Hermann Wentker (eds.), Die KSZE im Ost-WestKonflikt. Internationale Politik und gesellschaftliche Transformation 1975–1989/90 (München: Oldenbourg, 2012), 219–232 8 Memorandum des MfAA , 23.2.1990, in: ibd., Dok. 54, 482–483., hier 483. Das Memorandum auch in: Arne C. Seifert (ed.), DDR-Diplomaten und die deutsche Einheit. 25 Jahre Verband für internationale Politik und Völkerrecht (Berlin: Verband für Internationale Politik und Völkerrecht, 2015), 104–106; zur Übergabe des Memorandums durch den stellvertretenden DDR-Außenminister Ernst Krabatsch am 9.3.1990 vgl. Gunter Görner, Das letzte Jahr im Außenministerium der DDR , in: ibd., 73–74. 9 Vorlage Höynck für Genscher, 27.2.1990, in: Die Einheit, Dok. 61, 305–308, hier 306. 10 So die Formulierung im MfAA-Memorandum vom 22.1.1990, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 35, 446. 11 Zur Biographie vgl. Martin Jander, Markus Meckel, in: Ilko-Sascha Kowalczuk/Tom Sello (eds.), Für ein freies Land mit freien Menschen. Opposition und Widerstand in Biographien und Fotos (Berlin: Robert-Havemann-Gesellschaft, 2006), 224–227. Memoiren hat Meckel

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Anders als viele andere entschloss er sich 1989, gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Martin Gutzeit nicht eine Gruppe, sondern eine Partei zu gründen, die sie, in Abgrenzung und Opposition zur SED, bewusst Sozialdemokratische Partei der DDR , SDP, nannten. Das Hauptziel der Parteigründer war natürlich innenpolitisch: Es ging ihnen um „eine ökologisch orientierte soziale Demokratie“ in der DDR .12 Jedoch enthielt das in Schwante am 7. Oktober 1989 verabschiedete Statut der Partei auch den Satz, dass der Staat die Aufgabe habe, „sich mit Kräften für ein friedliches und gerechtes Miteinander der Völker, die Entmilitarisierung staatlichen Verhaltens nach innen und außen und den Aufbau einer europäischen und Weltfriedensordnung einzusetzen“.13 Bei der Parteigründung hielt Meckel, der bereits damals von dem West-Berliner Friedensforscher ­Ulrich Albrecht beraten wurde,14 einen Vortrag, in dem er sich nicht nur „für ein friedliches und gerechtes Miteinander der Völker“ aussprach, sondern auch ausführte: „Wir treten für eine intensive Weiterführung des KSZE-Prozesses ein und sehen darin wichtige Schritte auf dem Weg zur gesamtdeutschen [sic, wohl gesamteuropäischen] Friedensordnung, die wir anstreben. In dieser werden Warschauer Vertrag und NATO überflüssig sein.“ Gleichzeitig sprach er sich dezidiert gegen eine Wiedervereinigung Deutschlands aus und forderte einen Friedensvertrag, verbunden mit dem Rückzug der alliierten Truppen aus den deutschen Staaten.15 Bereits wenige Monate später, am 3.  Dezember, bekannte sich allerdings auch die SDP „zur Einheit der Deutschen Nation“, fügte aber hinzu, dass die „Gestaltung der deutschen Einheit […] nicht allein unsere Sache“ sei: „Sie muß so geschehen, daß der Aufbau einer europäischen Friedensordnung nicht gefährdet, sondern gefördert wird.“16 Auf dem Parteitag vom 12. bis zum 14. Januar 1990, auf dem auch die Umbenennung in SPD erfolgte, wurde die Festlegung vom Dezember noch einmal genauer ausgeführt: Alle Schritte auf dem Weg zur deutschen Einheit „müssen in den gesamteuropäischen Einigungsprozess eingeordnet sein. Denn wir wollen die deutsche Einheit nur mit der Zustimmung unserer Nachbarn. Ihre Grenzen sind für uns unantastbar. Wir erstreben eine europäische Sicherheits- und Friedensordnung.“17 Nachdem die SPD ihr Bekenntnis zur Aufrechterhaltung der Zweistaatlichkeit aufgegeben

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nicht verfasst, für eine Sammlung seiner Beiträge aus den 1990er-Jahren siehe Markus Meckel, Selbstbewußt in die Deutsche Einheit. Rückblicke und Reflexionen (Berlin: Berlin Verlag Arno Spitz, 2001). Zur Gründungsgeschichte vgl. Martin Gutzeit/Stephan Hilsberg, Die SDP/SPD im Herbst 1989, in: Eberhard Kuhrt (ed.), Opposition in der DDR von den 70er Jahren bis zum Zusammenbruch der SED -Herrschaft (Opladen: Leske + Budrich, 1999)‚ 607–674, „Vorläufige“ Gründungsurkunde der SDP, 2.10.1989, in: ibd., 680. Statut der Sozialdemokratischen Partei in der DDR – SDP, in: ibd., 681–682., hier 681. Vgl. Lehmann, Außenpolitik, Einleitung, 109. Vortrag von Meckel, 7.10.1989, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 3, 394–396, die Zitate 394, 395. Erklärung der SDP zur deutschen Frage, 3.12.1989, in: Kuhrt, Opposition, 683–684. Erklärung der Delegiertenkonferenz, 14.1.1990, in, ibd., 686.

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hatte, verband sie das Streben nach der Vereinigung Deutschlands mit der Forderung nach einer europäischen Friedensordnung ohne die beiden Bündnisse: Die deutsche Vereinigung, so klang es bereits an, sollte auch die europäische Vereinigung voranbringen. Nach den Volkskammerwahlen vom 18. März wurde eine große Koalition unter Führung der CDU gebildet. Bei der Aufteilung der Ressorts ging das Außenministerium (MfAA) an Markus Meckel, der nach dem Rücktritt des als Inoffiziellen Mitarbeiter der Staatssicherheit enttarnten Ibrahim Böhme am 1. April auch die Geschäfte des SPD -Parteivorsitzenden wahrnahm. Nun bekam er die Chance, den außenpolitischen Teil  des von ihm mitformulierten Programms auch umzusetzen. In die Koalitionsverhandlungen ging die SPD mit außenpolitischen Grundpositionen, die folgende wichtige Elemente enthielt: Erstens sollten die Nachbarn „ihrer Grenzen mit Deutschland sicher“ sein, was insbesondere die polnische Westgrenze betraf. Zweitens ging es ihr um die Gestaltung der Zukunft des vereinigten Deutschland „in Zusammenarbeit mit den KSZE-Staaten“: Ziel war ein „gesamteuropäisches Sicherheitssystem“ auf KSZE-­Basis, das die bestehenden Bündnissysteme ablösen und in das Deutschland langfristig eingegliedert sein sollte. Drittens wurde zugestanden, dass das vereinigte Deutschland „für eine Übergangszeit“ einer sich verändernden NATO angehören sollte; in dieser Übergangszeit war auf ehemaligem DDR-Gebiet die Stationierung einiger weniger, weder der NATO noch der Bundeswehr unterstellter deutscher Streitkräfte vorgesehen. Viertens ging es um den Abzug aller ABC-Waffen aus Deutschland, auf deren Herstellung, Besitz und Weitergabe in Zukunft ebenfalls verzichtet werden sollte.18 Die SPD -Positionen wurden nicht nur weitgehend unverändert in die Koalitionsvereinbarung übernommen, sondern fanden ab­ geschwächt auch Eingang in die Regierungserklärung von Ministerpräsident­ Lothar de Maizière vom 19. April.19 Zur Umsetzung dieser außenpolitischen Vorhaben gehörte freilich nicht nur deren Aufnahme in das Regierungsprogramm, sondern auch eine Mannschaft im MfAA, die diese Ziele unterstützte. Zwar hatten sich die DDR-Diplomaten des ancien régime ebenfalls für eine enge Verklammerung von deutschem und europäischem Vereinigungsprozess unter Rückgriff auf KSZE-Strukturen ausgesprochen, doch wollten sie damit vor allem die deutsche Wiedervereinigung verzögern. Meckel hingegen meinte es ernst mit einer europäischen Friedensordnung ohne Militärbündnisse  – er war schließlich ein „Überzeugungstäter“ aus der ostdeutschen Friedensbewegung. Überdies hatte er sich als Leiter 18 Außen- und sicherheitspolitische Grundpositionen der SPD für die Koalitionsverhandlungen, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 73, 532–534. Ähnlich hatten sich Meckel und Jürgen Misselwitz bereits Anfang März in den USA geäußert: vgl. Bericht an den SPD -Vorstand zum Besuch einer Delegation in Washington am 7. und 8. März 1990, 10.3.1990, in: ibd., Dok. 65, 515–517. 19 Grundsätze der Koalitionsvereinbarung, 12.4.1990, in: ibd., Dok.  75, 537–540; Regierungserklärung de Maizières, 19.4.1990, in: ibd., Dok. 80, 549–551. Die vorübergehende Mitgliedschaft des vereinigten Deutschland in der NATO fand hier keine Erwähnung.

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der ökumenischen Begegnungs- und Bildungsstätte in Niederndodeleben bei Magdeburg seit 1988 intensiv mit der KSZE beschäftigt.20 Da er den alten DDRDiplomaten auch wegen der Infiltration des MfAA durch die Staatssicherheit misstraute, rekrutierte er seine engsten Mitarbeiter unter Bekannten aus der ostdeutschen Friedensbewegung und unter westdeutschen Friedensforschern, die er seit den 1980er-Jahren kannte.21 Damit hatte er eine Führungsgruppe um sich versammelt, deren Loyalität er sich sicher sein konnte und mit der er einen neuen, ungezwungenen Stil pflegte: So empfing er den Politologen und Friedensforscher Ulrich Albrecht vom Otto-Suhr-Institut, der den Planungsstab im MfAA leiten sollte, bei dessen Dienstantritt „in Hausschuhen und im offenen Hemd“. Außerdem erinnert sich dieser an zwanglose Beratungsrunden nach 21.00 Uhr, „in der auf der Ministeretage ausführlich und persönlich diskutiert“ wurde.22 Die Kehrseite dieser bewusst gepflegten Andersartigkeit bestand indes in mangelnder Professionalität, die den internen Dienstbetrieb behinderte.23 Bei der Formulierung des Konzepts, das Meckel als Außenminister vertrat, spielte der Planungsstab unter Ulrich Albrecht eine zentrale Rolle. Es handelte sich dabei um eine Weiterentwicklung der Grundgedanken aus der Koalitionsvereinbarung. Auf dem ersten Zwei-plus-Vier-Ministertreffen verdeutlichte­ Meckel, dass die DDR es für erstrebenswert halte, „die Dynamik des Vorganges der Einigung der Deutschen zu nutzen für die Dynamisierung des Prozesses der Einigung auf dem Felde der Sicherheitspolitik“. Die Vereinigung Deutschlands sollte zur Initialzündung der Einigung von West- und Osteuropa werden; gleichzeitig galt es sicherzustellen, dass das vereinigte Deutschland in gesamteuropäische ­Sicherheitsstrukturen eingebunden blieb. Für beides sollte auf den KSZE -Prozess zurückgegriffen werden: zum einen, indem den vor allem sicherheitspolitischen Prinzipien der Helsinki-Schlussakte „ein völkerrechtlich vertraglicher Charakter verliehen“ wurde, und zum anderen durch eine Institutionalisierung dieses Prozesses. Nur für die Phase des Übergangs bis zu diesem neuen, KSZE-basierten Sicherheitssystem sollte das vereinigte Deutschland in die NATO integriert sein, die sich allerdings wandeln sollte – hier wiederholte Meckel die bekannten Formeln aus der Koalitionsvereinbarung.24 Der NATO 20 So seine nachträgliche Aussage in: „Das Grundproblem ist die Eile.“ Interview mit dem ehemaligen Außenminister Markus Meckel, in: Das Parlament, 14. September 1990. 21 Zur personellen Zusammensetzung seines Arbeitsstabes vgl. aus eigener Erinnerung Albrecht, Abwicklung, 18–21; Drahtbericht des ständigen Vertreters in Ost-Berlin, 19.4.1990, in: Die Einheit, Dok.  84, 425–426; Weidenfeld, Außenpolitik für die deutsche Einheit, ­322–326; Lehmann, Außenpolitik, Einleitung, 107–114. 22 Albrecht, Abwicklung, 18, 47. 23 Dazu Meckel in einem Interview vom 8.  Februar 1992, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 238, 989–990. 24 Rede Meckels vor dem ersten Außenministertreffen im Rahmen 2+4, 5.5.1990, in: ibd. 97, 611–615. Albrecht berichtet, er habe die „zunächst vom alten Apparat konzipiert[e]“ Rede „völlig neu geschrieben“: id., Abwicklung, 44. Ähnlich äußerte sich Meckel am 10.5.1990 vor dem Europarat, in: ibd., Dok. 103, 627–629.

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Beitritt der DDR war für ihn also kein Selbstzweck, sondern nur eine Zwischenlösung. Die Revolution in der DDR , so Meckel bei anderer Gelegenheit, sei nicht unternommen worden, um das eigene Land in die NATO zu bringen. Deren Grenzen sollten nicht nach Osten verschoben werden, da dies in Polen und der Tschechoslowakei Bedrohungsgefühle auslösen würde. Für ihn war es vielmehr entscheidend, diese Staaten in das neue Europa zu integrieren. Insgesamt hoffte er, durch die neuen Sicherheitsstrukturen „ein Leben ohne Furcht vor einer militärischen Bedrohung in den nächsten Jahrzehnten“ zu gewährleisten: Mit der Vereinigung Deutschlands und Gesamteuropas sollte ein Zeitalter langjährigen Friedens eingeleitet werden.25 Insgesamt handelte es sich um ein äußerst ehrgeiziges Projekt, das überdies in relativ kurzer Zeit realisiert werden musste, nämlich bis zu den gesamtdeutschen Wahlen, die Meckels Meinung nach „nicht vor Mitte oder Ende 1991 stattfinden“ würden.26 Außerdem war klar, dass der Handlungsspielraum der DDR-Regierung eng begrenzt war: Denn indem die Regierung de Maizière eine möglichst rasche Wiedervereinigung zu ihrem wichtigsten Ziel erklärt hatte, war die Existenz der DDR befristet worden, was deren Gewicht in der internationalen Politik minimierte.

III. Versuche sowjetischer und westdeutscher Einflussnahme Wenngleich die Bundesrepublik für die sowjetische Führung 1989/90 der wichtigste Ansprechpartner war, versuchte diese auch weiterhin ihre traditionelle hegemoniale Stellung gegenüber der DDR zur Wahrung ihrer Interessen in Mitteleuropa zu nutzen. Dazu hielt sie im März noch enge Verbindung zur Regierung Modrow  – unter anderem durch den Empfang einer DDR-Regierungsdelegation27  –, und sie knüpfte erste Kontakte zur Ost-SPD, die als Favoritin in die Volkskammerwahlen ging. In Expertengesprächen ostdeutscher Diplomaten im sowjetischen Außenministerium Anfang März machte die sowjetische Seite unter anderem klar, dass sie die NATO -Mitgliedschaft eines vereinten Deutschland für nicht akzeptabel hielt und eine Vereinigung über Artikel 23 Grund­

25 Address by Markus Meckel to the IEWSS Annual Conference, 9.6.1990 [sic, eigentlich 8.6.], in: Die Einheit, Dok.  110-ZD A (http://www.ifz-muenchen.de/fileadmin/user_upload/ Forschung/AA /AA_Dokumente/110-ZD %20A_1990-06-09_Rede%20Meckels%20vor% 20der%20IEWSS%20Annual%20Conference.pdf; zuletzt abgerufen am 3. September 2015). Übersetzung vom Verfasser. 26 Vorlage Citrons für Genscher, in: Die Einheit, Dok. 110, 551. Vgl. auch Meckels nachträgliche Aussage in einem Studiogespräch mit dem SFB , 24.8.1990, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 227, 918. 27 Vermerk über die Begegnung einer DDR-Regierungsdelegation unter Leitung von Modrow mit Gorbatschow am 6.3.1990, in: Nakath/Stephan (ed.), Countdown zur deutschen Einheit, Dok. 67, 320–325.

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gesetz verhindern wollte.28 Und auch gegenüber dem SPD -Vorsitzenden Ibrahim Böhme verdeutlichte Außenminister Schewardnadse am 2. März, dass er über das Tempo der Vereinigung beunruhigt sei, woraufhin dieser seine Missbilligung über das Drängen Bonns ausdrückte, mit Hilfe von Artikel 23 die Vereinigung zu forcieren.29 Gorbatschow konnte daher zu Recht gegenüber Modrow am 6. März behaupten, die Vertreter der Ost-SPD hätten die sowjetische Regierung in ihrer Haltung bestärkt.30 Die Hoffnungen, die Gorbatschow auf die Ost-SPD setzte, wurden freilich durch den fulminanten Wahlsieg der Allianz für Deutschland zunichtegemacht. Letztere setzte in den Koalitionsvereinbarungen durch, dass die deutsche Einheit nach entsprechenden deutsch-deutschen Verhandlungen nach Artikel 23 Grundgesetz verwirklicht werden sollte.31 Dennoch hielt die Sowjetunion weiter an ihrer Position fest und sprach sich im April mehrfach gegenüber der ostdeutschen Regierung gegen diese Festlegung und gegen die NATO -Mitgliedschaft eines vereinigten Deutschland aus.32 Am 17. April überreichte Botschafter Wjatscheslaw Kotschemassow Ministerpräsident Lothar de Maizière ein Non-Paper seiner Regierung, in dem unter anderem an die Einhaltung der ostdeutschen Verpflichtungen gegenüber der Sowjetunion erinnert, die Eingliederung des vereinigten Deutschland in die NATO als „unannehmbar“ bezeichnet und die Anwendung von Artikel 23 Grundgesetz auf dem Weg zur Einheit abgelehnt wurde. Als „Ausweg“ wurde „die Schaffung eines gesamteuropäischen Sicherheitssystems“ hingestellt: „Einen Übergang vom gegenwärtigen System zweier Bündnisse zu einer kollektiven Sicherheitsstruktur zu finden – dieses Ziel erschließt breite Möglichkeiten.“ Außerdem beharrte das Papier auf dem „Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland“.33 Das MfAA nahm diese und ähnliche so28 Material des DDR-Außenministeriums für Modrow über Gespräche im UdSSR-Außenministerium, in: ibd., Dok. 66, 318–319. 29 Vermerk über ein Gespräch Schewardnadses mit Böhme, 2.3.1990, in: ibd., Dok.  65, ­313–317, hier 313–314. 30 Niederschrift über ein Gespräch von Modrow mit Gorbatschow am 6.3.1990, in: Detlef Nakath/Gero Neugebauer/Gerd-Rüdiger Stephan (eds.), „Im Kreml brennt noch Licht“. Die Spitzenkontakte zwischen SED/PDS und KPdSU 1989–1991 (Berlin: Dietz, 1998), 179–183, hier 182. 31 Grundsätze der Koalitionsvereinbarung, 12.4.1990, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 75, 537. 32 Gespräch des DDR-Botschafters König mit Bondarenko, 10.4.1990, in: Die Einheit, Dok. 82, 416–421; Gespräch Meckels mit Schewardnadse, 29.4.1990, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 91, 572–577; Gespräch Gorbatschows mit de Maizière, 29.4.1990, in: Aleksandr Galkin/Anatolij Tschernjajew (eds.), Michail Gorbatschow und die deutsche Frage. Sowjetische Dokumente 1986–1991 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 83; München: Oldenbourg, 2011), Dok. 88, 378–393. 33 Non-Paper der Regierung der UdSSR , 16.4.1990, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok.  77, 542–545. De Maizière war zum 13. April 1990 in die sowjetische Botschaft einbestellt worden, hatte dies aber abgelehnt. Daraufhin fand die Übergabe des Papiers am 17. April 1990 in de Maizières Amtssitz statt: Vgl. Lothar de Maizière, Ich will, dass meine Kinder nicht mehr lügen müssen. Meine Geschichte der deutschen Einheit (Freiburg/Basel/Wien: Herder, 2010), 198–201.

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wjetische Vorstöße durchaus ernst; gleichzeitig begrüßte es die Wandlung der Haltung Moskaus hinsichtlich des Vereinigungsprozesses, der „nunmehr als Realität anerkannt“ werde. Außerdem erschienen in Ost-Berlin „die konzeptionellen Vorstellungen der sowjetischen Deutschlandpolitik noch nicht endgültig ausgearbeitet“; die Sowjetunion suche vielmehr weiter intensiv nach „akzeptablen Lösungen“.34 Im Unterschied zum Auswärtigen Amt und zur Bundesregierung35 ging das MfAA unter Meckel jedoch davon aus, dass sich an der Ablehnung der gesamtdeutschen NATO -Mitgliedschaft durch Moskau nichts ändern werde. Umso mehr musste sich Meckel durch den sowjetischen Verweis auf ein „gesamteuropäisches Sicherheitssystem“ bestätigt fühlen: Wenn man hier vorankam, so hoffte er, würde man auch die Zustimmung Moskaus zur Wiedervereinigung unter zeitweiliger NATO -Mitgliedschaft erlangen. Versuchte Moskau, das „Sonderverhältnis“ zu Ost-Berlin über den Regierungswechsel hinaus aufrechtzuerhalten und zu nutzen, so war Bonn daran gelegen, ein vertrauensvolles Verhältnis zur neuen DDR-Regierung herzustellen, um sich über das außenpolitische Vorgehen abzustimmen und möglichst einen gemeinsamen Kurs bei den anstehenden Verhandlungen zu steuern. Daher lud Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher Meckel am 17. April, kurz nach dessen Amtsantritt, in sein Privathaus nach Bonn-Wachtberg ein. Meckel beeindruckte Genscher „durch seine Bescheidenheit wie durch sein Selbstbewußtsein“. Genscher erklärte sich bereit, alle erforderlichen Schritte im Rahmen des Zwei-plus-Vier-Prozesses gemeinsam mit Meckel zu gehen und bot diesem zur Unterstützung Mitarbeiter aus dem Auswärtigen Amt an. Da sich Meckel und seine Mannschaft auf keinen Fall von Bonn vereinnahmen lassen wollten, reagierte dieser zurückhaltend.36 Wie selbstbewusst Meckel war, erfuhr Genscher bei dessen nächstem Besuch am 24.  April, als dieser von der „besondere[n] Gestaltungsaufgabe“ der DDR-Außenpolitik sprach; denn mit der Vereinigung „ergebe sich eine neue Vision für Europa mit neuen Perspektiven“.37 Gleichwohl vereinbarten die beiden Außenminister und ihre Delegationen bei dieser Gelegenheit die Gründung einer Gemeinsamen Kommission zur Abstimmung und Koordinierung ihrer beiden Ministerien. Am 2.  Mai kamen daraufhin Staats­ 34 Haltung der UdSSR , der Staaten Osteuropas und asiatischer Länder zur deutschen Einheit, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 92, 579–582, hier 579–580. 35 Vgl. Vermerk Lambachs, 23.4.1990, in: Die Einheit, Dok.  86, 429–430.; Vorlage Duisbergs an Kohl, 19.4.1990, in: Bundesministerium des Innern unter Mitwirkung des Bundesarchivs (eds.), Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90, bearb. von Hanns Jürgen Küsters/Daniel Hofmann, (= Dokumente zur Deutschlandpolitik; München: Oldenbourg, 1998), Dok. 251, 1024–1025. Duisberg bezog sich auf eine ähnliche sowjetische Demarche bei der Bundesregierung vom 19.4.1990, in: ibd., Dok. 250, 1023–1024. 36 Vgl. Hans-Dietrich Genscher, Erinnerungen (Berlin: Siedler, 1995), 760. Zur kritischen Sicht der Mannschaft Meckels auf das Gespräch vgl. Albrecht, Abwicklung, 22; zu M ­ eckels nachträglicher Beurteilung seines Verhältnisses mit Genscher vgl. Interview Barbara Munskes mit Markus Meckel, 8.2.1992, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 238, 994. 37 Gespräch Genscher mit Meckel, 24.4.1990, in: Die Einheit, Dok. 89, 439–445, hier 439.

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sekretär Jürgen Sudhoff vom Auswärtigen Amt und Staatssekretär Hans Misselwitz vom MfAA in einer größeren Runde zusammen, um die künftige Zusammenarbeit zu planen. Wiltrud Holik vom Auswärtigen Amt hielt im Anschluss daran fest, dass Meckel eine Politik betreiben wolle, „die Bonn entspricht, aber eigene Akzentuierungen, insbesondere in der Entwicklung zu Osteuropa und der Sowjetunion beinhaltet“. Das war eine Fehleinschätzung genauso wie ihre Bewertung der Mannschaft um den DDR-Außenminister, bei der es sich „um realistische, nüchterne Menschen [handle], die wissen, was sie wollen und die entschieden sind, uns zu vertrauen“.38 Doch Fehlwahrnehmungen gab es auf beiden Seiten. Bei seinem Zusammentreffen mit Meckel am 4. Mai, dem Tag vor dem ersten Zwei-plus-Vier-Außenministertreffen in Bonn, betonte Genscher unter anderem, dass man der So­ wjetunion verdeutlichen müsse, man wolle sie nicht „aus Europa ausschließen und aus Osteuropa verdrängen“. Dagegen „müsse man das Konzept einer europäischen Friedensordnung setzen, die nur mit der Sowjetunion Sinn hat“: Dazu bedürfe es eines besonderen deutsch-sowjetischen Verhältnisses, einer besonderen Vertragspolitik der Europäischen Gemeinschaft und einer „Institutionalisierung im KSZE-Prozeß“.39 Dem stimmte Meckel voll und ganz zu, schien es doch genau seinem Konzept zu entsprechen. Doch unterschieden sich das bundesdeutsche und das ostdeutsche Konzept in einem wesentlichen Punkt. Für die Bundesrepublik war die deutsche NATO -Mitgliedschaft conditio sine qua non,40 während die KSZE-Institutionalisierung im Rahmen einer europäischen Friedensordnung nur zur Versöhnung der Sowjetunion mit diesem Umstand dienen sollte; Meckel hingegen wollte eine europäische Friedensordnung an die Stelle von NATO und Warschauer Pakt setzen.

IV. Die Außenpolitik der DDR und die polnische Westgrenze Doch als Voraussetzung für ein solches gesamteuropäisches Sicherheitssystem war nicht nur für Meckel, sondern für alle Parteien, die in die Volkskammer gewählt worden waren, die völkerrechtliche Anerkennung der polnischen Westgrenze unabdingbar.41 Für Meckel wie für zahlreiche andere DDR-Opposi­tionelle war dies eine Herzensangelegenheit. Gegenüber dem polnischen ­Regierungschef 38 Vorlage von Holik für Staatssekretär Sudhoff, 3.5.1990, in: ibd., Dok.  91, 449–452, die­ Zitate 450, 452. 39 Gespräch Genschers mit Meckel,. 4.5.1990, in: ibd., Dok. 93, 458–462, hier 461. 40 Dies traf auch auf Genscher zu, auch wenn er die NATO -Mitgliedschaft Deutschlands für die Sowjetunion durch Zugeständnisse hinsichtlich der Unterstellung von Streitkräften auf dem ehemaligen DDR-Territorium verträglicher machen wollte: vgl. Heike Amos/Tim Geiger, Einleitung, in: Die Einheit, 22–23. 41 Vgl. Grundsätze der Koalitionsvereinbarung, 12.4.1990, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 75, 537; Gemeinsame Erklärung aller Fraktionen der Volkskammer, 12.4.1990, in: ibd., Dok. 76, 540–542, hier 541–542.

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Tadeusz Mazowiecki verwies er auf die „solidarische Verbundenheit“, die sich in der Vergangenheit mit der Solidarność herausgebildet habe und fügte hinzu: „Ohne die Jahre 1970 und 1980 in Polen wäre 1989 und 1990 in der DDR nicht möglich gewesen.“42 Die Freundschaft mit Polen resultierte für ihn folglich da­ raus, dass die polnische Opposition der DDR-Opposition in gewisser Weise den Weg gebahnt hatte; die vorbehaltlose Unterstützung für das polnische Anliegen einer möglichst raschen Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze war für ihn selbstverständlich. Der erste Besuch Meckels als Außenminister ging daher am 23. April nach Warschau. Neben der Beschwörung der Achse „Deutschland-Polen-Sowjetunion“ für die Zukunft Europas sagte er seine Unterstützung für den Plan Mazowieckis zu, demzufolge nach den Volkskammerwahlen durch die Regierungen der DDR , der Bundesrepublik und Polens ein Vertrag über die endgültige Anerkennung der Westgrenze Polens paraphiert und nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten endgültig unterzeichnet werden solle. Außerdem wollte sich­ Meckel für ein Zwei-plus-Vier-Außenministertreffen in Warschau einsetzen.43 Damit ging Meckel weit über das hinaus, was die Bundesregierung bereit war, Polen zuzugestehen. Die DDR wurde zu den beim ersten Zwei-plus-Vier-Beamtentreffen am 14. März auf Initiative Großbritanniens vereinbarten trilateralen Expertentreffen über die deutsch-polnische Grenzregelung zugelassen.44 Beim ersten dieser Treffen am 3. Mai in Warschau unterstützte Staatssekretär Misselwitz vom MfAA erwartungsgemäß den polnischen Vorschlag für das Prozedere sowie den polnischen Vertragsentwurf. Der Politische Direktor im Auswärtigen Amt, Dieter Kastrup, hingegen vertrat die bundesdeutsche Linie, der zufolge vor der Vereinigung lediglich die Parlamente der beiden deutschen Staaten eine Erklärung zum wesentlichen Inhalt eines Grenzvertrags abgeben sollten, der von einer gesamtdeutschen Regierung dann abzuschließen sei.45 Die nächste Gesprächsrunde am 18. Mai ergab nichts Neues: Wieder bestand die polnische Seite auf einem para­phierten Vertragsentwurf vor der Vereinigung, was die bundesdeutsche Seite ablehnte, die sich im Übrigen von der DDR keine Unterstützung erhoffte.46 Doch kurz darauf, am 25. Mai, intervenierte Bundeskanzler Kohl mit einem Telefonat bei Staatssekretär Sudhoff und verbat sich eine Verletzung seiner Richtlinienkompetenz, da er eine Vertragsparaphierung vor der Vereinigung auf jeden 42 Gespräch Meckels mit Mazowiecki, 23.4.1990, in: ibd., Dok. 83, 555–557, hier 555. 43 Vgl. ibd., 556 (hier wird der Plan Außenminister Skubiszewski zugesprochen); Information über den Besuche Meckels in Polen am 23.4.1990, in: Die Einheit, Dok. 87, 431–437; Weidenfeld, Außenpolitik für die deutsche Einheit, 492. Der Mazowiecki-Plan in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 51, S.478–479. 44 Vgl. Weidenfeld, Außenpolitik für die deutsche Einheit, 494. Zu den Treffen aus Sicht eines ostdeutschen Beteiligten vgl. Misselwitz, In Verantwortung für den Osten, 62. 45 Trilaterales deutsch-deutsch-polnisches Direktorengespräch in Warschau, 3.5.1990, in: Die Einheit, Dok. 92, 453–458. 46 Ibd., Dok. 100, Anm. 14, 501.

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Fall verhindern wollte.47 Das trilaterale Treffen vom 29. Mai konnte zwar noch stattfinden. Bei dieser Gelegenheit versuchte die ostdeutsche Seite, die unterdessen von Außenminister Skubiszewski noch einmal auf die polnische Linie eingeschworen worden war,48 zu vermitteln. Die Verhandlungsführung der DDR wurde zwar vom Auswärtigen Amt (AA) als „hilfreich“ bezeichnet, aber das am 29. Mai vereinbarte dritte Treffen kam nicht mehr zustande.49 Denn Kohl schrieb nun einen geharnischten Brief an de Maizière, in dem er sich über das propolnische Verhalten der ostdeutschen Diplomaten beschwerte und auf der bundesdeutschen Linie in dieser Frage beharrte.50 Und gegenüber dem Bundeskanzler, der vor allem aus wahltaktischen Gründen eine vorzeitige vertragliche Abmachung über die polnische Westgrenze verhindern wollte, war die DDR-Regierung machtlos.

V.

Institutionalisierung der KSZE: Die trilaterale Initiative als Vorstoß der DDR

Angesichts des Zerfalls des Ostblocks starteten zunächst Polen und die Tschechoslowakei Initiativen zur Institutionalisierung der KSZE . Am 13.  März trat Polen an die KSZE-Staaten heran mit dem Vorschlag, einen Rat für europäische Zusammenarbeit als „ein ständiges politisches Organ der KSZE“ zu gründen, der „beratende und koordinierende Funktionen im Zusammenhang mit allen Gebieten der KSZE ausführen“ sollte. Alle KSZE-Staaten wären mit Botschaftern darin vertreten und ein internationales Sekretariat sollte dessen Arbeit unterstützen.51 Einen ähnlichen Vorschlag unterbreitete am 6. April die ČSFR , der eine Europäische Sicherheitskommission vorsah, die dafür zuständig wäre, „konsultative, koordinierende und bestimmte Kontrollfunktionen“ wahrzunehmen. Auf der Ebene der Außenminister sollte diese einmal pro Jahr, auf der Ebene der ständigen Vertreter sogar monatlich tagen.52 Keiner der Vorschläge stieß bei den KSZE-Staaten auf große Resonanz. Die polnische Initiative wurde laut einem MfAA-Bericht „von der Mehrheit der Teilnehmerstaaten eindeutig als überdimensional empfunden“; die Zeit für die Bildung eines solchen Führungsorgans der KSZE sei einfach noch nicht gekommen.53 47 Vgl. Weidenfeld, Diplomatie für die deutsche Einheit, 496. Aufgrund des Telefonats wurde auch erwogen, das Treffen vom 29. Mai 1990 abzusagen: Vorlage Hartmanns für Kohl, 25.5.1990, in: Deutsche Einheit, Dok. 288, Anm. 1, 1147. 48 Zu dem Brief Skubiszewskis an Meckel vom 25. Mai 1990 vgl. Lehmann, Außenpolitik, Einleitung, 166–167. 49 Vorlage Oesterhelts für Genscher, 31.5.1990, in: Die Einheit, Dok. 104, 519–522. 50 Kohl an de Maizière, 31.5.1990, in: Deutsche Einheit, Dok. 298, 1177–1178. 51 Polnische Vorschläge für die Schaffung eines „Rats für Europäische Zusammenarbeit“, 13.3.1990, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 67, 519–520. 52 Memorandum über die Europäische Sicherheitskommission, in: ibd., Dok. 74, 534–537. 53 Zum polnischen Vorschlag über die Bildung eines „Rates für europäische Zusammenarbeit“, 20.4.1990, in: ibd., Dok. 81, 552–553.

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Das hielt Markus Meckel jedoch nicht davon ab, die Initiativen der beiden östlichen Nachbarstaaten aufzugreifen und Experten der beiden Außenministerien am 11./12. Mai nach Schloss Niederschönhausen in Ost-Berlin einzuladen, um eine gemeinsame Initiative der drei ostmitteleuropäischen Staaten zur Institutionalisierung der KSZE zu starten. Einen vom Apparat des MfAA bevorzugten deutsch-deutschen Vorstoß lehnte Meckel nach der Erinnerung von Ulrich Albrecht hingegen ab. Meckels Einladung löste zunächst Verwunderung bei der polnischen Seite aus, die sich an das „eiserne Dreieck“ zwischen den drei Staaten aus den 1960er-Jahren54 erinnert fühlte. Aber nachdem Misselwitz ausführlich über das erste Zwei-plus-Vier-Außenministertreffen berichtet hatte, fasste der polnische Diplomat und Deutschlandspezialist Jerzy Sułek Vertrauen und sah offensichtlich die Chance, die DDR für Vermittlerdienste zwischen Polen und der Bundesrepublik einzuspannen.55 In Berlin-Niederschönhausen beschlossen die außenpolitischen Experten der drei Staaten eine gemeinsame Initiative für das KSZE-Gipfeltreffen auf der Grundlage der polnischen und tschechoslowakischen Vorschläge und verabredeten, ihre Gespräche in Prag fortzusetzen.56 Dort konnten sich Vertreter der drei Staaten am 27./28. Mai auf der Grundlage eines DDR-Entwurfs auf eine Initiative „zur schrittweisen Institutionalisierung des KSZE-Prozesses“ verständigen. Dazu gehörten neben den Treffen von KSZE -Staaten „die Installierung eines Rates der Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“, der auf Außenministerebene alle sechs Monate, auf Botschafterebene einmal monatlich tagen sollte. An festen Einrichtungen waren ein kleines Sekretariat sowie zwei Zentren vorgesehen: eines für Vertrauensbildung, Rüstungskontrolle und Verifikation und ein zweites zur Verhütung und Beilegung von Konflikten. Die ostdeutsche Seite, so hieß es in einer dem Bericht beigefügten Anlage, habe das Treffen genutzt, „um den untrennbaren Zusammenhang zwischen der Herstellung der deutschen Einheit und dem Voranschreiten des europäischen Einigungsprozesses ständig herauszustellen“. Meckel sah folglich in der trilateralen Initiative einen ersten Schritt zur Umsetzung seines weitreichenden Planes einer gesamteuropäischen Friedensordnung auf KSZE-Basis. Dabei waren alle Beteiligten aber insofern realistisch, als sie vom Widerstand der Mehrheit 54 DDR , ČSSR und Polen hatten 1967 untereinander bilaterale Freundschaftsverträge geschlossen; ihr Verhältnis untereinander wurde als „eisernes“ oder „nördliches“ Dreieck bezeichnet, obwohl es nicht spannungsfrei war. Vgl. dazu Wolfgang Schwarz, Brüderlich entzweit. Die Beziehungen zwischen der DDR und der ČSSR 1961–1968 (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum, 97; München: Oldenbourg, 2004), 223–240; Doulgas Selvage, Poland, the GDR , and the „Ulbricht Doctrine“, in: M. B. B. Biskupski (ed.), Ideology, Politics and Diplomacy in East Central Europe (Rochester: Rochester University Press, 2003), 227–241. 55 Vgl. Albrecht, Abwicklung, 32–33. 56 Treffen von Experten aus der Republik Polen, der ČSFR und der DDR in Berlin zur Problematik gemeinsamer Initiativen in Vorbereitung auf das KSZE -Gipfeltreffen. Bericht, 14.5.1990, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 104, 629–631.

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der NATO bzw. EG - und der neutralen Staaten gegen eine umfassende Institutionalisierung der KSZE ausgingen sowie davon, dass das vereinigte Deutschland einer sich verändernden NATO angehören werde. Da überdies die Kooperation der Bundesrepublik noch ungesichert war, wurde die DDR beauftragt, hier über eine Möglichkeit der Beteiligung zu sondieren.57 Die Initiative wurde in ihrer endgültigen Formulierung vom 7.  Juni58 zum einen auf der Tagung des Politischen Beratenden Ausschusses des Warschauer Pakts vorgestellt und von DDR und ČSFR „als mögliche Brückenfunktion zwischen den Blöcken“ charakterisiert. Der Erfolg war freilich mäßig, da nur Ungarn seine eventuelle Bereitschaft erklärte sich anzuschließen.59 Zum anderen wurde der Dreier-Vorschlag von der ČSFR am 12. Juni allen KSZE-Staaten übergeben, die in diesem Monat zu einer Konferenz über die menschliche Dimension in Kopenhagen zusammentrafen.60 Schließlich hatte Meckel bereits am 1. Juni seinen Amtskollegen Genscher darüber unterrichtet und auch auf dem Treffen der Planungsstäbe von AA und MfAA am 19. Juni wurde die Initiative von einem DDR-Vertreter erläutert. Eine Reaktion blieb in beiden Fällen jedoch aus.61 Insgesamt war der trilateralen Initiative kein Erfolg beschieden. Die KSZETeilnehmerstaaten, so eine zusammenfassende Bewertung des DDR-Außenministeriums, sahen darin lediglich einen „Vorschlag unter zahlreichen anderen Vorschlägen“; vor allem hinsichtlich der Bildung von ständigen KSZE-Organen sei „eine deutliche Zurückhaltung zu erkennen“. Eine unmissverständliche Absage wurde dem Vorhaben vor allem von den USA erteilt, die es „zur Regelung anstehender komplizierter Fragen“ für ungeeignet hielten; ja, es „könne sogar destabilisierend sein, weil NATO -Funktionen untergraben würden“.62 Da das Projekt keine Unterstützung aus dem Westen erhielt, rückten nun auch Prag und Warschau davon ab.63 Meckel war mit einem zentralen Vorhaben zur Umsetzung seiner Idee einer gesamteuropäischen Friedensordnung gescheitert, wohl 57 Zweites Treffen von Experten aus der Republik Polen, der ČSFR und der DDR am 27. und 28.5.1990 in Prag zur Vorbereitung einer gemeinsamen Initiative für das KSZE -Gipfeltreffen in Paris, in: ibd., Dok. 122, 670–675, die Zitate 671, 673. 58 Vorschlag der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik, der DDR und der Republik Polen zur Institutionalisierung des KSZE -Prozesses, 7.6.1990, in: ibd., Dok. 129, 691–692. 59 Vermerk der Abteilung I, Bereich Grundsatzfragen und Planung, des MfAA , 8.6.1990, in: Die Einheit, Dok. 108, S.540–545, hier 542. 60 Rotstrichinformation der Unterabteilung Information des MfAA , 19.6.1990, in: ibd., Dok. 115, 570–571, hier 570. 61 Gespräch zwischen Genscher und Meckel, 1.6.1990, in: ibd., Dok.  105, 522–528, hier ­525–526.; Vermerk des Mitarbeiters im Planungsstab, Weiß, 19.6.1990, in: ibd., Dok. 117, 575–578, hier 577. 62 Zur Reaktion der KSZE -Teilnehmerstaaten auf die trilaterale Initiative zur Institutionalisierung des KSZE -Prozesses, 4.7.1990, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 182, 822–825, hier 822–823. Zur Reaktion der USA , Frankreichs und Großbritanniens vgl. auch Albrecht, Abwicklung, 33–34. 63 Vgl. Weidenfeld, Außenpolitik für die deutsche Einheit, 332.

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weil die westlichen KSZE-Staaten angesichts der drängenden Zeit lieber auf das bewährte westliche Bündnis zur Einbindung Deutschlands zurückgreifen als in einer Periode der Unsicherheit neue Strukturen aufbauen wollten.

VI. Meckels Idee einer Sicherheitszone zwischen Warschauer Pakt und NATO Locker verknüpft mit der trilateralen Initiative war Markus Meckels Idee einer Sicherheitszone zwischen Warschauer Pakt und NATO, die auf den Bremer Friedensforscher Dieter Senghaas zurückging. Peter Schlotter, der von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung in den Planungsstab im MfAA gekommen war, hatte diesen im Mai und Juni 1990 für Gespräche ins MfAA geholt.64 Ziel der Idee war, für eine Übergangszeit eine militärische Verbindung von Deutschland, der ČSFR und Polen herzustellen  – mit Deutschland als NATO -Mitglied bei gleichzeitiger Stationierung sowjetischer Truppen auf DDR-Gebiet. Beide Bündnisse sollten den Vertrag über die von diesen Staaten zu bildende Sicherheitszone anerkennen, die als „ein Bündnis zwischen den Bündnissen“ bezeichnet wurde. Militärisch ausgedünnt, sollte diese „Zone der Entspannung“ einen Rat für Sicherheit in Prag, ein Rüstungskontroll- und Verifikationszentrum in Berlin und ein Konfliktverhütungszentrum in Warschau erhalten; langfristig sollten hier kleine multinationale Truppenverbände aufgestellt werden. Ziel dieser Konstruktion war, der Sowjetunion eine gewisse Sicherheit zu geben und zu einer Verflechtung der Bündnisse beizutragen. Als die ersten vagen Ideen zu diesem Projekt von Meckel geäußert wurden, riefen sie selbst unter dessen Mitarbeitern ein geteiltes Echo hervor. Planungsstabschef Albrecht jedoch befürwortete sie und machte sich an deren Weiterentwicklung.65 Meckel aber wartete diesen Prozess nicht ab, sondern unterbreitete seine Idee bereits am 5. Juni dem amerikanischen Außenminister James Baker am Rande der KSZE-Konferenz in Kopenhagen, ohne die Partner Polen und Tschechoslowakei überhaupt eingeweiht zu haben.66 Am 7. Juni trat er mit seinem Plan überdies an die Presse, etwa in Form eines Interviews für die Frankfurter Rundschau.67 Wenngleich die von Schlotter ausgearbeitete Endfassung des Plans einer Sicherheitszone erst am 7.  Juli vorlag,68 äußerte sich Meckel ungeniert weiter dazu, etwa am 8. Juni in Stockholm oder am 14. Juni vor der Volkskammer.69 64 Vgl. Lehmann, Außenpolitik, Einleitung, 205. 65 Vgl. Albrecht, Abwicklung, 64–66; Amos/Geiger, Einleitung, in: Die Einheit, 32–33. 66 Gespräch von Baker mit Meckel in Kopenhagen, 5.6.1990, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 128, 689–691, hier 690. 67 Vgl. Lehmann, Außenpolitik, Einleitung, 209. 68 Schlotter, Betr.: Sicherheitszone, 7.7.1990, in: ibd., Dok. 188, 836–838. 69 Address by Markus Meckel to the IEWSS Annual Conference, 9.6.1990 [sic, eigentlich 8.6.], in: Die Einheit, Dok.  110-ZD A (http://www.ifz-muenchen.de/fileadmin/user_upload/

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Die Reaktionen darauf waren durchweg negativ. Außenminister Baker konterte mit der berechtigten Gegenfrage, „wer denn im Falle eines Angriffs auf das dann ehemalige Gebiet der DDR dieses verteidigen müsse“.70 Und auch dem Auswärtigen Amt erschienen Meckels Überlegungen unausgegoren und „wenig präzise“. Der Planungsstab im AA wandte dagegen ein, dass „solche ehrgeizigen und vor allem komplizierten Konzepte in der vor uns liegenden Übergangszeit“ wohl kaum zu realisieren seien – ein Verweis darauf, dass es angesichts der drängenden Probleme auf ein möglichst pragmatisches Vorgehen ankam.71 Entscheidend für das Scheitern der Initiative war indes dieAblehnung durch die Regierung der ČSFR . Als Meckel am 9. Juli in Prag weilte und Ministerpräsident Marián Čalfa das Konzept der Sicherheitszone erläuterte, erwiderte dieser, dass auch die ČSFR die Überwindung der Blockstrukturen in Europa anstrebe, dass er sich aber für eine Übergangszeit Deutschland sehr wohl als NATO -Mitglied vorstellen könne: „Ich fühle mich durch die NATO nicht bedroht.“ Und Außenminister Jiři Dienstbier sprach sich dezidiert gegen einen Sonderstatus für Deutschland in einem vereinigten Europa aus, da sich Provisorien verfestigen und Pufferzonen sich „als sicherheitspolitische Grauzonen erweisen“ könnten. Im Unterschied zu einem in die NATO eingebundenen Deutschland barg für beide Meckels Konstruktion einer „Sicherheitszone“ folglich zu viele Risiken für die Tschechoslowakei. Wichtiger als diese sicherheitspolitischen Überlegungen waren für beide Politiker die negativen Folgen der am 1. Juli in Kraft getretenen Wirtschafts- und Währungsunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR , die bereits damals zu einem Rückgang um 20 Prozent im Warenaustausch mit der DDR geführt hatten. Aus dieser Misere konnte letztlich nur die Bundesrepublik helfen, so dass auch für die ČSFR die DDR rapide an Wert verlor.72

VII. Die DDR im Abseits Doch Meckel diskreditierte und isolierte sich nicht erst mit seinen Vorstellungen einer „Sicherheitszone“, sondern schon auf den Zwei-plus-Vier-Außenminis­ tertreffen. Bereits auf dem ersten Treffen am 5.  Mai in Bonn bemerkten Meckels engere Mitarbeiter, dass dieser mit seiner Rede, in der er sein Konzept einer KSZE -basierten Friedensordnung erläuterte, „daneben“ lag. Die Zuhörerschaft habe sich abgesetzt, seine Amtskollegen hätten sich „während des Vortrags ihren Forschung/AA /AA_Dokumente/110-ZD %20A_1990-06-09_Rede%20Meckels%20vor %20der%20IEWSS%20Annual%20Conference.pdf; zuletzt abgerufen am 3.  Sep­tember 2015); Lehmann, Außenpolitik, Dok. 141, 712–713. 70 Gespräch von Baker mit Meckel in Kopenhagen, 5.6.1990, in: ibd., Dok. 128, 690. 71 Vgl. Vorlage Citrons für Genscher, 11.6.1990, in: Die Einheit, 551–552.; Vermerk des Mitarbeiters im Planungsstab, Weiß, 19.6.1990, in: ibd., Dok. 117, 576 (hier die Zitate). 72 Besuch Meckels in der CSFR am 9.7.1990. Bericht, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 192, 841–844, die Zitate 842, 843.

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Papieren“ zugewandt, Meckel habe „mit seinem Pathos nicht die Tonlage getroffen, wie sie in diesem Herrenclub bevorzugt wird“.73 Sehr viel wichtiger sollte indes das zweite Außenministertreffen am 22. Juni in Ost-Berlin werden. Hier sorgte zunächst das Auftreten des sowjetischen Außenministers für einige Irritationen. Denn obwohl Gorbatschow beim Gipfeltreffen mit Bush am 31.  Mai und Schewardnadse gegenüber Genscher in Brest am 11.  Juni Bewegung in der Bündnisfrage signalisiert hatten,74 präsentierte Schewardnadse hier wieder die sowjetischen Maximalforderungen. Vor allem sprach er sich für eine Übergangsperiode von mindestens fünf Jahren nach Schaffung eines einheitlichen Parlaments und einer einheitlichen Regierung aus, in der die beiden deutschen Staaten weiterhin ihren Bündnissen angehören und die Vier-Mächte-Rechte zunächst weiter bestehen bleiben und nur schrittweise abgebaut werden sollten. Für die Bundesrepublik wie für die Westmächte war das inakzeptabel; Genscher war sich freilich klar darüber, dass dies nicht der verbindliche sowjetische Fahrplan war. Er interpretierte die Ausführungen korrekt als „Window dressing“, d. h. als Rede, die Schewardnadse mit Blick auf den bevorstehenden XXVIII. KPdSU-Parteitag in Moskau hielt. In der abschließenden Pressekonferenz sagte dieser dann auch, dass dies nicht das letzte Wort sei und viel von der bevorstehenden NATO -Tagung in London abhängen werde.75 Meckel hingegen nahm die Ausführungen Schewardnadses zum Nennwert, um in seiner Rede erneut die Grundzüge seiner Sicherheitskonzeption und den Zusammenhang des deutschen und des gesamteuropäischen Vereinigungsprozesses zu betonen, wobei es vor allem auf die Zustimmung der östlichen Nachbarn und der Sowjetunion ankomme. Die neuen Sicherheitsstrukturen „sollen nicht auf dem alten Konzept konfrontativer Sicherheit und nicht auf einem militärischen Vorrücken nach Osten aufgebaut werden“. Daher sollten die versammelten Außenminister auch nichts übereilen und „erst dann vom 2+4-Tisch auf[…]stehen, wenn wirklich solides Einvernehmen über Grundsätze und Fahrplan einer Sicherheitsorganisation für ganz Europa erreicht ist“. Daraufhin machte er eine ganze Reihe von konkreten Vorschlägen, die in völligem Gegensatz zu den westlichen Vorstellungen standen: deutscher Verzicht auf ABC-Waffen, eine Obergrenze von 300.000 deutschen Soldaten, sicherheitspolitische Sonderregelungen für die DDR . Auch die von sowjetischer Seite vorgeschlagene

73 Albrecht, Abwicklung, 44. 74 Vgl. zum Gipfeltreffen Bush-Gorbatschow Philip Zelikow/Condoleezza Rice, Sternstunde der Diplomatie. Die deutsche Einheit und das Ende der Spaltung Europas (Berlin: Propyläen 1997), hier 384–386; zu dem (ersten) Gespräch Genschers mit Schewardnadse in Brest vgl. Andreas Hilger (ed.), Diplomatie für die deutsche Einheit. Dokumente des Auswärtigen Amts zu den deutsch-sowjetischen Beziehungen 1989/90 (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 103; München: Oldenbourg, 2011), Dok. 35, 172–188; aus Genschers Sicht vgl. Genscher, Erinnerungen, 806–808. 75 Vgl. dazu u. a. Ritter, Genscher, 144–146; das Zitat aus Genscher, Erinnerungen, 825.

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Übergangsregelung wollte er zugestehen, „wenn klar ist, wie lange sie dauert und wodurch sie abgelöst wird“.76 Möglicherweise war diese Haltung auch auf einen Ratschlag von Egon Bahr zurückzuführen, mit dem Misselwitz und andere aus Meckels Leitungsteam am 18. Juni in Bonn sprachen. Bahr hatte sich zwar selbst im April Meckel als Staatssekretär angeboten, was bei diesem jedoch auf Ablehnung gestoßen war, da er „nicht Minister unter Staatssekretär Bahr sein“ wollte.77 Nun erhoffte sich dessen Mannschaft aber offensichtlich Hilfe von dem prominenten westdeutschen sozialdemokratischen Sicherheitspolitiker. Bahr empfahl damals, die Vier-MächteRechte erst nach dem Ende der Übergangsperiode, „also nach der Etablierung einer europäischen Lösung“ aufzugeben und auf der inhaltlichen und zeitlichen Fixierung einer solchen Lösung zu bestehen, um so „inhaltlich qualifiziert den politischen Kalender von Kohl und Genscher zu durchkreuzen“.78 Für Genscher, aber auch für die anderen westlichen Außenminister kam eine solche Übergangsperiode nicht in Frage: Zeitgleich mit der Vereinigung musste Deutschland auch seine Souveränität erhalten. Kein Wunder, dass die ostdeutschen Überlegungen „ins Leere“ liefen; Meckel hatte sich damit in diesem Kreis isoliert und wurde fortan nicht mehr ernst genommen.79 In den folgenden Monaten war die DDR-Außenpolitik von zwei parallelen Entwicklungen gekennzeichnet: einem Auseinanderdriften von Meckel und de Maizière sowie einer zunehmenden Kritik Meckels an westlichen bzw. westdeutschen Entscheidungen. Das wird an einer Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zur Außenpolitik vor der Volkskammer am 5. Juli sowie an den Ausführungen des Außenministers in derselben Sitzung deutlich. Dabei unterschieden die beiden sich letztlich nur in Nuancen. De Maizière sprach sich für die Souveränität Deutschlands in der NATO aus, gleichzeitig aber für Abrüstung und den Wandel von NATO und Warschauer Pakt im Sinne von „Blocküberwindung und nicht Blockverschiebung“, wozu die Institutionalisierung der KSZE im Sinne der trilateralen Initiative beitragen sollte.80 Meckel betätigte dies im Wesentlichen, betonte aber im Gegensatz zu de Maizière und zur Bundesregierung, dass der Ostteil Deutschlands „militärisch und sicherheitspolitisch ein Sondergebiet in Europa“ bleiben sollte, in dem für eine Übergangszeit sowjetische Truppen stehen und in dem es „eine eigene Territorialarmee geben“ werde. Damit sei dieses Gebiet „ein Pfahl im Fleisch hin zu neuen Strukturen der Sicherheit in

76 Rede Meckels, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 165, 760–761. 77 So die mündliche Auskunft Meckels, zit. nach Amos/Geiger, Einleitung, in: Die Einheit, 32, Anm. 131. 78 Vermerk von Braunmühls über ein Gespräch mit Bahr, 18.6.1990, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 152, 7­ 27–730, und in: Die Einheit, Dok. 114, 565–570, hier 566–567. 79 Vgl. Weidenfeld, Außenpolitik für die deutsche Einheit, 476–477.; das Zitat in: Albrecht, Abwicklung, 80. 80 Regierungserklärung de Maizières, 5.7.1990, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok.  184, ­829–832, das Zitat 830, 831.

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Europa“. Außerdem legte er, wie schon in einem Brief an Genscher einige Tage zuvor, die deutsche Truppenstärke auf maximal 300.000 Mann fest.81 Die NATO verabschiedete schließlich auf ihrer Londoner Tagung vom 5./6. Juli 1990 eine wegweisende Erklärung, die nicht nur eine grundlegende Änderung ihrer militärischen Strategie, sondern auch den Vorschlag einer gemeinsamen feierlichen Deklaration mit den Warschauer-Pakt-Staaten beinhaltete, einander nicht mehr als Gegner zu betrachten.82 Die Erklärung wurde in Moskau positiv aufgenommen und trug mit dazu bei, dass Gorbatschow und Schewardnadse den XXVIII. KPdSU-Parteitag weitgehend unbeschädigt überstanden.83 Doch während aus Moskau Zustimmung signalisiert wurde, hielt Meckel die Entscheidungen von London für „unzureichend“. Er kritisierte vor allem, dass die NATO an Atomwaffen festhalten und die Strategie der „flexible response“ nur modifizieren wollte.84 Auch vor dieser Erklärung war Bahr konsultiert worden: Am 2. Juli hatten Mitglieder des MfAA-Planungsstabes mit ihm in Bonn darüber diskutiert, „wie die DDR-Regierung auf die zu erwartenden mageren Ergebnisse des NATO -Gipfels reagieren sollte“. Bahr hatte unter anderem geraten, beim Thema „Singularisierung“ Deutschlands  – deren Verhinderung oft als Argument für eine NATO -Integration diente  – auch die Stationierung von amerikanischen und sowjetischen Atomwaffen anzuführen.85 Wenngleich Meckel selbst stets ein Verfechter der Entnuklearisierung Deutschlands gewesen war, dürfte ihn Bahrs Votum zusätzlich bestärkt haben. Ganz anders reagierte de Maizière, der im Nachhinein in den Beschlüssen des Londoner Gipfels „eine wichtige Vorleistung“ für den Erfolg der Gespräche Kohls mit Gorbatschow im Kaukasus sah.86 Dass Helmut Kohl von seinen Gesprächen mit Gorbatschow in Moskau und im Kaukasus mit der Zusage einer NATO -Mitgliedschaft für das vereinigte 81 Meckel vor der Volkskammer, 5.7.1990, in: ibd., Dok. 185, 832–834, die Zitate 833. Schreiben Meckels an Genscher, 29.6.1990. in: Die Einheit, Dok. 124, 599–600. Meckel kam auf 300.000 Mann, indem er den nominellen Personalumfang von Bundeswehr und NVA , die zusammen auf 600.000 kamen, halbierte. 82 Die Londoner Erklärung in: Europa-Archiv 1990, D 456–460. 83 Vgl. Weidenfeld, Außenpolitik für die deutsche Einheit, 527–528; Stefan Karner/Mark Kramer/Peter Ruggenthaler/Manfred Wilke, Der Kreml und die Wiedervereinigung, in: id. (eds.) Der Kreml und die deutsche Wiedervereinigung (Berlin: Metropol, 2015), 97–99. 84 Erklärung Meckels in: Reaktionen auf den NATO -Gipfel, in: Süddeutsche Zeitung, 7. Juli 1990, zit. nach Einleitung in: Lehmann, Außenpolitik, 240. Das MfAA informierte am 10.7.1990 mit Rotstrichinformation Nr. 37/VII über die NATO -Erklärung, die positiv im Hinblick auf die Entwicklung der Ost-West-Beziehungen, die Ausgestaltung des KSZE Prozesses und „die Regelung der mit der deutschen Einigung verbundenen Probleme“ bewertet wurde. Kritisch wurde lediglich vermerkt: „Es bleibt jedoch abzuwarten, wie die Londoner Beschlüsse […] in die Praxis umgesetzt werden.“ Die Einheit, Dok. 128 – ZD A (http://www.ifz-muenchen.de/fileadmin/user_upload/Forschung/AA /AA_Dokumente/ 128-ZD%20A_1990–07–10_Rotstrich%2037-VII_NATO -Gipfeltreffen.pdf; zuletzt abgerufen am 9. September 2015). 85 Protokoll des Gesprächs mit Bahr, 2.7.1990, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 176, ­799–805, hier 800. 86 De Maizière an Gorbatschow, o. D., in: ibd., Dok. 200, 855.

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Deutschland zurückkehrte, kam für Meckel, wie für viele andere, völlig überraschend, da er dieses sowjetische Zugeständnis stets ausgeschlossen hatte.87 Außerdem fühlten sich seine Mitarbeiter und er übergangen, da sie weder in die Gespräche einbezogen, noch hinterher von der Bundesregierung unterrichtet wurden.88 In seiner Stellungnahme für die Presse sah Meckel in den Ergebnissen des Kaukasus-Gipfels dann auch nicht den Durchbruch, sondern lediglich einen „entscheidenden Schritt voran“ auf dem Weg zur Vereinigung Deutschlands. Überdies kritisierte er die Regelung der künftigen Wehrverfassung: Auf dem Gebiet der DDR müsse es auch künftig eine Armee mit eigener Struktur und eigenem Oberbefehl geben, und die Anzahl von 370.000 Mann für die deutschen Streitkräfte hielt er für zu hoch.89 Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Meckel und die ostdeutsche Delegation auf dem Pariser Zwei-plus-VierAußenministertreffen am 17. Juli schlicht ignoriert wurden. Der Politische Direktor im MfAA, Carlchristian von Braunmühl, schrieb im Nachhinein, dass in Paris „in Wirklichkeit die ersten 1+4-Gespräche“ statt­ gefunden hätten.90 Auch Meckel selbst war verbittert. Gegenüber dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Walter Momper, konstatierte er am 21.  Juli, dass die Verhandlungen „im wesentlichen auf bilateraler Ebene“ verliefen, während das MfAA äußerst gering geschätzt werde. Und er fuhr fort: „Die Ergebnisse des Kohl-Besuches in der UdSSR haben bei sowjetischen Experten Entsetzen ausgelöst (Kwizinskij, Schikin, Bondarenko). [Der] Besuch brachte keine eigentlich greifbaren Ergebnisse, es gibt kein Protokoll, kein Kommuniqué.“91 Es war schon bemerkenswert, dass Meckel jetzt die sowjetischen Hardliner in Stellung gegen Kohl brachte. Letztlich spricht daraus nicht nur das Gefühl, bei den zentralen Entscheidungen völlig übergangen worden, sondern auch die Enttäuschung darüber, mit seinem Konzept einer europäischen Friedensordnung nicht zum Zuge gekommen zu sein. Ministerpräsident Lothar de Maizière hingegen beglückwünschte ­Gorbatschow zu dem Ergebnis der Verhandlungen in Moskau und im Kaukasus: Er sei sich sicher, dass die mit Kohl erzielte Regelung auch den sowjetischen Interessen ge87 Vgl. Lehmann, Außenpolitik, Einleitung, 240, die von einem „Kaukasus-Schock“ spricht. 88 Vgl. Albrecht, Abwicklung, 86–87. 89 Presseerklärung Meckels, 17.7.1990, in: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 199, 854–855., und in: Die Einheit, Dok. 129, 614–615. Auch Bahr plädierte am 18.7.1990 gegenüber Meckel dafür, nach der Vereinigung auf dem Gebiet der DDR zunächst an einer eigenen Armee mit eigenem Oberbefehl festzuhalten: Lehmann, Außenpolitik, Dok. 206, 878–879. Meckel kämpfte daraufhin noch bis zum 22.7. um den Erhalt einer verkleinerten NVA als Territorialheer auf dem Gebiet der DDR : ibd., Dok. 213, 891–893. 90 Carlchristian von Braunmühl, Die Herstellung der Einheit ist keine gemeinsame Sache geworden, in: Frankfurter Rundschau, 24. August 1990, zit. nach Lehmann, Außenpolitik, Dok. 226, hier 916. 91 Gespräch Meckels mit Momper, 21.7.1990, in: Die Einheit, Dok.  132, 626–630, hier ­626–627. Julij Kwizinskij war Erster Stellvertretender Außenminister, Gennadi Schikin Botschafter in Wien und Alexander Bondarenko Leiter der Dritten Europäischen Abteilung im Außenministerium.

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recht werde.92 Als nach dem Zerbrechen der Koalitionsregierung in Ost-Berlin am 19. August – nicht wegen Differenzen in der Außenpolitik, sondern wegen der Entlassung von SPD -Finanzminister Walter Romberg am 16. August durch den Regierungschef  – die SPD -Minister aus dem Kabinett ausschieden, übernahm de Maizière selbst das Außenministerium. Das war nur konsequent, da er – anders als Meckel – den Bonner außenpolitischen Kurs voll und ganz mittrug. De Maizière war es dann auch, der für die DDR am 12. September 1990 den Zwei-plus-Vier-Vertrag unterschrieb, womit die äußeren Aspekte der deutschen Einheit geregelt waren.

VIII. Schlussbetrachtung Die Zukunftsvorstellungen der Regierung Modrow, von Markus Meckel und der Bundesregierung waren letztlich inkompatibel: Modrow wollte möglichst lange an der Eigenstaatlichkeit der DDR festhalten und vor allem Zeit gewinnen, Meckel ging es um ein vereinigtes Deutschland in einem vereinigten Europa ohne NATO und Warschauer Pakt, und die Bundesregierung strebte in möglichst schneller Zeit ein vereinigtes Deutschland in der NATO an. Freilich rückten alle drei Akteure und sogar die Sowjetunion noch im Frühjahr 1990 das Ziel einer KSZE-basierten, gesamteuropäischen Friedensordnung in den Vordergrund. Ihre Motive dabei unterschieden sich jedoch grundlegend, was freilich nicht auf Anhieb erkennbar war. Da sowohl Genscher als auch die sowjetische Seite diesen Gedanken betonten, konnte Meckel hoffen, sein Konzept langfristig durchzusetzen. Meckels Kalkül basierte letztlich auf dem Axiom, dass Moskau einer NATO -Mitgliedschaft des vereinigten Deutschland nur zustimmen würde, wenn es Garantien bekam, dass dies nur eine Zwischenlösung auf dem Weg zu einer blockfreien Friedensordnung darstellte. Die Entscheidung Moskaus, sich mit der NATO -Deklaration vom 6. Juli 1990 zu begnügen und auf die westdeutschen finanziellen Angebote einzugehen, machte einen dicken Strich durch seine Rechnung. Das allein erklärt freilich nicht das Scheitern Meckels und seiner Mannschaft: Hinzu kamen eine Überschätzung der eigenen Möglichkeiten und eine Unterschätzung der Abhängigkeit von der Bundesrepublik sowie des Willens der Ostdeutschen, die machtvoll das bundesdeutsche Modell anstrebten, das ohne politische Einbindung in den Westen nicht zu haben war.

92 De Maizière an Gorbatschow, in: Lehmann:Außenpolitik, Dok. 200, 855.

Heike Amos und Tim Geiger

Das Auswärtige Amt und die Wiedervereinigung 1989/90

Außenminister Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der mit DDR-Flüchtlingen überlaufenen Prager Botschaft und seine im Jubel untergehende Botschaft „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, daß heute Ihre Ausreise …“1 – das ist jenes Ereignis, das zunächst mit dem Thema „das Auswärtige Amt und die deutsche Einheit“ assoziiert wird. Die Szene vom 30. September 1989 gehört dank medialer Dauerpräsenz zu den „Ikonen“ des historischen Umbruchs 1989/90. Dabei waren Verhandlungen mit der DDR-Führung Deutschland- und nicht Außenpolitik und daher an sich Sache des Bundeskanzleramts. Das Auswärtige Amt hatte jedoch einen wichtigen Anteil an der praktischen Bewältigung der Flüchtlingskrise und ihrer politischen Lösung – zunächst in Ungarn, dann in Polen und zuletzt in der ČSSR . Die Rolle des Auswärtigen Amts im Prozess der deutschen Einigung war nicht immer so spektakulär wie im Fall der Botschaftsflüchtlinge. Sie erschöpfte sich aber auch keineswegs nur im Zwei-plus-Vier-Prozess, also jenem wichtigen Verhandlungsformat der beiden deutschen Staaten und der vier für Deutschland als Ganzes zuständigen Siegermächte Sowjetunion, USA, Großbritannien und Frankreich. Wie umfangreich und vielschichtig die Rolle des Auswärtigen Amts tatsächlich war, haben die Autoren in dem beigefügten Schaubild zu veranschaulichen versucht, welches die wichtigsten außenpolitischen Problemfelder im Prozess der deutschen Einheit systematisiert und heuristisch aufschlüsselt (siehe S. 67). Es offenbart die Komplexität der Materie und die Vielzahl unterschiedlicher Handlungsebenen. Dazu zählen ferner ebenfalls vom Auswärtigen Amt zu lösende Fragen wie die vollständige Übernahme und Abwicklung des DDRAußenministeriums, inklusive dessen Liegenschaften in über 100 Auslandsvertretungen,2 die im Schaubild gar nicht aufgelistet sind. 1 Vgl. Transkript der Ansprache des Außenministers Genscher (http://www.ifz-muenchen. de/fileadmin/user_upload/Forschung/AA /AA_Dokumente/012-ZD %20A_1989-09-30_ Transkript%20Prag-Rede%20Genschers.pdf; zuletzt abgerufen am 18. März 2016). 2 Vgl. dazu Rotstrichinformation der Unterabteilung Information des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten (im Folgenden: MfAA) der DDR , 28.8.1990; Ortez des Referatsleiters des Auswärtigen Amts (im Folgenden: AA), Bettzuege, 31.8.1990; beide in: Heike Amos/ Tim Geiger (Bearb.), Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess, ed. von Horst Möller/Ilse Dorothee Pautsch/Gregor Schöllgen/Hermann Wentker/Andreas Wirsching (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015), Dok. 144, 148; 676–677, 685–692.

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Heike Amos und Tim Geiger

Allein der Punkt „globale Verhandlungen über Ende oder Weitergeltung völkerrechtlicher Verträge der DDR“ hatte beträchtliche Folgen: Lediglich sieben Prozent der internationalen Verträge Ost-Berlins waren im Gesetzblatt der DDR veröffentlicht. Selbst das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) hatte keine vollständige Vertragsdatei. Im Zuge der Einigung sondierten daher Auswärtiges Amt wie MfAA zunächst bei DDR-Vertragsstaaten, um überhaupt einen kompletten Überblick zu erhalten. Alle DDR-Verträge mussten, wie die Rechtsabteilung des Auswärtigen Amts darlegte, „unter den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes, der Interessenlage der beteiligten Staaten und der vertraglichen Verpflichtungen der Bundesrepublik sowie nach den Prinzipien einer freiheitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Grundordnung“ unter Beachtung der Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaft erörtert werden, mit dem Ziel, das Erlöschen, die Anpassung oder die Fortgeltung dieser Verträge festzustellen bzw. zu regeln3 – unterm Strich über 3.000 Abkommen mit 137 Staaten. Dabei verloren insbesondere „hochpolitische“ Verträge, wie die DDR-Freundschaftspakte mit sozialistischen Staaten oder die Zugehörigkeit zum Warschauer Pakt und zum Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), schon mit der Wiedervereinigung ihre Gültigkeit. Insgesamt fielen rund 80 Prozent der völkerrechtlichen DDR-Verträge in diese Kategorie.4 Das Schaubild verdeutlicht, dass der dabei im Zentrum stehende Zwei-plusVier-Vertrag eben kein Solitär war, sondern das zentrale Mittelstück in einem umfassenden Geflecht bilateraler und multilateraler Abkommen, Verträge und Verpflichtungen. All diese Vertragsabschlüsse waren notwendige Voraussetzung bzw. begleitende Maßnahme dafür, dass am 12.  September 1990 der „Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland“5 in Moskau von den sechs Außenministern unterzeichnet wurde. Im Folgenden werden fünf Aspekte herausgegriffen, bei denen in besonderer Weise eine eigenständige „Handschrift“ des Auswärtigen Amts deutlich wurde: I. Wie kam es zum Zwei-plus-Vier-Verhandlungsformat? II. Das Problem der NATO -Mitgliedschaft eines geeinten Deutschland 3 Vgl. Rund- und Hauserlass des Leiters der AA-Unterabteilung 50, Eitel, 9.8.1990, in: Die Einheit, Dok. 138, 647–650, hier 649. Im MfAA-Vertragsregister waren über 2.600 Verträge mit 137 Staaten aufgelistet. Vgl. AA-Aufzeichnung vom 31.8.1993, in: Deutsche Außenpolitik nach der Einheit 1990–1993. Eine Dokumentation, ed. Auswärtiges Amt (Bonn: DCM, 1994), 420–424, hier 423. Allerdings sprach der sowjetische Botschafter Julij Kwizinskij ­a llein für den bilateralen Bereich DDR  – UdSSR von „3.600 Verträgen und Abkommen“, vgl. Gespräch mit Kohl, 22.3.1987, in: Bundesministerium des Innern unter Mitwirkung des Bundesarchivs (eds.), Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90, bearb. von Hanns Jürgen Küsters/Daniel Hofmann (= Dokumente zur Deutschlandpolitik; München: Oldenbourg, 1998), Dok. 227, 969. 4 Vgl. AA-Aufzeichnung vom 31.8.1993, in: Deutsche Außenpolitik nach der Einheit, 423. 5 Veröffentlicht in: Bundesgesetzblatt der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: BGBl.) 1990, Teil II, 1318–1329.

Verhandlungen NATOTruppenstatut und Zusatzabkommen 18.03.1993

Gemeinsame Erklärung der 22 Staaten von NATO und WP 19.11.1990

KSE-Vertrag 19.11.1990

Wiener Dokument (VSBM) 17.11.1990

VKSE-Erklärung BRD/DDR zur Truppenreduzierung 30.08.1990

Gipfelerklärung der NATO in London 06.07.1990

»Signal von Turnberry« 08.06.1990

NATO/VKSE

Das Vertragswerk zur deutschen Einheit

Charta von Paris für ein neues Europa 21.11.1990

Kenntnisnahme durch KSZE 1./2.10.1990

Anpassungsmaßnahmen der EG

Regierungskonferenzen der EGStaaten zu Europäischer Währungsunion und Europäischer Politischer Union

KSZE

EG

Notenwechsel über Aufenthaltsvereinbarungen 25.09.1990

Notenwechsel über die Rechtsstellung der NATO-Truppen 25.09.1990

Notenwechsel über Aufhebung Deutschlandvertrag 28.09.1990

Notenwechsel über den befristeten Aufenthalt von Truppen in Berlin 28.09.1990

Übereinkommen zur Regelung bestimmter Berlin-Fragen 25.09.1990

Drei Westmächte

Suspendierungserklärung der Vier Mächte in New York 01.10.1990

Erklärungen D zu den Mitgliedschaften in VN – NATO – WEU – EG

Schreiben der 2 deutschen Außenminister an die Vier Mächte 12.09.1990

Vereinbarte Protokollnotiz 12.09.1990

Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland 12.09.1990

Erklärung von Ottawa 13.02.1990

2+4-Prozess

Vertrag über die umfassende wirtschaftliche Zusammenarbeit 09.11.1990

Vertrag über die umfassende politische Zusammenarbeit 09.11.1990

Vertrag über befristeten Aufenthalt und Abzug sowjet. Truppen aus Deutschland 12.10.1990

Vertrag über überleitende Maßnahmen 09.10.1990

Dt.-sowjet. Vereinbarung (Kaukasus) 15./16.07.1990

UdSSR

Weltweite Verhandlungen über Verträge der ehemaligen DDR

Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands 31.08.1990

Beschluss der Volkskammer über den Beitritt 23.08.1990

Vertrag über die Herstellung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion 18.05.1990

Dt.-dt. Fragen

© Tim Geiger/Heike Amos

Nachbarschaftsvertrag mit Polen 17.06.1991

Vertrag über die Bestätigung der bestehenden Grenze 14.11.1990

Resolutionen Bundestag und Volkskammer zur Grenze 21.06.1990

Polen

Das Auswärtige Amt und die Wiedervereinigung 

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III. Die Bestätigung der Oder-Neiße-Grenze und die Beziehungen zu Polen IV. Die Bedeutung der Abrüstung als Flankierung und Voraussetzung für die

Einheit V. Das Ziel einer Neugestaltung der KSZE

I.

Wie kam es zum Zwei-plus-Vier-Verhandlungsformat?

Die deutsch-deutsche Situation war seit Sommer 1989 geprägt von einem Flüchtlingsstrom von DDR-Bürgern bisher unbekannten Ausmaßes, die über Ungarn, die ČSSR und Polen in die Bundesrepublik flohen. Über Ungarn, das am 11. September 1989 seine Grenzen für die Ostdeutschen öffnete, reisten im Sommer und Herbst 1989 zwischen 8.000 und 25.000 DDR-Deutsche über Österreich aus.6 In der Prager Botschaft der Bundesrepublik erzwangen 4.000 bis 6.000 DDR-Bürger am 30. September 1989 ihre Ausreise.7 Das Flüchtlingsdrama in Prag war damit jedoch nicht beendet. In einer zweiten Aktion am 4./5. Oktober und einer dritten am 4./5. November fuhren in insgesamt 17 Zügen knapp 18.000 DDR-Bürger in die Bundesrepublik. Am 3. November erklärte auch die ČSSR-Regierung die Grenzen für die direkte Ausreise von DDR-Bürgern für geöffnet.8 Ähnlich, aber weniger spektakulär und chaotisch gestaltete sich die Ausreise für DDR-Bürger aus Warschau. In Sonderzügen fuhren am 1. und 5./6. Oktober rund 1.500 Personen 6 Vgl. Gespräch der Außenminister Fischer und Horn, 31.8.1989; Vorlage des Referatsleiters im AA , Kunzmann, 5.9.1989; Drahtbericht des Abteilungsleiters im AA , Jansen, 7.9.1989 und Gespräch des SED -Politbüromitglieds Schürer mit Ministerpräsident Németh, 22.9.1989, alle in: Die Einheit, Dok. 2, 3, 4 und 6; 75–85, 90–96. Exakte Ausreisezahlen existieren nicht. Gestützt auf entsprechende Schätzungen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR , vgl. Wochenübersicht Nr. 45/89, 6.11.1989, in: Daniela Münkel (ed), Herbst ’89. Die geheimen Berichte an die SED -Führung. Auswahledition (Berlin: BStU-Eigenverlag, 2014), 182, veranschlagt Andreas Oplatka, Der erste Riss in der Mauer. September 1989 – Ungarn öffnet die Grenze (Wien: Zsolnay, 2009), 231 sogar eine Zahl von bis zu 50.000 Ausreisenden über ungarisches Territorium bis zur Maueröffnung. Dies erscheint den Autoren dieses Beitrags überzogen: Gestützt auf ungarische Pressemeldungen, veranschlagte die bundesdeutsche Botschaft in Budapest die Zahl bislang über Ungarn ausgereister DDR-Bürger auf 21.287, vgl. Drahtbericht Nr. 1957 des Rechts- und Konsularreferenten Much, 9.10.1989, in: PA AA , B 85, Bd. 2341; die Einschätzung des MfS vom selben Tag liegt mit „ca. 30.000“ deutlich höher, vgl. Wochenbericht Nr. 41/89, 9.10.1989, in: Münkel, Herbst ’89, 146. Keine­ Woche später verzeichnete das Bonner Außenministerium zudem einen spürbaren Rückgang der Zahl der über Ungarn Fliehenden, vgl. Vermerk des Mitarbeiters im Osteuropa­ referat, Annen, 12.10.1989, in: Die Einheit, Dok. 15, 120. 7 Vgl. Drahterlass der Staatssekretäre Sudhoff und Lautenschlager, 29.9.1989, in: Die Einheit, Dok. 9, 102–106. 8 Vgl. Tagebuch des Mitarbeiters in der Botschaft in Prag, Strieder, 30.9./1.10.1989; MfAA-Rotstrichinformation, 2.10.1989; Vermerk des Referatsmitarbeiters im AA , Annen, 12.10.1989 und Drahtbericht des Geschäftsträgers Hiller, 4.11.1989, alle in: Die Einheit, Dok. 12, 13, 15, 18; 110–115, 118–120, 127–130; Karel Vodička, Die Prager Botschaftsflüchtlinge 1989. Geschichte und Dokumente (Göttingen: V&R, 2014).

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direkt in die Bundesrepublik. Weitere Ausreisen fanden in kleineren Gruppen per Flugzeug oder mit Schiffen über Schweden statt.9 Als am 9. November 1989 die Mauer in Berlin fiel,10 war die ostdeutsche Ausreiseproblematik über bundesdeutsche Botschaften beendet, jedoch nicht das Problem der massenhaften Übersiedlungen. Auch in den folgenden Wochen gingen monatlich rund 50.000, vor allem junge, gut ausgebildete DDR-Bürger in die Bundesrepublik.11 Die Bonner Regierung befürchtete eine Entvölkerung der DDR und damit eine weitere Destabilisierung Ostdeutschlands. In der Bundesrepublik selbst fürchtete man aufkommende Spannungen wegen fehlender Arbeitsplätze und nicht ausreichend vorhandenem Wohnraum bei weiterhin zu erwartenden hohen Übersiedlungszahlen. Drei Wochen nach dem Mauerfall, am 28. November 1989, überraschte Bundeskanzler Helmut Kohl mit seinem Zehn-Punkte-Programm zur deutschen Einheit, das den Kerngedanken enthielt „konföderative Strukturen zwischen beiden Staaten in Deutschland zu entwickeln mit dem Ziel […] Wiedervereinigung, das heißt die Wiedergewinnung der staatlichen Einheit Deutschlands“.12 Das Ausland reagierte vollkommen überrascht, dann skeptisch und eher kritisch-ablehnend auf den Plan des Kanzlers.13 In Paris und London war man über Kohls nicht abgesprochenen Vorstoß verärgert. Der französische Staatspräsident François Mitterrand hielt zwar die deutsche Einheit für eine Sache der Deutschen, wünschte aber eine sehr langfristige, geordnete deutsch-deutsche Annäherung im Einklang mit den europäischen Nachbarn.14 Noch reserviertere Reaktionen kamen aus London. Die britische Premierministerin Margaret­ Thatcher wünschte die Einheit, wenn überhaupt, lieber später als früher. Diese Meinung tat sie auch noch monatelang öffentlich kund.15 Aus Washington hingegen kamen positive Signale. Präsident George H. W. Bush und Außenminis9 Vgl. Drahtbericht des Botschafters Schoeller, 3.10.1989; Vermerk des Referatsmitarbeiters im AA , Annen, 12.10.1989; Gespräch von Bundesminister Genscher mit dem stellvertretenden DDR-Außenminister Ott, 19.10.1989, alle in: Die Einheit, Dok. 14, 15, 16; 115–123. 10 Vgl. Tagebuch des Protokollreferenten der Botschaft in Warschau, Freiherr von Fritsch, 9.11.1989, in: Die Einheit, Dok. 19, 130–132. 11 Vgl. Schreiben des Statistischen Amts an DDR-Ministerpräsident Modrow, 15.3.1990, in: Bundesarchiv Berlin (BAB), DC 20/11387. 12 Deutscher Bundestag, Stenographische Berichte, 11. Wahlperiode, 177. Sitzung, 13502–13514, hier 13513; Michael Mertes, Die Entstehung des Zehn-Punkte-Programms vom 28. November 1989, in: Heiner Timmermann (ed.), Die DDR in Deutschland. Ein Rückblick auf 50 Jahre (Berlin: Duncker und Humblot, 2001), 17–35. 13 Vgl. Vorlage des Referatsleiters im AA, Lambach, 1.12.1989, in: Die Einheit, Dok. 25, 147–153. 14 Vgl. Drahtbericht des Botschafters Pfeffer, 18.12.1989, in: Die Einheit, Dok. 33; 178–185; François Mitterrand, Über Deutschland (Frankfurt a. M./Leipzig: Suhrkamp, 1996), 143–146. 15 Vgl. Gespräch des Bundesministers Genscher mit Premierministerin Thatcher, 14.2.1990, in: Die Einheit, Dok. 51, 263–270; Richard Kiessler/Frank Elbe, Ein runder Tisch mit scharfen Ecken. Der diplomatische Weg zur deutschen Einheit (Baden-Baden: Nomos, 1993), ­63–65; Gerhard A. Ritter, Hans-Dietrich Genscher, das Auswärtige Amt und die deutsche Vereinigung (München: C. H. Beck, 2011), 79–83.

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ter James A. Baker befürworteten früh und nachdrücklich das deutsche Streben nach Einheit, das aber an vier Bedingungen gebunden sein musste: 1. Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts; 2.  fortdauernde Zugehörigkeit Deutschlands zur NATO und zur Europäischen Gemeinschaft (EG) mit einer Absage an jeden Neutralitätsgedanken; 3. stufenweiser, friedlicher Vereinigungsprozess im Einklang mit den europäischen Nachbarn; 4. Achtung der Unverletzbarkeit der Grenzen in Europa im Sinne der KSZE-Schlussakte von Helsinki.16 Den großen Verdruss der westeuropäischen Verbündeten über Kohls Vorpreschen in der deutschen Frage bekamen der Kanzler und sein Außenminister auf dem Europäischen Rat, dem Gipfeltreffen der damals zwölf EG -Mitgliedsstaaten, am 8./9. Dezember 1989 in Straßburg zu spüren. Wie angespannt die Situation war, erfuhr der Leiter der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amts, Dieter Kastrup, bereits eine Woche zuvor auf dem Vorbereitungstreffen zum Gipfel. Seine Kollegen, die Politischen Direktoren der Außenminister der EG -Staaten, verweigerten die Aufnahme des seit Jahrzehnten üblichen „Standard-Satzes“ in den Entwurf des Gipfelkommuniqués  – der da lautete: „auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbst­ bestimmung seine Einheit wiedererlangt“.17 Doch genau solch ein Bekenntnis zur deutschen Einheit wollte jetzt, wo die deutsche Frage zur Lösung anstand, keiner der Verbündeten abgeben. Dies gelang dann erst direkt auf dem Straßburger EG -Gipfel, der trotz der angespannten Atmosphäre am Ende erfolgreich für die Westdeutschen verlief.18 Auch die Reaktionen aus Moskau auf das Zehn-Punkte-Programm zur deutschen Einheit von Kanzler Kohl waren durchweg negativ. Im November/Dezember 1989 hieß es aus sowjetischen Regierungskreisen: Die Wiedervereinigung stehe nicht auf der Tagesordnung.19 Auf ausdrücklichen Wunsch der Sowjetunion trafen sich erstmals nach 18 Jahren am 11.  Dezember 1989 die Botschafter der vier Siegermächte USA, Frankreich, Großbritannien und der UdSSR im Alliierten Kontrollratsgebäude 16 Vgl. Drahtbericht des Botschafters Ruhfus, 13.12.1989, in: Die Einheit, Dok. 31, 171–174; James A. Baker, Drei Jahre, die die Welt veränderten. Erinnerungen (Berlin: Siedler, 1996), 160–161, 166. 17 Diese Formulierung entstammte dem „Brief zur deutschen Einheit“, der von der sozial-­ liberalen Regierung beim Abschluss des Moskauer Vertrags vom 12.8.1970 der sowjetischen Regierung übergeben worden war. 18 Vgl. Drahtbericht des Politischen Direktors im AA , Kastrup, 1.12.1989; Ortez des Referatsleiters im AA , Bettzuege, 13.12.1989, beide in: Die Einheit, Dok. 26, 30; 154–155, 168–170; Helmut Kohl, Erinnerungen, Band 2: 1982–1990 (München: Droemer, 2005), 1011; HansDietrich Genscher, Erinnerungen (Berlin: Siedler, 1995), 689. 19 Vgl. Gespräch Generalsekretär (GS) Gorbatschow mit Ministerpräsident Andreotti, 29.11.1989; Gemeinsame Pressekonferenz von Gorbatschow und Andreotti, 1.12.1989; Gespräch Gorbatschow mit Genscher, 5.12.1989, alle in: Aleksandr Galkin/Anatolij Tschernjajew (eds.), Michail Gorbatschow und die deutsche Frage. Sowjetische Dokumente ­1986–1991 (München: Oldenbourg, 2011), Dok. 57, 58, 61; 245–249, 254–265.

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in Berlin, um auch über die sich ändernden deutsch-deutschen Beziehungen zu sprechen. Die Zusammenkunft trug zwar der sowjetischen Sorge über die Lage in der DDR bzw. um die Sicherheit ihrer rund 380.000 dort stationierten Soldaten Rechnung, doch weigerten sich die drei Westalliierten, in Absprache mit Bonn, über eine mögliche deutsche Vereinigung zu beraten. Das Treffen der Botschafter Vernon A. Walters (USA), Serge Boidevaix (FR), Christopher Mallaby (GB) und Wjatscheslaw I. Kotschemassow (UdSSR) vor dem Kontrollratsgebäude löste bei der westdeutschen Regierung Unmut und Verärgerung aus. In Bonn fürchtete man eine Wiederbelebung des Vier-Mächte-Mechanismus, um über Deutschland ohne die Deutschen zu verhandeln.20 Alle diese Ereignisse ließen in der Bundesrepublik und in den USA zum Jahreswechsel 1989/90 ein intensives Nachdenken einsetzen, in welcher Form, in welchem Rahmen sich eine deutsch-deutsche Vereinigung vollziehen könnte. Vor allem in Absprache zwischen Bonn und Washington wurde ein SechserMechanismus für Verhandlungen über die Herstellung der äußeren Einheit Deutschlands vorgeschlagen – die beiden deutschen Staaten und die vier Alliierten, da diese weiterhin Verantwortlichkeiten und Rechte in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes besaßen. Das Sechser-Format war der kleinstmöglichste und damit praktikabelste Rahmen zur internationalen Regelung der deutschen Vereinigung. Dieser Verhandlungsrahmen wurde zeitgleich parallel in mehreren Hauptstädten entwickelt. Bundesaußenminister Genscher nahm für sich in Anspruch, dass er darauf hingewirkt habe, es dürfe keinesfalls „Vier-plus-Zwei“, sondern müsse „Zwei-plus-Vier“ heißen.21 Die ab dem 12. Februar 1990 tagende Abrüstungskonferenz von NATO und Warschauer Pakt, die „Open Skies“-Konferenz von Ottawa – alle Außenminister der beiden Militärbündnisse waren vor Ort –, wurde kurzfristig vom westdeutschen und vom amerikanischen Außenminister genutzt, um am Rande der Konferenz das Zwei-plus-Vier-Format festzulegen. Für die internationale Öffentlichkeit überraschend, erklärten die Außenminister Hans-Dietrich Genscher (BRD), Oskar Fischer (DDR), James A. Baker (USA), Roland Dumas (Frankreich), Douglas Hurd (Großbritannien) und Eduard Schewardnadse (UdSSR) am ­13. Februar 20 Vgl. Vermerk des Referatsleiters im AA , von Moltke, 9.12.1989; Gespräch der Außenminister Genscher, Baker, Dumas und Hurd, 13.12.1989; Schreiben von Genscher an Baker, 11.1.1990; Konsultation der Politischen Direktoren Dufourcq, Kastrup, Seitz und Weston, 23.1.1990, alle in: Die Einheit, Dok. 28, 29, 38 und 43; 157–167, 208–209, 220–224; Genscher, Erinnerungen, 695–696. 21 Vgl. Genscher, Erinnerungen, 716–718; Baker, Drei Jahre, 187–197; Tagebucheintrag Tejmuraz Stepanov-Mamaladze, 12./13.2.1987, in: Stefan Karner/Mark Kramer/Peter Ruggenthaler/Manfred Wilke (eds.), Der Kreml und die deutsche Wiedervereinigung 1990. Interne sowjetische Analysen (Berlin: Metropol, 2015), Dok. 8, 163–173. Aber bereits im Memorandum des State Departments vom 30.1.1990 war die Rede von „Two plus Four Power Talks“. Vgl. Thomas Christoph Marx, Das „Zwei-plus-Vier-Memorandum“ des US Department of State vom 30. Januar 1990 und sein Kontext, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 48 (2000), 50–60.

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1990 in Ottawa, man habe vereinbart, sich fortan im Sechser-Rahmen zu treffen, „um die äußeren Aspekte der Herstellung der deutschen Einheit, einschließlich der Fragen der Sicherheit der Nachbarstaaten zu besprechen“.22 Diese unerwartete Erklärung führte bei einigen NATO -Verbündeten, vor allem bei den Italienern und den Niederländern, zu scharfen Protesten. Sie fühlten sich als direkte bzw. indirekte Nachbarstaaten übergangen und wünschten eine Beteiligung an den Verhandlungen. Genschers ihnen sehr scharf entgegengeworfenes „You are not part of the game“ brachte die beiden Außenminister Gianni de Michelis (Italien) und Hans van den Broek (Niederlande)  zunächst zum Schweigen.23 Die Vorbehalte all jener, die sich vom Zwei-plus-Vier-Mechanismus ausgeschlossen fühlten, wurden dadurch jedoch eher bestärkt.24 Seitens des Auswärtigen Amts leitete Genscher in den folgenden Wochen mit gezielten „Beruhigungsmissionen“ nach Rom, Den Haag und Brüssel eine Entspannung der Lage ein.25 Genschers Versicherung gegenüber den EG - und NATO -Staaten, „nichts wird hinter dem Rücken unserer Partner geschehen“26 sowie Bonns Zusage, die Bündnispartner in dichten und regelmäßigen Abständen nicht nur zu informieren, sondern auch zu konsultieren, konnte die Verstimmungen bereinigen. Diese NATO -Konsultationen fanden jeweils nach den vier Zwei-plus-VierAußenministertreffen sowie den neun Zwei-plus-Vier-Beamtentreffen statt.27 Außenminister Genscher bzw. Spitzenbeamte des Auswärtigen Amts informierten den NATO -Rat auch über wichtige bilaterale Treffen und Gespräche, insbesondere mit der Sowjetunion.

II.

Das zentrale Problem der NATO-Mitgliedschaft eines geeinten Deutschland

In dieser Frage gab es zunächst erkennbar unterschiedliche Positionen zwischen Auswärtigem Amt und Kanzleramt: Helmut Kohl machte sich früh das amerikanische Postulat nach fortdauernder NATO -Mitgliedschaft zu eigen, wie von 22 Das Kommuniqué in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (im Folgenden: Bulletin) 1990 (Bonn: Deutscher Bundes-Verlag, 1990), 215. 23 Vgl. NATO -Ministerratstagung in Ottawa, 13.2.1990, in: Die Einheit, Dok. 50, 260–263; Genscher, Erinnerungen, 729. 24 Vgl. Drahtbericht des Botschafters von Ploetz, 17.2.1990, in: Die Einheit, Dok. 52, 271–276. 25 Vgl. Gespräch Bundesminister Genscher mit Ministerpräsident Andreotti und Außenminister de Michelis, 21.2.1990; Drahtbericht des Botschafters von der Gablentz, 1.3.1990; Gespräch Genscher mit belgischem Außenminister Eyskens, 19.4.1990, alle in: Die Einheit, Dok. 56, 63, 83; 286–296, 311–312, 422–425. 26 Runderlass des Referatsleiters im AA , Jagow, 21.2.1990, in: Die Einheit, Dok. 55, 282–286, hier 285. 27 Vgl. zur Unterrichtung der NATO -Partner, 15.3., 7.5, 11.6., 13.6., 21.6, 9.7., 18.7., 10.9, 14.9.1990, alle in: Die Einheit, Dok.  73, 95, 111, 112, 119, 126, 131, 149, 157; 366–374, ­467–473, 553–563, 582–584, 603–607, 621–626, 692–696, 717–722.

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Präsi­dent Bush beim NATO -Gipfel am 4. Dezember 1989 vorgetragen.28 Bushs Rede wiederum basierte auf den von Außenminister Baker am 29.  November formulierten vier US -Konditionen für eine Wiedervereinigung Deutschlands. Zu diesen gehörte explizit die NATO -Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands, die am Vortag in Kohls Zehn-Punkte-Programm, anders als die EG oder KSZE , eben nicht erwähnt worden war. Angesichts des von der UdSSR seit Jahrzehnten gepflegten Feindbilds NATO drohte die Forderung nach deutscher NATO -Mitgliedschaft in den Augen vieler, etwa des Quai d’Orsay,29 eine deutsche Einheit von vornherein auszuschließen.30 Das Auswärtige Amt stand vor einem Dilemma: Man befürchtete, beim Insistieren auf einer NATO -Mitgliedschaft ganz Deutschlands sei die Einheit nicht zu erreichen. Andererseits wollte man sich nicht ausmalen, was geschehen würde, sollte Moskau die Deutschen vor die Alternative NATO -Mitgliedschaft oder Einheit stellen. Um dem Sicherheitsinteresse der Sowjetunion entgegenzukommen, zugleich aber ihre Forderung nach Neutralität Deutschlands zu relativieren, und natürlich auch um das eigene Profil innen- und deutschlandpolitisch zu stärken, legte Außenminister Genscher am 31. Januar 1990 bei der Evangelischen Akademie in Tutzing seine Vorstellungen zur deutschen Einheit im europäischen Rahmen öffentlichkeitswirksam dar. Genscher erklärte, die fortdauernde Zugehörigkeit des geeinten Deutschland zur EG wie zur NATO stehe nicht zur Disposition: „Ein ‚neutralistisches Gesamtdeutschland‘ wollen wir nicht.“ Zugleich schränkte er ein, es sei Sache der NATO zu erklären: „Was immer im Warschauer Pakt geschieht, eine Ausdehnung des NATO -Territoriums nach Osten, d. h. näher an die Grenze der Sowjetunion heran, wird es nicht geben. Diese Sicherheitsgarantien sind für die Sowjetunion und ihr Verhalten bedeutsam. […] Vorstellungen, daß der Teil Deutschlands, der heute die DDR bildet, in die militärischen Strukturen der NATO einbezogen werden solle, würde die deutsch-deutsche Annäherung

28 Für Bushs Rede vgl. Public Papers of the Presidents of the United States. George Bush,­ Volume 1989/II (Washington: US . Gov. Print. Off., 1990), 1644–1647, hier 1644–1645; Philip Zelikow/Condoleezza Rice, Germany Unified and Europe Transformed. A Study in Statescraft (Cambridge/Mass./London: Harvard University Press, 1995), 133. 29 Vgl. Drahtbericht des Botschafters Pfeffer, 18.12.1989, in: Die Einheit, Dok. 33, 178–185, hier 182. 30 Zur Frage der NATO -Mitgliedschaft vgl. besonders Mary Elise Sarotte, Not One Inch Eastward? Bush, Baker, Kohl, Genscher, Gorbachev, and the Origin of Russian Resentment toward NATO Enlargement in February 1990, in: Diplomatic History 34 (2010), 1, 119–140; Kristina Spohr, Precluded or Precedent-Setting? The „NATO Enlargement Question“ in the Triangular Bonn-Washington-Moscow Diplomacy of 1990–1991, in: Journal of Cold War Studies 14 (2012) 4, 4–54; Stefan Karner/Mark Kramer/Peter Ruggenthaler/Manfred Wilke, Der Kreml und der deutsche Vereinigungsprozess 1989/90, in: Stefan Karner/Mark Kramer/Peter Ruggenthaler/Manfred Wilke (eds.), Der Kreml und die deutsche Wiedervereinigung 1990. Interne sowjetische Analysen (Berlin: Metropol, 2015), ­13–108, hier 68–72.

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blockieren.“31 NATO und Warschauer Pakt müssten Bauelemente für kooperative Sicherheitsstrukturen für ganz Europa werden. Diese künftige gesamteuropäische Sicherheitsstruktur werde die im Wandel begriffenen Militärbündnisse zunehmend überwölben, am Ende gar obsolet machen. Genscher wiederholte diese Überlegungen mehrfach: Das vereinte Deutschland würde der NATO angehören, Streitkräfte auf dem Gebiet der ehemaligen DDR würden aber nicht den Kommandostrukturen der NATO unterstehen.32 Jede weitere Konkretisierung vermied er. Seine NATO -Formel firmierte fortan als „Genscher-Plan“, blieb aber umstritten. Innerhalb der Bundesregierung erhob das Verteidigungsministerium Einspruch, konnte sich aber zunächst nicht durchsetzen.33 Eine Richtungsänderung zeichnete sich erst ab, als seit Kohls Besuch in Camp David am 24.  Februar34 auch das Kanzleramt in Einklang mit der Bush-Linie darauf bestand, die Eini31 Teildruck der Tutzinger Rede, in: Klaus Becher (Bearb.)/Karl Kaiser (ed.), Deutschlands Vereinigung. Die internationalen Aspekte (Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe, 1991), ­190–191. Ferner Genscher, Erinnerungen, 713–715; Kiessler/Elbe, Ein runder Tisch, 79–81. 32 Vgl. Genschers Interview am 28.1.1990 in Bild am Sonntag bzw. Rede am 9.2.1990 vor dem Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) in Potsdam, vgl. Auszüge in: Die Einheit, Dok. 45, Anm. 7, 231, bzw. Dok. 49, Anm. 13, 258. 33 Bei der Konstituierung der AG Außen- und Sicherheitspolitik des Kabinettausschusses Deutsche Einheit am 14. Februar 1990 stritten Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg und Genscher über die Modalitäten einer NATO -Mitgliedschaft des vereinten Deutschlands. Vgl. Dokumente zur Deutschlandpolitik, Dok. 182, 830–831; Genscher, Erinnerungen, 732–733; Kiessler/Elbe, Ein runder Tisch, 81–82; Jörg Schönbohm, Zwei Armeen und ein Vaterland. Das Ende der Nationalen Volksarmee (Berlin: Siedler, 1992), ­22–23. Am 16. Februar 1990 verkündete Stoltenberg, Gesamtdeutschland solle Mitglied der NATO bleiben, auf DDR-Territorium sollten jedoch nur deutsche, nicht NATO -assignierte Streitkräfte der Territorialverteidigung stationiert werden. Vgl. „Stoltenberg will ein Deutschland in der NATO“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Februar 1990, 4. Dem widersprach Genscher am Folgetag im Westdeutschen Rundfunk: Die Zusage, „daß das NATO -Gebiet nicht nach Osten ausgedehnt wird“, dürfe „nicht dadurch unterlaufen werden, daß deutsche Streitkräfte in der DDR stationiert sind und nicht der NATO unterstellt sind. Das würde ja im Prinzip dasselbe oder ähnliches bedeuten.“ Vgl. AA-„Mitteilung für die Presse“ Nr. 1044/90; Politisches Archiv des Auswärtigen Amts (PA AA), B 5, Bd.  179077. Am 19.  Februar 1990 veröffentlichte die Bundesregierung eine Erklärung, in der Kohls Regierungserklärung vom 15. Februar 1990 wiederholt wurde, „daß unser Bündnis sich entsprechend seiner Zielsetzung verstärkt auf seine politische Rolle konzentrieren muß und daß keine Einheiten und Einrichtungen des westlichen Bündnisses auf das heutige Gebiet der DDR vorgeschoben werden“. Weiter hieß es, dies beziehe sich „auf die der NATO assignierten und nichtassignierten Streitkräfte der Bundeswehr. Der sicherheitspolitische Status des Gebietes der heutigen DDR in allen seinen Aspekten ist mit der freigewählten Regierung der DDR sowie mit den vier für Deutschland als Ganzes verantwortlichen Mächten zu klären.“ Vgl. Bulletin 1990, 218. 34 Vgl. Gespräch Kohl mit Bush und Baker in Camp David, 24.2.1990, in: Dokumente zur Deutschlandpolitik, Dok. 192, 860–873. Zumindest seitens der US -Administration bestanden bis dahin Zweifel, wie wichtig Kohl die fortdauernde NATO -Mitgliedschaft Deutschlands wirklich sei, obschon klar war, dass der Kanzler Washingtons Position näher

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gung Deutschlands müsse mit seiner uneingeschränkten Vollmitgliedschaft in der NATO einhergehen. Das Auswärtige Amt dagegen neigte im Frühjahr 1990 dazu, dem sowjetischen Sicherheitsbedürfnis weit entgegenzukommen: Genscher schloß zunächst eine Ausdehnung von jeglichen Bundeswehr-Einheiten auf das DDR-Territorium aus, selbst von den nicht NATO -integrierten Verbänden des Territorialheeres. Im Frühjahr 1990 äußerte der Außenminister gegenüber westlichen Partnern sogar, es gelte über die DDR hinaus sicherzustellen, dass die NATO territorial nicht näher an die sowjetische Grenze heranrücke. Eine solche Erklärung, so Genscher am 6. Februar 1990 zum britischen Außenminister Douglas Hurd, „dürfe sich nicht nur auf die DDR beziehen, sondern müsse genereller Art sein. Beispielsweise brauche die S[owjet]U[nion] auch die Sicherheit, daß Ungarn bei einem Regierungswechsel nicht Teil des westlichen Bündnisses werde.“35 Operativ wurde dieser mit den KSZE-Prinzipien und dem Selbstbestimmungsrecht der Völker unvereinbare Gedanke nie – also mit den von Genscher sonst stets so energisch verfochtenen Grundprinzipen bundesdeutscher Politik. Seine Äußerungen sollten daher nicht als vermeintliche Zusage einer grundsätzlichen Nicht-Erweiterung der NATO verstanden werden. Sie zeigen lediglich, wie sehr die Dinge in Fluss geraten waren und wie tastend die Suche nach diplomatischen Lösungen für die deutsche Frage verlief. Als der Außenminister Ende März vor der Versammlung der Westeuropäischen Union (WEU) seine Vision von Transformation und Auflösung der Mili­tärbündnisse in einer künftigen kollektiven Sicherheitsstruktur wiederholte,36 rügte ihn der Kanzler unmißverständlich, dies sei nicht die Position der Bundesregierung.37 Das Einschwenken des Auswärtigen Amts auf die Linie Kohl-Bush wurde dadurch erleichtert, dass sich abzeichnete, dass Moskaus „Nein“ zur deutschen NATO -Mitgliedschaft keinesfalls unüberwindlich war. So ließ der sowjetische Vizeaußenminister Anatolij L. Adamischin im Vier-Augen-Gespräch den Hauptverhandlungsführer auf westdeutscher Seite, den Politischen Direktor Dieter Kastrup, bereits Anfang März  – noch vor den ersten Zwei-plus-Vier-Treffen  – wissen, eine NATO -Mitgliedschaft ganz Deutschlands bei einem ­militärischen

stand als Genscher, der bewußt nicht zu dem Treffen hinzugezogen wurde. Vgl. Zelikow/ Rice, Germany Unified, 208–209; Robert L. Hutchings, Als der Kalte Krieg zu Ende war. Ein Bericht aus dem Innern der Macht (Berlin: Alexander Fest, 1999), 174–175. 35 Vgl. Die Einheit, Dok. 45, 232. Das britische Protokoll nennt an dieser Stelle Polen statt Ungarn. Vgl. Patrick Salmon/Keith Hamilton/Stephen Twigge (eds.), Documents on British Policy Overseas. Series III, Volume VII: German Unification 1989–1990 (London/New York: Routledge, 2010), Doc. 129; 262. Ähnlich argumentierte Genscher gegenüber Italiens Regierung am 21.2.1990 in Rom, vgl. Die Einheit, Dok. 56, 286–296, hier 289. 36 Rede vom 23.3.1990 in Luxemburg, in: Hans-Dietrich Genscher, Unterwegs zur Einheit. Reden und Dokumente aus bewegter Zeit (Berlin: Siedler, 1991), 258–268. 37 Schreiben Kohl an Genscher, 23.3.1990, in: Die Einheit, Dok. 76, 380–381.

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Sonderstatuts für das Gebiet der DDR sei für die UdSSR durchaus akzeptabel, wenn es entsprechende Kompensationen gebe.38 Diese bestanden zunächst in massiver und vor allem schneller, unbürokratischer Wirtschafts- und Finanzhilfe für die marode, in Zahlungsschwierigkeiten steckende Sowjetunion. Hier rangierte die Bundesrepublik vor allen anderen Staaten – angefangen von der kurzfristigen, stark subventionierten Lieferung von Fleisch und Milchprodukten zur Überwindung akuter Lebensmittelengpässe39 über die Vermittlung und Verbürgung eines Fünf Milliarden DM-Kredits, um den Moskau am Vorabend des ersten Zwei-plus-Vier-Ministergesprächs bat,40 bis hin zur aktiven Fürsprache zugunsten der UdSSR in der EG und der Gruppe der sieben führenden westlichen Industrienationen.41 Neben der treibenden Rolle für einen demonstrativen Wandel der NATO, auf den weiter unten eingegangen wird, stand zudem das Angebot der Bundesregierung, durch Ausbau und Intensivierung der bilateralen Beziehungen mit dem künftigen Gesamtdeutschland werde für die Sowjetunion der Verlust des bisherigen Vasallen DDR nicht nur voll kompensiert, sondern sogar übertroffen. In diesem Zusammenhang entstanden im Herbst 1990 die vier deutsch-sowjetischen Begleit- und Folgeverträge zum Zwei-plus-Vier-Vertrag, die zwar wenig ins historische Bewußtsein gedrungen sind, ohne die aber der „Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland“ nicht denkbar gewesen wäre. Bedeutsam ist dabei zunächst der unter Federführung des Finanzministeriums und Mitwirkung des Auswärtigen Amts entstandene „Vertrag über überleitende Maßnahmen“ vom 9. Oktober 1990. Die gewollt nichtssagende Bezeichnung „Überleitungsvertrag“ täuscht darüber hinweg, dass darin für die sowjetische Seite zentrale finanzielle Zusagen der Bundesrepublik fixiert wurden, insbesondere zum befristeten Aufenthalt und Abzug der sowjetischen West-Gruppe der Truppen (WGT). Die Verhandlungen darüber waren schwierig.42 Die Sowjets forderten 20 Mrd. DM für den bis Ende 1994 befristeten Deutschland-Aufenthalt der WGT, den Abzug und die Unterbringung der zurückkehrenden Soldaten und ihrer Familien in der Sowjetunion, unterm Strich 546.200 Personen.43 38 Vgl. Staatssekretärsvorlage des Leiters der Politischen Abteilung, Kastrup, 5.3.1990, in: Die Einheit, Dok. 65, 328. Für Kastrups Gespräch mit Adamischin am 2.3.1990 in Genf vgl. ibd., Dok. 64, 313–327. 39 Vgl. Horst Teltschik, 329 Tage. Innenansichten der Einigung (Berlin: Siedler, 1991), ­100–102, 114. 40 Dazu mit detaillierten Nachweisen Die Einheit, Dok. 102, Anm. 16, 511. 41 Vgl. etwa Kohls Rundschreiben an die Staats- und Regierungschefs der übrigen G-7-Staaten, 13.6.1990, in: Dokumente zur Deutschlandpolitik, Dok. 312, 1211–1212. 42 Vgl. Vorlage Kaestner an Teltschik, 27.8.1990; Vorlage Westdickenberg an Teltschik, 3.9.1990, Schreiben Waigel an Kohl, 6.9.1990, Notiz Westerhoff für Seiters, 6.9.1990, alle in Dokumente zur Deutschlandpolitik, Dok.  399, 410, 413, 414; 1500–1502, 1518–1520, ­1524–1526; Vermerk des AA-Referats 213, 18.8.1990, Vorlage Dieckmann für Genscher, beide in: Die Einheit, Dok. 140, 156; 659, 712–716. 43 Die genaue Zahl der WGT-Angehörigen (nebst Familien) blieb lange unklar. Diese Zahl ­entstammt einer AA-Aufzeichnung vom 31.8.1993, in: Deutsche Außenpolitik nach der

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Insbesondere die Versorgung mit Wohnraum erwies sich als zentrale, da immenses soziales Konfliktpotential bergende Frage. Schließlich zog die UdSSR neben der WGT schon seit Anfang 1990 ihre Soldaten aus den bisherigen WarschauerPakt-Stationierungsländern Ungarn, Tschechoslowakei und Polen ab.44 Da die westdeutsche Seite zunächst nur sechs Milliarden DM bot, erfolgte die Einigung erst auf höchster Ebene – in zwei Telefonaten Gorbatschows mit Kohl.45 Das Ergebnis war die Zahlung von zwölf Milliarden DM sowie ein zusätzlicher zinsloser, ab 1995 rückzahlbarer Kredit über drei Milliarden DM.46 Der unter Federführung des Auswärtigen Amts ausgehandelte Aufenthaltsund Abzugsvertrag vom 12. Oktober 1990 regelte Fragen, die mit dem befristeten Verbleib sowjetischer Streitkräfte in Deutschland zusammenhingen, etwa die Sicherstellung der Versorgung unter marktwirtschaftlichen Bedingungen, das Übungsverhalten der Truppe, die Einhaltung der deutschen Rechtsordnung durch WGT-Angehörige, Liegenschafts- und Umweltfragen, Abgeltung für Schäden, Zoll- und Steuerfragen sowie die Durchführung der Truppentransporte, der Umschulungsmaßnahmen und der Wohnungsbauprogramme.47 Der einen Tag nach dem Zwei-plus-Vier-Vertrag in Moskau von den Außenministern Genscher und Schewardnadse paraphierte und am 9. November 1990 bei Gorbatschows Deutschlandbesuch unterzeichnete Vertrag über Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit („Umfassender Vertrag“) nahm im Vertragspaket eine wichtige Stellung ein.48 Durch seine Laufzeit von 20 Jahren Einheit, 422. Durch eine gemeinsame Erklärung Kohls und des russischen Präsident Boris Jelzin vom 16.12.1992 wurde der WGT-Abzug vom 31. Dezember auf 31. August 1994 vorgezogen und mit weiteren 550 Millionen D-Mark entlohnt. Vgl. ibd., 223. 44 Diese Rückzüge waren zunächst Teil  des am 7.  Dezember 1988 von Gorbatschow vor der UNO angekündigten einseitigen Abzugs von 500.000 Sowjetsoldaten aus Ungarn, der ČSSR und der DDR . Am 26. Februar 1990 schloss die UdSSR mit der ČSSR und am 10. März 1990 mit Ungarn ein Abkommen, das den vollständigen Abzug der dort stationierten Sowjettruppen bis Juli 1991 vorsah. Dazu Die Einheit, Dok. 44, Anm. 12, 228. Seit Anfang September 1990 fanden zudem sowjetisch-polnische Verhandlungen über den Abzug der dortigen Sowjettruppen statt, der bis 1993 beendet werden sollte. 45 Vgl. Telefongespräche, 7.9.1990 bzw. 10.9.1990, in: Michail Gorbatschow und die deutsche Frage, Dok. 110, 113; 513–517, 520–523 bzw. Dokumente zur Deutschlandpolitik, Dok. 415, 1527–1530. 46 Die 12 Milliarden D-Mark schlüsselten sich auf in 3 Mrd. Aufenthaltskosten, 1 Mrd. Abzugskosten, 7,8 Mrd. Wohnungsbau-Kosten und 0,2 Mrd. für Umschulungsmaßnahmen ehemaliger Soldaten. Vgl. Vorlage des Unterabteilungsleiters Dieckmann für Genscher, 13.9.1990, in: Die Einheit, Dok. 156, 713. 47 Vgl. Vorlage des Unterabteilungsleiters Hofstetter für Genscher, 21.8.1990, Ortez des AAReferatsleiters Bettzuege, in: Die Einheit, Dok. 143, 168; 671–676, 759–762; Vorlage Teltschiks für Kohl, 27.8.1990, dito, 8.9.1990, Vorlage Westendickberg an Teltschik, 20.9.1990, in: Dokumente zur Deutschlandpolitik, Dok. 398, 417, 425; 1498–1500, 1532–1534, 1546–1549. 48 Schon am 23.  April 1990 hatte Kohl dem sowjetischen Botschafter in Bonn, Julij Kwizinskij, das Angebot für einen entsprechenden Vertrag unterbreitet. Vgl. Dokumente zur Deutschlandpolitik, Dok.  253, 1026–1030, hier 1027. Beim Gespräch Kohls mit Gorbatschow in Moskau und im Kaukasus tauschten beide Seiten am 15. Juli 1990 bereits erste

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stellte er langfristig engste Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik im ganzen Spektrum von Politik, Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Technik  – zusätzlich konkretisiert und abgesichert durch den am gleichen Tag unterzeichneten Vertrag über wirtschaftliche Zusammenarbeit49 –, Umweltschutz, Verkehr, Bildung und Kultur in Aussicht. All das sollte der Sowjetunion garantieren, dass der Verlust der DDR ihr nicht zum Schaden gereichen würde. Vertragsbestandsteil war die Verpflichtung zu regelmäßigen hochrangigen Konsultationen, wie mindestens jährliche Treffen der höchsten Ebene, Halbjahreskonsultationen der Außenminister und kontinuierliche Treffen der Verteidigungsminister bzw. gegebenenfalls weiterer Fachminister sowie ein vor allem psychologisch wichtiges Nichtangriffsversprechen. Die sowjetische Seite verstand diese Verträge stets als ein „Paket“, das die deutsche Einheit erst ermöglichte, und behandelte sie darum im selben, schwierigen und langdauernden Ratifizierungsverfahren wie den Zwei-plus-Vier-Vertrag, der erst am 15. März 1991 in Kraft trat.50 Erst ab dann, keinesfalls schon zum Tag der Deutschen Einheit, wurde Deutschland souverän; davor waren die Vier-Mächte-Rechte nur vorläufig, durch deren gemeinsame Erklärung vom 1. Oktober, suspendiert worden.51

III. Die Bestätigung der Oder-Neiße-Grenze und die Beziehungen zu Polen Die DDR hatte die Oder-Neiße-Linie als deutsch-polnische Grenze 1950 im Görlitzer Vertrag52 und die Bundesrepublik 1970 im Warschauer Vertrag53 anerkannt. In der Bundesrepublik stand diese Anerkennung jedoch rechtlich unter dem Vorbehalt, nur bis zur Wiederherstellung einer Einheit Deutschlands zu gelten. So hatte das Bundesverfassungsgericht mehrfach bekräftigt, dass erst ein souveränes Entwürfe aus. Vgl. ibd., Dok. 350, 351, 1340–1352, besonders 1345; Delegationsgespräch von Genscher und Schewardnadse am 17.8.1990 in Moskau, in: Andreas Hilger (ed.), Diplomatie für die deutsche Einheit. Dokumente des Auswärtigen Amts zu den deutsch-sowjetischen Beziehungen 1989/90 (München: Oldenbourg, 2011), Dok. 42, 227–240; Vermerk des AA-Referats 213, 18.8.1990, Ortez des stellvertretenden Referatsleiters Trautwein, 18.9.1990, in: Die Einheit, Dok. 140, 159; 656–662, 726–729. 49 Vgl. dazu Die Einheit, Dok. 149, Anm. 14, 694–695. 50 Zum Ratifizierungsverfahren vgl. mit weiteren Nachweisen Die Einheit, Dok. 157, Anm. 14, 720 bzw. Dok. 168, Anm. 9, 762. 51 Für die Erklärung vgl. Auswärtiges Amt (ed.), Deutsche Außenpolitik 1990/91. Auf dem Weg zu einer europäischen Friedensordnung. Eine Dokumentation, (München: Bonn Aktuell, 1991), 193–194; Drahtbericht des Botschafters zur besonderen Verwendung, Graf zu Rantzau, 2.10.1990, in: Die Einheit, Dok. 164, 743–745. 52 Vgl. Görlitzer Abkommen vom 6.7.1950, in: Hanns Jürgen Küsters/Daniel Hofmann (eds.), Dokumente zur Deutschlandpolitik, Reihe III, Band 3: 1950 (München: Oldenbourg 1997), 249–252. 53 Vgl. Warschauer Vertrag vom 7. Dezember 1970, in: BGBl. 1972, II, 362–363.

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Gesamtdeutschland den endgültigen Verzicht auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete leisten könnte.54 Für die polnische Seite war es jahrzehntelang zentrales Anliegen ihrer Deutschlandpolitik, diese Endgültigkeit zu erreichen. Das Auswärtige Amt erkannte früh, dass die abschließende Regelung der deutsch-polnischen Grenze fast den gleichen Stellenwert in den Zwei-plus-VierVerhandlungen einnehmen würde, wie die Frage der Bündniszugehörigkeit eines vereinten Deutschland.55 Beim ersten Treffen der sechs Außenminister am 5. Mai 1990 in Bonn erfolgte die Einigung auf den Zwei-plus-Vier-Verhandlungsgegenstand, d. h. auf die Tagesordnung. An erster Stelle stand der Punkt „Grenzfragen“; dabei ging es jedoch ausschließlich um die deutsch-polnische Grenze. Punkt 2 der Tagesordnung hieß „politisch-militärische Fragen“, Punkt 3 „Berlin-Probleme“ und Punkt 4 „Abschließende Völkerrechtliche Regelung und Ablösung der Vier-Mächte-Rechte und -Verantwortlichkeiten“.56 Sofort nach der Konferenz von Ottawa, wo das Zwei-plus-Vier-Verhandlungsformat abgesprochen worden war, regte sich nicht nur auf westlicher Seite Widerspruch. Auch Polen verlangte eine Beteiligung an der Sechserkonferenz. Der westdeutsche Botschafter in Warschau, Günther Knackstedt, berichtete Mitte Februar 1990 nach Bonn, die polnische Nation steigere sich wegen ihres Ausschlusses von den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen von Tag zu Tag mehr in eine Hysterie hinein. „Es finden Krisensitzungen statt, […] es scheint der nationale Notstand ausgebrochen. Ein unbeteiligter Besucher würde beim Aufschlagen der Zeitungen oder im Gespräch mit polnischen Gastgebern meinen, eine neue deutsche Invasion über die Oder stünde kurz bevor.“57 Nach Gesprächen zwischen Warschau, Bonn, Paris, London, Moskau und Washington wurde die Einigung erzielt, dass Polen zum Tagesordnungspunkt „Grenzfragen“ zu den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen hinzugezogen werden solle.58 Polen erhielt nach dem ersten Zwei-plus-Vier-Ministertreffen die Einladung, am dritten Außenministertreffen im Juli 1990 in Paris teilzunehmen.59 Welche Ziele verfolgte Polen in der Grenzfrage? Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki und Außenminister Krzysztof Skubiszewski verlangten, einen völkerrechtlich verbindlichen Grenzvertrag noch vor einer deutschen Vereinigung auszuhandeln und zu paraphieren. Der Vertrag sollte parallel bzw. unmittelbar nach der Vereinigung Deutschlands unterschrieben und die Grenze zu-

54 Vgl. insbesondere Urteil des Bundesverfassungsgerichts, 7. Juli 1975, in: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Band 40 (Tübingen: Mohr Siebeck, 1976), 141–179. 55 Vgl. Vermerk des Referats 210 im AA , 5.3.1990, in: Die Einheit, Dok. 66, 329–339, hier 332. 56 Vgl. Drahtbericht des Gesandten Bächmann, 7.5.1990, in: Die Einheit, Dok. 95, 467–473. 57 Drahtbericht des Botschafters, 19.2.1990, in: Die Einheit, Dok. 53, 276. 58 Vgl. Erstes Zwei-plus-Vier-Beamtengespräch am 14.3.1990 in Bonn, in: Dokumente zur Deutschlandpolitik, Dok.  220, 950–952, hier 951; Drahtbericht des Botschafters von­ Ploetz, 15.3.1990, Gespräch Bundesminister Genscher mit Außenminister Skubiszewski, 24.3.1990, in: Die Einheit, Dok. 73, 77; 366–373, hier 369, 371, 381–383, hier 382. 59 Vgl. Schreiben Genscher an Skubiszewski, in: Die Einheit, Dok. 95, Anm. 9, 470.

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dem durch die Vier Mächte garantiert werden.60 Diese polnischen Forderungen erhielten früh Unterstützung aus Moskau, London, Paris und Washington, aber auch aus Ost-Berlin.61 Die Bundesregierung, vor allem Kanzler Kohl, bestand hingegen auf der juristisch korrekten, aber außenpolitisch immer weniger haltbaren Position, erst eine frei gewählte gesamtdeutsche Regierung könne einen Grenzvertrag abschließen. Dabei stand für den Bundeskanzler wie für die gesamte Bonner Regierung außer Frage, dass solch ein Vertrag als eine „Neuauflage“ des Görlitzer bzw. des Warschauer Vertrags nur die bestehende OderNeiße-Grenze als nun endgültig bestätigen könne. Kohl agierte in der Grenzfrage primär innenpolitisch motiviert: Mit Blick auf die Ende 1990 anstehende Bundestagswahl wollte er sich keine Diskussion über „nationale Verzichtspolitik“ aufzwingen lassen, die ihm im politisch „rechten Spektrum“ Stimmenverluste hätte bringen können.62 Das Auswärtige Amt hingegen sah die Kanzlerposition als problematisch an, zumal sie auch unter westlichen Verbündeten Mißtrauen und (weitere) Vorbehalte gegen die Einheit schürte. Für die Aussen-Amts-Diplomaten war klar, dass das Problem der polnischen Westgrenze so deutlich geregelt werden musste, dass keinerlei Zweifel an der Endgültigkeit des Grenzverlaufs zwischen Polen und dem geeinten Deutschland bleiben durfte. Es musste festgeschrieben werden, dass Deutschland keine Gebietsansprüche erheben werde.63 Dafür sollten die Artikel 23 und 146 des Grundgesetzes sowie die Präambel mit ihrem Wiedervereinigungsgebot geändert werden.64 Das Auswärtige Amt wollte der polnischen Regierung möglichst weit entgegenkommen und führte, wenn auch hinhaltend, drei Gesprächsrunden zwischen Polen, der DDR und der Bundesrepublik – am 3., 18. und 29. Mai 1990 – über die Ausarbeitung eines Grenzvertrags.65 Diese Verhandlungen mussten aber auf Einspruch des Bundeskanzlers abgebrochen werden. Kohl ließ telefo60 Vgl. Drahtbericht des Gesandten Bauch, 22.2.1990, in: PA AA , B 42, Bd. 156355; Draht­ bericht des Gesandten Paschke, 2.3.1990, in: PA AA , B 43, Bd. 179532. 61 Vgl. dazu den Beitrag von Hermann Wentker in diesem Band. 62 Vgl. dazu den Beitrag von Hanns Jürgen Küsters in diesem Band. 63 Vgl. Drittes Zwei-plus-Vier-Beamtentreffen, 22.5.1990; Gespräch Bundesminister Genscher mit Außenminister Baker, 25.5.1990; Vermerk des stellvertretenden Abteilungsleiters im AA , Höynck, 18.7.1990, in: Die Einheit, Dok. 100, 102, 130; 495–504, 508–517, 6­ 15–620. 64 Vgl. die Fassungen des Grundgesetzes vom 23. Mai 1949 bzw. mit den in Artikel 4 des Einigungsvertragsgesetzes vom 23.  September 1990 festgelegten Änderungen, die zum 3. Oktober 1990 in Kraft traten; BGBl. 1949, 1 bzw. BGBl. 1990, II, 890. 65 Vgl. Deutsch-deutsch-polnisches Direktorengespräch, 3.5.1990; Vorlage des Abteilungsleiters im AA , Oesterhelt, 31.5.1990, beide in: Die Einheit, Dok. 92, 104; 453–458, 519–522; Zweite trilaterale Gesprächsrunde, 18.5.1990, in: PA AA , B 80, Bd. 1394. Auch in: Włodzimierz Borodziej (ed.), Polska wobec zjednoczenia Niemiec 1989–1991. Dokumenty dyplomatyczne (Warschau: Wydawnictwo Naukowe Scholar, 2006), Dok. 48, 54, 58; 250–257, 279–291, 300–323. Ferner MfAA-Vermerk zum trilateralen Treffen am 29.5.1990, in: Ines Lehmann, Die Außenpolitik der DDR 1989/90. Eine dokumentierte Rekonstruktion (BadenBaden: Nomos, 2010), Dok. 121, 668–670.

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nisch am 25. Mai 1990 über den Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Jürgen Sudhoff, seinen Außenminister wissen: „Er wolle klarstellen, dass Gespräche mit den Polen ‚nicht in Frage kämen‘. Er wolle in der nächsten Woche […] über einen knappen Resolutionstext sprechen. […] Was er wolle, sei eine klare unmissverständliche Erklärung der beiden [deutschen] Parlamente. Von den Polen lasse er sich nichts vorschreiben. Er habe schon intern genug Ärger, und zwar nicht nur von den Vertriebenenverbänden.“66 Die gleichlautende Resolution von Bundestag und DDR-Volkskammer über die Unverletzlichkeit der Grenzen gegenüber Polen vom 21. Juni 1990,67 die das Recht des polnischen Volkes, dauerhaft in sicheren Grenzen zu leben, bestätigte und formell von beiden deutschen Regierungen in Warschau notifiziert wurde, um auf diese Weise demonstrativ auch die Unterstützung durch die Exekutive zu verdeutlichen, stellte die Polen – wie erwartet – nicht zufrieden. Außenminister Skubiszewski nahm – wie abgesprochen – am dritten Zweiplus-Vier-Ministertreffen am 17. Juli 1990 in Paris ausschließlich zum Tagesordnungspunkt Grenzfragen teil. Polen konnte sich dort aber mit dem geforderten Junktim eines zeitgleichen Inkrafttretens der abschließenden Regelung und des deutsch-polnischen Grenzvertrages nicht durchsetzen. Auch weitergehende polnische Forderungen nach nochmaliger Festschreibung der Außengrenzen Polens, zusätzliche Änderungen von weiteren Grundgesetzartikeln und bundesdeutschen Rechtsvorschriften wurden von den Verhandlungsführern in Paris ignoriert.68 Die Grenzfestschreibung erfolgte dann im „Vertrag über die abschließende­ Regelung in bezug auf Deutschland“ vom 12. September 1990 in fünffacher Weise. Ausgereicht hätte eine Formulierung wie: Die bestehende deutsch-polnische Grenze wird für endgültig erklärt. Im Artikel 1, in den Abschnitten 1 bis 569 wurde eine Erklärung über das Gebiet welches vereint wird und die Beschreibung der Außengrenzen festgehalten: „Das vereinte Deutschland wird die Gebiete der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik und ganz Berlin umfassen. Seine Außengrenzen werden die Grenzen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland sein und 66 Vermerk des Staatssekretärs im AA , Sudhoff, in: Die Einheit, Dok. 103, 517. 67 Vgl. Text der Entschließung des Deutschen Bundestages, gleichlautend von der DDRVolkskammer, beide am 21.6.1990, in: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (ed.), Texte zur Deutschlandpolitik, Reihe III, Band 8a (Bonn: Deutscher Bundes-Verlag, 1991), 411–412; Lehmann, Außenpolitik der DDR 1989/90, Dok. 161, 746–747; Drahtbericht des Botschafters Knackstedt, 22.6.1990, in: Die Einheit, Dok. 120, 585–587. Der Gedanke einer gemeinsamen deutsch-deutschen Erklärung zur polnischen Westgrenze war im Auswärtigen Amt schon vor Jahreswechsel zirkuliert worden, vgl. Vorlage des Leiters des Planungsstabs, Citron, 20.12.1989, in: ibd., Dok. 34, 198–190, allerdings im Kanzler­a mt auf Vorbehalte gestoßen, vgl. Vorlage des Regierungsdirektors Mertes, 27.2.1990, in: Dokumente zur Deutschlandpolitik, Dok. 195, 878–879. 68 Vgl. Drahtbericht des Botschafters von Ploetz, 9.7.1990; Vermerk des stellvertretenden Abteilungsleiters im AA, Höynck, 18.7.1990, beide in: Die Einheit, Dok. 126, 130; 603–607, 615–620. 69 Vgl. Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland, 12.9.1990, in: Die Einheit, Dok. 152, 700–706.

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werden am Tage des Inkrafttretens dieses Vertrages endgültig sein.“ Der endgültige Verzicht auf jegliche Gebietsansprüche gegen andere Staaten wurde ausgesprochen. In einem weiteren Punkt versicherten die beiden deutschen Regierungen, dass die „Verfassung des vereinten Deutschland keinerlei Bestimmungen enthalten wird, die mit diesen Prinzipien unvereinbar sind.“ Und im letzten und fünften Punkt nahmen die Regierungen der vier Alliierten Mächte die Verpflichtung und Erklärung der beiden deutschen Regierungen „förmlich entgegen und erklären, dass mit deren Verwirklichung der endgültige Charakter der Grenzen des vereinten Deutschland bestätigt wird“. Im Artikel 1, Absatz II des Zwei-plus-Vier-Vertrags wurde der abzuschließende deutsch-polnische Grenzvertrag zwar ausdrücklich erwähnt, seine Unterzeichnung erfolgte jedoch erst sechs Wochen nach der Wiedervereinigung, am 14. November 1990,70 aber zweieinhalb Wochen vor den Bundestagswahlen. Die Unterzeichnung des stärker in die gemeinsame Zukunft weisenden Vertrags über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit, die der Bundeskanzler lange als Paket mit dem Grenzvertrag hatte verabschieden wollen, erfolgte erst am 17. Juni 1991. Infolge des Ratifizierungsverfahrens traten dann aber beide Verträge doch gleichzeitig, am 16. Januar 1992, in Kraft.

IV. Die Bedeutung der Abrüstung als Flankierung und Voraussetzung für die Einheit 1987 brachte der amerikanisch-sowjetische INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces Treaty) die globale Abschaffung aller landgestützten nuklearen Mittelstreckenraketen beider Supermächte mit Reichweiten von 500 bis 5.500 km. Dieser Meilenstein im Ost-West-Verhältnis – bislang war Rüstung immer nur begrenzt worden; hier wurde erstmals abgerüstet und eine ganze Waffenkategorie verschrottet – führte jedoch innerhalb des Westens zum Streit um die Notwendigkeit einer Modernisierung der nuklearen Kurzstreckenraketen (Short Range Nuclear Forces, SNF).71 Genscher und das Auswärtige Amt setzten sich zunächst in der Bundesregierung, dann in der NATO insofern durch, dass die von den AngloAmerikanern, dem Bonner Verteidigungsministerium und den Unionsparteien geforderte SNF-Modernisierung beim NATO -Gipfel am 29./30. Mai 1989 vorerst auf 1992 verschoben wurde.72 Das sollte eine, so zunächst nicht voraussehbare sicherheitspolitische Präjudizwirkung auch für die deutsche Einigung entfalten. 70 Vgl. den Vertrag in: BGBl. 1991, II, 1329–1330; Tischvorlage des Bundesministers Genscher, 13.11.1990, in: Die Einheit, Dok. 169, 763–765. 71 Vgl. Stefan Fröhlich, „Auf den Kanzler kommt es an“: Helmut Kohl und die deutsche Außenpolitik. Persönliches Regiment und Regierungshandeln vom Amtsantritt bis zur Wiedervereinigung (Paderborn et al.: Schöningh, 2001), 178–186; Hans-Peter Schwarz, Helmut Kohl. Eine Biographie (München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2012), 449–451; Genscher, Erinnerungen, 581–621 72 Vgl. Ziffer 49 des NATO -Kommuniqués, in: Europa-Archiv 1989, D 337–356, hier D 353.

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Der eigentliche Abrüstungsdurchbruch gelang im konventionellen Bereich. Dort herrschte jahrelang Stillstand: Von 1973 bis 1989 hatten in Wien die wichtigsten Mitgliedstaaten von NATO und Warschauer Pakt über „Mutual and ­Balanced Forces Reductions“ (MBFR) verhandelt – ohne eine Einigung zu erzielen. Nur einen Monat nach Einstellung von MBFR wurden im März 1989 am selben Ort zwei neue Abrüstungsforen eröffnet, die sogenannten Wiener Gespräche. Das waren zum einen die Verhandlungen aller 35 KSZE-Teilnehmerstaaten über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen (VSBM). Dies knüpfte an die „Konferenz über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa“ (KVAE) an, die 1986 im „Stockholmer Dokument“ zu einer Reihe konkreter Maßnahmen wie Manöverankündigung, Manöverbeobachtung und Verifikationsmaßnahmen geführt hatte.73 Zum anderen – und noch wichtiger – begannen in Wien die Verhandlungen über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) zwischen den 23 Mitgliedstaaten von Warschauer Pakt und NATO. Was unterschied die KSE-Verhandlungen von MBFR?74 Erstens ihr erweitertes Anwendungsgebiet: Umfasst wurde nicht mehr nur der zentraleuropäische Konfrontationsraum, also Deutschland, die Benelux-Staaten, Polen und die ČSSR , sondern nunmehr „Europa vom Atlantik bis zum Ural“. Das war insofern bedeutsam, weil die NATO insbesondere die „zweite Staffel“ des Warschauer Pakts fürchtete, die sich jenseits der Weichsel sammeln und im Kriegsfall beim Festlaufen der ersten östlichen Angriffswelle den entscheidenden Durchbruch erzwingen sollte. Entsprechend den damaligen Planungen hätte dies bedeutet, dass die NATO daraufhin Nuklearwaffen eingesetzt hätte.75 Der Einbezug dieser Aufmarsch-Region und die Erfassung der dortigen Truppen waren also zentral. Zweitens: Während bei MBFR Militärpersonal im Vordergrund stand, über deren Zahl sich West und Ost nie einigen konnten, ging es bei der KSE um konventionelle bzw. dual-use-fähige Waffensysteme und Ausrüstungen der Landund Luftstreitkräfte (Seestreitkräfte und chemische Waffen wurden bewusst ausgeklammert). Drittens: Ziel war diesmal von Anbeginn ein Gleichgewicht auf niedrigerem Niveau festzuschreiben, um so die Gefahr von Überraschungsangriffen zu bannen. Verhandelt wurde daher über die fünf gefährlichsten, da offensiv ver73 Vgl. Josef Holik, Die Rüstungskontrolle. Rückblick auf eine kurze Ära (Berlin: Duncker & Humblot, 2008), 45–46. 74 Zum Folgenden P. Terrence Hopmann, From MBFR to CFE . Negotiating Conventional Arms Control in Europe, in: Richard Dean Burns (ed), Encyclopedia of Arms Control and Disarmement, Volume 2 (New York: Charles Scribner’s Sons, 1993), 967–989; Holik, Rüstungskontrolle, 67–75; Nikolaus Meyer-Landrut, Die Entstehung des Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa und die Herstellung der deutschen Einheit (Bonn: Europa Union, 1992); Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (ed.), Der Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa. Mehr Sicherheit mit weniger Waffen (Bonn o. J.). 75 Vgl. Dieter Krüger, Am Abgrund? Das Zeitalter der Bündnisse: Nordatlantische Allianz und Warschauer Pakt 1947 bis 1991 (Fulda: Parzellers, 2013), 167–171.

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wendbaren Waffenkategorien: Panzer, Kampfflugzeuge, Kampfhubschrauber, gepanzerte Fahrzeuge und Artilleriewaffen großer Reichweite. Innerhalb dieser Kategorien sollte es absolute und regional aufgeschlüsselte Obergrenzen geben. Dafür wurde das Vertragsgebiet in vier ineinander gestaffelte Zonen eingeteilt: die Zentralregion als Mittelpunkt des Kalten Krieges, eine sie umgebende Region Mitte, die erweiterte Region und die Flankenregion. Das war die Ausgangslage, als im November 1989 die Mauer fiel und sich im Folgenden immer klarer die Perspektive einer deutschen Vereinigung abzeichnete. Ab Frühjahr 1990 sah sich die UdSSR mit einer Situation konfrontiert, in der der Warschauer Pakt zusehends zerfiel: Ungarn, die Tschechoslowakei und später auch Polen strebten immer offener aus dem Bündnis.76 Mit der deutschen Vereinigung drohte Moskau zudem den bislang wichtigsten militärischen Verbündeten, die rund 120.000 Mann starke Nationale Volksarmee (NVA) der DDR , zu verlieren. Schlimmer noch, dabei würde zugleich die gegnerische Bundeswehr verstärkt. Tatsächlich galt die rund 450.000 Mann starke, gut ausgerüstete und ausgebildete Bundeswehr als die nach den USA stärkste konventionelle Armee der NATO – und all das vor dem Hintergrund der durch die immensen Verluste im Zweiten Weltkrieg nachvollziehbaren historischen Ängste und Traumata der Sowjetunion. So lag auf der Hand, dass der Kreml als Bedingung einer deutschen Einheit definitiv auf Begrenzungen und Reduzierungen deutscher Streitkräfte bestehen würde – erst recht im Falle einer NATO -Mitgliedschaft des vereinten Deutschland. Umgekehrt wollten die Bundesregierung und die Westmächte eine Singularisierung Deutschlands – das hieß: nur Deutschland baut Streitkräfte ab – vermeiden. Daher sollten die Bundeswehr-Begrenzungen durch eine entsprechende Streitkräfte-Deckelung der übrigen Staaten abgefedert werden. Zudem sollte über die Bundeswehr nur bei der Wiener KSE verhandelt werden und nicht, wie von Moskau gewünscht, im Zwei-plus-Vier-Format  – schon um den Eindruck einer Friedensvertrags-Regelung zu vermeiden.77 Als Problem erwies sich, dass 76 Schon am 7.  Februar 1990 mutmaßte der Leiter des NATO -Referats im AA , „daß der­ W[arschauer]V[ertrag] sich zumindest faktisch in eine befristete Abwicklungsorganisation für den Abzug sowjetischer Streitkräfte aus den N[icht]S[owjetischen]W[arschauer] P[akt]-Staaten umwandeln wird.“ Vgl. Vorlage Neubert, in: Die Einheit, Dok. 47, 248. Der Vertraute des sowjetischen Außenministers, Tejmuraz Stepanov-Mamaladze, urteilte nach der Außenministersitzung des Warschauer Pakts in Prag: „Der Warschauer Pakt ist nur ein Begriff, ein Vorhang mit Löchern, durch die die auseinanderfallende Konstruktion der Organisation sichtbar ist.“ Tagebucheintrag, 17.3.1990, in: Der Kreml und die deutsche Wiedervereinigung 1990, Dok. 16, 223. Im National Intelligence Estimate 12–90 konstatierten die US -Geheimdienste im April 1990: „The Warsaw Pact as a military alliance is essentially dead, and Soviet efforts to convert it into a political alliance will ultimately fail.“ Vgl. Benjamin B. Fischer (ed.), At Cold War’s End. US Intelligence on the Soviet Union and Eastern Europe, 1989–1991 (Washington D. C.: Central Intelligence Agency, 1999), ­183–184. 77 Vgl. Gespräch der vier westlichen Politischen Direktoren am 10.4.1990 in Brüssel, in: Die Einheit, Dok. 81, 400–416, hier 408–412. Die sowjetische Seite beharrte lange auf ihrer Forderung, Obergrenzen für die Bundeswehr im Rahmen der Zwei-plus-Vier-Gespräche fest-

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bei KSE nur über Waffen-, nicht Mannschaftszahlen verhandelt wurde  – letztere sollten erst in späteren Folgeverhandlungen („Wien II“) konkretisiert werden, auch wenn sich die beiden Supermächte für ihre eigenen Verbände in der Zentralzone bereits beim Open-Skies-Treffen in Ottawa am 13. Februar 1990 auf eine Truppenhöchststärke von jeweils 195.000 Mann geeinigt hatten.78 Im Endeffekt wurde die Lösung für die deutsche Streitkräfteobergrenze bilateral auf westdeutsch-sowjetischer Schiene gefunden. Dabei stimmte sich die Bundes­ republik jedoch eng mit den USA und den NATO -Partnern ab. Am 23.  Mai 1990 verlangte Schewardnadse in Genf noch von Genscher  – beide Außenminister trafen sich in dieser Zeit praktisch im Zwei-WochenRhythmus79 –, die Deutschen sollten ihre Streitmacht in drei Jahren auf 200.000 bis 250.000 Mann reduzieren. Das hätte die Bundeswehr halbiert! Genscher hielt dagegen, die Bundeswehr-Reduzierung müsse Teil einer Regelung für alle sein und in einem angemessenen Verhältnis zu deren Verpflichtungen stehen.80 Anfang Juni drängte Schewardnadse seinen amerikanischen Kollegen beim KSZE -Treffen über die menschliche Dimension in Kopenhagen, die Sowjetunion brauche eine sie befriedigende Bundeswehr-Höchststärke. Dann, und bei entsprechender Transformation der Atlantischen Allianz, könne Moskau sogar „einer Wiedervereinigung mit NATO -Zugehörigkeit zustimmen.“81 Genscher riet er, um einen KSE-Abschluss zu ermöglichen solle sich die Bundesregierung am besten in einer „freiwilligen Erklärung“ auf eine neue Streitkräfteobergrenze verpflichten.82 Auch bei Schewardnadses Treffen mit Genscher in Brest am 11. Juni nahm die Streitkräfte-Frage eine prominente Rolle ein.83 Wichtig – gerade auch in der Frage der deutschen NATO -Mitgliedschaft – waren zudem die Signale der NATO, angesichts der veränderten Weltlage zu einem

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zulegen, so noch Kwizinskij beim dritten Beamtengespräch in Bonn am 22.5.1990 oder Schewardnadse gegenüber Genscher am Folgetag in Genf. Vgl. Vermerk des Leiters des AAMinisterbüros, Elbe, 23.5.1990, in: ibd., Dok. 101, 507; für das Außenministergespräch Hilger, Diplomatie, Dok. 30, 153. Allerdings schwenkte Schewardnadse in der anschließenden Pressekonferenz auf die westliche Linie ein, vgl. Kiessler/Elbe, Ein Runder Tisch, 145–146; Gespräch Genschers mit Baker am 25.5.1990 in Washington, in: Die Einheit, Dok. 102, 509. Vgl. Baker, Drei Jahre, 191–192; Zelikow/Rice, Germany Unified, 192. Zwischen dem ersten Zwei-plus-Vier-Ministertreffen am 5. Mai 1990 in Bonn und dem zweiten am 22.  Juni 1990 in Berlin trafen sich Genscher und Schewardnadse u. a. am 23. Mai in Genf, beim KSZE -Treffen über die menschliche Dimension vom 5.–7. Juni 1990 in Kopenhagen, am 11. Juni in Brest und am 18. Juni in Münster. Vgl. dazu Hilger, Diplomatie, Dok. 30, 31, 32, 34, 35, 36, 37, 38; 147–168, 170–214. Vgl. Hilger, Diplomatie, Dok. 30, 154, 157; Genscher, Erinnerungen, 788–796. Vermerk des Unterabteilungsleiters Höynck zum Treffen Baker und Schewardnadse am 5.6.1990 in Kopenhagen, 8.6.1990, PA AA , B 1, Bd. 178928. Gespräch Genscher  – Schewardnadse in Kopenhagen, 7.6.1990, in: Hilger, Diplomatie, Dok. 32, 164–168, hier 167; Genscher, Erinnerungen, 817–818. Diese von sowjetischer Seite offensichtlich als zentral betrachtete Frage wurde im zweiten Vier-Augen-Gespräch der Minister erörtert. Vgl. Hilger, Diplomatie, Dok.  36, 189–194; Genscher, Erinnerungen, 812.

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tiefgreifenden Wandel ihrer bisherigen Struktur und Militärstrategie bereit zu sein: In der „Botschaft von Turnberry“ reichten die Außenminister der NATO Staaten am 8. Juni offiziell „der Sowjetunion und allen europäischen Ländern die Hand zu Freundschaft und Zusammenarbeit“.84 Noch bedeutsamer war die „Erklärung“ des Londoner NATO -Gipfels vom 6. Juli: Die NATO bot eine Überprüfung ihrer (Nuklear-)Strategie an, eine (freilich unspezifische) Reduzierung ihrer Streitkräfte, ein Nichtangriffsversprechen und Einladungen an Gorbatschow und andere Staats- und Regierungschefs des Warschauer Pakts, kurz: eine „Entfeindung“ des bisherigen Verhältnisses.85 Zudem kündigten Frankreich direkt nach Abschluß des Gipfels und Groß­ britannien kurz danach den Abzug bzw. die Halbierung ihrer Truppen in Deutschland an.86 Die Sowjetunion war damit nicht die einzige Siegermacht, die ihre Truppen aus Deutschland abziehen würde. Der Durchbruch gelang schließlich am 15./16. Juli 1990 beim „StrickjackenGipfel“ von Kohl und Gorbatschow in Moskau und im Kaukasus. Der Kanzler, der das „Einstiegsangebot“ seines Außenministers von 350.000 Soldaten für zu niedrig hielt,87 erreichte, dass Deutschland sich auf die in drei bis vier Jahren zu erzielende Obergrenze von 370.000 Mann verpflichtete. Da bei den­ KSE -Verhandlungen jedoch nur über Land- und Luftstreitkräfte verhandelt wurde, spezifizierte man, dass diese nicht mehr als 345.000 Soldaten betragen dürften.88 Eine entsprechende Erklärung gab Außenminister Genscher am 30. August 1990 im Wiener KSE-Forum ab. Die DDR schloß sich dieser Erklärung ausdrücklich an.89 Welches Gewicht die Streitkräfte-Erklärung als Vorbedingung der Einheit hatte, zeigt sich darin, dass sie in toto in Artikel 3 des Zwei-plus-VierVertrages inkorporiert wurde. Auch dem KSE-Vertrag vom 19. November 1990 ist Genschers Streitkräfte-Erklärung beigefügt.90 Beigefügt war ferner die Verpflichtungserklärung aller übrigen Teilnehmerstaaten, bestehende Streitkräftezahlen für die Dauer der Wiener Folgeverhandlungen nicht zu erhöhen. Diese Wien-II-Verhandlungen mündeten 1992 in einer entsprechenden Festlegung der 84 Botschaft von Turnberry, 8.6.1990, in: Europa-Archiv 1990, D 447–448. Ferner Genschers Pressekonferenz, 8.6.1990, in: Die Einheit, Dok. 109, 545–549. 85 Kommuniqué des NATO -Gipfels am 5./6.7.1990 (Londoner Erklärung), in: Europa-Archiv 1990, D 456–460. Vgl. Ortez des stellvertretenden Referatsleiters Trautwein, 11.7.1990, in: Die Einheit, Dok. 128, 609–613. 86 Vgl. Ritter, Genscher, das Auswärtige Amt, 137. 87 Vgl. Helmut Kohl, Erinnerungen 1990–1994 (München: Droemer, 2005), 157. 88 Vgl. Delegationsgespräch von Kohl und Gorbatschow in Archyz, in: Dokumente zur Deutschlandpolitik, Dok. 353, 1355–1367, hier 1363–1365; Drahtbericht des Botschafters von Ploetz, Brüssel (NATO), 18.7.1990, in: Die Einheit, Dok. 131, 621–626. 89 Vgl. Drahtbericht des Leiters der KSE -Delegation, Hartmann, Wien, 30.8.1990, in: Die Einheit, Dok. 147, 681–684. 90 Für den Wortlaut vgl. Europa-Archiv 1990, D 607–654; ferner Ortez Nr. 87 des Referatsleiters Bettzuege, 26.11.1990, PA AA , B 5, Bd. 161322.

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Streitkräftehöchstzahlen aller Teilnehmer.91 Auf diese Weise gelang es, die befürchtete Singularisierung der Bundesrepublik zu vermeiden. Der KSE-Vertrag schuf erstmals konventionelle Parität auf niedrigerer Stufe: Jede Blockseite92 durfte nur noch ein begrenztes Kontingent an Offensivwaffen besitzen, die nochmals in regionale Obergrenzen aufgeschlüsselt wurden. Über 60.000 schwere Waffensysteme wurden bis Mitte der 1990er-Jahre verschrottet.93 Die Bundesrepublik, die sich zusätzlich das übernommene Gerät der NVA anrechnen lassen musste, lag in absoluten Reduzierungszahlen nach der UdSSR an zweiter Stelle. Relativ zum Streitkräfteumfang hatte Deutschland den höchsten Reduzierungsanteil aller Vertragsstaaten.94 Der KSE-Vertrag beseitigte das in den 40 Jahren des Kalten Krieges zu Lasten des Westens bestehende konventionelle Ungleichgewicht. Die detaillierten Melde- und Verifikationsvorschriften, ergänzt durch das zwei Tage zuvor von allen KSZE-Staaten unterzeichnete „Wiener Dokument“ über VSBM,95 beseitigten die Gefahr von Überraschungsangriffen oder großangelegten Offensivhandlungen. Das wiederum schuf erst die Grundlage für den in den NATO Dokumenten 1990 zunächst nur versprochenen Struktur- und Strategiewandel mitsamt der Abkehr von der vom Westen stets vertretenen Option des nuklearen­ Ersteinsatzes – was aber für die Sowjetunion Grundvoraussetzung für ihre Zustimmung zur deutschen Einheit blieb. Der Weg zur Einheit korrelierte insofern eng mit den Fortschritten im Bereich der federführend vom Auswärtigen Amt verantworteten Rüstungskontrolle, aber auch mit den Veränderungen im Bereich der KSZE insgesamt als einer von der Sowjetunion stets eingeforderten gesamteuropäischen Sicherheitsstruktur.

V.

Das Ziel einer Neugestaltung der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE)

Die Sowjetunion legte sehr früh Wert darauf, die deutschlandpolitische Entwicklung im Rahmen des KSZE-Prozesses mitsteuern zu können und plädierte für den Ausbau und den Bedeutungszuwachs der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.96 Die Einbettung der deutschen in die europäische 91 Für den Wortlaut der Abschließenden Akte vom 10.7.1992 vgl. Auswärtiges Amt (ed.), 20 Jahre KSZE 1973–1993. Eine Dokumentation (Bonn: Merkur Druck, 1993). 92 Trotz des erkennbaren Zerfalls des Warschauer Pakts hatte man aus Praktikabilitäts- und Zeitgründen am Bündnis-zu-Bündnisansatz festgehalten. 93 Vgl. http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Friedenspolitik/Abruestung/Konv RueKontrolle/KSE -Vertrag_node.html (zuletzt abgerufen am 18. März 2016). 94 Vgl. Meyer-Landrut, Entstehung des Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa, 49. 95 Für den Wortlaut vgl. Europa-Archiv 1991, D 463–484; Ortez des stellvertretenden Referatsleiters Koenig, 28.11.1990, PA AA , B 5, Bd. 161322. 96 Rede von Außenminister Schewardnadse in Brüssel, 19.12.1989, in: Europa-Archiv 1990, D 134.

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Entwicklung entsprach auch den Intentionen der Bundesrepublik. Gerade auch für Außenminister Genscher bot die KSZE ein permanentes multilaterales Forum, welches jenseits aller bestehenden aktuellen Konflikte die Teilnehmer zu einem institutionalisierten Dialog zwang. Dieser würde – langfristig gedacht – wechselseitiges Verständnis fördern. Zugleich verpflichtete die KSZE alle auf zentrale Grundprinzipien wie z. B. Gewaltverzicht und Selbstbestimmung.97 Das Bonner Auswärtige Amt sah auch, welch enorme Bedeutung der Ausbau und die Institutionalisierung des KSZE-Prozesses, der die Sowjetunion direkt einschloss, für diese hatte – substantiell sowie zur „Gesichtswahrung“ angesichts des sich abzeichnenden Zerfalls des Warschauer Pakts.98 Es beabsichtigte zudem mit dieser KSZE-Dimension den Reformkräften in der UdSSR eine „goldene Brücke“ zu bauen, über die Moskau den Weg zur deutschen Einheit gehen könnte. Die neu zu schaffende europäische Sicherheitsstruktur sollte indes  – das stellte Kohls Schreiben an seinen Außenminister vom 23. März 1990 unmissverständlich klar – die NATO -Strukturen keineswegs ersetzen, sondern nur parallel ergänzen.99 Die militärische und damit politische Präsenz der USA in Europa hielten die Bundesrepublik und ihre Verbündeten weiterhin für stabilisierend und unverzichtbar. Der sowjetische Generalsekretär Gorbatschow hatte bereits Ende November 1989 angeregt, das nächste, regulär für 1992 geplante KSZE-Treffen der Außenminister auf die Gipfelebene der Staats- und Regierungschefs anzuheben und auf 1990 vorzuverlegen.100 Die allgemeine Zustimmung dafür kam auf der Abrüstungskonferenz in Ottawa am 13. Februar 1990 sowie auf dem Ministertreffen im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) in Dublin am 20. Februar 1990.101 Termin und Ort – November 1990 in Paris – wurden am 5./6. Juni 1990 auf dem KSZE-Treffen über die menschliche Dimension in Kopenhagen festgelegt.102 Die USA war zunächst von dem Gipfelvorschlag wenig begeistert. Sie fürchtete, die UdSSR wolle mittels der KSZE die NATO aushöhlen oder gar abschaffen. Daher forderte die amerikanische Seite, ein vorgezogener KSZE -Gipfel dürfe kein „Schautreffen“ sein, sondern müsse konkrete Ergeb97 Vgl. Andreas Wirsching, Der Weg zur deutschen Einheit. Die „deutsche Frage“ als roter Faden in der Politik Hans-Dietrich Genschers, in: Kerstin Brauckhoff/Irmgard Schwaetzer (ed.), Hans-Dietrich Genschers Außenpolitik (Wiesbaden: Springer VS , 2015), ­245–261; Matthias Peter, Die Bundesrepublik im KSZE -Prozess 1975–1983. Die Umkehrung der Diplomatie (Berlin/München: De Gruyter, 2015). 98 Vgl. Gespräch von Bundesminister Genscher mit Außenminister Hurd, 6.2.1990, in: Die Einheit, Dok. 45, 230–235, hier 232–233. 99 Vgl. Die Einheit, Dok. 76, 380–381. 100 Vgl. Vermerk von Referat 212 des AA , 1.12.1989, in: PA AA , B 28, Bd. 158559; Gespräch der Außenminister Genscher, Baker, Dumas, und Hurd, 13.12.1989, in: Die Einheit, Dok. 29, 160–167. 101 Vgl. Bulletin 1990, 214–215; Runderlass des AA-Referatsleiters von Jagow, 21.2.1990, in: Die Einheit, Dok. 55, 282–286, auch Anm. 1 und 3. 102 Vgl. Vermerk des Unterabteilungsleiters im AA , Höynck, 8.6.1990, in: PA AA , B  1, Bd. 178928, Genscher, Erinnerungen, 815–818.

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nisse bei den in Wien laufenden Ost-West-Gesprächen über konventionelle Abrüstung bringen. Die Zustimmung der Bush-Administration zum im November 1990 anvisierten KSZE-Gipfel kam im April. Außenminister Baker bezeichnete die KSZE als Baustein für ein neues Europa, betonte jedoch nochmals, dass diese die NATO nicht als System kollektiver Sicherheit ersetzen könne. Die USA machten zudem das Zustandekommen des Gipfels von einer ihm vorausgehenden Unterzeichnung eines KSE-Abkommens abhängig, was letztlich auch gelang, aber den Termindruck weiter erhöhte.103 Für den Ausbau und die Institutionalisierung der KSZE wurden u. a. regelmäßige Treffen der Außenminister, Institutionen zur Sicherung von Menschenrechten, neue Zentren für Konfliktverhütung und Verifikation sowie eine Umweltagentur angedacht. Entsprechende Vorschläge formulierten relativ zeitgleich neben der Bundesrepublik die UdSSR und zahlreiche andere KSZE-Staaten wie Polen, die ČSFR und die DDR .104 Der am 12. September 1990 unterzeichnete Zwei-plus-Vier-Vertrag wurde sowohl der KSZE-Außenministerkonferenz am 1./2. Oktober 1990 in New York als auch dem KSZE-Gipfel vom 19. bis 21. November 1990 in Paris zur Kenntnis­ gebracht. Auf diesem Gipfel verkündeten die nunmehr 34 Staats- und Regierungschefs am 21.  November die „Charta von Paris“, die das Ende der Konfrontation und der Teilung Europas und den Aufbruch in ein Zeitalter von Demokratie, Frieden und Menschenrechten bekannt gab. Die Beziehungen der Teilnehmerstaaten sollten fortan geprägt sein von Gewaltverzicht sowie der friedlichen Beilegung von Streitfällen und Konflikten. Die deutsche Einheit wurde als ein bedeutender Beitrag zu einer dauerhaften und gerechten Friedensordnung für ein demokratisches Europa gewürdigt. Erste neue Strukturen der KSZE wurden institutionalisiert – wie die Treffen der Staats- und Regierungschefs im Zwei-Jahres-Rhythmus, ein „Rat der Außenminister“ mit jährlichen Treffen, ein Konfliktverhütungszentrum in Wien, ein ständiges Sekretariat in Prag und ein „Büro für freie Wahlen“ in Warschau.105 Ein tatsächlich neues gesamteuropäisches Sicherheitssystem entwickelte sich jedoch nicht. Der Putsch gegen Gorbatschow (August 1991), die Auflösung der Sowjetunion (Ende 1991), die Orientierung von mittel- und osteuropäischen Staaten hin zur NATO und zur Europäischen Union sowie der Beginn 103 Vgl. Drahtbericht des Gesandten Bächmann, 7.5.1990, in: Die Einheit, Dok. 95, 467–473; Ministervorlage für Genscher, 11.5.1990, in: PA AA , B 1, Bd. 178925. 104 Vgl. Genschers Tutzinger Rede, 31.1.1990, in: Deutschlands Vereinigung, 190–191; Gespräch zwischen Citron (AA) und Steglich (MfAA), 5.4.1990; Gespräch zwischen Bundesminister Genscher und Außenminister Meckel, 4.5.1990 und Ortez des AA , von Trautwein, 11.6.1990, alle in: Die Einheit, Dok. 80, 93 und 128; 394–400, 458–462, 609–613; Schreiben von Außenminister Schewardnadse an die Außenminister der KSZE -Staaten, 25.5.1990, in: Lehmann, Außenpolitik der DDR , Dok. 118, 663–665; Genscher, Erinnerungen, 788–797. 105 Vgl. Ortez des AA , Bettzuege, 26.11.1990, in: Die Einheit, Dok.  170, 765–772. Für den Wortlaut der Charta Europa-Archiv 1990, D 656–664.

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der katastro­phalen Balkankriege im Zuge der Auflösung Jugoslawiens (ab 1991) ließen die zukunftsoptimistischen Inhalte der „Charta von Paris“ bald schon verblassen.

VI. Resümee Der bisweilen von der Tagespolitik in die Zeitgeschichtsschreibung hinein verlängerte Streit, wer als der eigentlich maßgebliche „Vater der deutschen Einheit“ anzusehen sei – Kohl und das Kanzleramt, Genscher und das Auswärtige Amt oder andere  –, ist wenig erkenntnisfördernd. Gewiß, es gab Spannungen zwischen den Institutionen und ihren Repräsentanten, wie im politischen Alltagsgeschäft üblich, aber am Ende überwog eine fruchtbare, effektive Zusammenarbeit, die möglicherweise sogar durch die institutionelle Ambivalenz eher gesteigert als vermindert wurde. Der große Beitrag des Auswärtigen Amts zum Gelingen der deutschen Einheit ist unstrittig. Denn im „Maschinenraum der Diplomatie“, in dem die Diplomaten wirkten, galt es eben nicht nur, den Kurs der Spitzenpolitiker durch Zuarbeit vorzubereiten und zu stützen, sondern eben vor allem auch, deren politische Entscheidungen juristisch wasserdicht in völkerrechtliche Verträge und Abkommen zu gießen. Diese Arbeit dauerte weit über den 3. Oktober 1990 hinaus, etwa im Bereich der bislang kaum beachteten „Westdimension“ der Einheit beim Abbau westalliierter Abhörrechte in West-Berlin oder der erst 1993 abgeschlossenen Neuverhandlung der Stationierungsgrundlagen für die verbündeten NATO -Streitkräfte im wiedervereinigten Deutschland.106 All das unterstreicht die herausragende Leistung jener, die daran mitwirkten, die sich 1989/90 international bietenden Chancen und den  – wie in der Rückschau noch deutlicher erkennbar wird  – so engen Zeitrahmen eines nur kurzzeitig offenstehenden „window of opportunity“ zu nutzen, um die deutsche Einheit zum glücklichen Ziel zu führen. Letztlich wird man dem Diktum des damaligen Staatssekretärs im Auswärtigen Amt, Jürgen Sudhoff, zustimmen können, der rückblickend gegenüber den Autoren dieses Beitrags davon sprach, die komplexe Aushandlung der deutschen Einheit in wenigen Monaten zeige beispielhaft, zu welchen Glanzleistungen die so häufig geschmähte Ministerialbürokratie fähig sei, wenn sie entsprechend gefordert wird und den nötigen Handlungsspielraum besitzt.

106 Vgl. dazu Vorlage des Unterabteilungsleiters Eitel, 12.9.1990; Vorlage des Leiters der Rechtsabteilung, Oesterhelt, 18.9.1990, in: Die Einheit, Dok. 154, 158; 710, 722–725.

II. Die Vier Mächte

Christian F. Ostermann

The United States and German Unification On 9 February 1990, U. S. President George H. W. Bush sat down to pen a personal letter to West German Federal Chancellor Helmut Kohl. He wanted Kohl to know that he had his back and supported the chancellor’s accelerated course towards German unity full-heartedly. The crisis in post-Wall East Germany was becoming critical. The pressure on Kohl for fast-track unification was mounting as thousands of East Germans moved west. The German leader was about to confront Soviet Communist Party Secretary General Mikhail Gorbachev, who, by all accounts, held the key to Germany unity. Bush assured his German counterpart of “the complete readiness of the United States to see the fulfillment of the deepest national aspirations of the German people. If events are moving faster than expected, it just means that our common goal for all these years of German unity will be realized even sooner than we had hoped.” He wanted the German chancellor “to understand that the United States will do nothing that would lead your countrymen to conclude that we will not respect their choice for their nation’s future.”1 Four days later, a “highly satisfactory” Soviet agreement that Germany could unify internally in hand, Kohl told Bush during  a phone conversation that “I do believe the letter you sent to me before I left for Moscow will one day be considered one of the great documents in German-American history.” This was a great moment for the Germans, Kohl continued: “[…] without our American friends, this would not have been possible.”2 February 1990 was in fact just one of several key moments during the diplomacy of German unification as it unfolded in the months following the fall of the Wall in which America played a crucial role. As Alexander Moens pointed out as early as 1991, the American role in the historic achievement of German unity in 1990 was important in three ways: It shielded Kohl against domestic rivals and NATO allies who tried to block or delay unification, it committed the UK, France and the Soviet Union to the Two-Plus-Four framework that allowed the Germans to settle the internal aspects of unification, and it brokered a package of guarantees that secured Gorbachev’s agreement on NATO membership for a

1 Letter from President Bush to Federal Chancellor Kohl, 9 February 1990, in: Hanns Jürgen Küsters/Daniel Hofmann (eds.), Deutsche Einheit: Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90 (Munich: Oldenbourg, 1998), 784. 2 “Bush-Kohl Telephone Conversation on the Situation in Germany,” 13 February 1990, History and Public Policy Program Digital Archive, George H. W. Bush Presidential Library (http://digitalarchive.wilsoncenter.org/document/116232, last accessed 27 March 2017).

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united Germany, which had long been opposed by the USSR .3 More than a quarter century after German unification, the diplomatic struggle over this historical achievement remains an important, controversially discussed, and politically sensitive subject. Not only have leading actors tried to shape the historical narrative through autobiographical and scholarly contributions but also key issues involved in the process during 1989–1990 continue to echo in twenty-first century international and memory politics. In light of new findings and newly declassified documents, this essay will review some of the key dimensions of US policy in the run-up to German unification on 3 October 1990.

I.

American Policy Prior to the Fall of the Wall

The United States played a crucial role in the unification of Germany in 1990—as it had done in the process of dividing Germany after World War II. As a leading member of the victorious Grand Alliance, the United States had joined the Soviet Union, Great Britain and France in occupying the defeated Reich and assuming supreme authority. In the context of beginning confrontation with the Soviet Union, President Harry S. Truman’s administration had come to resolve that securing America’s preponderance of power in post-war Europe required a decision to divide Germany, resuscitating the Western zones economically and politically while, for now, ostensibly writing off the Soviet-occupied zone to the emerging Communist camp. As the Cold War conflict with the USSR deepened, the geopolitical division of Europe, American policy had prioritized the Federal Republic’s political, military, and economic integration as well as the West and efforts to delegitimize and isolate the socialist regime in East Germany internationally over efforts to reunite the country. American policy had aligned closely with West German Chancellor Konrad Adenauer’s policy of strength and Westintegration. Given the choice between a united but neutral, potentially Soviet-friendly, or  a divided but democratic and Western-oriented Germany, America chose the latter.4 Neither the United States nor the Federal Republic, however, renounced the ultimate goal of Germany’s reunification. The claim was fundamental to the identity and legitimacy of the West German state and, as such, enshrined in its constitution, the Basic Law. Still, in the era of superpower détente that followed the Second Berlin and Cuban Missile Crises of the early 1960s, the territorial 3 Alexander Moens, American Diplomacy and German Unification, in: Survival 33 (November/December 1991) 6, 531–45; Robert Hutchings, American Diplomacy and the End of the Cold War in Europe, in: id./Jeremi Suri (eds.), Foreign Policy Breakthroughs: Cases of Successful Diplomacy (Oxford/NY: Oxford University Press, 2015), 148–172, here 163. 4 Thomas A. Schwartz, America’s Germany: John J. McCloy and the Federal Republic of Germany (Cambridge, MA : Harvard University Press, 1991); Carolyn Eisenberg, Drawing the Line: The American Decision to Divide Germany (Cambridge: Cambridge University Press, 1996).

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status quo in Europe became increasingly accepted. Confronted with this reality, Federal Chancellor Willy Brandt’s Ostpolitik in the early 1970s sought to bring about “change through rapprochement”5 (Wandel durch Annäherung), a concept developed by Brandt’s close advisor Egon Bahr that aimed at peacefully transforming the status quo by developing closer relations between the two German states. “Small steps” sought to improve humanitarian conditions behind the Wall. Ostpolitik resulted in an intricate treaty system that lowered tensions with West Germany’s Warsaw Pact neighbors, including the GDR . The Helsinki Accords of 1975 underscored the inviolability of the postwar territorial settlement (while not precluding change by peaceful means). German-German rapprochement, reinforced by East Germany’s growing dependence on Western loans to address economic difficulties, survived even the onset of renewed East-West tensions in the wake of the Soviet invasion of Afghanistan and the North Atlantic Treaty Organization’s (NATO’s) decision to deploy intermediate nuclear missiles in Western Europe in December 1979. With both German states as the likely battleground of any armed conflict between the superpowers, East and West German leaders called for a “community of responsibility” to prevent the outbreak of war in Central Europe. Socialist Unity Party (SED) leader Erich Honecker’s 1987 state visit to the Federal Republic epitomized the “normalcy” that seemed to characterize relations between the two German states.6 In recognizing the GDR diplomatically in September 1974, the United States had been one of the last NATO members to abandon longstanding efforts to ignore and isolate the SED regime internationally. (In order to avoid compromising Berlin’s continued four-power status, the newly established U. S. Embassy in East Berlin was pointedly referred to as the Embassy “in the German Democratic Republic.”) But even after establishing diplomatic relations, the GDR government’s refusal to recognize Jewish compensation claims and demands for the restitution of property confiscated from American citizens in the postwar period, on the one hand, and continued American criticism of the human rights situation in the country as well as unwillingness to grant the GDR most-favored-nation status commercially, on the other hand, had handicapped the development of closer relations beyond very modest gains. From Washington, East Germany was seen as little more than  a doctrinaire Moscow ally. In the mid-1980s, some U. S. officials within the Reagan administration, led by the U. S. ambassador in the GDR (and a top aide to Secretary of State George Shultz), Rozanne L. Ridgway, had sought to give greater attention to the regime of Erich Honecker in order to increase its room to maneuver vis-à-vis Moscow. These 5 On Ostpolitik, see Werner Link, Ostpolitik: Détente German-style and Adapting to America, in: Detlef Junker (ed.), The United States and Germany in the Era of the Cold War, 1968–1990: A Handbook, Volume 2 (Cambridge: Cambridge University Press, 2004), 33–39. 6 Helga Haftendorn, The Unification of Germany, 1985–1991, in: Melvyn Leffler/Odd Arne Westad (eds.), The Cambridge History of the Cold War, Volume 3 (Cambridge UK : Cambridge University Press, 2009), 333–355, here 333–336.

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efforts culminated in GDR visits by Deputy Secretary of State John Whitehead in November 1987 and June and October 1988. Honecker’s state visit to the Federal Republic seemed to open up the prospect of the first visit ever by an East German leader to the White House. The U. S. trip of SED Politburo member Hermann Axen in May 1988—including meetings with Secretary of State George Shultz— brought about the outlines of  a “package deal” to resolve the tricky bilateral issues, suggesting a formal state visit was in the offing.7 With the rise of Mikhail Gorbachev to the leadership of the USSR , a dramatic relaxation of East-West relations became possible. Focused on U. S.-Soviet relations and strategic arms negotiations, the second Reagan administration engaged in an unprecedented string of summits and arms control agreements with the Soviet Union. For leading Reagan administration officials, the Cold War was effectively over, “with the status quo of 1988 in place.”8 To be sure, Honecker’s growing criticism of Gorbachev’s perestroika and glasnost policies quickly disenchanted whatever hopes some in Washington had held for a positive role for the GDR . At the same time, neither for the Reagan administration (though the president’s personal views are somewhat less clear), nor its closest European partner, British Prime Minister Margaret Thatcher, the German Question was on the international agenda.9 With the new administration under President George H. W. Bush, “an entirely new team came in, representing foreign policy approaches fundamentally at odds with those of the Reagan administration […].”10 In fact Bush, the loyal vice president to Reagan, was convinced that Reagan had been wrong on the era’s most important foreign policy issue: his trust in Gorbachev.11 In his December 1988 speech at the United Nations, designed as “an anti-Fulton speech,” the Soviet leader had denounced force as  a foreign policy tool, had declared his support for national self-determination and announced  a unilateral reduction of Soviet troop levels by 500,000 soldiers by 1991. Gorbachev had held out a hand to the new president’s administration: It would “find in us a partner.”12

7 Christian F. Ostermann, The Role of East Germany in American Policy, in: Detlef Junker (ed.), The United States and Germany in the Era of the Cold War, 1968–1990: A Handbook, Volume 2 (Cambridge: Cambridge University Press, 2004), 96–103. 8 Philip Zelikow, US Strategic Planning in 1989–90, in: Wolfgang Mueller/Michael Gehler/ Arnold Suppan (eds.), The Revolutions of 1989: A Handbook (Vienna: Verlag der Öster­ reichischen Akademie der Wissenschaften, 2015), 282–306, here 285. 9 Ostermann, The Role of East Germany in American Policy, 100. 10 Robert Hutchings, American Diplomacy and the End of the Cold War (Baltimore: Johns Hopkins University Press, 1997), 6. 11 Jeffrey A. Engel, When the World Seemed New: George H. W. Bush and the End of the Cold War (New York: Houghton Mifflin Harcourt, 2017), 48 12 Mikhail Gorbachev, Address to the United Nations General Assembly, 7 December 1988, Woodrow Wilson Center, Cold War International History Project Digital Archive, (digitalarchive.org, last accessed 27 March 2017).

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But Bush was not sure that glasnost was for real and approached perestroika with deep skepticism about its ultimate intentions and consequences. He surrounded himself with advisers, principally Secretary of State James Baker and National Security Adviser Brent Scowcroft, who were deeply concerned about the implications for the U. S. position in Europe and elsewhere should Gorbachev succeed.13 Unimpressed by Gorbachev’s offer, Baker told Bush that Gorbachev was “attempting to kill us with kindness” and that he feared that a decade down the line the United States would face an even more formidable adversary in the Soviet Union. At the State Department, he asked Ridgway, who as Assistant Secretary of State for Europe had played a key role in the Reagan administration’s embracing of Gorbachev’s reforms: “Don’t you think you all went too far?” Scowcroft summed up the prevailing feeling of the new administration: “The Cold War is not over.”14 Bush wanted to regain the initiative that Gorbachev had seized, but he also seemed to have sensed the potential for sweeping changes developing in Europe. Bush’s former advisers have argued that the president encouraged his staff to think unconventionally, to “dream big dreams.”15 In time, the NSC staff came to see the current moment, as Jeffrey Engel has argued, as “a malleable hinge moment in world affairs unseen since the closing days of World War II.”16 Bush NSC veteran, Philip Zelikow, even suggests that Bush was more of a visionary than he is often credited for: Big dreams turned into a “belief that the status quo of 1988 was to be changed, not preserved.” Bush’s big dreams would be a “wave of further changes.”17 Still, as much as the president viewed these changes an opportunity, he also saw them as  a risk. They had to be approached with prudence and principle. Thus, the administration initially launched  a lengthy and full-scale strategic review. The process was important, not because the bureaucracy generated new ideas—former NSC aide Robert Hutchings characterized the results as “status quo plus,” Baker later termed them “mush”18—but because it signaled a break with Reagan’s approach, brought a greater degree of coherence to national security decision-making, and bought the Bush White House time to “think anew about the unusually tumultuous world they [had] inherited.”19 Less forgiving, scholars termed the “self-imposed lethargy” (Jack F. Matlock) in Washington as cloaking “the reality that the transition from Reagan to Bush was one from

13 On Scowcroft, see Bartholomew Sparrow, The Strategist. Brent Scowcroft and the Call of National Security (New York: Public Affairs, 2015). 14 Quoted in Engel, When the World Seemed New, 87. 15 Robert Hutchings, American Diplomacy, 6. 16 Engel, When the World Seemed New, 131. 17 Zelikow, US Strategic Planning, 287. 18 James Baker, Politics of Diplomacy: Revolution, War, and Peace, 1989–1992 (New York: Putnam, 1995), 68. 19 Engel, When the World Seemed New, 135.

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doves to hawks—that is believers in Gorbachev as a true reformer.”20 Historian Mary Sarotte writes that the new administration instituted a “pause in the rapid dismantling of Cold War weapons and attitudes”21 that had marked the late Reagan years. American leaders, writes Norman Naimark, failed to understand the significance of Gorbachev’s new policies or to grasp the depth of the crisis in the Soviet empire.22 Not until April/May would Bush announce his new national security approach in a series of major speeches. Hutchings argued that “it cost us little”23 to wait this long, yet in the wake of the frenetic Reagan-Gorbachev summitry and ­Gorbachev’s December 1988 UN speech, the Bush pause undercut the momentum in the development of relations between the two superpowers. It created the impression that American foreign policy was inert and reactive. To many, the “pauza”24 (as the Soviets termed the early months of the Bush administration with  a mix of incredulity, frustration and ridicule), signified, as Norman Naimark has argued, that the United States came to be “behind the eight ball in 1989.” Much of the Bush team’s initial preoccupation centered around reacting to the global popularity that Gorbachev had created through his initiatives. During his first meeting with Gorbachev in May, Baker felt upstaged by a new Soviet proposal to cut short-range nuclear weapons in Europe. Distrustful of Gorbachev, the Bush administration, Svetlana Savranskaya and Thomas Blanton have argued, came to emphasize strategic stability, fretted over the denuclearization of Europe, and developed “a hands-off, wait-and-see attitude towards Eastern Europe.”25 Former administration officials have argued, by contrast, that the new Bush national security team began early on to pursue “a much more ambitious political agenda.”26 During the early months of 1989, the administration, in this narrative, laid the intellectual-strategic foundations to reject the “political realities” of Europe’s division, to counter in Gorbachev’s idea of  a “Common European Home” of ideological coexistence and to conceptualize a new European security architecture that advanced American strategic interests. Rather than sidelining Eastern Europe, according to this version of history, “in what may have been the single most important contribution the United States made to the events of 1989,” the Bush administration throughout 1989 effectively held the U. S.-Soviet 20 Svetlana Savranskaya/Thomas Blanton (eds.), The Last Superpower Summits (Budapest: CEU Press, 2016), 481. 21 Mary E. Sarotte, 1989: The Struggle to Create Post-Cold War Europe (Princeton: Princeton University Press, 2009), 22. 22 Norman Naimark, The Superpowers and 1989 in Eastern Europe, in: Wolfgang Mueller/ Michael Gehler/Arnold Suppan (eds.), The Revolutions of 1989: A Handbook (Vienna: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2015), 249–270, here 256. 23 Hutchings, American Diplomacy, 154. 24 Ibd. 25 Norman Naimark, The Superpowers and 1989 in Eastern Europe, 256–258. 26 Hutchings, American Diplomacy, 27. 

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relationship “hostage to Soviet acceptance of peaceful democratic change in the region.”27 Underlying it all was the perceived need for  a renewal of American leadership and commitment across the Atlantic, which had preserved peace in Europe since the end of World War II.28 But it was Germany, considered by many in the new administration to be emerging as the dominant European power central to preserving American influence on the continent, that would move to the top of the Bush’s European policy agenda. A consensus quickly emerged within the administration that  a “more substantive” U. S.-German relationship would be “essential” to U. S. interests in Europe—a marked rebalancing from Reagan’s close partnership with Thatcher. The difficulty was that relations with Germany were severely strained in the spring of 1989. At the very moment “Gorby-mania” was overtaking the German public, Washington was insisting on modernizing NATO’s Lance-class short-range nuclear missiles (SNF) stationed in the Federal Republic as part of a broader effort to reinforce nuclear deterrence and the U. S. presence in Europe. With a reach well below 100 miles, to many Germans these missiles represented the very notion that their country would be the first victim of any future nuclear conflict. Contrasting sharply with Soviet force reductions, the planned modernization was deeply unpopular in Germany. It led West German Foreign Minister Hans-Dietrich Genscher, in a speech in the German Bundestag in April 1989, to advocate the “idea of demilitarizing East-West relations.”29 It even pushed such  a stalwart ally as West German Chancellor Kohl to the brink of alliance loyalty: “Our mutual trust and confidence were slipping badly,” an internal U. S. National Security Council memorandum recalled the situation.30 Confronted with profound crisis over the nuclear deployment in West Germany, and with it, the future of NATO and America’s leadership in Europe, the president’s team began to ponder the possibility of a dramatically new approach to the German question. In late March, an internal NSC memo sent to Bush stressed that “Today, the top priority for American foreign policy in Europe should be the fate of the Federal Republic of Germany.”31 Reflective of West Germany’s central role in NATO, the document argued that the “FRG’s fidelity to Alliance security is uniquely indispensable to the success of that policy.” Continued nuclear deployment was indispensable for the United States, but could something new be offered to the Germans? While the administration could not promise “immediate political reunification,” the president was told, “we should offer some promise of change, of movement.”32 In April, U. S. Ambassador ­Vernon Walters, a retired army general, shared with German officials his deep 27 Ibd., 38; Hutchings, American Diplomacy, 154–155. 28 Engel, When the World Seemed New, Chapter 7. 29 Cited in Hutchings, American Diplomacy, 45. 30 Cited in Hutchings, American Diplomacy, 130. 31 Ibd., 31; Philip Zelikow/Condoleezza Rice, Germany Unified and Europe Transformed (Harvard: Harvard University Press, 1995), 28. 32 Quoted in: ibd.

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sense that unification might be coming.33 American support for German unification, Hutchings recalls, was “genuine, consistent with our principles and based on careful consideration of our interests.”34 Bush’s advisers believed that “There is no German of any age who does not dream of it in his soul.”35 President Bush’s views on “this highly controversial matter” evolved “in a gradual process,” as he and his national security adviser later reflected, in a dialogue with his advisers as well as the public. Fairly quickly, he developed a “comfort level” with the idea of German unification: “I’d love to see Germany reunited,” Bush told The Washington Times on 16 May 1989.36 It reflected his belief, as then-Deputy National Security Advisor Robert Gates later recalled, that “the Germans had changed, and he was prepared to gamble a great deal on that faith.”37 In September, Bush declared, “I believe that Germany has earned the right to be accepted as a full democratic partner.”38 Unlike some of his European counterparts, he did not fear German unification Reflecting a broadly positive image the country enjoyed in the United States, the president’s view that West Germany had become a stable democracy and reliable ally positioned him and his administration to embrace a reopening of the German question sooner than others, including the Germans themselves.39 Summing up his administration’s new “strategy for ending the Cold War,” Bush called for the United States and Germany to become “partners in leadership,” laid out  a “vision for  a Europe, whole and free,” and emphasized the Germans’ right to self-determination in a major address in Mainz, Germany, on 31 May.40 To be sure, the administration’s entire attitude towards German unification and change in central Europe was still evolving. As the dramatic changes unfolded in Poland and Hungary in the summer of 1989, the Bush administration seemed intent on slowing “down the process of change in Eastern Europe.”41 According to Thomas Blanton and Svetlana Savranskaya, Bush “was nervous about how rapidly the Iron Curtain was becoming unraveled.” Even more charitable interpretations of American policy by former participants echo a sense of the surprising speed with which the events on the ground were moving, 33 Ibd., 35. He was “reamed” in by Scowcroft for his statement. Sparrow, The Strategist, 369. 34 Hutchings, American Diplomacy, 97. 35 Zelikow/Rice, Germany Unified and Europe Transformed, 28. 36 Cited in Jeffrey Engel, Bush, Germany and the Power of Time, in: Diplomatic History 37 (September 2013) 4, 639–663. 37 Robert M. Gates, From the Shadows: The Ultimate Insider’s Story of Five Presidents and How they Won the Cold War (New York, Touchstone, 1998), 484, cited in: Stephen F. Szabo, The United States and German Unification, in: Detlef Junker (ed.), The United States and Germany in the Era of the Cold War, 1968–1990: A Handbook, Volume 2 (Cambridge: Cambridge University Press, 2004), 109. 38 Cited in Bartholomew Sparrow, The Strategist, 368. 39 Szabo, The United States and German Unification, 108–109. 40 Hutchings, American Diplomacy, 43–44. 41 Savranskaya/Blanton (eds.), The Last Superpower Summits, 484.

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requiring Washington to adjust its positions constantly to new circumstances.42 While a willingness to rethink the German Question internally did set the Bush team ahead of all of its European allies, which, for historical reasons, were much more distrustful of Germany’s ascent, there was considerable debate within the administration on how far the United States should lean itself out of the window on the issue publicly, pitting Scowcroft’s NSC staff against the European experts in the State Department. The NSC staff had wanted Bush to address the unity issue in the President’s Mainz speech on 31 May, but Scowcroft, uneasy about getting too far ahead of the Germans on this issue, limited the language to calling for self-determination for all of Germany.43 Scowcroft, in fact, had been skeptical at that point about the wisdom of pursuing German reunification and was in that sense closer to the State Department’s position on the matter: “What was wrong with a divided Germany as long as the situation was stable?” He felt that it was better to let sleeping dogs lie.44 The massive flight of East Germans via Hungary that summer and H ­ onecker’s fall did not lead to dramatic U. S. policy changes; no one was ready to confront the German question just yet. After U. S. Ambassador Vernon Walters opined that German unification might be achieved “in the near future,” the first time a senior Allied diplomat had raised such a possibility, he was all but sidelined within the administration.45 Nor did the growing unrest within East Germany seem to have had spurred changes: Uncertainty and reserve marked Baker’s response when West German Foreign Minister Hans-Dietrich Genscher told him at the end of September that “things have changed in the GDR .” Told by his German counterpart that it was “important for Westerners to be talking to groups who favor reform” and encouraged to consider a visit, Baker responded that no such visit was under consideration.46 By late fall, however, the National Security Council staff was increasingly considering the possibility that the GDR’s collapse might be imminent, and with it an “opportunity for a political settlement” that could lead to German reunification.47 Less likely, yet nonetheless worrisome, was the specter of  a Soviet military intervention in East Germany, with its inherent risk of triggering  a direct U. S.-Soviet military confrontation.48

42 Hutchings, American Diplomacy, 92, 97. 43 Zelikow, US Strategic Planning, 288, 296. 44 George Bush and Brent Scowcroft, A World Transformed (New York: Knopf, 1998), 188–189. 45 “German Unity Could Be Near, U. S. Envoy Says,” in: Los Angeles Times, 4 September 1989. 46 US Del Secretary in New York to the Department of State, 28 September 1989, FOIA release to author, Case No. F-2015–10819, doc. No. C05921804, 1/8/2016. 47 NSC memorandum, quoted in Engel, When the World Seemed New, 258.  48 Ibd.

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II.

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The American Reaction to the Fall of the Wall

The breaching of the Berlin Wall on 9 November 1989, took the Bush administration, like everyone else, by surprise. Notified of the opening of the border in Berlin during a diplomatic luncheon at the State Department, Baker spontaneously toasted the occasion, then hurried over to the White House. There, he and the President along with Scowcroft followed the news as it was pouring in from Berlin over the TV: If they were letting the Communists fall in East Germany, Bush told Scowcroft, “They’ve got to be really serious.”49 Bush wondered how his administration should capitalize on the dramatic turn of events, but his public response was demonstratively unemotional, contrasting sharply with the official and public German reaction. He rejected suggestions that he fly to Berlin and celebrate: He did not, as he put it, want to “dance on the Wall.”50 Gorbachev hastened to remind Bush and Kohl the next day (10 November) in stark terms that German unification was not on the international agenda: Prudent caution not to make the situation more difficult for Gorbachev informed Bush’s handling of the momentous events in Berlin. So too did continued concerns over a potential more hardline Soviet reactions. In view of the “extreme situation” in the GDR , the Soviet leader warned of “a chaotic situation […] with unforeseeable consequences.”51 In his concern, Bush was haunted by memories of the violent suppression of the student demonstrations in Beijing’s central Tiananmen Square earlier that year.52 Bush sought to reassure Gorbachev in his response that “We have no intention of seeking unilateral advantage from the current process of change in the GDR and in other Warsaw Pact countries, nor is it our wish to destabilize the situation.” Bush told Gorbachev that the West German leadership had “acted with the utmost responsibility, emphasizing the importance of a deliberate, step-by-step approach to change in the GDR .” He had “talked personally with Chancellor Kohl on this issue.”53 Still, American and German leaders were not entirely in tune. Echoing German refusals earlier in the spring to discuss SNF modernization, Bush had asked Kohl in vain to visit Washington in the fall to align their ideas in preparation for his summit with Gorbachev on Malta, planned for early December.54 The administration could at least take  a measure of relief from Foreign Minister Hans-Dietrich Genscher’s reassurances to NATO ambassadors two days after the opening of the Wall that the “German people were presenting 49 Quoted in Engel, When the World Seemed New, 267. 50 Ibd, 268. 51 Cable from Secretary of State to US Mission Berlin, 12 November 1989, Department of States FOIA release to author, Case No F-2015–10819, Doc. No. C05921796, 1/8/2016. 52 Engel, When the World Seemed New, 271. 53 Cable from Baker to American Embassy in Moscow, 17 November 1989, Department of State FOIA release to author, Case No F-2015–10819, Doc. No. C05921793, 1/8/2016. 54 Savranskaya/Blanton (eds.), The Last Superpower Summits, 482.

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their demands soberly and maturely.” While it would push for free elections in the GDR , the Federal Republic was “committed […] to its place in the Western alliance” and did not “intend to exploit the process of change.”55 The White House watched—and was momentarily sidelined—as the German Chancellor pressed ahead to seize leadership on the issue of Germany’s future. On 28 November, Kohl outlined  a ten-point, stage-by-stage process towards German unity, calling for humanitarian and economic assistance to the GDR and the building of confederative structures (not yet a federation!) between the two Germanies. German unity was eventually to be regained in the context of European integration. Kohl had kept his speech  a secret, both from his own foreign minister as well as the Allies and the international community, eager to lay-out to Germans in East and West and the world his political perspective towards unity and to preempt competing visions. In deference to Bush, the Chancellery had sent an advance draft of the ten-points speech directly to Washington, though intentionally in German, requiring time for translation and thus shutting out any possibility for political intervention prior to the speech in the Bundestag on the morning of the 28.56 In his memoirs, Kohl claims that he alerted the president on 17 November of his intention “to summarize the ideas of the West German government about the German Question in a kind of catalog.” The U. S. president had assured him once again that the “United States supported the demand of the Germans for self-determination and unity.”57 While the Bush administration and certainly the president personally understood and supported Kohl’s initiative, perhaps even admired the “tactical coup”58 he had pulled off in setting the agenda for the future of inner-German relations, there was considerable “irritation” among his advisers that Kohl had taken his initiative without any coordination. Even years later, the accounts of former officials echo such feelings. Many considered Kohl’s unilateral move a departure from the spirit of close coordination that Washington had sought. U. S. Ambassador Vernon Walters saw in the fact that Kohl “felt confident about springing this approach without prior consultations” further “evidence of the greater political self-assurance of an FRG which is already widely recognized as a weighty economic power.”59 Few argued with the primacy that Kohl had asserted for his government in the path towards German unity, but Ambassador Walters was “struck by what he [Kohl] did not say about the role of the Four Powers.” Nowhere in his speech had he referred to the Four Power responsibilities for Germany as  a whole. “There was no mention of France or the U. K., and the U. S. and the Soviets were 55 Cable, Walters to Secretary of State, 11 November 1989, Department of State FOIA release to author, Case No F-2015–10819, Doc.no. C05921794, 1/8/2016. 56 Naimark, The Superpowers and 1989 in Eastern Europe, 261. 57 Helmut Kohl, Erinnerungen 1982–1990 (Munich: Droemer, 2005), 989. 58 Hutchings, American Diplomacy, 99. 59 Cable from Walters to Baker, 1 December 1989, Department of State FOIA release to author, Case No. F-2015–10823, doc. No. C05921964, 3/7/2016.

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marginally mentioned” near the end of the Ten Points.60 Administration officials were particularly concerned that in his Ten Points, Kohl had notably failed to commit Germany to its continued anchoring in NATO, the core element of any European security structure from the U. S. perspective. Missing from the Ten Points, too, had been any reference to the sensitive issue of recognizing Poland’s western border. They also worried that Kohl’s “brinkmanship”61 would stiffen British and French opposition to German unification and provoke Moscow to intervene in an effort prop up the failing SED regime, despite assurances that the chancellor had made clear to the Soviets and East Germans in advance what he intended to say.62 Intent on reassuring the German chancellor, Gorbachev, and its Western allies, and on gaining a measure of control in the process, the Bush administration put forward its “Four Principles” on German unification. First, American policy, Secretary of State Baker announced the day after Kohl’s speech, would support self-determination without prejudice to its outcome. Second, if unification occurred, it should do so within the context of Germany’s continuing membership in NATO and an increasingly integrated European Community. Third, the process would be peaceful, gradual, and step-by-step and fourth, follow the principles of the Helsinki Final Act, including the inviolability of existing international borders. Possibly in retaliation for the lack of coordination on the ten Points, Baker did not inform Bonn ahead of his Four Points’ announcement. One of Kohl’s top foreign policy advisers, Horst Teltschik, later recalled his irritation at the American attempt to reign in the “runaway unification train.”63 Such diplomatic irritations notwithstanding, officials in Washington and Bonn alike initially expected that the process towards “confederative structures” or even unification would be a drawn-out process. Kohl and his advisers expected the process to take years to be worked out. The very day Kohl presented his Ten Points, Horst Teltschik surmised, for example, that elections might be held in the GDR in the fall of 1990.64 Kohl’s prediction that Germany would be one by 1995 met with surprised laughter by the British Ambassador in Bonn.65 Former U. S. Secretary of State Henry Kissinger had suggested that the unification process might take three to four years—a time span Kohl himself thought, as he told Baker on 12 December, to be “too short.” In the short-term, the chancellor 60 Cable from Walters to Baker, 1 December 1989, Department of State FOIA release to author, Case No. F-2015–10823, doc. No. C05921964, 3/7/2016. 61 Hutchings, American Diplomacy, 99. 62 Cable from Walters to Baker, 28 November 1989, Department of State FOIA release to author, Case No. F-2015–10823, Doc. No. C05921968, 3/7/2016. 63 Interview with Teltschik, in Diana Spencer Negroponte, “The German Question,” draft manuscript of  a forthcoming biography of James Baker (2016), 20.  The formulation “runaway unification train” is from Hutchings, American Diplomacy, 100. 64 Cable from Walters to Baker, 28 November 1989, Department of State FOIA release to author, Case No. F-2015–10823, Doc. No. C05921968, 3/7/2016. 65 Engel, When the World Seemed New, 318. 

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expected  a contractual relationship between both German states to develop which would allow the GDR to reform economically along the Hungarian model. It would then “take years to create” confederative structures. Noting that “events could slip out of control of any of us,” Baker repeatedly “stressed the need for this to be a gradual and peaceful process, with each step taken in close consultation with the FRG’s Western partners.”66 But events on the ground, particularly the implosion of the GDR government structures and the massive expectations by many East Germans for material support from the West, manifested in massive demonstrations in the weeks following the opening of the inner-German border, undermined any effort to slow down the process. From Bonn, Vernon Walters had warned shortly after Kohl’s Ten Points’ speech on 28 November that “simple economics may drive the GDR to wish to go faster rather than slower down Kohl’s path.”67 Kohl was growing increasingly concerned about “instability in the GDR”: He told Baker on 12 December that the people in the GDR “were becoming angrier” and that public protests might not continue to be as calm as they had been in the past.68 Baker’s meetings with the GDR leadership the next day as well as Kohl’s euphoric reception in Dresden on 19 December underscored the volatility of the situation in East Germany. U. S. diplomats in Germany reported considerable worries among many West Germans about the thread of mass exodus from the GDR and the “inconceivably rapid developments” that led many to expect “de facto reunification” by 1 January 1990. By mid-January, two thousand East Germans were departing the GDR per day.69 Amidst growing skepticism in Germany that the United States really supported reunification came warnings for the U. S. not to be “‘two tongued,’ saying that the U. S. agreed in principle while erecting even more practical obstacles to unification.”70 Responding to the fast pace of events, by the end of January the government-opposition roundtable in East Germany advanced the elections to March. By early 1990, American policy-making was trying to catch up with the developments: In mid-January 1990, NSC Senior Director Robert Blackwill warned that “events in Europe are threatening the policy framework we worked so hard to construct last year.” (19 January). A week later, Hutchings, too, argued in internal papers that plans developed last month were “fast being overtaken

66 Cable from Baker to Walters, 26 December 1989, Department of State FOIA release to author, Case No. F-2015–10823, Doc. No. C05921959, 3/7/2016. 67 Cable from Walters to Baker, 1 December 1989, Department of State FOIA release to author, Case No. F-2015–10823, doc. No. C05921964, 3/7/2016. 68 Cable from Baker to Walters, 26 December 1989, Department of State FOIA release to author, Case No. F-2015–10823, Doc. No. C05921959, 3/7/2016. 69 Engel, When the World Seemed New, 315. 70 Cable from the American Consulate in Munich to Secretary of State, 15 December 1989, Department of State FOIA release to author, case No. F-2015–10823, doc. No. C05921961, 3/7/2016.

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by events. Reunification is coming rapidly, not gradually and step by step.”71 By the end of the month, a NSC memo to President Bush, titled “A Strategy for German Unification,” made the case for abandoning the gradualist approach and throwing American support behind “rapid and orderly unification.” Tellingly, the memo asserted that “we cannot leave it to the Europeans.” Soviet obstruction, preemptive and West German actions, and the international isolation of the FRG in case of West German unilateralism all posed dangers to American national interests in Europe. Hutching recalls having had “to work for the better part of a month” to overcome the reluctance on the part of Bush and Baker to give up the step-by-step approach.72

III. The Two-Plus-Four Mechanism Once the Bush administration committed to fast-track unification, its main focus was on assuring that the result would be in line with U. S. security interests. No-one on the American side questioned that the Germans would have to resolve the internal aspects of unification among themselves once the East German government was democratically legitimized through free elections. But unification could not come at the expense of the Transatlantic Alliance, considered, along with continued European integration, to be central to the post-Cold War security architecture on the continent. American policymakers worried that the opponents of unification, principally in Moscow, London, and, to a lesser degree, Paris, aligned with some German leaders—would use their leverage to delay an accelerated schedule towards unity and compromise the integrity of the Western Alliance. In increasingly closer coordination with Kohl, the Bush administration orchestrated the forging of a Western consensus on unification and systema­tically sought to both reassure and isolate Gorbachev. In the immediate aftermath of Kohl’s Ten Points, one—long-dormant— mechanism for the international negotiation of German unification had suddenly shown signs of resuscitation: Concerned over the deteriorating situation in the GDR and momentum towards unification created by Kohl, Moscow, with backing from London and Paris, had called for an ambassador-level meeting of the Four Powers, which held reserved rights with regard to Berlin and the whole of Germany. With the Germans excluded, such  a meeting raised the mantra of Allied agreement over the Germans’ heads, a mantra that would have undercut the self-determination principle that had guided U. S. policy and might have weakened the position of Kohl. Reviving the Four-Power mechanism also opened the door for continued qualifications on the sovereignty of  a united Germany, and, recalling the breakdown of quadripartite rule in the postwar period, for prolonged, perhaps indefinite delay of unification. Given particularly 71 The Blackwill and Hutchings memos are cited in Hutchings, American Diplomacy, 160. 72 Hutchings, American Diplomacy, 161.

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Soviet concerns about the safety of their troops in the weeks after the fall of the wall, the U. S. had reluctantly agreed to a meeting on 10 December, largely to give the Soviets a sense that their voice was being heard. But neither the Four Powers nor an even broader international peace conference or a “Helsinki 2” (another CSCE Conference) were the kind of fora that provided the most advantageous diplomatic setting to assure an outcome on American terms.73 Baker’s Four Points provided the basis for a reassertion of American leadership in the process. They were Bush’s talking points at his early December 1989 summit with Gorbachev off the coast of Malta. While the discussions at the meeting only illustrated the wide gap between U. S. and Soviet positions on the future of Germany, the president managed to establish a personal rapport and trust with his Soviet counterpart that undergirded ensuing negotiations. “We have not responded with flamboyance or arrogance that would complicate USSR relations,” he told Gorbachev. Despite criticism of being too cautious or timid, “I have conducted myself in ways not to complicate your life. That’s why I have not jumped up and down on the Berlin Wall.”74 Immediately after the summit, Bush flew to Brussels, effectively committing skeptical or hesitant Western European leaders, in particular British Prime Minister Margaret Thatcher and French President Francois Mitterrand, to support for German unification. Still, into January, the British continued to mount opposition and insisted on FourPower involvement in the unification process, encouraging Soviet officials to insist on the “desirability of maintaining within the ‘Big Four’ an exchange of views on German affairs.”75 Reflective of how American and German positions were increasingly aligning vis-à-vis London, Paris and Moscow was the idea of  a Two-Plus-Four process that emerged in the discussions between Bonn and Washington in late January/ early February. The idea seems to have originated more with Baker than the NSC . Scowcroft initially opposed the plan.76 The concept acknowledged the special status of the Four Powers, but “frontloaded” the role of the two German states after the March elections in the GDR to negotiate the internal and external aspects of the unification process. In contrast to the minor observer role to which the two German states had been relegated at the last major quadripartite conference, the “Katzentische” at the 1959 Geneva Foreign Ministers Conference, now the Germans would be in the driver’s seat. The Four Powers were to negotiate themselves out of business—relinquishing the special rights and responsibilities for Berlin and Germany as  a whole. Ever-closer coordination between Bonn and Washington would undergird a dynamic through which any objections to 73 Zelikow/Rice, Germany Unified and Europe Transformed, 134–142; Sparrow, The Strategist, 371. 74 “Memorandum of Conversation, Bush-Gorbachev, First Expanded Bilateral Meeting, Malta, 10.00 a.m–11:15 a.m.,” 2 December 1989; in: Savranskaya/Blanton (eds.), The Last Superpower Summits, 538. 75 Cited in Hutchings, American Diplomacy, 112. 76 Sparrow, The Strategist, 372.

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German unity on terms compatible with U. S. interests, increasingly close to Kohl’s terms, could be forestalled or outmaneuvered. One key purpose of the Two-Plus-Four concept was to bring the Soviets along while preventing separate German-Soviet deals.77 After offering Gorbachev qualifications on the membership of a united Germany in NATO (see below) and masterful shuttle diplomacy at the Ottawa NATO/Warsaw Pact Foreign Ministers’ Meeting in mid-February 1990, Baker secured Soviet approval. Alongside assurances that it could negotiate bilaterally with Bonn and Washington, the Soviet leadership agreed to the format. As it turned out, each Two-Plus-Four Meeting would be preceded by a “One-Plus-Three” Meeting to assure agreement among West Germans, British, French and the Americans.78 The only exception to the rule involved the Polish border issue. Here Kohl’s position—that a de jure recognition of the western border of Poland, and with it the loss of the East Prussian territories of the German Reich put under Polish administration at the end of World War II, could only be ratified by the parliament of a united Germany—pitted him against Poland and the remaining five powers, including the United States. As the result of lingering traumas of division at German hands, Polish leaders worried that a post-unification Germany might not abide by earlier, less-than-fully-binding assurances. Cognizant of the political and electoral importance of the issue for Kohl, the State Department nevertheless worried that leaving this issue open would encourage irredentist forces in Germany and antagonize the new democratic government in Poland. Bush personally tried to mediate between and reassure both Kohl and the Polish government, especially during and after the visit by Polish Prime Minister Tadeusz Mazowiecki to Washington in late March. With the Poles participating, the Two-Plus-Four (Five)  talks crafted  a solution in which the two German parliaments passed joint resolutions recognizing the Polish-German border as final. This fell short of a de jure recognition that would have to await a formal treaty between Poland and a unified Germany. Having pushed Kohl as hard as they thought they could, the Bush administration sided with the German chancellor, but it effectively managed to shelve the issue and avoided undercutting the position of its most important partner in unification diplomacy.79

IV. A United Germany in NATO? From an American perspective, few elements of a post-Cold War European security architecture involving  a unified Germany were as critical as maintaining a unified Germany’s membership in NATO. A neutral Germany—the possibility of which was at least considered by some officials within the Eisenhower admin77 Sparrow, The Strategist, 373. 78 Hutchings, American Diplomacy, 114 79 Ibd., 115–116.

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istration as late as the mid-1950s—was not an option for the Bush administration; unhinging the logic of U. S. military presence and leadership in Europe, the neutralization of Germany was Washington’s horror scenario.80 By contrast, a reunified Germany within NATO presented, in the words of U. S. National Security Advisor Brent Scowcroft, “the Soviet Union’s worst nightmare,” a situation that would “rip the heart out of the Soviet security system.”81 The efforts to prevent a united Germany integrated with the West politically and militarily had motivated Soviet policy since the late 1940s, and arguably, they led Moscow to intervene militarily in support of the faltering SED regime in 1953. A Soviet intervention in East Germany to block reunification was considered within the Bush administration, even if it was not deemed probable.82 More to the point, U. S. officials feared deep into spring that Moscow could play to German nationalist aspirations at the bargaining table, making unity conditional on Germany’s future relationship with NATO. “If the Germans work out unification with the Soviets,” Robert Zoellick at the State Department warned, “NATO will be dumped.”83 German ambiguities on this issue fed into these concerns: It had not gone unnoticed in Washington that Kohl had pointedly failed to mention Germany’s continued NATO membership in his Ten Points of 28 November 1989 or that Foreign Minister Hans-Dietrich Genscher had omitted any mention of NATO in the summing up of  a major policy address in Tutzing on 31 January 1990. Arguing that the incorporation of the GDR territory into NATO would block unity and undercut Soviet security interests, Genscher had suggested that a united Germany would remain in NATO but the territory of the former GDR would not. It spoke to the continued uncertainty Bush felt about the West Germans’ allegiance to NATO that he considered it necessary to remind Kohl in a private letter on 9 February, just prior to the chancellor’s visit to Moscow, that his support of Kohl’s policy was based on the expectation “that Germany would remain as a member of NATO” and agreement that the continued “presence of American forces on your territory and the continuation of nuclear deterrence were critical to assuring stability.” The president added—imploring or cautioning the German leader, who was about to face the Kremlin leader—that “nothing 80 For an important new work on the discussions within the Eisenhower administration on German neutralization in 1955, see Michael Gehler, Modellfall fűr Deutschland? Die Österreichlösung mit Staatsvertrag und Neutralität 1945–1955 (Innsbruck: Studienverlag, 2015), 912–931, 1158–1163. 81 Brent Scowcroft to the President, “The German Question,” and enclosure, “Handling the German Question at Malta and Beyond,” 20 November 1989, George Bush Presidential Library, cited in Joshua R. I. Shifrinson, “Deal or No Deal The End of the Cold War and the U. S. Offer to Limit NATO Expansion,” in: International Security 40 (Spring 2016) 4, 20. 82 State-Defense-NSC Working group, “GDR Crisis Contingencies,” 6 November 1989, George Bush Presidential Library, cited in Shifrinson, “Deal or No Deal,” 20.  83 Quoted in Engel, When the World Seemed New, 327.

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Mr. Gorbachev can say to Jim Baker or to you can change the fundamental fact of our deep and enduring partnership.”84 Nonetheless, even during his private talks with Bush at Camp David on 24–25 February, Kohl floated the idea of a “French solution:” a united Germany might be a member of NATO’s political, but not of its military structures.85 Deep into 1990, Bush administration officials worried that Gorbachev would be able to exploit German desire for national unity to obtain concessions qualifying German NATO membership and sovereignty.86 The central issue was the future status of the former GDR territory in a united Germany that was a member of NATO.87 In his Tutzing speech, Genscher had— tellingly without advance notice to either Kohl or Washington and probably to regain the initiative on reunification from his coalition partner—advanced the idea of a quid pro quo: there would be “no extension of NATO territory to the East.” Kohl agreed, and Genscher discussed the idea with Baker in Washington on 2 February, elaborating that “NATO would not extend its territorial coverage to the area of the GDR nor anywhere else in Eastern Europe.”88 Baker soon supported Genscher’s idea. The idea—however vague—formed the basis for Baker’s discussions with Soviet officials in Moscow on 7–9 February. In a conversation with Gorbachev and Soviet Foreign Minister Shevardnadze, Baker assured his Soviet counterparts that if the United States maintained its military presence in Germany within the NATO framework, “there will be no extension of NATO’s jurisdiction or military presence one inch to the east.”89 At a press conference following the meeting the secretary of state confirmed that “there should be no 84 Letter from President Bush to Federal Chancellor Kohl, 9 February 1990, Hanns Jürgen Küsters/Daniel Hofmann (eds.), Deutsche Einheit: Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90 (Munich: Oldenbourg, 1998), 785. 85 Hutchings, American Diplomacy, 122. 86 Engel, When the World Seemed New, 341. 87 Shifrinson, “Deal or No Deal,” 7–44; Alexander Von Plato, The End of the Cold War? Bush, Kohl, Gorbachev, and the Reunifcation of Germany (New York: Palgrave Macmillan, 2015), 184; Kristina Spohr, Precluded or Precedent-Setting? The “NATO Enlargement Question” in the Triangular Bonn-Washington-Moscow Diplomacy of 1990–1991, in: Journal of Cold War Studies 14 (October 2012) 4, 24, 48–50; Mary Elise Sarotte, 1989: The Struggle to Create Post–Cold War Europe, rev. ed. (Princeton, N. J.: Princeton University Press, 2014), 219–229; Thomas Blanton, U. S. Policy and the Revolutions of 1989, in: Svetlana Savranskaya/Thomas Blanton/Vladimir Zubok (eds.), Masterpieces of History: The Peaceful End of the Cold War in Eastern Europe, 1989 (Budapest: Central European University Press, 2010), 93–95; Mary Elise Sarotte, “Not One Inch Eastward?” Bush, Baker, Kohl, Genscher, Gorbachev, and the Origin of Russian Resentment toward NATO Enlargement in February 1990, in: Diplomatic History, 34 (January 2010) 1, 119–140; id., A Broken Promise? What the West Really Told Moscow about NATO Expansion, in: Foreign Affairs, 93 (September/October 2014) 5, (https://www.foreignaffairs.com/articles/russia-fsu/2014-08-11/broken-promise, last accessed 27 March 2017); Mark Kramer, The Myth of a No-NATO -Enlargement Pledge to Russia, in: Washington Quarterly 32 (April 2009) 2, 39–61. 88 Quoted in Shifrinson, “Deal or No Deal,” 22.  89 “Memcon, Secretary Baker, President Gorbachev, Eduard Shevardnadze,” 9 February 1990, National Security Archive, quoted in: Shifrinson, “Deal or No Deal,” 23. 

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extension of NATO forces eastward in order to assuage the security concerns of those of the East of Germany.” Reunification was not likely to happen without there being some sort of security guarantees with respect to NATO’s forces […] or the jurisdiction of NATO moving eastward.”90 U. S. documents declassified and published in 2015–2016 demonstrate that this was not just Baker’s personal view: Deputy National Security Adviser Robert Gates, meeting as part of Baker’s delegation with Soviet intelligence chief Vladimir A. Kryuchkov, suggested very similar terms: “we support the Kohl-Genscher idea of  a united Germany belonging to NATO but with no expansion of military presence to the GDR . […] What did Kryuchkov think of the Kohl/Genscher proposal under which a united Germany would be associated with NATO but in which NATO troops would move no further east than they now were? It seemed to us to be a sound proposal.”91 Even Bush acknowledged in a personal letter to Kohl on 9 February that a “special military status for what is now the territory of the GDR” might be “a component of a united Germany’s membership in the Atlantic alliance.”92 The president’s phrasing, however, fell short of a pledge for NATO’s borders, as Baker formulation seemed to suggest. Meeting with Gorbachev the next day (10 February), Kohl told the Soviet leader that “naturally NATO could not extend its territory to the current territory of the GDR”93 (thus echoing Baker’s rather than Bush’s phrasing). Unlike the Gorbachev-Baker session the previous day, the Gorbachev-Kohl meeting ended with a deal. The Soviet leader agreed that Germany could unify internally.94 Kohl publicized this major concession immediately at a press conference. Kohl adviser Teltschik noted in his diary that “(t)his is our breakthrough!”95 At a late-night news conference, Kohl announced that “General Secretary Gorbachev assured me unmistakably that the Soviet Union would respect the right of the German people to decide to live in one state, and that it is a matter for the Germans to determine the time and the method.”96 But the gentleman’s agreement was based on hardly more than a notional understanding of East Germany’s special status and lacked in legal and practical clarity: Would NATO’s defense commitment apply to the former East Germany once a united Germany was part of NATO? 90 Department of State Press Release, “Press Conference of James Baker III Following U. S.USSR ministerial Meetings, Moscow, USSR , 9 February 1990,” PR No 14, 16 February 1990, Baker Papers, Sealy Mudd Memorial Library, quoted in Shifrinson, “Deal or No Deal,” 24. 91 Memorandum of Conversation, “Robert M. Gates and V. I.Krychkov,” 9 February 1990, in: Savranskaya/Blanton (eds.), The Last Superpower Summits, 597–598. 92 Letter from President Bush to Federal Chancellor Kohl, 9 February 1990, in: Hanns Jürgen Küsters/Daniel Hofmann (eds.), Deutsche Einheit: Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90, (Munich: Oldenbourg, 1998), 784. 93 Quoted in Sarotte, 1989, 112; and Engel, When the World Seemed New, 332.  94 Mary Elise Sarotte, Enlarging NATO, Expanding Confusion, in: The New York Times, 29 November 2009. 95 Engel, When the World Seemed New, 333. 96 Craig R. Whitney, Upheaval in the East: Soviet Union, KOHL SAYS MOSCOW AGREES UNITY ISSUE , in: The New York Times, 10 February 1990.

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Would Soviet troops be able to remain in the eastern part of a united Germany? Never detailed or confirmed in writing, the understanding put forward by Western officials by mid-February 1990 nonetheless, Joshua Shifrinson has pointedly argued, “proposed the outlines of a new strategic landscape to Soviet policymakers” that was critical to securing Soviet agreement to the Two-PlusFour mechanism finalized at the Ottawa NATO/Warsaw Pact Ministerial in February 1990.97 Within less than two weeks, though, the Bush administration and its West German ally agreed to walk back the more expansive notion of East Germany’s special military status proposed to Moscow. This was partly the result of mounting confusion within the administration and in the media over how the new arrangements would work. There was growing concern that Baker’s formula essentially seemed to leave the former East German territory, though within NATO, outside of the alliance’s security guarantee. Most importantly, Bush was not comfortable with the solution. As Bush saw it, Baker “wants to let the Soviets stay in East Germany,” as he told Canadian Prime Minister Mulroney just before Kohl’s arrival in Washington in late February. The idea of Soviet forces possibly remaining in East Germany was giving him heartburn.98 During meetings on 24–25 February between U. S. and FRG delegations, it became clear that the U. S. secretary of state had used the term “jurisdiction” without fully realizing its implications for the commitments under Article 4 and 5 of the North Atlantic Treaty. Pressed forcefully by Bush that “we can’t let the Soviets clutch victory from the jaws of defeat,” Kohl thus agreed on  a subtle but significant shift in defining the “special military status” of the former GDR territory within a unified Germany: While NATO’s military structures would not extend to East Germany, NATO would have jurisdiction and with that maintain  a security guarantee for all German territory, including the former GDR . During a phone conversation on 28 February, Bush communicated the new Western position to Gorbachev: a unified Germany should remain in NATO; American troops would remain in Europe as long as the Europeans wanted them; and that there needed to be a special military status for the former territory of the GDR .99 97 Shifrinson, “Deal or No Deal,” 24–25. 98 Quoted in Engel, When the World Seemed New, 347. 99 Hutchings, American Diplomacy, 122; Engel, When the World Seemed New, 350.  The revised Western offer that aimed at extending NATO security guarantees to all of Germany has given rise to controversy among scholars (with echoes in the larger political debate) in terms of what it implied for a broader Western pledge not to expand NATO into eastern Europe: some see it as a major shift in U. S. policy, a significant narrowing, perhaps even voiding of any earlier, broader offer for NATO not to expand eastward. Others see the proposal of a special military status for East Germany not as overturning but as reinforcing Western assurances against NATO expansion, justifying later Soviet/ Russian claims that the West betrayed  a pledge not to expand eastward when it did so in the 1990s. Philip Zelikow, NATO Expansion Wasn’t Ruled Out; Mark Kramer, The Myth of a No-NATO -Enlargement Pledge to Russia; Sarotte, “Not One Inch Eastward?,” 132–136; Shifrinson, “Deal or No Deal,” 26.

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While the Western position on full German NATO membership rallied around the revised U. S.-German proposal that was in fact hardening in the latter part of February, the Soviet side showed little sign of accepting what had become  a sine qua non condition for the United States, full German NATO membership. Moscow was adamant that Germany’s remaining in the alliance was not on the negotiating table. On 6 March, for example, Gorbachev had told West German television quite categorically that the Soviets would not agree to German NATO membership: “That is absolutely excluded.”100 At the end of the month, Shevardnadze told Baker that NATO membership created problems for Gorbachev domestically (“It would look like you had won and we had lost”), and ran against core security concerns that had informed Soviet foreign policy since World War II. That the Soviet foreign minister reflected on the domestic opposition to German NATO membership indicated that at least in part the issue was one of political expedience and timing: Gorbachev had in fact shown signs of a softening attitude on the Germans’ basic right of self-determination at the Malta Summit in December, and Baker’s proposals put forward in February had not been completely dismissed out of hand.101 But for the Soviet leadership unification was coming “too fast.” Moscow, therefore, countered the Western proposals with the idea, presented at the first Two-Plus-Four meeting in Bonn on 5 May 1990, of “decoupling” the internal and external aspects of unification. While the Soviet leadership recognized it could do little in the aftermath of the unexpected and resounding victory of Kohl’s center-right forces in the 18 March elections in the GDR about the speed with which developments headed towards  a resolution of the internal aspects, they appeared intent on putting the brakes on negotiations of the external framework. It was in this scenario that, Bush administration officials worried, even the staunchly pro-Western Kohl might be tempted to concede qualifications on Germany’s sovereignty in order to gain his country’s unity: “We have great faith in Kohl,” Scowcroft recalled, but the Bush team worried that “Gorbachev could tempt—or threaten—him” to turn his back on NATO.102

V.

Washington’s Dual End-Game Strategy

In the spring and summer of 1990, the Bush administration continued to pursue its paramount objective in the crisis generated by the implosion of the GDR and Soviet power in Europe: to perpetuate American preeminence in 100 Gorbachev interview on ARD, 6 March 1990, quoted in Horst Teltschik, 329 Tage: Innenansichten der Einigung (Berlin: Siedler, 1991), 168. 101 “Memorandum of Conversation: Bush-Gorbachev, Second Expanded Bilateral Meeting, Malta, 4:35 p.m.–6:45 p.m.” 3 December 1989, in: Savranskaya/Blanton (eds.), The Last Superpower Summits, 558–559; Hutchings, American Diplomacy, 125. 102 Quoted in Engel, When the World Seemed New, 341; Hutchings, American Diplomacy, 125–126.

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a fast-approaching post-Cold War security landscape in Europe by consolidating a reunited Germany in the U. S.-led North Atlantic alliance.103 By allowing the Germans to create facts “on the ground,” the Two-Plus-Four mechanism was structured to narrow Soviet options. At the same time, the Bush administration could not risk undercutting Gorbachev’s fragile position. The U. S. needed the Soviet president as a partner for the process to play out peacefully. While seeking to maximize U. S.  gains in the reunification process, American officials were, therefore, also keenly attentive to Soviet needs, reassuring Moscow that a united Germany’s NATO membership was not a zero-sum game: “we must find a solution,” Baker told his Soviet counterpart, “where there won’t be any real winners and losers, but where everyone wins.”104 Accommodating Soviet security interests took the form of “Nine Assurances,” presented by Baker during his visit to Moscow in mid-May: They included (1) agreements on the size of the German armed forces; (2)  a commitment to negotiate on short-range nuclear weapons; (3)  a reaffirmation of Germany’s non-nuclear status; (4) revisions of NATO strategy; (5)  a pledge not to deploy NATO forces in the former GDR ; (6) agreement on  a transitional period for Soviet troops in Germany; (7) Germany’s renunciation of territorial claims; (8) strengthening the CSCE process; and (9) extensive Germany economic assistance to the GDR . Bush had earlier announced a new initiative on conventional armed forces in Europe, calling for U. S. and Soviet forces reductions to a level of 195,000 each. In a similar vein, the U. S. took a restrained attitude as the Soviets began to negotiate the independence of the Baltic states to which Americans had been committed since 1940. During high-level meetings in Washington in midMay, German and U. S. officials fine-tuned the alignment of their converging strategies vis-à-vis Moscow.105 The U. S. strategy of reassuring Gorbachev, securing reunification on terms compatible with assuring NATO’s survival, and maximizing American influence in Europe was on full display at the Washington summit at the end of May 1990. Termed the “most important U. S.-Soviet meeting ever held,”106 Bush and his team sought to gain personal trust with Gorbachev and his advisers, particularly through extensive, informal conversations between the two presidents at Camp David, that centered on the transformation of European security architecture and the American-Soviet relationship. They sought to strengthen Gorbachev’s position vis-a-vis his domestic critics by agreeing to announce the intention to sign  a major U. S.-Soviet trade pact. The summit also produced several arms control agreements, highlighted the near-completion of the START treaty, and

103 Sarotte, Perpetuating U. S. Preeminence: the 1990 Deals to “Bribe the Soviets Out” and Move NATO In, in: International Security 35 (July 2010) 1, 110–137, here 118, 135. 104 Hutchings, American Diplomacy, 126. 105 Ibd., 126–129. 106 Ibd., 133.

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committed both sides to a rapid conclusion of the talks on Conventional Forces Europe (CFE) in Vienna. On Germany, the two sides initially seemed far apart: Gorbachev argued for a Helsinki-2 European process to frame German unification. Putting his finger at the heart of the American concern, the Soviet leader advised Bush that “You are making a methodological calculation when you connect your presence to NATO only, and when you worry that if the FRG pulls out of the North Atlantic Treaty, it would mean the beginning of the end of NATO and therefore the beginning of the end of your military presence on the continent.” Gorbachev instead suggested a “creative approach” on German unification: the security of a united Germany would stand on two pillars through “associated membership” in both NATO and the Warsaw Pact. “Why would one reject from the get-go the FRG’s membership simultaneously in NATO and in the Warsaw Pact? Such a double membership could become a binding element, some sort of forerunner to the new European structures, and at the same time, it would anchor NATO.” Gorbachev’s twoanchor proposal, Baker interjected “smack[ed] of schizophrenia.”107 Acknowledging “fundamental differences” on the German issue, Bush showed an understanding of Soviet fears and “historical heritage” but argued that Gorbachev’s mistrust towards a united Germany was “too deep.” Professing that the main danger lay in separating Germany from the community of democratic states, Bush encouraged the Soviet leader to trust the new democratic Germany and asked him to overcome his “fear of a united Germany.” He also emphasized that the American military presence in Europe was a “guarantee of stability.” But if a new generation of Germans so decided, “we will pull out of Germany.” Later in the conversation, Bush returned to this point: “If Germany does not want to stay in NATO, it has a right to choose a different path. This is what the [Helsinki] Final Act says too.” Pressed by Gorbachev, Bush reiterated: “If the government of the FRG —I am talking purely hypothetically—would not want to stay in NATO, or even tell our troops to get out, we would accept that choice.” Much to the astonishment of the Americans—and clearly exceeding his brief, Gorbachev proposed to state publicly that “the United States and the Soviet Union agree that united Germany, upon reaching the final settlement, taking into account the results of World War II, would decide on its own which alliance she would be a member of.” When Bush proposed a somewhat different formulation, that “the United States is unequivocally in favor of united Germany’s membership in NATO, however, if it makes a different choice, we would not contest it, we will respect it,” Gorbachev agreed: “I accept your formulation.” With that, in principle, the path had been cleared for a united Germany to become a full member of the alliance. It was the issue that Bush cared for most.108 With Gorbachev’s 107 The following is based on “Record of Conversation between Gorbachev and Bush, Washington, 4:00–6:00 p.m., 31 May 1990,” in: Savranskaya/Blanton (eds.), The Last Superpower Summits, 664–676. 108 Engel, When the World Seemed New, 374.

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Christian F. Ostermann

agreement secured, assuring his survival at home until the agreements had been formalized assumed a top priority for both Washington and Bonn. In early June, Baker thus pressed the NATO foreign ministers meeting in Turnberry, Scotland, to broaden the alliance’s mission by emphasizing its larger political goals. Under leadership by the United States, NATO’s London Summit in early July 1990 called for a “transformed North Atlantic Alliance:” NATO would partner with its former adversaries, pledged never to be the first to use force, and proposed a non-aggression pact. The alliance would also abandon its strategic doctrine of “forward defense,” reduce its reliance on nuclear weapons, and call for further limits on offensive military forces in Europe. The NATO Summit also called for enhancing the activities carried out under the auspices of the CSCE . The “London Declaration,” as Bush wrote to Gorbachev after the meeting, promised a transformation of NATO in every aspect, especially its relations with the Soviet Union. Preempting his domestic critics, Gorbachev welcomed the results of the NATO Summit.109 He later acknowledged that it was critical to his ability to override domestic critics. The Soviet leader could thus emerge strengthened from the CPSU Party Plenum that took place in the first half of July.110 Under American leadership, the NATO Summit had paved the way for the final chapter in the unification drama, Kohl’s summit with Gorbachev in the Caucasus in mid-July 1990. Critical too had been an earlier German offer to supply the USSR with a multi-billion DM loan. During the summit, Gorbachev and the German leadership agreed on a ceiling for the German Bundeswehr at 370,000 men and on a final, complex solution for the inclusion of the GDR terri­ tory into NATO. Five final treaties, including the Two-Plus-Four Treaty signed on 12 September, allowed for German unification to take place on 3 October 1990.111 Thanks to massive concessions by Gorbachev and decisive American leadership, German unification was accomplished on Western terms. A unified Germany remained part of NATO; the alliance itself remained the centerpiece of Western security in Europe, a Europe now whole and free. Still, the American “pre-fab” solutions for a post-Cold War European security architecture112 posed challenges for achieving lasting integration and  a settlement with the Soviet Union, and after 1991, with Russia.

109 Andreas Rödder, Deutschland Einig Vaterland: Die Geschichte der Wiedervereinigung (Munich: C. H. Beck, 2009), 254. 110 Ibd.; Hutchings, American Diplomacy, 135. 111 Rödder, Deutschland Einig Vaterland, 255–260. 112 Sarotte, 1989.

Andreas Hilger

Die getriebene Großmacht – Moskau und die deutsche Einheit 1989/1990

Ende 1989 war die Haltung der UdSSR zur deutschen Wiedervereinigung eindeutig. „Es gibt zwei deutsche Staaten; so hat es die Geschichte verfügt“, führte der sowjetische Partei- und Staatschef Michail Gorbatschow wenige Wochen nach der Grenzöffnung aus. „Und die Geschichte soll entscheiden, wie der Prozess verlaufen wird und wohin er im Kontext eines neuen Europa und einer neuen Welt führt.“1 Anders ausgedrückt: „Die Wiedervereinigung von BRD und DDR ist keine aktuelle Frage.“2 Es durfte, so die Überzeugung des Kreml-Chefs, hier nichts überstürzt werden, bargen die Vorgänge im unmittelbaren Frontbereich des Kalten Kriegs und an der direkten Scharnierstelle zwischen Ost- und Westeuropa doch enormen Sprengstoff. Daher waren in sowjetischen Augen die deutschen Geschehnisse behutsam an die sich entwickelnden neuen Qualitäten der Entspannungspolitik zwischen USA und UdSSR sowie an gesamteuropäische Annäherungsprozesse anzupassen. Die Welt stand aus Moskauer Sicht erst am Anfang einer neuen, friedlichen Epoche. Potentielle Verschiebungen in bestehenden Kräfteverhältnissen mussten vorsichtig austariert, sanfte Übergänge einvernehmlich gefunden werden. Die internationale Gemeinschaft hatte Chancen gemeinsam zu nutzen, aber eben auch Herausforderungen, die sich aus den tiefgreifenden Veränderungen ergaben, gemeinsam zu meistern und Lasten gemeinsam zu schultern.3 Aus Sicht der sowjetischen Politik bedeutete das, dass in dem komplexen Geflecht global-, europa- und deutschlandpolitischer Entwicklungen immer auch spezifische Interessen der Supermacht UdSSR in diesen drei Sphären gewahrt werden mussten. Diese bezogen sich zudem auf außen1 Gespräch Gorbatschow mit U. S.-Präsident George Bush, 2.12.1989, in: Aleksandr Galkin/ Anatolij Tschernjajew (eds.), Michail Gorbatschow und die deutsche Frage. Sowjetische Dokumente 1986–1991, dt. Ausgabe hg. von Helmut Altrichter/Horst Möller/Jürgen Zarusky, kommentiert von Andreas Hilger (München: Oldenbourg, 2011), 249–252, hier 251. Der Band nennt für alle Dokumente detaillierte Angaben zu Parallel- und Zusatzüberlieferungen. Daher werden auch im Folgenden die relevanten Texte, soweit möglich, nach der deutschen Übersetzung zitiert, auf die dort gelieferten Kommentare und Quellenhinweise wird nicht mehr eigens verwiesen. 2 Gespräch Gorbatschow mit italienischem Ministerpräsidenten Giulio Andreotti, 29.11.1989, ibd., 245–248, hier 245. 3 Gemeinsame Pressekonferenz Gorbatschow und Bush, 3.12.1989 (u. a. https://chnm.gmu. edu/1989/archive/files/bush-interview-12-3-89_43aefd5a82.pdf; zuletzt abgerufen am 2. De­ zem­ber 2015). Im Rückblick wertete Gorbatschow den Malta-Gipfel als Ende des Kalten Kriegs, Michail Gorbatschow, Erinnerungen, (München: Goldmann, 1996), 700.

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und innenpolitische Aspekte, waren doch die Reformen im eigenen Land eng mit dem neuen, kooperativen Verständnis friedlicher internationaler Politik verknüpft. Das Bestreben, Perestrojka und Glasnost zum Erfolg zu führen, ging Hand in Hand mit der Aufgabe, den beanspruchten internationalen Status der UdSSR zu erhalten und zu festigen. Sowohl Innen- als auch Außenpolitik bedurften der Fortschritte im jeweils anderen Bereich, um glaubwürdig zu erscheinen und zum Erfolg kommen zu können. Erfolg wurde nicht nur durch Gorbatschows Vorstellungen definiert, sondern musste auch unterschiedliche Wünsche von Bevölkerung und Eliten des sowjetischen Imperiums zufriedenstellen. Ende der 1980er-Jahre war es allerdings noch keineswegs ausgemacht, ob die sowjetische Spitze in der Lage war, ihren ambitionierten Zielen in allen Bereichen und zahlreicher Widrigkeiten zum Trotz entscheidend näher zu kommen. Wollte sie in Innen- und Außenpolitik weiterhin auf Zwang verzichten, mussten sich in der Praxis bald positive Resultate der inneren Reformen und des internationalen „neuen Denkens“ einstellen. Dafür war es in diesem Zeitraum dringender denn je, innen- und außenpolitische Prozesse entlang eigener Interessen und Präferenzen zu harmonisieren, zumindest aber zu koordinieren. Gelang die komplexe Steuerung nicht, würde die sowjetische Führung gezwungen sein, Prioritäten zu setzen und nachgeordnete Ziele zumindest vorübergehend hintanzustellen. In diesen Bereichen würde sie sich mit ursprünglich nicht intendierten Folgewirkungen ihrer neuen Zugänge arrangieren müssen. Nur dann könnte sie hier darauf setzen, zumindest die weiteren Abläufe zum Wohl der übergeordneten Gesamtziele mitgestalten zu können. Die Deutschlandpolitik stellte dabei nur eines von vielen außen-, innen- und wirtschaftspolitischen Problemfeldern dar. Die Bedeutung der Beziehungen zur Bundesrepublik und zur DDR sowie Lösungsmöglichkeiten für sowjetisch-deutsche Fragen ergaben sich aus dem Zusammenspiel mit anderen Schwerpunkten des Moskauer Gesamtprojekts. Im Folgenden sollen zunächst Grundkomponenten des sowjetischen Entscheidungsgefüges 1989/90 etwas näher ausgeleuchtet werden, um vor diesem Hintergrund die wesentlichen Haltungen und Positionswechsel in der Deutschlandfrage als ein Thema der miteinander verwobenen sowjetischen Innen- und Außenpolitik zu beschreiben. Das sowjetische Vorhaben setzte auf die Quadratur des Kreises: neben wirtschaftlicher Erneuerung und innerer Demokratisierung bei Konsolidierung pro-sozialistischer Machtverhältnisse wollte man gleichzeitig eine internationale Öffnung erreichen, bei der sicherheitspolitische Bündnisse, Garantien und Strukturen erhalten blieben und die sowjetische Führungsrolle und Globalstellung stabilisiert würde. Für die politische Führung der UdSSR stellte ihr Programm 1989/90 eine Herkulesaufgabe dar.4 Dabei lag die Entscheidungsgewalt 4 Gesamtüberblicke bieten Helmut Altrichter, Russland 1989. Der Untergang des sowjetischen Imperiums (München: Beck, 2009); Jacques-Henry Lévesque, The enigma of 1989. The USSR and the liberation of Eastern Europe (Berkeley: University of California Press, 1997); Archie Brown, The Gorbachev factor (Oxford: Oxford University Press, 1996).

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einstweilen in den Händen weniger, bei Gorbatschow und seinem engeren Zirkel vertrauter Mitarbeiter.5 Der jeweilige konkrete Informationsstand, auf dessen Basis Gorbatschows Führungsmannschaft gerade ihre internationalen Entscheidungen fällte, ist ungewiss. Der Mauerfall war tatsächlich nicht vorhersehbar. Allerdings erkannte man in Moskau beispielsweise das ganze Ausmaß der DDRWirtschaftskrise ebenfalls erst spät. Mit zunehmendem Tempo der Ereignisse verlor das Bild, das man sich in Moskau von BRD und DDR machte, weiter an Konturen und Tiefenschärfe. So sahen auch die Deutschland-Spezialisten des Kreml den überdeutlichen Wahlsieg der Allianz für Deutschland und insbesondere der CDU bei den Volkskammerwahlen vom 18. März 1990 nicht kommen.6 Zudem überschätzte zumindest Gorbatschow im Februar/März 1990 bri­tisches und französisches Engagement gegen ein vereinigtes Deutschland, das sich innerhalb europäischer und atlantischer Strukturen bewegen würde. Für den relevanten Machtzirkel selbst lassen sich, ungeachtet ­verschiedener Missstimmungen und Diskrepanzen, in Bezug auf Kernaspekte der deutschen Frage 1989/90 keine grundlegenden, politisch wirksamen Differenzen ausmachen. Wohl war der allgemeine Führungsstil des Generalsekretärs nicht unbedingt zupackend. Gorbatschow war jedoch, betrachtet man die Umwälzungen seiner Amtszeit, sicherlich nicht verantwortungsscheu. Zudem hielt er an den ab Mitte der 1980er-Jahre formulierten Grundprinzipien seiner internationalen Politik fest. Persönlichkeiten wie Gorbatschows Berater Anatolij T ­ schernjaew sowie Außenminister Eduard Schewardnadse und dessen Umfeld wirkten allerdings mitunter konsequenter, wenn es galt, in der Deutschland- bzw. allgemeinen Außenpolitik Schlussfolgerungen aus internationalen Konstellationen und eigenen Reformlogiken zu ziehen.7 Als Letztverantwortlicher war Gorbatschow mit zunehmender Dynamik der Ereignisse offenbar immer weniger in der Lage, klare Teilziele zu definieren oder konkrete Strategien zu implementieren. Vielmehr schien er nach wie vor auf eine Gesamtentwicklung zu setzen, in der viele Rädchen ständig ineinander griffen. Es war weniger Gorbatschows­ Kalkül als seine Hoffnung, dass die Gegenüber in West und Ost letztlich ihren 5 Stefan Karner/Mark Kramer/Olga Pavlenko/Peter Ruggenthaler/Manfred Wilke, Der Kreml und der deutsche Vereinigungsprozess 1989/90, in: Stefan Karner/Mark Kramer/Peter Ruggenthaler/Manfred Wilke (eds.), Der Kreml und die deutsche Wiedervereinigung 1990. Interne sowjetische Analysen (Berlin: Metropol, 2015), 13–108, hier 22–28; Vladislav M. Zubok, Unwrapping an enigma. Soviet elites, Gorbachev and the end of the Cold War, in: Silvio Pons/Federico Romero (eds.), Reinterpreting the end of the Cold War. Issues, interpretations, periodizations (London: Frank Cass, 2005), 137–164; Hannes Adomeit, Imperial overstretch. Germany in Soviet policy from Stalin to Gorbachev (Baden-Baden: Nomos, 1998), 319–341. 6 Stellv. Leiter Internationale Abteilung ZK KPdSU, Rafail Fedorov, 20.3.1989, in: Karner/ Kramer/Ruggenthaler/Wilke, Der Kreml, 224–226, 225. 7 Tagebucheintrag Tejmuraz Stepanov-Mamaladze, 12.11.1989, in: Karner/Kramer/Ruggenthaler/Wilke, Der Kreml, 123–124; Memorandum Tschernjaev für Gorbatschow, 4.5.1990, in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 393–395; Rede Schewardnadze vor dem Politischen Ausschuss des Europäischen Parlaments, 19.12.1989, in: Europa-Archiv 45 (1990), D127–D136.

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im Kreml erdachten Part spielen oder zumindest (neu justierte) sowjetische Endziele nicht gänzlich konterkarieren würden – Konsequenzen möglicher Alternativen konnte oder wollte der Generalsekretär und Präsident nicht als gleichgewichtige Variablen in Rechnung stellen. In der politischen Realität sah sich die Führungsgruppe bereits innerhalb der UdSSR mit Gegenentwürfen konfrontiert. Diese speisten sich aus konservativen, radikalen oder nationalen Denkrichtungen. Sie lebten auch davon, dass die Massen zumindest mit der wirtschaftlichen Situation unzufrieden waren. Es kann hier vorweggenommen werden, dass Kernparameter deutschlandpolitischer Beschlüsse trotz der sukzessiven Annäherung Gorbatschows an konservativere Positionen in der Innen- und Wirtschaftspolitik unverändert blieben. Dringlichkeiten und Fristen der Entscheidungsfindung, aber auch externe Rezeptionen der Entscheidungsprozesse und möglicher Alternativen konnten von dem deutlich steigenden Binnendruck nicht unberührt bleiben. Washingtoner und Bonner Politiker hielten es für wichtig, den deutschen Einigungsprozess abzuschließen, solange Gorbatschow im Amt war. Diese Wahrnehmung wiederum konnte westlichen Druck und Anreize zugleich generieren, mit allen denkbaren Implikationen für Gorbatschows Machtstellung. Die sowjetische Führung ihrerseits wurde nicht müde, bei ihren westlichen Gegenübern unter Hinweis auf die innere Unzufriedenheit außenpolitische Rücksichten anzumahnen.8 Auf außenpolitischem Terrain schließlich fand sich der Kreml 1989/90 immer häufiger in Situationen wieder, in denen er auf externe Ereignisse nur noch reagieren konnte. Reformprozessen in Polen und Ungarn hatte Moskau bislang keine Steine in den Weg gelegt, sondern der „Breschnew-Doktrin“ endgültig abgeschworen.9 Gewaltfreiheit, Nichteinmischung in innere Angelegenheiten sowie, damit einhergehend, die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts zumindest von Staaten stellten die neuen Handlungsmaximen dar. Im europä­ ischen Sonderfall des geteilten Deutschlands hatte Gorbatschow nicht nur die ungarischen Grenzöffnungen akzeptiert, sondern im Juni 1989 auch die nationale Selbstbestimmung zugestanden, bezeichnenderweise unter dem Schlagwort vom neuen Europa. Die Spannung zwischen „der Integrität und der Sicherheit jedes Staates“, des „Recht[s] jedes einzelnen, sein politisches und soziales ­System frei zu wählen“ und der „Achtung des Selbstbestimmungsrechts der Völker“ lag hinsichtlich Deutschlands auf der Hand.10 Ob und inwieweit im Fall der DDR staatliche und gesellschaftliche Interessen in der nationalen Frage auseinander­ 8 Gespräche Genscher mit Schewardnadze, 5.12.1989 und 4.5.1990, in: Andreas Hilger (ed.), Diplomatie für die deutsche Einheit. Dokumente des Auswärtigen Amts zu den deutsch-­ sowjetischen Beziehungen 1989/90 (München: Oldenbourg, 2011), 61–73, hier 63–65 sowie 129–136, hier 131, 134. 9 Zur unklaren Datierung einer konkreten Absage vor 1989 vgl. Mark Kramer, The Unintended Revolution. Commentary on ‚Criticism as crisis, or Why the Soviet Union still collapsed?‘, in: Journal of Modern European History 10 (2012) 1, 5–18. 10 Gemeinsame Erklärung Gorbatschow und Kohl, 13.6.1989, in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 165–170, hier 167.

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driften konnten, ob und inwieweit potentiell divergierende Ergebnisse bundes- und ostdeutscher Selbstbestimmung miteinander zu vereinbaren waren, schien im Umfeld des 40-jährigen Geburtstags der beiden deutschen Staaten jedoch nicht von akuter Bedeutung zu sein. Die Frage gewann mit der Öffnung der Mauer unverhoffte Aktualität. Insgesamt zeigten sich in der sowjetischen Deutschlandpolitik 1989/90 wie in einem Brennglas Ambivalenzen, Potentiale, Widersprüche und Bruchlinien der Moskauer Reformkonzepte seit 1985. Die historische Forschung hat sich intensiv einer Vielzahl der miteinander verwobenen Entwicklungs- und Krisenstränge gewidmet. In der Tat lässt sich 1989/90 als „story of systemic failure, popular unrest, revolution from above or great-power politics“ erzählen, das Ende des Kalten Kriegs entlang der „material capabilities, ideas, domestic politics, and leaders“ beschreiben.11 Die Debatte um Motive und Ziele der sowjetischen Deutschlandpolitik auf der einen und um Moskauer Gestaltungsmöglichkeiten und Handlungszwänge auf der anderen Seite kreist letztlich um die Gewichtung dieser verschiedenen Perspektiven und Ingredienzien.12 Die Deutungen werden mitunter dadurch erschwert, dass 1989/90 sowjetische Vertreter aus Zentrum und Peripherie manchmal Signale sandten, die deutlich voneinander abwichen: Das so genannte non-paper der Internationalen Abteilung des ZK, mit dem ­Nikolai Portugalow im November 1989 ohne Abstimmung mit Gorbatschow oder Schewardnadse das bundesdeutsche Kanzleramt zum Zehn-Punkte-Programm inspirierte, ist nur ein Beispiel.13 In einem anderen Fall bemühte sich Schewardnadse rund sechs Monate später in Vier-Augen-Gesprächen darum, Forderungen, die er während der zweiten 2+4-Außenministerkonferenz aufgestellt hatte, gleich wieder herunterzuspielen. Die offiziellen Vorschläge unter anderem zu langjährigen Übergangsperioden hinsichtlich NATO -Mitgliedschaft und Souveränität Deutschlands erklärte er mit dem „kolossalen Druck […], der gegenwärtig wegen der Außenpolitik auf ihm und Gorbatschow laste. Er sei zuversichtlich“, so ließ Schewardnadse seinen US -Kollegen James A. Baker III wissen, dass „die sowjetische Position zu einem späteren Zeitpunkt, u. U. schon bald“ wieder zur kooperativen Flexibilität der letzten Wochen und Monate zurückfinden werde.14 11 Richard Ned Lebow, The end of Cold War as non-linear confluence, in: Mark Kramer/Vít Smetana (eds.), Imposing, maintaining, and tearing open the iron curtain. The Cold War and East-Central Europe, 1945–1989 (Lanham: Lexington Books, 2014), 479–499, 479. 12 Wolfgang Mueller, The Revolutions of 1989: An Introduction, in: id./­Michael Gehler/­ Arnold Suppan (eds.), The Revolutions of 1989. A Handbook (Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2015), 3–30, hier 6. Dieser und weitere Beiträge in dem genannten Band sowie Karner/Kramer/Pavlenko/Ruggenthaler/Wilke, Der Kreml, 13–109, bieten aktuelle Bibliographien zur Thematik, so dass hier auf umfangreiche Wiederholungen verzichtet werden kann. 13 Hans Peter Schwarz, Helmut Kohl. Eine politische Biographie (München: Deutsche Verlags-­ Anstalt), 532–533. 14 Drahterlass des Leiters des Ministerbüros, Elbe, an Genscher, 25.6.1990, in: Heike Amos/ Tim Geiger (Bearb.), Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und

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Seit den frühen 1990er-Jahren konkurrierten Zeitgenossen, Akteure und Interpreten mit ihren Erinnerungen oder aktengestützten Biografien immer auch um individuelle respektive nationale Bedeutung und Deutungshoheit.15 Die in erfreulich großer Zahl vorliegenden relevanten Editionen spiegeln die spezifischen Sichtweisen wider.16 Neu zugängliche Unterlagen des früheren US Außenministers Baker oder sowjetischer Diplomaten wie Teimuraz StepanowMamaladse, seinerzeit Assistent von Außenminister Eduard Schewardnadse, fügen neue Facetten hinzu.17 Auch in historischen Analysen finden sich mit gutem Grund divergierende zeitgenössische Perspektiven wieder. Im post-sowjetischen Raum wird der deutsche Einheitsprozess nahezu zwangsläufig vor der Folie des nahezu parallel ablaufenden Zerfalls der UdSSR betrachtet und kann damit als Teil  eines allgemeinen Niedergangs-, Auflösungs- oder Befreiungsnarrativs erscheinen. West­ liche Außenansichten sind weiterhin darüber uneins, welchen Anteil politische, wirtschaftliche, militärische oder gesellschaftliche Kräfte aus Deutschland, West- und Osteuropa, der NATO und ihrer Führungsmacht im Einzelnen daran hatten, sowjetische Widerstände auszuhöhlen oder zu überwinden. Im Ergebnis bleibt es bis heute bei Dissonanzen hinsichtlich genauer Abläufe einzelner Etappen sowjetischer Entscheidungsprozesse, vor allem aber mit Blick auf letzte Hintergründe relevanter Beschlüsse. Die Schwerpunkte der Erklärungsmuster liegen auf innen- und wirtschaftspolitischen Zwangslagen der so­ wjetischen Führungsgruppe oder auf Moskauer Fehlkalkulationen und Illusionen, die sich ersatzweise als Strategie und Weitsicht beschreiben lassen. Andere Darstellungen heben Langzeitwirkungen westdeutscher Politik seit den 1950eroder seit den 1970er-Jahren oder die Relevanz ostdeutscher ­Massenbewegungen der Zwei-plus-Vier-Prozess, ed. von Horst Möller/Ilse Dorothee Pautsch/Gregor Schöllgen/ Hermann Wentker/Andreas Wirsching (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015), 588–590, hier 589. 15 Vgl. bereits Gunter Hofmann, Wer hat die deutsche Einheit gemacht, in: Die Zeit, 11. Oktober 1996 (http://www.zeit.de/1996/42/titel.txt.19961011.xml/komplettansicht?print=true, zuletzt abgerufen am 2. Dezember 2015). 16 Zum bilateralen Verhältnis vgl. Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow; Hilger, Diplomatie. An relevanten Neuerscheinungen zum 25. Jahrestag der Einheit vgl. Die Einheit; Karner/Kramer/Ruggenthaler/Wilke, Der Kreml; M. Ju. Prozumenščikov/I. V. Kazarina/ T. M. Kuz’mičeva/P. Ruggentaler (eds.), Konec ėpochi. SSSR i revoljucii v stranach Vostočnoj Evropy v 1989–1991 gg. Dokumenty (Moskau: ROSSPĖN, 2015). Mittlerweile bis Juli 1991 reicht die, wenn man so will, Gesamtausgabe Gorbatschows, Michail S. Gorbačev, Sobranie sočinenij, sost. V. T. Loginov, Vol. 1–3 (Moskau: Ves’Mir, 2008–2010). Zu innenpolitischen Aspekten auch S. M. Šachraj (ed.), Raspad SSSR : dokumenty i fakty (1986–1992 gg.), tom 2: Archivnye dokumenty i materialy (Moskau: Kučkovo pole, 2016). 17 Vgl. Vladislav Zubok, With his back against the wall: Gorbachev, Soviet demise, and German reunification, in: Cold War History 14 (2014), 4, 619–645; Mary Elise Sarotte, Not one inch eastward? Bush, Baker, Kohl, Genscher, Gorbachev, and the origin of Russian resentment toward NATO enlargement in February 1990, in: Diplomatic History 34 (2010) 1, 119–140.

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seit Ende der 1980er-Jahre hervor. Der Einfluss der US -amerikanischen oder französischen Außenpolitik 1989/90 wird ebenfalls unterschiedlich gewichtet. Im Fazit lässt sich kein Aspekt ausmachen, der in der sowjetischen Deutschlandpolitik alle anderen Erwägungen durchgängig überstrahlt hätte. Innen-, wirtschafts- und außenpolitische Überlegungen  – und Zwänge  – griffen ineinander. Ihr Verhältnis zueinander wurde in Einzelentscheidungen über die Monate hinweg mehrmals neu justiert. Dynamik und Wechselwirkungen führten dazu, dass die sowjetische Führung in Fragen der Deutschlandpolitik einschneidende Perspektiven- und Positionswechsel vornahm. Die von Gorbatschow vielfach angerufene Geschichte entschied in kürzester Zeit anders, als es dem Kreml noch Ende 1989 vorschwebte. Dies galt für die schrittweise Akzeptanz von Wiedervereinigung und NATO -Mitgliedschaft durch Moskau. Damit waren Verschiebungen und Änderungen im Verhältnis zwischen Global-, Europa- und Deutschlandpolitik überhaupt eng verbunden. So war es unmittelbar nach der Grenzöffnung erklärtermaßen sowjetische Absicht, „die Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten“ im Rahmen des „gesamteuropäischen Prozess[es]“ hin zum „gesamteuropäische[n] Haus“ zu „entwickeln“ und globale Entspannung und Abrüstung nicht durch „irgendwelche provinzielle, regionale, egoistische und utilitaristische Vorgehensweisen“ zu gefährden.18 Diese Reihenfolge änderte sich im Laufe des Jahres 1990. Wiedervereinigung, Fortschritte in Abrüstung und der KSZE-Prozess sowie eine Aktualisierung von NATO -Aufgaben und -Strukturen stellten 1990 einen integrierten Prozess dar, dessen Takt nicht aus Moskau vorgegeben wurde. Im Rückblick hielt sich Gorbatschow dann zugute, 1989/90 ein „demokratisches, politisch stabiles und wirtschaftlich gesundes Deutschland, das seine Grenzen anerkennt und mit seiner politischen Gesellschaftsordnung sowie seiner Rolle in Europa und der Welt zufrieden ist“, erreicht zu haben, eine neue Bundesrepublik, die „zu einem der wichtigsten positiven Faktoren der europäischen und internationalen Entwicklung werden“ konnte.19 An die Stelle der Langzeitperspektive einer deutsch-deutschen Annäherung im Rahmen einer neuen Weltordnung mitsamt dem gesamteuropäischen Haus beschrieb der ehemalige Weltpolitiker nun die deutsche Einheit als treibende Kraft positiver internationaler Entwicklungen, die auch Moskauer Interessen entsprachen. Tatsächlich hatte sich die Bedeutung deutsch-sowjetischer Beziehungen als wichtiger Ansatzpunkt internationaler s­ owjetischer Aktivitäten noch während der späten 1980er-Jahre und verstärkt 1990 abgezeichnet, als zusätzliche – komplementäre oder konkurrierende – Ebene neben den globalen Kontakten der Supermächte. Dass es ein Gesamtdeutschland war, das in der sowjetischen/russischen internationalen Politik seine Rolle spielte bzw. spielen sollte, dies war allerdings 18 Gespräch Gorbatschow mit Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, 5.12.1989, in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 254–265, hier 257–258. Vgl. zur Herausforderung auch Gorbatschow, Erinnerungen, 700. 19 Gorbatschow, Erinnerungen, 726.

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nicht das Resultat langfristig angelegter strategischer Pläne Moskaus. Im Gegenteil: Bis 1989 deutete nichts in der sowjetischen Deutschlandpolitik darauf hin, dass man sich im Kreml überhaupt ernsthafte Gedanken über die (beste) Ausformung einer deutschen Wiedervereinigung machte. Vielmehr rechnete man fest mit der fortdauernden Existenz zweier deutscher Staaten. Die sowjetischen Beziehungen zu Ost-Berlin und Bonn fügten sich in die bereits erwähnte Gesamtagenda ein. Sie sollten zur Konsolidierung und Stärkung des eigenen Lagers sowie zur Festigung der damit verbundenen globalen Position gegenüber der zweiten Supermacht USA beitragen. Die sowjetische Politik war überzeugt, in dem deutsch-deutsch-sowjetischen Dreieck die Fäden in der Hand zu halten und letztlich die Kontakte zu beiden deutschen Staaten im eigenen Interesse gestalten zu können.20 Dabei sah man in Moskau die DDR kritisch. Sie galt grundsätzlich als anfällig für wirtschaftliche Lockungen aus dem Westen, insbesondere aus Bonn.21 Gorbatschow tat sich nicht nur wegen der Implikationen wirtschaftlicher Abhängigkeiten vom kapitalistischen Ausland schwer mit den ostdeutschen Genossen. Dazu kam, dass ökonomische Probleme im Ostblock über die RGW-Strukturen die Reformfähigkeit der UdSSR zusätzlich beeinträchtigten. Schließlich waren ideologisch-politische Differenzen nicht zu übersehen.­ Honecker hatte bereits 1987 verstanden, dass „er persönlich bedroht ist, wenn er die Prinzipien anwendet, von denen sich die KPdSU derzeit leiten lässt.“22 Demgegenüber stellte die Bundesrepublik auch im sowjetischen Kalkül eine „gewaltige Macht“ dar. Von ihr versprach sich Moskau nach einem äußerst holprigen Start 1985 bis 1986/87 eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit, wie sie die UdSSR und ihre Reformen so dringend benötigten. Dazu setzte Gorbatschow auf eine engere politische Zusammenarbeit. Die Kooperation insbesondere in sicherheitspolitischen und gesamteuropäischen Fragen konnte in den Vorstellungen des Kreml gegebenenfalls längerfristig auch zu Lasten des Gewichts der USA gehen. Der europäische territoriale und politische Status quo würde jedoch keinerlei negative Änderungen erfahren. Engere wirtschaftliche und politische Verbindungen mit Bonn „werden uns nicht vom Weg abbringen“, zeigte sich Gorbatschow anfangs überzeugt, „aber wir werden über die Kontakte mit ihnen Einfluss auf den Westen nehmen und die sozialistischen Länder halten.“23 Dieses Grundkonzept verfolgte die sowjetische Führung auch noch im Sommer und Frühherbst 1989. So holte sich der Kreml in Bonn Rat, ob die UdSSR in Entspannungsfragen der Bush-Administration Vertrauen schenken könne.­ 20 Gespräch Gorbatschow mit Erich Honecker, 3.10.1986, in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 18–23. 21 Gorbatschow auf Sitzung Politbüro, 27.3.1986, ibd.; Diskussion Gorbatschow mit Beratern, 29.9.1986, ibd., 15–17, hier 17.  22 Schewardnadze auf Sitzung Politbüro, 12.2.1987, ibd., 27–28, 28. Vgl. Protokoll Sitzung Politbüro, 29.1.1987, ibd., 24–26 sowie Gespräche Gorbatschow mit Honecker, 3.10.1986 und 14.5.1987, 28.9.1988, ibd., 18–23, 31–37, 104–119. 23 Gorbatschow auf Sitzung Politbüro, 16.7.1987, ibd., 49–52, hier 52. Vgl. Gespräch Gorbatschow mit Richard von Weizsäcker, 7.7.1987, ibd., 38–48.

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Zugleich kritisierte Gorbatschow die vermeintliche Unbeweglichkeit der NATO. Daneben warb er dafür, die Spannungen in Osteuropa und in der DDR von außen nicht anzuheizen. In diesem Zusammenhang registrierte und monierte das sensible Moskau nationalere Tonlagen, die Helmut Kohl auf dem Bremer CDU-Parteitag anschlug.24 Zudem sondierten sowjetische Politiker in Westeuropa, inwieweit sich auch dort für den Notfall Verbündete gegen eine plötzlich forcierte Einheitspolitik Bonns finden ließen.25 Im konkreten diplomatischen Alltagsgeschäft war es sowjetischen Amtsträgern ohnehin längst ins Blut übergegangen, gerade westdeutschen Diplomaten immer wieder aufs Neue zu „demonstrieren, wo in Moskau ‚oben und unten‘ ist.“26 Ungeachtet dessen kümmerte sich die sowjetische Führung hoffnungsvoll um eine weitere Intensivierung wirtschaftlicher und technologischer Verbindungen mit der Bundesrepublik.27 Derweil mahnte der Kreml-Chef in der DDR Reformbedarf an. Honeckers Nachfolger, Egon Krenz, sagte Gorbatschow zumindest zu, sich zu „bemühen“, die „Verpflichtungen gegenüber der DDR zu erfüllen.“28 Vor allem aber setzte Moskau offensichtlich darauf, dass sowohl die DDR-Bevölkerung als auch Bonn sich bereit zeigen würden, sozialistische Politik und ihre Reformversprechen nach Honecker quasi unverzüglich zu honorieren.29 Die Reaktionen des Kreml auf den Mauerdurchbruch sowie auf die Verkündigung der Zehn Punkte durch Bundeskanzler Kohl führten im Kern die bis zum 9. November verfolgten Ansätze fort. Die Moskauer Haltung beruhte nach wie vor auf den Prämissen, dass sich eine reformsozialistische DDR mit entsprechender Hilfe von außen als lebensfähig erweisen, und dass sowohl die ostdeutsche Bevölkerung als auch die internationale Staatenwelt die Legitimität einer reformierten DDR nicht in Frage stellen würden. Diese Erwartungen haben sich bekanntermaßen nicht erfüllt. Die DDR-Bevölkerung demonstrierte täglich ihren Unmut über die real existierende Lage. Sie erblickte bald in der Einheit eine attraktive Alternative. Die Bonner Regierung dachte derweil überhaupt nicht daran, das marode SED -/PDS -System mit wirtschaftlicher oder finanzieller Unterstützung zu retten, und auch in der SPD achtete man nicht zuletzt im Kontext der anstehenden Volkskammerwahlen auf gesamtdeutsche Chancen. 24 Gespräch Honecker mit Gorbatschow, 7.10.1989, in: Daniel Küchenmeister/Gerd-Rüdiger Stephan (eds.), Honecker, Gorbatschow. Vieraugengespräche (Berlin: Dietz, 1993), 240–251, hier 250–251; Gespräch Teltschik mit Botschafter Julij A. Kvicinskij, 29.9.1989, in: Hanns Jürgen Küsters/Daniel Hofmann (Bearb.), Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90 (München: Oldenbourg, 1998), 426. 25 Tagebuch Tschernjajew, 9.10.1989, in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, ­199–200; Gespräch Gorbatschow mit Willy Brandt, 17.10.1989, ibd., 204–213, hier 207, 210–211. 26 Vermerk AA , Leiter Referat 213 (Sowjetunion/Osteuropa), Klaus Neubert, 19.9.1989, Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin (PA AA), ZA 147.141 E. 27 Die relevanten Gesprächsprotokolle und Erklärungen des Besuchs Gorbatschows in der BRD im Juni 1989, n: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 139–185. 28 Gespräch Gorbatschow mit Egon Krenz, 1.11.1989, ibd., 213–227, hier 219. 29 Gespräch Gorbatschow mit Egon Krenz, 1.11.1989, ibd., 213–227; Gespräche Gorbatschow mit Honecker u. a. Mitgliedern des SED -Politbüros, 7.10.1989, ibd., 187–197.

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Das äußere Korsett, das der osteuropäische Block unter sowjetischer Hegemonie geboten hatte, entfiel ebenso endgültig wie ersatzlos. Und auch westliche Außenpolitiker, die offen oder verdeckt eine deutsche Zweistaatlichkeit akzeptiert hatten, konnten oder wollten sich dem rapide an Fahrt gewinnenden Zug zur Wiedervereinigung nicht aktiv in den Weg stellen, sondern auf ihnen genehmen Gleisen halten. Hier war es entscheidend, dass die Führungsmacht USA früh ihre Bereitschaft deutlich machte, die westdeutsche Regierung zu Washingtoner bündnis- und sicherheitspolitischen Konditionen zu unterstützen. Folgt man den bislang zugänglichen Akten, so hat die sowjetische Politik im Winter 1989/90 die rasanten Geschehnisse in Deutschland sowie die internationalen Positionierungen beobachtet und entsprechende Sondierungen unternommen. Konkrete, engagierte und nachhaltige sowjetische Versuche – welcher Art auch immer  –, entweder eine starre unilateral sowjetische, eine belastbare gemeinsame sowjetisch-ostdeutsche oder gar eine sozusagen systemübergreifende flexible gesamteuropäische Politik gegen die innerdeutsche sowie die einsetzende bündnispolitische Dynamik zu entwerfen und konsequent in die Wege zu leiten, lassen sich jedoch nicht finden.30 Mehr noch: Die deutsche Einheit stand im politischen Moskau für Wochen quasi nicht auf der Tagesordnung. In aktuellen Beratungen ging es vielmehr um die Grundversorgung der eigenen Bevölkerung, um drängende Probleme des staatlichen Zusammenhalts der UdSSR , den Umgang mit innerparteilichen Zerreißproben, den Fortgang nuklearer Abrüstungsprozesse und um wirtschaftspolitische Neuausrichtungen des Rats für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW).31 Erst am 26. Januar 1990, über zwei Monate nach dem Mauerfall, diskutierte Gorbatschow mit seinem Beraterstab die weitere sowjetische Deutschlandpolitik. Dass sich Moskau dem Anliegen einer Vereinigung von BRD und DDR nicht mehr in den Weg stellen würde, dies war zu diesem Zeitpunkt in der sowjetischen Spitzengruppe faktisch unumstritten.32 Ostdeutsche Demonstrationen, die Erstürmung ehemaliger MfS-Machtzentren, der Zerfall der SED, die bundesdeutsche und westliche Außenpolitik hatten bis dahin gezeigt, dass alles auf die deutsche Einheit hinauslief. Die sowjetische Akzeptanz dieses Endergebnisses war unausweichlich, wenn sich der Kreml nicht in die isolierte Frontstellungen des Kalten Kriegs mit all ihren inhärenten nationalen und internationalen Spannungs- und Problemlagen zurückziehen wollte. Bei einem solchen Rückfall, dies war nach den vergangenen Wochen ebenso­ 30 Beispielhaft im Gespräch Gorbatschow mit dem französischen Präsidenten François Mitterrand, 6.12.1989, in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 266–271. 31 Sitzungen Politbüro, 9.11.1989–22.1.1990, in: Anatolij Černjaev (ed.), V Politbjuro CK KPSS . Po zapisjam Anatolija Černjaeva, Vadima Medvedeva, Georgija Šachnazarova (1985–1991) (Moskau: Al’pina Biznes Buks, 2006), 451–473. Allg. zu faktischen Rahmenbedingungen Rafael Biermann, Zwischen Kreml und Kanzleramt. Wie Moskau mit der deutschen Einheit rang (Paderborn: Schöningh, 1997), 252–384. 32 Gespräch Schewardnadze mit DDR-Außenminister Oskar Fischer, 20.1.1990, in: Ines Lehmann, Die Außenpolitik der DDR 1989/1990. Eine dokumentierte Rekonstruktion (BadenBaden: Nomos, 2010), 441–443.

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eindeutig, drohten unabsehbare und unweigerlich äußerst harsche Konsequenzen sowohl für den inneren Reformkurs als auch für die internationale Entspannung und damit für Zusammenhalt und Sicherheit der UdSSR , von der Stellung Gorbatschows ganz zu schweigen. So blieb der sowjetischen Führung nichts anderes übrig, als sich für die Transformationsphase in eine möglichst einflussreiche Position zu bringen. Es galt sicher­zustellen, dass die UdSSR hinsichtlich der Bedingungen und Gestaltung der deutschen Einheit ein gewichtiges Wort mitzureden hatte. Sicherheits- und wirtschaftspolitische Interessen der UdSSR während und nach dem Einigungsprozess zu gewährleisten, war ein aufwändiges Unternehmen – man benötigte aus Moskauer Sicht zunächst einmal Zeit, in der man den Übergang in eine neue internationale Gesamtkonstellation ohne einseitige Positionsverluste und mit erfolgversprechenden Zukunftsaussichten moderieren, der eigenen Bevölkerung und den sowjetischen Eliten in Bürokratie und Militär fundamentale Änderungen nahebringen und zugleich das auswärtige Entgegenkommen in eigenen politischen und vor allem wirtschaftlichen Belangen sicherstellen wollte. Der Kreml setzte also auf ein robustes Mitspracherecht in den deutsch-deutschen Angelegenheiten. Dabei sollten nicht nur die engeren sicherheitspolitischen Begleitumstände der Vereinigung von zwei Mitgliedstaaten antagonistischer Militärblöcke im sowjetischen Sinne geregelt werden. Es ging auch darum, breiter gedacht, im kontinuierlichen Wechselspiel sowjetische Reformprozesse sowie internationale, insbesondere gesamteuropäische Projekte zu unterstützen re­ spektive voranzubringen.33 „Das Volk jedes der beiden [deutschen] Staaten habe das Recht, souverän sein Schicksal selbst zu bestimmen“, formulierte es der Stellvertretende Außenminister Adamischin Anfang Februar 1990. „Die Ausübung dieses Rechtes müsse aber unter Berücksichtigung der Interessen anderer Völker verlaufen“,34 die „europäische und globale Balance im Verlaufe dieses Prozesses nicht gestört“ werden.35 Ein Mechanismus, dessen man sich auch in Moskau bedienen konnte, war mit den 2+4-Gesprächen vergleichsweise schnell gefunden.36 Er definierte  – auch gegen alternative Vorstellungen einer allgemeinen Friedenskonferenz oder KSZE -Foren zur Einheit – den machtpolitisch exklusiven Kreis der Mitspracheberechtigten und gewährleistete die völkerrechtlich gültige Regelung der internationalen Aspekte der Vereinigung. Für die relevanten Verhandlungen selbst stellte die Sechser-Runde nicht mehr als ein zusätzliches Format dar. Diskussionsbedarf innerhalb des westlichen Lagers wurde in der Regel außerhalb des 33 Beratung der deutschen Frage im kleinen Kreis bei Gorbatschow, 26.1.1990, in: Černjaev, V Politbjuro, 473–477. 34 Gespräch Botschafter Klaus Blech mit Adamischin, 31.1.1990, in: Hilger, Diplomatie, ­93–98, hier 94. 35 Gorbatschow in Besprechung mit Beratern, 13.2.1990, in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 342–343, hier 342. 36 Beratung der deutschen Frage im kleinen Kreis bei Gorbatschow, 26.1.1990, in: Černjaev, V Politbjuro, 473–477, hier 474.

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2+4-Gremiums befriedigt, entsprechende Fragen wurden in bilateralen Gesprächen vor allem zwischen Bonn, Washington und Paris zum Abschluss gebracht. Auch der Kreml-Chef zog in grundlegenden Angelegenheiten nach wie vor Unterredungen mit dem vermeintlichen weltpolitischen Pendant USA vor, mit denen er weiterhin bilateral und auf beanspruchter bzw. erwarteter Augenhöhe über Kernfragen entscheiden wollte. Da das globale Entgegenkommen der USA begrenzt und ihre unmittelbare Hilfsbereitschaft für Erhalt und Stärkung des sowjetischen Kernimperiums beschränkt blieben, gewannen direkte bilaterale Verhandlungen mit dem unmittelbaren Nutznießer des Einheitsprozesses, der Bundesregierung, an Bedeutung.37 Vor diesem Hintergrund erwiesen sich die 2+4-Ministertreffen vor allem als Gelegenheiten, bei denen die sowjetische Führung mit Blick auf ihre innenpolitische Stellung und Legitimation ihre Deutschlandpolitik offiziell und auch für das sowjetische Publikum sichtbar vertreten konnte. Ohnehin erzeugten die inneren Abläufe der Einheit mit weitgehender Billigung der Westmächte einen Zeitdruck, den sowjetische Grundüberlegungen von Januar 1990 nicht eingeplant hatten. Angefangen vom Kohl’schen Angebot einer Währungsunion mit Wirtschaftsreformen Anfang Februar 1990 über die Volkskammerwahlen Mitte März bis hin zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion sowie dem offiziellen Beginn der Verhandlungen über den Einigungsvertrag Anfang Juli 1990 entfaltete sich der Vereinigungsprozess im Grunde innerhalb der westlichen Rahmenvorstellungen, wie sie seit dem Winter 1989/90 bekannt waren, und auf Basis der sowjetischen Akzeptanz einer Wiedervereinigung an sich von Januar/Februar 1990. Unabhängig von Organisationsform (und Zeitplan) der internationalen Verhandlungen ging der Kreml Mitte Februar 1990 noch davon aus, dass das „Kräfteverhältnis“ in dem exklusiven Zirkel der Mitspracheberechtigten sowjetischen Vorstellungen förderlich sein würde: „Thatcher, Mitterrand und Modrow stehen unserer Position näher“, war sich Gorbatschow sicher.38 Dabei sah er aber selbst die tatsächliche Schwäche der DDR-Regierenden, die schon aufgrund ihrer finanziellen Abhängigkeiten von der BRD „keine Freunde“ mehr seien.39 Das Ergebnis der Volkskammerwahlen am 18. März 1990 besiegelte das Schicksal der Regierung Modrow endgültig. Nun hatte es der Kreml in der internationalen Sphäre mit einer DDR-Vertretung zu tun, die als Sachwalter der Wiedervereinigung gewählt worden war. Letztlich blieb die DDR-Außenpolitik in den Verhandlungen ohne signifikanten eigenständigen Einfluss. Mit diplomatischer Unterstützung relevanter Ostblockstaaten konnte der Kreml im Übrigen auch nicht rechnen. Ungarn und die Tschechoslowakei waren zunächst einmal 37 Gespräch Gorbatschow mit Baker, 18.5.1990, in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 406–413; sowie mit Ergänzungen in Anatoli Tschernjaew (ed.), Mein deutsches Tage­buch. Die deutsche Frage im ZK der KPdSU (1972–1991) (Klitzschen: Elbe-Dnjepr-Verlag, 2005), 258–267. 38 Gorbatschow in Besprechung mit Beratern, 13.2.1990, in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 342–343, hier 342. 39 Ibd.

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darum bemüht, den Abzug sowjetischer Truppen aus ihren Gebieten zu erreichen. Binnen kurzem sollte Ungarn seinen Austritt aus dem Warschauer Pakt erklären. Wichtiger noch war, dass innerhalb des Warschauer Pakts keine einheitliche – sowjetisch dominierte – Linie in der Einigungspolitik zu finden war. Gerade Polen und die Tschechoslowakei sprachen sich vehement gegen ein neutrales Deutschland aus.40 Auch ein deutsches Mitglied im eigenen Pakt, das diesen womöglich wiedererstarken ließe und dem neuen Deutschland Mitspracherechte in osteuropäischen nationalen Grundangelegenheiten eröffnete, konnte sich außerhalb der UdSSR niemand vorstellen. Es war genau dieses Thema der Bündniszugehörigkeit eines vereinten Deutschlands, das in den Frühjahrsmonaten das zentrale politische Thema der internationalen Verhandlungen über die deutsche Einheit war. Hier kamen aus sowjetischer Sicht nicht nur zentrale Aspekte der Moskauer Europa- und Globalpolitik zur Sprache, sondern es ließen sich schlichtweg alle für die UdSSR relevanten Facetten und Faktoren durchdeklinieren und entsprechende Gestaltungsvarianten erproben. Damit waren auf Seiten der UdSSR die Gespräche über die Bündniszugehörigkeit Deutschlands in umfassendere Überlegungen eingebettet. Dieser breite Ansatz wurde auch von den Westmächten verfolgt. Auch dort war der Verhandlungsprozess von vornherein nicht als rein deutschland­politisches Ereignis angelegt, zu wichtig war Deutschland für seine Nachbarn, für Gesamteuropa und damit auch für Globalkonstellationen. Bundesrepublik und Westalliierte setzten ihre Akzente hinsichtlich des Transformationsprozesses und seiner angestrebten Resultate anders, als es der Kreml tat.41 Die Bundesrepublik zielte auf den schnellen und vollständigen Abschluss der Vereinigung nach Artikel 23 des Grundgesetzes. Zum Zeitpunkt der i­nneren Einheit sollte das neue Deutschland zugleich vollständige Souveränität und in­ 40 Bericht über Treffen der Außenminister der Warschauer Pakt-Staaten, 19.3.1990, in: Lehmann, Außenpolitik, 527. 41 Zur internationalen Einbettung vgl. insbesondere Alexander von Plato, Die Vereinigung Deutschlands – ein weltpolitisches Machtspiel. Bush, Kohl, Gorbatschow und die geheimen Moskauer Protokolle, Lizenzausg. der 2.  durchgeseh. Aufl. (Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2003); Mary E. Sarotte, The struggle to create post-Cold War Europe (Princeton: Princeton Univ. Press, 2009); Adomeit, Imperial overstretch; Kramer/Smetana (eds.), Imposing, maintaining, and tearing open the Iron Curtain. Für die Zielvorstellungen der einzelnen Beteiligten vgl. Anm. 12, dazu als knappe Auswahl Werner Weidenfeld/­ Peter M. Wagner/Elke Bruck, Außenpolitik für die deutsche Einheit. Die Entscheidungsjahre 1989/90 (Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1998); Philip Zelikow/Condoleezza Rice, Germany unified and Europe transformed. A study in statecraft (Cambridge: Harvard University Press, 1995); Klaus-Rainer Jackisch, Eisern gegen die Einheit: ­Margaret Thatcher und die deutsche Wiedervereinigung (Frankfurt/Main: Societätsverlag, 2004); Norbert Himmler, Zwischen Macht und Mittelmaß. Großbritanniens Außenpolitik und das Ende des Kalten Krieges. Akteure, Interessen und Entscheidungsprozesse der britischen Regierung 1989/90 (Berlin: Duncker&Humblot, 2001); Frédéric Bozo, Mitterrand, the end of the Cold War, and German unification (Oxford: Berghahn, 2009); Ulrich Lappenküper, Mitterrand und Deutschland. Die enträtselte Sphinx (München: Oldenbourg, 2011).

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ternationale Gleichberechtigung erlangen, ohne gesamtalliierte Vorbehalts- und Sonderrechte, mit freier Bündniswahl und selbstbestimmter Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Dass sich das neue Deutschland in transatlantische und europäische Bindungen einfügte, war in Bonn unstrittig, auch wenn christlich-demokratische und liberale Vorstellungen über die jeweilige Ausgestaltung zum Teil variieren mochten. Das Einverständnis Moskaus war für die Einheit unverzichtbar und konnte nicht einseitig erzwungen werden. Der entsprechende Annäherungsprozess würde die Grundlage für spätere solide und enge Beziehungen zu einer Sowjetunion bilden, in der sich Gorbatschows Visionen realisiert hätten. Für die Globalmacht USA stand außer Frage, dass die amerikanische Stellung in Europa und der Welt durch die Vereinigung keine Einbußen erleiden durfte. Vom Standpunkt Washingtons gesehen hatte sich der gesamte Einheitsprozess in Abrüstungs-, Entspannungs- und Ordnungsinteressen der USA einzufügen. Die Zugehörigkeit des neuen Deutschlands zu den EG, insbesondere jedoch zur NATO, als dem bevorzugten Instrument amerikanischer Außen- und Sicherheitspolitik, stand daher nie zur Debatte. Von Washington aus gesehen war die UdSSR in Teilen ein unverzichtbarer Ansprech- und Kooperationspartner. Man wollte aber auf keinen Fall störenden und gegebenenfalls inkompatiblen Ordnungsprinzipien wieder dauerhaft zu alter Größe verhelfen. Auf der Basis globaler Führungsansprüche, die eigene Lehren aus der Blockkonfrontation zogen, begrüßte Washington die Ausdehnung angeblich „westlicher Werte“ – wie Demokratie, Selbstbestimmung und freie Marktwirtschaft – zum Wohle amerikanischer Einflussmöglichkeiten und eben auch auf Kosten eines reformierten sozialistischen Imperiums.42 Immerhin, so das Bewusstsein im Weißen Haus, „haben wir uns durchgesetzt, sie nicht. Wir können nicht zulassen, dass die Sowjets ihre Niederlage in letzter Minute abwenden.“43 Im Übrigen wurden diese Ziele aus Sicht der amerikanischen Führung erreicht: „Durch Gottes Gnade hat Amerika den Kalten Krieg gewonnen“, proklamierte George Bush am 28. Januar 1992 in seiner Rede zur Lage der Nation.44 Frankreichs Präsident Mitterrand strebte nach Einsicht in die Unumgänglichkeit der Wiedervereinigung vor allem danach, das neue Deutschland fest und unwiderruflich in ein integriertes und handlungsfähiges Europa einzubinden. Hier hatten neben der NATO vor allem eine ausgebaute EU und die weiterentwickelte KSZE in aktiver Kooperation und adäquater Einbeziehung Osteuropas inklusive einer stabilen, reformierten UdSSR alte Kriegsgespenster zu vertreiben. 42 Vgl. die Debatte auf dem amerikanisch-sowjetischen Gipfel auf Malta, 2./3.12.1989, in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 252–254. 43 George Bush/Brent Scowcroft, A world transformed (New York: Knopf, 1998), 253. Vgl. Stephen G. Brooks/William C. Wohlforth, Economic constraints and the turn towards superpower cooperation in the 1980s, in: Olav Njøstad (ed.), The last decade of the cold war. From conflict escalation to conflict transformation (London: Cass, 2004), 83–117, hier 1­ 05–106. 44 George Bush, State of the Union Address, 28.1.1992, (http://www.presidency.ucsb.edu/ws/ index.php?pid=20544; zuletzt abgerufen am 8. Dezember 2015).

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„Wenn die West-Integration stehen bleibe, gehe sie zurück“, hatte Mitterrand bereits Ende 1989 erläutert. „Wenn sie zurückgehe, würden die Verhältnisse in Europa grundlegende Änderungen erfahren und neuere privilegierte Bündnisse entstehen. Es sei sogar nicht ausgeschlossen, dass man in die Vorstellungswelt von 1913 zurückfalle. Das Europa von 1913 sei aber voller Bedrohungen gewesen“45 – einschließlich eines aller Orten ungezügelten Nationalismus und eines ungebundenen ungeteilten Deutschlands, durfte man Mitterrands Überlegungen in Deutschland stillschweigend ergänzen. Wie brisant der Zerfall der Blockstrukturen in Europa tatsächlich war, sollte sich nicht nur in der UdSSR selbst, sondern noch 1991 in Jugoslawien zeigen. Britische Vertreter schließlich bemühten sich derweil hauptsächlich um Schadensbegrenzung. Margaret Thatchers intransigente Haltung in der Deutschlandfrage hatte das Land 1989/90 zum „least important“ Akteur auf westlicher Seite gemacht.46 Diplomaten und politische Opponenten der Premierministerin wollten nun durch Übernahme der von den westlichen Vorreitern entwickelten Gesamtszenarien weitere britische internationale Stellungs- und Prestigeverluste verhindern. Andere substantielle Gestaltungsinteressen meldete London nicht an. Auch wenn sich zwischen den einzelnen westlichen Standpunkten mitunter deutliche Lücken auftaten und die Prioritäten voneinander abwichen, so waren sie doch in relevanten Kernfragen deckungsgleich: der Notwendigkeit friedlicher Transformation in Europa, der Zugehörigkeit Deutschlands zur NATO und seiner Einbindung in europäische Strukturen. Aktueller Konsens herrschte auch darüber, dass diese Ziele – zunächst einmal – mit Gorbatschows UdSSR als Verhandlungspartner erreichbar waren. Vor dem Hintergrund der hier skizzierten Gesamtinteressen ergaben sich in den Verhandlungen ab Februar 1990 in einigen wichtigen Komplexen schnell Übereinstimmung oder überraschende Lagerbildungen. So war der deutsche Verzicht auf ABC-Waffen für alle Beteiligten unstrittig. Er fand letztlich problemlos seinen Weg in die abschließenden Vertragswerke. Hinsichtlich der polnischen Westgrenze ergab sich eine unübliche Konstellation, da die Großen Vier, die DDR und in der Bundesregierung Hans-Dietrich Genscher hier unverzüglich verbindliche Regelungen forderten, die Kohl aus innenpolitischen Gründen noch bis zum nächsten Wahlsieg vertagen wollte. Angesichts eines grundlegenden Konsenses in der Sache ließ sich das Problem auch im Sinne Moskaus ­lösen. In der Frage aller Fragen jedoch, der Bündniszugehörigkeit Deutschlands, stellten sich alle Gespräche indes tatsächlich als „Mechanismus ‚1+4‘“ dar, bei dem „‚eins‘ die Sowjetunion […] und Deutschland […] bei den westlichen Vier“ war.47 45 Gespräch Mitterrand mit Genscher, 30.11.1989, in: Hilger, Diplomatie, 56–61, hier 58. 46 Britischer Botschafter, Christopher Mallaby, an Außenminister Douglas Hurd, 5.1.1990, in: Patrick Salmon/Keith Hamilton/Stephen Robert Twigge (eds.), Documents on British Policy Overseas. Series III, Volume VII: German Unification 1989–1990 (London: Routledge, 2010), 190. Vgl. Beitrag von Hinnerk Meyer in diesem Band. 47 Gespräch Gorbatschow mit Baker, 18.5.1990, in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 406–413, hier 412.

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Der Anfang 1990 anvisierte Schulterschluss mit Großbritannien und Frankreich erwies sich als Schimäre. Die Abfolge interner Debatten und internationaler Versuchsballons muss hier nicht im Detail beschrieben werden.48 Sowjetische Ideen reichten von Neutralität oder Doppelmitgliedschaften Deutschlands in NATO und Warschauer Pakt, einem deutschen Status à la Frankreich in der NATO oder dem Beitritt der UdSSR in die NATO bis hin zur Auflösung beider Bündnisse, von vollständiger sowjetischer Verweigerungshaltung bis hin zu Forderungen nach Höchstpreisen. Bis Ende Mai 1990, endgültig bis Mitte Juli 1990 setzte sich bei Gorbatschow die Einsicht durch, dass die UdSSR in der gegebenen außenpolitischen Konstellation, im Rahmen ihrer innen- und außenpolitischen Grundparameter und angesichts ihrer durch die internen Krisensituationen und den Kreditbedarf arg begrenzten aktuellen Handlungsspielräume die NATO -Mitgliedschaft des vereinten Deutschlands nicht verhindern konnte. Es wäre sicherlich verfehlt, die sowjetische Entscheidungsfindung auf einen einfachen Konnex zwischen deutschen Wirtschaftshilfen und sowjetischer Zustimmung zu reduzieren. Ein Blick auf japanische Bemühungen um die umstrittenen Inseln des Kurilen-Archipels kann, auch wenn die sowjetisch-japanischen Streitigkeiten eine andere Vorgeschichte hatten und anderen Charakters waren, zusätzlich vor derlei Verkürzungen bewahren. Den unverblümten Vorschlag des Generalsekretärs der Liberal-Demokratischen Partei Japans, Ytiro Ozawa, territoriale Konzessionen der UdSSR mit „beträchtliche[r] Wirtschaftshilfe“ zu prämieren, wies Gorbatschow noch Ende März 1991 pikiert zurück. Ein „Kuhhandel als Methode der Geschäftsführung“ sei „nicht nur für den Dialog zwischen Japan und der Sowjetunion, sondern generell absolut inakzeptabel“ und einer Großmacht wie der UdSSR unwürdig.49 Stattdessen schwebte Gorbatschow auch 48 Wichtige Gegenpositionen in der Außenpolitik formulierten etwa Politbüro-Mitglied­ Jegor K. Ligatschew, der Leiter der Internationalen ZK-Abteilung, Valentin Falin sowie militärische Spitzenkräfte: Rede Ligatschew auf Plenum ZK KPdSU, 16.3.1990, in: Karner/ Kramer/Ruggenthaler/Wilke, Der Kreml, 214–219; Bericht Parlamentarischer Militärausschuss an Vorsitzenden des Obersten Sowjets, 12.6.1990, ibd., 287–292; Erster Stellv. Verteidigungsminister, M. Moiseew, an Stellv. Außenminister Julij Alexandrowitsch Kwizinskij, 12.7.1990, ibd., 299–306; Biermann, Zwischen Kreml und Kanzleramt, 585–589, 665–674; Valentin Falin, Konflikte im Kreml. Zur Vorgeschichte der deutschen Einheit und Auflösung der Sowjetunion (München: Blessing, 1997), 192–199. 49 Gorbatschow, Erinnerungen, 798. Vgl. hierzu bereits Tuomas Forsberg, Power, interests and trust: explaining Gorbachev’s choices at the end of the Cold War, in: Review of International Studies 25 (1999), 605–621. Insgesamt vgl. Sergey Radchenko, Unwanted visionaries. The Soviet failure in Asia at the End of the Cold War (Oxford: Oxford University Press, 2014), 251–301. Bezeichnend Äußerungen Gorbatschows in Gesprächen mit Teltschik und den Vorsitzenden von Deutscher und Dresdner Bank, 14.5.1990: „Wenn es um die Gewährung von Krediten zu Vorzugsbedingungen auf staatlicher Ebene geht, dann muss man natürlich schauen, mit wem man es zu tun hat und wer vor einem steht: Polen, Bulgarien, Indien oder eine Großmacht wie die Sowjetunion.“ Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 395–405, hier 398.

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hier vor, „die Lösung der anstehenden Probleme im Rahmen einer allmählichen und allseitigen Verbesserung der Beziehungen in Angriff zu nehmen.“ Die vom Präsidenten der UdSSR 1991 gleichfalls ins Spiel gebrachten „regionalen und internationalen Wandlungen“ konnten Japan 1991 im Gegensatz zu Deutschland 1990 nicht nützen. Insgesamt reichte weder der internationale Gesamtgehalt des Territorialstreits in Asien an die Brisanz der deutschen Frage in Europa heran, noch stellte sich das bilaterale Verhältnis als ausreichend gefestigt, geschweige denn als kooperative enge Verbindung dar. Vor dieser Folie erscheinen substantielle deutsche Angebote noch deutlicher als Teil eines vertrauensschaffenden internationalen Gesamtpakets. „Nötig ist eine Synchronisierung von Politik und Wirtschaft“, hatte Gorbatschow deutschen Kreditgebern zu verstehen gegeben, „die Unterstützung der Politik durch ein zuverlässiges wirtschaftliches Fundament. Ohne Wirtschaft keine Zukunft.“50 Zugleich stellten die Wirtschaftshilfen den dringend notwendigen „Sauerstoff“ für Gorbatschow dar, der den mit seinem politischen Überleben verbundenen Reformprozess am Laufen und den Generalsekretär damit an der Macht halten sollte.51 Dies kam, wie gesehen, 1990 auch allen westlichen Verhandlungspartnern Moskaus entgegen. Im Ganzen wurde der Zugewinn der NATO in Gorbatschows Augen durch konkrete Schritte in der konventionellen Abrüstung, die Institutionalisierung der KSZE , militärische Beschränkungen der Bundeswehr, konkrete Einschränkungen der NATO in Ostdeutschland, die Reformbereitschaft der NATO und ihre Bereitschaft zur politischen und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Moskau, durch ausreichende Abzugsfristen der sowjetischen Armee aus der ehemaligen DDR , den deutsch-sowjetischen Generalvertrag sowie durch die erwähnten bundesdeutschen Finanzhilfen und die Aussicht auf vergleichsweise intensive Wirtschaftsbeziehungen mit Bonn auf erträgliche Art und Weise abgefedert. Diese westlichen Beiträge ermöglichten der UdSSR 1990 die Zustimmung ohne zusätzliche, unmittelbar dramatische innen- oder außenpolitische Zuspitzungen. Sie konnten dank der Entwicklungen der amerikanisch-sowjetischen, insbesondere aber auf Basis der bundesdeutsch-sowjetischen sowie der sowjetisch-französischen Beziehungen seit Ende der 1980er-Jahre ihre Wirkung entfalten. Das diplomatische Geschick, das Hans-Dietrich Genscher in den vielfältigen Verhandlungsmarathons der Monate an den Tag legte, erwies sich auch deswegen als so wertvoll, weil sich Gorbatschow schon im Frühjahr wieder „beunruhigt“ darüber zeigte, ob etwa die USA die akute Schwäche der UdSSR nicht doch nur ausnutzen wollten.52 Genscher ist es in den mitunter k­ ontroversen 50 Gorbatschow im Gespräch mit Horst Teltschik und den Vorsitzenden von Deutscher bzw. Dresdner Bank, Hilmar Kopper und Wolfgang Röller, 14.5.1990, in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 395–405, hier 401. 51 Ibd., 398. 52 Gorbatschow im Gespräch mit Baker, 18.5.1990, in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 406–413, hier 407; Gespräch Gorbatschow mit Teltschik, Kopper und Röller, 14.5.1990, ibd., 395–405, hier 396, 399, 401. Zu Genscher vgl. bereits die ambivalente Wür-

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Diskussionen offensichtlich gelungen, sein Pendant Schewardnadse sowie Gorbatschow selbst von Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit, gutem Willen und langfristigen Kooperationsperspektiven gerade der Bundesrepublik, aber auch ihres gesamten Bündnisses weitgehend zu überzeugen. In den Protokollen der ausführlichen Präsentationen Genschers, der sensibel sowjetische Einwände aufnahm und abwog, immer wieder neu auf sowjetische Vorbehalte einging, Gemeinsamkeiten unterstrich, Nuancenänderungen erkannte, stets kooperative und gesamteuropäische Dimensionen von Bündnis- und Sicherheitspolitik hervorhob und sich auf graduelle Fortschritte verstand, erscheint der Bundesaußenminister ganz persönlich geradezu als, um eine etwas saloppe Metapher zu benutzen, vertrauensbildende Maßnahme auf zwei Beinen. Gorbatschow entschied sich nicht für die deutsche NATO -Mitgliedschaft, sondern er fügte sich der Entwicklung. Nimmt man frühe Überlegungen Moskaus über sowjetische Zielvorstellungen zum Maßstab, so konnten die Verträge und Abmachungen zur deutschen Einheit in ihrer Gesamtheit allerdings auch als weitgehende Erfüllung wichtiger Ziele angesehen werden: Europäische Grenzen, vor allem die polnische Grenze, sowie gesamteuropäische Annäherungsprozesse waren durch den Vereinigungsprozess nicht gefährdet, der Übergang in ein neues Deutschland wurde friedlich abgewickelt und international eingebettet. Hoffnungen auf den Ausbau sowjetisch-deutscher Wirtschaftsbeziehungen sowie Forderungen nach unverminderter sowjetischer Sicherheit waren erfüllt.53 Die abschließende Regelung der deutschen Frage sollte in Gorbatschows Kalkül nicht nur vielfache internationale Problemlagen auflösen, die sich auf verschiedenen Ebenen aufgetan hatten. Die umfassenden Vereinbarungen hatten auch nationale Gefahren einzudämmen, indem die internationale Unterstützung und Gesichtswahrung innere Fronten zu beruhigen und Destabilisierungsprozesse innerhalb der UdSSR beenden half. Es war für die eigentlichen Prioritäten Gorbatschows oder vielmehr für die Unmittelbarkeit unterschiedlicher Bedrohungen bezeichnend, dass sich der Präsident im Juli 1990 nur „en passant“ auf den Gipfel mit Kohl vorbereitete. „Der XXVIII. Parteikongress forderte seine ganze Zeit und Energie.“54 Wenn der frühere US -Außenminister Dean ­Acheson davon ausging, dass „80 percent of the job of making foreign policy“ darin bestünden, die innenpolitischen Voraussetzungen so zu organisieren, dass man

digung in von Plato, Die Vereinigung Deutschlands, 214–215. Zum Verhältnis Kohl-Genscher 1989/90 insgesamt auch Weidenfeld/Wagner/Bruck, Außenpolitik. Ausführlich nun Gerhard A. Ritter, Hans-Dietrich Genscher, das Auswärtige Amt und die deutsche Vereinigung (München: Beck, 2013). 53 Gorbatschow im Gespräch mit Beratern, 13.2.1990, in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 342–343. Vgl. zu positiven Würdigungen in offiziellen oder ggf. offiziösen Medien in Biermann, Zwischen Kreml und Kanzleramt, 754–755. 54 Valentin Falin, Politische Erinnerungen (München: Droemer Knaur, 1993), 493–494, hier 493. Vgl. Beratungspunkte von Februar bis Juli 1990 gem. Černjaev, V Politbjuro CK KPSS , 485–520.

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überhaupt eine Politik hatte, so lag dieser Anteil für Gorbatschow in der Zeit offenkundig noch erheblich höher.55 Gorbatschow ging natürlich davon aus, dass er die internationalen und vor allem die bundesdeutschen wirtschaftlichen und politischen Schecks für die UdSSR auch noch würde einlösen können. Das verzweifelte Feilschen Gorbatschows um höhere Finanzzusagen im September 1990 unterstrich die anhaltend prekäre Position des Präsidenten und der UdSSR .56 Knapp zwei Monate später ordnete Gorbatschow noch auf dem Rückflug aus dem wiedervereinigten Deutschland als eine der nächsten Aufgaben im deutsch-sowjetischen Verhältnis an: „Zu Sendungen aus Deutschland an unsere Bevölkerung im Rahmen humanitärer Hilfe: Alle Türen öffnen. Und Anweisung an unser Zollamt: keine Zollgebühren nehmen.“57 Die Hoffnungen, die der Generalsekretär 1990 hegte, erfüllten sich nicht. Innere Fliehkräfte im Restimperium und innerhalb der UdSSR selbst strebten unaufhaltsam weiter auseinander. Die UdSSR als Basis einer neuen Weltordnung zerfiel. Von daher ist es erst einmal müßig, darüber zu spekulieren, welche Qualität die neu begründeten bilateralen und internationalen Verbindungen erreicht hätten. Blickt man auf die letzten internationalen Aktivitäten der UdSSR und auf die darauf folgenden russisch-deutschen sowie russisch-westlichen Beziehungen zurück, lässt sich jedoch erkennen, dass der angestrebte Neubeginn ab 1990 angesichts des langjährigen Erfahrungshaushalts auf beiden Seiten, unter dem Einfluss tief eingebrannter Selbst- und Fremdbilder des jahrzehntelangen Kalten Kriegs sowie aufgrund zahlreicher Altlasten aus Kriegs- und Vorkriegsjahren in jedem Fall beschwerlich gewesen wäre. Im bilateralen Verhältnis führten etwa Spätfolgen der Enteignungen von 1945 bis 1949 zu einigen Irritationen. Die Regelung deutscher Entschädigungsleistungen für ehemalige Zwangsarbeiter sowie für ehemalige Kriegsgefangene aus der UdSSR erwies sich als zäher Prozess, bei dem öffentliche oder politische Diskussionen immer wieder zu problematischen Aufrechnungsversuchen führten und generelle Diskrepanzen in historischen Bewertungen aufzeigten. Rehabilitierungen Deutscher, die von sowjetischen Gerichten in den 1940er- und 1950erJahren verurteilt worden waren, und der Komplex der „Beutekunst“ waren bzw. sind weitere unerledigte Erblasten aus Krieg und unmittelbarer Nachkriegszeit. Es waren nicht nur Wunden der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegsjahre, die erst noch vollständig verheilen mussten. Die ostdeutsch-sowjetischen Beziehungen hinterließen eigene Probleme, wenn es etwa um ökonomische und ökologische Auswirkungen von sowjetischen Militärstützpunkten und Übungsplätzen ging. Temporäre Schwierigkeiten ergaben sich aus der weiteren Anwesenheit der sowjetischen Kontingente: Asyl für desertierte Soldaten, Alltagsstreitigkeiten 55 Sarotte, The struggle, 120. 56 Telefonat Gorbatschow mit Kohl, 10.9.1990, in: Galkin/Tschernjajew, Michail ­Gorbatschow, 520–523. 57 Direktiven Gorbatschows, 10.11.1990, ibd., 579–581, hier 581.

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oder die Frage nach einer adäquaten und würdigen endgültigen Verabschiedung der sowjetischen Truppen im weiteren Kontext des Ratifizierungsprozesses der Verträge in der UdSSR 1991 belegten einmal mehr, dass sich das deutsch-sowjetische (und später deutsch-russische) Miteinander in verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Sphären als recht fragil darstellte. Die – vor den aktuellen Spannungen im Zuge der Krim- und Ukrainekrise ab 2014 – größten Belastungen der internationalen Beziehungen Russlands zum Westen im 1990 gefundenen Ordnungsgefüge ergaben sich jedoch aus einer Mischung von sicherheitspolitischen und Prestigeproblemen, die im Zusammenhang der NATO -Osterweiterungen zu Tage traten.58 Es versteht sich von selbst, dass die Ausdehnung der NATO oder Diskussionen um Beitrittskandidaten ohne den Zerfall der UdSSR nicht die späteren Ausmaße hätten annehmen können. Da die post-sowjetischen Debatten jedoch immer wieder auf die Verhandlungen von 1990 zurückkamen und -kommen, lohnt sich abschließend der Blick zurück. Es ist in Kenntnis der zahlreichen Archivalien und Erinnerungen nicht zu bestreiten, dass die Frage einer NATO -Osterweiterung über das Gebiet der DDR hinaus in den sowjetisch-westlichen Gesprächen 1990 kein eigenes Thema war und dass es keine formellen Absprachen, geschweige denn verbindliche westliche Zusagen hierzu gegeben hat.59 Umgekehrt, aus sowjetischer und nachfolgender russischer Sicht ließen sich verschiedene Äußerungen respektive das damalige Schweigen jedoch auch als frühe implizite – im zeitgenössischen Kontext geradezu selbstverständlich empfundene – allgemeine Verständigung mit maßgeblichen NATO -Mitgliedern über das zukünftige Miteinander in Europa und in der Welt und entsprechende Entwicklungen der Bündnisse auffassen. „Wir verstehen“, erklärte Baker am 9. Februar 1990 der sowjetischen Führung, „dass es nicht nur für die Sowjetunion, sondern auch für die anderen europäischen Länder wichtig ist, Garantien dafür zu haben, dass […] die Jurisdiktion oder militärische Präsenz der NATO in östlicher Richtung um keinen einzigen Zoll ausgedehnt wird. Wir sind der Meinung, dass die Konsultationen und Beratungen im Rahmen des ‚2+4‘-Mechanismus Garantien dafür geben müssen“, so Baker entgegenkommend, „dass die Vereinigung Deutschlands nicht zu einer Ausdehnung der militärischen Organisation nach Osten führt.“ Als Gorbatschow abschließend noch einmal betonte, dass „eine 58 Die NATO -Problematik stand dabei generell auch im allgemeinen Zusammenhang mit Diskrepanzen hinsichtlich internationaler Entwicklungen u. a. im Nahen und Mittleren Osten, in Jugoslawien und im post-sowjetischen nicht-russischen Raum sowie zu diversen Unstimmigkeiten bei Abrüstungsmaßnahmen. Zur russischen Außenpolitik nach 1991 als Überblicke vgl. Robert H. Donaldson/Joseph L. Nogee/Vidya Nadkami, The foreign policy of Russia. Changing systems, enduring interests (Armonk: Sharpe, 52014); Andrej P. Cygankov, Russia and the West from Alexander to Putin. Honor in international relations (Cambridge: Cambridge University Press, 2012); Jewgenij Primakow, Im Schatten der Macht. Politik für Russland (München: Herbig, 2001). 59 Karner/Kramer/Pavlenko/Ruggenthaler/Wilke, Der Kreml, 62–67 mit den entsprechenden Literaturhinweisen.

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Ausdehnung der NATO -Zone inakzeptabel ist“, stimmte Baker lapidar zu.60 Ähnlich legte sich Genscher am 10.  Februar 1990 gegenüber Schewardnadse darauf fest, dass die NATO „sich nicht nach Osten ausdehnen“ werde. Auch hier war das Gespräch eindeutig auf die DDR gemünzt, aber: „Wichtig sei, dass wir vertrauensvoll miteinander sprächen. Was im übrigen die Nichtausdehnung der NATO anbetreffe, so gelte dieses ganz generell.“61 „Wir sind der Meinung, dass die NATO ihren Wirkungsbereich nicht ausdehnen sollte“, unterstrich Kohl noch am selben Tag auf höchster Ebene.62 Dass die NATO sich nicht „nach Osten“ ausdehnen würde, derlei pauschale Aussagen findet man nach März 1990 in den vorliegenden Protokollen der Gipfelgespräche nicht mehr. Die Diskussionen fokussierten sich nun ganz auf die aktuell anstehende, konkrete Umsetzung der NATO -Mitgliedschaft Deutschlands mit den Sonderbestimmungen für das Territorium der DDR , auf das Verhältnis der Bündnisse zueinander und damit auch auf die politische Neuorientierung der Westallianz. Mit Blick auf weiter östlich gelegene Gegenden begnügte sich Baker nun mit der Zusicherung, dass die Washingtoner „Politik nicht darauf gerichtet ist, Osteuropa von der Sowjetunion loszureißen“.63 Mögliche freiwillige Beitritte zentral- oder osteuropäischer Staaten wurden mit dieser Sprachregelung nicht einmal mehr implizit berührt. Die terminologischen Verschiebungen spiegelten als Konkretisierungen die amerikanische und bundesdeutsche Linie hinsichtlich der Integration des DDRGebiets wider.64 Zugleich agierte man in Washington zumindest im März 1990 jedoch mit einem längerfristigen, weiter gespannten Erwartungshorizont. B ­ aker ging davon aus, dass sich „zentraleuropäische Staaten der NATO anschließen [wollten]“.65 Diese US -Einschätzung war auch Bundesaußenminister Genscher bekannt. Er selbst hatte bereits Anfang Februar 1990 in innerwestlichen Diskussionen über die NATO -Zugehörigkeit nicht nur die DDR , sondern auch andere zentraleuropäische Staaten als entsprechenden potentiellen wunden Punkt der UdSSR erkannt.66 „[D]ies sei eine Frage, an der wir gegenwärtig nicht rühren 60 Gespräch Baker mit Schewardnadze, 9.2.1990, in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 310–316, hier 312, 315–316. 61 Gespräch Genscher mit Schewardnadze, 10.2.1990, in: Hilger, Diplomatie, 98–105, hier 102. 62 Gespräch Kohl mit Gorbatschow, 10.2.1990, in: Galkin/Tschernjajew, Michail Gorbatschow, 317–333, hier 322. 63 Gespräch Baker mit Gorbatschow, 18.5.1990, in: ibd., 406–413, hier 407. 64 Hiervon sind auch die bisherigen Debatten bestimmt, vgl. Sarotte, Not one inch eastward; Kristina Spohr, Precluded or precedent-setting? The „NATO enlargement question“ in the triangular Bonn-Washington-Moscow diplomacy 1990/91, in: Journal of Cold War Studies 14 (2012) 4, 4–54; Mark Kramer, The myth of a no-NATO -enlargement-pledge to Russia, in: Washington Quarterly 32 (2009) 2, 39–61. 65 Gespräch Genscher mit Baker, 21.3.1990, in: Hilger, Diplomatie, 109–113, hier 113. 66 Gespräch Genscher mit Hurd, 6.2.1990, in: Salmon/Hamilton/Twigge, German Unification 1989–1990, 261–264, dazu Stellv. Leiter Ministerbüro, Bernd Mützelburg, 7.2.1990, PA AA , 178.927 E.

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sollten“, war Genscher sich allerdings mit Baker einig.67 Indem man Zukunftspotentiale nicht thematisierte, vermied es die Allianz in Gestalt ihrer amerikanischen und deutschen Vertreter, sich den Weg zur Einheit zusätzlich zu erschweren. Zugleich hielt man der NATO alle Zukunftsoptionen offen. Die sowjetische Führung blieb ganz auf die direkten und konkreten Bedingungen des Einheitsprozesses und das eigene Überleben fokussiert. Sie hat für die Analyse weitergehender Möglichkeiten keine Zeit gefunden oder aber dafür weder das notwendige Gespür, die Konsequenz noch das ausreichende Verständnis aufgebracht, trotz früher signifikanter Auflockerungserscheinungen im eigenen Bündnissystem und klarer Signale osteuropäischer Staaten hinsichtlich der eigenen autonomen Orientierung nach Westeuropa.68 In gewisser Hinsicht spiegelte die Asymmetrie in Vorstellungshorizonten und Grundannahmen die unterschiedlichen Zugänge der Großmächte 1990 wider: Gorbatschow hatte sich noch keineswegs von der Vorstellung gelöst, dass Globalpolitik nur mit der UdSSR zu gestalten war. Seiner Überzeugung nach würde die reformierte Sowjetunion in neuen Ordnungen ihre europäische und internationale Stellung behalten, die Augenhöhe zur USA würde gewahrt  – auf dem Weg zu diesem Ergebnis, so das Axiom, würden Partner mit einem angenommenen gemeinsamen Ziel vor Augen nicht an den internationalen Balancen rühren. Die USA dagegen waren, zugespitzt ausgedrückt, darum bemüht, die Früchte ihres, wie man es wahrnahm, Sieges im Kalten Krieg einzufahren. Spätere Debatten um neue NATO -Mitgliedschaften in Zentral- und Nordeuropa würden in der Suche nach historischen Argumenten immer wieder Diskrepanzen zwischen altimperialen Ansprüchen, die nicht aufgegeben bzw. erneut aufgegriffen werden sollten, auf der einen und einem neuen Ausgreifen innerhalb traditioneller imperialer Denkmuster auf der anderen Seite offenlegen. „Der Westen und insbesondere die USA hätten ihre Versprechen nach der Wende von 1989 nicht eingehalten“, hat Gorbatschow, wahrlich kein bedingungsloser Anhänger Putins, Ende 2014 Moskauer Perspektiven auf 1990 beschrieben. Damit meinte er nicht angebliche Versprechen, die eine NATO -Osterweiterung ausgeschlossen hätten – diese seien ein „Mythos“, stellte Gorbatschow in seinem Interview mit dem ZDF klar. Aber im Westen „habe man sich zum Sieger des Kalten Krieges erklärt. Den Politikern im Westen seien Euphorie und Triumphalismus zu Kopfe gestiegen.“ Anstatt die Vision einer globalen kooperativen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit Moskau zu verfolgen, hätten sie „Russlands Schwäche ausgenutzt und das Monopol auf Führung in der Welt erhoben“.69 Die vereinigte Bundesrepublik stand und steht vor der schwierigen Aufgabe, sich in Konfliktlagen, in denen sich Grundmuster früherer Blockkonstellationen 67 Gespräch Genscher mit Baker, 21.3.1990, ibd., 109–113, hier 113. 68 Biermann, Zwischen Kreml, 272–273, 454–455. 69 Gorbatschow sieht in NATO -Osterweiterung keinen Wortbruch, Zeit online, 9. November 2014 (http://www.zeit.de/politik/ausland/2014–11/nato-osterweiterung-gorbatschow, zuletzt abgerufen am 22. Dezember 2015).

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mit Herausforderungen neuer internationaler Dynamiken vermengen, zu positionieren. In diesem Sinne musste auch die deutsche Außenpolitik 1989/90 entwickelte Konzeptionen und Instrumentarien auf eine internationale Landschaft einstellen, aus der ein trotz aller Änderungen gewohnter Bezugspunkt gänzlich verschwunden war.

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Participation on limited cooperation – Großbritanniens schwierige Rolle im deutschen Einigungsprozess 1989/90 I. Einführung „Wir haben aufgehört, im Zentrum des deutschen Radarschirms zu sein,“ schrieb der Botschafter des Vereinigten Königreiches in der Bundesrepublik Deutschland, Sir Christopher Mallaby, Ende November 1990, gut vier Wochen nach Vollzug der deutschen Einheit, an das Foreign Office in London und fügte eine besorgniserregende Prognose bei: „Deutschland sieht die USA und Frankreich als seine wichtigsten Partner an, und seine Prioritäten, was die Verbesserung von Beziehungen angeht, liegen bei der Sowjetunion und bei Polen“.1 Was mochte den besonnenen Cambridge Absolventen und erfahrenen Spitzendiplomaten zu diesen harschen, ja aus diplomatischer Sicht gar düsteren Prognosen veranlasst haben? Als Speerspitze der britischen Gesandtschaft in Bonn hatte Christopher Mallaby an geschichtsträchtiger Position die ereignisreichen Monate 1989/90 hautnah mitbekommen. Ihm dürfte vor diesem Hintergrund bewusst gewesen sein, dass das im 20.  Jahrhundert so wechselvolle deutsch-britische Verhältnis so kühl wie schon lange nicht mehr war. Maßgeblich beigetragen zu diesem bilateralen Temperatursturz hatte ausgerechnet jene politische Persönlichkeit Großbritanniens, die wie kaum eine zweite die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ihres Landes nach 1945 verändert hatte: die im November 1990 scheidende Premierministerin Margaret Thatcher. Konsequent und geradlinig, aber nicht minder ambivalent und kontrovers hatte sie sich seit der zweiten Jahreshälfte 1989 gegen den deutschen Einigungsprozess gesträubt – mit Warnungen vor deutschen Hegemonialansprüchen, unverhohlener Kritik an Bundeskanzler Helmut Kohl und konspirativen Treffen mit anderen Staatschefs. Dahinter standen tiefe politische und persönliche Überzeugungen, die sich weniger um die Einheit Deutschlands als solche, sondern um ihre gesamt­ europäischen Konsequenzen und historischen Implikationen drehten. Sie wurden bisweilen von großen Teilen der politischen Elite geteilt, wodurch die Sieger- und Besatzungsmacht Großbritannien im deutschen Einigungsprozess die 1 Sir C. Mallaby to Mr. Hurd, 30.11.1990, in: Patrick Salmon/Keith Hamilton/Stephen Twigge (eds.), Documents on British Policy Overseas, Series III, Volume VII: German Unification 1989–1990, (London: Routledge, 2010), 491–498, 432.

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Rolle eines schwierigen Verhandlungspartners einnahm. Dass Freiheit und Einheit gleichzeitig auftreten konnten, noch dazu eingebettet in einen europäischen Kontext, der auf die Vertiefung des Einigungswerkes abzielte, war für die britische Regierung schwer zu fassen. Dass darüber hinaus die europäische Nachkriegsordnung in Frage gestellt wurde, machte es vor allem der Premier­ ministerin so schwer, eine konstruktive Rolle im deutschen Einigungsprozess einzunehmen. In den folgenden Ausführungen soll die britische Position zur deutschen Frage ausführlich diskutiert werden. Es reicht dabei freilich nicht aus, sich auf die Ereignisse zwischen dem 9.  November 1989 und dem 3.  Oktober 1990 zu konzentrieren. So kann die englische Deutschlandpolitik in diesem Zeitraum nicht losgelöst von den Beziehungen Londons zu den beiden deutschen Staaten ab 1949 betrachtet werden. Davon ausgehend werden diplomatiegeschichtliche Ereignisse der Jahre 1989/90 ebenso Berücksichtigung finden, wie die grundsätzliche Haltung Londons zur deutschen Frage seit 1949 und – damit eng verbunden – zum europäischen Einigungsprozess. Thematisiert werden ferner die Sonderbeziehung Großbritanniens zu den Vereinigten Staaten sowie das wechselhafte Verhältnis zur Sowjetunion. Diese Grundzüge britischer Außenpolitik waren schließlich maßgebend für die britische Deutschlandpolitik 1989/90 und sorgten trotz aller im Folgenden ausführlich zu behandelnden Schwierigkeiten und Probleme letztlich dafür, dass auch Großbritannien in den Zwei-Plus-VierVerhandlungen einen konstruktiven Beitrag zur Wiedervereinigung Deutschlands leistete. Die Literaturlage und der Forschungsstand zu diesem Thema sind unausgewogen. Ein Blick auf das deutsch- und englischsprachige Schrifttum verdeutlicht, dass es eine Vielzahl an Darstellungen, Tagungsbänden, Essays etc. gibt, die sich mit der deutschen Frage beschäftigen und in diesem Zusammenhang auch die britische Position hierzu in den Blick nehmen: Der Schwerpunkt vieler Beiträge liegt häufig auf der britischen Europa- und Bündnispolitik. So haben etwa Stephen George,2 Simone Claber3 oder auch Wolfram Kaiser4 die britische Haltung zur europäischen Einigung in den Blick genommen und dabei die von der bundesdeutschen Position abweichenden Interessen hervorgehoben. Obwohl Bonn stets ein Fürsprecher für die Integration Londons in die Europäische Gemeinschaft war, standen die bilateralen Beziehungen lange Zeit im Schatten der deutsch-französischen Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. Vor allem Kaiser und George haben in ihren Arbeiten deutlich gemacht, dass die erst 1973 vollzogene Eingliederung in ein supranationales Europa im Bewusstsein vieler 2 Stephen George, An awkward partner: Britain in the European Community (Oxford: ­Oxford University Press, 2008). 3 Simone Claber, Großbritannien und die europäische Integration unter besonderer Berücksichtigung ordnungspolitischer Aspekte (Frankfurt am Main: Lang, 2002). 4 Wolfram Kaiser, Using Europe, abusing the Europeans: Britain and European integration 1945–1963 (Basingstoke: Macmillan, 1999) sowie id., Großbritannien und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft 1955–1961: von Messina nach Canossa (Berlin: De Gruyter, 1996).

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Briten mit dem endgültigen Abschied von ihrer Weltmachtstellung gleichgesetzt wurde, während die Deutschen über Europa Ansehen und Gleichberechtigung zurückgewinnen konnten. Fungierte Bonn seit Beginn der europäischen Einigungsbestrebungen in den 1950er-Jahren stets als Motor, blieb London für die Europäer ein schwieriger, ja mitunter gar unberechenbarer Partner, der stets auf der Suche nach Sonderwegen war. Alan Dopson5 und Robert Hathaway6 haben auf sehr anschauliche Art und Weise deutlich gemacht, dass Washington und die Sonderbeziehung zu den USA für London stets von größerer Priorität waren als das Verhältnis zu Bonn, Paris oder Brüssel. Letztlich war und ist die britische Distanz zu Europa, wie sie Roland Sturm7 und Angelika Volle8 in ihren Studien herausgearbeitet haben, auch ein Resultat der besonderen politischen Kultur des Vereinigten König­ reiches. So darf nicht vergessen werden, dass Großbritannien  – was das Verhältnis von zentraler Exekutive und lokalen Entscheidungsebenen angeht – im Vergleich zu Deutschland auf einem anderen demokratischem System basiert, womit sich die britischen Vorbehalte gegen den Gedanken des Föderalismus im bundesstaatlichen Sinne erklären lassen. Was zeitgeschichtliche Studien angeht, die sich dezidiert den deutsch-britischen Beziehungen der Nachkriegszeit und der englischen Politik im deutschen Einheitsprozess 1989/90 annehmen, wird die Auswahl übersichtlicher. Zu nennen sind hier insbesondere die Arbeiten von Klaus Larres9 und Klaus-Reiner Jakisch,10 die sich beide ausführlich der restriktiven Haltung der britischen Premierministerin mit Blick auf die deutsche Frage widmen. Beide kommen zu dem Befund, dass Thatcher die deutsche Einheit nach erbitterter Gegenwehr nur nolens volens akzeptiert hatte. Dagegen haben Wolfgang J. Mommsen,11 Donald C. Watt12 oder auch Sabine Lee13 5 Alan Dopson, Anglo-American Relations in the Twentieth Century: Of Friendship, Conflict and the Rise and Decline of Suprpowers (London: Routledge, 1995). 6 Robert Hathaway, Great Britain and the United States: special relations since World War II (Boston: Twayne, 1990). 7 Roland Sturm, Die britische Westminsterdemokratie: Parlament, Regierung und Verfassungswandel (Baden-Baden: Nomos, 2015). 8 Angelika Volle, Der mühsame Weg Großbritanniens nach Europa, in: Hans Kastendiek/ Karl Rohe/Angelika Volle (eds.), Länderbericht Großbritannien: Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft (Frankfurt am Main: Campus-Verlag, 1995). 9 Klaus Larres, Uneasy Allies: British-German relations and European integration since 1945 (Oxford: Oxford University Press, 2000) sowie id., Margaret Thatcher, das britische­ Foreign Office und die Deutsche Vereinigung, in: Cercles 5 (2002), 165–173; Jürgen Elvert, The European Question and its Impact on Britain’s View of Germany since Reunification, in: Aussenpolitik. Zeitschrift für Internationale Fragen, 4 (1997), 346–357. 10 Klaus-Reiner Jakisch, Eisern gegen die Einheit: Margaret Thatcher und die deutsche Wiedervereinigung (Frankfurt am Main: Societäts-Verlag, 2004). 11 Wolfgang J. Mommsen, Die ungleichen Partner: deutsch-britische Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert (Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1999). 12 Donald Cameron Watt, Britain looks to Germany: British opinion and policy towards Germany since 1945 (London: Wolff, 1965). 13 Sabine Lee, Victory in Europe? Britain and Germany since 1945 (Harlow: Longman, 2001).

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Überblickswerke zu den deutsch-britischen Beziehungen im 19.  und 20.  Jahrhundert bzw. seit 1945 geliefert. Zudem haben Dominik Geppert,14 Daniel­ Gossel15 und Norbert Himmler16 durch ihre Spezialstudien der Erforschung der deutsch-britischen Beziehungen wichtige Impulse geliefert. Letzterer vertritt etwa die These, dass mit dem Umbruch 1989/90 der Wandel Großbritanniens von der Weltmacht zur europäischen Mittelmacht endgültig besiegelt wurde. Dagegen haben sich Henning Hoff17 sowie Stefan Berger und Norman LaPorte18 dezidiert den Beziehungen des Vereinigten Königreiches zum SED -Regime in Ost-Berlin angenommen.19 Dabei ist deutlich geworden, dass sich ein weitgefächertes Beziehungsfeld zwischen beiden Ländern entwickelte, das jedoch zu keinem Zeitpunkt die Qualität des Verhältnisses zwischen Großbritannien und der Bundesrepublik erreichte. Von besonderem Wert für die Untersuchung der deutsch-englischen Beziehungen erweisen sich die Memoiren wesentlicher politischer Protagonisten wie Margaret Thatcher,20 Helmut Kohl21 oder auch Douglas Hurd22 sowie die 2009 veröffentlichten Akten des britischen Außenministeriums zur deutschen Wiedervereinigung,23 die sich nicht nur als eine umfassende Dokumentensammlung herausstellte, sondern zugleich die von Downing-Street No. 10 abweichende Deutschlandpolitik des Foreign Office verdeutlichte. 14 Dominik Geppert, Thatchers konservative Revolution: der Richtungswandel der britischen Torries 1975–1979 (München: Oldenbourg, 2002) sowie id., Der Thatcher-Konsens. Der Einsturz der britischen Nachkriegsordnung in den 1970er und 1980er Jahren, in: Journal of Modern European History 9 (2011), 170–194; sowie: id., Isolation oder Einvernehmen? Großbritannien und die deutsche Einheit, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 67 (2016) 1/2, 5–22. 15 Daniel Gossel, Briten, Deutsche und Europa: die deutsche Frage in der britischen Außenpolitik 1945–1962 (Stuttgart: Steiner, 1999). 16 Norbert Himmler, Zwischen Macht und Mittelmaß: Großbritanniens Außenpolitik und das Ende des Kalten Krieges. Akteure, Interessen und Entscheidungsprozesse der britischen Regierung 1989/90 (Berlin: Duncker & Humblot, 2001). 17 Henning Hoff, Großbritannien und die DDR 1955–1973: Diplomatie auf Umwegen (München: Oldenbourg, 2003). 18 Stefan Berger/Norman LaPorte, Friendly enemies: Britain and der GDR 1949–1990 (New York: Berghahn, 2010). 19 Vgl. auch: Bert Becker, Die DDR und Großbritannien. 1945/49 bis 1973. Politische, wirtschaftliche und kulturelle Kontakte im Zeichen der Nichtanerkennungspolitik (Bochum: Brockmeyer, 1991); Arnd Bauerkämper (ed.), Britain and the GDR . Relations and Perceptions in a divided world (Berlin/Wien: Philo, 2002); sowie die zahlreichen Studien von Marianne Howarth. 20 Margaret Thatcher, The Downing Street Years 1979–1990 (New York: HarperPerennial, 1995). 21 Helmut Kohl, Erinnerungen, 3 Bände, (München: Droemer, 2004–2007), Band 1: Erinnerungen 1930–1982, 2004; Band 2: Erinnerungen 1982–1990, 2005; Band 3: Erinnerungen ­1990–1994, 2007. 22 Douglas Hurd, Memoirs (London: Little/Brown, 2003). 23 DBPO, Series III, Volume VII.

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II.

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Großbritannien und die deutsche Frage 1945–1989

Neben den zu neuen Supermächten aufgestiegenen USA und der Sowjetunion ging Großbritannien – was die militärischen und politischen Ergebnisse des Jahres 1945, aber auch die Selbstwahrnehmung und das Selbstverständnis der Briten betraf  – als bedeutendste Siegermacht aus dem Zweiten Weltkrieg hervor. Sechs Jahre lang (und damit länger als jedes andere Mitglied der Anti-Hitler-­ Koalition) war es gelungen, dem nationalsozialistischen Deutschland und seinen Verbündeten die Stirn zu bieten. Nun erhielt London die Gelegenheit, als Besatzungsmacht den Platz des besiegten Deutschlands im europäischen Nachkriegsgefüge mitzubestimmen und das deutsche Machtpotenzial zu entschärfen.24 Es ist insofern dem Urteil von Anne Deighton zuzustimmen, wonach Großbritannien eine Schlüsselrolle in der Teilung des Landes, dem demokratischen Wiederaufbau Westdeutschlands und dessen Reintegration in die Völkergemeinschaft spielte.25 Für die britische Regierung war die Deutschlandfrage im Wesentlichen von sicherheitspolitischen Überlegungen dominiert: Aus Gründen der Sicherheit sollten die Wiedererstarkung Deutschlands zu einer dominierenden Stellung im europäischen Machtgefüge sowie die Wiederkehr einer rücksichtslosen deutschen Interessenpolitik unter allen Umständen vermieden werden. Insofern kam ein wiedervereinigtes und neutrales Deutschland ebenso wenig in Frage, wie das Szenario eines unter sowjetischer Vorherrschaft stehenden Gesamtdeutschlands. Um beides zu verhindern, verfolgte London einerseits die Schaffung eines europäischen Sicherheitsblocks (Vertrag von Dünkirchen, Brüsseler-Pakt), andererseits eine zukunftsorientierte Strategie, die darauf abzielte, die Deutschen als Partner in eine westliche Sicherheitsarchitektur einzubinden.26 Vor allem die Eskalation des Kalten Krieges trug aus britischer Sicht wesentlich zum Entschluss bei, die Teilung Deutschlands durch Gründung einer demokratischen Bundesrepublik zu unterstützen und diese fest in die westlichen Bündnisstrukturen zu integrieren. Für London avancierte Deutschland so zu einem europäischen battleground, auf dem der Kampf der demokratischen Welt gegen den Herrschaftsanspruch des Sowjetkommunismus ausgetragen wurde. Ein politisch und ökonomisch gefestigtes Westdeutschland war dabei die Conditio sine qua non – sowohl mit Blick auf die ökonomische Regeneration Europas als auch im Hinblick auf das militärische Verteidigungspotenzial gegenüber 24 Yvonne Kipp, Eden, Adenauer und die deutsche Frage. Britische Deutschlandpolitik im internationalen Spannungsfeld 1951–1957 (Paderborn: Schöningh, 2002), 381. 25 Anne Deighton, British West-German Relations 1945–1972, in: Larres, Uneasy Allies: British-German relations and European integration since 1945 (Oxford: Oxford University Press, 2000), 27–44, 32. 26 Vgl. Donald C. Watt, Großbritannien, die Vereinigten Staaten und Deutschland, in: Josef Foschepoth/Rolf Steininger (eds), Britische Deutschland- und Besatzungspolitik 1945–1949 (Paderborn: Schöningh, 1985), 15–27, hier 20–22.

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dem Ostblock.27 Ein wirtschaftlich schwaches Westdeutschland konnte dagegen dem ökonomischen Wiederaufbau Großbritanniens und Europas nur hinderlich sein. So wurde in enger Kooperation mit den Vereinigten Staaten von Amerika der Wiederaufbau der westdeutschen Wirtschaft (und damit auch die ökonomische Teilung des Landes) vorangetrieben, während das Wiederaufleben der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands kritisch beobachtet wurde.28 Die Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 bedeutete die vorläufige Erfüllung der gesellschaftspolitischen Aufgabe, die Westdeutschen zu einem stabilen und verlässlichen Partner zu machen. Im Zuge der Integration der Bundesrepublik in den Westen verpflichtete sich auch Großbritannien, den deutschen Wunsch nach Wiedervereinigung zu unterstützen, aber diese Verpflichtung beruhte auf der Annahme einer dauerhaften Integration zumindest Westdeutschlands in das westliche Bündnis. Aus Londoner Sicht ergab die Deutschlandpolitik der Westalliierten nur in diesem Zusammenhang Sinn. So wurde die Westintegration der Bundesrepublik zwar nicht zur einzigen, aber zu einer wichtigen Funktion des Bündnisses.29 Als Besatzungsmacht sah man sich als eine Art Supervisor, der die ersten außenpolitischen Schritte Bonns mit kritischem Wohlwollen begleitete. Die Idee einer europäischen Einigung, basierend auf Aussöhnung und Partnerschaft zwischen Westdeutschland und Frankreich, wurde durchaus goutiert. Sie war vor allem ein Mittel zum Zweck – denn sie diente der sicherheitspolitischen Entlastung der Briten auf dem Kontinent. Es galt die Devise: We are with Europe, but not out of it. Mit Blick auf das noch bestehende Empire, vor allem aber auf die Sonderbeziehung zu den USA, blieb für Europa nur eine semi-distanzierte Position, indem man sich zwar als Förderer der kontinentaleuropäischen Einigungsbestrebungen sah, jedoch unter keinen Umständen an diesen teilhaben wollte, wenn diese supranationale Strukturen aufwiesen und damit eine Abgabe von nationaler Souveränität verbunden war.30 Diese Grundhaltung wurde bis in die 1960er-Jahre beibehalten, womit London der Montanunion sowie den Römischen Verträgen fern blieb. Dazu passte, dass, anders als im Falle Frankreichs, das eigene Sicherheitsinteresse durch die Teilung Deutschlands und die Einbindung der Bundesrepublik in die NATO ausreichend befriedigt war. Die offizielle britische Haltung zur deutschen Frage blieb dagegen verklausuliert: Gültigkeit hatte die in Artikel 7 des Generalvertrages von 1952 festgehaltene politische Grundabsicht der westlichen Besatzungsmächte, auf ein vereintes Deutschland hinzuwirken: 27 Deighton, British West-German Relations 1945–1972, 33. 28 Siehe dazu Alan S. Milward, Großbritannien, Deutschland und der Wiederaufbau Westeuropas, in: Dietmar Petzina/Walter Euchner (eds.), Wirtschaftspolitik im britischen Besatzungsgebiet 1945–1949 (Düsseldorf: Schwann, 1984), 25–40. Milward zeigt auf, dass es nach 1945 von britischer Seite versäumt wurde, ernsthafte Strategien hinsichtlich der zu erwartenden deutschen Exportkonkurrenz zu entwickeln. 29 Gossel, Briten, Deutsche und Europa, 25. 30 Kaiser, Großbritannien und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, 24–25.

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„Bis zum Abschluss der friedensvertraglichen Regelung werden die Unterzeichnerstaaten zusammenwirken, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel zu verwirklichen: Ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitlich-demokratische Verfassung, ähnlich wie die Bundesrepublik, besitzt und das in die europäische Gemeinschaft integriert ist.“31

Britische Regierungen wurden nicht müde, hinsichtlich der Kontroversen um die deutsche Zweistaatlichkeit auf entsprechende Regelungen zu verweisen. Warum auch? In Zeiten eines von Blockbildung geprägten Europa, in dem eine Änderung des Status quo und damit die Entstehung eines Gesamtdeutschlands nicht in Sicht schienen, fiel das formale Bekenntnis zur Einheit Deutschlands nicht besonders schwer. Anders ausgedrückt lebte es sich an der Themse bequem und gut mit der deutschen Teilung. Vor allem im Zuge der deutschen Ostpolitik und der sich abzeichnenden internationalen Entspannung betonte London seine deutschlandpolitischen Rechte und die sich daraus ergebende Verantwortung. Dies hatte einen guten Grund: Die (seit Beginn der 1970er-Jahre vorherrschende) außenpolitische Devise „Wandel durch Annäherung“ der bundesdeutschen Regierung Brandt/Scheel und vor allem der Moskauer Vertrag32 (August 1970) wurden an der Themse nach außen zurückhaltend und hinter vorgehaltener Hand durchaus kritisch rezipiert, weil man damit sowohl britische Interessen hinsichtlich der deutschen Frage, als auch die eigenen Rechte in Berlin konterkariert glaubte. Darüber hinaus fürchtete man einen massiven Ausbau der deutsch-sowjetischen Handelsbeziehungen auf Kosten britischer Interessen.33 Letztlich brach hier die Furcht vor einem neuen Rapallo34 durch, also einer deutsch-sowjetischen Verständigung auf Kosten des Westens, womit auch deutlich wird, dass sich das Deutschlandbild Großbritanniens selbst in den 1970erJahren noch stark an den Kategorien der ersten Hälfte des 20.  Jahrhunderts 31 Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten vom 26. Mai 1952 in der Fassung vom 23. Oktober 1954, (http://www.documentarchiv.de/brd/dtlvertrag.html, zuletzt abgerufen am 23. März 2011). 32 Vgl. dazu auch Michael Gehler, Deutschland: Von der Teilung zur Einigung. 1945 bis heute (Wien: Böhlau, 2010), 214–218. 33 Dominik Geppert, Großbritannien und die Neue Ostpolitik der Bundesrepublik, in: Viertel­jahrshefte für Zeitgeschichte 57 (2009), 385–412, 394. 34 Am 16.  April 1922 kam es zu einem für die Westmächte überraschenden Vertragsabschluss (Aufnahme diplomatischer Beziehungen, gegenseitiger Verzicht auf Ersatz der Kriegskosten und Kriegsschäden) zwischen dem Deutschen Reich und Sowjetrussland, der beiden Staaten die Möglichkeit offerierte, ihre internationale Isolierung nach dem Ersten Weltkrieg zu durchbrechen. Bei den Westmächten löste der Rapallo-Vertrag Furcht vor einer Erschütterung der Versailler Nachkriegsordnung aus. Vgl. dazu Klaus Larres, Germany and the West: The „Rapallo Factor“ in German Foreign Policy from the 1950s to the 1990s, in: Klaus Larres/Panikos Panayi (eds.), The Federal Republic of Germany since 1949. Politics, Society and Economy Before and After Unification (London/New York: Longman, 1996), 285–301.

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orientierte, also von einem dominanten Machtfaktor Deutschland ausging. Dennoch sorgte am Ende der britische Sinn für Pragmatismus und Realismus dafür, dass Bonn Unterstützung für seine Ostpolitik bekam. Was die deutsche Frage anging, so war eher das Jahr 1973 von Bedeutung, als beide deutsche Staaten in die Vereinten Nationen aufgenommen wurden, Großbritannien die DDR formell anerkannte und diplomatische Beziehungen zu OstBerlin aufnahm. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man an der Themse am Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik in den internationalen Beziehungen festgehalten und den Versuchen Ost-Berlins, das eigene Erscheinungsbild aufzupolieren, unter dem Eindruck der Niederschlagung des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 und dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 eine Absage erteilt. Erst im Zuge der Ostpolitik Brandts, die mit dem Grundlagenvertrag (Dezember 1972) mit der DDR das deutsch-deutsche Verhältnis neu definierte, war auch London bereit, Ost-Berlin als eigenständigen Faktor anzuerkennen.35 Die Normalisierung der Beziehungen bedeutete jedoch nicht deren Inten­ sivierung. So blieb das Verhältnis zum SED -Regime kühl und in erster Linie fokussiert auf den Ausbau handelspolitischer Verflechtungen zwischen beiden Ländern. Mit dem Regierungswechsel zu den Conservatives unter Margaret Thatcher 1979 und der Verschärfung des Kalten Krieges durch den Einmarsch der Sowjets in Afghanistan,36 dem NATO -Doppelbeschluss sowie der Ausrufung des Kriegsrechts in Polen 198137 wurden diese Kontakte zunehmend gekappt. Während der gesamten 1980er-Jahre sollte das Verhältnis zwischen Ost-Berlin und London stagnieren. Für die offizielle britische Politik blieb die Bundesrepublik, zu der man ein freundschaftlich-konstruktives Verhältnis pflegte, in deutschlandpolitischen Fragen stets der erste Ansprechpartner.38 Keine der beiden Seiten sah die andere als den Partner schlechthin. Die Zusammenarbeit funktionierte, ohne dass es zu großen Gesten oder bilateralen Initiativen kam, wie etwa am stetigen deutschen Engagement für den 1973 vollzogenen EG -Beitritt Großbritanniens gezeigt werden kann. Deutschlandpolitisch bedeutete die KSZE-Schlussakte vom 1. August 1975 für London im Grunde eine weitere Festschreibung des Status quo, zumal die deutsche Teilung trotz des Bekenntnisses zum Selbstbestimmungsrecht der Völker sowie der Möglichkeit friedlicher Grenzänderungen unverändert im Kontext der Sicherheitsinteressen zwischen den beiden Blöcken interpretiert

35 Klaus Larres, Britain and the GDR , 1949–1989, in: id., Uneasy Allies, 63–98, 90–91. 36 Am 25. Dezember 1979 hatten sowjetische Truppen mit der Invasion des sich im Bürgerkrieg befindenden Landes begonnen, um ein sowjetfreundliches Regime in Kabul einzusetzen, das Land zu befrieden und die Südflanke der Sowjetunion zu sichern. 37 Mit der Militarisierung von Verwaltung, Wirtschaft und Medien, der Aufhebung von Bürgerrechten sowie der Verhaftung von Oppositionellen war das Regime der Volksrepublik Polen ab dem 13.  Dezember 1981 gegen die Demokratiebewegung im Land vorge­ gangen. 38 Larres, Britain and the GDR , 1949–1989, 97–98.

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wurde.39 Insofern blieb die britische Haltung zur deutschen Frage bis weit in die 1980er-Jahre so, wie sie anlässlich eines Treffens zwischen Kohl und Thatcher in Oxford im Mai 1984 in einer Pressemitteilung dargestellt wurde: „The Heads of Government reaffirmed the importance of the United Kingdom’s rights and responsibilities relating to Berlin and to Germany as a whole. The Prime Minister reaffirmed the conviction of successive British Governments that real and permanent stability in Europe will be difficult to achieve so long as the German nation is divided against its will.“40 Der Wert dieses offiziellen Bekenntnisses sollte sich rund fünf Jahre später zeigen.

III. Times are changing – Bewegung in der deutschen Frage 1988/89 Spätestens seit Beginn des Jahres 1989 hatte Großbritannien feststellen müssen, dass auch die eigene Deutschlandpolitik weitreichenden Veränderungen unterworfen war, deren Folgen sich nur schwerlich abschätzen ließen. Insbesondere der Wandel im Verhältnis der Bundesrepublik zu den Supermächten hatte die Verantwortlichen in London, wo man bekanntlich ein sensibles Gespür für die Stabilität in Europa hatte, in Aufregung versetzt: Der Bonner Diplomatie war es seit 1988 gelungen, das internationale Standing der Bundesrepublik spürbar auszubauen. Gemeint sind einerseits die den bilateralen Beziehungen eine völlig neue Qualität gebenden deutsch-sowjetischen Gipfeltreffen in Moskau (­ Oktober 1988) und Bonn (Juni 1989), andererseits der Präsidentschaftswechsel in den USA (Januar 1989), wo die Administration um George H. W. Bush angesichts der sich wandelnden Ost-West-Beziehungen eine Neudefinition der Beziehungen zur Bundesrepublik plante.41 Die bundesdeutsche Außenpolitik schien 1989 in einer nie dagewesenen Position der Stärke – mit ausgezeichneten Beziehungen nach Ost und West. Mit zunehmender Sorge beobachtete man an der Themse zunächst die deutsche Politik gegenüber der Sowjetunion. Jedenfalls wurden die deutsch-sowjetischen Gipfeltreffen in London spürbar zurückhaltend aufgenommen. So ließ Downing Street No. 10, welches sich selbst gerne als Scharnier zwischen Ost und West inszenierte, verlauten, dass man bei allen Sympathien für Michail­ Gorbatschow und dessen Politik zunächst doch die weiteren Entwicklungen ab39 Vgl.: Gottfried Niedhart, Peaceful Change of Frontiers as a Crucial Element in the West German Strategy of Transformation, in: Oliver Bange/Gottfried Niedhart (eds.), Helsinki 1975 and the Transformation of Europe (New York: Berghahn, 2008), 39–52; OIiver Bange, An Intricate Web – Ostpolitik, the European Security System and German Unification, in: ibd., 23–38. 40 FRG Embassy press release, 3rd May 1984, in: DBPO, Series III, Volume VII, IV. 41 Werner Weidenfeld, Außenpolitik für die deutsche Einheit: die Entscheidungsjahre 1989/90 (Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1998), 34.

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warten solle.42 Hintergründig spielte auch die Angst vor einer Kursänderung der deutschen Außenpolitik in Richtung einer Verständigung mit Moskau (einmal mehr) eine nicht zu unterschätzende Rolle, da Bonn zur selben Zeit in der Frage der insbesondere von London angestrebten Modernisierung der nuklearen Kurzstreckenraketen des transatlantischen Bündnisses eine eher restriktive Rolle einnahm und hier eine Nulllösung, d. h. eine Beseitigung dieser Waffengattung, nicht ausschließen wollte.43 Die Entwicklungen im deutsch-sowjetischen Verhältnis waren für die Briten aber auch mit Blick auf die Sonderbeziehung zu den USA von Brisanz. So hatte Thatcher, bedingt durch ein unterschiedliches Politikverständnis, ein weitaus weniger enges Verhältnis zu George Bush, als zu dessen Vorgänger. Um es mit Thatchers Worten zu sagen: „[…] he had never had to think through his beliefs and fight for them when they were hopelessly unfashionable as Ronald Reagan and I had to do. This meant that much of his time now was taken up with reaching for answers to problems which to me came quite spontaneously, because they sprang from my basic convictions.“44

Und dies war umso problematischer, als sich mehr und mehr abzeichnete, dass die neue US -Administration vor allem die Bundesrepublik als ihren wichtigsten Partner in Europa ansah und ihr die Vision eines „partners in leadership“ zur Gestaltung der zukünftigen Ost-West-Beziehungen anbot.45 Was für die Bundesrepublik einer Aufwertung ihrer internationalen Position gleichkam, musste zugleich die britische Rolle schmälern. Bonn als erster­ europäischer Ansprechpartner für Moskau und Washington bei einer gleich­ zeitig engen deutsch-französischen Kooperation in Integrationsfragen46 war aus Londoner Sicht ein schwer vorstellbares Szenario, weil damit sämtliche Einflussfaktoren britischer Außenpolitik in dramatischer Weise minimiert wurden. In einem vertraulichen Bericht des britischen Botschafters in Bonn, Christopher Mallaby, an das Foreign Office hieß es dazu: „In my despatch from 10 April about the Federal Republic’s reliability, I discussed the trends in this country, notably euphoria about Gorbachev, which are likely to make the Germans more difficult as Allies. One of those trends  –  a new assertiveness in foreign affairs – has intensified this summer. […] The recent visits here by Bush and 42 Himmler, Zwischen Macht und Mittelmaß, 88. 43 Ibd., 85–86. 44 Thatcher, The Downing Street Years, 782–783. 45 So US -Präsident Bush in seiner Rede in der Mainzer Rheingoldhalle am 31. Mai 1989 anlässlich seines Deutschlandbesuches. Abrufbar ist die Rede auf der Homepage der US Botschaft in Deutschland (http://usa.usembassy.de/etexts/ga6d-890531.htm, zuletzt abgerufen am 4. Januar 2015). 46 Gemeint sind die seit 1988 konkretisierten Schritte zur Schaffung einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Vgl. dazu auch Alexander von Plato, Die Vereinigung Deutschlands  – ein weltpolitisches Machtspiel (Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2003), 19.

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­ orbachev showed that both superpowers are taking the Germans very seriously. […] G German-American relations are widely expected to grow in importance. France for its part, has a very close relationship with the Federal Republic, deriving from many years of careful development of cooperation.“47

Gewarnt wurde zudem davor, an Einfluss zu verlieren  – und dies ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem sich angesichts beginnender Massendemonstrationen und Fluchtwellen (allein die Zahl der über Ungarn flüchtenden DDRBürger im Sommer 1989 ging in die Zehntausend) die politische Lage der DDR deutlich verschärfte. Dass Helmut Kohl angesichts der sich überstürzenden Ereignisse Anfang September 1989 die deutsche Frage „auf der Tagesordnung der Weltpolitik“ sah, sorgte in London für zusätzliches Unbehagen, da man bislang fest davon ausgegangen war, dass die Machthaber in Ost-Berlin die Lage im Griff hatten und die Sowjetunion eine weitere Verschärfung der Situation in der DDR nicht zulassen würde. Offenkundig kein Interesse hatte man angesichts der außenpolitischen Entwicklungen der vergangenen Monate an einer Thematisierung der deutschen Frage – so lässt sich zumindest das hartnäckige Schweigen der Offiziellen hierzu interpretieren.48 Diese Haltung begann erstmals nach der von der ungarischen Regierung offiziell am 11.  September 1989 gestatteten Ausreise von DDR-Bürgern „in ein Land ihrer Wahl“ zu bröckeln und dies auch deshalb, weil der Staatssekretär im Londoner Außenministerium, William Waldegrave, nur wenige Tage später erklärte, dass es immer die Ansicht britischer und alliierter Regierungen gewesen sei, eine Einheit Deutschlands unter der Bedingung einer liberal-­ demokratischen Verfassung zuzulassen, sofern dies den Wunsch der deutschen Bevölkerung widerspiegle.49 Die Premierministerin sah dies anders. Bei einem Kurzbesuch bei Gorbatschow in Moskau am 23. September bemühte sie sich um eine Richtigstellung der britischen Position zu den Ereignissen in Deutschland, indem sie sich als entschiedene Gegnerin jeglicher Gedanken an eine Einheit präsentierte: „I explained to him that although NATO had traditionally made statements supporting Germany’s aspiration to be reunited, in practice we were rather apprehensive. Nor was I speaking for myself alone – I had discussed it with at least one Western leader, meaning but not mentioning President Mitterrand.“50 Damit hatte sich Thatcher nicht nur frühzeitig in Stellung gebracht, sondern das Aufkommen der deutschen Frage bewusst genutzt, um außenpolitisch aus 47 Letter from Sir C. Mallaby (Bonn) to Sir J. Fretwell (Political Director and Deputy to the PUS , Foreign and Commonwealth Office), 27.7.1989, abgedruckt in: DBPO, Series III,­ Volume VII, 20–23, 20. 48 Himmler, Zwischen Macht und Mittelmaß, 89. 49 BBC -Interview vom 13. September 1989. Zitiert nach Himmler, Zwischen Macht und Mittelmaß, 90. 50 Thatcher, The Downing Street Years, 792.

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der seit Monaten anhaltenden Defensive auszubrechen und wieder Einfluss auf die Ereignisse zu nehmen. Ihr ging es darum, durch den Aufbau von Allianzen wieder in eine Position der Stärke zu gelangen. In der Öffentlichkeit schwieg die Premierministerin allerdings noch. Zurückhaltend waren auch die Äußerungen von britischen Offiziellen auf die Prager Botschaftsöffnung am 30.  September 1989 sowie den Sturz Honeckers am 18. Oktober. Aus den internen Regierungsdokumenten geht jedoch ganz deutlich hervor, dass im Foreign Office zu diesem Zeitpunkt das Thema Wiedervereinigung und die damit verbundenen Konsequenzen für Großbritannien bereits in aller Offenheit und mit erstaunlicher Weitsicht diskutiert wurden. In diesem Zusammenhang lieferte unter anderem das Draft Paper on German Reunification vom 11. Oktober (!) eine äußerst präzise und ausgewogene Analyse, die sowohl den historischen Kontext, aktuelle Entwicklungen sowie Risiken und Chancen für Großbritannien einschloss.51 Dabei sind folgende Punkte hervorzuheben: Erstens: Dem Krisenmanagement der Machthaber in Ost-Berlin wurde nicht nur ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt („[…] the regime has failed to win the hearts and minds of its people“), einer Stabilisierung der DDR durch entsprechende Reformen wurden ohne äußere Hilfe kaum Chancen eingeräumt. Zweitens: Als mögliche Lösungswege wurden sowohl EG -Hilfen als auch die Entstehung einer deutsch-deutschen Konföderation diskutiert, jedoch gleich­ zeitig nicht ausgeschlossen, dass angesichts der sich zuspitzenden Dramatik der Ereignisse eine durch die Öffentlichkeit befeuerte Eigendynamik in Richtung Einheit Deutschlands entstehen könnte: „An uprising which led to dramatic changes in the GDR could trigger an emotional surge amongst the West German public in favor of rapid moves towards reunification.“ Drittens: In aller Ausführlichkeit wurde beschrieben, inwieweit britische Interessen von einer Einheit Deutschlands betroffen wären. Gewarnt wurde unter anderem vor einem Europa wirtschaftlich und politisch dominierenden Deutschland. Jedoch – und hier liegt der entscheidende Punkt – sollten die Risiken nicht überbewertet werden: „They can be largely averted by good management of any evolution towards reunification. The advantages which could flow from reunification are considerable. It would be a victory for Western values, and would bring an improvement in Western security. It might increase the European Community’s overall economic strength to general advantage. Much of the FRG’s surplus capital would be absorbed by the infrastructural projects that would be needed to bring the East up to West German standards, putting an end to the FRG’s chronic surplus and holding out the prospect of more balanced trade flows in the EC . UK industry should also benefit from the opportunities offered […].“52

51 Draft Paper on German Reunification, 11.10.1989, abgedruckt in DBPO, Series III, Volume VII, 45–51. 52 Ibd., 50.

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Die Lösung der deutschen Frage als sicherheits- und wirtschaftspolitische Chance für Großbritannien und Europa begreifen  – so ließe sich die Quintessenz des Dokuments auf den Punkt bringen. Entsprechend simpel lautete die Empfehlung der Deutschlandexperten für die Formulierung einer Politik gegenüber den Ereignissen: Konstruktive Einflussnahme durch Intensivierung der Kontakte auf allen Ebenen.

IV. Participation on limited cooperation – Der 9. November 1989 und die Folgen Margaret Thatchers Politik in den folgenden Wochen und Monaten sollte genau einer entgegengesetzten Linie folgen. So sorgten der 9. November 1989 und die damit endgültig losgetretenen Prozesse in Richtung der deutschen Einheit für tiefe Beunruhigung in der Downing Street. Die Premierministerin rühmte den Tag der Maueröffnung öffentlich zwar als einen „großen Tag für die Freiheit“,53 bemühte sich jedoch zugleich klarzustellen, dass sie keinen direkten Zusammenhang zwischen den Wandlungsprozessen in der DDR und der deutschen Frage sehen würde. Im Fahrwasser der konservativen Presse, die das „Fourth German Reich“54 als zukünftige „economic superpower“55 ausmachte, warnte sie explizit vor einer Gefährdung des europäischen Gleichgewichts und mahnte an, die losgetretenen Demokratisierungsprozesse in Mittel- und Osteuropa nicht aus den Augen zu verlieren.56 Die Äußerungen sollten lediglich den Auftakt einer nun auch öffentlich vorgetragenen Politik bilden, deren Ziel es war, den deutschen Einheitsprozess zumindest zu torpedieren und möglichst aufzuhalten. Dabei beanspruchte sie vor allem gegenüber dem Foreign Office von Beginn an die Meinungsführerschaft in dieser Frage und bemühte sich, die Regierung auf Linie zu bringen – mit Erfolg. Trotz der Empfehlung Mallabys „to accept reunification, if that is the way things go, and [to have] confidence in the Federal Government to conduct FRG policy in ways which are consonant with Western interests“,57 erklärte Außenminister Douglas Hurd während seines Deutschlandbesuches Mitte November im Ein53 So Thatcher in einem BBC -Interview am 10. November 1989. Zitiert nach Himmler, Zwischen Macht und Mittelmaß, 96. 54 The Sunday Times, 12.  November 1989. Zitiert nach Günther Heydemann, Partner or­ rival? The British perception of Germany during the process of unification 1989–1991, in: Harald Husemann (ed), As others see us. Anglo-German Perceptions (Frankfurt am Main: Lang, 1994), 123–148, 127. 55 Ibd. 56 Ulrike Keßler, Deutsche Europapolitik unter Helmut Kohl: Europäische Integration als „Kategorischer Imperativ?“, in: Gisela Müller-Brandeck-Bocquet (ed.), Deutsche Europapolitik. Von Adenauer bis Merkel (Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2010), 119–171, 135. 57 Sir C. Mallaby to Mr. Hurd, 9.11.1989, abgedruckt in DBPO, Series III, Volume VII, 98–99.

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vernehmen mit seiner Regierungschefin, die Frage nach einer deutschen Wiedervereinigung „stehe nicht auf der Tagesordnung“.58 Die Gründe für diese wesentlich durch die Premierministerin lancierte Deutschlandpolitik, die sich abermals massiv an den Kategorien des Kalten Krieges orientierte, lagen auf unterschiedlichen Ebenen:59 Erstens: Große Kreise des politischen Establishments fürchteten, dass sich die wirtschaftliche Überlegenheit der Bundesrepublik in Europa im Falle einer Einheit potenzieren und das neue Deutschland diese wachsende ökonomische Überlegenheit zwangsläufig für seine politischen Zwecke nutzen würde, mit entsprechenden Konsequenzen sowohl für die britische Position in Europa als auch für die europäische Sicherheitsarchitektur. Ein durch ein neutrales Deutschland beherrschtes Europa erschien insbesondere Thatcher in diesem Zusammenhang eher ein realistischeres Szenario, als ein durch verstärkte Einbindung in ausgeweitete Gemeinschaftsstrukturen, innerhalb des westlichen Verteidigungsbündnisses verbleibendes „europäisches Deutschland“. Zweitens: Thatcher sah mit Blick auf die Stellung Gorbatschows in der Sowjetunion die Gefahr, dass dieser im Falle eines „Aufgebens“ der DDR unter starken innenpolitischen Druck geraten und die Chancen einer dauerhaften Umsetzung seiner Reformen massiv beeinträchtigt werden könnten. Drittens beeinträchtigte ein mit negativen Attributen belastetes Verhältnis zu Deutschland, bedingt durch Kindheits- und Jugenderlebnisse im Zuge des Zweiten Weltkrieges, ebenso wie das getrübte Verhältnis zu Helmut Kohl spürbar eine ausgewogene Urteilsbildung der Premierministerin. Sie glaubte an einen speziellen deutschen Nationalcharakter, der sich destabilisierend auf Europa auswirken würde. In ihren Memoiren äußerte sie sich dazu sehr offen: „Seit der Einigung unter Bismarck hat Deutschland […] stets auf unberechenbare Weise zwischen Aggression und Selbstzweifel geschwankt.“60 Seine europäischen Nachbarn hätten dies am meisten gespürt. Deutschland dürfe deshalb keine Großmacht werden, die sich auf Kosten anderer Geltung verschaffe. Ihre Folgerung: „Ein wiedervereinigtes Deutschland ist schlichtweg viel zu groß und zu mächtig, als dass es nur einer von vielen Mitstreitern auf dem europäischen Spielfeld wäre.“61 Eine Neubewertung dieser Positionen fiel nicht zuletzt deshalb schwer – und hier liegt ein ganz fundamentaler Unterschied zur Deutschlandpolitik Frankreichs  – weil der Lösungsweg über die europäische Integration für die Briten im Grunde versperrt war. Thatchers Vorstellungen von der künftigen Gemein58 Himmler, Zwischen Macht und Mittelmaß, 103. 59 Vgl. dazu Douglas Hurd, Der Prozess der deutschen Wiedervereinigung – eine besondere Episode in den deutsch-britischen Beziehungen, in: Hartmut Mayer/Thomas Bernd Stehling (eds.), Deutsch-britische Beziehungen und „der Mythos Cadenabbia“ (Sankt Augustin: Konrad-Adenauer-Stiftung, 2005), 159–165, 159–161. 60 Margaret Thatcher, Downing Street No.10: die Erinnerungen (Düsseldorf: Econ Verlag, 1993), 1095. 61 Ibd.

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schaft drehten sich geopolitisch weniger um Deutschland, als vielmehr um die Staaten Mittel- und Osteuropas. Die dort losgetretenen Veränderungen verlangten nach Londoner Lesart eher nach einer Diskussion um die perspektivische Erweiterung der Gemeinschaft in diese Richtung, als nach einer Kontroverse um ihre Vertiefung.62 So manifestierte sich am Beispiel der äußeren Rahmenbedingungen ein Verständnis von Londoner Europapolitik, das im Gegensatz zum integrationspolitischen Aufbruch seit Beginn der 1980er-Jahre stand und das zwangsläufig zu einer Verschärfung der Gegensätze zwischen Bonn und London beitragen musste. Mit anderen Worten nutzte die britische Regierung die deutsche Frage auch gezielt, um die von Franzosen und Deutschen lancierten Integrationsbestrebungen in Richtung Wirtschafts- und Währungsunion zu torpedieren. Die Eckpunkte dieser Entwicklung lassen sich in komprimierter Form wie folgt darstellen: Schon das am 28.  November 1989 von Helmut Kohl im deutschen Bundestag vorgelegte Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands hatte in britischen Regierungskreisen für heftigen Protest gesorgt, und dies vor allem aus zwei Gründen: Erstens fühlte sich London übergangen, da man vorab von Bonn nicht informiert worden war und zweitens fehlte aus britischer Sicht die Betonung des transatlantischen Bündnisses in Kohls Ausführungen, wodurch sich insbesondere Thatcher in ihren Befürchtungen bestätigt sah, die Deutschen könnten die NATO verlassen und damit das Kräftegleichgewicht in Europa gefährden. Der Tenor blieb jedenfalls weiterhin klar: Keine Wiedervereinigung in absehbarer Zeit – daran konnte auch Hans-Dietrich Genschers Besuch an der Themse Ende November nichts ändern.63 Dem deutschen Außenminister gelang es ebenfalls nicht, die Briten im Hinblick auf den anstehenden EG -Sondergipfel in Straßburg am 8.  und 9.  Dezember zu einer gemeinsamen Politik in Bezug auf die Ereignisse in Deutschland zu bewegen. Auch in dieser Phase bestätigte sich die Haltung der Premierministerin zu möglichen raschen Vertiefungsschritten noch einmal: Keine Fortschritte in der europäischen Einigungspolitik, da dies den Anschluss der osteuropäischen Staaten an ein gemeinsames Europa verhindern würde.64 In Straßburg, wo es ja gerade wegen der deutschen Frage um die Festsetzung eines Termins für die Regierungskonferenz zur Wirtschafts- und Währungsunion ging, kam es fast zum Eklat. Kohl berichtet in seinen Erinnerungen von „hitzigen Wortgefechten“ mit Thatcher, britischen Vetodrohungen und dem letztlich berühmt gewordenen Satz der Premierministerin: „Zweimal haben wir die Deutschen geschlagen! Jetzt sind sie wieder da!“65 62 So wurde u. a. eine Stärkung der von internationalen Übereinkommen abhängigen KSZE ins Gespräch gebracht. Vgl. Jakisch, Eisern gegen die Einheit, 146–147. 63 Himmler, Zwischen Macht und Mittelmaß, 105–106, sowie Kohl, Erinnerungen 1982–1990, 1012. 64 Hans-Dietrich Genscher, Erinnerungen (Berlin: Siedler, 1995), 675–676. 65 Kohl, Erinnerungen 1982–1990, 1012–1013.

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Dass es Thatcher auch ganz bewusst um eine Verhinderung integrationspolitischer Vertiefung ging, zeigt die Tatsache, dass sie im Vorfeld des Straßburger Gipfels sehr wohl darüber informiert war, dass die DDR im Grunde vor dem Kollaps stand, nicht mehr zu halten war und die Zeichen insofern deutlich auf Einheit Deutschlands standen. So hieß es in einem Bericht ihres engsten außenpolitischen Beraters, Charles Powell, ans Foreign Office in diesen Tagen: „Several of the telegrams from Bonn and Moscow which the Prime Minister has seen imply that we could face a breakdown of the system of government, the disappearance of authority and economic collapse, with rapidly rising pressure for German unity – an appeal which could prove irresistible on the West German side.“66 Ihre Strategie bestand insofern darin, deutschlandpolitische Entscheidungen möglichst hinauszuzögern, um Zeit zu gewinnen. Dazu suchte die Premierministerin um die Jahreswende 1989/90 vor allem den Kontakt nach Washington sowie nach Paris und versuchte sogar die britischen Beziehungen zur DDR-Führung zu intensivieren – so jedenfalls lässt sich der Besuch Hurds im Januar 1990 in Ost-Berlin interpretieren, wo er den Machthabern finanzielle Hilfen in Aussicht stellte.67 Diese Taktik sollte letztlich nicht von Erfolg gekrönt sein, weil sich zunächst vor allem die USA als wichtiger Weichensteller im Sinne der deutschen Einheit erwiesen. Sehr früh hatte Washington dafür plädiert, das deutsche Selbstbestimmungsrecht zu respektieren und ein Vorgehen ins Spiel gebracht, wonach die beiden deutschen Staaten zunächst gemeinsam eine Haltung entwickeln und diese dann mit den Siegermächten abstimmen sollten (Zwei-plus-Vier-Verhandlungen).68 Darüber hinaus hatte sich Frankreich zwar in den ersten Wochen nach dem Mauerfall als scharfer Kritiker der Entwicklungen gezeigt, war jedoch nach dem ersten „Schock“ zu Beginn des Jahres 1990 dazu übergegangen, die deutschlandpolitischen Veränderungen im Sinne seiner europäischen Interessen – die Rede ist von der terminlichen Konkretisierung der Europäischen Währungsunion – nutzbar zu machen. Nachdem auch Gorbatschow Anfang Februar öffentlich durchblicken ließ, dass er einer Einheit Deutschlands zustimmen würde,69 war Großbritannien gewissermaßen vor vollendete Tatsachen gestellt worden und dies gleich in doppelter Hinsicht: Einerseits bestand damit nicht mehr die Frage, ob es zur Einheit kommen, sondern nur noch wie und in welcher Form sich diese vollziehen würde. Andererseits war angesichts der deutsch-französischen Einigung für eine rasche Weichenstellung in der europäischen Integrationspolitik in Richtung 66 Letter from Mr. Powell to Mr. Wall, 8.12.1989, abgedruckt in DBPO, Series III, Volume VII, 162–164, 162. 67 Siehe dazu auch: http://www.2plus4.de/chronik.php3?date_value=22.01.90+-+24.&sort= 000-004, zuletzt abgerufen am 9. Januar 2016. 68 Vgl. Werner Weidenfeld/Peter M. Wagner/Elke Bruck, Verhandlungen zur deutschen Einheit: Internationaler Prozess, in: Werner Weidenfeld/Karl-Rudolf Korte (eds.), Handbuch zur deutschen Einheit (Frankfurt am Main: Campus-Verlag, 1996), 794–804, 796. 69 Gehler, Deutschland, 330.

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des EU-Vertrages von Maastricht70 klar geworden, dass der britische Versuch einer Instrumentalisierung der deutschen Frage gegen die Vertiefung der europäischen Einigungspolitik gescheitert war. Als erstes Eingeständnis dessen lässt sich Thatchers Parlamentsrede vom 6. Februar 1990 betrachten, in der sie erstmals davon sprach, dass die deutsche Vereinigung wohl kommen würde.71 Trotzdem versuchte sie weiterhin die Entwicklungen in diese Richtung zu verlangsamen indem sie die Diskussion etwa auf die Problematik um die endgültige Anerkennung der polnischen Westgrenze lenkte. In einem Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel vom 26. März 1990 zitierte Thatcher Kohl in einem Gespräch der beiden in Straßburg mit den Worten „Nein, ich garantiere nichts, ich erkenne die gegenwärtigen Grenzen nicht an“, was vielerorts für großes Aufsehen gesorgt hatte und vom Bundeskanzleramt umgehend dementiert worden war.72 Darüber hinaus belasteten Mitte 1990 mit der Ridleyund der Chequers-Affäre zwei Ereignisse zusätzlich das deutsch-britische Verhältnis: Im Juli 1990 verstieg sich der britische Handels- und Industrieminister Nicholas Ridley nicht nur in einen Vergleich Helmut Kohls mit Adolf Hitler, sondern äußerte sich abfällig über die deutsche Rolle im europäischen Einigungsprozess, indem er die anvisierte Währungsunion als ein „German racket to take over the whole of Europe“ bezeichnete und Frankreich als willfährigen Helfer der Deutschen denunzierte.73 Im gleichen Monat war bekannt geworden, dass die Premierministerin auf ihrem Landsitz Chequers bereits im März eine Reihe namhafter Historiker um Fritz Stern und Timothy Garton Ash zusammengerufen hatte, um die Folgen einer deutschen Wiedervereinigung zu erörtern. Dabei war es auch um vermeintliche Charaktereigenschaften der Deutschen, wie Aggressivität, Rücksichtslosigkeit oder Egoismus gegangen. Obwohl der abschließende Bericht den positiven Wandel der Deutschen nach 1945 betonte, wurde die Sorge vor neuen machtpolitischen Ambitionen eines geeinten Deutschlands als Makler zwischen Ost und West nicht verschwiegen.74 Letztlich verliefen die britischen Bemühungen im Sande. Auch auf Druck des Außenministeriums beteiligte sich Großbritannien schließlich konstruktiv an den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen. So hoffte gerade das Foreign Office hiermit 70 Am 7.  Februar 1992 unterzeichneten die europäischen Staats- und Regierungschefs im niederländischen Maastricht den Vertrag über die Europäische Union. Neben der Festlegung zahlreicher politischer Zielbestimmungen (u. a. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres, Kompetenzerweiterungen für das Europäische Parlament, Einführung einer Unionsbürgerschaft) wurde damit ein Fahrplan für die Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion ver­ abschiedet. 71 Larres, Margaret Thatcher, das britische Foreign Office und die Deutsche Vereinigung, 169. 72 Vgl. Alle gegen Deutschland – nein!, Der Spiegel, 26. März 1990. 73 Julia Quante, Down into the heart of Europe? Die britische Europapolitik im Spiegel von­ Karikaturen 1973–2008 (Berlin: Lit-Verlag, 2013), 113. 74 Heinrich August Winkler, Der lange Weg nach Westen. Deutsche Geschichte vom Dritten Reich bis zur Wiedervereinigung (München: Beck, 2002), 576.

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eine umfassende Lösung der Deutschlandfrage erreichen zu können, zu der insbesondere die Bestätigung der Oder-Neiße-Grenze sowie die uneingeschränkte Mitgliedschaft des vereinten Deutschlands in der NATO gehörten. Nachdem sich die Deutschen zu beidem bekannt hatten, konnte im September 1990 schließlich jenes Abschlussdokument in Moskau unterzeichnet werden, mit welchem die Vier Mächte in weiterer Folge ihre Rechte und Pflichten für Deutschland und Berlin aufgaben und damit den Weg zur Einheit frei machten.75

V. Fazit Der deutschlandpolitische Umbruch 1989/90 lässt sich als ein Jahr ohne Fortüne für die britische Politik bilanzieren. Selten waren die deutsch-britischen Beziehungen so belastet, wie in dem hier geschilderten Zeitraum. Es war in erster Linie das zu erwartende größere Machtpotenzial eines vereinten Deutschlands, das der politischen Klasse Großbritanniens und allen voran seiner politischen Führerin zu schaffen machte. So wirkte der 9. November 1989 und die darauf folgenden Ereignisse überfordernd auf eine Regierungschefin und Teile ihres Kabinetts, deren Denken und Handeln im Zeitalter klarer Trennlinien zwischen Ost und West sowie einer britischen Großmachtpolitik verhaftet geblieben waren. In der deutschen Frage vermischten sich folglich historisch bedingte Deutschland-Ängste mit der Sorge vor dem eigenen Abstieg sowie der Furcht vor einem immer stärker integrierten Europa. Mit allem assoziierte man vor allem eines: den Verlust seiner hervorgehobenen Machtstellung in Europa, was auch mehr als vierzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges nur schwer zu verschmerzen war und sich plötzlich umso schneller vollziehen sollte. Unter diesen Vorzeichen koppelte sich Großbritannien ausgerechnet in jener Phase von den deutschlandund europapolitischen Entwicklungen ab, in der eine konstruktive Mit- bzw. Zusammenarbeit so manche Gestaltungsmöglichkeit offeriert hätte. London blieb so nur die Rolle einer Randfigur, deren participation on limited cooperation letztlich aus verschiedenen Gründen zum Scheitern verurteilt war: Erstens stand die britische Öffentlichkeit in ihrer Mehrheit dem deutschen Wunsch nach Selbstbestimmung positiv gegenüber. Klaus Larres hat darauf hingewiesen, dass trotz der antideutschen Stimmungsmache von Thatcher und Co. während des gesamten Jahres 1990 rund 60 Prozent der Briten die Einheit Deutschlands befürworteten – und das, obwohl sich die Hälfte aller Briten vor einem politisch und wirtschaftlich zu starken Deutschland fürchteten.76 Zweitens färbte dieses Stimmungsbild auch zunehmend auf die Politik ab. Aus den Debatten im Unterhaus lässt sich ablesen, dass der Großteil der britischen Parlamentarier von der Stabilität der deutschen Demokratie überzeugt 75 Larres, Margaret Thatcher, das britische Foreign Office und die Deutsche Vereinigung, 170. 76 Siehe dazu: Ibd., 4.

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war und den Wunsch nach Selbstbestimmung respektierte. Auch wurde die deutsche Frage für die Opposition zu einem wichtigen Thema, um die Regierung­ Thatcher innenpolitisch unter Druck zu setzen. Drittens fehlte der Premierministerin selbst im eigenen Kabinett die nötige Gefolgschaft. Insbesondere Außenminister Douglas Hurd stellte sich letztlich vor seine Diplomaten im Foreign Office und damit gegen seine Regierungschefin. „Ich selbst teilte Margaret Thatchers Bedenken nicht“, begründete er später seine Haltung: „Anders als sie hatte ich viele Jahre Gelegenheit gehabt, positive Erfahrungen mit der Offenheit und Großzügigkeit der deutschen Demokratie zu sammeln.“77 Hurd teilte die Auffassung seiner Diplomaten, wonach der britische Einfluss auf die Ereignisse in Deutschland wesentlich größer wäre, wenn sich die Regierung konstruktiv verhalte. Mit dieser Haltung stand er keineswegs isoliert dar, sondern fand Unterstützung durch Verteidigungsminister Tom King sowie Schatzkanzler und Thatcher-Nachfolger John Major, die ebenfalls keinen Sinn darin erkannten, die Beziehungen zu Deutschland leichtfertig aufs Spiel zu setzen.78 Viertens fehlte es an realpolitischen Visionen, die über das Ende des Kalten Krieges hinausgingen. Die skeptische bis ablehnende Haltung Londons zu Fragen einer Vertiefung der europäischen Integration erlaubte es nicht, die Fortentwicklung der Gemeinschaft zur Europäischen Union entscheidend mitzubestimmen. Die britische Politik wirkte auch in dieser Frage über Monate hinweg wie gelähmt. Damit verpasste Großbritannien die historische Gelegenheit, sich als aktives Mitglied in dem Prozess der europäischen Einigung zu etablieren. Fünftens schätzte Thatcher die politischen Motive bzw. Interessen der übrigen, am deutschen Einigungsprozess beteiligten Mächte schlichtweg falsch ein. Es gelang ihr weder, einen Verbündeten gegen die Vereinigung der beiden deutschen Staaten zu gewinnen, noch selbst von der Einheit Deutschlands zu profitieren. Für die USA stellten die Deutschen als wichtiger strategischer Partner in Europa längst keine Bedrohung mehr dar. Frankreichs Preis für die deutsche Einheit war die deutsche Zustimmung zur Realisierung der europäischen Währungsunion zu einem fixen Termin und damit das von Paris erhoffte Ende der monetären Dominanz Deutschlands in Europa. Und selbst für die Sowjetunion war die Trennung von der DDR insoweit ein Befreiungsschlag, als Moskau seine Militärausgaben für die Verpflichtungen gegenüber dem Warschauer Pakt reduzieren und zur Wiederbelebung der eigenen Wirtschaft nutzen konnte. Darüber hinaus erhielt Gorbatschow von deutscher Seite erhebliche finanzielle Leistungen. Großbritannien ging dagegen leer aus: Der Widerstand der Premierministerin trug dazu bei, dass sich die deutsche Politik zunehmend den Vereinigten 77 Douglas Hurd, Der Prozess der deutschen Wiedervereinigung – eine besondere Episode der deutsch-britischen Beziehungen, in: Hartmut Mayer/Thomas Bernd Stehling (eds.), Deutsch-britische Beziehungen und „der Mythos Cadenabbia“ (Berlin: Konrad Adenauer Stiftung, 2005), 159–165, 163. 78 Vgl. hierzu auch Jakisch, Eisern gegen die Einheit, 307.

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Staaten zuwandte, wo sie eine überwiegend positive Reaktion auf die Einheit erhielt. Ähnliches galt im Verlauf des Einheitsprozesses für Frankreich und die­ Sowjetunion, wo Kohl direkt mit Gorbatschow die Bedingungen für die deutsche Einheit aushandelte. Auch auf diese Weise manövrierte sich Margaret Thatcher in eine Position außerhalb der Entscheidungsprozesse und isolierte sich selbst immer stärker. War Großbritannien damit tatsächlich vom deutschen Radarschirm verschwunden, wie Botschafter Mallaby im November 1990 prophezeit hatte? Mitnichten! Als immer noch wichtiger Spieler in den internationalen Beziehungen und im europäischen Machtgefüge sollte London auch nach 1990 eine wichtige Rolle in der deutschen Außenpolitik spielen – dafür sorgten allein der permanente Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der Status als Atommacht und das zusätzliche Plus eines kampferprobten und einsatzbereiten Militärs, was auch weiterhin eine proaktive Außen- und Sicherheitspolitik ermöglichte. Während Deutschland in den 1990er-Jahren und auch darüber hinaus die Kosten der Einheit zu bewältigen hatte, halfen das Nordseeöl und die globale Finanzindustrie noch lange Jahre, den politischen Status Großbritanniens zu untermauern. Und dennoch – im deutschen Einigungsprozess 1989/90 zeigte sich Großbritannien als eine ehemalige Großmacht, die ihre neue Rolle in den internationalen Beziehungen noch nicht gefunden hatte. London war, um es mit den Worten des Journalisten und politischen Kolumnisten Hugo Young zu sagen, „gefangen zwischen der Vergangenheit, die es nicht vergessen, und der Zukunft, die es nicht vermeiden konnte“.79 Das hat sich bis heute nicht geändert.

79 Vgl. dazu Gordon Brown, Britanniens Kulturkampf, in: Die Welt, 24. März 2015, 3. 

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“The German Question is a European Question” France and the Reunification of Germany. A critical assessment1

Apparently, historiography takes shape in the form of battles. It began at histo­ riography’s beginning,2 when, to cite the most telling example, Cicero called Herodotus the “father of history”3 and Plutarch branded him as “a liar.”4 The conflictual habits in historical writing have been lasting ever since.5 An actual and indeed remarkable case in point is the historiography concerning the role of France in the process of the reunification of Germany. There is anything but a generally shared view. While the role of the United States has hardly been reviewed in any other than in a positive, indeed emphatically positive, way,6 a 1 I wish to extend my sincere thanks to Jean-Charles Bedague, for his assistance as to my research in the Archives Nationales (Pierrefitte), to Jean Musitelli, for his careful reading of the text and his most valuable advice. The article was completed on 8 April 2016. 2 The term “historiography” relates here to historical writing in the European world. 3 Cicero, On the Laws, I, 1. Translation quoted after Cicero, On the Republic. On the Laws, transl. Clinton W. Keyes (= Loeb Classical Library, Cambridge, MA : Harvard University Press, 1928). However, after having bestowed the title “father of history” upon Herodotus, Cicero adds at once that “one finds in the works of Herodotus […] innumerable fabulous tales.” 4 Plutarch, On the Malice of Herodotus, 1: “And this is exactly what Herodotus does, flattering some people in the basest possible manner, while he slanders and maligns others. Hitherto no one has dared to expose him as  a liar.” Translation quoted after Plutarch, Moralia, Vol. XI, On the Malice of Herodotus. Causes of Natural Phenomena, transl. Lionel Pearson (=Loeb Classical Library, Cambridge, MA : Harvard University Press, 1965). 5 See, for instance, Encyclopaedia Britannica Online, s.v. “historiography”, and the remark there: “The disagreements of diplomatic historians do suggest that political and national passions play an unusually part in their interpretation of diplomatic history.” (http://www. britannica.com/topic/historiography, last accessed 15 January 2016). And furthermore: John Keegan, The Battle for History: Re-Fighting World War Two, (New York: Vintage Books, 1996); Daniel Little, Philosophy of History, in: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2012 Edition: htttp://plato.stanford.edu/archives/win2012/entries/history, last accessed on April 5, 2016); Aviezer Tucker (ed.), A Companion to the Philosophy of History and Historiography, (Walden, MA : Wiley-Blackwell, 2009), Introduction; Jeremy M. Black, Clio’s Battles: Historiography in Practice (Bloomington: Indiana University Press, 2015). 6 See for instance: Philip D. Zelikow, A Diplomatic History of German Unification, 1989–1990, Ph.D. thesis (Ann Arbor: UMI 1995), the section “Who Gets the Credit?”, 681–687; Manfred Schmidt/Gerhard A. Ritter, The Rise and Fall of  a Socialist Welfare State. The German Democratic Republic (1949–1990) and German Unification (1989–1994), (Berlin/Heidelberg: Springer, 2013), 183: “[…] the United States was prepared to protect the internal unification process from external obstruction by exerting its influence on the members of NATO and by winning the support of Prime Minister Thatcher and President Mitterrand.”

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state of quarrel hangs over that of France. The conflictual stance that has been adopted by historians and actors alike. France—or, rather, its President, François Mitterrand—is, in a way, taken to task. The French President tried “to prevent or at least to slow down the unification of Germany at the end of 1989,” the British historian Timothy Garton Ash has asserted.7 His confrère Tony Judt has contended that “the first reaction from Paris [in the fall of 1989] was to try and block any move to German unification.”8 Reproaches of the same kind—and I cite just a few further examples—were expressed by the French historian Georges-Henri Soutou, “Even when he [Mitterrand] was forced […] to bow before the inevitable […] he […] tried to slow down things […],”9 and according to the German historians Manfred Schmidt and Gerhard A. Ritter, “he [Mitterrand] viewed German unification sceptically and initially attempted to slow the process down.”10 In addition, Hans-Peter Schwarz has alleged that Mitterrand “put on the brakes in the question of the reunification” together with Thatcher and Andreotti.11 Actors of the time, turned memorialists, have made similar statements. In his memoirs, Helmut Kohl declared that “even his friend” Mitterrand did not seem to be someone to “rely on” regarding the German Question; France’s President, he said, shared the view of the political elite in Paris—“the unity of Germany is not desirable”—and his “role” was “opaque [undurchsichtig] at best.”12 The head of the German desk in the Chancellery at the time, Claus J. Duisberg, reported without further ado that “France as well as Great Britain […] sought ways to keep influence over the development [regarding Germany’s reunification] to hold it up, first of all.”13 Still, in the historiographical case we are considering, judgments formed and communicated differ sharply. In the struggle over the veracity of the account of Mitterrand’s policy in 1989–90 regarding Germany’s reunification, one side, it seems, rebuts the other. Thus, at a “Witness Seminar” held on October 16, 2009, in London, Hans-Dietrich Genscher tersely affirmed, “Mitterrand […] was not 7 Timothy Garton Ash, In Europe’s Name: Germany and the Divided Continent (New York: Random House, 1993), 390. Ash does not offer any supportive evidence for his assertion. 8 Tony Judt, Postwar. A History of Europe Since 1945 (London: William Heinemann, 2005), 640. Judt does not offer any supportive evidence for his assertion. 9 Georges-Henri Soutou, The German Question as Seen From Paris, in: Mark Kramer/Vít Smetana (eds.), Imposing, Maintaining, and Tearing Open the Iron Curtain. The Cold War and East-Central Europe, 1945–1989 (Lanham: Lexington Books, 2014), 235. 10 Manfred Schmidt/Gerhard A. Ritter, The Rise and Fall of a Socialist Welfare State, 172. 11 Hans-Peter Schwarz, Helmut Kohl. Eine politische Biographie (München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2012) (= Pantheon Ausgabe 2014), 560. 12 Helmut Kohl, Erinnerungen. 1982–1990 (München: Droemer, 2005), 988, 1014, 1033.—In the following all translations from German are mine, T. S. 13 Claus J. Duisberg, Das deutsche Jahr. Einblicke in die Wiedervereinigung 1989/1990 (Berlin: Siedler, 2005), 105.—Margaret Thatcher’s criticism of Mitterrand in her political memoirs is, because of the harshness of her words, in particular remarkable. See Margaret Thatcher, The Downing Street Years (London: HarperCollins, 1993), 791, 796–798.

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opposed to German unification,”14 and Bertrand Dufourcq, political director of the Quai d’Orsay and head of the French delegation at the Two-Plus-Four negotiations, formulated, on the same occasion, this unequivocal view that “he [Mitterrand] certainly never sought to stand in the way of unification.”15 The Russian expert on international relations, Mikhail Narinskiy—to shift to historians again—introduced his article on “Gorbachev, Mitterrand and the reunification of Germany” with the conspicuous statement, “Mikhail Gorbachev and François Mitterrand played a key role in the reunification of Germany.”16

I.

The Question of Sources: An Asymmetry

What could be the reasons for such a clash, as it has just been evoked?17 A major motive certainly is an asymmetrical knowledge and use of sources. A considerable number of relevant documents from German, British, American, and Russian archives are now accessible, either in print, or electronically.18 They have 14 German Embassy, London, Witness Seminar. Berlin in the Cold War, 1948–1990. German Unification, 1989–1990 (London: Lancaster House, Friday 16 October 2009), 94. See also Hans-Dietrich Genscher, Erinnerungen (Berlin: Siedler, 1995), 691–692. 15 Witness Seminar, 102. 16 Mikhail Narinskiy, Gorbatchev, Mitterrand et la Réunification de l’Allemagne: La Fin de la Guerre Froide, in: Guerres mondiales et conflits contemporains, 258 (2015), 27–55.—In the following all translations from French are mine, T. S. 17 Once again, I stress that, given the limits of this article, only a few examples could be cited. 18 Auswärtiges Amt, „2+4“. Die Verhandlungen über die äußeren Aspekte der Herstellung der deutschen Einheit. Eine Dokumentation, Bonn 1991; Hanns Jürgen Küsters/Daniel Hofmann (eds.), Dokumente zur Deutschlandpolitik: Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90 (München: Oldenbourg, 1998); Berlin Allied Museum (ed.), “Let Berlin be Next.” George Bush and German Unification. The Telephone Conversations of U. S. President George Bush and Chancellor Helmut Kohl (October 23, 1989—October 3, 1990), publication to accompany the exhibition, 10 November 1999 to 13 February 2000 (Berlin: Allied Museum, 2000); Aleksandr Galkin/Anatolii Chernyaev (eds.), Mikhail Gorbachev i Germanskii vopros: sbornik dokumentov 1986–1991 (Moscow: Ves’ mir, 2006); German edition: Helmut Altrichter et al (eds.), transl. Joachim Glaubitz, Michael Gorbatschow und die deutsche Frage. Sowjetische Dokumente 1986–1991, (München: Oldenbourg, 2011); Patrick Salmon et al (eds.), Foreign and Commonwealth Office, Documents on British Policy Overseas, Series III, Vol. VII, German Unification, 1989–1990, (London/New York: Routledge 2010); Svetlana Savranskaya et al. (eds.), Masterpieces of History. The Peaceful End of the Cold War in Europe, 1989 (Budapest: Central European University Press, 2010); Andreas Hilger (ed.), Diplomatie für die deutsche Einheit: Dokumente des Auswärtigen Amts zu den deutsch-sowjetischen Beziehungen 1989/90, (München: Oldenbourg, 2011); Horst Möller et al. (eds.), Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015); The National Archive, Washington (nsarchive.gwu.edu/NSAEBB/ index.html); The George Bush Presidential Library and Museum: https://bush41library. tamu.edu/archives/memcons-telcons; the Wilson Center’s International History Project: https://www.wilsoncenter.org/program/cold-war-international-history-project.

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been amply used for studies on the topic of German reunification. In contrast, French documents are available only scantily. A volume of documents from the French Ministry of Foreign Affairs was indeed published, but it is small by comparison19 as is the material from the Ministry which is accessible electronically.20 The documents—themselves a wealth—from the crucial place of government in France, the Élysée—Mitterrand’s stage, as it were—can be consulted solely in the Archives Nationales, and only upon special permission, that can be obtained, besides, in a not-so-easy process, and with restrictions.21 However, the staff of the Archives Nationales in Pierrefitte are helpful and work efficiently. The asymmetry is strikingly manifest in numerous studies. In the extreme case, France is virtually absent as an actor.22 What is ordinarily seen will be shown by two prominent examples. For his study on “Hans-Dietrich Genscher, the [German] Foreign Office, and German unification”23 Gerhard A. Ritter has used a variety of sources. The book includes sections—rather negative ones—on Mitterrand’s attitude regarding Germany’s unification.24 While in the endnotes for these sections, many German, British, and Russian documents are cited, there is just a single French one quoted, not from the Archives Nationales, but simply from a published volume of documents from the Quai d’Orsay.25 A number of archives are listed by Mary Elise Sarotte in the research she did for her book 1989. The Struggle to Create Post-Cold War Europe, published in 2009.26 In her note 11 on page 238 she declares: “My own petition (or dérogation) for an early viewing of the documents [French documents from the Archives Nationales] succeeded well, although mostly too late for incorporation into this book, and will be the subject of future writing.”27 The notice might cause some perplexity: Were the French documents not so important after all, or had the publication of the book taken priority over the research to be completed? Be that as it may, in the third edition of the book, published in 2014, there are still, 19 Maurice Vaïsse/Christian Wenkel (eds.), La diplomatie française face à l’unification allemande (Paris: Éditions Tallandier, 2011). 20 http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/archives-diplomatiques/, last accessed 5 April 2016. 21 Some collaborators of Mitterrand kept documents, usually in the form of copies, when they departed from the Élysée. If afterwards such documents could be consulted, they were referred to subsequently in publications under the label “private archive.” 22 Like in Philip Zelikow’s study (see footnote 5). 23 Gerhard A. Ritter, Hans-Dietrich Genscher, das Auswärtige Amt und die deutsche Vereinigung (München: C. H.Beck, 2013). On p. 78, for instance, Ritter speaks of „the attempts of Mitterrand and Thatcher to agree on a common policy for a curb [Eindämmung] on the German danger and for reviving the Entente cordiale of the time before 1914” which, as he adds, failed however. 24 Ibd.,41–51, 77–79. 25 Ibd., 208. 26 Mary Elise Sarotte, 1989. The Struggle to Create Post-Cold War Europe (Princeton, New Jersey: Princeton University Press, 2009). 27 I quote from the third (and paperback) edition: Mary Elise Sarotte, 1989. The Struggle to Create Post-Cold War Europe (Princeton, New Jersey: Princeton University Press, 2014).

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among a vast number of endnotes, just four sources mentioned from the Archives Nationales.28 Any reader of the book familiar with the legacy of Mitterrand would be puzzled, besides, by the remark in the Preface that “there is also  a limited selection of primary documents published by François Mitterrand.”29 In saying this, Sarotte is not specific about the publication of which she is speaking, and an edition of “primary documents” by Mitterrand is not known. One might guess, but that leads only to more bafflement.30

II.

The Question of Sources: The Case of a Misleading Twist

The historians who have taken or are taking Mitterrand to task probably do not feel that there is an asymmetrical knowledge and use of sources. There appears to be available, apart from the archives, a ready-made “source” with an exhaustive allure: the three volumes of Verbatim, published by  a former member of Mitterrand’s staff at the Élysée, Jacques Attali.31 Any survey of the historiography on our topic will show—and some examples will be given shortly—that this “source” has been and is being widely consulted and quoted to support what is told about Mitterrand and his views and policy with regard to Germany’s reunification. Unfortunately, Verbatim is a flawed work, full of falsities. An exposition and examination of the whole of the critical material would require an extensive study. Still, within the limits of this article, it is possible to show what is at stake historiographically. Severe criticisms of Verbatim were expressed immediately after the first volume was published in May 1993. Charges of plagiarism were made, former government officials complained about erroneous reports about what they had said or done.32 28 On page 285, note 8, and on page 304, notes 24–26. 29 Ibd., XIII . 30 It might be possible that Sarotte had in mind Mitterrand’s essay De l’Allemagne, De la France (Paris: Odile Jacob, 1996), in which Mitterrand speaks mainly about the reunification of Germany and, in a smaller part, on the “reactions” from outside France to his election in 1981. A third part entitled “Pièces à l’appui” (Supporting documents) presents certain documentary pieces indeed: nine excerpts (!) from press conferences, interviews, speeches, from the years 1988, 1989, 1990, 1994, 1995. In citing the essay in a note, Sarotte refers to it as—Mitterrand’s “memoirs” (Sarotte, 1989 (2009), 240, note 25, my emphasis, T. S.). 31 Jacques Attali, Verbatim I Chronique des années 1981–1986 (Paris: Fayard, 1993); II Chronique des années 1986–1988 (1995), III, Chronique des années 1988–1991 (1995). 32 Jean Bothorel, Le dernier livre d’Attali: accusation de plagiat, in: Le Figaro, 19 May 1993, 22; Joseph Macé Scaron, Les libertés prises par “l’historien”. Divers épisodes du récit de l’ancien collaborateur [Robert Badinter] de Mitterrand semblent bien éloignés des faits reels, in: Le Figaro, 19 May 1993; Roger Cohen, Literary Piracy is charged in France, in: The New York Times, 19 May 1993; Elisabeth Schelma, “Verbatim”: les fausses confidences, in: Le Nouvel Observateur, 20 May 1993; Jacques Cordy, D’anciens ministers se plaignent, l’éditeur attaque Jacques Attali accusé de plagiat, in: Le Soir, 21 May 1993; Jacques Attali

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Le Figaro summed it up in one sentence, “Jacques Attali has manipulated history.”33 In a Documentary Note the General Secretary of the Élysée, Hubert Védrine, transmitted Mitterrand’s reaction. The President, he stated, had agreed that Attali had published his own diaries, with his comments and personal notes; however, in seeing the page proofs, he discovered that the personal notes of Attali were intermixed with archival documents. He, therefore, asked Védrine to make it known that “I haven’t changed a comma in that work, otherwise I would have become a co-author. This is a text by Jacques Attali, published by Jacques Attali.” In interpreting what had happened, Védrine added: “Attali has exploited the fact that he gave the page proofs to the President at the last moment. By a reflex of prudence, the latter said to himself: ‘I’m not touching it’. Attali has presented this as approval.”34 On 1 July 1993, the author had  a telephone conversation with Joachim Bitterlich, Helmut Kohl’s diplomatic adviser in the Chancellery.35 The subject was Verbatim. Bitterlich described the Chancellor’s reaction to Attali’s work with the word “indignant” (gepfeffert). A reason for this was the discovery that conversations between Kohl and Mitterrand had been brought out incompletey; in eight or nine places, “explicit Anti-Americanisms” were heard from Kohl in Attali’s rendering of his words, while other balancing remarks about the United States were missing. Comparing the conversations as given by Attali with the minutes of the same conversations at the Chancellory, they had discovered that

accusé de plagiat, in: L’Humanité, 22 May 1993; Roger Cohen, Verbatim or Verboten, in: The New York Times, 23 May 1993; “Verbatim”: la vérité maltraitée, in: Le Figaro, 26 May 1993.—The plagiarism of which it is spoken in those articles refers to  a book prepared by Elie Wiesel and based on conversations he had had with Mitterrand. Wiesel and his publisher in Paris discovered that considerable parts of that book had been included into “Verbatim”.—Robert Badinter, Laurent Fabius, Pierre Mauroy and Jack Lang were the former ministers in Mitterrand governments who pointed out and rejected false informations given on them in “Verbatim”. 33 Le Figaro, 19 May 1993, 22.  34 Documentary Note by Hubert Védrine, Sur le livre de Jacques Attali, “Verbatim”, 19 May 1993; Archives Présidentielles (= cited in the following by “Arch. Prés”.—The author could consult Mitterrand’s presidential archive in the Élysée before it was transferred in 1995 to the Archives Nationales.—Hubert Védrine, General Secretary of the Élysée at the time, later explained how and why the author was given access to the presidential archive. See Hubert Védrine, Un professeur allemand à l’Élysée, in: Karl-Heinz Nusser et al. (eds.), Politikos—Vom Element des Persönlichen in der Politik (Berlin: Duncker & Humblot 2008), 15–16).—After the appearance of Vol. III of Verbatim in 1995 Mitterrand issued a communique stating his “most express reservations” about the book. See: François Mitterrand exprime ses “réserves” sur “Verbatim” in: Libération, 7 October 1995. Libération assumed that Mitterrand was particularly irritated by the way he appears in Verbatim with regard to Germany’s reunification. 35 Telephone conversation Joachim Bitterlich—Tilo Schabert, 1 July 1993. Documentary note on the conversation in the author’s archive.

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there had been an “arbitrary dealing with the contents of conversations.” Besides, Bitterlich added, they had received copies from the Élysée of the information that the author in Verbatim had “lifted” (geklaut), and he had reported on meetings at which he never was present. To communicate his empirical findings concerning the “historiographical” work, the author published two newspaper articles in 1993, one in the French weekly Le Point; the other in the German national daily Frankfurter Allgemeine Zeitung, and in 1996 a third article, again in the Frankfurter Allgemeine Zeitung.36 Other researchers subsequently articulated their severe criticism of Verbatim directly in their writing.37 Still, in the historiography of Germany’s reunification and the end of the Cold War, Verbatim remains a preferred “source.” Some authors, like Wilfried Loth, Michael Sutton, or Georges-Henri Soutou, flatly dismiss the objections that were raised with regard to Verbatim.38 Others, like Hanns Jürgen Küsters, Alexander von Plato, or Hans-Peter Schwarz, unflaggingly continue using Verbatim as  a 36 Tilo Schabert, Affaire “Verbatim”. De nouveaux éléments à charge, in: Le Point, No. 1093, 28 August 1993, 26–27. Some of Bitterlich’s remarks were included in that article. They were taken up by The New York Times and the International Herald Tribune on 30 August 1993, in the article “Kohl Upset Over French Leak”. In Germany this led to articles too, see: Emil Bölte, Aus dem Élysée frisch auf den Markt. Jacques Attalis Buch verärgert den Kanzler, in: Generalanzeiger (Bonn), 31 August 1993, 3; id., Kohl protestiert bei Mitterrand, in: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 31 August 1993. The second article is Im Reich der Fiktion. Jacques Attalis “Verbatim”, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, No. 272, 23 November 1993, 12; followed by: Ein Anti-Mitterrand. Attalis groteske Verzerrungen im Mantel der Authentizität, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, No. 62, 13 March 1996, 10.  37 Pierre Favier/Michel Martin-Roland, La Décennie Mitterrand: Vol. 3, Les défis: 1988–1991 (Paris: Seuil, 1996), 37–38 (on p.  38 the word „imposture“ is used to characterize the nature of Verbatim); Pierre Hassner in the section “Épilogue à plusieurs voix” in Samy Cohen (ed.), Mitterrand et la sortie de la guerre froide (Paris: Presses Universitaires de France, 1998), 455 (“The problem ‘Attali’ becomes annoying. If one cannot use these three volumes, if they are full of lies and incorrectness, somebody should take the trouble and separate the wheat from the chaff.”); Frédéric Bozo, Mitterrand, la fin de la guerre froide et l’unification allemande. De Yalta á Maastricht (Paris: Odile Jacob, 2005), 11–12, 380–381. The harsh criticism in the media continued too. See: Mathias Reymond, (Grosses) appriximations et (vastes) emprunts. Quelques rappels sur le cas Attali (Les Mots sont Importants, 21 Nov 2009, http://lmsi.net/Grosses-approximations-et-vastes, last accessed on 7 April 2016). 38 Wilfried Loth, Helmut Kohl und die Währungsunion, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 61 (2013) 4, 455–480, here 460, note 12; Attali’s work is, according to Loth, a “publication of documents” and “doubts” about its “trustworthiness” are “not justified”; Michael Sutton, France and the Construction of Europe, 1944–2007 (New York/Oxford: Berghahn Books, 2007), 275–276.: “Attali’s reliability as a witness has often been questioned. […] But it does not at all mean that Attali’s voluminous testimony should be systematically discounted or disbelieved.”; Georges-Henri Soutou, The German Question as Seen From Paris, 233. For Soutou Verbatim is „a very important source, even though its veracity has often been unjustifiably challenged […], an essential document, as long as the

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source of documentary evidence.39 Or, as it is ingeniously intimated by Mary Elise Sarotte, the issue of the “veracity” of Attali’s “memoirs” is circumvented by attributing to them a documentary value for “emotions” instead of facts.40 In view of the inveterate use of Verbatim as a reliable “document,” the twist caused by it has been made obvious. We cannot proceed to consider France’s role in the process of Germany’s reunification without having removed from it the dark shadow of Verbatim. The three volumes of Attali’s work are strewn with errors and false information.41 Calendar dates are jumbled; decisions are said to have been made at  a particular Cabinet meeting (Conseil des Ministres), while they were taken at another one; President Mitterrand is reported to have been on a journey when he was not, or to have met someone when he did not. Words that Mitterrand articulated are presented in a conversation with Attali, when he expressed them in  a public speech; things that the President supposedly said in the arcanum of a Cabinet meeting, were stated by him on television. In a Cabinet meeting, Mitterrand allegedly made remarks that he never uttered there. Verbatim includes a large number of documents and notes through which the readers, via the textual arrangements made, are led to believe that Attali is their author. In fact, he “hijacked” them—wholly or in part—for Verbatim, without telling the real authors what he had done, namely that he had deprived them of their authorship and fraudulently claimed it for himself. Volume I contains at least 25 such “hijacked” documents. The detailed list is as follows: Hubert Védrine (= author) 20, Elisabeth Guigou 1, Quai d’Orsay (= origin), 2, French Embassy in Moscow, 2. The list for Volume II is: Jean-Louis Bianco 154, Hubert Védrine 4, Elisabeth Guigou 5, Jean Musitelli 1; and for Volume III: Jean-Louis readers are not allowed to see the originals in the National Archives.” (However, an access to the originals is possible, see above). 39 Hanns Jürgen Küsters, La Controverse entre le Chancelier Helmut Kohl et le Président François Mitterrand à propos de la réforme constitutionelle de la Communauté Européenne (1989/1990), in: Thérèse Bitsch (ed.), Le couple France-Allemagne dans les institutions européenes. Une posterité pour le plan Schumann? (Bruxelles: Établissement Émile Bruylant, 2001), 487–516 (with references to Verbatim on pages 490, 492, 494, 505, 514); Alexander von Plato, The end of the Cold War? Bush, Kohl, Gorbachev and the reunification of Germany (Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2015), 94–99; Hans-Peter Schwarz, Helmut Kohl, 976, 983–984, 997; see also the numerous references to Verbatim in: Wilfried Loth, Europas Einigung. Eine unvollendete Geschichte (Frankfurt: Campus, 2014), 454–458.—The volumes of Verbatim are variously called “Attali’s diary” (von Plato, 92), “Attali’s extensive notes” (Schwarz, 560), “Attali’s records” (Loth, 456). 40 Mary Elise Sarotte, 1989 (2014), 258, note 54: “The veracity of Attali’s memoirs have been challenged […], and Kohl’s memoirs also deviate from primary sources in parts, so neither source is reliable, but they provide more details of the emotions of the event [the Dinner of European heads of government on November 18, 1989] than the British summary.” 41 See for example Schabert, Affaire “Verbatim”, in: Le Point, No. 1093, 28 August 1993, 26–27; id., Ein Anti-Mitterrand. Attalis groteske Verzerrungen im Mantel der Authentizität, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, No. 62, 13 March 1996, 10.

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Bianco 72, Loïc Hennekinne 19, Hubert Védrine 1, Jean Musitelli 1, Elisabeth Guigou 1, Pierre Morel 1, Admiral Lanxade, 1.42 In addition, Attali often altered those documents, in interpolating and rearranging them, and/or adding to them words, sentences or paragraphs of his own. Thus, he gave them a certain twist, usually a negative one (anti-American, anti-German/ic, anti-reunification […]). This method was also applied by him to documents the origin of which he indeed mentioned in his work. In the case of the personal notes which were written by Jean-Louis Bianco but which he presented as his own, the “I” (je) of Bianco often became, by way of Verbatim, an “I” of Attali. Only a few examples can be given here. On January 26, 1983 President Mitterrand received from his American colleague, President Ronald Reagan, a letter to congratulate him on the speech that Mitterrand had given on January 20, at the German Bundestag.43 The letter had three paragraphs. In Verbatim it appeared in an altered form: The first paragraph was eliminated and instead of it had a new paragraph added, written by Attali.44 It changes the import of Reagan’s letter. Besides, the parts of the letter reproduced are not presented literally. On September 6, 1989, at the Conseil des ministres, François Mitterrand spoke about the possibility of  a reunification of the “two Germanies.” It should also be kept in mind, he observed, with regard to the request of Austria to become a member of the European Economic Community. Austria’s membership could favour, on the economic and demographic levels, the constitution of, the President said, “a powerful German block in the center of Europe.” Thus, Mitterrand closed his remarks on the two subjects of Germany’s reunification and Austria’s entry to the EEC . Jean-Louis Bianco, who as Secretary General of the Élysée, had been present at the Cabinet Meeting, later reported the President’s words to Georgette Elgey, a historian and archivist at the Élysée, and Elgey transcribed the account.45 Attali took the passage just presented from Bianco’s text, and inserted it into Verbatim, not without changes to the wording. The innocent reader is made to believe that it is Attali whom he or she is reading. Even worse, Attali added  a sentence of his own to the President’s remarks, again in italics, to create the impression that it was still Mitterrand who was speaking. While Bianco had heard Mitterrand evoking a supposition—that of “a powerful 42 All persons mentioned were close advisers to President Mitterrand: Jean-Louis Bianco as Secretary General of the Élysée, Hubert Védrine, Loïc Hennekine, Jean Musitelli, Pierre Morel as diplomatic advisors, Elisabeth Guigou as advisor for European and Economic Affairs, Admiral Lanxade as head of the President’s military advisors. 43 Letter of Ronald Reagan to François Mitterrand, Message reçu sur le télétype bleu, 26 janvier 1983, Arch.Prés. As to the context and the importance of the speech see: John Vinocour, Mitterrand Presses Nato To Be Firm, in: The New York Times, 15 October 1983 (http://www.nytimes.com/1983/10/15/world/mitterrand-presses-nato-to-be-firm.html, last accessed on 5 February 2016). 44 Verbatim I, 389. 45 Jean-Louis Bianco, Conseil des ministres du mercredi 6 septembre 1989, Report dated from 7 September 1989, Arch. Prés.

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German block in the center of Europe”—Attali made Mitterrand draw from his remarks a conclusion and formulate about that “block” a policy, “And it has to be prevented (Et il faut l’éviter).”46 On November 17, 1989, the letter that Margaret Thatcher had sent to Mikhail Gorbachev in response to the message that she had received from the latter on November 10, after the fall of the Berlin Wall, was transmitted in  a copy to the Élysée.47 The contents of the letter (in its French version) are recapitulated in Verbatim, but only partially and in paraphrased form,48 with the effect of considerable changes to the meaning. While Thatcher had begun her letter by saying “I agree with you [Gorbachev] that what happens in Eastern Europe is encouraging,” she now expresses her “uneasiness,”49 as Attali writes, in view of the “developments in the GDR and the whole of the countries in the East.” In a second paragraph, Thatcher had continued to observe that public opinion in Great Britain and other Western countries had been strongly impressed by the events in Berlin last weekend and that she herself had been struck by the “wisdom” showed by everyone concerned. There is no trace of this paragraph in Verbatim. The paraphrasing is resumed, however, to mention Thatcher’s point, made in the first sentence of the letter’s third paragraph, that the “rapidity” with which the changes in the East of Europe had happened, carried with them a “risk of instability.” What Thatcher further said in this paragraph is again disregarded in Verbatim, and thus, another imbalance of the Prime Minister’s view was forged. For Thatcher had had more “stability” in mind rather than the danger of instability, and articulated, therefore, her ideas about the steps that could bring it about: vast reforms in East Germany, in particular free elections in a multi-party system, full freedom of travel, and ultimately, a real democracy together with an economic system to sustain it. Still, Thatcher clung also to the prerogatives of the four Allied Powers and thus communicated to Gorbachev, with the final part of her letter, the readiness of the British government to use those prerogatives. This of course is not ignored by Verbatim’s imparting of her letter.50 On January 29, 1990, Hubert Védrine, diplomatic advisor of President Mitterrand, wrote a note on the security of Europe, the future of the military alliances (NATO and the Warsaw Pact), and other matters.51 Fragments of this note appear 46 Verbatim III, 301. 47 Letter of Margaret Thatcher to Mikhail Gorbachev, in French translation, date in handwriting “17.11.89”, with an handwritten short note by Jean-Louis Bianco (“JLB”) to the attention of Mitterrand, and Mitterrand’s usual encircled “vu” to indicate that he had “seen” the document, Arch. Prés. 48 Verbatim III, 338. 49 My emphasis. 50 Verbatim III, 338. 51 Hubert Védrine, NOTE . A.s la sécurité en Europe: l’avenir des alliances; la C. S. C. E. et le Sommet à 35; la confédération, 29 janvier 1990, Arch. Prés. (The note kept in the archive is annotated by Mitterrand: “Note à garder FM”, which evidently means that the President had taken notice of it).

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in Verbatim.52 Under  a double misrepresentation. Attali obliterates Védrine’s authorship of the note and, then pretends that the sentences put together by himself from the note were stated by Mitterrand. Thus, Attali’s “Mitterrand” tells the readers of Verbatim what Védrine had written in his note—and some of them maybe were (or may have been) inclined to quote “his” sentences in their scholarly book(s). While those sentences in Verbatim give the impression of a coherent remark, they were in fact put together from different places in Védrine’s note, and then polished, as it were. Moreover, the last of these statements was not written by Védrine at all but, again, added by Attali. On February 14, 1990, President Mitterrand received a note from Loïc Henne­ kinne, diplomatic advisor at the Élysée. Hennekinne indicated the subject with the heading “Conversations Gorbachev-Kohl”.53 He had been informed by the Political Counsellor of the Soviet Embassy in Paris on the conversations between Mikhail Gorbachev and Helmut Kohl that had taken place in Moscow on February 10, 1990,54 and he passed on this information to the President via his note, under three sub-headings: Reunification of Germany, Unified Germany and The Aliances, Borders. The content of the note can be found in Verbatim, but—as in the examples already given here—not in a faithful manner.55 Still, there is more: The reader “learns” through Attali’s introductory sentence that the report on the conversations between Gorbachev and Kohl had been given by the Soviet Ambassador (into whom the Political Counsellor of the Soviet Embassy had apparently transfigured himself on the way between Loïc Hennekinne’s note and Verbatim), and that it had been received, on the French side by Jacques Attali. “The Soviet Ambassador has given me a report […] (L’ambassadeur soviétique vient me faire un compte rendu […]).”56 On July 2, 1990 Admiral Lanxade, head of the military staff at the Élysée, directed a report to President Mitterrand in the form of a note on the conversations he had had in Washington on June 29 with General Scowcroft, President Bush’s National Security Advisor, and other staff at the White House and the Pentagon. Their subjects were  a number of security matters, especially the question of a continued American military presence in Europe, the attitude of the Germans towards it, and the upcoming NATO summit in Paris.57 This note 52 Verbatim III, 403–404. 53 Loïc Hennekinne, Note pour le Président de la République, 14 février 1990, Arch. Prés. Mitterrand put on the note his usual “vu”. 54 Cf. Dokumente zur Deutschlandpolitik: Deutsche Einheit, 795–811, for the German reports on the conversations; Aleksandr Galkin/Anatolii Chernyaev (eds.), Michael Gorbatschow und die deutsche Frage. Sowjetische Dokumente, 317–337, for the Russian reports in German translation; Aleksandr Galkin/Anatolii Chernyaev (eds.), Mikhail Gorbachev i Germanskii vopros: sbornik dokumentov 1986–1991, 339–360, for the Russian reports. 55 Verbatim III, 417–418. 56 Ibd., 417. 57 Amiral Lanxade, Note à l’attention de Monsieur le Président de la République. 2 juillet 1990, Arch. Prés.

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is inserted almost entirely into Verbatim, but not verbatim because its text is altered in a number of places. Alterations were made in particular to adapt the note in its principal transformation from being a report by Admiral Lanxade to it being a report by Jacques Attali appearing in Verbatim. Thus, whenever Admiral Lanxade speaks of himself, in different grammatical forms (“my conversation partners”, “indicated to me”, “I have had”), the innocent reader of Verbatim believes that he or she is hearing Attali speak who, in fact, has arrogated to himself the “I”, “me”, “my” of Admiral Lanxade.

III. The Doors of Political Science There exists a body of studies which either entirely or partially deals with our topic and is authentically based on French archival sources whom it brings to “speak.”58 As it is possible now to consult archival documents from the Mitterrand period in the Archives Nationales, the documentation presented in each of those studies can be retraced. It may serve, besides, as a road map for prospective research. Nevertheless, the persistent problematic state of historiography on this topic as described by the author still require many clarifications. By means of such clarifications, we can arrive at least at an understanding of the role that France assumed in the process of Germany’s reunification.

58 Two studies that emerged out from an authorized admittance to the Presidential Archives in the Élysée before 1995: Pierre Favier/Michel Martin-Roland, La Décennie Mitterrand, (the passages on Germany’s reunification are to be found in vol. 3, Les défis, 159–262); Tilo Schabert, Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit (Stuttgart: Klett-Cotta, 2002), French edition, rev. and enlarged: Mitterrand et la réunification allemande. Une histoire secrete (1981–1995) (Paris: Grasset, 2005); American edition: How World Politics is Made. France and the Reunification of Germany (Columbia-London: University of Missouri Press, 2009). Subsequent studies: Frédéric Bozo, Mitterrand, la fin de la guerre froide et l’unification allemande; Marion Gaillard, La politique allemande de François Mitterrand (1981–1995), (Thèse de doctorat, Paris: Institut d’Études Politiques, 2007); Georges Saunier, France, the East European revolutions, and the reunification of Germany, in: Wolfgang Mueller/Michael Gehler/Arnold Suppan (eds.), The Revolutions of 1989. A Handbook (Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2014), 385–401. The relevant publications of former actors should of course be noted here: Hubert Védrine, Les mondes de François Mitterrand (Paris: Fayard, 1996), esp. 423–457; Bertrand Dufourcq, 2+4 ou la négociation atypique, in: Politique étrangère, 65 (2000) 2, 467–484; id., Pour Mitterrand tout s’articule autour de l’idée de la construction européenne, in: Toute l’Europe, 10 October 2010 (http://www.touteleurope. eu/actualite/bertrand-dufourcq-pour-mitterrand-tout-s-articule-autour-de-l-idee-delaconstruction-europ.htm, last accessed 5 February 2016); Jean-Louis Bianco, Mes années avec Mitterrand (Paris: Fayard, 2015), esp. 236–251. See furthermore the chapter “L’adieu au mur” dans: André Fontaine, La Tache Rouge. Le roman de la guerre froide (Paris: Éditions de la Martinière, 2004), 479–505.

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1.

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Governing in Paris

In a conversation on June 24, 1984, with George Bush, then Vice-President of the United States, François Mitterrand declared: “In France, foreign policy is defined by the President of the Republic,” and he added, a moment later, with a kind of regal flourish: “It’s me who defines French politics.”59 Quite in line with the constitutional concept of France’s Fifth Republic, Mitterrand reasserted a view on the role of the Chef de l’État, which the founder of the Fifth Republic, Charles de Gaulle, had introduced in similar terms: “The government has no material existence outside myself. It exists only through me.”60 Indeed, if applied to what the documentary sources tell us of the governmental structures in Paris at the period of Germany’s reunification,61 the analytical instruments of political science show  a President who was clearly the central person in the process of policy making. However, with regard to the “German Question,” he also relied in the Élysée, for counsel, information, administrative and political assistance, and for the communication of his policy, on  a configuration of collaborators and advisors,62 whose shape was fluid, deliberately so,63 but within which a set of persons appears as  a core group: Jean-Louis Bianco, Hubert Védrine, Loïc Hennekinne, Elisabeth Guigou, Pierre Morel, Admiral Lanxade, Jean Musitelli, Caroline de Margerie.64 At the time of the Two-Plus-Four negotiations, though, the weight in the governmental arrangement shifted to Foreign Minister Roland Dumas, the members of the French Delegation, and in particular to its head, Bertrand Dufourcq.

59 Report on the conversation between the President of the Republic and M. George Bush, Vice-President of the United States, June 24, 1984, Arch. Prés. 60 See Alain Peyrefitte, C’était de Gaulle, Vol. 1: La France redevient la France (Paris: Éditions de Fallois), 116. 61 President Mitterrand abhorred meetings. The way his collaborators communicated with him was by sending him notes. Thus, there are  a huge number of notes that reveal  a President on whom policy deliberations concentrate and from whom decisions originate. 62 While working with his staff, Mitterrand habitually also took advice, on whatever he wished, from persons outside the Élysée and the government. 63 For further information see the chapter “Des règles et des méthodes du Président” in: Michel Schifres/Michel Sarazin, L’Élysée de Mitterrand (Paris: Éditions Alain Moreau, 1985), 109–124; Pierre Favier/Michel Martin-Roland, La Décennie Mitterrand, Vol. 1: Les ruptures, Chapter 3 on “Governing”, 529–542; Tilo Schabert, A Classical Prince: The Style of François Mitterrand, in: Barry Cooper/Charles Embry (eds.), Philosophy, Literature and Politics (Columbia-London, University of Missouri Press, 2005), 234–257. 64 The presence of Jacques Attali in the configuration can hardly be perceived authentically since the archival documentation on it is very poor.

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The Workshop of World Politics

In undertaking  a network analysis of the documentary sources, especially of the American, German, and French ones, there emerges a crucial factor in the political mechanisms through which Germany’s reunification was achieved. The principal actors in Bonn, Paris, Washington, London, Moscow—Presidents, Heads of government, Ministers, their closest advisers—knew each other well, had built up productive professional relationships in varying degrees, among themselves (or were doing so) that frequently had a personal touch; they viewed each other through the modes of collegial curiosity, intelligence sharing, professional creativity, and, quite importantly, trust. They formed an interconnected group or, as the author has called it, a “workshop of world politics.”65 François Mitterrand was fully involved in the workshop throughout the period 1989–90, and his role in that period cannot be adequately appreciated without a recognition of his status and activity in the workshop. Excellent examples can be drawn from the meetings between Mitterrand and Bush, or from their telephone conversations. A case in point is the telephone conversation they had on January 27, 1990: “The President [George Bush]: […] it’s nice of you to take my call on a weekend.—President Mitterrand: No, I am also working. […] this approach should not be confused with the neutralization of Germany, which is the Soviet objective. The President: Yes, of course. I share your concern on that. Tell me, do you worry more about the neutralization of Germany now than you did when we last talked? President Mitterrand: […] We cannot allow the neutralization of Germany. […] The President: […] I need your advice and counsel and I’m glad that, on  a preliminary view, it sounds okay to you. President Mitterrand: Yes, it makes sense. I have mentioned my concerns. Kohl’s enthusiasm is not fully reassuring. The President: It might be good for you, if you have the opportunity, to express these concerns directly to Kohl. President Mitterrand: Yes, it is a good plan […] The President: And what do you think Thatcher’s view will be? You know her better than I do. President Mitterrand: She won’t be happy.”66 In an interview on April 21, 1995, with the author of this text, Hubert Védrine explained: “If the unification of Germany came about so well it is because a) Kohl and Mitterrand had already had so many years of apprenticeship behind them that they knew how to agree and cooperate; and b)  because there was a thoroughly extraordinary configuration with, on the one hand, Mitterrand’s advisers Elisabeth Guigou, Caroline de Margerie and myself at the Elysée and, 65 Schabert, Wie Weltgeschichte gemacht wird, 63–88; id., Mitterrand et la réunification allemande, 67–93; id., How World Politics is Made, 12–33; see also Jean Musitelli, Dans l’atelier de la politique mondiale, in: Nusser, Politikos, 17–21. 66 See: Memorandum of Telephone Conversation, 27.01.1990, Subject: Telephone Conversation with President Mitterrand of France (https://bush41library.tamu.edu/files/memconstelcons/1990–01–27--Mitterrand.pdf, last accessed 5 April 2016).

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on the other hand, Kohl’s collaborators Horst Teltschik, Joachim Bitterlich and Peter Hartmann at the Chancellery. Without this group of people accustomed to working with one another, the unification process would surely not have happened as it did: there would have been far more difficulties, or even blunders, in the process.”67 Equally, at the London “Witness Seminar,” mentioned previously, Charles Powell, during the time with which we are concerned, Private Secretary for Foreign Affairs to the Prime Minister, emphasized the “very good, strong relationship between Number 10 Downing Street and the Federal Chancellery,” and William Waldegrave, then Minister of State for Europe in the Foreign Office, evoked in view of their counterparts in Bonn the “personal friendships […] we had.”68 3.

The Axis Dumas – Genscher

As will be pointed out later, Helmut Kohl and François Mitterrand experienced during the fall and winter 1989 some strain on their relationship. In contrast, the two Foreign Ministers, Roland Dumas and Hans-Dietrich Genscher, kept up an accomplished cooperation. Together, they formed a political axis, reinforced by friendship, along which matters that, in the political process between Paris and Bonn, had been impaired or misunderstood, could be—and were indeed—taken up productively and steered towards a resolution. In a note to President Mitterrand Roland Dumas quite justly remarked: “He [Genscher] invites me to Bonn all the time to pursue the work that we have begun.”69 The French side used this axis, among other things, for placing Chancellor Kohl in  a politically desirable context. Thus, on December 4, 1989, Elisabeth Guigou sent a note to Mitterrand about the agenda of the upcoming European Summit at Strasbourg. The French were expecting exacting negociations with the German Chancellor at the summit. Hence, the suggestion that Guigou made in her note to the French President: “At Lunch, you will address the Economic and Monetary Union. Do you wish for the Ministers of Foreign Affairs to be present? The principal advantage is that M. GENSCHER would hear what Chancellor KOHL says.”70 Along the axis Dumas-Genscher news also travelled from Bonn about a sharp dissonance between Chancellor and Foreign Minister in the fall of 1989. On the morning of December 9, at the Strasbourg Summit, just after 67 Interview with Hubert Védrine in Paris, 21 April 1995 (Record of the interview in the author’s archive). 68 Witness Seminar, 59, 76. 69 Roland Dumas, Note à l’attention de Monsieur le Président de la République, 2 May 1989, Archives Nationales/Pierrefitte (henceforth: AN), AN-AG/5(4)CDM /33. 70 Elisabeth Guigou, Note pour le Président de la République. Objet: Ordre du jour du Conseil Européen, 4 December 1989, AN-AG/5(4)4133. Emphasis in the original.

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the breakfast conversation President Mitterrand had had with Chancellor Kohl, the President, Roland Dumas, Elisabeth Guigou, Hubert Védrine, and Jacques Attali talked with each other for a moment in the hallway. Dumas had a piece of information to transmit that is documented: “Genscher told me of a very hard conversation that he had on November 4 during 3 hours with the Chancellor. ‘Our ways will separate’ […] The contact has been cut since then.”71 4.

Political Characterology

Studying the archival sources on our topic is not least a hermeneutical undertaking. During the conversations they had with each other, the governmental actors, more accidentally than intentionally displayed the traits of their character, and they pondered and assessed together the characters of absent actors, something they obviously did shrewdly and purposely. They produced a political characterology of themselves, and one of others.72 With these characterologies, they offered important windows into their thinking, behaviour, and courses of action. Mitterrand—the person whom, given our topic, interests us here most— appears in a variety of character roles. (1) He seems to be absorbed in reflective thinking weighing different views against each other while speaking during a Cabinet meeting or in  a conversation with another political leader;73 (2) like a seasoned analyst, he comments with  a biting irony on the vicissitudes experienced in Eastern Europe in the winter of 1989–90: “After all, Yalta was quite comfortable. One knows prisoners in their cell who find themselves quite embarrassed at seeing themselves outside”;74 (3) he passionately intones the song of a rebel, against “Yalta,” and he presagingly exhorts the actors in the dramatic events of 1989–90 to channel those events into a stable order and thus to fore-

71 Conversation François Mitterrand, Roland Dumas, Jacques Attali, Elisabeth Guigou, Hubert Védrine, après le petit déjeuner avec Kohl et avant reprises des séances, AN-AG/5(4) CD/73. 72 On the concept of a political characterology see: Amanda Anderson, The Way We Argue Now: A Study in the Cultures of Theory (Princeton: Princeton University Press 2006), 129–135; Hans-Jörg Sigwart, Political Characterology: On the Method of Theorizing in Hannah Arendt’s Origins of Totalitarianism, in: American Political Science Review, 110/2 (2016), 265–277. 73 See, for instance, the American records on the two meetings of Mitterrand and Bush on 19 April 1990 at Key Largo, Florida: Memorandum of Conversation, 19.04.1990, subject: Meeting With President Mitterrand of France, (https://bush41library.tamu.edu/files/ memcons-telcons/1990-04-19--Mitterrand[1].pdf and https://bush41library.tamu.edu/ files/memcons-telcons/1990–04–19--Mitterrand [2].pdf., last accessed 5 April 2016, this date refers to all other further consultations of the file from the Bush Presidential Library). 74 Jean-Louis Bianco, Conseil des ministres du 31 janvier 1990, Report dated from 31 January 1990, Arch. Prés.

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stall  a situation like that of “1913”;75 (4) he is the determinedly imperturbable personage, in contending, for instance, with an agitated Chancellor Kohl over the Oder-Neisse border;76 or (5) he is the coolly calculating negotiator who knows that the “Iron Lady,” once her own preferred weapon, pure will, is turned against her, will ultimately give in: “One should realize that there is a will not only on the other side of the Channel. The irresistible Madame Thatcher had to capitulate, at Fontainebleau, tears in her eyes, […] and to sign an agreement against which she had fought for months.”77 From early on—to switch to the characterological exercices of the actors—a certain image of Margaret Thatcher—another person who interests us here particularly—took hold in the Mitterrand government. After he had observed Thatcher at a meeting in Brussels, Claude Cheysson, the first Foreign Minister in French governments under President Mitterrand, put down his assessment on  a sheet of paper and handed it over to the President. Mitterrand evidently read it, for he marked on the note “G. Elgey. Ch. Cheysson à Bruxelles. c/o Mme Thatcher”, and had it then passed on to Georgette Elgey, for the Presidential archive. Cheysson wrote: “This lady is strange or, rather, she lacks intelligence. When she encounters a wall, she retreats, as soon as an opening is produced, she believes that it is large and limitless, and she regains all her massiveness of attack. To find a compromise with her, it is necessary to refuse permanently to shift, which is contradictory.”78 Thatcher’s perceived character, in particular certain traits of it, were a cause of concern for other leaders in the historical period we are considering. For instance, at their meeting on May 21, 1989 in Kennebunkport, President Bush and President Mitterrand, while talking about Germany, promptly expressed their worrries about the British Prime Minister. Thatcher’s attitude was “purely ideological,” Bush observed. She would fear  a withdrawal of America from Europe and despise Helmut Kohl. Mitterrand concurred, in pointing to the “profound animosity between Kohl and Thatcher”; “she can’t bear the French-­ 75 See the section “1913” below, and Schabert, Wie Weltgeschichte gemacht wird, 321–335; id., Mitterrand et la reunification allemande, 341–356; id., How World Politics is Made, 163–174. 76 The contention was taking place at  a dinner in the Elysée. The French report on the conversation, written by Elisabeth Guigou, vividly depicts Kohl’s agitation; at one point Guigou added behind Kohl’s name the remark: “très rouge/very red”. (Dîner F. Mitterrand/H. Kohl 15 février 1990 à l’Élysée, AN-AG/5(4)CD/73, Dossier 1). The German report, written in “Amtsdeutsch”/officialese, conveys, in contrast, the impression of  a much more evenhanded conversation. 77 Jean-Louis Bianco, Conseil des ministres du 15 février 1989, Report dated from 2 March 1989, Arch. Prés. Mitterrand referred here to the European summit on June 25–26, 1984 at Fontainebleau. After much bartering, Thatcher did not receive the full rebate on the British contribution to the European budget that she had requested. In the end, she had to accept just a rebate of 66 percent—the cause for her tears observed by Mitterrand. 78 The note is handwritten, without any date or reference. In a handwriting other than that of Cheysson it is marked: “1983 ou 84? mars”, Arch. Prés.

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German relationship.” he said, and diagnosed a “hardening of Thatcher.”79 The worry concerning Thatcher did not disappear, as is shown, for example, by their telephone conversation on January 27, 1990, to which we have referred above. We shall return to the issue of “reading” Margaret Thatcher later. At the meeting with Bush in Kennebunkport, Mitterrand expressed, let us stress, an unambigious view on Germany’s unification: “I am not against it because of the changes in Eastern Europe.”80

IV. Mitterrand’s Objectives 1.

Traditional objectives

When François Mitterrand in the fall and winter of 1989, delineated at various occasions81 the objectives that France would apply to a reunification of Germany, no one in the Chancellory or the Foreign Ministry at Bonn, or at the editorial offices of news media, should have been surprised. They had been publicly and repeatedly laid down already by Charles de Gaulle, and had been upheld by French governments ever since.82 Adressing the question of Germany’s reunification at a press conference on 4 February 1965 at the Élysée, President De Gaulle started with  a primary observation that Mitterrand restated, almost literally, on November 18, 1989. De Gaulle remarked: “The German problem is the European problem par excellence.”83 Mitterrand noted, “The German Question is a European Question.”84 Consequently, De Gaulle continued in February 1965, any “solution” to the question of Germany’s reunification had to include the “agreement” and “active participation” of the nations interested in the future of their “Germanic neighbor.” Furthermore, Germany had to become an “element of peace and progress” of which one could be “certain” (meaning it had to be part of an acceptable security architecture), and a settlement of its borders would 79 Report (by Jean Musitelli) of the Mitterrand-Bush meeting on 21 May 1989, at Kennebunkport, Arch. Prés. The American report on the meeting is not publicly accessible. 80 Ibd. 81 See: Schabert, Wie Weltgeschichte gemacht wird, 290–298, 301–320, 441; id.,Mitterrand et la réunification allemande, 309–318–339, 487; id., How World Politics is Made, 154–161, 262–263. 82 See, for instance: Ministère des Affaires Étrangères, Direction d’Europe, Fiche. Objet: Position de la France sur la reunification de l’Allemagne, 14 May 1987 (http://www. diplomatie.gouv.fr/fr/IMG/pdf/PKG89.pdf., last accessed 29 February 2016). 83 Charles de Gaulle, Discours et Messages, Pour l’Effort, Août 1962–Décembre 1965 (Paris: Plon 1970), 338. 84 Mitterrand put down the sentence on a sheet of paper in preparation of his press conference after the Dinner on November 1989 to which he had the heads of governments of the member states of the European Community invited. The document is reproduced on p. 415 in Schabert, Wie Weltgeschichte gemacht wird and on p. 454 in id., Mitterrand et la réunification allemande.

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be necessary. Besides, De Gaulle added, “Russia” had to develop in such a way that its “satellites” (with, we may assume, East Germany tacitly included) would “recover their possibility to act by themselves in  a renewed Europe.” For all that he had thus stipulated, De Gaulle used the word “conditions.”85 In the years afterwards he specified two of those conditions, requesting  a definitive recognition of the Oder-Neisse line as well as a renunciation of nuclear weapons by Germany.86 2.

Modification and Actualization of the Objectives

Mitterrand and his government fully adopted, modified, and actualized the objectives of the preceding French governments.87 De Gaulle’s objective of an international “agreement” was actively pursued by France during the preparations for the Two-Plus-Four negotiations—a Four-Plus-Two format had already been advised on October 24, 1989 in a note from the Quai d’Orsay88—and at the negotiations themselves.89 Mitterrand wanted for the “Atlantic Alliance [to] be kept alive,” as he wrote on November 24, 1989 to George Bush,90 and therefore, quite logically, argued against a militarily neutral status for a unified Germany. As of the beginning of 1990, he explicitly kept on the agenda (1) the need to

85 Charles de Gaulle, Discours et Messages, Pour l’Effort, 339, 341, 342. 86 See: Charles de Gaulle, Discours et Messages, Vers le Terme, Janvier 1966–Avril 1969 (Paris; Plon 1970), 19, 22, 103, 206–208, 240.—For the echo outside France see for instance: De Gaulle will auf Wiedervereinigung dringen, in: Die Welt, 24 March 1966, 3; De Gaulle und die Oder-Neiße-Frage, in: Neue Zürcher Zeitung, 22 July 1967, 2; Oder-Neisse Frontier Supported by De Gaulle. French President Calls Postwar Line Dividing Poland, Germany Permanent, in: The Blade (Toledo: Ohio), 7 September 1967. See, furthermore: Vaïsse/ Wenkel (eds.), La diplomatie française face à l’unification allemande, 62–64. 87 On the objectives or “conditions” as they were generally discussed in France in the fall and winter of 1989 see: Roland Höhne, Frankreich und die deutsche Einheit – Die Reaktion der Öffentlichkeit auf den Wiedervereinigungsprozeß im Jahre 1989/90 in: Lendemains, 16 (1991) 62, 106–119. 88 Ministère des Affaires Étrangères, Direction des Affaires Juridiques, Note A/S: De l’Allemagne, 24 October 1989, Arch. Prés.—On 30 October 1989 followed a note, written by Jacques Blot, Director of the Direction d’Europe; it proposed, in view of an “international conference” on Germany, “explorative consultations between the Four Allies and the two German states”. The note is accessible at the Archives Natíonales, see: AN-AG/5(4) EG/212, or online (http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/IMG/pdf/Document_Acrobat3.pdf., last accessed 5 April 2016). 89 See: Bertrand Dufourcq, 2+4 ou la négociation atypique; id., Pour Mitterrand tout s’articule autour de l’idée de la construction européenne. 90 “In this context [the situation in Europe in the fall of 1989] no one fails to understand the necessity to keep the Atlantic Alliance alive. […]You know my commitment in this respect.” Letter of François Mitterrand to George Bush (quoted in translation after the French original version), 24 November 1989, Arch. Prés.

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prevent, by all means, a “decoupling of Europe and the United States” and (2) the postulate that Germany, if unified, be  a member of NATO.91 At their meeting in Key Largo on 19 April 1990, Bush and Mitterrand agreed on the necessity of having a unified Germany as member of NATO and, thereby, NATO as a vehicle for a continued real presence of the United States in the security architecture of Europe. During the meeting, Mitterrand predictively said, “The Soviet Union will prefer to have a unified Germany within NATO rather than have Germany exercising its own military sovereignty.”92 Mitterrand, furthermore, entreated the German government, in particular Chancellor Kohl, to definitively recognize the Oder-Neisse line as the German-Polish border, to be included in the legal settlement of Germany’s reunifi­ cation, rather than being promised for afterwards. The more Helmut Kohl hesitated, the more he persisted. He never forgot what in his, as also in De Gaulle’s view, was a momentous precondition for bringing to an end the division of Germany: A change in “Russia” had to occur through which, as De Gaulle had put it, its “satellites” would “recover their possibility to act on their own.” As long as Moscow tightly held the reins over the Soviet empire, all talk about a reunification of Germany would be futile. In pointing this out, Mitterrand could be misunderstood; one could allege, if one wished, that he was opposed to a reunification of Germany and, therefore, any opposition by the Soviet Union to it would have suited him well.93 Things happened differently, however. It took some time until Gorbachev and his advisers realized that a reunification of Germany would become “inevitable,” and once they did so, they were concerned 91 See his conversation with US deputy secretary of state Lawrence Eagleburger on 29 January 1990, Compte-rendu de l’audience accordée par le Président de la République, Lundi 29 Janvier à 17h00 à M. Eagleburger, Arch. Prés.; to the report, written by Hubert Védrine, is, in handwriting, added the year “1990”, and the remark that copies were sent on 30 January to, among others, the Minister of Defense Chévènement and Foreign Minister Dumas. As to further evidence, see Schabert, Wie Weltgeschichte gemacht wird, 464–466; id., ­Mitterrand et la réunification allemande, 515–520; id., How World Politics is Made, 284–288, and the reports on the two meetings between George Bush and François Mitterrand in April 1990 on Key Largo: Memorandum of Conversation, 19.04.1990, 11:30 am–1:05 pm, subject: Meeting With President Mitterrand of France, (https://bush41 library.tamu.edu/files/memcons-telcons/1990-04-19--Mitterrand[1].pdf, last accessed on 5 April 2016) and: Memorandum of Conversation, 19.04.1990, 1:07–2:15 pm, subject: Meeting With President Mitterrand of France (https://bush41library.tamu.edu/files/ memcons-telcons/1990-04-19--Mitterrand [2].pdf., last accessed on 5 April 2016). 92 See: Memorandum of Conversation, 19.04.1990, 11:30 am–1:05 pm, subject: Meeting with President Mitterrand of France, (https://bush41library.tamu.edu/files/memconstelcons/1990-04-19--[1].pdf., last accessed 5 April 2016). According to the French report of the meeting (AN-AG/5(4)CD/68), Mitterrand told Bush: “United Germany must remain in NATO”. 93 See, for reasoning of this kind, Tony Judt, Postwar, 640 (“Indeed, the French were banking on Gorbachev to veto German unity […].”); Hans-Peter Schwarz, Helmut Kohl, 560–561; Hanns Jürgen Küsters, Entscheidung für die deutsche Einheit – Einführung in: Deutsche Einheit, 79.

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only with the “conditions” for requesting a reunification take place.94 Naturally Mitterrand shared such  a concern. He stated something obvious when, in conversing in Moscow with Gorbachev on May 25, 1990, he remarked, “It’s out of question of course that we ally with each other against the Germans.”95 Mitterrand held another objective. It was the overriding one. Throughout his presidency he had striven, and consistently in conjunction with Chancellor Kohl, for a grand design: the construction of a unified Europe. When Ciriaco de Mita, the then-Prime Minister of Italy, contended at a meeting with Mitterrand on June 3, 1988, “We must speed up the unification process of Europe,” the latter replied: “I am convinced of it. It’s the choice I have made long ago.”96 He conceived the occurrence of a reunification of Germany within the greater event of  a European unification. Germany’s reunification should not pose  a risk for this design, but should rather be a decisive element in the efforts to accomplish it. “[Germany’s] reunification must occur within a strong Europe.”97 Hence, the problems that Mitterrand saw when it seemed to him that “the Germans,” with Chancellor Kohl at their head, rushed towards their unification, disregarding, as Mitterrand, full of apprehension, felt, what endangering consequences this could have for the European project. The French President succinctly expressed his thoughts on that matter in a setting that he often chose for articulating his ideas, namely a political conversation. Speaking with Sheikh Jaber al Ahmed, the Emir of Kuwait, on September 22, 1988, he said at the end of their talk, “Should Germany set as its primary objective to remove the wall, to reunify, it will be subject to Soviet volition. Germany can continue on its way within the [European] Community whilst exerting its pressure for making the Wall disappear. This is not contradictory. Europe, France can help it. If Germany took its route alone, in a solitary manner, this would be something else. The USSR is not ready to give up on the power that it exerts over half of Europe.”98

94 See: Wolfgang Mueller, The USSR and the Reunification of Germany 1989–90, in: Wolfgang Mueller/Michael Gehler/Arnold Suppan (eds.), The Revolutions of 1989. A Handbook (Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2014), 321–354; Mikhail Narinskiy, Gorbatchev, Mitterrand et la réunification de l’Allemagne, 29, 33–34. 95 See: Aleksandr Galkin/Anatolii Chernyaev (eds.), Mikhail Gorbachev i Germanskii vopros: sbornik dokumentov 1986–1991, 463–464 (for the Russian original) and Aleksandr Galkin/ Anatolii Chernyaev (eds.), Michael Gorbatschow und die deutsche Frage. Sowjetische Dokumente 1986–1991, 430. 96 Report (by Jean Musitelli) of the Mitterrand-De Mita meeting, 3 June 1988, Arch.Prés. 97 Mitterrand to the President of South Korea, Roh Tae Woo, at their meeting on 30 November 1989 (Report of the meeting, AN-AG/5(4)CD/67). 98 Report (by Jean Musitelli) of the Mitterrand-Jaber meeting, 22 September 1988, Arch. Prés.

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… and the concerns in Washington and London

Mitterrand’s objectives—we dare to state here emphatically—were fully in line with the concerns held in Washington and London (the occupant of the Prime Minister’s Office notwithstanding). None of his requests was  a Mitterrandian extravagance; all were shared by policy advisers and policy-makers in the American and British government. “It remains important to us,”  a British policy paper on the topic of “German Reunification” noted on October 16, 1989, “that reunification should be reunification westwards and our policies should be directed to ensuring a high degree of integration in the [European] Community and NATO.”99 Another British paper, dated from October 25, 1989, maintained: “We are not committed to German reunification per se but only to  a form of it acceptable to the West.”100 The British Ambassador in Bonn argued, with regard to the question where a unified Germany ought to have its place, exactly as the French President would have done it when, on January 25, 1990, he wrote in a message to Douglas Hurd, the British Secretary of State, “West European integration should go ahead as fast as possible.”101 The US -President and his Secretary of State articulated concerns that certainly did not differ from those of Mitterrand when they discussed the revolutionary events in Eastern Europe and, in particular, the question of Germany’s reunification in conversations with the French President. In their meeting with Mitterrand on 16 December 1989, Secretary Baker declared: “We want the EC [European Community] to serve as an anchor for Germany. […] We favor continued EC integration. […] The key is  a strengthened EC .”102 There was an evident consent that allowed Mitterrand to summarize at the end of the conversation: “On the question of what we tell the press on the German issue, developments must be linked to developments in NATO and the EC . […] We must move on arms control, on EC integration, on European monetary union, and on US -EC cooperation all at the same time in order to create a new Europe.” Always fearing that things could fail, he added exhortingly, “Otherwise, we will be back in 1913 and we could lose everything. We are friends of Germany. They can’t take our advice amiss.”103

99 Minute from Mr. J. N. Powell (Policy Planning Staff) to Mr. Ramsden, German Reunification, in: DBPO, Series III, Vol. VII, 58 (my emphasis, T. S.). 100 Ibd., 76. 101 Ibd., 223. 102 See: Memorandum of Conversation, 16.12.1989, subject: Meeting With President Francois Mitterrand of France, (https://bush41library.tamu.edu/files/memcons-telcons/198912-16--Mitterrand.pdf., last accessed 5 April 2016). 103 Ibd.

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V.

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Germany’s Reunification in the President’s Thoughts

François Mitterrand had been President of France for just a few months when, on October 7, 1981, he forthrightly told West German Chancellor Helmut Schmidt that a reunification of Germany was “inscribed in history” and corresponded to “objective and subjective realities.” The necessary precondition, namely a weakening of the Soviet empire, he continued, “would occur within fifteen years.” The words, spoken by a French President to a German Chancellor, fell on incredulous ears. For Schmidt they evidently expressed a far-fetched idea. “From my point of view,” he responded, “that [the arising on the historical horizon of a possibility for Germany to unify] will last much longer.”104 Mitterrand, however, believed in his idea. He spoke of it again to a German Chancellor, this time Helmut Kohl, on October 21, 1982. “It [the solution to the German Question] will come about gently,” he said, “perhaps even before the end of the century. It will not take generations.” And he brought up the cause that he had mentioned already in his talk with Helmut Schmidt: “The Soviet empire will be hit from the inside. At that time, the dominated countries will be able to regain freedom, and the [East] Germans, now magnetized by the other Germany, will have a tremendous opportunity. This is a matter of some twenty years, so it is a question of patience.”105 Two years later, on October 30, 1984, he told Chancellor Kohl what in his political thought the political road to be chosen was, to achieve, among other things, Germany’s reunification: “We must do everything that is not impossible. You, in any event, cannot decree that you are going to equip yourself with nuclear weapons. You cannot decree reunification, but it is necessary to start from the principle according to which everything that is not impossible is possible.”106 To avoid any misunderstanding, we do not advocate here something like the idea that the reunification of Germany was on Mitterrand’s political agenda 104 Report of the Mitterrand-Schmidt meeting at Latche, 7 October 1981, AN-AG/5(4) CD/72.—The German report on the meeting can be found in Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland  – 1981, Vol. III: 1.  Oktober bis 31.  Dezember 1981 (München: Oldenbourg, 2012), 1536–1544. According to this report Chancellor Schmidt started to mention the subject of Germany’s reunification with the sentence: „No German politician seriously thinks of a possibility for a reunification still in this century.”(p. 1543). A moment later, President Mitterrand took up the subject too: “Mitterrand believes that certainly some time will pass before the reunification. But it lies in the logic of history, which doesn’t shock him, by the way. The objective and subjective facts which are an obstacle to it today—the existence of the Soviet empire above all—could some day change more rapidly as one thinks today.” (p. 1544). 105 Report of the Mitterrand-Kohl meeting in Bonn, 21 October 1982, AN-AG/5(4)CD/72.— The Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland for the year 1982 do not include a report on that Mitterrand-Kohl meeting. 106 Report of the Mitterrand-Kohl meeting at Bad Kreuznach, 30 October 1984, AN-AG/5(4) CD/72.

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since his first day in the Élysée. What matters are not theories or opinions, but the empirical data. Any empiricism applied to the material will produce findings that reveal not necessarily a policy ingredient but certainly an element in Mitterrand’s political thought that “the preoccupation of all Germans with reunifying Germany” and their “aspiration to reunification” was an issue in European politics to be reckoned with. In this sense, he spoke about it, at meetings in the Élysée and in public.107 Then, when it was indeed becoming a policy issue, he expressed, publicly and repeatedly, two leading ideas about it: (1) that the desire of the Germans to reunify was legitimate and (2) that their reunification should happen democratically (démocratiquement), that is by decisions on the part of the German people, and peacefully (pacifiquement),108 that is to say in a way that would not endanger but rather further a peaceful political order in Europe.109 Interestingly, Mitterrand began to articulate these views in May 1989110 when German reunification was hardly an actual issue yet. He repeated them purposefully on further occasions, as, for example, in the meeting with Gorbachev in Kiev on 6 December 1989: “Germany’s reunification does not worry me. But it has to occur democratically and peacefully (demokratichesky i mirno). […] I adhere to my obligation to preserve the balance (balans) in Europe, and to preserve peace (mir).”111

107 See Interview with German television (ZDF ) on 23 February 1982; Interview with Cable Net Works (Atlanta)  on 24 March 1984; Interview with London Times on 24 October 1984; Interview with German television (ZDF ) on 16 October 1987; Interview with German television (ARD) on 18 October 1987. The texts of the interviews were originally published by the Press Office of the Élysée. They can now be consulted in the respective volumes of La politique étrangère de la France. Textes et Documents. 108 My emphasis. 109 Press Conference of Mitterrand and Gorbachev on July 5, 1989; Interview with five European newspapers on 27 July 1989; Press Conference at Caracas, 10 October 1989; Press Conference of Mitterrand and Mario Soares (President of Portugal), 18 October 1989; Press Conference of Mitterrand and Kohl, 3 November 1989; Press Conference in Copenhagen on 10 November 1989; Press Conference in Athens, 29 November 1989; Interview with German television (ARD) on 18 October 1987. The texts of the press conferences and interviews were originally published by the Press Office of the Élysée. They can now be consulted in the respective volumes of La politique étrangère de la France. Textes et Documents. 110 “That the Germans desire the reunification is perfectly logical and normal.”—“Its history turns [the Federal Republic of Germany] toward the East, all the more so since the reunification of Germany is one of its objectives and strongest desires.”—“The difficulty arises when it comes to integrating Germany’s preoccupation into relations between Western nations and Franco-German relations.” Report of the Cabinet meeting on 3 May 1989, Arch. Prés. 111 Report (in excerpts) on the Gorbachev-Mitterrand meeting on December 6, 1989 in Kiev in: Aleksandr Galkin/Anatolii Chernyaev (eds.), Mikhail Gorbachev i Germanskii vopros: sbornik dokumentov 1986–1991, here 287 and 288; for the German translation in Michael Gorbatschow und die deutsche Frage. Sowjetische Dokumente 1986–1991, here 267 and 268.

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VI. The Shape of a Policy There were two tasks to be mastered then in handling a reunification of Germany: the “democratic” part—to use Mitterrand’s terms—and the “peaceful” one. The first one solely concerned the Germans. They would have to obtain, through a popular vote, a basis of legitimacy for a movement towards unification (as it was indeed secured by the elections on March 18, 1990, to the East German Parliament). The second part concerned not only the Germans but also other nations as well: the Four Allies, the community of European states. To have a policy formula for these two tasks at hand, Mitterrand configured a sentence that, in various forms, he recurrently used, as, for example, in a Cabinet meeting: “Unity depends only on the Germans, but the consequences are very international”112 or in a conversation with President Bush: “The unity of the two German states is a matter for the German themselves, but the consequences matter for everyone.”113 Mitterrand and his government focused, therefore, on the “consequences.”114 The starting point was aptly defined by the juridical note of the Quai d’Orsay, dated 24 October 1989.115 “Germany, as on May 8, 1945,” the note stated, “continues to exist in the joint quadripartite action of the Allies acting in the name of their commitments subscribed during and after the war. The existence of two German states in Germany, along with a special entity, Greater Berlin, constitute only a temporary situation that shall not be definitive in law or questioned until the signature of the Peace Treaty to be concluded between the four Allies and Germany or the two German states. In other words, the Allies, by exercising or reserving on each occasion since 1945 their quadripartite rights and responsibilities, ensured the preservation of the principle of German unity.” Against the factual reality of a divided Germany stood the legal reality of a united Germany, and France, as one of the Allies, represented this legal reality. It was up to France, together with the other Allies, to transfer the legal reality of a united Germany, by way of  a “reunification” of the parts of divided Germany, to  a Germany factually united. In October 1989, when the note of the Quai d’Orsay was written, France faced a decision regarding facts, not principles. 112 Jean-Louis Bianco, Conseil des ministres du 14 février 1990, Report dated from 15 February 1990, Arch. Prés. 113 See: Memorandum of Conversation, 19.04.1990, 1:07–2:15 pm, subject: Meeting With President Mitterrand of France, (https://bush41library.tamu.edu/files/memcons-telcons/ 1990-04-19--[2].pdf, last accessed 5 April 2016). 114 On 18 December 1989 the West German Ambassador in Paris sent a message to Bonn on the subject of the “position of France with regard to the German question.” In that message, the Ambassador observed, “Mitterrand has, as always, the most far-reaching view. He is evidently convinced that the reunification will come, but wishes to assist in steering the process towards an orderly course, to avoid in particular an impairing of the European integration process.” See Horst Möller et al. (eds.), Die Einheit, 180. 115 Cf. note 85.

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A second point of departure was identified by another note of the Quai d’Orsay.116 It recorded the opening for the shaping of  a policy concerning the “consequences”: “One principle remains: the inalienable right of all Germans to self-determination, and the will of France never to be an obstacle to the fulfillment of this legitimate aspiration.” The shape of the policy to be adopted with regard to “all Germans” being on the way towards their “self-determination” logically followed from the “principle” thus stated. France would see its role in going with the Germans in the forging of their way—as a “friend,” as Mitterrand liked to remark,117 who had the “consequences” and therefore the “objectives” in mind which a reunification of Germany, to be the desired fortunate event, should fulfill. In the policy language used in the Élysée, that role was defined by the term “accompagner” (to accompany, to go with). Since it would be “incoherent to dispute that desire [of the Germans to unify],” Hubert Védrine, Mitterrand’s diplomatic adviser, observed in a note written on 18 October 1989, since indeed “it is impossible to oppose the movement of rapprochement,” one has to “accompany the movement towards unity if not towards reunification.” All could be handled, Védrine continued, the “consequences” well in mind, “if the movement towards the end of the division of the German people does not go on more rapidly than the European construction and the general dissolution of the barriers between Eastern Europe and Western Europe.”118 “Accompagner” was President Mitterrand’s word equally, at the Cabinet meeting on 13 December 1989,119 and at the Cabinet meeting on 31 January 1990, when he spoke at length on Germany and Eastern Europe, and laid down the following principle while recognizing the approaching of a reunification of Germany: “Every development [évolution] that is inscribed in the facts [inscrite dans les faits] shall not be negated, but accompanied [accompagnée], accompanied nonetheless.”120 Terms for the shaping of  a policy concerning the “consequences” were set down not only in Paris but also in Washington and London. They were similar to the French “accompagner” but posited a more constraining sense (concerning our topic the conventional wisdom of course is that constraints came from Paris). A British document of September 18, 1989, for instance, reports that “President 116 Ministère des Affaires Étrangères, Le Chef du Centre d’Analyse et de Prévision (Jean-Marie Guehonno), Note/S: La question allemande, 12 September 1989, AN-AG/5(4)CDM /33. 117 On 14 November Mitterrand told Gorbachev in their telephone conversation: “France is Federal Germany’s friend.” (Report of the Mitterrand-Gorbachev telephone conversation, 4 November 1989—AN-AG/5(4)CD/68.). On 16 December 1989, Mitterrand said, as already reported, to Bush: “We are friends of Germany.” (see above). 118 Hubert Védrine, Note. A/s: réflexions sur la question allemande, 18 October 1989 (ANAG/5(4)CD/177). 119 See Secrétariat Général du Gouvernement, Report on the Cabinet Meeting of 13 December 1989 (Arch. Prés.). 120 Jean-Louis Bianco, Conseil des ministres du 31 janvier 1990, Report dated from 31 January 1990, Arch. Prés.

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Bush is increasingly concerned about ‘how to manage the Germans’.”121 Another British document likewise advises a “good management of any evolution towards reunification.”122 Later in the fall of 1989, the words employed in London become harsher,  a “moderating and channelling [of] German ambitions” is recommended123 or  a policy whose aim is “to envelop and contain the West Germans.”124 Interestingly, though, the British Ambassador in Bonn complained on January 5, 1990 in a letter to Foreign Minister Douglas Hurd about an unevenness of perceptions, particularly in view of the American policy: “I remain concerned that despite our consistent support for the principle of German unity through self-determination, the UK is perceived here as opposing, or at least wishing to brake, reunification. […] The US are perceived as the most supportive of German aspirations even while laying down conditions for German unity.”125 Indeed, Washington squarely set rules according to which a reunification of Germany would be allowed to occur. At first, in October and November 1989, the “German Question” was viewed in the White House from the perspective of a “prudent evolution,” as George Bush phrased it.126 In an interview, given to The New York Times on 25 October 1989, the American President had been rather dilatory: “I don’t think we ought to be out pushing the concept of reunification127 […] or setting timetables […]. It takes time, […]. It takes a prudent evolution.”128 On November 29, 1989, however, one day after Chancellor Kohl had announced his Ten-Point Plan, Secretary of State Baker “’suggested’ four points of our own”

121 Letter from Sir M. Alexander to Sir P. Wright, Brussels, 18 September 1989 (DBPO, Series III, Vol. VII, 31). My emphasis. 122 Draft Paper on German Reunification, FCO (= Foreign and Commonwealth Office), 11 October 1989, ibd., 50. My emphasis. 123 The German Question, FCO, 20 October 1989, ibd., 66. 124 East/West Relations, FCO, 12 December 1989, ibd., 170. 125 Sir C. Mallaby (Bonn) to Mr. Hurd. The German Question: Our Public Line, 5 January 1990, ibd., 190. My emphasis. 126 See Michael R. Beschloss/Strobe Talbott, At the Highest Levels. The Inside Story of the End of the Cold War (Boston: Little, Brown and Company, 1993), 138; James A. Baker, III, The Politics of Diplomacy. Revolution, War and Peace 1989–1992 (New York: G. P. Putnam’s Sons, 1995), 165. 127 When Baker discussed the events in Germany on October 15 while giving  a speech in New York, he still deliberately avoided the term “reunification” and used the word “reconci­liation” instead. See: Baker, The Politics of Diplomacy, 162–163; Zelikow, A Diplomatic History of German Unification, 223–224; and: Bartholomew Sparrow, Brent Scowcroft and the Call of National Security (New York: Public Affairs, 2015), 368–372. 128 See: R. W. Apple, Jr. Possibility of a Reunited Germany is No Cause for Alarm, Bush Says, in: The New York Times, 25 October 1989 (http://www.nytimes.com/1989/10/25/world/ possibility-of-a-reunited-germany-is-no-cause-for-alarm-bush-says.html, last accessed 1 March 2016). In a note which German Foreign Minister Hans-Dietrich Genscher received on 16 November 1989 from the head of the American desk in the Ministry, the “very cautious” attitude of the American President is emphasized. See Horst Möller et al. (eds.), Die Einheit, 138.

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concerning “German unification.”129 Within the next few days, the “points” became “principles,”130 that is a set of rules and a fixed policy of action. These were formally announced on December 4, 1989, by President Bush at a NATO summit in Brussels. “In our view,” Bush stated, the “goal of German unification should be based on the following principles. First, self-determination must be pursued without prejudice to its outcome. Second, unification should occur in the context of Germany’s continued commitment to NATO and an increasingly integrated European Community, and with due regard for the legal role and responsibilities of the allied powers. Third, in the interests of general European stability, moves toward unification must be peaceful, gradual, and part of  a step-by-step process. Lastly, on the question of borders, we should reiterate our support for the principles of the Helsinki Final Act.”131 Later, when Baker described the genesis of the announcement of the “four principles as U. S. policy,” he unambiguously explained why it was made and added a further information as to the way it was made. The “United States could exercise leadership and influence the debate. […]. We cabled them [the four principles] to all European posts to guide our ambassadors, and a few days later, the European Community adopted them as well [my emphasis].[…] I am convinced that our principles calmed Moscow, London, and Paris.”132 In its final declaration on December 9, 1989, the European Council at Strasbourg indeed included  a paragraph on the question of Germany’s unity. Still, no mention is made of an “adoption,” and the policy envisioned as well as the phrasing of the paragraph distinctly echo Mitterrand’s objectives and the words he had used to express them.133 With regard to the policy that was shaped for 129 See: Baker, The Politics of Diplomacy, 167–168. 130 See ibd., 168; Philip Zelikow/Condoleezza Rice, Germany Unified and Europe Trans­ formed. A Study in Statecraft (Cambridge, Mass: Harvard University Press, 1995) 1­ 32–133; Zelikow, A Diplomatic History of German Unification, 288–291. 131 George Bush: Outline of Remarks at the North Atlantic Treaty Organization Head­quartes in Brussels, 4 December 1989 (http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=17906, last accessed 1 March 2016). 132 Baker, The Politics of Diplomacy, 168, my emphasis.—In A World Transformed, the book he co-authored with George Bush, Brent Scowcroft, Bush’s security adviser, gives a blunt account of the reasoning which led to the American “principles”. “Kohl’s ten points provided a basic approach to cooperation and possible reunification for the two Germanies”, Scowcroft writes, “but from our perspective they ignored the international and security aspects, especially a united Germany’s relationship to NATO and the issue of boundaries. […]. I thought the principles focus squarely on the issues Kohl had omitted.” (A World Transformed (New York: Alfred A. Knopf, 1998), 196–197).—At one point, the policymakers in Washington considered creating “a ‘Western cocoon’ around Kohl”. See Michael R. Beschloss/Strobe Talbott, At the Highest Levels, 188. 133 In a diplomatic telegram from the Quai d’Orsay, dated 14 December 1989, the discussion that took place at the summit with regard to the wording of the paragraph is described. While the Germans, it is reported, wished to have the phrasing used, without any changes made, like those that had been applied in the letter on German unity addressed to the Soviet government at the signing of the Treaty if Moscow, other delegations found it

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the likely event of a reunification of Germany, the function of leadership was, we may, in view of Baker’s later claim, conclude, actually a matter of contention. The European Council that Mitterrand had presided over at Strasbourg chose this policy formulation: “We seek the strengthening of the state of peace in Europe in which the German people will regain its unity through free self-determination. This process should take place peacefully and democratically, in full respect of the relevant agreements and treaties and of all the principles defined by the Helsinki Final Act, in a context of dialogue and East-West cooperation. It also has to be placed in the perspective of European integration.”134

VII. Prevailing Issues 1.

The conflict between Mitterrand and Kohl over the next step towards European integration

At the Strasbourg Summit, the European Council also decided to convene an intergovernmental conference “before the end of 1990” to prepare the establishment in three steps for a European Economic and Monetary Union (EMU). Up to two days before the beginning of the summit on December 8, the question of the timing of that conference had been the subject of a bitter conflict between President Mitterrand and Chancellor Kohl, quite unfortunately at the time when the “German Question” was becoming  a burning issue and the two men should have been on better terms. At its meeting on June 26–27, 1989 in Madrid, the European Council had fixed the date of July 1, 1990, for the initiation of the intergovermental conference with which the preparations for the EMU would begin. Mitterrand and his advisers, as well as Jacques Delors, head of the European Commission, and Roland Dumas and Hans-Dietrich Genscher, expected the organizational work for the establishment of the EMU to take place in a timely manner once it had been started, as did Helmut Kohl, naturally, with a substantive reservation, however. Already before the summit at Madrid, Kohl had told Mitterrand that he wished the intergovernmental conference to begin only in 1991, and, besides, that he would inappropriate, under the current circumstances. The Chair of the Summit—Mitterrand, Dumas and their collaborators—took up the task then to combine the German text with a number of precisions, like the “peaceful and democratic character of the [reunification] process”. The end result, the report concludes, “illustrates the formula of the President” (Mitterrand). See Ministère des Affaires Étrangères, TD Diplomatie 26102, 14 December 1989, AN-AG/5(4)EG/59. See also Schabert, Wie Weltgeschichte gemacht wird, 427–429; ibd., Mitterrand et la réunification allemande, 470–473; id., How World Politics is Made, 250–253. 134 Conclusions of the Presidency—European Council—Strasbourg—8 and 9 December 1989, (http://www.europarl.europa.eu/summits/strasbourg/st_en.pdf, last accessed on 10 March 2016), 15.

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never publicly announce that date. Mitterrand thought he knew the chancellor’s reasons: electoral politics, and the reluctance in West Germany concerning the EMU.135 While Genscher and Dumas, worried about the chancellor’s position, strove together for a timely process towards the EMU (along their political axis), Mitterrand and Kohl got locked into  a conflict that, by October, had become personal.136 On 24 October, they met at the Élysée for a long talk over dinner. The Chancellor confirmed his European convictions explicitly—“We need the [European] Community”—but did everything to avoid the topic of the EMU. Mitterrand insisted on addressing it, and, as Elisabeth Guigou, his adviser for European affairs, later recalled “drove Kohl into  a corner.” The Chancellor finally became “furious.” When the two men spoke to each other again the next morning, Kohl simply refused to talk about the date of the intergovernmental conference. Mitterrand countered: “But I will talk about it,” which he did that very afternoon during a speech before the European Parliament in Strasbourg.137 Two days later, Genscher and Dumas met in Paris. The German report on their conversation is quite telling: Dumas qualified the meeting between Kohl and Mitterrand as “strange.” The chancellor had, as Dumas related, at first spoken about what was happening in East Germany. Mitterrand had not understood what Kohl actually wished to say. When the President finally approached the topic of the EMU and, in particular, of the intergovernmental conference, Kohl reacted evasively. In the end, faced with the persistence of Mitterrand, Kohl—so the German report says—agreed that the intergovernmental conference could start in the fall of 1990. Dumas noted, as  a general observation, that the relationship between Kohl and Mitterrand had “cooled down,” with the Chancellor at the heart of it. Genscher affirmed that the reasons for Kohl’s procrastination lay in domestic politics, but, as the German Foreign Minister (and partner of the Chancellor in their coalition government) pointed out, there were “overriding political considerations” for holding on to the objectives concerning monetary policy.138 “Furious,” “strange,” “cooled down”—surely, François Mitterrand and Helmut Kohl were not on good terms with each other in the fall of 1989, the moment of the German’s awakening to their reunification.

135 See Elisabeth Guigou, Note pour le Président de la République. Objet: Union Économique et Monétaire, 24 June 1989, AN-AG/5(4)EG/57. 136 Ibd. See furthermore the two accounts of Elisabeth Guigou recorded by Georgette Elgey on 11 October 1989 and on 3 December 1989 (Arch. Prés.). In her second account, Guigou reports that Kohl had “asked Genscher no longer to express himself [on the subject of the intergovernmental conference]. He used his constitutional prerogatives to forbid Genscher any initiative.” 137 Report of the Mitterrand-Kohl meeting on 24 October 1989, Arch. Prés.; Account of­ Elisabeth Guigou recorded by Georgette Elgey on 13 December 1989. 138 See the report on the meeting Dumas-Genscher on 26 October 1989 in: Horst Möller et al. (eds.), Die Einheit, 124–125.

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Their conflict over the convening of that intergovernmental conference, it should be added, was finally resolved on December 6 through a verbal message that Kohl had conveyed to Mitterrand and according to which he gave his definitive consent to a convening of the conference before the end of 1990. 2. “Schengen”

François Mitterrand viewed the occurrence of  a reunification of Germany within the event of  a greater European unification. The Bush administration and officials in the British Foreign and Commonwealth Office, as we have seen, concurred, but would “the Germans”—under the preeminent leadership of Chancellor Kohl—not perhaps favor their unity first, disregarding what others might think of their rush, and thereby risk the European project, the promise of an order of peace in Europe? Very much convinced of the principle that people should preferably be judged by what they did rather than by what they said, the French President, well informed here by his advisers, carefully followed, in the fall and winter of 1989, the political behaviour and actions of Chancellor Kohl and the other policy-makers in Bonn. The experience of Kohl’s procrastination as to the intergovernmental conference made him doubtful. His apprehension was increased by the behaviour of the Kohl government with regard to the “Schengen Agreement.”139 The agreement had been signed on 14 June 1985 by France, West Germany, Belgium, the Netherlands, and Luxemburg, for the purpose of having gradually abolished checks on the circulation of persons at their common borders and to facilitate the movement of merchandise. Negotiations on the precise conditions of its implementation followed, and everything seemed ready for  a formal signing of the agreement in December 1989, so that it could become effective on 1 January 1990; however, in mid-December the signing was postponed “sine die,” as Roland Dumas related at the Cabinet meeting of December 20, 1989.140 On December 13, the Chief of Staff of the Chancellery at Bonn, Lutz Stavenhagen, called French Prime Minister Michel Rocard, to tell him that the Federal Republic of Germany could not sign the Schengen agreement after all, because it did not take the GDR sufficiently into account.141 Mitterrand had inquired and learned from Helmut Kohl that the Chancellor had not bothered to speak to the Prime Minister of the GDR , Hans Modrow, about his plan to have the GDR included into the “Schengen Area,” and later, he was informed by Modrow himself, as Mitterrand told Margaret Thatcher in January 1990, that indeed no 139 For further information see: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=URI SERV%3Al33020, last accessed 15 March 2016. 140 See Secrétariat Général du Gouvernement, Report on the Cabinet Meeting of 20 December 1989, Arch. Prés. 141 According to a report written at the Élysée, Arch. Prés. 1989, authored by Jean-Louis ­Bianco.

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one had spoken to him about that plan.142 “This Schengen affair,” Mitterrand concluded, in  a conversation with the Italian President Francesco Cossiga on 23 January 1990, “is very symptomatic […]. The Germans have  a tendency to regard the GDR as already being part of the organisations [to which Federal Germany belongs].”143 3.

The German-Polish Border

Perhaps George Bush had the right idea about Helmut Kohl when he spoke to Mikhail Gorbachev on 2 December 1989 and said, “But his rhetoric, you must understand, is emotional and possibly some politics, but mostly emotion.”144 Perhaps the electoral considerations of the chancellor in Bonn did not fit with the legal determination of the president (and trained lawyer) in Paris. Perhaps a confusion of purposes reigned. The idea of the chancellor, to lend the strongest possible support to Germany’s recognition of the German-Polish border through a resolution of the Parliament of a unified Germany might have stood against the view of the President that this recognition logically had to be part of the final settlement of the “German question” and, hence, of the new ordering (in agreement with everyone)  of Germany’s—unified Germany’s—place at the 142 Mitterrand thus recounted the “French experience over the Schengen Agreement” to Margaret Thatcher at their meeting on 20 January 1990, see the French report on that meeting: AN-AG/5(4)CD/68. In the British report on the meeting no mention is made of Modrow and any exchange between him and Mitterrand concerning “Schengen”. See: DBPO, Series III, Vol. VII, 218.—At his meeting with Irish prime minister Charles Haughey on 15 February 1990, Mitterrand mentioned “the Schengen story” again and explained that he did not understand the Kohl government’s behavior: “As long as there are two states, we deal with two states.” (Report of the Mitterrand- Haughey meeting in Paris, 15 February 1990.—Arch. Prés.). 143 Report on the Mitterrand-Cossiga meeting on 23 January 1990, AN-AG/5(4)CD/68. 144 Memorandum of Conversation, 2.12.1989, Subject: First Restricted Bilateral Session with Chairman Gorbachev of the Soviet Union (https://bush41library.tamu.edu/files/ memcons-telcons/1989-12-02-Gorbachev%20Malta%20First%20Restriced%20Bilateral. pdf, last accessed 5 April 2016), 5.—When Kohl was asked a few years after the reunification whether the definitive “end” of the former German regions in the East—Silesia, Eastern Prussia, Eastern Pomerania—had moved him, he answered: “It moved me deeply. Those territories constituted one third of the Reich’s area. […] That has absolutely nothing to do with nationalism or chauvinism. There is the injustice of expulsion, and you can’t find a single responsible person today who would deny it […] the victims of those events were, in a way, held accountable for acts they did not commit. They have been made to bear the responsibility in the name of Germany and in the name of German history, as it were. That posed a big, a very big problem for me and, in the final analysis, I didn’t understand the discussions we had in late 1989, early 1990, when people continually repeated that I had immediately to recognize the Oder-Neisse border.” See: Ekkehard Kuhn, Gorbatschow und die deutsche Einheit. Aussagen der wichtigsten russischen und deutschen Beteiligten, (Bonn: Bouvier, 1993), 172.

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center of Europe. Be that as it may, Helmut Kohl and François Mitterrand got caught up in another rub. It bore on the definitive determining of the OderNeisse line as the German-Polish border. It lasted from the fall of 1989 to the summer of 1990, and it harmed their mutual understanding of the intentions of “the Germans” in pursuit of their reunification. To have “Germany” unified within the borders of the Federal Republic of Germany and those of the German Democratic Republic was clearly stipulated by the Four Allies on relevant occasions by a direct reference to these borders or, mostly, to “the principles of the Helsinki Final Act.” Pragmatically, Chancellor Kohl had nothing different in mind. The conflict with the French President arose when, in Mitterrand’s view, (a)  Kohl failed, stubbornly as it seemed, to publicly commit himself as Chancellor of West Germany in unequivocal terms to a definitive determinination of the Oder-Neisse line as the German-Polish border and (b) brought up the idea that this could only be done by the Parliament of a unified Germany (hence, after the unification and, consequently, the restoration of a fully sovereign Germany). “I in the FRG cannot act for a united Germany,” Helmut Kohl stated, when he met with George Bush on February 24, 1990. “The Poles,” he had just explained before, “should realize that binding decisions must come from an all-German Parliament in an all-German state,” and he assured, “We will be uniting three parts: the FRG, the GDR , and Berlin.” Mildly, George Bush had warned him, however, “On the Polish border, it has cycled over here as an issue.”145 In fact, the apparent unwillingness of the Kohl government and, in particular of the Chancellor himself, to come out for a definitive determination of the Oder-Neisse line was at that time widely critized in the American media with aggressive, if not hostile, articles. The issue was understood as a “first test of German intentions” in view of the greater status of a unified Germany.146 Mitterrand, according to him, had warned Kohl since November 3, 1989, on several occasions when they met or talked with each other on the phone with regard to his position on the German-Polish border, “You are going to run into a serious crisis. Aren’t you in the process of arousing all suspicions? This can make your unification difficult.” Each time, well aware of the fact that the Americans147 145 See: Memorandum of Conversation, 24.2.1990, subject: Meeting with Helmut Kohl, Chancellor of the Federal Republic of Germany, (https://bush41library.tamu.edu/files/ memcons-telcons/1990–02–24--Kohl.pdf., last accessed 5 April 2016). 146 See Jens Knappe, Die USA und die deutsche Einheit. Amerikanische Deutschlandpolitik im Kontext von veröffentlichter und öffentlicher Meinung 1989/90 (München: Forschungsgruppe Deutschland, 1996), 141–142. 147 “It would be good to have Kohl state his position [the recognition of the GermanPolish border] publicly,” President Bush said to Mitterrand on 19 April 1990, when they discussed the “agreement regarding Polish borders”. See: Memorandum of Conversation, 19.4.1990, 1:07–2:15 pm, subject: Meeting With President Mitterrand of France, (https://bush41library.tamu.edu/files/memcons-telcons/1990-04-19--[2].pdf., last acces­ sed 5 April 2016).

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and the British shared the French view,148 he had said to Kohl, “Nothing will be possible as long as you do not recognize the intangibility of the Oder-Neisse border.” But with  a “lovely perseverance” the Chancellor had continued with conducting himself in his way. “That is understood,” he would reply in personal conversations, but he would never say anything of that sort in public. “He did not want to commit himself.”149 In any case, at a Cabinet meeting on March 7, 1990, the French government asserted its position concerning the issue of the borders of a unified Germany. “France will not be an obstacle to the unity of the two States if the people of each of them decide so. But the consequences of the unification concern us as much as the Germans themselves. The unity of the two German States can be admitted only within the frame of existing borders of the two States.”150 The last sentence implied again that a unification of Germany could not be settled if the German-Polish border issue were not be settled with it as well. Hence, the unilateral declaration on the German-Polish border issued by the West German Parliament on March 8, 1990, was judged by the Mitterrand government as insufficient. “It is necessary for both Germanies and Poland,” the President held, “to enter into negotiations for  a settlement on the border before unification. […] It is necessary that the Four take public stands along these lines.”151 “It will take an international act,” Mitterrand told Kohl on 15 February at a dinner in the Élysée, after a difficult moment in their conversation on that evening. Kohl finally acceded, responding “Yes, all right.” So the French report of their meeting has it.152 In the German report on the meeting, however, there is no mention of that reply.153 Eventually, the border issue was channeled into concluding legal forms within the realm of international law. They are well known: At the first ministerial conference of the Two-Plus-Four negotiations on 5 May 1990 in Bonn, the American Secretary of State declared that the Germany to be unified should be “made up 148 At the “Witness Seminar” in London, Lord Powell observed: “She [Thatcher] took very seriously, and had been making seriously the point about recognition of the border, since the meeting of the EC in November in Paris, and she repeated that point time and again; she could not understand why Chancellor Kohl did not come out earlier and explicitly acknowledge the border, and she was determined to smoke him out in that, which had some effect.” (Witness Seminar, 92–93). 149 Report (by Loïc Hennekinne) of the Mitterrand/Dumas/Rocard-Jaruzelski/Mazowiecki/ Skubiszewski meeting in Paris, 9 March 1990, AN-AG/5(4)CD/68, and Report (by Caroline de Margerie)  of the Mitterrand/Dumas/Rocard-Jaruzelski/Mazowiecki/Skubiszewski meeting in Paris, 9 March 1990, AN-AG/5(4)CD/68. 150 See: Secrétariat Général du Gouvernement, Report on the Cabinet Meeting of 7 March 1990, Arch. Prés. 151 See: Memorandum of Conversation, 24.2.1990, subject: Meeting With Helmut Kohl, Chancellor of the Federal Republic of Germany, (https://bush41library.tamu.edu/files/ memcons-telcons/1990–02–24--Kohl.pdf., last accessed 5 April 2016). 152 Report of the Mitterrand-Kohl meeting on 15 February 1990, AN-AG/5(4)CD/73, Dossier 1. 153 Dokumente zur Deutschlandpolitik: Deutsche Einheit, 848–849.

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of the FRG, the GDR , and Berlin, nothing more, nothing less.”154 On 21 June, the West German and the East German Parliaments promulgated an identical resolution in which they reiterated their desire to confirm, by a treaty according to international law with Poland, the Oder-Neisse line as the definitive border between Poland and Germany. Art. 1, Sect. 2 of the Treaty on the Final Settlement with Respect to Germany (September 12, 1990) stipulated, “The united Germany and the Republic of Poland shall confirm the existing border between them in a treaty that is binding under international law.”155 This German-Polish treaty was signed on November 14, 1990 in Warsaw by the German and the Polish Foreign Ministers. It took effect on January 16, 1992. 4. “1913”

As the conflicts just described smoldered, President Mitterrand began to evoke the adversity that certainly should not happen: “The Germans” would rush to get their reunification, disregarding the “consequences,” and he drastically put this into the symbolism of calamitous years in European history, of not only “1913” but also “1914” or “1919” to be sure that he got his message across: Do you want all of Germany’s neighbors forming an allegiance against it? The French President who spoke in this way was Mitterrand, the exhorter. The message was to have avoided by all means what it symbolically conveyed. The kind of irritation that could apparently be aroused by “the Germans” in those momentous months, in late 1989 and early 1990, can be discerned in a note that Jacques Blot, head of the European desk in the French Ministry of Foreign Affairs, wrote on 4 December 1989. After Chancellor Kohl’s speech at the Bundestag,” Blot stated, “the German policy is clear: The hour of reunification has arrived […] The unity, that is the affair of the Germans and of themselves alone. In the speech of the Chancellor, not  a word on the Allies, not  a word on the neighbors, not  a word on the borders. […] Let us not deceive ourselves: Mr. Kohl has given the international community to understand that Germany is no longer under tutelage and that it alone has to decide about its fate. We must take note of this and, as far as we are concerned, draw the consequences.”156

Savage diction of this kind was not Mitterrand’s style. His modes of speech were irony, the telling of exemplary anecdotes, philosophical and historical observa154 Ministère des Affaires Étrangères, Compte Rendu, A. S.—Première session ministérielle du Groupe des Six: Bonn (5 mai 1990), 17 May 1990, Arch. Prés. 155 For the text of the treaty, see: http://usa.usembassy.de/etexts/2plusfour8994e.htm (last accessed on 5 April 2016). 156 Ministère des Affaires Étrangères, Direction d’Europe, Le Directeur, Note A/s: Réunification allemande et processsus européen, 4 December 1989, AN-AG/5(4)EG/212.

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tions, sarcasm, and, at the appropriate moment, phrases of particular clarity and firmness (like the ones quoted in this article), or, as in this case, exhortations. Thus, on 16 December 1989, he told George Bush: “As I said to Kohl, German reunification must not go forward any faster than the EC , otherwise the whole thing will end up in a ditch.”157 On 18 January 1990, he remarked, in a meeting with Hungarian President Mátyás Szűrös: “We are obsessed by the idea of avoiding Europe returning to the situation of 1919.”158 At  a meeting of Mitterrand, Kohl, and the Swiss President Jean-Pascal Delamuraz on 15 December 1989, the Chancellor had affirmed: “I try to reduce the speed [of the reunification process],”159 yet, on 13 February 1990, it appeared to Mitterrand, as he said to Italian Prime Minister Giulio Andreotti, that there were, if one compared the development of Germany’s reunification with that of Europe’s unification, two “trains”: one at a speed of 100 km/h, and one not faster than a local train.160 Kohl himself told George Bush just a few days later, on February 24, “My ten-point program of last November has been swept away.”161 “If the rhythms of development are different,” Mitterrand postulated on 30 November 1989, “there will be an accident (Si les rythmes sont différents, il y a accident).”162 This was the historical insight that moved the French President to evoke those calamitous years in European history throughout the fall and winter of 1989–90.163 Secretary of State Baker wholeheartedly agreed. On 16 December, he had joined President Bush for a talk with Mitterrand. “Following the hourlong meeting,” Baker later recalled, “Mitterrand in the press conference said that we must deal with the ‘German problem’ in  a ‘harmonious way’. As he delicately put it, ‘If the horses of the team don’t move at the same speed, there’ll be an accident.’ Avoiding that accident […] would become my central diplomatic project in the new year.”164 157 See: https://bush41library.tamu.edu/files/memcons-telcons/1989-12-16--Mitterrand.pdf., last accessed 5 April 2016. 158 Report on the Mitterrand—Szűrös meeting on 18 January 1990, AN-AG/5(4)CD/68. 159 Report on the Mitterrand—Delamuraz—Kohl meeting on 15 December 1989, ANAG/5(4)CD/67. 160 Report on the Mitterrand—Andreotti meeting on 13 February 1990, AN-AG/5(4)CD/68. 161 See: Memorandum of Conversation, 24.02.1990, subject: Meeting With Helmut Kohl, Chancellor of the Federal Republic of Germany, (https://bush41library.tamu.edu/files/ memcons-telcons/1990–02–24--Kohl.pdf., last accessed 5 April 2016).—For the German report see Dokumente zur Deutschlandpolitik: Deutsche Einheit, 861. 162 Source: Report on the Mitterrand—Roh Tae Woo (President of South Korea) meeting, 30 November 1989, AN-AG/5(4)CD/67. 163 The leader of the Gaullist Party and Mayor of Paris, Jacques Chirac, spoke of the same danger as Mitterrand, but used different symbolism. While overcoming the “System of Yalta”, he stated, one should not fall back into that of “Sarajevo”. See cablegram of 18 December 1989 from the West German Ambassador in Paris in: Horst Möller et al. (eds.), Die Einheit, 178–185, here: 183. 164 Baker, The Politics of Diplomacy, 175–176.—See also the information provided by the British Ambassador in Washington in his message of 30 January 1990 to the Foreign and

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5.

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“Allying” with Margaret Thatcher

Mitterrand knew, of course, as did the policy-makers in Washington, that  a strengthening of European integration was an essential, if not crucial part of the response to the looming “accident.” Margaret Thatcher, in contrast, did not share this “European” perception. She did not realize—or did not wish to realize—that of which the French President was acutely aware: With Germany’s reunification, if it were handled well, the European construction would gain momentum. Mitterrand found this desirable. Thatcher, with her stance towards “Europe,” had blocked her mind to this insight. Their views here were incompatible. It is, therefore, difficult to see why Mitterrand should have thought of forming an alliance with Thatcher against Germany on the country’s way to reunification, just to have a failure of the European project for which he had been fighting—in conjunction with Helmut Kohl—for so long. “She [Margaret Thatcher] should try to bind the Germans into the EC ,” Helmut Kohl told George Bush at their meeting on 3 December 1989.165 However, as she stated for example at a dinner in London on 11 March 1990, to which the French Ambassador had been invited, in order to discuss Germany’s reunification and the European construction, Margaret Thatcher completely ruled out that the European Community could by itself become  a force of political attraction. For her, it should be just an association for free trade. She did not see, she said further, which “concrete ideal one could offer in the name of Europe and in which way this could help to keep the Germans on the right track as they had become much too powerful for not dominating the structure within which one tried to lock them up.”166 Margaret Thatcher, though, through her position as Prime Minister of Great Britain, was an important figure in the configuration of political leaders who were profoundly involved in the process concerning a reunification of Germany. Her colleagues had to understand, or better: had to “read” her, as a member of the “team,” to use Mitterrand’s language, that should “move at the same speed.” Helmut Kohl, in talking on 24 February 1990 with George Bush about Thatcher, confessed that he felt helpless: “I can’t understand her. I can’t do anything about her.” Bush, in the same conversation, had gentle, slightly condescending words to say about her: “We don’t fear the ghosts of the past; Margaret does. […] I called Margaret today just to listen to her, which I did for an hour. […] Margaret told Commonwealth Office: “[Bush adviser] Blackwill commented that the worst situation would be one in which the two Germanys simply went their own way without any consultation with the respective allies.” (DBPO, Series III, Vol. VII, 231). 165 Memorandum of Conversation, 03.12.1989, subject: Meeting with Helmut Kohl, Chancellor of the Federal Republic of Germany, (https://bush41library.tamu.edu/files/mem cons-telcons/1989–12–03--Kohl.pdf., last accessed 5 April 2016), 4. 166 Cablegram of Ambassador Luc de La Barre de Nanteuil to Roland Dumas, 13 March 1990, in: Vaïsse/Wenkel (eds.), La Diplomatie Française face à l’unification allemande, 255–264, here: 261.

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me today that everyone expects German unity (although six months ago she felt differently).”167 Mitterrand’s approach was intricate and skilled. Having been a keen observer and interpreter of Thatcher for quite some time, he carried  a distinct image in his mind of her in 1989–90. It was permeating in terms of characterology and, besides, thoroughly political. He pursued what he wished to pursue, and Thatcher understood what she had wished to understand. In a conversation with Kohl on June 27, 1989, he explained the procedure: “When she has yielded, she says, I have won. She has character, but she yields and she loves propaganda.”168 Douglas Hurd described the procedure in the following way: “At Strasbourg, as was his habit, he [Mitterrand] juggled with ideas when talking to her, summoning the same thought that, as in the past, Germany could only be restrained by Britain and France acting together. But this was just intellectual play. […] his constant juggling with ideas, phrases and historical comparisons was a pastime, not a prelude to action.”169 Quite notably, Hurd added: “Before she met Mitterrand again in Paris a month later, I warned Margaret Thatcher in a long minute that in public he was speaking in favor of unification and there was no evidence of any serious French effort to check the impetus.”170 Much has been made of the meetings of Mitterrand and Thatcher on 1 September 1989 at Chequers and on 8 December at Strasbourg at which they allegedly allied “to prevent or at least to slow down the unification of Germany.” We have just reviewed the issue of such an alliance. Scrutiny of the available documents might be of further help. As to the meeting in Chequers, there is, on the British side, only a footnote in the volume containing British documents.171 The accounts it presents are confusing (and Attali is there again). Mitterrand was accompanied to the meeting by Roland Dumas, Elisabeth Guigou, and Hubert Védrine. Guigou took notes, and her handwritten notes, making up altogether 20 pages, can now be consulted in the Archives Nationales.172 The handwriting is largely illegible. Some hours of attempts at deciphering have allowed us to discern the course of the conversation and to comprehend, parts of it in a fragmentary way. At the very beginning of the conversation, Guig167 Memorandum of Conversation, 24.02.1990, subject: Meeting With Helmut Kohl, Chancellor of the Federal Republic of Germany, (https://bush41library.tamu.edu/files/memconstelcons/1990-02-24--Kohl.pdf., last accessed 5 April 2016), 7. 168 Report on the breakfast meeting Mitterrand—Kohl (at the European Summit in Madrid), 27 June 1989, AN-AG/5(4)/CD/73. 169 Douglas Hurd, Memoirs (London: Little, Brown 2003), 383. 170 Ibd.—For the text of the minute of Douglas Hurd see: DBPO, Series III, Vol. VII, 208– 211.—And furthermore: „I do not believe François Mitterrand believed a bit of what he said to her”, William Waldegrave declared at the “Witness Seminar” in London. “[…] he was having fun, but he was also moving Britain to the sidelines, which is never far from French policy.” Witness Seminar, 62. 171 DBPO, Series III, Vol. VII,79. 172 AN-AG/5(4)/CD/75. Dossier 2, sous-dossier 14. 

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ou’s note tells us, Margaret Thatcher raised the subject of “Germany”: “That’s the most preoccupying matter.” There is a distance between our views, Mitterrand explained in replying. “One has to understand the German problem.” It is “normal,” he said, that the country wishes to “regain its political power” through its “economic power.” But the “one leads to the other,” Thatcher interjected, a view which Mitterrand evidently did not share, and their exchange started to diverge: Thatcher painted on the historical wall the threat of a Germany “dominating” Europe, while Mitterrand accentuated his objective of  a Germany within the “binding structures” of a European community that “works.” The longest part of Mitterrand’s and Thatcher’s conversation at Chequers— lasting, Guigou later recalled, an hour—dealt with the next steps to take for the intergovernmental conference. Thatcher refused to give her assent to Mitterrand’s plan to have a working group convened that would prepare those steps. The French President replied that the working group would meet, regardless of the number of participants. Two days later, the meeting took place, and the British were present.173 As to the personal communication between Mitterrand and Thatcher at Strasbourg, the available documentary evidence is again insufficient. Apparently, they met twice, but on both the British and the French sides, only one conversation is documented.174 The British document consists of  a detailed letter from Charles Powell, written out fully,175 whereas the French document is comprised only of some scribbled jottings.176 Certain observations of the two interlocutors, quoted in the first document, indeed suggest a conflation of views, pointing to an alliance in opposition to Germany. Mitterrand spoke in a manner, according to Powell’s letter, that could not but please Margaret Thatcher. The French document, though, presents a different picture. Here, Mitterrand again evokes “1913” but then adds a phrase that is not to be found in Powell’s letter, “However, the existence of the EEC [European Economic Community] changes everything.” Similarly, the accounts on the subject of  a Four Power meeting contrast significantly. The British document shows Mitterrand quite inclined to have such a meeting held. The French document, in contrast, has him saying: “I haven’t decided what my position is concerning a quadripartite meeting.”

173 See the account of Elisabeth Guigou recorded by Georgette Elgey on 11 October 1989, Arch. Prés. 174 For the British side see: Preface, in: DBPO, Series III, Vol. VII,XVII . 175 Letter from Mr. Powell (Strasbourg) to Mr. Wall, 8 December 1989, ibd., 164–166. 176 Fm/Thatcher vendredi 8 déc 89 à Strasbourg, 18h45, AN–AG/5(4)/CD75, Dossier 2, sous dossier 15. 

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The Visit to the GDR (December 20–22, 1989)

Should Mitterrand have made his visit to the GDR? He himself had doubts. One of his diplomatic advisors counselled him not to go, upon his return after some days of exploring and assessing the situation in East Germany in early December.177 Still, he went, encouraged, it should be noted, by Helmut Kohl and George Bush. In Strasbourg at the European Summit, Kohl and Mitterrand breakfasted together on the morning of 8 December. Among other things, they spoke about Mitterrand’s plan to visit the GDR . He did not see “reasons,” the President said, “to turn [the invitation by the East German government] down.” “But I question myself about this voyage.” he added. Kohl responded, “On the day you depart, call.” Mitterrand again expressed doubts. “I shall examine the question. But it’s difficult to back off.” Kohl, after this new expression of doubt, spurred Mitterrand, “If all stays as it is, go ahead (allez-y).”178 Just before Mitterrand departed for the GDR on December 20, he and President Bush talked with each other on the phone. After the exchange of greetings, Mitterrand said, “I am going to the German Democratic Republic in a few minutes.” Bush responded, “I know you are. It will be a very important trip.”179 Mitterrand left Paris in the afternoon. During the morning, he had presided over the weekly Cabinet meeting. As usual, Roland Dumas as Minister of Foreign Affairs, had presented an overview of the “international situation.” Rergarding the President’s visit to the GDR , he explained, “The President is starting his visit to the GDR , where he has been preceded by Kohl, this afternoon. This trip allows a “hands-on experience” of the reality of the relationship between the two Germanies. The business people of the German Federal Republic are already very present in the GDR . For want of having it done on the political level right now, the unification is in the process of producing itself by osmosis.”180 For some years, the visit to the GDR had been part of deliberate efforts by the French government to enhance its own Ostpolitik, not without a sense of competition with regard to Germany. Thus, the governmental machinery in Paris was fully at work on this visit in the autumn of 1989. Under the assumption that the GDR would continue to exist for a few more years, the visit was intended as the

177 See also the account on the visit in Schabert, Wie Weltgeschichte gemacht wird, 450–456; id., Mitterrand et la reunification allemande, 498–507; id., How World Politics is Made, 271–278. 178 Report on the Mitterrand-Kohl meeting over breakfast, Saturday, 8 December 1989, AN– AG/5(4)CD/73.—For the German report see: Dokumente zur Deutschlandpolitik: Deutsche Einheit, 628–631, here: 629. 179 Memorandum of Telephone Conversation, 20.12.1989, subject: Telephone Conversation with President Francois Mitterrand of France, (https://bush41library.tamu.edu/files/mem cons-telcons/1989–12–20--Mitterrand.pdf., last accessed 5 April 2016), 1. (My emphasis). 180 See Secrétariat Général du Gouvernement, Report on the Cabinet Meeting of 20 December 1989, Arch. Prés.

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final act in the enhancement of France’s Ostpolitik, Hubert Védrine explained later in an interview.181 The president, therefore, was accompanied by managers of major French business companies, and a number of governmental agreements with the GDR were prepared for being signed during his visit. Interestingly, the European Commissioner for External Relations and Trade, Frans Andriessen, at the same time was about to arrange a trade and cooperation agreement between the EC and the GDR , as, again interestingly, Mitterrand was told on December 6 in an advisor’s note.182 The competitive context of Mitterrand’s visit becomes distinctly apparent if one calls to mind the visits that other political figures made to the GDR in December 1989. Helmut Kohl went to Dresden, Willy Brandt to Magdeburg, Richard von Weizsäcker to Potsdam, Hans-Dietrich Genscher to Eisenach and Halle, Rita Süssmuth and Norbert Blüm to Leipzig. Kohl and Mitterrand of course were the major competitors183—together with the American Secretary of State. James A. Baker went to Potsdam on December 12, 1989. Concerning the reunification of Germany, he attributed to the United States, as we have already noted, the role of “leadership.” Therefore, he later explained, he had to precede the French President: “I knew President Mitterrand was planning to visit the GDR the next week, and I wanted to demonstrate American leadership by going there first.”184 After all, as he asserted a day after his visit to a meeting of Foreign Ministers in Brussels, the American Secretary of State “had gone to Potsdam to lend Modrow [Prime Minister of the GDR] legitimacy.”185 During his visit, Mitterrand had a number of political conversations. At each, he articulated a plain view on the reunification. “I’m not taking any hostile position on reunification,” he said in a conversation with Manfred Gerlach, president of the GDR State Council.186 “France is not alarmed by the problem of unity, it is a matter of historic reality” he argued in a conversation with Prime Minister Modrow.187 “The position of France is: If elections in East and West produce the

181 Interview with the present author in Paris on 12 June 1996. 182 Caroline de Margerie, Note pour le Président de la République, 6 December 1989, AN–AG/5(4)/4160. See also the Document No 144 concerning the relationships between the EC and the GDR , in: Dokumente zur Deutschlandpolitik: Deutsche Einheit, 705–706. Cf. also the chapter by Michael Gehler in this volume. 183 In the interview already mentioned (see note 178 above), Védrine asserted that Mitterrand with his visit wanted “to put pressure” on Kohl, in order to make clear that France was there to “accompany” the reunification process. See further Horst Teltschik, 329 Tage. Innenansichten der Einigung (Berlin: Siedler 1991), where on p.  60 he states that Kohl “ought even to have gone to the GDR before Mitterrand”. 184 Baker, The Politics of Diplomacy, 173 (my emphasis). 185 See Letter of Douglas Hurd to Ambassador Mallaby in Bonn, in DBPO, Series III, Vol.  VII, here 172, 174. 186 Report of the Mitterrand-Gerlach meeting, 20 December 1989, AN-AG/5(4)CD/67. 187 Report on the Mitterrand-Modrow meeting, 21 December 1989, in: Horst Möller et al. (eds.), Die Einheit, 191–196, here: 192.

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result that a majority of the German people votes for a reunification, no one can then oppose it, no one can interfere,” he let Gregor Gysi, head of the SED -PDS party, know in a conversation.188

VIII. Concluding Remarks The role of France in the process of Germany’s reunification can be traced. The historical material is abundant. This hardly leads to  a historiography whose argument consists of taking France and, in particular, the country’s President, Mitterrand, to task. In De Legibus Cicero, just before he calls Herodotus the “father of history,” declares that in the writing of history the standard by which everything is to be judged is the truth. Only a few sentences later, he envisages a program of historiography as  a competitive striving for the glory and honor of one’s own country.189 Evidently, there are tensions in the understanding of history and some wisdom is required. Perhaps Helmut Kohl offered an example when he said to George Bush on 3 December 1989, “I have always planned carefully with President Mitterrand. […] Mitterrand is wise. He knows it would be bad to oppose this [Kohl’s Ten-Point Plan]. But he wants it to proceed moderately.”190

188 Report on the Mitterrand-Gysi meeting, 21 December 1989, in: ibd., 196–204, here 198. 189 Cicero, On the Laws, I, 1–2. 190 Memorandum of Conversation, 03.12.1989, subject: Meeting with Helmut Kohl, Chancellor of the Federal Republic of Germany, (https://bush41library.tamu.edu/files/mem­ cons-telcons/1989-12-03--Kohl.pdf., last accessed 5 April 2016), 3.

III. Neutrale Staaten: Irland, Schweiz und Österreich

Mervyn O’Driscoll

A Small Country’s Big Responsibility: Ireland, German Reunification and “the Acceleration of History” 1989–1990 Chancellor Kohl felt, and I agreed with him, that if we could get rid of the major division of Germany then this might set a headline for other parts of Europe and, indeed, other parts of the world. That’s how Chancellor Kohl saw it—and I always believed it would have this positive implication […]. What he wanted to see was a United Germany within a United Europe, for the sake of both Germany and Europe. As it happened, Ireland was holding the Presidency of the European Union at the time and I was able to facilitate the moves towards reunification. I never saw any reason to block these moves. On the contrary, I saw distinct advantages in its realisation. C. J. Haughey1

Ireland found itself centre stage during the process of German reunification in 1989 and 1990. It held the European Community (EC) Presidency for six months from 1 January 1990 and was an unqualified supporter of German unity. As a beneficiary of the European integration project, Ireland desired the continuation of a prosperous and harmonious EC with a fully committed Germany. The Irish Taoiseach (equivalent to Prime Minister), Charles J. Haughey, and many in the Irish government and state apparatus savoured the international stage and desired to leave a lasting but constructive legacy. This chapter argues that the Irish Presidency mediated the reconciliation of its EC partners with German reunification and assisted in advancing the negotiations that led to the European Union (EU). The Treaty on the European Union (TEU) or the Maastricht Treaty was, in part, a European response to the consequences of German reunification and the disintegration of the Soviet Union. Consecutive German statesmen and representatives have paid repeated tributes to Ireland’s equanimity and conduct of the presidency during the defining first half of 1990.2 According to a recent Irish foreign minister, the political division 1 C. J. Haughey, Chancellor Kohl has been Good Friend to Ireland, in: Irish Examiner, 3.10.1996, 4.  2 Renagh Holohan, President recalls Irish Hospitality, in: Irish Times, 21.7.1992, 2; Derek Scally, Germany will “never forget” Ireland’s Help, in: Irish Times, 29.4.2010, 9; Eamon

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of the island of Ireland gave it a “special understanding for the desire for unity” on the part of Germany.3 Ireland possessed unique qualities that smoothed the transition to a united Germany integrated within the EC/EU. In order to appreciate the Irish conceptions and approach to German reunification and European integration in 1990, this chapter delineates important aspects of Irish-German intercultural and bilateral relationships following Irish independence in 1922. It postulates that Germany is the defining continental actor in Ireland’s evolution during the twentieth and twenty-first centuries. This is not surprising as the “German Question” has reframed Europe since the nineteenth century, but Irish historiography in all of its iterations (traditionalist, revisionist and post­revisionist) has overlooked this as incidental to the dominance of the Anglo-Irish relationship. Amity and partnership are sentiments invariably invoked in official exchanges between Ireland and West Germany after 1949. The literature surveying the relationship traditionally regards postwar relations between the two democracies as “exceptionally positive” or close.4 These representations gained particular credence when Ireland unhesitatingly supported German reunification after 1989. To better grasp the Irish-German relationship in the transformative period of 1989 and 1990, the first brief section of this chapter reviews the broader state of academic study of Irish connections with Germany. This includes an introduction to the cultural and literary field. The next section recapitulates the prehistory and history of the contacts between the two regions before 1949. It highlights the emergence of Irish nationalist perspectives on modern Germany, and in particular Irish nationalism’s sentimental and philosophical sanguinity towards a united Germany. The third section explores the emphasis that Ireland placed on the active involvement in the EC and preparations for the Irish Presidency from 1987 by the government of Taoiseach Charles J. Haughey. It argues constructive engagement in the EC was a central tenet of Irish policy since its entry in 1973 and the Haughey government persisted in this vein. The fourth part of the chapter reveals how Haughey as a seasoned critic of Irish partition was instinctively predisposed to support German reunification after the “fall of the wall.” The next section explores how the Irish government’s benign attitude toward the prospect of German unity intertwined with  a pre-existing Irish consensus-building and communautaire approach to both European integration and the conduct of its EC presidencies to facilitate and promote an appropriate EC response to German reunification. The Irish administration was a catalytic Delaney, How Charlie helped the Wall Come Down, in: Daily Mail, 1.11.2014, 12; Horst Pakowski, Common Interests and Common Future, in: Irish Times, 2.10.1996, A2; Liam O’Neill, Ireland must join EMU from Day One, in: Irish Examiner, 3.10.1996, 4; Mark Hennessy, Chancellor says “Thanks” for Irish Support for Reunification, in: Irish Examiner, 3.10.1996, 4. 3 Derek Scally, Germany will “never forget” Ireland’s Help, in: Irish Times, 29.4.2010, 9. 4 Niamh O’Mahony/Claire O’Reilly (eds.) Societies in Transition: Ireland, Germany and Irish-German Relations in Business and Society since 1989 (Baden-Baden: Nomos, 2009).

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agent at the foundational moment of the more expansive and integrated EU of today. This was the stage when the outline of a European compromise on political and economic union was both perceived and framed against the backdrop of German reunification, though the details still needed to be mapped out and agreed upon. The final section swiftly surveys the changing nature of the Irish relationship with Germany and the EC/EU since 1990. It suggests Haughey underestimated the implications of German unity and an EU constructed to accommodate the new Germany. These intermixed with Irish economic developments and produced  a far more complex Irish-German relationship in the twenty-first century. It was one that highlighted the incontrovertible importance of Germany to contemporary Ireland. Irish historiography can no longer neglect the significance of the Irish-German relationship.

I.

Research in Irish-German Studies

After  a sluggish start, Irish-German studies came of age during the 1990s following German reunification. An explosion of interest occurred and this generated wide-ranging and frequent multi-disciplinary publications; cultural and literary studies are at the forefront. According to  a recent authority on the cultural and literary corpus, “it is remarkable how many publications have refracted the relationship solely through the lens of the German perspective of Ireland.”5 German perspectives from the early nineteenth century were a product of an interweaving of German nationalism and romanticism that associated the island of Ireland with notions of wilderness, peripherality, bucolic idylls, and traditionalism. Wilhelm Grimm’s translation of Thomas Crofton Croker’s Fairy Legends and Traditions of the South of Ireland (1825) spawned a romantic image of Ireland that persists to the present day, and the translation remains in print.6 The publication of Noble Laureate Heinrich Böll’s Irisches Tagebuch (1957)—an account of his stay on Achill Island on the west coast of Ireland in the mid-1950s—reinforced Germans’ romantic images of the “Emerald Island” over a century later.7 The growing interest in cultural connections was enhanced by the foundation of the Centre for Irish-German Studies in the University of Limerick in 1997. But it is Irish-German political and economic international history that is the locus of this chapter. The historical study of the first five decades of twentieth 5 Claire O’Reilly, Contextualising Ireland and the Irish in Germany—Reception and Perception, in: Claire O’Reilly/Veronica O’Regan (eds.), Ireland and the Irish in Germany: Reception and Perception (Baden-Baden: Nomos, 2014), 13–28, here 13–14. 6 Heinz Kosok/Thomas Crofton Croker, The Brothers Grimm and the German Image of Ireland, in: O’Reilly/O’Regan (eds.), Ireland and the Irish in Germany, 85–102. 7 Gisela Holfter has played a pivotal role in exploring the work of Böll: Gisela Holfter, Heinrich Böll and Ireland (Cambridge: Cambridge Scholars Publishing, 2012); id., Heinrich Böll’s Irisches Tagebuch in Context (=Irish-German Studies, 5, Trier: WVT, 2010).

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century Irish-German relations is a site of productive research.8 Only recently has attention turned to appreciating Irish relations with the Federal Republic of Germany (FRG) and the German Democratic Republic (GDR) after 1949.9 Historical scholarship first began to explore the significance of the economic, political and diplomatic relations between independent Ireland and Germany in the 1970s. Cumulatively, the historical work remains focused on the “European Thirty Years’ Crisis” (1914–1945) and its edges. The exploration of Irish-German diplomatic, political and economic relations after 1949 has developed in the last decade, but remains in its preliminary stages. Literature on Irish-German relations between 1973 and 1989 is sparse and no study of Irish official policy on German unification in 1989 and 1990 exists. Political science and European 8 Carolle J. Carter, The Shamrock and the Swastika: German Espionage in Ireland in World War II (Palo Alto: Pacific, 1977); Mervyn O’Driscoll, The Economic War and Irish Foreign Trade Policy: Irish-German Commerce 1932–9, in: Irish Studies In International Affairs, 10 (1999), 71–89; id., Inter-war Irish-German Diplomacy: Continuity, Ambiguity and Appeasement in Irish Foreign Policy, in: Michael Kennedy/Joseph Skelly (eds.), Irish Foreign Policy, 1919–1969: From Independence to Internationalism (Dublin: Four Courts, 2000), 74–95; Reinhard R Doerries, Prelude to the Easter Rising: Sir Roger Casement in Imperial Germany (London: Frank Cass, 2000); Horst Dickel, Die deutsche Aussenpolitik und die irische Frage von 1932 bis 1944 (Wiesbaden: F. Steiner, 1983); John P. Duggan, Neutral Ireland and the Third Reich (Dublin: Gill and Macmillan, 1985); Mark M. Hull, Irish Secret: German Espionage in Ireland, 1939–1945 (Dublin: Irish Academic, 2003); Mervyn O’Dris­coll, “To Bring Light Unto the Germans”: Irish Recognition-seeking, the Weimar Republic and the British Commonwealth, 1930–2, European History Quarterly, 33 (2003) 1, 65–100; John P. Duggan, Herr Hempel at the German Legation in Dublin, 1937–1945 (Dublin: Irish Academic, 2003); Mervyn O’Driscoll, Ireland, Germany and the Nazis: Politics and Diplomacy, 1919–1939 (Dublin: Four Courts, 2004); Niall Keogh, Con Cremin: Ireland’s Wartime Diplomat (Cork: Mercier, 2006); Jérôme Aan De Wiel, The Irish Factor, 1899–1919: Ireland’s Strategic and Diplomatic Importance for Foreign Powers (Dublin: Irish Academic, 2008); Christopher Sterzenbach, Die deutsch-irischen Beziehungen während der Weimarer Republik, 1918–1933: Politik, Wirtschaft, Kultur (Münster: LIT, 2009). 9 Mervyn O’Driscoll, Hesitant Europeans, Self-Defeating Irredentists and Security FreeRiders? West German Assessments of Irish Foreign Policy during the Early Cold War, ­1949–1959, in: Irish Studies in International Affairs 21 (2010), 91–106; Mervyn O’Driscoll, The “Unwanted Suitor”: West Germany’s Reception, Response and Role in Ireland’s EEC Entry Request, 1961–3, in: Irish Studies in International Affairs 22 (2011), 1–24; id., West Germany in: id./Dermot Keogh/Jérôme Aan De Wiel (eds.), Ireland through European Eyes: Western Europe, the EEC and Ireland, 1945–1973 (Cork: Cork University, 2013), 9–74; Mervyn O’Driscoll, Die Stunde Null: Appraising Irish Relief to Postwar Germany, in: O’Reilly/O’Regan (eds.), Ireland and the Irish in Germany, 63–84; Jérôme Aan de Wiel, The Trouble with Frank Ryan; “corpse diplomacy” between Ireland and East Germany, 1966–1980, in: Irish Studies In International Affairs, 25 (2014), 203–220; id., East German Intelligence and Ireland, 1949–90: Espionage, Terrorism and Diplomacy. (Manchester: Manchester University, 2015); Mervyn O’Driscoll, A ‘German Invasion’? Irish Rural Radicalism, European Integration, and Irish Modernisation, 1958–73, in: International History Review 38 (2016) 3, 527–550.

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Studies publications commonly but fleetingly mention the significance of the 1990 Irish presidency of the Council of the EC .10 This is unsurprising. Irish internal governmental records remain inaccessible under the “thirty-year rule,” although the authorities are contemplating its reduction to twenty years. The Department of Foreign Affairs and Trade (DFAT) rejected a request for special access to the papers relating to Irish attitudes and policies to German reunification in 1990.11 Matters have not been assisted by the marked reluctance of former members of government and civil servants to publish memoirs. In such a constraining context, this chapter relies heavily on contemporaneous EC/EU documentation, newspapers, and parliamentary debates.12 Only one newspaper, the Irish Times, provided regular high quality and daily coverage of the Irish Presidency; it employed  a European correspondent. This is  a liberal and centrist daily, has no party-political affiliations, and has adopted the selfascribed role as the paper of national record since the 1960s.13 These sources are supplemented with original documentation released by the British government, where possible.14 Before delving into the Irish attitudes to German reunification in 1989 and 1990, it will be instructive to review the quality and nature of earlier Irish-German relations and connections.

II.

Before 1949

It may seem strange to return to the Middle Ages but early history is frequently summoned in contemporary Irish-German relations. In this respect the early Hiberno-Scottish or Celtic Church was a vital transnational link. The missionary activities of St. Columbanus and his followers are associated with numerous monastic sites in southern Germany, northern Austria and Switzer10 For example: Brigid Laffan/Jane O’Mahony, Ireland and the European Union (London: Palgrave Macmillan, 2008). 11 Email from Eoin O’Leary (Head of European Union Section, DFAT) to author, 12.1.2016. Mr O’Leary stated: “The lack of a legal basis and resource constraints make it impossible for the Department to comply with your request.” 12 In the preparation of this chapter, I benefited greatly from the assistance of several individuals who generously gave of their time and knowledge: Tony Brown (international secretary of the Labour Party, 1978–1997: government adviser 1973–1977 and 1994–1997, member and former director of the Institute of International and European Affairs, Dublin), Noel Dorr (Ireland’s permanent representative to the United Nations 1980–1983, and ambassador to London 1983–1987, secretary-general of the Department of Foreign Affairs 1987–1995), Emeritus Prof. Dermot Keogh, Dr. Luke Kirwan and Prof. Ben Tonra. 13 See http://www.irishtimes.com/, last accessed 27.4.2016. 14 Keith Hamilton/Patrick Salmon/Stephen Twigge (eds.), Documents on British Policy Overseas. Series III, Volume VII: German Unification, 1989–1990 (London: Routledge, 2010); Margaret Thatcher Foundation, (http://www.margaretthatcher.org/document/113883, last accessed 16.2.2016).

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land in the sixth and seventh centuries. From the eleventh century Irish Benedictine monks founded Schottenklöster (Gaelic monasteries) or Schottenkirchen (Gaelic churches) in the southern German and northern Austrian region.15 This Hibernian contribution to medieval Christendom is constantly promoted as the grounds for a close bond, even a filial link, between the modern Germany and Ireland. A second formative dimension in Irish-German associations was nationalist intercourse. From the final decade of the eighteenth century, Irish revolutionary links with parts of Germany developed. Hamburg became a node of communications between Ireland and revolutionary France after 1789 and several Irish republican revolutionaries made it a home or a place of exile following the failure of the United Irishmen’s rebellion against English rule in 1798.16 The narrative of the Irish nation repressed by English conquest resonated with Johann Gottfried von Herder (1744–1843) as he forged the intellectual underpinnings for cultural nationalism. Herder unearthed medieval manuscripts in Würzburg with Gaelic annotations; here was evidence of Irish learning and missionaries educating and converting continental Europe in the early Middle Ages. This assisted in the fashioning of  a heroic Irish national narrative, and connected Ireland directly to mainland European civilisation.17 Irish-German nationalist crosspollination and awaken­ing had started. “Celtomania”18 reigned in European and especially in German philological circles during the nineteenth century with some, incorrectly, suggesting that the Irish language was an elder European language. German scholars were important contributors to the Irish nationalist cultural renaissance in the late nineteenth century; they established the field of Celtic Studies; and they professionalised the study of the Irish language. German universities trained many Irish scholars of Celtic Studies until the 1930s.19 Some German and Irish scholars played important roles in the Irish War of Independence (1919–21). When Anglo-German antagonism developed at the end of the nineteenth century so did the prospects for German-Irish political interactions. As World 15 Helmut Flachenecker, The Contribution of Irish Scholars and the Monks to the Religious Landscape in Germany in the Late Middle Ages and Early Modern Period, in: O’Reilly/ O’Regan (eds.), Ireland and the Irish in Germany, 29–44; Dagmar Ó Riain-Raedel, Cashel and Germany: The Documentary Evidence, in: Damian Bracken/Dagmar Ó Riain-Raedel (eds.), Ireland and Europe in the Twelfth Century: Reform and Renewal (Dublin: Four Courts, 2006), 176–217; Dagmar Ó Riain-Raedel, Irish Benedictine Monasteries on the Continent, in: M. Browne/C. Ó Clabaigh (eds.), The Irish Benedictines: A History (Dublin: Columba Press, 2005). 16 For a full account of this episode, see: Paul Weber, On the Road to Rebellion: The United Irishmen and Hamburg 1796–1803 (Dublin: Four Courts, 1997). 17 Elsasser, Germany and Ireland: 1000 Years of Shared History (Dublin: Brookside, 1997), 19. 18 Seán Ó Lúing, Celtic Studies in Europe, in: id., Celtic Studies in Europe and Other Essays (Dublin: Geography, 2000), 16. 19 Ibd., 15–38.

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War One approached the Second Reich appreciated the strategic value of an alliance of convenience with Irish revolutionaries. Roger Casement enlisted German material support for the Republican cause during World War I as part of the Easter Rising against British rule in 1916.20 The spiral towards the Irish War of Independence had commenced. German Hibernophiles, Celtic Studies scholars and enthusiasts, and Irish expatriates founded a German-Irish Society (Deutsch-Irische Gesellschaft) in Berlin after the Easter Rising with the Professor of Celtic Philology at the Friedrich Wilhelm University in Berlin, Kuno Meyer, as its president. Irish agents in conjunction with private German individuals ran a gun-running operation out of Hamburg during the War of Independence. Diplomatic relations commenced between Weimar Germany and the Irish Free State during the winter of 1929 and 1930, and the first Irish minister plenipotentiary to Germany after 1929 was the eminent Celtic Studies scholar, Professor Daniel A. Binchy.21 Ambiguity permeated the Irish government’s stance towards Germany after 1922 (Irish independence), but particularly after 1933. In the estimation of Irish republicans, the Treaty of Versailles unjustly and forcibly punished Weimar Germany in  a way comparable to the shoddy treatment of Irish republican demands under the Anglo-Irish Treaty (1921). After 1933, Irish newspapers and the Catholic Church deplored the extreme anti-religious, anti-Semitic and tota­ litarian nature of Nazism. Eamon de Valera harboured strong reservations too but he pursued an appeasement policy drawing a parallel between the aspirations for a Grossdeutschland and Irish irredentist claims on Northern Ireland. In 1939 Ireland achieved what many supposed was impossible: neutrality. Perhaps even more unlikely, it succeeded in sustaining the policy for the duration of the war. The Irish dual-track policy covertly granted considerations to the Allies’ security interests, but the Irish state (Éire) maintained a public face of unbending neutrality. Grievance against Britain remained in the collective psyche: Irish republicans remained deeply displeased by the ambiguous link to the Commonwealth (until the state unilaterally declared a Republic in 1949) and desired unification with Northern Ireland. The resolute maintenance of the public image of neutrality to the bitter end was perceived as an unfriendly act by the UK Prime Minister and the Anglo-American media. Conversely, it held some unintended but positive ramifications for post-war Irish-German relations.22 In sum, there were clearly identifiable factors impelling Irish republicans to evince a less critical attitude than most to modern Germany, despite the horrors 20 For detailed accounts of this significant episode, see: Reinhard R. Doerries, Prelude to the Easter Rising: Sir Roger Casement in Imperial Germany (London: Frank Cass, 2000); Jérôme Aan De Wiel, The Irish Factor, 1899–1919: Ireland’s Strategic and Diplomatic Importance for Foreign Powers (Dublin: Irish Academic Press, 2008). 21 National Archives of Ireland (NAI), Department of Foreign Affairs (DFA), 231/4B, Binchy memo, 27.5.1930. 22 A summary of the arguments made in: O’Driscoll, Ireland, Germany and the Nazis.

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of World War Two and Ireland’s abhorrence of Nazism, which it regarded as an ideology alien to Irish religious and democratic preferences. Its distance from central Europe, nationalist struggle against an alternative hegemon (Britain) and emergence relatively unscathed from the recurrent wars surrounding the German Question (1870–1871, 1914–1918, 1939–1945) inclined the Irish elites and people towards a comparatively compassionate attitude to Germany.

III. Ireland and the Two Germanies Ireland broadcast  a positive European and humanitarian message when its government provided an extensive programme of post-war relief to liberated Europe. Devastated Germany was included in the Irish programme in 1945; the Allies, in particular the US , failed to anticipate the incipient crisis in Germany and prevented UN and Allied aid from entering the country until mid-1946 leaving the job to neutrals. Ireland’s unqualified generosity created the impression of Irish equitability23 and a priority of the Federal Republic of Germany on establishing diplomatic relations with Ireland in 1951 was to acknowledge this.24 The attitude of Ireland remained positive in the post-war decades.25 As German observers reported in 1952 and 1953 the Irish population was probably the most fair-minded nation in Western Europe in its perceptions of Germany.26 Irish fixations with ending the partition of the island generated German unease, however. The German foreign office advised its diplomats not to encourage the Irish use of equivalency in comparing Northern Ireland to the GDR . German officials wished to avoid entanglement in Anglo-Irish relations; Britain remained a valued anti-Soviet ally and a key defender of West Germany. In 1963 the German foreign office instructed the German Ambassador to Ireland as follows: “Practice restraint with regard to occasional Irish comparisons of the partition of the Irish and German peoples. The population of Middle-Germany is robbed of all liberty and political and personal rights, against that the population of Northern Ireland had the opportunity in a free election to express their opinions […].”27

23 NAI DFA 419/4/20, Habicht to Bourke, 11.10.1946. 24 For  a full account of Irish relief to postwar Germany: Mervyn O’Driscoll, Die Stunde Null: Appraising Irish Relief to Postwar Germany, 63–84; Cathy Molohan, Germany and Ireland, 1945–1955: Two Nations’ Friendship (Dublin: Irish Academic Press, 1999), 35–64. 25 O’Driscoll, Hesitant Europeans, 93. 26 Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin (PA AA), B 31, vol. 60, ‘Eindrücke aus Irland’, Report, Author unknown (probably  a West German traveller or journalist) to AA , c. 30.7.1953; PA AA , B 31, vol. 61, ‘Zahl der deutschen Staatsangehörigen’, Report, Katzenberger to AA , 21.4.1952. 27 Tara Casserly, Irish-German Relations, 1949–1972 (MA thesis, University College Cork, 1994), 13–15.

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The Federal Republic preserved  a studied diplomatic silence on the Northern Ireland question, even after the ‘Troubles’ exploded in 1969. Conversely, the FRG expected unconditional support for German reunification and after Ireland acceded to the UN in 1955, the FRG was grateful for Irish propaganda highlighting the injustice of the division of Germany. Ireland strictly adhered to the Hallstein Doctrine. It refused to recognise the GDR throughout the 1950s and 1960s until Ostpolitik enabled détente and membership of the UN for both Germanies in 1973. Ireland voted for the GDR’s membership; it was a necessary element of East-West détente, which the Irish government supported.28 Even then, following the FRG’s abandonment of the Hallstein Doctrine, the Irish authorities were reluctant to open diplomatic relations with East Germany. Anti-Communism was deep-seated and reflected the influence of the Catho­ lic Church on “the Irish mind,” so to speak. By the 1970s times were changing but now Irish diplomacy followed trade. But with the exception of the Soviet Union, Ireland had diminutive economic interests in the socialist states. Ireland was the last member of the EEC to exchange diplomats with the GDR when it did so in 1980. The reasons for the eventual exchange of diplomats were idiosyncratic: A member of the Fianna Fáil government in 1979 and 1980 possessed a family interest in repatriating the body of the contentious but famous Irish revolutionary socialist republican, Frank Ryan, from Dresden.29 By 1989 relations between Ireland and the GDR had not matured unlike Ireland’s corresponding relationship with West Germany. Irish-GDR trade was minuscule. In 1988, just before the GDR’s demise, Ireland exported £ 8.4 million to the GDR and imported £ 8.9 million according to the East German embassy in London.30 Conversely, the FRG was a longstanding primary trading partner. It was axial to Ireland’s economic and social modernisation after 1960. In the mid-1950s  a deep economic crisis stimulated an Irish volte-face in favour of economic liberalisation and the attraction of Foreign Direct Investment (FDI). FRG representatives encouraged this reorientation and, henceforth, Bonn played an influential role in the Irish economic vision.31 Germany vied with the United States to become Ireland’s second-largest trade partner from the mid-1950s, behind Britain. During the 1960s, German firms were among the top two or three investing in Ireland.32 This shift in Irish economic direction was accompanied by changes to Irish foreign policy. Bonn began to appreciate Ireland was a pro-Western neutral at the United Nations33 and that Irish policy 28 For a full account, see Paula L. Wylie, Ireland and the Cold War: Diplomacy and Recognition 1949–1963 (Dublin: Irish Academic Press, 2006), 117–148. 29 For full account of the Ireland-GDR recognition and diplomatic questions, see: Aan de Wiel, The Trouble with Frank Ryan, 203–220. 30 Ibd., 218. 31 O’Driscoll, “Unwanted Suitor”, 166–168; id., Hesitant Europeans, 101–102 32 Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin, Pressedokumentation, file: Staaten, Irland, 1951–1983, Press cutting, Bulletin, Nr. 197/S.1663, 23.10.1962. 33 Casserly, Irish-German Relations, 82.

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was moving away from strident neutralism and irredentism.34 From 1961, when Ireland applied for membership, the EEC became its defining foreign policy and trade fulcrum. Access to a large European market, in particular West Germany, and generous EU funding especially through the Common Agricultural Policy promised economic benefits. After accession in 1973, a dramatic advance in Irish trade with West Germany occurred, consolidating that destination as Ireland’s largest trading partner in the EC .35 The EC ’s lure was not just economic. Ireland interpreted integration as an affirmation of Irish identity and sovereignty; it equalised the relationship between Ireland and Britain. Joint EC membership allowed trust and confidence building in the bilateral relationship away from the pressure cooker of disputes over the best ways to deal with the ‘Troubles’ in Northern Ireland. By pooling sovereignty with other states in the EC the Irish authorities realised they could influence major international matters. The EC that Ireland entered in 1973 respected Irish neutrality; political union had not progressed. The Irish were as pro-European in sentiment as the original six EC member states. Successive governments largely adhered to the advice of Garret FitzGerald:36 “As a small country we must ensure that we do not create problems for our partners save in the case of issues that are of vital importance to us. Only when our case is so strong—so overwhelmingly strong—that in logic others should objectively accept it, should we press our interests in a way that can create problems for other people. We must avoid pinpricking our partners and thus losing the good-will that we need on certain relatively few crucial occasions.”37

At the heart of the EC was West Germany. Irish exports to the FRG in 1989 were IR £ 1.6 billion and amounted to 11.1 percent of Irish exports worldwide; the FRG was Ireland’s second largest export market after the UK , even surpassing exports to the US.38 In 1989, Ireland’s trade surplus with the country exceeded IR £ 500 million per annum.39 This trade surplus was consistently maintained between 1982 and 1989,40 a period of deep recession in Ireland. Ireland looked to West Germany and the achievement of the EC Internal Market (IM) in 1992 34 PA AA , B 31, vol. 238, Report: Die Aussen- und Wirtschaftspolitik des irischen Ministerpräsidenten, Reifferscheidt to AA , 1.10.1962. 35 Elmar Conrads-Hassel, The Federal Republic of Germany—An Ever Growing Market for Irish Products, in: Exporting to Germany: Summary of Speeches given at Export Seminars of the German-Irish Chamber of Commerce (Dublin: German-Irish Chamber of Commerce, 1990). 36 Irish Minister for Foreign Affairs (1973–1977) and Taoiseach (1981–1982, 1982–1987). 37 Brigid Laffan, Constitutional Change in the European Union: The Small-State/LargeState Issue from Ireland’s Perspective, in: Irish Studies in International Affairs 8 (1997), 72. 38 Elmar Conrads-Hassel, The Federal Republic of Germany—An Ever Growing Market for Irish Products, in: Exporting to Germany. 39 Ibd., Foreword. 40 Ibd.

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as a means to exit the recession. In 1987 Ireland established an interdepartmental coordinating committee under the chairmanship of the Irish Ambassador in Bonn to promote trade, investment, tourism and cultural exchanges with the Federal Republic.41 This illustrated the high priority placed in exploiting the full potential of the Federal Republic for Irish economic growth. The West German market was  a prime target for Irish exporters. Bonn had played  a necessary function in the Irish embrace of integration during the 1960s, and its support for the Irish application was remembered.42 In sum, West Germany and its agents actively encouraged the Irish realisation that the EC was a solution to its geographical and historical problems. The EC was viewed as representing prosperity, interdependence and peace, and Ireland participated constructively in it. Irish-West German relations were important for Ireland’s wellbeing, Ireland was sentimentally favourably disposed towards German reunification on West German terms, and it possessed a comparatively benign attitude to Germans. However, the fall of the Berlin Wall introduced instability.

IV. Preparations for the Irish Presidency and Charles J. Haughey Ireland was scheduled to take over as President of the European Council on 1 January 1990. As a small EC state it was keenly aware of the significance of the rotating six-monthly Presidency. Small member states viewed rotation as vital to the balance between the big and small countries and highlighting the ability of small ones to manage the EC agenda. The alternation symbolised the inter­ governmental nature of the EC and the sovereign equality of states. It granted the  governments of small states visibility and the potential to enhance their image.43 By the late 1980s the Irish state had already occupied the post of President of the EC Council thrice (1975, 1979 and 1984). Irish governments had embraced the policy of running effective presidencies as a matter of “vital national interest.” Adopting  a “can do” attitude and an honest broker perspective, the Irish political elite considered the EC an intrinsic part of the national mission. Ireland earned plaudits from fellow EC politicians and civil servants for effectiveness and even-handedness in its conduct of successive presidencies before 41 Dáil Éireann, 3.5.1990, Col. 609–610. 42 For  a full treatment of West German support for the Irish application, see: O’Driscoll, “Unwanted Suitor”, 1–24. 43 David Král/Irena Brinar/Josefin Almer, The Position of Small Countries towards Institutional Reform: From Tyranny of the Small to Directoire of the Big? (= EPIN Working Paper No. 6, November 2003; http://aei.pitt.edu/1806/, last accessed 26.1.2016); Jean-Marc Hoscheit, Small States and the Presidency of the European Council of Ministers (Seminar Series No.1. Limerick: Irish Association for European Studies, n.d).

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1990.44 As the 1990 Presidency approached, the Irish foreign minister told the Dáil (national parliament, lower house) Ireland’s aim was to conduct the duties of the presidency in “a competent and efficient matter.”45 The tumultuous events in Eastern and Central Europe signalled that successful management of the EC agenda was of monumental importance. Irish political and civil service elites recognised that the fourth Irish Presidency of the European Council would be demanding. Planning for the presidency commenced in 1987 when a new government and cabinet headed by Taoiseach Charles Haughey “laid considerable stress on the need for greater coordination” of EC matters.46 Progress towards completion of the Internal Market (IM), after the ratification of the Single European Act (SEA), required successive EC Presidencies to prioritise negotiating the 285 directives required to form an effective “single market” for 1 January 1993.47 Simultaneously, the negotiation of the Delors I package was proceeding; Ireland had important stakes involved since it aimed to benefit from the increased cohesion, structural and social funds. Maximising Irish receipts from these funds was a means to mitigate the swingeing policy of domestic fiscal austerity and reposition the Irish economy to take advantage of the IM. The Taoiseach stated the IM was the “most important thing on our economic horizon.”48 Haughey “took a keen personal interest” in Delors I and played a leading role in the lobbying of the Commission acting as a point of contact with the President of the Commission.49 Delors was a tenacious proponent of increased Cohesion and Structural funds viewing them as prerequisites for an IM after 1992. The Taoiseach and Irish executive were well-pleased with Delors as the umpire between the richer and poorer states,50 especially when Ireland achieved an agreement in August 1989 that the EC would double structural funding to Ireland.51 In 1987, the chairing of the interdepartmental committee (comprising the assistant secretary-generals of relevant government departments) responsible

44 Brigid Laffan/Jane O’Mahony. Ireland and the European Union (London: Palgrave Macmillan, 2008), 40–41. 45 Dáil Éireann, 20.7.1989, Vol. 391, No. 7, col. 879, (http://oireachtasdebates.oireachtas.ie/ debates%20authoring/debateswebpack.nsf/takes/dail1989072000041?opendocument, last accessed 3.1.2016). 46 Patrick Keatinge, Ireland’s Foreign Relations in 1987, in: Irish Studies in International Affairs 2 (1988) 4, 80. 47 Desmond Dinan, Europe Recast : A History of European Union (Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2004), 219–222. 48 Joe Carroll, Government gears up for the Big Event, in: Irish Times, 12.5.1988, 15.  49 Peter Brennan, Behind Closed Doors: The EU Negotiations That Shaped Modern Ireland (Blackrock, Co. Dublin: Blackhall, 2008), 94. These memoirs provide an insider account of Irish negotiations under the Delors I Package. 50 See Baldur Thorhallsson, The Role of Small States in the European Union (Farnham, Surrey, England: Ashgate, 2000), 141. 51 Brennan, Behind Closed Doors, 124–28.

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for EC matters was transferred from the Department of Foreign Affairs to the Taoiseach’s Department; and  a new Minister of State for European Affairs, Máire Geoghegan-Quinn, was appointed in the Department of the Taoiseach to chair the committee and represent Ireland effectively in all European discussions.52 The Geoghan-Quinn committee later worked to coordinate preparations for the Presidency.53 It served and was accountable to a higher-level committee of ministers and departmental secretaries which Haughey chaired. The Haughey Committee met once a week to develop Ireland’s submission of a National Development Plan to the Commission in March 1989 to take advantage of promised Cohesion funding but it also focused on Irish preparations for the 1990 Presidency.54 According to Noel Dorr, then Secretary-General of the Department of Foreign Affairs, this Haughey Committee was the “driving force in the Irish Presidency.” Dorr recalled it met once a week and “gave coherence and tactical and strategic direction to the Presidency.”55 In effect, from the commencement of his period as Taoiseach in 1987, Haughey had pinpopinted the EC as a strategic and national priority. He ensured he was “the real centre of authority for the most important” EC matters.56 Mr Haughey was an autocratic leader of his Cabinet and party; he guaranteed he controlled the most important matters of government. In July 1989 when Gerry Collins succeeded Brian Lenihan, Senior, as Minister for Foreign Affairs, his role and that of the Department of Foreign Affairs were much reduced. Haughey’s active preparation for the Irish Presidency was satirised by his many critics; he was a colourful and divisive character whose career was seriously stained by recurrent allegations of cronyism, corruption or wrongdoing.57 Regardless, the Taoiseach viewed the EC as vital to Ireland’s economic well-being and its European mission. The historic importance and high stakes were not lost on Haughey or his government in the final months of 1989.

52 Patrick Keatinge, Ireland’s Foreign Relations in 1987, in: Irish Studies in International Affairs 2 (1988) 4, 80–81. 53 Dáil Éireann, 20 July 1989, col. Col. 879, (http://oireachtasdebates.oireachtas.ie/debates% 20authoring/debateswebpack.nsf/takes/dail1989072000041?opendocument, last accessed 3.1.2016). 54 Brigid Laffan/Jane O’Mahony, “Managing Europe from Home.” Impact of the EU on Executive Government: A Comparative Analysis [OEUE Phase I, Occasional Paper 0.1–09.03] (Dublin: University College Dublin, 2003), 5. 55 Interview with Noel Dorr by A. Lovett (INT 663), in: Voices of Europe Collection, Oral History Collections, Historical Archives of the European Union, EUI, 22–23 (www.eui.eu/ HAEU/OralHistory/, last accessed 1.2.2016). 56 Email from Noel Dorr to author, 24.3.2016. 57 He escaped disgrace and humiliation for receiving dubious payments to fund his grand lifestyle until after his retirement. See Patrick Maume, Haughey, Charles James (C. J.), in: Dictionary of Irish Biography (http://0-dib.cambridge.org.library.ucc.ie/viewReadPage. do?articleId=a9531&searchClicked=clicked&quickadvsearch=yes, last accessed 30.3.2016).

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The Taoiseach was Francophile in his tastes and cultural affiliations. France conducted the EC Council Presidency in the final half-year of 1989, immediately preceding Ireland. Haughey had laid the groundwork for an advantageous relationship with President François Mitterrand in  a number of ways such as inviting the latter to become the first French Head of State to visit Ireland.58 During his 1988 state visit, Mitterrand gained the honour of becoming the first European head of state to address a joint meeting of the Houses of Oireachtas in Leinster House.59 Fortifying the connection, Haughey entertained Mitterrand in his private residence in Kinsealy during part of this state visit.60 Mitterrand followed up his state visit with a private holiday to the scenic south-west Atlantic coastline; he stayed with a private acquaintance in Co. Kerry in August 1988, but he took the time for a private meeting with the Taoiseach.61 Haughey also regularly holidayed in France, and Mitterrand lent the Taoiseach one of his official residences. According to the later recollections of Roland Dumas, the French foreign minister, Mitterrand viewed Haughey as  a “friend rather than as the political representative of a country that was an ally.”62 In these ways, Haughey forged close connections with Mitterrand and these assisted in the management of European tensions following the fall of the Berlin Wall.

V.

9 November 1989

While Western statesmen had incessantly appealed for the end of the wall and the reunification of Germany during the Cold War, few anticipated it occurring on the night of the 9 and 10 November 1989. Improvisation followed. Kohl’s suggestive pronouncement to the people of West Berlin on that fateful night added a sense of apprehension.63 His “one nation” rhetoric appealed to many in the GDR , but it conjured up fears abroad. Margaret Thatcher and Mitterrand were both ambivalent about the prospect of a reunified Germany; they were not the only anxious European leaders. Kohl’s disturbing tendency to act without consulting his European partners over the next few months exacerbated these fears.64 At this early stage, the Irish premier worked to facilitate communication and consultation. 58 Joe Carroll, Ireland and France—The “Best of Friends”, in: Irish Times, 25.2.1988, 13; Joe Carroll, Tête-à-tête with Haughey bolsters Franco-Irish Tie, in: Irish Times, 26.2.1988, 1. 59 Liam O’Neill, Mitterrand to address Oireachtas in: Irish Examiner, 10.2.1988, 21.  60 Chez Charlie, in: Irish Times, 27.2.1998, A12. 61 Edward Cunningham, Mitterrand is Haughey’s Island Guest, in: Irish Independent, 18.8.1988, 1; Seamus Martin, French President visits Haughey’s Island, in: Irish Times, 13.8.1988, 7.  62 Lara Marlowe, Mitterrand defended His Irish Friend’s Interests, in: Irish Times, 14 June 2006, 8.  63 Ibd., 53. 64 For an assessment of the British situation, see: DBPO, Series III, Volume VII, xv.

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According to the staff of François Mitterrand in Paris, the Taoiseach and Spanish Prime Minister Felipe González were the “prime instigators” of the extraordinary “mini-summit” of the EC leaders in Paris to discuss East ­Germany.65 This reflected the informal trio arrangement.66 On 17 November, Haughey told the press “it would be presumptuous […] to take credit for instigating it, but the idea had emerged in the course of discussions between himself and President Mitterrand of France.” At this early stage, Haughey indicated he planned for Ireland’s presidency to promote EC integration and unity “as rapidly and effectively as possible.” He explained the latest events “merely reinforced the need to speed up the process” as “we should move rapidly towards cohesion so that EC can be an entity for stability” in the new Europe. Haughey stated, “German reunification was a matter for the German people […] and because of our own history we were naturally inclined towards any wish by the German people to come together in unity. It was, however, a matter for the peoples in both parts of Germany to resolve.” In response to the direct question of whether Eastern European states should accede to the EC , he suggested it would be “premature to come to any conclusion about additional members from Eastern Europe […] but it would be equally foolish to rule out developments of that kind.”67 Cumulatively, this interview displayed political intelligence and statesmanship. It publicised Haughey’s views in advance of the mini-summit in Paris; it realistically laid out the challenges the Irish Presidency would inherit; and it outlined a possible avenue to cope with the fast-moving events and manage their historic implications for the future of the EC . In retrospect, his tour de horizon of the fluid situation and his mapping out of likely solutions anticipated what transpired in the fields of German reunification, the acceleration of European integration and the phased enlargement of EU (over the next two decades). Haughey’s mention of Ireland’s reflexive sympathy (“our own history”) in favour of German unity was a reference to the division of Ireland in 1921 against the desires of Irish republican forces fighting for  a one-island republic. Haughey had been the leader of Fianna Fáil since 1979. This democratic and self-styled “Republican Party,”68 regarded partition as the only flaw of the Irish republic (Republic of Ireland established 1949). Family history predisposed Haughey to abolish Irish partition, involving him in dubious anti-partitionist activities in 1969 and 1970.69 Parallel logic led him to favour German reunification in 65 Kathryn Hone, Haughey helped float summit plan, in: Irish Times, 15.11.1989, 9.  66 Mary T. Johnston, The European Council: Gatekeeper of the European Community (Boulder, CO: Westview Press, 1994), 127. 67 Denis Coghlan, Haughey calls for rapid move to EC unity and integration, in: Irish Times, 17.11.1989, 1.  68 This remains the case: https://www.fiannafail.ie/ (last accessed 30.3.2016). 69 He was strongly suspected of central involvement in the “Arms Crisis” of 1969 and 1970. This was an intrigue to import arms for Catholic “community defence” against militant unionism following the outbreak of the “Troubles” in Northern Ireland. When the suspected conspiracy became public knowledge, the Taoiseach of the time, Jack Lynch,

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line with traditional Irish foreign policy since 1949. His instinctive inclination towards German reunification was a correlate of his Irish republicanism and he would not waver prior to and during the Irish Presidency of the EC . A sign of the path Haughey intended to pursue during the presidency was displayed on 18 November 1990. The emergency EC Council meeting in Paris on 18 November was a dinner at the Elysée Palace for the heads of Government, and parallel meetings of the foreign ministers and officials.70 The summit record noted  a “convergence” of views in favour of EC unity and solidarity with the peoples undergoing democratisation in Eastern Europe.71 Immediately following the summit, Haughey informed journalists there was a prevailing view among the member states that the landmark developments in Eastern Europe underscored the need for greater European integration.72 He reiterated developments in Eastern Europe “make it absolutely mandatory that we proceed rapidly with integration.” In this sense, his views largely coincided with Mitterrand’s, who favoured deepening integration. At the Elysée dinner, Kohl had recommitted West Germany to integration alleviating fears that his ardour for integration had cooled.73 Weakening hopeful claims that  a convergence of views existed, Thatcher displayed opposition to an “undemocratic and bureaucratic” movement towards Economic and Monetary Union (EMU) both at the summit and the press conference afterward.74 How could Thatcher’s preference for a looser Europe open to new members, Mitterrand’s long-held commitment to deeper European unity before enlarging, and the attraction of a united Germany for Kohl be reconciled? The dissensions had the prospect of destabilising the European project generally. The crux was the future of East Germany and its relationship to West ­Germany. There were many unanswerable questions. Over the next days and weeks, Haughey left no doubt about the view of Ireland. He told the Dáil on his return from Paris that his “personal view” as an Irishman, which he believed was shared by the Dáil was that as citizens of Ireland “a country which is itself divided we could not but have a sentimental, if nothing more than that, interest in German reunification.” He told the parliament that it was a “political matter”

had to dismiss Haughey as Minister for Finance and arrest him for trial on charges of a plot to import arms illegally without government approval. However, Haughey and the other defendants were acquitted as  a result of insufficient and contradictory evidence. This shady episode did not end Haughey’s political career; against expectations, he was rehabilitated and returned from the political wilderness to oust Jack Lynch as Taoiseach in 1979. 70 Denis Coghlan, Haughey, Collins to attend Paris Meeting, in: Irish Times, 18.11.1989, 5.  71 The European Council [Paris Summit 1989], Paris Informal Meeting, 18.11.1989 (http:// aei.pitt.edu/1457/, last accessed 5.01.2016), 8–9, 56. 72 Ibd. 73 Mark Brennock, Haughey backs moves for Full EC Integration, in: Irish Times, 20.11.1989, 1. 74 Ibd., 1.

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that should “be left entirely for the German people to decide for themselves,” and the same principle should apply to other Eastern European countries.75 Any prospect of quickly manufacturing a meeting of minds at the EC level was crushed on 28 November 1989 by Kohl’s unilateral announcement of a ten-point plan for German unity. It took his European partners by surprise. Point five aimed at establishing confederative structures to enable an eventual federation of Germany comprised of the two states. Compounding difficulties Kohl failed to reassure Poland over the next months that the Oder-Neisse line remained inviolate.76 Kohl’s ostensible assertiveness worried many who had reflexively doubted West Germany’s normalisation since 1949.77 Haughey was not prone to instinctive Germanophobia. Following a meeting with Jacques Delors on 29 November, during which they discussed plans for the forthcoming presidency, Haughey publicly reiterated Ireland’s “strong basic sentimental attachment to the idea of German reunification.” He contended that a “new architecture” had to be found to reflect the emerging relationship between the EC and Eastern Europe to take the changes into account, and Ireland had to widen the horizons of its presidency.78 The Taoiseach was not wavering. A view was materialising that  a historic opportunity to recreate Europe was presenting itself. A “senior Irish diplomat” on 6 December intimated to Colm Boland of the Irish Times it was significant  a convening of  a meeting between the four wartime powers responsible for Berlin and Germany had not occurred. Neither had a meeting of NATO taken place.79 As a small state with limited resources, Ireland’s natural ally was the Commission, which small states interpreted as  a protector of the interests of all in  a communitarian setting. Indeed, Haughey held comparable views to Delors on German reunification. According to the recollections of Noel Dorr, these two protagonists built up an “excellent” relationship.80 Delors, an integrationist whose full ambitions had not been fulfilled with the SEA, was alive to the possibility that German reunification might overcome European differences and enable the formation of  a fully-fledged EU counterbalancing or containing  a united Germany. The faint outlines of  a twin-track strategy were materialising and the instincts of the President of the Commission and the President of the European Council converged: bind Germany tightly into the EC to mitigate concerns about its resurgence. This would vanquish suspicions about Kohl’s intentions and “Euro75 Dáil Éireann, 23.11.1989, Col. 393, No. 6, Col. 1577, (http://oireachtasdebates.oireachtas.ie/ debates%20authoring/debateswebpack.nsf/yearlist?readform&chamber=dail, last accessed 28.1.2016) 76 David Marsh, Kohl’s unity Initiative annoys Genscher, in: Irish Times, 5.12.1989, 6. 77 DBPO, Series III, Volume VII, xv. 78 Sean Flynn, Haughey sentimental on united Germany, in: Irish Times, 30.11.1989, 10.  79 Colm Boland, Twin-track approach needs the right balance, in: Irish Times, 7.12.1989, 7.  80 Interview with Noel Dorr by Laura Dagg, Le rôle clé de l’Irlande dans la réunification, in: ParisBerlin (Le News-Magazine Franco-Allemand au service de l’Europe), Summer 2010, Special Number, 126.

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peanism.” Deeper integration would act as a magnet for liberalising East-Central Europe and a European anchor for Germany. At this point, the reunification of Germany seemed remote (a matter of years rather than months or even weeks), but the potentiality was sufficient to generate grave concerns among other Europeans. The portents for the Strasbourg Council were unfavourable following Kohl’s announcement of his ten-point plan. Some French pronouncements in late 1989 about a possible renewed German threat verged on panic. Mitterrand’s nervousness was clear to see. Prior to the Strasbourg summit, he visited Gorbachev in Kiev which angered Kohl. Kohl had sent a letter to Mitterrand before the Strasbourg meeting intimating his desire to slow down discussions about EMU as he wished to concentrate on the emerging East German crisis; this had alarmed some of his EC partners, including Mitterrand, who interpreted it as a sign that the German chancellor was retreating from his traditional Europeanism. Wilfried Martens captured the mood of the Strasbourg Council in his memoirs. His account of the tense informal lunch that discussed the German reunification question is revealing. A divergence of views between Mitterrand and Kohl was detectable, and Mitterrand “was very cautious and he still did not formally declare himself in favour of reunification.” At the lunch in Strasbourg, Kohl, according to Martens, assumed that reunification was a “fait accompli,” but Thatcher was openly opposed, as was Andreotti of Italy. So it would seem too was the Dutch Prime Minister, Ruud Lubbers. The open expression of views left “deep scars” in Martens’ estimation.81 Mitterrand met, at his request, with Thatcher on the margin of the summit. He was apprehensive, worried that the Germans seemed to have forgotten the Four Powers still had responsibilities and Gorbachev was exercised by events. Mitterrand suggested Thatcher and he would be placed in the same situation as their predecessors, “who had failed to react in the face of constant pressing forwards by the Germans.” He worried that, “In history Germany had never found its true frontiers” and it would be “very difficult to withstand the drive of a people.”82 Thatcher shared his concerns, and they decided to consult as events unfolded. In these fissiparous circumstances, the Strasbourg Declaration was a skilled construction. Martens’ observations are pertinent: “the principle of ‘not a German Europe, but a European Germany’ had been attained. But we certainly had our work cut out for us.”83 The declaration read:

81 Wilfried Martens, Europe : I struggle, I overcome (Dordrecht ; New York: Springer, 2008), 101. 82 Margaret Thatcher, The Downing Street Years (London: HarperCollins, 1993), 796–797. The British record of this meeting was published later, see: Letter from Powell to Wall, 8.12.1989 (= Document 71), in: DBPO, Series III, Volume VII, 164–166. 83 Ibd.

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We seek the strengthening of the state of peace in Europe, in which the German people will regain its unity by free self-determination. This process should take place peacefully and democratically, in full respect of the relevant agreements and treaties and of all the principles defined by the Helsinki Final Act, in a context of dialogue and East-West cooperation. It also has to be placed in the perspective of European integration.84

It could not conceal deep tensions. And judging by other developments later in December, the situation was deteriorating. After Strasbourg Mitterrand visited the East German regime, which Kohl viewed as unhelpful. Muddying matters further, Mitterrand spectacularly presented a vague plan for a European Confederation in his address to the French nation on 31 December 1989. He did so without consulting his advisors, his foreign minister or his European partners.85 It spawned speculation about Mitterrand’s intentions. In early January, Kohl informed Mitterrand that he supported the initiative, but it was inapplicable to “the inter-German situation,” although generally useful as an approach to East-Central European (ECE) countries undergoing transition. It was clear Kohl would not countenance any suggestion that East Germany should be a matter for general European discussion; it was an internal German matter. Such  a confederation could assist in managing German reunification by embedding it within a stable pan-European framework or architecture; that was all.86 The discordant atmosphere underlined the necessity for the Irish Presidency to move cautiously. There was no room for  a major initiative. The Presidency awaited events and would use opportunities to manufacture compromise among the Twelve on the German question and prevent a slowdown in the work programme for the IM.

VI. The Irish Presidency As the incoming President of the EC Council, Ireland had to navigate a narrow line to avoid lasting damage to the traditional Franco-German motor of integration. It needed to encourage consensus and achieve a revision and continuation of the core bargain at the heart of post-war Western Europe’s transformation: the place of Germany in Europe. Haughey, in line with Irish policy since 1973, automatically supported European integration which coincided with Mitterrand’s instincts. The Taoiseach’s welcoming attitude towards the nascent democracies of Eastern Europe reflected enduring Irish antipathy towards communism and 84 Conclusions of the European Council, Strasbourg, 8–9 December 1989, Bull. EC 12–1989, 4 December 1989, (http://aei.pitt.edu/1395/, last accessed 2.2.2016). 85 Frédéric Bozo, The Failure of  a Grand Design: Mitterrand’s European Confederation, 1989–1991, in: Contemporary European History 17, 3 (August 2008), 391–412, 392. 86 Ibd., 399.

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totalitarianism. And then, there was Irish sympathy for German reunification; the Irish lacked the historical apprehensions that afflicted Germany’s neighbours. Although the demands placed by holding the Presidency on  a small member state were “proportionately greater,”87 former Taoiseach Garrett FitzGerald said in January 1990, “a small country does have capacities a large country hasn’t got in that it has much less interests to defend and, therefore, can take a positive line without having to worry all the time about having its interests affected.”88 This assertion was supported by subsequent events. Although Kohl had raised the prospect of German reunification, Gorbachev’s position remained: East Germany could not leave the Warsaw Pact. A neutra­ lised reunited Germany as  a compromise was an anathema to the Atlantic Alliance. There were also concerns that a united Germany would unbalance the EC and require fundamental adjustments to the architecture and decision-making processes of the EC .89 It might undermine the momentum towards EMU and the IM, or else it might drive integration faster and deeper which worried some such as Thatcher. Then Delors took an advanced line on German reunification. He gave an expansive interview with the Irish Times European correspondent, Seán Flynn, in early January. In response to the question of whether East Germany might gain accelerated entry to the EC “because of West Germany’s leading role in the existing Community,” he answered: “When the German authorities ratified the Treaty of Rome they made a special declaration that if the unification was possible we would reconsider the framework of the Community. […] I fully support the wish of the German people to see the unification of the two Germanys [sic]. I also feel sure that possible unification is something which will help to reinforce the Community. I am very confident on this point. East Germany is a potential member of the Community. The obstacles were the Yalta Agreement, the Cold War and the communist regime. If we abolish that the people of East Germany—because they are Germany—are potential members of the Community. It is so simple.”90

The other new Eastern European democracies needed to prove their economic and democratic capacities first. The EC would provide economic aid and other assistance, but East Germany was exceptional and had a right to be included in the EC quickly. The EC should accelerate economic and monetary union as well as political cooperation.91 87 Stepping Forward for Europe, in: Irish Times, 1.1.1990, 13. 88 Colm Boland, Irish Neutrality has become “more Irrelevant”, in: Irish Times, 15.1.1990, 8. (Text of interview with Garrett FitzGerald). 89 Sean Flynn, Eastern Europe tops EC Agenda, in: Irish Time 8.1.1990, 1. 90 Irish Presidency Faces “Immense Challenge”, in: Irish Times, 6.1.1990, 3. (Text of interview between Delors and Flynn in Brussels). 91 Leyla Ertugrul, East Bloc is Not Ready to Join EC , Delors Says, in: Toronto Star, 17.1.1990.

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Delors repeated his views when he spoke to the European Parliament on 17 January; it caused consternation as it got wider coverage than his earlier in­timations to the Irish Times.92 Delors’ bluntness appeared to give Bonn a carte blanche. (We will have to await the opening of the Irish archives to learn if Delors consulted with the Irish government, as president of the EC Council, before ­making this pronouncement, but it is probable that he did so as the two institutions, the Council and the Commission, usually endeavour to work in tandem.) The anxieties of both the British and French leaders were expressed in their confidential and candid meeting at 10 Downing Street on 20 January 1990. Both voiced concerns that Delors appeared to endorse including East Germany in the EC; they considered it premature and “unhelpful.” But they were more apprehensive that Kohl was pressing forward towards German reunification unilaterally. Unlike Thatcher though, Mitterrand did not believe that Britain and France had the means to enforce their preferences on Germany or even to delay reunification by demanding a lengthy transitional period for East German membership of the Community.93 Regardless of Mitterrand’s apprehensions about the direction of Germany, this conversation repeats earlier indications that he viewed deeper European integration as  a solution that would anchor  a reunited Germany within European integration limits. The general message emanating from Irish quarters remained strongly supportive. As Gerard “Gerry” Collins, the Irish Minister for Foreign Affairs, informed the European Parliament on 16 January 1990: “At  a time when the walls in men’s minds are coming down as surely as has the Berlin wall, we must not fail to grasp the historic opportunities open to us, to reach out to our fellow Europeans.”94 He restated that the Eastern question, while demanding full attention, in terms of providing immediate relief and humanitarianism, should not divert the Irish Presidency and its energies from continuing to deepen and widen the EC .95 In  a departure, the EC foreign ministers met informally on 20 January to prepare for the General Affairs Council in mid-February. This Irish initiative,96 Haughey indicated was necessary to review the situation as matters were “changing so quickly” and the Community needed to frame a response to the bewilder-

92 Debates of the European Parliament, 1989–90 session, Report of Proceedings from 15 to 19 January 1990, in: Annex: Official Journal of the European Communities, No. 3–385, 110–111. 93 German unification: No.10 memorandum of conversation (MT & President Mitterrand) [prospect of unification had turned them into “the ‘bad’ Germans they used to be”] [declassified 2010], Cabinet Office, 20.1.1990 (http://www.margaretthatcher.org/document/ 113883, last accessed 16.2.1990). 94 Address by the Minister for Foreign Affairs Mr. Gerard Collins to the European Parliament 16 January 1990 (Dublin: Government Information Services, 1990), 2. 95 Ibd., 13. 96 Ibd., 3.

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ing pace of change in Eastern Europe.97 Collins chaired the informal meeting of foreign ministers under the auspices of European Political Cooperation (EPC) in Dublin Castle. He regarded it as “exceptionally important” as it would shape the agenda of the EC regarding Eastern Europe,98 particularly the impact of the violent Romanian Revolution in late December 1989. The foreign ministers discussed the initial EC Commission assessment of the critical economic situation in the emerging democratic Eastern European states. At this stage, Delors’ revelation that the possible ten-year aid package could cost IR £ 150 billion, led to concerns it would strain the finances of the EC and threaten other EC funding programmes such as structural funds.99 The “thorny question of whether East Germany should be admitted to the EC ” was left undecided. The Irish minister told reporters, “the EC would have to move slowly on the issue of East German membership” and it would “wait for democratic elections before making any decision.”100 However, the East German regime, on the verge of collapse, brought the date of the first democratic East German general election forward to 18 March. Gorbachev realised the Soviet policy of keeping East Germany in its orbit was untenable; he yielded and met Kohl on 10 February in Moscow. He removed Soviet objections to reunification since that was the will of the East German population.101 Meanwhile, Haughey, sensing changes and the remorseless demands for change within East Germany, visited Paris for a working lunch with Mitterrand on 6 February.102 The Irish Premier’s meeting with the French President was vital. A resolution on the rolling crisis of EC affairs over East Germany depended on Mitterrand. According to Noel Dorr, this Haughey-Mitterrand meeting delineated the broad outline of a prospective European solution. At it, Haughey gained Mitterrand’s approval that it was opportune for the President to take the initiative to call a summit in April, after the East German elections. Mitterrand enthusiastically agreed to support the initiative. The model was the informal summit at the Elysée on 18 November. Haughey and Mitterrand both sensed it was opportune to take a comparable initiative and hold a special summit in Dublin in April. Mitterrand agreed to do this, and enthusiastically supported, 97 Sean Flynn, Eastern Europe Tops EC Agenda, in: Irish Times, 8.1.1990, 1. Also see Collins’s statement to the EP: 90/001, Statement on the Programme of Activities of the Irish Presidency, 16.1.1990, European Political Cooperation Documentary Bulletin 6 (1990), 47–48. 98 Sean Flynn, Dublin EC Ministers’ Talks will add Soviet Crisis to Agenda, in: Irish Times, 7.1.1990, 6. 99 Collins backs £150b. EC aid, in: Irish Independent, 18.1.1990, 3. 100 EC Allots Emergency Aid For Poland, Romania, in: Philadelphia Inquirer, 22.1.1990. 101 Angela Stent, Russia and Germany Reborn: Unification, the Soviet Collapse, and the New Europe (Princeton: Princeton University Press, 2000). 102 Kathryn Hone, Taoiseach Backs France on European Confederation, in: Irish Times, 6.2.1990, 6.

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the Irish initiative.103 They both estimated the other European leaders were finally recognising the EC had to take decisive action after the expression of the democratic will of the East German people in the upcoming general election.104 According to Noel Dorr, Mitterrand sketched the elements of  a solution to Haughey. Western triumphalism over the fall of communism in Eastern Europe had to be avoided otherwise the USSR would feel encircled. This was in line with Irish preferences. As for German reunification it was important that two German states quickly clarify their borders with third parties. If Bonn accepted the Oder-Neisse line was unalterable, that would ease diplomacy. Mitterrand told Haughey he accepted German unity would occur sooner rather than later: the GDR was to all intents and purposes a basket case in need of urgent assistance. The popular movement in favour of unity was  a potent force in East Germany. The two leaders agreed that an acceleration of European integration was imperative. The Twelve should not be deflected from their work programme and deepening integration by the German unity debate.105 Mitterrand was a traditional advocate of strengthening the EC through EMU and political union. In this way concord was possible. This bilateral exposed an evolution in Mitterrand’s thinking and highlighted the prospect for re-invigorating the Franco-German condominium. After the talks, Haughey described the 90 minute exchange as “very fruitful and informative,” and he reiterated that reunification was a matter of self-determination for East and West Germany, as agreed at Strasbourg.106 In the face of questioning from journalists about a united, neutral Germany he was reportedly “unenthusiastic.” Hone of the Irish Times reported Haughey opining he could not envisage a neutral united Germany in central Europe; it would be such a powerful entity that it could not avoid having influence. Consequently, it would find it difficult to maintain neutrality. He even reiterated the customary witticism, “If someone is neutral, the question is, who are they neutral against?” which provoked bewilderment in many circles in Ireland,  a self-professed neutral.107 Haughey clarified in the Dáil that speculation he excluded the possibility of  a neutral Germany was incorrect and misconstrued. His view was: “it would be foolhardy for anyone to try to lay down hard and fast conditions or objectives in a situation where events are moving so rapidly and so momentously.”108 Following the resounding electoral victory of the pro-unification parties in the East German General Election of 18 March 1990, the importance of the spe103 Author’s interview with Noel Dorr, 4.12.2015. 104 Ibd. 105 Ibd. 106 Kathryn Hone, Taoiseach Backs France on European Confederation, in: Irish Times, 6.2.1990, 6. 107 Ibd. 108 Dáil Debates, vol. 395, no. 6, col. 1460, 13.1.1990, (http://oireachtasdebates.oireachtas. ie/debates%20authoring/debateswebpack.nsf/takes/dail1990021300006?opendocument, last accessed 16.2.2016).

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cial summit was heightened: the democratic will of the East German electorate in favour of a speedy unification was impossible to ignore. The pro-unification East German CDU now held power in the GDR , granting Helmut Kohl as FRG Chancellor and head of the pro-unity West German CDU, the mandate to justify reunification: It met the self-determination requirements of the Strasbourg Declaration. The immediate prospect of the inclusion of  a new enlarged and united Germany threatened to upset the EC balance. In particular, the extension of the “Deutsche Mark” into East Germany demanded a realignment of the EMS. To counter concerns about an overly dominant Germany (in demographic and economic terms), the Irish Presidency had a major task to perform. As President of the European Council, Ireland concentrated on building consensus to take advantage of Mitterrand’s willingness to contemplate German reunification in an EC framework. The Commission and the Presidency took complementary roles. Haughey and Collins adopted a fulsome congratulatory tone expressing their warm wishes to Germany on the East German electoral outcome. While Delors welcomed the vote, he insisted Germany had to consult with his EC partners before reunification could occur.109 German monetary, economic and political union had major repercussions for its European partners, and Delors insisted that the EC should be consulted on all the interim steps. The Irish Presidency was well-positioned to assist in moulding a new European Germany. Haughey began his round of discussions in the European capitals to prepare for the special summit. His overall objective was to accelerate progress towards EMU and extract a commitment that the EU would embark on political union negotiations.110 If Kohl were prepared to accept this, it would reassure the other heads of government that Germany’s commitment to integration remained. Haughey’s European tour began with Helmut Kohl on 28 March; this meeting was crucial if the Presidency was to build a “collective” European approach.111 It went admirably well assisted by Haughey’s unblemished record of unreservedly supporting German unity. In a joint press conference following their meeting, Kohl stated: “Some people have been following German unity with  a certain scepticism. We must now provide  a framework in our efforts for European unification.” He proposed that the EC would gain fresh impetus with an IGC on political union to parallel the one of EMU; the latter was to commence in December under the Italian Presidency. In effect Kohl allayed

109 Fergus Pyle/Sean Flynn, Delors warns EC must be consulted on German Unity, in: Irish Times, 20.3.1990, 1.  110 Denis Coghlan, EC Summit to press for Speeding Up of Economic, Monetary Union, in: Irish Times, 28.3.1990, 8.  111 Dáil Debates, Vol. 397, No. 5, col. 1098, 27.3.1990, (http://oireachtasdebates.oireachtas. ie/debates%20authoring/debateswebpack.nsf/takes/dail1990032700003?opendocument, last accessed 17.02.2016).

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apprehensions when he claimed the reunification of Germany and European political union were “two sides of the same coin.”112 The chancellor told the press of the need to press forward with European integration and he affirmed that the Intergovernmental Conference (IGC) on EMU in December 1992 should be “very serious, thorough, but speedy as well,” since monetary union was  a necessary complement to the IM.113 Haughey canvassed the other EC leaders to determine if they would favour parallel IGCs. In addition, he inferred that he aimed to negotiate a “reassuring statement” that the EC and Germany were capable of smoothly managing the major transition without disruption of financial markets and international institutions.114 On 29 March, he met with Mitterrand and Andreotti who confirmed France and Italy had endorsed the goal of a parallel IGC to negotiate fully-fledged political union. Agreement was emerging on a mid-1993 deadline. Political union would strengthen the central European institutions especially the Commission and Parliament, and expand the competences of the latter to address the democratic deficit. Haughey also envisaged discussions to create a common European foreign policy-making framework at the IGC . The presidency advertised the likelihood that the special summit would endorse German unity on the basis that Kohl supported a renewed drive in European integration and was agreeable to a process and timetable to complete it. Any lingering Franco-German strains were replaced by a renewed commitment to the European project. Haughey told the press on 29 March both Kohl and Mitterrand “are very much talking along the same lines.” Haughey advised it was preferable to proceed with internal consolidation and deepening before contemplating the entry of new members either from Eastern Europe or EFTA .115 He visited the capitals of the EC member states to gauge opinion; he concluded a solid majority now favoured a major departure. The presidency was brokering common ground. On 9 April in Brussels in consultations with the Commission he stated  a new European consensus was emerging across the EC and there was greater enthusiasm for political union.116 On 10 April, he revealed plans to establish a high-level committee to examine the paths to political union.117 Haughey clearly viewed Ireland as “European” in orientation. As he told his annual party conference on Saturday 7 April, “Our Presidency of the European Community affords us an opportunity to contribute in a special way to its affairs and to advance the cause or European unity. Our standing in Europe is high. Our pride in our own country and what has been achieved gives us 112 European Union, in: Irish Times, 29.3.1990, 11. 113 Fergus Pyle, Kohl floats Plan to speed Political Union of Community, in: Irish Times, 39. 3.1990, 1. 114 Ibd. 115 Sean Flynn, Leaders want full EC Union by 1993, in: Irish Times, 30.3.1990, 1. 116 Sean Flynn, EC Leaders Want Union accelerated, in: Irish Times, 10.4.1990, 6. 117 Sean Flynn, Dublin Summit to initiate EC Unity Plan, in: Irish Times, 11.4.1990, 1.

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the confidence and the ability in this moment in history to play our part in shaping the Europe of the 1990s. Events are moving rapidly on our Continent. They pose a great challenge for the Community and its leaders. Our response must measure up to our historic responsibilities. It is now all the more important and urgent that the Community speeds up its own process of integration.”118

He told numerous audiences, “I would like to see this summit warmly welcome and confirm the support of the Community for the unification of Germany and decide on the […] arrangements necessary for the smooth integration of a united Germany into the Community.” He argued it was  a national responsibility to ensure that the “timely Summit” succeeded and if it did Ireland would contribute to the formation of a new and better Europe. It is quite clear he spied an opportunity and saw the possibility of leaving a lasting legacy. Finally, on 20 April in  a sign they had overcome their tensions, Kohl and Mitterrand issued a joint letter to the Presidency of the EC Council commending Haughey for calling the special summit and endorsing the strategy of revitalising the stalled discussions on EMU. They suggested the EC Council commence preparations for a parallel IGC on political union to improve unity, strengthen democracy, make its institutions more efficient and develop a CFSP. With this Franco-German imprimatur, the outcome of the special summit was a foregone conclusion. The first Dublin summit signified a relaunch of the Franco-German “grand bargain” of the 1950s.119 This “extraordinary” EC Council at Dublin in April 1990 accepted German reunification as an internal incorporation of Eastern Germany into the FRG under Article 23, rather than Article 146, of the Basic Law. This was in line with the views Delors publicised in January, although they had caused widespread consternation then. The Commission under Delors’ direction put forward a set of proposals at the “extraordinary” summit on how to manage German Economic and Monetary Union (GEMU) as it had EC implications and these were duly accepted. The Council decided the GDR should have full access to the loans from the European Investment Bank (EIB)120 to facilitate smooth economic reunification and the EIB was granted permission to extend loans and financing of projects. The EC adopted various regulations regularising the transitional measures, which enabled the progressive integration of the GDR into the economic and social system of the FRG and the legal system of the EC . This permitted the GDR to align with Community law and regulations 118 Haughey links sweeping changes in Europe with prospect of Irish unity, in: Irish Times, 9.4.1990, 10. 119 Michel R. Gueldry, France and European Integration: Towards  a Transnational Polity? (Westport, CT: Praeger, 2001), 124. 120 Press Release, 1411th Council Meeting, Economic and Financial Affairs, Brussels, 11.6.1990.

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and allowed a de facto customs union between the EC and the GDR before formal reunification.121 On 18 May, the State Treaty between the FRG and GDR on Monetary, Economic and Social Union was concluded. This was welcomed by the second Dublin summit at the end of June, and it came into effect on 1 July. Later that month, NATO acknowledged a unified Germany would be a force for stability within the alliance. Then, Gorbachev relented: A unified Germany was sovereign and free to enter alliances. Reunification was officially achieved with Unification Day on 3 October 1990, when the five Eastern Länder joined the FRG. Germany was reunited on West German terms. The First Dublin Summit had also endorsed the concept of a second IGC to negotiate EC Political Union but the date for its completion was only set during the Second Dublin Summit of June 1990. The restoration of the Franco-German axis at the two Dublin summits was decisive. The Presidency had facilitated the de facto reunification of Germany and initiated the revamp of the EC ’s economic and political architecture. Perhaps Kohl had had little choice but to concentrate on the internal situation in the FRG and GDR until March 1990. It would also be correct to conclude that he had always intended to position  a united Germany firmly within the EC fold in line with his longstanding Europeanist and Christian Democratic convictions, but he was fortunate that Haughey did not doubt his intentions and was unequivocally supportive. Haughey’s rapport with Mitterrand smoothed out difficulties. Throughout the Irish Presidency’s approach was characterised by caution and incremental movement aimed at cultivating Franco-German-Commission convergence on European integration and German reunification, and securing an EC-wide consensus on the subject. It enabled acceptance of the principle of the addition of Political Union to the goal of EMU. After lengthy negotiations and anxious ratification processes this eventually bore fruition with the inauguration of the EU on 1 November 1993.

VII. Irish-German Relations, 1990–2016 In light of Ireland’s steadfast support for German reunification during the critical first semester of 1990 and its resolve to exploit the economic benefits of EMU and German reunification during the 1990s, the official and commercial relationship between Ireland and Germany was marked by mutual respect, even intimacy. If there ever was  a “special relationship”122 between the pair, then the early and mid-1990s was its apogee. German was a popular language choice for students in second and third-level education during the late 1980s and

121 Press Release, 1418th Council Meeting, Telecommunications, Luxembourg, 28.6.1990, I. 122 Veronica O’Regan, German Media Perceptions of Ireland since the Bailout: From “Problem Child” to “Model Pupil”?, in: O’Reilly/O’Regan (eds.), Ireland and the Irish in Germany, 147.

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early 1990s,123 as Irish families, encouraged by government policy, perceived continental, especially German, language acquisition as a means of promoting trade and exiting the Irish economic recession. On the occasion of the official visit of German president Richard von Weizsäcker, the Irish Times declared the Irish-German relationship was “an important relationship” in June 1992.124 The Irish Ambassador to the FRG even wrote that 1996 was an annus mirabilis in German-Irish relations. The focal theme for the Frankfurt Book Fair that year was “Ireland and its Diaspora.”125 According to  a German opinion poll at the time the Germans identified the Irish as their favourite European neighbours.126 The exhibiting of Irish writing and stories of exile resonated with the hazy and romanticised perceptions of Ireland held by many Germans. Kohl opened the fair on 1 October 1996 in conjunction with the first female president of Ireland, Dr Mary Robinson, and Seamus Heaney, the Irish poet and playwright (Noble Prize for Literature in 1995). The following day, Kohl travelled to Dublin for a two-day official visit which poignantly coincided with the Day of German Unity on 3 October, the annual German commemoration of reunification. The Irish Times suggested this was a “considerable compliment” as it was “the first time he has celebrated it [unification day] abroad.”127 He was only the second chancellor of the Federal Republic to visit Ireland on a state visit.128 Kohl publicly expressed his gratitude to Haughey for his fulsome support of reunification. He noted, “Quite a few of our neighbours were a bit more hesitant in supporting us […] I shall not forget this.”129 It appeared the Irish had conquered German hearts and minds.130 A respected Irish journalist and commentator on European affairs, Raymond Gillespie, wrote Ireland was strongly in the “German camp” in 1996: It had moved out of Britain’s shadow with its embracing of EMU and its goal of making Ireland a member of the “core group” in the EU, and it favoured accelerated integration and joining the single currency (the Euro) in the first wave.131 These were the logical outcomes of the Irish decisions to join the EEC in 1973, to break parity between the Irish pound (punt) and British pound (sterling) to join the Economic Monetary System (EMS) in 1979, and to support German reunification without reservation in 1990. 123 Niamh O’Mahony, Irish-German Business Relationships since 1989—Continuity and Discontinuity, in: id. (ed.), Societies in Transition, 153. 124 An Important Relationship (Editorial), in: Irish Times, 20.7.1992, 9.  125 Pádraig Murphy, All change in the Quest for the Fair Land, in: Irish Times, 2.10.1996, A2. 126 Denis Staunton, President to open Book Fair in Frankfurt, in: Irish Times, 30.9.1996, 5.  127 Dr Kohl’s Visit (Editorial), in: Irish Times, 3.10.1996, 15. 128 Maol Muire Tynan, Ceremonial Welcome to mark First Visit of German Chancellor since 1979, in: Irish Times, 2.10.1996, 3. 129 Mark Hennessy, Chancellor says “thanks” for Irish support of reunification, in: Irish Examiner, 3.10.1996, 4. 130 Achtung! The Irish are crossing the Rhine, in: Irish Examiner Weekend, 13.1.1996, 25.  131 Raymond Gillespie, The Big Fellow, in: Irish Times, 2.10.1996.

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From 1989 to 2007, Germany ranked in the top four Irish export markets and “with the exceptions of 1997 and 1998 in the top three for imports.” Until 2001, Germany was Ireland’s leading continental market; then, it was overtaken by Belgium. More importantly, Ireland retained a strong positive trade balance with Germany throughout the entire period, “making it one of the few external trading partners with whom Germany currently has a negative trade balance.”132 Following the intense and deep Irish economic crisis, which commenced in 2008 and the ignominy of an EU/IMF economic adjustment programme (2010–2013), the German market retained its importance for Ireland. In 2014, it ranked as Ireland’s third ranked trade partner taking approximately eight percent of Ireland’s foreign trade.133 Changes in the nature and orientation of Irish external trade, however, have occurred since 1990, and these have generated a greater incongruity in Irish-­ German views on European integration and appropriate socio-economic models. Successive amendments of the entry relating to Ireland on the website of the German Department of Foreign Affairs over the past two decades exemplify this complex relationship, which has largely resulted from the changes in the nature of European integration. Before 2000, the German website was unreservedly positive in its description of German-Irish relations: “Political relations are traditionally friendly.” Since then, the website has modified and qualified this by suggesting that although the relations between the two countries are traditionally friendly and unproblematic, differences on fiscal and social policy have emerged.134 These German emendments are redolent with meaning. Their origins coincide with the flourishing of the Irish economy during the so-called “Celtic Tiger” phase from the late 1990s until 2007 and fundamental changes in the European and international climate. An intense pro-business ethos attracted Foreign Direct Investment (FDI) to Ireland from non-EU (primarily US) firms seeking access to the EC/EU in anticipation of, and after, the realisation of the IM in 1993. Ireland transformed into  a highly globalised economy with niches in computers, pharmaceuticals, insurance and financial services;135 it became a key business interface or inter132 O’Mahony, Irish-German Business Relationships since 1989, 144. Belgium’s supplanting of Germany is a product of Antwerp’s role as a major global drug redistribution node; it receives most of the Irish pharmaceutical exports to non-US destinations. See: Eoin Burke-Kennedy, Exports—the Engine that keeps on humming and the Primary Driver of Economic Turnaround, in: Irish Times, 22.5.2015, 5.  133 http://www.auswaertiges-amt.de/EN/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes/ Irland_node.html (last accessed 14.3.2016). 134 Claire O’Reilly/Gisela Holfter, Changes and Developments in German-Irish Relations since 1989 with special regard to media, literary and diplomatic aspects: Best of Friends or Rocky Relationship?, in: O’Mahony (ed.), Societies in Transition, 168–184, here 170. 135 Stephen Byrne/Martin O’Brien, The Changing Nature of Irish Exports: Context, Causes and Consequences, (https://www.centralbank.ie/publications/Documents/The%20Chang ing%20Nature%20of%20Irish%20Exports.pdf, last accessed 15.3.2015), 60.

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cessor between the US and North America (with the establishment of the North American Free Trade Area) and the EU. Until 2000 or 2001 it was assumed the Irish had internalised the EU and remained cognitive insiders of the EU.136 But dissonant voices were heard at the heart of Irish government from a small but politically influential party, the Progressive Democrats, that formed a coalition with the far larger Fianna Fáil party. The Progressive Democrats exhibited Atlanticist and liberal economic thinking. In July 2000, Mary Harney, the Tánaiste (deputy Prime Minister) and the leader of the Progressive Democrats, proclaimed provocatively: “Geographically we [Ireland] are closer to Berlin than Boston. Spiritually we are probably a lot closer to Boston than Berlin.”137 In an opinion piece for the Irish Times in September, she contended the Progressive Democrats supported enlargement and European unification. But as economic liberals they adhered to a Gaullist version of the EU as a union of independent states whereby states retained control over the necessary policies to promote national economic well-being in a competitive global economy. Harney, anxious about the extension of centralisation and majority voting at the European level, denied she was Eurosceptical. Critical of “over-centralised decision-making” and the “outmoded philosophy of high taxation and heavy regulation,” she argued that openness and respect for difference were at the heart of democracy and European integration.138 Harney’s contentions formed part of the wider debates about the reasons for Irish economic success during the “Celtic Tiger.” For instance, was it a product of structural and cohesion funding, market access to the EU, foreign direct investment, globalisation, a pro-business society or simple economic catch-up? In fact the Irish economic transformation from the 1980s to the 2000s was not monocausal; it was a unique product of a concoction of factors; and experts had not predicted it. The convoluted and contested origins of the “Celtic Tiger” did not prevent many from retrospectively claiming it as a product of their vision and endeavours. Regardless of its origins, the debateable “Celtic Tiger” phe­ nomenon and Dublin’s (un)conscious blending of Boston and Berlin’s socio-­ economic models produced a fresh perspective on the EU in many quarters of Irish society. This was epitomised by the rejection of both the Nice Treaty and the Lisbon Treaty in Irish referenda in 2001 and 2008, which led to reruns in 2002 and 2009. Referenda on EU treaties are constitutionally required in Ireland; they set the country apart from the European norm, and they grant the Irish electorate powers normally unavailable to fellow EU peoples. Both the first Nice (Nice I) 136 Brigid Laffan, Ireland and the European Union, in: William Crotty/David E. Schmitt (eds.), Ireland on the World Stage (Harlow, Essex: Longman, 2002), 85. 137 Brigid Laffan, Irish government and European governance, in: Tom Garvin/Maurice Manning/Richard Sinnot (eds.), Dissecting Irish Politics: Essays in Honour of Brian Farrell (Dublin: University College Dublin Press, 2004), 116–133, here 126. 138 Mary Harney, Future of the EU lies in Union of Independent Sovereign States, in: Irish Times, 20.9.2000, 16.

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and Lisbon (Lisbon I) referenda signified  a gap had opened between the EU, German and Irish political elites, on one hand, and the Irish electorate, the democratic base, on the other. The outcome of the Nice I referendum in 2001 came as a shock; it was the fifth Irish referendum on the EU since 1972, but it was the first one rejected by the Irish people. In retrospect, a low turnout, together with  a lacklustre and unimpressive referendum campaign combined with the prior expression of “soft Euroscepticism” on the part of Mary Harney and the Progressive Democrats, was not auspicious.139 The permissive Irish popular consensus in favour of progressive integration could no longer be assumed. Above all, the rejection of the Lisbon Treaty by the Irish electorate in 2008 undermined many German officials’ perceptions of Ireland as  a naturally communautaire member state. This second rejection of a treaty by the Irish was compounded by the emerging European and German criticisms of Irish economic imprudence as the ignominious fall of the “Celtic Tiger” occurred. The earlier Nice rejection could no longer be viewed as a one-off. The strongly pro-European Irish political establishment may have reversed the initial popular rejections of the Nice and Lisbon treaties using a variety of expedients (public engagement, public education campaigns, extracting declarations from EU partners to respect Ireland’s military neutrality, inserting protocols into the treaties, increasing parliamentary oversight over EU legislation etc.) in the subsequent reruns of the referenda (Nice II and Lisbon II), but there were manifest problems. The reruns created a credibility problem in Ireland about the EU and Irish governments’ respect for the initial popular verdicts to reject the treaties on democratic grounds; unlike other European states, such as Germany, the Irish electorate has an established history and respect for the role of referenda in the national democratic process and has frequently rejected government proposals. The Europhile political elite (the three main political parties of Fianna Fáil, Fine Gael and Labour) had neglected their democratic bases. Another component of the problem lay in the collective European efforts to deepen integration and streamline decision-making. Ironically, this was largely a manifestation of the renovation of the European bargain that the Irish Presidency of 1990 had helped to broker to embed the reunited Germany within an integrated European architecture and to accommodate membership of the new democracies to the East. The successive treaty developments were estimated by many Irish voters to have diluted the voice of pre-1990 small member states (i. g. Ireland), which in turn engendered apprehensions that the new Europe was less compatible with Irish interests. The instinctive Irish popular response was that national interests and European integration were complementary, but there was now a growing feeling that this was no longer the case. As the EU struggled to adapt its structures and policies incrementally in  a treatymaking surge after 1990 (Maastricht 1992, Amsterdam 1997, Nice 2001, Lisbon 2007), the rising fluidity and complexity of the EU aggravated popular Irish misperceptions and 139 Laffan, Irish government and European governance, 125–128.

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low levels of knowledge about the EU. In confusion, many traditional supporters of European integration chose not to vote in the Nice I (2001) and Lisbon I (2008) Referenda, while the committed Eurosceptical section of the electorate gradually grew. The popular rejections of the Nice I and Lisbon I Referenda forced embarrassed Europhile political and business elites to recommit to educating and mobilising the electorate. The result was a marked improvement in turnout during the Nice II and Lisbon II Referenda, but the necessity to rerun the referenda ipso facto generated resentment that the results of Nice I and Lisbon I had been overridden. There is some value in Máire Geoghagan-Quinn’s statement in August 1990 that Ireland was “conditionally integrationist.”140 As long as European integration was estimated to converge with and enhance key Irish national interests then there was an acceptance of the European project and its associated inter­ national liberalism (continental conflict resolution and prevention, multilateralism and internationalism) which fitted with traditional Irish foreign policy ideals. Still, the practical effects of the push towards political union, EMU and enlargement after the Cold War began to transform the EU into an entity that was more challenging from the Irish perspective. It would be an exaggeration to say that in the twenty-first century German perceptions of Ireland altered from viewing it as “Model Pupil” to one of “Problem Child,”141 but Ireland began to act as a less compliant integrationist. The enlargement of the EU eastwards, after 2004, undermined Ireland’s attractiveness for German investment. No German manufacturing investment has occurred in Ireland for  a considerable period of time; the 300 German companies in Ireland that presently employ 20,000 workers are long-established ones.142 From that perspective the Irish-German business relationship is static. Germany may rank as a top trading partner for Ireland, but it is easily surpassed by the UK and US. Irish trade within the EU has diversified from Germany to other EU states such as Belgium, France, and Poland to ensure that Ireland’s commerce with the current EU (not including the UK) equals or exceeds the sum of its trade with the UK and US.143 As such, it is broadly and equally dependent on trade with the UK, US , and the EU (non-UK) leading to a balancing act on the part of the Irish foreign trade policies and its approach to the EU. The nature of the Irish economy has shifted from  a traditional dependence on exporting agricultural goods to exporting manufactured goods and services, especially computer services.144 To a great extent, the Irish and German economies were both high-cost and heavily dependent on manufactured exports and specialised 140 141 142 143

Laffan, Ireland and the European Union, 89 O’Regan, German Media Perceptions of Ireland since the Bailout, 147. Ibd; see also O’Mahony, Irish-German Business Relationships since 1989, 150. Michael Hennigan, Is Euro Area Ireland’s Top Trading Partner, in: Finfacts Business News Centre (http://www.finfacts.ie/irishfinancenews/article_1028937.shtml, last accessed 14.3. 2016). 144 O’Mahony, Irish-German Business Relationships since 1989, 147–148.

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services by 2000. Their two societies and economies had grown more alike (urban-industrial or tertiary) since the 1950s and while Germany remains an anchor market for Irish service and computer exports, its growth potential is restricted in comparison to several markets. For better or worse, owing to past decisions, Irish industrial policy is wedded to the attraction of FDI and remains heavily centred on US multinational enterprises (MNEs) in the IT and pharmaceutical sectors. Generally, Ireland lacks the large indigenous firms that characterise the German economic model. It is reliant on preserving its competitiveness as a location for FDI and is resistant to a common European tax regime. The frailties of the Irish economic model and the problems of its political system were exposed following the worst and most precipitous financial crisis in the history of independent Ireland; the Irish property crash threatened the entire banking sector and the foundations of the state. The risk of dependence on an acutely globalised national economy susceptible to shocks was highlighted. The failings of the Irish government to control expenditure, its overreliance on unsustainable income streams (property purchase and sales taxes) and poor financial regulation were bared. The political, economic and financial elites stood charged with hubris, profligacy, corruption or unachievable expectations. The basic chronology of the crisis is well-known. In September 2008, the government extended a blanket guarantee to the creditors of the Irish banks. Whether or not this action was at the behest of the European Central Bank (ECB) remains contested, but when the international markets called the state’s bluff in 2010, it was impelled to accept an EU/IMF rescue package to prevent the contagion from destabilising the Euro and the global financial system. The Irish financial crisis had  a polarising effect on Irish-German popular discourse.145 The extensive reportage and commentary of the Irish Times correspondent based in Berlin, Derek Scally, will be drawn upon here to communicate  a flavour of the polarised bickering in the public discourse of the two peoples. Scally adopted the role of mediator in his columns as he struggled to moderate popular Irish criticisms of Germany in the months and years after the EU/IMF “bailout” was finalised in November 2010. His efforts were remarkable in an important sense: The predominant readership of the Irish Times in Ireland is upper middle class and educated, who might be expected to adopt a more balanced and reserved perspective than those of the other more populist broadsheets and the tabloids, but Scally felt the need to pacify and educate the readership about the German role as his audience displayed anti-German feeling. This is summarised in one line from a sample letter to the editor of the Irish Times as recently as August 2015. It was written in response to Scally’s pleas not to blame the German banks. The letter ended, “I don’t think even Mr Scally can deny that Chancellor Merkel was at the tiller of EU political decision-making

145 Derek Scally, Three Years that irrevocably changed the Hiberno-German Relationship, in: Irish Times, 13.12.2013, 19.

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when our EU colleagues coldly chose to hang us out to dry.”146 In short, the experience of heavy austerity from 2008 onwards, which has continued, even when Ireland exited the € 85 billion “bailout” (2010–2013), provoked pervasive and reflexive hostility among the Irish populace and media even among the better educated and higher socio-economic echelons. Real or perceived originators and perpetrators of their hardships were regular targets of castigation and opprobrium on the Irish airwaves and in the Irish media. Especially numbered among the targets for public anger were German actors, principally German banks.147 As Scally wrote in 2011, “Self-pity is doing the rounds in Europe. In Ireland, the chattering classes bleat how ‘the German banks are to blame for giving us too much money’—though no one complained during the cheap loan free-for-all.”148 One of the grievances expressed by critics of the “bailout” was that Irish citizens were “bailing out” German financial institutions and bondholders. These were popularly regarded in Ireland as a cause as much as a victim of the financial crisis; it was suggested they had irresponsibly fuelled the unsustainable Irish property boom with “cheap credit” after 2000. Critics of the bailout (Irish and international) were perturbed there was no burden sharing of the bank losses incurred as  a result of dubious property speculation, i. e. they were mystified that unguaranteed senior bondholders were fully reimbursed for engaging in risky investments in  a property “bubble.” This has been  a frequent line of criticism domestically. Simultaneously, a mainstream German media discourse on the Irish financial crisis and the crisis in other peripheral Euro member states (Greece, Portugal and Spain) was that the German taxpayer bore the brunt of the bailouts and was paying for the irresponsibility of weaker economies which had displayed a lack of fiscal discipline and worse.149 The German media stress was on Irish political ineptitude and profligacy with extensive use of patronising metaphors such as the “greedy child.”150 Such simplistic and contradictory Irish and German depictions and interpretations of the Irish financial crisis and resultant bailout were exceedingly troubling on both factual and relationship grounds. In the former sense, the EU and Euro were a collective enterprise into which states voluntarily entered, and thus, Irish governments and the electorate should have adopted a more responsible national fiscal approach. The crisis asked grave questions about the adequacy of the framework and institutions of the EMU and the Euro. Any deficits in the 146 Alan Kealy (Letter to Editor), Blaming German Banks, in: Irish Times, 20.8.2015, 13. 147 Derek Scally, How Clueless Irish Pundits Misrepresented Germany, in: Irish Times, 16.9.2013, 3; Derek Scally, When it comes to Late-Night Euro Zone Deals Germany will always be blamed, in: Irish Times, 25.3.2013, 3; Derek Scally, We should not Blame German Banks for Irish Economic Crash, in: Irish Times, 18.8.2015, 12. 148 Derek Scally, Philosopher’s Stand against Creeping Nationalism, in: Irish Times, 9.4.2011, 9. 149 Derek Scally, Blame for German Bank Collapse lies a Lot Closer to Home than Dublin, Study Reveals, in: Irish Times, 30.11.2012, 7. 150 For a fine analysis of the German newspapers’ portrayal of Ireland after November 2010, see O’Regan, German Media Perceptions of Ireland, 147–180.

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EMU or single currency design that contributed to the Irish meltdown, or the financial crises of the peripherals generally, should have been dealt with in  a more inclusive and communautaire discourse, rather than on basic nationalist “them versus us” narratives that characterised Irish and German popular discussions in the heart of the crisis. The management of the single currency crisis and the tensions generated remain sensitive issues in Irish-German interactions and perceptions. Ireland has commenced an economic recovery, but the effects of the far-reaching austerity remain. The two Irish governments which brokered and adhered to the terms of the 2010–2013 rescue package (they estimated they had no alternative in the face of their lack of international power and influence) were not re-elected in the face of mass resentment. Even if the rescue package was a product of the T ­ roika’s (the ECB -Commission-IMF) negotiations with the Irish government, and Germany did not have a direct role, a prevalent popular Irish suspicion is that the Troika safeguarded German interests at the price of an even-handed treatment of Ireland. The Irish political system was destabilised in an unprecedented fashion as the March 2016 general election highlighted. Despite simmering resentment on the part of substantial sections of the Irish population against a variety of actors, including Germany, for allegedly causing and exacerbating the Irish crisis, the agents of the Irish state since 2010 have diligently devoted themselves to rehabilitating Ireland’s image. Remarkable attention has been expended on rebuilding Ireland’s reputation in Germany, cognisant of its pre-eminence in the EU.151 Granted, formal or official relations between the two states remained open and cordial throughout the Irish financial crisis. Also, the Irish government’s willingness to comply with the Troika “bailout” was repeatedly positively commented on since 2011 or 2012, which underscored that German officialdom and German media now generally regarded Ireland as  a “model pupil” after  a wayward phase. Nonetheless, the frequent negative media coverage of Ireland over the entire crisis damaged Ireland’s reputation leading the agents of the Irish state, notably the Department of the Taoiseach and the Department of Foreign Affairs and Trade, to seek to remedy this. From the Irish official perspective, Germany remains the prime EU state, and Dublin’s success relies on cultivating its relationship with Berlin, in the same way that it devotes considerable attention to London and Washington, DC , the other two capitals central to Ireland’s economic and political future.

151 A strong indication of the diplomatic and political campaign to rescue Ireland’s damaged reputation is displayed in the former Irish Ambassador to Germany’s account of his four year posting to Berlin (October 2009 until August 2013): Daniel Mulhall, German-Irish Relations: A View from the Embassy in Berlin, in: O’Reilly/O’Regan (eds.), Ireland and the Irish in Germany, 201–216.

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VIII. Conclusion The breakthroughs of 1989 and 1990 had far-reaching repercussions for Ireland and Europe. The Irish Presidency of the European Council in the first part of 1990, assisted in fashioning the EC ’s response and setting the course for the development of the contemporary EU. Following from the political agreements reached during the presidency extensive negotiations on economic, monetary and political union culminated in the ratification of the Maastricht Treaty. In retrospect, the Irish Taoiseach adopted a prudent approach in 1990. Whether Haughey recognised that German unification was inevitable, or whether he was swayed by his attachment to one-nation unity based on his Irish irredentist sentiments, is not clear. It was possibly an interweaving of both. In any case, a small state like Ireland could not arrest or prevent such  a seismic occurrence once it began. To do so would run counter to the self-interested Irish promotion of national self-determination that it prescribed universally from the 1930s. Existentially, Ireland was anti-Communist and pro-European. To prevent or impede the democratic will of West and East Germans (or indeed other Eastern Europeans) did not fit with the Irish national elites’ self-image and outlook. Moreover, such a negative attitude could be enormously costly—Germany was the paymaster of the European Union. The positive Irish contribution to the complex process of easing German reunification and brokering  a new course for European integration earned Haughey and the Irish Presidency considerable plaudits, particularly from post-unification Germany, but the Irish-German relationship was severely tested in the twenty-first century as  a more assertive Ireland grew concerned that the new Europe was possibly injurious to Irish economic well-being. Bilateral drift occurred. Deeply critical public discourses emerged during the EU/IMF programme “bailout” of Ireland. Although popular and public recriminations have receded, and a substantial restoration of the Irish reputation has occurred, the multifaceted Hiberno-German relationship has never proved so complex or important for Ireland as it is now. Regional integration has brought about a fundamental change in the scope, depth and tone of the relationship.

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Die deutsche Wiedervereinigung aus schweizerischer Sicht Was die „Neue Zürcher Zeitung“ dazu schrieb

I. Einleitung Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ), die im gesamten deutschsprachigen Raum sehr beachtete Schweizer Qualitätszeitung liberaler Ausrichtung,1 bestätigt mit ihrer Publizistik der Jahre 1989/90, dass in der Auseinandersetzung mit den Vorgängen in Deutschland kaum Fragen auftauchten, die das schweizerisch-deutsche Verhältnis direkt betrafen. Nicht dass gleichgültig gewesen wäre, was sich damals in Deutschland abspielte, denn die breit angelegte Berichterstattung und die engagierten Kommentare zeigen, dass den Vorgängen in Deutschland historische Bedeutung beigemessen wurde. Noch bedeutsamer – nicht in der Zahl der Artikel, aber in der Art der Kommentare – erschienen der NZZ die Konsequenzen des sich abzeichnenden Zusammenbruchs des sowjetischen Imperiums.2 Doch auch da kam es in der NZZ , wie in anderen Blättern der Schweiz, nicht zu öffentlich ausgesprochenen Überlegungen, was dies nun, je nach Weiterentwicklung, im Guten wie im Schlechten für die Schweiz bedeuten könnte. Dies kann den Eindruck entstehen lassen, dass nach dem dominierenden Selbstver1 Thomas Maissen, Die Geschichte der NZZ 1780–2005. 225 Jahre Neue Zürcher Zeitung­ (Zürich: NZZ -Verlag, 2005), 245–251. Die NZZ diente schon früher als Quellenkorpus bzw. Erfassungsgrundlage, vgl. Georg Kreis, Reconstruction sans restauration: l’image de l’Allemagne dans la „Nouvelle Gazette de Zurich“ de 1945 à 1956, in: Relations internationales 52 (1987), 413–429. 2 Das vormals vom Mediensoziologen Kurt Imhof geleitete Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (foeg) der Universität Zürich hat in Zeitreihen die Ränge der am stärksten beachteten Medienereignisse mehrerer Tageszeitungen registriert. Publiziert sind die Befunde bis Ende der 1960er-Jahre. Unpublizierten Daten zufolge hat die NZZ 1989 den Vorgängen in Deutschland 154 Artikel gewidmet und auf der zweiten Position nur 84 der Perestroika; 1990 sind es zu Deutschland 217 gewesen, gefolgt von 174 zum Golfkrieg. Die Beziehungen Schweiz-EG sind im einen Jahr mit 20, im anderen Jahr mit 43 Artikeln verzeichnet. Die publizierten Ergebnisse finden sich in: Kurt Imhof et al. (ed.), Zwischen Konflikt und Konkordanz. Analyse von Medienereignissen in der Schweiz der Vor- und Zwischenkriegszeit (Zürich: Seismo Verlag, 1993); id., Konkordanz und Kalter Krieg. Analyse von Medienereignissen in der Schweiz der Zwischen- und Nachkriegszeit (Zürich: Seismo Verlag, 1996); id., Vom Kalten Krieg zur Kulturrevolution. Analyse von Medienereignissen in der Schweiz der 50er und 60er Jahre, Band 1–3 (= Krise und Sozialer Wandel; Zürich: Seismo Verlag, 1999).

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ständnis die kleine Schweiz bleibt, was sie ist, wie auch immer sich die Dinge – mindestens in Deutschland – entwickeln. Dies mag umso bemerkenswerter sein, als die Schweiz und Deutschland durch eine lange Geschichte verbunden sind und Deutschland immerhin ein direkter Nachbar der Schweiz ist. Das schweizerisch-deutsche und das deutsch-schweizerische Verhältnis gehört zu den gerne abgehandelten Themen und auch zu den gerne gelesenen Abhandlungen, sowohl im kleineren Format von Artikeln der Tagespresse als auch im größeren Format von selbständigen Publikationen.3 Naheliegenderweise wird diese Thematik auf der Seite der kleineren Schweiz stärker gepflegt als auf deutscher Seite. Aber es gibt auch in Deutschland die Thematisierung der Beziehungen zu den kleineren Nachbarstaaten. Das Institut für europäische Geschichte in Mainz hat 1996 eine Vortragsreihe dazu veranstaltet.4 Die schweizerischen Reaktionen auf die Vorgänge um 1989/90 in Deutschland bewegten sich im Rahmen der üblichen Einschätzungen. Das außerordentliche Geschehen entlockte bezüglich der Rückschlüsse auf das eigene Land keine außerordentlichen Feststellungen. Natürlich gab es hier wie in anderen Ländern immer wieder Überlegungen dazu, ob Deutschland wegen seines Gewichts und seines historischen Erbes jetzt wieder eine beunruhigende Kraft im europäischen Verbund sein werde, dies aber eben ohne explizite Überlegungen zu den Konsequenzen für die Schweiz. Die Vorgänge von 1989/90 bildeten für die Schweiz jedenfalls keinen Anlass, die Erfahrungen der auch ihr geltenden Be­ drohung der Jahre 1933–1945 zu rekapitulieren. Die Schweiz setzt sich bekanntlich aus verschiedenen Landesteilen mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen zusammen. Darum ist es nicht möglich, in verallgemeinernder Weise von schweizerischer Wahrnehmung zu sprechen. In der deutschen Schweiz war das Abgrenzungsbedürfnis während der Jahre des „Dritten Reichs“ größer als in der französischen Schweiz, doch vorher und danach herrschte in der französischen Schweiz stets die Befürchtung einer doppelten Kolonisierung des Landes durch den deutschen Nachbarn: Kolonisierung der deutschen Schweiz, die dann ihrerseits die französische und italienische Schweiz kolonisiere.5 Nicht zufällig findet man unter den NZZ -Artikeln 3 Am prominentesten: Jürg Altwegg/Roger de Weck (eds.), Kuhschweizer und Sauschwaben. Schweizer, Deutsche und ihre Hassliebe (Zürich: Nagel und Kimche Verlag, 2003); Markus Kutter, Die Schweizer und die Deutschen (Zürich: Ammann Verlag, 1995). 4 Der Verfasser hat im Rahmen einer Mainzer Vortragsreihe referiert, vgl. die publizierte Version dieses Referats: Von der Anlehnung zur Abgrenzung. Schweizerische Beziehungen zu Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert, in: Georg Kreis. (ed.), Vorgeschichten zur Gegenwart. Ausgewählte Aufsätze, Band 3 (Basel: Schwabe, 2005), 454–470. Für die Zeit um 1945: id., Das schweizerische Bild der Deutschen um 1945, in: id. (ed.), Vorgeschichten zur Gegenwart. Ausgewählte Aufsätze, Band 4 (Basel: Schwabe, 2008), 249–274; Thomas Fischer/Michael Gehler (eds.), Tür an Tür. Vergleichende Aspekte zu Schweiz, Liechtenstein, Österreich und Deutschland (Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2014). 5 Georg Kreis, Krisenreaktionen in der französischen Schweiz vor 1914, in: id. (ed.), Vorgeschichte zur Gegenwart. Ausgewählte Aufsätze, Band. 1 (Basel: Schwabe, 2003), 413–427.

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zur Wende auch einen Beitrag, welcher der Befürchtung, dass sich die deutsche Schweiz an Deutschland ausliefere, entschieden entgegentrat: „Das Trennende sitzt trotz aller Gemeinsamkeit in vielen Sachfragen – Deutschland ist neben der Schweiz einer der wenigen Bundesstaaten in Westeuropa – zu tief, und die Zeit aktiver ‚Kaiserschwärmerei‘ führender Kreise vor dem Ersten Weltkrieg war historisch gesehen eine sehr kurze.“6 Da sich bei diesen Gegebenheiten keine pauschalen Aussagen zur schweizerischen Wahrnehmung machen lassen, konzentrieren sich die weiteren Ausführungen auf die Haltung der NZZ zum Mauerfall und zur Wiedervereinigung.7 Die Untersuchung fokussiert auf die deutsche Wiedervereinigung, deshalb separiert sie diesen Gegenstand weitgehend vom Rest der Geschichte. Beim Durchblättern der NZZ wird einem jedoch bewusst, wie viel Bewegung in dieser Zeit ist. Margaret Thatcher dankt ab, Nelson Mandela kommt aus dem Gefängnis, die EU eilt auf Maastricht zu,8 der zweite Golfkrieg kündet sich an und die russischen Verhältnisse sind „on the move“ – vielleicht zum Guten oder zum Schlechten. Wird sich Gorbatschow halten können?9 Die erhöhte Dynamik und die damit verbundene Ungewissheit waren wesentliche Charakteristika dieser Zeit, sie beeinflussen das Handeln der Protagonisten und die Einschätzungen der NZZ . 6 Max Fienkel (fre.), „Vorurteile von Ost und West und von West und Ost“; in: NZZ , Nr. 300, 27. Dezember 1990. – Es gibt die Vergleichsstudie Julia Schramm, Die deutsche Einigung 1989–1990 aus der Sicht ausgewählter Schweizer Tageszeitungen, (Münster: Lit-Verlag, 2000). Diese Arbeit resümiert und vergleicht fünf Zeitungsberichterstattungen: neben zwei deutschschweizerischen und zwei französischschweizerischen Zeitungen auch eine italienischschweizerische, das heißt die NZZ und die Basler Zeitung, die 24h und die Tribune de Genève sowie den Corriere del Ticino. Gemäß Schramm könnte die Furcht vor einem übermächtigen Deutschland in der französischen und italienischen Schweiz leicht größer gewesen sein (Seite 358). Die Autorin kommt aber zum Schluss, dass die Unterschiede in der Wahrnehmung wenig differieren (Seite 358). Die Arbeit berücksichtigt auch Karikaturen und hat im Anhang eine nützliche Chronologie der Ereignisse. 7 Aus der regelmäßigen Berichterstattung und zahlreichen Kleinmeldungen und den dann und wann eingestreuten Leserbriefen ragen mehrere Großtexte heraus: diejenigen des amtierenden Chefredaktors Hugo Bütler (Bü), seines Vorgängers Fred Luchsinger und des stellvertretenden Chefredaktors Alfred Cattani (A. C.). Sodann die Artikel von Christian Kind (C. K.), Auslandchef 1981–1992, von Hansrudolf Kamer (H. K.) Auslandchef ab 1992 und von Christian Müller (Ch.M.) Bonn- und Berlin-Korrespondent 1988–1997. 8 Eine skeptische bis warnenden Haltung nahm die NZZ auch gegenüber der Entwicklung in der EG ein. Die Notwendigkeit, Ersatz für die sich auflösende Nachkriegsordnung zu schaffen, zwinge die Gemeinschaft zu rascherem Handeln als bisher, und darin würden „gewisse Gefahren“ liegen. Gemeint waren damit die „kräftige Zentralisierungstendenz“ sowie ein „gewisser Hang zu machtpolitischem Denken“ (wm. Brüssel, Wachsende Bedeutung der EG in Europa, in: NZZ , Nr. 21, 26. Januar 1990). 9 Die NZZ verwendete damals noch konsequent die Schreibweise „Gorbatschew“. Gorbatschows Zukunft im Kreml erscheine im Februar 1990 „trotz fortwährenden Erfolgen des politischen Zauberkünstlers“ weiter prekär (C. K., Sicherheitsstrukturen für Europa, in: NZZ Nr. Nr. 40, 17./18. Februar 1990). Bereits zwei Wochen zuvor war ein allfälliger Rücktritt auf der Frontseite ein Thema, allerdings in Form eines Dementis eines verärgerten Gorbatschows (vgl. Gorbatschew dementiert Rücktrittsgerüchte, in: NZZ , Nr. 26, 1. Februar 1990).

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Auch in der Schweiz, diesem im Allgemeinen ruhigen Land, war damals außergewöhnlich viel los. So musste die Justizministerin, das erste weibliche Mitglied der Bundesregierung, wegen eines inkorrekten Telefonats um die Jahreswende 1988/89 zurücktreten (formelle Demission am 12. Dezember 1988 auf Ende Februar 1989). Ein zweites innenpolitisches Großereignis bestand darin, dass, zwei Wochen nach dem Mauerfall, am 26. November 1989 in einer Volksabstimmung eindrückliche 35,6 Prozent die Abschaffung der Armee befürworteten (die Vorbereitungen für dieses Plebiszit gingen allerdings auf das Jahr 1982 zurück). Zur Abwehr dieses Referendums war im September der Generalmobilmachung der Armee vor 50 Jahren gedacht worden, was fast so wirkte, als ob die Schweiz den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs festlich beginge.10 Und ein drittes tiefgreifendes Erlebnis bestand darin, dass sich Ende November 1989 empörte Bürger und Bürgerinnen plötzlich bewusst wurden, was sie eigentlich schon vorher hätten zur Kenntnis nehmen können, nämlich dass der schweizerische Staat sein eigenes Volk recht intensiv überwachte. Die Frage liegt nahe, ob sich die Schweizer von der Besetzung der Stasi-Archive in Leipzig und anderen deutschen Städten gleichsam anstecken ließen. Das schweizerische Selbstverständnis, wonach man als Land ein absoluter Einzelfall sei, dürfte dem aber entgegengestanden sein.11 Man kann nicht sagen, dass die schweizerischen Verhältnisse der jüngsten Zeit durch die deutsche Wiedervereinigung stark beeinflusst worden sind. Bestimmend waren vielmehr die seit längerem bestehenden Grundhaltungen, die diese mitbestimmten: vor allem der dominante und lange Zeit übermilitante 10 Deswegen kam zu diesem Zeitpunkt ein umfangreiches Buch über den Oberkommandierenden der Armee, General Henri Guisan, heraus, was Altchefredaktor Fred Luchsinger, der sich im Folgenden auch zwei Mal ausführlich zu den Vorgängen in Deutschland äußerte, zu einem beinah anderthalbseitigen Kommentar veranlasste: Der General als Widerstandssymbol, in: NZZ , Nr. 263, 11./12. November 1989. Dies sei hier angemerkt, um auf die Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen aufmerksam zu machen. 11 Weiter wurde bekannt, dass die Schweiz eine kleine, am Parlament vorbei organisierte, aber an die NATO angebundene Geheimarmee (P 26) unterhielt. 1990 setzte die große Debatte um den am 6. Dezember 1992 schließlich knapp abgelehnten EWR-Beitritt ein (vgl. die Ausführungen am Schluss dieses Beitrags). Ein wesentlicher Teil der Zukunftserwartung konzentrierte sich auf die im Januar 1991 beginnenden Festlichkeiten zum 700-JahrJubiläum der Eidgenossenschaft. Das und die Auseinandersetzung mit der skandalösen Staatsschutzaktivität der letzten Jahre führte zur Kritik, dass die Schweiz ihre Zeit und ihre Kräfte für Rückblicke vergeude, während sich Europa im Umbruch befinde und sich weltweit Veränderungen mit nicht absehbaren Konsequenzen abspielten. (Vgl. etwa das Migros-Inserat in: NZZ , Nr. 302, 29./30. Dezember 1990). Das war vor allem Gegenkritik an einer Art von Selbstkritik, wie sie Friedrich Dürrenmatt wenige Tage vor seinem Tod bei einer Preisverleihung für Václav Havel mit seiner Parabel ausgesprochen hatte, in der er die Schweiz als Gefängnis deutete, in dem selbst die Wächter zu den Gefangenen gehörten. Zum Kontext vgl. Georg Kreis, Viel Zukunft – erodierende Gemeinsamkeit. Die Entwicklung nach 1943, in: id. (ed.), Die Geschichte der Schweiz (Basel: Schwabe, 2014), ­548–605.

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Antikommunismus und die übliche Distanz der deutschen Schweiz zum „großen Bruder“ jenseits des Rheins und zum europäischen Gemeinschaftsprojekt. Wie weit aber hätte 1989/90 die schweizerische Wahrnehmung von Erfahrungen der vorangegangenen Jahrzehnte geprägt sein können? Würden wir auf diese Frage eingehen, müsste man ausführen, wie gut die Beziehungen zur BRD, insbesondere zu derjenigen Adenauers,12 und wie schlecht sie anfänglich mit der DDR waren, vor allem wegen der Verstaatlichung von schweizerischem Vermögen.13 Dies ist jedoch wenig ergiebig, in der Wahrnehmung der laufenden Entwicklung spielten die früheren Erfahrungen kaum eine Rolle. Bei der Durchsicht der NZZ -Publizistik muss vor allem die Frage interessieren, wie die Wiedervereinigung als Prozess beurteilt worden ist: War sie einfach das Ergebnis einer Eigendynamik, inwiefern war der ganze Vorgang das Resultat geschickten Verhaltens und was hätte mit weniger geschicktem Verhalten mit welchem Ausgang schief gehen können? Auf diese Fragen kann man kommen, weil in den NZZ -Kommentaren ein beträchtlicher Skeptizismus gegenüber der Wiedervereinigung zutage tritt. Diesen Skeptizismus kann man als typisch schweizerisch interpretieren, er war aber auch eine andernorts außerhalb der Schweiz vorhandene und naheliegende Art, in großen und auf große Umbruchzeiten in Zukunft zu reagieren. Eine nicht ganz ernst zu nehmende These könnte lauten: In allen Zeitgenossen steckte diesbezüglich, also bezüglich skeptisch abwartender Haltung, eine Prise Schweizertum! Eine andere Art zu reagieren wäre die der Euphorie gewesen. Das konnte man in der Schweiz und von der Schweiz aus verschiedenen Gründen weniger erwarten. Der Reiz der hier vorgenommenen Abklärung besteht darin festzustellen, wie in unmittelbarer Nachbarschaft der rasante Umbruch eines Landes mit größter Kontinuität wahrgenommen wurde. Die schweizerische K ­ ontinuität 12 Markus Schmitz, Westdeutschland und die Schweiz nach dem Krieg. Die Neuformierung der bilateralen Beziehungen 1945–1952 (Zürich: Verlag der NZZ , 2003); Antoine Fleury et al. (ed.), Die Schweiz und Deutschland 1945–1961 (München: Oldenbourg, 2004). 13 Vgl. Ulrich Pfeil (ed.), Die DDR und der Westen. Transnationale Beziehungen 1949–1989 (Berlin: Ch. Links, 2001), mit einem Beitrag von Therese Steffen Gerber zur Schweiz: Therese Steffen Gerber, Zwischen Neutralitätspolitik und Anlehnung an den Westen. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der DDR (1949–1973), 329–349; Therese Steffen Gerber, Das Kreuz mit Hammer, Zirkel, Ährenkranz. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der DDR in den Jahren 1949–1972 (Berlin: Spitz, 2002). Im Herbst 1990 besuchte der noch amtierende DDR-Ministerpräsident de Maizière die Schweiz, dabei ging es um die schweizerischen Investitionen in der „noch“ existierenden DDR (NZZ , Nr. 209, 10. September 1990). Eine stark politisch motivierte Schrift wirft den schweizerischen Sozialdemokraten das Fraternisieren mit den DDR-Parteigenossen vor: Erwin Bischof, Honeckers Handschlag. Beziehungen Schweiz-DDR 1960–1990. Demokratie oder Diktatur (Bern: Interforum, 2010). Zur Anerkennung der DDR durch die Schweiz zuletzt Enrico Seewald, „… nicht um die schönen Augen oder den Bart Ulbrichts“. Die Anerkennung der DDR durch die Schweiz, in: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED -Staat 30 (2011), 150–156; Ricardo Tarli, Operationsgebiet Schweiz. Die dunklen Geschäfte der Stasi (Zürich: Orell Fuessli, 2015).

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fand eine fassbare Entsprechung auch auf der Ebene der NZZ -Publizistik: Neben dem aktuellen Chef des Blattes äußerte sich zur Wiedervereinigungsfrage u. a. prominent und wiederholt auch der fünf Jahre zuvor zurückgetretene ehemalige Chefredaktor. Wenn wir im Besitze der Einsicht wären, worin die richtige, das heißt angemessene Einschätzung bestanden hätte, könnten wir fragen, ob die Vorgänge in Deutschland und in Osteuropa gleichsam mehr Aufregung verdient hätten oder ob die sehr gefasste Reaktionsweise der NZZ eben angemessen war. Stärker angesprochen war die NZZ von der Frage, ob die Sowjetunion bzw. der Kommunismus unverändert mächtig bleibe oder geschwächt aus dem Ganzen hervorginge. Die Frage der Binnenorganisation der beiden Deutschland ließ das Hauptblatt des ur- und erzföderalistischen Landes ziemlich kühl – das zu entscheiden sei „in erster Linie“ Sache der direkt betroffenen Bevölkerung der DDR .14 Wer dem Prozess der deutschen Wiedervereinigung gewissermaßen vom helvetischen Balkon aus zuschaute, konnte sich fragen, ob sie, wie sie und wann sie zustande kommen werde. Dem „Ob“ und „Wann“ wurde, weil das schnell klar wurde, vergleichsweise wenig Beachtung geschenkt. Hingegen war das „Wie“ eine speziell erörterte Frage. Das „Wie“ betraf verschiedene Aspekte: die Rolle der vier Siegermächte von 1945, den Einsatzraum der NATO, ganz speziell das Gewährenlassen durch die Sowjetunion bzw. durch Michail Gorbatschow, sodann die staatliche Struktur des neuen Gebildes, also die Konföderationsfrage und die Hauptstadtfrage, die Frage der finanziellen Abgeltungen und die Währungsfrage, und nicht zuletzt die Frage, mit welcher Geschwindigkeit es zur Wiedervereinigung kommen soll. Mit dieser letzten Frage wird sich der Beitrag im Folgenden weiter beschäftigen. Sie war an sich wichtig, ihr könnte aber gerade aus Sicht der Schweiz besondere Wichtigkeit zugeschrieben worden sein, wohnt doch ihrem Handeln selber eine gewisse Bedächtigkeit und Gesetztheit inne und bildete diese Haltung darum auch das Maß für die Beurteilung des Geschehens auf der internationalen Bühne. Bevor wir uns der NZZ zuwenden, zunächst ein kurzer Blick auf die erste offizielle Verlautbarung.

14 Nach den Wahlen in der DDR vom 18. März 1990, in denen offenbar der Wunsch nach einem „Aufgehen der ungeliebten DDR in einem grösseren deutschen Ganzen“ zum Ausdruck kam, reagierte die NZZ gelassen auf die Frage, wie das geschehen soll, ob durch Beitritt zur BRD (nach Art. 23 des Grundgesetzes) oder durch eine neue eigenstaatliche Verfassung. C. K., Stunde der Demokratie in der DDR , NZZ , Nr. 64, 17./18. März.1990.

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II.

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Offizielle Verlautbarungen

Die schweizerische Regierung musste lediglich kommentierenderweise eine Haltung einnehmen, anders als die EG -Mitglieder Belgien, Niederlande, Luxemburg15 nicht aktiv Stellung nehmen, sie konnte aber nicht einfach nichts s­ agen.16 Die wenige Tage nach dem Mauerfall am 9. November 1989 abgegebene Erklärung des schweizerischen Außenministers René Felber hebt ebenfalls den Aspekt der Entwicklungsgeschwindigkeit hervor: Der Bundesrat, also die Landesregierung, sei von der Schnelligkeit der Entwicklung in der DDR überrascht worden, immerhin „freudig“ überrascht. Von der Wiedervereinigung sagte er jedoch, dass diese jetzt nicht auf der Tagesordnung stehe. Diese könnte nur am Ende eines äußerst langen Prozesses stehen, zumal die DDR diese gar nicht wünsche und die beiden Militärallianzen (NATO und Warschauer Pakt) nicht in Frage gestellt würden. Felber betonte gleichzeitig, dass die Neugestaltung der Strukturen Europas nicht risikofrei sei, dabei Gewalt nicht ausgeschlossen werden könne und darum die Abschaffung der schweizerischen Armee nicht ratsam sei.17 Im Jahr darauf übermittelte der Bundesrat am 3.  Oktober 1990 dem deutschen Volk und seiner Regierung seine besten Glückwünsche zur staatlichen Einheit. Mit der Vereinigung werde das Symbol der europäischen Teilung beseitigt. Mit dem Ende der deutschen Trennung eröffneten sich neue Möglichkeiten, ein friedliches und auf das gemeinsame kulturelle und allgemein menschliche Erbe ausgerichtetes Europa zu schaffen. Das vereinigte Deutschland teile mit der Schweiz dieselben demokratischen und liberalen Werte. Der Bundesrat gab zudem seinem Willen Ausdruck, die traditionell engen und fruchtbaren Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland bilateral und im europäischen Rahmen weiter auszubauen und zu vertiefen.18 An der Sitzung vom 3. Oktober 1990 der zur Wahl von Bundesrichtern zusammengetretenen beiden Kammern (Vereinigten Bundesversammlung) sprach Nationalratspräsident Ruffy (SP/VD) dem wiedervereinten Deutschland und insbesondere den Kollegen im Bundestag und Bundesrat Glückwünsche aus und stellte fest, dass sich eine Ära des Friedens abzeichne. Unter Beifall erklärte er: „Wir wollen aber alle mithelfen, ein neues 15 Interessant wäre ein Vergleich mit Österreich, das zwar auf eigene Weise den deutschen „Anschluss“-Vorgängen näherstand, aber als neutrales Noch-Nicht-Mitglied der EG wohl auch nicht näher in die Wiedervereinigungspolitik einbezogen war. Siehe dazu die Beiträge von Andrea Brait, Michael Gehler, Maximilian Graf sowie Philipp Greilinger und Sarah Knoll in diesem Band. 16 Interessieren könnte, wie sich die bundesrätliche Stellungnahme zu 1989/90 in die Praxis der offiziellen Erklärungen einordnet. Ein Quellenband versammelt in einem Kapitel Stellungnahmen des Bundesrats zu Ereignissen im Ausland und deckt die Jahre ab zwischen 1956 und 1983. Vgl. Dietrich Schindler (ed.), Dokumente zur schweizerischen Neutralität seit 1945 (Bern: Haupt Verlag, 1984), 428–450. 17 NZZ , Nr. 266, 15. November 1989. 18 NZZ , Nr. 229, 3. Oktober 1990 (Agenturmeldung).

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Europa aufzubauen (NZZ Nr.  230, 04.10.1990) Bei einem Bonner Treffen auf Staatssekretärebene sprach Klaus Jacobi nochmals Glückwünsche aus und die Genugtuung über den reibungslosen Vollzug der staatlichen Einheit.19

III. Die NZZ zum „Mauerfall“ Noch vor dem 9.  November 1989 signalisierte die NZZ den Zusammenbruch des SED -Regimes: „Mit wahrhaft atemberaubendem Tempo schreitet der Zerfall des kommunistischen Machtgefüges in der DDR fort. […] Der Kollaps der staatlichen Autorität ist in eine Art politischen Herzstillstand übergegangen  […].“ Die Brechung des Machtmonopols enthülle „die wahre weltpolitische Dimension der jüngsten Vorgänge, aber auch die Gefahren, die ihnen innewohnen.“ Der Kommentar blickte mit sehr gemischten Gefühlen der weiteren Entwicklung entgegen: „[…] [D]er Umstand, dass man sich nun ernsthaft die Frage zu stellen hat, ob Moskau ein pluralistisches, offenes System im westlichen Eckpfeiler seines Machtgefüges tolerieren wird, weckt mehr als ungute Gefühle. Auch Gorbatschew muss das, was gegenwärtig in der DDR geschieht, unheimlich vorkommen.“20 Der gleiche Redaktor konstatierte zwei Tage später im Leitartikel zum Wochenende: „Nach den dramatischen Ereignissen der letzten Tage in der DDR , die einander in fast stündlichem Rhythmus jagten und nun gar in der überaus symbolträchtigen Öffnung der Berliner Mauer gipfelten, scheint auf der politischen Bühne im östlichen Deutschland eine Art Erschöpfungszustand eingetreten zu sein.“ Klar erschien, dass man damit nicht zur Tagesordnung übergehen konnte und vieles, wenn nicht fast alles von der Haltung Moskaus abhing  – und die Rückwirkungen der Vorgänge in der DDR auf das Machtzentrum in der UdSSR zu bedenken seien. Darum die warnende Schlussbemerkung: „Es wäre ein tragischer Fehler, wollte man die Gefahr, die in dieser Tatsache liegt, übersehen.“21 In einer nächsten Zwischenfeststellung vom 14.  November bemerkte der Deutschlandkorrespondent der NZZ , die sich abzeichnende weitere Annäherung beider deutschen Staaten erwecke beidseits der noch bestehenden Grenzen ganz unterschiedliche Gefühle von Hoffnung und Sorge. „Die Frage staatlicher Ein-

19 NZZ , Nr. 237, 12. Oktober 1990. 20 Jürg Dedial (de.), Ein Regime bricht zusammen, in: NZZ , Nr. 261, 9. November 1989 (verfasst am Vortrag). Zum Vorgang selber vgl. stellvertretend für eine breite Literatur: Michael Gehler, „Friedliche Revolution“ und Wiedervereinigung. Interne und externe Faktoren im Zusammenspiel 1989/90, in: Hans-Joachim Veen/Franz-Josef Schlichting (eds.), Von der Urkatastrophe Europas bis zur Wiedervereinigung Deutschlands. Etappen deutscher Zeitgeschichte 1914 bis 1990 (Weimar: Stiftung Ettersberg, 2014), 111–144. 21 de., Eine DDR ohne Mauer?, in: NZZ , Nr. 263,11./12. November 1989. Auf der gleichen Seite ein Bericht aus Bonn von Ch. M., Deutschland im Taumel eines Wiedersehens.

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heit steht offiziell – noch – nicht zur Debatte; doch überschattet sie unweigerlich den eruptiv ausgelösten Prozess in Richtung auf mehr Einheit.“22 Die NZZ verzichtete nicht auf Kritik am schon bald sich zeigenden Phänomen der „Wendehälse“. Am 17. November 1989 stellte der stellvertretende Chefredaktor fest: „In wenigen Wochen, ja Tagen hat sich die Szene gewandelt. Dieselben Leute und gesellschaftlichen Gruppierungen, die einst nicht müde wurden, den in der DDR ‚real existierenden Sozialismus‘ in den höchsten Tönen zu lobpreisen, legen heute mit anscheinend gleichem Engagement in der Öffentlichkeit Bekenntnisse für das bare Gegenteil dessen ab, das sie gestern noch hochgejubelt haben.“23 Im Kommentar vom 18.  November 1989 wurden  – wie soll man es nennen – Genugtuung und Befriedigung, aber nicht Freude darüber zum Ausdruck gebracht, dass ein ungebrochener Freiheitswille triumphierend Löcher in die Mauer geschlagen hatte, zugleich aber warnend darauf aufmerksam gemacht: „Es werden Kräfte freigesetzt, die nicht nur Gorbatschews Kontrolle, sondern jeder Lenkung überhaupt entgleiten können, weil sie eine eigene Dynamik entfalten und der Preis einer Umkehr immer grösser wird.“24 Drei Wochen nach dem Mauerfall meldete sich auch der ehemalige Chefredaktor Fred Luchsinger, der lange als Deutschlandkorrespondent in Bonn tätig war, mit einem Leitartikel zu Wort, um einige Bedenken anzumelden: „Zu viel ist jetzt im Osten labil geworden oder von Labilität bedroht, als dass Mögliches und Unmögliches, Wahrscheinliches und Unwahrscheinliches noch sauber und einleuchtend voneinander zu trennen wäre.“ Zehn Monate vor dem 3. Oktober 1990 erklärte er: „Es mag wenig wahrscheinlich sein, dass unter den gegebenen Umständen die Aufhebung der Spaltung und Zweistaatlichkeit Deutschlands sehr bald eine reale Chance haben könnte. Zu viele Interessen sprechen dafür, dass es noch für lange Zeit bei zwei deutschen Staaten bleiben wird.“ Gewiss, unter „gegebenen Umständen“, doch diese selber ändern sich eben. ­Luchsinger stellte seiner mutmaßenden These eine weit weniger mutmaßende Antithese entgegen, indem er noch die Schlussbemerkung beifügte: „Aber längerfristige Gewissheit ist darauf nicht zu bauen. Nationale Dynamik ist gegenwärtig so wenig berechenbar wie soziale. Beide nagen derzeit an den politischen Dämmen.“25 In diesem Artikel meldete er auch Bedenken an, ob eine Wiedervereinigung für die EG tragbar sei, das heißt, ob diese mit einem „Ungleichgewicht dieses Aus22 Ch. M., Die Deutschen auf dem Weg zu mehr Einheit. Konsequenz des wirtschaftlichen West-Ost-Gefälles, in: NZZ , Nr. 266, 15. November 1989. 23 A. C., Trittbrettfahrer der DDR-Reformbewegung, in: NZZ , Nr. 268, 17. November 1989. 24 H. K., Triumph der Freiheit – mit Gefahren, in: NZZ , Nr. 269, 18./19. November 1989. Festgehalten wurde auch, dass Moskau eine Wiedervereinigung ohne Auflösung der Bündnisse ablehne. 25 Fred Luchsinger, Die Wiederkehr der deutschen Frage, in: NZZ , Nr. 281, 2./3. Dezember 1989. Luchsinger, Jahrgang 1921, war 1955–1965 Korrespondent in Bonn, 1965–1967 Auslandchef und 1968–1984 Chefredaktor. 1948 hat er an der Universität Basel zum humanistischen Buchdruck doktoriert.

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masses“ (70 Mio. Einwohner und entsprechendes Wirtschaftspotential) intern fertig werden „und die Gefahr einer deutschen Hegemonie“ bannen könnte. Über die Stimme des stellvertretenden Chefredaktors Alfred Cattani reagierte die NZZ sehr verhalten und vier Wochen nach dem Fall der Mauer mit einem größeren Dokumentationsbeitrag, in dem Deutschland als „stabiles Provisorium“ charakterisiert und erklärte wurde, die deutsche Frage sei offen ge­ blieben und stelle sich heute „in beunruhigender Schärfe“ dar. Seinen vorangestellten, dem Zerfall der DDR gewidmeten Leitartikel schloss er mit der Feststellung: „Die DDR und mit ihr ganz Osteuropa von Elbe und Böhmerwald bis zum Ural geht einem Winter voller Ungewissheit entgegen.“26 In der folgenden Wochenendausgabe steigerte der Auslandchef Christian Kind den sorgenvollen Ton noch: Die stalinistischen Strukturen im östlichen Mitteleuropa seien von einer „Flutwelle“ überspült worden. Diese hinterlasse ein „Gelände voller Unsicherheiten, grosser Hoffnungen, aber auch akuter Gefahren“. Die Furcht vor „unkontrolliert ausartenden Bewegungen“ im Zentrum Europas habe auch in der westlichen Welt zu einer starken Dämpfung der zuvor herrschenden Euphorie und zu Mahnungen zu Geduld und Vorsicht geführt. Bezogen auf die Regungen in beiden deutschen Staaten bezeichnete der Kommentator es als legitim – und da kommen eben „schweizerische“ Einschätzungen ins Spiel –, dass Behutsamkeit und Geduld empfohlen würden. Bezogen auf Kohls 10-PunkteProgramm vom 28. November wurde anerkennend festgehalten, Bonn verfolge einen Kurs „der schrittweisen Annäherung über konföderative Strukturen ohne Zeitlimiten und ohne genaue Bezeichnung der Endstation“.27 Trotz der zurückhaltenden Grundtendenz war die NZZ in einem Punkt von Anfang an dezidiert: in der fortbestehenden Verankerung Westdeutschlands im Westen. Wiedervereinigung um den Preis der Neutralisierung und sogar der Entmilitarisierung würde Europa unsicher machen, Deutschland würde zu einem Faktor der Instabilität: „Deutschland ohne Einbindung in die Gemeinschaft der westlichen Demokratien wäre ein Spielball innerer und äusserer Schwankungen und in seiner Sonderrolle neuen Versuchungen zu nationalen Alleingängen ausgesetzt.“28 Die von DDR-Ministerpräsident Hans Modrow  – beziehungsweise Staatsund Parteichef Gorbatschow – in Aussicht gestellte Wiedervereinigung um den Preis der Neutralisierung Deutschlands wurde von der NZZ schon in der Schlagzeile als „Pferdefuss“ abgetan und im Text selber als Vorbedingung für eine Entwicklung des deutsch-deutschen Verhältnisses, „die ohnehin nicht mehr aufzuhalten ist“.29 Für die NZZ war klar, dass Deutschland in der NATO verankert

26 A. C., Zerfall eines Regimes, in: NZZ , Nr. 287, 9./10. Dezember 1989, Dokumentation auf 91/92. 27 C. K., Sorge um die Stabilität Europas, in: NZZ , Nr. 293, 16./17. Dezember1989. 28 C. K., Sicherheitsstrukturen für Europa, in: NZZ , Nr. 40, 17./18. Februar 1990. 29 C. K., Deutschlandofferte mit Pferdefuss, in: NZZ , Nr. 28, 3./4. Februar 1990.

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bleiben müsse: „Das atlantische Bündnis als Zusammenschluss freiheitlicher und demokratischer Rechtsstaaten wird daher auch in Zukunft eine wichtige friedenserhaltende Rolle zu spielen haben.“30 Der erste große, auf der Titelseite platzierte Kommentar der NZZ vom Januar 1989 zeigte, dass sich das Blatt schon damals intensiv mit der Wiedervereinigungsfrage beschäftigt hatte. Dabei war es vor allem um die Frage gegangen, inwiefern die BRD sich selber Einschränkungen bezüglich der Möglichkeit einer Wiedervereinigung oder eines Beitritts der DDR mit unnötiger Rücksicht auf nicht vorhandene Vorbehalte von Seiten der EG auferlegen soll. Zwischen den Zeilen wurde deutlich, dass der Kommentator die Aufrechterhaltung der Westorientierung, ja die verstärkte Anlehnung an den Westen begrüßte und die Politik der Äquidistanz zwischen West und Ost falsch fände.31 Der gleiche Kommentator war noch Ende September 1989 dezidiert der Meinung: „Eine Preisgabe der DDR durch Gorbatschew […] ist nicht zu erwarten.“ Und er erinnerte – wiederum auf der Frontseite – mit Blick auf eine allenfalls „am fernen Horizont in Sicht kommende“, von der DDR-Bevölkerung gewünschte Wiedervereinigung daran, dass nach wie vor sowjetische Streitkräfte mitten in Deutschland stünden.32 NZZ -Bonn-Korrespondent Christian Müllers Aufgabe bestand in erster ­Linie in der Berichterstattung und nicht im Kommentieren. Seine Wahrnehmung hatte dennoch Signalcharakter. Ein paar Tage nach dem Mauerfall wurde sein Artikel von der Redaktion wie folgt präsentiert: Spitzmarke: „Von der Mauer zum Joint venture“. Haupttitel: „Die Deutschen auf dem Weg zu mehr Einheit“, Untertitel: „Konsequenz des wirtschaftlichen West-Ost-Gefälles“, und letzter Satz im Lead: „Die Frage der staatlichen Einheit steht offiziell – noch – nicht zur Debatte; doch überschattet sie unweigerlich den eruptiv ausgelösten Prozess in Richtung auf mehr Einheit.“33 Ende November 1989 wurde Kohls 10-Punkte-

30 C. K., Deutsche Einigung und europäische Sicherheit, in: NZZ , Nr. 103, 5./6. Mai 1990. 31 C. K., Gorbatschew und die Deutschen, in: NZZ , Nr.  23, 28./29. Januar 1989. Von C. K. stammt auch eine ausführliche Berichterstattung über eine hochdotierte Veranstaltung im Hambacher Schloss (des Studienzentrums Weikersheim) mit dem Titel „Das Wort zur deutschen Zukunft“, in: NZZ , Nr. 83, 11. April 1989. 32 C. K., Deutschlandpolitik nach der Flüchtlingswelle, in: NZZ , Nr. 221, 23./24. September 1989. Die anhaltende Abwanderung aus der DDR wurde vom NZZ-Deutschland-Korrespondent Christian Müller in der gleichen Ausgabe als „Wiedervereinigung auf dem Boden der BRD“ bezeichnet. C. K.s Artikel löste einen Leserbrief aus, in dem dezidiert gegen die Wiedervereinigung Stellung genommen wurde (NZZ , Nr. 226, 29. September 1989). Sein Autor ist Heinz Albers-Schönberg, Jahrgang 1926, Sohn eines deutschen Vaters und einer Schweizer Mutter, Jugendzeit in Berlin, wurde 1943 17-jährig als Kanonier eingezogen. Nach dem Krieg ging Albers nach Zürich, um dort an der ETH Zürich Physik zu studieren. Seit 1955 ist Albers-Schönberg Schweizer Staatsbürger. Dieser Leserbrief hatte einen weiteren zur Folge, der aber noch entschiedener davor warnte, in der Wiedervereinigung eine Gefährdung der deutschen Westbindung zu sehen. Sein Autor war der deutsche ETHDoktorand Jochen Denzler (NZZ , Nr. 244, 20. Oktober 1989). 33 Ch. M., in: NZZ , Nr. 266, 15. November 1989.

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Programm vorgestellt und von ihm gesagt, dass er die „vorschnellen Hoffnungen“ auf eine Wiedervereinigung in vernünftigen Bahnen halten soll.34 Im Frühjahr 1990 setzte sich Müller ernsthaft mit den Veränderungen („Meta­morphosen“) auseinander, die durch die Vereinigung eintreten könnten. Dabei erwartete er keinen weiteren Zuwachs ins Gigantische, sicher nicht in politischer Hinsicht, und eigentlich auch nicht in ökonomischer Hinsicht, denn ein­ ökonomischer Gigant sei Westdeutschland schon jetzt und die Sanierung und Integrierung Ostdeutschlands sei kein „Kinderspiel“, sie würden viele Kräfte binden, „die sonst anderswo, auf dem Weltmarkt, zu spüren wären“. Dieser Beitrag zeigt mit seinen entwarnenden Gegenbemerkungen, wie groß die Bedenken bezüglich der Wiedervereinigung noch im Mai 1990 gewesen sein müssen, in Verbindung mit der Namen- und der Hauptstadtfrage spricht er von den Bemühungen, „unliebsame historische Parallelen im Keime zu ersticken“.35

IV. Die NZZ zur sich abzeichnenden deutschen Einheit Mehr in indirekter Form der Berichterstattung als in explizit deklarierter Einschätzung räumte die NZZ im Februar 1990 ein, dass mit der Wiedervereinigung nun ernsthaft zu rechnen sei. Nach Kohls erfolgreicher Reise nach Moskau am 12. Februar 1990 titelte die NZZ , die Vereinigung Deutschlands sei „in greifbarer Nähe“ und räumte auch schon Platz ein für die Erörterung der Frage der künftigen Hauptstadt.36 Wie man einem hauptsächlich der Frage der NATO -Mitgliedschaft Deutschlands gewidmeten Kommentar entnehmen kann, war für die NZZ Mitte Juni 1990 der weitere Gang der Entwicklung klar. Das zeigt die Eröffnung des Artikels mit dem Satz „Der nun unwiderruflich in Gang gekommene Prozess der deutschen Vereinigung […]“, dies in Verbindung mit der Meinung, dass Gorbatschow nur „Verzögerungstaktik“ mache und nach einigen taktischen Zügen „einschwenken“ werde.37 Im Juli 1990 machte die NZZ mit einem großen Leitartikel des Chefredaktors Hugo Bütler, der wie die meisten hier zitierten NZZ -Redaktoren ein promovier34 Ch. M., in: NZZ , Nr. 278, 29. November 1989 mit Betonung, dass konföderale Strukturen vorgesehen seien. 35 Ch. M., Deutschlands neue Metamorphose, in: NZZ , Nr. 103, 5./6. Mai 1990, im April verfasst 36 Ch. M., Die Vereinigung Deutschlands in greifbarer Nähe, in: NZZ , Nr. 35, 12. Februar 1990. Zuvor ebenfalls von Ch. M., Entscheidender Gang Kohls zum Kreml, NZZ , Nr. 33, 9.  Februar 1990 (Titelseite). Was die Hauptstadtfrage betrifft: Eine Leserbriefschreiber mokierte sich über schweizerische Bedenken wegen der Möglichkeit, dass die „Preußen­ metropole“ wieder zur deutschen Hauptstadt gemacht werden könnte. Er empfahl es mit den Bayern zu halten, „die ja immer wussten, dass München die heimliche Hauptstadt Deutschlands ist und auch bleiben wird“. (Hansjakob Hugelshofer, Zürich, in: NZZ , Nr. 195, 24. August 1990). 37 C. K., Verzögerungstaktik Gorbatschews in der deutschen Frage, in: NZZ , Nr. 137, 16./17. Juni 1990.

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ter Historiker war, darauf aufmerksam, dass ein Aufbruch in ein neues Kapitel der Geschichte im Gang, eine neue Zukunft im Entstehen sei und die Gegenwart zu Vergangenheit mutierte. Die Nachkriegsepoche gehe in diesen Monaten „definitiv“ zu Ende. Was die Verhältnisse und die Ordnung in Europa mehr als vier Jahrzehnte geprägt und bestimmt habe, „ist im Begriffe Vergangenheit zu werden“. Und folgerichtig: „Ein neues Zeitalter bricht an. Die Menschen staunen ob dem Wandel und spüren, dass die Zukunft nicht mehr einfach die Fortsetzung des Bisherigen sein wird.“ Diese Lagebeurteilung konnte aber doch nicht ohne gleichzeitigen Hinweis auf bestehende und verständliche Bedenken auskommen. „Was den Menschen in Deutschland natürlicherweise Anlass zu Jubel und großem Optimismus bietet, ist in andern Ländern Grund zur Erinnerung an vernarbte, aber nicht vergessene Wunden und für Besorgnisse über das künftige Gleichgewicht in Europa. Die Gespenster einer bösen deutschen Vergangenheit huschen noch vielerorts durch die Betrachtung einer erst anbrechenden Zukunft Europas, in der dem territorial geeinten, politisch freien und wirtschaftlich starken Deutschland eine ebenso wichtige wie heikle Rolle zufällt.“

Deutschland müsse, nach der Meinung des NZZ -Chefs, erst noch zeigen, dass solche Bedenken nicht mehr gerechtfertigt seien: „Nur die praktische Bewährung des geeinten Deutschland in fairer und loyaler Partnerschaft wird latente Besorgnisse und offen aufflackernde Ängste widerlegen und abbauen können.“ Die Betrachtung schließt aber zuversichtlich: „Gute Chancen für die friedliche Entwicklung eines souveränen Deutschland in einem gemeinschaftlichen Europa sind da.“38 Noch vor einem halben Jahr war der Tenor des Chefkommentators angesichts noch anderer Umstände ebenfalls ein anderer: Anfang Dezember 1989 hatte er seine Betrachtung mit dem Satz eröffnet: „Die politische Landkarte Europas verändert sich in atemberaubendem Tempo.“ Sie schloss aber auch mit dem Satz: „Nur Umsicht, nüchternes Urteil und zwischen den Deutschen und ihren Partnern in Ost und West gut abgestimmtes, schrittweises Vorgehen können zur erfolgreichen Lösung des deutschen Problems in einem neugeordneten Europa führen.“39 Im Juli 1990 ließ Bütler seinem Vorgänger Luchsinger mit einem am Wochenende zuvor publizierten Großartikel den Vortritt. Obwohl die Zusammenführung der beiden Staaten bereits an Fahrt gewonnen hatte, warnte Altchefredaktor Luchsinger erneut vor zu großem Tempo und unberechtigten Gewissheiten. Er wollte zwar Kohl nicht mit Bismarck, die BRD 1990 nicht mit Preußen vor 1870 (und nach dem Sieg von Königgrätz 1866) gleichsetzen, tat es aber trotzdem. Er zitierte den preußischen Ministerpräsident mit dem Appell vor dem norddeutschen „Reichstag“: „Arbeiten wir rasch! Setzen wir Deutschland, so38 Bü., Ein souveränes Deutschland in Europa, in: NZZ , Nr.  167, 21./22. Juli 1990. Hugo­ Bütler war 1985–2006 Chefredaktor. 39 Bü., Europäische und deutsche Neuordnung, in: NZZ , Nr. 281, 2./3. Dezember 1989.

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zusagen, in den Sattel! Reiten wird es schon können.“ Luchsinger zur Parallele: „Wäre kavalleristische Ausdrucksweise noch à la mode, könnte sie auch Bundeskanzler Kohl in den aufgeregten Monaten dieses Jahres vor dem Bundestag gesprochen haben.“ Die Gemeinsamkeit sah er in der Eile und im Drang, „mit der Schaffung von Faits accomplis eine Gelegenheit zu nutzen, von der niemand weiss, wie lang sie vorhält und ob sie je wiederkehrte, sollte man sie verpassen“. Das hätte auch ein anerkennender Vergleich gewesen sein können, war es aber nicht. Der Eile und dem Drang stünden größere Ungewissheiten gegenüber. Luchsingers Vorbehalte rechtfertigen ein längeres Zitat. „In kürzester Zeit ist damit jedenfalls eine Frage unter Zeitdruck geraten, deren Lösung jedermann in Ost und West noch vor einem Jahr in weiter Ferne jenseits der Jahrhundertwende und in undurchdringlichen künftigen Konstellationen der Großmächtepolitik vermutet hatte. Man mag sich fragen, ob dieses Tempo einer halt­baren Neugestaltung der Verhältnisse in Deutschland wie in Osteuropa wie zwischen West und Ost schlechthin zuträglich sei. Die Implikationen solcher Neugestaltung sind so schwerwiegend und zugleich so schwer abschätzbar, dass man ihr unter sozusagen professionellem Gesichtspunkt gern einen ruhiger-graduellen Reifungsprozess mit sorgfältig ausgehandelten und abgesicherten Etappen hätte wünschen mögen. Doch ist die Frage müssig. Die Geschichte lässt sich ihren Rhythmus nicht von den Politologen vorschreiben, und keineswegs zum ersten Mal stehen folgenschwere Entwürfe und Würfe im Zeichen von Improvisation. Der neuen Situation muss mit zeitgerechtem Handeln begegnet werden; dass es auch sachgerechtes Handeln sei, ist blosse Hoffnung.“

Dass das Risiko von Fehltritten in der schwierigen Partie groß sei, habe sich bereits in den Anfängen erwiesen, als Kanzler Kohl entgegen ehernen Prinzipien seiner eigenen Politik ohne Konsultation und Abstimmung mit seinen westlichen und besonders europäischen Partnern mit seinem 10-Punkte-Programm vorgeprescht sei. Der ganzseitige Beitrag kann und muss hier nicht in allen Überlegungen nachvollzogen werden. Der Schlusspassus sei aber zitiert, weil er nochmals zeigt, wie sehr der weltgewandte Publizist vor voreiligen Annahmen warnen wollte: „So faszinierend die ungeahnte Wandlung der Dinge ist, die wir erleben – sicheren Boden für die Zukunft hat sie insgesamt noch nicht geschaffen. Die Einheit Deutschlands wird oder mag in kurzem unumstößliche Tatsache sein. Ihr weiteres politisches Umfeld ist aber noch nicht bestellt, weder im gesamteuropäischen Bereich noch in der innersowjetischen Gefahrenzone. Das Werk der Rekonstruktion Europas nach so langer Zertrennung und so langer Zwangs- und Fremdherrschaft in seinem östlichen Teil hat erst begonnen.“40

Die in der Schweiz da und dort doch bestehende Sorge wegen der Wiedervereinigung wurde in der NZZ auch über abgegebene Entwarnungen sichtbar. Im Rah40 Fred Luchsinger, Deutsche Einheit in ungewissem Umfeld, in: NZZ , Nr. 161, 14./15. Juli 1990.

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men der Erörterung eines allfälligen Transfers des Regierungssitzes von Bonn nach Berlin, erklärte ein Leserbriefschreiber: „Es ist mindestens einer vollen Generation von Deutschen, die der Schatten des Zweiten Weltkrieges schon lange nicht mehr trifft, wohl kaum zu verargen, dass sie Berlin, während vier Jahrzehnten das Symbol des geteilten Deutschland, wieder zum politischen Zentrum des geeinten Landes machen wollen. Steht es uns als Nichtdeutschen zu, aus diesem Anlass an die Altlasten einer angeblichen deutschen Erbschuld zu erinnern und in einer falschen historischen Optik der dahinschwindenden Westlastigkeit der Bundesrepublik nostalgisch zu gedenken?“41

Um der anerkannten Bedeutung des Vorgangs zu entsprechen, räumte die NZZ dem als „Nachdenken über Deutschland“ bezeichneten Beiträgen im September 1990 eine ganze Literaturbeilage ein. Der Tenor war ein zurückhaltendes „Ja, aber“. Das „Aber“ sprach der Feuilletonchef Martin Meyer an, wenn er von der Geschichte Deutschlands sagte, dass sie auch noch nach einem halbes Jahrhundert „schwer wiege“. Das „Ja“ selber war zunächst uneingeschränkt: „Andererseits hat sich in dieser Zeitspanne – der Geschichte der Bundesrepublik – eine demokratische Mündigkeit etabliert, die dem Vergleich mit anderen Nationen standhält. Die Deutschen haben gelernt, was politische Kultur dem Geist nach ist und was sie in der Praxis des Alltags einfordert.“ Diesem „Ja“ fügte der Verfasser allerdings ein weiteres „Aber“ bei: „Freilich weiß niemand, was die Zukunft dem vereinigten Land wie der übrigen Welt bringen wird. Schon jetzt weht der Wind eines neuen Selbstbewusstseins. Könnte sich daraus der Sturm eines neuen Nationalismus entwickeln?“ Mit Verweis auf Hans Magnus Enzensbergers Kursbuch-Beitrag beruhigte er dann wieder und gab weitgehende Entwarnung.42 Zwei Monate zuvor hatte ein wesentlich jüngerer Redaktor Jürg Dedial eine deutlich zuversichtlichere Sicht der Dinge präsentiert: „Wie sich die Zeiten wandeln! Noch ist kein Jahr vergangen, dass die ersten Auf­ lösungserscheinungen der fest zum östlichen Machtgefüge gehörenden Deutschen Demokratischen Republik manifest wurden, und gar erst vor acht Monaten brach der Mauer- und Stacheldrahtstaat unter dem Willen seiner Bevölkerung zusammen. So wie sich die Lage nach dem deutsch-sowjetischen Gipfeltreffen nun darstellt, wird nur wenig mehr als ein Jahr vergehen, ehe der stupende Prozess der mitteleuropäischen Metamorphose zu einem Abschluss gekommen sein wird. Seiner Dynamik haben sich die Argumente beugen müssen, die für einen gemächlichen, vorsichtigen Rhythmus plädierten und derart fundamentale Umwälzungen in einem möglichst breit abgestützten Konsens verankert wissen wollten. Weder die Supermächte noch die Skeptiker in andern Ländern – der Bogen spannt sich von London über Paris bis nach War41 Hansjakob Hugelshofer, Berlin oder Bonn?, in: NZZ , Nr. 195, 24. August 1990. 42 Martin Meyer, Nachdenken über Deutschland. Eine Beilage aus gegebenem Anlass, in: NZZ , Nr.  208, 8./9. September 1990. Die drei weiteren Beiträge dieser Beilage: Hanno Helbling, Der Drang zum Einen und Ganzen; Shulamit Volkov, Deutsche und Juden im Zeitalter der Emanzipation; Daniel Bell, Deutschland: Die dauernde Angst?

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schau  – haben ihr letztlich zu widerstehen vermocht. Wo politische Erläuterungen nicht ausreichten, um das Schnellzugstempo zu rechtfertigen, half die deutsche Wirtschaftskraft nach. Und nun wird das vereinigte Deutschland als Teil der westlichen Staatenfamilie bald Tatsache sein.“43

Es hätte herablassender wirken können, als es vielleicht gemeint war, wenn die

NZZ auf den „3. Oktober“ mit der Feststellung reagierte: „Die Deutschen haben

den Tag der Einheit würdig begangen, ohne Überschwang und mit der angemessenen Dosis von Nachdenklichkeit, wie sie das Ereignis verdiente.“ Und wenn gleich beigefügt wurde: „Noch vor einem Jahr […] schien die Wiedervereinigung bestenfalls eine Zukunftshoffnung. Jetzt gilt es, von der vollzogenen Vereinigung ausgehend, das Beste aus ihr zu machen.“ Immerhin wurde gleich weiter festgehalten:

„Was erreicht wurde, ist nicht das Ergebnis deutscher Machtpolitik. Der Anspruch auf Wiedervereinigung wurde zwar in Regierungserklärungen ständig verkündet, aber angesichts des Ost-West-Konflikts nicht aktiv betrieben. […] Die deutsche Einheit ist vielmehr das Produkt einer vertrauensvollen und beständigen Einordnung in das nordatlantische Bündnis und in die Europäische Gemeinschaft, eines gemein­ samen Standhaltens gegenüber dem sowjetischen Versuch, militärisch die Oberhand zu gewinnen […]. Die Wiedervereinigung von 1990 hat sich unter den denkbar günstigsten Umständen vollzogen, die erwarten lassen, dass die Einordnung des grösseren Deutschland in seine Umgebung sich ohne Konflikte vollzieht.“44

V.

Gestoppter Aufbruch nach Europa

Der seit den 1950er-Jahren bestehende Europaskeptizismus der Schweiz zeigte sich im NZZ -Kommentar, der die Befürchtung äußerte, dass die EG wegen der Wiedervereinigung Deutschlands einen noch stärkeren Zentralismus entwickeln müsse.45 Dieser Skeptizismus verflüchtigte sich teilweise aber gerade um 1990, was dazu führte, dass die Regierung (Bundesrat) und die überwiegende Parlamentsmehrheit zwar nicht euphorisch, aber energisch zusammen mit den sechs anderen EFTA-Staaten Österreich, Finnland, Island, Norwegen, Schweden und Liechtenstein bis zum Jahresende 1992 den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) anstrebten. Der „Souverän“ versagte jedoch in der Volksabstimmung vom 6. Dezember 1992 der Landesregierung und der Mehrheit der 43 de., Kohl und Deutschlands ungleiche Partner, in: NZZ , Nr. 164, 18. Juli, 1990. Dedial war 25 Jahre jünger als Luchsinger. 44 C. K., Deutschland an einem neuen Anfang, in: NZZ , Nr. 232, 6./7. Oktober 1990 (Titelseite). 45 Vgl. wm., Brüssel, Wachsende Bedeutung der EG in Europa, in: NZZ , Nr. 21, 26. Januar 1990.

Die deutsche Wiedervereinigung aus schweizerischer Sicht

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Parteien die Gefolgschaft und stimmte mit 50,3 Prozent der Stimmen gegen die EWR-Mitgliedschaft. Die von Christoph Blocher angeführte Kampagne gegen das als „Kolonialvertrag“ diffamierte Abkommen bildete die Basis für den folgenden Aufstieg der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei (SVP) zur größten Partei der Schweiz.46 Der Bundesrat hatte schon im Mai 1992, noch während der laufenden Diskussionen um den EWR auf Grund eines 4:3-Entscheids ein Gesuch um Aufnahme von Verhandlungen für einen EG -Vollbeitritt nach Brüssel geschickt, um mit anderen EWR-Kandidaten (zum Beispiel Österreich) im gleichen Verhandlungszug Platz nehmen zu können. Beim schweizerischen Stimmvolk kam dies schlecht an, weil es die EWR-Mitgliedschaft bloß als Zwischenschritt  – als „Trainings­ lager“  – erscheinen ließ. Außer dieser negativen Wirkung hatte das Gesuchschreiben formal keine weiteren Folgen, es blieb schubladisiert, aber auch über all die Jahre Gegenstand zänkischer Auseinandersetzungen. In den nach der Ablehnung doch nötig gewordenen, über Jahre sich hinziehenden bilateralen Verhandlungen um Ersatzlösungen nahm die EU-Seite eine entgegenkommende Haltung ein, weil sie in der Schweiz ein künftiges EU-Mitglied erblickte. Nicht nur die Linke, die ohnehin für einen EU-Beitritt war, auch die Mitte-Parteien, die Freisinnigen (FDP) und die Christdemokraten (CVP) sprachen sich noch in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts für einen EU-Beitritt aus. Nach dem Programm der FDP sollte dieser bis 2007 vollzogen sein. Inzwischen wollen die bürgerlichen Befürworter nichts mehr von einem Beitritt wissen, und auch die Begeisterung der Sozialdemokraten hat sich abgekühlt. Die verschiedenen Schwierigkeiten der EU (von der hohen Arbeitslosigkeit über die Euro-Krise zur Flüchtlingskrise)  bilden einen markanten Gegensatz zur Prosperität des eigenen Landes und stärken diejenigen Kräfte im Land, die schon immer für den Alleingang eingetreten sind. Am 1. März 2016 hat nun der Nationalrat einen SVP-Vorstoß für einen Rückzug des Gesuchs mit 126:46 Stimmen gutgeheißen, nur die SP hat geschlossen dagegen gestimmt. Dieser Rückzug, so hoffen die Mitteparteien, könnte den bevorstehenden Kampf um die Erhaltung der seit 2002 bestehenden Personenfreizügigkeit und anderer bilateraler Abkommen erleichtern. Diese sind wegen der im Februar 2015 angenommenen „Masseneinwanderungsinitiative“ zur Beschränkung der infolge der Personenfreizügigkeit stark angewachsenen Nettozuwanderung von rund 80.000 Personen jährlich in hohem Maß gefährdet. Die Schwierigkeiten, in denen die EU gegenwärtig steckt, hat das Gemeinschaftsprojekt noch unattraktiver gemacht, als es 46 Aus der reichhaltigen Literatur seien hier bloß vier Titel in chronologischer Ordnung genannt: Ralf Langejürgen, Die Eidgenossenschaft zwischen Rütli und EWR . Der Versuch einer Neuorientierung der Schweizer Europapolitik (Chur/Zürich: Rüegger, 1993); Clive H.  Church (ed.), Switzerland and the European Union (London: Routledge, 2007); Dieter Freiburghaus, Königsweg oder Sackgasse. Sechzig Jahre schweizerischen Europapolitik (Zürich: NZZ -Verlag, 2009); Max Schweizer/Dominique Ursprung (ed.), Integration am Ende? Die Schweiz im Europadiskurs über ihre Europapolitik. Ein Lesebuch (Zürich: Chronos, 2015).

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Georg Kreis

tendenziell in der Schweiz schon immer wahrgenommen worden ist. Die mit der Wende von 1989 aufgekommene europapolitische Aufbruchsstimmung war in der Schweiz nur ein temporäres Phänomen. Und die bereits in den Jahren nach 1945 wegleitend gewesene Einsicht, dass es ein integriertes Europa braucht, um Deutschland einzubinden, dass dies für Europa, aber auch für Deutschland selber nötig ist, diese auch heute noch gültige Einsicht wurde weder 1989/90 noch wird sie heutzutage in den schweizerischen Einschätzungen der EU gewürdigt. Darum sei hier der eingangs formulierte Satz leicht variiert nochmals aufgenommen: Nach dem dominierenden Selbstverständnis der kleinen Schweiz geht sie gerade wegen ihrer Abhängigkeit in fragwürdiger Weise davon aus, dass sie das bleibt, was sie schon immer war, wie auch immer sich die Dinge in Deutschland, in Europa und in der Welt entwickeln.

Maximilian Graf

Österreich und das Ende der DDR I.

Einleitung und Forschungsstand

Der vorliegende Aufsatz liefert eine synthetisierende Analyse zur Haltung der österreichischen Diplomatie und Politik zum Ende der DDR und zur deutschen Einheit in den Jahren 1989/90 unter Berücksichtigung der Langzeitentwicklungen.1 Zur österreichischen Diplomatie und Politik im Zusammenhang mit der sogenannten „Wiedervereinigung“ hat Michael Gehler seit einem Jahrzehnt Pionierarbeit geleistet.2 Dies gilt auch für die Rolle Österreichs im Jahr 1989 im Allgemeinen, der er sich im Rahmen eines Projekts gemeinsam mit Andrea Brait zuwandte,3 die ebenfalls einen Beitrag zu den österreichischen Reaktionen auf den deutschen Einigungsprozess vorlegte.4 Der Autor dieses Aufsatzes hat sich 1 Der vorliegende Aufsatz präsentiert eine Synthese der Ergebnisse des FWF-Projekts P  26439-G15 „Aktenedition: Österreich und die Deutsche Frage 1987 bis 1990“. Er stellt eine überarbeitete und erweiterte Fassung des 2015 fertiggestellten Beitrags Maximilian Graf, Österreich und die deutsche Einheit, in: Wolfgang Mueller/Andrea Schnoller/Hannes Stekl (eds.), 1989: Die Samtenen Revolutionen, Osterreich und die Transformation Europas (=Austriaca; Wien: New Academic Press 2017) dar. Für weitere einschlägige Beiträge des Autors siehe: id., Österreich und das „Verschwinden“ der DDR . Ostdeutsche Perzeptionen im Kontext der Langzeitentwicklungen, in: Andrea Brait/Michael Gehler (eds.), Grenz­ öffnung 1989: Innen- und Außenperspektiven und die Folgen für Österreich (Wien/Köln/ Weimar: Böhlau, 2014), 221–242. 2 Michael Gehler, Eine Außenpolitik der Anpassung an veränderte Verhältnisse: Österreich und die Vereinigung Bundesrepublik Deutschland-DDR 1989/90, in: id./Ingrid Böhler (eds.), Verschiedene europäische Wege im Vergleich. Österreich und die Bundesrepublik Deutschland 1945/49 bis zur Gegenwart. Festschrift für Rolf Steininger zum 65. Geburtstag (Innsbruck/Wien/Bozen: StudienVerlag, 2007), 493–530; Michael Gehler, Österreich, die DDR und die Einheit Deutschlands 1989/1990, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 57 (2009) 5, 427–452. 3 Andrea Brait/Michael Gehler (eds.), Grenzöffnung 1989: Innen- und Außenperspektiven und die Folgen für Österreich (Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2014). Der Sammelband ist ein erstes Teilergebnis des Projekts „Offene Grenzen, neue Barrieren und gewandelte Identitäten. Österreich, seine Nachbarn und die Transformationsprozesse in Politik, Wirtschaft und Kultur seit 1989“. Für weitere Informationen und die in Vorbereitung befindlichen Publikationen (Edition und Zeitzeugenerinnerungen) siehe: https://www.univie.ac.at/offene grenzen/, zuletzt abgerufen am 7. April 2015. Für einen konzisen Überblick zur Thematik siehe Michael Gehler, Austria, the Revolutions, and the Unification of Germany, in: Wolfgang Mueller/Michael Gehler/Arnold Suppan (eds.), The Revolutions of 1989. A Handbook (Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2015), 437–466. 4 Andrea Brait, „Österreich hat weder gegen die deutsche Wiedervereinigung agitiert, noch haben wir sie besonders begrüßt“. Österreichische Reaktionen auf die Bemühungen um

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der Thematik über die Geschichte der bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und der DDR angenähert.5 Ausgehend von umfassender angelegten Forschungen zur österreichischen „Ostpolitik“ im Kalten Krieg6 erscheint eine breitere inhaltliche und zeitliche Kontextualisierung der Haltung Österreichs erstrebenswert. Diese umfasst sowohl die Beziehungen Österreichs zu den beiden deutschen Staaten vor 1989, als auch die österreichisch-ungarischen Beziehungen seit den 1970er-Jahren. Mit Blick auf den Anteil, den die Öffnung der österreichisch-ungarischen Grenze im September 1989 am Zusammenbruch der SED Herrschaft in der DDR hatte, vermag dies nicht unbedingt zu überraschen, aber auch in diesem Fall muss man von der Fokussierung auf die Ereignisgeschichte des Jahres 1989 abrücken und diese im Kontext der Langzeitentwicklungen verorten. Nach einer einleitenden Zusammenfassung der Beziehungen Österreichs zu den beiden deutschen Staaten wird zunächst die vermeintliche Stabilität der DDR in den Blick genommen und unter Berücksichtigung des österreichischungarischen Sonderverhältnisses vor 1989 auf die Entwicklungen vom Sommer 1989 bis zur Grenzöffnung durch Ungarn im September, die Ablöse der alten SED -Führung im Oktober sowie den Mauerfall am 9. November eingegangen. Anschließend wird die österreichische Haltung und Politik zur Frage der sogenannten „Wiedervereinigung“ in den Monaten November 1989 bis Februar 1990 analysiert. Während Österreich in diesen Monaten auch als Akteur in Erscheinung trat, reduzierte sich seine Rolle nach den ersten freien Wahlen in der DDR im März 1990 wieder primär auf die Rolle des Beobachters. Daher wird abschließend nur kurz auf die österreichischen Wahrnehmungen des Einigungsprozesses und die schlussendlich positive Haltung zur deutschen Einheit, die mit 3. Oktober 1990 Realität wurde, eingegangen. Dem Abschied von den „anderen“ österreichisch-deutschen Beziehungen, sprich den österreichisch-ostdeutschen Beziehungen, wird aufgrund der Themenstellung des Beitrags viel Raum gewährt. All dies kann nur vor dem Hintergrund des internationalen Kontexts7 die deutsche Einheit, in: Deutschland Archiv 2014 (Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2015), 82–102. 5 Maximilian Graf, Österreich und die DDR 1949–1990. Politik und Wirtschaft im Schatten der deutschen Teilung (Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2016), darin zur deutschen Einheit, 570–607. 6 Maximilian Graf, Österreichs „Ostpolitik“ im Kalten Krieg. Eine doppeldeutsche Sicht, in: Maximilian Graf/Agnes Meisinger (eds.), Österreich im Kalten Krieg. Neue Forschungen im internationalen Kontext (Göttingen: V&R unipress, 2016), 145–173. 7 Mueller/Gehler/Suppan (eds.), The Revolutions of 1989; Victor Sebestyen, Revolution 1989. The Fall of the Soviet Empire (London: Weidenfeld & Nicolson, 2009); Michael Meyer, 1989: The Year that Changed the World. The Untold Story behind the Fall of the Berlin Wall (New York et al.: Scribner, 2009); Mary Elise Sarotte, 1989. The Struggle to Create Post-Cold War Europe (Princeton/Oxford: Princeton University Press, 2009); Jacques Lévesque, The Enigma of 1989. The USSR and the Liberation of Eastern Europe (Berkeley/Los Angeles/­ London: University of California Press, 1997); György Dalos, Der Vorhang geht auf. Das Ende der Diktaturen in Osteuropa (München: C. H. Beck, 2009).

Österreich und das Ende der DDR

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und des österreichischen Beitrittsgesuchs zur Europäischen Gemeinschaft vom 14. Juli 1989 analysiert werden.8

II.

Österreich und die beiden deutschen Staaten bis 1989

Trotz vieler Gemeinsamkeiten war das Schicksal Österreichs und der beiden deutschen Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg höchst unterschiedlich. Österreich wurde trotz Viermächte-Besatzung in den Grenzen von 1938 wiedererrichtet, blieb ungeteilt und erhielt nach zehnjähriger Besatzungszeit durch den österreichischen Staatsvertrag 1955 seine Souveränität zurück. In Deutschland kam es 1949 hingegen zur „doppelten Staatsgründung“, wodurch ein West- und ein Oststaat geschaffen wurde, namentlich die Bundesrepublik Deutschland und die DDR . Mit beiden Staaten konnte Österreich bis 1955 keine offiziellen Beziehungen herstellen, da dafür die Zustimmung der Besatzungsmächte notwendig gewesen wäre. 1955 nahm Österreich zur Bundesrepublik diplomatische Beziehungen auf, erkannte die DDR jedoch nicht an. Hauptgrund war die HallsteinDoktrin, mit der die Bundesrepublik jedem Staat, der sich daran machte, Beziehungen zur DDR aufzunehmen, den Abbruch der diplomatischen Beziehungen androhte. Eben diese Doktrin gab daher auch für gut 15 Jahre den Rahmen des Möglichen für die Beziehungen zwischen Österreich und der DDR vor, auch wenn Österreich hin und wieder die Grenzen der Toleranz der Bundesrepublik auslotete. Zu einer veränderten Haltung kam es erst im Gefolge der „neuen Ostpolitik“ der Bundesrepublik unter der Führung von Kanzler Willy Brandt. Die Entspannung der westdeutschen Ostbeziehungen und des deutsch-deutschen Verhältnisses machten schließlich auch den Weg zur Anerkennung der DDR 1972 frei.9 Während die DDR bis dahin vor allem den Ruf eines international ausgegrenzten Pariastaates hatte, der obendrein – symbolisiert durch die Berliner Mauer – seine Bürger einsperrte, wurde sie nun trotz aller aus der deutschen Teilung resultierenden Besonderheiten Teil  der österreichischen „Ostpolitik“ im Kalten Krieg. Dementsprechend rasch nahm der Aufbau der bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und der DDR Fahrt auf. 1975 wurde – sehr zum Missfallen der Bundesrepublik – ein Konsularvertrag geschlossen, der die DDRStaatsbürgerschaft ausdrücklich anerkannte. Österreich übernahm sukzessive eine diplomatische Eisbrecherrolle für die DDR , die von Ost-Berlin mit Groß8 Hierzu zuletzt Michael Gehler, Kontinuität und Wandel: Österreichs Europa- und Integrationspolitik vor und nach dem Epochenjahr 1989, in: Thomas Fischer/Michael Gehler (eds.), Tür an Tür. Vergleichende Aspekte zu Schweiz, Liechtenstein, Österreich und Deutschland (Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2014), 259–292. Dazu ausführlicher der Beitrag von Michael Gehler in diesem Band. 9 Maximilian Graf, Austria and the GDR 1949–1972. Diplomatic and Political Contacts in the Period of Non-recognition, in: Arnold Suppan/Maximilian Graf (eds.), From the Austrian Empire to Communist East Central Europe (= Europa Orientalis 10, Wien: Lit-Verlag, 2010), 151–177.

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aufträgen für die verstaatlichte Industrie und Konzessionen in humanitären Angelegenheiten honoriert wurde. Besonders deutlich wurde dies hinsichtlich der Besuchsdiplomatie. Bundeskanzler Bruno Kreisky besuchte 1978 als erster westlicher Regierungschef offiziell die DDR . Der ostdeutsche Staats- und Parteichef Erich Honecker absolvierte seinen ersten offiziellen Besuch im Westen 1980 in Österreich. Zahlreiche weitere Besuche auf höchster protokollarischer Ebene sollten folgen. Damit einher ging eine veritable Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen. Die österreichische Handelsbilanz mit der DDR war stets deutlich aktiv. In den 1980er-Jahren wurden jährliche Wirtschaftsabkommen unterzeichnet, die den österreichischen Exportwünschen stark entgegenkamen, während die im Gegenzug gewährten österreichischen Kredite zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit der DDR beitrugen. Die Handelsbeziehungen wurden zur tragenden Säule im österreichisch-ostdeutschen Verhältnis. In der ersten Hälfte der 1980er-Jahre war ob der Intensität der österreichisch-ostdeutschen Beziehungen eine zeitweilige Verstimmung seitens der Bundesrepublik festzustellen, die sich erst nach der Übernahme der Kanzlerschaft durch Helmut Kohl wieder legen sollte. Die vorhergehende Verstimmung rührte daher, dass sich die Beziehungen zwischen Österreich und der DDR sowohl politisch als auch wirtschaftlich just dann intensiviert hatten, als es zu einer merklichen Abkühlung der deutsch-deutschen Beziehungen während der letzten Hochphase des Kalten Kriegs gekommen war. All dies soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bundesrepublik stets der wichtigere Partner Österreichs war. Nachdem man in Wien zunächst aufgrund der Verbesserung der deutsch-deutschen Beziehungen (Stichworte Strauß-Kredite 1983/84 und dem Besuch Honeckers in der Bundesrepublik 1987) von einem verringerten Interesse der DDR an Österreich ausgegangen war, intensivierten sich die Wirtschaftsbeziehungen Ende der 1980er-Jahre erneut. In wirtschaftlicher Hinsicht waren Österreich und die DDR jedenfalls Partner geworden, da beide Seiten eindeutigen Nutzen daraus zogen. Noch im Juni 1988 hatte mit Franz Vranitzky bereits der dritte österreichische Bundeskanzler der DDR einen stark wirtschaftspolitisch geprägten offiziellen Besuch abgestattet. Unter anderem importierte die marode DDR massiv Elektroenergie aus Österreich. Trotz dieser guten Beziehungen trug Österreich durch sein Mitwirken an der Massenflucht der DDR-Bürger im Zuge der Grenzöffnung durch Ungarn im September 1989 zum Verfall der SED -Herrschaft bei.10

10 Dazu ausführlich Graf, Österreich und die DDR; zusammenfassend: id., Ein verdrängtes bilaterales Verhältnis: Österreich und die DDR 1949–1989/90, in: Zeit­geschichte 39 (2012) 2, 75–97; sowie unter stärker Berücksichtigung der Bundesrepublik id., Österreich und die Deutsche Frage 1945–1990. Realpolitik wider Willen?, in: Roman Kodet/Lukaš Novotný (eds.), The Chapters to the History of „Realpolitik“/Die Kapitel aus der Geschichte der Realpolitik (Pilsen: University of West Bohemia, 2013), 115–142.

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III. Österreich und das Ende der Stabilität des SED-Regimes Seit 1986/87 verfolgten die österreichischen Medien und die Diplomatie die Auswirkungen von Michail Gorbatschows Reformpolitik auf die Warschauer-PaktStaaten mit großer Aufmerksamkeit. Obwohl der „Kontrast zwischen Theorie und Realität“ immer augenscheinlicher wurde, wertete die österreichische ­Botschaft in Ost-Berlin die Ära Honecker immer noch als „recht erfolgreich“.11 Die wachsenden Divergenzen zwischen der Sowjetunion und der DDR waren aber auch der österreichischen Diplomatie nicht gänzlich verborgen geblieben. Im März 1987 wurde die Haltung der DDR-Führung zur Perestroika am Wiener Ballhausplatz als „zwiespältig“ gewertet. Trotz offizieller Zustimmung zum Kurs Gorbatschows war nun in Äußerungen Honeckers eine „deutliche Distanz“ zu dessen Reformpolitik auszumachen. Ihre Wirkung auf die DDR war aber nicht abzustreiten: „Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Reformideen Gorbatschows findet in der SED nach wie vor höchstens hinter verschlossenen Türen statt. In der Öffentlichkeit schweigt die Parteiführung jedenfalls zu diesem Thema. Für Intellektuelle und Künstler scheint Gorbatschow aber ein neuer Hoffnungsträger geworden zu sein. Ein Großteil der Parteibasis dürfte eine Wartestellung bezogen haben.“ Daraus schlussfolgerte man in Wien: „Es gibt unterschiedliche Bewertungen der neuen Moskauer Linie. Ein Teil  der Funktionäre dürfte nicht bereit sein, sich schon jetzt für eine Parteilinie zu exponieren, die noch nicht einmal in der Spitze feststeht. Wenn Gorbatschow auf längere Sicht Erfolg hat, wird die DDR-Führung kaum ein Übergreifen von Gorbatschows Ideen auf die DDR verhindern können.“12 Noch ging es der SED -Spitze darum, die „Eigenständigkeit“ und die „besonderen Bedingungen“ jedes einzelnen Warschauer-Pakt-Staats herauszustreichen. Am Ballhausplatz, dem historischen und seinerzeitigen Sitz des österreichischen Außenministeriums, schien klar: ­„Stabilität hat Vorrang vor Experimenten“. Auch der Sowjetunion unterstellte man, kein Interesse an „Experimenten im industriell am weitesten entwickelten RGW-Partnerland“ zu haben.13 Ein Bericht zu den Auswirkungen der Perestroika auf die DDR machte deutlich: „Kein anderer Bruderstaat im kommunistischen Lager hat wie die DDR ein größeres, wirtschaftlich stärkeres, kapitalistisches Gegenüber, das durch Massenmedien und in letzter Zeit nicht unbedeutende Besucherströme täglich auf die eigene Bevölkerung 11 Botschafter Franz Wunderbaldinger an BMAA , Berlin (Ost), 12.  August 1986, Zl. 126RES/86, Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Archiv der Republik (AdR), Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten (BMAA), II-Pol 1986, GZ . 701.03/6-II .3/86. 12 Analyse, Reaktionen der Warschauer-Pakt-Staaten auf die Perestroika, Wien, 19.  März 1987, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1987, GZ . 225.03.00/34-II .3/87. 13 ÖSTERREICH-DDR , Kontakte; Zusammentreffen des HBK mit stv. Vors. des Staats­ rates MITTAG und Außenhandelsminister BEIL (20./21. August, Salzburg), Information, Wien, 10. August 1987, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1987, GZ . 43.18.08/3–11.3/87.

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einwirkt. Die Situation der DDR ist daher auch hinsichtlich der reformatorischen [sic!] Bestrebungen Gorbatschows durchaus einzigartig. Die Sowjetunion selbst kann nicht daran interessiert sein und ist nicht daran interessiert, dass ihr stärkster Bündnispartner durch die Entwicklung im eigenen Land, die noch – lange – nicht abgeschlossen ist, aus dem Tritt kommt.“14

Trotz aller Selbstzufriedenheit der SED -Führung waren „in der DDR eine Reihe schwieriger sozialer und innenpolitischer Entwicklungen nicht zu übersehen, wobei hier sicherlich das sowjetische Reformmodell Hoffnungen erweckt hat, die – zumindest in der DDR – schon aufgrund ihrer speziellen Randlage – nicht eingelöst werden können“. Grundsätzlich war die DDR eine Mangelwirtschaft. Daran hatten auch die inszenierten außenpolitischen und die vermeintlichen wirtschaftlichen Erfolge nichts geändert. Die gegen Devisen erwerbbaren Importprodukte spalteten die Gesellschaft viel mehr, als sie einen positiven Effekt erzielten. Das allgemein verfügbare Warenangebot hielt mit den Ansprüchen der Menschen nicht Schritt, so waren beispielsweise die Wartezeiten beim Erwerb eines PKWs unverändert lang. Die absolut steigenden Reisezahlen verstärkten zudem die Ungleichheit in der Bevölkerung: während manche Bürger mehrfach in die Bundesrepublik reisen konnten, blieb dies anderen ohne Zugang zur D-Mark versagt. Gorbatschows Reformpolitik hatte Erwartungen geweckt, der Dialog der SED mit der westdeutschen SPD gewisse Irritationen verursacht, jedoch stand jede oppositionelle Regung noch unter den strengen Augen des Staatssicherheitsdienstes. Der Ballhausplatz erwartete weiterhin eine stabile Entwicklung der DDR : „Bei den jetzigen Gegebenheiten ist in der DDR im Jahr 1988 nicht mit spektakulären Veränderungen auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet zu rechnen. […] Trotz der erwähnten Unzufriedenheit weiter Kreise der Bevölkerung wird die DDR ihre Stabilität auch 1988 beibehalten. Hiefür sorgen das stark entwickelte Realitätsbewußtsein der DDR-Bürger wie auch der im Vergleich zu anderen RGW-Ländern hohe Lebensstandard. Die grundsätzlich prekäre Situation der DDR , die sich aus ihrer Position an der Systemgrenze ergibt, bleibt freilich bestehen.“15

Im Laufe des Jahres 1988 blieb unklar, ob „die Forderungen nach Offenheit, Umgestaltung und vermehrten Chancen in der DDR selbst zunehmen“ würden. Klar war aber: „Zum jetzigen Zeitpunkt und beim jetzigen Führungsteam der DDR unter Honecker ist jedoch keine Änderung des Weges abzusehen.“16 Ende 1988 wurde am Ballhausplatz ausdrücklich gefragt, ob die durch Gorbatschows Re14 Botschafter Franz Wunderbaldinger an BMAA , Berlin (Ost), 22. Oktober 1987, Zl. 200RES/87, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1987, GZ . 225.03.00/61-II .3/87 15 Osteuropa zum Jahresbeginn 1988; Assessment papers für Staaten des WP sowie Jugos­ lawien, Wien, 28. Jänner 1988, Zl. 85-RES/88, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1988, GZ . 713/1-II . 3/88. 16 Gesandter Lorenz Graf an BMAA , Berlin (Ost), 6. Oktober 1988, Zl. 225-RES/88, BMEIA , ÖB Berlin(Ost) RES -1988 (01–06), Karton 22.

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formen angestoßenen Prozesse einen „Wandel“ in Osteuropa ausgelöst hätten. Während diese Frage mit Blick auf Polen oder Ungarn ausdrücklich mit einem Ja zu beantworten war, stellte sich die Lage in der DDR noch etwas anders dar. Zwar konstatierte man, dass die Wirtschaft der DDR „auf Grund verschiedener Faktoren unter allen Staaten Osteuropas die positivste Entwicklung genommen“ habe, jedoch war auch offenkundig, dass „in letzter Zeit verstärkt Probleme“ aufgetreten waren. Dennoch hatte sich die DDR-Führung ihr „Superioritätsgefühl ­gegenüber den ‚Bruderländern‘“ erhalten und neben Rumänien auf die „Herausforderung Gorbatschow“ am „zurückhaltendsten“ reagiert. Während dieser kritisch über die „Fehler der Vergangenheit“ sprach, strich die Ost-Berliner alte Garde die „Zufriedenheit mit dem Erreichten“ heraus. Die Notwendigkeit eines Wechsels in der überalterten Führung „war „evident“. Wann und in welcher Form dieser stattfinden würde war aber genauso unabsehbar wie dessen Auswirkungen auf die künftige Ausrichtung des ostdeutschen Regimes. Vor dem Hintergrund „eines kontinuierlichen Zunehmens an Protestpotential unter den DDR-Bürgern“ erschien gerade dies „von größter Relevanz“. Dennoch blieb der Ballhausplatzes bei der Überzeugung: „Trotz der Unzufriedenheit weiter Kreise der Bevölkerung wird die DDR ihre Stabilität beibehalten.“17 Österreichs Botschafter in Ost-Berlin, Franz Wunderbaldinger, meinte sogar, die „entwickelte innere Sicherheit in der DDR garantiere die innere Stabilität voraussichtlich noch auf Jahre hinaus. Allenfalls wird punktuell auf kulturellem Gebiet zeitweilig das Ventil geöffnet.“18 Zu Beginn des Jahres 1989 deutete demnach zunächst nichts auf rasante Veränderungen in der DDR hin. Nachdem Wirtschaftsminister Robert Graf bereits im Jänner die DDR besucht hatte, wurde anlässlich der Leipziger Frühjahrsmesse der Import von „hochveredelten Konsumgütern im Wert von über 1 Milliarde Schilling“ vereinbart. Diese Erzeugnisse sollten bereits vor den „Kommunalwahlen“ in der DDR im Mai in den Verkauf gelangen. Die österreichische Konsumgüterindustrie sollte also die „Wahlzuckerln“ der SED herstellen.19 Die Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 wurden von der SED in gewohnter Manier zur Akklamation der von ihr aufgestellten Kandidaten inszeniert. Neben allerlei Maßnahmen zur „Hebung der Stimmung“ wurden auch mehr als eine Million Wahlveranstaltungen durchgeführt. Bereits im Rahmen dieser wurde Kritik am Wahlsystem geübt, was unter anderem zur Umbesetzung einiger Kandidatenlisten führte. Als Egon Krenz am Wahlabend das übliche Ergebnis von fast 99 % Ja-Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von ebenfalls fast 99 % verkündete, war das Entsetzen über die unveränderte Vorgehensweise der SED groß, gleichzeitig war aber auch klar, dass man die Wahlfälschung diesmal zweifelsfrei belegen konnte. Darauf folgten erste Demonstrationen, in den Wochen danach 17 Information, Gesandter Ernst Sucharipa, Wien, 11. November 1988, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1988, GZ . 701.03/19-II-3/88. 18 Gesandter Lorenz Graf an BMAA , Berlin (Ost), 7.  Dezember 1988, Zl. 274-RES/88, BMEIA , ÖB Berlin (Ost) RES 1988 (1–6), Karton 22. 19 Graf, Österreich und das „Verschwinden“ der DDR , 222–223.

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wurden erste Dokumentationen über das Ausmaß der Wahlfälschung veröffentlicht. Fortan war jeder gesellschaftliche Protest mit einem Verweis auf die gefälschten Ergebnisse verbunden. Diese verfolgten die SED fortan und auch bisher linientreue Bürger hinterfragten stärker als bisher die Vorgehensweise der Einheitspartei.20 Botschafter Wunderbaldinger maß der „Wahlfälschung“ anfangs­ offenbar keine große Bedeutung bei und erwartete zunächst keine Auswirkungen auf die Stabilität der DDR : „Die Pressestimmen in der BRD werden in einigen Tagen verstummen und der Markstein des 7.  Mai wird in das historische Gedenkjahr 1989 eingetragen werden. […] Alles in allem kann gesagt werden, dass die DDR mit ihrem zur Verfügung stehenden Wirtschafts- und Sicherheitsinventarium die Zeit bis zum XII. Parteitag im Mai 1990 hinhaltend zurücklegen wird können. Zu jenem Zeitpunkt allerdings wird eine Veränderung in politischer, personeller, wirtschaftlicher und auch sozialer Hinsicht unumgänglich notwendig sein, um die laufend beschworene Stabilität dieses einzigen deutschen Ideologiestaates sicherzustellen.“21 Am Wiener Ballhausplatz wurden die „Wahlfarce“ vom Mai und die daraus resultierenden Proteste in der DDR aufmerksam registriert und zunehmend wurde erkennbar, dass eine Wachablöse in der DDR-Führung überfällig war. Sorgen bereiteten vor allem die Wirtschaftsdaten, die eine Fortsetzung der bisher dogmatisch verfochtenen „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ fraglich erschienen ließen. Neue Weichenstellungen erwartete man dennoch frühestens auf dem nächsten Parteitag der SED, der zu diesem Zeitpunkt für Mai 1990 geplant war. Vor dem Hintergrund der rasch fortschreitenden Reformen in Polen und Ungarn hielt man mit Blick auf die deutsche Teilung weitsichtig fest: „Generell steht [die] DDR vor dem Problem, dass politische Reformen tendenziell [ihre] nationalstaatliche Identität gefährden.“22 Weitere Proteste folgten, als die SED Führung das Massaker am Tiananmen-Platz rechtfertigte. Fortan traute man auch dieser eine „chinesische Lösung“ im Umgang mit sich massenhaft artikulierender Opposition zu.23 Zudem wuchs die Ausreisebewegung – nicht zuletzt infolge des Abschlussdokuments des im Jänner 1989 zu Ende gegangenen Wiener KSZE-Folgetreffens – weiterhin stetig an und suchte nach einem Ventil, das eben an den Außengrenzen der DDR (noch) nicht zu finden war. Daran änderte auch die höhere Zahl der genehmigten Ausreisen im Frühjahr 1989 nichts. Das 20 Zu Vorbereitung, Ablauf und Fälschung der „Kommunalwahlen“ im Mai 1989 in der DDR siehe: Ilko-Sascha Kowalczuk, Endspiel. Die Revolution von 1989 in der DDR (München: Beck, 2009), 318–333. 21 Botschafter Franz Wunderbaldinger an BMAA , Berlin (Ost), 10. Mai 1989, Zl. 91-Res/89, BMEIA , ÖB Berlin(Ost) RES -1989 (1–10), Karton 24. 22 Information. Osteuropa; aktuelle Lagebeurteilung, gezeichnet Ernst Sucharipa, Wien, 8. Juni 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 713/6-II .3/89. 23 Zur Reaktion auf die „chinesischen Ereignisse“ siehe Kowalczuk, Endspiel, 337–343. Siehe zudem Bernd Schäfer, Die DDR und die „chinesische Lösung“. Gewalt in der Volksrepublik China im Sommer 1989, in: Martin Sabrow (ed.), 1989 und die Rolle der Gewalt­ (Göttingen: Wallstein, 2012), 153–172.

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Wiener Schlussdokument hatte überdies zur Folge, dass nach einem weiteren Todesfall an der Berliner Mauer schließlich im Frühjahr 1989 der Schießbefahl de facto ausgesetzt wurde. Dadurch konnten bereits vor der „friedlichen Revolution“ 400 Personen über die deutsch-deutsche Grenze fliehen.24 Innenpolitisch hatte es in der DDR also just im 40. Jahr ihres Bestehens wieder einmal zu brodeln begonnen. Viele DDR-Bürger waren nun schlichtweg nicht mehr gewillt, im SED -Staat auszuharren oder diesen aktiv herauszufordern, sondern sie suchten verstärkt nach einem Ausweg aus diesem. Während im bilateralen Verhältnis zu Österreich alles seinen normalen Gang ging, begann an der österreichisch-unga­ rischen Grenze der Anfang vom Ende der bereits ins Wanken geratenen DDR .

IV. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen Die Öffnung der Grenze zwischen Österreich und Ungarn im September 1989 gehört zu den am besten aufgearbeiteten Kapiteln der Geschichte des Jahres 1989.25 Dennoch werden der Beitrag dieser Entwicklungen und die Rolle Österreichs auf dem Weg zur Öffnung der Mauer nach Ansicht des Autors mangels ausreichender Kontextualisierung nach wie vor unterschätzt. Bedeutende Aspekte der Vorgeschichte und unmittelbare Hintergründe werden oftmals ausgeblendet. Daher wird an dieser Stelle wieder zu einer Rückblende auf die Langzeitentwicklungen ausgeholt. Die Beziehungen zwischen Österreich und Ungarn entwickelten sich in den 1970er- und 1980er-Jahren zu einem Paradebeispiel der europäischen Entspannung im Kalten Krieg. Ausdruck fand dies nicht nur in zahlreichen Staatsbesuchen, sondern in ihrer besonderen Qualität, die das zwischen westlichen und Warschauer-Pakt-Staaten übliche Maß bei Weitem überstieg. Die seit 1964 beständig verbesserten Beziehungen führten auch zu einer – im Vergleich zu ande­ ren Abschnitten der den Kontinent teilenden Ost-West-Grenze  – entspannten 24 Anja Hanisch, Die DDR im KSZE -Prozess 1972–1985. Zwischen Ostabhängigkeit, Westabgrenzung und Ausreisebewegung (München: Oldenbourg, 2012), 373–374; Walter Süß, Die Wiener KSZE -Folgekonferenz und der Handlungsspielraum des DDR-Sicherheitsapparates 1989, in: Matthias Peter/Hermann Wentker (eds.), Die KSZE im Ost-West-Konflikt. Internationale Politik und gesellschaftliche Transformation 1975–1990 (München: Oldenbourg, 2012), 219–231; Erhard Crome/Jochen Franzke, Die SED -Führung und die Wiener KSZE -Konferenz 1986 bis 1989. Dokumente aus dem Parteiarchiv, in: Deutschland Archiv 26 (1993) 8, 905–914. 25 Zur Grenzöffnung grundlegend Andreas Oplatka, Der erste Riß in der Mauer. September 1989 – Ungarn öffnet die Grenze (Wien: Zsolnay, 2009). Zu den Ereignissen 1989 im deutsch-österreichisch-ungarischen Kontext zuletzt Michael Gehler, Bonn – Budapest – Wien. Das deutsch-österreichisch-ungarische Zusammenspiel als Katalysator für die Erosion des SED -Regimes 1989/90, in: Andrea Brait/Michael Gehler (eds.), Grenzöffnung 1989: Innen- und Außenperspektiven und die Folgen für Österreich (Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2014), 135–162.

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Lage am Eisernen Vorhang. Grenzüberschreitender Verkehr, wechselseitiger Tourismus, aber auch regionale Ost-West Kooperationen hatten sich beständig intensiviert. Eine wichtige Vorbedingung hierfür war die Entschärfung der Lage an der Grenze. Nach zahlreichen Zwischenfällen in den 1960er-Jahren war die Grenze ab 1971 endgültig entmint. Und mit Anfang 1979 trat ein Abkommen über den visafreien Reiseverkehr in Kraft. Dies war ein von Österreich seit langem verfolgtes Ziel, das nach Kreditgewährungen durch Österreich Realität wurde und den wechselseitigen Reiseverkehr deutlich ausweitete. Insgesamt bildete sich ein Verhältnis heraus, das das Niveau der Beziehungen Österreichs zu vielen westlichen Staaten bereits überstieg. Grundlage hierfür war nicht nur das im Vergleich zu anderen Staaten entspannte Verhältnis an der Grenze, sondern auch der als „Gulaschkommunismus“ bekannt gewordene – und von Österreich wohlwollend bewertete – ungarische, etwas lockerere Weg im sozialistischen Lager sowie die in den 1980er-Jahren einsetzenden, zunächst vor allem wirtschaftlichen Reformen. Ab 1988 erhöhte sich das Tempo der Veränderungen in Ungarn dann rasant. Ausdruck hierfür war auch die seit Jahresbeginn gewährte Reisefreiheit.26 Ab dem 1. Jänner 1988 hatte jeder ungarische Staatsbürger Anspruch auf den sogenannten „Weltpass“. Mit dem „Weltpass“ konnte man das Land jederzeit, ohne die früheren Einschränkungen verlassen und, was im Ostblock ebenfalls nicht selbstverständlich war, man durfte auch jederzeit wieder zurückkehren. Bisher nicht bekannt war, dass das ungarische Politbüro die Frage der Reisefreiheit ausgehend von dem österreichischen Ansinnen, ein Abkommen über den kleinen Grenzverkehr zu schließen, diskutierte.27 Ein solches Abkommen wurde mit der Gewährung der Reisefreiheit überflüssig. Bald entstand ein echter Reiseboom. Bereits im Jahr 1988 überschritten Millionen Ungarn die Grenze zu Österreich und nutzten ihre Ausflüge in den Westen primär zum Einkaufen. Der Einkaufstourismus hatte neben dem grenznahen Gebiet größtenteils Wien zum Ziel. Die relativ plötzlich über Wien hereinbrechende Welle von Ungarn soll dazu geführt haben, dass die bekannte Wiener Einkaufsstraße namens „Mariahilferstraße“ von spöttelnden Einheimischen als „Magyarhilferstraße“ bezeichnet wurde. Am stärksten betroffen war aber das Burgenland. Ohne diesen zwei Jahrzehnte andauernden Prozess, der zu einer zunehmend durchlässiger werdenden Grenze führte, sind die rasanten Entwicklungen des Jahres 1989 26 Maximilian Graf, Ein Musterbeispiel der europäischen Entspannung? Die österreichischungarischen Beziehungen von 1964 bis 1989, in: Csaba Szabó (ed.), Österreich und Ungarn im 20. Jahrhundert (Wien: Institut für ungarische Geschichtsforschung, 2014), 2­ 61–280; Tamás Baranyi/Maximilian Graf/Melinda Krajczar/Isabella Lehner, A Masterpiece of European Détente? Austrian-Hungarian Relations from 1964 until the Peaceful End of the Cold War, in: Zeitgeschichte 41 (2014) 5, 311–338. 27 Dazu mehr bei Maximilian Graf, Eine neue Geschichte des „Falls“ des Eisernen Vorhangs. Die Öffnung der österreichisch-ungarischen Grenze 1989 in Langzeitperspektive und ihre unmittelbaren Folgen für die DDR , in: Jahrbuch für Mitteleuropäische Studien 2014/2015 (Wien: new academic press, 2016), 347–371.

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nicht zu verstehen. Endgültig möglich wurden sie schließlich nicht zuletzt aufgrund der innerungarischen politischen Veränderungen. Im Frühjahr wurde nach vorheriger Ankündigung im Rahmen eines Treffens der Regierungschefs Miklós N ­ émeth und Franz Vranitzky mit dem Abbau der technischen Grenzsperren an der österreichisch-ungarischen Grenze begonnen. Die Bilder von den Abbrucharbeiten, von Alois Mock und Gyula Horn bei der inszenierten Durchschneidung des Eisernen Vorhangs und jene vom sogenannten „Paneuropäischen Picknick“ im August 1989 waren hochgradig dafür verantwortlich, dass sich die Fluchtbewegung der DDR-Bürger ausweitete. Am 11.  September 1989 öffnete Ungarn schließlich die Grenze und Österreich unterstützte die Aus- und Weiterreise der DDR-Bürger in die Bundesrepublik.28 An dieser Stelle erscheint es geboten, einen Blick auf die ostdeutsche Perzeption der Vorgeschichte und der Entwicklungen des Jahres 1989 zu werfen. Bereits Anfang der 1970er-Jahre hatte man in Ost-Berlin sorgenvoll auf die Situation an der österreichisch-ungarischen Grenze geblickt. Im Zuge der Verhandlungen über die Regelung des deutsch-deutschen Verhältnisses 1972 befürchtete man, die Zusammenarbeit an diesem Abschnitt des Eisernen Vorhangs als Beispiel für die Grenzsituation zwischen der Bundesrepublik und der DDR vorgehalten zu bekommen. Der 1979 zwischen Österreich und Ungarn in Kraft getretene visumsfreie Reiseverkehr wurde durch die Stasi argwöhnisch verfolgt. Während Ungarn die DDR über die gute Entwicklung informierte und eine weitere Forcierung des Reiseverkehrs anstrebte, blieb man in Ost-Berlin skeptisch. Bezeichnenderweise hatte man in Budapest freimütig bekannt: „Vielfach machen uns Staatsbürger einiger sozialistischer Länder mehr Schwierigkeiten als die Österreicher.“29 Die 1989 offenkundig werdende beginnende politische Transformation Ungarns und den Abbau des Eisernen Vorhangs zu Österreich sah die SED als Beweis dafür, dass Ungarn für die „Sache des Sozialismus“ verloren sei. Als Erich Honecker in der Sitzung des SED -Politbüros vom 15.  Juni 1989 „die Befürchtung“ äußerte, „daß die Entwicklung in Ungarn nicht mehr aufzuhalten ist“ und „Ungarn weiter in das bürgerliche Lager abgleiten“ werde,30 war dies nur der Endpunkt einer zunächst schleichenden, sich aber ständig beschleunigenden Entwicklung.31 Das bevorstehende Szenario der Grenzöffnung blieb der SED 28 Ausführlich dazu Maximilian Graf, Die Welt blickt auf das Burgenland. 1989 – die Grenze wird zum Abbild der Veränderung, in: Maximilian Graf/Alexander Lass/Karlo RuzicicKessler (eds.), Das Burgenland als internationale Grenzregion im 20. und 21. Jahrhundert (Wien: Neue-Welt-Verlag, 2012), 135–179, hier 145–178. 29 Ibd., 143–144, für das wörtliche Zitat 144. 30 Sitzung des Politbüros des ZK der SED, 15. Juni 1989, Aufzeichnungen von Egon Krenz, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR im Bundesarchiv (BArch), Berlin (SAPMO -BArch), DY 30/IV 2/2.039/74, Bl. 24. 31 Die Beziehungen zwischen der DDR und Ungarn sind bisher kaum Gegenstand der wissenschaftlichen Aufarbeitung geworden. Vgl. zu diesem Faktum: Hermann Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen. Die DDR im internationalen System 1949–1989 (München:

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ebenfalls nicht verborgen. Frank und frei hatten die Ungarn der in Agonie verfallenen SED -Führung erklärt, dass die zigtausenden DDR-Flüchtlinge in Ungarn eine unhaltbare Situation darstellten, diese aber keinesfalls in die DDR zurückgeschickt würden und man daher die Grenze öffnen werde. Dies bedeutete nichts anderes, als dass Ungarn „alle DDR-Bürger nach Österreich ausreisen lassen würde, die durch ein Einreisevisum auf ihrem Reisedokument nachweisen können, daß sie in Österreich aufgenommen werden“.32 Zudem hatte der ungarische Außenminister Gyula Horn in einem Gespräch mit DDR-Außenminister Oskar Fischer darauf hingewiesen, dass Ungarn „auch nicht zum früheren Grenzregime gegenüber Österreich zurückkehren könne“, da es die „große Bedeutung der Beziehungen zu Österreich“ berücksichtigen müsse.33 Fünf vor Zwölf dachte das SED -Politbüro noch über ein direktes Herantreten an Österreich nach.34 Eine entsprechende Intervention fand aber nicht mehr statt.35 Österreich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits in Absprache mit der Bundesrepublik und Ungarn seine volle Unterstützung bei der Ausreise der DDRBürger zugesagt. Um die – trotz allem – guten Beziehungen zur noch gänzlich unreformierten DDR nicht zu gefährden und die bilateralen Verträge einzuhalten, fand man eine „sehr österreichische“ Lösung. In jeden Ausweis eines Flüchtlings wurde von den Grenzbeamten ein loses Blatt mit Visumsstempel eingelegt und der Name des Flüchtlings vermerkt, damit war die Einreise genehmigt.

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Oldenbourg, 2007), 528–529. Die vom Autor dieses Beitrags durchgearbeiteten Akten Abteilung Internationale Verbindungen beim ZK der SED bieten jedenfalls ein deutliches Bild einer sich seit den 1970er-Jahren abzeichnenden „Entfremdung“: SAPMO -BArch, DY 30/12636; SAPMO -BArch, DY 30/12637; SAPMO -BArch, DY 30/12626. Vermerk über das Gespräch des Mitglieds des Politbüros und Sekretärs des ZK der SED, Genossen Günter Mittag, mit dem Minister für Auswärtige Angelegenheiten der Ungarischen Volksrepublik, Genossen Gyula Horn, am 31. August 1989, gezeichnet Schindler, in: Arbeitsprotokoll der Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees vom 5.  September 1989 (= Protokoll Nr. 35/89), SAPMO -BArch, DY 30/J IV 2/2A/3238, Bl. 30–34. Zum SED internen Umgang mit dem Abbau des Eisernen Vorhangs durch Ungarn Hans-Hermann Hertle, Der Fall der Mauer. Die unbeabsichtigte Selbstauflösung des SED -Staates (Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 1996), 91–109, hier insbesondere 92–98; Gereon Schuch, „Verleumdung, Beleidigung und grobe Einmischung“. Die Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze im Herbst 1989 im Spiegel der SED -Akten, in: Deutschland Archiv 32 (1999) 2, 242–253, hier 242–243. Vermerk über das Gespräch des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten, Genossen­ Oskar Fischer, mit dem Minister für Auswärtige Angelegenheiten der Ungarischen Volksrepublik, Genossen Gyula Horn, am 31. August 1989, gezeichnet Schindler, in: Arbeitsprotokoll der Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees vom 5. September 1989 (= Protokoll Nr. 35/89), SAPMO -BArch, DY 30/J IV 2/2A/3238, Bl. 34–39. Siehe hierzu die Aufzeichnungen von Egon Krenz über die betreffende Sitzung: SAPMO BArch, DY 30/IV 2/2.039/77, Bl. 1–5. Zumindest konnte bisher kein derartiges Dokument in den Archiven ausfindig gemacht werden. Auch Botschafter Friedrich Bauer bestätigte im Gespräch mit dem Autor, dass er über ein Herantreten der DDR an Österreich in diesem Zusammenhang auf seinem Posten in Bonn informiert worden wäre.

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Das Einlegeblatt wurde an der Grenze zur Bundesrepublik wieder herausgenommen. Dem Visumsabkommen mit der DDR war damit genüge getan.36 Damit hatten sich die seit den 1970er-Jahren vorhandenen schlimmsten Befürchtungen der DDR bewahrheitet. Dennoch erfolgten keine direkten Angriffe auf Österreich. Medial wurden in gewohnter Manier die Bundesrepublik und diesmal auch Ungarn attackiert.37 Und auch Österreich war um Schadensbegrenzung bemüht. Insbesondere die Wirtschaftsbeziehungen sollten trotz der sich zuspitzenden Krise der DDR keine Einschränkung erfahren. Dafür war aber auch ein gutes bilaterales Verhältnis notwendig, das nach der österreichischen Unterstützung bei der Ausreise der DDR-Bürger nicht mehr gesichert scheinen konnte. Bereits inmitten der sich Mitte August akut zuspitzenden „Flüchtlingskrise“ wollte Bundeskanzler Vranitzky im Rahmen eines privaten DDR-Besuchs am 25. September das direkte Gespräch mit Honecker suchen.38 Dieser war aber krank und schlussendlich sagte Vranitzky seinen Besuch reichlich kurzfristig am 22. September, also erst mehr als eine Woche nach der Grenzöffnung, ab.39 Jeder Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik wurde kategorisch in Abrede gestellt. Agenturmeldungen gingen vom Gegenteil aus. Vermutlich wollte Vranitzky in Anbetracht der sich beschleunigenden Ereignisse die weitere Entwicklung abwarten – denn bereits nach der Grenzöffnung ging in Europa das „Gespenst der deutschen Wiedervereinigung“ um.40

36 Oplatka, Riß, 195; Gehler, Bonn – Budapest – Wien, 147–149; Helene Thiesen, „Einreisesichtvermerk“ – Hilfe für DDR-Flüchtlinge, in: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (ed), Verfreundete Nachbarn. Deutschland  – Österreich (Ausstellungskatalog) (Bonn/Bielefeld: Kerber, 2005), 220–221. 37 Aktenvermerk, Gesandter Ernst Sucharipa, Wien, 11.  September 1989, 217-Res/89, GZ . 43.02.40/13–11.3/89, BMEIA , ÖB Berlin(Ost) RES -1989 (1–10), Karton 24. 38 Über telefonisches Ersuchen der außenpolitischen Beraterin von Bundeskanzler Vranit­ zky, der Gesandten Eva Nowotny, meldete der Ballhausplatz am 18. August 1989 nach OstBerlin: „Der Herr Bundeskanzler wird am 25.9.1989 gegen 13.00 Uhr mit einem Privatflugzeug in Berlin eintreffen. Er folgt einer Einladung der Nationalgalerie anläßlich des Ankaufs eines Bildes von Adolf Frohner. Der HBK wäre daran interessiert, am 25.9.1989 zwischen 14.00 und 16.00 Uhr mit Staatsratsvorsitzendem Honecker und Minister Beil zu Gesprächen zusammenzutreffen. Botschaft wird ersucht, entsprechende Termine zu vereinbaren und ehestmöglich über Ergebnis diesbezüglicher Bemühungen drahtzuberichten.“ ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol, GZ .518.01.12/1-II .3/89. 39 „Botschaft wird ersucht, zuständigen DDR-Stellen mitzuteilen, daß der HBK bedauert, auf Grund anderweitiger Verpflichtungen nicht zu dem für 25.9.1989 geplanten Privatbesuch in die DDR kommen zu können. Botschaft wolle den HBK insbesondere bei Minister Beil für die Absage des vereinbarten Gesprächstermins entschuldigen.“ Sucharipa an ÖB Berlin (Ost), Wien, 22. September 1989 (Depesche 5504), Gegenstand: (privater) Besuch des HBK in der DDR ; Absage, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 518.01.12/2-II .3/89. 40 Graf, Österreich und die DDR 1949–1989/90; id. Österreich und das „Verschwinden“ der DDR , 234–235.

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„Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989

Während Österreichs Botschafter in Bonn und Ost-Berlin die Ansicht vertraten, dass „niemand in politischer Verantwortung“ eine „Wiedervereinigung“ anstreben würde, sah der in der Zentrale am Ballhausplatz in der Abteilung „Grundsatzfragen“ tätige Thomas Nowotny Anzeichen dafür. Über die DDR urteilte er, dass es zwar eine gewisse „Heimatverbundenheit“ gebe, eine „Nationalität“ habe sich aber nicht herausgebildet, und auf Dauer erwartete er, dass die soziale Sicher­heit keine ausreichende Klammer darstellen würde. Für ihn stand daher die „Wiedervereinigung“ zukünftig „sehr wohl auf der politischen Tagesordnung beider deutscher Staaten“. Der Westen konnte seiner Ansicht nach formell nichts dagegen einwenden, auch wenn „natürlich niemand“ eine „Wiedervereinigung“ wollte. Da diesbezügliche Ressentiments allerdings nicht offen ausgesprochen wurden, sprach Nowotny von „eine[r] uneingestandene[n] stumme[n] Furcht“. Zwar teilte er die auch im Westen gehegten grundsätzlichen Befürchtungen vor einem geeinten Deutschland nicht, seine Analyse nahm aber das sich nach dem „Mauerfall“ offenbarende Szenario sehr treffend vorweg.41 Seitens des Leiters der Ostabteilung des Ballhausplatzes, Ernst Sucharipa, wurde Nowotnys „Essay“ als „Gespensterbahnfahrt“ bezeichnet. Er sah darin eine Verniedlichung der „Dimension eines aus der BRD und DDR bestehenden Deutschlands“, dem „in Ost- (und wohl auch West-) Europa“ weiterhin die „Furcht“, „dass ein solches Gebilde in eine europäische Friedensordung nicht integriert werden kann“ entgegenstünde. „Deutschland-politische Veränderungen, die über ‚Wandel durch Annäherung‘ hinausgehen“ waren für Sucharipa nicht „ohne Auseinandersetzung mit Moskau“ denkbar. Zudem vertrat er die Ansicht: „Trotz der publizitätswirksamen Absetzbewegungen aus der DDR […] gibt es ein nicht ganz zu unterschätzendes ‚DDR-Nationalbewusstsein‘ und Stolz in [sic!, auf] die Leistungen des ‚eigenen‘, ‚anderen‘ deutschen Staates. Die schweigende Mehrheit ist auch in der DDR eine Mehrheit. Auch die sich langsam formierenden Oppositionsgruppen wollen ihre DDR (reformieren und rundum erneuert, aber abgegrenzt von der BRD) erhalten.“42 Klar war aber, dass sich die DDR nunmehr dem Wandel in Osteuropa nicht mehr entziehen konnte. Noch vor der Ablöse Honeckers stellte sich die Lage 41 Information. Das Gespenst der deutschen Wiedervereinigung, Thomas Nowotny, Wien, 19. September 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/4-II .6/89. Auch Nowotnys Einschätzungen zur Rolle und Entwicklung eines vereinigten Deutschlands haben sich nach heutigem Kenntnisstand als sehr treffend erwiesen. Siehe dazu ausführlicher und für die wörtlichen Zitate: Gehler, Österreich, die DDR und die Einheit Deutschlands, 427–430. 42 „Deutsche Wiedervereinigung? Zur Gespensterbahnfahrt der Abteilung II .6.“ Ernst Sucharipa, 20. September 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/5-II .3/89. Sucharipas Aktenvermerk wurde nicht verteilt.

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in der DDR wie folgt dar. Auch wenn die Staats- und Parteiführung der DDR seit Jahren „jeden Reformbedarf“ bestritten hatte, war sie nun gezwungen zu reagieren: „Das nachlassende Wirtschaftswachstum, das das ideologische Axiom der ‚Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik‘ zunehmend in Frage stellt, die immer offensichtlicher notwendige Generationenablöse an der Parteispitze und die Attraktivität der Reformpolitik in einzelnen Paktstaaten (v. a. Polen und Ungarn), deren Entwicklung über das BRD -Fernsehen weiten Teilen der Bevölkerung ins Haus geliefert wird, haben innerhalb der SED offenbar schon vor einigen Monaten zu der Erkenntnis ­geführt, dass eine flexiblere Antwort gefunden werden muss. Man begnügte sich allerdings mit dem Versuch, den Status quo ‚gefälliger zu verpacken‘ (‚Sozialismus in den Farben der DDR‘).“43

Aus Sicht der österreichischen Diplomatie hatte die SED -Führung gehofft, damit bis zu den Feierlichkeiten anlässlich des 40. Jahrestags des Bestehens der DDR am 7. Oktober 1989 und wenn möglich bis zum für Mai 1990 geplanten Parteitag durchzuhalten. Nun stand fest: „Dieses Kalkül ist nur beschränkt aufgegangen.“ Dafür war nicht zuletzt die anhaltende Fluchtbewegung verantwortlich: „Im Gefolge der ungarischen Entscheidung, ausreisewilligen DDR-Bürgern die Weiterreise über Österreich in die BRD zu gestatten, bekam die Fluchtbewegung eine starke Eigendynamik. Die illegale Ausreise von 50.000 Menschen innerhalb von fünf Wochen brachte einen Erklärungsbedarf für die DDR-Führung, der angesichts des Überwiegens junger, also in der DDR aufgewachsener Menschen, einer Bankrotterklärung des Systems gleichkam.“44

Man war der Ansicht, dass die Fluchtbewegung und das immer aktivere Auftreten von Oppositionsgruppen in der sich beschleunigenden „friedlichen Revolution“ „erstaunlich rasch zu wenigstens beschränkter Dialogbereitschaft auf mittlerer Parteiebene geführt“ habe. Noch schien der Ausgang offen, auch wenn die Tage der SED zunehmend gezählt schienen, hielt man in Wien mit Blick auf die Haltung der Opposition zumindest einen Fortbestand der DDR für wahrscheinlich. Klar war aber: „Die Absicherung der staatlichen Identität hängt jedoch davon ab, ob es zu ausreichend tiefgreifenden Reformen kommt.“45 Da es in der DDR nicht so weitergehen konnte wie bisher rollten im Oktober reihenweise die Köpfe. Die am 18. Oktober erfolgte Ablöse von Erich Honecker, dem sein „politischer Ziehsohn“ Egon Krenz nachfolgte, und vom Hauptverant-

43 Situation in Osteuropa, Kurzinformation, Wien, 12. Oktober 1989, ÖStA, AdR, BMAA ,­ II-Pol 1989, GZ .713/24-II .3/89 44 Situation in Osteuropa, Kurzinformation, Wien, 12. Oktober 1989, ÖStA, AdR, BMAA ,­ II-Pol 1989, GZ .713/24-II .3/89 45 Situation in Osteuropa, Kurzinformation, Wien, 12. Oktober 1989, ÖStA, AdR, BMAA ,­ II-Pol 1989, GZ .713/24-II .3/89

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wortlichen für die Wirtschaft Günter Mittag46 wurde am Ballhausplatz als „die Rettung der DDR vor dem totalen Verfall“ gewertet. Auch wenn die Zukunft alles andere als klar war, rechnete man zunächst mit einer raschen Erholung und damit, dass die DDR „ein noch viel bedeutsamerer Partner für Österreich als in der Vergangenheit werden könnte“ – wie die Stasi treffend zusammenfasste.47 Da die Demonstrationen aber anwuchsen, wurden die Einschätzungen der österreichischen Diplomatie zur von Krenz verkündeten „Wende“ in der DDR zunehmend pessimistischer. Hauptgrund hierfür war sein Festhalten am Führungsanspruch der SED. Aufgrund der jüngsten Demonstrationen bezweifelte man, „ob dieser Kurs einer beschränkten Liberalisierung und deutlich eingegrenzter Reformen noch lange haltbar“ sein würde. Daher vertrat man die Ansicht, dass nur rasche tiefgreifende Reformen und die Zulassung eines echten politischen Pluralismus die Aufrechterhaltung eines zwar grundlegend geänderten aber doch eigenständigen und eigenstaatlichen Gesellschaftssystems in der DDR ermöglichen könnten.48 Die österreichischen Medien, allen voran Die Presse, stellten schon im Oktober (verstärkt nach der Ablöse Honeckers) die weitere Existenz der DDR in Frage. Bereits vor der Maueröffnung wurden mögliche Folgen einer „Wiedervereinigung“ thematisiert. So sorgte man sich um die Überforderung der Bundesrepublik mit der anhaltenden Fluchtbewegung, die wirtschaftliche Bewältigung eines möglichen Beitritts der DDR zur Bundesrepublik durch eine frei gewählte ostdeutsche Regierung sowie um die Konsequenzen, die dem östlichen Teil  Deutschlands daraus erwachsen würden (neuartige wirtschaftliche Konkurrenzsituation, Abwanderung der qualifiziertesten Kräfte etc.). Die Öffnung der Mauer am 9. November 1989 begrüßte Herausgeber Otto Schulmeister mit „Gott – welch ein Augenblick! Unser aller Herz hat das verspürt“, in den Folge­ tagen wurde rasch klar, dass die weitere Entwicklung eine weltpolitische Dimension haben würde und auch einer dementsprechenden Lösung bedürfe. Im jüngsten österreichischen Qualitätsmedium Der Standard hatte Josef Kirchengast bereits vor den Feiern zum 40. Jahrestag der DDR vom „Leichenschmaus“ einer geschlossenen Gesellschaft gesprochen. Vom Wiederauftauchen der deutschen Frage zeigte man sich zunächst eher unangenehm berührt und verwies vor allem auf die alliierte Verantwortung für Deutschland. Den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs sollte es vorbehalten bleiben, über die Zukunft Deutsch-

46 Hierzu zuletzt Andreas Malycha, Die SED in der Ära Honecker. Machtstrukturen, Entscheidungsmechanismen und Konfliktfelder in der Staatspartei 1971 bis 1989 (München: Oldenbourg, 2014), 389–408. 47 Archiv des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU), Berlin, Ministerium für Staatssicherheit (MfS), A 239/89, Bd.  11, Bl. 334–335. 48 DDR ; zur Situation nach dem Moskau-Besuch Egon Krenz und den Massendemonstrationen vom 4. November 1989, Amtsvermerk, Ernst Sucharipa, Wien, 6. November 1989, GZ . 43.03.00/10-II .3/89, BMEIA , ÖB Berlin (Ost) RES -1989 (1–10), Karton 24.

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lands zu entscheiden. Unsicherheit herrschte vor allem darüber, wie die DDRFührung mit den zunehmenden Protesten verfahren würde. Die „chinesische Lösung“ blieb als schlimmste Befürchtung präsent. Nach den anhaltenden Protesten war bald klar, dass auch Egon Krenz’ Tage gezählt sein würden. Insbesondere nach der Maueröffnung zeigte sich immer deutlicher – wenn auch nicht offen – eine sorgenvolle Haltung angesichts der Möglichkeit einer bevorstehenden „Wiedervereinigung“.49 Nach dem geschlossenen Rücktritt des SED -Politbüros und der DDR-Regierung am 7.  und 8.  November bei gleichzeitiger Fortdauer der friedlichen Demonstrationen hoffte man seitens der österreichischen Botschaft Berlin am 9. November auf die Aufrechterhaltung eines labilen Gleichgewichts in der Krisensituation.50 Noch in derselben Nacht erfolgte aber die in dieser Form unbeabsichtigte Öffnung der Mauer,51 wodurch abermals eine neue Situation eintrat. Vor dem Hintergrund der Maueröffnung mahnte die österreichische Botschaft in Ost-Berlin nun an: „Im Hinblick auf die zu erwartende wirtschaftliche Intensivierung der Rolle Österreichs als kleines Industrieland bei einer umgestalteten DDR sowie auch darauf, dass Österreich die besondere Stellung zur DDR im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht verspielen darf, muss unbedingt ins Kalkül gezogen werden, dass die österreichische Haltung in der für die hiesigen Menschen so ungeheuer wichtigen Reisefrage eine Visitenkarte für die Zukunft der beiderseitigen Beziehungen sein wird.“52

Das Anliegen hatte einen konkreten Grund, denn bereits am 15.  November stand in Wien das allesentscheidende Qualifikationsspiel zwischen Österreich und der DDR für die Fußballweltmeisterschaftsendrunde in Italien 1990 an. Da die Botschaft mit einem starken Reisedrang ostdeutscher Schlachtenbummler rechnete, ersuchte sie den Ballhausplatz, „eine kurzfristige, unbürokratische und möglichst liberale Lösung“ zu schaffen.53 Tatsächlich kam eine bisher ungekannte Zahl von Anhängern der DDR-Equipe nach Wien und musste mitansehen, wie Österreich auf dieser Spielwiese des österreichisch-ostdeutschen Verhältnisses bereits so kurz nach dem Mauerfall das Ende der DDR besiegelte. Die österreichische Fußball-Nationalmannschaft besiegte die Auswahl der DDR und qualifizierte sich dadurch für die Endrunde in Italien 1990. Hauptverantwort49 Ines Lehmann, Die deutsche Vereinigung von außen gesehen. Angst, Bedenken und Erwartungen in der ausländischen Presse, 3 Bände (Frankfurt am Main et al.: Lang, 1997), ­116–123. 50 10. Tagung des Zentralkomitees des SED: 1. Tag, Depesche Botschafter Franz Wunderbaldinger und Lorenz Graf an BMAA , Berlin (Ost), 9. November 1989, BMEIA , ÖB Berlin(Ost) RES -1989 (1–10), Karton 24. 51 Mary Elise Sarotte, The Collapse. The Accidental Opening of the Berlin Wall (New York: Basic Books, 2014). 52 Gesandter Lorenz Graf an BMAA , Berlin (Ost), 10.  November 1989, 267-RES/89, ÖB­ Berlin(Ost), RES -1989 (1–10), Karton 24. 53 Gesandter Lorenz Graf an BMAA , Berlin (Ost), 10.  November 1989, 267-RES/89, ÖB­ Berlin(Ost), RES -1989 (1–10), Karton 24.

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lich für den 3:0-Sieg zeichnete Anton „Toni“ Polster, der das Spiel mit einem Triplepack zum letzten Bewerbsspiel der DDR machte.54 Zu diesem Zeitpunkt konnte freilich keiner wissen, dass die DDR zu Beginn der nächsten anstehenden Qualifikation für eine Endrunde bereits Geschichte sein sollte. Spätestens nach dem Mauerfall war die deutsche Frage aber endgültig wieder auf der Tagesordnung der internationalen Politik gelandet und verlangte nach einer Positionierung. Bereits am 10. November informierte der Ballhausplatz seine Auslands­ vertretungen über die vorläufige Haltung Österreichs: „Insgesamt ist festzustellen, dass die westeuropäischen Staaten die Opportunität einer deutschen Wiedervereinigung mit großer Reserve beurteilen. Die USA stehen einer Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten deutlich positiver gegenüber. Welche Lösungen für die deutsch-deutsche Frage gefunden werden (Weiterbestehen eines zweiten deutschen Staates jedoch mit demokratischen Strukturen, föderale Lösung, Wiedervereinigung), ist nicht abzusehen. Das Thema der Wiedervereinigung wird aber mit großer Wahrscheinlichkeit die europäische Politik in den kommenden Jahren beschäftigen und beeinflussen. Nur für den Fall, dass die Botschaft in dieser Frage angesprochen werden sollte, wolle sie sich dahingehend vernehmen lassen, dass das Recht auf Selbstbestimmung, für das Österreich uneingeschränkt eintritt, selbstverständlich auch für die Bevölkerung in der DDR zu gelten hat. Jede Veränderung im deutsch-deutschen Verhältnis sollte jedoch so erfolgen, dass der Prozess der Entspannung und der Frieden in Europa nicht gefährdet [werden].“55

Was die deutsche Einheit anging, rechnete man also noch in Jahren. Die zukünftige Entwicklung der DDR war jedoch akut unsicher. Den Oppositionsgruppen der DDR traute man anfangs jedenfalls keine politische Rolle zu und zunächst schien die deutsche Einheit in der DDR auch kein Thema. Auch der Bundesrepublik attestierte die österreichische Diplomatie, noch keine Antwort auf die in der DDR eingetretenen Veränderungen zu haben. Jedoch schien es dort, als ob man wie selbstverständlich davon ausging, dass alle DDR-Bürger die Einheit wollten. Mit Blick auf die bilateralen Beziehungen erwartete man konkret eine noch weitergehende Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen: „Österreich hat heute die Chance, seine besondere Stellung in der DDR mit diesem Neubeginn weiter aus54 Ausführlicher und breit kontextualisiert zu diesem Spiel Georg Spitaler, Das Endspiel. Österreich-DDR 3 : 0. 15. November 1989, Wien – Praterstadion, in: Matthias Marschik (ed.), Sternstunden der österreichischen Nationalmannschaft. Erzählungen zur nationalen Fußballkultur (= Österreichische Kulturforschung 8; Wien/Berlin/Münster: Lit-Verlag, 2008), 161–173; sowie zudem Maximilian Graf, „Ösis“ versus „Ossis“ – Österreich gegen die DDR . Zur Länderspielgeschichte der anderen österreichisch-deutschen Fußballkonkurrenz, in: Johannes Gießauf/Walter Iber/Harald Knoll (eds.), Fußball, Macht und Diktatur. Streiflichter auf den Stand der historischen Forschung (= Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes für Kriegsfolgen-Forschung 22; Innsbruck: StudienVerlag, 2014), 207–227, hier 223–227. 55 Debatte über die deutsche Wiedervereinigung, Information und Sprachregelung, ­Johann Plattner, Wien, 10. November 1989, ÖStA, AdR, BMAA, II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/8-II.1/89.

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zubauen.“56 Man glaubte also zunächst jedenfalls an einen Fortbestand der DDR und wollte das bilaterale Verhältnis sogar noch weiter intensivieren. Trotz der österreichischen Mitwirkung an der Grenzöffnung scheint es, dass auch die SED -Führung die Beziehungen zu Österreich in gewohnter Manier fortsetzen wollte. Noch am 24. Oktober stimmte das Politbüro einer Reise von Ministerpräsident Willi Stoph zu einem Arbeitsbesuch in Österreich, mit dem Zweck der Unterzeichnung des jährlichen Wirtschaftsabkommens, zu. Günter Mittag, der üblicherweise diese Aufgabe wahrgenommen hatte, war bereits gemeinsam mit Honecker entmachtet worden.57 Stoph trat aber am 8. November mit dem gesamten Politbüro zurück und legte auch seine Funktion als Ministerpräsident nieder. Die Reise nach Österreich fand nicht mehr statt. Sein Nachfolger Hans­ Modrow hatte alle Hände voll zu tun, um eine neue Regierung zu bilden und die Situation im Lande unter Kontrolle zu halten. Daher war er vermutlich froh, dass Vranitzky auf seine Einladung hin58 rasch in die DDR reiste. Am 24. November – also nur zwei Wochen nach dem Mauerfall – war es so weit. Außenminister Mock wurde über den kurzfristig anberaumten Arbeitsbesuch, im Rahmen dessen das „Rahmenabkommen über wirtschaftliche Kooperation“ unterzeichnet werden sollte, „courtoisiehalber“ sofort informiert.59 Für Modrow selbst hatte der Besuch Vranitzkys jedenfalls sogar Priorität vor einer von Egon Krenz er­betenen Besprechung der DDR-Politik gegenüber der Bundesrepublik und West-Berlin mit Valentin Falin.60 Der bisherigen Entwicklung der österreichisch-ostdeutschen Beziehungen nach zu urteilen, könnte man seinen Besuch als rein wirtschaftlich motiviert bezeichnen, was auch der Eindruck vieler zeitgenössischer Beobachter war.61 Der 56 Hans Modrow und seine Mannschaft; Neue Regierung in der DDR (Info), Wunderbaldinger und Graf an Außenamt Wien, Berlin (Ost), 17. November 1989, BMEIA , ÖB Berlin (Ost) RES -1989 (1–10), Karton 24. 57 Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees der SED vom 24.  Oktober 1989 (Protokoll Nr. 45/89), SAPMO -BArch, DY 30/J IV 2/2/2354, Bl. 10. 58 Eva Nowotny an Botschafter Wunderbaldinger, Wien, 21.  November 1989, in: Folder „HBK in Berlin 24. 11. 1989“, Kreisky-Archiv, Depositum Franz Vranitzky, AP, Karton „Staatsbesuche 1991, 1988“. 59 Handschriftliche Notiz: „Bitte courtoisiehalber Büro Mock ü[ber] DDR-Reise informieren. Noch Vormittag.“, in: Folder „HBK in Berlin 24. 11. 1989“, Kreisky-Archiv, Depositum Franz Vranitzky, AP, Karton „Staatsbesuche 1991, 1988“. 60 Krenz notierte: „Ich habe Modrow eingeladen, an der Begegnung teilzunehmen. Der Regierungschef soll in diesen wichtigen Kontakt, den ich wahrnehme einbezogen werden. Er hat jedoch Gespräche mit dem österreichischen Bundeskanzler Vranitzky. Deshalb kommt er erst einige Stunden später in diese Runde.“ Egon Krenz, Herbst ’89 (Berlin: Neues Leben, ³1999), 310. Die bisher umfassendste Rekonstruktion zur DDR-Außenpolitik 1989/90 erwähnt den Besuch nicht einmal. Siehe Ines Lehmann, Die Außenpolitik der DDR 1989/90 (Baden-Baden: Nomos, 2010). 61 So hier ungenannt bleibende ranghohe österreichische Diplomaten im privaten Gespräch und auch der Journalist Ewald König in einem Statement sowie im Gespräch mit dem Autor im Rahmen der Konferenz „Vor 25 Jahren: Der Kreml und der Fall des Eisernen Vorhangs“, die von 23. bis 25. Oktober 2014 an der Diplomatischen Akademie in Wien

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Besuch des ersten westlichen Regierungschefs bei der Regierung Modrow kann allerdings alleine aufgrund seiner Außenwirkung nicht auf dieses Motiv reduziert werden. Daher dürfte sein Besuch mit dem französischen Präsidenten François Mitterrand, der im Dezember selbst die DDR besuchte, abgestimmt gewesen sein. Ja, der französische Staatschef – der (auch wenn seine Haltung historiografisch umstritten ist)62 keineswegs ein Freund einer raschen „deutschen Einheit“ war – soll Vranitzky sogar zu dem Besuch ermutigt haben. Im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik scheint es durchaus Personen gegeben zu haben, die den Besuch aufgrund des möglichen Erkenntnisgewinns über die neue DDR-Führung für nützlich hielten. Der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl soll ihn jedoch nicht zuletzt wegen der Absprache mit Mitterrand mit „Befremden“ aufgenommen haben.63 Endgültige Klarheit darüber, mit wem der Besuch abgestimmt war, gibt es bis heute nicht und wird es aufgrund der dürftigen Aktenlage auch in Zukunft vermutlich nicht geben. 25 Jahre nach dem Mauerfall erklärte Vranitzky (der sich zuvor nur ungern an den Besuch erinnern wollte) gegenüber Die Presse am Sonntag, dass er sich im Vorfeld des Besuchs, da er keinesfalls die Deutschlandpolitik seines Amtskollegen Helmut Kohl stören wollte, telefonisch mit ihm beraten und nach seiner Meinung dazu gefragt hatte. Darauf soll der bundesdeutsche Kanzler gesagt haben: „Ich bitte dich, mach das auf alle Fälle. Der Modrow ist einer, mit dem man über die Zukunft reden kann.“64 Diese Version wiederholte er auch im Rahmen einer Fernsehdiskussion, in der er betonte, dass Modrow den Besuch dringend wollte. Zudem hielt er fest, dass man zu diesem Zeitpunkt nicht wissen konnte, wie es mit der DDR weitergehen würde. Noch deutlicher als im oben zitierten Interview kam zum Ausdruck, wie sehr seine „Ostpolitik“ nüchternpragmatisch von wirtschaftlichen Motiven geleitet war. Von diesem Standpunkt ausgehend war sein Besuch bei Modrow nur logisch.65 Kohls außenpolitischer

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stattfand. König publiziert derzeit eifrig zu dieser Thematik und wird auch seine diesbezüglichen zeitgenössischen Berichte und seine Erinnerungen in Buchform publizieren. Bisher erschienen: Ewald König, Kohls Einheit unter drei. Weitere deutsch-deutsche Notizen eines Wiener Korrespondenten (Halle/Saale: Mitteldeutscher Verlag, 2014); id., Menschen Mauern Mythen. Deutsch-deutsche Notizen eines Wiener Korrespondenten (Halle/ Saale: Mitteldeutscher Verlag, 2014). Zur Argumentation einer Strategie die sowohl das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen anerkannte und gleichzeitig nach einem stabilen Ablauf im europäischen Rahmen verlangte Frédéric Bozo, Mitterrand, la diplomatie française et la fin de la guerre froide (Paris: Odile, 2005); Tilo Schabert, Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit (Stuttgart: Klett-Cotta, 2002); dagegen mit Blick auf das Deutschlandbild Mitterrands in Langzeitperspektive Ulrich Lappenküper, Mitterrand und Deutschland. Die enträtselte Sphinx (München: Oldenbourg, 2011). Gehler, Österreich, die DDR und die Einheit Deutschlands, 431. „Kohl sagte: ‚Ich bitte dich, mach das‘“, Interview von Oliver Pink mit Franz Vranitzky, in: Die Presse am Sonntag, 1./2. November 2014, 4–5, für das wörtliche Zitat 4. Im Zentrum, ORF 2, 9. November 2014, 22 Uhr.

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Berater Horst Teltschik (einer der ersten Chronisten der deutschen Einheit)66 äußerte sich dazu in der Zeitschrift profil folgendermaßen: „Also an Ärger Kohls kann ich mich nicht erinnern. Dieser Besuch war aber wenig hilfreich für unsere Verhandlungen. Wir wussten, dass die DDR praktisch bankrott und alleine nicht überlebensfähig war. Das war ja auch unser Hauptargument gegenüber der sowjetischen Führung. Die DDR brauchte dringend finanzielle Hilfe. Doch dazu hätten die Mittel in Österreich sicher nicht ausgereicht.“67 Anlässlich des Besuchs Vranitzkys in der DDR hielten die Analysten der Stasi-Nachfolgebehörde, des Amts für Nationale Sicherheit, fest: „Aus politischen, historischen und ökonomischen Gründen wende sich Österreich gegen ein ‚Wegreformieren‘ der DDR und die Entstehung eines ‚Großdeutschland‘, dessen potentielle Dominanz für das Kräftegleichgewicht in Europa unkalkulierbare Folgen hätte.“ Als einzige Ausnahme von dieser Tendenz sah man Außenminister Alois Mock. „Die Vorstellungen von Außenminister Mock, der sich insgesamt stark an die Auffassungen von Bundeskanzler Kohl anlehne, würden von anderen ÖVP-Politikern sowie Führungskreisen des ÖVP-Wirtschaftsbundes nicht geteilt. Von diesen Kräften werde befürchtet, daß eine Unterstützung der BRD -Politik in Richtung Wiedervereinigung letztendlich die Position Österreichs in Europa schwächen und negative Folgen für die Wirtschaft Österreichs haben werde – aufgrund der Verlagerung ökonomischer Interessen der BRD von Österreich auf die DDR .“68

Damit war ein recht treffliches Bild der österreichischen Haltung gezeichnet. Die Furcht vor einer Verschlechterung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen sowie möglichen Auswirkungen auf die eigenen EG -Beitrittsambitionen waren in Österreich augenscheinlich vorhanden. Das Stattfinden und der Verlauf des Besuches schienen die DDR-Einschätzung zu bestätigen. Durch das erneut unterzeichnete jährliche Wirtschaftsabkommen war Österreich hier mit der DDR weiter als jeder andere westliche Staat. Im Gespräch mit Modrow hielt Vranitzky zur Haltung Österreichs betreffend eine „Wiedervereinigung“ fest: „Österreich betrachte dies primär als eine Entscheidung, die von den deutschen Staaten zu treffen sei, und würde auch diese Entscheidung respektieren. Andererseits müsse man aber auch den gesamteuropäischen Zusammenhang und in diesem Sinne auch die Beschlüsse der KSZE über die Stabilität in Europa in Betracht ziehen.“69 66 Horst Teltschik, 329 Tage. Innenansichten der Einigung (Berlin: Siedler, 1991). 67 Interview von Otmar Lahodynsky mit Horst Teltschik, in: Profil, 20. Oktober 2014, 65. 68 Amt für Nationale Sicherheit, Nr. 508/89, Information über aktuelle österreichische Einschätzungen zur Lage der DDR und zur Entwicklung der bilateralen Beziehungen Österreich-DDR , Berlin, 24.  November 1989, BStU, MfS, ZAIG Nr.  5759, Bl.  1–4, 5–8; sowie auch BStU, MfS, ZAIG Nr. 8420, Bl. 1–4. Für eine ausführlichere Befassung mit diesem Schlüsseldokument siehe Graf, Österreich und die DDR , 590–592; id., Österreich und das „Verschwinden“ der DDR , 236–238. 69 Zum Besuch siehe ausführlicher Gehler, Österreich, die DDR und die Einheit Deutschlands, 430–435. Aktenvermerk; Betreff: Gespräche des Herrn Bundeskanzler mit Mi-

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Vranitzky führte während des Besuchs auch Gespräche mit der Opposition und mit dem West-Berliner Bürgermeister Walter Momper von der SPD.70 Das Gespräch mit dem zaudernden Momper, der lange an einen Fortbestand der DDR glaubte und nicht von einer „Wiedervereinigung“, sondern vom „Wiederver­ einigungsgequatsche“ sprach,71 dürfte Vranitzky in seiner auf Fortbestand ausgerichteten Haltung gegenüber der DDR eher bestärkt haben. Am 28. November 1989 präsentierte Bundeskanzler Helmut Kohl im Deutschen Bundestag sein Zehn-Punkte-Programm, das einen Fahrplan für einen über Zwischenschritte zu erreichenden möglichen Weg zur deutschen Einheit entwarf. Kohl selbst dachte dabei an einen Jahre dauernden Prozess.72 Der Ballhausplatz fasste das Programm zusammen und urteilte, dass sich dieser „Vorstoß“ Kohls „aus innenpolitischen Gründen […] als zweckmäßig erwiesen haben“ mag, jedoch „vom Standpunkt der Europa-Politik aus gesehen […] wohl eine vorsichtigere, zuwartende Haltung der Bonner Regierung wünschenswert gewesen“ wäre. „Gorbatschow wäre nicht durch die Problematik der deutschen Wiedervereinigung zusätzlich belastet worden und den westlichen Verbündeten der BRD wäre mehr Zeit für eine Koordinierung ihrer Haltung zur Ver­f ügung gestanden.“ Die Sowjetunion hatte bereits zuvor „klar gegen eine Wiedervereinigung Stellung genommen“. Für Egon Krenz stand die Wiedervereinigung „nicht zur Debatte“. Der polnische Premierminister Tadeusz Mazowiecki soll die Frage als „nicht aktuell“ bezeichnet haben, Lech Wałesas Reaktion war angeblich „[s]ehr ablehnend“. Auch die grundsätzlich positiv zur deutschen Einheit eingestellten USA waren von Kohls Initiative überrascht worden und schwiegen anfänglich dazu. Über die weiteren ersten internationalen Reaktionen wurde festgehalten, dass Margaret Thatcher meinte: Die „Frage wird sich erst in einigen Jahren stellen“. Abschließend hielt der Ballhausplatz fest: „Bei allen westeuropäischen Staaten ist eine gewisse Zurückhaltung in der Frage unverkennbar, wenngleich sich keiner dieser Staaten offen gegen eine Wiedervereinigung ausgesprochen hat.“73

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nisterpräsident Modrow, 24.  November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 518.01.12/89. BStU, MfS, HA XX /AKG , Nr. 5723; BStU, MfS, ZOS , Nr. 1099, Bl. 10–13. Zur Haltung Mompers Wilfried Rott, Die Insel. Eine Geschichte West-Berlins 1948–1990 (München: Beck, 2009), 411–421. Für die Wendung „Wiedervereinigungsgequatsche“ siehe: Berlin im November 1989; Das Ende der Idylle; Neue Chancen und Probleme; Gespräch Bundeskanzler F. Vranitzky mit dem Regierenden Bürgermeister W. Momper am 24. November 1989, Generalkonsulin Gabriele Matzner an BMAA , Berlin (West), 27. November 1989, BMEIA , ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ 518.01.13/1-II .1/89. Dazu relativ rezent mit Blick auf die Rolle und das Denken Kohls Hans-Peter Schwarz, Helmut Kohl. Eine politische Biographie (München: Pantheon, 2014), 527–535, insbesondere 533–535. Zusammenfassend von einer „nationalen Wende“ sprechend Andreas Rödder, Deutschland einig Vaterland. Die Geschichte der Wiedervereinigung (München: Beck, 2009), 137–142. BRD -DDR ; Programm zur deutschen Wiedervereinigung, Information für den Herrn Bundesminister, Johann Plattner, Wien, 29. November 1989. ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/18-II .1/89.

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Am 29.  November sprach der sowjetische Botschafter in Österreich, Gennadi S. Schikin, bei Außenminister Mock vor. Auf das Zehn-Punkte-Programm Kohls eingehend, sprach er von „eine[r] unzulässige[n] Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR“ die „potentiell das sicherheitspolitische Gleich­ gewicht“ gefährde. Dem hielt Mock entgegen: „Wenn es der DDR-Führung gelänge, eine Identität zwischen den Wünschen der Bevölkerung und der Regierungspolitik herzustellen, so werde die Frage der Wieder­ vereinigung nicht aktuell sein; wenn jedoch der Eindruck (ob zu Recht oder zu Unrecht) bestünde, dass der Prozess der Demokratisierung eingeschränkt und die SED -Führungspolitik künstlich aufrecht erhalten bleibe, dann bestehe die Gefahr, dass die Diskussion über eine Wiedervereinigung emotionell geführt werde und nicht mehr von der Tagesordnung abgesetzt werden könne. Der 10-Punkte-Plan BK Kohls könne aber als Versuch gewertet werden, eine sonst unkontrolliert verlaufende Strömung in der politischen Willensbildung aufzufangen.“74

Außenminister Mock unterstützte Kohls Programm auch öffentlich. Dies dürfte nicht zuletzt an der Kooperation zwischen den christdemokratisch-konservativen Parteien gelegen haben. Von Seiten der SPÖ war die Reaktion verhaltener. Klubobmann Heinz Fischer mahnte zur Zurückhaltung bei Äußerungen zur „Wiedervereinigung“, gegenüber der in weiten Kreisen ein gehöriges Maß an Skepsis fortbestanden haben dürfte.75 Für Österreichs Botschafter in Bonn Friedrich Bauer waren die „ZehnPunkte“ eine „defensiv motivierte  – innenpolitische Flucht nach vorne“ die „augenblicklich geglückt“ war. Kohl hatte klare Forderungen an die DDR gerichtet, die Voraussetzung für eine Annäherung und westdeutsche Hilfe waren. Die zurückhaltenden bis offen skeptischen, ja sogar warnenden westlichen Reaktionen verunsicherten Bonn jedoch. 40 Jahre hatte sich die Bundesrepublik demokratisch bewährt und ihre Partner hatten zumindest rhetorisch am Selbstbestimmungsrecht der Deutschen festgehalten. Nun da dieses zum Thema wurde, blieb die westeuropäische Unterstützung dafür aus. Botschafter Bauer dazu: „Außenstehendem Beobachter drängt sich zynischer Gedanke auf, dass man angesichts solcher Verbündeter keinen Feind zu fürchten hat.“76 Sowohl die innere Entwicklung der DDR , als auch die internationalen Reaktionen waren vorerst noch unabsehbar. Die „Zehn-Punkte“ wurden aber durchaus auch als Versuch gewertet, den Wiedervereinigungsgedanken in die DDR hineinzutragen. Mit Distanz von mehr als einer Woche wurde am Ballhausplatz zusammenfassend festgehalten: „Der Charakter der Reaktionen der westlichen Staaten auf 74 Österreich-Sowjetunion; Unterredung des Herrn Bundesministers mit Botschafter Schikin (29.11.1989), Aktenvermerk, Gesandter Sucharipa, Wien, 30. November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol. 1989, GZ . 225.02.01/20-II .3/89. 75 Gehler, Österreich, die DDR und die Einheit Deutschlands, 435–437. 76 BRD; Deutschlandpolitische Erklärung des Bundeskanzlers am 28.11.1989 vor dem Bundestag (Info), Botschafter Friedrich Bauer und Wolfgang Loibl an Außenamt Wien, Bonn, 30. November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/20-II .1/89.

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das Programm Kohls ist von Zurückhaltung, einer gewissen Skepsis und gelegentlich einem Unterton des Unbehagens gezeichnet.“77 Mit Helmut Kohls Besuch in Dresden am 19. Dezember 1989 wurde auch offenkundig, wie viele Menschen in der DDR eine Einheit wünschten, und fortan war der bundesdeutsche Kanzler auch entschlossen, diese rasch anzustreben.78 Für die österreichische Botschaft in Ost-Berlin war diese Entwicklung augenscheinlich. Sie hielt fest: „Die Verflechtung der beiden deutschen Staaten scheint unterschwellig aber schon so weit gediehen zu sein, insbesondere wirtschaftlich, dass die Frage der Ein- oder Zweistaatlichkeit im Lauf der Jahre immer mehr zu einer hypothetischen Frage werden wird.“79 Während Kohl in Dresden in der Menge badete, weilte Außenminister Alois Mock in Großbritannien. Er erinnert sich, dass ihn Margaret Thatcher fragte, was er „von der deutschen Wieder­vereinigung“ halte. Mock „meinte, dass wir froh sein könnten, wenn ein Volk, das zwei Generationen lang getrennt gewesen war, derart friedlich“ zusammenfinde. Allerdings sagte er „auch, dass alles das, das möglicherweise aus dieser Vereinigung entstünde, für Europa und den Frieden gefährlich werden könnte“.80 Im Vergleich zu seinen öffentlichen und gegenüber dem sowjetischen Botschafter getätigten Aussagen, schwang hier doch eine gewisse Sorge mit. Im Rahmen der Delegationsgespräche betonte Österreich das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen, hielt aber fest, dass eine Vereinigung im Rahmen des europäischen Friedensprozesses erfolgen müsse. Daraufhin erklärten die Briten: „Die britische Haltung entspreche im großen und ganzen der österreichischen. Britischerseits sei man aber besorgt, daß sich die Wiedervereinigung über den Druck der Straße und emotional bedingt vollziehen könnte, ohne daß der Westen oder der Osten etwas dagegen unternehmen kann und daß vor allem die Sicherheitsinteressen der Sowjetunion via facti unberücksichtigt bleiben. Dies könnte die Stellung Gorbatschows und den europäischen Friedensprozeß gefährden. Nach britischer Meinung sollten Garantien für die Oder-Neiße-Linie abgegeben werden. Die britische Regierung halte sich mit Kritik an Bundeskanzler Kohl aus Solidaritätsgründen mit der CDU zurück und überlasse die Kritik Frankreich und Holland.“81 77 Information für den Herrn Bundesminister. Programm Bundeskanzler Kohls zur deutschen Einigung; Reaktion der westlichen Staaten, Johann Plattner, Wien, 7.  Dezember 1989, ÖStA, AdR, II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/41-II .1/89. 78 Rödder, Deutschland, 142–146. 79 Dresdner Treffen zwischen Bundeskanzler Kohl und Ministerpräsidenten Modrow (Info), Wunderbaldinger an Außenamt Wien, Berlin (Ost), 21.  Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/57-II .3/89. 80 Für Mocks Erinnerungen an sein Gespräch mit Thatcher über die deutschen Einheit siehe das Zeitzeugengespräch von Helmut Wohnout und Michael Gehler: Alois Mock, „… die Interessen unseres Landes vertreten“, in: Helmut Wohnout (ed.), Demokratie und Geschichte. Jahrbuch des Karl von Vogelsang-Instituts zur Erforschung der christlichen Demokratie in Österreich 5 (Wien: Böhlau, 2001), 39–63, hier 54. 81 Information. Betreff: Besuch des HBM in Großbritannien (19.–21.12.1989); Gespräch Ges. Plattner mit Abteilungsleiter Synnott, Wien, 22.  Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA;­ II-Pol 1989, GZ . 518.02.25/11-II .1/89.

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Viel deutlicher konnte man britischerseits die mannigfaltigen Vorbehalte gegenüber der deutschen „Wiedervereinigung“ nicht zum Ausdruck bringen. Noch geschah dies hinter verschlossenen Türen, auch wenn insbesondere Thatchers­ Haltung kaum jemandem verborgen blieb. Anfang 1990 machte sie unter Verweis auf die Position Gorbatschows ihre Ansicht öffentlich, „dass die deutsche Einheit kein Thema sein dürfe“.82 Just in den darauf folgenden Wochen begann aber in der sowjetischen Führung ein Umdenkprozess, der immer stärker von der Einsicht geprägt war, dass die deutsche Einheit nicht aufzuhalten sei und man wenigstens Profit aus dieser schlagen sollte.83 Noch hoffte man den Prozess der Vereinigung zumindest hinauszögern zu können.84

VI. Österreich und die deutsche Einheit 1990 Nach dem Vranitzky-Besuch im November und ungeachtet der inneren Entwicklung der DDR sowie der internationalen Diskussion über die Frage der „Wiedervereinigung“ hatte die DDR-Führung auf die rasche Realisierung eines Gegenbesuchs von Modrow in Wien sowie auf eine weitere Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen gedrängt.85 Dies war Teil der immer verzweifelter werdenden Versuche, auf außenpolitischem Terrain Unterstützer der Eigenstaatlichkeit der DDR zu finden.86 So informierte der DDR-Botschafter in Österreich, Klaus Wolf, den Ballhausplatz, dass das potentiell „kontroversielle“ Thema der Wiedervereinigung bei Kohls Dresden-Besuch „ausgeklammert worden“ sei und sich nach DDR-Analyse aus Mitterrands Aussagen bei seinem DDR-Besuch schließen lässt, „dass Frankreich am Fortbestehen der DDR – bei aller Annäherung BRD -DDR – interessiert sei“.87 Bei der österreichischen Wirtschaft stieß die ihre Eigenstaatlichkeit betonende DDR auf offene Ohren. Ihre Vertreter bekundeten gegenüber der DDR konsequent das Interesse an einem Fortbestand des 82 Klaus-Rainer Jackisch, Eisern gegen die Einheit. Margaret Thatcher und die deutsche Wiedervereinigung (Frankfurt: Societäts-Verlag, 2004), 68–69. Siehe den Beitrag von Hinnerk Meyer in diesem Band. 83 Kurz und prägnant dazu György Dalos, Gorbatschow. Mensch und Macht. Eine Biografie (München: Beck, 2011), 215–217. 84 Stefan Karner/Mark Kramer/Olga Pavlenko/Peter Ruggenthaler/Manfred Wilke, Der Kreml und der deutsche Vereinigungsprozess 1989/90, in: Stefan Karner et al. (eds.), Der Kreml und die deutsche Wiedervereinigung 1990 (Berlin: Metropol, 2015), 13–108, hierzu 58–60. 85 Besuch des stv. AM der DDR , Kurt Nier, 30.11/1.12.1989; Zusammenfassung der Arbeitsgespräche, Sucharipa, Wien, 7.  Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA; II-Pol. 1989, GZ . 502.16.24/22-II .3/89. 86 Eine umfassende Analyse der Außenpolitik der Regierung Modrow steht noch aus. Siehe zusammenfassend Lehmann, Außenpolitik, 59–64. 87 Vorsprache von DDR-Botschafter Wolf am 4.  Jänner 1990, Amtsvermerk, Botschafter Erich Maximilian Schmid, Wien, 9.  Jänner 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 43.02.01/1-II .SL /90.

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ostdeutschen Staates.88 Die Wiener Diplomatie äußerte sich Anfang des Jahres 1990 gegenüber der DDR dahingehend, dass Österreich „sehr daran interessiert [sei], daß diese Prozesse ruhig verlaufen und sich in den europäischen Rahmen einordnen“. Österreich sei „gegen [eine] rasche Vereinigung“.89 In den Berichten nach Wien mahnte man aber seit Jahresbeginn ein, dass es wichtig wäre, nicht nur die politischen und wirtschaftlichen Kontakte zur DDR zu pflegen, sondern auch die, die ostdeutsche Gesellschaft direkt betreffenden Felder bedienen müsste – nicht zuletzt da der Bevölkerung das Vertrauen in ihre derzeitige politische Führung fehle. Der „Runde Tisch“ in der DDR war ins Stocken geraten, was die österreichische Diplomatie auf den bereits einsetzenden ersten echten Wahlkampf in der DDR zurückführte. Zudem hielt man einen Sturz der Regierung Modrow für jederzeit möglich.90 Die Vorbereitungsmaterialien für Modrows Gegenbesuch in Österreich, der bereits am 26. Jänner 1990 stattfand, zeigen ebenfalls deutlich, dass man seitens der DDR von einem starken österreichischen Interesse am Erhalt der DDR ausging. Auch die österreichischen Sorgen bezüglich der möglichen Rückwirkungen auf die eigenen EG -Beitrittsambitionen waren bewusst. In diesem Zusammenhang wollte man kalmierend wirken.91 Zudem beschworen DDR-Vertreter Österreich, das wirtschaftliche Feld nicht alleine der Bundesrepublik zu überlassen92  – eine Aufforderung, der man während des erneut stark wirtschaftlich geprägten Besuch Modrows in Wien gerne nachkam. Jedoch sollten auch neue Felder in den Beziehungen eine Belebung erfahren. So wurde beispielsweise die Aufhebung des Visumszwangs angestrebt und im Zuge des Besuchs auch vereinbart.93 88 Information über ein Gespräch mit dem Handelsrat der Botschaft der Republik Österreich in der DDR , Herrn Stephan Kuzmich, am 18. Januar 1990 in Berlin, verfasst von B ­ udig (Ministerium für Wissenschaft und Technik), Berlin, 22. Januar 1990, BArch, Abteilung DDR , DC/20/4961, Bl. 30. 89 Gesprächsempfehlungen. Antrittsbesuch des Botschafters der Republik Österreich, Dr. Erich Binder, beim Vorsitzenden des Ministerrates der DDR , Dr. Hans Modrow, am 24. Januar 1990, BArch, Abteilung DDR , DC 20/4961, Bl. 31. 90 „Runder Tisch“, weiter Schwierigkeiten (Info), Wunderbaldinger an BMAA , Berlin (Ost), 4. Jänner 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol. 1990, GZ . 43.03.00/3-II .3/90; Modrows Lage der Nation (Info), Wunderbaldinger und Graf an BMAA , Berlin (Ost), 11. Jänner 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 43.03.00/4-II .3/90; DDR ; Besuch von MP Modrow in Österreich (26.1.1990) Vorbereitung (Info), Botschafter Erich Binder und Graf an BMAA , Berlin(Ost), 19. Jänner 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 43.18.01/6-II .3/90. 91 Fischer übersandte diese an Modrow, Berlin, 23. Januar 1990, BArch, Abteilung DDR , DC 20/4961, Bl. 17. Siehe dazu mehr im Beitrag von Michael Gehler in diesem Band. 92 Gespräch mit Staatssekretär im MFAA Krolikowski (Info), Telefax Botschafter Binder an Außenamt Wien, Berlin (Ost), 23. Jänner 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 43.18.01/2-II .3/90. 93 Zum Besuch ausführlicher Gehler, Österreich, die DDR und die Einheit Deutschlands, 437–443; sowie Graf, Österreich und die DDR , 596–601; id., Österreich und das „Verschwinden“ der DDR , 238–240.

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Als das Gespräch der Regierungschefs auf die Frage der Vereinigung der beiden deutschen Staaten kam, verhielt sich Bundeskanzler Vranitzky angesichts der fortschreitenden Entwicklung bei gleichzeitig noch unklarer Haltung der Sowjetunion vorsichtig: „Falls sich die Deutschen für eine Vereinigung der beiden Staaten entscheiden sollten, so müsse man das respektieren. Österreich sei aber an solchen Rahmenbedingungen interessiert, die Europa nicht in Gefahr bringen und das bestehende Gleichgewicht nicht zerstören. Ein zu schneller Ablauf der Ereignisse würde jedoch ein solches Risiko in sich bergen. Alles müsse unter europäischen Aspekten beurteilt werden.“94 Das klang doch sehr ähnlich wie bei Mitterrand. Etwas anders gestaltete sich das im Zuge des ModrowBesuchs stattgehabte Gespräch der Außenminister Oskar Fischer und Alois Mock. Fischer hatte einige Tage zuvor im Gespräch mit dem sowjetischen Außenminister E ­ duard Schewardnadse erfahren, dass Gorbatschow grundsätzlich der deutschen Einheit zustimme.95 Daher unterstrich er gegenüber Mock, „dass es zur Vereinigung kommen werde; sie müsse in die Überwindung der europäischen Spaltung eingebettet sein“. Damit war Mock vermutlich der erste westliche Außenminister, der in dieser Deutlichkeit informiert wurde. Über die 94 12. Sitzung des Ministerrates vom 1. Februar 1990, BArch, Abteilung DDR , DC 20/I/3/2904, Bd. 1, Bl. 51–66, Bl. 57–62: Bericht über den Arbeitsbesuch des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR , Hans Modrow, am 26. Januar 1990 in der Republik Österreich. 95 Auch wenn Schewardnadse sinngemäß betonte, dass eigentlich niemand in Moskau oder im gesamten Europa ein Ende der deutschen Zweistaatlichkeit wollte, hielt er unmissverständlich fest, „daß die Sowjetunion den Deutschen keinesfalls das Recht auf Selbstbestimmung abspreche. Dieses Recht hätten die Deutschen in der DDR ebenso wie die Deutschen in der BRD. Ihr Wunsch nach engerer Zusammenarbeit und  – wenn es die Deutschen so entscheiden – staatlicher Einheit werde respektiert, wobei es sich verstehe, daß Einheit entsprechende Bedingungen voraussetzt. Für die Sowjetunion sei z. B. ein Deutschland in der NATO nicht hinnehmbar. Gegenwärtig sei auch nicht zu erkennen, wie bei einem Verbleib der BRD in der NATO und der DDR im Warschauer Vertrag eine staatliche Einheit der Deutschen praktisch möglich sei. Und Neutralisierungsverfahren würden vielerorts abgelehnt, sie seien nicht real.“ Zitiert nach: Vier-Augen-­Gespräch­ Oskar Fischers mit E. A. Schewardnadse anläßlich des Arbeitsbesuches des Ministers für Auswärtige Angelegenheit[en] der DDR in der UdSSR . Vermerk. [Auszug], 20.  Januar 1990 (= Dokument 33), in: Lehmann, Außenpolitik, 441–443, für das wörtliche Zitat 441. Mit dieser Einschätzung war Schewardnadse den wenig später offenbarten Plänen Modrows um Welten voraus. Aus den bisher veröffentlichten sowjetischen Dokumenten wissen wir auch, dass Gorbatschow – erstmals dokumentarisch erwähnt – just während Modrows Wien-Besuch an 26. Jänner im Kreis der sowjetischen Führung von einer „Wiedervereinigung“ sprach, deren Realisierung es „in die Länge zu ziehen“ galt. Siehe: Diskussion der deutschen Frage im Beraterstab von Generalsekretär Gorbačev am 26. Januar 1990. Erörterung der deutschen Frage im kleinen Kreis im Arbeitszimmer des Generalssekretärs des ZK der KPdSU, 26. Januar 1990 (= Dokument Nr. 66), in: ­A leksandr Galkin/Anatolij Tschernjajew (eds.), Michail Gorbatschow und die deutsche Frage. Sowjetische Dokumente 1986–1991 (München: Oldenbourg, 2011), 286–291. Ohne Angabe von Quellen und daher nicht nachprüfbar gibt György Dalos die Ausführungen Gorbatschows vom 26. Jänner als wörtliches Zitat mit noch eindeutiger Wortwahl wieder und interpre-

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sich verändernde sowjetische Haltung zur deutschen Einheit, die fortan vor allem noch an der Frage der NATO -Mitgliedschaft des geeinten Deutschlands und in weiterer Folge an dessen Gegenleistungen an Moskau hing, kann hier nicht näher eingegangen werden.96 Ende Jänner 1990 jedenfalls vermeldete die österreichische Botschaft in Moskau nach Wien: „Sowjetischerseits scheint man erkannt zu haben, dass die ‚Zeit davonzulaufen drohe‘. Die Vereinigungstendenzen in der DDR werden überhand nehmen und die S[owjetunion] wird dies nolens volens zur Kenntnis nehmen müssen.“ Zu diesem Zeitpunkt ging man davon aus, dass die Sowjetunion so lange wie möglich an der „Eigenständigkeit der DDR“ festhalten werde; eine unflexible Position aber aufgrund der Entwicklungen in der DDR nicht auf Dauer durchzustehen sein werde. Daher würde Moskau die Viermächte-Verantwortung für Deutschland hervorkehren, hat aber „im Augenblick offensichtlich auf offizieller Ebene kein Konzept, wie diese mit dem Willen der Deutschen selbst zu vereinbaren ist.“97 Damit hatte man den Nagel auf den Kopf getroffen. Aufgrund der immer offenkundiger in Richtung deutsche Einheit weisenden Stimmung in der DDR-Bevölkerung lancierte Modrow Anfang Februar nach Rücksprache mit Moskau seinen bereits in Wien angedeuteten Plan einer Konföderation zwischen den beiden deutschen Staaten, der auch eine Neutralisierungsdimension hatte. Diese wurde im Westen abgelehnt und auch Österreich fühlte sich – erneut in einer „kleinen“ Modellfalldebatte angekommen – sichtlich unwohl.98 Am Ballhausplatz war die Haltung dazu eindeutig. Nachdem der tiert diese als Vorwegnahme des Endes der DDR . Dalos, Gorbatschow, 217: „Nun ist klar, dass die Vereinigung unvermeidlich ist, und wir haben kein moralisches Recht, uns ihr zu widersetzen. Unter diesem Bedingungen müssen wir maximal die Interessen unseres Landes verteidigen, die Anerkennung der Grenzen garantieren, einen Friedensvertrag mit dem Austritt der BRD aus der NATO oder mindestens mit dem Auszug der ausländischen Truppen und der Entmilitarisierung von ganz Deutschland erreichen.“ 96 Siehe dazu rezent Wolfgang Mueller, The USSR and the Reunification of Germany, ­1989–90, in: id./Michael Gehler/Arnold Suppan (eds.), The Revolutions of 1989. A Handbook (Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2015), 321–353; id., Die Lage gleitet uns aus den Händen: Motive und Faktoren in Gorbatschows Entscheidungsprozess zur Wiedervereinigung Deutschlands, in: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED -Staat 39 (2016), 3–28; Stefan Karner et al. (eds.) Der Kreml und die deutsche Wiedervereinigung 1990 (Berlin: Metropol, 2015); sowie den Beitrag von Andreas Hilger in diesem Band. 97 SU-DDR , Einschätzung der derzeitigen Situation in der DDR durch SU-Aussenmin., SUHaltung zur deutschen Vereinigung (Info), Telefax Botschaft Moskau an BMAA , Moskau, 30. Jänner 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol. 1990, GZ . 22.17.01/12-II .3/90. 98 Gehler, Österreich, die DDR und die Einheit Deutschlands, 444–446; Oliver Rathkolb, Deutsches Unbehagen an der Neutralität Österreichs 1955 und 1990. Ein „unhistorischer“ Vergleich mit verblüffenden Parallelen, in: id./Georg Schmid/Gernot Heiß (eds.), Österreich und Deutschlands Größe. Ein schlampiges Verhältnis (Salzburg: Müller, 1990), 85–92. Zur Modellfall-Debatte 1955 siehe Michael Gehler, Modellfall für Deutschland? Die Österreichlösung mit Staatsvertrag und Neutralität 1945–1955 (Innsbruck: StudienVerlag, 2015).

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sowjetische Botschafter Schikin gegenüber Mock die DDR-Konzeption als „realistisch“ bezeichnet und sich nach der Haltung Österreichs dazu erkundigt hatte, erwiderte der österreichische Außenminister, dass Österreich „für sich keine besondere Beziehung zu diesem Problem“ sehe, „welche über dessen Bedeutung für alle europäischen Staaten hinausgehen würde“. Mock vertrat die Ansicht: „Der Eindruck der Bevormundung der Deutschen müsse vermieden werden“. Stattdessen empfahl er die „Bereitschaft der BRD -Politiker“, den bestehenden „europäischen Rahmen zu beachten“, zu nutzen. Schikin sprach Mock daraufhin auf dessen „kritische Bemerkungen […] zur Frage der Neutralisierung Deutschlands“ an „und wies darauf hin, daß die Sowjetunion den Eintritt der DDR in die NATO nicht hinnehmen könnte“. Mock „stimmte zu, daß keine Verschiebung des Gewichtes der militärischen Allianzen erfolgen sollte. Andererseits wäre eine Entlassung Deutschlands aus seinen Bindungen durch Neutralisierung gefährlich.“ Nachdem Schikin erneut „auf die Verantwortung der vier Alliierten“ hingewiesen hatte, plädierte Mock dafür, dass nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene „System der Patronanz über Deutschland in einen Status der Normalität“ zu überführen.99 Modrows Plan wurde ohnehin rasch von den Entwicklungen überholt. Die Übersiedlerzahlen drohten zu einem echten Problem für die Bundesrepublik zu werden, weshalb man zunehmend auf eine rasche Realisierung der deutschen Einheit drängte. Mit dem Angebot einer Wirtschafts- und Währungsunion hatte man endgültig die Initiative übernommen. Ende Februar war die deutsche Einheit das wichtigste – ja nahezu alles bestimmende – internationale Gesprächsthema. Gleichzeitig gingen die Widerstände im Westen zurück. Die Sowjetunion hatte zwar noch keine definitive Haltung betreffend der Realisierung der deutschen Einheit eingenommen, jedoch bereits dem Zwei-plusVier-Prozess zugestimmt.100 Nun war die österreichische Diplomatie davon überzeugt, dass die deutsche Einheit komme. Im Februar 1990 schätzte die österreichische Botschaft in Bonn ein, dass es „früher oder später“ im Jahr 1991 so weit sein würde.101 Die österreichische Botschaft in Ost-Berlin meldete nach Wien: „Kohl dränge mit sehr großem Tempo zur deutschen Einheit und es ist damit zu rechnen, dass diese noch heuer, spätestens aber nächstes Jahr verwirklicht werde.“102 Damit hatte man den zeitlichen Fahrplan recht gut erkannt.

99 Vorsprache des sowjetischen Botschafters beim HBM am 5. Feber 1990, Aktenvermerk, Erich Maximilian Schmid, Wien, 6. Februar 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/17-II .SL /90. 100 Dazu ausführlich in allen Facetten Rödder, Deutschland, 147–216. 101 BRD; Deutsche Einheit „2+4“ (Info), Telefax Botschafter Bauer und Wolfgang Loibl an BMAA , Bonn, [nach dem 21. Februar 1990], ÖStA, BMAA , II-Pol. 1990, GZ . 22.17.01/ 48-II .1/90. 102 Deutsche Einheit; die Kapitulation (der DDR) (Info), Telefax Lorenz Graf an BMAA , Berlin (Ost), 19. Februar 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/34-II .3/90.

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VII. Österreichs Abschied von der DDR Die ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 endeten (nach einem von den bundesdeutschen Parteien massiv mitgeprägten Wahlkampf) mit einem auch für Österreich überraschenden und überlegenen Sieg der von der Christlich-Demokratischen Union (CDU) geführten „Allianz für Deutschland“. Nach der Bildung einer breiten Koalition, die neben den Parteien der „Allianz“ auch den Bund der Freien Demokraten und die SPD umfasste, wurde Lothar de­ Maizière (CDU) am 12. April zum Ministerpräsidenten der DDR gewählt. Nun waren in der DDR auch in politischer Hinsicht die Weichen ganz klar auf Einheit gestellt.103 Dies war für die österreichische Diplomatie offenkundig.104 Die Bundesrepublik registrierte die österreichische Haltung zur deutschen Frage Ende April nunmehr uneingeschränkt positiv und bekräftigte ihre Unterstützung für den von Österreich angestrebten EG -Beitritt – ein Drängen auf eine beschleunigte Behandlung des österreichischen Beitrittsgesuchs hielt man aber für unangebracht.105 Als nächster Schritt der beiden deutschen Staaten folgte die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, die am 1. Juli 1990 in Kraft trat. Nach der Bildung der Regierung de Maizière begann der Abschied von den „anderen“ österreichischdeutschen Beziehungen. Österreich musste sich in seinen Handelsbeziehungen, insbesondere in Zollfragen, auf die neuen Gegebenheiten nach Inkrafttreten der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion einstellen.106 Sorgen der österreichischen Wirtschaftstreibenden, die durch den Wegfall der DDR-Geschäfte Einbußen befürchteten, sollten sich nicht bewahrheiten. Tatsächlich „profitierte Österreich von der westdeutschen Investitionswelle in die Infrastruktur der ehema­ligen DDR“ in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre.107 103 Treffend als „Volksentscheid“ zur deutschen Einheit tituliert, siehe hierzu das entsprechende Kapitel bei Rödder, Deutschland, 216–225. Die österreichische Diplomatie wertete den Wahlausgang als „Überraschung“ bzw. als „einen eindrucksvollen und in seiner Höhe überraschenden Sieg“ der „Allianz für Deutschland“. Siehe hierzu: DDR-Wahlergebnis (Info), Botschafter Binder an BMAA , Berlin (Ost), 19. März 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 43.03.00/12-II .3/90; Die Wahlen vom 18. März, Botschafter Binder an BMAA , Berlin, 21.  März 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 43.03.00/ 16-II .3/90. 104 Information. Deutsche Einheit, Stand April 1990, gezeichnet Plattner, Wien, 2.  April 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol. 1990, 22.17.01/97-II .1/90, BMEIA , ÖB Bonn RES -1990 (1–2), Karton 63. 105 Résuméprotokoll. Politischer Meinungsaustausch des HGS in Bonn (24.4.1990), gezeichnet Plattner, Wien, 26.  April 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.1/ 119-II .1/90, BMEIA . 106 Siehe zur Sicht Österreichs ausführlicher Gehler, Österreich, die DDR und die Einheit Deutschlands, 447–449. 107 Felix Butschek, Vom Staatsvertrag zur EU. Österreichische Wirtschaftsgeschichte von 1955 bis zur Gegenwart (Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2004), 200.

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Ein anderes Kapitel der Wirtschaftsbeziehungen hatte sich mit dem Ende der

DDR noch keineswegs geschlossen: Die wirtschaftlichen Aktivitäten des Apparats der KPÖ im Zusammenhang mit der DDR . Die KPÖ war über die bevorste-

hende deutsche Einheit wie erwartet nicht erfreut und retrospektiv wurde von der „Preisgabe der DDR“ gesprochen.108 Im Juni 1990 besuchte der Vorsitzende der SED -Nachfolgepartei, der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), Gregor Gysi, Österreich. Einen Besuch Gysis im Juli 1990 bei der „Bruderpartei“ in Athen hatte Der Spiegel dahingehend gedeutet, dass es darum gegangen war, Geld zu parken.109 Anzeichen über ein solches Ziel des Besuchs finden sich in dem ostdeutschen Bericht natürlich nicht. Jedoch wurde dort vermerkt: „Als ‚größter Schock‘ in der Partei wirkt nach wie vor die Entwicklung in der DDR .“110 Die Mitarbeiter des Finanzapparates der KPÖ  – allen voran Rudolfine­ Steindling  – sollen tatkräftig bei der Verschiebung des SED - und KoKo-Vermögens mitgeholfen haben. Aber auch die Namen des österreichischen Unternehmers Martin Schlaff und des letzten Außenhandelsministers der DDR Gerhard Beil wurden in diesem Zusammenhang regelmäßig genannt.111 Bevor das Novum-Vermögen unter die Verwaltung der Treuhand gestellt werden konnte, wurden Millionen durch höchst verdächtige Transaktionen von Konto zu Konto verschoben. Schließlich wurden große Summen von der Österreichi­schen Länderbank in Wien in Bargeld ausbezahlt oder verschwanden dort in anonymen Anlageformen. In den 1990er-Jahren schien es lange Zeit so, als ob sich die deutsche Justiz auf Grund der hohen Übereinstimmung von Zeugenaussagen und zeit­genössischen Quellen dem Standpunkt der KPÖ anschließen würde, dass die Novum ihr Eigentum sei. Demgemäß entschied das Berliner V ­ erwaltungsgericht im Dezember 1996. Nachdem neue Erkenntnisse aufgetaucht waren, die auf bewusste Manipulation von Beweisen hindeuteten, wurden in nächster Instanz im Jahr 2003 die Treuhanderklärungen stärker gewichtet. Das Urteil des Berliner Oberlandesgerichts sah nun den Beweis für die Eigentümerschaft der SED erbracht.112 2009 wurde der Rechtsstreit seitens der KPÖ endgültig beigelegt. Steindling zahlte im Rahmen eines Vergleichs 106 Millionen Euro an die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), die dafür ihre Ansprüche ge-

108 Franz Muhri, Kein Ende der Geschichte (Wien: Globus, 1995), 67. 109 Andreas Stergiou, Kommunistische Realpolitik. Das bizarre Verhältnis der SED zur Kommounistikó Kómma Elládas (1968–1989), in: Arnd Bauerkämper/Francesco di Palma (eds.), Bruderparteien jenseits des Eisernen Vorhangs. Die Beziehungen der SED zu den kommunistischen Parteien West- und Südeuropas (1968–1989) (Berlin: Ch. Links, 2011), 226–240, hier 239. 110 Zur Reise von Gregor Gysi in die Republik Österreich (5. bis 8. Juni 1990), Archiv des Parteivorstands Die Linke. 111 Für eine ausführliche Befassung mit diesem Komplex Andreas Förster, Auf der Spur der Stasi-Millionen: die Wien-Connection (Berlin: Argon, 1998), 185–251. 112 Siehe Malte Fischer, Die Novum Handelsgesellschaft mbH im Wirtschaftsgeflecht DDR – Österreich, in: Jochen Staadt (ed.), Schwierige Dreierbeziehung. Österreich und die beiden deutschen Staaten (= Studien den Forschungsverbundes SED -Staat an der Freien Universität Berlin 18, Frankfurt am Main: Peter Lang, 2013), 227–275, hier 260–271; für das bei

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gen Steindling fallen ließ. 128 Millionen Euro aus dem Novum-Vermögen plus Zinsen blieben verschwunden. Wer für diesen Schaden aufkommen müsse, darüber wurde bis 2013 in der Schweiz prozessiert. Im April 2013 fällte das Schweizer Obergericht des Kantons Zürich das rechtskräftige Urteil, dass die Länderbank die Behebung der Novum-Millionen nicht hätte zulassen dürfen. Während der 20 Jahre andauernden Prozesse wurde die damalige Länderbank von der Bank Austria ü ­ bernommen, die inzwischen Teil der UniCredit-Gruppe geworden ist und nun inklusive Zinsen 254 Millionen Euro an die BvS zahlen muss.113 Nach den Volkskammerwahlen am 18. März und dem folgenden Antritt der Regierung Lothar de Maizière wurden die Beziehungen noch um ein weiteres Kuriosum ergänzt. Obwohl sich das Ende der DDR abzeichnete, machten sich der österreichische Vizekanzler Josef Riegler (ÖVP) und de Maizière noch daran, zumindest zum Schein Parteikontakte zwischen der ÖVP und der CDU-Ost zu etablieren.114 Die beiden waren im Mai trotz de Maizières „sehr gedrängten Terminkalenders“ zu einem Meinungsaustausch zusammengetroffen, den der DDRMinisterpräsident zu einer ausführlichen Darlegung der eigenständigen Politik seiner Regierung nutzte und Zweifel am Vereinigungswillen der ostdeutschen Bevölkerung äußerte.115 Daraufhin hatte Riegler den Leiter der Politischen Akademie der ÖVP Andreas Khol damit beauftragt, die vereinbarte Intensivierung der Kontakte zwischen den beiden Parteien in Angriff zu nehmen. Zudem lud er de Maizière zur Eröffnung der Salzburger Festspiele nach Österreich ein,116 was dieser dankend annahm.117 Da Rieglers Vorgehen nicht mit der CDU abgestimmt war, sorgte es für eine „beträchtliche Irritation“ in Rieglers Verhältnis zu Kohl – nicht zuletzt, da dessen Beziehung zu de Maizière zu jener Zeit eben „nicht frei von Spannungen war“.118 Fischer ausgeklammerte Urteil aus dem Jahr 1996 siehe Peter Jochen Winters, Das Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR . Eine Bilanz nach acht Jahren, in: Deutschland Archiv 32 (1999) 1, 11–13. 113 Graf, Österreich und die DDR , 606. Am 30. März 2017 hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das Verfahren endgültig beendet. Die Bank Austria hatte 2016 ihre Amtshaftungsklage gegen Deutschland verloren und bekam nun kein weiteres Rechtsmittel zugestanden. Siehe dazu Renate Graber, Deutsche Justiz schließt Krimi zu KPÖ -Millionen, in: Der Standard, 7. Mai 2017. 114 Helmut Wohnout, Vom Durchschneiden des Eisernen Vorhangs bis zur Anerkennung Sloweniens und Kroatiens. Österreichs Außenminister Alois Mock und die europäischen Umbrüche 1989–1992, in: Andrea Brait/Michael Gehler (eds.), Grenzöffnung 1989. Innen- und Außenperspektiven und die Folgen für Österreich (Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2014), 185–219, hier 200. 115 Gespräch Riegler-De Maizière. Information, Botschafter Binder an BMAA , Berlin (Ost), 21. Mai 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 518.03.43/4-II .3/90. 116 Riegler an de Maizière, Wien, 21. Mai 1990, BArch, Abt. DDR , DC 20/6075, Bl. 66. 117 De Maizière an Riegler, Berlin, 28. Juni 1990, BArch, Abt. DDR , DC 20/6075, Bl. 65; Profil, 12. Oktober 2009 und 19. Oktober 2009. Für weitere Informationen zum Interview mit de Maizière danke ich Otmar Lahodynsky. 118 Wohnout, Vom Durchschneiden des Eisernen Vorhangs, 200 und Fußnote 47.

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Im Sommer 1990, als die Einheit schon beschlossen war, absolvierte de Maizière am 25. Juli noch einen offiziellen Besuch in Österreich. Es war das dritte Zusammentreffen auf Ebene der Regierungschefs zwischen Österreich und der DDR seit dem „Mauerfall“. Als ihn Bundeskanzler Vranitzky am Flughafen fragte, ob er das erste Mal in Österreich sei, antwortete er: „Ich bin überall zum ersten Mal.“ Ursprünglich war für den Folgetag ein Treffen zwischen de Maizière und Kohl an dessen Urlaubsort St. Gilgen vorgesehen, das dann aber nicht stattfand. Das Unterbleiben der deutsch-deutschen Begegnung in Österreich war der österreichischen Regierung schon angesichts der möglichen Optik im Ausland nur allzu recht.119 Ein Schwerpunkt des Besuchs – zu dem bisher kein Gesprächsprotokoll aufgefunden werden konnte – lag darauf, zu betonen, dass die traditionell guten Beziehungen zu diesem „Raum“ im vereinigten Deutschland aufrechterhalten und weiter ausgebaut werden sollten.120 In diesem Sinne wurden auch noch im Sommer 1990 kulturelle Vereinbarungen mit der DDR geschlossen.121

VIII. Österreichs und die deutsche Einheit – eine Bilanz Nachdem im Juli 1990 der Durchbruch im internationalen Maßstab erfolgt war, gratulierte Österreich zur deutschen Einheit, die am 3. Oktober 1990 vollzogen wurde.122 Bundeskanzler Vranitzky tat dies in einer Erklärung123 und in einem Schreiben an Kohl in dem er ausführte: „Ich […] möchte Ihnen an diesem großen Tag der deutschen Geschichte auch die aufrichtigen Glückwünsche der österreichischen Bundesregierung, die von den Menschen unseres Landes mitgetragen werden, übermitteln, an die ich meine ganz persönlich empfundene Gratulation anschließe. Gerade in Österreich wurde die Teilung Europas, die die Nachkriegsordnung diesem Kontinent auferlegt hat, immer besonders schmerzlich empfunden, und wir begrüßen nun – im größeren Zusammenhang der politischen Veränderungen in Zentral- und Osteuropa – die erfolgreiche und mit internationaler Zustimmung erreichte Vereinigung Deutschlands auch als einen weiteren Schritt der grundlegenden Umgestaltung der politischen Verhältnisse in Europa. 119 De Maizière reiste allerdings bereits am 31. Juli erneut nach Österreich und traf mit Kohl in St. Gilgen am Wolfgangsee zusammen, wo sich die beiden deutschen Regierungschefs über „die Verhandlungen zum Einigungsvertrag und zum Wahlvertrag“ austauschten. Siehe Europa-Archiv 16/1990, Z. 170. 120 Gehler, Eine Außenpolitik der Anpassung an veränderte Verhältnisse, 519–520. 121 Andrea Brait, Kultur als Grenzöffner? Motive und Schwerpunkte der österreichischen Kulturaußenpolitik im Verhältnis zu seinen östlichen Nachbarn in den Jahren 1989–91, in: Zeitgeschichte 41 (2014) 3, 166–183. Mehr dazu im Beitrag von Andrea Brait in diesem Band. 122 Gehler, Österreich, die DDR und die Einheit Deutschlands, 449. 123 Erklärung von Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky anlässlich der deutschen Einigung am 3. Oktober 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.03.00/26-II .1/90.

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Wir sind davon überzeugt, dass es auch in seiner neuen Form und unbeschadet der großen innen- und wirtschaftspolitischen Aufgaben, die nun vor Ihnen liegen, immer seinen Beitrag zu der neuen Architektur Europas, zu einem Europa der immer stärkeren Gemeinsamkeit in Freiheit, Frieden und Sicherheit, leisten wird.“124

Die in diesem Schreiben Vranitzkys zum Ausdruck kommende, schlussendlich eindeutig positive Haltung Österreichs zur deutschen Einheit ist nicht ohne die österreichische „Ostpolitik“ im Kalten Krieg, der seit 1987 forcierten Integra­ tionspolitik und insbesondere der Entwicklung der bilateralen Beziehungen zur DDR seit Mitte der 1970er-Jahre zu erklären. Dies lag nicht zuletzt an den engen wirtschaftlichen Beziehungen zum „anderen“ deutschen Staat, die man auch nach dem Mauerfall gerne weiterführen, ja sogar noch ausweiten wollte. Darüber hinaus kann das Ende der DDR nicht ohne angemessene Berücksichtigung der österreichisch-ungarischen Beziehungen und der seit den 1970er-Jahren durchlässigeren Grenze am Eisernen Vorhang erzählt werden. Die Grenzöffnung 1989 muss als Endpunkt eines langen Prozesses gewertet werden, der natürlich auch innerungarische Ursachen hatte, ohne Österreich aber wohl kaum in dieser Form stattgefunden hätte. Trotz aller inneren Zersetzungserscheinungen der DDR verursachte die Grenzöffnung einen gravierenden Riss in der Mauer. Die Verbindung dieser beiden Vorgeschichten stellt den Hintergrund der österreichischen Haltung zur Frage der „Wiedervereinigung“ dar – einer Frage, der man sich ohne Absicht auch durch eigenes Zutun ausgesetzt hatte. Im Gegensatz zu den österreichisch-ungarischen Beziehungen liegen zum Verhältnis Ungarns zu den beiden deutschen Staaten bisher kaum quellengestützte Forschungsarbeiten jüngeren Datums vor. Mit Blick auf das in den 1980er-Jahren zunehmend schwieriger werdende Verhältnis zwischen Ungarn und der DDR , der gleichzeitigen Intensivierung der Beziehungen zwischen Bonn und Budapest und der Bedeutung, die der Grenzöffnung 1989 im heutigen ungarisch-deutschen Verhältnis beigemessen wird, ist dies mehr als verwunderlich. Im Zuge der OstWest-Entspannung der 1970er-Jahre erreichte auch das Verhältnis zwischen Ungarn und der Bundesrepublik ein ausgezeichnetes Niveau. Dieses war politisch und wirtschaftlich vergleichbar mit jenem zu Österreich, allerdings aufgrund der indirekten Nachbarschaft weniger intensiv; zudem spielte der Faktor Grenze bis 1989 keine Rolle. Noch im Sommer 1989 war Bonn keineswegs sicher, wie sich Ungarn in der Flüchtlingsfrage verhalten würde. Die bereits bestehenden guten politischen Beziehungen und die wirtschaftlichen Nöte Ungarns, das auf westliche Kredite angewiesen war, haben aber mit Sicherheit erheblich dazu beigetragen, die Grenzöffnung in der schlussendlich erfolgten Form zu ermöglichen.125 Ohne der „langen“ österreichisch-ungarischen Vorgeschichte, die den 124 Vranitzky an Kohl, 3.  Oktober 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.03.00/ 26-II .1/90. 125 Den umfassendsten Überblick bietet bezeichnenderweise die der Memoirenliteratur zuzurechnende Publikation des ehemaligen ungarischen Botschafters in der Bundesrepublik István Horváth, Die Sonne ging in Ungarn auf. Erinnerungen an eine besondere

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„Eisernen Vorhang“ durchlässiger gemacht hatte und 1989 in seinem Abbau gipfelte, wäre dies aber wohl kaum derart möglich gewesen. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist Michael Gehlers Interpretation der Haltung Österreichs zur deutschen Einheit zuzustimmen. Diese wird durch die Erkenntnisse aus den DDR-Quellen und den bisher ausgewerteten österreichischen Akten bestärkt. Über die weitere Haltung Vranitzkys nach seinem zweiten Zusammentreffen mit Modrow im Jänner 1990 urteilt Gehler: „Der österreichische Bundeskanzler betrieb ab Februar/März 1990 nach der Abwahl Modrows eine Politik der Anpassung an die geänderten Verhältnisse und stellte sich schließlich positiv zur deutschen Einheit auf der Linie von François Mitterrand und Margaret Thatcher, die das Weiterleben der DDR vorerst sowohl für möglich als auch für erstrebenswert hielten, um dann nach der Erkenntnis der Aussichtslosigkeit eines solchen Unternehmens mangels besserer Alternativen umzuschwenken.“126

Inwiefern Vranitzkys Haltung primär wirtschaftlichen Interessen geschuldet war oder doch eine andere (parteipolitische)  Schlagseite hatte, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Aus den seither bekannt gewordenen Akten lässt sich vor allem eine gewisse Analogie zu Mitterrand erkennen, der  – nachdem ihn die rasante Abfolge der Ereignisse vom Herbst 1989 überrollt hatte – eine Einbettung der deutschen Einheit in den europäischen Einigungsprozess anstrebte.127 Dagegen war es auch im Frühjahr 1990 noch unmöglich, die in dieser Frage zunehmend isolierte britische Premierministerin zu einer positiven Haltung zur deutschen Einheit zu bewegen.128 Als Vranitzky Anfang Freundschaft (München: Universitas Verlag, 2000); Haus der Geschichte Baden-Württemberg/Kulturinstitut der Republik Ungarn (Hg.) Ungarn und Deutschland – eine besondere Beziehung (Tübingen: Silberburg-Verlag, 2002). Zusammenfassend auf der zeitgenössischen Perspektive vor 1989 siehe Gyula Józsa, Die Bundesrepublik Deutschland und Ungarn – Traditionell gute Beziehungen über Systemgrenzen hinweg, in: Othmar Nikola Haberl/Hans Hecker (eds.), Unfertige Nachbarschaften. Die Staaten Osteuropas und die Bundesrepublik Deutschland (Essen: Reimar Hobbing, 1989). Quellengestützt wird die Thematik von Andreas Schmidt-Schweizer bearbeitet. Siehe dazu seinen Beitrag in diesem Band und die darin enthaltenen weiterführenden Literaturverweise. 126 Gehler, Österreich, die DDR und die Einheit Deutschlands, 452. 127 Siehe für diese Interpretation Christian Wenkel, Auf der Suche nach einem „anderen Deutschland“. Das Verhältnis Frankreichs zur DDR im Spannungsfeld von Perzeption und Diplomatie (München: De Gruyter, Oldenbourg, 2014), 497–504. 128 Damit isolierte sie sich im Frühjahr 1990 auch in ihrem eigenen Kabinett, die Zwei-plusVier-Verhandlungen fielen zur Gänze in die Verantwortung des Foreign Office, das eine wesentlich konstruktivere Rolle spielte. Dennoch prägte ihre persönliche Haltung lange Zeit das Bild der britischen Haltung zur deutschen Einheit. Eindrücklich hierzu die Schlussbetrachtung von Jackisch, Eisern gegen die Einheit, 303–319. Dieses Bild wurde durch Aktenveröffentlichungen in der Zwischenzeit klarer. Siehe: Keith Hamilton/­ Patrick Salmon/Stephen Twigge (eds.), Documents on British Policy Overseas (DBPO), Series III, Vol. VII: German Unification, 1989–1990 (London/New York: Routledge, 2010). Für eine rezente Analyse unter Berücksichtigung dieser Edition siehe Klaus Larres, Margaret Thatcher and German Unification Revisited, in: Wolfgang Mueller/Michael Geh-

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Mai in London mit Thatcher, die die deutsche Einheit jedenfalls aus Überzeugung abgelehnt hatte, zusammentraf, stimmten die beiden überein, dass die bundesdeutsche Führung die nach der Erlangung der Einheit anstehenden Aufgaben, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht, unterschätze. Eine gewisse (in dieser Hinsicht aber jedenfalls berechtigte) Skepsis war also beiden geblieben.129 Ein entscheidender „Hintergrund“ bei dieser Veränderung der österreichi­ schen Haltung lag „im Wunsch nach gesamtdeutscher Unterstützung für den angestrebten EG -Beitritt“  – einen Beitritt, den das Gebiet der DDR mit Vollzug der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 bereits erreicht hatte. Vermutlich auch deshalb „blieb das französische Misstrauen bezüglich einer weiteren Stärkung der ‚deutschen Stimme‘ in der EG“,130 das bereits 1989 deutlich zu verspüren war,131 noch eine Weile bestehen. Die Gespräche Vranitzkys mit Mitterrand 1990 waren ausschließlich von der Integrationsfrage bestimmt.132 Erst 1991 bekam der Beitrittswerber Österreich von der EG -Kommission ein positives Zeugnis ausgestellt, die Beitrittsverhandlungen begannen im Februar 1993; zwei Jahre später wurde Österreich nach einer Volksabstimmung, bei der sich rund zwei Drittel der Wähler für einen Beitritt aussprachen, und nicht zuletzt dank deutscher Unterstützung Mitglied der Europäischen Union.133

ler/Arnold Suppan (eds.), The Revolutions of 1989. A Handbook, (Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2015), 355–384. Siehe auch den Beitrag von Hinnerk Meyer in diesem Band. 129 Aktennotiz. Gespräch des Herrn Bundeskanzlers mit Premierminister Margaret ­Thatcher, London, 8.  Mai 1990, GZ .706.02/119-II .1/90, Kreisky-Archiv, Depositum Franz Vranitzky, AP, „Box BK Bayern 1991; BK USA 1990; BK Liechtenstein; BK Bulgarien; BK Bordeaux, London, Dublin; BK Düsseldorf; BK Schweden; BK Rumänien. 130 Gehler, Eine Außenpolitik der Anpassung an veränderte Verhältnisse, 525. 131 Der damalige Bürgermeister von Paris Jacques Chirac betonte in einer öffentlichen Äußerung, er hielte Österreich für einen der drei deutschen Staaten. Siehe dazu Öffentliche Äußerungen von Bürgermeister Chirac über Österreich. Drei-deutsche-Staaten-Theorie. Staatliche Wiedervereinigung (Info); Telefax Botschafter Wolfgang Schallenberg an BMAA , Paris, 10. November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 517.00.26/6II .1/89; Frankreich und die Umwälzungen in Osteuropa; Wiedervereinigung Deutschlands; Rolle Österreichs (Info); Botschafter Schallenberg an BMAA , Paris, 20. November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II . Pol. 1989, GZ . 57.02.02/11-II .1/89. 132 Aktennotiz. Gespräch des Herrn Bundeskanzlers mit Präsident Mitterrand, Bordeaux, 7. Mai 1990, Kreisky-Archiv, Depositum Franz Vranitzky, AP, box „BK Bayern 1991; BK USA 1990; BK Liechtenstein; BK Bulgarien; BK Bordeaux, London, Dublin; BK Düsseldorf; BK Schweden; BK Rumänien“. Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky; offizieller Besuch in Paris, 1.  Oktober 1990, Botschafter Wolfgang Schallenberg an BMAA , Paris, 2. Oktober 1990, Zl. 545-RES/90, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 518.01.57/3.II .1/90. 133 Gehler, Eine Außenpolitik der Anpassung an veränderte Verhältnisse, 525. Zu Österreichs Integrationspolitik: Michael Gehler, Österreichs Weg in die Europäische Union (Innsbruck: StudienVerlag, 2009).

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Von der Befürwortung zur Verzögerung und Verhinderung: Österreichs EG-Antragsgesuch, die Bundesrepublik und die Annäherungen der DDR an die Europäischen Gemeinschaften 1989–1990*

I. Einleitung Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem noch nicht eingehend erforschten Verhältnis zwischen der Bundesrepublik, der DDR und Österreichs zu den Europä­ ischen Gemeinschaften (EG) im Kontext der dringender werdenden deutschen Frage der Jahre 1989/90. Dabei geht es um drei Fragenkomplexe: erstens wie die österreichischen EG -Beitrittsbemühungen durch die dynamische deutsch-deutsche Entwicklung berührt wurden, zweitens inwieweit die DDR noch auf eine stärkere Heranführung an die EG setzte bzw. sogar auf eine direkte Einbindung durch Vollmitgliedschaft hoffte, um ihre Fortexistenz zu sichern, und drittens wie die bundesdeutsche Seite auf diese integrationspolitischen Absichten in Wien und Ost-Berlin reagierte. 1. Forschungsstand

Die Beziehungen zwischen Österreich und der DDR sind auf diplomatisch-staatlicher wie auf handels-, devisen-, investitions-, partei- und kulturpolitischer Ebene insbesondere durch Maximilian Graf bereits sehr gut erforscht worden.1 * Der vorliegende Aufsatz ist ein Ergebnis des FWF-Projekts P 26439-G15 „Aktenedition: Osterreich und die Deutsche Frage 1987 bis 1990“. 1 Stefan Gron, „Partner DDR“? Zur Entwicklung der bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und der DDR , Diplomarbeit Universität Wien, 2005; Maximilian Graf, Österreich und die DDR 1949–1989/90. Beziehungen – Kontakte – Wahrnehmungen, phil. Diss. Universität Wien, 2012; id., Österreich und die DDR 1949–1990. Politik und Wirtschaft im Schatten der deutschen Teilung (= Internationale Geschichte/International History 3, Österreichische Akademie der Wissenschaften/Philosophisch-Historische Klasse/Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung 3, Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2016); id., Austria and the GDR 1949–1972. Diplomatic and Political Contacts in the Period of Non-recognition, in: Arnold Suppan/Maximilian Graf (eds.), From the Austrian Empire to Communist East Central Europe (= Europa Orientalis 10, Wien: Lit-Verlag, 2010), 151–177; id., Ein verdrängtes bilaterales Verhältnis. Österreich und die DDR 1949–1989/90, in: Zeitgeschichte 39 (2012) 2, 75–97; id., Die DDR im „Ostblock“ 1949–1972. Berichte öster-

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Für die Beziehungen zwischen Österreich und der Bundesrepublik kann dies nur für die Zeit bis in die 1960er-Jahre gesagt werden.2 Die Frage der Integration der DDR in die EG ist anhand gedruckten und publizierten Materials gut aufgearbeitet.3 Das Verhältnis Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften ist auch im Überblick dokumentiert und erforscht,4 aber die spezifischen Zusammenreichischer Diplomaten, in: Jochen Staadt (ed.), Schwierige Dreierbeziehung. Österreich und die beiden deutschen Staaten (= Studien den Forschungsverbundes SED -Staat an der Freien Universität Berlin 18, Frankfurt am Main: Lang, 2013), 29–80; id./Michael Rohrwasser, Die schwierige Beziehung zweier „Bruderparteien“. SED, KPÖ, Ernst ­Fischer und Franz Kafka, in: Jochen Staadt (ed.), Schwierige Dreierbeziehung. Österreich und die beiden deutschen Staaten (= Studien den Forschungsverbundes SED -Staat an der Freien Universität Berlin 18, Frankfurt am Main: Lang, 2013), 137–178; Maximilian Graf, Die SED -Grundorganisation in Wien. Wie die DDR-Auslandskader das Ende der DDR erlebten, in: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED -Staat 34 (2013), 80–97; id., Parteifinanzierung oder Devisenerwirtschaftung? Zu den Wirtschaftsbeziehungen von KPÖ und SED, 1946–1989, in: Jahrbuch für historische Kommunismusforschung (2014), 229–247; id., Österreich und das „Verschwinden“ der DDR . Ostdeutsche Perzeptionen im Kontext der Langzeitentwicklungen, in: Andrea Brait/Michael Gehler (eds.) Grenzöffnung 1989: Innen- und Außenperspektiven und die Folgen für Österreich (= Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für Politisch-Historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2014), 221–242. Für Anregungen danke ich Frau Sophie Bitter-Smirnov MA , Dr. Maximilian Graf und Dr. Andreas Pudlat. 2 Engelbert Washietl, Österreich und die Deutschen (Wien: Überreuter, 1987); Gabriele Holzer, Verfreundete Nachbarn. Österreich  – Deutschland. Ein Verhältnis (Wien: Kremayr&Scheriau, 1995); Matthias Pape, Ungleiche Brüder. Österreich und Deutschland 1945– 1965 (Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2000); Rolf Pfeiffer, Eine schwierige und konfliktreiche Nachbarschaft. Österreich und das Deutschland Adenauers 1953–1963 (= Forschungen zur Geschichte der Neuzeit, Marburger Beiträge 7, Münster/Hamburg/London: Lit-Verlag, 2003); Michael Gehler/Rudolf Agstner (eds.), Einheit und Teilung. Österreich und die Deutschlandfrage 1945–1960. Eine Edition ausgewählter Akten. Festschrift für Rolf Steininger zum 70. Geburtstag (Innsbruck/Wien/Bozen: StudienVerlag, 2013); Michael Gehler, Modellfall für Deutschland? Die Österreichlösung mit Staatsvertrag und Neutralität 1945–1955 (Innsbruck/Wien/Bozen: StudienVerlag, 2015); Michael Ebert, Bonn – Wien. Die deutschösterreichischen Beziehungen von 1945 bis 1961 aus westdeutscher Perspektive unter besonderer Berücksichtigung der Österreichpolitik des Auswärtigen Amtes (Berlin: Verlag im Internet GmbH, 2003). 3 Beate Kohler-Koch (ed.), Die Osterweiterung der EG. Die Einbeziehung der ehemaligen DDR in die Gemeinschaft (Baden-Baden: Nomos-Verlag, 1991); Klaus-Peter Schmidt, Die Europäische Gemeinschaft aus der Sicht der DDR (1957–1989) (Hamburg: Kovač, 1991); Barbara Lippert/Rosalind Stevens-Ströhmann, German Unification and EC Integration. German and British Perspectives (Pinter Publishers: London, 1993); Carsten Meyer, Die Eingliederung der DDR in die EG (Köln: Verlag Wissenschaft und Politik, 1993); Dieter Grosser, Das Wagnis der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion. Politische Zwänge im Konflikt mit ökonomischen Regeln (= Geschichte der Deutschen Einheit 2, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1998). 4 Michael Gehler, Der lange Weg nach Europa. Österreich vom Ende der Monarchie bis zur EU, Band 1: Darstellung (Innsbruck/Wien/München/Bozen: StudienVerlag, 2002); id. (ed.), Der lange Weg nach Europa. Österreich von Paneuropa bis zum EU-Beitritt, Band. 2: Dokumente (Innsbruck/Wien/München/Bozen: StudienVerlag, 2002); id., Vom Marshall-Plan zur EU.

Österreichs EG-Antragsgesuch, die Bundesrepublik und die DDR

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hänge zwischen österreichischer EG -Beitrittsambition im Kontext der deutschen Frage und der erodierenden DDR sind noch nicht herausgearbeitet, weshalb dieser Aufsatz hier einen ersten Vorstoß auf Aktenbasis unternimmt. Zunächst gilt es, die lange, insgesamt schon für die Jahrzehnte ab 1945/49 gut aufgearbeitete Vorgeschichte der trilateralen Beziehungen kurz zu umreißen. 2.

Österreich, die Bundesrepublik und die DDR im EG-Kontext

Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten vor 1989/90 hatte sich über die Jahre von 1949 bis 1989 kontinuierlich entwickelt. Zur Bundesrepublik bestanden aufgrund der mehr oder minder stark betriebenen österreichischen Außenpolitik der Westorientierung5 weit engere und intensivere handelspolitische, ökonomische und kulturelle Beziehungen. Dabei spielte vor allem auch der Fremdenverkehr eine nicht unerhebliche Rolle. Ganz anders, nämlich sehr abwartend und weit weniger intensiv gestaltet, waren hingegen zunächst die Beziehungen zum ostdeutschen Staat. Nichtsdestotrotz waren die Kontakte zur DDR nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen ab 1972 von schrittweiser Normalisierung, wechselseitiger Besuchsdiplomatie, bewusst gesuchter und eingegangener Handelspartnerschaft und gut entwickelten Wirtschaftsbeziehungen gekennzeichnet, die freilich weit hinter der Stärke von jenen mit der Bundesrepublik zurückblieben. Österreich verstand es, insbesondere unter Außenminister (1959–1966) und Bundeskanzler (1970–1983) Bruno Kreisky, nach dem Ende der Besatzungszeit (1945–1955) sowie zudem im Zeichen von Kaltem Krieg und Ost-West-Konflikt – sich außenpolitisch zwischen den beiden deutschen Staaten und ihren Blockeinbindungen (EWG und NATO sowie RGW und Warschauer Pakt) durch die EFTA und die „immerwährende“ Neutralität nach außen ideologisch, integrations- und sicherheitspolitisch gut abzugrenzen und im Inneren identitätspolitisch neu zu positionieren.6 Das deutsch-deutsche Verhältnis war im EG -Kontext durch eine besondere Konstellation gekennzeichnet: Die DDR hatte aufgrund des als Anhang zu den Römischen Verträgen vereinbarten „Protokolls über den innerdeutschen Handel Österreich und die europäische Integration von 1945 bis zur Gegenwart (Innsbruck/Wien/ Bozen: StudienVerlag, 2006); id., Österreichs Weg in die Europäische Union (Innsbruck/­ Bozen/Wien: StudienVerlag, 2009). 5 Michael Gehler, Österreichs Außenpolitik der Zweiten Republik. Von der alliierten Besatzung bis zum Europa des 21. Jahrhunderts, 2 Bände (Innsbruck/Wien/Bozen: StudienVerlag, 2005). 6 Siehe hierzu den ersten österreichischen Botschafter in der DDR Friedrich Bauer, BerlinOst – Bonn: Erfahrungen eines österreichischen Botschafters in der DDR 1973–1977 und der Bundesrepublik 1986–1990; id., „Ich habe bis heute größere Sympathien für Deutsche in der ehemaligen DDR“, beides in: Michael Gehler/Hinnerk Meyer (eds.), Deutschland, der Westen und der europäische Parlamentarismus. Hildesheimer Europagespräche I (= Historische Europa-Studien 5, Hildesheim/Zürich/New York: Olms, 2012), 39–51, 52–88.

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und die damit zusammenhängenden Fragen“ vom 25. März 1957 schon einen direkten Zugang zum bundesdeutschen Markt und damit in Folge auch zum EG Markt. Das Protokoll bestätigte, dass der Handel zwischen der Bundesrepublik und der DDR „Bestandteil des innerdeutschen Handels“ ist, sah aber auch eine Schutzklausel vor, denn jeder Mitgliedstaat konnte „geeignete Maßnahmen treffen, um zu verhindern, daß sich für ihn aus dem Handel eines anderen Mitgliedstaats mit den deutschen Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland Schwierigkeiten ergeben“. So hatte die DDR immer einen besonderen Status im Verhältnis zur EG gehabt. Die bundesdeutsche Außengrenze zur DDR war keine Außengrenze der EG. Nicht nur West-, sondern auch Ostdeutschland waren wegen des bestehenden „Interzonenhandels“ an der Beibehaltung dieser Konstellation sehr interessiert.7

II.

Österreichs EG-Beitrittsambitionen im Lichte der deutsch-deutschen Entwicklung 1987–1990

1.

Helmut Kohl befürwortet das österreichische EG-Anliegen und sieht im Alpentransit das größte Hindernis (1987)

Im Januar 1987 bildete sich in Wien eine Große Koalition aus SPÖ und ÖVP unter Bundeskanzler Franz Vranitzky sowie Außenminister und Vizekanzler Alois Mock. Sie schlug seit Dezember 1987 mehr und mehr einen Annäherungskurs zur EG ein. Am 17. Juli 1989, der Brief war auf den 14. Juli datiert worden, stellte Österreich einen Antrag auf Vollmitgliedschaft in Brüssel. Wenige Monate später erfolgte die Öffnung des Grenzübergangs an der Bornholmer Straße in Berlin, was noch im gleichen Monat zur Bildung einer reformorientierten DDRRegierung unter Hans Modrow, ab 18.  März 1990 zur ersten frei gewählten DDR-Regierung unter Lothar de Maizière und durch eine rasante Entwicklung der deutsch-deutschen und internationalen Beziehungen am 3.  Oktober 1990 zur deutschen Einheit führte. Welche Zusammenhänge bestanden nun zwischen diesen Ereignissen? Am 6. Oktober 1987 fand während des Besuchs Alois Mocks beim deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl in Bonn ein denkwürdiges wie aufschlussreiches Gespräch mit Blick auf Österreichs Integrationspolitik statt. Kohl erwähnte einleitend die psychologischen Schwierigkeiten, denen sich Österreich gegenübersehe, und hielt die Geringschätzung der österreichischen Aufbauleistungen nach dem Zweiten Weltkrieg für „ein großes Unrecht“. Man würde sich in der Fortsetzung des seit dem Staatsvertrag eingeschlagenen Weges nicht beeinträchtigen 7 Andreas Pudlat, Die „Spaltungsverträge“  – Das SED -Blatt „Neues Deutschland“ und die Römischen Verträge, in: Michael Gehler (ed.), Vom gemeinsamen Markt zur europä­ ischen Unionsbildung. 50 Jahre Römische Verträge 1957–2007 (Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2009), 521–540.

Österreichs EG-Antragsgesuch, die Bundesrepublik und die DDR

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lassen. Sofern es in diesem Bereich für ihn eine Handlungsmöglichkeit gebe, sei er gerne bereit, „hilfreich zu sein“.8 Diese bemerkenswerte Auffassung und Einschätzung ist auch vor dem Hintergrund der Wahl von Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten Österreichs im Jahr 1986 zu sehen. Waldheim war aufgrund seiner Funktion als Ordonanz-Offizier (I.c) der Deutschen Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs am Balkan höchst umstritten und seine Amtszeit vom Ausschluss von der internationalen Staatengemeinschaft und vom Boykott von internationalen Besuchen in Wien gekennzeichnet.9 Kohl hatte Verständnis für die schwierige politische ­Situation Österreichs. Zwar hegte er keine persönlichen Sympathien für den von der internationalen Staatengemeinschaft geächteten österreichischen Bundespräsidenten, aus seiner Sicht war ihm aber Unrecht geschehen.10 Die Waldheim-Problematik hatte im April 1987 eine Verschärfung erfahren, als das US -Justizministerium die so genannte Watchlist-Entscheidung getroffen hatte, d. h. dem österreichischen Bundespräsidenten eine Einreise in die Vereinigten Staaten untersagte. Dies führte zu einem Beschluss der Bundesregierung, in dem die Entscheidung zurückgewiesen und das Staatsoberhaupt Österreichs gegen unberechtigte Vorwürfe in Schutz genommen wurde.11 Was die Fortentwicklung der EG anging, äußerte Kohl die Ansicht, dass „in zehn Jahren eine durchaus neue Lage vorstellbar“ sei. Er gehe davon aus, dass eine weitere Zunahme an Mitgliedern mit einer Entfernung von den Grundideen der Römischen Verträge Hand in Hand gehen würde. Die Bundesrepublik werde, vor allem, wenn sie demnächst die EG -Präsidentschaft übernähme, nachdrücklich darum bemüht sein, sämtliche für die Verwirklichung des Binnenmarktes erforderlichen Vorhaben zur Entscheidung zu bringen. Er hege allerdings Zweifel, ob der politische Integrationsprozess im vorgegebenen Rahmen vorangehen werde. Diesbezüglich gehe er eher von der „Bildung eines politischen Nukleus“ aus, der neben der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich weitere drei bis vier Staaten umfassen könnte. Diese „engere Gruppierung“ wäre auf Grundlage eines Annexes oder einer spezifischen Interpretation der Römischen 8 Gespräch Bundeskanzler Dr. Kohl mit Vizekanzler Dr. Mock in Bonn am 6. Oktober 1987. Information, Johann Plattner, Wien, 12. Oktober 1987, 487-Res/87, ÖStA, AdR, BMAA ,­ II-Pol 1987, GZ . 518.02.42/18-II .1/87. 9 Michael Gehler, „… eine grotesk überzogene Dämonisierung eines Mannes…“ Die Waldheim-Affäre 1986–1992, in: id./Hubert Sickinger (eds.), Politische Skandale und Affären in Österreich. Von Mayerling bis Waldheim (Wien/Thaur/München: Kulturverlag, 1995, 2 1996; Nachdruck: Innsbruck/Wien/Bozen: StudienVerlag, 2008), 614–665. 10 Siehe die aufschlussreichen Randbemerkungen Kohls über die Waldheim-Affäre auch im Kontext des Jüdischen Weltkongresses und seines Präsidenten Edgar Bronfman, in: Günter Buchstab/Hans-Otto Kleinmann (Bearb.), Helmut Kohl, Berichte zur Lage 1989–1998. Der Kanzler und Parteivorsitzende im Bundesvorstand der CDU Deutschlands (= Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 64, Düsseldorf: Droste, 2012), 188, 504, 747, 958. 11 „Österreichs Rolle als Opfer unterstrichen. Der Chef der ÖVP sieht Angriffe gegen Waldheim und Österreich im Lichte von Unabhängigkeit Österreichs“, in: Salzburger Nachrichten, 12. Mai 1987.

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Verträge zu bilden. Im Mittelpunkt eines Nukleus der EG sollte wohl „die Sicherheitszusammenarbeit“ stehen. Angesichts dieser Perspektiven für die Weiterentwicklung der Gemeinschaften wäre es für Österreich wichtig, keine weitere Abschottung gegenüber der EG zu betreiben. Auf der anderen Seite sollte die EG „möglichst alle Tore gegenüber Österreich öffnen bzw. offen halten“. In dieser Hinsicht sei er bereit, „Österreich in jeder Beziehung entgegen zu kommen“. In Anspielung auf das österreichische Gedenkjahr „50 Jahre Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich“ meinte Kohl spontan, dass man angesichts dieser bevorstehenden Reminiszenzen „Rückgrat zeigen sollte, um weiterhin glaubwürdig zu erscheinen“. Zu den Fragen des Nord-Süd-Transits stellte er fest, dass er persönlich der österreichischen Sorge wegen einer Überflutung durch den Durchzugsverkehr mit Sympathie gegenüberstehe. Allerdings müssten Maßnahmen wie die Aufhebung der Jahresmautkarte früher oder später zu bundesdeutschen Gegenmaßnahmen führen.12 Der deutsche Bundeskanzler unterstrich die Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen, Österreich zu helfen, als er sich am 27. Oktober in einem persönlichen Schreiben an Jacques Delors wandte, in dem er verdeutlichte, dass in der europäischen Verkehrspolitik der die Alpen überquerende Verkehr zu einem „zentralen Problem“ geworden sei. Wegen der geographischen Lage Österreichs und der Schweiz gleichermaßen inmitten der EG müsse ein großer Teil des innergemeinschaftlichen Verkehrs dieser Länder im Transit erfolgen. Seit dem Beitritt Griechenlands zur Gemeinschaft sei Jugoslawien ebenfalls in den Transitverkehr einbezogen. Die beförderten Gütermengen im Straßentransitverkehr hätten in den letzten Jahren stark zugenommen. Hauptbetroffener sei Österreich, da sich der Verkehr durch restriktive Maßnahmen der Schweiz in erster Linie auf dieses Land konzentriere. Die betroffene Bevölkerung sei nicht länger bereit, die damit verbundenen Umweltbelastungen und Beeinträchtigungen ihres Lebensraumes weiter hinzunehmen. Für Kohl war Österreich „das für den Transitverkehr der Gemeinschaft bei weitem wichtigste Land“. Diese Bedeutung werde mit Vollendung des EG -Binnenmarktes, der für 1992 angestrebt wurde, noch zunehmen. Kohl würde sich daher Delors gegenüber sehr dankbar zeigen, wenn dieser seinen Einfluss geltend machen könnte, damit das Mandat beim nächsten Rat der Verkehrsminister im Dezember 1987 verabschiedet werden könne.13 In Wien wurde seit Januar 1987 die Annäherungspolitik an die EG behutsam vorbereitet. Vranitzky betonte im Ministerrat, dass er die Aufgabe habe, die Gemeinsamkeit in der Außenpolitik zu steuern. Gleichzeitig ging er auf sein persönliches Bestreben ein, die bisherigen Beziehungen mit der EG zu intensivieren. 12 Gespräch Bundeskanzler Dr. Kohl mit Vizekanzler Dr. Mock in Bonn am 6. Oktober 1987. Information, Johann Plattner, Wien, 12. Oktober 1987, 487-Res/87, ÖStA, AdR, BMAA ,­ II-Pol 1987, GZ . 518.02.42/18-II .1/87. 13 Gespräch Bundeskanzler Dr. Kohl mit Vizekanzler Dr. Mock in Bonn am 6. Oktober 1987. Information, Johann Plattner, Wien, 12. Oktober 1987, 487-Res/87, ÖStA, AdR, BMAA ,­ II-Pol 1987, GZ . 518.02.42/18-II .1/87.

Österreichs EG-Antragsgesuch, die Bundesrepublik und die DDR

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Eine Vollmitgliedschaft komme nicht in Frage. Österreich bekenne sich zu den Verpflichtungen des Staatsvertrages. Dies bedeute „politische Autonomie“. Damit meinte er „kein Engagieren in politischen Bündnissen“. Österreich wolle über die EFTA und über bilaterale Verhandlungen mehr an den geplanten EG Binnenmarkt herankommen.14 Vranitzky ging behutsamer und vorsichtiger mit Blick auf das Verhältnis Österreichs zur EG vor als Mock, der bereits eine stärkere Anbindung anzudeuten schien. Im Herbst 1987 kam durch ihre Wirtschaftskraft das gestiegene Selbstbewusstsein der Bundesrepublik deutlich in politischen Stellungnahmen zum Ausdruck. Das Potential Frankreichs und der Bundesrepublik zusammen würde die Sowjetunion in den Schatten stellen, bemerkte Kanzler-Berater Horst­ Teltschik bei einem Besuch in Wien. Dahinter schien die Vision einer westeuropäischen Verteidigungsgemeinschaft zu stehen und unausgesprochen ergab sich die Frage an Österreich, wie es mit der Europapolitik der neutralen Staaten bestellt sei. Teltschiks Antwort war bemerkenswert: Eine Auflösung des Rätsels schien nur vorstellbar, wenn große europäische Veränderungen in West wie Ost auch die Militärblöcke zum Verschwinden brächten.15 2.

Auffassungsunterschiede in Wien und Bonn und Neuausrichtung der Außenpolitik im Zeichen von Veränderungen in Europa (1987/88)

Innerhalb der Großen Koalition gab es in Fragen der Außen- und Europa­politik erhebliche Abstimmungsprobleme und Differenzen, die nach außen nicht so deutlich zutage traten. Mock drängte im Unterschied zu Vranitzky auf eine stärkere EG -Annäherung und übte in einem Referat vor der außenpolitischen Gesellschaft Kritik an einer Rede Vranitzkys bei dessen Belgien-Besuch im Dezember 1987. Mock verdeutlichte, dass sich Wien bewusst am Binnenmarktkonzept der Gemeinschaft und nicht nur an den 1984 zwischen EG und EFTA unterschriebenen „nichtdefinierten Begriff des einheitlichen europäischen Wirtschaftsraumes“ orientiere.16 Der Außenminister sah die Funktion der Neutralen in ihrer traditionellen Rolle als Katalysator des KSZE-Prozesses.17 Die von Teltschik angesprochenen Veränderungen zwischen Ost und West zeichneten sich bereits 1988 erkennbar ab. Am 9. Juni erfolgte die Unterzeichnung einer Gemeinsamen Erklärung zur Aufnahme offizieller Beziehungen zwischen EG und dem Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW).18 Zu die14 „Vranitzky betreibt Annäherung an die EG “, in: Die Presse, 28. Januar 1987. 15 „Deutsche Frage“, in: Salzburger Nachrichten, 23. Oktober 1987. 16 „Mock Distanzierung von Vranitzkys Außenpolitikrede“, in: Die Presse, 4.  Dezember 1987. 17 „Mock sieht neue Chancen für neutrale Staaten“, in: Die Presse, 13. Mai 1988. 18 „Gemeinsame Erklärung für die Aufnahme offizieller Beziehungen und wirtschaftlicher Zusammenarbeit zwischen der EG und dem RGW “, in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Nr. L 157/35 vom 24. Juni 1988, Luxemburg 1988.

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sem Zeitpunkt schien die DDR-Führung – im Unterschied zu jener Ungarns und Polens – noch kein Interesse an der Aushandlung eines gleich gearteten bilateralen Abkommens mit der EG zu hegen, sondern sich auf die Einrichtung einer diplomatischen Vertretung in Brüssel zu beschränken, so dass es zunächst lediglich Expertengespräche geben sollte.19 Doch signalisierte Ost-Berlin in Richtung Wien, sein Verhältnis zur EG infolge der Normalisierung der Beziehungen zwischen dem RGW und den EG als „logische Konsequenz“ zu betrachten. Beim Besuch von Vranitzky in der DDR vom 14. bis 16. Juni 1988 bezeichnete Staatsratsvorsitzender Erich Honecker die Zusammenarbeit der beiden Länder mit unterschiedlicher Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung als „beispielgebend“. Der Gast stellte klar, dass Österreichs Bemühungen in Richtung EG „nur unter strikter Einhaltung der immerwährenden Neutralität und genauer Beachtung des Staatsvertrages“ vonstatten gehen würden. Honecker würdigte diese Hinweise als „stabilisierende Elemente für Europa“ und machte auf die Bemühungen des RGW aufmerksam, „auch ein neues Verhältnis zur EG zu schaffen“. Dieser Aufnahme von Beziehungen würden auch solche zwischen der DDR und der EG folgen.20 Vranitzky signalisierte der österreichischen Öffentlichkeit im folgenden Monat auch eine Neuausrichtung der Außenpolitik. Durch den Aufbruch der sowjetischen Politik unter Michail Gorbatschow und die Entwicklung in Osteuropa könne man „eigentlich vom Ende des Kalten Krieges sprechen“. Die „viel beschworene Brückenfunktion“ Österreichs falle „also weg“. Sie sei „ohnehin zum Teil eine Illusion“ gewesen. Die Chance lag laut Vranitzky darin, dass in einem „aufgelockerten Europa“ die Frage der österreichischen Neutralität in Zusammenhang mit dem EG -Beitritt „nicht mehr ein so großes Problem“ sei. Es gebe Anzeichen, dass sich eine „Kern-EG“ mit verteidigungspolitischen Aufgaben (so Frankreich, die Bundesrepublik, Großbritannien und eventuell auch Italien) und eine „Rand-EG“ heranbilden würden. Mit der letzteren würde Österreich nicht solche Schwierigkeiten haben. Aufgrund des Drängens der ÖVP-Führung nach einem EG -Mitgliedsantrag sagte Vranitzky mit Blick auf seine eigene noch zögerliche sozialistische Partei: „Es kann nicht mehr darum gehen, die Vor- und Nachteile der EG zu diskutieren, sondern nur noch darum, die beste Strategie zu entwickeln.“21 In Bonn blieb nicht unbemerkt, dass sich die Große Koalition in Wien in Richtung EG orientierte. Zwischen Auswärtigem Amt und Bundeskanzleramt bestanden aber keine gleichen Auffassungen, wie im September 1988 deutlich wurde. Das Auswärtige Amt war verstimmt über eine Erklärung des Staats­ 19 Meyer, Die Eingliederung der DDR in die EG, 14. 20 Botschafter Wunderbaldinger an Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten, Berlin (Ost), 17.6.1988, Zl. 156-Res/88, Depesche Zl. 25062, Betreff: Offizieller Besuch des HBK in der DDR (14.–16. Juni 1988) (info). BMEIA , ÖB Berlin(Ost) RES -1988 (01–06), Karton 22. 21 „Vranitzky: Neue Orientierung in unserer Außenpolitik“, in: Der Kurier, 21. Juli 1988.

Österreichs EG-Antragsgesuch, die Bundesrepublik und die DDR

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ministers im Bundeskanzleramt und Beauftragten der Bundesregierung für die Geheimdienste, Lutz Stavenhagen, der in der österreichischen Neutralität keinen Ausschluss- oder Hinderungsgrund für einen Beitritt sah. Diese Erklärung widerspreche der bisherigen Linie Bonns, sich in die österreichische Diskussion nicht einzumischen, soweit das Auswärtige Amt. Stavenhagen hatte Österreich, ganz auf der Linie Kohls, in der EG willkommen geheißen. Man wolle sich zwar nicht einmischen, der Staatsminister war aber klar der These entgegengetreten, dass den Neutralen der Weg in die EG durch die Römischen Verträge und durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) hoffnungslos verbaut sei. Der Weg von der politischen und wirtschaftlichen Gemeinschaft zu einer europäischen Sicherheitsunion sei noch weit. Wenn es einmal so weit sei, „so bedeutet der Neutralitätsvorbehalt ein taugliches Instrument zur Vermeidung von Schwierigkeiten“. Vereinzelte Versuche, Stavenhagens Erklärung als Privatmeinung abzutun, gingen ins Leere. Sie waren mit dem Briefkopf des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung verbreitet worden. Der Staatsminister war zudem im Kanzleramt für Europafragen zuständig und schließlich betonte selbst Regierungssprecher Friedhelm Ost: „Stavenhagen ist Mitglied der Bundesregierung. Ich denke er hat in dem Beitrag auch wiedergegeben, wie die Bundesregierung bezüglich der Diskussion in Österreich über den EG -Beitritt denkt.“ Im Auswärtigen Amt verwies man jedoch auf eine Rede Genschers in Oslo. Darin hatte der Außenminister die bisherige Linie bekräftigt, wonach zu einer noch nicht abgeschlossenen Diskussion keine einseitigen Erklärungen abgegeben würden.22 Deutlich erkennbar drängte Kohl mit dem Bundeskanzleramt stärker auf eine EG -Mitgliedschaft Österreichs als das Auswärtige Amt unter Genscher. Da der südliche Nachbar noch nicht einmal sein Beitrittsgesuch in Brüssel gestellt hatte, musste Kohl auch nicht auf die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers pochen. Frankreichs reservierte Haltung gegenüber dem österreichischen EG -Kurs konnte nicht übersehen werden. Europaministerin Edith Cresson äußerte sich eher ablehnend: „Es liegt noch kein offizieller Antrag aus Wien vor, daher gibt es keine französische Position dazu.“ Die Frage stelle sich also nicht, beschied die seit Juni im Amt befindliche sozialistische Ministerin.23 Dagegen bekamen Österreichs Politiker, die für ein schnellst mögliches Beitrittsansuchen eintraten, Schützenhilfe durch den Generalsekretär der Europäischen Volkspartei (EVP) Thomas Jansen. Bei einem Besuch in Wien sagte er: „Die Strategie ist richtig, möglichst bald einen Antrag zu stellen.“ Ohne Antrag sei die Diskussion in der EG „noch nicht entfacht“. Man habe es daher bei den diversen Meinungsäußerungen nur mit „spontanen Reaktionen auf Fragen“ zu tun.24

22 „Bonns Differenzen und Wiens EG -Ambitionen“, in: Die Presse, 9. September 1988. 23 „Paris: Keine Stellungnahme vor offiziellem Antrag“, in: Die Presse, 9. September 1988. 24 „Europaparlamentarier für baldiges Ansuchen Wiens“, in: Die Presse, 9. September 1988.

304 3.

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Österreichs EG-Beitrittsantrag unter französischer Ratspräsidentschaft im Juli und die sich abzeichnenden Veränderungen in der DDR im Herbst 1989

Im Rahmen der seit 1986 in Wien laufenden KSZE-Nachfolgekonferenz25 kam es zu einer Reihe bilateraler Gespräche österreichischer Spitzenpolitiker mit europäischen Ministern. Im Anschluss weiterer Vereinbarungen dominierte im März 1989 der von Österreich schon vorbereitete Beitritt zur EG. Leidenschaftslos, d. h. im Unterschied zu Kohl ohne Beitrittseifer, betonte Genscher gegenüber Mock, dass die EG eine offene Gemeinschaft sei. Ein Beitritt Österreichs sei eine souveräne Entscheidung Wiens. Mock erwiderte, die Delors-Vorschläge über eine verstärkte Rolle der EFTA stellten für Wien keine Alternative zu einem Beitritt dar. Freundlicher begrüßte Italiens Ministerpräsident Giulio Andreotti eigenen Worten zufolge aus „logischen und natürlichen“ Gründen die österreichischen Beitrittsabsichten. Die Probleme durch die österreichische Neutralität seien durch die Mitgliedschaft Irlands und durch die Annäherung der Sowjetunion an die EG relativiert.26 Anfang Juli 1989 erfolgte die formelle Behandlung des österreichischen Briefes nach Brüssel im Ministerrat in Wien. Dabei führte Mock in seinem EG -Fahrplan aus, erst die Botschafter von EG und EFTA in Wien zu kontaktieren und sich dann mit seinem französischen Amtskollegen Roland Dumas, in Verbindung zu setzen, um die Modalitäten der Übergabe des österreichischen Beitrittsgesuches zu klären. Darüber hinaus hatte Mock auch Kontakt mit EG -Kommissionspräsident Jacques Delors und dem für Außenbeziehungen zuständigen niederländischen Kommissar Frans Andriessen. Dabei versuchte er die österreichische Außenpolitik als berechenbar und verlässlich darzustellen. Der Termin der Übergabe des Beitrittsgesuchs war noch offen.27 „Berechenbar“ und „verlässlich“ konnte auch unter bewusster Vermeidung der Einschaltung der Bundes­ republik heißen, um den Eindruck zu vermeiden, sich gänzlich im deutschen Fahrwasser zu bewegen. 25 Zur KSZE siehe Matthias Peter/Hermann Wentker (eds.), Die KSZE im Ost-West-Konflikt. Internationale Politik und gesellschaftliche Transformation 1975–1990 (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Sondernummer, München: Oldenbourg, 2012); Benjamin Gilde, Österreich im KSZE -Prozess 1969–1983. Neutraler Vermittler in humanitärer Mission (München: Oldenbourg, 2013); zum Wiener Folgetreffen: Stefan Lehne, The Vienna Meeting of the Conference on Security and Cooperation in Europe, 1986–1989. A Turning Point in East-West Relations (Boulder/San Francisco/Oxford: Westview Press Inc, 1991); Hans-Heinrich Wrede, KSZE in Wien. Kursbestimmung für Europas Zukunft (Köln: Verlag Wissenschaft und Politik, 1990). 26 Zit. n. „EG -Frage im Zentrum. Regierung konferierte mit Auslandsgästen“, in: Die Presse, 8. März 1989; siehe auch Gabriele D’Ottavio, 1989 oder das Ende der „parallelen Geschichten“ Deutschlands und Italiens?, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 67 (2016) 1/2, 39–57. 27 „Mock erklärt den weiteren EG -Fahrplan“, in: Die Presse, 4. Juli 1989.

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Nach erfolgter Übergabe des Briefes nach Brüssel am 17.  Juli  – ganz absichtsvoll, d. h. bewusst datiert mit dem nationalen Feiertag der Franzosen vom 14. Juli – ordnete Mock den Antrag in die „Kontinuität der österreichischen Neutralitätspolitik“ ein. Diese sei selbstbestimmt und das solle mit Nachdruck immer wieder in Erinnerung gerufen werden.28 Im Rahmen einer österreichischen Botschafterkonferenz in der ersten Septemberwoche 1989 in Wien machte Wolfgang Schallenberg (Paris) klar, dass von französischer Seite „Angst vor einer deutschen Wiedervereinigung“ bestand, sodass ihre Bestrebungen darauf abzielten, die Bundesrepublik in eine „möglichst enge Zusammenarbeit einzubinden“. Friedrich Bauer (Bonn) sah „den Westen“ auf den so herbeigewünschten Reformprozess im Osten „tatsächlich unvorbereitet und daher konzeptlos“. Bonn sehe die EG als „Einbettungsplatz in Westeuropa“, um sich „aus dem Status des besiegten Landes herauszubewegen“. Die EG werde in die eigene Deutschlandpolitik eingebunden. Über den innerdeutschen Handel lagen ihm nur wenige Informationen vor. Fortgesetzte Gespräche zwischen Bonn und Ost-Berlin fanden über die Anpassung des innerdeutschen Handels an die EG -Binnenmarktregelungen statt. Dabei strebe die Bundesrepublik ein „osmotisches Verhältnis“ zur DDR an, was Bauer so deutete, dass eine „Wiedervereinigung im Bismark’schen Sinn“ nicht angestrebt werde. Botschafter Friedrich Hoess (Washington) bezeichnete den Reformkurs Gorbatschows als ideologischen Erfolg für die USA, die als einziger westlicher Staat die Wiedervereinigung nicht fürchten würden.29 Selbst nach den Massendemonstrationen in Plauen, Dresden und Leipzig schätzte der frühere französische Botschafter in Bonn von 1982 bis 1983, Henri Froment-Meurice, am 10.  Oktober 1989 bei einem Vortrag vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik die Wahrscheinlichkeit einer „Wiedervereinigung“ in absehbarer Zukunft als „sehr gering“ ein.30 Kommissionspräsident Delors war hingegen schon relativ früh zur Auffassung gelangt, dass eine Entwicklung zur deutschen staatlichen Vereinigung im Gange sei. Die EG sollte diese Entwicklung nicht verhindern, was nur kontraproduktiv sein könnte, sondern alles versuchen, sie mitzugestalten, um sich die Unterstützung Kohls für die weiter geplanten europäischen Integrationsschritte zu sichern. So gab Delors ein Interview für das ZDF, in dem er auf die Frage, ob er sich eine Gemeinschaft mit zwei deutschen Mitgliedern vorstellen könne, erwiderte: „Alles ist möglich. Es ist nicht meine Sache zu wählen. Es ist Sache der 28 „EG: Wiens Botschafter optimistisch. Mock verlangt neuen Patriotismus“, in: Die Presse, 7. September 1989. 29 Botschaftskonferenz 1989; Arbeitsgruppe Ost-West. Resüméprotokoll, Gesandter Johann Plattner, Wien, 8.  September 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 502.00.00/ 13-II .1/89. 30 Beate Kohler-Koch, Die Politik der Integration der DDR in die EG , in: id. (ed.), Die Osterweiterung der EG. Die Einbeziehung der ehemaligen DDR in die Gemeinschaft (Baden-­ Baden: Nomos-Verlag, 1991), 7–22, hier 10.

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Deutschen, das Für und Wider abzuwägen und im Lichte der Ereignisse, der geschichtlichen Möglichkeiten souverän ihre Wahl zu treffen, in ihrem Recht auf Selbstbestimmung.“31 Vor dem Europakolleg in Brügge äußerte er sich bereits am 17.  Oktober in diesem Sinne und stellte die Frage, ob nicht auch einmal ein Kommissar für die Gemeinschaft aus Ostdeutschland stammen würde.32 Das klang so, als ob Delors noch an der staatlichen Fortexistenz der DDR festhielt. Tatsächlich meinte er wohl nur die Herkunft eines Kandidaten für seine Brüsseler Behörde. Es sollte sich seine Auffassung nach Jahresende noch drastischer vernehmen lassen. Die Veränderungen in der DDR wurden von österreichischer Seite zunehmend als Gefährdung des eigenen EG -Anliegens wahrgenommen. Botschafter Schallenberg glaubte erkennen zu können, dass die französische Politik die Vorgänge in Osteuropa als Argument für die Dringlichkeit eines weiteren Ausbaus der Zwölfer-Gemeinschaft benutzen wolle. Die Sprachregelung gegenüber dem EG -Beitrittswunsch Österreichs habe sich bisher nicht geändert. Europaministerin Cresson habe zwar die Priorität des Ausbaus der Gemeinschaft und Zweifel bezüglich der Neutralität geäußert, doch arbeitete Schallenbergs Auffassung nach à la longue die Zeit für Österreich. Allerdings laufe man kurzfristig „Gefahr, zwischen Ost und West in den Hintergrund zu treten“. Gut sei es daher gewesen, „sich in Erinnerung gerufen zu haben“. Wichtig erschien ihm insbesondere, „dass wir in der gegenwärtigen Diskussion weder in einen deutschen Topf (so die Behauptung, Österreich sei einer von drei deutschen Staaten) noch mit Ungarn und Polen etc. in jenen eines (östlichen) Zentraleuropas geworfen werden“. Zu den „Eintrittskarten in die Gemeinschaft“ gehörten laut Schallenberg für Österreich auch „die Eigenständigkeit, als wirkliche selbstständige Partner [zu agieren], und die Zugehörigkeit zum westlichen Europa“. Man müsse „weiterhin betonen, dass unsere auch für die anderen wertvollen besonderen Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten nur auf Grund unserer festen Verankerung in der europäischen Gemeinschaft wirklich zur Auswirkung kommen können“.33

31 Text eines Interviews, das der Präsident der Kommission, Jacques Delors, dem ZDF ge­ geben hat und das am Samstag, dem 12. November 1989 zwischen 19.15 Uhr und 19.45 gesendet werden wird. Historical Archives of the European Union (HAEU), Commission Papers, JD -936; Schmidt, Die Europäische Gemeinschaft, 392. 32 „Eines Tages ein EG -Kommissar aus der DDR?“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. November 1989. 33 Botschafter Wolfgang Schallenberg an BMAA , Paris, 20. November 1989, Kopie aus der ehemaligen Botschaft Bonn im Archiv des Instituts für Geschichte der Universität Hildesheim (AIGUH).

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Der Besuch von EG-Kommissar Martin Bangemann in der DDR im Zeichen des anvisierten EG-Binnenmarkt-Projekts Anfang November 1989

Über die Visite des EG -Kommissions-Vizepräsidenten und Kommissars für Binnenmarkt, Industriepolitik und Beziehungen zum Europäischen Parlament, Martin Bangemann (FDP), in der DDR am 1. und 2. November 1989 wurde im SED -Organ Neues Deutschland prominent berichtet. Bangemann war auf Einladung von DDR-Außenhandelsminister Gerhard Beil nach Ost-Berlin gekommen. Der Besuch diente offiziell dem Informations- und Meinungsaustausch seit Herstellung der diplomatischen Beziehungen 1988. Bangemann und Beil bekräftigten die politischen und ökonomischen Beziehungen der DDR mit den EG Mitgliedsländern, d. h. die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen „auf gleich­ berechtigter Grundlage und zum gegenseitigen Vorteil weiter zu entwickeln“. Der Außenhandel der DDR mit der EG sollte erleichtert und „unter Beachtung der neuen Entwicklungen“ ungehindert gesichert werden.34 Gemeint waren damit der von der Kommission Delors für 1992 anvisierte Binnenmarkt und offenbar auch die Demokratisierungsbestrebungen in der DDR . Der Besuch Bangemanns war innerhalb der Kommission wie auch in der Bundesrepublik nicht unumstritten, zumal für die Außenbeziehungen Andriessen zuständig war. Bangemann begründete die Visite mit seiner Kompetenz für den Binnenmarkt und damit auch für den innerdeutschen Handel. Andriessen selbst schlug noch im gleichen Monat vor, seitens der EG direkte Kontakte mit Ost-Berlin aufzunehmen und die für Polen und Ungarn beschlossene Hilfe auch auf die DDR zu erweitern.35 Im Austausch Bangemanns mit DDR-Außenminister Oskar Fischer wurde gemeinsam betont, die Beziehungen zur EG „unverzüglich zu intensivieren“. Dies wurde von Bangemann als Beitrag zu mehr Sicherheit und neuen Formen der Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen gedeutet. Fischer verwies auf die gemeinsamen Anstrengungen, „den Übergang von der Konfrontation zur Kooperation zu vertiefen“. Er gab zu erkennen, dass die Europa betreffenden Fragen in der DDR-Außenpolitik einen „zentralen Platz“ einnehmen würden. An dem Ge­ dankenaustausch hatte auch die französische Botschafterin Joëlle Timsit als Vertreterin der französischen EG -Ratspräsidentschaft teilgenommen. Bangemann ergänzte, dass der anvisierte EG -Binnenmarkt kein „schwieriger Markt“ für die DDR werden sollte und die Handelsbeziehungen weiter funktionieren sollten, ohne dabei unerwähnt zu lassen, dass „der neue große Markt der EG“ auch eine „Verschärfung der Konkurrenz“ bedeute. Bangemanns Besuch hatte auch eine 34 Vgl. den Zeitungsbericht „EG entsandte Vizepräsident der Kommission in die DDR . Gespräch zwischen Gerhard Beil und Martin Bangemann“, in: Neues Deutschland, 2. November 1989, 1. 35 Schmidt, Die Europäische Gemeinschaft, 391; „Widerstand gegen Bangemanns Reise“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. November 1989.

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parteipolitische Dimension, was sein Treffen mit dem LDPD -Vorsitzenden Manfred Gerlach noch am gleichen Tage verdeutlichte.36 Am 2.  November traf Bangemann mit dem neuen Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz, Gerhard Beil, dem Sekretär des Staatsrats, Heinz Eichler, und der schon erwähnten Botschafterin Joëlle Timsit zu einem weiteren Austausch zusammen. Die DDR werde zukünftig die im Rahmen der KSZE übernommenen Verpflichtungen noch konsequenter und umfassender umsetzen, versicherte Krenz zugleich, der Interesse bekundete, „ohne Verzug“ Verhandlungen über einen Handelsvertragsabschluss der DDR mit der EG aufzunehmen. Angesichts der Herausbildung des Binnenmarkts wünschte er einen Ausbau und eine Vertiefung der wirtschaftlichen Kooperation zwischen der DDR und der EG. Die Reformen in der DDR sollten den Sozialismus für die Bürger „attraktiver und für jeden persönlich erlebbarer machen“. Dabei gehe es vor allem um „höhere Effektivität der Volkswirtschaft“. Krenz sprach auch den Handel mit der Bundesrepublik an, der auf Basis bestehender vertraglicher Regelungen fortgeführt und weiterentwickelt werden sollte. Bangemann sah in den begonnenen Reformen in der DDR „Ansatzpunkte für die Stärkung der Leistungskraft der Industrie der DDR“ und informierte über die Vorbereitungen des Binnenmarkt-Projekts – einen Prozess, den er als „unumkehrbar“ bezeichnete. Eine Abschottung zu Drittländern sei nicht beabsichtigt. Harmonisierung von technischen Normen, Standards und Vorschriften erleichterten Absatzbedingungen für Drittländer, „sofern diese den neuen Anforderungen entsprechen“. Krenz bekräftigte, die DDR werde das ihre tun. Er brachte seine Hoffnung auf „gute Zusammenarbeit“ zum Ausdruck, „im Interesse der Sicherheit und Stabilität in Europa“.37 Vor Journalisten im Staatsrat in der gemeinsamen Pressekonferenz demonstrierten Bangemann und Krenz Einigkeit und Kooperationsbereitschaft. Von Beil hatte Krenz erfahren, dass sich vom DDR-Außenhandel mit den nichtsozialistischen Ländern 80 % im EG -Raum vollziehen,38 woraus deutlich zu entnehmen war, welches Gewicht diese Frage für das SED -Regime hatte. Bangemann unterstrich bei dieser Gelegenheit, dass es in den kommenden Monaten „auf ganz praktische Zusammenarbeit“ ankomme. Der EG gehe es nicht um eine „Festung Europa“, weder den westlichen Handelspartnern noch den RGW-­ Staaten gegenüber.39 36 „Kooperation mit den EG ohne Verzögerung entwickeln. Meinungsaustausch Oskar­ Fischers mit Martin Bangemann“, in: Neues Deutschland, 2. November 1989, 3. 37 „DDR und EG Partner für eine konstruktive Kooperation. Egon Krenz empfing im Staatsrat Vizepräsident der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Martin Bangemann“, in: Neues Deutschland, 3. November 1989, 1. 38 „Grünes Licht auf beiden Seiten für konstruktives Zusammenwirken. Was Egon Krenz und Martin Bangemann zur Fragen der internationalen Presse äußerten“, in: Neues Deutschland, 3. November 1989, 2. 39 „Vizepräsident der EG -Kommission: Zufrieden über Ergebnisse der Gespräche in der DDR . Dr. Bangemann vor Vertretern der Presse in Berlin“, in: Neues Deutschland, 3. November 1989, 2.

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Für 1988 ließen sich die Exporte und Importe der DDR im Warenhandel auf 52 bzw. 50 Milliarden DM veranschlagen. Etwa zwei Drittel des Außenhandels wickelte die DDR mit dem COMECON ab. In der EG waren für sie Dänemark, Griechenland und Frankreich im Vergleich mit anderen Staaten relativ große Austauschpartner. Der Handel mit der EG machte für die DDR nur 5 % des gesamten Außenhandels aus, für die Bundesrepublik im Unterschied dazu mehr als 50 %. Der ostdeutsche Export-Umsatz mit der EG war nur ein Hundertstel des Werts der Bundesrepublik und entsprach zirka dem bundesdeutschen Umsatz mit der Republik Irland. Die Exporte der DDR in die EG erreichten 1987/88 nur noch knapp drei Milliarden DM nach dem bisherigen Höchststand von vier Milliarden DM aus dem Jahre 1985. Die Reduktion der ostdeutschen Ausfuhrgewinne war in hohem Maße durch den Preisverfall bei Erdöl bedingt. Weltwirtschaftlich gesehen war die DDR im Unterschied zur Bundesrepublik stets im Nachteil, denn sie war nicht in die internationale Arbeitsteilung eingebunden. Der Großteil ihrer Exporte und Importe war auf ökonomisch schwächere und schwache Staaten orientiert, was für das Ausmaß des Handels wie auch die Güterart galt.40 Nach seiner Rückkehr nach Brüssel sprach sich Bangemann auf einer Pressekonferenz am 6. November unmissverständlich für die „alsbaldige Aufnahme“ von Handelsvertrags-Verhandlungen zwischen der EG und der DDR aus. Persönlich brachte er seine Auffassung zum Ausdruck, dass die weitere politische Entwicklung in der DDR nicht mehr abzuwarten sei. Das Faktum, dass die DDRFührung mit den angekündigten Wirtschaftsreformen nicht den Bestand des Sozialismus in Frage stellen wolle, dürfe vom Westen nicht zum Vorwand genommen werden, mit der DDR nicht enger zusammenarbeiten zu wollen. In der gegenwärtigen Lage allzu lange zu warten, bezeichnete Bangemann als „falsch“, da es „negative Folgen“ haben könne. Den Wunsch nach baldigen Vertragsverhandlungen seiner Gesprächspartner in der DDR habe er zugesagt weiterzuleiten. Bangemann zeigte sich beeindruckt von den in der DDR zu beobachtenden Veränderungen mit einer kritischeren und offeneren Berichterstattung in den Medien. Dortiges Ziel sei es, den Sozialismus attraktiver zu machen. Westliche Politiker sollten sich aber „vor Besserwisserei oder gar Oberlehrergehabe hüten oder gar vor Einmischung von außen“. Kritikern an seinem Besuch in der DDR und vor allem an dessen Zeitpunkt trat er entgegen. Dieser habe schon seit Monaten festgestanden und zwar lange vor den jüngsten Ereignissen. Gerade diese Entwicklungen hätten ihn bestärkt, in die DDR zu fahren. In solchen „kritischen Momenten“ abwesend zu sein, sei „das falscheste, was man machen“ könne. Die bereits aufgeworfene Frage eines denkbaren EG -Beitritts der DDR wies Bangemann als „nicht aktuell“ zurück. Die Frage, ob eine besondere EG -Hilfe für die DDR vergleichbar den Programmen für Polen und Ungarn geplant sei, verneinte er, zumal die Situation in diesen Fällen „ganz anders“ gelagert sei. Der DDR könne man helfen, wenn man sie zu Reformen ermutige und bald Vertrags40 Dieter Schumacher, EG -Handel der DDR , in: Deutschland-Archiv 23 (April 1990) 4, ­585–588, hier 588.

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verhandlungen aufnehme. Mehr Effizienz in ihrer Wirtschaft sei nicht möglich ohne Demokratisierung, worin ihm auch Krenz zugestimmt habe.41 Bangemanns Besuch in der DDR kam dem neuen DDR-Staatschef Krenz nach seinen Besuchen in Moskau bei Gorbatschow und in Warschau sehr entgegen. Er betonte, dass es keine inhaltlichen Probleme gebe und ein solches Abkommen bereits 1990 in Kraft treten könnte. Das Zusatzprotokoll zum deutschdeutschen Handel werde nicht berührt und das „Problem West-Berlin“ habe kaum Schwierigkeiten bereitet. Offiziell führte Bangemann Gespräche im Amt für Erfindung und Patentwesen sowie im Amt für Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung, da es als wichtigste Aufgabe angesehen wurde, die DDRIndustrie an den EG -Standard und die EG -Normen anzupassen. Österreichs Botschafter Franz Wunderbaldinger erfuhr aus vertraulichen Mitteilungen der Missionschefs aus den EG -Ländern in Ost-Berlin, dass die Reise Bangemanns zwar mit EG -Kommissionspräsident Delors abgesprochen, aber „eine eigene Idee“ gewesen sei. Bangemann schien nach außen lediglich Sondierungen aus EG -Interesse vorzunehmen. Laut Wunderbaldinger sollten diese aber mehr mit dem Wunsch Genschers zusammenhängen, die EG gegenüber den Ländern Osteuropas strukturell zu öffnen.42 Der deutsche Außenminister hatte offenbar eine Priorität für die mittel-osteuropäischen Staaten, während er im Falle Österreichs noch eher zurückhaltend agiert hatte, was aber nicht so bleiben musste. 5.

Veränderte Ausgangslage nach dem „Fall der Mauer“ und österreichische Sorge wegen EG-Vorzugsbehandlung der DDR im November/Dezember 1989

Die virulent gewordene deutsche Frage machte eine Verstärkung der Interessen der DDR-Führung zur Annäherung an die EG notwendig. Die österreichischen EG -Beitrittsbemühungen wurden nun mehr und mehr zur Funktion der westdeutschen Deutschlandpolitik. Der Weg der DDR und Österreichs zur EG sollte für beide zunehmend vom Willen der Bundesrepublik abhängen und über das Tempo der Ausgestaltung der deutschen Einheit laufen. Ersteres galt es für Wien zu berücksichtigen, und das zweite hatte für Bonn Priorität. Die neu gebildete DDR-Regierung unter Ministerpräsident Hans Modrow43 sendete indes ihrerseits positive Signale nach Brüssel. In einem Memorandum vom 17.  November an die Teilnehmer des Pariser Gipfeltreffens gab der frisch gebackene ostdeutsche Regierungschef Bereitschaft zu neuen Formen 41 „EG -Kommissar Bangemann: Für baldige Gespräche mit DDR über Handelsvertrag. Warnung an westliche Politiker vor ‚Oberlehrergehabe‘“, in: Neues Deutschland, 7. November 1989, 1, 3. 42 Besuch des EG -Vizepräsidenten Bangemann in der DDR (Info), Botschafter Wunderbaldinger an BMAA , 6. November 1989, BMEIA , ÖB Berlin(Ost) RES -1989 (1–10), Karton 24. 43 Peter Schütt, Das Interregnum des Hans Modrow, in: Deutschland-Archiv 23 (Juli 1990) 7, 1111–1113.

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der ­Kooperation zwischen Ost und West zu verstehen. Die DDR wolle nicht nur „kritischer Beobachter der neuen Entwicklungen“, sondern auch „Partner einer für alle vorteilhaften Zusammenarbeit“ sein. Die DDR wolle ihr Verhältnis zur EG „zügig, kooperativ und konstruktiv“ entwickeln.44 Bereits wenige Tage nach dem 9. November hatte sich der Staatssekretär für Außenhandel der ModrowRegierung, Christian Meyer, für eine EG -Mitgliedschaft der DDR – allerdings in langfristiger Perspektive – ausgesprochen,45 während der Botschafter der DDR in Brüssel, Ingo Oeser, ein solches Ansinnen selbst in langfristiger Perspektive seiner Einschätzung nach noch für ausgeschlossen hielt.46 Er musste es wissen, denn er galt in der Kommission als gut informierter und hervorragender Diplomat, der darauf eingestellt war, die DDR als unabhängigen und souveränen Staat gegenüber den Gemeinschaften zu vertreten.47 Die Beziehungen der DDR zur EG waren am 15.  August 1988 durch einen Notenwechsel aufgenommen worden. Seither war der ostdeutsche Staat in Brüssel vertreten gewesen. Mit der Grenzöffnung am 9. November 1989 in Berlin waren die EG -Organe und die Mitgliedstaaten erstmals gezwungen, zur deutschen Frage klar Position zu beziehen. Es erfolgte eine Stellungnahme zum geplanten Handels- und Kooperationsabkommen der EG mit der DDR , welches die Regierung Modrow vorgeschlagen hatte und nun von der Kommission vorzubereiten war. Für die DDR spielte bei ihren Annäherungsversuchen an europäische Institutionen auch der Europarat eine Rolle. Die Straßburger Organisation hatte bereits durch ihre Generalsekretärin, die Französin Catherine Lalumière, nach dem 9. November die Bereitschaft zur Aufnahme von Beziehungen und zur Gestattung eines Beobachter- und Gaststatus für die DDR signalisiert.48 Im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) wurden zunächst in den Jahren 1987/88 die Vorgänge in Polen und Ungarn weit mehr beobachtet als jene in Ostdeutschland,49 sodann aber auch die Ereignisse in der DDR aufmerksam registriert und rasch kommentiert. Eine erste unmissver44 Schmidt, Die Europäische Gemeinschaft, 392. 45 „DDR : EG -Mitgliedschaft nicht ausgeschlossen“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. November 1989. 46 Kerstin Schwenn, Dem Westen annähern, aber den Osten nicht vernachlässigen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19. Dezember 1989. Ingo Oeser war studierter Jurist, im Außenministerium der DDR Leiter der Abteilung Westeuropa 1969–1972, der DDR-Delegation bei den Wiener Abrüstungsverhandlungen (MBFR) 1973–1979 und Teilnehmer an den KSZE -Abrüstungsverhandlungen in Madrid 1980–1983 sowie erster und letzter Botschafter der DDR bei der EG 1988–1990 gewesen 47 Interview mit Dr. Jürgen Schüler in Niendorf, 26. Februar 2016 (Tonbandaufzeichnung im Besitz des Verfassers). 48 „Europarat offen für Beziehungen mit der DDR“, in: Neues Deutschland, 18./19. November 1989, 7. 49 Michael Gehler, Mehr Europäisierung in Umbruchzeiten? Die europäische politische Zusammenarbeit (EPZ) und die revolutionären Ereignisse in Mittel-, Ost- und Südosteuropa Ende der 1980er Jahre, in: Gabriele Clemens (ed.), Limits of Europeanization (= Studien zur modernen Geschichte, Stuttgart: Steiner 2017), 77–106.

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ständliche Erklärung erfolgte bereits einen Tag nach der Grenzöffnung, als die Gewährung der Reisefreiheit gutgeheißen wurde.50 Das Europäische Parlament reagierte mit Zurückhaltung. Simone Veil, erste direkt gewählte Präsidentin des Jahres 1979, frühere französische Gesundheitsministerin und Überlebende des KZ Auschwitz-Birkenau,51 mahnte zum Thema Wiedervereinigung, man solle nichts überstürzen. Valéry Giscard d’Estaing warnte als Vorsitzender der Liberalen Fraktion vor einem für die EG nicht zu verkraftenden wiedervereinten Deutschland.52 Ob dies in demographischer, ökonomischer oder in militärischer Hinsicht gemeint war, ist offengeblieben. Für die Kommission sprach Präsident Delors. Zehn Tage nach der Maueröffnung hielt er am 19. November die deutsche Frage noch für „nicht aktuell“, zumal „die Wiedervereinigung nicht aktuell ist“. Er erinnerte an seine Zusage, mit der DDR bald einen „Assoziationsvertrag“ auszuhandeln und bezeichnete die „Ostdeutschen“ als zur „europäischen Familie“ zugehörig, während er von der Bundesrepublik ein signifikantes pro-europäisches Bekenntnis und neue Impulse für die Wirtschafts- und Währungsunion erwartete. Das bevorstehende Gipfeltreffen in Straßburg begriff er als einen wichtigen Test.53 Vor diesem Hintergrund holte die österreichische Diplomatie im Auswärtigen Amt umfassende Information über die bundesdeutsche Interessenlage ein. Laut der Botschaft in Bonn hatte die Bundesrepublik Ungarn bisher zwei Milliarden DM als „Gegenleistung“ für die Erleichterungen für die deutsche Minderheit und Dank für die Hilfe bezüglich der DDR-Flüchtlinge gezahlt. Darüber hinaus drängte Bonn im EG -Rahmen und bei den G 7 auf umfassendere multi­ laterale Wirtschaftshilfen für Ungarn und Polen. Die „unerwartete“, „plötzliche“ und „unübersichtliche“ Entwicklung in der DDR beschäftigte das Auswärtige Amt nun aber vor allen anderen Fragen. Die Ereignisse hätten „eine Flut von Erwartungen, Befürchtungen und (zum Teil  gänzlich unrealistische) Spekulationen ausgelöst“. Die deutsche Frage und die Ost-West-Beziehungen dominierten die internationale Aufmerksamkeit. Verbunden damit waren die weitere Entwicklung der EG und der Ausbau der österreichischen Beziehungen zu den Gemeinschaften. In der EG deckten sich die Interessen verschiedener Mitgliedstaaten wie Frankreich, Niederlande und Belgien an einer festen Einbindung der Bundesrepublik „allenfalls unter Einbeziehung der DDR“ mit dem Wunsch von Delors nach Vollendung des Binnenmarktes und Schaffung einer Politischen Union. Vorrangig sei für die Bundesrepublik, die innerhalb der Gemeinschaften Österreichs EG -Bemühungen „am positivsten gegenüberstehen dürfte“, die deutsche Frage. Es war daran gedacht, diese innerhalb der EG auf eine für die Bundesregierung zufriedenstellende Weise zu lösen, „etwa durch qualitativ stärkere 50 Schmidt, Die Europäische Gemeinschaft, 391. 51 Simone Veil, Und dennoch leben. Die Autobiographie der großen Europäerin (Berlin: Aufbau-Verlag, 2009). 52 Meyer, Die Eingliederung der DDR in die EG, 24–25. 53 Ibd., 25.

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Anbindung der DDR an die Gemeinschaften und damit auch an die BRD“. Wie die österreichische Botschaft in Bonn festhielt, könnte dabei das „bisher letztlich durch DDR-Rücksichten begründete Interesse Bonns an der Offenhaltung der EG für neue Mitgliedschaften gegenüber der Notwendigkeit zum Beweis von Westbindung und westlicher Solidarität zurückgehen“. Dies sollte jedoch kein Grund für Österreich sein, in seinen eigenen Bemühungen um den EG -Beitritt nachzulassen. Dieser müsse allein schon aus Gründen der eigenen internationalen Glaubwürdigkeit zielstrebig weiterverfolgt werden, „unabhängig davon, wie unentwirrbar die europäische Situation sich heute auch darstellen mag“.54 In Folge wurde deutlich, dass die Große Koalition in Wien weiterhin keine gemeinsame außen- bzw. deutschlandpolitische Linie verfolgte. Mock hieß das Zehn-Punkte-Programm Kohls vom 28. November 1989 gut, das einen Weg zu deutsch-deutschen Entwicklung vorzeichnete. Dies geschah in München bei einer Tagung der Europäischen Demokratischen Union (EDU), als deren Vorsitzender Mock agierte. Der Außenminister tat dies „als praktisch einziger Außenminister eines westlichen Landes“, indem er seine Solidarität mit dem deutschen Bundeskanzler zum Ausdruck brachte. Während er seine „volle Unterstützung“ aussprach, wurde dieser Vorstoß von SPÖ -Klubobmann Heinz Fischer getadelt und dies wahrscheinlich nicht ohne Billigung Vranitzkys. Tatsächlich unterstützte Österreichs Außenminister das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes. Auf der anderen Seite war der blitzschnelle Entschluss von Vranitzky, Modrow u. a. zur Unterzeichnung eines routinemäßigen Handelsabkommens am 24.  November in Ost-Berlin zu besuchen, ein deutliches Unterstützungssignal zumindest für die Eigenständigkeit einer reformorientierten DDR .55 In seinem Zehn-Punkte-Programm hatte Kohl auch zum Ausdruck gebracht, dass 54 Botschafter Bauer an BMAA , 30.  November 1989, Zl. 447-Res/89, ÖStA, AdR, BMAA ,­ II-Pol 1989, GZ . 502.16.27/11-II .1/89. 55 Mock, so die Charakterisierung des renommierten Journalisten Hans Rauscher, sei „ein konservativer Christdemokrat mit beträchtlichem nationalem Unterton“: Österreich zuerst und neuer Patriotismus. Seine Sympathien gehörten nicht nur der Schwesterpartei CDU und dem Bundeskanzler Kohl persönlich, sondern auch einer „betonten Freundschaft zu Deutschland“. Dass die westlichen Demokratien und besonders die USA „seine Erfindung Waldheim“ verächtlich behandeln, habe ihn „schwer enttäuscht“. Vranitzky hingegen sei „ein liberaler Sozialdemokrat“ und liebe „seit seiner Bankerzeit die offene Welt des internationalen Business“. In der angelsächsischen Welt fühle er sich zu Hause. Nationale Töne seien ihm ein Gräuel. Diese Mentalitätsunterschiede wirkten subtil, aber noch nicht wirklich schädlich. Doch die notwendige Gemeinsamkeit werde immer mühsamer. Gemeint waren die notwendigen Gemeinsamkeiten der österreichischen Außenpolitik. Hans Rauscher, „Mock und Vranitzky: Zwei außenpolitische Welten“, in: Der Kurier, 9. Dezember 1989; Andrea Brait, „Österreich hat weder gegen die deutsche Wiedervereinigung agitiert, noch haben wir sie besonders begrüßt.“ Österreichische Reaktionen auf die Bemühungen um die deutsche Einheit, in: Deutschland-Archiv (2014) (http://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/191601/oesterreich-hatweder-gegen-die-deutsche-wiedervereinigung-agitiert-noch-haben-wir-sie-besondersbegruesst, zuletzt abgerufen am 1. Dezember 2016).

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das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EG und der DDR möglichst rasch abgeschlossen werden könne.56 Als Österreichs Botschafter Herbert Grubmayr in Moskau Ende November 1989 seinen Amtskollegen aus der DDR , Gerd König, auf das Verhältnis der DDR zur EG ansprach, ließ dieser wissen, dass seine Regierung hier „einmal rechtzeitig einen guten Schritt gesetzt“ habe: Gemeint war das vor dem EG -Gipfel in­ Paris an Mitterrand gerichtete Schreiben um Beschleunigung der schon in Gang befindlichen Verhandlungen mit der EG. Frankreichs Staatspräsident hätte diesen Gedanken aufgegriffen und man hoffe „möglichst bald zu einem Abschluss mit Brüssel zu kommen“. Weitere Pläne in Richtung einer EG -Assoziation oder eines EG -Beitritts wurden laut König in Berlin „derzeit nicht erwogen“. Die Aussage eines sowjetischen Pressesprechers, die DDR könne der EG beitreten, wenn sie nur im Warschauer Pakt bleibe, bezeichnete König als „unfundiertes Gerede“. Es gebe „zu viele verschiedene Meinungen“, weshalb man den Eindruck gewinne, „dass eigentlich keine einheitliche Position zu verschiedenen wichtigen Fragen existiert“.57 Nach Öffnung der Berliner Mauer betonte Mock, dass sich an der EG -Politik Österreichs grundsätzlich nichts geändert habe, sie aber umso mehr einer Begründung bedürfe, je mehr rundherum alles im Fluss sei und „flott über die deutsche Wiedervereinigung, die Aufnahme osteuropäischer Staaten in den Europarat oder die EFTA, ja sogar die Aufnahme der DDR in die EG geredet“ werde.58 Der Annäherungsprozess zwischen der DDR und der EG ging von beiden Seiten aus. Am 4. Dezember besuchte Andriessen Ost-Berlin. Der Europäische Rat in Straßburg unterstrich inzwischen seine Absicht, der Kommission alsbald ein Verhandlungsmandat mit der DDR in Hinsicht eines Handels- und Kooperationsabkommens zu geben, was tatsächlich noch im Dezember erfolgte. Bis dato wurde dieses Vorhaben aufgehalten, gleichwohl Sondierungsgespräche schon im Sommer 1989 zu einem Abschluss gekommen waren. Genscher hatte noch im November darauf hingearbeitet, dass der Kommission nicht das Mandat zu 56 Schmidt, Die Europäische Gemeinschaft, 393. 57 Beziehungen SU-DDR ; Gespräch mit DDR-Botschafter König (Info), Botschafter Herbert Grubmayr an BMAA , Moskau, 29. November 1989, 327-RES/89, BMEIA , ÖB Berlin(Ost) RES -1989 (1–10), Karton 24; siehe auch Fred Oldenburg, Sowjetische Deutschland-Politik nach der Oktober-Revolution in der DDR , in: Deutschland-Archiv 23 (Januar 1990) 1, 68–76. Gerd König, Die Beziehungen zur UdSSR (1985–1990), in: Siegfried Bock/Ingrid Muth/Hermann Schwiesau (eds.), DDR-Außenpolitik im Rückspiegel. Diplomaten im Gespräch (= Politikwissenschaft, Bd. 106, Münster: Lit-Verlag, 2004), 142–168; id., ­Fiasko eines Bruderbundes. Erinnerungen des letzten DDR-Botschafters in Moskau, ed. by. KarlHeinz Fehlberg und Manfred Schünemann (= Sonderausgabe edition Berolina, Berlin: edition ost, 2012), 405–439; Ulrich Pfeil, Bremser oder Wegbereiter? Frankreich und die deutsche Einheit 1989/90, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 67 (2016) 1/2, ­23–38. 58 „Es fehlt an Geld und an Koordination. Wiens Position in Europa. Mobilmachung im EG Bereich“, in: Salzburger Nachrichten, 21. November 1989.

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Verhandlungen erteilt werden sollte.59 Die Politik des deutschen Außenministers schien sich schon im Einheitsmodus zu bewegen. Der Europäische Rat in Straßburg brachte schließlich am 8./9. Dezember in atmosphärischer Hinsicht erhebliche Reserven zu den Ereignissen in Deutschland zum Ausdruck.60 Die Eindrücke über diesen aus Sicht Kohls frostigen Gipfel differierten zwischen Bonner Bundeskanzleramt und Auswärtigem Amt. Letzteres sah den Verlauf „überwiegend unkontrovers“, d. h. zwei Signale wurden wahrgenommen: Integration und Kooperation (Verbesserung der WestOst-Beziehungen und Einbettung der deutsch-deutschen Annäherung in die europäische Einigung).61 Im Unterschied zu Genscher sah Kohl das Treffen rückblickend vor allem negativ.62 Der Rat der EG -Außenminister sprach sich anlässlich seiner Tagung vom 18. bis 19. Dezember 1989 grundsätzlich für den Abschluss eines Handels- und Kooperationsabkommens mit der DDR aus. Die Wirtschaftsminister genehmigten auf ihrer Ratstagung vom 21. bis 22. Dezember 1989 das Verhandlungs­ mandat der Kommission.63 Der zeitgleich erfolgte erste Besuch eines Staatsoberhauptes einer westlichen Sieger-Nation durch François Mitterrand in der DDR war eine demonstrative Erinnerung an die von DDR-Seite wiederholt betonte Verantwortung der vier Mächte für die deutsche Frage. Äußerungen von Mitterrand zur Frage einer Wiedervereinigung ließen darauf schließen, dass Frankreich trotz aller deutschdeutschen Annäherung am Fortbestand der DDR interessiert war. Noch in seiner Funktion als Vorsitzender des EG -Rats hatte Mitterrand die ostdeutsche Führung über die Erteilung des EG -Mandats für Verhandlungen über ein Koopera­ tionsabkommen im ersten Halbjahr 1990 informiert.64 59 Schmidt, Die Europäische Gemeinschaft, 393. 60 Meyer, Die Eingliederung der DDR in die EG, 24–25. 61 Vgl.: Ortez des Referatsleiters 012, Bettzuege, 13.  Dezember 1989, in: Heike Amos/Tim Geiger (Bearb.), Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess, ed. von Horst Möller/Ilse Dorothee Pautsch/Gregor Schöllgen/ Hermann Wentker/Andreas Wirsching (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015), Dok. 30, 168–170. 62 Helmut Kohl, Erinnerungen 1982–1990 (München: Droemer, 2005), 1011–1014. 63 „EG bereitet Aufnahme der DDR vor“, in: Die Welt, 8. Mai 1990; Kohler-Koch, Die Politik der Integration, 12. 64 Botschafter Wolf bei Botschafter Schmid, 4. 1. 1990. Amtsvermerk, Botschafter Erich Maximilian Schmid, Wien, 9. Jänner 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 43.02.01/ 1-ILSL /90. Österreichs Botschafter in Berlin-Ost, Franz Wunderbaldinger, hörte bei einem Diplomaten-Empfang für den französischen Staatspräsidenten am 21. Dezember Mitterrand wortwörtlich sagen: „Sie [die DDR] wird weiterbestehen, ich garantiere Ihnen, wir werden nicht ja zur Wiedervereinigung sagen.“ Interview mit Franz Wunderbaldinger, 4. Mai 2007 in Wien (Tonbandaufzeichnung im Besitze des Verfassers); vgl. auch Franz Wunderbaldinger, „Ich habe nichts davon gehalten, dass es zu einem Zusammenbruch der DDR kommt“, in: Michael Gehler/Andrea Brait (eds.), Am Ort des Geschehens in Zeiten des Umbruchs 1989. Lebensgeschichtliche Erinnerungen aus Politik und Ballhausplatzdiplomatie (= Historische Europastudien 17/3, Hildesheim/Zürich/New York: Olms, 2017).

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Eine deutliche Änderung der EG -Beitrittsstrategie der Bundesregierung sowie eine deutliche Abgrenzung Österreichs gegenüber den beiden deutschen Staaten im Zuge der Debatte über die Wiedervereinigung verlangte ÖVP-Politiker und Wissenschaftsminister Erhard Busek von seiner Partei. Es dürften als Konsequenz der Umwälzungen in der DDR und der ČSSR vor allem zwei Dinge nicht passieren: Erstens, dass Österreich in seinen EG -Beitrittsbemühungen in ein „Kistl mit allen Wartenden“ der DDR oder Ungarn geworfen werde. Zweitens, dass Österreich in irgendeiner Form in die Wiedervereinigungsdebatte hineingezogen werde. „Diese tangiert uns nicht“, sagte Busek. Vranitzky müsse dies international ein für alle Mal klarstellen und es rasch zu einer bilateralen Übereinkunft zwischen Österreich und den einzelnen EG -Regierungen kommen. Folglich sei die EFTA-Option aufzugeben. Überdies müsste Österreich z. B. an seine Teilnahme am Ost-West-Fonds Bedingungen knüpfen. Es gehe nicht an, dass man als Mitglied der EG nicht akzeptiert werde, dennoch aber ein­ zahlen solle.65 Im Zuge der sich rasant entwickelnden deutsch-deutschen Beziehungen in Richtung Wiedervereinigung sah sich Österreich gezwungen, Brüssel zu signa­ lisieren, seine Beitrittsambitionen zu intensivieren. Der Generalsekretär des österreichischen Außenministeriums, Thomas Klestil, forderte eine Vorverlegung des Stichtages für die österreichischen EG -Beitrittsverhandlungen. Er fragte: „Ist der Zeitpunkt 1992 nicht durch die neue Entwicklung in Frage gestellt?“ Klestil reagierte damit auf Stimmen in der EG, die von einer Mitgliedschaft der DDR sprachen, aber auch auf die gesamten Umwälzungen in Osteuropa Bezug nahmen. Er fragte erneut rhetorisch: „Muss man nicht das Klopfen an die Tür der EG verstärken?“ Weiter skizzierte er eine Strategie. Er wisse nicht, ob man durchkomme, aber man müsse es versuchen. Die Äußerungen aus der EG über einen Beitritt der DDR seien Österreich sehr wichtig, denn „sie deuten auf eine Öffnung der EG hin. Sie könne dann aber auch Österreich nicht auf die lange Bank schieben. Selbst wenn in der DDR alles optimal laufen sollte, bleibe immer noch der wirtschaftliche Unterschied. Österreich passt sofort in die EG, während man dort noch zehn Jahre vor sich hat.“ Deutlich wurde hier die Sorge des österreichischen Außenministeriums, dass die DDR im Vergleich zu Österreich bevorzugt behandelt würde, sollte es zu einem EG -Beitritt Ost-Deutschlands kommen. Daher stellte auch Klestil die Vorzüge und Vorteile Österreichs gegenüber der DDR heraus.66

65 „Busek fordert Änderung der EG -Politik. ‚Wir dürfen uns nicht wie osteuropäische Staaten behandeln lassen‘“, in: Die Presse, 21. Dezember 1989. 66 Andreas Unterberger: „Klestil: Beitritt vorverlegen“, in: Die Presse, 13. Januar 1990.

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6.

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Bonn betont die Sonderfall-These von Delors für die DDR und signalisiert keine Zurückstufung der österreichischen EG-Ambitionen im Januar 1990

Die EG -Kommission beschäftigte sich weiter mit der DDR . Eine Mitgliedschaft sei kein grundsätzliches, sondern lediglich ein technisches Problem, hieß es vorerst aus Brüssel.67 Jacques Delors reagierte zunächst noch zurückhaltend auf die offene deutschen Frage. Am 8. Januar 1990 deutete er erstmals in einem Interview an, dass eine mögliche deutsche Vereinigung die Gemeinschaft stärken würde.68 Am 17.  Januar hielt er sodann eine bemerkenswerte Rede im Europäischen Parlament, in der er ausführte, dass die staatliche Einheit Deutschlands in erster Linie Angelegenheit der Deutschen sei, aber auch Sache der EG. Die DDR stelle einen „Sonderfall“ unter den Staaten dar, die eine engere Kooperation mit der EG anstrebten. Drei zukünftige Möglichkeiten sprach Delors an: ein Assoziierungsabkommen; ein Beitritt als selbständiger Staat (als Ausnahme hinsichtlich der Beitrittsgesuche Polens und Ungarns und der Übereinkunft, bis zur Vollendung des Binnenmarkts keine neuen Mitglieder aufzunehmen) oder die Einbeziehung der DDR in die EG als Folge der Vereinigung Deutschlands.69 Der Optionen-Vorschlag von Delors bot Anlass für eine Auseinandersetzung im Rat der Außenminister im gleichen Monat.70 Die Aufnahme der DDR als eigenständiger Staat sollte sich alsbald als nicht konsensfähig erweisen: In Bonn fand diese Option keine Zustimmung und wurde abgelehnt. Ebenso sprach sich der niederländische Außenminister Hans van den Broek am 20. Januar gegen einen Beitritt der DDR aus; auch sein belgischer Amtskollege Mark Eyskens reagierte negativ. Frankreichs Außenminister Roland Dumas und sein britischer Amtskollege Douglas Hurd befürchteten bei zwei deutschen EG -Staaten ein deutsches Übergewicht, sahen die Inkompatibilität der DDR-Ökonomie mit dem EG -Markt sowie beträchtliche Kosten auf die EG zukommen.71 Gegen eine eigenständige EG -Mitgliedschaft der DDR sprach also eine Menge. Zudem war neben dem Einverständnis der Mitgliedstaaten auch die Zustimmung aller EG -Organe notwendig. Am 20.  Januar lehnten Niederländer und Belgier mit Blick auf die Anträge Polens und Ungarns einen vorgezogenen Spezialbeitritt der DDR erwartungsgemäß ab. Die französische Seite hielt sich ebenfalls zurück, zumal die politischen und ökonomischen Bedingungen für einen DDR-Beitritt nicht erfüllt waren. Langwierige Beitrittsverhandlungen galt es zu vermeiden. Für Delors galt der Grundsatz „Vertiefung vor Erweiterung“ und die 67 Schmidt, Die Europäische Gemeinschaft, 394. 68 Grosser, Wagnis, 387. 69 Ibd., 388. 70 Schmidt, Die Europäische Gemeinschaft, 394. 71 Grosser, Wagnis, 388.

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Vorrangigkeit der Realisierung des Binnenmarkts. Bangemann schloss eine solche Variante mit dem Hinweis aus, dass die DDR Mitglied des Warschauer Pakts sei. Bonn stellte sich klar gegen eine solche Lösung, um zu verhindern, dass damit die DDR ihre Eigenstaatlichkeit zum Ausdruck bringt. Für die übrigen Mitglieder kam nicht in Frage, eine institutionelle Gewichtsverschiebung zugunsten zweier deutscher Staaten, also eine Erhöhung des deutschen Stimmenanteils in den EG -Gremien, zu akzeptieren. Eine Belastung des Strukturfonds sollte hintangehalten werden.72 In Summe betrachtet erschien ein EG -Beitritt der DDR bereits im Januar völlig unrealistisch, obwohl Ost-Berlin nicht davon ablassen sollte: Zu Beginn der Verhandlungen über das Handels- und Kooperationsabkommen mit der EG erklärte der DDR-Verhandlungsführer am 29. Januar, dass man weit über dieses Abkommen hinaus denke.73 Delors und Bangemann warben jedoch fortan für eine Unterstützung der deutschen Vereinigung. Als Motor der Integration erwartete die Kommission von einer deutschen Einigung eine Vertiefung der Integration und die stärkere Einbindung eines größeren Deutschlands. Mit dieser Position konnte sie außerdem die Meinungsführerschaft im Rahmen der EG übernehmen und ihre integrationspolitische Rolle als Antreiber unterstreichen. Folglich wurden drei Arbeitsgruppen eingesetzt, die sich mit den Auswirkungen der deutsch-deutschen Annäherung und Vereinigung befassen sollten: Eine unter der Leitung von Bangemann (Folgen für den Binnenmarkt), eine unter Andriessen (Folgen für Außenbeziehungen) und eine unter Henning Christophersen (Folgen für die Europäische Währungsunion).74 Sie bildeten eine Task Force unter Leitung des stellvertretenden Generalsekretärs der EG -Kommission, des Niederländers Carlo Trojan,75 der Delors’ Chef-Unterhändler in Sachen deutsche Einheit und Berlin-Beauftragter war. Mit dem Vorstoß von Delors, wonach die DDR „ein Sonderfall“ sei, übernahm die Kommission bereits im Januar 1990 die Initiative gegenüber den Mitgliedsstaaten. Man hatte zutreffend erkannt, dass die sich überschlagenden Ereignisse in Deutschland zu einem schnellen Zusammenwachsen Deutschlands führen würden. Es galt daher, diesen Prozess zu nutzen.76 Delors war bereits auf der 72 Meyer, Die Eingliederung der DDR in die EG, 31. 73 Schmidt, Die Europäische Gemeinschaft, 394. 74 Grosser, Wagnis, 388. 75 Carlo Trojan (geboren 1942 in Florenz), studierter Jurist an der Universität Leiden (Europäisches und Völkerrecht), arbeitete als Rechtsberater im niederländischen Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung, ging 1973 zur EG -Kommission, wo er als stellvertretender Stabschef unter Landwirtschaftskommissar Lardinois arbeitete. Im Jahre 1977 wurde er Agrarrat in der Ständigen Vertretung der Niederlande bei der EG , 1981 Stabschef bei Frans Andriessen, Vizepräsident der Kommission, mit Schwerpunkt Wettbewerbs­ politik und Landwirtschaft. 1987 wurde er Stellvertretender Generalsekretär in der Kommission und 1997 Generalsekretär sowie von 2001 bis 2007 als Botschafter der Ständige Vertreter der Kommission bei der WTO. 76 Meyer, Die Eingliederung der DDR in die EG, 27–28.

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Seite Kohls und seiner mittelfristig auf eine staatliche Einigung mit Ostdeutschland angelegten Politik, nach außen agierte er eher aber noch vorsichtig und zurückhaltend, wodurch er signalisierte, auf eine davon unabhängige eigene Regelung mit der EG zu setzen. Im Januar 1990 war in Wien damit die Sorge noch größer geworden, dass Delors’ scheinbare oder tatsächliche Auffassung vom Sonderstatus der DDR Österreichs EG -Chancen schmälern könnte. Es bestand die Gefahr, die von Wien wiederholt vorgetragene und arg strapazierte These vom „Sonderfall Österreich“ angesichts der Konkurrenz durch die DDR nicht mehr durchzuhalten. Die Erklärung von Außenminister Genscher, dass die EG -Aufnahmesperre bis zur Realisierung des EG -Binnenmarktes für die DDR nicht gelte, verstärkte diesen Eindruck am Ballhausplatz. Das wurde hingegen im Bonner Bundeskanzleramt nicht als eine Zurückstufung des Wiener EG -Ansuchens bewertet, was einmal mehr Auffassungsnuancen erkennbar werden lässt. Man ging in der Bonner Regierungszentrale auf die österreichischen Sorgen sofort ein: Die DDR sei ein Sonderfall, der andere EG -Kandidaten nicht betreffe. Österreichs Chancen seien durch die Veränderung des politischen Klimas aber eher gestiegen. Bonn stehe Wiens Bewerbung „nach wie vor mit größter Sympathie gegenüber“. Vordringlich in Sachen DDR seien freilich nicht die EG -Frage, sondern die Auflösungserscheinungen und die dramatische Abwanderungsbewegung. Bonn signalisierte Wien: Zentral sei nicht die Frage des EG -Beitritts der DDR , sondern die Vorver­legung der Volkskammerwahlen vom Mai auf März 1990. Kohls Berater Teltschik sah keinerlei Verklammerung oder Wechselwirkung zwischen dem österreichischen Aufnahmebegehren und einer wie auch immer gestalteten EG Annäherung der DDR . Diese sei seit Jahren „stiller Teilhaber“ der EG. In welcher Form sie eine direkte Teilnahme ausüben könne, stehe zurzeit „in den Sternen wie der gesamte Ablauf der deutsch-deutschen Vereinigung, von der nur sicher ist, dass, aber nicht wie und wann sie kommt“. Für Bonn sei die österreichische EG -Mitgliedschaft gewissermaßen „eine Selbstverständlichkeit“, die sich aus dem politischen System, dem wirtschaftlichen Standard und historischer Gewachsenheit ergebe. Die „Aufnahmesperre“ bis Ende 1992, also bis zum Vollzug des Binnenmarktes bestehe aber nach wie vor. Teltschik verschwieg nicht, dass es in Bonn Kopfschütteln angesichts des „überdurchschnittlichen Hindernisrennens“ gab, das Österreich 1989 „auf dem Weg nach Brüssel in Sachen Neutralität selbst inszeniert“ habe. Schon 1989 hätte Kohl den Österreichern geraten, die Neutralitätsfrage im Hinblick auf mögliche weltpolitische Veränderungen gelassener zu betrachten. Schwierigkeiten solle man bei den Verhandlungen ausräumen, sie aber „nicht zur Unzeit provozieren“. Teltschik gab Kohls Position wieder: Österreichs ständige Hinweise „unter welchen Voraussetzungen [es] bereit sei, der EG beizutreten“ hätte im Vorjahr nicht nur die Interessenlage auf den Kopf gestellt, sondern maßgebliche EG -Mitglieder, vor allem die Franzosen, nachhaltig verärgert. In diesem Zusammenhang sei vor einem möglichen zweiten fatalen Irrtum der österreichischen EG -Politik zu warnen: nämlich die Republik als für die EG unentbehrlichen Mittel- und Osteuropa-Spezialisten zu

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überschätzen. Man erkenne im Bonner Bundeskanzleramt die praktischen Erfahrungen Österreichs im Umgang mit seinen Nachbarn, den relativ hohen Kapitaleinsatz in diesen Staaten, die hohe Bereitschaft zu Joint Ventures und die aus gemeinsamer Geschichte resultierenden klimatischen Möglichkeiten. Bonn verwies aber gleichzeitig auf das Ausmaß des Engagements. Hier hatte die Bundesrepublik weit mehr zu bieten, so Teltschik: „Die Polen, die Ungarn, die Tschechen finden uns ohne jeden Umweg. Der Schriftsteller und Präsident Václav Havel fuhr gleich in die Bundesrepublik und der ungarische Ministerpräsident machte einen Wochenendausflug zu Helmut Kohl in dessen Haus nach Oggers­ heim.“ Teltschik wollte das nicht als eine Abwertung, sondern eher als eine Quantifizierung der österreichischen Möglichkeiten verstanden wissen. Er sah eine österreichische EG -Mitgliedschaft auch als Wegbereiter für derartige ungarische Absichten an. Außer Frage stand für Teltschik die „hervorragende Reife Österreichs“ während er darauf verwies, dass die EG -Kompatibilität der DDR politisch und wirtschaftlich noch geraume Zeit auf sich warten lassen dürfte. Neutralität, gemeint war die österreichische, nehme sich zur Zugehörigkeit zum Warschauer Pakt vergleichsweise problemlos aus.77 7.

Modrow sucht Unterstützung in Wien und Brüssel – Mock bekennt sich zu Kohls Deutschlandpolitik der Einheit (Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion)

Im Vorfeld des Besuchs von Hans Modrow in Wien am 26. Januar, zeigte Österreich grundsätzliche Bereitschaft, einen allfälligen Wunsch der DDR auf Vereinbarung einer gemeinsamen Erklärung nach dem Muster der EFTA und Jugoslawien oder der EFTA und Ungarn zu unterstützen. Gegebenenfalls sollte der DDR auch nur empfohlen werden, den Wunsch nach verstärkter Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten in anderen EFTA-Hauptstädten zu deponieren. Die DDR hatte ihr Interesse an einem Handelsabkommen mit der Gemeinschaft also bekundet. Exploratorische Gespräche waren im Sommer 1989 abgeschlossen 77 Gerd Bacher: „DDR schmälert Österreichs EG -Chance nicht. Wachsende Sorge Bonns über Krise im Osten“, in: Die Presse, 20. Januar 1990. Kohl hatte sich im August 1989 als „ein stringenter Anhänger des EG -Beitritts“ für Österreich bezeichnet und geraten, alle diesbezüglichen Probleme erst zu prüfen, „wenn die Stunde der Entscheidung ansteht“. Er hatte ferner empfohlen: „Laßt euch jetzt nicht nervös machen, Österreicher. Wartet ab.“ Zur Neutralität meinte er: „Machen wir uns, macht ihr euch auch jetzt kein Kopfzerbrechen über Dinge, die nach 1992 passieren.“ Er verdeutlichte weiters, dass Österreich „keine Minderwertigkeitskomplexe zu haben brauche“. Es wäre „völlig falsch, sich jetzt schon ausführlich mit allfälligen Schwierigkeiten zu befassen, die ein EG -Beitritt bringen könnte“. – Es ist bemerkenswert, wie vorausschauend und zeitgerecht Kohl gegenüber Österreichs EG -Ambitionen argumentierte: das Jahr 1992 stand für den in Kraft zu setzenden EG -Binnenmarkt, vgl. Thomas Chorherr, „Österreich – ein gewaltiges Kapital für das vereinigte Europa!“ Der deutsche Bundeskanzler Kohl im Exklusivgespräch mit der Presse: „Neutralität, Wiedervereinigung, Ostpolitik“, in: Die Presse, 8. August 1989.

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worden. Am Vorabend des Pariser Gipfels vom 18. November hatte die DDR der EG -Kommission und allen Mitgliedstaaten ein Memorandum überreicht, in

dem Verhandlungen über die Handelsbeziehungen sowie über eine umfassende Kooperation, v. a. im industriellen Bereich, vorgeschlagen wurden. Das Verhältnis der EG zur DDR war abgesehen von den Bestimmungen des Zusatzprotokolls des EWG -Vertrags allgemein durch die Politik der EG gegenüber den mittel- und osteuropäischen Staaten mitbestimmt. Ihre Elemente waren harmonisierte Vertragsbedingungen, abhängig vom Fortschritt der politischen und wirtschaftlichen Reformprozesse, dem Abschluss von Handels- und Kooperationsverträgen mit entsprechender Liberalisierung im Handelsverkehr und weitreichenden Bestimmungen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie ein Verhandlungsmandat mit der DDR , wofür sich die Bundesrepublik auch sehr nachdrücklich eingesetzt hatte, das auch vom EG -Außenministerrat am 19. Dezember 1989 beschlossen worden war. Die Verhandlungen mit der DDR sollten wie mit jedem anderen Drittstaat geführt werden und zwar mit materieller Unterstützung des wirtschaftlichen und politischen Reformprozesses. Es bestand auch grundsätzliche Bereitschaft der EG, die sich auf Polen und Ungarn erstreckenden Hilfsmaßnahmen im Rahmen des Programms „Poland and Hungary. Aid for Restructuring of the Economies“ (PHARE) auch auf andere reformwillige Länder, darunter die DDR , auszudehnen. Es sollten geeignete Formen der Assoziierung gefunden werden, da die Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa und in der DDR noch nicht abschätzbar waren, wobei noch keine konkreten Festlegungen getroffen waren. Unabhängig davon galt die DDR als Sonderfall, was aus österreichischer Sicht noch nicht abgeschätzt werden konnte. Im Verhältnis zur DDR hat Brüssel verlauten lassen, dass das „deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wieder erlangen solle“. Dieser Prozess müsse sich auf friedliche und demokratische Weise, unter Wahrung der Abkommen und Verträge sowie sämtlicher in der Schlussakte von Helsinki niedergelegten Grundsätze im Kontext des Dialoges und der Ost-West-Zusammenarbeit vollziehen. Delors hatte bei seinem Besuch in Irland erklärt, dass die DDR „unter der Voraussetzung pluralistischer Strukturen und freier Marktwirtschaft einen Platz in der Gemeinschaft“ habe, wenn sie dies wünsche. Dabei hatte er allerdings offengelassen, ob es ein oder zwei deutsche Mitglieder geben könne. Der belgische Außenminister Eyskens hatte bei seinem Besuch in Wien am 17. und 18. Januar 1990 auf diese Erklärung der Gemeinschaft verwiesen, dabei aber zu erkennen gegeben, dass Belgien in der Frage weiterer Beitritte Österreich vor der DDR Priorität einräumen würde. Der integrationspolitische Zeitdruck hatte sich inzwischen erhöht, denn die DDR lief Gefahr, von anderen Staaten Mittel- und Osteuropas übertroffen zu werden, die auf dem Weg zur Demokratie schon weiter waren. Jugoslawische, polnische, ungarische und sogar sowjetische Parlamentarier waren schon in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates seit Juli 1989 vertreten. Die Frage der Mitgliedschaft der DDR beim Europarat war hinter einer aktiven Mitarbeit auf allen Gebieten zurückgetreten, von denen der Europarat eine weit gestreute Vielzahl anzubieten hatte: Menschen- und Grundrechte,

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Medien, ­soziale und sozioökonomische Probleme, Erziehung, Kultur-Sport, Jugendarbeit, Gesundheit, Umwelt, Gemeindedemokratie und Rechtszusammenarbeit. Die DDR konnte, laut österreichischer Einschätzung, „daraus vielfältigen Profit und auch eine unbestreitbare demokratische Legitimation ziehen“, was die UdSSR bereits erkannt habe, denn ihre Delegation in Straßburg war nach der Europarat-erfahrenen Wiener Beurteilung „höchstrangig“. Österreich sollte der relativen Unerfahrenheit der DDR und dem bestehenden bilateralen Vertrauen mit Vermittlung und Beratung in allen Europarats-Angelegenheiten entgegenkommen. Es wurde im Außenministerium auch vorschlagen, dass Informa­ tionsgespräche zwischen den einschlägigen Abteilungen der beiden Außenministerien stattfinden könnten.78 Die EFTA und der Europarat waren aber nicht im Fokus der ostdeutschen Regierung. Im Gespräch mit Vranitzky hielt Modrow fest, dass die DDR auf den Abschluss des Abkommens mit der EG noch im Jahre 1990 hoffe und dem Binnenmarkt als Assoziierter oder Mitglied angehören wolle. Das schloss für Modrow auch eine Neugestaltung des RGW mit ein, den er nicht zu verlassen gedachte, zumal 90 % der Rohstoffe aus der Sowjetunion bezogen und Zweidrittel des Handels mit ihr abgewickelt wurden. Dieses Handelsvolumen sollte zukünftig die „Grundlast“ bilden, das Wachstum hingegen im Westhandel liegen.79 Der der DDR-Delegation angehörende Gerhard Beil hielt auch den Beitritt der DDR zum General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) und zur Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) für erforderlich. Man arbeitete bereits an einem den internationalen Normen entsprechenden Zollgesetz, das am 1. Januar 1991 in Kraft treten sollte.80 Sowohl die ostdeutsche als auch die sowjetische Seite erkannte Ende Januar, dass ihr die „Zeit davonzulaufen drohe“. Die Tendenz zur Vereinigung in der DDR schien immer mehr die Überhand zu gewinnen und die Sowjetunion musste dies nolens volens zur Kenntnis nehmen. Dabei schien Moskau nach außen noch bemüht, so lange wie möglich die Eigenstaatlichkeit der DDR zu erhalten, sei es sogar im Wege einer EG -Mitgliedschaft, die offensichtlich als kleineres Übel a­ ngenommen wurde.81 Wie der Mitarbeiter in der Osteuropaabteilung des österreichischen Außenministeriums, Hans Peter Manz, ermittelte, hatte der Leiter der Hauptverwaltung für sozialistische Länder Europas des sowjetischen Außenministe­riums, Gorald N. Gorinowitsch, am 30.  Januar erklärt, dass die UdSSR nichts dagegen habe, wenn die DDR als unabhängiger Staat der EG bei78 Information, genehmigt von Legationssekretär Hans Peter Manz, Wien, 24. Jänner 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 43.18.01/2–11.3/90. 79 DDR ; Besuch von MP Modrow in Österreich; Delegationsgespräche, 26.1.1990. Amtsvermerk, Gesandter Ernst Sucharipa, Wien, 31. Jänner 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 43.18.01/13-II .3/90. 80 Ibd. 81 SU-DDR , Einschätzung der derzeitigen Situation in der DDR durch SU-Aussenmin., SUHaltung zur deutschen Vereinigung (Info). Botschaft Moskau an BMAA , Moskau, 30. Jänner 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/13-II .3/90.

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treten würde. In dem von der DDR an Kanzleramtsminister Rudolf Seiters bei seinem Besuch in Berlin am 25. Januar übergebenen Entwurf für eine Vertragsgemeinschaft beider deutschen Staaten war ein Passus über ihre Absicht enthalten, der EG beizutreten. Vorausgesetzt wurde dabei, dass DDR und Bundesrepublik als unabhängige Staaten bestehen bleiben würden und die Achtung der Selbstständigkeit einer unabhängigen DDR gegeben sein sollte. Nach angeblich sowjetischer Ansicht war sogar eine gleichzeitige Mitgliedschaft der DDR in EG und RGW denkbar. Der russische Gesprächspartner hatte allerdings „eindringlich um vertrauliche Behandlung seiner Stellungnahme“ gebeten. Hinzugefügt wurde, dass Modrow während seines Moskau-Besuchs bei Gorbatschow bezüglich der Perspektive einer EG -Mitgliedschaft der DDR vorfühlen wolle.82 Am 29. Januar begannen die Verhandlungen zwischen EG und DDR über das Handels- und Kooperationsabkommen in Brüssel. Ziel der Regierung Modrow war es, noch vor der Volkskammerwahl am 18. März ein Resultat zu erzielen, um dieses als wirtschaftlichen Achtungserfolg und damit auch als politischen Anerkennungsakt der Eigenstaatlichkeit der DDR zu dokumentieren. Mitte Februar gab es von beiden Seiten weitgehend übereinstimmende Entwürfe, die sich am Modell der Kooperationsabkommen zwischen der EG und der UdSSR orientierten.83 Bonn missfiel nun angesichts der sich überstürzenden deutschlandpolitischen Ereignisse die zehnjährige Laufzeit des Abkommens. Man hätte lieber ein solches mit einer demokratisch gewählten DDR-Regierung gesehen, um nicht ein falsches Signal zu senden.84 Der deutsche Bundeskanzler ging nun nach dem Zehn-Punkte-Programm vom 28.  November des Vorjahrs ein zweites Mal in die Offensive und ergriff eine weitere entscheidende Initiative. Am 6. Februar machte Kohl seinen Vorschlag, mit der DDR ohne Verzug in „Verhandlungen über eine Währungsunion mit Wirtschaftsreformen einzutreten“, öffentlich  – trotz Warnungen der Deutschen Bundesbank. Der Wirtschaftsminister legte einen „Drei-­Stufen-Plan für eine Wirtschafts- und Währungsunion mit der DDR bis 1992“ vor.85 In der Kommission in Brüssel war eine sich mit den Entwicklungen in Deutschland und den daraus resultierenden Konsequenzen für die EG ­zuständige 82 EG -Beitritt der DDR ; SU-Haltung. Information, Hans Peter Manz, Wien, 30. Januar 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990. GZ . 706.02/22-II .3/90; Modrow in Moskau; Gespräch zwischen Modrow und Gorbatschows; Modrow vor der Presse; Hans Modrows Deutschlandplan; Für Deutschland, einig Vaterland. Konzeption für den Weg zu einem einheitlichen Deutschland, alles in: Deutschland-Archiv 23 (März 1990) 3, 468–472; Gerhard Wettig, Stadien der sowjetischen Deutschland-Politik, in: Deutschland-Archiv 23 (April 1990) 4, 1070–1078. 83 Grosser, Wagnis, 389. 84 Ibd., 390. 85 Kohler-Koch, Die Politik der Integration, 11; Johannes Ludewig, Unternehmen Wiedervereinigung. Von Planern, Machern, Visionären (Hamburg: Osburg Murmann Publisher, 2015), 44–54, hier 44 und 263.

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Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich seit Februar bereits mit der anvisierten deutschen Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion befasste. Eingebunden in den Austausch waren der Staatssekretär des bundesdeutschen Wirtschaftsministeriums, Otto Schlecht, Staatssekretär Horst Köhler vom Finanzministerium als auch der Direktor der deutschen Bundesbank, Hans Tietmeyer.86 In detaillierter und differenzierter Weise begann sich das Generalsekretariat der EG -Kommission im Februar mit möglichen Aktivitäten und Gemeinschaftspolitiken bezüglich der bereits erwarteten deutschen Einigung zu beschäftigen. Als zu behandelnde Materien wurden aufgelistet: Fragen der EG -Institu­tionen, des Gemeinschaftsbudgets, der Kohle- und Stahlgemeinschaft, des Konsumentenschutzes, der Strukturfonds, der Sozialpolitik, der Währung, der Wirtschafts­ konvergenz und nicht zuletzt des Wettbewerbsrechts. In dem Dossier war bereits von der „Wiedervereinigung Deutschlands“ die Rede.87 Die DDR beantragte nun ihrerseits einen Sonderstatus im Europarat nach der Form vom Mai des Vorjahrs, wie er für Ungarn geschaffen worden war, um auch eine Annäherung an die Straßburger Organisation zu ermöglichen.88 Am 1. Fe­ bruar 1990 übermittelte die Modrow-Regierung an die EG -Kommission ein Memorandum zur Wirtschaftsreform in der DDR , um ihre Bereitschaft zu Veränderungen durch Öffnung zu signalisieren.89 Die EG -Kommission verfolgte laut Klaus-Peter Schmidt eine Doppelstrategie, d. h. die Heranführung der DDR an die EG bei gleichzeitiger Unterstützung der Deutschlandpolitik der Bundesrepublik, worin für Delors kein Widerspruch bestand. Der Rat der Finanzminister der EG -Mitgliedstaaten billigte folglich den Vorschlag einer deutschen Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, nachdem anfänglich der Vorstoß Kohls – ähnlich wie sein Zehn-Punkte-Plan vom 28. November – wieder für Aufregung gesorgt hatte und Besorgnis aufgekommen war, dass im Falle eines EG -Beitritts der DDR die Notwendigkeit einer Änderung der Römischen Verträge gegeben gewesen wäre, zumal man in der Kommission von einer Neudefinition des Gültigkeitsgebiets des EWG -Vertrags ausgegangen war.90 Im Grunde handelte es sich um eine Dreifach-Strategie, die die Kommission verfolgte: erstens Heranführung der DDR an die EG, zweitens Unterstützung der Vereinigungspolitik von Kohl bei einer drittens gleichzeitig an ihn gerichteten Aufforderung zu weiteren Schritten verstärkter bundesdeutscher Integrationspolitik im Rahmen der EG. Vor dem Hintergrund dieser Priorität trat das österreichische EG -Beitrittsansuchen völlig in den Hintergrund. 86 Note for the attention of Mr. Lowe, Chef de Cabinet of Mr. Millan by Manfred Brunner (Cabinet Bangemann) on the consequences of German unification, 20 February 1990. HAEU, Commission Papers, GR-111. 87 Note de Dossier, Object: Actions et politiques communautaires susceptibles s’être affec­ tées par la réunification de l’Allemagne, 20 février 1900, René Leray. HAEU, Commission Papers, GR-111. 88 Schmidt, Die Europäische Gemeinschaft, 390. 89 Ibd., 394. 90 Ibd., 396.

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In Brüssel herrschte im Februar Verwunderung, weil die DDR die ihr gewährten Finanzhilfen durch die Europäische Investitionsbank (EIB) noch nicht abgerufen hatte, was auf das Übermaß an Bewältigung der inneren Probleme zurückgeführt und die mangelnde Vertrautheit mit den Abläufen und Gebräuchen der EG -Verwaltung als Ursache gesehen wurde.91 Am 13.  Februar sollte Modrow bei seinem Besuch in der Bundesrepublik nicht den erhofften Kredit von 15 Milliarden für die DDR erhalten.92 Kohl signalisierte, wer das Kommando hatte, zeigte keine Bereitschaft eines Entgegenkommens und ließ den DDR-Regierungschef im Regen stehen.93 Das führte zu einer realistischeren Einschätzung der innerdeutschen Lage durch die Regierungen der EG -Mitgliedsländer. Am 15. Februar tagte das Europäische Parlament und etablierte einen „Nichtständigen Ausschuss zur Prüfung der Auswirkungen des Prozesses der Wiedervereinigung Deutschlands auf die europäische Einigung“.94 Am 16. Februar beschwerte sich Delors noch an gleicher Stelle, dass die Kommission zwar von der Bundesregierung regelmäßig informiert, aber nicht konsultiert werde. Die Sorgen nähmen zu, was eine „irrationale Feindseligkeit“ bei der französischen Linken und Rechten wie auch in den Niederlanden und Italien erzeugt habe. Delors begrüßte hingegen Kohls Vorschlag an den irischen Ratspräsidenten Charles Haughey, den 28. April für einen Sondergipfel in Dublin zu nutzen. Die Bundesregierung müsse eine Willensbekundung zur Fortsetzung der europäischen Integration abgeben.95 Eine enge Beratung mit der Kommission sollte nicht mehr lange auf sich warten lassen. Folglich informierte der bundesdeutsche Unterhändler und Wirtschaftsberater Kohls, Johannes Ludewig, Delors’ Kabinettschef Pascal Lamy vertraulich über den Stand der deutsch-deutschen Entwicklung. Dabei wurde deutlich, dass Delors den unkomplizierten Beitritt der DDR nach Artikel 23 des Grundgesetzes wünschte.96 Ein solches Szenario war auch in Bonn, besonders nach dem ModrowBesuch, höchst willkommen, wenngleich bezüglich der Zeitabläufe nur vage Vorstellungen herrschten. Der im Bundeswirtschaftsministerium für Europa­ fragen zuständige Staatssekretär Otto Schlecht erwartete ab Mitte Februar 1990 in einem Gespräch mit den Bonner EFTA-Botschaftern „eher eine rasche Vereinigung“. Nach seiner Ansicht wäre aus dem Blickwinkel der EG ein DDRBeitritt nach Artikel 23 des Grundgesetzes „der einfachste Weg“. So würden 91 Ibd., 396–397. 92 Ludewig, Unternehmen Wiedervereinigung, 48. 93 Johannes L. Kuppe, Modrow in Bonn, in: Deutschland-Archiv 23 (März 1990) 3, 337–340; DDR-Ministerpräsident Modrow in Bonn; Erklärung von Bundeskanzler Kohl; DDRRegierungssprecher Meyer vor der Presse in Ost-Berlin zum Modrow-Besuch, alle in: Deutschland-Archiv 23 (März 1990) 3, 474–480. 94 Grosser, Wagnis, 389. 95 Ibd., 391. Vgl. hierzu auch den Beitrag von Mervyn O’Driscoll in diesem Band. 96 Grosser, Wagnis, 391.

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(„wenigstens theoretisch“) keine zusätzlichen deutschen Beamte, Kommissare und Stimmrechte fällig – nur die Proportionalität im Europäischen Parlament müsste überdacht werden, insbesondere falls ihm neue Rechte übertragen würden. Die deutsche Einigung über eine eigens einzusetzende verfassungsgebende Versammlung laut Artikel 146 Grundgesetz könnte, so Schlecht, völkerrechtliche Probleme erzeugen, denn ein daraus hervorgegangener neuer deutscher Staat müsste erst durch Verhandlungen in die EG aufgenommen werden. Bonn dürfe nicht den Eindruck erwecken, als dränge es die DDR zur Einheit. Schlecht räumte gleichzeitig ein, dass der Wahlkampf für die Volkskammer nahezu ausschließlich durch bundesdeutsche Politiker bestritten und die krisenhafte Situation in Ostdeutschland täglich schlechter würde. Die aus Bonner Perspektive verständliche Verweigerung einer solidarischen Soforthilfe für die DDR über die schon erfolgten beträchtlichen Zahlungen wie den Devisenreisefonds konnte aus Sicht der österreichischen Botschaft den DDR-Bürgern „ein Zusammengehen mit der BRD zwecks rascher Einlösung ihrer Wohlstandserwartung dringlicher nahelegen“, wobei sich fragte, ob die deutsche Bundesregierung oder die DDR-Bevölkerung mehr drängte. Die österreichischen Beobachter waren sich nicht sicher, wie weit die konkreten Überlegungen über die der DDR angebotene Währungs- und Wirtschaftsunion in der Bundesrepublik bereits gediehen waren. Schlecht verwies auf den seinerzeitigen Beitritt der Saar mit der vom Bundestag terminierten Gültigkeit des Grundgesetzes für das Saarland. Die tatsächliche Übernahme des bundesdeutschen Rechtes habe sich dann „über etwa drei Jahre erstreckt“. Mindestens so lange Übergangsregelungen wären auch für die DDR notwendig. So schien ihm die Frage berechtigt, ob nicht entsprechende Übergangsverein­ barungen auch im Verhältnis der DDR zur EG ausgehandelt und getroffen werden müssten.97 „A united Germany cannot be established without the EC: the future of the EC cannot be established without Germany“, hielt inzwischen der Vizepräsident der EG -Kommission Christophersen am 19. Februar 1990 in einer Rede in P ­ aris fest.98 Es folgte die Tagung der EG -Außenminister tags darauf in Dublin, wo es keinen offenen Widerspruch mehr zu den Grundlinien der Deutschland- und Europapolitik der deutschen Bundesregierung gab.99 Der EG -Rat lenkte nun aufgrund der seit Januar erfolgten Kommissionsoffensive ein. Es waren keine Bedenken mehr zu registrieren. Genscher stellte einen dichten Informationsprozess in Aussicht. Im Unterschied zu Kohl machte er sogar eine klare Aussage zur Oder-Neiße-Grenzfrage.100 97 BRD Währungs- und Wirtschaftsunion mit der DDR . Gesandter Wolfgang Loibl an BMAA , Bonn, 19.  Februar 1990, Z1. 86-Res/90, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/36-II .1/90. 98 The future of Germany and Europe, in: Pressemitteilung IP (90) 144 der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Brüssel, 19. Februar 1990. 99 Grosser, Wagnis, 389. 100 Meyer, Die Eingliederung der DDR in die EG, 29.

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Am 22. Februar besuchten Köhler, Schlecht und Tietmeyer Kommissar Christophersen, der seinerseits erklärte, dass die Kommission zu jeder Unterstützung bei der deutschen Einigung bereit sei.101 Kohl informierte daraufhin Delors noch eigens über seinen Wirtschaftsberater Ludewig, um entsprechend vertrauensbildend zu wirken. Gemeinsam mit Tietmeyer unterrichtete Ludewig den Kommissionspräsidenten über den Stand der Dinge.102 In Wien blieben die sich überschlagenden deutsch-deutschen Ereignisse nicht unbeachtet. Außenminister Mock bekannte sich indessen einmal mehr zur Entwicklung in Deutschland, die auf die deutsche Einigung hinauslief. Die raschen Fortschritte in der Wiedervereinigungsfrage hatte er als „überaus positiv“ he­ rausgestellt und „sehr begrüßt“. Nun zeige sich das „Verantwortungsbewusstsein der deutschen Politiker“, aber auch die Sinnhaftigkeit der zehn Punkte, die Kohl als Weg zur Wiedervereinigung aufgezählt hatte und die anfangs sehr kritisiert worden seien. Österreich sei, so Mock, vorbehaltlos für die Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Allfällige Sorgen seien ebenso unsinnig wie überflüssig: „Österreich werde neben einem vereinigten Deutschland ein kleiner benachbarter Staat sein, wie es auch die Schweiz und die Niederlande sein werden.“103 8.

Österreichs Priorität für die EG und Offensive durch ein Aide-Mémoire – Willy Brandts Ermutigung und Kohls Empfehlung zu mehr Aktivität

Unabhängig von Beschwichtigungs- und Beruhigungsversuchen aus Bonn, dass durch eine reformorientierte DDR , die Teil  des Binnenmarktes werden sollte, Österreichs Beitrittsambition nicht konterkariert würde, trat Wien in Aktion. Mit einer umfassenden diplomatischen Initiative ging Mock Mitte Februar erstmals nach Übergabe des Beitrittsantrags vom Juli des Vorjahrs in allen 12 EG Staaten mit einem Aide-Mémoire in die Offensive, in dem über den Wunsch Wiens informiert wurde, das „Beitrittsziel so rasch wie möglich zu verwirklichen“. Dieses bekannte sich hierin zu allen Rechten und Pflichten der EG -Verträge. Die Neutralität wurde dabei als positiver Beitrag für die Erreichung der Ziele der Gemeinschaft definiert.104 Am 13. März erfolgte nach zügig geführten zweimonatigen Verhandlungen die Paraphierung des Handels- und Kooperationsabkommen zwischen Brüssel

101 Grosser, Wagnis, 391. 102 Ludewig, Unternehmen Wiedervereinigung, 55–56; Interview mit Johannes Ludewig im Bundeskanzleramt, Berlin, 2. Dezember 2016 (Tonbandaufzeichnung im Besitz des Verfassers). 103 „Mock begrüßt deutsche Einigung“, in: Die Presse, 12. Februar 1990. 104 Andreas Unterberger „Vorstoß Wiens in 12 EG -Staaten: Beitritt ‚so rasch wie möglich‘“, in: Die Presse, 17./18. Februar 1990.

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und Ost-Berlin,105 welches am 8. Mai unterzeichnet,106 aber alsbald von den innerdeutschen Entwicklungen überrollt werden sollte.107 Zuvor hatte noch der aus Bayern stammende CSU-Politiker und Österreichs Integrationsanliegen durchaus zugetane und unterstützende Peter M. Schmidhuber, EG -Kommissar für Beschäftigung und Wirtschaft in der Kommission Delors I,108 verdeutlicht, dass die Sanierung der DDR-Volkswirtschaft für die Bundesrepublik eine lösbare Aufgabe sei. Sehr optimistisch hielt er dies für eine „in einem überschaubaren Zeitraum lösbare Aufgabe“, was jedoch nicht „über die große Zahl der dabei auftretenden Probleme hinwegtäuschen“ solle. Beruhigend den übrigen EG -Partnern gegenüber ließ er wissen, dass diese auch aus dem Aufholprozess der DDR Nutzen ziehen könnten.109 Diese Beruhigungsrhetorik und Beschwichtungstaktik kamen nicht von ganz ungefähr. Am 20. März hatte zum Beispiel François Lamoureux vom Kabinett Delors’ in einer Notiz für den Kommissionspräsidenten angesichts der bevorstehenden Einigung Deutschlands „die Gefahr eines neuen Rapallo“ an die Wand gemalt. Der deutsch-sowjetische Vertrag von 1922, welcher symbolisch für eine deutsche Ausrichtung nach Osten im Sinne einer wirtschaftlich-technologischen Kooperation stand, hatte auch zu einem Pakt zwischen der Weimarer Republik und der UdSSR ganz im Zeichen enger militärischer Zusammenarbeit geführt. Lamoureux ließ mit beigelegtem historischen Quellenmaterial gegenüber Delors aber auch nicht unerwähnt, dass Kohl in einem Interview für Le Monde aus dem Jahre 1988 das „Risiko eines neuen Rapallo“ ausgeschlossen habe. Mit Blick auf die deutsche Einheit wäre der Kanzler gut beraten, seinen Willen durch eine öffentliche Stellungnahme aus dem Vorjahr im Lichte der jüngsten Entwicklung neuerlich zu bekunden.110 Delors schien durch diese Hinweise nicht mehr sonderlich beunruhigt, sollte aber bei Kohl auf solche Rückversicherungen zurückkommen, was dieser auch im Zeichen der sich vollziehenden deutschen Einheit zu leisten bereit war.111 Die Entwicklung war in einer Weise in Bewegung geraten, dass das Tempo atemberaubend wurde. Die Ereignisse überschlugen sich förmlich. Das reformorientierte ostdeutsche Regime versuchte verzweifelt mit den Ereignissen Schritt 105 Schmidt, Die Europäische Gemeinschaft, 397. 106 „EG bereitet Aufnahme der DDR vor“, in: Die Welt, 8. Mai 1990; Kohler-Koch, Die Politik der Integration, 12. 107 Schumacher, EG -Handel der DDR , 585–588. 108 Siehe zum weiteren biographischen Hintergrund und integrationspolitischen Kontext: Peter M. Schmidhuber, Europäische Integration aus historischer Erfahrung. Ein Zeitzeugengespräch mit Michael Gehler (ZEI Discussion Paper C 210, Bonn 2012. 109 Peter Schmidhuber, Mitglied der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Von den Aufholanstrengungen der DDR können auch die Partner profitieren, in: Handelsblatt, 15. März 1990. HAEU, Commission Papers, FL -200. 110 Le Cabinet du Président, Commission des Communautes Européennes, Note by F. Lamoureux: German unity and the risk of a new Rapallo, 20 March 1990. HAEU, FL -200. 111 Helmut Kohl an Jacques Delors, 3.  Oktober 1990. HAEU, Commission Papers, JD 1060.

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zu halten. Zwei Tage vor der Wahl zur DDR-Volkskammer wurde der EG -Kommission am 16.  März 1990 von der Modrow-Regierung eine Note überreicht, in der die Eröffnung exploratorischer Gespräche zur formellen Einbindung der DDR in die EG mit Blick auf einen möglichen Vollbeitritt vorgeschlagen wurde.112 Die Interessenlage der EG -Mitgliedsländer sprach jedoch bereits klar dagegen.113 Am 22. März trat Andriessen vor dem Nicht-Ständigen-Ausschuss des Europäischen Parlaments auf, unterstrich das Engagement der EG bei der deutschen Einigung, verwies aber auch darauf, dass dieselbe nicht von der EG bezahlt werden könne, v. a. nicht von Griechenland, Spanien, Portugal und Irland. Die Bundesrepublik müsse einen Teil  der auf die EG entfallenen Kosten selber tragen, z. B. die Mittel für die Strukturfonds aufstocken.114 Kohls integrationspolitische Kursrichtung blieb vor diesem Hintergrund eindeutig. Seine Instruktionen an die Unterhändler waren klar: Es sollte keine finanziellen Belastungen für EG -Staaten aufgrund der Folgen der deutschen Vereinigung geben. Eine Debatte über Zahlen sollte erst gar nicht aufkommen. Auf EG -Finanzmittel zugunsten der DDR im Bereich der Strukturfonds sollte zwar nicht verzichtet werden, Bonn aber nichts fordern und keine Äußerungen zur Solidarhilfe der Kommission tätigen.115 Indes wurde in Wien die deutsch-deutsche Entwicklung mit Spannung verfolgt. Bemerkenswert war eine Stellungnahme des deutschen Alt-Bundeskanzlers und Präsidenten der Sozialistischen Internationale (1976–1992), Willy Brandt, im März 1990. Anlässlich seines Besuchs beim greisen Bruno Kreisky ermutigte er Österreich, in der Frage eines EG -Beitritts eine aktivere Rolle zu spielen. In einer ORF-Pressestunde wiederholte er im Fernsehen auch öffentlich, Wien solle deutlich machen, dass es keinen Grund gebe, noch drei Jahre zu warten, während der Prozess der Eingliederung der DDR in die Bundesrepublik und damit in die EG in vollem Gange sei. Eine ablehnende Stimmung ortete Brandt vor allem in Frankreich. In diesem Zusammenhang sei es besonders wichtig, darauf hinzuweisen, dass mit Österreich nicht „ein dritter deutscher Staat“ in die EG komme.116 Die österreichische Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Die Ermutigung wurde sogleich aufgenommen. In Reaktion auf die Stellungnahme Brandts meinte der ÖVP-Wirtschaftssprecher Josef Taus, von der ersten Sekunde an hätten Bedenken in der EG gegen einen Beitritt Österreichs deswegen bestanden, weil Österreich vielfach als „dritter deutscher Staat“ angesehen werde. Dies sei aber bisher nie offen gesagt worden. Nun habe aber Brandt dies erstmals verdeutlicht. Österreich müsse daher, 112 Europe. Agence Internationale, 19./20. März 1990, Nr. 5217, 5. 113 Grosser, Wagnis, 390. 114 Ibd., 394. 115 Ibd. 116 „Brandt für mehr EG -Aktivität Wiens. Kein Grund für Österreich DDR-Eingliederung abzuwarten“, in: Die Presse, 26. März 1990.

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so Taus, seine Unabhängigkeit betonen, um den möglichen EG -Beitritt so schnell wie möglich zu schaffen.117 Ende März 1990 schaltete sich auch Helmut Kohl in die Debatte um einen früheren EG -Beitritt Österreichs ein. Er hielt dies prinzipiell für möglich, ließ er nach einem Mittagessen mit Mock in Bonn verlauten, schränkte allerdings ein, er sei nur einer von 12 EG -Regierungschefs. Er, Kohl selbst, könnte sich aber einen früheren Beitrittstermin vorstellen. Für den Beitritt an sich bekräftigte er nachdrücklich seine Unterstützung. Für sein Wohlwollen Österreich gegenüber erhielt er das „Große Goldene Ehrenzeichen am Bande“ überreicht. Mock ließ sich bei dieser Gelegenheit über den neuesten Stand der deutsch-deutschen Entwicklung unterrichten sowie über die Lage nach der am 18. März in der DDR durchgeführten Volkskammerwahl.118 Kohl war laut Mock „ein besonders intimer Freund Österreichs“. Er machte seit rund 20 Jahren Urlaub in St. Gilgen am Wolfgangsee und hatte sich stets für dessen Anliegen verwendet. Bei der Ordensüberreichung würdigte Mock die Europapolitik des Bonner Kanzlers als „Erbe Konrad Adenauers, Alcide De Gasperis und Robert Schumans“. Er dankte Kohl für dessen großes Verständnis für die österreichischen EG -Bemühungen und gratulierte gleichzeitig „zum großartigen Wahlerfolg in der DDR“.119 In einer Randnotiz der Salzburger Nachrichten steht nachzulesen: „Doch unser hoch verehrter Außenminister habe ein Kunststück fertig gebracht, das ihm so schnell nicht einer nachmachen werde.“ Mock habe die Wiedervereinigung der Deutschen Ost mit den Deutschen West nämlich schon vorweggenommen. Er gratulierte Kohl „zum großartigen Wahlerfolg in der DDR“.120 117 „Taus: EG sieht Österreich als dritten deutschen Staat“, in: Die Presse, 28. März 1990. 118 Mock wurde große Aufwartung in Bonn gemacht, wobei es zu Gesprächen mit Genscher, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Irmgard Adam-Schwätzer, CDU-Generalsekretär Volker Rühe, CDU/CSU-Fraktionschef Alfred Dregger und Finanzminister Theo ­Waigel kam. Nach den Gesprächen in Bonn reiste Mock nach Hamburg, wo er in einem Vortrag bekräftigte, dass Österreich eine Bereicherung für die EG sei und politischen Anspruch auf Mitgliedschaft habe. Die Neutralität bedrohe nicht „den Kern der Römischen Verträge“, sie sei „vielmehr eine Mitgift, mit der ein seit Jahrhunderten erprobtes know how an Dialog- und Kompromissfähigkeit in die EG hineingetragen“ werde. Siehe Ewald­ König, „Kohl hält Beitritt Wiens zur EG für möglich“, in: Die Presse, 28. März 1990. 119 „Orden für Kohl – ‚Anspruch auf EG -Mitgliedschaft deponiert‘. Offizieller Mock-Besuch in Bonn“, in: Wiener Zeitung, 28. März 1990. 120 Im Kommentar der Salzburger Nachrichten lautete es: „Wir können uns zur Ehrlichkeit unserer Politiker nur gratulieren. Denn die westdeutschen Politiker haben, unterstützt von den westdeutschen Medien, doch aller Welt vorgeschwindelt, der Lothar De Maizière und seine CDU-Ost hätten in der DDR eine Wahl gewonnen, nicht der Helmut Kohl und seine CDU-West. Außenminister Mock hat uns endlich über den wahren Sachverhalt aufgeklärt. Die andere Erklärung, dass nämlich unserem Außenminister die deutsche Geographie durcheinander gekommen sein könnte, weisen wir mit Entrüstung auf das Entschiedenste zurück“, vgl. „Randnotizen“, in: Salzburger Nachrichten, 28. März 1990.

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Mocks Abrücken vom Neutralitätsvorbehalt im März und der Durchbruch für Kohls Deutschlandpolitik auf dem EG-Gipfel in Dublin im April

Im März 1990 äußerte sich Mock bemerkenswerterweise positiv über einen Verbleib der Sowjettruppen in der DDR . Wenn deren Präsenz einem friedlichen Übergang diene, gebe es von österreichischer Seite her keine Einwände. Wortwörtlich hinsichtlich dessen befragt, ob es unvorstellbar sei, dass auch Ende der 1990er-Jahre noch amerikanische und russische Truppen außerhalb ihres Territoriums in Europa stationiert seien, antwortete Mock: „Wenn es zu einem evolutionären und friedlichen Übergang zur ganz neuen europäischen Situation dient, haben wir uns immer dafür ausgesprochen: Warum sollen sie nicht auch im DDR-Territorium eine Zeit lang bleiben?“ Mock stellte darüber hinaus seine Politik zum Problem der Neutralität mit dem EG -Beitrittsansuchen klar. Österreich werde von sich aus keinen Neutralitätsvorbehalt verlangen. Antworten, was die Neutralität für die Zukunft der EG bedeutet, wollte der Außenminister der Gemeinschaft erst dann geben, wenn er konkret gefragt werde. Deutlich wurde, dass der Neutralitätsvorbehalt, den Österreich noch im Beitrittsantrag vom Juli 1989 gestellt hatte, für Mock nicht mehr diese Relevanz besaß: Der Beschluss der Regierung vom Dezember 1987, die Mitgliedschaft in der EG als eine echte Option zu bezeichnen, war für Mock die Ausgangsposition. Was nachher in den Brief nach Brüssel hineinkam, sei „ein politischer Kompromiss“ gewesen, den er akzeptiert habe, um den Brief absenden zu können. Er habe kein Interesse, das Thema Neutralität anzuschneiden und noch höher zu spielen als es durch „den politischen Kompromiss ohnedies schon hochgespielt worden“ sei. Mock versuchte entsprechend der Auslegung des UN-Beitritts Österreichs aus dem Jahre 1955 offiziell weiter für die Neutralität zu sein, rechnete aber damit, dass die EG das Thema später anschneiden werde.121 Carlo Trojan erinnert sich an die Intensivierung der Kontakte zwischen Brüssel und Berlin: „Damals hatten wir von Anfang eine Menge Diskussionen mit den deutschen Behörden wegen der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion. Im März 1990 gab es ein Treffen der vollzähligen Kommission mit Kanzler Kohl. Die Kommission war also sehr stark in die Vorbereitungen des Staatsvertrags vom Juli 1990 involviert.“122 Zur Vorbereitung des EG -Gipfels von Dublin unterbreiteten Kohl und Mitterrand am 18.  April dem Europäischen Rat den Vorschlag, mit der Regierungskonferenz zusätzlich zur europäischen Währungsunion auch eine solche 121 Andreas Unterberger „‚Ich habe keinen Grund die Neutralitätsfrage anzuschneiden‘. Außenminister Alois Mock über Österreich und Sowjettruppen in der DDR und Polenvisum“, in: Die Presse, 31. März/1. April 1990. 122 Ewald König, Wie die DDR lautlos in die EU flutschte (http://www.euractiv.de/section/ wahlen-und-macht/news/wie-die-ddr-lautlos-in-die-eu-flutschte/, zuletzt abgerufen am 15. Januar 2017).

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für eine Politische Union abzuhalten. Das war zwar eine wenig aussichtsreiche­ Angelegenheit, aber eine symbolträchtige bundesdeutsche Handlung zur Bekräftigung fortgesetzter deutscher und europäischer Integrationspolitik. Am 19. April erfolgte der Beschluss des Papiers „Die Gemeinschaft und die deutsche Vereinigung“ durch die Kommission als Basis für die Gespräche in Dublin, welches ein Plädoyer für die deutsche Einheit nach Artikel 23 Grundgesetz enthielt, zumal dieses Verfahren als wesentlich einfacher galt als das nach Artikel 146 des Grundgesetzes, der die Ausarbeitung einer neuen gesamtstaatlichen Verfassung vorsah.123 Die Kommission in ihrer Mitteilung vom 19. April 1990 und der Europäische Rat in Dublin vom 28. April hatten schon angenommen, dass es eine Erweiterung der DDR ohne Beitritt geben würde und keine Vertragsänderungen erforderlich seien. Trojan hielt fest: „Das war damals der Ausgangspunkt für uns. Von Anfang an war das klar.“124 Der Gipfel am 28.  April in Dublin sollte ein Erfolg für Bonn werden. Bereits am 21.  April hatten die EG -Außenminister dem Kommissionspapier zugestimmt. Differenzen im Detail konnten durch Kompromissformeln ausge­ räumt und überbrückt werden. Delors präsentierte das Papier und schlug eine Soforthilfe der EG für die DDR vor. Kohl zeigte sich glücklich über die Parallelität von deutscher Einheit und europäischer Integration, winkte aber bei der Soforthilfe umgehend ab: Die EG -Partner würden nicht mit den Kosten der deutschen Einheit belastet. Der Beschluss des Dubliner Gipfels lag auf der Hand: Die Gemeinschaft begrüßte die Vereinigung Deutschlands „wärmstens“ und übte sich in Zuversicht. Dies sei der frei geäußerte Wunsch des deutschen Volkes und ein positiver Faktor in der Entwicklung Europas im Allgemeinen und für die Gemeinschaft im Besonderen, zumal die deutsche Vereinigung unter einem europäischen Dach und die reibungslose und harmonische Eingliederung des Staatsgebiets der DDR in die Gemeinschaft im Wege von Übergangsbestimmungen erfolge.125 Wieder sondierte Wien in der Zwischenzeit in Bonn den Stand der deutschdeutschen Entwicklung. Im Gespräch des Generalsekretärs des österreichischen Außenministeriums, Thomas Klestil, mit Staatssekretär Jürgen Sudhoff im Auswärtigen Amt am 24. April in Bonn bat er diesen um die deutsche Einschätzung u. a. hinsichtlich der künftigen Entwicklung der EG. Österreich wolle „nicht in einen Wartesaal abgeschoben werden“. Wenn die deutsche Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der DDR feststünde  – Ostdeutschland müsse ja 123 Grosser, Wagnis, 398; siehe auch Reinhard Hildebrandt, Zusammenfügen oder Vereinnahmen? Die internationalen Aspekte deutsch-deutscher Politik, in: Deutschland-Archiv 23 (Juli 1990) 7, 1047–1057. 124 Ewald König, Wie die DDR lautlos in die EU flutschte (http://www.euractiv.de/section/ wahlen-und-macht/news/wie-die-ddr-lautlos-in-die-eu-flutschte/, zuletzt abgerufen am 15. Januar 2017). 125 Grosser, Wagnis, 401.

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schon ab jetzt mit der Einführung der freien Marktwirtschaft beginnen und die Politik der Bundesbank auch für DDR-Gebiet gelten  – sei „bereits der größte Teil des Problems gelöst“. Das Sekundärrecht der EG würde entsprechend dem drei Phasen-Plan von Delors (1. Währungsunion, 2.  Übergangsphase bis zur politischen Vereinigung, 3. Einführung des EG -Rechts) in der DDR eingeführt werden. Sudhoff lobte in diesem Zusammenhang den Kommissionspräsidenten. Die Volkskammer müsse rasch die nötigen Gesetze beschließen. Hinsichtlich erforderlicher Investitionen in der DDR würden sich große Chancen für Industriestaaten wie auch für Österreich bieten und dies verbunden mit entsprechender wirtschaftlicher Ausstrahlung nach Osten. Sudhoff versuchte Klestil zu vermitteln, dass die deutsch-deutsche Entwicklung Österreich helfe. Gewisse „Spitzen“ gegen einen EG -Beitritt würden beseitigt werden. Wenn die UdSSR die deutsche Vereinigung „schlucke“ und dieses Deutschland unter einem KSZEDach sei, wäre auch die österreichische Neutralität in einem neuen Licht zu sehen. Der Einbau der Sicherheits- oder gar Verteidigungskomponente in die EG sei so schnell nicht möglich. Zuerst brauche man politische Strukturen und das sei schon sehr viel. Durch Verteidigungselemente in der EG würde die Existenz der NATO in Frage gestellt werden, was so rasch nicht erfolgen würde. Österreich brauche sich daher auch keine Sorgen darüber zu machen, dass es von der EG hingehalten werde. Das politische Schicksal Gorbatschows sei ungewiss, werde aber auch durch wirtschaftliche Fragen entschieden werden. Derzeit sei er nicht gefährdet. Staatssekretär Hans Werner Lautenschlager erläuterte die bundesdeutsche Sicht zum österreichischen EG -Antrag. Das von Wien nachgeschobene Aide-Mémoire sei „eine gute Sache“ gewesen, weil der im Beitrittsantrag „so stark markierte Neutralitätsaspekt“ relativiert worden sei. Die Europäische Politische Union (EPU) sei bisher aus gutem Grunde nicht definiert worden. Hier müsse aber etwas geschehen, um das Europäische Parlament aufzuwerten und für die Wähler attraktiver zu machen. In Bonn habe man hierüber zwar gewisse Vorstellungen, diese Frage sei aber „nicht so prioritär“. Bonn sei sich über den Unterschied zwischen dem wirtschaftlichen Standard Österreichs und dem der osteuropäischen Staaten völlig im Klaren. Es sei kaum vorstellbar, dass die UdSSR in der gegebenen Gesamtentwicklung bei der Neutralität Österreichs, die an Bedeutung verliere, Probleme bereiten werde. Der österreichische Wunsch auf EG -Mitgliedschaft sei allseits bekannt, Österreich habe bisher gut agiert, sollte aber „nicht zu sehr drängen“. Die EG -Kommission sei „völlig unabhängig“ und habe ihren eigenen Rhythmus. Ob der „Avis“, die Wohlmeinung der Kommission, etwas früher oder später fertig gestellt werde, sei „doch nicht so entscheidend“. Die gemeinsame Initiative Kohls mit Mitterrand in Richtung EPU sei weniger ein prioritäres deutsches Anliegen, sondern „vielmehr als Geste gegenüber einem der deutschen Vereinigung reserviert gegenüberstehenden Frankreich zu sehen“. Österreich erfahre eine aufrichtige deutsche Unterstützung in der EG -Frage. Ein allzu starkes Drängen auf eine zeitliche Verkürzung des Beitritts-Prozesses werde von deutscher Seite aber nicht für opportun gehalten. Österreich werden für die Beteiligung an der DDR-Wirtschaftsent-

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wicklung gute Chancen gegeben. Die österreichische Haltung in der deutschen Frage wurde sehr positiv registriert.126 Beim Europäischen Rat in Dublin am 28.  April fiel die Entscheidung: Die zwölf Mitgliedstaaten beschlossen ihre Zustimmung zur deutschen Vereinigung und damit auch für die rasche Aufnahme der DDR – praktisch zwei Monate vor dem Vollzug der Wirtschafts- Währungs- und Sozialunion. Das am 13.  März paraphierte EG -Handels- und Kooperationsabkommen mit der DDR konnte zwar am 8. Mai feierlich unterzeichnet werden,127 war aber von der deutschland­ politischen Entwicklung inzwischen bereits überholt worden und trat auch nicht mehr in Kraft.128 Am 18.  Mai 1990 konnte der deutsch-deutsche Staatsvertrag unterzeichnet werden, der für den 1. Juli die Realisierung einer „Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion“ für die Bundesrepublik und die DDR vorsah.129 Die Unterzeichnung konnte gegenüber der EG abgesichert werden. Mühsame „Detailarbeit im Schnellverfahren“ (Dieter Grosser) über Anpassungen von Vorschriften und Übergangsbestimmungen (Agrarwirtschafts- und Außenhandelsfragen sowie die schwierige Materie der Beihilferegelungen im Rahmen der regionalen und sektoralen Strukturpolitik, Sonderstrukturfonds) lagen nun zur Regelung in der Hand der Behörden in Brüssel, Bonn und Ost-Berlin.130 10. Österreichs Neuorientierungsversuche in Wartestellung und keine volle Gleichberechtigung für die Regierung De Maizière in Sachen EG (Mai–September 1990)

Anlässlich des London-Besuchs von Vranitzky bei der britischen Premier­ ministerin Margaret Thatcher im Mai 1990 rechnete diese bereits im Gespräch mit dem österreichischen Bundeskanzler fest mit den für Europa zu erwartenden negativen Auswirkungen der deutschen Vereinigung und zwar mit einem großen Modernisierungseffekt sowie Impulsen für das Wirtschaftswachstum und die technologische Entwicklung Deutschlands, die mittel- bis lang­fristig zum Tragen kommen würden. Während Kohl die weitere Entwicklung, so­ Thatcher „sehr optimistisch und zuversichtlich“ beurteile, habe der baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth (CDU) zurückhaltender reagiert.­ Vranitzky machte klar, sich auch eher an der vorsichtigen Linie von Späth zu 126 Politischer Meinungsaustausch des HGS in Bonn (24.4.1990). Résuméprotokoll, Gesandter Johann Plattner, Wien, 26.  April 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.1/119-II .1/90. 127 „EG bereitet Aufnahme der DDR vor“, in: Die Welt, 8. Mai 1990; Kohler-Koch, Die Politik der Integration, 12. 128 Grosser, Wagnis, 390. 129 Kohler-Koch, Die Politik der Integration, 11. 130 Grosser, Wagnis, 405–409.

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orientieren. Er sei zwar keineswegs pessimistisch, aber die bevorstehenden Aufgaben würden nicht über-, sondern unterschätzt. Zur europäischen Währungsunion merkte ­Thatcher an, dass das englische Parlament sicherlich nicht bereit sei, die Kontrolle über das Budget und die Finanzhoheit „an eine Gruppe europäischer Bankiers abzutreten, die keinen demokratischen Kontrollen und keiner demokratischen Wahl unterworfen wären“. Der Binnenmarkt sei noch keineswegs beendet und nun habe man „den deutschen Vereinigungsprozess vorgesetzt bekommen“. Für das weitere Vorgehen der EG gegenüber der DDR sei „strikte Kontrolle“ notwendig. Für Thatcher war dabei wichtig, „dass keinerlei kommunistische Strukturen beibehalten“ würden. Die EG habe schon zu viele Probleme auf der Agenda, so dass sie nicht noch zusätzliche Fragen aufgreifen könnte. Thatcher war bewusst, dass diese Position eine gewisse Enttäuschung für Österreich sei, aber immerhin würde es durch die Verhandlungen zwischen EG und EFTA schon näher an die Gemeinschaften heranrücken. ­Vranitzky machte deutlich, dass dieser Prozess die EG -Mitgliedschaft kaum ersetzen könne.131 Im Frühjahr war eine weitgehende Annäherung der reformorientierten, sich aber allmählich selbst überflüssig machenden DDR an die EG erfolgt. Der neu und frei gewählte DDR-Ministerpräsident, Lothar de Maizière, hielt am 16. Mai vor dem Europäischen Parlament eine Rede, in der er deutlich unterstrich, sich in Übereinstimmung „mit den Zielen, Werten und Ideen westeuropäischer Integration“ zu befinden.132 Seine Regierung hatte in ihrer Koalitionsvereinbarung die „gleichberechtigte Teilnahme“ an den Verhandlungen mit der EG gefordert. Delors lud De Maizière zu einem Besuch in der Kommission ein. Sie trafen in Straßburg zusammen.133 Kohl befürwortete mehr oder weniger widerwillig die Teilnahme von DDRExperten im Rahmen von Delegationen der Bonner Ressorts bei den Gesprächen in Brüssel. Eine „interministerielle Arbeitsgruppe EG“ in der Regierung De Maizière unter Staatssekretärin Petra Erler sollte die zentrale Koordinierung wahrnehmen. Eine gleichberechtigte Teilnahme von DDR-Vertretern an den Verhandlungen war das Ziel. Gleichwohl Erler die Kontakte zur Kommission ausweiten und beste Bedingungen für ihr Land, die DDR , v. a. bezüglich

131 Aktennotiz Gespräch des Herrn Bundeskanzlers mit Premierminister Margaret ­Thatcher, London, 8. Mai 1990. Kreisky-Archiv, Depositum Franz Vranitzky, AP, Karton „BK Bayern 1991; BK USA 1990; BK Liechtenstein; BK Bulgarien; BK Bordeaux, London, Dublin; BK Düsseldorf; BK Schweden; BK Rumänien“; siehe auch Dominik Geppert, Isolation oder Einvernehmen? Großbritannien und die deutsche Einheit 1989/90, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 67 (2016) 1/2, 5–22. 132 „De Maizière: DDR in die EG einbinden“, in: Süddeutsche Zeitung, 17. Mai 1990. 133 Delors’ Speech at the European Parliament, 16 May 1990; Report on Delors’ Speech at the EP by the Commission communication Service, 16 May 1990; Lothar de Maiziere’s Speech at the EP, 16 May 1990. HAEU, JD -1016; Grosser, Wagnis, 404–405; De Maizière in Straßburg, Brüssel und den USA , in: Deutschland-Archiv 23 (Juli 1990) 7, 1016–1018.

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der Regelung agrarwirtschaftlicher Fragen, zu erzielen versuchte,134 gab es keine­ großen Differenzen mit der Bundesregierung,135 zumal Abstimmung und Unterstützung durch Lutz Stavenhagen gegeben war.136 De Maizière hatte Delors gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass es Ziel seiner Regierung sei, „im Zuge der deutschen Einigung einen möglichst harmonischen Weg der DDR in die EG sicherzustellen“. Unmissverständlich hatte er verdeutlicht: „Wir wollen an den Verhandlungen der EG -Kommission mit der Bundesrepublik über notwendige Anpassungs- und Übergangsmaßnahmen so beteiligt werden, daß eine eigenständige Interessenvertretung der DDR gewährleistet ist.“ Aufgelistet war eine ganze Reihe von Vorschlägen, u. a. die „Ausdehnung des Netzes von EG -Beratungsstellen auf das DDR-Territorium“ sowie „unserer offiziellen personellen [DDR-]Vertretung bei den EG“. Ferner bat der noch amtierende DDR-Ministerpräsident Delors um Erläuterung seiner Überlegungen bezüglich „der Anpassung unseres Handels- und Kooperationsabkommens mit der Gemeinschaft, insbesondere hinsichtlich unserer Mitarbeit im Gemischten Ausschuss.“137 Unverkennbar war das Verlangen De Maizières am Festhalten einer möglichst weitgehend selbständigen und unabhängigen Position der DDR , was jedoch nicht gelingen sollte. Delors, der spätestens seit Februar klar für die Kohl’sche Linie und damit auch gegen die Aufnahme DDR als eigenständiges 13.  EG -Mitglied eingetreten war, berichtete am 16. Mai 1990 im Europäischen Parlament und erklärte, dass die einstimmige und uneingeschränkte Billigung der deutschen Einigung durch den Europäischen Rat „ein Grund zur Zufriedenheit allerersten Ranges“ wäre.138 Unter Carlo Trojan wurde ab Juni und über Sommer unter Hochdruck daran gearbeitet, die neuen Gesetze für die neuen ostdeutschen Bundesländer auszu­ arbeiten: die vier Freiheiten des Binnenmarkts, Leistungen für den Fonds für Regional- und Sozialpolitik sowie die Landwirtschaft und nicht zuletzt die Frage der Regelung der Strukturfonds.139 134 Interview mit Günter Verheugen in Potsdam, 25. Februar 2016 (Aufzeichnung im Besitz des Verfassers). 135 Grosser, Wagnis, 404–405. 136 Siehe die Interviews mit Petra Erler (https://www.bing.com/videos/search?q=Petra+Erler &FORM=HDRSC3, zuletzt abgerufen am 1. Dezember 2016). 137 Lothar De Maiziere an Jacques Delors, 21. Mai 1990. HAEU, Commission Papers, GR-162. 138 Jacques Delors, Erinnerungen eines Europäers (Berlin: Parthas Verlag, 2004), 346–347. 139 Ibd.; DG III’s report on German unification: Unification allemande, 18 May 1990. HAEU, Commission Papers, GR-162; Note by Giovanni Ravasio (DG for Economic and Financial Affairs), Structural Funds and East Germany, 1 June 1990; Report on Structural Funds and East Germany, Cabinet of Bruce Millan, 18 June 1990; Note by Bruce Millan on Structural Funds and East Germany, 22 June 1990. HAEU, GR-111; Press conference by J. Delors, 21 August 1990; Note on Delors’ Press conference by the Commission’s communications Service, 22 August 1990. HAEU, JD -172; Meeting between the Presidents of the Commission, Council and EP on German unification, 6 September 1990. HAEU, ­JD-541.

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Lothar de Maizière suchte am 1. Juni 1990 sodann direkten Kontakt mit der

EG -Kommission, wobei er den Wunsch nach trilateralen Gesprächen zum Aus-

druck brachte. Doch hatten sich die Regierungschefs schon darauf verständigt, dass mehr oder weniger die Bundesrepublik die Interessen der DDR bei den Verhandlungen mit der Kommission vertreten sollte.140 Am 12. Juni schlug die Kommission dem Rat vor, mit Wirkung vom 1. Juli eine De-facto-Zollunion mit der DDR zu bilden, um deren Grenze zu Dritt­ staaten faktisch zur EG -Außengrenze zu machen. Für Importe der DDR aus vormaligen sozialistischen Ländern sollten Sonderkonditionen gewährt werden. Der Rat erteilte dazu seine Zustimmung.141 Die Kommission nahm die sich ab Juli abzeichnende Entwicklung in Ostdeutschland vorweg, indem sie Anfang Juni das von Delors stammende DreiStufen-Konzept entwickelt hatte. Die erste Phase sollte am 1. Juli mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR einsetzen, um EG -Recht anzunehmen. Die zweite Phase sollte mit der staatlichen Einheit einsetzen und die dritte mit der vollständigen Annahme des gemeinsamen Rechtsbestandes („Acquis communautaire“) fortgesetzt werden, wobei diese zeitlich offengelassen wurde. Im Juni zeigte die frei gewählte DDR-Regierung noch einmal ihr Selbstbewusstsein und brachte dabei zum Ausdruck, die ihr Land betreffenden Anliegen gegenüber der EG selbst zu vertreten.142 In den Sommermonaten standen die technischen Bemühungen zur Realisierung der deutschen Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion im Hauptfokus der EG. Noch vor der deutschen Einigung wurde die Europäische Investitionsbank (EIB) in Luxemburg aktiv und die DDR schon Empfänger von EG -Finanzhilfen.143 Das am 8.  Mai 1990 zwischen der EG und der DDR geschlossene Handelsund Kooperationsabkommen hatte in seinem handelspolitischen Teil den Abbau mengenmäßiger Beschränkungen und diverse weitere Liberalisierungen vorgesehen, die Regelung wirtschaftlicher Zusammenarbeit sowie gemischte Kommissionen. Am 1. Juli 1990 trat der Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion in Kraft, wodurch die DDR mit der Bundesrepublik und Berlin ein einheitliches Währungsgebiet und praktisch eine De-facto-Zollunion bildete. Die DDR wandte seither einen dem gemeinsamen Außenzolltarif der EG weitestgehend entsprechenden Zolltarif an und übernahm damit auch die allgemeinen Zoll- und Handelsbestimmungen der EG. Für die Zeit bis zur deutschen Vereinigung hatte die 140 Europa-Archiv, Zeittafel vom 1.–30. Juni 1990, Europäische Gemeinschaft; Kohler-Koch, Die Politik der Integration, 21. 141 Grosser, Wagnis, 403–404. 142 Schmidt, Die Europäische Gemeinschaft, 399. 143 Ibd., 400; Christine Kulke-Fiedler, Die Integration des Wirtschaftsgebietes der ehema­ ligen DDR in den EG -Binnenmarkt, in: Deutschland-Archiv 23 (Dezember 1990) 12, 1873–1879.

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EG am 28. und 29. Juni drei Übergangsregelungen erlassen, um für gewerbliche Waren alle Zölle oder quantitative Handelsbeschränkungen im Verhältnis zur DDR auf Basis der Reziprozität aussetzen zu können. Von der De-facto-Zollunion waren die Agrarprodukte noch ausgenommen. Entsprechende EG -Maßnahmen waren jedoch schon in Ausarbeitung begriffen.144 Auf der Grundlage einer Kommissionsmitteilung von Ende Juni 1990 lag dem Europäischen Rat ein Gutachten über den deutschen Staatsvertrag vor, wodurch bereits rund 80 % des Gemeinschaftsrechts auf dem DDR-Territorium eingeführt waren. Somit konnte die erste Phase der deutschen Einigung beginnen. Trojans Hauptaufgabe bestand nun darin, die Integration der DDR in das Sekundärrecht der Gemeinschaft vorzubereiten, wobei davon ausgegangen wurde, dass mit Vollzug der Einheit der gemeinsame Rechtsbestand vollständig in den fünf neuen deutschen Bundesländern gelten sollte und technische Anpassungen des Gemeinschaftsrechts und Übergangsfristen von höchstens drei Jahren erforderlich wären, vor allem in den Bereichen Sicherheit, Strukturpolitik, Qualitätsnormen und Umwelt. Im Juli 1990 wurde beim Europäischen Rat in Dublin die Entscheidung getroffen, eine Regierungskonferenz sowohl über eine Währungsunion als auch über eine Politische Union für das vergemeinschaftete Europa einzuberufen, was Kohl auch als Geste der Vertrauensbildung in Richtung der übrigen 11 EG -Mitglieder verstanden haben dürfte. Die Kommission schlug die notwendige Gesetzgebung für Anpassungen und Übergangsmaßnahmen für die DDR gegen Ende August 1990 vor und zwar mit dem 1. Januar 1991 als Ziel­ datum und Maßgabe für die deutsche Einheit. Zum deutschen Einigungsvertrag gab es eine Verhandlungsrunde in Bonn und eine weitere im August in Berlin. Innenminister Wolfgang Schäuble war Vorsitzender der westdeutschen, Lothar de Maizière zuständig für die ostdeutsche Delegation sowie Trojan als Vertreter der EG und Dietrich von Kyaw als Koordinator im Auswärtigen Amt beteiligt. Die schwierigste Herausforderung für die Kommission bestand in der Prüfung der handelspolitischen Verpflichtungen der DDR , z. B. betreffend Zucker aus Kuba für Maschinenlieferungen. Als deutlich wurde, dass die Einheit früher kommen sollte, musste das Europäische Parlament ausnahmsweise im September zwei Lesungen innerhalb einer Woche vornehmen. Das gesamte Gesetzgebungspaket konnte jedoch vor Herbst 1990 vom Rat der EG und dem Parlament formal nicht beschlossen werden, weshalb die Kommission ermächtigt wurde, die Gesetzgebung provisorisch einzuführen. Die Mitgliedsstaaten kooperierten weitgehend. Viele trugen jedoch Bedenken, ob es Wettbewerbsvorteile für Ostdeutschland geben würde, worauf ostdeutsche Produkte, die nicht

144 Information für den Herrn Bundeskanzler, Wien, 23. Juli 1990, Kreisky-Archiv, Depositum Franz Vranitzky, AP, Karton „BM Choonhavan Chatichai (Tahiland), MP Calfa CSFR 1990, PM Silva (Portugal), MP Singh (Indien), Präs. Dubcek (CSFR), PM Kang Young-Hoon (Korea), PM Bhutto (Pakistan), Präs. Vassiliou George (Zypern), MP­ Maiziere Lothar (DDR) 25.7.90“.

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der EG -Gesetzgebung entsprachen, weder in die Bundesrepublik noch in andere EG -Mitglieder ausgeführt werden durften.145 Schon vor dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ hatte im Zeichen von Glasnost und Perestroika, der Politik von Gorbatschow, unter den zwölf EG -Staaten Einigkeit darüber bestanden, Unterstützungszahlungen zu gewähren, EG -Bildungsprogramme für die mittel- und osteuropäischen (MOE)-Staaten zu öffnen und eine Bank zur Unterstützung der Wirtschaftsreformen, die European Bank for Reconstruction and Development (EBRD), zu gründen. Das bereits 1989 geschaffene spezielle PHARE-Programm sah Investitionshilfen für Infrastrukturen, Verwaltungsaufbau und Regionalentwicklung vor, das 1994 auf weitere Kandidatenländer ausgedehnt werden und später noch in abgewandelter Form für die West-Balkan-Länder gelten sollte. Der DDR-Unterhändlerin und Europa-Staatssekretärin Erler gelang noch mit Unterstützung von Bangemann am 28. September 1990 durch Unterzeichnung eines Vertrags zusätzlich zu den drei Milliarden, die die EG der DDR für die kommenden drei Jahre zugesichert hatte, die Einbeziehung des Territoriums der DDR in das PHARE-Programm, um 40 Millionen Euro für die Elbe-Sanierung und zum Aufbau von EG -Informationszentren in Ostdeutschland zu sichern.146 Erler verbuchte diese EG -Hilfe als Erfolg der Regierung De Maizière. Die europäische Solidarität habe gezeigt, dass die neuen Bundesländer nicht nur „von westdeutschen Gnaden“ abhängig seien, sondern sich Ostdeutschland in diesem Sinne auch als Teil des geeinten Europa fühlen könne, „ein Gedanke, der in der DDR völlig fremd war“.147 11.

Bonner Desinteresse an Österreichs EG-Beitritt im Zeichen von Vorwahlzeiten – Kohl korrigiert seine EU-Beitrittsprognose (August–September 1990)

Mock hatte bereits im Frühjahr 1990 gedämmert, dass seine allzu explizit prodeutsche Haltung den anvisierten EG -Beitrittsverhandlungen schaden könnte. Die Vereinbarkeit der Neutralität mit der EG ließ er durch den Leiter des Völker­ rechtsbüros im Außenministerium, Botschafter Helmut Türk, vertreten, der betonte, dass was die EG anlange, das politische Problem einer österreichischen Mitgliedschaft im Juni 1990 bedeutend leichter lösbar sei als noch vor einem Jahr. Neutralität und Mitgliedschaft jedenfalls seien vereinbar, auch wenn es theoretisch etwa in Sanktionsfragen zu Interessens- und Verpflichtungskollisionen 145 Ewald König, Wie die DDR lautlos in die EU flutschte, (http://www.euractiv.de/section/ wahlen-und-macht/news/wie-die-ddr-lautlos-in-die-eu-flutschte/, zuletzt abgerufen am 15. Januar 2017). 146 Siehe das Interview mit Petra Erler (http://www.bing.com/videos/search? q=Petra+Erler &&view=detail&mid=AF44EE21C7A2FF9A64B8AF44EE21C7A2FF9A64B8& FORM = VRDGAR , zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2016). 147 Ewald König, Merkels Welt zur Wendezeit. Weitere deutsch-deutsche Notizen eines Wiener Korrespondenten (Halle/Saale: Mitteldeutscher Verlag, 2015), 112–118, hier 117.

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kommen könnte. „In der bisherigen Praxis der EG ist aber noch kein Mitgliedsstaat zu neutralitätswidrigem Verhalten gezwungen worden“, hielt Türk fest.148 Im August 1990 wurde aus Bonn vermittelt, dass deutsches Interesse an Österreich derzeit gering sei. Es gab keine unterstützenden Erklärungen mehr für seine Integrationsbemühungen. Die gegenseitigen Politiker-Besuche waren versiegt. Die Begegnung des deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker mit seinem Kollegen Kurt Waldheim während der Eröffnung der Salzburger Festspiele konnte sicher nicht als Durchbruch gesehen werden. Weizsäcker hatte sich geweigert, dem wegen seiner Kriegsvergangenheit in Diskussion stehenden Waldheim die Hand zu geben. Die Bonner Regierung war seit der so genannten Wende in der DDR auch so sehr mit der deutschen Einheit beschäftigt, dass abgesehen von der funktionierenden Zusammenarbeit in allen Bereichen der bilateralen Beziehungen die Kontakte zwischen Bonn und Wien praktisch eingeschlafen bzw. gestoppt waren. Dies hing nicht nur mit den Vorbereitungen auf die erste gesamtdeutsche Bundestagswahl vom 1. Dezember 1990 zusammen, sondern auch mit den beginnenden Wahlkämpfen in Österreich. Auffällig war das Fehlen jeglicher unterstützenden Stimme aus der Bundesrepublik für Österreichs Integrationsbestrebungen auch dann, wenn Wiener Parteisekretariate zu gewissen Anlässen darum gebeten hatten. Bis dahin waren immer wieder deutsche Stimmen zu vernehmen, die oft von österreichischer Seite initiiert worden waren. „Früher hat man uns nach dem Munde geredet“, kommentierte ein Diplomat. „Heute reden die Deutschen ein bisschen den Franzosen nach dem Munde.“ Die fran­zösischen Vorstellungen über eine Verteidigungsgemeinschaft im Rahmen der EG waren allerdings schwer mit Österreichs Neutralitätsvorbehalt in Einklang zu bringen. Das Ausbleiben deutscher Fürsprache hatte indes auch Vorteile. Zeitweise hatte es nämlich „eine Ballung von positiven Äußerungen gegeben“, und zwar sowohl von CDU/CSU also auch von SPD. Dies schien dann möglicherweise „verdächtig“. Bisher hatte Bonn den österreichischen Beitrittsanliegen im Prozeduralen sehr geholfen, in dem der Beitrittswunsch nicht schubladisiert, sondern ein faires normales Verfahren zugestanden wurde, ließ der Diplomat wissen. Deutlich war einmal mehr, dass die Republik Österreich von der gesamtdeutschen Entwicklung wirtschaftlich profitieren werde, weil die Österreicher bei der Sanierung der DDR schon gezielt und selektiv tätig geworden waren. Außerdem würden sie von jenen westdeutschen Firmen „mitgenommen“, die früher, als aus politischen Gründen die deutsche Flagge unerwünscht war, bei den österreichischen Unternehmen mitarbeiteten. Im Zeichen der bevorstehenden deutschen Einheit nannte Waldheim die deutsche Vereinigung eine „positive Entwicklung nicht nur für Deutschland, sondern für Europa im Allgemeinen“. Er umriss die Position Österreichs gegenüber dem neuen ca. 80 Millionen Menschen umfassenden deutschen Staat: „Wir sehen diese Entwicklung ohne die geringste Sorge. Im Gegensatz zur Zwischenkriegszeit ist Österreich heute ein wohlhaben148 „Fixpunkt der Außenpolitik. Botschafter Türk neutral und EG vereinbar“, in: Die Presse, 15. Juni 1990.

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der Staat. Die Österreicher sind ein selbstbewusstes Volk. Es hat seine Identität gefunden.“149 Vizekanzler Josef Riegler legte bei seinem Besuch Bonns im September dem deutschen Kanzler den Standpunkt der österreichischen Regierung zur Neutralität dar.150 Er bezog sich dabei auf Äußerungen Teltschiks, der in einem Gespräch mit Die Presse die Neutralität mit der EG -Mitgliedschaft für kaum vereinbar gehalten hatte. „Wir haben den Antrag auf Mitgliedschaft gestellt“, sagte Riegler vor seinem Treffen mit Kohl, „aber als immerwährend neutraler Staat“. Der deutsche Bundeskanzler hatte indessen seine überaus optimistische Prognose etwas korrigiert, d. h. prolongiert. Er hielt einen EG -Beitritt Österreichs nun bis 1995 für realistisch. Er hoffe, „dass noch in diesem Jahrfünft die dafür wichtigen Entscheidungen getroffen“ würden und Österreich Teil der Gemeinschaft“ werde. Bis dahin sollte „so viel wie möglich informell vorverhandelt“ werden, damit die offiziellen Verhandlungen dann zügig abgeschlossen werden könnten.151 Genauso sollte es auch termingerecht ablaufen: Vom Februar 1993 bis März 1994 fanden die EG -Beitrittsverhandlungen mit Brüssel statt und am 1. Januar 1995 wurde Österreich in die EU aufgenommen.152 12. Nach erfolgreicher Wahl: Kohls Bekräftigung der Unterstützung Österreichs (September–Dezember 1990) und sein Abraten vom EWR (1991)

Im Dezember 1990 machte Kohl nach gewonnener Bundestagswahl einmal mehr klar, dass er keine grundsätzlichen Probleme für den angestrebten EG Beitritt Österreichs sehe. Hinsichtlich der umstrittenen Neutralität sagte er am Rande des Gipfeltreffens der EG -Staats- und Regierungschefs in Rom im Dezember 1990: „Was 1955 die Welt bewegte, sieht heute ganz anders aus.“ Mit der Neutralität gebe es kein entscheidendes Problem. Österreich sei mit seinem Beitrittswunsch auch nicht mehr alleine. Er sei kein Prophet, aber nach dem über­ raschenden Beschluss des schwedischen Parlaments für 1991 einen Beitrittsantrag zu stellen, sei es leicht auszurechnen, wann Norwegen und Finnland ähnliches beschließen werden.153

149 „Die deutsche Vereinigung nennt das österreichische Staatsoberhaupt eine ‚positive Entwicklung‘, nicht nur für Deutschland, sondern für Europa im allgemeinen“, in: Die Presse, 21. September 1990. 150 „Treffen mit Kanzler Kohl. Riegler-Bitzbesuch nach Bonn“, in: Wiener Zeitung, 19. September 1990. 151 Ewald König, „EG -Beitritt bis 1995. Kohl rät Riegler zu Vorverhandlungen“, in: Die Presse, 21. September 1990. 152 Michael Gehler, Vom Marshall-Plan zur EU. Österreich und die europäische Integration von 1945 bis zur Gegenwart (Innsbruck/Wien/Bozen: StudienVerlag, 2006), 212–221. 153 „Kohl: EG -Beitritt ist kein Problem“, in: Kleines Volksblatt, 17. Dezember 1990.

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Im Dezember 1990 gab es aber auch kritische Stimmen aus dem Anhängerkreise Kohls und der europäischen Christdemokraten. Der deutsche EVP-Abgeordnete Hans-Gert Pöttering, Chef einer Unterkommission für Sicherheit und Abrüstung im Europäischen Parlament, hielt Österreichs Neutralität mit einem EG -Beitritt für „unvereinbar“. Er kritisierte die Regierungserklärung von Vranitzky, wonach Österreich auf der Basis seiner Neutralität bei der Schaffung eines europäischen Sicherheitssystems mitwirken könne. Österreich müsse, wenn es in die EG aufgenommen werden wolle, die Konsequenzen aus der Umwandlung des Ost-West-Gegensatzes ziehen, seine Neutralitätspolitik überdenken und anerkennen, dass das Neutralitätskonzept nicht mehr den neuen Realitäten in Europa entspreche, erklärte der 45-jährige CDU-EP-Abgeordnete aus Niedersachsen. Vranitzky vermochte das entspannt zu kontern. Er zeigte sich bei einer Festrede anlässlich der Verleihung des Hans-Böckler-Preises an EG Kommissionspräsident Delors in Kleve am Niederrhein bemüht, „vereinzelte Fehlinterpretationen“ hinsichtlich der österreichischen Position zur EG auszuräumen. Er wies darauf hin, dass die Neutralität „keinesfalls einen Störfaktor“ darstellen werde. Österreich habe die Neutralität stets als „positives Engagement“ verstanden, womit ein konstruktiver Beitrag zur europäischen Ordnung geleistet werde.154 Zwischen Bonn und Brüssel gab es nicht immer nur Gleichklang. Irritationen existierten zeitweise zwischen dem Vizepräsidenten der EG -Kommission, Martin Bangemann, und dem deutschen Botschafter in Wien, Philipp Jenninger. Solange es keine Alternative zur Neutralität gebe, müsse sie Österreich beibehalten, ließ Jenninger verlauten, der bei einer Pressekonferenz in Wien den tags zuvor geäußerten Meinungen von Bangemann eine klare Absage erteilte, wonach die österreichische Neutralität nicht mit einem EG -Beitritt vereinbar sei. Der Vize­ präsident vertrete nicht Bonn, betonte Jenninger, fügte aber auch hinzu: „Ich bin nicht der Aufseher von Herrn Bangemann.“ Seit 24. Januar 1991 deutscher Missionschef in Wien, sympathisierte Jenninger mit den österreichischen EG Beitrittsbemühungen wie er auch in der Transitfrage mit der österreichischen Haltung übereinstimmte. „Österreich kann nicht allein die ganze Last des Durchzugsverkehrs tragen.“ Das Land habe „den großen Nachteil, dass es der Eisbrecher sein muss“ für eine Frage, die die EG „viel zu lange vernachlässigt hat“. Kritik an Bangemann übten auch Vizekanzler Josef Riegler und SPÖ -Zentralsekretär Josef Cap. Er sei „kein legitimierter Sprecher der EG -Kommission für Außenbeziehungen“. Man habe deshalb keine Veranlassung, Ratschläge von nicht zuständiger Seite aufzugreifen, sagte Riegler. Cap betonte, in der EG werde sehr wohl auch für einen neutralen Staat Platz sein.155 Kohl und Andreotti plädierten kurz darauf bei einem Treffen in Hofgastein im März 1991 für eine schrittweise EG -Erweiterung. Ohne die ČSFR , Polen, Un-

154 „EG -Parlamentarier verlangt Aufgabe der Neutralität“, in: Die Presse, 21. Dezember 1990. 155 „Deutsche und Wiener Kritik an Bangemann“, in: Die Presse, 9. März 1991.

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garn und Österreich bleibe Europa ein Torso, sagte Kohl. Im ORF verkündete er selbstsicher, ja fast prophetisch, Österreich werde ab 1995 EG -Mitglied sein.156 Im April 1991 riet Kohl Österreich in aller Deutlichkeit, mit aller Kraft sofort den Vollbeitritt zur EG anzustreben und den Zwischenschritt, des von Delors ursprünglich für die neuen Beitrittskandidaten favorisierten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), einer multilateralen Freihandelsassoziation, nach Möglichkeit zu umgehen. Dies sagte er im Gespräch mit dem Präsidenten der Bundeswirtschaftskammer, Leopold Maderthaner, in Bonn. „Kohl ist der Meinung, wenn der Druck aller Beteiligten größer wäre, könnte man vielleicht den Zwischenschritt vermeiden“, ließ Maderthaner nach dem Gespräch verlauten. „Kohl hat uns Mut gemacht, mit noch mehr Druck den Vollbeitritt zu erreichen, weil er der Meinung ist, dass die österreichische Wirtschaft durchaus darauf vorbereitet ist.“ Auf die Nachfrage von Journalisten, ob dies eine versteckte Kritik an den Österreichern sei, meinte Maderthaner: „Man könnte es fast so sagen, dass er meinte[,] wir sind vielleicht mit etwas zu wenig Drang nach vorne dabei. Kohl habe gemeint[,] die Stimmung könnte in Österreich durchaus noch EG -betonter sein.“ Es wäre daher überlegenswert, ohne den EWR-Zwischenschritt voll in die EG hineinzugehen, zitierte Maderthaner den Bundeskanzler. Er gewann in dem Gespräch mit Kohl den Eindruck, der deutsche Regierungschef rechne damit, dass Österreich bereits Ende 1993 oder Anfang 1994 Mitglied der EG sein werde. Wenn es für Österreich positiv erscheine, den Zwischenschritt doch zu tun, könne es dies freilich machen. Kohl sei in jedem Falle überzeugt, „dass Österreich mit seiner Wirtschaftskraft ganz sicher erfolgreich im Wettbewerb mitwirken werde“, so Maderthaner. Es sei „mehr als geeignet, in diesen Wirtschaftsraum einzusteigen“, so Kohl.157

III. Fazit und Ausblick bis 1995 Selbst eine reformorientierte DDR hatte spätestens ab Januar 1990 keine Über­ lebenschance mehr. „Die Strategie der doppelten Integration“, wie sie Beate Kohler-Koch formuliert hatte, d. h. Bändigung durch Einbindung, bewegte sich auf der Kontinuitätslinie der westeuropäischen Integrationspolitik seit 1950.158 Man kann jedoch noch weitergehen: Kohl praktizierte im Rahmen seiner Politik der „Wiedervereinigung“ gemeinsam mit Delors eine abgewandelte Politik der dreifachen Integration bzw. Eindämmung im Sinne seines Vorbildes Konrad Adenauer: die USA als NATO -Hegemonial-Macht und Präsenz-Macht in Europa sowie als europäischen Sicherheitsgaranten an Bord und damit im Boot zu be156 „Kohl und Andreotti für schrittweise EG -Erweiterung“, in: Salzburger Nachrichten, 28. März 1991. 157 Ewald König: „Kohl rät zu EWR-Verzicht. Maderthaner bei Bonner Bundeskanzler“, in: Die Presse, 25. April 1991. 158 Kohler-Koch, Die Politik der Integration, 16–18.

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halten, die Sowjets mit dem RGW und dem Warschauer Pakt aus der DDR hinaus zu manövrieren und das vereinte Deutschland stärker denn je im Kontext der europäischen Integration einzubinden und damit für die anderen EG -Partner weiterhin kontrollierbar und berechenbar zu machen. Neben Kohl spielte Delors eine zentrale Rolle in diesem Konzept der drei­ fachen Eindämmung. Er war von Anfang an nicht uneingeschränkt positiv zur deutschen Einigung eingestellt, so noch im Oktober 1989 eher zurückhaltend, sendete aber im Laufe des November und Dezember zunehmend positivere Signale aus, um dann im Januar die immer deutlicher zutage tretenden Fakten und Realitäten zu antizipieren, ab Februar 1990 den Kurs Kohls mitzuverfolgen sowie im März und April die Linie des Kanzlers voll mitzutragen, nachdem dieser auch vorbehaltlos eine Politik der Kontinuität mit Blick auf eine zu vertiefende europäische Integrationspolitik zu verfechten bereit war. Carsten Meyer hat die Haltung und das Handeln der Kommission in einer Drei-Phasen-Entwicklung beschrieben: Die erste Phase bestand aus „Abwarten und Skepsis“ vom 9. November 1989 bis 17. Januar 1990. Die zweite bezeichnete er mit „Vom Zaungast hin zum Akteur“ vom 17. Januar 1990 bis zum Sondergipfel in Dublin am 28. April 1990 und die dritte nannte er „Wettlauf mit der Zeit“ vom 28. April bis 3. Oktober 1990.159 Kohl und Delors gingen dabei gemeinsam von der „Parallelität beider Integrationsprozesse“ aus, wie es Christine Holeschovsky in einem ersten Zugriff bereits hinreichend und treffend bezeichnet hat.160 Gemeint war damit die nahezu gleichzeitig gestaltete Integration der DDR in die Bundesrepublik und in die EG. Dieses Bild ließe sich ergänzen, indem wir von einem bestehenden dreifachen Integrationsimperativ ausgehen, der alle Beteiligten, die DDR-Führungen, die EG -Kommission und die für Deutschland als Ganzes zuständigen Vier Mächte, zwang, in die Unausweichlichkeit der „Wiedervereinigung“ einzuwilligen und sie letztlich mehr oder weniger zu akzeptieren: Es galt in diesem Sinne, nicht nur die Integration der DDR in den Geltungsbereich des Grundgesetzes und die Vereinigung mit der Bundesrepublik und ihre Integration in das Rechts- und Wirtschaftssystem der Gemeinschaften zügig voranzutreiben, sondern auch das vereinte Deutschland in die EG einzubinden sowie das seit 1985 bestehende Delors-Konzept des Binnenmarktes mit den „Vier Freiheiten“ (Dienstleistungen, Güter, Kapital und Personen) abzusichern, um dieses für 1992 anvisierte Ziel für alle EG -Mitglieder mittelfristig erfolgreich zu realisieren. So kamen drei Integrationsprojekte als notwendige Zielsetzungen zusammen, von denen die ersten beiden 1990 und das letzte 1993 erreicht werden konnte. Kohls klarer Vorstoß in Richtung einer deutschen Wirtschafts-, Währungsund Sozialunion ab Februar 1990 war auch eine Reaktion auf die EG -Annähe159 Meyer, Die Eingliederung der DDR in die EG, 12–13. 160 Christine Holeschovsky, Der innergemeinschaftliche Abstimmungsprozess zur deutschen Einheit, in: Werner Weidenfeld (ed.), Die doppelte Integration: Europa und das größere Deutschland (Gütersloh: Bertelsmann, 1991), 17–29, hier 17.

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rungsversuche der DDR und die Ambitionen für ein neutrales Deutschland von Modrow, aber auch Ausdruck des für das Bundeskanzleramt in Bonn befürchteten bedrohliche Maße annehmenden Übersiedlerstromes von Ostdeutschen in die Bundesrepublik. Der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik nach Artikel 23 des Grundgesetzes am 3. Oktober war gleichzeitig auch der Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften. Die diesbezügliche Entscheidung der DDR-Volkskammer war nicht nur verbindlich für die Bundesrepublik, sondern auch für die Europäische Gemeinschaft. So wichtig der mit der Konferenz von Ottawa vom Februar 1990 vereinbarte Zwei-plus-Vier-Verhandlungsrahmen werden sollte, so kann dabei die EG als Mitspieler im deutschlandpolitischen Kontext nicht übersehen werden, v. a. die Rolle der Kommission, die Delors als politischen Akteur zu profilieren verstand. Ausgehend von der bisher unterschätzten Rolle des EG -Zusammenhangs im deutsch-deutschen Einigungsprozess ist man fast versucht, von einem Zweiplus-Fünf-Verhandlungskomplex zu sprechen, jedenfalls ging dieser mit der deutschen Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion so konform wie parallel und bildete praktisch einen gleichsam antizipatorischen und vorentscheidenden doppelten integrationspolitischen Imperativ auf innerdeutscher und europäischer Ebene, bevor der Vier-Mächte-Kontext im Mai und Juni erst zum Tragen kommen konnte und auf der Ebene Zwei-Plus-Vier die dortige Entscheidung im September 1990 fallen sollte. Wie die Vier Mächte durch ihre Botschafter bzw. ihre Brüsseler Vertreter den deutsch-deutschen Verhandlungskontext mit den Europäischen Gemeinschaften beobachteten, beurteilten und bewerteten, bleibt noch genauer zu erforschen. Helmut Kohl stand dem österreichischen EG -Beitrittsanliegen 1987/88 überaus positiv gegenüber. Im Alpentransit sah er dabei das größte zu überwindende Hindernis. Die Große Koalition in Wien hatte erhebliche Abstimmungsprobleme und agierte nicht einheitlich. Eifersucht und Kompetenzstreitigkeiten erzeugten Uneinigkeit selbst in Kenntnis der veränderten Lage in der DDR nach der Grenzöffnung, gleichwohl sich nach dem 9. November 1989 die Ausgangsbedingungen für den österreichischen EG -Beitrittswunsch fundamental verändert hatten und umso mehr eine geschlossene Haltung in Wien erforderlich gemacht hätten. Mock hatte eine tendenziell stärkere Pro-EG -Affinität als der Bundeskanzler, was mit einem klaren und frühzeitigen Unterstützungsbekenntnis zur deutschen Einigung Hand in Hand ging, während Vranitzkys vorerst distanzierte Haltung zum deutschen Einigungsprozess auch von einem nüchtern-rationaleren Verhältnis (als das des Außenministers) zu den Europäischen Gemeinschaften geprägt war. In Bonn gab es zunächst zwischen Bundeskanzleramt und Auswärtigem Amt partielle und temporäre Auffassungsunterschiede gegenüber Österreichs EG Annäherungskurs, allerdings nur in Nuancen. Die österreichische Sorge vor einer Vorzugsbehandlung der DDR als eigener EG -Beitrittskandidat sollte nicht

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Michael Gehler

unberechtigt sein. Bonn betonte ausgehend von Delors’ Auffassung nun die Sonderfall-These für die DDR : Österreichs EG -Ambitionen sollten deswegen nicht zurückgestuft werden, faktisch traten sie jedoch automatisch in den Hintergrund. Mock bekannte sich als erster Außenminister in Europa eindeutig und entschieden zur deutschen Einheit und vertrat parallel dazu weiterhin die österreichische Priorität für den EG -Beitritt. Bundesdeutsche Ermutigungen zu mehr Aktivität gab es zwar seitens Bonns. Alle Beschwichtigungen und Besänftigungen halfen jedoch nur wenig. Österreichs Beitrittsgesuch trat für Brüssel 1990 völlig in den Hintergrund. Mock rückte dann phasenweise erkennbar öffentlich vom Neutralitätsvorbehalt ab und neigte zur Pentagonale, was Busek von Anfang an vorgeschwebt hatte.161 In Vorwahlzeiten sank das Bonner Interesse am österreichischen EG Beitritt. Nolens volens beglückwünschte Österreich die Deutschen zu ihrer Einheit am 3.  Oktober 1990. Nach erfolgreich geschlagener Wahl in Deutschland bekräftige Kohl die Unterstützung für Österreichs EG -Beitritt, relativierte aber seine frühere überaus optimistische Prognose für den Zeitpunkt. Es galt, sich auf ein längeres Warten einzustellen: Die deutsche Einheit musste in der EG erst verarbeitet, der Binnenmarkt geschaffen und ein neuer Unionsvertrag ausgearbeitet werden. In der Folge riet Kohl von einem Umweg über den EWR ab und empfahl den direkten Weg zur EG. Mit seiner Vorhersage des Beitritts im Jahre 1995 lag er goldrichtig und Einwände wegen Österreichs Neutralität von Teilen der Kommission, EG -Mitgliedern und aus EVP-Kreisen blieben folgenlos. Nach viereinhalb Jahren in Bonn resümierte Friedrich Bauer im September 1990 seine Botschafterzeit in der Bundesrepublik und wagte eine Zukunfts­ prognose: „Das vereinte Deutschland wird um die Jahrtausendwende zur ersten europäischen Wirtschaftsmacht, die ihre wirtschaftlichen Interessen ebenso hartnäckig verfolgen wird wie bisher – wenn nicht sogar stärker. In der EG wird fast nichts ohne Deutschland, aber nichts gegen Deutschland gehen. Wie wirtschaftliche in politische Macht umgesetzt wird, darüber steht noch die Beurteilung aus. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Nicht nur die ehemalige DDR ist zu sanieren. Auch die früheren kommunistischen Staaten werden von Deutschland mit zu alimentieren sein. Der Umfang all dieser Leistungen, dazu noch die Hilfestellung an die Sowjetunion als Preis der deutschen Einheit, ist ziffernmäßig nicht annähernd abschätzbar. Es wird sich aber um gewaltige Summen handeln. Zwangsläufig wird sich die deutsche Finanz161 Die revolutionären Ereignisse in Mittel- und Osteuropa erforderten für Österreich eine Neuorientierung und Schwerpunktverlagerung von der bisherigen Zusammenarbeit innerhalb der N+N-Staaten, der Neutralen und Blockfreien, zur so genannten „Pentagonale“ (Österreich, Ungarn, Jugoslawien, Italien und ČSFR). Im Mai 1990 wurde von Experten dieser Staatenkombination und nicht dem N+N-Kreis ein gemeinsames Papier zur Minderheitenfrage ausgearbeitet, das in Kopenhagen bei der KSZE -Konferenz über die menschenrechtliche Dimension eingebracht wurde. Georg Possaner: „Neue KSZE -Strategie Österreichs. Pentagonale verdrängt Neutrale und Bockfreie. Wien als Schaltstelle“, in: Der Standard, 31. Mai 1990.

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politik an K ­ eynes orientieren müssen: hohe Kreditaufnahmen bei immer wieder aufkommenden inflationären Tendenzen. Selbst Steuererhöhungen, insbesonders Verbrauchersteuern, werden daran nichts ändern. Alle Staaten in und um die EG werden zwangsläufig mitmachen müssen; insbesondere Österreich, das ohnehin über den Hartwährungsverband an die Deutsche Mark angebunden ist. Es ist sogar möglich, dass der deutsche Motor den Europäern einen Konjunkturweg weist, der sich erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg von der dahinsiechenden Wirtschaftsentwicklung der USA abhebt, ohne gänzlich entkoppelt zu werden. Euro-Dollars und anderes Floating Capital werden vor allem über deutsche Banken den Weg in das ertragreiche Europa finden. Über die politischen Folgen dieser möglichen Entwicklung darf heute schon nachgedacht werden. Österreich wird sämtliche ökonomischen Chancen und Risiken dieser Entwicklung mitzutragen haben. Persönlich sehe ich mehr Vor- als Nachteile. Nach der Jahrtausendwende wird Deutschland reicher, wirtschaftlich mächtiger, selbstbewusster und mancher Deutsche arroganter dastehen.“162

Für Österreich zog Bauer folgenden Schluss: „Jetzt sollten wir alles daran setzen, sobald als möglich als gleichberechtigtes Mitglied in die EG einzuziehen. Im Windschatten der schwierigen und kostspieligen deutschen Einigung und des Zusammenwachsens Europas unter deutscher finanzieller Federführung sollten wir es in den Gremien der EG so rasch als möglich erlernen, wie sich ein europäischer Kleinstaat gegenüber europäischen Großen mit wechselnden Mehrheiten behaupten kann. Unser Durchhaltevermögen beim Nachtfahrverbot und anderen Beschränkungen des alpenquerenden Schwer-LKW-Verkehrs gegen die mächtigen Deutschen – so wird es bei den kleinen europäischen Staaten gesehen – ist der erste Teil der Nagelprobe. An Europas Gestaltung im 3. Jahrtausend, die heute beginnt, sollten wir nicht als Zaungast sondern als voll Mitwirkende in den EG teilnehmen können. Österreichs Nationalbewusstsein und europäische Gesinnung schließen einander nicht aus. Im Gegenteil: wenn wir es halbwegs klug anstellen, werden sie zu einer qualifizierten Einheit, zu einem neuen österreichischen Selbstwertgefühl, das sich vom Nachbarn gleicher Zunge ebenso abgrenzt wie es sich mit ihm verbindet.“163

Die Ausführungen dieses deutschlandpolitisch erfahrenen Diplomaten, der erster Botschafter Österreichs in der DDR (1973–1977) und nach verschiedenen Funktionen im Außenministerium in Wien von 1986 bis 1990 Botschafter in Bonn war,164 entbehrten nicht an realistischen Einschätzungen, was die zukünftigen Herausforderungen und Perspektiven sowohl für Deutschland als auch für Österreich im Europa der Union anging.

162 Botschafter Friedrich Bauer an BMAA , Bonn, 20. September 1990, Zl. 438-RES/90, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 502.01.19/10-II .1/90. 163 Ibd. 164 Friedrich Bauer, Botschafter in zwei deutschen Staaten. Die DDR zwischen Anerkennung und Auflösung (1973–1990). Die aktive österreichische Neutralitätspolitik (Wien: Eigenverlag Bauer, o. J.).

Andrea Brait

„Vor Torschluss“: Österreichs Kulturbeziehungen zur DDR 1989/901

I. Auslandskulturpolitik Cultural diplomacy gilt als wertvolles Feld der internationalen Diplomatie, als Faktor, der Menschen zusammenbringen kann.2 Dem Institute for Cultural­ Diplomacy3 zufolge kann sie definiert werden als „a course of actions, which are based on and utilize the exchange of ideas, values, traditions and other aspects of culture or identity, whether to strengthen relationships, enhance socio-cultural cooperation, promote national interests and beyond“. Das Feld, das sowohl im staatlichen Bereich wie auch in der sogenannten Zivilgesellschaft verortet ist, „is not secondary to political or economic diplomacy, but rather ­f unctions as an intrinsic and necessary component of it“.4 In Österreich, das sich nicht nur selbst als „Kulturnation“ definiert, sondern auch international als solche wahrgenommen wird,5 gilt die Auslandskulturpolitik als dritte Säule der Außenpolitik. Sie wird traditionell als Instrument des Dialogs und der Partnerschaft, nicht als Kulturpropaganda definiert6 sowie als Mittel verstanden, das Ansehen Österreichs im Ausland zu stärken, womit auch ein positiver Effekt auf allgemeine (sicherheits)politische Fragen ange-

1 Die Autorin dankt dem Bundesarchiv, dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amts und dem Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres für die Möglichkeit, die staatlichen Dokumente für diesen Zeitraum einzusehen. 2 Vgl. Natalia Grincheva, U. S. Arts and Cultural Diplomacy: Post-Cold War Decline and the Twenty-First Century Debate, in: The journal of arts management, law and society 40 (2010) 3, 169–184, hier 171. 3 Das mit verschiedenen Institutionen, wie dem UNESCO International Bureau of Educa­tion, kooperierende Institut hat nach eigenen Angaben zum Ziel „to extend current ­research, programs and practices in the field of Cultural Diplomacy and create a platform to promote and sustain inter-cultural dialogue at all levels.“ http://www.ccds-berlin.de/index.php?en_ about, zuletzt abgerufen am 24. Jänner 2017. 4 http://www.culturaldiplomacy.org/index.php?en_culturaldiplomacy, zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2016. 5 Vgl. u. a. Ernst Bruckmüller, Österreichbewußtsein im Wandel. Identität und Selbstverständnis in den 90er Jahren (= Schriftenreiche des Zentrums für angewandte Politikforschung 4; Wien: Signum-Verlag, 1994), 131; Oliver Rathkolb, Die paradoxe Republik. Österreich 1945 bis 2005 (Wien: Zsolnay, 2005), 45–47. 6 Vgl. Außenpolitischer Bericht 1984, 252.

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strebt wird.7 Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz betonte etwa im ­Jahrbuch der österreichischen Auslandskultur 2014, dass mit dieser „Möglichkeiten zur internationalen Zusammenarbeit geschaffen und Kanäle zum respektvollen Dialog eröffnet“ werden.8 Während des Kalten Krieges war Österreich aufgrund verschiedener Umstände, wie der teilweise gemeinsamen Vergangenheit, der verbreiteten Kenntnis der deutschen Sprache und der Vertrautheit mit den Medien, in vielen Ostblockstaaten sehr attraktiv. Wie Peter Kampits betont, stellte Österreich für viele dieser Länder „das einzige ‚Fenster zum Westen‘“9 dar. Die österreichische Bevölkerung wiederum schätzte mehrheitlich die Brückenfunktion zwischen Ost und West als zentrale Aufgabe des Staates ein.10 Dem entsprach eine Schwerpunktsetzung der österreichischen Auslandskulturpolitik in Zentral-, Ost- und Südosteuropa.11 Trotz der großen Bedeutung, die ihr zugeschrieben wird, steht die Erforschung der österreichischen Auslandskulturpolitik im Kalten Krieg im Gegensatz zu anderen Politikbereichen noch eher am Anfang – dies trifft nicht nur, aber auch auf die Beziehungen zur DDR zu. Maximilian Graf entschied sich in seiner detailreichen Darstellung zu den bilateralen Beziehungen der beiden Staaten gegen eine genauere Untersuchung dieses Feldes, „da die Kultur – trotz aller Bemühungen seitens der DDR – in Österreich nicht zum ‚Türöffner‘ auf dem Weg zur Anerkennung wurde und die längste Zeit auch nicht zu einer Hebung des Ansehens der DDR in Österreich führte. Nach der Anerkennung 1972 war der Ausbau der Kulturbeziehungen eher Ausfluss der intensiveren und forma­ lisierten politischen Beziehungen.“12 7 Vgl. Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten (ed.), Österreichs kulturelle Auslandsbeziehungen (Wien, 1981), 10. 8 Sebastian Kurz, Auslandskultur – ein Konzept mit Verantwortung, in: Jahrbuch der österreichischen Auslandskultur 2014, 11. 9 Peter Kampits, Die Wandlung in Ost- und Mitteleuropa als Herausforderung für die Österreichische Kulturaußenpolitik, in: Andreas Khol/Günther Ofner/Alfred Stirnemann, Österreichisches Jahrbuch für Politik 1990 (Wien: Verlag für Geschichte und Politik, 1991), 783–791, hier 784. 10 Vgl. Heinz Kienzl, Die starke Republik, in: Robert Kriechbaumer (ed.), Österreichische Nationalgeschichte nach 1945. Der Spiegel der Erinnerung: Die Sicht von innen, Band 1 (Wien/ Köln/Weimar: Böhlau, 1998), 467–486, hier 484. Im Jahr 1980 wurde dies als die wichtigste Aufgabe Österreichs gesehen. 11 Vgl. Österreich-Slowenien; Besuch des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten, 2, Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA), Zl. 101.14.04/ 27-V/1/91. Dies änderte sich erst mit Blick auf die angestrebte EG -Mitgliedschaft, wodurch seit den 1990er-Jahren im westlichen Europa und in Nordamerika neue Akzente gesetzt wurden. Aufgrund des beschränkten Quellenkorpus konnte dies aber nicht näher untersucht werden. 12 Maximilian Graf, Österreich und die DDR 1949–1990. Politik und Wirtschaft im Schatten der Teilung (= Internationale Geschichte 3; Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2016), 14.

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Die Ausblendung dieses Politikbereichs ist vermutlich eine Konsequenz der Tatsache, dass die Wirkungen von Kulturkontakten nicht genau messbar sind. Positive Effekte werden zwar von zahlreichen Personen, die in diesem Feld tätig sind oder waren, beschrieben,13 doch bleiben Einschätzungen – auch die zeitgenössischen in den Dokumenten der Außenministerien – meistens auf einer sehr allgemeinen Ebene. Von Einzelschicksalen abgesehen, können keine konkreten Wirkungen benannt werden. Die Folge war lange Zeit – und ist zum Teil bis heute – eine Nichterforschung;14 dabei kommt als hemmender Faktor auch die teilweise lückenhafte Überlieferung hinzu. Die meisten Studien zu diesem Themenkomplex konzentrieren sich, wie Jessica C. E. Gienow-Hecht betont, derzeit auf die USA und den Kalten Krieg, wobei viele auf der Annahme gründen „that cultural diplomacy became a key instrument of foreign policy in the nation’s effort to contain the Soviet Union. As a result, the term ‚cultural diplomacy‘ has assumed a one-dimensional meaning linked to political manipulation and subordination“.15 Im Gegensatz dazu nimmt der hier vorliegende Beitrag blockübergreifende Kulturkontakte in den Blick und fragt nach den gegenseitigen Bewertungen. Wenngleich sich die nachfolgende Analyse auf die staatliche Ebene konzentriert, ist zu betonen, dass sich cultural diplomacy freilich nicht auf diese beschränkt. Aktuelle Forschungen beschäftigen sich etwa mit der Österreichischen Gesellschaft für Literatur, die im Kalten Krieg ein wesentlicher Player im Feld der österreichischen cultural diplomacy war.16

13 Vgl. dazu: Michael Gehler/Andrea Brait, Am Ort des Geschehens in Zeiten des Umbruchs. Lebensgeschichtliche Erinnerungen aus Politik und Ballhausplatzdiplomatie vor und nach 1989 (Hildesheim: Olms, erscheint 2017). 14 Zu den bedeutendsten Ausnahmen zählen: Werner Weilguni, Österreichisch-jugoslawische Kulturbeziehungen 1945–1989 (= Schriftenreihe des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts XVII; Wien/München: Verlag für Geschichte und Politik, 1990); Karen Henning/Sandra Lakitsch, Die bilateralen außen- und kulturpolitischen Beziehungen zwischen Österreich und Ungarn seit 1989 (Phil. Diplomarbeit, Universität Wien, 1996); Alexander Burka, Was blieb vom Fenster in den Westen? Zur Auslandskulturpolitik Österreichs in Ostmitteleuropa seit 1945 am Beispiel Polens und der Tschechoslowakei/Tschechiens (= Politik und Demokratie 23; Frankfurt am Main et al.: Lang, 2012). Insgesamt lässt sich erst in den letzten Jahren in der österreichischen Beforschung des Kalten Krieges eine Entwicklung hin zu soft power-Themen beobachten, wie Maximilian Graf und Agnes Meisinger in ihrem Überblick zeigen. Vgl. Maximilian Graf/Agnes Meisinger, Österreich und der Kalte Krieg: Forschungsstand und Desiderata, in: id. (eds.), Österreich im Kalten Krieg. Neue Forschungen im internationalen Kontext (= Zeitgeschichte im Kontext 11; Göttingen: V&R Unipress, 2016), 9–48, hier 39–42. 15 Jessica C. E. Gienow-Hecht, What are we searching for? Culture, Diplomacy, Agents, and the State, in: id./Mark C.Donfried (eds.), Searching for a Cultural Diplomacy, (New York/ Oxford: berghahn, 2010), 3–12, hier 3. 16 Vgl. https://germanistik.univie.ac.at/institut/projekte/die-oesterreichische-gesellschaftfuer-literatur-selbstverstaendnis-literaturfoerderung-kulturpolitik/, zuletzt abgerufen am 20. Dezember 2016.

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II.

Andrea Brait

Aufbau und Entwicklung der bilateralen Kulturkontakte

Die Warschauer Pakt-Staaten bemühten sich bereits in den 1950er-Jahren um den Abschluss von Kulturabkommen. Österreich wartete jedoch ab, um nicht auf eine bestimmte (von ideologischen Motiven dominierte) Kulturpolitik festgelegt zu werden.17 Diese Haltung wurde in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre aufgegeben. 1967 wurde zunächst ein Kulturabkommen mit der Sowjetunion ausverhandelt, das 1969 in Kraft trat; danach wurden zahlreiche weitere Abkommen mit Staaten des Warschauer Paktes abgeschlossen.18 Die Beziehungen zur DDR konnten sich lange Zeit nicht so intensiv entwickeln, zumal Österreich den Staat erst nach Abschluss des deutsch-deutschen Grundlagenvertrages 1972 offiziell anerkannte.19 Dies hinderte die beiden Staaten aber nicht daran, in verschiedenen kulturellen Bereichen erste Kontakte aufzubauen. Es kam zwar auch nach der staatlichen Anerkennung zu keinem sprunghaften Anstieg der Kulturkontakte, doch die DDR schien mit der Intensität von diesen nicht unzufrieden zu sein. 1977 überreichte sie ein A ­ ide-Mémoire, in dem es hieß: „Die Werke der klassischen und zeitgenössischen österreichischen Literatur, der Musik, der bildenden und darstellenden Kunst gehören bereits zum festen Bestandteil des kulturellen Lebens in der DDR .“ Die Wahrnehmung des österreichischen Außenministeriums war anders. Beklagt wurde, dass beispielsweise nicht einmal Verlagsprospekte in der DDR aufgelegt werden durften.20 Dennoch wurde dem Wunsch der DDR nach einer Intensivierung der Kontakte schließlich entsprochen und 1978 auch mit der DDR ein Vertrag über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur und Wissenschaft unterzeichnet, der Mitte 1979 in Kraft trat.21 Im zu Beginn des Jahres 1978 im Zuge des Besuches von Bruno Kreisky in Ost-Berlin unterzeichneten Vertrag wurde festgehalten, dass dieser abgeschlossen wird „in der Entschlossenheit, die Beziehungen auf der Grundlage der Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und­ 17 Das Konzept der Kulturabkommen wurde später tatsächlich als Korsett empfunden, Vgl. Burka, Was blieb, 79, mit Bezug auf ein Gespräch mit Christa Sauer vom 1. März 2002. 18 Vgl. Andrea Brait, „die große Trennungslinie, die an unserer Haustür vorbeiführt, überbauen“. Zur Vermittlerfunktion der österreichischen Kulturaußenpolitik zwischen Ost und West, in: Graf/Meisinger, Österreich im Kalten Krieg, 259–295, hier 271–277. 19 Vgl. u. a. Graf, Österreich und die DDR , 318. 20 Dienstzettel des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten (BMaA) vom 9. September 1977 betreffend „Beziehungen Österreich-DDR ; Aide Mémoire vom 17.  August 1977“, Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), (Archiv der Republik) AdR, Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten (BMAA), V-Kult 1977, GZ 43.11.03/10-V/77. 21 Vgl. Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Deutschen Demokratischen Republik über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur und Wissenschaft (BGBl. 237/1979) (Kulturabkommen 1979). Auch ein Abkommen über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit wurde abgeschlossen. Vgl. Abkommen vom 31. März 1978 zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (BGBl. 215/1978).

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Zusammenarbeit in Europa in ihrer Gesamtheit zu entwickeln und zu verwirklichen“.22 Im Kulturabkommen war – ähnlich wie dies auch für andere Staaten galt – eine ganze Reihe von Bereichen aufgelistet, in denen eine Förderung der Kontakte erfolgen sollte. Festgehalten wurden u. a. „Jahres- und Kurzstipendien für Studierende und graduierte Akademiker der Universitäten und Hochschulen im Mindestausmaß von 20 Monaten jährlich“.23 Zur Umsetzung des Vertrages wurde vorgesehen, dass Arbeitsprogramme für jeweils drei Jahre in der Form von Regierungsübereinkommen erarbeitet werden.24 Diese Vorgangsweise deckt sich mit jener in anderen Kulturabkommen. Das letzte Kulturübereinkommen, in der DDR „Kulturarbeitsplan“ genannt, wurde im März 1988 ausverhandelt und sollte bis 1991 gelten.25 Im internen Bericht des Ministeriums für Kultur der DDR wurde betont, dass die beiden Staaten auf diesem Wege „einen wichtigen Beitrag zur Schaffung einer Atmosphäre des Vertrauens, der weiteren Realisierung der Schlußakte von Helsinki und der Festigung des Friedens“ leisten.26 Die Bezugnahme auf den KSZE-Prozess findet sich immer wieder: So meinte etwa Erich Honecker beim DDR-Besuch von Franz Vranitzky im Juni 1988, dass die Beziehungen zu Österreich „beispielhaft für die Verwirklichung der Schlußakte“ seien.27 Die ministeriumsinterne Berichterstattung zeigt auch deutlich, wie wichtig der DDR die Festschreibung von Kooperationsprojekten auf offiziellem Wege war. Absprachen über gemeinsame Vorhaben mit österreichischen Partnern sollten erst nach einer innerstaatlichen Abstimmung erfolgen und verbindlich sowie nachvollziehbar festgelegt werden.28 Hinsichtlich der im Übereinkommen festzulegenden Personenaustauschkontingente wurden die Verhandlungsführer angewiesen, das Prinzip der Reziprozität zu beachten und wenn möglich keine Senkung zuzulassen.29 In der Bundesrepublik wurde bemerkt, dass die DDR be22 23 24 25

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Kulturabkommen 1979. Art. 4 Kulturabkommen 1979. Vgl. Art. 16 Kulturabkommen 1979. Vgl. Viertes Übereinkommen über ein Arbeitsprogramm zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über die kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit für die Jahre 1988 bis 1991 (BGBl. 311/1988). Bericht über die Verhandlungen zum Abschluß eines Arbeitsprogramms zwischen der Regierung der DDR und der österreichischen Bundesregierung über kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit für die Jahre 1988 bis 1991, Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA), Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR (MfAA), ZR 140/10. Hans-Joachim Hoffmann, Kulturelle Zusammenarbeit im Geiste guter Nachbarschaft, Bundesarchiv (BArch), DR 1/13568. Bericht über die Verhandlungen zum Abschluß eines Arbeitsprogramms zwischen der Regierung der DDR und der österreichischen Bundesregierung über kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit für die Jahre 1988 bis 1991, PA AA , MfAA ZR 140/10. Direktive für die Verhandlungen zum Abschluß eines „Arbeitsprogrammes zwischen der Regierung der DDR und der Österreichischen Bundesregierung über kulturelle und wis-

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reit war, für eine Intensivierung des Kulturaustausches auch größere finanzielle Mittel einzusetzen; Österreichs Motive wurden vor allem mit dem Wunsch nach einer Verstärkung der Wirtschaftsbeziehungen erklärt.30 Neben den staatlichen Abkommen wurden auch Vereinbarungen zwischen einzelnen Institutionen abgeschlossen, wie 1981 zwischen dem Verband bildender Künstler der DDR und der Gesellschaft bildender Künstler Österreichs, Künstlerhaus. Über dieses Abkommen wurden nicht nur Ausstellungen ausgetauscht, sondern verschiedene Künstler der DDR erhielten dadurch auch die Gelegenheit, nach Österreich zu reisen.31 Eine weitere Intensivierung des kulturellen Austausches erfolgte 1982 als der österreichischen Botschaft in BerlinOst erstmals ein Kultur- und Presserat zugeteilt wurde.32 Die DDR fühlte sich beim Ausbau der Kulturbeziehungen mit Österreich insbesondere durch die Bundesrepublik bedroht. In einem Bericht der DDR-Botschaft von 1985 wurde behauptet, die Bundesrepublik versuche, „besonders bei Veranstaltungen mit Erbpflegecharakter, gesamtdeutsche Tendenzen einzubringen“.33 Wie in einem Bericht der Botschaft der DDR in Österreich zu den kulturellen Beziehungen Österreichs zur Bundesrepublik aus dem darauffolgenden Jahr betont wurde, seien diese für die Bundesrepublik „Ausdruck des Strebens nach Schaffung einer geistig-kulturellen Gemeinschaft mit Österreich als Teil des Bonner außenpolitischen Mechanismus zur Ausübung eines politischen, ideologischen, moralischen und kulturellen Einflusses auf Österreich“. Die Bun­ desrepublik übe einen deutlichen Einfluss auf Österreich aus und versuche, „dem Land seine Vorstellungen, Konzeptionen, Methoden und Formen für die kulturelle und ideologische Arbeit aufzuzwingen“. Hinsichtlich der Bewertung durch Österreich stellte die Botschaft unterschiedliche Auffassungen fest, wobei sich jedoch die Mehrheit für enge Beziehungen ausspreche; die kulturellen Beziehungen zur Bundesrepublik seien auch enger und vielfältiger als die Beziehungen zu allen anderen Staaten.34

senschaftliche Zusammenarbeit für die Jahre 1988, 1989, 1990 und 1991“, PA AA , MfAA ZR 140/10. 30 Vgl. Bericht der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland an das Auswärtige Amt, 12. Juli 1988, PA AA , ZA 174.732. 31 Vgl. Schreiben von Botschaftsrat Horst Winter an Werner Wolf, Ministerium für Kultur, 17.01.1989, PA AA , MfAA ZR 140/10. 32 Vgl. Außenpolitischer Bericht 1982, 140. 33 Botschaft der DDR in Österreich: Bericht über die kulturellen Auslandsbeziehungen, 21. Jan. 1985, PA AA , MfAA ZR 5212/13. Im Bericht wurde erwähnt, dass dies bei der Eröffnung der Ausstellung „Ernst Barlach 1870–1938“, die im Künstlerhaus und in der Bawag Foundation, einem Ausstellungsort der Bank für Arbeit und Wirtschaft, gezeigt wurde, zu beobachten gewesen sei. Jedoch wurde nicht erklärt in welcher Form. 34 Botschaft der DDR in der Republik Österreich: Zu den kulturellen Beziehungen zwischen Österreich und der BRD, 2.5.1986, PA AA , MfAA ZR 5212/13.

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III. Stand der Kulturbeziehungen Ende der 1980er-Jahre Dennoch schien man in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre sowohl in der DDR als auch in Österreich mit dem Stand der bilateralen Kulturkontakte zufrieden zu sein. Dies wurde nicht nur bei verschiedenen bilateralen Gesprächen und in den Medien betont, sondern auch in internen Dokumenten. In einem Bericht der Botschaft der DDR in Österreich wurde im Jänner 1985 festgehalten: „Wir haben einen Stand in den kulturell-wissenschaftlichen Beziehungen erreicht, der uns in die vorderste Reihe der österreichischen kulturellen Auslandsbeziehungen stellt und das sowohl quantitativ als auch budgetmäßig.“35 Die DDR-Botschaft bilanzierte zur Entwicklung der kulturellen Auslandsbeziehungen zu den Jahren 1986 und 1987, dass für die positive Entwicklung die „sichtbar zurückgegangenen Klischeevorstellungen und politischen Vorbehalte in den Beziehungen mit der DDR und der Wunsch nach sachlicher, auf gegenseitigen Nutzen orientierter Zusammenarbeit“ hauptverantwortlich seien.36 Das österreichische Außenministerium teilte diese Meinung: Insbesondere 1988 hätten sich die Kulturkontakte „durch eine beachtliche Steigerung der österreichischen kulturellen Präsenz in der DDR , aber auch der DDR in Österreich in erfreulicher Weise weiter vertieft“.37 Im Zuge von Beratungen im Jänner 1988 sei, einem Bericht des Ministeriums für Kultur zufolge, sogar überlegt worden, längerfristige Planungen über größere Kooperationsprojekte bis zum Jahr 2000 vorzunehmen.38 In Berichten der Bundesrepublik liest sich eine etwas andere Einschätzung der Beziehungen Österreichs zur DDR : Diese seien, wie im Juni 1989 betont wurde, „zwar unverändert problemlos und korrekt, aber für zwei Industriestaaten in der Mitte Europas mit der gleichen Sprache und teilweise gemeinsame[n] Geschichte äußerst bescheiden – und da fast ausschließlich auf den offiziellen Bereich beschränkt – ohne besondere Wärme“.39 Dennoch schätze die Botschaft der Bundesrepublik in Wien, dass die DDR Ende der 1980er-Jahre neben der UdSSR das aktivste aller „Ostblockstaaten“ im Kulturaustausch mit Österreich sei, wobei der DDR die gemein35 Botschaft der DDR in Österreich: Bericht über die kulturellen Auslandsbeziehungen, 21. Jan. 1985, PA AA , MfAA ZR 5212/13. 36 Bericht über die Entwicklung der kulturellen Auslandsbeziehungen in den Jahren 1986 und 1987, PA AA , MfAA ZR 140/10. 37 Dienstzettel betreffend „Informationsbeitrag der Sektion V anläßlich des Arbeitsgesprächs des Herrn Generalsekretärs mit dem stellvertretenden Außenminister Nier am 1./2. Juni 1989 in Wien“, BMEIA , Zl. 43.14.06/4-V.1/89. 38 Vgl. Bericht über die Eröffnung der Gemeinsamen Ausstellung der Deutschen Demokratischen Republik und der Republik Österreich „Kunst und Arbeit“ und den Besuch des Ministers für Kultur der DDR , Genossen Dr. Hans-Joachim Hoffmann, beim Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport der Republik Österreich, Frau Dr. Hilde Hawlicek, vom 25.–28. Januar in Wien, BArch DR 1/13568. 39 Bericht der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland an das Auswärtige Amt, Betr. Beziehungen der DDR zu Österreich, 20. Juni 1989, PA AA , ZA 140.710.

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same Sprache zugutekomme, wodurch in vielen Bereichen, wie der Literatur und dem Theater, ein intensiverer Kontakt möglich sei.40 Die Zufriedenheit mit der Ausgestaltung der Kulturbeziehungen in Österreich ging sogar so weit, dass der damalige österreichische Kulturminister Herbert Moritz seinen DDR-Amtskollegen Hans-Joachim Hoffmann 1985 bat, bei der Tschechoslowakei ein gutes Wort für Österreich einzulegen. Im Bericht eines bilateralen Gesprächs heißt es: „Immer wieder gäbe es Spannungen und Hemmnisse [zwischen Österreich und der ČSSR]. […] Ständig bestehe die Gefahr einer ‚Eiszeit‘ in den Beziehungen. Vielleicht könne Genosse Hoffmann bei seinen Partnern in Prag das große Interesse Österreichs an gutnachbarlicher Zusammenarbeit signalisieren.“ Hoffmann sicherte in dem Gespräch seine Unterstützung zu.41 Neben einer Steigerung der Quantität des Kulturaustausches wurde dieser auch immer vielfältiger und es gab in den 1980er-Jahren auch einige Großveranstaltungen, wie die 1984 auf der Schallaburg gezeigte Ausstellung „Barock und Klassik. Kunstzentren des 18. Jahrhunderts in der Deutschen Demokratischen Republik“, die „bisher größte Kunstausstellung der DDR in einem westeuropäischen Land“, wie die Berliner Zeitung betonte.42 Im April 1985 wurde in der wiedereröffneten Semperoper in Dresden von der österreichischen Staatsoper „Adriane auf Naxos“ gezeigt.43 Außerdem schienen sich gewisse Vorbehalte auf der Seite der DDR zu reduzieren: 1987 konnten beispielsweise erstmals beim Ingeborg-Bachmann-Preis, der in diesem Jahr zum elften Mal stattfand, zwei Juroren aus der DDR teilnehmen.44 Die erhofften Vorteile in Bezug auf die Kulturkontakte überwogen auf Seiten der DDR immer öfter die Befürchtungen, dass bei Reisen von Künstlern Republikflucht begangen werden könnte, wenngleich dies 40 Bericht der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland an das Auswärtige Amt, Betr. Beziehungen der DDR zu Österreich, 11. Juli 1990, PA AA , ZA 140.710. Eine genaue Prüfung dieser Einschätzung muss späteren Studien vorbehalten bleiben, doch ist davon auszugehen, dass Österreich auch mit seinen unmittelbaren Nachbarstaaten einen engen Kulturaustausch pflegte. Vgl. Andrea Brait, Kultur als Grenzöffner? Motive und Schwerpunkte der österreichischen Kulturaußenpolitik im Verhältnis zu den östlichen Nachbarstaaten in den Jahren 1989–1991, in: Zeitgeschichte 41 (2014) 3, 166–183. 41 Vermerk über ein Gespräch des Minister für Kultur der DDR , Dr. Hans-Joachim Hoffmann, mit dem Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport der Republik Österreich, Dr. Herbert Moritz, am 16.7.1985, PA AA , MfAA ZR 140/10. Konkrete Maßnahmen bzw. Gespräche sind (noch) nicht bekannt; auch über Folgewirkungen kann derzeit keine Aussage getroffen werden. 42 Kunst des Barock und der Klassik in Wien gezeigt, in: Berliner Zeitung, 5. Mai 1984, 7. Zur Ausstellung auf der Schallaburg siehe auch Graf, Österreich und die DDR , 488. 43 Vgl. Schreiben von Herbert Moritz an Hans-Joachim Hoffmann, 9. Jänner 1985, PA AA , MfAA ZR 140/10. 44 Bei dem seit 1977 im Rahmen der Klagenfurter Literaturtage vergebenen Preis nahmen zwischen 1979 und 1985 auch keine Autoren aus der DDR teil. Vgl. Doris Moser, Der Ingeborg-Bachmann-Preis. Börse, Show, Event (= Literaturgeschichte in Studien und Quellen 9; Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2004), 244; Schreiben der Organisatoren des IngeborgBachmann-Preises an die Botschaft der DDR , 16.04.1987, PA AA , MfAA ZR 5212/13.

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nie ganz ausgeschlossen werden konnte.45 Dies zeigt etwa der Fall eines Mitarbeiters der Komischen Oper, der während eines Gastspiels in Wien im Frühjahr 1989 während der Nacht flüchtete.46 Neben dem „auslandsinformatorischen Effekt“ brachten die gestiegenen Gastspielreisen der DDR Deviseneinnahmen und trugen demnach zu außenwirtschaftspolitischen Zielen bei; auch der Bücher­ export diente diesem Zweck. Die Kulturkontakte wirkten sich einer DDR-internen Analyse zufolge außerdem auf die Zahl der Kulturreisen von Österreich in die DDR positiv aus. Jedoch konnte man aufgrund der „knappen Hotelkapazitäten“ nicht allen Anfragen entsprechen.47 Es ist dies nur ein kleines Beispiel für die im internationalen Vergleich nicht konkurrenzfähige Wirtschaftspolitik der DDR . Österreich war beständig darum bemüht, die DDR in blockübergreifende Kulturkontakte einzubeziehen. Ein Beispiel, das langfristig Erfolg hatte, ist das Gustav-Mahler-Jugendorchester, an dem sich die DDR nach einigen Bedenken und internen Diskussionen48 1988 erstmals beteiligte. Das bis heute bestehende Jugendorchester geht auf eine österreichische Initiative beim KSZE-Kulturforum Budapest zurück und wurde im Mai 1986 in Wien gegründet.49 Die DDR hatte sich beim Kulturforum für eine Weiterverfolgung des Vorschlages ausgesprochen,50 jedoch kam in Budapest kein Schlussdokument zustande. Ein erstes Schreiben in dieser Angelegenheit erhielt der Kulturattaché an der Botschaft der DDR in Wien, Horst Winter, bereits im Juli 1986 von Hans Landesmann, der als österreichischer Delegierter beim KSZE-Kulturforum Budapest den Vorschlag zur Gründung eines solchen Orchesters vorgetragen und sich aufgrund der allgemein positiven Rückmeldungen dazu entschlossen hatte, rasch aktiv zu werden. Für die Realisierung erhielt er eine finanzielle Unterstützung durch das Ministerium für Unterricht, Kunst und Sport sowie die Stadt Wien. Das Orchester sollte zunächst aus Musikern aus Österreich, der Tschechoslowakei und Ungarn bestehen, längerfristig jedoch auch Mitglieder aus anderen Staaten haben.51

45 Zur Überwachung der Reisenden wurde verlangt, dass sich diese nach der Ankunft bei der Botschaft melden und nach der Rückkehr einen genauen Bericht darüber verfassen, wann sie wo untergekommen waren, wie sie gereist sind und mit wem sie gesprochen haben. 46 Vgl. Reisebericht über das Gastspiel der Komischen Oper in Wien/Österreich vom 17. April–25. April 1989, PA AA , MfAA ZR 140/10. 47 Bericht über die Entwicklung der kulturellen Auslandsbeziehungen in den Jahren 1986 und 1987, PA AA , MfAA ZR 140/10. 48 Vgl. Schreiben von Hans-Joachim Hoffmann an Oskar Fischer, 2. 12. 1987, PA AA , MfAA ZR 5212/13. 49 Vermerk über ein Gespräch des Leiters der Abt. KIL , Genossen Rolf Dill, mit dem künstlerischen Leiter des Gustav-Mahler-Jugendorchester, Sitz Wien, Prof. Dr. Hans Landesmann, am 20.5.1987 im Ministerium für Kultur der DDR , PA AA , MfAA ZR 2684/14. 50 Vgl. Hausmitteilung Europäisches Gustav-Mahler-Jugendorchester, 14.10.1986, BArch, DR 1/13569 (4 von 5). 51 Vgl. Schreiben von Hans Landesmann an Horst Winter, 4. Juli 1986, PA AA , MfAA ZR 140/10.

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An der Beteiligung der DDR war Winter zufolge insbesondere die ČSSR interessiert, die damit verhindern wollte, dass das Orchester nur von Staaten der ehemaligen Donaumonarchie beschickt wird, was von der ÖVP mit Erhard Busek, einem Vertreter der Mitteleuropa-Idee,52 gewünscht worden sei.53 Im Ministerium für Kultur sprach sich die Abteilung Musik im Oktober für eine Beteiligung der DDR aus und begründete dies mit dem KSZE-Prozess und dem Wunsch nach der „Erreichung konkreter Schritte in Folge des Kulturforums“.54 Betont wurde jedoch, dass eine Teilnahme nur in Abstimmung mit anderen sozialistischen Staaten möglich sei, da man nur so in der Lage sei, „auf bestimmte Grundsätze des Orchesters gemeinsam Einfluß zu nehmen“. Konkret ging es dem Ministerium dabei um die „Verhinderung des Mißbrauchs des Orchesters für politische Zwecke, die nicht dem KSZE-Gesamtprozeß entsprechen“.55 Man befand schließlich, dass „ein Mißbrauch durch eine aktive Einflußnahme auf die Tourneepolitik des GMJO weitgehend ausgeschlossen werden kann. Im Falle von politisch unzumutbaren Tourneeprojekten (Westberlin o.ä.) ist eine Mitwirkung der DDR am GMJO abzusagen.“ Für die Teilnahme am Orchester sprach aus Sicht der DDR , dass damit „einer möglichen Gefahr der Isolierung der DDR offensiv entgegengewirkt werden“ könne.56 Das Orchester nahm seine Arbeit 1987 auf und umfasste 1988 130 Musiker aus Australien, der ČSSR , Italien, Norwegen, Österreich, Schweden und Ungarn. Acht Musiker wurden aus der DDR entsandt,57 wozu man sich im Ministerium für Kultur erst im allerletzten Moment entschlossen hatte.58 1989 waren schon 15 Künstler aus der DDR beteiligt und es wurden auch Konzerte in Leipzig und Ost-Berlin gespielt.59 Nachdem man 1988 die DDR über die Auswahl der Künstler entscheiden hatte lassen, bestand man für 1989 auf Probespiele, wie dies auch in den anderen Teilnahmestaaten erfolgte.60 Damit wurde politischer Einfluss zwar nicht ausgeschlossen, es war aber doch ein wichtiges Signal.

52 Vgl. u. a. Erhard Busek, Besinnung auf Mitteleuropa, in: Europäische Rundschau 13 (1985) 2, 3–13. 53 Schreiben von Horst Winter an das Ministerium für Kultur, 19.7.1986, PA AA , MfAA ZR 140/10. 54 Hausmitteilung Europäisches Gustav-Mahler-Jugendorchester, 14.10.1986, BArch, DR 1/ 13569 (4 von 5). 55 Hausmitteilung Europäisches Gustav-Mahler-Jugendorchester, 04.11.1986, BArch, DR 1/ 13569 (4 von 5). 56 Schreiben von Peter Lorf an Dietmar Keller, 19.11.1986, BArch, DR 1/13569 (4 von 5). 57 Können plus Begeisterung, in: Arbeiterzeitung, 11. April 1988. 58 Vgl. Schreiben der Botschaft Wien an das Ministerium für Kultur vom 15.02.1988, PA AA , MfAA ZR 140/10. 59 Vgl. Schreiben von Kristel Potocnik, Gustav-Mahler-Jugendorchester, an Hans-Joachim Hoffmann, Minister für Kultur der DDR , 24. April 1989, PA AA , MfAA ZR 2684/14. 60 Vgl. Schreiben von Botschaftsrat Horst Winter an Rolf Dill, Ministerium für Kultur, 13.05.1988, BArch, DR 1/13569 (3 von 5).

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Ein weiteres Projekt, in das die DDR einbezogen wurde, war der „Interna­ tionale Opernworkshop Bregenz“ 1989. Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Sport, Hilde Hawlicek, sprach in ihrer Anfrage an Hoffmann von einem der „erfolgreichsten Projekte, das bis jetzt im Rahmen der KSZE und insbesondere in Nachfolge des Kulturforums Budapest realisiert werden konnte“ und bezog sich mit der Erwähnung des „europäischen Hauses“, „das seine festen Fundamente ja besonders in der Kultur haben soll“61 auf die Ideen von Michail Gorbatschow.62 Bei der Umsetzung des Projekts in Bregenz kam es dann nicht nur zu künstlerischen Differenzen: Die DDR-Delegation verließ die Premierenfeier, da der Landrat von Vorarlberg die Zusammenarbeit mit den Städtischen Bühnen Erfurt nicht erwähnte.63 Der dortige Intendant meinte aber, dass das Projekt dennoch sehr wertvoll gewesen sei und man zu einer weiteren Zusammenarbeit bereit wäre.64 Klaus Wolf, der Botschafter der DDR in Österreich, bezog sich bei anderer Gelegenheit in ähnlicher Form auf Gorbatschow. In seinem Grußwort zur Fotoausstellung „Bekenntnisse“, die anlässlich des 40-jährigen Bestehens der DDR im April 1989 gezeigt wurde, meinte er, dass die Beziehungen zwischen Österreich und der DDR nicht nur ein „anschauliches Beispiel für die Möglichkeiten eines fruchtbaren Zusammenlebens zwischen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung“ seien, sondern auch, dass diese „einen nicht unwichtigen Beitrag zur Errichtung eines friedlichen ‚gemeinsamen Hauses Europa‘“ leisten würden.65 Auch wenn freilich alle Politikbereiche und so auch die Auslandskulturpolitik der DDR dem politischen Kurs Honeckers untergeordnet waren, der sich gegen jegliche Reformen stellte, gab es hier klare politische Signale im Ausland. Wie Hoffmann in einem Bericht Ende 1988 betonte, entwickelte sich nicht nur ein Kulturaustausch, sondern es kam auch zu immer mehr gemeinsamen Projekten. So wurde etwa eine Ausstellung „Kunst und Arbeit“66 realisiert, die im Dezember 1987 in Berlin und im Jänner 1988 in Wien eröffnet wurde. A ­ ußerdem 61 Schreiben von Hilde Hawlicek an Hans-Joachim Hoffmann, o. D. [eingegangen am 09.05.88], BArch, DR 1/13568 (2 von 3). 62 Vgl. u. a. Georg Kreis, Das Europäische Haus, in: Pim den Boer/Heinz Duchhardt/Georg Kreis/Wolfgang Schmale (eds.), Europäische Erinnerungsorte 2: Das Haus Europa (München: Oldenbourg, 2012), 577–584. 63 Bericht über die Inszenierung und Aufführung der Oper „Orpheus und Eurydike“ von Gluck in Erfurt, Bregenz und Budapest, 22.5.1989, BArch, DR 1/13568 (2 von 3). 64 Vgl. Schreiben von Intendant Witte an das Ministerium für Kultur, 2.6.1989, BArch, DR 1/13568 (2 von 3). 65 Grußwort des Botschafters der Deutschen Demokratischen Republik in der Republik Österreich, Klaus Wolf, an die Besucher der Fotoausstellung „Bekenntnisse“ von Thomas Billhardt, DDR , vom 3. bis 21. April 1989 in Salzburg, PA AA , MfAA ZR 140/10. 66 Kunst und Arbeit. Eine gemeinsame Ausstellung der Deutschen Demokratischen Republik und der Republik Österreich. Neue Berliner Galerie im Alten Museum, Berlin, 3.12.1987– 3.1.1988. Österreich-Haus Palais Palffy, Wien, 25.1.1988–25.2.1988 (Berlin 1987).

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hätten sich die beiden Staaten darauf verständigt, dass bedeutende nationale und internationale Jubiläen stärker gemeinsam gewürdigt werden.67 Dies wurde 1989 hinsichtlich des 40. Jahrestages der DDR auch umgesetzt:68 Im Künstlerhaus in Wien war die Großausstellung „Merkur und die Musen. Schätze der Weltkultur aus Leipzig“ zu sehen.69 Mit ihr sollte, wie das Ministerium für Kultur in einem internen Schreiben festhielt, „der Nachweis erbracht werden, daß die großen Leistungen der Vergangenheit in unserem sozia­ listischen Staat gepflegt, geschützt, in Ehren gehalten und bewußt fortgesetzt werden.“70 An der Eröffnung der Ausstellung am 21.  September 1989 nahm unter anderem Hoffmann aufgrund einer Einladung von Busek teil.71 Honecker und­ Vranitzky bezogen sich in ihren Geleitworten im Ausstellungskatalog beide auf den KSZE-Prozess und zeigten sich sehr zufrieden mit den Beziehungen der beiden Staaten.72 Hoffmann zeichnete den Präsidenten des Künstlerhauses, Hans Mayr, im Rahmen der Eröffnung aufgrund seiner Verdienste um die Kulturkontakte zwischen Österreich und der DDR mit dem „Stern der Völkerfreundschaft“ aus.73 Im Mai 1989 erwartete man in der DDR außerdem, dass sich das österreichische Außenministerium um die Einrichtung einer Österreich-Bibliothek bemühen werde, nachdem Moritz bereits 1985 einen österreichischen Leseraum in den Räumen der Botschaft in Ost-Berlin vorgeschlagen hatte.74 Als ersten Schritt sollten die Werke der großen Buchausstellung vom Herbst 1985 in der Botschaft verbleiben, um dort einen Leseraum als „Keimzelle“ eines Kulturinstituts einzurichten. Hoffmann zeigte sich im Gespräch mit Moritz zunächst aufgeschlos67 Vgl. Hans-Joachim Hoffmann, Kulturelle Zusammenarbeit im Geiste guter Nachbarschaft, BArch, DR 1/13568. 68 Vgl. Schreiben von Botschaftsrat Horst Winter an Werner Wolf, Ministerium für Kultur, 17.01.1989, PA AA , MfAA ZR 140/10. 69 Vgl. Dieter Gleisberg (ed.), Merkur & die Musen. Schätze der Weltkultur aus Leipzig. Eine Ausstellung aus der Deutschen Demokratischen Republik im Künstlerhaus Wien 21.9.1989–18.2.1990 (Wien 1989). 70 Ausstellung „Merkur und die Musen. Schätze der Weltkultur aus Leipzig“ im Künstlerhaus Wien vom 24.  September 1989 bis 14.  Januar 1990, 13.  Januar 1989, BArch DR 1/13568 (1 von 3). 71 Vgl. Bericht über den offiziellen Besuch des Ministers für Kultur der DDR , Genossen Dr. Hans-Joachim Hoffmann, und einer Delegation vom 20.9. bis 22.9.1989 in Wien/Republik Österreich, BArch, DR 1/13568. 72 Geleitworte, in: Gleisberg, Merkur & die Musen, 12. 73 Gesprächshinweise für das Treffen mit Prof. Hans Mayr, Präsident des Künstlerhauses Wien am Montag, den 21.05.1990, PA AA , MfAA ZR 2684/14. 74 Schon 1983 war von der österreichischen Botschaft beantragt worden, Räumlichkeiten für kulturelle Zwecke zu nutzen und kulturelle Veranstaltungen durchzuführen, was von der DDR klar abgelehnt wurde. Vgl. Vermerk über ein Informationsgespräch mit dem Presseund Kulturrat der Republik Österreich, Herrn Kremser, am 4. 8. 1983, 25.8.1983, PA AA , MfAA ZR 140/10; Schreiben des Ministeriums für Kultur an das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, 1.11.1983, PA AA , MfAA ZR 140/10.

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sen für die Idee. Er verwies darauf, dass es in der DDR ein französisches Kulturzentrum gebe und bald auch ein italienisches, weshalb man auch an Österreich denken solle.75 In einem internen Positionspapier vom September 1985 wurde festgehalten, dass man die Angelegenheit „wohlwollend prüfen“ wolle, eine vertragliche Vereinbarung aber unumgänglich sei. Eine solche sollte den mit Frankreich und Italien abgeschlossenen Regelungen ähneln und es sollte Reziprozität gelten.76 Das Außenministerium der DDR sprach sich dann jedoch gegen diese Idee aus, weil man keinen Präzedenzfall außerhalb vertraglicher Regelungen schaffen wollte. Inhaltlich befürchtete man wohl, dass über eine solche Einrichtung unerwünschte Literatur in die DDR gelangen könnte. 1986 wurde von Moritz auch die Möglichkeit der Einrichtung eines Kulturinstituts angesprochen, doch wurde daraufhin kein Vorschlag für die Aufnahme von Verhandlungen unterbreitet. Infolge von Initiativen Österreichs in Polen mit dem Neubau des Kulturinstituts und in der ČSSR aufgrund des Abkommens über die Einrichtung von Kulturinstituten ging man in der DDR davon aus, dass Österreich erneut Vorschläge zu solchen Einrichtungen machen würde. In einem internen Papier des Außenministeriums der DDR wurde festgehalten, dass man grundsätzlich zu Verhandlungen über die gegenseitige Einrichtung von Kulturzentren bereit sei, aber keine Notwendigkeit sehe, selbst initiativ zu werden.77 Es kann zwar nicht behauptet werden, dass die Kulturkontakte gegen Ende der 1980er-Jahre völlig frei von Konflikten waren, doch stellten solche kein Hindernis für den Austausch dar. Aus einem Bericht über ein Gastspiel des Staatsschauspiels Dresden bei den Wiener Festwochen 1988 geht beispielsweise hervor, dass eine kleine Gruppe  – im Bericht ist von „8 bis 10 nationalistische[n] Besucher[n]“ die Rede – gebuht und damit die Mehrheit der Zuschauer zu einer noch größeren positiven Reaktion animiert habe.78 Begrenzt wurden der Kulturaustausch und vor allem die Kontakte abseits des Kulturübereinkommens aber durch die beschränkten finanziellen Möglichkeiten der DDR . So erhielt etwa eine Kunstreitertruppe aus Cottbus eine Einladung der Stadt Linz, nach einer ersten Zusage wurde jedoch eine Absage erteilt.79 Das Ministerium für Kultur erklärte hierzu, dass „der Rat des Bezirks über keine Valuta-Mittel verfügt, um Reisekosten, Sicherheitsbetrag und Versicherungsgebühren für Ihr Kollektiv zu finanzieren, die unabhängig von den Ihnen vom

75 Vgl. Vermerk über ein Gespräch des Minister für Kultur der DDR , Dr. Hans-Joachim Hoffmann, mit dem Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport der Republik Österreich, Dr. Herbert Moritz, am 16.7.1985, PA AA , MfAA ZR 140/10. 76 Vgl. Positionspapier „Leseraum“ der österreichischen Botschaft, September 1985, PA AA , MfAA ZR 140/10. 77 Einrichtung von Kulturzentren, Mai 1989, PA AA , MfAA ZR 140/10. 78 Bericht über das Gastspiel des STAATSSCHAUSPIEL DRESDEN, 28. Juni 1988, PA AA , MfAA ZR 140/10. 79 Vgl. Schreiben von Bernd Otto an das Ministerium für Kultur, 7.6.89, BArch, DR 1/13308.

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Veranstalter zugesagten Fixhonorar für Auftritte erforderlich wären“.80 Dieses und zahlreiche weitere Beispiele machen deutlich, dass die DDR die von Österreich gebotenen Möglichkeiten gar nicht alle ausschöpfen konnte und sich insbesondere auf die in den Kulturübereinkommen festgelegten Projekte konzentrierte, auch weil man erkannt hatte, dass insbesondere Großprojekte zu Medienberichten führen und damit die gewünschte „auslandsinformatorische Wirkung“ erzielen. Die DDR versuchte offenkundig bei der Entsendung von Personen auf die Konkurrenzfähigkeit zu achten. Abgelehnt wurden etwa sämtliche Ein­ladungen eines Ehepaares zu Rock n’Roll-Turnieren, da man der Meinung war, dass das Niveau in der DDR deutlich unter dem internationalen Standard liege. Man wollte außerdem eine Mitgliedschaft im Internationalen Rock n’RollVerband verhindern, um keine finanziellen Verpflichtungen auf Valutabasis eingehen zu müssen.81 Obwohl die Auslandskulturpolitik Österreichs seit 1970 im Außenministerium ressortiert, trafen sich die Kulturminister Österreichs in den 1980er-Jahren mehrfach mit ihren DDR-Amtskollegen, um über die Fortführung und Intensivierung der bilateralen Kulturkontakte zu beraten.82 Einer ADN-Meldung zufolge stellten Hoffmann und Hawlicek bei einem solchen Treffen in Wien im September 1988 fest, „daß diese Zusammenarbeit ein wesentliches Element der gedeihlichen Beziehungen ist“.83 In einem Brief an den Stellvertretenden Minister für Kultur sprach Hawlicek von einer „freundschaftliche[n] und konstruktive[n] Atmosphäre, in der die kulturelle Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern vonstatten geht“ und lud diesen zu einem Aufenthalt in Österreich ein.84 Das Engagement der Kulturministerin im Bereich der Auslandskulturpolitik sorgte schließlich für Kompetenzstreitigkeiten zwischen ihrem Ministerium und dem Außenministerium. So wurden etwa zu der im Kulturübereinkommen vereinbarten Ausstellung „Frau als Künstlerin“ persönliche Gespräche von Hawlicek mit den zuständigen Stellen in der DDR geplant, was 80 Schreiben des Ministeriums für Kultur an Bernd Otto, 13.7.89, BArch, DR 1/13308. 81 Vgl. Schreiben des Zentralhauses für Kulturarbeit an das Ministerium für Kultur, 1.03.1989, BArch, DR 1/13308. 82 Vgl. Vermerk über das Gespräch des Ministers für Kultur der DDR , Gen. Dr. Hans-­ Joachim Hoffmann, mit dem Bundesminister für Unterricht und Kunst der Republik Österreich, Dr. Helmut Zilk, am 10.10.1983 im Ministerium für Kultur der DDR ; Vermerk über ein Gespräch des Ministers für Kultur der DDR , Dr. Hans-Joachim Hoffmann, mit dem Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport der Republik Österreich, Dr. Herbert Moritz, am 16.7.1985, PA AA , MfAA ZR 140/10. Moritz pflegte auch Kontakte mit dem Ministerium für Volksbildung. Bei einem Besuch in der DDR 1985 wurde etwa über Schulreformen beraten. Vgl. Vermerk über ein Gespräch, das STM Gen. Prof. Dr. Machacek mit dem Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport der Republik Österreich, Herrn Dr. Herbert Moritz, am 11.4.1985 im Ministerium für Volksbildung führte, PA AA , MfAA ZR 140/10. 83 Minister der DDR und Österreichs berieten, in: Neues Deutschland, 8. September 1988, 5. 84 Schreiben von Hilde Hawlicek an den Stellvertretenden Minister für Kultur, Peter Lorf, 9. November 1988, PA AA , MfAA ZR 140/10.

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vom Außenministerium nicht gerne gesehen wurde. Streng dem Kulturabkommen folgend wurde von diesem festgehalten, dass es „[i]n Entsprechung der internationalen Gepflogenheiten […] geboten [erscheint], dass vorerst weitere Vorschläge über die [österreichische Botschaft] Berlin an die zuständigen DDRStellen offiziell herangetreten werden“. Dem Außenministerium zufolge sorge die Hinwegsetzung über die Bestimmungen des Bundesministeriengesetzes „im Ausland für Verunsicherung bis Verwirrung“.85 In Bezug auf die Vorbereitungen des Mozart-Jahres 1991, bei denen sich Österreich um eine internationale Zusammenarbeit bemühte und zu diesem Zweck auch mit der DDR Gespräche führte, zeigt sich deutlich, dass Österreich auch nach den Entwicklungen im Sommer 1989 an guten Beziehungen zur DDR interessiert war. Martin Eifler, der als Vertreter des Ministeriums für Kultur an einem Koordinierungstreffen vom 21. bis 24. September 1989 in Wien teilnahm, zeigte sich in seinem Bericht erfreut darüber, dass es „keine Versuche politischer Diskriminierung hinsichtlich der gegenwärtigen Situation“ gab. Einen Professor „aus Wien drängte es sogar, mir persönlich sein Mißfallen über die Medienkampagne gegen die DDR auszudrücken“.86 In der DDR beschloss man schließlich 1990, an der wissenschaftlichen Abschlusskonferenz, die Anfang 1992 statt­ finden sollte, sowie an einer „Woche der zeitgenössischen Musik“ in Salzburg teilzunehmen,87 was sich aber freilich mit der deutschen Einheit erübrigte.

IV. Kulturkontakte nach dem „Mauerfall“ Zwei Tage vor dem 9. November 1989 fand anlässlich der Verabschiedung von Kulturrat Winter bzw. zur Vorstellung seiner Nachfolgerin, Irmgard Nickelsen, ein Gespräch im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung mit Sektionschef Johann Marte statt. Im Bericht zu diesem Treffen hieß es, dass Marte „die kulturellen Beziehungen zur DDR als wesentlichen Beitrag europäischer Zusammenarbeit“ sehe. „Er drückte die Hoffnung aus, daß die DDR ihre kulturelle Identität weiterentwickeln kann – eine Angleichung an oder gar Vereinnahmung durch die BRD widerspräche aus seiner Sicht auch österreichischen Interessen.“88 Diese grundsätzliche Einstellung änderte sich auch in der turbulenten Zeit nach dem 9.  November 1989 nicht. Beide Staaten waren bereit, die b ­ ilateralen ­Kulturbeziehungen – wie die bilateralen Beziehungen generell –­ 85 Entwurf für Schreiben, Kulturübereinkommen Österreich-DDR , Art.  8, Ausstellung „Frau als Künstlerin“, Vorbereitung, BMEIA , Zl. 43.03.02/1-V.4/89. 86 Martin Eifler, Reisebericht zur Dienstreise nach Wien/Österreich in der Zeit vom 21.–24.9.1989, PA AA , MfAA ZR 2684/14. 87 Hinweise für bilaterale Gespräche, Beilage zu: Ministerium für Kultur: Informationen zum Stand der kulturellen Beziehungen DDR-Österreich, 18.06.1990, PA AA, MfAA ZR 2683/14. 88 Information über ein Gespräch mit Sektionschef Dr. Johann Marthe [sic!], zuständig für Bibliotheken, Museen und Denkmalschutz im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, 12.12.1989, PA AA , MfAA ZR 5212/13.

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fortzusetzen. Dass sich der österreichische Außenminister Alois Mock sehr früh, nämlich am 7. Dezember 1989, offen für eine Einheit der beiden deutschen Staaten aussprach,89 führte zu keinen Änderungen in der Ausgestaltung der bilateralen Beziehungen. Der österreichische Botschafter in Ost-Berlin, Franz Wunder­baldinger, bestätigte dem Stellvertretenden Minister für Auswärtige Angelegenheiten der DDR , Kurt Nier, bei seinem Abschiedsbesuch am 5. Jänner 1990 „das Interesse Österreichs am Weiterbestehen von zwei souveränen deutschen Staaten“, wobei er sich auf die Aussagen von Vranitzky bei dessen Besuch am 24. November 1989 bezog.90 Auch der neue österreichische Botschafter, Erich Binder, erklärte bei seinem Antrittsbesuch, dass Österreich davon ausgehe, dass die DDR „ein souveräner Staat sei und bleiben werde“.91 Damit wurde der DDR von den offiziellen Vertretern Österreichs das bestätigt, was Nier bei seinem Besuch in Österreich am 30. November und 1. Dezember 1989 behauptet hatte.92 Im Bereich der Auslandskulturbeziehungen schien es einige Zeit so, als ob nichts gewesen sei. Am Kulturarbeitsplan wurde zunächst weitergearbeitet wie geplant. So wurden etwa im Februar 1990 von der österreichischen Botschaft vier Teilnehmer für ein Symposium für Museumsexperten, das im Kultur­arbeitsplan fixiert worden war und das von 12. bis 16. März 1990 auf der Wartburg stattfinden sollte, nominiert.93 Zu den vor dem „Mauerfall“ vereinbarten und danach realisierten Projekten zählte auch die Ausstellung „Schilder – Bilder – Mori­taten“, die vom 30. Mai bis zum 7. Oktober 1990 im Museum für Volkskunde in Wien gezeigt wurde.94 Von 1. Februar bis 22. April 1990 wurde die Schau „Von Caspar David Friedrich bis Adolf Menzel“ im Kunstforum Wien gezeigt, die eine Gegenleistung für eine Schenkung der Österreichischen Länderbank eines Gemäl89 Mock hatte bereits am 7. Dezember 1989 bei einer Pressekonferenz der EDU erklärt, dass das „Zehn-Punkte-Programm des Bonner Bundeskanzlers Helmut Kohl zur Deutschlandfrage […] eine wichtige politische Positionsbestimmung“ sei, „die er voll unterstütze“. Mock: Volle Unterstützung für Zehn-Punkte-Programm Kohls, APA-Meldung Nr. APA0193 5 AI, 7. Dezember 1989. Vgl. dazu u. a. auch Michael Gehler, Österreich, die DDR und die Einheit Deutschlands, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 57 (2009) 5, 435–437; Andrea Brait, „Österreich hat weder gegen die deutsche Wiedervereinigung agitiert, noch haben wir sie besonders begrüßt“. Österreichische Reaktionen auf die Bemühungen um die deutsche Einheit, in: Deutschland Archiv 2014 (Bonn: Verlag für Wissenschaft und Politik, 2015), 82–102; Graf, Österreich und die DDR , 593–596. 90 Vermerk über das Gespräch des Stellvertreters des Ministers, Kurt Nier, mit dem österreichischen Botschafter, Dr. Wunderbaldinger, anläßlich des Abschiedsbesuches des Botschafters am 5.1.1990, 5.1.90, PA AA , MfAA ZR 152/10. 91 Vermerk über ein Gespräch des amtierenden Vorsitzenden des Staatsrates der DDR , Professor Manfred Gerlach, mit dem Botschafter Österreichs in der DDR , Dr. Erich Binder, am 24. Januar 1990 anläßlich der Übergabe des Beglaubigungsschreibens, 25. Januar 1990, PA AA , MfAA ZR 152/10. 92 Vgl. Amtsvermerk betreffend „Besuch des stv. AM der DDR , Kurt NIER , 30.11./1.12.1989; Zusammenfassung der Arbeitsgespräche“, 7.12.1989, BMEIA , Zl. 502.16.24/22-II .3/89. 93 Bericht der ÖB Berlin-Ost an das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR , 19. Februar 1990, PA AA , MfAA ZR 140/10. 94 Österreichisches Museum für Volkskunde, Schilder, Bilder, Moritaten (Wien 1990).

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des des österreichischen Malers, Grafikers und Bild­hauers Adolf Frohner an die Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin war.95 Auch die Einschätzungen der Kulturkontakte blieben positiv: Das Ministerium für Kultur sprach in einem internen Bericht Ende März 1990 davon, dass die Kulturbeziehungen zu Österreich „1989/90 (besonders nach der Wende) sichtbar [machten], daß Europapolitik heute vor allem Friedenspolitik“ sei.96 Mit der Weiterführung der bilateralen Kulturbeziehungen setzte Österreich zweifellos ein positives Signal in der DDR , wo es Ängste gab, dass die Kultur im Zuge der schnellen Wandlungen zu kurz kommen werde.97 Von Österreich war jedoch zunächst kein Rückzug zu befürchten – im Gegenteil: Von der DDR-Botschaft wurde in Österreich ein generelles Interesse beobachtet, die „Zusammenarbeit zwischen Ost und West zu vertiefen“. Botschafter Wolf stellte den Wunsch Österreichs fest, „die demokratischen Entwicklungen in sozialistischen Ländern näher kennenzulernen und die traditionell gewachsenen Kulturbeziehungen weiterhin zu fördern“.98 Eine von der Botschaft der DDR in Wien erstellte Übersicht zum Kultur­arbeits­ plan vom April 1990 zeigt, dass fast alle Punkte erfüllt wurden. In einer abschließenden Bewertung wurde der Kulturarbeitsplan als „unverzichtbarer“ Bestandteil der Gesamtbeziehungen eingestuft; insbesondere sei er „wesentlich“ für die „Kulturarbeit mit politischen Kräften“, wohingegen er für die „Kulturarbeit mit Wirtschaftskreisen bzw. zur Unterstützung außenwirtschaftlicher Aufgaben“ als nicht zwingend betrachtet wurde. Der Anteil der Kulturkontakte im Rahmen des Kulturarbeitsplans zu sonstigen kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen wurde auf 25–30 % geschätzt – zusätzlich zu den staatlich vereinbarten Maß­nahmen gebe es „kommerziell vereinbarte Maßnahmen“ sowie auch zahlreiche direkt vereinbarte Kontakte. Die direkte Zusammenarbeit wachse ständig und werde von Österreich auch gefördert. Zur Berichterstattung in den österreichischen Medien wurde festgehalten, dass die künstlerischen Leistungen aus der DDR sehr wertgeschätzt würden. Weiters wurde an der Auffassung festgehalten, dass Österreich „die Stellung als ‚Drehscheibe‘ Europas“ forciere – die Möglichkeiten des Kulturarbeitsplans würden als Teil  dieser Strategie verstanden, man gehe aber nach Möglichkeit darüber hinaus. Hinsichtlich der Änderungen seit dem Herbst 1989 wurde festgehalten, dass seitens der DDR versucht werde, „Initiativen in bisherigen Tabu-Bereichen“ zu setzen und verstärkt junge Leute einzubeziehen, jedoch setze die materielle Seite Grenzen. Österreich halte sich an die Vereinbarungen des Kulturarbeitsplans, jedoch gebe es nicht mehr so hoch95 Vgl. Beilage zu: Gesprächshinweise für das Treffen mit Prof. Hans Mayr, Präsident des Künstlerhauses Wien am Montag, den 21.05.1990, PA AA , MfAA ZR 2684/14. 96 Einschätzung der Beziehungen (KAB) DDR-Österreich, Stand März 90, 29.3.1990, BArch, DR 1/20846. 97 Vgl. Interview der Verfasserin mit Udo Bartsch, Berlin, 1.9.2016. Herbert Schirmer und Hilde Hawlicek wurden ebenfalls gefragt, ob sie zu einem Interview bereit wären, antworteten aber nicht auf Anfragen. 98 Schreiben von Klaus Wolf an Dietmar Keller, 19.12.1989, BArch, DR 1/13569 (1 von 5).

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rangige Gespräche, was sich durch die neue DDR-Regierung jedoch wieder ändern sollte. Hinsichtlich der weiteren Entwicklung wurde in Erwägung gezogen, den bestehenden Kulturarbeitsplan auf diplomatischem Wege um ein Jahr, also bis Mitte 1992 zu verlängern. Aktuell gefördert werden sollten nach Ansicht der Botschaft die direkte Zusammenarbeit, die Beziehungen zwischen Institutionen in den wahrscheinlichen zukünftigen Ländern und den österreichischen Bundesländern und die Beziehungen auf kommunaler Ebene; dabei sollten auch die Bürgerbewegungen und die Gesellschaft der Freunde Österreichs einbezogen werden. Die Botschaft verwies auch darauf, dass zwischen der Bundesrepublik und Österreich kein Kulturabkommen bestehe, und vertrat die Ansicht, dass ein solches zwischen Österreich und dem künftigen Deutschland geeignet sein könnte, „Rahmenvorhaben des Europarates bzw. der EG in nationale Initiativen umzusetzen“.99 Der „Fall“ der Berliner Mauer brachte auch neue Kooperationen und Projekte auf dem Boden der DDR . Im Juni 1990 wurde die Ausstellung „Der Anschluss – Kommentare zu aktuellen Ereignissen“ von Alfred Hrdlicka im Alten Museum Berlin eröffnet.100 Die Kultur- und Presserätin an der österreichischen Botschaft Berlin, Helga Schmid, merkte eine positive Aufbruchsstimmung und das Bemühen einzelner Institutionen um direkte Kontakte. Im Jänner 1990 berichtete sie beispielsweise nach Wien, dass der neue Rektor der Wirtschaftshochschule in Gesprächen erklärt habe, „dass durch die Umgestaltung des politischen Systems in der DDR und damit der Trennung von Wissenschaft und Politik erstmals Möglichkeiten gegeben sind, die Wissenschaft sachlich und der Wahrheit verpflichtet zu betreiben“.101 Von 5. bis 7. April 1990 fand in Wien auf Einladung von Hawlicek eine Kulturministerkonferenz statt, an der Minister aus Bulgarien, der DDR , Polen, Rumänien, der ČSFR , der UdSSR und Ungarn teilnahmen. Hawlicek zufolge sollte „kultureller Austausch nicht als zierendes Beiwerk, als reines Ornament an diesem ‚Europäischen Haus‘, sondern als Basis unserer künftigen Beziehungen verstanden“ werden.102 Siegfried Böttger, der den Minister für Kultur der DDR bei der Veranstaltung vertrat, beklagte eine aus der raschen Öffnung der Grenze resultierende „Konzeptionsschwäche, die das große Kulturkapital der Bundes­ republik Deutschland einseitig bevorteile“. Er betonte außerdem die Bedeutung Österreichs im kulturellen Ost-West-Austausch, das schon frühzeitig eine Kommunikationsplattform geboten habe.103 99 Beilage zu Schreiben von Botschafter Wolf, Wien, an den Leiter der Abt. KAB , Koll. Manfred Thiede, 3.4.90, PA AA , MfAA ZR 140/10. 100 Vgl. Denkanstöße von Hrdlicka, in: Morgen, 25. Juni 1990. 101 Bericht der ÖB Berlin an das BMaA vom 22. Jänner 1990, Investitur des neuen Rektors der Hochschule für Ökonomie „Bruno Leuschner“ Berlin, BMEIA , Zl. 152.00.09/1-A/90. 102 Marion Diederichs-Lafite, Wiener Kulturministerkonferenz – Europäische Kulturoffensive in Österreich, in: Österreichische Musikzeitschrift 45 (1990) 6, 341–342, hier 341. 103 Siegfried Böttger, Deutsche Vereinigung und europäische Einheit, in: Monika Czernin/ Ernst Strouhal (Red.), Go east, go west. Zur Zukunft der Kulturpolitik. Texte der Wiener Kulturministerkonferenz 1990 (Wien: Österr. Bundesverl., 1990), 49–54, hier 51.

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Bei der Veranstaltung wurde ein Ostfonds-Sonderbudget angekündigt, das vom Ministerrat beschlossen werden sollte; für 1990 wurde ein Kultur-Sonder­budget von 28 Millionen Österreichischen Schillingen (ATS) in Aussicht gestellt.104 Der „Ostfonds“ wurde am 28. Juni 1989 im Nationalrat beschlossen – die Mittel aus dem Budgetüberschreitungsgesetz 1990 sollten auch der Vertiefung der kulturell-wissenschaftlichen Beziehungen dienen, wie Kurt Preiß von der SPÖ ausführte.105 Dem Staatssekretär für Kultur Udo Bartsch gegenüber, der vom 25. bis 27. Juni 1990 in Österreich war, um die Strukturen der österreichischen Kulturförderung kennenzulernen, wurde angekündigt, dass auch die DDR vom „Ostfonds“ profitieren könne und zwar in Form von mehrmonatigen Aufenthalten von DDR-Schriftstellern und bildenden Künstlern.106 Am 1.  September 1990 nahm schließlich der „Ostfonds für kulturelle Angelegenheiten“ seine Tätigkeit auf. Obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits klar war, dass die DDR nicht mehr lange existieren werde, konnte noch ein Werkvertrag für DDR-Kunsthistoriker mit 20.000 ATS , eine Ausstellung avantgardischer Schmuckkunst der ehemaligen DDR in der Galerie V & V, Wien mit 17.000 ATS , ein 14-tägiger Arbeitsaufenthalt von „Spielmobil Magdeburg und Leipziger Spielwiese“ in Graz mit 25.000 ATS und Gastspiele der Kabaretts „Distel“ und „Leipziger Pfeffermühle“ in Wien mit 50.000 ATS gefördert werden.107 Im Vergleich zu Ungarn und der Tschechoslowakei mag das Interesse in der DDR für Kulturangebote aus Österreich Ende 1989 vielleicht nicht ganz so stark ausgeprägt gewesen sein,108 dennoch kann nicht festgestellt werden, dass die Kooperationen mit Österreich von den staatlichen Stellen der DDR in den letzten Monaten des Bestehens dieses Staates weniger geschätzt wurden. In einer bilanzierenden Zusammenfassung des Ministeriums für Kultur der DDR zum Stand der Kulturbeziehungen vom Juni 1990 wurde betont, dass die „kulturellen Beziehungen zu Österreich […] einen hohen Entwicklungsstand [haben] und […] aufgrund der Rolle Österreichs im KSZE-Prozeß, seiner entwickelten Beziehungen zu Mittel- und Osteuropa [und] seiner Funktion als Drehscheibe in den Ost-Westbeziehungen einen sehr hohen Stellenwert“ einnehmen.109 Neben den staatlich organisierten Kooperationen über die Arbeitsprogramme zum Kulturabkommen gab es auch eine Reihe von direkten Beziehungen zwischen Einrichtungen in Österreich und der DDR , zum Beispiel zwischen Theatern 104 Vgl. ibd., 342. 105 149. Sitzung NR XVII . GP – Stenographisches Protokoll, 28. Juni 1990, 17233. 106 Hausmitteilung des Referats Int. Beziehungen, 5. Juli 1990, PA AA , MfAA ZR 2684/14. 107 Bundesministerium für Unterricht und Kunst: Kunstbericht 1990 [Wien 1991], 174–184. 108 In einem internen Schreiben der Kulturpolitischen Sektion hieß es, dass aufgrund „der politischen Ereignisse der letzten Zeit […] naturgemäß momentan ein geringeres Interesse der Bevölkerung für Kultur gegeben“ sei. Aktennotiz betreffend „Informationsbeitrag der Sektion V anläßlich der Arbeitsgespräche des HGS mit dem stv. AM der DDR ; Kurt Nier“, BMEIA , Zl. 43.14.06/8-V.1/89. 109 Ministerium für Kultur: Informationen zum Stand der kulturellen Beziehungen DDRÖsterreich, 18.06.1990, PA AA , MfAA ZR 2683/14.

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und Museen. Auch über die eingerichteten Städtepartnerschaften, beispielsweise zwischen Salzburg und Dresden, die bis heute besteht,110 entwickelten sich direkte Kontakte.111 Auch vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport wurden weitere Initiativen zur Zusammenarbeit mit der DDR gesetzt. Am 29./30. Juni 1990 besuchte Hawlicek den neuen DDR-Kulturminister Herbert Schirmer in Berlin. Wie Bartsch berichtet, habe man sich in seinem Ministerium über das Interesse Österreichs an der DDR gefreut – jedoch: Man habe nicht gewusst, dass H ­ awlicek auch mit Hoffmann mehrfach zusammengetroffen war.112 Bei dem Treffen wurde vereinbart, im Oktober 1990 gegenseitig Filmtage zu veranstalten, wobei die DDR erstmals auch „verbotene“ Filme zeigen wollte. Vereinbart wurde auch die Aufnahme von Arbeiten für eine Gemeinschaftsausstellung von Künstlerinnen beider Länder.113 Das Ausstellungsprojekt „Frau als Künstlerin“, das aufgrund einer Idee von Hoffmann, die von Hawlicek unterstützt wurde, Eingang in das letzte zwischen der DDR und Österreich abgeschlossene Arbeitsübereinkommen gefunden hatte, war von der österreichischen Seite auf die lange Bank geschoben worden.114 In einem internen Schreiben des Ministeriums für Kultur wurde auf zwei Konzeptideen hingewiesen, die bereits an Hawlicek übermittelt worden seien. Von Österreich wurde jedoch bis Mitte 1990 noch kein österreichischer Projektpartner benannt.115 Von Schirmer und Hawlicek wurde schließlich angedacht, diese Ausstellung im Frühjahr 1991 zu eröffnen und eventuell in die Wiener Festwochen einzubinden. Außerdem wurde bei dem Treffen vereinbart, dass das Museum für bildende Künste Leipzig im Frühjahr 1991 die Ausstellung „Die Phantasten. Brauer, Fuchs, Hausner, Hutter, Lehmden“, die im Arbeitsübereinkommen von 1988 festgelegt war, zeigen sollte.116 Im Juli 1990 wurden anlässlich eines Besuches von Schirmer in Wien neue Kulturaustauschprojekte vereinbart, die bis Jahresende verwirklicht werden­ 110 Vgl. https://www.stadt-salzburg.at/internet/wirtschaft_umwelt/wirtschaft_gewerbe/staedte partner_333065.htm, zuletzt abgerufen am 17. Juli 2016. 111 Vgl. Ministerium für Kultur: Informationen zum Stand der kulturellen Beziehungen DDR-Österreich, 18.06.1990, PA AA , MfAA ZR 2684/14. 112 Vgl. Interview der Verfasserin mit Udo Bartsch, Berlin, 1. September 2016. Laut Bartsch hat man sich in der DDR über die Motive der Hilfsbereitschaft Österreichs, die über die anderer Staaten hinausging, gewundert, jedoch hätte man keine Wahl gehabt und sich darüber gefreut. 113 Vermerk über den Aufenthalt der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Sport, Dr. Hilde Hawlicek, am 29. und 30. Juni 1990 in Berlin, 12. Juli 1990, PA AA, MfAA ZR 2683/14. 114 Vgl. Offene Fragen der bilateralen Zusammenarbeit aus der Basis des KAP, mit Österreich und der Bitte um Konsultation mit Frau Minister Havlicek, BArch, DR 1/20846. 115 Hinweise für bilaterale Gespräche, Beilage zu: Ministerium für Kultur: Informationen zum Stand der kulturellen Beziehungen DDR-Österreich, 18.06.1990, PA AA , MfAA ZR 2683/14. 116 Vermerk über den Aufenthalt der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Sport, Dr. Hilde Hawlicek, am 29. und 30. Juni 1990 in Berlin, 12. Juli 1990, PA AA , MfAA ZR 2683/14.

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sollten. Gegenüber Journalisten meinte Schirmer, dass die Vereinbarungen „ungewöhnlich schnell ‚vor Torschluss‘ getroffen“117 worden seien. Zu diesen zählten eine Filmwoche in Wien ab 29.  September, österreichische Filmwochen in Berlin und Dresden im November und ein Treffen von Literaturverlegern am 21. Septem­ber.118 Im Resumé-Protokoll zum Arbeitsgespräch der beiden Minister wurde schließlich festgehalten: „Sowohl Kulturminister Schirmer als auch Frau BM Dr. Hawlicek äußerten ihr Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit, unabhängig davon, ‚wie das heutige Gebiet der DDR heißen wird.‘“119 Verwirklicht wurden die DDR-Filmwochen in Wien, die am 28. September 1990 von Hawlicek und Schirmer eröffnet wurden und für die neben neuen Filmen aus der DDR auch „verbotene Filme“ aus den Jahren 1965/66 ausgewählt wurden.120 Die Filmwoche wurde teilweise mit der mehrwöchigen Veranstaltung „Films Trespassing“ zusammengelegt, bei der das Filmschaffen in der DDR , Ungarn, der Tschechoslowakei und Österreich sowie deren Zusammenarbeit nach der Öffnung der Grenzen thematisiert wurde.121 Dass weiter gearbeitet wurde, zeigt auch die Reise von zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern des Zentrums für Kunstausstellungen Mitte September nach Österreich, um die Ausstellung „Frau als Künstlerin“ vorzubereiten.122 Jedoch wurde die Grundkonzeption der Ausstellung geändert: Neben jeweils sechs Künstlerinnen aus Österreich und der DDR sollten auch sechs Künstlerinnen aus der Bundesrepublik einbezogen werden.123 Österreich, in dem Falle das Ministerium für Unterricht, Kunst und Sport, scheint also nach wie vor um eine Fortführung der Beziehungen bemüht gewesen zu sein. Auch zu einem Zeitpunkt, als nur mehr darüber diskutiert wurde, wann und nicht mehr ob es zu einer Einheit der beiden deutschen Staaten kommen werde, wurden mit Vertretern der DDR konkrete Vereinbarungen getroffen. Mit welchem Ziel? Vielleicht befürchtete man, dass derartige Projekte mit der vereinigten Bundesrepublik nicht möglich sein werden. Im Bereich des Kulturaustausches ist eine solche Überlegung naheliegend, da mit der Bundes­republik kein Kulturabkommen bestand. Wenn man bedenkt, dass Vranitzky am 25. Juli 1990 den neu gewählten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière in Wien 117 Schirmer spielte darauf an, dass nach der Einheit Deutschlands die Kulturhoheit auf die Länder übergehen würde, Vgl. „Vor Torschluß“: Kulturkontakte Österreich-DDR , APAMeldung, 18. Juli 1990. 118 Vgl. Schreiben des BMUKS an das BMaA vom 24. Juli 1990, BMEIA , Zl. 43.11.05/6-V.1/90. 119 Resumé-Protokoll Arbeitsgespräch Frau Bundesminister Dr. Hawlicek mit dem Minister für Kultur der DDR am 30. Juni 1990, BMEIA , Zl. 43.14.06/7-V.1/90. 120 Schreiben des österreichischen Dokumentarfilmfestivals an das Ministerium für Kultur, 30. Juli 1990, PA AA , MfAA ZR 2684/14. 121 Hawlicek und Schirmer eröffnen Films Trespassing, APA-Meldung Nr.  OTS0109 5 KI MUN002. 122 Dienstauftrag für Reisen in das Ausland, PA AA , MfAA ZR 2683/14. 123 Hausmitteilung des Zentrums für Kunstausstellungen der DDR an das Ministerium für Kultur betreffend „Vorbereitung der Ausstellung ‚Die Frau als Künstlerin‘“, 13.7.90, PA AA , MfAA ZR 2683/14.

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begrüßte, dann zeigt sich hier eine gewisse Konsequenz in der Haltung der SPÖ, wenngleich aber festgestellt werden muss, dass Vranitzky Ende Juli das Ende der Teilung Deutschlands begrüßte.124 Dennoch wurde bei diesem Treffen festgehalten, dass Österreich und die DDR „die langjährigen guten Beziehungen auch unter den Bedingungen der deutschen Einigung aufrechterhalten und weiter ausbauen“ wollen. „Als Schwerpunkte der Zusammenarbeit nannten sie vor der Presse Wirtschaft, Handel und Kultur.“125 „Ein ‚Abreißen‘ [der Beziehungen] solle durch die Übertragung auf die fünf Länder verhindert werden“, wie de­ Maizière meinte, und auch Vranitzky betonte „es gehe um die ‚Kontinuität der langen und wohl etablierten Beziehungen‘ zwischen beiden Staaten“.126 Trotz des nachweisbaren Willens zur Fortsetzung des Kulturaustausches war dieser in der Praxis bald schwierig zu bewerkstelligen. Absagen und Verschiebungen blieben nicht ganz aus. Vereinbart war etwa eine Bronzen-Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien in der DDR .127 Im Juni 1990 erklärte Michael Knuth von den Staatlichen Museen Berlin, dass diese „derzeit überhaupt keine finanziellen Möglichkeiten [hätten,] sich an den Kosten der Ausstellung zu beteiligen“. Aufgrund der vielen Vorarbeiten, die geleistet worden seien, bat er darum, das Projekt vorerst nicht abzusagen, sondern auf unbestimmte Zeit zu verschieben.128 In der DDR wurde schließlich eine Umsetzung im Jahr 1992 angedacht sowie eine Einbeziehung von Exponaten aus der Bundesrepublik.129 Im Juli 1990 wandte sich das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR an das österreichische Außenministerium und erklärte, dass es das Inkrafttreten der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der Bundesrepublik notwendig mache, die finanziellen Verbindlichkeiten auf kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet zu ändern. Konkret schlug die DDR vor, dass künftig der jeweils entsendende Staat alle Kosten für vereinbarte Maßnahmen übernehmen solle.130 Nach einigen Diskussionen und der Erkenntnis, dass ein solches Vorgehen eine finanzielle Mehrbelastung für Österreich bedeuten131 und zudem dem Vertragstext widersprechen würde,132 beschloss man, auf den Vorschlag der 124 Besuch von MP de Maizìère, Tischrede des Herrn Bundeskanzlers, Entwurf, BMEIA , Zl. 43.18.09/6-II .3/90. 125 Vranitzky und de Maiziére: Gute Beziehungen erhalten, in: Neues Deutschland, 26. Juli 1990, 3. 126 Zu Aktivität ermuntert, in: Neue Zeit, 26. Juli 1990, 1. 127 Vgl. u. a. Schreiben des BMaA an das BMWuF vom 5.  Oktober 1989, BMEIA , Zl. 43.03.01/16-V.4/89. 128 Vgl. Schreiben des Kunsthistorischen Museums an das BMWuF vom 20.  Juni 1990, BMEIA , Zl. 43.03.01/8-V.4/90. 129 Notizblatt „Gemeinschaftsausstellung Bronzen“, PA AA , MfAA ZR 2684/14. 130 Vgl. Note des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der DDR an die Botschaft der Republik Österreich in der Deutschen Demokratischen Republik vom 14.  7.  1990, Beilage zu Schreiben der ÖB Berlin an das BMaA vom 18. 7. 1990, BMEIA , Zl. 43.11.01/ 4-V.1/90. 131 Vgl. Bericht der ÖB Berlin an das BMaA vom 27. 6. 1990, BMEIA , Zl. 43.11.01/6-V.1/90. 132 Vgl. Schreiben des BMWuF an das BMaA vom 2. 8. 1990, BMEIA , Zl. 43.11.01/5-V.1/90.

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DDR vorerst nicht zu reagieren.133 Man konnte sich das zwar bei einigen Projekten vorstellen, nicht jedoch beim Austausch von Studenten und Professoren. Die Folge wäre eine „unüberwindliche Barriere“ für Studierende aus der DDR gewesen.134 Wenige Wochen später hatte sich die Anfrage erledigt. Gegen Ende des Sommers zeigte sich eine generelle Änderung der Einstellung des österreichischen Außenministeriums hinsichtlich finanzieller Investitionen in die bilateralen Kultur- und Wissenschaftsbeziehungen. So wurde etwa ein Antrag des Instituts für Geschichte der Universität für Bildungswissenschaften Klagenfurt bezüglich der Übernahme von Reisekosten zur Teilnahme am 3. Historiker-Symposium in Leipzig, das Mitte Oktober 1990 stattfinden sollte, „aufgrund der Vereinigung zwischen BRD und DDR“ abgelehnt.135 Die politischen Veränderungen führten auch zu Absagen: Die Friedrich-Schiller-Universität Jena musste etwa ein für Ende Oktober 1990 geplantes Germanistensym­posium „Weimar-Wien-Berlin“ absagen, da es sich nicht in der Lage sah, die Kosten hierfür zu tragen.136 Auch die geplante Österreich-Woche der URANIA Berlin wurde abgesagt, weil keine finanziellen Mittel zur Verfügung standen; die Botschaft rechnete damit, dass die URANIA ihre Tätigkeit werde einstellen müssen.137 Es kam auch zu keinen Besuchskontakten mehr. Busek erhielt Ende Juli 1990 eine Einladung des Ministers für Bildung und Wissenschaft Joachim Meyer und von Schirmer in die DDR . Anfang September lehnte er eine solche Reise jedoch mit Verweis auf die anstehenden Parlamentswahlen am 7. Oktober ab.138 Im Spätsommer 1990 wurde dem Außenministerium dann auch klar, dass hinsichtlich der Fortführung der Kooperationen mit der Bundesrepublik verhandelt werden musste. Die ÖB Berlin ging Ende Juli 1990 ebenso wie die Wiener Zentrale im Juni 1990139 davon aus, dass „das vereinigte Deutschland seine Haltung zum Übergang völkerrechtlicher Vereinbarungen der DDR nach Konsultationen mit den jeweiligen Partnern festlegt“.140 So wurde es dem österreichischen Außenministerium jedenfalls in einer Note des Außenministeriums der DDR vom Juli 1990 angekündigt.141 Der direkte Kontakt über die ÖB Bonn wurde lange nicht gesucht. Am 13. Juli 1990 wurde in einem Dienstzettel fest­ gehalten, dass „[k]onkrete österreichisch-deutsche Gespräche, getrennt nach den 133 Vgl. Bericht der ÖB Berlin an das BMaA vom 17. 8. 1990, BMEIA , Zl. 43.11.01/7-V.1/90. 134 Bericht der ÖB Berlin an das BMaA vom 27.7. 1990, BMEIA , Zl. 43.11.01/6-V.1/90. 135 Schreiben des BMWuF an die Universitätsdirektion der Universität für Bildungswissenschaften vom 24. August 1990, BMEIA , Zl. 43.21.04/8-V.6/90. 136 Vgl. Bericht der ÖB Berlin an das BMaA vom 26. Juni 1990, BMEIA , Zl. 43.21.04/7-V.6/90. 137 Bericht der ÖB Berlin-Ost an das BMaA vom 23. Juli 1990, Zl. 43.21.08/2-V.4/90. 138 Schreiben von BM Busek an den Minister für Bildung und Wissenschaft der DDR­ Joachim Meyer vom 2.9.1990, Zl. 43.14.06/12-V.1/90. 139 Vereinigung der BRD und der DDR ; Frage der Weitergeltung von zwischen der DDR und Österreich abgeschlossenen Verträgen, BMEIA , Zl. 43.11.01/3-V.1/90. 140 Bericht der ÖB Berlin an das BMaA vom 27.7. 1990, BMEIA , Zl. 43.11.01/6-V.1/90. 141 Note des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Deutschen Demokratischen Republik, BMEIA , Zl. 43.11.01/4-V.1/90.

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einzelnen vertraglichen Vereinbarungen, […] erst dann sinnvoll [erscheinen], wenn sich eine Einigung der beiden deutschen Staaten zumindest abzeichnet“.142 Erst am 5. September 1990 betonte das Außenministerium in einer Verbalnote an die Botschaft der Bundesrepublik in Wien das „österreichische und das Interesse österreichischer wissenschaftlicher Institutionen an einer Fortsetzung der […] vereinbarten Kooperationen“ mit der DDR und schlug diesbezügliche Gespräche nach der deutschen Einigung vor.143 Im Dezember 1990 bekundete das Auswärtige Amt schließlich gegenüber österreichischen Diplomaten, an der Zusammenarbeit in diesem Bereich interessiert zu sein144 – zu einem Abschluss von analogen Abkommen oder einer Weiterführung der bestehenden kam es jedoch nicht. Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland stellte 1992 per Note fest, dass das Kulturabkommen und auch das Abkommen über die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit mit der Herstellung der Einheit Deutschlands erloschen sind.145 Dennoch wirkten die Kulturbeziehungen zwischen der DDR und Österreich nach, wie etwa in Form von bis heute bestehenden Städtepartnerschaften (beispielsweise Dresden – Salzburg) sowie von im Verlauf der Jahre entwickelten direkten Kontakten. Die kulturellen Beziehungen Österreichs zur DDR spielten außerdem im Zuge der Verhandlungen um die deutsche Einheit eine Rolle: Die DDR wollte im Gegensatz zur Bundesrepublik eine Zuständigkeit des Bundes für kulturelle Fragen erreichen. Schirmer meinte, dass man das österreichische Modell heranziehen könne, wo es eine Dualität von zentralistischer und föderalistischer Kulturpolitik gebe.146 Für genauere Informationen reiste eine Expertendelegation unter der Leitung von Bartsch im Juni 1990 nach Wien.147 Die ministeriumsinternen Berichte zeigen, dass die DDR-Politiker und -Beamten viele und detaillierte Informationen über die Kunst- und Kulturförderung in Österreich erhielten.148 Die 142 Vereinigung BRD -DDR ; Frage der Weitergeltung von Verträgen Österreichs mit der DDR , Stellungnahme der Sektion V, BMEIA , Zl. 43.11.01/2-V.5/90. 143 Vgl. Verbalnote des BMaA an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Wien vom 5.9.1990, BMEIA , Zl. 43.11.02/23-V.5/90. 144 Vgl. Schreiben des BMaA an die ÖB Bonn vom 19.  12.  1990, BMEIA , Zl. 43.11.02/28V.5/90. 145 Vgl. Kundmachung des Bundeskanzlers betreffend das Erlöschen von Verträgen zwischen Österreich und der Deutschen Demokratischen Republik (BGBl. 220/1994). 146 Bericht der ÖB Berlin an das BMaA vom 28. Mai 1990, Kulturpolitik der DDR , BMEIA , Zl. 43.09.02/11-V.1/90. 147 Vgl. Bericht über die Dienstreise einer Expertendelegation unter der Leitung von Staatssekretär Dr. Udo Bartsch vom 25.–27. bzw. 29. Juni 1990 nach Österreich, PA AA , MfAA ZR 2683/14. 148 Vgl. Bericht vom Studienaufenthalt vom 25.–29. Juni 1990 in Wien, BArch, DR 1/13569 (2 von 5). Brigitte Weiß, Abteilungsleiterin im Ministerium für Kultur, bilanzierte: „Wenn die Einigung Europas auch zur Vereinheitlichung der Haushaltsordnungen und Finanzierungsmodelle führen sollte, wäre das österreichische Modell beachtens- und berücksichtigungswert.“

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DDR-Verhandler der deutschen Einheit konnten zwar dennoch keine Veränderung der Kulturhoheit der Länder erreichen, doch wurde ein paar Jahre später im Bundeskanzleramt ein entsprechendes Staatssekretariat eingerichtet.149

V. Fazit Emil Brix betonte: „Foreign cultural policy is often used by smaller states to distinguish themselves from their politically and economically powerful neighbours. The goal is to ‚tell our own story‘ […].“150 Dieses Motiv trifft sicherlich auch auf Österreich und die DDR zu, die sich nicht nur von der Bundesrepublik aus unterschiedlichen Gründen abgrenzen wollten, sondern auch an einem blockübergreifenden Auskommen miteinander interessiert waren. Sowohl die DDR als auch Österreich zeigten sich bei diversen Treffen, bei öffentlichen Statements gegenüber den Medien und auch in internen Papieren der Ministerien betont zufrieden über die Entwicklung der Kulturbeziehungen. Immer wieder wurde unterstrichen, dass die bilateralen Kulturkontakte zwischen diesen beiden Staaten zeigen, wie gut über die ideologischen Grenzen hinweg kooperiert werden könne. Den beiden Partnern war dabei jedoch stets klar: „Die Kultur ist ein Fall des Kampfes der Systeme“,151 wie es Hoffmann in einem Gespräch mit seinem österreichischen Amtskollegen Moritz 1985 ausgedrückt haben soll. Die unter anderem von Alexander Jehn aufgestellte These, dass die Kulturaußenpolitik „fest unter dem Primat der allgemeinen Außenpolitik“152 steht, ist auch in Bezug auf die Kulturbeziehungen Österreichs zur DDR nicht zu widerlegen. Dies zeigt sich besonders deutlich in den immer wiederkehrenden Bezugnahmen auf den KSZE-Prozess. Was Johannes Paulmann für die Bundesrepublik und die DDR feststellte, gilt auch für Österreich: „Der Kalte Krieg bestimmte und begrenzte die Möglichkeiten auswärtiger Selbstdarstellungen.“153 Die Erwähnung der von Gorbatschow vertretenen Idee eines „gemeinsamen europäischen Hauses“ durch Wolf lässt jedoch vermuten, dass es im kulturellen Bereich zumindest die Bereitschaft gab, dem Ausland zu signalisieren, 149 Vgl. Interview der Verfasserin mit Udo Bartsch, Berlin, 1. September 2016. 150 Emil Brix, Cultural Work Abroad: Between Management and Diplomacy, in: Gerhard Reiweger (ed.), Public Diplomacy (Wien: Diplomat. Akad. Wien, 2004), 41–45, hier 42. 151 Hans-Joachim Hoffmann zugeschriebene Aussage in: Vermerk über ein Gespräch des Minister für Kultur der DDR , Dr. Hans-Joachim Hoffmann, mit dem Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport der Republik Österreich, Dr. Herbert Moritz, am 16.7.1985, PA AA , MfAA ZR 140/10. 152 Alexander Jehn, Nachbarschaftspolitik im Donauraum. Die besonderen Beziehungen Österreichs zur Tschechoslowakei, zu Ungarn und Jugoslawien in der Ära Kreisky ­1970–1983 (phil. Dissertation, Universität Würzburg, 1996), 649. 153 Johannes Paulmann, Auswärtige Repräsentationen nach 1945: Zur Geschichte der deutschen Selbstdarstellung im Ausland, in: Johannes Paulmann (ed.), Auswärtige Repräsentationen. Deutsche Kulturdiplomatie nach 1945 (Köln/Wien/Weimar: Böhlau, 2005), 1–32, hier 9.

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dass Reformen nicht kategorisch abgelehnt werden. Dies korrespondiert mit den sich langsam entwickelnden Kulturbeziehungen abseits des staatlich gelenkten Kulturabkommens. Wie in Analysen der Bundesrepublik deutlich wird, waren die Kulturkontakte Österreichs zur DDR qualitativ und quantitativ nicht mit jenen der Bundesrepublik zu vergleichen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass sich die bilateralen Kulturbeziehungen Österreichs zur DDR im Verlaufe der 1980er-Jahre immer mehr intensiviert hatten. Aufgrund der gemeinsamen Sprache waren die Kontakte enger als mit vielen anderen sozialistischen Staaten, wie die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland deutlich machte. Bemerkenswert ist insbesondere die Fortführung der Kulturbeziehungen nach dem „Mauerfall“, ohne einen nennenswerten Kurswechsel. Alle Projekte wurden wie geplant fortgeführt, solange dies für die Partner in der DDR noch möglich war. Selbst im Sommer 1990 wurden noch konkrete Kooperationen vereinbart. Trotz der intensiven Nutzung der Vereinbarungen in den Kulturübereinkommen auch von österreichischer Seite wurde im Außenministerium lange gewartet, bis man sich an das Auswärtige Amt in Bezug auf eine Übernahme des Kulturabkommens in den Rechtsbestand der Bundesrepublik wandte. Die zögerliche Haltung ist wohl der Politik des Abwartens geschuldet, wie sie in Österreich insbesondere durch Vranitzky verfolgt wurde. Wenn man das Agieren der österreichischen Kulturaußenpolitik in Bezug auf die DDR mit jener in Bezug auf die östlichen Nachbarstaaten vergleicht, dann erscheint sie hier wenig innovativ und ohne eine klare Strategie. Die DDR wurde zwar vom „Ostfonds für kulturelle Angelegenheiten“ nicht ausgeschlossen, doch spezielle Maßnahmen, ähnlich den Österreich-Bibliotheken, die in den östlichen Nachbarstaaten Österreichs rasch gegründet wurden, gab es keine, obwohl es bereits in den 1980erJahren Überlegungen gegeben hat, einen österreichischen Leseraum in der DDR einzurichten. Größeres Engagement kam in den letzten Monaten des Bestehens der DDR nicht vom Außenministerium, sondern von der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Sport. Andererseits distanzierte man sich auch nicht von der DDR und führte vereinbarte Gemeinschaftsprojekte fort – ohne große Anstrengungen zu einer Intensivierung der Kontakte, abwartend bis das Ende der DDR gekommen war.

Philipp Greilinger und Sarah Knoll

Die deutsche Einheit Internationale Reaktionen aus Sicht der österreichischen Diplomatie1

I.

Einleitung – Die deutsche Wiedervereinigung aus Sicht der österreichischen Diplomatie

Im September 1989 analysierte der österreichische Diplomat Thomas Nowotny in Bezug auf das, wie er es selbst bezeichnete, „Gespenst der deutschen Wiedervereinigung“: „Trotz der Lippenbekenntnisse zum ‚Selbstbestimmungsrecht‘ wünscht heute kein europäischer Staat eine deutsche ‚Wiedervereinigung‘. Es kann aber die Furcht vor einer solchen Wiedervereinigung zu einem sehr destabilisierenden Element der europäischen Politik werden; ohne dennoch eine Wiedervereinigung verhindern zu können.“2 Nowotny fand durchwegs deutliche Worte für eine weitverbreitete Position, da sich die internationalen Reaktionen auf die deutsche Frage durchaus divergent gestalteten. Dass die deutsche Wiedervereinigung im Jahr 1989 überhaupt an Relevanz gewann, überraschte auch österreichische Diplomaten. Zu Beginn des Jahres 1989 sprach der österreichische Gesandte in der Bundesrepublik, Wolfgang Loibl, der deutschen Einheit noch jedwede Dringlichkeit ab: „Obwohl die öffentliche Debatte über die Verein- oder Unvereinbarkeit der politischen Ziele ‚Europäische Union‘ und ‚deutsche Einheit‘ in letzter Zeit wieder etwas in Fahrt gekommen ist […], bleibt doch klar, daß die Frage der deutschen Einheit keinerlei Aktualität hat (außenpolitisch ohnehin nicht, und innenpolitisch nur beschränkt). Insofern handelt es sich um einen Streit um Kaisers Bart.“3 Dieser Ansicht schlossen sich  – folgt man den Ausführungen Nowotnys  – der österreichische Botschafter in Ost-Berlin, Franz Wunderbaldinger, und sein Kollege in Bonn, Friedrich Bauer, bezüglich der Haltung der BRD noch im September 1989 an: 1 Der vorliegende Aufsatz ist ein Ergebnis des FWF-Projekts P 26439-G15 „Aktenedition: Österreich und die Deutsche Frage 1987 bis 1990“. 2 Information, Gesandter Thomas Nowotny, Wien, 19.  September 1989, Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Archiv der Republik (AdR), Bundesministerium für Äußere Ange­ legenheiten (BMAA), II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/4-II .6/89. Siehe ausführlicher zu den Perzeptionen des „Gespenst[s] der deutschen Wiedervereinigung“ bei Michael Gehler, Österreich, die DDR und die Einheit Deutschlands 1989/1990, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 57 (2009) 5, 427–452. 3 Gesandter Wolfgang Loibl an BMAA , Bonn, 28. Februar 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.02.02/5-II .1/89.

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„Sowohl der Botschafter in Berlin als auch der in Bonn war übereinstimmend davon überzeugt, dass das Gerede nicht ernst zu nehmen sei. Niemand in politischer Verantwortung, meint der österreichische Botschafter in Bonn, würde wirklich eine ‚Wiedervereinigung‘ mit der DDR anstreben. Das Nebeneinander der beiden Staaten würde von praktisch allen akzeptiert. Das maximale und von fast allen politischen Parteien getragene Ziel einer ‚Deutschlandpolitik‘ wäre lediglich, die zwischen diesen beiden Staaten bestehenden Kontakte auf allen Ebenen zu verdichten.“4

Thomas Nowotny hingegen befand, dass die Möglichkeit einer Vereinigung der beiden deutschen Staaten durchaus an politischer Realität gewann. Er konstatierte zwar auch, dass die „Diskussion über die deutsche Wiedervereinigung […] in gewisser Hinsicht überraschend“ kommt, sah jedoch bereits eine veränderte Haltung aufziehen, in der die Wiedervereinigung in Zukunft durchaus auf der politischen Tagesordnung stünde. „Ob es zu dieser Wiedervereinigung tatsächlich kommt, ist natürlich unsicher. Ausgeschlossen werden kann sie jedenfalls nicht. In beiden deutschen Staaten gibt es Entwicklungen, die eine solche Wiedervereinigung heute jedenfalls wahrschein­licher machen, als sie es noch vor zwei-drei Jahren gewesen ist. Ein wiedervereinigtes Deutschland könnte und sollte nicht neutral bzw. neutralisiert sein. Würde aber zumindestens der westliche Teil  des wiedervereinigten Deutschlands weiter in der NATO, und das gesamte Deutschland [in] der EG integriert bleiben, dann würde sich daraus aber nicht jene Bedrohung durch einen neu entstandenen militärischen und wirtschaftlich dominierenden Superstaat ergeben, die allgemein befürchtet wird.“5

Dass diese Analyse nicht im gesamten Außenministerium auf Zustimmung stieß, verdeutlicht ein Aktenvermerk des Gesandten Ernst Sucharipa mit dem Titel „Deutsche Wiedervereinigung? Zur Gespensterbahnfahrt der Abteilung II.6“.6 Sucharipa entgegnet darin, dass die deutsche Einheit nicht Teil der politischen Realität der nahen Zukunft, wie es von Nowotny behauptet wurde, sein werde. „Ein solches Gebilde“ sei in eine „europäische Friedensordnung“ nicht zu integrieren. Darüber hinaus sei die Sowjetunion strikt auf „Bewahrung des territorialen Status Quo“ aus.7 Doch auch die Sicht der Sowjetunion zur Einigung sollte sich in den folgenden Monaten in Anbetracht der international veränderten Lage und sich überschlagenden Ereignissen wandeln.8 Die Haltung der österreichischen Diplomaten war folglich ähnlich divergent wie die internationalen Reaktionen auf den deutschen Einigungsprozess. 4 Information, Gesandter Thomas Nowotny, Wien, 19. September 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/4-II .6/89. 5 Information, Gesandter Thomas Nowotny, Wien, 19. September 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/4-II .6/89. 6 Abteilung II .6: Grundsatzfragen und Europarat. 7 Aktenvermerk, Gesandter Ernst Sucharipa, Wien 20. September 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/5-II .3/89. 8 Siehe dazu auch den Beitrag von Andreas Hilger in diesem Band.

Internationale Reaktionen aus Sicht der österreichischen Diplomatie

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Der folgende Beitrag nimmt nun die Reaktionen und Perzeptionen zum deutschen Einigungsprozess aus Sicht der österreichischen Diplomatie in den Blick. Der analysierte Zeitraum umfasst dabei die Zeitspanne vom Fall der Berliner Mauer im November 1989 bis zur Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier Vertrages im September 1990. Es wird auf die Positionen einiger westeuropäischer Staaten, der USA, Kanadas und Israels sowie der Staaten des Warschauer Paktes und insbesondere der Sowjetunion eingegangen.

II.

Die Positionen der westeuropäischen Staaten

Insbesondere Frankreich9 und Großbritannien10 bekannten sich zwar grundsätzlich zum Recht der Deutschen auf Wiedervereinigung, als diese jedoch, insbesondere seit dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989, wieder auf die Tagesordnung der internationalen Politik drängte, reagierte man mit Ressentiments und bisweilen Ablehnung. Bereits am 10. November 1989 fasste der Gesandte Johann Plattner im österreichischen Außenministerium die Reaktionen der europäischen Staaten zusammen. Für Frankreich und insbesondere zur Position Präsident François Mitterrands hielt er fest, dass die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten ein legitimes Anliegen des deutschen Volkes sei. Diese Frage betreffe aber auch die vier Siegermächte und der Stabilität in Europa müsse Vorrang gegeben werden.11 Generell reagierte Frankreich zunächst zurückhaltend, geradezu skeptisch auf die Umbrüche in Osteuropa, wie der österreichische Botschafter in Paris Wolfgang Schallenberg analysierte: „Das in Frankreich zu hörende Leitmotiv in den Reaktionen auf die Umwälzungen in Osteuropa ist, dass nur eine starke und weiter ausgebaute europäische Gemeinschaft die Grundlagen für eine Unterstützung der osteuropäischen Reformbewegungen und für eine friedliche Neustrukturierung Europas sein kann. Das klingt schon fast wie eine Beschwörungsformel, mit welcher man die Angst vor zukünftigen Entwicklungen bannen will. Denn man hat hier Sorgen, auch wenn das die offiziellen Stimmen bestreiten und trotz aller Befriedigung über den Aufbruch zu Freiheit und Demokratie in [den] Oststaaten. […] Eine Wiedervereinigung Deutschlands freut hier niemanden wirklich und man will sie in die ferne Zukunft verbannen.“12

Frankreichs Strategie schien es zu sein, die deutsche Wiedervereinigung zumindest innerhalb einer ausgebauten europäischen Gemeinschaft stattfinden zu lassen, sofern sie schon nicht verhindert werden konnte. „Paris will die Bun9 Siehe dazu auch den Beitrag von Tilo Schabert in diesem Band. 10 Siehe dazu auch den Beitrag von Hinnerk Meyer in diesem Band. 11 Information, Gesandter Johann Plattner, Wien, 10. November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/8-II .1/89. 12 Botschafter Wolfgang Schallenberg an BMAA , Paris, 20.  November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 57.02.02/11-II .1/89.

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desrepublik weiterhin durch die europäische Einigung und bilaterale Zusammenarbeit so fest als möglich einbinden, damit diese Bindung auch im Falle einer Wiedervereinigung unauflöslich bleibt. Das Misstrauen gegenüber den Deutschen sitze bei aller Freundschaft noch tief und die Besorgnisse vor der Hegemonie eines gemeinsamen mit Ostdeutschland noch stärkeren Deutschland sind spürbar.“13 Auf eine Einbindung in die gesamteuropäische Entwicklung zur Lösung des Problems setzte auch Belgien.14 Der damalige belgische Außenminister Mark Eyskens empfand für den „Wiedervereinigungswunsch des deutschen Volkes Sympathie“, wie er dies ausdrückte.15 Auch nach der Vorstellung des ZehnPunkte-Programms Bundeskanzler Helmut Kohls am 28. November 1989 hielt Eyskens, laut der Berichterstattung von Botschafter Heinz Weinberger, am Recht des deutschen Volkes auf Wiedervereinigung fest, bevorzugte aber ein Modell der Föderation.16 Allgemein trug die Verkündung von Kohls Zehn-Punkte-Programm innerhalb der internationalen Gemeinschaft nicht dazu bei, etwaige Vorbehalte gegenüber einer Wiedervereinigung zu entkräften. Dies fasste Gesandter Johann Plattner in seinen Informationen für den österreichischen Außenminister Alois Mock am 7. Dezember 1989 treffend zusammen: „Der Charakter der Reaktionen der westlichen Staaten auf das Programm Kohls ist von Zurückhaltung, einer gewissen Skepsis und gelegentlich einem Unterton des Unbehagens gezeichnet.“ Frankreich betonte in diesem Zusammenhang weiterhin die Notwendigkeit, die deutsche Frage im Kontext der Europäischen Gemeinschaft zu betrachten.17 Auf eine Einbettung der deutschen Frage in einen europäischen Gesamt­ kontext beziehungsweise in die EG, setzten auch die Niederlande18 und Dänemark.19 Folgt man den Ausführungen der österreichischen Botschaft in Kopenhagen, so betrachtete Dänemark das Zehn-Punkte-Programm zudem mehr als Vision, denn als konkreten Plan.20 Die Niederlande wiederum hegten auf Grund der Erfahrungen, die sie im Zweiten Weltkrieg als ein vom Deutschen Reich besetztes Land gemacht hatten Skepsis gegenüber einem vereinigten Deutsch13 Botschafter Wolfgang Schallenberg an BMAA , Paris, 20.  November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 57.02.02/11-II .1/89. 14 Siehe dazu auch den Beitrag von Steven Van Hecke in diesem Band. 15 Information, Gesandter Johann Plattner, Wien, 10. November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/8-II .1/89. 16 Botschafter Heinz Weinberger an BMAA , Brüssel, 1. Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/27-II .1/89. 17 Information für den Herrn Bundesminister, Gesandter Johann Plattner, Wien, 7. Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/41-II .1/89. 18 Siehe dazu auch den Beitrag von Jan van der Harst und Anjo Harryvan in diesem Band. 19 Siehe dazu auch den Beitrag von Thorsten Borring Olesen und Niels Wium Olesen in diesem Band. 20 Botschaftssekretärin Eva Koprolin an BMAA , Kopenhagen, 6.  Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/42.II .1/89.

Internationale Reaktionen aus Sicht der österreichischen Diplomatie

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land.21 Diese Bedenken teilte auch Luxemburg,22 wie Botschafter Klaus Ziegler analysierte: „Wesentlich für die luxemburgische Haltung ist aber auch die immer wieder zu beobachtende Sensibilität der Luxemburger in Bezug auf Deutschland, die auf das besonders harte Schicksal des Landes und seiner Menschen vor ­a llem im Zweiten Weltkrieg zurückzuführen ist.“23 In Anbetracht der Reaktionen westeuropäischer Staaten im Zusammenhang mit den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs sei auch auf die Haltung Griechenlands verwiesen.24 Man könnte meinen, die Erfahrungen der deutschen Besatzung würden eine eher skeptische, bisweilen abwartende Haltung des Landes provozieren. Der österreichische Botschafter in Athen, Hellmuth Strasser, schlussfolgerte, dass insbesondere die wirtschaftlich und politisch schwierige Situation – 1989/90 war innenpolitisch von mehreren Regierungsumbildungen und Neuwahlen sowie einer wirtschaftlich angespannten Situation gekennzeichnet – die griechische Aufmerksamkeit vom deutschen Einigungsprozesse ablenkte. „Das Fehlen griechischer Reaktionen zur Wiedervereinigungsproblematik ist nicht nur mit dem Vorrang anderer Probleme zu erklären, sondern auch damit, dass man in Griechenland aus geopolitischen und historischen Gründen einem Deutschland mit den Grenzen von 1937 durchaus keine derartigen Aversionen entgegenbringt, wie dies im Lichte der Besetzung des Landes durch das Deutsche Reich im Jahre 1941 zu er­ warten wäre. Selbst während des Zweiten Weltkriegs hat sich Griechenland in seiner Existenz weniger durch das Deutsche Reich, als durch Großbulgarische Ambitionen (Abtretung Westthrakiens an Bulgarien) bedroht gefühlt.“25

Die griechischen Medien, so der Botschafter weiter, gehen davon aus, dass „die Wiedervereinigung mit Sicherheit kommen werde“. Auch Italien stand einer möglichen Vereinigung beider deutscher Staaten skeptisch gegenüber.26 Zwar anerkannte man die Aktualität der Frage, betonte aber dennoch, dass die weiteren Entwicklungen im Rahmen der Helsinki-Schlussakte, also im Kontext von Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, ablaufen müssten.27 Italiens Ministerpräsident Giulio Andreotti fand jedoch noch deutlichere Worte und betonte, wie es der österreichische Botschafter Friedrich Frölichsthal an das österreichische Außenministerium zusammenfassend einberichtete: „Auch Ministerpräsident Andreotti hatte noch gestern grundsätzlich die Befürchtung der 21 Information für den Herrn Bundesminister, Gesandter Johann Plattner, Wien, 7. Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/41-II .1/89. 22 Siehe dazu auch den Beitrag von Siebo M. H. Janssen in diesem Band. 23 Botschafter Klaus Ziegler an BMAA , Luxemburg, 15. Jänner 1990, ÖStA, AdR, BMAA ,­ II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/7-II .1/90. 24 Siehe dazu auch den Beitrag von Andreas Stergiou in diesem Band. 25 Botschafter Hellmuth Strasser an BMAA , Athen, 1. Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/32-II .2/89. 26 Siehe dazu auch den Beitrag von Deborah Cuccia in diesem Band. 27 Botschafter Friedrich Frölichsthal an BMAA , Rom, 30.  November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/46-II .1/89.

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Bedrohung durch den deutschen Revanchismus geteilt und gemeint für die Stabilität Europas ‚seien zwei Staaten in einer deutschen Nation‘ unerlässlich.“28 Großbritannien und hier insbesondere Premierministerin Margaret Thatcher vertraten die Ansicht, dass die deutsche Frage und eine mögliche Wiedervereinigung in den nächsten Jahren nicht von Aktualität seien.29 Öffentliche Meinung und auch politische Kreise standen einer möglichen Wiedervereinigung grundsätzlich ablehnend gegenüber, eine Einstellung, die auch dem österreichischen Botschafter Walter Magrutsch nicht verborgen blieb: „Es steht außer Frage, dass man in der hiesigen öffentlichen Meinung, aber auch in der breiten britischen Bevölkerung, den jüngsten Entwicklungen in der DDR und in den deutsch-deutschen Beziehungen im allgemeinen  – wesentlich mehr als in Frankreich oder vielleicht sogar im Gegensatz dazu – mit großer Reserviertheit, ja Ablehnung gegenübersteht.“ Des Weiteren schlussfolgerte Magrutsch: „Je distanzierter man sich in diesen Tagen in London in der ‚deutschen Frage‘ verhält, desto mehr wird dies von britischer Seite geschätzt.“ Die Lösung der Problematik müsse „unter Aufrechterhaltung von Stabilität und Sicherheit in Europa“ zu geeigneter Zeit erfolgen. Letztlich sei es eine gesamteuropäische Frage, so der nach Wien gemeldete Tenor der britischen Sichtweise.30 Für Großbritannien war die Frage der deutschen Wiedervereinigung „zweifellos eine der schwierigsten“. „Sie stellt das bisherige Bild des Nachkriegseuropa in Frage, droht, den langjährigen sicherheitspolitischen Rahmen zu sprengen und dadurch nicht nur das mühsame austarierte Gleichgewicht in Europa, sondern auch die Verankerungen für einen kontrollierten Ablauf der revolutionären Reformen in Osteuropa herauszureißen. Dies erklärt zwar, dass man britischerseits sehr vorsichtig reagierte, nicht jedoch die Halsstarrigkeit, mit der die Regierung versuchte, die Deutschlandfrage zu ignorieren. Lange Zeit war für Frau Thatcher die Frage der Wiedervereinigung einfach ‚not on the agenda‘“,

wie der österreichische Gesandte in London, Werner Ehrlich, am 31. Jänner 1990 ausführte. Zur Haltung von Großbritannien und insbesondere Premierministerin Thatcher bemerkte er weiters: „Eine rasche Wiedervereinigung Deutschlands würde demnach ‚upset the economic balance of the European Community‘ und dürfte auch nur so schnell erfolgen, dass andere Verpflichtungen berücksichtigt werden können ‚otherwise that could destabilize everything‘, was, ‚most bitterly unfair‘ gegenüber Präsident Gorbatschow wäre. Der moralische Unterton wird dadurch verstärkt, dass die BRD indirekt dazu aufgefordert wird, ihre eigenen und nationalistischen Ziele der ‚weiteren Sicht‘ der europäischen 28 Botschafter Friedrich Frölichsthal an BMAA , Rom, 30.  November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/46-II .1/89. 29 Information für den Herrn Bundesminister, Gesandter Johann Plattner, Wien, 7. Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/41-II .1/89. Siehe zur britischen Wahrnehmung auch den Beitrag von Hinnerk Meyer in diesem Band. 30 Botschafter Walter Magrutsch an BMAA , London, 30.  November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/34-II .1/89.

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Bedürfnisse unterzuordnen. […] Diese Haltung der britischen Premierministerin ist zum Teil der Reflex ihrer singulären Sicht, wonach sie selbst als Ausgangspunkt der ‚wahren Weltrevolution‘, nämlich des Thatcherismus und auch der Entwicklungen in Osteuropa (!), eine geradezu persönliche Verantwortung für diesen Reformprozess besitzt, der nicht durch die ‚Selbstsucht‘ der Deutschen gefährdet werden darf.“31

Folgt man den Analysen der österreichischen Diplomaten, begannen die Ressentiments auf europäischer Ebene gegen eine mögliche Einigung erst Mitte Jänner 1990 langsam aufzubrechen. Der österreichische Geschäftsträger in Moskau Martin Vukovich fasste am 22. Jänner 1990 die Situation folgendermaßen zusammen: „Kaum ein KSZE -Teilnehmerstaat glaubt heute noch, dass ein Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten aufgehalten werden kann. Insbesondere Polen, aber auch viele andere ost- und westeuropäischen Länder verlangen jedoch in diesem Zusammenhang entsprechende Garantien dafür, dass ein vereintes Deutschland auf dem Territorium der BRD und der DDR die heutigen Grenzen zu den übrigen europäischen Staaten (insbesondere die Oder-Neiße Grenze) nicht in Frage stellen wird.“32

Ein Haltungswandel zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten, der sich in den meisten westeuropäischen Staaten zu diesem Zeitpunkt bemerkbar machte, zeichnete sich in dieser Phase dann auch in Großbritannien ab. Dies analysierte der österreichische Botschafter in London, Walter Magrutsch, am Beispiel von zwei Erklärungen Margaret Thatchers vor dem britischen Parlament am 6. beziehungsweise 8. Februar 1990: „Trotz des üblichen Vorbehalts bezüglich Sicherheit und Stabilität in Mitteleuropa stellt diese Erklärung insofern einen beachtlichen Wandel dar, als Mrs. Thatcher nicht nur von der Wahrscheinlichkeit einer Wiedervereinigung Deutschlands ausgeht, sondern darüber hinaus auch erheblich vorsichtiger formuliert, indem sie die Wahlen [gemeint sind die Wahlen in der DDR im März 1990] als ‚Grundsatzbeschluss‘ zur Wiedervereinigung ansieht, […] der daher nicht mehr, wie bisher vertreten, der Klärung der Konsequenzen für die NATO, die KSZE und das Berlinabkommen nachfolgt, sondern vorangeht. Auch zeitlich ist nicht mehr von einer ‚lengthy transition period‘, sondern nur noch von einer ‚transition stage‘ die Rede.“33

Vor dem Hintergrund der Zustimmung Gorbatschows, der beim Treffen mit Bundeskanzler Kohl in Moskau am 10. Februar 1990 versicherte, dass die Deutschen den Zeitpunkt und Weg der Einigung selbstbestimmen könnten, stellten 31 Gesandte Werner Ehrlich an BMAA , London, 31. Jänner 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/16-II .1/90. 32 Information, Botschafter Martin Vukovich, Wien, 22. Jänner 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 801.00/5-II .7/90. 33 Botschafter Walter Magrutsch und Gesandter Helmut Ehrlich an BMAA , London, 13. Februar 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ .22.17.01/24-II .1/90.

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sich die europäischen Haltungen zur Wiedervereinigung im Februar 1990, nach Ansicht des Gesandten Johann Plattner vom 21. Februar 1990, folgendermaßen dar: Großbritannien und Frankreich bestanden nunmehr auf Mitsprache im deutschen Einigungsprozess und lehnten, im Hinblick auf die Frage nach dem Verbleib in der NATO, die Neutralisierung eines vereinigten Deutschland ab. Bedenken hegten beide Länder insbesondere bezüglich eines möglichen Übergewichts Deutschlands in Europa. Aus diesem Grund setzte Frankreich auch weiterhin auf eine verstärkte Einbindung Deutschlands in die Europäischen Gemeinschaften und die Schaffung einer EG -Währungsunion. Frankreichs durchaus skeptische Haltung und der Wunsch nach einer Stärkung der EG im Hinblick auf die Wiedervereinigung riefen jedoch auch Kritiker auf den Plan, die darauf hinwiesen, dass die französische Hauptsorge darin liege, dass sich der politische Schwerpunkt Europas nach Osten verlagern könnte und Frankreich „eine zweitrangige, periphere Rolle“ zukommen werde.34 Ein anderes EG -Gründungsmitglied, nämlich Italien, das sich noch im November 1989 insbesondere in der Person von Ministerpräsident Andreotti deutlich für zwei deutsche Staaten als Garantie für die Sicherheit in Europa ausgesprochen hatte, schlug im Februar 1990 einen anderen außenpolitischen Weg ein. Dieser veranlasste die österreichische Botschaft in Rom zu folgender Bewertung an das Außenministerium in Wien: „Italien unterstütze die Wiedervereinigung Deutschlands voll“. Ausschlagegebend für diese Haltungsänderung war insbesondere der Blitzbesuch von Außenminister Hans-Dietrich Genscher in Italien am 21. Februar 1990, bei dem er Italien die „Gelegenheit zu einer Mitsprache in der Frage der deutschen Wiedervereinigung“ zusagte.35 Auch die britische Sicht auf den laufenden Einigungsprozess hatte sich im Zuge des Zwei-plus-Vier Prozess bis Juli 1990 deutlich gewandelt und wurde von Botschafter Magrutsch und Botschaftssekretär René Pollitzer mit den Worten „smooth“ und „productive“ kommentiert, alle politischen Probleme seien geklärt, der Rest wäre nur mehr „Arbeit für die Juristen“.36

III. Die Position der USA, Kanadas und Israels Die USA standen einer möglichen Wiedervereinigung aus Sicht der österreichi­ schen Diplomatie weitaus positiver gegenüber als viele westeuropäische Staaten.37 Wichtig war den Vereinigten Staaten insbesondere der Verbleib Gesamtdeutschlands im westlichen Bündnissystem. Präsident George H. W. Bush sprach 34 Gesandter Martin Sajdik an BMAA , Moskau, 13. März 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990. GZ . 22.17.01/71-II .3/90. 35 Gesandter Walter Hagg an BMAA , Rom, 21.  Februar 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/45-II .1/90. 36 Botschafter Walter Magrutsch und Botschaftssekretär René Pollitzer an BMAA , London, 20. Juli 1990, ÖSTA , AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.02/180–4.1/90. 37 Siehe dazu auch den Beitrag von Christian F. Ostermann in diesem Band.

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sich bei seinem Treffen mit Generalsekretär Michail Gorbatschow auf Malta am 2. und 3. Dezember 1989 für das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen aus, jedoch unter dem Hinweis, dass die Interessen der NATO -Bündnispartner berücksichtigt werden müssten. Auf einer festen Einbindung eines vereinigten Deutschlands in die NATO beharrten die Vereinigten Staaten auch noch im März 1990. Die Angst vor einem Übergewicht Deutschlands  – wie sie einige Staaten hegten – teilten sie nicht. Diese Haltung blieb auch den österreichischen Diplomaten nicht verborgen, ebenso wenig wie die zukünftigen Verhandlungen hinsichtlich der Bündniszugehörigkeit Gesamtdeutschlands.38 Der österreichische Botschafter in Washington, Friedrich Hoess, meldete hierzu im Zuge seiner Berichterstattung über das von 30. Mai bis 3. Juni 1990 stattfindende Treffen zwischen Bush und Gorbatschow nach Wien: „Es gehe darum, Deutschland in die Lage zu versetzen, beim Neubau Europas als Anker der Demokratie, Freiheit und Stabilität mitzuhelfen. Dies sei am besten durch eine integrierte NATO -Mitgliedschaft gewährleistet.“39 Dies habe Präsident Bush Generalsekretär Gorbatschow zu vermitteln versucht. Zur NATO -Mitgliedschaft Deutschlands zog der österreichische Gesandte Philipp Hoyos folgenden Schluss: „Auch ohne Austritt aus der NATO werde Deutschland mit einem starken Einfluss der ehemaligen DDR eine aus den bisherigen Blocksystemen losgelöste Zwischenstellung einnehmen, auch wenn dies die führenden westlichen Politiker nicht wahrhaben wollten.“40 Der damaligen Einschätzung der österreichischen Diplomatie wäre entgegenzuhalten, dass es letztendlich trotz aller Bedenken, nicht zu einer derartigen „Zwitterstellung“ des wiedervereinigten Deutschland gekommen ist. Nach der erzielten Einigung zwischen Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Gorbatschow bei den Gesprächen in Moskau beziehungsweise Archys am 15. und 16. Juli 1990 zeigte man sich in Washington zufrieden. Die persönliche Einschätzung des österreichischen Diplomaten Friedrich Hoess hierzu lautet demgemäß: „Demnach sei man mit dem bisher bekanntgewordenen Inhalt der Einigung einverstanden. Man hätte es aber vorgezogen, bei den entscheidenden Gesprächen Mitredner gewesen zu sein, weil dies dem tatsächlichem Anteil des amerikanischen Präsidenten am Zustandekommen der Einigung […] besser entsprochen hätte.“41 Neben den USA vertrat auch Kanada offiziell eine durchaus positive Haltung zur deutschen Wiedervereinigung. Einer friedlichen Einigung, unter Berücksichtigung des Rechtes auf Selbstbestimmung und des Helsinki-Systems, wollte man sich nicht entgegenstellen. Der österreichische Botschafter in Ottawa, Kurt 38 Information, Gesandter Johann Plattner, Wien, 21.  Februar 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/35-II .1/90. 39 Botschafter Friedrich Hoess an BMAA , Washington, 6. Juni 1990, ÖSTA , AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 224.17.02/8-II .9/90. 40 Gesandter Philipp Hoyos an BMAA , Washington, 3. Mai 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/127-II .1/90. 41 Botschafter Friedrich Hoess an BMAA , Washington, 19. Juli 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.18.03/3-II .9/90.

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Herndl, kam jedoch zu dem Schluss, dass Kanada vielmehr eine abwartende Haltung einnehme. „Kanada will alles vermeiden, was die SU und ihre derzeitige Entwicklung destabilisieren könnte und ist auf jeden Fall dagegen, dass die Grenzziehung in Europa in irgendeiner Form in Frage gestellt werde. Letztlich handle es sich aber um ein europäisches Problem.“42 Dass auf internationaler Ebene die Reaktionen aber auch weitaus drastischer ausfallen konnten, unterstreicht das Beispiel Israels. Der damalige Vizeaußenminister Benjamin Netanjahu betonte anlässlich einer Knesset-Debatte, wie vom damaligen Botschafter Otto Pleinert nach Wien gemeldet wurde, dass „Israel und das jüdische Volk […] nicht die ernste Gefahr ignorieren [könnten], die mit der Wiedervereinigung verbunden wäre, wenn sich Deutschland sodann anschicken würde, zum dritten Mal innerhalb eines Jahrhunderts die Welt zu zerstören“.43 Die historisch bedingten Befürchtungen Israels unterstrichen einmal mehr die bedeutsame außenpolitische Komponente der deutschen Frage, die eben nicht nur die beiden deutschen Staaten selbst, sondern die internationale Staatengemeinschaft betraf.

IV. Die Positionen der Staaten des Warschauer Pakts Waren divergierende Positionen bezüglich der deutschen Frage in Westeuropa feststellbar, so galt dies auch für die Staaten des Warschauer Pakts. Gesandter Ernst Sucharipa analysierte im Dezember 1989 eine deutliche Uneinigkeit hinsichtlich der Haltung zur deutschen Vereinigung. Dies war, so führt es auch Sucharipa aus, den verschiedenen politischen Entwicklungen und unterschiedlich fortgeschrittenen Umbruchprozessen in den jeweiligen Ländern geschuldet. „Die Reaktionen der WP-Staaten spiegeln die unterschiedlichen Entwicklungen der letzten Zeit deutlich wider. Parallelen bestehen kaum. Die größte Gemeinsamkeit bildet (noch?) die bekannte Betrachtung der Schlussakte von Helsinki und des gesamten KSZE-Prozesses als Festschreibung der ‚historischen Realitäten‘, wie sie als Ergebnis des 2. Weltkrieges entstanden sind.“44 Vor allem Rumänien lehnte das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes ab und beharrte auf der Existenz zweier deutscher Staaten. Rumänien, das sich zu diesem Zeitpunkt selbst inmitten einer blutigen Revolution, die zum Sturz des Langzeitdiktators Nicolae Ceaușescu und dem Ende der kommunistischen Herrschaft führte, befand, war an keiner Veränderung interessiert, die das herrschende System gefährden hätte können. 42 Botschafter Kurt Herndl an BMAA , Ottawa, 1. Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/39-II .9/89. 43 Botschafter Otto Pleinert an BMAA , Tel Aviv, 29. November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/28-II .1/89. 44 Aktenvermerk, Gesandter Ernst Sucharipa, Wien, 21. Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/56-II .3/89.

Internationale Reaktionen aus Sicht der österreichischen Diplomatie

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Eine weitaus skeptischere, vorsichtig ablehnende Haltung zur deutschen Einheit nahm Polen ein – eine Position, die sich wohl mit der – aus polnischer Perspektive  – unzulänglich erfolgten Anerkennung der polnischen Westgrenze durch die Bundesrepublik erklären lässt.45 Der österreichische Botschafter in Warschau, Andreas Somogyi, folgerte hierzu: „Aus den bisher einberichteten polnischen Erklärungen geht eindeutig hervor, dass die gesamte politische Landschaft des Landes wegen der nunmehr möglichen deutschen Wiedervereinigung, aber v. a. auch deshalb, weil die BRD hinsichtlich der polnischen Westgrenze eine ‚zweideutige Haltung‘ (so lautet die polnische Formulierung) einnimmt, besorgt ist. Die Frage der deutschen Wiedervereinigung bzw. der polnischen Westgrenzen wurde auch von verschiedenen Gesprächspartnern, mit denen der Gefertigte im Zuge seiner Abschiedsbesuche zusammentraf, zur Sprache gebracht. Überall drang Besorgnis durch.“46

Zudem berichtete Botschafter Gerhard Wagner im Februar 1990: „Die Rasanz der Entwicklung bereitet der polnischen Seite zusätzlich Schwierigkeiten; der Frage der Vereinigung war man hier immer mit Unbehagen und Unruhe begegnet. […] Natürlich fürchtet die polnische Regierung auch, dass die Vereinigung die wirtschaftliche und politische Kraft der BRD so sehr in Anspruch nehmen wird, dass für Polen nur wenig der erwarteten Hilfe übrig bleibt.“47 Neben allen Vorbehalten und Befürchtungen stellte eine endgültige Regelung der deutsch-polnischen Grenze im außenpolitischen Kontext des deutschen Wiedervereinigungsprozesses einen entscheidenden Faktor dar, der gelöst werden musste. Das polnische Drängen – mit Unterstützung der Sowjetunion – führte zu einer Einbindung polnischer Vertreter in die Grenzfrage bei den Zweiplus-Vier Ministertreffen am 17. Juli 1990, wobei es zu keiner Beteiligung Polens beim Tagesordnungspunkt Sicherheitsfragen kommen sollte, da daran „auch andere Nachbarn gleichberechtigt interessiert wären und Warschau diesbezüglich nicht privilegiert werden könne“.48 Die Ansichten über den Zeitpunkt einer vertraglichen Regelung der deutsch-polnischen Grenzfrage gingen dabei stark auseinander und spießten sich nicht zuletzt an der Frage, ob ein solches Abkommen vor oder nach einer deutschen Wiedervereinigung unterzeichnet werden sollte. Nicht zuletzt die Unterstützung des polnischen Standpunktes durch die Sowjetunion, die USA, Großbritannien und Frankreich drängte die Bun­des­ republik zu einer gleichlautenden Erklärung von Bundestag und Volkskammer vom 21. Juni 1990, in der die Unverletzlichkeit der Grenzen gegenüber Polen fest45 Siehe dazu auch den Beitrag von Dominik Pick in diesem Band. 46 Botschafter Andreas Somogyi an BMAA , Warschau, 7.  Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/61-II .3/89. 47 Botschafter Gerhard Wagner an BMAA , Warschau, 19. Februar 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/46-II .3/90. 48 Botschafter Friedrich Bauer und Gesandter Wolfgang Loibl an BMAA , Bonn, 8. Mai 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.02/129-II .1/90.

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gehalten wurde. Der polnische Premierminister Tadeusz Mazowiecki bezeichnete beim offiziellen Besuch des Bundeskanzlers Vranitzky in Polen die deutschdeutschen Erklärungen diesem gegenüber als „einen bedeutenden Schritt“. Die österreichischen Diplomaten in Warschau berichteten dazu nach Wien: „Polen wünsche jedoch einen Vertrag, wobei man noch vor der Vereinigung zu Vereinbarungen kommen sollte. Eine Neutralität Deutschlands betrachte er [Premierminister Mazowiecki] als nicht realistisch, ja sogar gefährlich.“49 Besorgt war auch die Tschechoslowakei.50 Insbesondere nach der Verkündung des Zehn-Punkte-Programms Bundeskanzler Kohls war man seitens der PragerFührung um die Stabilität und Sicherheit in Europa besorgt.51 Außenpolitisch hielt man am Bestehen von zwei deutschen Staaten fest. Der österreichische Gesandte in Prag, Wolfgang Paul, stufte dies als die überwiegende Haltung der tschechoslowakischen Bevölkerung ein.52 Im voranschreitenden Wiedervereinigungsprozess sprach man sich in der Tschechoslowakei gegen eine Neutralität Deutschlands aus, da man dies in Prag als eine „potenziell viel größere Gefahr“ ansah.53 „Ein neutrales Deutschland liege in niemandes Interesse: Da Neutralität im Spannungsfeld anderer Systeme stehe, könnte ein geeintes neutrales Deutschland ein schwankender Instabilitätsfaktor werden (weder Polen noch die ČSSR wollten z. B. derzeit ein neutrales Deutschland)“, so die zusammenfassende Analyse des österreichischen Gesandten Wolfgang Loibl in Bonn.54 Damit war man auf einer Linie mit der Haltung Polens, aber widersprach jener der Sowjetunion, die insbesondere auf den NATO -Austritt pochte. „Für die Verbündeten der SU ergeben sich aus einer NATO -Zugehörigkeit des vereinigten Deutschlands keinerlei Probleme“, wie es Botschafter Karl Peterlik als Ergebnis eines Treffens der Warschauer Pakt Staaten in Prag am 17. März 1990 analysierte.55 Die Lösung der deutschen Frage müsse in einen gesamteuropäischen Prozess eingebettet werden. Die Auflösung der Militärblöcke wurde durchaus auch von Präsident Václav Havel als Ziel formuliert.56

49 Resümeeprotokoll des Gesprächs des HBK mit PM Mazowiecki anläßlich seines offiziellen Besuchs in Warschau (5.7.1990), Botschafter Gerhard Wagner an BMAA , Warschau, 13. Juli 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ 518.01.01/21-II .3/90. 50 Siehe dazu auch den Beitrag von Miroslav Kunštát in diesem Band. 51 Botschafter Karl Peterlik an BMAA , Prag, 1. Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/71-II .3/89. 52 Gesandter Wolfang Paul an BMAA , Prag, 30. November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/35-II .1/89. 53 Botschafter Karl Peterlik an BMAA , Prag, 19. März 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/84-II .3/90. 54 Gesandter Wolfgang Loibl an BMAA , Bonn, 9. Februar 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/191-II .1/90. 55 Botschafter Karl Peterlik an BMAA , Prag, 19. März 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/84-II .3/90. 56 Gesandter Martin Sajdik an BMAA , Moskau, 6. März 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 35.01.01/8-II .3/90.

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Eine wesentlich liberalere Haltung gegenüber der deutschen Frage konstatierte Sucharipa in Bulgarien und Ungarn.57 In beiden Ländern war Ende 1989 der politische Umbruchprozess bereits fortgeschritten. Das neue politische Denken in Bulgarien, so der österreichische Botschafter in Sofia Manfred Kiepach, beruhe auf der Grundlage, dass diese Frage eine Angelegenheit der beiden deutschen Staaten sei, die Wiedervereinigungsfrage sich jedoch aus Sicht seiner bulgarischen Gesprächspartner „in keinem aktuellen Stadium befinde“. Sie vermieden jedoch explizit jede Formulierung, die einer Wiedervereinigung negativ gegenüber stehen würde.58 Ungarn befürwortete spätestens im Juni 1990 den Vollzug der deutschen Einigung.59 „Ungarn habe sich eindeutig auf eine Unterstützung der deutschen Einheit festgelegt, sowohl aus prinzipiell juristischer Sicht, aber auch weil es (dank Österreichs) keine direkten Grenzen Ungarns zu Deutschland gebe (hier liege der Unterschied zu Polen). Ungarn ist aber auch darüberhinaus nicht besorgt, weil das neue Deutschland eine demokratische Basis haben werde“, so wertete Sucharipa die Haltung des ungarischen Ministerpräsidenten József Antall nach dessen Treffen mit Bundeskanzler Vranitzky in Sopron am 18. Juni 1990.60

V.

Die Positionierung der Sowjetunion

Die divergenten Haltungen osteuropäischer Staaten sind letzten Endes nicht ohne die Politik der sowjetischen Führung zu verstehen.61 Generalsekretär Gorbatschows Politik gegenüber den sowjetischen Satellitenstaaten in Mittel- und Osteuropa sowie seine Reformanstrengungen innerhalb der Sowjetunion waren seit seinem Amtsantritt im Jahr 1985 mit dem zunächst doch vagen Begriff des „neuen Denkens“ verbunden, dem neben Perestroika und Glasnost auch das Konzept der „Freiheit der Wahl“ inne lagen.62 Sie formten den Wandel der Rah57 Aktenvermerk, Gesandter Ernst Sucharipa, Wien, 21. Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/56-II .3/89. 58 Aktenvermerk, Botschafter Manfred Kiepach an BMAA , Sofia, 6. Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/65-II .3/89. 59 Siehe dazu den Beitrag von Andreas Schmidt-Schweizer in diesem Band. 60 Aktenvermerk, Gesandter Ernst Sucharipa, Wien, 19. Juni 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 518.01.222/3-II .3/90. 61 Siehe dazu den Beitrag von Andreas Hilger in diesem Band. Zur sowjetischen Politik in Bezug auf die deutsche Wiedervereinigung siehe u. a. Stefan Karner/Mark Kramer/Peter Ruggenthaler/Manfred Wilke (eds.), Der Kreml und die deutsche Wiedervereinigung 1990 (Berlin: Metropol, 2015); Andreas Hilger (ed.), Diplomatie für die deutsche Einheit. Dokumente des Auswärtigen Amts zu den deutsch-sowjetischen Beziehungen 1989/90 (München: Oldenbourg, 2011); Aleksandr Galkin/Anatolij Tschernjajew (eds.), Michail Gorbatschow und die deutsche Frage. Sowjetische Dokumente 1986–1991 (München: Oldenbourg, 2011); Rafael Biermann, Zwischen Kreml und Kanzleramt. Wie Moskau mit der deutschen Einheit rang (Paderborn et al.: Schöningh, 1997). 62 Siehe zum neuen sowjetischen Denken, Stefan Karner/Mark Kramer/Peter Ruggenthaler/ Manfred Wilke (eds.), Der Kreml und die Wende 1989. Interne Analysen der sowjetischen

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menbedingungen, die zwar nicht unmittelbar zu einer neuen Deutschlandpolitik Moskaus führten, jedoch einer solchen den Boden bereiteten. Diese Veränderungen wurden auch in einer Flexibilisierung der sowjetischen Äußerungen und Bewertungen in der Frage der deutschen Teilung sichtbar, nicht zuletzt da Gorbatschow selbst immer mehr zum Getriebenen der Entwicklung wurde. Einerseits spielte die intensive innenpolitische Reformagenda, die Gorbatschows Ressourcen gegenüber seinen außenpolitischen Aktivitäten band, andererseits die Verkennung der Zeichen der Zeit, etwa in der DDR , deren politische Führung zunehmend ihre Legitimität verlor und der auch die Kontrolle über das eigene Volk zu entgleiten drohte, eine mitunter entscheidende Rolle.63 Unmittelbar nach dem Mauerfall, der die internationale Diplomatie und Politik überraschte, wurde seitens des österreichischen Außenministeriums in einer von Johann Plattner gezeichneten Sprachregelung für die österreichischen diplomatischen Vertretungen betont, dass die Sowjetunion „nach wie vor am Status quo ante festhalten und keine Änderung dieser Ordnung zulassen“ werde.64 Gorbatschow selbst verwies zudem vermehrt darauf hin, dass angesichts seiner Politik der „Freiheit der Wahl“ letztlich die Bürgerinnen und Bürger der DDR ihre Zukunft zu entscheiden hätten, stets in der Hoffnung und im Glauben an eine Reformbewegung innerhalb des Sozialismus in der DDR . Der österreichische Botschafter in Moskau, Herbert Grubmayr, berichtete am 20. November 1989 von einer Rede Außenminister Eduard Schewardnadses nach Wien, die dieser vor dem außenpolitischen Komitee des Obersten Sowjet der UdSSR hielt und in welcher er hervorhob, dass die Sowjetunion „den Kurs auf Erneuerung und Demokratisierung des Sozialismus in der DDR [unterstütze]“ und ihren „Freunden und Verbündeten Erfolg wünsche“.65 Zudem schien man seitens der sowjetischen Führung hinsichtlich der deutschen Einheit auf Zeit zu spielen. Während des Besuchs des französischen Außenministers Roland Dumas Mitte November in Moskau, erläuterte Alexander Bondarenko, Leiter der dritten europäischen Abteilung im sowjetischen Außenministerium, diesem, dass „das Thema Deutschland in Potsdam abschließend geklärt worden sei“, was wiederum die österreichischen Diplomaten zu der Bewertung verleitete, die Gesprächspartner der dritten europäischen Abteilung im ­sowjetischen­ Führung zum Fall der kommunistischen Regime (Innsbruck/Wien/Bozen: Studienverlag, 2014), 18–26, hier insbesondere 19 und Anmerkung 27; Heike Amos/Tim Geiger (Bearb.), Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-VierProzess, ed. von Horst Möller/Ilse Dorothee Pautsch/Gregor Schöllgen/Hermann Wentker/Andreas Wirsching (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015), 11–13. 63 Hans-Dieter Heumann, Hans-Dietrich Genscher. Die Biographie (Paderborn: Schöningh, 2012), 184; Siehe auch Andreas Wirsching, Der Preis der Freiheit (München: C. H. Beck, 2012), 35. 64 Information, Gesandter Johann Plattner, Wien, 10. November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/8-II .1/89. 65 Botschafter Herbert Grubmayr und Gesandter Martin Sajdik an BMAA , Moskau, 20. November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 225.02.02/26-II .3/89.

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Außenministerium haben den Eindruck erweckt, als lebten sie „in einer anderen Welt“.66 Unmittelbar nach dem Mauerfall orientierte sich die sowjetische Deutschlandpolitik zunehmend an jener des Westens, was unter anderem auch die intensivierte Besuchs- und Kontaktdiplomatie der Sowjetunion bis zum Jahresende 1989 erklärt. Das außenpolitische Vorpreschen Bundeskanzler Kohls, als dieser Ende November 1989 seine Zehn-Punkte verkündete und mit seiner Föderationsidee der Sowjetunion direkt vor den Kopf stieß, leitete eine sichtlich neue Etappe einhergehend mit einer merklichen Verschärfung der sowjetischen Position in der Deutschlandpolitik ein, wozu man sowjetischerseits feststellte: „Wenn Kohl seinen 10 Punkten noch einen 11. hinzufügte, wenn Bonn formal darauf verzichtete, die vorherigen Grenzen wieder zu erlangen, dann könnte der Kreml hypothetisch akzeptieren, über die Frage der deutschen Einheit im Rahmen der allgemeinen Entwicklung in Richtung eines gemeinsamen europäischen Hauses zu sprechen.“67 Anfang Dezember 1989 bewertete Botschafter Grubmayr das sowjetische Verhalten dann als „Bremsung der Wiedervereinigungseuphorie“ und hielt des Weiteren in seinem Bericht fest: „Die Sowjetunion scheint unter allen Umständen auf Zeit spielen zu wollen. Der Wink mit dem Zaunpfahl, dass seitens der BRD ‚zusätzliche politische Impulse‘ in sehr breit gefassten Wirtschaftsbereichen notwendig sein werden, zeigt, welchen ‚Preis‘ ein sowjetisches Einlenken langfristig haben könnte. Für Moskau scheint ferner […] derzeit keine Notwendigkeit zu bestehen, selbst grünes Licht für eine Wiedervereinigung Deutschlands zu geben, zumal bei den westlichen Alliierten hierüber noch keine Einig­keit zu herrschen scheint.“68

In einem weiteren Bericht Grubmayrs, die sowjetische Haltung betreffend, kam der Botschafter zu dem Schluss, dass es Moskau offensichtlich nicht bewusst sei, „auf welchen tönernen Füßen das Regime in der DDR tatsächlich stand und steht und wie schnell der Zerfallsprozess der SED vor sich geht“. Im Außenministerium in Wien ließ man sich nur zu einem lapidaren handschriftlichen Randvermerk „nicht nur dort“ hinreißen.69 Die politische Stabilität der DDR wurde nicht

66 Gesandter Martin Sajdik und Botschaftsrat Thomas Mayer-Harting an BMAA , Moskau, 17. November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 57.18.11/2-II .3/89. 67 So Gennadi Gerassimow, Leiter der Hauptabteilung für Information im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR und außenpolitischer Sprecher Gorbatschows beziehungsweise Schewardnadses, auf einer Pressekonferenz in Rom am 29.  November 1989. Vgl. Botschafter Friedrich Frölichsthal an BMAA , Rom, 30.  November 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/46-II .1/89. 68 Botschafter Herbert Grubmayr an BMAA , Moskau, 6.  Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/58.II .3/89 69 Botschafter Herbert Grubmayr an BMAA , Moskau, 4.  Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/33-II .3/89.

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nur von den Diplomaten am Wiener Ballhausplatz sondern auch international falsch eingeschätzt. Der innenpolitische Druck, der  – aufgrund seiner Positionierung in der deutschen Frage  – auf Gorbatschow lastete, wird in einem Bericht des österreichischen Botschafters in Warschau, Andreas Somogyi, Anfang Dezember 1989 deutlich. Somogyi berichtete nach Wien – unter Hinweis auf eine ihm gegenüber vom polnischen Ex-Premierministers Mieczysław Rakowski gemachte Aussage – von einem bereits im Juli stattgefundenen Gespräch zwischen Gorbatschow und Mitterrand, folgendes ein: „Im Falle der deutschen Wiedervereinigung würde bei ihm, Gorbatschow, ein sowjetischer Marshall im Büro erscheinen, dem Gorbatschow sodann den Platz räumen müsste.“70 Nach Gorbatschows erstem Zusammentreffen mit Bush Anfang Dezember 1989 auf Malta, im Rahmen dessen der sowjetische Führer ein weiteres Mal sein Konzept der Wahlfreiheit zur sichtlichen Zufriedenheit Bushs unterstrich, äußerte er sich weiterhin sehr zurückhaltend zur deutschen Frage. Dennoch zeichneten sich erste positive Signale einer sowjetischen Zustimmung zu einer möglichen deutschen Wiedervereinigung innerhalb europäischer Strukturen ab. Die gesamte Ambivalenz der sowjetischen Position unterstrich Schewardnadses Rede vor dem Europaparlament vom 19.  Dezember 1989, in der dieser die Deutschlandfrage in den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte. Seine Absicht war es, die Gesamtentwicklung zu bremsen, nachdem sich die europäischen Regierungschefs im Europäischen Rat am 8.  und 9.  Dezember 1989 klar zum Selbstbestimmungsrecht der Deutschen bekannt hatten. Botschafter Grubmayr berichtete am 11.  Jänner 1990 von seinem Gespräch mit Botschafter Bondarenko nach Wien, dass dieser festgestellt habe, dass „ein emotionaler Drang zur deutschen Wiedervereinigung den Interessen anderer Mächte untergeordnet werden müsse“ und „die Gespräche zwischen den beiden deutschen Staaten mit dem gesamteuropäischen Prozess synchronisiert werden müssten“, da – so Bondarenko weiter – „niemand die Deutschen unterjochen oder sie irgendeiner Sache berauben wolle, aber das deutsche Problem wie die Geschichte zeigt, nicht isoliert betrachtet und behandelt werden [könne]“.71 Ende Jänner 1990 bewertete die österreichische Botschaft in Moskau die gewandelte Haltung der Sowjetunion  – die als „Konzeptlosigkeit der offiziellen Ebene“ bezeichnet wurde – wie folgt: „Sowjetischerseits scheint man erkannt zu haben, dass die ‚Zeit davonzulaufen drohe‘, die Vereinigungstendenzen in der DDR werden überhandnehmen und die SU wird dies nolens volens zur Kenntnis nehmen müssen. Dabei wird Moskau bemüht sein, so lange wie möglich die

70 Botschafter Andreas Somogyi an BMAA , Warschau, 7.  Dezember 1989, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/43-II .3/89. 71 Botschafter Herbert Grubmayr an BMAA , Moskau, 11. Jänner 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 713/6-II .3/90.

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Eigenstaatlichkeit der DDR zu erhalten, sei es sogar im Wege einer EG -Mitgliedschaft, die offensichtlich als kleineres Übel angenommen wird.“72 Die entscheidende Kurskorrektur innerhalb der sowjetischen Deutschlandpolitik erfolgte zwischen Mitte Jänner und Mitte Februar 1990. Im Zuge des Besuchs Hans Modrows am 30.  Januar in Moskau, setzte Gorbatschow den DDR-Ministerpräsidenten über die geänderte sowjetische Position zur deutschen Wiedervereinigung in Kenntnis. Bei einer am darauffolgenden Tag gehaltenen Rede an der Evangelischen Akademie in Tutzing versuchte Genscher der Sowjetunion Sicherheitsgarantien bezüglich der nicht-beabsichtigten Ausdehnung der NATO auf das Gebiet der DDR zu geben. Am 2. Februar stattete Genscher seinem US -amerikanischen Kollegen James Baker einen Blitzbesuch ab. Der österreichische Botschafter in Washington, Hoess, berichtete von diesem Treffen nach Wien: „Zweck des Besuches sei es gewesen, der amerik[anischen] Seite die Dringlichkeit des d[eu]t[schen] Einigungsprozesses vor Augen zu führen. Das bis vor einiger Zeit noch gültige Argument, ein kontinuierlicher step by step Prozess sei aus Stabilitätsgründen nötig, sei hinfällig. Aufgrund der raschen Entwicklungen sei das Gegenteil richtig: wenn nicht rasch gehandelt werde, drohe durch den Zusammenbruch der DDR eine Destabilisierung, die es zu unterbinden gelte.“73

Anschließend reiste Baker nach Moskau wo er von 9. bis 10. Februar 1990 mit Schewardnadse und Gorbatschow zusammentraf. Die Gespräche drehten sich im Wesentlichen um den Zwei-plus-Vier-Prozess und die Frage der zukünftigen Bündniszugehörigkeit eines vereinigten Deutschlands. Zwar sah die Sowjetunion laut Gorbatschow die deutsche Einheit als „unabwendbar“ an, jedoch mussten sowjetische Sicherheitsinteressen gewahrt bleiben. Die von Baker vorgeschlagenen Zwei-plus-Vier-Gespräche über die äußeren Aspekte der deutschen Einheit bezeichnete Gorbatschow als „gangbar“. Baker verwies zudem auf eine Einbindung Deutschlands in die NATO „with assurances that NATO’s jurisdiction would not shift one inch eastward from its present position“. Bezüglich des Status Deutschlands stellte Gorbatschow klar, dass jedwede Ausdehnung der NATO inakzeptabel für die Sowjetunion sei.74 Bundeskanzler Kohl und Außenminister Genscher besuchten unmittelbar nach Bakers Abreise von 10.  bis 11.  Februar 1990 Moskau. In den Gesprächen erklärte Gorbatschow, dass die Deutschen selbst über die Wiedervereinigung entscheiden könnten, schränkte dies jedoch unter Verweis auf einen gesamteuropäischen Kontext und den Verzicht des vereinigten Deutschlands auf 72 Gesandter Martin Sajdik an BMAA , Moskau, 30. Jänner 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/12-II .3/90. 73 Botschafter Friedrich Hoess an BMAA , Washington, 8. Februar 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.18.02/1-II .9/90. 74 Vgl. Mary Elise Sarotte, 1989. The Struggle to create post-Cold War Europe (Princeton/Oxford: Princeton University Press, 2014), 110.

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eine NATO -Mitgliedschaft ein. Gorbatschow wollte wohl nicht als Reagierender sondern als Gestalter auftreten. In diesem Zusammenhang ist seine anerkennende Position für das Recht der Deutschen auf Wiedervereinigung auch zu verstehen. Dieses  – das Umdenken der sowjetischen Führung hervorhebende  – Signal stellte jedoch noch keineswegs den endgültigen Durchbruch in der deutschen Frage dar. Dieser erfolgte erst in den Gesprächen Gorbatschows mit Bundeskanzler Kohl am 10. Februar 1990 in Moskau. Das Recht der Deutschen auf Selbstbestimmung wurde vonseiten der Sowjetunion klar hervorgehoben, eine Positionierung, die sich in die Entwicklungen seit dem Besuch Gorbatschows in Bonn von 12. bis 15. Juni 1989 einreihte, bei dem die sowjetische Seite in der sogenannten „Bonner Erklärung“ das Selbstbestimmungsrecht der Völker ausdrücklich unterstützt hatte.75 Dennoch, so Botschafter Grubmayr im Februar 1990, stellte die „Infragestellung der Resultate des Zweiten Weltkrieges für die Sowjetunion einen sehr wunden Punkt“ dar und sie betonten, dass eine „Sturm und Drang Lösung für alle Teile schlecht wäre“. Außenminister Schewardnadse erklärte zur sowjetischen Forderung nach einer Neutralisierung Deutschlands, „die Welt ändert sich mit schwindelerregender Schnelligkeit: was wird, wenn in Frankreich oder England eine Diktatur ausbricht, oder in der Sowjetunion? Auch in Polen ist dies nicht ausgeschlossen…“.76 Die Sorgen der sowjetischen Führung kreisten jedoch auch um westdeutsche Einflussnahmen in der DDR , die – wie Botschafter Grubmayr dies umgangssprachlich darstellte – als „die Umarmung des Armutschkerls DDR durch den reicheren Vetter, der auf die östlichen ‚Schwäger‘ so ostentativ zu vergessen scheint“ charakterisiert wurden.77 Im Außenministerium in Wien hielt Gesandter Plattner in einer Information vom 21. Februar 1990 dazu fest: „Die Herstellung der deutschen Einheit ist zu einem der wichtigsten Themen der internationalen Politik geworden. […] Die Haltung des Kreml ist  – wohl in der Erkenntnis, daß die Entwicklung zur deutschen Einheit nicht aufgehalten werden kann – durch starke Konzessionen in dieser Frage gekennzeichnet. […] Die ursprüngliche Forderung nach Neutralisierung Gesamtdeutschlands wurde zwar formal nicht

75 Gemeinsame Erklärung sowie Gemeinsame Mitteilung von Gorbačev und Bundeskanzler Kohl vom 13. Juni 1989 (= Dokument 38a–b), in: Michail Gorbatschow und die deutsche Frage, 165–173. 76 Botschafter Herbert Grubmayr an BMAA , Moskau, 22. Februar 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/43-II .3/90. Zu den Aussagen Schewardnadses in der „Iswestija“, vgl. Rotstrichinformation Nr.  131/II der Hauptabteilung Information des MfAA vom 22. Februar 1990, Haltung der UdSSR zur deutschen Frage; mit Anlage: Interview des sowjetischen Außenministers Schewardnadse mit Iswestija vom 19. Februar 1990 (= Zusatzdokument 57A), in: Die Einheit, 297–299. 77 Botschafter Herbert Grubmayr an BMAA , Moskau, 22. Februar 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/43-II .3/90

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gänzlich fallengelassen, der Kohl-Besuch in Moskau ergibt jedoch den Eindruck, daß die SU [Sowjetunion] de facto nicht beabsichtigt, diese als conditio sine qua non aufrechtzuerhalten.“78

Zwischen Februar und Juli 1990 schien sich die Position der Sowjetunion bezüglich der außenpolitischen Dimensionen einer künftigen deutschen Wiedervereinigung wenig zu verändern. Die österreichische Botschaft in Moskau stellte im März 1990 dazu fest: „Eine gewisse Nervosität der sowjetischen Seite über die Entwicklung in Deutschland wird immer offenbarer. Muss man einerseits eine NATO -Mitgliedschaft Deutschlands schon aufgrund der Rücksichtnahme auf die eigenen Militärs und die nicht zu unterschätzenden konservativen Kräfte im Land ablehnen, hat man andererseits keine realen Alternativen zu bieten, da die Idee einer Neutralisierung Deutschlands offensichtlich schon obsolet geworden ist.“79

Einige Tage später wurde diese Einschätzung der österreichischen Diplomatie weiter konkretisiert: „Die SU ist bemüht, die Lösung der innerd[eutschen] Aspekte ‚den Deutschen selbst zu überlassen‘, um sich auf die äußeren Momente der Wiedervereinigung zu konzentrieren. Wo genau die Wasserscheide zwischen diesen beiden Bereichen verläuft, vermag in Moskau aber niemand zu definieren. Zu ersterem gehört das pauschale Akzeptieren des Selbstbestimmungsrechtes der Deutschen und man subsumiert hierunter im wesentlichen alle wirtschaftl[ichen] Aspekte der Vereinigung, wobei man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass man sowjetischerseits immer dann von einer innerd[eutschen] Frage spricht, wenn es gilt, die zerrüttete Wirtschaft der DDR durch BRD -Hilfe wieder auf die Beine zu bringen. Grundsätzlich herrscht aber die Tendenz vor, beinahe jedem Fragenkomplex der Vereinigung einen äußeren Aspekt zu verpassen, womit die Möglichkeit des ‚Einwirkens‘ unter allen Umständen aufrecht bleibt.“80

Die außenpolitischen Aspekte der deutschen Einheit sollten sodann in den folgenden Monaten im Rahmen des auf der Konferenz von NATO und WP-Staaten in Ottawa vereinbarten Zwei-plus-Vier-Prozesses einer Lösung zugeführt werden.81 78 Information, Gesandter Johann Plattner, Wien, 21.  Februar 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/35-II .1/90. 79 Information, Österreichische Botschaft Moskau an BMAA , Moskau, 7. März 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 43.18.03/1-II .3/90. 80 Gesandter Martin Sajdik an BMAA , Moskau, 13. März 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990. GZ . 22.17.01/71-II .3/90. 81 Vom 12.–14. Februar 1990 fand in Ottawa die „Open-Skies“-Konferenz der KSZE statt, am Rande derer am 13.  Februar 1990 eine grundsätzliche Einigung auf die „2+4“-Formel (BRD, DDR ; Frankreich, Großbritannien, Sowjetunion, USA) für die Verhandlungen über die außenpolitischen Bedingungen der deutschen Vereinigung erzielt wurde. Vgl. Botschafter Kurt Herndl an BMAA , Ottawa, 14. Februar 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/30-II .1/90.

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Erst das Zusammentreffen Gorbatschow-Kohl am 15.  und 16.  Juli 1990 in Moskau beziehungsweise Archys ebnete der deutschen Wiedervereinigung endgültig den Weg.82 Die außenpolitischen Aspekte der deutschen Frage blieben bis zur Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrages am 12. September 1990 weitestgehend in Verhandlung, wie die Ostabteilung des Wiener Außenamtes in einem von ihrem Leiter Gesandten Ernst Sucharipa gezeichneten Amtsvermerk festhielt: „Der Zustimmung zur NATO -Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands, dem Verzicht auf die lange angestrebte Neutralität Deutschlands und dem Abzug der sowjetischen Truppen aus der bisherigen DDR stehen gegenüber, dass keine NATO -Manöver in der bisherigen DDR (und somit kein Näherrücken der NATO an die Sowjetunion) stattfinden werden und eine Truppenbegrenzung für Deutschland sowie ein völkerrechtlich wirksamer Verzicht auf ABC-Waffen durchgesetzt werden konnte. […] Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Sowjetunion für aus ihrer Sicht verhältnismäßig geringe (weil mittelfristig praktisch unvermeidliche) Konzessionen eine hohe Abgeltung erhält und gleichzeitig ihre Position in Europa stärkt. Die Aufgabe der DDR allein bringt bedeutend mehr Wirtschaftshilfe und politischen Good-Will ein als die Entlassung aller anderen früheren Satellitenstaaten aus der sowjetischen Hegemonie zusammen.“83

VI. Schlussbetrachtung Die Einschätzungen der österreichischen Diplomaten zur Haltung der internationalen Staatengemeinschaft in Bezug auf die im Verlauf des Jahres 1989/90 immer dominanter werdende deutsche Frage ordnen sich in die Berichterstattun­gen der internationalen Diplomatie ein. Die Analysen des Wiener Ballhausplatzes stellen in diesem Zusammenhang keine Ausnahme dar. Die Aktualität der Frage überraschte die österreichischen Diplomaten genauso wie die Welt­politik. Jedoch stellte auch der Wahrnehmungskomplex des Ballhausplatzes keinen monolithischen Block dar. Vereinzelt erkannten österreichische Diplomaten den tieferen Sinn, die machtpolitischen Beweggründe oder akut gewordene Notwendigkeiten, die hinter den internationalen Entwicklungen zu stecken schienen, wie am Beispiel Thomas Nowotnys deutlich wird. Intensive Diskussionen entwickelten sich nicht nur auf internationaler diplomatischer Ebene, sondern auch zwischen den beteiligten Abteilungen des österreichischen Außenamtes, wie der für Osteuropa (II.3) und jener für die Belange von Grundsatzfragen und des Europarats (II.6) zuständigen Abteilung. 82 Botschafter Herbert Grubmayr an BMAA , Moskau, 18. Juli 1990, ÖStA, AdR, BMAA , IIPol. 1990, GZ . 22.18.03/2-II .3/90. 83 Aktenvermerk, Gesandter Ernst Sucharipa, Wien, 19. September 1990, ÖStA, AdR, BMAA, II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/266-II .3/90

Internationale Reaktionen aus Sicht der österreichischen Diplomatie

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Im Allgemeinen wurden die internationalen Geschehnisse mit Vorsicht, aber überwiegend positiv beurteilt.84 Nicht zuletzt spielten unmittelbare österreichische Interessen, wie Wirtschaftsbeziehungen  – etwa zur DDR  –, an denen auch tausende österreichische Arbeitsplätze hingen, eine nicht zu vernachlässigende Rolle für die Einschätzungen der österreichischen Diplomatie.85 Zudem war im Laufe der 1980er-Jahre in Österreich ein etwaiger Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften ein zentrales innen- wie außenpolitisches Anliegen geworden, das unter keinen Umständen in Gefahr gebracht werden sollte. Enge Beziehungen zu beiden deutschen Staaten kennzeichneten die österreichische Haltung gegenüber der deutschen Frage bis spät in den Herbst 1989. Noch zwei Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer besuchte der österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky – als erster westlicher Regierungschef – am 24. November Hans Modrow in Berlin, um weitere Wirtschaftsvereinbarungen zwischen Österreich und der DDR zu unterzeichnen. Mit seiner Aufwartung in Berlin trug Vranitzky jedenfalls erheblich zur Anerkennung des neuen DDRRegimes unter der Führung Modrows bei. Keine Frage, dass Österreich die deutsche Wiedervereinigung spätestens ab dem Zeitpunkt unmissverständlich unterstützte, als die internationalen Entwicklungen bereits klar in diese Richtung verliefen. Immerhin spielten neben den guten Kontakten zur DDR auf wirtschaftlicher Ebene auch die bilateralen Beziehungen zur Bundesrepublik eine entscheidende Rolle, da man sich auch der westdeutschen Unterstützung auf europäischer Ebene für einen Beitritt Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften bewusst war. Michael Gehler ist zuzustimmen, dass Bundeskanzler Vranitzky ab Februar/März 1990 nach Modrows Abwahl eine „Politik der Anpassung an die geänderten Verhältnisse“ verfolgte und sich positiv gegenüber der deutschen Wiedervereinigung zeigte.86 Dieser Einstellungswandel wird auch 84 Siehe dazu auch den Beitrag von Michael Gehler in diesem Band. Zur österreichischen Sichtweise, vgl. Michael Gehler, Eine Außenpolitik der Anpassung an veränderte Verhältnisse: Österreich und die Vereinigung Bundesrepublik Deutschland – DDR 1989/90, in: Michael Gehler/Ingrid Böhler (eds.), Verschiedene europäische Wege im Vergleich. Österreich und die Bundesrepublik Deutschland 1945/49 bis zur Gegenwart (Innsbruck/Wien/ Bozen: Studien Verlag, 2007), 493–530. Zur öffentlichen Wahrnehmung der Wiedervereinigung siehe Michael Wolffsohn, Der außenpolitische Weg zur deutschen Einheit. Das Ausland und die vollendeten Tatsachen, in: Eckhard Jesse/Armin Mitter (eds.), Die Gestaltung der deutschen Einheit. Geschichte – Politik – Gesellschaft (Bonn/Berlin: Bouvier, 1992), 142–162. 85 Siehe dazu auch den Beitrag von Maximilian Graf in diesem Band. Zu den Wirtschaftsbeziehungen Österreich-DDR in den späten 1980er-Jahren, vgl. Maximilian Graf, Österreich und die DDR 1949–1990. Politik und Wirtschaft im Schatten der deutschen Teilung (Wien: ÖAW Verlag, 2016), 530–569. 86 Vgl. Gehler, Österreich, die DDR und die Einheit Deutschlands 1989/1990, 449. Siehe dazu auch Andrea Brait, „Österreich hat weder gegen die deutsche Wiedervereinigung agitiert, noch haben wir sie besonders begrüßt“. Österreichische Reaktionen auf die Bemühungen um die deutsche Einheit, in: Deutschland Archiv, 23.9.2014.

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in der Berichterstattung der österreichischen Botschaften zu diesem Zeitpunkt deutlich. Die österreichischen Diplomaten gaben die Positionen der europäischen und außereuropäischen Staaten sachlich und informativ an Wien weiter. In ihren Wertungen schätzten sie die politische Lage zumeist recht korrekt und umfassend ein und brachten einige politische Sachlagen durchaus pointiert auf den Punkt. Insbesondere die politischen Einschätzungen des österreichischen Botschafters in Moskau, Herbert Grubmayr, und seines Gesandten Martin Sajdik waren immer wieder prägnant formuliert und mit pointierten Analysen verbunden und gaben die Haltungen einiger sowjetischer Politiker äußerst kritisch wieder. Dass die deutsche Einheit noch im laufenden Jahr vollzogen werden sollte, war dem österreichischen Außenministerium im Juli 1990 durchaus bewusst. „Die Reaktionen auf die deutsch-sowjetische Einigung sind weltweit einhellig positiv […]. Es kann nun damit gerechnet werden, daß die Vereinigung der beiden deutschen Staaten noch vor Jahresende Wirklichkeit wird“, so formuliert es Gesandter Johann Plattner in seinen Informationen zum Stand der deutschen Einheit Mitte Juli 1990 für den österreichischen Außenminister Alois Mock.87 Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten war schneller gekommen, als die Diplomaten am Wiener Ballhausplatz es voraussagten und für möglich gehalten hatten. Damit waren sie jedoch nicht allein. Den Großteil der internationalen Staatengemeinschaft überraschte die Geschwindigkeit dieser Entwicklung, die im Oktober 1990 zum friedlichen Vollzug der deutschen Einheit führte.

87 Information, Gesandter Johann Plattner, Wien, 18. Juli 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1990, GZ . 22.17.01/173-II .1/90.

IV. Neutrale und NATO-Staaten: Skandinavien

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The Road to Salvation? Sweden, the German Question, and the New Europe1 “Germany’s unification is the foremost manifestation that the unnatural division of Europe after the Second World War is now at an end. The task of building a new Europe has started, based on agreement and cooperation between all the peoples of Europe. Today, Sweden warmly welcomes a unified Germany into the community of European nations, and as a neighbour. We look forward to an expansion and intensification of the close cooperation between Germany and Sweden which we have enjoyed for many years.”2 Ingvar Carlsson, 3 October 1990

I. Introduction The words of Swedish Prime Minister Ingvar Carlsson on the eve of the unification of the two German states poses interesting questions about his use of history: Which Germany did he have in mind when pointing out that his country had enjoyed close cooperation for many years? Was Carlsson speaking of West Germany, both Germanies or maybe even the Weimar Republic and the German Empire? Studies published in recent years have argued that Sweden’s political and cultural ties with Germany have been as troublesome as they have been important to the Nordic country’s search for its place in Europe.3 Swedish-German relations have nonetheless received rather little attention from historians in either country. This is particularly true for the two final decades of the twentieth century. The aim of this chapter is, therefore, to offer  a first historical analysis of the background and evolution of the Swedish perception of the German Question in  a European context. It argues that the German Question played a surprisingly small role in Swedish foreign policy by the later period of the Cold War, although German reunification was of fundamental significance to Sweden’s accession to the EU. The chapter demonstrates that the 1 The research for this chapter was generously supported by the Sven & Dagmar Saléns Foundation. 2 Swedish Ministry for Foreign Affairs, Documents on Swedish Foreign Policy [DSFP] 1990 (Stockholm: Allmänna förl., 1991), 91–92. 3 Johan Östling, Sweden after Nazism: Politics and Culture in the Wake of the Second World War (New York/Oxford: Berghahn, 2016). The original was published as Nazismens sensmoral: svenska erfarenheter i andra världskrigets efterdyning in 2008.

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Carlsson administration maintained  a traditional approach comprised of the policy of neutrality, Nordic cooperation and a high profile in the United Nations while favouring stability over change and peace over freedom in matters related to European security. Therefore, Sweden initially focused heavily on superpower détente and viewed the possible outcomes of glasnost and perestroika as limited to the Soviet Union until in June 1989, as a reaction to the Polish elections and the cutting of the barbed-wire border fence between Austria and Hungary, this perception started to change. Sweden adapted to the rapid changes in Germany and Europe by intensifying its accession to the EC/EU before Carl Bildt used his 1991 election victory to transform the core of the Swedish policy of neutrality and complete Sweden’s transformation into a full-fledged European nation.

II.

Current State of Research

There has been an increasing decline in the research on Swedish-German relations during the Cold War for more than a decade. In recent decades, much of the research on the topic was carried out by Swedish historians linked to the Sweden during the Cold War (Sverige under kalla kriget, SUKK) research project and by German historians based at the Nordeuropa-Institut at Humboldt University in Berlin. In Sweden, at least three major reasons for the decline can be identified. First, in Sweden, the rise of gender history and the cultural, linguistic and other turns in the field of history have resulted in  a declining interest in political and diplomatic history as subfields.4 Second, much attention has been redirected towards reappraisals of the relations between Sweden and Germany and the morality of Swedish neutrality policy during the years of Nazi rule.5 Third, the rather rigid Swedish 40-year secrecy rule limits access to relevant documents such as the Foreign Ministry’s political files stored in the National Archives and the Government Offices Archives and Record Centre. Thus, whereas various topics such as diplomatic relations,6 public diplo4 See Chapters 5 and 6 in Gunnar Artéus/Klas Åmark (eds.), Historieskrivningen i Sverige (Lund: Studentlitteratur, 2012). 5 See, for example, Klas Åmark, Att bo granne med ondskan. Sveriges förhållande till nazismen, Nazityskland och Förintelsen (Stockholm: Bonnier, 2011); Daniel B. Roth, Hitlers Brückenkopf in Schweden. Die deutsche Gesandtschaft in Stockholm 1933–1945 (Münster: LIT, 2009) and Lars M. Andersson/Mattias Tydén (eds.), Sverige och Nazityskland: skuldfrågor och moraldebatt (Stockholm: Dialogos, 2007). 6 The most extensive work is Alexander Muschik, Die beiden deutschen Staaten und das neutrale Schweden. Eine Dreiecksbeziehung im Schatten der offenen Deutschlandfrage 1949– 1972 (Münster: LIT, 2005). See also Klaus-Richard Böhme, Die beiden deutschen Staaten in der schwedischen Sicherheitskonzeption 1945–1955, in: Robert Bohn/Jürgen Elvert/ Karl Christian Lammers (eds.), Deutsch-skandinavische Beziehungen nach 1945 (Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2000), 98–105 and Ulf Olsson (ed.), Neuanfang: Beziehungen zwischen Schweden und Deutschland 1945–1954. Sieben Beiträge (= Umeå Studies in Economic History 13, Stockholm: Militärhistoriska förlaget, 1990).

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macy,7 trade relations,8 the Swedish Social Democrats’ policy towards the German Question in the 1940s and 1950s9 have been studied in depth, there is currently very little research conducted on the 1970s and 1980s.10

III. Sweden, Germany, and the Cold War The final years of World War II had a profound and lasting impact on Swedish-German relations, creating an ambivalence between, on the one hand, continued admiration for German virtues and accomplishments, and despise for the crimes committed during the Nazi era, on the other hand, that has persisted well into the twenty-first century. The Nazi regime’s crimes and total surrender to the Allies in May 1945 ended the Swedish perception of Germany as a shining example of a culturally and intellectually enlightened and technologically and economically highly developed nation.11 Germany had been a role model for the Swedish royal house and much of the country’s elite since its defeat of France during the early days of the reign of Swedish king Oscar II in the early 1870s.12 In the post-war era, leading Swedish intellectuals reframed Nazism as  a distinctly German phenomenon rooted in the country’s militaristic and romantic traditions and reformulated the Swedish self-perception as a peaceful, liberal, and progressive nation in response. In his important book on Sweden’s turn away from Germany, historian Johan Östling uses one of the most prominent Swedes as an example: “Olof Palme belonged to a generation the whole of whose adult lives would be lived out in the postwar world. In the aftermath of the war, they were not the ones who had the right to interpret the official historical lesson of the Nazi experience: They were too young for that. But they were the ones who would live with it; they were the ones who would implement the ideas of 1945 and complete the break with the German cultural tradition.”13 7 Andreas Linderoth, Kampen för erkännande: DDR :s utrikespolitik gentemot Sverige 1949– 1972 (= Studia historica Lundensia 9, Lund: Lund University, 2002). 8 Rainer Plappert, Bevorzugte Partner. Die deutsch-schwedischen Außenhandelsbeziehun­ gen nach 1945, in: Robert Bohn/Jürgen Elvert/Karl Christian Lammers (eds.), Deutschskandinavische Beziehungen nach 1945 (Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2000), 113–129. 9 Klaus Misgeld, Sozialdemokratie und Aussenpolitik in Schweden: Sozialistische Internationale, Europapolitik und die Deutschlandfrage 1945–1955 (Frankfurt am Main: Campus, 1984). 10 The exception is public diplomacy, see Nils Abraham, Die politische Auslandsarbeit der DDR in Schweden: Zur Public Diplomacy der DDR gegenüber Schweden nach der diplomatischen Anerkennung (1972–1989) (Berlin: LIT, 2007). 11 Östling, Sweden after Nazism, Chapters 2–4. 12 Folke Lindberg, Kunglig utrikespolitik: studier i svensk utrikespolitik (Stockholm: Aldus/ Bonnier, 1966), 9–37, 80–158; Stefan Gammelien, Wilhelm II. und Schweden-Norwegen 1888–1905: Spielräume und Grenzen eines Persönlichen Regiments (= Nordeuropäische Studien 24, Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag, 2012). 13 Östling, Sweden after Nazism, 291.

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After Germany’s defeat in 1945, embassies and consular missions were shut down and bilateral relations halted. This posed a major challenge to Stockholm since Germany had been its most important trading partner with volumes over 25 percent of its imports and roughly 20 percent of its exports in 1939. By 1943, these numbers had risen to 51.4 percent and 47.1 percent respectively.14 Germany’s political and economic recovery after the end of the war was, therefore, imperative for Sweden. Sweden’s trade relations with the Soviet Occupation Zone (SOZ) recovered more quickly than with Allied-occupied Germany. A first agreement was made with the Soviet Union as early as 13 May 1946 and during the following year, seventy percent of Sweden’s German imports were from the SOZ , including some of the most important goods like salt, building plaster or iron scrap. This turned around quickly when Sweden took part in the U. S. Marshall Plan and signed agreements on trade with the American and British Zones during the spring of 1948, and with the French Zone in February 1949. The Nordic country’s trade with the SOZ developed in the opposite direction and experienced rapid decline during that period. When the trade agreement between Sweden and the SOZ ended on 30 June 1950, Stockholm declined to extend it. After the success of the 1948 Currency reform in the Western Zones, the newly founded Federal Republic of Germany (FRG) became Sweden’s third most important trading partner, after the United States and Great Britain, within a year. Conversely, Sweden was the FRG’s fourth most important trading partner by 1952.15 Three years later, the FRG had surpassed Great Britain to become Sweden’s most important European trading partner with import and export volumes almost reaching the pre-War levels of Swedish-German trade.16 Politically, however, Sweden’s relations with West Germany were not problem-free during the early years of the Cold War. Leading Swedish Social Democrats such as Foreign Minister Östen Undén maintained  a distance from Adenauer’s CDU and also disliked SPD Chairman Kurt Schumacher’s personality and rhetoric, which they perceived as nationalistic and authoritarian, resulting in comparisons with Hitler.17 Relations between Swedish and West German Social Democrats improved when Erich Ollenhauer succeeded Schumacher in 1952 and experienced a breakthrough when the former expatriates to Sweden Willy Brandt and Herbert Wehner rose through the ranks. Initially, Swedish Foreign Minister Östen Undén hoped for a reunification of Germany as a neutral and demilitarized state. Yet, the Swedish government avoided a clear stance on the German 14 Statistiska centralbyrån (SCB), Historisk statistik för Sverige D.3, Utrikeshandel 1732–1970 (Örebro: SCB , 1972), 301–306. 15 Muschik, Die beiden deutschen Staaten, 39–42. For a thorough examination of Sweden’s trade with Eastern Europe, see Birgit Karlsson, Handelspolitik eller politisk handling: Sveriges handel med öststaterna 1946–1952 (= Meddelanden från Ekonomisk-historiska institutionen vid Göteborgs universitet 66, Gothenburg: University of Gothenburg, 1992). 16 SCB , Utrikeshandel, 309–316. 17 Misgeld, Sozialdemokratie und Aussenpolitik in Schweden, 88–92.

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Question. Stockholm acknowledged the FRG the day before the constitution of the GDR came into force on 7 October 1949 and assured West German diplomats that it would not acknowledge the GDR , but refrained from publicly declaring a definite position on the issue. With the exception of the Swedish Communist Party (Sveriges kommunistiska parti, SKP) and its daily newspaper Ny dag, the Swedish public viewed the GDR with great scepticism. By the new year, Sweden had normalized its relations with the FRG, while refusing to acknowledge the GDR , despite protests from the communist camp. Undén justified this course against objections from Moscow by highlighting that the GDR lacked an elected government, was completely dependent on the Soviet Union and that an acknowledgement would sanction the permanent division of Germany.18 At the same time, Östen Undén remained critical of Adenauer’s Westpolitik, which he perceived as the cementation of Germany’s division. The aging foreign minister considered Bonn’s claim to sole representation, as defined in the so-called Hallstein Doctrine, an “impossible assumption” (omöjlig tes) as he put it in his diary in October 1955.19 The West Germans were well aware of Undén’s criticism, fearing possible changes in the Swedish policy towards the GDR , and pressured the Swedes on recurring occasions, both bilaterally and with the support of the Western powers. But neither discomfort with West German politicians nor Sweden’s neutrality policy hindered the Swedish government from eventually choosing sides. In December 1955, it accepted the Hallstein Doctrine and renounced rumours about either de jure or de facto acknowledgement of the GDR .20 German historian Alexander Muschik has demonstrated that the West German threats of sanctions against Sweden had the desired effect. Despite Undén’s reservations against both Adenauer’s Politik der Stärke (policy of strength) and the course of the Western Allies, which he accused of only being interested in integrating the FRG and ignoring any potential reunification in one of his many anonymously published lead articles in the social democratic paper Morgontidningen, the Swedes largely accepted the Western demands. The reason for this was that Prime Minister Erlander and experts of the Foreign Ministry did not share Undén’s critical assessment and were far more suspicious of the Soviets than the aging foreign minister. The West German government took these divergent opinions in Stockholm very seriously and considered the Swedish position as “utterly labile” in internal correspondence from September 1955. Therefore, the Auswärtiges Amt continued to pressure the Swedes, threatening them rather bluntly with the negative consequences of a breach of the Hallstein Doctrine. Moscow impelled the East Germans to try to profit from the situation and strengthen relations with Sweden through intensified propaganda and by 18 Ulf Bjereld/Alf W. Johansson/Karl Molin, Sveriges säkerhet och världens fred. Svensk utrikespolitik under kalla kriget (Stockholm: Santérus, 2008), 152–154; Linderoth, Kampen för erkännande, 51–67; Muschik, Die beiden deutschen Staaten, 42–52. 19 Ibd., 55. 20 Ibd., 80–105.

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establishing cultural, economic and personal ties, but instead, the West German pressure resulted in  a breakthrough in Swedish-West German relations in early 1956. In March of that year, Bonn agreed to refrain from claims of compensation for confiscated German assets in exchange for the delivery of the remaining assets of the former German legation in Stockholm, which meant that Sweden had de facto acknowledged the FRG as the legitimate successor of the German Reich. In April 1956, West Germany and Sweden lifted the formal status of their legations to that of embassies. Although Sweden never seriously considered damaging its relations with West Germany in the light of the revived trade partnership and the goal of economic convergence with the European Economic Community (EEC), Bonn remained suspicious during the following years, renewing its threat of breaking off all relations whenever rumours of a Swedish rapprochement towards the GDR circulated.21 Starting in the late 1950s and early 1960s, the GDR initiated various activities with the support of both Moscow and Swedish Communists in order to persuade Sweden to change its policy. These included broadcasts in Swedish through the East German ADN (the Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst or General German News Service), the placement of an ADN correspondent and  a representative of the Deutsche Reichsbahn in Stockholm and the establishment of the Sweden-GDR Association (Freundschaftsgesellschaft Schweden-DDR) with the goal of promoting ties between the two countries. The West Germans reacted immediately. The Auswärtiges Amt extended the West German Embassy’s budget and launched a diplomatic counteroffensive including invitations of Swedish journalists to visit West-Berlin, brochures and even a movie about the status of Berlin and German visits to Sweden by leading West German Social Democrats like West-Berlin’s mayor Willy Brandt and other former expatriates like Senator Paul Bromme from Lübeck or Hamburg’s mayor Max Brauer. Bonn also invested in the improvement of travel routes between the two countries via Denmark in order to underscore the significance of the Sassnitz-Trelleborg ferry route.22 Sweden also became entangled into the German-German quarrel over the use of the new East German flag at sporting events and exhibitions.23 The West German initiative, Undén’s retirement and the deteriorating relationship between the Swedish and East German Communist Parties created a more favourable atmosphere between Stockholm and Bonn. Tage Erlander and Torsten Nilsson, who had succeeded Undén two years earlier, visited the West German capital in 1964. This resulted in the continued denial of renewed East-German attempts at creating a semi-official representation through the placement of state officials in Stockholm.24 21 Linderoth, Kampen för erkännande, 68–123; Muschik, Die beiden deutschen Staaten, 109–117. 22 Muschik, Die beiden deutschen Staaten, 121–125 and 133–148. 23 Ibd., 149–156. 24 Ibd., 121–177. For the East German perspective on the 1960s, see Linderoth, Kampen för erkännande, 124–232.

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During their visit to Stockholm in September 1966, Chancellor Ludwig Erhard and Foreign Minister Gerhard Schröder maintained that there would be no changes to Adenauer’s course towards the GDR . This was potentially problematic for the Swedish government as opinion polls indicated that the majority of the Swedish people now supported an official recognition of the GDR . It became obvious that the Erhard administration was ignoring the signs of the times. The changing political climate of the late 1960s resulted in growing criticism of the Hallstein Doctrine, which was increasingly viewed as an anachronistic obstacle to détente. Three months after the West German state visit to Sweden, the Liberals left the government, forcing Erhard to resign from office. His successor Kurt Georg Kiesinger appointed Willy Brandt as foreign minister, and the new government turned over a new leaf when it defined rapprochement as the primary foreign policy goal rather than reunification. Torsten Nilsson was an outspoken supporter of his fellow Social Democrat Brandt and ordered his diplomats at the Ministry for Foreign Affairs to unconditionally support Bonn’s Neue Ostpolitik. Nilsson, therefore, ignored public opinion and actively resisted calls for a change of attitude towards the GDR both in the Riksdag and in bilateral relations with other states. Just like Erlander and Undén, Palme and Nilsson were not willing to risk the membership negotiations with the EEC over the GDR , but they went farther in their support of Bonn than their predecessors attempting to dissuade both Chile and Finland from acknowledging the GDR . Although the GDR’s reputation suffered heavily from the country’s alleged participation in the invasion of Czechoslovakia in August 1968, the Hallstein Doctrine virtually imploded when a certain number of Middle Eastern and Asian states abandoned it and slowly started to normalize their relations with East Berlin. Sweden stood firm with Bonn nevertheless, allowing only the establishment of an East German cultural centre in Stockholm during a time when public diplomacy was clearly losing importance due to the improvement in relations between the blocs. The Palme administration supported the transition from the Hallstein to the Scheel Doctrine and established formal relations with the GDR only after the Basic Treaty ended the inner-German struggle in 1972.25 Once relations with both German states had formally normalized, the GDR succeeded in gaining popularity among the Swedish population through intensified public diplomacy. These initiatives consisted of the abovementioned friendship societies, German language courses offered to Swedish teachers by the DDR-Kulturzentrum, public events and specific actions towards the Swedish media.26 On  a political level, in issues dealt with at the CSCE or the UN for 25 Muschik, Die beiden deutschen Staaten, 179–208. 26 Abraham, Die politische Auslandsarbeit der DDR in Schweden, 481–491. Media historian Marie Cronqvist presented interesting preliminary results from an ongoing research project “Entangled television histories. Media networks and programme exchange between the GDR and Sweden” to this author during a seminar at Stockholm University, held on 27 April 2016.

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example, Sweden’s loyalty to Bonn peaked during the Brandt years before it suffered to some extent from the policy shifts brought about by the Schmidt and Kohl administrations.27 Sweden was also of considerable interest to the activities of the East German foreign intelligence service, the HVA (Hauptverwaltung Aufklärung). The main reasons for this, in addition to the geographical proximity, were Sweden’s political status as a neutral state and its past as a safe haven for German expatriates. After the building of the Berlin Wall, the HVA had its spies infiltrate the FRG from neutral countries. Sweden was also used as a meeting place with West German informants. Originally, the main objective of HVA agents was to support the official acknowledgment of the GDR . From 1973 onwards, their focus shifted towards traditional military and industrial espionage.28

IV. Superpower Détente and Change in Europe During the second half of the 1980s, Sweden approached the situation in Europe from an East-West perspective, focusing on superpower détente and the improvement of its own relations with the Soviet Union after years of irritation over submarine intrusions into Swedish waters. In his statement on the government’s foreign policy in parliament on 18 March 1987, Foreign Minister Sten Andersson explained that he believed that the international situation gave cause for both concern and hope. Accordingly, the nuclear arms race remained the biggest threat to global peace and, thus, the rapprochement between Ronald Reagan and Mikhail Gorbachev at Reykjavik a few months earlier was to be considered as vital. Reagan’s Strategic Defence Initiative, crises such as the Soviet invasion of Afghanistan or Apartheid in South Africa pushed the German Question into background. Stockholm’s own foreign policy priorities at that time included nuclear disarmament and the idea of a nuclear-weapon-free zone in the Nordic area, the country’s own military defence and territorial integrity, Nordic cooperation, the CSCE and interventions in the UN on the abovementioned hot spots.29 German reunification seemed “far away” in the eyes of the Swedish government, as Under-Secretary of State for Foreign Affairs Pierre Schori put it in October 1987. The Swedes, therefore, believed that the goal of any policy aiming at further improving relations between the two German states would have to promote the course laid out by Willy Brandt’s Ostpolitik, i. e. working 27 Aryo Makko, Ambassadors of Realpolitik: Sweden, the CSCE , and the Cold War (New York/Oxford: Berghahn, 2016). 28 Christian Halbrock, Die Westarbeit der HVA im Norden – das Königreich Schweden im Visier ostdeutscher Spitzel und Agenten, in: Horch und Guck. Zeitschrift der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ Leipzig, Vol. 55 (2006) 3, 22–36 (2006; http://www.horchund-guck.info/hug/archiv/2004-2007/heft-55/05506/, zuletzt abgerufen am 18.8.2016). 29 Swedish Ministry for Foreign Affairs [SMFA], Documents on Swedish Foreign Policy [DSFP] 1987 (Stockholm: Allmänna förl., 1990), 13–21

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407

towards the democratization of Eastern Europe through continued détente and intensified co-operation between the blocs. Schori applauded the fact that European democracies had not contributed to worsening the tensions caused by the superpower’s arms race a few years earlier but focused on working in order to make Europe less sensitive to the turns in East-West relations. This, he argued, would allow “bridging the gap between nations and blocs” as Honecker’s visit to Bonn a few weeks earlier had borne witness.30 Staying true to its traditional Cold War formula “gladly Norden [the North] and the world, but rather not Europe” and considering peace over freedom (in Eastern Europe) a necessity, Stockholm favoured the status quo in Europe. Therefore, improved relations between the GDR and the FRG were viewed in the context of détente but not considered to be of imminent relevance to Sweden.31 Throughout 1988, three issues dominated the Swedish debate on the political situation in Europe. First, détente between the superpowers; second, the increasingly intense social and political changes in the Soviet Union and Eastern Europe resulting from the reforms under Gorbachev; and third, renewed discussions about Sweden’s relationship with the EC , most often departing from the status quo of Sweden as an important member of EFTA .32 In his speech during the foreign affairs debate in the Riksdag on 16 March 1988, Foreign Minister Sten Andersson focused on the violation of Swedish waters by foreign submarines and pointed to the fact that the agreement between the superpowers on the Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty (INF Treaty) was a breakthrough in Soviet-American relations but had not removed “any of the fundamental antagonisms that have governed East-West relations” since the end of World War II.33 Andersson touched upon every aspect of relevance to the government’s foreign policy, including an agreement with the Soviet Union on fishing in the Baltic Sea, but did not mention Germany at all. Generally, the situation in the communist bloc was observed with a mixture of anxiety and hope but nobody in Stockholm even thought of any hypothetical scenarios where glasnost and perestroika would result in repercussions for Germany.34 In early 1989, the Swedish government acknowledged the positive spirit that had been established in all of Europe but also confirmed its satisfaction with the order of things by pointing to cooperation beyond the blocs and between the two German states rather than anticipating or even speculating about a possible unification of the two German states. Pierre Schori maintained that “A lot remains to be done, but something important has happened. Things have taken a new course. In both East and West, there are now expectations of the ‘outbreak 30 SMFA , DSFP 1987, 40–41. 31 Mikael af Malmborg, Den ståndaktiga nationalstaten: Sverige och den västeuropeiska integrationen 1945–1959 (Lund: Lund University, 1994), 29–34. 32 See for example SMFA , DSFP 1988, 213–220 and 220–226. 33 SMFA , DSFP 1988 (Stockholm: Allmänna förl., 1990), 10–11. 34 SMFA , DSFP 1988, 68–69.

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of peace’ enduring and developing into  a conclusive dismissal of the stalemate and the hostile images of the Cold War. The movement towards integration in Western Europe, and the hope of a wind of change sweeping across Eastern Europe as well, are inspiring hopes of a new Europe beyond bloc boundaries and the Berlin Wall, offering new opportunities of co-operation between East and West.”35

The Swedish status-quo-oriented thinking continued throughout the first half of 1989. The vast majority of the leading political figures in the Swedish capital reiterated the old mantra about Sweden’s willingness to cooperate more closely with the EC without compromising the policy of neutrality. They also warned observers of the possibility of a return to greater hostility between the blocs as had happened after the conclusion of the Helsinki CSCE in 1975. During his state visit to the GDR between 21 and 23 January 1989, Prime Minister Carlsson focused on the reduction of military forces earlier as had been announced by Honecker and on environmental problems in Eastern Europe.36 Addressing an audience of leading experts at the Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) on 3 February 1989, Carlsson stated that no one could foresee the long-term effects of the ongoing reforms in the Soviet Union. He added in great clarity that the possible effects were most likely to be limited to changes in the Soviet society rather than affecting the geopolitical realities in Europe. Carlsson blamed the Stalinist system and the Soviet Union for the “artificial barriers that divide Europe” and defined Sweden’s approach to Europe in a narrow way with limited aims related to the environment throughout the continent, the creation of jobs, and improved relations between countries in order to avoid future wars.37 The Swedish government’s cautious scepticism towards the situation in Eastern Europe and the Soviet Union was also reflected in  a speech delivered to parliament by Foreign Minister Andersson on 22 February 1989. Andersson stated that the government would welcome definite change for the better in international politics and lauded the recent developments as “more dramatic than anything which has happened since the Second World War.” At the same time, he reiterated Carlsson’s position by viewing them as limited to the Soviet Union and “other parts of Eastern Europe” without mentioning Germany or the possibility of further changes in German-German relations.38 It was only during the weeks and months of the dismantling of Hungarian border surveillance and the cutting of the barbed-wire fence on the border of Austria to Hungary in May and June 1989 that the Swedish perception of the ramifications of the ongoing political developments started to change. Earlier perceived as superpower détente with limited social repercussions for parts of 35 36 37 38

SMFA , DSFP 1989 (Stockholm: Allmänna förl., 1990), 25. SMFA , DSFP 1989, 27 and 39. SMFA , DSFP 1989, 37–39. SMFA , DSFP 1989, 10–18.

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Eastern Europe only, some Swedish decision-makers now started to grasp the course of events as more fundamental to the political realities of the continent as a whole. In a speech delivered on 7 June 1989 at a conference on Baltic Studies, Ingvar Carlsson for the first time acknowledged that the changes occurring may be irreversible but still failed to even mention East Germany as part of this context.39 Six days later, Foreign Minister Andersson lauded the first free elections held in Poland (on 4 June) adding that Hungary was heading in the same direction but also pointing to the fact that “the situation is gloomier in the German Democratic Republic, Czechoslovakia and Bulgaria—to say nothing of Romania.” Andersson claimed that regardless of the varying pace of changes in these countries, Eastern Europe could no longer be considered the “uniform, Moscow-directed bloc it once was,” which he added was “a good thing.”40 But these observations did not yet affect either the Swedish government’s own foreign policy or its perception of the German Question at all. “Swedish neutrality stands firm. And it must remain immovably so,” Andersson stated time and again.41 Sweden maintained its status quo oriented position even when turmoil reached the GDR in the fall of 1989. Although quickly resulting in the peaceful collapse of the country’s one-party system, Carlsson, Andersson, Schori and others were eager to maintain that neither the fall of the Berlin Wall nor the wave of democratization sweeping throughout all of Eastern Europe or the reforms in the Soviet Union had profound effects on Sweden’s foreign policy: “A lower political temperature and the democratic process in several East European countries have not reduced the value of the Swedish policy of neutrality. This policy aims to preserve Sweden’s national independence and our democratic society, and to keep Sweden out of wars as far as this is possible. This policy has not changed in any respect.”42

In Stockholm’s initial reaction to the revolutionary events of 9 November 1989, the significance of the fall of the Berlin Wall was described in symbolic terms. Rather than considering the possibilities offered by the profound changes in Germany, the Swedish government pointed to the CSCE process as the “natural initial framework for things to come.”43 Their focus on an existing forum like the CSCE can be understood as another example of Sweden’s approach to Cold War Europe, favouring stability and the status quo over freedom and change. Carlsson brought up the situation of the newly founded Social Democratic Party in the GDR and praised Willy Brandt as a leader whom history had proven right,

39 40 41 42 43

SMFA , DSFP 1989, 88. SMFA , DSFP 1989, 97. SMFA , DSFP 1989, 95. SMFA , DSFP 1989, 140. SMFA , DSFP 1989, 122.

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but there was no talk of  a possible reunification of Germany.44 In discussions about potential future political, economic or environmental cooperation with Eastern European countries, the Swedish Prime Minister explicitly mentioned Estonia, Latvia, Lithuania, the Soviet Union, and Poland but not the GDR .45 Reporting from East Germany for the independent social democratic paper Aftonbladet, Sweden’s largest tabloid, journalist Rolf Alsing described the events in an equally cautious manner pointing to the fact that the opposition was “unorganized and lacks, with few exceptions, leading politicians who aren’t compromised by the country’s Stalinist past.”46 During the following weeks, Swedish media cited not only the Kremlin’s firm position on the inviolability of borders within Europe as laid down in the Helsinki Final Act but also maintained that “a rapprochement between the two German states—and eventually probably a reunification—is inevitable.”47 These doubts were also uttered by leading writers in the liberal newspaper Dagens Nyheter, which warned of a unified Germany with 80 million inhabitants as  a potential source of danger to the European security system in general and minor Eastern European states in particular.48 Many Swedish observers did not yet trust the Kremlin’s replacement of the Brezhnev Doctrine with what Foreign Ministry spokesman Gennadi Gerasimov had jokingly defined as the “Sinatra Doctrine” in Helsinki two weeks earlier, i. e. allowing the Eastern Europeans to “do it their way.”49 The Swedish government did not reconsider its conservative position on the German Question before it became obvious that the rapid disintegration of the GDR was forcing the Modrow administration to open up to unification with the FRG. On 14 March 1990, four days prior to the first free elections in East Germany, Foreign Minister Andersson pointed out that “the 1990s could become the decade of fulfilled hopes.”50 In late April, Swedish Prime Minister Ingvar Carlsson finally fully addressed the issue of German unification for the first time: “Three issues are particularly critical in the debate about the Europe of the 1990s. The first concerns Germany, and has to do with the role which  a united Germany may come to play in Europe. Psychologically and historically, there is an understandable background to this question. We cannot, and must not, forgive the wrongdoers of the Hitler era. And we can never and must never forget the outrages they perpetrated. But for over forty years, the Federal Republic of Germany has been  a functioning SMFA , DSFP 1989, 129–130. SMFA , DSFP 1989, 134–137. Rolf Alsing, Desperat försök behålla makten, in: Aftonbladet, 9.11.1989. See for example Rolf Alsing, Muren är historia, in: Aftonbladet, 11.11.1989 and Ett enat Tyskland – men när?, in: Aftonbladet, 29.11.1989. 48 Arne Ruth, Idag är vi alla berlinare, in: Dagens Nyheter, 11.11.1989 49 Geir Lundestad, The European Role at the Beginning and Particularly the End of the Cold War, in: Olov Njølstad (ed.), The Last Decade of the Cold War. From Conflict Escalation to Conflict Transformation (London: Frank Cass, 2004), 61. 50 SMFA , DSFP 1990 (Stockholm: Allmänna förl., 1991), 11.

44 45 46 47

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democracy. In the German Democratic Republic, the people themselves have carried out  a peaceful revolution, brought down the dictatorship, held free elections, and formed  a democratic government. If the Germans now themselves decide, by democratic means, to unite their two states, this must be respected by the international community. And we in the Nordic countries, who are such close neighbours of Germany, have particular cause to welcome a democracy that seeks trusting cooperation with the countries in its vicinity. Certainly, a united Germany will be powerful. The Soviet Union will continue to be powerful. And the United States will not abandon its interests in our continent simply because the iron curtain has been lifted. But what these factors underline is that we need a better European security system. We need a system which more firmly obliges the strong, which more effectively protects the weak, and which leaves no country outside its fold. The basis for such a system exists, and can be developed, in the Conference on Security and Cooperation in Europe.”51

Ingvar Carlsson would continue to point to the particular importance of the CSCE as the best road towards achieving a new European order. During a speech delivered to his party on 15 September 1990, he acknowledged that the political map of Europe was being fundamentally redrawn as the Cold War relaxed its iron grip on people who had struggled for peace and freedom. Carlsson viewed this as a “breakthrough for Olof Palme’s and Willy Brandt’s vision of a Europe without borders, where conversation and cooperation take the place of confrontation and competition in arms.” The Swedish Prime Minister declared that his country would take part in building a free and peaceful Europe. The key task would be to consolidate common security and build a new stable system of collective security for Europe. The means for realizing these goals was the CSCE framework, where “we can develop and consolidate this common security—and that applies to all the nations of Europe.”52 On 3 October 1990, Carlsson welcomed the unification of Germany “with the greatest satisfaction,” expressing his hope for “expansion and intensification of the close cooperation between Germany and Sweden, which we have enjoyed for many years.”53 He did not, however, specify whether he was thinking of Swedish-West German or Swedish-East German relations during the Cold War era or maybe actually of Swedish-German relations in a longer perspective.

V.

Sweden in the Post-Cold War Era: From German to European Reunification

The years following the reunification of Germany and the collapse of the Soviet Union were a remarkably turbulent period in Sweden’s more recent history. A housing bubble, quite similar to the one leading to the 2008 financial crisis in 51 SMFA , DSFP 1990, 51. 52 SMFA , DSFP 1990 (Stockholm: Allmänna förl., 1991), 82. 53 SMFA , DSFP 1990, 91–92.

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the United States, burst in the fall of 1990 and threw Sweden into deep economic turmoil.54 The crisis helped Moderate Party Leader Carl Bildt and his coalition of opposition parties to win the 1991 General Election against the once dominant Social Democrats for only the third time in almost 60 years. The change of government would come to play an important role in Sweden’s post-Cold War reorientation. Relations between the European Community (EC) and EFTA had been intensifying since the mid 1980s. Industrial products were exempted from duty from 1984 onwards. By 1987, Sweden and the other EFTA states were in full negotiations with President of the EC Jacques Delors about ways to deepen their relationship. As part of this development, the Swedish Social Democrats reviewed their traditional stand against Swedish membership in the EC as incompatible with neutrality policy. Finally, the end of the Cold War removed the conditions in which the neutrality policy of Östen Undén had been designed. The Carlsson administration, therefore, managed to follow up proposition number 1987/88:66 (titled About Sweden and Western European Integration) and take a lead within EFTA to push for the conclusion of the Agreement on the European Economic Area in October 1991 despite facing Austrian opposition during the EFTA meetings in Tammerfors (1988), Oslo (1989) and Gothenburg (1990).55 In his memoirs, Ingvar Carlsson rejects the criticism against his course during the fall of 1990, perceived as a surprising turnaround performed without proper briefing of his own government or close partners abroad, not only by political opponents, the Swedish press, and scholars but also by the Finnish Prime Minister Mauno Koivisto.56 Carlsson argues instead that it was the culmination of “a process that had been going on under full insight from everybody who was interested” for several years.57 Carlsson’s response to the events of the late 1980s and early 1990s can be understood as an adaption of Sweden to the new Europe without touching the core of the country’s traditional foreign policy. In the annual statement of the government’s foreign policy from February 1991, it was stated not only that “our policy of neutrality, underpinned by a strong and all-around defence, will remain the foundation for our security” but it was also acknowledged that radical 54 Rima Turk, “Housing Price and Household Debt Interactions in Sweden”, IMF Working Paper No. 15/276 (2015), 4–11. For the reactions on the crises, see Bengt Larsson, Bankkrisen, medierna och politiken: offentliga tolkningar och reaktioner på 90-talets bankkris (phil. Diss., University of Gothenburg, 2001). 55 Pär Åberg, Socialdemokraterna och EG – en studie av socialdemokraternas omsvängning i frågan om svenskt medlemskap i Europeiska Gemenskapen (phil. Diss., University of Gothenburg, 2010), 18–39. 56 I would like to thank Marjo Uutela for drawing my attention to the Finnish perception of Carlsson and Sweden in this context. See, for example, Jaakko Blomberg, Vakauden kaipuu. Kylmän sodan loppu ja Suomi (Helsinki: WSOY, 2011), 214. 57 Ingvar Carlsson, Så tänkte jag: politik och dramatik (Stockholm: Hjalmarson & Högberg, 2003), 410.

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changes in the world were changing the prerequisites for Sweden’s peacetime foreign policy.58 It was Carlsson’s successor Carl Bildt, a long-time opponent of the Social Democratic Undén Line who had wanted Sweden to take a clear stand with the West against the USSR once Cold War tensions had arisen again in the 1980s, who would complete Sweden’s transformation. Shortly after taking up the post of prime minister, Bildt set out his government’s goal of setting up a referendum in 1994 and joining the EU in 1995. Bildt described Sweden’s participation in the Common Market with free movements of persons, services, goods, and capital as an important step in the right direction, which needed to be followed up with full membership in the EU: “However, the EEA Agreement does not give us the right to participate in determining European developments. Unless we become members of the EC , we will be excluded from areas which directly concern vital Swedish interests: common security and foreign policy and the task of achieving economic and monetary union. Only by becoming a member of the EC can Sweden fully participate in, and exercise influence on, European cooperation. It is a question of giving Sweden and its citizens the right to vote in the new Europe.”59

On a different occasion, Bildt’s Foreign Minister Margaretha af Ugglas explained that the improved security situation in Europe and the fact that nuclear war between the superpowers was now  a remote threat.60 In this new Europe, Swedish foreign policy would consist of active participation in the CSCE and the EU, as earlier laid out by Carlsson and Bildt. Germany remained important as a trade partner but in security matters, Stockholm’s focus continued to be on the Baltic states, the Nordic area and non-European issues.61 As part of this transformation, described as a “new Swedish identity” by Christine Agius, the latter part of Undén’s old formula of “non-alignment in peace, aiming at neutrality in the event of war” was rephrased into “[…], aimed at neutrality in wars that take place in our nearby vicinity” in 1992.62

VI. Conclusion The Swedish Social Democrats dominated the country’s politics for most of the Cold War era. They conducted a foreign policy that favoured peace over freedom (in Eastern Europe) and stability over (potentially dangerous) change in matters of European security. This position persisted until the winds of change started 58 59 60 61 62

SMFA , DSFP 1991, 14–15. SMFA , DSFP 1990, 51. SMFA , DSFP 1992, 16–18. SMFA , DSFP 1992, 45–49. Christine Agius, The Social Construction of Swedish Neutrality: Challenges to Swedish Identity and Sovereignty (Manchester: Manchester University Press, 2006), Chapter 6.

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Aryo Makko

to blow hard in 1989. Therefore, Swedish Prime Minister Ingvar Carlsson and his government were initially almost exclusively concerned with superpower détente and reforms potentially affecting Soviet society rather than with possible changes in inner-German relations. The Cold War had worked out well for Sweden after all, both politically and economically. Sweden had successfully maintained an independent policy of neutrality despite integrating with the West ideologically, economically, and politically. Therefore, the Swedes were hesitant to apply the strong internationalist rhetoric they had used in the context of “third” world issues since they had responded to decolonization by taking up a role as a “moral superpower.” In the late 1980s, most Swedish diplomats could not imagine a unified Germany and were not too worried of its powerful future once it had become reality. The German Question was only considered to be part of the larger process of superpower détente during the second half of the 1980s and of European integration in the first half of the 1990s. As such, Carlsson’s Social Democratic administrations reacted and adapted to the new realities but it was only under the leadership of Carl Bildt that Sweden finally conflated its neutral security policy with its Western Europe-oriented trade policy into a new and holistic approach to Europe.

Juhana Aunesluoma and Marjo Uutela

In Germany’s Footsteps German Reunification and Finland, 1987–1994

I. Introduction The question of a divided Germany lay at the heart of Finland’s position in the Cold War. Having fought alongside Germany in 1941–44, Finland was placed in the Soviet sphere of strategic interest in the endgame of World War II.1 While it avoided the fate of the “people’s democracies”, and gradually carved a space for its neutrality policy within the Cold War status quo in Europe, Finland’s position in the East-West conflict was constantly influenced by the current state of affairs when it came to the two German states, their place in their respective Cold War blocs, and their mutual relations. Whereas after 1944–48 the Soviet Union hardly entertained much hope for a ‘democratization’ of Finland following the models of Hungary and Czechoslovakia, it legitimized its political and military interests in Finland with the latter’s past behaviour as one of Hitler’s comradesin-arms, and by  a need to prevent  a renewal of this threat in all imaginable futures. Whatever happened in Germany, East or West, therefore had direct bearing on Finland’s position. This was seen during the Berlin crisis of 1958–61, with their negative repercussions in Finland, and again from the late 1960s onwards in an opposite direction. As a result of the Federal Republic of Germany’s (FRG) Ostpolitik and subsequently also the easing of Soviet anxieties towards the FRG, Finland’s room for maneuver increased as well. The positive developments in Soviet-West German-relations during the renewed détente during the latter half of the 1980s impacted positively on Finland, as will be seen below. However, as long as the division of Germany into two states continued, Finland’s options were limited. Not surprisingly, the fall of the Berlin wall and the unification of the two Germanies influenced Finland as well. With the question of Germany effectively removed from the agenda of the victors of the World War II, Finland’s position shifted. Not only was the Soviet Union less interested in what kind of relations

1 Tatyana Androsova, The Allied Control Commission in Finland 1944–1947: Zig-zags in the Tactical Line, in: Jukka Nevakivi (ed.), Finnish-Soviet Relations 1944–1948 (Helsinki: The University of Helsinki, Political History, 1994), 44–66, Jukka Nevakivi, The Control Commission in Helsinki—a Finnish View, in: ibd., 67–79.

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Juhana Aunesluoma and Marjo Uutela

Finland had with Germany, Finland was also able to restore its full sovereignty when it came to the limitations imposed on its military defences in the Paris Peace Treaty of 1947: itself a living legacy of the World War II in Finland. Further­more, also the bilateral Finnish-German relationship changed. With Finland’s decision to apply for EU-membership and in the forging of a partnership between the two countries during and after the membership negotiations, the end of the Cold War and the reunification of Germany did not so much herald the end of an era, but the beginning of a new one. This shift, and Finnish views of and policy decisions during it, is the focus of this article. There are various academic studies on Finnish-German relations in the Cold War, but archive-based works written in English describing the challenge of divided Germany to Finland’s foreign policy are actually rare. This is certainly a shortcoming and reflects, how the profound significance of the German question for Finland’s neutrality policy has still not been fully comprehended. The only general survey that demonstrates how Germany and Finland were connected from the days of the Hanseatic League onwards dates back to the early 1990s.2 Most attention has been given to Finland’s recognition of the two German states. In order to maintain its neutrality, Finland did not establish full diplomatic relations with either of the Germanies until 1973. This dilemma was clarified first with the help of German and Finnish archival sources by Seppo Hentilä and Dörte Putensen3 and examined further by Kimmo Rentola and Thomas Fischer in their articles dealing with Finland’s offer to host the CSCE in 1969, which was largely initiated because Finns wanted to fend off Soviet pressure on their neutrality policy and to avoid recognizing the German Democratic Republic (GDR).4 However, developments at the end of the Cold War have only recently been subject to detailed research. A research group of historians and political scientists working at the universities of Helsinki, Tampere and Turku

2 Pekka Visuri/Tuomas Forsberg, Saksa ja Suomi. Pohjoismainen näkökulma Saksan kysymykseen (Porvoo/Helsinki/Juva: WSOY, 1992). 3 Seppo Hentilä, Maintaining Neutrality between the Two German States: Finland and Divided Germany until 1973, in: Contemporary European History 15 (2006) 4, 473–493; Seppo Hentilä, Kaksi Saksaa ja Suomi. Saksan-kysymys Suomen puolueettomuuspolitiikan haasteena (Helsinki: SKS , 2003); Dörte Putensen, Im Konfliktfeld zwischen Ost und West. Finnland, der kalte Krieg und die deutsche Frage 1947–1973 (Berlin: Berlin Verlag, 2000). See also Seppo Hentilä, Harppi-Saksan haarukassa. DDR :n poliittinen vaikutus Suomessa (Helsinki: SKS , 2004) and Olivia Griese, Auswärtige Kulturpolitik und Kalter Krieg. Die Konkurrenz von Bundesrepublik und DDR in Finnland 1949–1973 (Wiesbaden: Harrossowitz Verlag, 2006). 4 Kimmo Rentola, Der Vorschlag einer europäischen Sicherheitskonferenz und die Stille Krise zwischen Finnland und der Soviet Union 1968–1971, in: Dominik Geppert/Udo Wengst (eds.), Neutralität—Chance oder Chimäre? Konzepte de Dritten Weges für Deutschland und die Welt 1945–1990 (München: Oldenbourg, 2005), 177–202; Thomas Fischer, “A mustard seed grew into  a bushy tree”: The Finnish CSCE initiative of 5 May 1969, in: Cold War History, 9 (2009) 2, 177–201.

German Reunification and Finland

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was founded in 2013.5 The authors of this article have participated in the work of the group, and this chapter represents first results of their work. Finland’s integration policy has been subject to more extensive research utilizing a broad range of open sources and archival materials and interviews. While a number of political scientists have explored aspects of Finland’s position in European integration in the late 1980s and 1990s,6 and some contemporaries have published their memoirs,7 Juhana Aunesluoma’s monograph Vapaakaupan tiellä (The Path to Free Trade)  from 2011 is at the moment the most detailed account of the overall decision-making process and the domestic debate.8 Much of the final section of this chapter is based on that work. Antti Kuosmanen, who himself participated in the process on the Finnish side, has detailed the membership negotiations in his Finland’s Journey to the European Union (2001).9

II.

Finland and the Two Germanies during the Cold War

Finland’s postwar foreign policy was clarified in 1947 in the Paris Peace Treaty and in 1948 in the Treaty of Friendship, Cooperation and Mutual Assistance (FCMA-Treaty). While these treaties established the foundations of Finland’s relations with the Soviet Union, they also placed restrictions on German­Finnish relations. First, the Peace Treaty of Paris forced Finland to acknowledge all the postwar arrangements concerning defeated Germany, including border questions. In Finland, this was interpreted to mean that Finland was not to anticipate the upcoming peace settlement with Germany on its own or approve any such agreements concerning Germany that had not been accepted by all

5 “Reimagining Futures in the European North at the End of the Cold War” (www.reimag.fi, last accessed 9.4.2017). 6 David Arter, The EU Referendum in Finland on 16 October 1994: A Vote for the West, not for Maastricht, in: Journal of Common Market Studies, (1995) 3; Christopher Browning, Coming Home or moving home? Westernizing narratives in Finnish foreign policy and the reinterpretation of past identities, in: Cooperation and Conflict (2002) 1, Sami Moisio, Geopoliittinen kamppailu Suomen EU-jäsenyydestä (Turku: Turun yliopisto, 2003); Hanna Ojanen, If in “Europe”, then in its “core”, Finland, in: Wolfram Kaiser/Jürgen Elvert (eds.), European Union Enlargement. A Comparative History (Abingdon: Routledge, 2004); Pertti Pesonen/Risto Sänkiaho, The Finnish referendum on Membership in the EU, in: Yearbook of Finnish Foreign Policy 1994 (Helsinki: Finnish Institute for International Affairs, 1994). 7 Mauno Koivisto, Kaksi kautta II. Historian tekijät (Helsinki: Kirjayhtymä, 1995); Jaakko Blomberg, Vakauden kaipuu. Kylmän sodan loppu ja Suomi (Helsinki: WSOY, 2011); Alexander Stubb (toim.), Marginaalista ytimeen. Suomi Euroopan unionissa 1989–2003 (Helsinki: Tammi, 2006). 8 Juhana Aunesluoma, Vapaakaupan tiellä. Suomen kauppa- ja integraatiopolitiikka maailmansodista EU-aikaan (Helsinki: Suomalaisen Kirjallisuuden Seura, 2011). 9 Antti Kuosmanen, Finland’s Journey to the European Union (Maastricht: European Institute of Public Administration, 2001).

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the signatories of the Paris Peace Treaty.10 Second, acquiring any war material or civil aircraft from Germany was prohibited. Also, training German military personnel was forbidden.11 All in all, the Peace Treaty of Paris and especially its military articles restricted considerably Finland’s armed forces and weaponry. The land army was limited to 34.400, the navy to 4.500 and the air force to 3.000 persons. The total tonnage of the navy was set to 10.000 tons and the capacity of the air force to 60 aircraft. Possessing any atomic weapons, missiles, sea mines, torpedoes, submarines, motor torpedo boats or assault craft was prohibited.12 On the one hand since the Soviet Union and Great Britain were nations that had formally declared war on Finland, they became responsible for drafting and implementing the treaty. This way Finland was placed at the intersection of Eastern and Western interests. On the other hand, the FCMA-Treaty tied Finland to the Soviet defence system. Signing the treaty was inevitable because Finland’s new, postwar political leadership had to take into account what were described as the “Soviet Union’s legitimate security interests.” The need for the re-evaluation of Finland’s foreign policy was stated soon after the Moscow armistice by Juho Kusti Paasikivi, who was to become the President of Finland in 1946–1956: “It is in the interest of our nation, according to my conviction, that, in the future, Finland’s foreign policy will be conducted in a way that does not lead it against the Soviet Union. Peace and amity, as well as sincere neighbourhood relations with the big Soviet Union is the first rule of our stately activity.”13 Still, Finland was not drawn to a full-scale military alliance with the Soviet Union. It did its best to distance itself from the disagreements of the two power blocs and, therefore, espoused a policy of neutrality in the mid-1950s.14 The FCMA-Treaty shadowed Finnish neutrality policy. According to the treaty Finland was obligated to resist any armed attack against it or the Soviet Union from or utilizing Finnish territory. If necessary, Finland was to call for military aid from the Soviet Union. Furthermore, and this was to prove problematic in the Cold War, the parties were committed to military consultations if such an attack was deemed likely. However, unlike other treaties between the Soviet Union and its Eastern satellites, the FCMA-Treaty did not bind Finland to any military action outside its borders. In any case, had any actions been

10 Max Jakobson, Finnish Neutrality. A Study of Finnish Foreign Policy Since the Second World War (London: Hugh Evelyn Limited, 1968), 57. 11 The Peace Treaty of Paris in Finlex (https://www.finlex.fi/fi/sopimukset/sopsteksti/1947/ 19470020, last accessed 11.4.2017). 12 Ibd. 13 Juho Kusti Paasikivi, Juho-Kusti Paasikiven puheita ja esitelmiä vuosilta 1944–1956. Reprinted in Paasikiven linja II (Juva: WSOY, 1986), 9–12. 14 Johanna Rainio-Niemi, The Ideological Cold War. The Politics of Neutrality in Austria and Finland (New York: Routledge, 2014), 33–35, 62–64.

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requested, there would have been consultations, i. e. staff talks, beforehand.15 Since the consultations were not automatic, Finland could seek to avoid them as long as possible. In the FCMA-Treaty Germany was named as  a potential aggressor, which, subsequently in the Cold War, meant an aggression of the United States and its allies. Had divided Germany gone into war, it would have been extremely difficult for Finland to maintain its neutrality policy. As  a consequence, both German states could have indirect, but effective influence on Finland’s foreign policy. Whenever the East-West tensions over the German question grew, Soviet interest in Finland increased. This was also the case in the Berlin crises of 1958–61.16 The partition of German states and their recognition constituted  a special dilemma for Finnish neutrality policy. The GDR pursued recognition for its national existence while the FRG claimed to represent all the German people. Most of the Western countries had recognized only the FRG and the Soviet Union with its allies the German Democratic Republic, but Finland treated both Germanies evenhandedly, declining to recognize either. According to the Hallstein Doctrine, the Federal Republic considered establishing diplomatic relations with East Germany an unfriendly act, which would deepen the division of Germany and lead to countermeasures. Therefore, Finland chose not to recognize either of the German states until 1973, when it established full diplomatic relations with both. Before this, relations were handled by trade missions and through informal channels.17 After recognition, the German question was set aside in Finland’s foreign policy. Despite the normalization, Finland minded its political steps in its relations with the two Germanies carefully, and, for example, establishing military contacts with the Federal Republic was done cautiously.18

III. Gradual Shift in Foreign Policy—The Turning Point in 1987 The Finnish foreign policy leadership noted the turn for the better in superpower relations in 1987 and 1988. When it came to Finland, however, it was far more difficult to grasp the changes, since the Soviet Union lacked consistency in its policy towards Finland. Although Mikhail Gorbachev strove for détente, and a 15 The Treaty of Friendship, Cooperation and Mutual Assistance in Finlex (http://www. finlex.fi/fi/sopimukset/sopsteksti/1948/19480017, last accessed 11.4.2017). 16 More about the Berlin crises, Soviet influence and “Finlandization” in Seppo Hentilä, Living Next Door to the Bear, in: Historiallinen aikakauskirja (1998) 2, 129–136; Seppo Hentilä, Suomi, Saksan kysymys ja Berliinin kriisit, in: Historiallinen aikakauskirja (2002), 119–131; Visuri/Forsberg, Saksa ja Suomi, 235–238. 17 Hentilä, Kaksi Saksaa ja Suomi, 217–232; Putensen, Im Konfliktfeld zwischen Ost und West, 60–89. 18 Visuri/Forsberg, Saksa ja Suomi, 250, 257.

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breakthrough was achieved in nuclear arms talks in 1987, the Soviet Ministry of Foreign Affairs (MID) wanted to keep the Finns on a tight leash, which remained apparent as relations were handled between officials.19 What carried particular weight was how Gorbachev’s new foreign policy was changing the Soviet Union’s relations with the two Germanies.20 This was sig­nificant for Finland, because the triangle of Finnish-Soviet-German relations largely established the framework for its foreign policy. Finland’s international position appeared to be strongest when the two German states and the Soviet Union got along peaceably. Thus rapprochement between these three was followed closely in the Finnish Ministry for Foreign Affairs and by President Mauno Koivisto. At the end of 1986, the Finnish Ministry of Defence made  a proposal for increasing military contacts between Finland and the German states. This plan was accepted in the government’s foreign affairs committee. Military visits were to be conducted at the highest possible levels, because this was the way the contacts were handled by other European neutrals. The relations between the Germanies were normalized and there seemed to be no reason to hold back.21 Nonetheless, the reference to the possible German threat in the FCMA-Treaty was still regarded as problematic. In 1987, easing of tensions in Europe and between the German states was saluted and gave grounds for believing the entire wording could be ignored. Still, drawing attention to the formulation was not seen to be in Finland’s interests. Had the military presence of the Federal Republic increased in the north, in a worst-case scenario there might have been demands for political consultations based on the treaty. Besides, the political leadership did not want to give the impression that Finland would neglect any part of its FCMA-Treaty obligations, no matter how outdated they seemed to be.22 In spite of this cautiousness, Finland was ready to revise certain details about how it interpreted and observed the military articles of the Paris Peace Treaty. Circumventing the restrictions had been a permanent element in Finnish defence policy, which had been done with the tacit approval of the Soviet Union 19 Blomberg, Vakauden kaipuu, 54–55. 20 Embassy report from Bonn to Helsinki 11.1.1988, “Neuvostoliitto ja Saksan kysymys Bonnista nähtynä”, Archives of the Ministry for Foreign Affairs in Finland (hereafter UMA), 5C; Embassy report from Moscow to Helsinki 29.9.–1.10.1987, “Neuvostoliitto ja SDT ”, UMA , 18–2-SDT. 21 Protocol of the governments’s foreign affairs committee 17.12.1986 and memorandum 16.12.1986 attached to this protocol, “Sotilasalan kanssakäymisen kehittäminen molempien Saksojen kanssa”, UMA , Cb, handwritten notes of President Mauno Koivisto in the memorandum redated by the Ministry of Defence 12.3.1987, “Sotilasalan kanssakäymisen kehittäminen molempien Saksojen kanssa”, Finland’s National Archives (hereafter KA), Koivisto’s archives 33/1987. 22 Protocol of the government’s foreign affairs committee 9.6.1987 and memorandum number 15, 28.5.1987 attachted to this protocol, “Saksan liittotasavalta Norjan puolustuksen mahdollisena vahvistajana”, UMA , Cb, a memorandum number 37, 29.5.1987 by Jaakko Kalela, “Kommentteja Törnuddin muistioon 15”, KA , Koivisto’s archives 33/1987.

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and Great Britain. The turning point was summer 1987, when Finland for the first time allowed the importation of  a German civilian aircraft to Finland without consulting the signatories of the treaty.23 Behind this decision lay recent developments in the German question, which allowed for more flexibility, especially, since importing civilian aircraft was not thought to be linked to Finland’s foreign and security policy and its relations with the Soviet Union.

IV. Finnish Reactions to the Fall of the Wall While the Cold War was coming to a close, the FCMA-Treaty’s references to West Germany bound Finland to the Eastern Bloc in crisis situations. In the Finnish Ministry for Foreign Affairs, any tampering with the treaty was considered to be out of the question. Still, in the summer of 1989, along with the European wind of change, the ideas of updating the treaty, neglecting it or bypassing the reference to Germany were discussed widely in Finnish newspapers.24 Even the speaker of the parliament, Kalevi Sorsa, who had served as the social democratic prime minister and foreign minister in several governments in the 1970s and 1980s, raised the issue.25 Finland’s president Mauno Koivisto, however, maintained the centrality of the FCMA-Treaty in Finnish-Soviet relations.26 A will to reinterpret the meaning of the treaty and to raise Finland’s profile as a neutral country existed, but in 1989–90 it was considered too daring to take a step in that direction. In the end, the nature of the German threat had never been clarified. Opening the treaty to specify its wording could have had unpredictable consequences. After all, the Soviets had aspired to interpret the treaty as broadly as possible so that it could have included all possible crisis situations.27 As before, Finland opted to maintain the status quo. In any case, it had been up to the Soviet Union how it interpreted Finland’s neutrality. Since the late 1960s, the Soviet Union had ceased to recognize ­Finland’s neutrality without reservations. Against this, Mikhail Gorbachev’s 23 Memorandum number 46, 20.5.1987, “Saksalaisten siviililentokoneitten maahantuonti Pariisin rauhansopimuksen valossa” and a memorandum number 443, 4.6.1987, “Saksa­ laisvalmisteisen siviili-ilma-aluksen tuominen Suomeen; rauhansopimuksen määräykset ja tulkinta”, UMA , Interpreting the Peace Treaty of Paris 1982 onwards, 18.40. 24 Karjalainen, 23.6.1989, Karjalainen, 2.8.1989 and Savon Sanomat, 20.7.1989. 25 Speech by Kalevi Sorsa in Jämsänkoski 22.7.1989, UMA , Finland’s foreign policy in 1989, 18.40. 26 Memorandum number 648, 18.8.1989, “Neuvostoliiton puolustusministeri Jazovin vierailu 16.–18.8.1989; keskeisiä kysymyksiä”, UMA , Relations Finland—Soviet Union in 1989, 18–41 NLO. 27 Embassy report from Moscow to Helsinki 28.7.1989, “Neuvostoliiton uudistuspolitiikan vaikutukset Suomen ja Neuvostoliiton poliittisiin suhteisiin”, UMA , Relations Finland— Soviet Union in 1989, 18–41 NLO and memorandum number 657, 23.8.1989, “YYA-sopimus ja Saksa”, UMA, Finland’s foreign policy in 1989, 18.40 and Blomberg, Vakauden kaipuu, 133.

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unreserved acknowledgment of Finland’s neutrality during a state visit in Helsinki in October 1989 was a major change. The essence of Gorbachev’s statement was that he saw the FCMA-Treaty and neutrality as mutually compatible. Despite acknowledging Finland’s neutrality without reservations, the FCMA-Treaty still remained in effect. Gorbachev’s acknowledgment of Finland’s neutrality nonetheless changed the context where the treaty was interpreted, as now it could be seen that the Soviet Union no longer regarded the treaty as  a military alliance. Gorbachev was also ready to accept Finland’s membership in the European Community (EC), which became clear as he stated in a press conference in Helsinki that every state had a right to decide the matter on its own.28 In Gorbachev’s eyes, the value of Finland’s neutrality was that it prevented the country from slipping into NATO and the American sphere of influence. Gorbachev did not want to intervene in other countries’ internal matters, but, of course, he wished to maintain some sort of Soviet foothold in Central and Eastern Europe. As the socialist countries were sliding away from the Warsaw Pact, it seemed desirable to promote Finland’s neutrality as a model. Still, Gorbachev’s declaration carried negative connotations too. Vice President of the United States Dan Quayle warned against the “Finlandization” of the whole Europe where it would come under the influence of the Soviet Union.29 All things considered, Finns found this discussion negative and wanted to endorse the special relationship between Finland and the Soviet Union, as Prime Minister Harri Holkeri put it in his speech at the Euroclub in Helsinki in late November 1989.30 Two weeks after Gorbachev’s visit to Finland, the Berlin wall fell. During the summer, the Finnish Embassies in Bonn and Berlin had reported increasing civil unrest in East Germany, and in the beginning of November there was even a fear of violent acts if the central committee of the communist party was to close the border between the German Democratic Republic and Czechoslovakia.31 Despite of the gloomy mood the collapse of the wall came as a big surprise to the Finnish leadership.32 First reactions were cautious and somewhat mixed. Embassy reports described the positions of the two German states and those of the four wartime allied ­powers, but  a clear Finnish stance on the sudden turn was not formulated at once. It was mainly presumed that East and West Germany would not be auto28 Blomberg, Vakauden kaipuu, 134–135, 138. 29 Embassy report from Washington to Helsinki 28.10.1989, “Gorbatshovin puhe ja suomettuminen; varapresidentti Quaylen haastattelu”, UMA , the Soviet Union and Mihail Gorbachev’s visit to Helsinki 25.–27.10.1989, 18.60 NLO. 30 Speech by Finland’s Prime Minister Harri Holkeri at the Eurocub in Helsinki on November 21, 1989, in: Ulkopoliittisia lausuntoja ja asiakirjoja 1989 (“Foreign policy statements and documents”) (Helsinki: Ulkoasiainministeriön julkaisuja, 1991), 284–288. 31 An embassy report from Berlin to Helsinki 8.11.1989, “Tilanne SDT:ssa”, UMA , 5C. 32 Koivisto, 306–307, 357.

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matically united and that the GDR would continue to exist as a state in one form or another.33 This was also the opinion of Finland’s president, Mauno Koivisto, who, in his speech to the Paasikivi Society on 27 November, connected the development in Europe to the CSCE negotiations. Koivisto spoke of softening the division of Europe rather than reunifying the two German states. The collapse of the wall did not indicate further turmoil: “When something very unexpected happens, one easily believes that many other unexpected events can be expected. Yet—with all the reservations that  a situation like this calls for—I am of the opinion that the general configuration that has prevailed in Europe for decades is not changing particularly rapidly.”34 Behind the scenes this circumspect approach was soon superseded by the assumption that Moscow was prepared to discuss German reunification. Based on an article in the Washington Post on 10 November and reports from Bonn and Moscow, Counsellor Alpo Rusi in the Finnish Foreign Ministry predicted already on 13 November that the Soviet Union was looking for a compromise that would ease, but not eliminate the unification process. Free elections in East Germany would serve as a temporary political solution.35 For Finland, it was essential what kind of a stand the Soviet Union would take on the German question. In his Ten-Point-Plan for German unity, West German Chancellor Helmut Kohl tied the development of inter-German relations to the pan-European process and underlined the importance of the CSCE . The Soviet reactions to the Ten-Point-Plan were crucial, but the CSCE process seemed to be the carrot that Mikhail Gorbachev was ready to accept for negotiating changes in Europe.36 33 Embassy report from Bonn to Helsinki 10.11.1989, “Saksan kysymys ja tilanne Berliinissä 10.11.1989; ehdotuksia neljän vallan konferenssin pitämiseksi”, Embassy report from Bonn to Helsinki 12.11.1989, “Saksan kysymys ja tilanne Berliinissä 12.11.1989, yhteydenpito suurvaltoihin ja SDT:n johtoon”, Embassy report from Bonn to Helsinki 13.11.1989, “Saksan kysymys ja tilanne Berliinissä 13.11.1989; vastuuvaltioiden kannanottoja kaivataan; SDT ja EY” and memorandum number 943, 13.11.1989, “Kansainvälisiä arvioita SDT:n viimeaikaisista tapahtumista”, UMA , the German Question in 1989, 13.60 Saksat. 34 Speech by Finland’s president Mauno Koivisto 27.11.1989, in: Ulkopoliittisia lausuntoja ja asiakirjoja 1989 (“Foreign policy statements and documents”) (Helsinki: Ulkoasiain­ ministeriön julkaisuja, 1991), 109–118. 35 Memorandum number 939, 13.11.1989, “Alustava arvio Neuvostoliiton kannasta SDT:n viimeaikaisiin tapahtumiin; Jaltasta Maltalle”, UMA , the German Question in 1989, 13.60 Saksat. 36 Philip Zelikow/Condolezza Rice, Germany Unified and Europe Transformed. A Study in Statecraft (Cambridge, Massachusetts and London: Harvard University Press, 1995), 124–127; and embassy report from Moscow to Helsinki 1.12.1989, “Neuvostoliitto ja Saksojen kysymys: Neuvostoliiton ulkoministeriön kommentti liittokansleri Kohlin jälleenyhdistymisohjelmaan”, and embassy report from Moscow to Helsinki 28.11.1989, “Neuvostoliiton Saksojen politiikka perestroikan ajalta”, UMA , 5C and memorandum number 1029, 11.12.1989, “Saksan kysymyksen viimeaikainen kehitys”, and memorandum 11.12.1989, “Saksan kysymys liittokansleri Kohlin 28.11.1989 pitämän puheen valossa lähetystöneuvos Heikki Hannikainen”, UMA the German Question in 1989, 13.60 Saksat.

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This fit well with the Finnish agenda, since Finland had formulated its German policy on the basis of the principles and processes laid out in the CSCE from the 1970s onwards. Within the CSCE Finland had been able to promote its neutrality policy and recognize the two German states. The CSCE was the instrument that had softened the impact of Germany’s East-West division since the 1970s, and the expectation was that it could work the same way in the future. It would be to Finland’s advantage to find a mutual understanding between the United States and the Soviet Union in the German Question, as it would undoubtedly stabilize the international situation. Besides, through the CSCE Finland could have some say in the developments.37 At the end of January 1990, officials in the Ministry for Foreign Affairs widely anticipated that Germany would be reunified because, on the one hand, communism was disintegrating and the Soviet Union had no longer control over the events.38 On the other hand, it was seen that Finland was not in the position to intervene in the unification process. Already the Peace Treaty of Paris restricted what Finland could do in the matter as it stipulated that Finland acknowledge all the Allied arrangements concerning Germany. Although the Two Plus Four talks could have intensified dissent between the superpowers, Finland did not take a stand on the status of a united Germany.39 The Finnish wait-and-see policy can be better understood if one considers the worst-case scenario involving the downfall of communism in East Germany. Had Soviet troops suppressed violent conflicts on German soil, the FCMA-Treaty could have drawn Finland into political consultations with the Soviet Union. Disagreements on how to deal with the German Question could have put the superpowers on totally different tracks, especially if Gorbachev had been overthrown and replaced by a hardliner in Moscow. Thus it was not the future power of a united Germany but the possible side effects of the unification process on international relations that were the main source of concern for Finland. Still, there is no evidence that there was a real fear of the German Question affecting Finnish-Soviet relations or the FCMA-Treaty. Apparently, there was a profound trust in non-violent problem solving. After all, the Soviet Union had not intervened in the growth of the Polish Solidarity movement or otherwise in the events in Central Europe in 1989, and this restraint was expected to continue. 37 Jaakko Blomberg’s notes 29.11.1989 for a meeting with Mauno Koivisto 5.12.1989 about Kohl’s Ten Point Plan, KA , Koivisto’s archives 39/1989; memorandum number 1029, 11.12.1989, “Saksan kysymyksen viimeaikainen kehitys”; memorandum 11.12.1989, “­ Saksan kysymys liittokansleri Kohlin 28.11.1989 pitämän puheen valossa”, UMA , the German question in 1989, 13.60 Saksat; and memorandum number 155, 16.2.1990, “Saksan ­k ysymys; näkökohtia Suomen kannalta”, UMA , the German question/Finland’s policy, 13.60 Saksat. 38 Memorandum number 129, 9.2.1990, “Itä-Euroopan kehitysnäkymät; aluekokouksen tilannekatsaus, UMA , Political Department 1.1.–31.5.1990, Ded. 39 Memorandum number 155, 16.2.1990, “Saksan kysymys; näkökohtia Suomen kannalta”, UMA , the German question/Finland’s policy, 13.60 Saksat.

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The best-case scenario for Finland was German unification under the mutual understanding from the East and the West. Demolishing Europe’s division into two military alliances was thought to bring flexibility to Finland’s foreign policy and into how its treaty obligations were interpreted. Therefore, it is no wonder that the debate of reunified Germany’s membership in NATO was followed closely in the embassy’s reports.

V.

Repercussions of Two Plus Four negotiations in Finland: “Operation Pax”

At the beginning of 1990, Kohl had already abandoned the idea of  a German confederation that had been presented in his Ten Point Plan. Instead, in order to consolidate and hasten the unification process, he wanted to extend existing West German state institutions to the East. This was made possible through the Basic Law of the Federal Republic, which allowed annexing the constituent parts of the GDR to West Germany as separate states.40 The real problem lay in the security arrangements for a reunified Germany. Expanding NATO structures to the East was something that the Soviet Union had not accepted. Gorbachev’s hostile attitude was eased somewhat as he met Helmut Kohl and the West German Foreign Minister Hans-Dietrich Genscher in Moscow on 10 and 11 February. For the first time Gorbachev did not directly reject Germany’s future membership in NATO. He agreed that the Germans should determine themselves whether they wanted to unify and how this was to happen. A further step towards settling the German Question was taken a few days later in Ottawa, when Gorbachev approved the Two Plus Four meetings as a forum for dealing with German reunification.41 In the Finnish Ministry for Foreign Affairs the meaning of these moves was understood well. While Finnish diplomats were well aware of the formal, critical Soviet stance, which tied the German question to overall European developments, it was broadly anticipated that this position might change. In spite of the discord Ambassador Ilkka Pastinen reported from London that the Soviet Union was not any longer against unification, which would be reached on Western terms. United Germany would be a part of NATO. Parallel predictions were received from the German experts from the ministry.42 40 Mary Elise Sarotte, 1989. The Struggle to Create Post-Cold War Europe (Princeton/Oxford: Princeton University Press, 2009), 8. 41 Zelikow/Rice, Germany Unified and Europe Transformed, 180–182, 188–195. 42 Memorandum 12.2.1990, “Saksan tilanteen viimeaikaisesta kehityksestä”, an embassy report from London to Helsinki 13.2.1990, “Saksa yhdistymisen kynnyksellä”, UMA , the German question in 1990, 13.60 and an embassy report from Berlin to Helsinki 19.2.1990, “Saksojen yhdistyminen ja Suomi”, UMA , the German Question/Finland’s policy, 13.60 Saksat.

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International negotiations regarding the German situation generated concrete actions in the foreign ministry. First,  a memorandum dated 16 February suggested forming a special working group to deal with the different aspects of the German Question. Finland had to take into account how the reunification would affect its bilateral relations with Germany. What changes it would bring to their trade relations popped up as one crucial question.43 Second, the fact that Europe, the Soviet Union and Germany were coming together set  a positive tone for Finland’s security policy. The likelihood of  a war in Europe decreased. In all probability the superpowers were not to be pushed into a confrontation with each other, although the course of post-Cold War international relations was still hard to predict and the continuance of the current Soviet line was uncertain.44 In order to acquire weaponry from Germany, the Finnish Ministry of Defence had suggested  a few days before the fall of the Berlin wall that the military articles of the Peace Treaty of Paris should be reinterpreted.45 Now in March, in the eased atmosphere, this proposal moved ahead in the Ministry for Foreign Affairs. Developments in Germany and Europe seemed to make redundant the limitations outlined in the third part of the Peace Treaty and there was a belief that the military articles could undergo changes during the year 1990.46 However, the pace of events soon accelerated. The elections in the GDR on 18 March gave  a clear majority to the Alliance for Germany, where the East German CDU participated, and a mandate for Kohl to pursue a quick unification process. Kohl’s victory modified the attitudes of the British and French. They gave up their demand that a peace settlement had to be signed between Germany and its former foes. Together with the Americans they now strove for full sovereignty for a unified Germany.47 The Ministry for Foreign Affairs reacted to the quickening pace of the unification process in April by drafting a plan to get rid of all military articles in the 43 Memorandum number 155, 16.2.1990, “Saksan kysymys; näkökohtia Suomen kannalta”, a memorandum number 204, 27.2.1990, “Saksan kysymys: työryhmän asettaminen”, a message 6.3.1990, “Saksan kysymyksen kauppapoliittiset vaikutukset”, UMA , The German Question/Finland’s Policy, 13.60 Saksat. 44 Memorandum of the Ministry of Defence 160/Sot/89 Sa1, 7.11.1989, “Puolustusmateriaalihankinnat Saksan liittotasavallasta, Saksan demokraattisesta tasavallasta ja Japanista”, UMA , The Peace Treaty of Paris in 1990, 18.40 and Memorandum number 78, 22.1.1990, “Euroopan muutos ja sen vaikutukset turvallisuuteen”, UMA , Finland’s Foreign Policy in 1990, 18.40. 45 Memorandum of the Ministry of Defence 160/Sot/89 Sa1, 7.11.1989, “Puolustusmateriaalihankinnat Saksan liittotasavallasta, Saksan demokraattisesta tasavallasta ja Japanista”, UMA , The Peace Treaty of Paris in 1990, 18.40. 46 Memorandum number 253, 16.3.1990, “Puolustusmateriaalihankinnat SLT:sta, SDT:sta ja Japanista”, UMA , the Peace Treaty of Paris in 1990, 18.40. 47 Robert Grünbaum, Deutsche Einheit. Ein Überblick 1945 bis heute (Berlin: Landeszentrale für politische Bildung, Metropol Verlag, 2010), 77–82, Zelikow/Rice, Germany Unified and Europe Transformed, 235–236.

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Peace Treaty by an exchange of diplomatic notes. This tactical move, called later “Operation Pax,” stemmed from the assumption that there would not be a peace treaty for a unified Germany and Germany would be incorporated into NATO.48 Naturally, it was not certain at this point, how these goals would be achieved. For Finland the most important thing was that the Two Plus Four Negotiations were to lead to the return of full German sovereignty. As such, Finland’s Peace Treaty and its restrictions had nothing to do with the Two Plus Four Agreement, but it seemed reasonable that Finland, Germany’s ally in the war, would be empowered in the same way. Therefore, in May, “Operation Pax” was connected to the proceeding of the Two Plus Four meetings.49 The key to German sovereignty was an agreement over its military status. Ambassador Antti Karppinen from Bonn described what kind of uncertainties were related to this. Kohl urged  a settlement because he feared setbacks in Soviet foreign policy. In any case, the unification could be prolonged or happen formally without agreements on all foreign policy issues.50 The mood in Helsinki was expectant. President Mauno Koivisto supported Gorbachev and did not want to harm relations between Finland and the Soviet Union in any way. Finland was not to make any political moves until the superpowers had reached an agreement on the German Question.51 This understanding was reached during the summer. In its summit in London in July, NATO announced substantial changes to its organization and in the Caucasus Gorbachev reported that the Soviet Union had accepted Germany’s NATO membership. Following the developments during the summer, Koivisto was ready to make up his mind about “Operation Pax” at the beginning of September.52 Finland would nullify the military articles of the Peace Treaty. It would do this unilaterally, without exchanging diplomatic notes with the Soviet Union or Great Britain. The post-war division to those who were victors and those that were defeated was disappearing and Germany was becoming an equal partner in the new Europe. The German states were unifying quickly, without signing  a peace treaty.53 Finland wanted to follow in Germany’s footsteps and proceed 48 Memorandum 10.4.1990, “Pariisin rauhansopimuksen sotilaallisten määräysten kumo­ aminen; uusi tilanne” and Memorandum 12.4.1990, “Pariisin rauhansopimuksen Saksaa koskevien ja sotilaallisten määräysten kumoaminen; uusi tilanne”, UMA , the Peace Treaty of Paris in 1990, 18.40 and René Nyberg, “Olette kajonneet YYA-sopimukseen”. In: Kanava (2008)1, 7. 49 Memorandum number 426, 21.5.1990, “Pariisin rauhansopimuksen sotilaalliset rajoitukset; eduskuntakysely”, UMA , the Peace Treaty of Paris in 1990, 18.40 and Blomberg, Vakauden kaipuu, 252. 50 Embassy report from Bonn to Helsinki 21.5.1990, “SLT:n (ulko)politiikan arkihuolia; keskustelu 3 valtiosihteerin ja hieman muidenkin kanssa toukokuussa 1990”, UMA , 5C. 51 Jaakko Kalela, an advisor to the President, in a critical oral history seminar organized by Reimag-project in Helsinki 22.10.2015. The transcript is in the possession of the authors. 52 Koivisto, 361. 53 Memorandum number 779, 6.9.1990, UMA , Interpreting the Peace Treaty of Paris, 18.40.

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independently and informally after German sovereignty was restored in the final Two Plus Four meeting in Moscow.54 This unconventional venture became even bolder as the Ministry for Foreign Affairs suggested that also the reference to Germany should be reinterpreted in the FCMA-Treaty. It would not have been logical to present Germany as an aggressor in the FCMA-Treaty when it was set aside in another state treaty.55 Still, originally there was no intention to connect the renewal of the FCMA to the German unification process. Just at the beginning of September, Finland’s Foreign Minister Pertti Paasio had announced that German reunification would not create a need for changes to the FCMA-Treaty.56 There were several reasons not to touch the FCMA-Treaty. In spring 1990, the ex-socialist states of Eastern Europe were updating their treaty relations with the Soviet Union and considering changing or abolishing their bilateral treaties altogether. Finland did not want to be associated with these countries.57 More importantly, the renewal of the FCMA-Treaty was not considered wise because the Soviet Union had still its security demands. Finland did not want to question Gorbachev’s position in Moscow or take advantage of the weakness of its eastern neighbour. Besides, naming neutrality in the FCMA-Treaty could again have given the Soviet Union a free hand to interpret its substance.58 As had been the case before, Soviet-German relations set the framework within which Finnish foreign policy could be pursued. For a long time, opening discussions on the FCMA-Treaty was not current because, as Foreign Minister Paasio put it, Finland had to see how Soviet-German relations would turn out.59 Finland was not as worried about the strength of a reunified Germany. Mainly, because of its special position, it was more concerned about the future coexistence and cooperation between Germany and the Soviet Union. The restoration of full German sovereignty in Moscow gave a rationale for the Finns to nullify the third part of the Finnish Peace Treaty and the references to Germany in the FCMA-Treaty on 21 September 1990, but there was otherwise no aim to stir the foundations of Finland’s foreign and security policy. Finland held firmly to its 54 Memorandum number 817, 12.9.1990, UMA , Interpreting the Peace Treaty of Paris, 18.40. 55 Press release 278 and President’s statement 21.9.1990, “Tasavallan presidentin lausunto koskien YYA-sopimusta, UMA , the Peace Treaty of Paris in 1990, 18.40. 56 Uusi Suomi, 2.9.1990. 57 Aarno Karhilo’s memorandum 23.3.1990, “Andreev YYA :sta”, Heikki Hannikainen’s memorandum, “poliittisen osaston virkamiesten keskustelut ulkovaltojen edustajien kanssa: Saksan tilanne” and René Nyberg’s memorandum, “poliittisen osaston virkamiesten keskustelut ulkovaltojen edustajien kanssa: YYA-sopimus”, UMA , the FCMA Treaty, Finland—the Soviet Union in 1990, 18.41 NLO. 58 Mikko Majander, The Finnish-Soviet Treaty of Friendship, Cooperation and Mutual Assistance in Finland under President Koivisto. Two Rounds of Discussion, in: Yearbook of Finnish Foreign Policy 1991 (Helsinki: Finnish Institute of International Affairs, 1991), 36–37, Blomberg, Vakauden kaipuu, 204. 59 Memorandum from an ambassadors meeting 13.3.1990, UMA, Political Department, Ded.

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neutrality policy. This issue came to the fore only with Finland’s decision to apply for EC-membership.

VI. The Debate about the FCMA-Treaty Although Finland’s basic foreign policy line remained cautious, the changes in the international system provoked lively public debate about the FCMA-Treaty. Opening the treaty for revisions had been discussed already during the summer of 1989. The debate reached a new level in January 1990 when a researcher working in a junior position in the Finnish Ministry of Defence, Risto E. J. Penttilä, raised the issue in a public presentation at a small but influential lobby group, the Euroclub in Helsinki. Penttilä saw the FCMA-Treaty and its references to Germany as outdated. He preferred to formulate a new treaty that would recognize Finnish neutrality and state that Finland would defend itself against any armed attack. Furthermore, the new treaty would note that the Soviet Union and Finland agreed upon political consultations, and military assistance would be provided only if Finland requested it.60 Penttilä’s proposal caused  a public stir, but had no effect on policy, partly because the foreign policy leadership did not wish to link German reunification to the question of what to do with the FCMA-Treaty in the future. Foreign Minister Pertti Paasio formally saluted the ongoing debate, but did not see any reason for changes. Finland did not have a firm opinion on the unification process;61 however, the veteran diplomat and publicist Max Jakobson shared Penttilä’s viewpoint, according to which the formulations of the FCMA-Treaty had become obsolete. Still, Jakobson considered tampering with the treaty unnecessary since it would be removed anyway if and when  a new multilateral security system could be built in Europe.62 Especially harsh comments were presented by the communist daily Tiedonantaja, which noted that speculating about the key document of Finnish foreign policy was destructive and served only those willing to see Finland join the European Community.63 All in all, the argumentation was vivid, but at the same time, it followed the usual lines, where most of the debaters held onto the FCMA-Treaty. Even after the Government’s announcement of the revision of the Paris Peace Treaty and the FCMA-Treaty in September 1990, three quarters of the Finnish population believed that the latter would remain in place for many years to come.64 60 Helsingin Sanomat, 1.2.1990, Suomen Kuvalehti, 2.2.1990, Majander, The Finnish-Soviet Treaty, 36–37. 61 Suomen Kuvalehti, 16.2.1990. 62 Helsingin Sanomat, 1.2.1990. 63 Tiedonantaja, 14.3.1990 and 6.4.1990. 64 Suomen Kuvalehti, 16.11.1990.

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The same unity of views could be found in the attitudes towards Germany’s unification, which was not thought to contain risks for Finland.65 The new Germany was not to be feared because it had common interests with Europe and the European Community.66 Since reunification had been reached in mutual understanding between the United Kingdom, the Soviet Union, France, and the United States, President Mauno Koivisto thought that it would also have a beneficial effect on European security.67 There were few exceptions to this generally positive attitude. Hardline communists Heikki Männikkö and Timo Lahdenmäki from the Communist Labour Party estimated that Germany still remained  a threat. Most of all they condemned reinterpreting the Peace Treaty of Paris and the FCMA-Treaty, because the revision was done unilaterally and did not take into consideration the Soviet interests.68 How the reunification of Germany would affect the overall military balance in Europe was, however, seen as  a profound dilemma. The Chief of Finnish Defence Forces Jan Klenberg described how the reduction of Soviet armed forces in Central Europe could bring pressure to bear on Northern and Southern Europe. Europe’s military balance was like a sausage: If squeezed in the middle, it could burst out of both ends. In this situation, Finland would also need credible defence forces as a part of its security policy in the future.69 The withdrawal of Soviet troops from Germany, Poland, and later on also from the Baltic republics brought the main defence lines of the Soviet Union again closer to Finland. Therefore, on the one hand, Jaakko Iloniemi, a veteran diplomat, argued that the security demands of the Soviets, as well as the FCMATreaty, were more valid than ever.70 On the other hand, with the overall nuclear threat diminishing and the meaning of conventional warfare increasing, the world was moving towards multipolarism, in which Finland’s defence forces were becoming more noteworthy too. German reunification and the end of the bipolar system also created hopes for revising other, overall European security arrangements, namely the Western European Union, the WEU.71 According to the foreign policy leadership, “Operation Pax” in and of itself did not transform Finland’s defence or security policy profoundly. Still, it certainly gave more independence to it.

65 Suomen Kuvalehti, 16.2.1990. 66 The monthly magazine of the daily Helsingin Sanomat, 8.9.1990 and Helsingin Sanomat, 3.10.1990. 67 Uusi Suomi, 3.10.1990. 68 Majander, The Finnish-Soviet Treaty, 37–40. 69 Suomen Kuvalehti, 9.3.1990. 70 Suomen Kuvalehti, 30.3.1990. 71 Suomen Kuvalehti, 23.11.1990.

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VII. The End of the Cold War and Finland’s Road towards the European Union The most important single decision made by the Finnish government and parliament in the aftermath of the Cold War was the decision to apply for membership in the European Community (EC), which subsequently became the European Union (EU). While there were many considerations behind the decision to apply, and still more behind voting behavior in the referendum held in October 1994, the changing position of  a reunified Germany at the heart of Europe greatly influenced the parameters of debate. Throughout the Cold War, Finland’s neutrality policy and its relations and treaty obligations with the Soviet Union had weighed heavily on Finnish policy towards West European integration. While no traces have been found about serious discussions of full membership in the European Community or its predecessors before the mid-1980s, Finland’s trade with the EC countries was governed by  a similar treaty framework to that of the other neutrals, Sweden and Austria.72 Following the example of Sweden, Finland concluded a free trade agreement with the EC in 1973, which entered force in 1974.73 The agreement with the EC continued the trade liberalization process and the consolidation of Finland’s trade relations with West European countries begun a decade earlier. Soon after the creation of the European Free Trade Association (EFTA) in 1960, Finland and EFTA concluded  a free trade agreement (FINN-EFTA).74 While this meant that in practice Finland participated in the activities of EFTA as a de facto member, foreign policy considerations delayed its full membership in the organization until 1986.75 Finland became a party to the General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) in 1950, but it only joined the Organization for Development and Coopera­tion in Europe OECD, a distinct westerners’ club in 1969.76 While economic interests and necessities were behind its decisions to establish relations with the emerging European institutions of trade liberalization, Finland was reluctant with regard to other initiatives. The first talks about joining the predecessor of the OECD, the Organization for European Economic Development OEEC , were held in 1958, but it took more than a decade for the decision to mature on the Finnish side.

72 Aunesluoma locates the first traces of discussions on possible EC membership in internal discussions of the Central Organization of Finnish Industries (TJK) in 1987. Aunesluoma, Vapaakaupan tiellä, 434–436. 73 Tapani Paavonen, Vapaakauppaintegraation kausi. Suomen suhde Länsi-Euroopan integraatioon FINN-EFTAsta EC-vapaakauppaan (Helsinki: Suomalaisen Kirjallisuuden Seura, 2008), Aunesluoma, Vapaakaupan tiellä, 240–279. 74 Ibd., 189–213. 75 Ibd., 387–391. 76 Ibd., 227–231.

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After similar lengthy hesitation, Finland joined the Council of Europe in May 1989, a mere half a year before the fall of the Berlin wall.77 This careful steering of Finland’s integration policy continued as the Cold War came to  a close. At first in 1989, the changing landscape of post-Cold War Europe hardly had an effect on Finland’s attitude towards its institutional arrangements with the EC and EFTA . On the contrary, and in marked contrast to discussions in Austria, which submitted its application to the EC in July 1989, Finland rested its hopes on strengthening EFTA and its gradual institutional engagement with the EC . While the political transition in Central and Eastern Europe was underway and the process of reunification gained pace in 1989 and 1990, in its integration policy, Finland focused on negotiations leading towards the creation of the European Economic Space/Area (EES).78 The EES -negotiations began after  a speech of the European Commission ­President Jacques Delors in January 1989, where he suggested an alternative, ‘a third way’ for the EFTA countries for full membership in the EC . The Community was heading towards an internal reform process, which then gained momentum with Germany’s reunification process. Delors’s initiative was widely seen as an attempt to postpone the impeding enlargement of the EC until after the process creating the European Union was completed.79 The EES negotiations took precedence over anything else in the Finnish government’s integration policy until autumn 1991, when most of the issues in the negotiations were resolved between EFTA and the EC . What then followed was a remarkably rapid turnaround in Finnish integration policy. After a swift deliberation between the main parties of the government coalition (the Conser­vatives and the Centre Party), President Mauno Koivisto, and tacitly also with the political opposition (Social Democratic Party), Finland’s membership application was approved in the parliament and submitted to the EC in March 1992. The subsequent membership negotiations ended in March 1994. After a clear majority of 57 percent voted in favour of joining the EU in an advisory referendum held in October 1994, Finland became a member of the European Union in January 1995. What is of particular interest is how this transition, from favoring the EES as the strategic choice for Finland’s integration policy to the decision to apply for EC membership took place. A broad range of domestic economic, political, and ideological factors can be identified behind the policy change.80 While we are not arguing a case for the primacy of external factors in influencing Finland’s decision to apply for EC-membership in this chapter, the main focus in the following 77 Ibd., 399–403. 78 Valtioneuvoston tiedonanto Eduskunnalle 11/1989; Valtioneuvoston selonteko Eduskunnalle 3/1990; Aunesluoma, Vapaakaupan tiellä, 418. 79 Ibd., 412. 80 The domestic and economic argumentation and the referendum debate is discussed in ibd., 442–463, 489–501.

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is on the assessments made in Finland about how the external and institutional environment in Europe had changed following Germany’s reunification. As long as the EES negotiations were underway, President Mauno Koivisto actively discouraged open speculation about Finland’s possible EC-membership. While suppressing it, the president did not manage to prevent a public discussion in Finland on the consequences of issues such as the revolutions of 1989, German reunification, the behaviour of other Cold War neutrals or the institutional developments in the EC and their effects on Finland. While there are no signs that the president would have sought to prevent  a free exchange of ideas and views in the media and other fora, he was quite successful in constraining leading politicians, especially government ministers, and high officials, who in their public statements had to toe the president’s line. Developments in the Soviet Union complicated the question even further. Parallel with Sweden and Austria, Finland’s policy of neutrality had limited its integration options during the Cold War.81 Still, in contrast with the other European Cold War neutrals, Finland’s treaty relations with the Soviet Union posed additional challenges. Not only was the FCMA-Treaty in its original form considered to be incompatible with full EC membership but also Finland’s bilateral commercial treaties and memoranda with the Soviet Union from 1947, 1961, and 1972 obliged Finland to grant most favoured nation status to the Soviet Union. This directly violated GATT ’s rules, but in the Western capitals, Finland’s special arrangements with the Soviet Union were tacitly ignored, given Finland’s particular geopolitical location.82 Now, with the Cold War over and Germany reunified, these considerations would have carried little weight had Finland sought to present similar arrangements to its Western partners. As it happened, the passage of time saved Finland from this dilemma. The problem with the incompatibility of the EES , not to mention EC membership in light of Finland’s commercial treaties with the Soviet Union, disappeared with the latter’s dissolution in 1991 and the drafting of new GATT/WTO -compatible commercial arrangements between Finland and the Russian Federation.83

81 Valtioneuvoston selonteko Eduskunnalle 11/1988. According to the Governmental report approved by the Parliament in November 1988, Finland categorically excluded the possibility of EC membership given its policy of neutrality. Aunesluoma, Vapaakaupan tiellä, 413. 82 Tapani Paavonen, Suomalaisen protektionismin viimeinen vaihe. Suomen ulkomaankauppa- ja integraatiopolitiikka 1945–1961 (Helsinki: Suomen Historiallinen Seura, 1998), 112–115. 83 Aunesluoma, Vapaakaupan tiellä, 376–378.

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VIII. German Reunification and Finland’s Decision to Join the EU Still, despite these constraints, from the summer 1989 onwards, a debate began in Finland about its future place in Europe, and especially after the successful completion of “Operation Pax” in 1990, about what Finland could and should do with its visibly increased room of maneuver and sovereignty. Whereas reactions in Finland were careful and somewhat reserved as to the full significance of the opening of the border between GDR and the Federal Republic in November 1989, a senior official responsible for Finnish trade and integration policy in the Ministry for Foreign Affairs, Paavo Kaarlehto, remarked in a speech on 16 November: “The essential feature of Finnish trade policy is its pragmatism, its desire to adapt into the emerging conditions and prevailing circumstances in a practical way.” While Kaarlehto’s words were guarded, between the lines a subtle message was sent that a basic readiness existed on Finland’s side to re-evaluate the premises of its position in Europe, if need be.84 A few months later, with the EES negotiations now under way, Foreign Minister Pertti Paasio, the leader of the Social Democratic Party, also echoed the sentiment that a more radical departure might at some point be needed on Finland’s behalf in order to keep pace with developments in Europe. By referring directly to the question of German reunification, in a speech delivered in the parliament in March 1990, Paasio pointed out how rapid the change in Europe now was, and if one “considered German reunification, we cannot consider that the different arrangements of European cooperation remain unchanged.” According to Paasio the EES would work as a useful mechanism during “the ongoing period of change,” and it would also have an “evolving character”—something that the free trade agreement Finland had concluded with the EC in 1972 did not have, in contrast to Switzerland’s and Austria’s agreements. Furthermore, in a rhetorical question, Paasio mused to what extent Finland’s neutrality would be  a useful instrument in the new Europe, and how fundamental the question of German reunification was: “How do the consequences of German reunification and Germany’s interest in the new opportunities in the east influence the prospects for European integration,” the foreign minister asked. “What happens to the concentric circles? These are only questions, there are no answers. It is not in the interest of anyone to try to forestall discussion about them.”85 All this paved the way for a more substantial discussion of possible Finnish EC-membership, which received a major thrust in October, when the Swedish government announced its intention to seek EC-membership. Even though the Finnish government and senior officials had been aware that Sweden was “leaning towards” such a decision, it caught the Finnish leadership by surprise. While President Koivisto did not take a stand one way or another—he had not 84 Ibd., 399, quoting Paavo Kaarlehto’s speech on 16.11.1989. 85 Ibd., 418–419, quoting Pertti Paasio’s speech in the Finnish Parliament 14.3.1990.

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said anything specific about Finland’s possible EC-membership since October 1989—the government headed by the Conservative leader Harri Holkeri hastened to close the EC-membership door to avoid any speculation in a controversial speech in the Paasikivi Society in November 1990.86 But the genie was out of the bottle. By late 1990, with Germany unified, and Sweden communicating its intention of joining the EC , of the European neutrals only Finland and Switzerland remained without EC-membership as  a stated goal. A number of leading newspaper columnists were already toying with the idea that the profound changes in Europe, German reunification in particular, had changed the parameters of Finland’s position in Europe to such an extent that a more radical departure might also be possible, and even desirable.87 Germany’s reunification hastened Finnish debate on possible EC membership on two fronts. First, there was a heightened understanding that the reunification would give a boost to the community’s internal development towards a union of a more political nature. Second, as Finland was now considered to be more sovereign in its own decision-making, it was no longer bound by its relationship with the Soviet Union. With the constraints of the Cold War gone, it could do what it wanted in its integration policy. It is noteworthy that the internal debate about possible EC-membership started well before the eventual fall of the Soviet Union and the expiration of the renegotiated FCMA-Treaty at the end of 1991.The failed coup in Moscow in August 1991 electrified the debate considerably, and also finally turned some of the more hesitant political leaders, such as President Koivisto, in favour of full membership in the EC . Before 1989, any speculations about  a possible Finnish membership in the EC had been aired behind closed doors. Few traces remain of these discussions, but it is known that in the Federation of Finnish Industries (Teollisuuden keskusliitto, TKL), both its chairperson, the CEO of Nokia Corporation, Kari Kairamo, and the Managing Director of TKL , Timo Relander, held views that Finland might eventually have to apply for EC membership. The first lobbying group to come out in the open about its pro-membership stance was the Finnish Chamber of Commerce, which made  a proposal to the Finnish Government in August 1990 that it should commission  a study of Finland’s possible membership.88 After that, other interest organizations and lobby groups also followed suit. A period from late summer to early autumn 1990, coinciding with the breakthrough in the process leading to German reunification, was  a turning point in the public debate about Finland’s EU membership. Following newspaper columnists such as Max Jakobson and Olli Kivinen and a number of business 86 Ibd., 423–425. 87 Ibd., 437–438. In the leading daily Helsingin Sanomat, one of its senior editors Olli Kivinen began to advocate Finland’s EC -membership during 1989 in his columns. In the summer 1990 Max Jakobson, a leading foreign affairs commentator and ex-diplomat from the Urho Kekkonen era, followed suit. 88 Aunesluoma, Vapaakaupan tiellä, 434–436.

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leaders, politicians in the moderate right and in the liberal Swedish People’s Party began to circulate similar views unofficially. Although no official proposals were made to change the government’s position, the chairperson of the Conservatives, the Minister of Trade and Industry Ilkka Suominen caused a minor stir in late August 1990 when he openly speculated that Finland might eventually apply for EC-membership “at some point during the 1990s.”89 Although the Social Democratic Party and its leader, Foreign Minister Pertti Paasio closely observed the boundaries of debate set by President Koivisto, in August 1990 he confided to  a senior official in the foreign ministry that given the changes in Europe “neutrality was no longer such an obstacle to EC-membership as it had been in the past.”90 Similar views were heard in public in September 1990 from the government’s Foreign Trade and Integration Minister Pertti Salolainen, who did not want the ongoing EES negotiations to be understood as in any way closing the door for possible EC-membership, should that become current at a later date.91 As Finland prepared for a general election in the spring of 1991, the debate over possible EC-membership subsided momentarily. None of the political parties wished to see as contentious an issue as EC-membership in their election platforms, and the elections were mainly fought over domestic political issues. Still, as soon as the elections were over, and a new centre-right coalition led by the Centre Party’s chairperson Esko Aho was appointed to replace the outgoing grand coalition of Conservatives and Social Democrats, the debate on EC-membership was in full swing. First, the Social Democrats, now in the opposition, and then the Conservatives, in the government, came out with statements in favour of applying for EC-membership. Finally in early autumn 1991, after the aborted putsch in Moscow in August and the demise of the Gorbachev regime in the Soviet Union in sight, President Koivisto also joined in favouring the application. This was followed by Prime Minister Esko Aho, who then managed to convince a majority of his euroskeptical Centre Party to support the newly forged national integration consensus.92 The membership negotiations began in Brussels in February 1993. While most of the difficult issues regarding the single market had already been dealt with in the EES negotiations, a number of thorny items remained unsettled until the very end in March 1994, notably Finland’s adaptation to the Common Agricultural Policy (CAP). During the negotiations, Finnish officials and government ministers, including President Koivisto, came into close contact not only with the European Commission officials but also with their German counterparts. What transpired, according to both the available archival records as well as from interviews conducted with Finnish negotiators and President Koivisto, was  a remarkable closeness in the forging of  a new kind of partnership with 89 90 91 92

Ibd., 438, quoting Under-Secretary of State’s Veli Sundbäck’s private diary 30.8.1990. Ibd., 439, quoting Sundbäck’s diary. Ibd., 441–442. On the decision-making process from summer 1991 to late autumn 1991, see ibd., 451–463.

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Finland and reunified Germany. It was well known that Germany was in favour of a speedy conclusion of the membership negotiations with Finland, Sweden, Austria, and Norway before preparations for the EU’s eastern enlargement could begin. While the interests of Germany and Finland were closely aligned on many issues, the partnership was also important on a political and personal level. From Helmut Kohl, President Koivisto received reassuring messages in late 1993 that Germany was intent of seeing the membership negotiations completed swiftly by early 1994. While according to Kohl both Commission president Delors and France’s President Francois Mitterrand had reservations about the Nordic countries’ entry into the Union, Kohl told Koivisto that he felt “personal sympathy towards the Nordic countries.”93 In a meeting in Davos in February 1994 between Kohl and the chairperson of the Finnish Conservatives and one of Finland’s chief negotiators, Foreign Trade Minister Pertti Salolainen, Kohl conveyed a similar message of support for Finland. As the negotiations, now the responsibility of the Greek EU-Presidency, were running towards  a stalemate on Finland’s terms of entry into the CAP, Kohl assured the beleaguered Salolainen that “I would do my utmost to help Finland. Finland has a warm place in my heart.”94 As it happened, the final stretch of Finland’s membership negotiations in March 1994 proved as tortuous as had been anticipated. Only after the arrival of Germany’s Foreign Minister Klaus Kinkel in Brussels, and his intervention in the negotiations chaired by Greece’s Deputy Foreign Minister Theodore Pangalos, was a deal finally struck on a compromise regarding a period of transition and the level of national agricultural subsidies Finland would be allowed to pay for its farmers.95 The contacts with Kohl during the membership negotiations and the intervention of Kinkel in March 1994 left  a lasting impression on the Finns. Even though not all issues were cleared up and some hurdles remained before the referendum in October 1994, the help from Germany at this crucial moment was soon an established fact in the tales told about Finland’s difficult path into the EU. Still, the change may not have been due only to the actions of the Kohl government, and the welcome reception given to them by the Finns. As becomes clear from an interview conducted with President Koivisto after his presidency, the reunification of Germany had not only freed Finland from its geostrategic constraints within the Soviet sphere of influence but it had also changed the great power constellation in Europe more broadly as well.96 93 Ibd., 474, based on a private diary entry by Foreign Minister Heikki Haavisto. 94 Ibd., 479, based on an interview with Pertti Salolainen 3.3.2009 and Pertti Salolainen’s speech in a seminar “Suomi EU:ssa 15 vuotta”, Helsinki 8.2.2010. 95 Ibd., 475–484. 96 Pekka Visuri in  a critical oral history seminar organized by the Reimag-project in Helsinki, 22 October 2015. The transcript is in the possession of the authors. Dr Visuri pointed out that while he was president, Koivisto was adamant not to engage in an open

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Koivisto explained his motivations for turning into favour of Finland’s

EU-membership as follows: “It is better to attach Finland’s into a stable group

of Western and Central European countries, to Germany in particular, instead of relying on the uncertain Nordic countries. Small countries must hold on to their interests, as great powers have  a tendency to dictate their views, as the United States does in NATO.”97 What Koivisto meant by this was to make clear how Finland’s changing geopolitical place in Europe moved it away from the traditional Nordic frame of reference and towards a closer alignment with “core Europe,” namely  a reunified Germany. According to Pekka Visuri, who conducted the interview with Koivisto, the transcript of which Koivisto himself authorized, Koivisto thought that Sweden did not really understand Finland’s position and was unwilling to commit itself to  a post-Cold War partnership. Also, Denmark had proven “unreliable” during the Baltic crisis in 1991. Even worse, both countries had  a tendency towards  a “policy of demonstrations,” whereas Finland preferred Realpolitik just as Germany and the United States did. In any case, “Finland should not rest its foreign policy on the assumption of help from the outside.”98

IX. Conclusion This chapter has highlighted the profound significance of the German Question for Finland in the Cold War. While the fall of the Berlin wall surprised Finns as it did many others, the Finnish foreign policy leadership reacted quickly and put forward a plan that paralleled the restoration of reunified Germany’s full sovereignty in Finland. Even though “Operation Pax” did not yet signify a departure from Finland’s policy of neutrality, it was followed by a more significant change in Finland’s integration policy in 1991. Finland’s EC membership negotiations 1993–1994 brought Finland into close contact with the reunified Germany, from where it received strong support for its membership bid especially in the critical final stage of the negotiations in March 1994. This legacy of successful collaboration and partnership left a lasting impression on many Finns. From Finland’s perspective, German reunification meant first and foremost the end of the way in which the outcome of the World War II and the Cold War restricted Finland’s sovereignty. Furthermore, as the supportive attitude of Germany paved the way for Finland’s joining the European Union, it is no wonder that the re-emergence of strong, unified Germany in Europe was at the time, and still is, remembered positively in Finland. debate about his inner thinking on Finland’s EU-membership and future foreign policy. To this may be added, that President Koivisto remained also very guarded in his memoirs published after his term as president and in interviews in the 1990s. 97 Ibid. 98 Ibid.

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Denmark and German Reunification: Anxious Feelings and the Limits of Europeanization When Italian Prime Minister Giulio Andreotti half-jokingly paid tribute to French author François Mauriac’s quip in a public speech in 1984, “I love Germany so much that I hope there will always be two of them,”1 he infuriated both the government and the media of the Federal Republic of Germany (FRG). Other European leaders, however, teamed up to demonstrate their goodwill towards the aspirations of the Federal Republic. One of them was the Conservative Danish Prime Minister Poul Schlüter, who, in a public statement, stressed that German reunification would represent a strengthening of Europe. As Chancellor Kohl told Schlüter a few weeks later during a visit to Copenhagen, the FRG was very grateful for the Danish intervention, which—together with the French reaction—he considered to have been “by far the best.”2 Five years later—just after the fall of the Wall—the situation had changed. Kohl and his government were both disappointed and confused when they learned that on 28 November, in a response to Kohl’s Ten-Point-Plan, Schlüter had stated on Danish television that in his opinion German reunification was not in the Danish interest—a position “corrected” by Foreign Minister Uffe Ellemann-Jensen in an official press release the following day where he emphasized that Germany and its neighbours shared common interests in overcoming “the artificial division of our continent.”3 If the reader of this article is confused, this may be due to the fact that the Danish government in fact found it difficult to come to terms with the prospect of German unification. In reality, the German Question, and with it, the German problem had been neatly solved by the Cold War. Historically, these two issues—and the nexus between them—had been the most important 1 Antonio Varsori, Italy, The East European Revolutions and the Reunification of Germany, 1989–1992, in Wolfgang Mueller/Michael Gehler/Arnold Suppan (eds.), The Revolutions of 1989. A Handbook, (Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2015), 403–418, here 408. 2 Amtel 494 Bonn to UM 24.9.1984 and Notits on Kohl’s visit by K. E. Tygesen 26.9.1984 (quote is from the latter), both in UM (= The Archives of the Danish Foreign Ministry), 5.D.29a, box 118. 3 Quoted from press release by Foreign Minister Uffe Ellemann-Jensen, 29.11.1989, reprinted in Dansk Udenrigspolitisk Årbog 1989, (Copenhagen: Dansk Udenrigspolitisk Institut, 1990) 233. Also see Nikolaj Petersen, Denmark and the New Germany: Cooperation or Adaptation?, working paper, Dept. of Political Science (Aarhus University 1992), 12.

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international political factors shaping the modern Danish state. Furthermore, in 1989–90, not only was the German issue in flux, so was the whole European situation, economically, politically, and security-wise, due to the all-embracing character of the changes brought about by the revolutions in Eastern Europe, and ultimately by what looked like an end to the Cold War. Thus, the insecurity about Germany related not only to unification itself, but even more to the widespread insecurity about the kind of institutional framework or architecture that would be at hand to cope with these dramatic transformations. In order to clarify and discuss the reactions of the Danish government, the Danish political system, and Danish society at large to Germany and German unification in the transition from Cold War to post-Cold War, this chapter will first present the Danish-German relationship in historical perspective. It will then analyse the relationship to both Germanies in the years just prior to 1989 before directing its attention to unification politics and the debate in the crucial period from November 1989 to March/April 1990. From here, the chapter will discuss Danish responses to and views on the unification issue in relation to the debates on future European institutional reforms in NATO, the EC , and the CSCE and in the Baltic area. Finally, the conclusions will summarize and discuss the main findings of the chapter. Our analysis is based on primary sources, including archival sources from the Danish Foreign Ministry, and the existing research literature. The historical Danish-German relationship is fairly well-covered in the literature,4 whereas the Danish approach to the unification process of 1989–90 has not been extensively treated. Still, there do exist a few good analyses of the latter, carried out by historian Karl Chr. Lammers and political scientist Nikolaj Petersen.5 4 For instance, see the various volumes on Danish foreign policy history Dansk Udenrigspolitiks historie, Vol. 3–6 (Copenhagen: Danmarks Nationalleksikon, 2003ff); Troels Fink, Deutschland als Problem Dänemarks. Die Geschichtlichen Voraussetzungen der dänischen Aussenpolitik (Flensburg: Christian Wolff Verlag, 1968); Per Øhrgaard, Offizielle Anpassung und inoffizielle Distanz—das Verhältnis Dänemarks zu Deutschland in den letzten 150 Jahren, in: Per Øhrgaard (ed.), Die Bundesrepublik Deutschland in der heutigen Welt 1989 (Copenhagen: Akademisk Forlag 1990), 111–133; Steen Bo Frandsen; Dänemark— Der kleine Nachbar im Norden. Aspekte der deutsch-dänischen Beziehungen im 19.  und 20.  Jahrhundert (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1994); Uffe Østergård, Das Deutschlandbild in Dänemark, in: Hans Süssmuth (ed.), Deutschlandbilder in Dänemark und England, in Frankreich und den Niederlanden (Baden-Baden: Nomos, 1996), 170–193; Robert Bohm/Jürgen Elvert/Karl Chr. Lammers (eds.), Deutsch-skandinavische Beziehungen nach 1945 (Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2000). 5 The unification issues, including relations with the GDR , are addressed in Karl Chr. Lammers’ book, Hvad skal vi gøre med tyskerne bagefter. Det dansk-tyske forhold efter 1945 (Aarhus/Copenhagen: Schønberg, 2005). Nikolaj Petersen has analysed reunification and its context in various publications, for instance, Denmark and the New Germany. Cooperation or Adaptation (working paper) Dept. of Political Science, Aarhus University 1994; and id., Europæisk og globalt engagement 1973–2006. Dansk udenrigspolitiks historie, Vol. 6 (Copenhagen: Gyldendal, ²2004).

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I.

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Denmark-Germany: The Historical Legacy

Any attempt to explain Danish reactions to the unification process of 1989–90 must include the historical legacy of the Danish-German relationship of the preceding 150 to 200 years. If Sweden occupied the position of the great external “other” to Denmark from the late Middle Ages until the Napoleonic Wars, Germany assumed that position in the post-Napoleonic era. The key events in that process were the Schleswig Wars in 1848 and 1864, and the German occupation of Denmark during World War II.6 The nineteenth century wars erupted as  a consequence of the multinational character of the Danish Kingdom, which came under increasing pressure owing to the contentious national issue of the duchies Schleswig and Holstein. The population there was a mix of German and Danish, with  a clear predominance of Germans in Holstein and southern Schleswig, but with a Danish predominance the further North you travelled in Schleswig. The politicization of this national issue pushed national forces in Denmark to demand that Schleswig be integrated into Denmark, whereas the German elite in and outside of Schleswig-Holstein wanted the Duchies to link up with the German national ambition of unification. This complex situation resulted in the two wars of 1848 and 1864, and when Denmark lost the latter to combined Prussian-Austrian forces, Schleswig-Holstein joined the German Bund and, subsequently, the German Empire created in 1871.7 Denmark (re)gained the northern part of Schleswig as  a consequence of  a referendum held in accordance with the Versailles Treaty in the aftermath of

6 The most poignant interpretation of the 1864 war as a determinant for creating the Danish adaptive foreign policy tradition is presented by Erling Bjøl, Policy-Making in Denmark, in: Cooperation and Conflict (1967) 2, 1–17. Also see Nikolaj Petersen, International Power and Foreign Policy Behaviour. The Formulation of Danish Foreign Policy in the 1870–1914 Period, in: Kjell Goldmann/Gunnar Sjöstedt (eds.), Power, Capabilities and Interdependence (London: Sage, 1979), 235–270. For an interpretation of the long-lines of Danish foreign policy-making, see Thorsten Borring Olesen/Poul Villaume, I blokopdelingens tegn 1945–1972. Dansk udenrigspolitiks historie, Vol. 5 (Copenhagen: Gyldendal, ²2006), 746–762. It is important to stress that the Danish foreign policy tradition has not only included adaptive elements but also more activist ones, even during the pre-1945 period, see Hans Branner, The Danish Foreign Policy Tradition and the European Context, in: Hans Branner/Morten Kelstrup (eds.), Denmark’s Policy towards Europe after 1945 (Odense: University Press, ²2003), 185–220. 7 The 1864 syndrome continues to occupy Danish history writing and film-making. For instance, see Rasmus Glenthøj, 1864—sønner af de slagne (Copenhagen: Gads Forlag, 2014); Johan Peter Noack, Da Danmark blev Danmark: Fortællinger af forhistorien til 1864 (Copenhagen: Gyldendal, 2014). Also see Claus Bjørn/Carsten Due-Nielsen (eds.), Dansk udenrigspolitiks historie. Fra helstat til nationalstat 1814–1914, Vol. 3 (Copenhagen: Gyldendal, ²2006). “1864” is the title of both a much-debated TV series and a film by director Ole Bornedal, released in 2014 and 2015.

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World War I, and thus added ten per cent to its—still small—territory.8 Germany, however, never accepted this transfer of Northern Schleswig to Denmark. Nevertheless, it was not this issue that triggered the German occupation of Denmark during World War II. The occupation found its logic in strategic concerns, and was primarily executed to secure Denmark as a denial area for Allied intervention, and as  a stepping stone for the occupation of Norway. Although the occupation of Denmark was relatively benign compared to Nazi occupations elsewhere in Europe, the psychological and political impact of this violation of Danish sovereignty was nonetheless massive. It confirmed the image of Germany as the great “other,” stimulating the widespread attempts to stereotype Germany and the Germans as brutal neighbours and “Herrenvolk.”9 Denmark and West Germany managed to develop a somewhat peculiar, but nonetheless rather good, working relationship in the post-war period. There were real tensions because of the Schleswig issue in the immediate aftermath of the war, when strong Danish national extra-parliamentary movements and established parties and politicians both South and North of the border lobbied intensely to integrate another lump of Schleswig into Denmark. The sitting Liberal government even fell on the issue, in 1947. But gradually, a more cool-headed approach won out, and resulted in the so-called Copenhagen-Bonn Agreements of 1955, which devised a liberal way to recognize and secure minority rights on both sides of the border. This proved to be an efficient way to defuse the border issue in the Danish-German relationship.10 So too did NATO membership, which was already evidenced during the process that paved the way for West German NATO membership in 1955. The US idea of rearming the FRG was also originally quite controversial in Denmark, but rather quickly the post-war Danish governments came to accept that an effective defense of Denmark would rely on the mobilization of West German military resources. Through NATO, Denmark and Germany developed a close cooperation, particularly after the establishment of the joint Danish-German military force and command structure, BALTAP (= Baltic Approaches), in NATO’s Northern Region. The agreement was not easy to reach, owing to both German and Danish reservations, and it took six years to complete it, before it finally took effect in 1962. On the Danish side there were both concerns about the Soviet Union’s manifest opposition to BALTAP and also broad national opposition to cooperating so closely with the former enemy—a fact evidenced by organized 8 Karen Gram-Skjoldager, Grænsen ligger fast. Det sønderjyske spørgsmål i dansk udenrigsog indenrigspolitik 1920–1940 (Abenraa: Historisk Samfund for Sønderjylland, 2006); Henrik Becker-Christensen: Fra “mod hinanden” til “med hinanden”, in: Hans SchulzHansen et al. (eds.). Sønderjyllands historie, Vol. 2 (Aabenraa: Historisk Samfund for Sønderjylland, 2009), 264. 9 Lammers, Hvad skal vi gøre ved tyskerne bagefter, 11–41; Thorsten Borring Olesen/Poul Villaume, I blokopdelingens tegn 1945–1972, 486–488. 10 Ibd. 56–67 and 276–287.

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demonstrations during the 1960s, when German military forces participated in exercises in Denmark.11 One of the results of the Danish-FRG rapprochement, much appreciated by the FRG governments, was the Danish endorsement of the general NATO position that the FRG must be considered the sole representative of Germany, and that Germany had a right to unification based on democratic self-determination. Consequently, Denmark rejected all moves towards a formal diplomatic recognition of the GDR , although in practice, relations gradually expanded and eased during the 1960s, but so too did the FRG -GDR relationship, just as the FRG gradually relaxed its enforcement of the Hallstein Doctrine. When the two Germanies finally signed the Grundlagenvertrag in December 1972, involving a de facto FRG recognition of the GDR , the Danish government quickly seized the opportunity and established diplomatic relations with the GDR the following month.12 For the sitting Social Democratic government under Anker Jørgensen, the German situation had become nearly optimal. The security issue was neutralized thanks to NATO and the existence of two German states. Trade with the FRG had greatly expanded, and the FRG was soon to overtake United Kingdom as Denmark’s largest single export market (from 1977 onwards), and politically, the FRG had become “normal” by the formation of the Brandt-Scheel SPD -FDP coalition government in 1969. The German problem had basically ceased to exist. From a German point of view, relations with Denmark also seemed to have progressed, especially since a new generation of Social Democrats, represented by Prime Minister Jens Otto Krag and Foreign Minister Per Hækkerup, took office in the early 1960s, German political briefs on Denmark reflected a change of attitude. Thus, the German Ambassador to Denmark was glad to observe the very conciliatory speech made by Krag during the official 100-year commemoration of the 1864 war. At the same time, as he made clear in his annual report for 1962: “In the broader sections of Danish society latent anti-Germanism has not receded.”13 This could also be observed during the Danish debates on membership to the EC during the 1960s, and in the accession referendum campaign of 1971–72. A central argument among some of the more radical EC sceptics was to depict the EC as the contemporary embodiment of Hitler’s vision for the organization of Europe under his control, or for “Neuropa,” as this vision was branded.14

11 Ibd., 172–174, 280–282, and 323–340. Also see Karl Chr. Lammers/Poul Villaume, Østersøkommandoen, in the Danish Cold War encyclopedia: John T. Lauridsen/Rasmus Mariager/Thorsten Borring Olesen/Poul Villaume (eds.), Danmark og den kolde krig (Copenhagen: Gads Forlag, 2011), 714–716. 12 Lammers, Hvad skal vi gøre ved tyskerne bagefter, 214–240. 13 Olesen/Villaume, I blokopdelingens tegn, 485–487 (quote 487); Lammers, Hvad skal vi gøre ved tyskerne bagefter, 138–140. 14 Olesen/Villaume, I blokopdelingens tegn, 728; Lammers, Hvad skal vi gøre ved tyskerne bagefter, 139.

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These examples mirror the fact that the Danish approach to Germany and German unification at the threshold of the 1970s still presented a manifest duality.

II.

The Danish-German Relationship during the 1970s and 80s.

January 1973 was an interesting month in the Danish relationship with Germany as Denmark both joined the EC and established diplomatic relations with the GDR . The immediate impact was that relations with both Germanies intensified and expanded. As a new EC member state, Denmark often needed inspiration or guidance in order to politically navigate the Brussels system. In this respect the FRG often became the closest interlocutor for Danish governments. There were material reasons for this, because the FRG, as already mentioned, became Denmark’s most important trading partner after the Danish EC accession, but the relationship was also underpinned by close political and personal contacts. Denmark had Social Democratic governments during most of the Brandt-Schmidt period, which eased political contacts, because the leading political figures also regularly met at the various transnational socialist fora, such as the Socialist International. Social Democracy lost power in both countries in 1982 and gave way to Conservative-Liberal government coalitions. The opposition role did not diminish contacts between the SPD and the SD; instead, it expanded, owing to the intensive security policy coordination that took place inside the so-called Scandilux cooperation. At the government level in the post-1982 period, personal relations were cultivated primarily between the two long-serving, Liberal foreign ministers, Uffe Ellemann-Jensen and Hans-Dietrich Genscher. Like Genscher, Ellemann-Jensen was very pro-EC in outlook—a rare feature in Danish politics at the time.15 Danish-German contacts were further solidified through much more frequent bilateral meetings and state visits. Nearly twenty years elapsed after the war before the first official visit to Denmark by a German chancellor, Ludwig Erhard, took place in 1964, while the first—still not uncontroversial—official state visit, by President Gustav Heinemann, had to wait until 1970. During the following decades such visits became more frequent and uncontroversial.16 The much-improved bilateral relations could not conceal that politically, the Danish and German governments did not always see eye to eye. In particular, concerning the EC there were real differences in the way the FRG and Denmark 15 Carsten Søndergaard, “Tyskland”, in: Rasmus Mariager (ed.), Danmark og verden efter den kolde krig. 14 ambassadører om dansk udenrigspolitik efter 1989 (Odense: Syddansk Universitetsforlag, 2015), 123; Rasmus Mariager, “Ostpolitikkens anden fase”. Socialdemokratiet og sikkerhedspolitikken 1973–1988, in: Historisk Tidsskrift,115 (2015) 1, 69–116. Also see Uffe Ellemann-Jensen’s essay on Genscher, “Things we have in common, things that keep us apart” (1988), UM 5D 29a, box 119. 16 Lammers, Hvad skal vi gøre ved tyskerne bagefter, 32–34 and 245–246.

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approached integration issues such as the Common Agricultural Policy (CAP), budget financing, and institutional reform. On the latter question, Danish governments were generally hesitant about institutional change that would push the EC in a more supranational direction. The handling of the SEA reform is a case in point. The Danish government was originally reluctant to endorse  a comprehensive SEA reform based on  a treaty revision, but chose to go along when Thatcher and the British government (usually a Danish ally in institutional questions) agreed to participate in the intergovernmental conference that the Italian EC Chairmanship decided to organize, despite opposition from three countries at the Milan European Council Meeting in June 1985. The original plan was to introduce qualitative majority voting, the harmonization of indirect taxation, and the transfer of the European Political Cooperation (EPC) to the formal treaty structure of the EC , each of which was an element that the Danish government particularly opposed, but its reluctance was also rooted in the concern that it would be difficult to convince the Danish parliament of the merits of establishing  a single market through  a treaty revision. This concern proved to be well-founded, as a majority opposed the SEA in Folketinget. The Kohl government acknowledged the difficult domestic position of the Schlüter government, but was not prepared to let it derail the process of what it considered a vital EC reform. In the end, the problem was neutralized by the “yes” of the Danish electorate in a consultative referendum called by the government, and by the fact that the result was accepted as binding by the opposition parties.17 Danish relations with the GDR also improved. The exchange of ambassadors in 1973 was followed by the first official East German Foreign Minister’s visit to Denmark in 1975, and returned by Foreign Minister Knud Børge Andersen the year after. Trade exchange also expanded, but never reached more than one per cent of the aggregate Danish trade value, nearly twenty times less than the value of the FRG trade. Although the two states also concluded a bilateral cultural exchange agreement in 1976, culture and tourism exchange remained modest. With the exception of some left-wing circles, GDR culture and society found no strong appeal in Denmark. Fundamentally, political relations remained constrained by the Cold War logic and especially by the fact that East German military forces were assigned  a leading role in an attack on Denmark in the case of an escalating East-West conflict. Furthermore, since Denmark played a 17 The Danish opposition to institutional reform was already clearly communicated to Kohl during his visit to Copenhagen in September 1984, see Talepunkter: Statsministerens samtale med forbundskansler Kohl 24.9.1984, UM 5.D.29a, box 118. On Kohl’s acknowledgement of the Danish government’s difficult domestic situation, see telegram from Ambassador Fischer in Bonn, AMTEL 671, 13.12.1985, Ibd. Also see Ambassador Paul Fischer’s reflections on his time in Bonn 1980–89, København-Paris-Bonn, in: Udenrigsministeriet (ed.), Nye grænser. Den danske udenrigstjeneste 1970–1995, (Copenhagen: Udenrigsministeriet, 1995), 102–104. On Denmark and SEA generally, see Petersen, Europæisk og globalt engagement, 379–395.

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coordinating role on the Western side in the so-called “basket three” negotiation of the Helsinki process, Danish and GDR views also clashed on the controversial basket issues related to liberalizing information, culture, and human exchange flows. Finally, the diplomatic recognition of the GDR did not entail  a change in the official Danish view that the FRG was the legitimate representative of Germany, with the right to work towards (re)unification on the basis of self-determination.18 The basket three and the (re)unification complex underwent  a real-life test in 1988, just  a year before the GDR collapsed. According to schedule, Prime Minister Schlüter was to undertake an official visit on 13–14 September, but on the ninth, a group of eighteen GDR citizens entered the Danish Embassy in East Berlin, apparently seeking to exploit the upcoming visit as a way to secure an emigration permit to the FRG. After consulting with the Foreign Ministry at home, the FRG representatives in East Berlin, and the GDR Foreign Ministry, Ambassador Erik Krog-Meyer urged the group to leave again, and when they refused, he allowed the East German authorities to arrest the group in the middle of that same night. According to an embassy press release of 20 September, the departure of the group took place in “a peaceful and friendly atmosphere.”19 In any case, the departure seemed to remove an awkward obstacle to a smooth visit by the Prime Minister. Nevertheless, the incident provoked serious public criticism in both Denmark and the FRG. The government had to open a parliamentary investigation and the ambassador and civil servants at both the Foreign Ministry and the Prime Minister’s office were subsequently rebuked for their actions.20 Apparently, Schlüter had not yet been informed of the incident four days later, when he had his first meeting with Erich Honecker on 13 September. In the following weeks and months, the Danish government tried to get out of its diplomatic predicament by persuading the GDR authorities to release the 18 and allow them to travel to West Germany, which they all managed to do before the end of March in the following year.21 With this obstacle removed, the way was 18 Ibd., 147–149 and 170–172; Lammers, Hvad skal vi gøre ved tyskerne bagefter, 240–242; Lammers, DDR , in: Lauridsen/Mariager/Olesen/Villaume (eds.), Danmark og den kolde krig, 182–183. 19 Press release from the Danish embassy in Berlin (GDR) 20.9.1988 (quote from here) and announcement by Foreign Minister Uffe Ellemann-Jensen 7.11.1988, both reprinted in Dansk Udenrigspolitisk Årbog 1988, 311 and 323–23. The latter announcement is seriously challenged on several counts by Wolfgang Mayer in his detailed book, Flucht und Aufreise. Botschaftsbesetzungen als Form des Widerstands gegen die politische Verfolgung in der DDR (Berlin: Anita Tykve Verlag, 2002), 391–429. 20 According to Wolfgang Mayer the report of the parliamentary investigation included a number of serious errors, ibd. 427–429. Also, according to Mayer, Ambassador KrogMeyer had to accept a transfer to Finland after the affair, ibd., 404, ref. 1408. 21 Petersen, Europæisk og globalt engagement, 266–267.; Thomas Wegner Friis, Ambassadebesættelserne, in: Lauridsen/Mariager/Olesen/Villaume (eds.), Danmark og den kolde krig, 76–78.

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opened for a smooth return visit by Honecker to Copenhagen in October 1989. However, this time history overtook planning, but the visit was not officially cancelled until 10 October—one week before Honecker had to resign.

III. Reunification: The Early Phase, 1989–90 When Honecker resigned, and even when the wall came down in the days around 10 November, Danish public and political debate paid little attention to possible German reunification. On 26 October, the Folketing asked the government to give a summary of the changes in Eastern Europe and the Soviet Union, and of Danish and Western reactions to these changes. In his review Foreign Minister Ellemann-Jensen focused nearly all his attention on the changes in the Soviet Union, Poland, and Hungary, and how to cope with them, and this focus also structured the ensuing interventions by the speakers of the various political parties.22 Still, there were  a few speakers who made it clear that the German Question might easily move to centre stage of the Danish and European foreign policy, and security discussions in the near future. Thus, Social Democratic Spokeswoman Ritt Bjerregaard, stressed that the dynamic momentum in the inter-German relationship would be decisive in Europe’s handling of the huge transformations taking place and further maintained that it was difficult at that moment to pinpoint exactly where Danish interests could best be pursued. On the one hand,  a German unification process could have the positive effect of diminishing military tensions in Central Europe, but on the other hand, she also added, “we have, as neighbours to a strong and self-promoting Germany from 1864 to 1945, had a number of experiences that we do not want to see repeated.”23 A similar concern was voiced by the speaker from the small Christian People’s Party, Flemming Kofod-Svendsen: “However, the (German) question is not officially on the agenda, but in step with the crumbling of an independent GDR state, the question about the future relations between the two Germanies and their role in the new, emerging Europe will be accentuated. Is reunification possible, realistic, desirable in the near future? Should the initiative on this issue be left to the Germans or should other countries also have their say?”24

These questions were never answered during the debate, and Ellemann-Jensen probably had a point when, in a speech to the Foreign Policy Institute in Copenhagen on 20 November, on the future of NATO (in which he did not touch upon the German question either), he made the point that all political forecasting for

22 FT (= The minutes of the debates in the Folketing), 1989–90, 26.10.1989, col. 726–728. 23 Ibd. col. 745. 24 Ibd., col. 772–773.

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the moment “is like painting a moving train.”25 Still, to most policy observers, it appeared more than strange that once again, the issue was not addressed when the Danish Defence Commission, set up in 1988 to analyse the future needs of Danish military defense, presented its report in December 1989. In the report hardly  a word was dedicated to the potential challenges German unification would pose to the Danish military posture, which the chairman of the commission later would admit was one of the major shortcomings of the report. The same kind of omission was repeated in Director of the Foreign Ministry Otto E. Møller’s annual overview of Danish foreign policy and its challenges, published in the 1989 Danish Foreign Policy Yearbook. Again, one looks in vain in his review for a comment on the importance of the German events on Danish foreign policy.26 It is tempting to see this pattern as nourished by a kind of political indifference or lack of political imagination, but it probably owed more to the fact that many Danes, including high-ranking politicians and civil servants, had mixed feelings about the prospect of German reunification, and did not really want to address its pros and cons before there was more substance to the process and more certainty concerning how the international community would react to it. Thus, during the confidential debates in the Folketing’s Foreign Policy Committee, Poul Schlüter as late as 22 November made it clear that it was his belief that the FRG was not aiming for reunification at any price and not at all if it involved a German departure from NATO and the EC . Kohl had stressed this over and again, probably in an attempt to reassure those groups that were concerned about the prospect of reunification. However, according to Schlüter, no one could predict what would happen in ten to fifteen years.27 Also, behind closed doors, the Social Democrat parliamentary group had had a similar discussion one week earlier on 15 November. Here, Chairman Svend Auken called the fall of the Wall “a gratifying development” and added, “One may of course discuss what a joint Germany of 80 million people will mean, but our position must be that it is up to the Germans themselves to decide whether reunification is going to happen.” A couple of speakers found this perspective problematic, and preferred “two Germanies.” But most speakers, and the top brass among them, supported the right of the Germans to decide on their own. Thus, in the group minutes, Mogens Lykketoft (future Minister of Finance during the 1990s) is quoted as expressing the view: “[…] it is a positive development taking place and there is

25 Udenrigsministerens indlæg på konferencen, NATO towards the Year 2000, reprinted in Dansk Udenrigspolitisk Årbog 1989, 182. 26 Michael Christiansen, Forsvarskommissionen af 1988: Baggrund, arbejde og beretning and Otto E. Møller, Den udenrigspolitiske situation og Danmarks udenrigspolitik 1989, both in: Dansk Udenrigspolitisk Årbog 1989 (Copenhagen 1990), 37–55 (on German regrets, 55) and 12–25. 27 Minutes of The Foreign Policy Committee, 22.11.1989, in UM 3.E.92.

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no reason to worry. The problem related to Germany’s potential reunification is only a historical problem.” Chairman Auken agreed, but made it clear that in any event, reunification “will take a long time.”28 But history was a fast-moving train, and when Helmuth Kohl presented his Ten-Point-Plan for overcoming the division of Germany and Europe in the West German Parliament on 28 November 1989, it provoked  a number of Danish reactions. It was on this occasion that Prime Minister Poul Schlüter voiced his “personal belief” on Danish television that unification was not in Denmark’s interest, to be followed only the day after by an official correction by Foreign Minister Uffe Ellemann-Jensen, who, in a press release, hailed “the end of the artificial division of our continent.” When it came to foreign policy there is no doubt that the Foreign Minister, not the Prime Minister, sat in the driver’s seat. But Schlüter’s anxieties were shared elsewhere, and by others, and for  a few months during the period late November 1989 to March 1990, political apprehension was in the air, also in Denmark.29 A debate in the Folketing’s Foreign Policy Committee on 7 February 1990 reveals that clearly. During the meeting Ellemann-Jensen reported on European and German discussions and developments, but could not dispel the sense in the Committee that events were moving with such speed that there was no time to act, only to react. Especially the huge wave of East Germans going West was seen as a potential destabilizing element. None of the parties represented in the Committee denied Germany the right to democratic self-determination, but all agreed that reunification would have to be achieved within  a broader European context. As Social Democrat Ritt Bjerregaard made clear, “Our interest is that Germany’s attention is directed towards Europe and no other way.” In addition Gert Petersen, the Chairman of the People’s Socialist Party, was critical of the fact that so far the FRG government has not issued  a sufficiently strong guarantee that  a reunified Germany would respect the Oder-Neisse border. That had to be a demand sine non qua.30 Also, in the Danish public debate in the week following Kohl’s speech, there were a number of interventions in the form of press editorials and newspaper articles by leading cultural figures and former members of the Danish (World War II) resistance movement, who voiced their concerns—nourished by historical experience—about the dangers posed by German reunification. It is also interesting to note that neither a Right-leaning newspaper such as Jyllands-Posten or  a Center-Left newspaper like Politiken warned against reunification as long as it was realized on the basis of democratic self-determination and within a 28 Minutes from the SD parliamentary group, 15.11.1989, at Folketinget’s Bibliotek og Arkiv (FBA), Copenhagen. 29 Just prior to the publication of Kohl’s Ten-Point-Plan Ellemann-Jensen had travelled to Poland and learned about the strong opposition in the Polish government towards German reunification, see Ellemann-Jensen in: Minutes of The Foreign Policy Committee, 20.12.1989, in UM 3.E.92. 30 Ibd, 7.2.1990, in UM 3.E.92.

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greater European peace settlement and/or an expanded EC .31 The Danish people seemed to be more hesitant towards endorsing reunification. According to an opinion poll conducted 11 December 1989, the Danish population was split in its view. While 44 percent expressed various degrees of positive reactions towards German reunification, 37 percent took a negative attitude. In a similar exercise carried out by the Gallup opinion institute in January 1990, on the question: “Do you think that German reunification will be an advantage for Europe?”, a majority of 51 percent answered “no,” while only 26 percent answered “yes.”32 Nevertheless, during 1990, Danish acceptance of German reunification seemed to have grown. In an opinion poll from August, 56 percent now declared that they felt positive about reunification, and only 21 percent responded negatively.33 Also, government statements on the topic became more coherent. In a commentary in the daily Politiken on 3 February, titled (in translation), “German Unity and Denmark’s Interests,” Uffe Ellemann-Jensen presented  a view that would essentially remain the standard view of the government on the topic. According to Ellemann-Jensen, the German Question had moved to the top of the European agenda, which also meant that Denmark had to make its position on the German Question clear. He continued: “The point of departure for the Danish position should be respect for any people’s right to determine its own destiny while respecting the considerations of other (­people). This also holds true for the German people. If the peoples of the two Germanies wish to unite, they have the right to do so, like everybody else. […] But it must be in the Danish—and the European—interest, that future unification of the German people will take place in a European Context.”34

We will return to the European contextualization of the German Question in more detail, below. Here, it must suffice to note that the above line of reasoning was now followed by the government in nearly all communications—and in closed conversations with other governments35—even by Poul Schlüter, although 31 See German press reactions to Schlüter’s comment in Telegram from the Danish Embassy in Bonn, Amtel 1036, 4.12.1989, UM 5d 29a, box 20; Petersen, Denmark and the New Germany, 3–5; Lammers, Hvad skal vi gøre ved tyskerne bagefter, 255–257. Also see the editorial positions of Jyllands-Posten (“Tyskland i Europa” and “Tysk enhed I Europa” 12.11 and 30.11.1989) and Politiken (“Hul i muren—et nyt Tyskland i et nyt Europa” and “Stortyskland”) 11.11. and 29.11.1989. 32 Sensor opinion poll published in Jyllands-Posten 18.12.1989, reprinted in Dansk Udenrigspolitisk Årbog 1989, 408 and Gallup opinion poll from January 1990, reprinted in: Dansk Udenrigspolitisk Årbog 1990, 459. 33 Sensor opinion poll from 20 August 1990 published in Jyllands-Posten, reprinted in Dansk Udenrigspolitisk Årbog 1990, 463. 34 Uffe Ellemann-Jensen, “Tysk enhed—og Danmarks interesser”, Politiken 3.2.1990, reprinted in: Dansk Udenrigspolitisk Årbog 1990, 200–201. 35 According to an exposé given by Ellemann-Jensen in The Foreign Policy Committee on 14 March he had warned his British colleague Douglass Hurd of the potential marginali-

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he continued to stress (e.g. in a speech at The World Economic Forum in Berlin in May 1990) that it should come as no surprise that in Denmark and other countries, behind the positive official declarations there were signs of apprehension. Because, he added: “The Historical experience cannot be neglected. We also owe the anxious feelings respect.”36 The “anxious feelings” were galvanized on one occasion during the early spring of 1990. It happened when the Oder-Neisse border came up for discussion between the Polish and West German government. In the ensuing debate, Chancellor Kohl made the faux pas of meeting Polish demands for  a border treaty a condition for German reunification with counter-demands that signalled that the border issue had not been resolved once and for all. The incident created quite  a stir, not only in Denmark but also in most of Europe with a united demand that Germany clarify its border position.37 In Denmark, Ellemann-Jensen was quoted as saying that this “non-theme” should never have been allowed to develop, whereas Conservative Foreign Policy Spokesman Per Stig Møller wanted Kohl’s friends in Germany to quietly remind him that Germany had started World War II and actually lost it.38 Interestingly, Foreign Minister Genscher came to Copenhagen 8–9 March precisely at the tail end of these discussions. Judging from the Danish minutes from his meetings, it is evident that the FRG government wanted to give its northern neighbour  a thorough briefing as to what was going on with the reunification issue. There were very frank discussions, and the Polish issue was also raised and made it into the official joint statement by Genscher and Ellemann-Jernsen issued at the end of their meetings. Thus, in paragraph three, it was stated, “It is of special importance to emphasize that the right of the Polish people to live within secure borders will not be questioned either now or in the zation of British influence in Europe as a consequence of the negative or hesitant British approach to German unification, Minutes of The Foreign Policy Committee, 14.3.1990, UM 3.E.92. 36 Poul Schlüter, The New Germany, speech for World Economic Forum meeting in Berlin, 17.5.1990, reprinted in: Dansk Udenrigspolitisk Årbog 1990, 226. Also see interviews with Poul Schlüter in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.2.1990 and in Berlingske Tidende, 25.2.1990, both reprinted in: Dansk Udenrigspolitisk Årbog 1990, 202–203 and 206. 37 Already on 12 December 1989 in  a Foreign Policy Committee meeting during which Prime Minister Schlüter briefed the Committee on the European Council meeting of 8–9 December, the border issue had been thoroughly discussed. Here Schlüter claimed that the Oder-Neisse issue had not been openly addressed at the Council meeting due to “theology,” i. e. due to Kohl’s well-known dislike of referring to a settlement that had not been officially endorsed by Germany in a treaty. Kohl, however, had shown no misgivings accepting references to the inviolability of the European borders as stipulated in the CSCE Helsinki final Act, see Minutes of The Foreign Policy Committee, 12.12.1989, in UM 3.E.92. 38 Telegram from the Danish Embassy in Bonn on German reactions to Danish comments concerning the Polish border issue, Amtel 285, 5.3.1990, and Amtel 327, 10.3.1990, both in UM , 5D 29a, box 20.

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future.”39 Apart from the Polish issue, most of their conversations were dedicated to the international framework surrounding the whole reunification process: on the one hand, to the recent start in Ottawa of the Two-Plus-Four discussions between the two Germanies and four former occupation powers, and on the other hand, to the Danish and German governments’ shared understanding to intimately involve NATO, the EC , and the CSCE in the process of creating a new Germany in a new Europe. Genscher used the occasion to agree with his host to scrap the Delors plan on a future EC , and confided to Ellemann-Jensen that one could imagine two future intergovernmental conferences in the EC: one as planned, to deal with monetary issues, and one with the more political issues catalysed by the recent developments in Eastern Europe and Germany. This was news, and news that actually anticipated what would soon become practice.40 From a certain perspective, Genscher’s visit may be seen as the end point of the initial phase of the Danish political debate on the German reunification process. From early spring 1990, the debate no longer focused primarily on the questions of whether reunification was legitimate, rash or realistic. From then on, it was a given that reunification would occur sooner rather than later.41 What now mattered was the European-Atlantic context of reunification. This was a debate that the Danish government was keen to be involved in, but also one that presented both domestic and international obstacles.

IV. Denmark, the Reunification of Germany, and the New Europe Five days after the elections to the GDR Volkskammer on 18 March 1990, which was a de facto vote for reunification, the Danish opposition leader, Social Democrat Svend Auken, called for a parliamentary debate “regarding the development in Europe.”42 The debate was scheduled for 18 April and may be seen as the transition to a new phase in the Danish political handling of the challenges posed by the changes in Eastern Europe and German reunification. The basic insecurity had gone. Gone were the questions of whether changes were half-hearted, temporary, or would “take a long time,” as Auken himself had believed of German reunification only four months earlier. The transformation of Europe now seemed immediate and permanent, which lifted the Danish debate to  a more 39 Notes on Foreign Minister Genscher’s briefing during lunch 9.3.1990. The joint meeting statement of Genscher and Ellemann-Jensen is attached, UM 5D 29a, box 20. 40 Referat af de politiske samtaler 9.3.1990 kl. 10–11 mellem Genscher og Ellemann-Jensen, in UM 5D 29a, box 20; Minutes of The Foreign Policy Committee, 14.3.1990, in UM 3.E.92. 41 During his visit to Copenhagen in March 1990, Genscher said he believed reunification would be in effect sometime during early 1991, but as we know, it actually happened 3 to 5 months earlier than anticipated by Genscher (ibd.). For an example of the turn of the debate structure, see the European debate in Folketinget, in FT 1989–90 Vol. 6, 18.4.1990, col. 8455–8457. 42 FT 1989–90 Vol. 6, 18.4.1990, col. 8455–8457.

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general level, with a view to discussing how these changes could be addressed and integrated into Europe’s existing political and security architecture, and even more interesting, how this architecture would transform and expand as a consequence of the new challenges. The debate presented no disagreement on the German Question. Reunification was welcomed by all parties, albeit a bit half-heartedly by the Socialist People’s Party, a left-wing party founded in 1957 by people who had left the Communist Party. However, when Foreign Minister Uffe Ellemann-Jensen argued that German reunification demanded a stronger European Community and a stronger security structure in Europe,43 opinions were more divided and nuanced, with regard to whether NATO, the EC , or the CSCE should be prioritized, and what kind of transformation Denmark should support in order to equip these organizations with a modernized and adequate mandate and structure to handle the new Europe. The parliamentary debate ended by adopting  a motion put forward by Svend Auken, encouraging the government to support the newly elected governments of Eastern and Central Europe, support the CSCE , support arms reductions, and support an agreement between the EC and EFTA . It also encouraged the government to work for “the German people’s right to selfdetermination and to secure that the reunification would take place in a wider European context with an expanded EC .”44 This was a tall order indeed, and to better understand these inducements and the issue-linkage between them, this chapter will proceed to analyse the Danish approach to the role and modernization of NATO, the EC , and the CSCE —organizations that were central pillars of the Danish approach to coping with German reunification and the general transformation of Europe.

V. NATO The parliamentary debate on 18 April 1990 included an extensive discussion on the future of NATO. During the debate, Gert Petersen, spokesman for the Socialist People’s Party asked bluntly: “What in the world shall we do with NATO?”45 He more or less advocated the dissolution of NATO, and noted that he preferred  a common European security structure with  a very low level of militarization instead, vaguely suggesting the CSCE as its basic institutional forum. At that time, the Socialist People’s Party did not usually support Danish defense and security policy, and, therefore, it was not yet part of the mainstream in foreign policy-making. However, since the same type of question was being asked in many other European countries, the question needed to be addressed.

43 Ibd., col. 8462–8464. 44 Ibd., col. 8480–8481. 45 Ibd., col. 8491.

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Seen from the Danish government’s point of view, it suited Danish interests very well when it learned that the external aspects of German reunification would be handled through the so-called Two-Plus-Four process. The process was considered a guarantee that Germany would not act unilaterally in the matter. From the perspective of both the Danish government and leading opposition parties such as the Social Democrats, the favoured path forward for Europe in the security field was  a multilateral approach binding together the Western nation states in order to prevent a renationalization of Europe’s security structure. The obvious fear was a situation resembling the European security architecture in the period before World War II or even World War I. The absence of an answer to the question, “What shall we do with NATO?” risked increasing the attraction of such a scenario. The government and the Social Democrats very clearly stated that they preferred NATO remain the primary security organization in Europe. The great advantages of a modernization of NATO consisted of a reunified Germany being integrated (and controlled) in a strong, multilateral framework, on the one hand, and, on the other hand, of securing  a continued US presence in Europe. The latter aspect would, in itself, strengthen the integration and control aspects of the former. As Ellemann-Jensen made clear during the parliamentary debate in April 1990: “What the final result (of the Two-Plus-Four discussions) will be, it is too early to say. Together with our Allies we have all along stressed that Germany is and remains a member of NATO. This will not preclude special arrangements concerning present day GDR territory.”46 During his visit to Copenhagen in March 1990, Hans-Dietrich Genscher had already confided that the Federal Republic had opted for a reunification model with German membership in NATO. According to him, the idea aired by the Soviet Union at the Two-Plus-Four meetings that a unified Germany should be neutral had to be abandoned.47 However, during their conversations one could observe a nuanced difference of opinion, in that, at this stage, Ellemann-Jensen put more emphasis on the importance of Germany’s integration into NATO, while Genscher emphasized the EC as the most important framework for German reunification. This difference in emphasis probably mirrored the fact that for the Danish government, the NATO link was the necessary anchor to have in place before moving ahead on the EC and CSCE tracks, while for Germany, the NATO issue was  a bit more complicated (and the EC less so), owing to Soviet concerns about a unified Germany’s inclusion in the NATO structure.48 46 Ibd., col. 8465. 47 UM, 5D 29 A, pk. 20/21. 1 January 1989 to 31 January 1991: Minutes, meeting between Uffe Ellemann-Jensen and Hans-Dietrich Genscher, March 9, 1990. 48 In a report to the Parliament’s Foreign Policy Committee on 13 July 1990, Prime Minister Schlüter informed the Committee that he had had a telephone conversation with the US president George Bush prior to the NATO summit in London on 5–6 July 1990. Bush had shared his thoughts with Schlüter on the future of NATO. Far-reaching changes in NATO strategy were in store, said Bush, and the Soviet Union and Eastern Europe should be

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Nevertheless, the question of how, precisely,  a reunified Germany could be integrated into NATO remained unanswered until Mikhail Gorbachev and Eduard Shevardnadze met with their German counterparts, Kohl and Genscher, in Moscow, on 15–16 July 1990. At this meeting, the Soviet leadership finally accepted that the question of future alliance alignment was up to  a unified Germany to decide for itself.49 In a response to a personal letter from Kohl dated 19 July 1990, Poul Schlüter thanked the chancellor for conveying information on the talks in Moscow. He congratulated his colleague on the results achieved, and stated that as allies in both NATO and in the EC , they had a “double reason” to rejoice at this success “that we have worked for together for so many years.”50 Schlüter obviously seemed more comfortable with the prospect of German reunification, now it was clear that it would take place within the context of the NATO and EC frameworks. Still, on a more practical and operational level, the reunification of Germany actually challenged some of Denmark’s basic military priorities. With the German centre of gravity moving East, the German government wanted to reshuffle the command structure of the NATO Alliance by ending the separation of Germany into two command structures, NATO’s Central Region south of the Elbe, and its Northern Region north of the Elbe. This demand endangered the continuation of the Danish-German BALTAP command, which Denmark favoured because it created a link between the defence of Norway, Denmark, and Northern Germany, and because the Commander Baltic Approaches ­(COMBALTAP) was located in Denmark. The implication of the German claim for needing to move all German forces to the Central Region was that Danish forces would have to follow. This was not appreciated in Denmark because, as Social Democrat chairman Svend Auken remarked, such  a move risked making Danish defense only an appendix to Germany’s defense.51 Therefore, during negotiations in 1991 and 1992, several options for a new command structure were on the table until an acceptable—and complex as well as temporary—solution for NATO, Germany, and Denmark was finally found. BALTAP was preserved but scaled down and transferred from NATO’s Northern Region to its Central Region (including army and air force), whereas Danish naval forces were merged into NATO’s Northwest Region, together with British and Norwegian forces.52

offered political cooperation and disarmament for the sake of mutual confidence between the blocs and in order to facilitate a reunified Germany membership of NATO. (Minutes from the Foreign Policy Committee, 13 July 1990). 49 Wolfgang Mueller, The USSR and the Reunification of Germany, 1989–1990, in: Mueller/ Gehler/Suppan (eds.), The Revolutions of 1989, 321–353, here 344. 50 UM, 5D 29 A, pk. 20/21. 1 January 1989 to 31 January 1991: Letter from Poul Schlüter to Helmut Kohl, 3 August 1990. 51 Petersen, Europæisk og globalt engagement, 473. 52 Id., Denmark and the New Germany, 8–10.

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The broad Danish consensus on prioritizing NATO’s role in the new Europe is interesting because during most of the 1980s the Social Democrats and the Social Liberal party had opposed the Conservative and Liberal government on its NATO policies, objecting to the NATO Double-Track Decision, and generally challenging NATO’s nuclear policies and the Reagan administration’s alleged aggressive stance towards the Soviet Union.53 However, prompted by the revolutions of 1989 and the prospect of German reunification, but also by the changes in NATO strategy and purpose provoked by these events, attitudes changed. The new priority NATO gave to political and even humanitarian aspects, and to disarmament and dialogue with the Eastern and Central European countries was welcomed in Denmark, where the Centre-Left interpreted the changing NATO profile as being in line with the Danish tradition of bridge building and a preference for détente.54 Against this backdrop,  a broad consensus emerged that the most secure future for Europe would be one with the reunified Germany safely integrated into NATO and the EC—a consensus backed by approximately 80 percent of the parliament in 1990. But if the Danish NATO preference proved rather unproblematic, this was not to be the case when it came to Danish support for adapting the EC to the challenges of the new Europe.

VI. From EC to EU In the European debate in the Folketing on 18 April 1990, the Social Democrats agreed with the government that  a strengthened European Community was the most adequate framework for German unity.55 For years, the government had been markedly more pro-integrationist than the Social Democrats, but European events in the autumn of 1989 and the prospect of a reunified Germany had made Chairman Auken and other members of the party leadership modify their views on an expanded and stronger European Community. Still, as future events would demonstrate, parts of the parliamentary group and, even worse, the party’s electorate were not moving at the same pace as the leadership. The government sensed the new winds, and believed it was feasible to forge a broader consensus with the Social Democrats. This consensus was supposed to produce  a stronger mandate in the negotiations at the upcoming intergovernmental conferences to prepare a new EC treaty. Schlüter and Ellemann-Jensen’s interventions in the parliamentary debate on 18 April must be seen in this light. 53 Thorsten Borring Olesen, Noter og fodnoter. En diskussion af indenrigspolitikkens primat i efterkrigstidens danske udenrigspolitik, in: Carsten Due-Nielsen/Rasmus Mariager/ Regin Schmidt (eds.), Nye fronter i den kolde krig (Copenhagen: Gyldendal, 2010), 87–113; Mariager, Ostpolitikkens anden fase, 69–116. 54 Petersen, Europæisk og globalt engagement, 465–466. 55 FT 1989–90, Vol. 6, 18.4.1990, col. 8455–8457.

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Speaking of the new EC , the Prime Minister and Foreign Minister proposed changes on issues that accommodated Social Democratic views on the environment, working environment conditions, the social dimension, and democratic transparency. The debate also displayed some subtle differences between government views and those of the Social Democrats. As a kind of warning to the government with regard to its manoeuvering in the upcoming intergovernmental conferences, Auken made it clear that his party might fully accept the EMU’s first stage, but rejected any proposals of EC intervention in national fiscal matters.56 The warning was probably also due to a Social Democratic feeling that Ellemann-Jensen used the German question—and the accompanying latent anxieties over a “Great Germany”—as a lever to promote further EC integration.57 However, it was not easy for the Social Democratic party leadership to hold on to a pro-integration line, especially not after it became clear that a second IGC would be called to discuss political union, in addition to the EMU. This more far-reaching approach was launched as a consequence of the joint Kohl-Mitterrand initiative in April 1990. This move pushed disagreements within the Social Democratic party into the open. Thus, Ivar Nørgaard, a veteran politician with two decades of experience in European politics, was fiercely against the new development, while Auken tried to smooth over the differences.58 There was no need to reject anything in advance just because the idea of political union had been tabled, he appealed. Instead, the Social Democrats and Denmark should play along, take the offense on key issues, and try to avoid a European defense and federal state. Officially, the government was in favor of only one IGC , but Uffe Ellemann-Jensen in particular welcomed the opportunity to discuss the merits of a political union.59 In the foregoing situation, realizing that ultimately  a new EC treaty would have to be approved by a binding referendum, the government decided to invite the Social Democrats to join the government in drafting  a common Danish platform for the intergovernmental conferences. It resulted in the so-called October Memorandum of 1990.60 The Memorandum has been hailed as the most pro-European policy formulation since Denmark joined the EC , although it is obvious that it was the government that had gone the longest way towards

56 FT 1989–90, Vol. 6, 18.4.1990, col. 8478–8479. 57 Minutes from the SD parliamentary group, 18 April 1990. 58 The Kohl-Mitterrand letter also ignited a debate in the Foreign Policy Committee that clearly displayed Social Democratic difficulties in accepting the very pro-integrationist agenda put forward by the German and French political leaders. Prime Minister Poul Schlüter tried to defuse the tension by stressing that the final document issued after the European Council meeting 28 April 1990 was much more hesitant in its use of the word “union” than the Kohl-Mitterrand letter. (Minutes from the meeting of the Foreign Policy Committee 2 May 1990). 59 Petersen, Europæisk og globalt engagement, 498. 60 The October memorandum is reproduced in Dansk udenrigspolitisk årbog 1990.

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reaching  a compromise.61 According to the Memorandum, the EC would be open to, and accommodate, all of Europe (the rest of Scandinavia and Austria were on the brink of applying for membership), and democratic control should be strengthened. Other key elements were the strengthening of environmental policy, labour market policy, and consumer protection. In these areas, it should be possible to decide minimum levels by qualitative majority, and also to accept more ambitious policies from individual member states. The memo also found it unnecessary to shift the balance between the EC institutions. The traditional Danish preference for intergovernmental council decisions was not changed. Regarding foreign and security policy, it advocated strengthening the community’s role, but explicitly rejected the inclusion of defense politics, especially common military forces. Finally, the EMU was characterized as a logical extension of the Single Market, despite the memo being deliberately unclear regarding the third stage of the EMU. Ellemann-Jensen called the memo  a “historical document” and justified his satisfaction by claiming that one could no longer doubt Denmark’s profound, positive attitude towards the EC . In a more confidential setting, he added that the memo was situated in a comfortable middle position in the future negotiations.62 When the negotiations started, the government did not feel quite as comfortable. In the intergovernmental conferences that opened in December 1990 and concluded in Maastricht in December of the next year, the Danish position was challenged on several points. In one of the treaty drafts, the treaty was to initiate a process with “a federal aim.” The Western Union was introduced as a defense policy contractor for the Union, and permanent and institutionalized majority decisions in foreign policy were suggested. Furthermore, the transfer of more decision-making authority to the European Parliament was proposed. Most of these issues situated Denmark opposite Germany.63 The French-German axis was the driving engine in the treaty process, and Denmark’s reservations were often difficult to accommodate, as they were viewed as not going far enough towards meeting the historic challenges of the Community. Domestically, the negotiations at the intergovernmental conferences and the government’s inability to steer them Denmark’s way created apprehension and criticism, and tended to once again aggravate divisions within the Social Democratic Party. Therefore, most of 1991 was characterized by heated public discussions about Denmark’s role in the EC , and Europe in general. Ellemann-Jensen downplayed the problems, while the Social Democrats accused him of betraying their common memorandum platform. For their part, the anti-EC parties and anti-EC movement painted  a picture of an overwhelming union that would threaten the independence of the Danish nation state.

61 Petersen, Europæisk og globalt engagement, 498. 62 Ibd., 498. 63 Id., Denmark and the New Germany, 20.

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Still, the outcome of the conference, the Maastricht Treaty, turned out to be slightly less controversial for the Danish government and its partners in the opposition. Several Danish wishes were accommodated, and a special protocol stipulated that Denmark would not automatically participate in the EMU’s third stage—at least, not without a “yes” in a referendum, according to the rules of the Danish Constitution. Nevertheless, the treaty went further than anticipated by the memorandum, especially in relation to the Common Foreign and Security Policy and on defence policy with the involvement of the WEU. The Maastricht Treaty was adopted by the Folketing with an overwhelming majority of 125 to 30 in May 1992, but despite the support of a clear majority in Parliament, the labour market organizations and the majority of the press, the referendum of 2 June 1992 was met with a Danish vote of “no” to the treaty, by a very small margin (50.7/49.3 percent). The referendum’s “no” was a massive blow to the Danish political elite, and most clearly to Uffe Ellemann-Jensen. Even though he became the primary scapegoat, the Social Democrats also had reasons to soul-search. They had failed desperately in bringing their own electorate along to vote “yes.”64 The Danish “no” vote was also a blow to the EC because it was followed a few months later by a similar small “yes” to a referendum in France. This may have seemed like the tail wagging the dog, but the problem was that the European Union could not take effect until there was a unanimous decision. The day after the referendum, the foreign ministers of the EC had already ruled out  a renegotiation of the Maastricht Treaty. However, also on that same day, the British House of Commons put the British ratification process on hold until the Danish problem was solved.65 The Danish “no” had produced a real European crisis, and the political pressure on Denmark was enormous. Finding a way out of this predicament was no easy task if Denmark did not want to simply leave the Community, something the political majority in Denmark definitely wanted to prevent. The question as to who was going to pick up the pieces was solved in an extraordinary way by a de facto side-lining of the government, which at this point was severely shaken by a political scandal involving illegal administration of asylum seekers. Instead, the Social Democrats, the Social Liberals, and the Socialist People’s Party (which had opposed Maastricht) teamed up to write  a draft called “The National Compromise” that suggested four Danish opt-outs from the treaty. The opt-outs were: the supranational elements of the justice and home affairs policy, the common defense policy, the union citizenship, and the third stage of the EMU. The government and a couple of other pro-EU parties then concurred with the draft.66 64 Ole Ryborg, Det utænkelige nej. Historien om 6 måneder, 9 dage, 17 timer, der rystede Europa (Copenhagen: Informationsforlag, 1998). 65 Petersen, Europæisk og globalt engagement, 511. 66 The National Compromise: Danmark i Europa, (http://danmarkshistorien.dk/leksikonog-kilder/vis/materiale/det-nationale-kompromis-27-oktober-1992/#note1, last accessed 14.2.2016).

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The Danish proposal for a solution was negotiated at the European Council in Edinburgh in December 1992. Again, Denmark was at odds with Germany. Chancellor Kohl was very reluctant to comply with the Danish wishes. The same was true for Mitterrand, albeit to a lesser degree, while United Kingdom, holding the EC Chairmanship, was much more accommodating. Prime Minister John Major’s support was probably largely motivated by his own domestic problems with the Maastricht sceptics in his own party. In the end, Kohl had to bow to the situation, and Denmark got its four opt-out clauses, which were put before the electorate in a new referendum on 18 May 1993. This so-called Edinburgh referendum, to the great relief of the “yes” parties, won  a majority vote of 56.8 percent.67 On 30 November 1993, not quite a month after the Maastricht Treaty became effective, the Folketing held a debate on European cooperation, with special reference to the potential enlargement of the union with Austria, Sweden, Finland, and Norway. In January, there had been a change in government, with the result that  a majority government, led by Poul Nyrup Rasmussen and consisting of the Social Democrats, the Social Liberals, and two other, smaller, parties was in charge of Danish European policy. In this debate, the European economy and the employment situation were at the center of the Prime Minister’s attention. The enlargement with Austria and the other Nordic countries and environmental questions were the other predominant topics in the debate. There was widespread consensus on the issues. Only Uffe Ellemann-Jensen’s Liberal party managed to stir some emotion when it declared that it would work to abolish the opt-outs, first and foremost the defense policy opt-out, in order for Denmark to become a member of the WEU. Germany was not mentioned once in the hour-long debate. As far as the Danish Parliament was concerned, the German Question had been normalized.68

VII. CSCE For more than a decade, Denmark had been one of the strongest supporters of the CSCE process among NATO members. The CSCE process fit nicely within the Danish foreign policy tradition with its preference for détente and an inclination towards bridge building. Moreover, the CSCE possessed the attribute of being able to soothe many of the internal differences surrounding foreign policy across the Danish political spectrum. Throughout the 1980s, political discussions about the CSCE had been a haven of consensus compared to the heated controversies regarding NATO and the EC . The revolutions of 1989 and the prospects of a reunification of the two Germanies made the CSCE even more topical in ­Danish discussions on foreign policy. In his briefing to the Parliament’s 67 Petersen, Europæisk og globalt engagement, 516. 68 FT 1993–94 Vol. 2, 30.11.1993–94, col. 2696–2698.

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­ ommittee of International Affairs about NATO’s Foreign Ministers’ Meeting in C Brussels in December 1989, Foreign Minister Ellemann-Jensen said that he had advocated a more substantial role for the CSCE in order to heal the division of Europe in a peaceful way.69 In the Committee’s next meeting in February 1990, he briefed about the EC ’s Foreign Ministers’ Meeting in Dublin in January, which had confirmed the pivotal role of the CSCE . The notion was that a more comprehensive CSCE process, perhaps even more institutionalized, could reassure the Soviet Union, that its security was not entirely dependent on the now crumbling Warsaw Pact and at the same time allow the Soviet Union a say in handling the German issue.70 Assurances of the importance of the CSCE in the changing structure of Europe went over well among Danish politicians. There was a general consensus regarding the purpose and the potential of the CSCE among the government and the leading opposition party, the Social Democrats. In the motion adopted by a broad majority during the parliamentary debate regarding the development of Europe on 18 April 1990, the CSCE played  a significant role. It was a general expectation voiced by a majority of the speakers that the CSCE would become more institutionalized. Even though the Socialist People’s Party did not support the motion, the party spokesman saw  a great future for the CSCE because of its bridge building potential.71 In the end the CSCE never came to play such a prominent role in the changing security architecture of Europe as had originally been expected or hoped for by the majority of Danish politicians. Superpower diplomacy, Two-Plus-Four negotiations, German foreign policy activism and negotiations in the EC had had a more profound impact. Still, the CSCE process had an important effect on Danish foreign policy because it was used in several instances as a vehicle for the transformation of Danish foreign policy from a traditional small state adaptive policy to a more activist role. Foreign Minister Ellemann-Jensen was the pioneer in this transformation, but it was continued by his successors. Thus, it was with considerable pride that Denmark hosted the Conference on the Human Dimension of CSCE in June 1990. For the first time after the fall of the Berlin Wall, foreign ministers representing 35 European and North American countries had gathered to discuss matters of security and cooperation in Europe. In the final document, the governments agreed, that “everyone will have the right to freedom of expression including the right to communication. This right will include freedom to hold opinions and to receive and impart information and ideas without interference by public authority and regardless of frontiers.”72 In  a briefing to the Parliament’s Committee of International 69 70 71 72

Minutes from the Foreign Policy Committee, 20 December 1989. Minutes from the Foreign Policy Committee 7 February 1990. FT 1989–90 Vol. 6, 18.4.1990, col. 8455–8457. Document of the Copenhagen Meeting of the Conference on the Human Dimension of the CSCE , June 1990, (http://www.osce.org/odihr/elections/14304, last accessed 1 May 2016).

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Affairs shortly after the Copenhagen Conference, Uffe Ellemann-Jensen stated that the US government for the first time was starting to show interest in a more institutionalized CSCE .73 Indeed, for Ellemann-Jensen there was more to the thrill than simply hosting a historic conference. He held the view that Denmark should lobby to host one of the anticipated permanent institutions of the CSCE .74 Even though Denmark did not succeed in this endeavour, it is a testimony to the new aspirations for Danish foreign policy following the fall of the Berlin Wall. The drive towards  a more activist Danish foreign policy was evident in Denmark’s policy towards Estonia, Latvia, and Lithuania. In this context, it is especially interesting that this policy was sometimes at odds with the Bonn government. Already in 1989, the Danish government had voiced sympathy for the independence movements in the three Baltic states. Danish policy towards the three states was driven mainly by small state solidarity and considerable personal engagement by Ellemann-Jensen. Unlike Sweden and Finland, Denmark had never recognized the Soviet annexations of the Baltic states. This might have been a moral advantage, but in 1989 and 1990 it prevented Denmark from having official governmental contact with the three states. Only private contacts were possible. The Danish government lobbied to have the three Baltic states present at various CSCE conferences in 1990, but these attempts stalled due to tough opposition from Moscow. The Danish policy toward the Baltic states was not appreciated by the Bonn government. For obvious reasons, the Kohl administration was more focused on Soviet acceptance of the German reunification process, and attempts by other Western governments to back independence claims on Soviet territory were, to say the least, not helpful in this perspective.75 Immediately after the coup in Moscow in August 1991, Ellemann-Jensen seized the moment and resumed diplomatic relations with the three Baltic states. Simultaneously, the Foreign Ministry deployed an ambassador to the Baltic states, making Denmark the first Western country to do so. A few days after this operation, Foreign Minister Genscher made a phone call to his Danish colleague to complain about why he and the other Western leaders had not been consulted. Ellemann-Jensen answered that they would have asked him to refrain from resuming diplomatic relations. According to Ellemann-Jensen’s memoirs, Genscher accepted this answer.76 The Danish and German Baltic disagreements did not last for long. Already in 1992, they jointly took the initiative of establishing a Council of the Baltic States within the framework of the CSCE . The obvious goal was to promote cooperation

73 UPN, minutes from meeting 28 June 1990. 74 UPN, minutes from meeting 13 July 1990. 75 Petersen, Europæisk og globalt engagement, 482–484. 76 Uffe Ellemann-Jensen Din egen dag er kort. Oplevelser og indtryk (Copenhagen: Lindhardt og Ringhof, 1996), 144–146.

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in the Baltic area, but the Council also served the purpose of engaging Russia in committing to cooperation on equal terms with the former Soviet Republics of Estonia, Latvia, and Lithuania.77

VIII. Conclusion The picture painted above of the Danish-German relationship and Danish reactions to the process of reunification is a mixed one. Scepticism and endorsement often went hand in hand during the period 1989–90, but in this sense, Denmark does not seem to have been remarkably different from most of Germany’s other neighbors. Official policy was from the outset positive and sustained the old NATO approach that Germany had  a right to unification on the basis of democratic self-determination. Unofficially, Prime Minister Schlüter aired his personal view that he did not rejoice over the prospect of reunification—a view also circulating in wider sections of the Danish party and media landscape in November–December 1989. The reasons for these somewhat double-bound reactions must be sought in  a number of considerations. First, Germany was important to Denmark. It was important as a neighbor, but it was at the same time also Denmark’s most important trading partner and sometimes also a very close ally in multilateral frameworks such as NATO and the EC . It is also essential to note that the FRG considered Denmark an important partner and interlocutor. Denmark and Scandinavia as  a whole were important targets for German soft diplomacy because they were considered good supporters of the German (rehabilitation) cause. The German interest in Denmark is tellingly described by Ambassador Paul Fischer after he resettled from Paris to Bonn in 1980. In contrast to what he had experienced in Paris, he felt that there was a genuine interest in Bonn for Denmark and the Danish point of view.78 Second, history mattered, and history was in itself double-bound. Recent history pointed in the direction of continually improving relations and confidence-building between Denmark and the FRG (and in some respects even the GDR). Especially the conclusion of the Copenhagen-Bonn agreements of 1955 had defused the whole border and minority problem in Schleswig and neutralized a contentious issue in the Danish-German relationship. The creation of the BALTAP command—albeit not uncontroversial at the time—had also greatly improved confidence building and so had the Social Democratic assumption of power in the FRG under Willy Brandt and Helmut Schmidt. This latter development was a great step in the direction of convincing Center-Left forces in Denmark that Germany had profoundly changed. Still, the traumatic experiences of

77 Petersen, Europæisk og globalt engagement, 490–491. 78 Udenrigsministeriet (ed.), Nye grænser, 102–103.

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1864 and 1940–45 had not been eradicated from the Danish national psyche, and as demonstrated, it was at the heart of why many Danes viewed the prospect of German reunification with mixed feelings in 1989. From a Danish point of view the situation with the two Germanies, of which the most important of them was fully integrated into NATO and the EC , was a near to perfect neutralization of the German problem in Danish history. But history in 1989–90 was a fast-moving train and uncertainty as to where the train was actually headed initially also fuelled scepticism towards reopening the German Question, but as leading Social Democrats like Svend Auken and Mogens Lykketoft made clear just after the Wall had come down, these events were gratifying and reunification was a legitimate wish, especially if reunification could be accomplished within solid international frameworks. When in the early spring of 1990 it became clear, especially after Hans-Dietrich Genscher had paid a visit to Copenhagen in March to inform the Danish government about the Two-Plus-Four process and the German view on the integration of a reunified Germany into both NATO and the EC (and thus rectifying Helmut Kohl’s “border blamage” a week earlier), the Danish political approach to reunification was standardized into one of unreserved backing by the government and most of the political parties. In the Danish discussions, it was the Europeanization of the issue within the multilateral frameworks of the CSCE , the EC and NATO that was the vital key to the acceptance of reunification. Thus, these frameworks were pointed to over and again as being the central tenets of a new political and security architecture for Europe after the revolutions in Eastern Europe and German reunification. The adaptation of NATO to the new Europe was in many ways the most important as seen from a Danish point of view—and also generally turned out to be the least complicated to achieve despite initial Soviet resistance. Despite some real differences in viewpoints over the future NATO command structure, NATO developed basically as both the government and the Social Democrats wanted it to. It kept the US as the ultimate security provider in Europe, and it managed to incorporate the new and reunified Germany into that structure. This result in itself opened up  a more active Danish involvement in the renewed process of Europeanization, which involved adapting the EC to the new Europe. From the outset in the spring of 1990, the Danish approach was characterized by  a pronounced willingness to play  a positive role in building the new European Union. An unusual consensus between the government and the leading opposition party, the Social Democrats, was established, giving the government  a very strong mandate from the Danish Parliament and  a more solid negotiating position in the intergovernmental conference. Good will and solid parliamentary backing, though, amounted to little when the French-German drive for institutional reform and deeper integration really began. In the negotiations, the government was caught in opposition to Germany and had to rely on British assistance to secure a result that did go too far astray in a federal direction.

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Although the Maastricht Treaty had some perceived flaws, the final result of the Intergovernmental Conference (IGC) was considered very acceptable—so acceptable in fact that Ellemann-Jensen was sure that the Danish population would not only say “yes,” but “yes, thank you” in the up-coming referendum.79 Therefore, the “no”-result caught the Danish political elite by suprise and put them in another bind. Not only was it difficult to reach common domestic ground on a new negotiation platform—in fact the government had to be sidelined to achieve this—but also negotiating the opt-out clauses in Edinburgh in December 1992 was a very difficult task. Once again, Denmark was placed in opposition to Germany and once again, the United Kingdom provided support. After the “yes” in May 1993 to the Maastricht Treaty including the opt-out clauses—dubbed “Maastricht without thorns”—Denmark’s relations to the EU and to reunified Germany normalized in a new kind of modus vivendi. The economic exchange continued to grow and in terms of economic philosophy Danish governments never joined the chorus of those criticizing German deflationary policies; on the contrary they backed them in the EU, although the approach has often been contested in public debate. Reunification in many ways has also deepened civic relations between the two countries. Berlin has practically developed into the second capital of Denmark with lots of Danes buying property, spending their vacations, and running—as the largest foreigner group—in the Berlin Marathon. At the same time, Denmark has become an attractive labor market for many Germans, from nurses and doctors to university teachers. Meanwhile, there are still manifest differences in  a number of important policy areas, partly due to the self-limitations Denmark has imposed in relation to the EU Common Security and Defense Policy, Danish governments have tended to support a US line in NATO, for instance on enlargement, which has not always fit well with German priorities. Also, within the EU, there has been a continuation of the pre-1989 pattern of Germany pushing for institutional reform and widened integration, while Danish governments, always living under the squeeze of the Constitution’s referendum obligation, have been much more hesitant here. Lately, it has also been the case that in terms of refugee policy and the opposition against the Europeanization of welfare provisions, Danish governments have not always taken the same position as Germany. The difference is that nobody in Denmark today would call this “the German problem” in the historical meaning of this term. In this sense, it is fair to say that the relationship has escaped its historical legacy; however, this is a conclusion of the contingent, which thus does not claim to be of ever-lasting relevance. Europe is again on the move, not least after Brexit and the widespread growth of euro-scepticism. This time, it is difficult to predict where the train will take us.

79 Petersen, Europæisk og globalt engagement, 504.

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Norway and German Reunification I. Introduction Whereas the notion of  a “German problem,” meaning the perception that  a powerful German state in several respects would influence European stability, lingered in Norway for decades after World War II, it only rarely surfaced in the public sphere when a solution to the “the German Question,” meaning which form of state organization would be imposed on the German nation during the Cold War, surprisingly reached the international agenda in November 1989. Norway, meaning the government, the parliament, and the population at large, gave German reunification unconditional support in November 1990. The multilateral framework in which a unified Germany would operate, agreed within the Two-Plus-Four framework during the eventful months of 1990, was a reason for Norwegian support. United Germany would be an equal partner in the European Community (EC), North Atlantic Treaty Organization (NATO), and the Conference on Security and Co-operation in Europe (CSCE), frameworks in which the enlarged German republic would remain Europeanized and multilateralized. In that respect, Norway was no exception among Germany’s European neighbours. But, which perception did the Norwegian position really reflect? Would multilateralism primarily serve the function of containment, thereby still reflecting the fear that was so prevalent in Norway in the years after World War II? Or was it the opposite, a hope that a stronger but trustworthy Germany would serve the purpose of uniting Europe beyond the former Iron Curtain? These are the overall research questions guiding this historical inquiry, which must also elaborate on Norway’s relation to European integration in the first half of the 1990s. How did perceptions of Germany after unification affect Norway’s European policy? The answer, obviously, depends on how one answers the two previous questions. The method is quite simple. I focus on government policy as presented openly to the parliament (Storting) and the political response among the parliamentary political elite,1 but this open information is combined with information from records from the Norwegian Foreign Office (Utenriksdepartement) relating to Germany, including embassy reports.2 These files provide  a good impression 1 Verbatim records are published in the series Stortingsforhandlinger. which are accessible at https://www.stortinget.no/no/Saker-og-publikasjoner/Stortingsforhandlinger/, last accessed 14 June 2016. 2 The Records are located in the Foreign Office (Utenriksdepartementet), Oslo.

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of which information the government had at various points in time. They also disclose high-ranking officials’ perceptions and opinions formulated behind closed doors. As only few opinion polls dealt specifically with public opinion on this issue, I utilize newspaper coverage—presentations as well as comments—as an indicator of public perceptions. The most significant national newspapers are accessible via digital archives.3 One obvious point of departure when pursuing the analysis is that Norway had no influence whatsoever on the course of events. Being a small state outside of the EC , its channel of potential influence went through NATO. A further point of departure is that during the period of observation, Norway changed governments twice. A centre-right coalition government led by Prime Minister Jan P. Syse in October 1989 replaced the Labour government led by Prime Minister Gro H. Brundtland. Whereas this change of office sprang from a parliamentary election, the fall of the three-party coalition government in November 1990 was brought about by irreconcilable differences over Norway’s European policy. The third Labour government led by Gro H. Brundtland retained office until 1996. Although their policies on Norway’s relationship with the EC/EU differed their policies on German unification were identical. Having concluded in the first section that no scholarly accounts provide full answers to the research questions, the next section elaborates on Norwegian perceptions of Germany during the Cold War. It argues that until the late 1960s, Norwegian distrust influenced the bilateral relations although the FRG was an ally in NATO from 1955 onward; however, the distrust disappeared from the 1970s. As Norway formally recognized the GDR in 1973, the commercial and political relations between Norway and the FRG were strengthened. When the Berlin Wall crumbled in November 1989, the two countries had a well-established relationship based on common interests and shared views. The third section follows Norwegian policy and perceptions during the eventful period from the fall of the Wall to reunification in October 1990 more closely. It argues that Norway consistently endorsed reunification and expected Germany to play a positive and stabilizing role in the future. The fourth section elaborates on how perceptions of Germany influenced Norwegian European policy after unification and argues that Norway saw Germany as a cordial supporter of its interests. The concluding section briefly suggests why Norway was so supportive.

II.

Existing Scholarship

Although the existing scholarship fails to answer the research questions, it provides a set of coordinates within which one must pursue the analysis. In 1995, an official in the Ministry of Foreign Affairs who had served at the Norwegian 3 Accessible through: https://web.retriever-nfo.com/service/archive.html, last accessed on 14 June 2016.

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embassy in Bonn, Tore Nedrebø, maintained that German reunification was an important event leading Norway to apply for EU membership in 1993.4 Unfortunately, he did not substantiate his thesis. We do not know whether or not he meant that the unification itself mattered or whether it was the end of the Cold War, so closely related to a solution to the “German Question” and a continuation of the process that started with the fall of the Berlin Wall. In the case that it was the latter, he fails to discuss the isolated impact of the fall of the Soviet Union as compared to the impact of German unification. Nedrebø might have had confidential information that the German government would render support to Norway’s course but did not disclose such information. For answering the third research question, therefore, we must look elsewhere. In  a semi-public account of Norwegian foreign policy published in 1997, historian Rolf Tamnes convincingly argued that through the second half of the 1980s, a consistent bilateral liaison between the Norwegian and West German governments worked to move Norway in the direction of EC membership. He further provided evidence that the German government catered to Norwegian interests as far as possible during the negotiations for the Agreement of the European Economic Area (EEA) from 1989–1991 and the accession treaty with the EU 1993–1994.5 Still, whether this close liaison with Germany served as a gravitational force in itself remains unanswered. No published account exists that details how perceptions about unified Germany influenced Norwegian attitudes and policies towards the membership question in the troublesome years before the electorate vetoed the accession treaty in 1994. Neither of the two accounts mentioned above elaborate on Norway’s reactions to the events starting with the fall of the Berlin wall and leading to German unification. Consequently, they provide no guidance for answering the first research questions. Further, no published account exists of Norwegian reactions to the compressed events starting with the fall of the Berlin Wall and leading to the reunification one year later. An unpublished MA-thesis based on some of the relevant files from the Ministry of Foreign Affairs nevertheless does provide some guidance. Unsurprisingly, this suggests that the government never considered opposing the national self-determination of the German nation but that it also saw German membership in NATO as a precondition for reunification. Which underlying and profound perceptions this policy reflected remain unanswered.6 In a recent essay, I have confirmed the significance of German NATO membership for Norway’s support for unification. I suggest that this policy reflected a concern in Norway that a strong Germany must be contained through multi4 Tore Nedrebø, Den tyske utfordringa. Tyskland, Norge og det nye Europa (Oslo: Universitetsforlaget, 1995), 226. 5 Rolf Tamnes, Oljealder 1965–1995 (Oslo: Universitetsforlaget, 1997), 228–246. 6 Erik T. Skiple, Furor teutonicus? En studie av norske utenrikspolitiske holdninger til og reaksjoner på Tysklands gjenforening i 1989–1990 (MA thesis, University of Bergen, 2011).

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lateral institutions. Admittedly weakened since the 1970s, I consequently suggest that perceptions of “the German problem” still lingered and finally disappeared only after unification.7

III. Norway’s Relationship to the Two German States before 1989 Although during the Cold War the Soviet call for a neutral Germany had always had some support from the political left, Norwegian official policy continuously was that West Germany must be integrated into the West before reunification. Norway never opposed NATO communiques on the “German Question.” Although some trade was conducted with the GDR from the 1950s onward, there was hardly any official political contact until Norway formally recognized the GDR in 1973. Of course, relations with the FRG were much more developed. From the second half of the 1950s, West Germany gradually improved its relationship with Norway. Trade relations as well as military security relations strengthened interdependence, and the governments in Bonn worked to normalize political relations. In Norway, however, embedded in the notion of “the German problem” a distrust lingered for decades after World War II. Prior to the 1952 winter Olympics in Oslo, newspaper polls explicitly asked whether German athletes should be invited to participate as a part of their readmission to the human race.8 Not until 1965 did a Norwegian Prime Minister officially visit Bonn. The combination of distrust and dependence caused various awkward situations, which on some occasions led to open discrimination of the FRG and other deliberate collusion to disguise bilateral cooperation from the Norwegian public.9 Tamnes refers to “the German trauma” in Norwegian foreign policy.10 It was not until Willy Brandt, who had lived in Norway during his exile years and afterwards, and maintained close contacts with the Norwegian political elite, became foreign Minister and subsequently Chancellor that political relations normalized. Brandt’s Neue Ostpolitik accommodated Norwegian preferences for bridge building between Eastern and Western Europe, and Brandt also worked 7 Hans Otto Frøland, Von Misstrauen (bis) zur zuverlässigen Interessengemeinschaft. Eine Kontextualisierung der norwegischen Freundschaftspflege mit dem vereinten Deutschland, in: Deutschland Archiv, 19.12.2014 (http://www.bpb.de/197834, last accessed 14 June 2016). 8 Gaute Heyerdahl, Vinter-OL i skisportens vugge: De VI Olympiske vinterleker i Oslo, 1952 og De XVII Olympiske vinterleker i Lillehammer, 1994 (PhD Dissertaton, Norges Idretts­ høgskole, 2014), 125. 9 Hans Otto Frøland, Misstrauische Freundschaft. Die Haltung norwegischer Aussen­ politiker gegenüber der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1947 und 1967, in: Nord­ europaforum 11 (2002) 1, 27–49; id., Distrust, Dependency and Détente: Norway, the Two Germanys and the German Question, 1945–1973, in: Contemporary European History 15 (2006) 4, 495–517. 10 Tamnes, Oljealder, 101.

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to make it possible for Norway to join the EC .11 Tamnes rightly concludes that from the late 1960s West Germany had gradually taken the position as Norway’s foremost supporter.12 During the first post-war decades, Norway had consistently preferred Great Britain for influencing the West-European order, and deliberately worked to strengthen political and commercial ties with London.13 After the political approach in the early 1970s, Norway and the FRG deliberately strengthened their ties. Already in 1974, German concern for energy supply met Norwegian wishes for long-term export contracts for oil and gas. The two states agreed to supply petroleum from the Ekofisk field in the North Sea, and in 1977, a gas pipeline connected Ekofisk to Emden. In 1976, Bjartmar Gjerde, the Norwegian Minister of Industry, and Hans Friedrich, the West German Minister of Economy, signed  a protocol to further industrial cooperation and German investments in Norway beyond the petroleum sector. Although the German oil company Deminex acquired concessions to produce oil from 1977 onward, subsequent government contracts affecting the countries’ defense industries probably mattered more in terms of industrial interdependence than the 1976 protocol. For whatever impact the various agreements might have had, the main driver of bilateral interdependence between the two countries was the Norwegian export of oil and gas. These accommodated the profound German interest in a secure energy supply and added to  a staggering 80 percent of Norwegian exports to the FRG by the late 1980s. Common commercial interests furthered political community and cultural exchange.14 Foreign policy views also converged between Bonn and Oslo in the 1970s and 1980s. Tamnes has convincingly shown that both Norway and the FRG worked within the NATO through the 1980s to establish balanced relations to the Soviet Union without compromising the alliance, and concluded that foreign policy views in Bonn and Oslo were strikingly similar.15 Nevertheless, the increasingly close political relations with the FRG never removed the awkward effects of military cooperation. The Norwegian government did not allow West German infantry to take part in NATO training maneuvers in Northern Norway until 1988. Whereas in the 1960s, the discrimination also corresponded to the sentimental distrust from the population, from the 1970s onward, the discrimination was primarily a response to Soviet complaints. According to the perception of a Nordic security balance, a German presence in Norway might lead the Kremlin to tighten its grip on Finland. The issue might also spill over into domestic 11 Robin M. Allers, Besondere Beziehungen. Deutschland, Norwegen und Europa in der Ära Brandt (1966–1974) (Bonn: Dietz, 2009). 12 Tamnes, Oljealder, 68. 13 Hans Otto Frøland/Lars Fredrik Øksendal, A strategic resource? Norway’s position in British commercial policy, 1931–1972, in: Helge Ø. Pharo/Patrick Salmon (eds.), Britain and Norway: special relationships (Oslo: Akademika forlag, 2012), 173–199. 14 Frøland, Von Misstrauen (bis) zur zuverlässigen Interessengemeinschaft. 15 Tamnes, Oljealder, 68.

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politics. Norwegian governments, therefore, had multiple motives for sustaining the discrimination of the FRG, for which the government in Bonn also showed understanding.16 Having established diplomatic relations with the GDR in June 1973, Norway and the GDR negotiated  a bilateral trade agreement, which was in operation starting from January 1974. In July 1975, Norway also signed an agreement with the GDR on economic, industrial and technological cooperation, although the impact of these agreements was limited. Trade with the GDR remained moderate throughout the Cold War. Political contacts after 1973 tended to focus only on practical problems, confirming the rather distant relations in political terms. There is no indication that Norwegian officials discussed the “German Question” with GDR officials. Norwegian governments always supported NATO’s official policy, which was to “seek a state of peace in Europe in which the German people regains its unity through free self-determination,” as formulated by the NATO summit in May 1989. Still, it assumed that unity would occur only in the distant future and saw few signs that the Berlin Wall would soon crumble. After Erich Honecker visited West Germany in September 1987, the perception in Oslo was that unification simmered under the surface of German-German relations, but that in West Germany the SPD was less inclined, and the Kohl government would only pursue functional normalization. Bonn would keep the agenda alive but not push it under any circumstances because East Berlin would reject it.17 It was this perception that Foreign Minister Kjell Magne Bondevik recognized when he commented publicly on the situation in East Germany with regard to German relations on 8 November 1989. It was still premature to address reunification, he maintained, as the suggestion might raise strong counterforces.18 One potential problem was related to the Eastern border question. While the GDR had accepted the Oder/Neisse as its Eastern border to Poland in 1950 the FRG did so—de facto, not de jure—in 1970. Still, which policy a united Germany would take on the border issue was a risk factor that could nourish counterforces. There is archival evidence suggesting that there was concern in Oslo that Bonn might not accept the existing border in the case of unification.19

16 Ibd., 105. 17 Foreign Office Archive, Oslo (henceforth FOA), 25.4/113B, file 97, Forholdet mellom de to tyske stater. Bakgrunnsnotat for Utenriksministerens samtale med utenriksminister Fischer, 22 October 1986; De to tyske stater: Gjenforeningsspørsmålet, 26 May 1987. 18 FOA , 25.4/129, file 16, NRK dagsnytt: intervju med utenriksminister KM . Bondevik om DDR , 8 November 1989. 19 FOA , 25.4/129, file 13, Noen refleksjoner etter Honeckers samtaler i Bonn og Jaruzelskis arbeids- og vennskapsbesøk i DDR , 22 September 1987; 25.4/113B, file 98, Tysklands østgrense, 18 July 1989.

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IV. Reactions to the Fall of the Berlin Wall Everyone in Europe saw that the fall of the Berlin Wall on 9 November 1989 provided political opportunities for  a reunified Germany. While The Sunday Times announced the coming of “The Fourth German Reich” Norwegian media response was more subdued. Still, the widely read conservative newspaper Aftenposten continually stressed that reunification could only occur as part of a wider European framework in which reconciliation with Poland was the key point.20 At least this suggests that concerns about the nexus between “the German Question” and “the German problem” remained within the public. Concerns also resurfaced among government officials. A blunt memorandum from the Norwegian Embassy in Rome argued that Europe must not allow  a German “great power” at the heart of Europe to be a source of fear and tension through new-won nationalism and revenge. It argued that because German unification should not disturb the spirit of European confidence established within the CSCE , German attempts to accelerate unification needed to be constrained.21 For all the worries about the “German problem” even among government officials, no Norwegian objections had surfaced when Chancellor Kohl revealed his Ten-Point-Plan on 28 November. The plan called for establishing a confederative treaty community after free elections in the GDR with a view to creating a true German federation. The Bonn republic had since Konrad Adenauer always reassured its partners that Germany would remain embedded in multilateral European frameworks in the future. Before the Berlin Wall crumbled, German officials had informed Norway’s embassy in Bonn that this policy would endure if the political crisis in the GDR pushed “the German question” onto the agenda. As the Wall fell, the German NATO delegation in Brussels also distributed a memorandum to the members of the alliance to calm their potential anxieties. Reports from the Bonn embassy, including assessments by the influential ambassador Per Martin Ølberg, stressed that Bonn was deeply aware of the concerns of the surrounding states and, therefore, would move cautiously.22 Bonn would pursue unification and European integration as an integral strategy, in which, however, other European states must also transfer national sovereignties to EC institutions.23 Kohl’s Ten-Point-Plan was also premised on the strengthening of overlapping security structures in Europe, such as the EC , the CSCE , and confidence-building between the NATO and the Warsaw Pact. 20 Berlinmuren faller. Berlinerne er forent i jubelrus, Aftenposten, 11 November 1989. 21 FOA , 25.4/129, file 16, Tysklandsspørsmålet og norsk holdning, 14 November 1989. 22 FOA , 25.4/113, file 113, Tysk utenrikspolitikk. Noen betraktninger ved årsskiftet, 4 January 1990; Forbundsrepublikken. Utanriks- og tysklandspolitisk årsoversyn og utsyn, 17 January 1990. 23 FOA , 25.4/129, file 16, Den aktuelle situasjonen i DDR og det tyske spørsmål. Vesttyske synspunkt, 20 October 1989; Per M. Ølberg: tysk utenrikspolitikk, 20 October 1989.

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Unsurprisingly, the Norwegian government regarded multilateralism the best way to handle the wider security challenges of reunification. This is evident from Foreign Minister Kjell Magne Bondevik’s first presentation of the issue to the Norwegian parliament on 18 December.24 Having stated that the German people themselves must decide the new form of political confederation between the two former states, he devoted more attention to external than internal German affairs. He made it clearly known that Norway would endorse Kohl’s policy in which unification would take place within the framework of European integration. However, he emphasized that the CSCE would serve just as important functions as the EC . A unified Germany must operate in accordance with the Helsinki Final Act regarding European national borders, he concluded. The statement surely not only reflected the view that Germany must unconditionally accept the existing border with Poland but also the keen hope that Eastern and Western Europe would move closer as the Iron Curtain in all likelihood would disintegrate. “Bridge building” had a long tradition in Norwegian foreign policy during the Cold War and in the current situation it would not compromise Norway’s NATO commitment. Foreign Minister Bondevik was even more determined when he argued that Germany must remain  a member of NATO, however without necessarily extending NATO jurisdiction to former GDR territory. At that point in time, it was assumed in Oslo that the Kremlin and possibly also the German Social Democrats might have a preference for a neutral Germany. However, Bondevik’s emphasis on NATO reflected the consistent Norwegian position that European stability and Norwegian security in the last resort rested on US guarantees, and therefore, the political cooperation in NATO now must be strengthened, the Foreign Minister argued, and added that Norway must not support decisions that might weaken its own national security.25 There was really nothing new in this policy statement. Despite the persistent calls for “bridge building” across the Iron Curtain during the Cold War, NATO had always been the preferred security instrument, and immediately after the Wall fell, the Norwegian delegation at NATO had anticipated that Norway would coordinate its positions with its NATO allies.26 Subsequently, as the World War II Allied Powers agreed on the Two-Plus-Four formula for negotiating the external conditions for unification, Norway demanded close consultations in NATO during the process, as did most other members.27 The government would consistently pursue the policy of NATO coordination throughout the reunification process. The parliamentary debate following Foreign Minister Bondevik’s presentation, which took place on 4 January 1990, indicates a large foreign policy consensus among the Norwegian 24 25 26 27

Stortingstidende 18 December 1989, Stortingsforhandlinger 1989–90, 7b, 1693–1701. Ibd., 1695. FOA , 25.4/129, file 16, NATO Delegation to Foreign Office, 13 November 1989. FOA , 25.4/113B, file 101, Tysklandsspørsmålet. Den siste utvikling. Norske holdninger, 16 February 1990.

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political elite. There was hardly any opposition against the official policy. On the contrary, the debate was even more characterized by idealist optimism than the Foreign Minister’s presentation.28 This suggests that the Norwegian political elite were less concerned about unification than members of the largest EC states, at least in Britain and France. Still, although the political elite in Oslo had found Chancellor Kohl’s TenPoint-Plan legitimate, at the outset they preferred momentum to be slow and cautious because too many factors were unknown and haste would easily invoke the external security concerns inherent in the “German problem.” Caution was regarded imperative because the Kremlin’s response was still uncertain, whereas the breakdown in the GDR itself could drive the course of events in unpredictable directions. Having used various diplomatic channels to obtain information on the positions of European governments, the EC , and NATO, by late February 1990, the government judged the situation optimistically. Several uncertainties had been removed, leaving a form of road map on the table. Free elections would be held in the GDR , whereas the Modrow Plan’s call for neutrality for both states was soon eliminated. Mikhail Gorbachev had accommodated Chancellor Kohl and Foreign Minister Genscher during their visit to Moscow on 10 February 1990, leaving German membership in EC and NATO as  a possibility. A few days after, the foreign ministers of NATO and the Warsaw Pact met in Ottawa and agreed on the Two-Plus-Four formula. NATO members had agreed that Germany must be member of NATO, though not necessarily by keeping NATO troops on East German territory and that they would consult with each other in order to coordinate positions. NATO would also work to organize  a CSCE summit in 1990 whereas the EC would discuss the economic aspects of unification. Hence, the course of events and decisions were indeed consistent with Norwegian views. Upon his return from Ottawa, Foreign Minister Bondevik optimistically announced that he anticipated German unification in 1990.29 Now, the Foreign Office was distributing a Norwegian position paper on German unification to its relevant embassies and delegations.30 This only laid down the principles that Foreign Minister Bondevik had presented to the Parliament in December. In a letter to US Foreign Secretary James Baker, Bondevik argued that “NATO’s consultative machinery must be made full use of through all stages of the unification process.” He also called for a special summit of NATO foreign ministers to discuss unification.31 The significance of NATO in Norwegian policy in this short moment of change should not be underestimated. During a visit to the US in late February, Prime Minister Jan P. Syse publicly maintained that Norway regarded German membership in NATO as an absolute precondi28 Stortingstidende 4 January 1990, Stortingsforhandlinger 1989–90, 7b, 1950–2037. 29 Bondevik tror på tysk samling allereie i år, Aftenposten, 15 February 1990. 30 FOA , 25.4/113B, file 101, Tysklandsspørsmålet. Den siste utvikling. Norske holdninger, 16 February 1990. 31 FOA , 25.4/113B, file 102, Letter from Bondevik to Baker, 5 March 1990.

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tion for endorsing reunification.32 He was probably aware that Chancellor Kohl and President Bush in a few days would agree that a united Germany must be member of NATO.33 There were nevertheless still conditions that might invoke the latent perception of the “German problem,” and hence shove the Norwegian position. German Defense Minister Gerhard Stoltenberg’s statement in February that NATO troops must be deployed in East Germany carried the potential to disrupt the balance at that point in time, but Foreign Minister Genscher immediately shot it down, and it made no observable impact in the Norwegian public sphere.34 Ambiguous statements in late February by Chancellor Kohl on the nexus between the state-border question and Polish reparations from World War II drew more attention, both in Norway and elsewhere in Europe. In early March, Aftenposten explicitly voiced concern that Germany’s eastern border might be at stake as offensive German nationalism could grow.35 Nils Morten Udgaard, the newspaper’s widely respected expert on German and European affairs, who had served as Undersecretary in the Prime Minister’s office in the early 1980s, wrote the editorial. Even plainer language was used by other newspapers. Gro H. Brundtland, leader of the Labour party, criticized Kohl for being “unbelievebly unpsychological” and agreed with Foreign Minister Bondevik to bring up the issue at the Nordic Foreign Ministers’ meeting to be held shortly in Finland.36 This “shake up” was, however, also temporary in Norway because on 8 March, the Bundestag removed the ambiguity by deciding on a procedure according to which a reunified Germany would respect the existing border. The “shake up” nevertheless led the government to fully applaud the decision to associate Poland with the Two-Plus-Four talks with regard to the border question.37 To conclude, a potential disruption caused by international events invoking the perception of “the German problem” never occurred, and after free elections were carried out in the GDR on 18 March, the Norwegian political elite was quite pleased with the international framework in which the unification process would be negotiated. The official Norwegian position was endorsed by a majority of the population. An opinion poll in April indicated that 64 percent of the population supported German reunification.38 There are no significant indications 32 Jan P. Syse: Europe in transition—a Norwegian view, talk for the National Press Club, 23 February 1990, http:www.c-span.org/video/?11258-1/Europe-transition-norwegian-view, last accessed 14 June 2016; FOA , 25.4/113, file 113, Samtalepunkter. Tysklandsspørsmålet. Statsministerens samtaler i USA 21.–23.2.1990, 15 February 1990. 33 UD, 25.4/113, file 115, Tysklandsspørsmålet. Den tysk-polske grense, 26 February 1990. 34 See e.g.: Østtyske soldater over til NATO, Aftenposten, 19 February 1990. 35 Tysklands grense mot øst, Aftenposten, 5 March 1990. 36 Nordisk fellesuttalelse om Tysklands østgrense?, NTB Tekst, 6 March 1990. 37 FOA , 25.4/113B, file 102, Tysklandsspørsmålet og polens vestgrense. Erklæring av 06.03.1990, 7 March 1990; Eksterne aspekter ved tysklandsspørsmålet. Statsminister Syses samtale med statsminister Thatcher 23.3.90, 15 March 1990. 38 Nedrebø, Den tyske utfordringa, 225.

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in media reports, comments or debates in these months that suggest a distrustful Norwegian sentiment.

V.

Perceptions during the Two-Plus-Four Process

The Two-Plus-Four negotiations took place between May and September 1990, and the two German states signed the unification agreement on 31 August. As reunification formally occurred on 3 October, the Norwegian government issued several public statements. Whereas Prime Minister Jan P. Syse sent a formal congratulation letter to Chancellor Kohl, Foreign Minister Bondevik presented the Norwegian view publicly, which provides evidence that this had not changed during the Two-Plus-Four negotiations.39 Media presentations of crucial situations, such as for instance Kohl’s meeting with Gorbachev in the Caucasus region on 15 and 16 July, describe events and solutions in positive terms and often also put emphasis on NATO’s constructive role.40 Optimism prevailed as the CSCE ministers met early in October to lay the foundations for  a scheduled meeting on 21 November, which would adopt the Charter of Paris for  a new Europe, on the basis of which the Organization for Security and Co-operation in Europe (OSCE) operated from 1995 onward. As the CSCE endorsed German unification various media commentators stressed that CSCE would supplement the EC without challenging NATO’s structures.41 The reading suggests that Norwegian media perceptions assumed Germany would play  a constructive role in shaping the new European order, which also had a strong hold on government offices. In September, the Bonn Embassy had submitted a memorandum written by the well-informed ambassador, Per M. Ølberg, which asked whether Germany’s geopolitical strength might be converted into future great power ambitions. Its answer was negative, not only because such ambitions were unlikely but also because there would be no room for a reunited Germany to engage in great power games, since it would be limited by several layers of constraining multilateral institutions.42 The government was also reassured by Bonn’s behavior, as it had consistently kept allied states and other states for which interest in information was legitimate, well informed, and thus laid a strong foundation for future trust and respect.43 An opinion poll carried out in October, soon after reunification had taken place, again indicated that the government was in agreement with its population. Having shown 64 percent support in April, by October it had grown to 39 40 41 42 43

Kjell Magne Bondevik: Tyskland og det nye Europa, Aftenposten, 3 October 1990. See e.g.: Tyskland i NATO, Dagens Næringsliv, 18 July 1990. See e.g.: KSSE for europeisk samling, NTB Tekst, 2 October 1990. FOA , 25.4/113B, file 105, Quo Vadis Germania?, 26 September 1990. FOA , 25.4/113B, file 105, Statsminister Syses intervju med Deutschlandfunk, 2 October 1990.

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77 percent.44 A scrutiny of digital archives of national newspapers provides no evidence suggesting that this trend did not accurately capture public sentiment. Judged in retrospect, two agendas might have caused some Norwegian disturbance: first, the final settlement of the World War II reparations’ issue which had lingered since the 1953 London Debt Agreement; second, the discourse about deepening EC political integration, following Mitterrand and Kohl’s call in their letter to the EU Presidency in April 1990. Having received assets through the Inter-Allied Reparations Agency between 1946 and 1950, the value of which was estimated at 13.6 million contemporary dollars, the position in Oslo was that Norway was owed outstanding reparation debts when the London Debt Conference convened in 1953, but that this had basically been established to settle German pre-war debts. Against Norwegian opposition, the Conference agreed that the issue of outstanding reparations would be postponed until a final peace settlement with Germany. Nevertheless, the reparations issue was only on the political agenda again in 1959, when Norway and the Federal Republic negotiated a 60 million Deutschmark compensation agreement (Globalabkommen) for Norwegian victims of Nazi prosecution (Nazi Unrecht). The negotiations took place within  a multilateral framework, and Western governments, including the Norwegian government, rejected waiving their rights to war reparations in exchange for compensation schemes, which were being demanded by West Germany.45 Thereafter, the reparation issue did not surface again in Norway until it was recognized that the Two-Plus-Four agreement would serve as the final war settlement with Germany. Admittedly, Poland had brought the issue of German reparations onto the agenda in February 1990, but the German response showed that reparations and border questions must be assessed as integral issues, and this provoked Norwegian concerns about the border rather than about reparation debts. It was not until late March, when the Yugoslav government approached the Norwegian government to discuss the reparations issue, that the Foreign Office started elaborating on the issue.46 Its Legal Division presented a memorandum in early June that clearly concluded that Norway was entitled to further reparations. Its policy recommendation was, however, that because no western country had yet levelled reparation demands, neither should Norway.47 As the Two-Plus-Four negotiations settled the Polish border question in July, Poland renounced further reparation demands. On 18 July, the issue was publicly 44 Nedrebø, Den tyske utfordringa, 225. 45 Hans Otto Frøland, „Eine gewaltige, nicht beglichene Schuld“. Die deutsche Entschädigung für NS -Verfolgte in Norwegen“, in: Hans Günter Hockerts et al. (eds.), Grenzen der Wiedergutmachung. Die Entschädigung für NS -Verfolgte in West- und Osteuropa 1945–2000 (Göttingen: Wallstein Verlag, 2006), 285–356. 46 FOA , 25.4/113B, file 103, Tyskland og erstatningsspørsmålet. Referat fra møte med Jugoslavias første viseutenriksminister Milivoje Maksic 21. mars 1990, 29 March 1990. 47 FOA , 25.4/113B, file 104, Spørsmål vedrørende krigsskadeerstatninger fra et samlet Tyskland. Eksisterende avtaler og tidligere utbetalt erstatning til Norge, 6 June 1990.

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raised in a Danish newspaper, in which Danish politicians responded by arguing that remaining reparations must be discussed as part of an international political solution and ought eventually to be implemented in the form of loans to countries most in need of environmental investments, such as Poland.48 Whereas Norwegian newspapers reported on the border question,49 the major Norwegian broadcasting network, Norsk Rikskringkasting, took up the reparations issue and interviewed Knut Vollebæk, an undersecretary in the Foreign Ministry. He believed that Norway would not demand repayment of the outstanding reparation debt but stated that formerly-allied countries must reach a common policy on the matter before the formal unification.50 The statement was carefully designed in the Foreign Ministry, which concluded that Norway should await the situation until it was informed about which policies other countries would adopt.51 This suggests that Norway was not actively planning to pursue its legal right as long as other countries waived their demands. Further, the issue was not added to the agenda by domestic social or political forces. Public media, always inclined to set agendas that would catch public attention, did not judge the reparations issue as newsworthy. Hence, it is not difficult to conclude that there was little interest in Norway to demand further reparations. Among Western European countries it was only Greece that really perceived the issue as topical,52 and in late October, the Foreign Office was contacted by Greek media about Norway’s policy since Germany had now declared its war debt liabilities to have been nullified by the Two Plus-Four agreement. Would Norway raise the issue during the CSCE Summit scheduled for 19 November? There is no indication that Norwegian officials were aware that this clause had been taken into the Two-Plus-Four Agreement and factual information of this conveyed to the public might have caused a disturbance. Still, this did not occur. The Foreign Office informed the Norwegian Embassy in Athens that Norway would not table reparation demands.53 This occasioned no reaction in the media. The government would, however, support Norwegian legal subjects who demanded compensation for their private property that had been nationalized in the GDR . Having failed to reach an agreement with the GDR as Norway formally recognized the state in 1973, this seems to have been a priority.54 Still, this issue never had the potential to cause political disruption as an agency would be set

48 Krigsgeld frem i lyset, Politiken, 18 July 1990. 49 See e.g.: Polen er beroliget, Aftenposten, 18 July 1990. 50 FOA , 25.4/113B, file 104, Krigsskade-erstatning fra Tyskland. Dagsnytt 20. juli kl. 1630, undated. 51 FOA , 25.4/113B, file 104, Krigserstatninger fra Tyskland. Momenter til besvarelser til pressen, 19 July 1990. 52 Cf. the chapter by Andreas Stergiou in this volume. 53 FOA , 25.4/113B, file 106, Vedrørende krigserstatninger fra Tyskland. Henvendelse fra gresk presse, 8 November 1990. 54 Ingen krav mot tyskere, Aftenposten, 1 October 1990.

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up to settle compensation issues, and not many Norwegian legal subjects would file claims. Did the West German notion that EC members should pool more of their sovereignty to Community institutions in any way disturb the positive attitude towards German unity? When the Norwegian EC delegation in Brussels met Jaques Delors, the President of the Commission, in January 1990, Delors signaled that integration must accelerate because German reunification would invoke nationalist sentiments in Europe.55 There is no indication that Kohl’s and Mitterrand’s call in April 1990 for further political integration was perceived as  a negative initiative, either in public media or among government officials. Throughout the Two-Plus-Four negotiations, the Norwegian Embassy in Bonn reported frequently to Oslo about policies and motivations in Bonn. Reports noted that the West German government worked consistently to establish some form of political union among the EC countries because Germany wanted to avoid the suspicion that reunification might trigger German great power ambitions. There can be no doubt that Norway’s government and public opinion as well, endorsed further political integration because it would respond to perceptions about the “German problem.” The perception was, however, general and no longer sustained by Norwegian distrust. An interesting test case is whether the so-called Chequers Affair and the Ridley Affair, both of which occurred in July, caused any reactions in Norway. Both carried the potential of shaking up the Norwegian position since these episodes warned that unification would make Germany strong enough to destabilize Europe. On 12 July, the conservative British newspaper Spectator presented an interview with Nicholas Ridley, the UK Cabinet Minister for Trade and Industry, in which he warned in highly undiplomatic language against monetary and political union in Europe. The subsequent fuss forced Ridley to resign, although Prime Minister Margaret Thatcher obviously shared his thoughts. Three days later, on 15 July, the German monthly Der Spiegel and the British Independent on Sunday leaked the minutes of a meeting at Chequers, in which historians had advised Thatcher about the prospects of a united Germany behaving expansionistically and chauvinistically due to the German national character.56 It seems though that these occurrences neither drew any significant attention, nor reduced support, in Norway.57 This indicates that distrust towards a united Germany was marginal, although perceptions of “the German problem” lingered.

55 FOA , 25.4/113B, file 100, Tysklandsspørsmålet. Samtale med EF-kommisjonens president Jacques Delors, 19. januar d.å., 22 January 1990. 56 Timothy Garton Ash, The Chequers Affair, in: The New York Review of Books, 27 September 1990. 57 See e.g.: Krigshisseren, Dagen Næringsliv, 14 July 1990; Det nye Tyskland, Aftenposten, 18 July 1990.

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Theoretically, the acceptance of political union clashed with  a profound Norwegian sentiment that European cooperation should be based on sovereign nation-states. This sentiment was clearly shown in the referendums on Norwegian EC/EU membership in 1972 and 1994, the outcomes of which signaled that Norway must retain its sovereignty.58 Although this sentiment might be mobilized against the two accession treaties, it was not mobilized against German unity. A possible explanation might be that Germany was perceived as a close friend. As mentioned, views on foreign policy and world affairs had become quite similar as seen from Oslo and Bonn in the 1980s. Evidence clearly indicates that the community of interests and visions between the two nation-states was not disturbed by the unification process. A comment in Aftenposten soon after unity had been formally established is quite representative. Translated from Norwegian it reads: “West Germany was for a long time reluctant to use its strength. We can no longer take restraint for granted, but Norway has less to fear because West Germany has been close to Norway and paid much attention to Norwegian conditions […].”59 There are several media comments underlining that Germany is generally supportive of Norwegian views and interests. The cordial predisposition was soon confirmed after unification. When the Norwegian Ambassador in Bonn met Foreign Minister Genscher on 14 December 1990, where Genscher maintained that for all of Germany’s pursuit of political integration in Europe, his government did not want the EC to take on a hard defense policy as this must be reconciled with NATO.60 The suggestion by Kohl and Mitterrand, in  a letter to the President of the European Council in October 1991, to set up  a Eurocorps as part of  a future EC/EU Common Foreign- and Security Policy, was registered by the government and in the media but it did not cause any political disturbance. Further, Oslo was well informed that Germany eventually wanted the EC extended to include Eastern European countries, starting with Poland, Hungary, and former Czechoslovakia.61 Oslo regarded this as unconditionally positive. A note worked out before Norwegian Foreign Minister Bjørn Tore Godal visited Germany in April 1994 concludes sympathetically, noting that Germany’s deliberate “Ostpolitik” will effectively integrate Eastern Europe in the West without antagonizing Russia.62 In sum, Oslo assumed rather consistently that Germany would work to let the EC/EU attain  a wider European architecture that would not challenge NATO, which

58 Hans Otto Frøland/Lise Rye, Norwegian Attitudes to Membership in the European Union, in: Anne Dulphy/Christine Manigand (eds.), Public Opinion and Europe. National Identities and the European Integration Process (Brussels: Peter Lang, 2004), 117–136. 59 Tyskland stadig viktigere for Norge, Aftenposten, 15 October 1990. 60 FOA , 25.4/113, file 116, Europeiske perspektiv. Lunsjmøte med utenriksminister Genscher, 14 December 1990. 61 FOA , 25.4/113, file 116, Tysk utenrikspolitikk ved årsskiftet, 7 January 1991. 62 FOA , 25.4/113, file 123, Utenriksministerens besøk i Bonn 20.4.94. Bakgrunnsnotat, 14 April 1994.

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fit well with Norwegian sentiments as to whether they supported or rejected Norwegian EC/EU membership. Certainly, events occurred after unification that might have caused some concern with politicians and in public opinion polls, such as the swift German recognition of Croatia in December 1991, an ill-timed and premature statement by Foreign Minister Klaus Kinkel that Germany ought to have  a seat in the UN’s Security Council, and the discussions leading to Germany participating in blue-helmet operations under the UN. If all of these events had been interpreted as new-won German self-confidence after unification, they might have provoked negative public expressions and a debate nourished by implicit perceptions of the “German problem.” However, whereas embassy reports underlined that these events would weaken the confidence towards Germany abroad,63 in the Norwegian public media, they were merely registered without causing political debate. Such events or developments seem to have had no disturbing effect on sentiment or policy. On the contrary,  a country report on Germany from December 1993 draws a positive picture of Germany having become a “Führungspartner” (leadership partner) in Europe. The country serves as the most important European link to Moscow and to Washington, it concluded, without indicating any concern at all.64 The perception of commonality endured.

VI. Germany and Norwegian EU Membership, 1990–1994 As opposed to the two decades after World War II, domestic political conflicts and cleavages pertaining to Norway’s relations with Europe had little to do with Germany. Already in his first presentation after the fall of the Berlin Wall on 18 December 1989, Foreign Minister Bondevik had emphasized that the new European situation must be followed by closer political cooperation between the EFTA and the EC .65 The statement pointed to the ongoing negotiations, which subsequently led to the EEA . Based on a Norwegian initiative, and leading to close liaison between former Prime Minister Gro H.  Brundtland and the President of the EC Commission, Jacques Delors, discussions had continued since 1984 on some form of architecture that would build a bridge between the EC and the EFTA . Following an invitation by Jacques Delors to start formal negotiations, EFTA’s Council of Ministers accepted this in March 1989. The decisions were coordinated between Delors and Brundtland, who chaired the EFTA meeting in Oslo.66 Liaison was also close between Brundtland and Kohl, and evidence suggests that Delors’ EEA initiative was closely coordinated with 63 FOA , 25.4/113, file 120, Tysklands identitetskrise, 7 January 1993. 64 FOA , 25.4/113, file 120, Tyskland. Landnotat pr. desember 1993, undated. 65 Stortingstidende 18 December 1989 and 4 January 1990, Stortingsforhandlinger 1989–90 7b, 1693–1701, 1950–2037. 66 Tamnes, Oljealder, 230.

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the Bonn government.67 In December 1991 EFTA’s Council of Ministers accepted the agreement, which was signed in May 1992 and in operation from January 1994 onward. Through the EEA Norway accepted the regulations of the Single European Act for those sectors covered by the agreement. The anticipation of the EEA as well as the assumption that Norway might subsequently join the EC/EU as a full member is the key background to assess how the existence of a united Germany affected Norwegian perceptions of and attitudes to European integration in the first half of the 1990s. Mr. Bondevik’s statement in December 1989, mentioned earlier, was largely supported by the parliament and public opinion. Whereas a possible Norwegian membership in the EC/EU divided political parties as well as the electorate as a whole, and certainly destroyed the centre-right government that held office from October 1989 to November 1990, the EEA solution was supported by  a large majority of parties and voters. Consequently, it was not subject to a referendum even though it implied a transfer of sovereignty to EFTA institutions. However, because the EEA agreement was seen by many as  a first step towards full membership in the EC/EU, and certainly by Brundtland’s Labour governments before October 1989 and after November 1990, the EEA solution was potentially politically explosive. Germany had consistently supported the EEA agreement to attach Northern Europe politically to the EU. Generally referred to as the “Northern Dimension” of German European Policy, in his public speech Deutschlands Rolle in Europa, held in March 1991, Chancellor Kohl publicly called for swift Nordic applications for EC membership.68 In the Norwegian case, everyone knew the membership issue was a delicate matter that would be decided by a referendum, the outcome of which would depend on the conditions laid down in a negotiated accession treaty. The Norwegian Embassy in Bonn reported consistently that Germany would actively work to support Norway’s course in future negotiations on the accession treaty. Already in Summer 1991,  a report stated that Germany would remain  a committed partner if Norway moved towards EC membership.69 Reports subsequently confirmed that this was not controversial at all, since this idea had taken strong hold not only among the government ­coalition parties but also in the SPD as well.70 Prime Minister Brundtland confirmed in her memoirs that Germany supported Norwegian positions as far as

67 Ibd.; UD, 25.4/113, file 116, Det politiske Tyskland. Virkninger og muligheter for norsk utenrikspolitikk, 29 November 1990. 68 Kohl vil åpne for Norden, Aftenposten, 11 April 1991. 69 UD, 25.4/113, file 118, Det politiske Tyskland. Virkninger og muligheter for norsk politikk, 12 July 1991. 70 FOA , 25.4/113, file 120, Tysk utenrikspolitikk. Kravet om normalitet og ansvar. Samtale med CDUs utenrikspolitiske talsmann, 15 March 1993; Tysk makt og tyske interesser. Samtale med SPDs utenrikspolitiske talsmann, 8 February 1993.

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Hans Otto Frøland

possible during the negotiation on the accession treaty in 1993–94. “I was never in doubt about where we had Chancellor Kohl,” she wrote.71 A relevant question is whether the active German effort to bring Norway into the EC/EU had any negative impact on Norwegian perceptions. A test case was Chancellor Kohl’s official visit to Norway in July 1992, before the Norwegian Parliament decided to apply for membership. Talks mainly dealt with European integration and  a possible Norwegian membership in EC/EU. Newspapers generally presented the visit as expedient for Norwegian interests. Still, reiterating that both parties would benefit from Norway joining the EC/ EU at a press conference, Kohl concluded metaphorically that non-membership implied that Norway would end up in a blind alley. Several newspapers admitted that this formulation could be perceived as unreasonably persistent interference in the heated Norwegian debate, but an analysis of media reactions suggests that this did not occur.72 There is no evidence of a Norwegian perception of German motives. Still, it is difficult to answer precisely which function newly reunited Germany took up in Norwegian perceptions when the Labour government formally applied for EC/EU membership on 24 November 1992. Obviously, the premature timing was  a response to the preceding Swedish and Finnish applications, as a major argument among supporters was to sustain Nordic cooperation within the EC/EU and, as  a collective, achieve influence on polity. The negotiations would turn out to be difficult but it was clear that the government was expecting German assistance from within the EC/EU. The referendum on EU membership took place in November 1994. Whereas the turn-out was 89 percent,  a total of 52.2 percent voted no and 47.8 percent yes. Through the 1980s opinion polls had disclosed increasing sympathy for Norwegian EC membership but this had changed in 1991 as the membership issue became a topical issue and campaign organizations became active. Since 1991, a large majority of those who had taken a stand were against membership, although many undecided voters turned to yes after the accession treaty was negotiated. Still, the swing was not strong enough to establish  a yes-majority. It seems that many of these were young people, who regarded the EU as  a constructive political architecture for Europe after the Cold War and in which Norway must participate to project its influence. In the end, it was domestic considerations that animated the majority vote. As in the 1972 Referendum, the 1994 Referendum reflected  a distinct cleavage between the few urban centers and the rural periphery. The no-vote defended national sovereignty over primary sectors as well as the public sector.73

71 Gro H. Brundtland, Dramatiske år: 1986–1996 (Oslo: Gyldendal, 1998), 345. 72 See e.g.: Gros beste venn, Dagens Næringsliv, 17 July 1992. 73 Frøland/Rye, Norwegian Attitudes, 130–133.

Norway and German Reunification

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VII. Conclusions Norway continuously supported German unification as the window of opportunity opened in 1989. The official policy pursued by the government was endorsed by the political elite as well as the public at large. A national consensus prevailed. A precondition for the support was that the Kohl government unambiguously signaled it would pursue unification within  a multilateral framework, the EC , NATO and CSCE . As opposed to Norwegian perceptions during the first decades after the World War II, the profound distrust no longer lingered. Hence, the Norwegian policy that German unity must be embedded in a multilateral framework was less a policy of containment than an admission that neighbours other than Norway had legitimate reasons for distrust. Because there were considerable risks involved, Norway saw German NATO membership as an absolute precondition. Actually, there is significant evidence suggesting that Norway anticipated that  a united Germany would play  a constructive role in establishing  a stable and peaceful new order in Europe. This reflected the rather close relations that it had enjoyed/established with West Germany since the 1970s. Common interests, views and policies had increasingly brought them together, and Bonn replaced London as a guiding geopolitical reference point in Europe. This position was not shaken by the swift unification process in 1990. United Germany’s support for Norwegian entry into the EC/EU obviously mattered when the Norwegian political elite was pursuing full membership. This failed following a referendum in 1994, but Norwegian perceptions of Germany carried no significance in that respect. It was domestic concerns that made the majority of the population vote against Norwegian EU membership in 1994.

V. Die Benelux-Staaten

Anjo Harryvan and Jan van der Harst1

“The Irritability of a Small Nation with a Great Past”: The Netherlands and German Unification, 1989–1991 Before 1989, during the period of the Cold War, Dutch foreign policy elites hardly ever involved themselves in formulating policy initiatives regarding Eastern Europe. The area east of the Federal Republic of Germany (FRG) seemed almost terra incognita to them. Political and economic contacts were scarce, the Soviet-led communist block being considered the monolithic and distant “other.” There were contacts with dissidents, particularly in Czechoslovakia and the German Democratic Republic (GDR), but a comprehensive détente policy as developed by the FRG was lacking in the Netherlands.2 Tellingly, government documents at the time referred to the whole region east of the Lübeck-Vienna line as “Eastern Europe”; the existence of  a geographical entity called Central Europe—later to become  a common and distinctive denominator—was still ignored or perhaps even denied at that stage. During the Cold War, the Netherlands manifested itself as  a convinced Atlanticist country, relishing the relationship with the United States as the most credible partner to protect Western Europe in the political-ideological struggle with the Soviet Union. Of course, the Netherlands was a European country as well, particularly in economic terms—for its trade benefits being highly dependent on its eastern neighbor Germany (FRG) and southern neighbors Belgium and France. However, mentally and geopolitically the orientation was markedly westward, directed towards the North Sea and the Atlantic Ocean.3 The fact that the Iron Curtain had divided postwar continental Europe into two halves was highly deplored within the Dutch political establishment (with the Soviet 1 The authors wish to express their gratitude to Ms. Kimberley Bootsma (Research Master student at the University of Groningen) for her excellent document search and analyses, providing the basis for this paper. They also thank Dr. Carel Horstmeier for his insightful comments on the text. 2 Wim Bartels, “Im Westen nichts neues?”: kanttekeningen bij een ministeriële notitie, in: Internationale Spectator 42 (1988) 10, 630–633; Marianne Bousardt/Peter van Ham, De continuïteit in het Nederlandse beleid ten aanzien van Oost-Europa, in: Internationale Spectator 42 (1988) 10, 611–617. 3 Anjo G. Harryvan/Jan van der Harst, Succes creëert nieuwe verhoudingen: het Nederlandse regeringsbeleid en de Europese integratie, in: Hans Vollaard/Jan van der Harst/Gerrit Voerman (eds.), Van Aanvallen! Naar verdedigen? De opstelling van Nederland ten aanzien van Europese integratie, 1945–2015 (Den Haag: Boom Bestuurskunde, 2015), 30–43.

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Anjo Harryvan and Jan van der Harst

Union being considered the culprit and perpetrator of the partition), but by and large, The Hague had come to accept and sometimes even cherish the reality of a divided Europe. The perennial Cold War threat paradoxically brought stability to the European continent, given the more or less “frozen” state of co-existence of the two power blocks and the absence of open hostilities.4 Meanwhile, within the Western framework the Netherlands was in the position to peacefully reconstruct its economy (with the help of the European Community, EC) and to benefit from the security shield provided by the US and NATO. NATO and EC were the two stable pillars of postwar Dutch foreign policy, which made the country’s policy preferences in the Cold War era clear-cut and predictable.5 In such circumstances, the German division was seen as  a given: an uneasy phenomenon, but at the same time a matter of fact, and difficult—if not impossible—to reverse. In the 1980s, The Hague welcomed and supported the first manifestations of Central and Eastern European revolt, particularly in Poland, to break the stalemate between East and West, but those eruptions failed to lead to serious changes in the country’s policies regarding Eastern Europe. The assessment was that the Soviet Union might be getting weaker, but the regime in Moscow was still powerful enough to keep control of the existing situation, at least for the foreseeable future. From the late 1970s onwards, two developments challenged governmental aloofness towards Central and Eastern Europe. First,  a religiously inspired vredesbeweging or peace movement rooted in fear for a nuclear war in Western Europe rocked the boat of Dutch Cold War certainties.6 With the support of the established churches, growing resistance in society to nuclear weapons in general and NATO’s nuclear modernization plans in particular gave rise to a significant opposition within parliament to a possible deployment of middle-range missiles in the Netherlands and uncertain support among cabinet ministers. These in turn led to new governmental policies which made deployment of intermediate-range nuclear missiles on Dutch soil, conditional on arms reduction in general and the withdrawal of nuclear warheads from continental Europe in particular. Discussions along these lines within NATO were significant in that 4 Minister Kok treft Duitsers met weldoortimmerde rede, in: NRC Handelsblad, 4 May 1990. 5 Jan van der Harst, De verdwenen voorspelbaarheid. Het Nederlandse Europabeleid tijdens en na de Koude Oorlog, in: Bob de Graaff/Duco Hellema/Bert van der Zwan (eds.), De Nederlandse buitenlandse politiek in de twintigste eeuw (Amsterdam: Boom, 2003), 132–136. 6 Communist campaigns for unilateral disarmament by the West also gained considerable popular support in the Netherlands, as became visible particularly in the protests against the neutron bomb, see Carel Horstmeier, Stop de neutronenbom! The last mass-action of the CPN and the Moscow-Berlin-Amsterdam triangle, in: Carel Horstmeier et al. (eds.), Around Peter the Great. Three Centuries of Russian-Dutch Relations (Groningen: INOS , 1997) 65–77. Communist attempts to infiltrate the religiously inspired Dutch peace movement, however, remained largely unsuccessful, see Beatrice de Graaf, Over de Muur: de DDR , de Nederlandse kerken en de vredesbeweging (proefschrift Universiteit Utrecht, Amsterdam: Boom, 2004).

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they helped to set the groundwork for the 1987 Intermediate-Range Nuclear Forces (INF) Treaty between the US and the Soviet Union.7 Second, from 1985 onwards, after initial skepticism, new Soviet leader Mikhail Gorbachev’s détente policies convinced Western leaders that in dealing with the USSR the traditional antagonistic policy frames no longer sufficed. The INF Treaty and Gorbachev’s professed willingness to give up the Soviets’ conventional military dominance in Europe constituted a first important step in facilitating this change in Western thinking. Even more importantly in this respect was his revocation of the Brezhnev doctrine in July 1987: Henceforth, each country in the Soviet block was entitled to its own course to socialism. The message to the allied governments in Central and Eastern Europe was clear. No longer could the communist party elites count on (military) support from Moscow if their leading role were to come under attack. From now on, they were on their own in dealing with their national political and economic problems. The USSR’s new military doctrine would be of  a strictly defensive nature. Democratization movements in the Kremlin’s satellite states felt encouraged by these winds of change from Moscow. So were Western policy-makers when Gorbachev’s deeds proved to be as good as his words, when the Soviet Union refrained from interfering in the 1989 democratic revolutions in the eastern part of its empire in decline. For Dutch diplomacy,  a major consequence of the Gorbachev reforms was the insight that the Central and Eastern European countries could no longer be regarded and dealt with as a monolithic bloc. In its May 1988 Oost-Europa Notitie, the Hague government advocated  a positive but reticent stance on Central and Eastern European reform, supporting cautious transition, first and foremost in the smaller states in the region. The possible consequences for Dutch policy on the most pivotal of these smaller states, the GDR , however, remained unaddressed.8 The GDR , indeed, had been  a “stepchild” of Dutch and other European countries’ diplomacy from its inception in 1949 onwards.9 For almost 25 years the Netherlands had been at the forefront of countries maintaining the GDR’s international isolation and pariah status. Loyalty to NATO partner the FRG and its claim to represent the population of Germany in its entirety effectively torpedoed official diplomatic recognition of “East Germany” as  a country in its own right, in spite of its significance as an important trading partner for the Netherlands’ economy. When in 1973, in the wake of Brandt’s Ostpolitik the Netherlands did eventually recognize the GDR , this did not substantially 7 Ruud van Dijk, A Mass Psychosis: The Netherlands and NATO’s Dualtrack Decision, 1978– 1979, in: Cold War History 12 (2012) 3, 381–405; H. J. G. Beunders/H. H. Selier, Argwaan en profijt. Nederland en West-Duitsland 1945–1981 (Amsterdam: Historisch Seminarium van de Universiteit van Amsterdam, 1983), Chapter X, “Vredesbewegingen”, 136–168. 8 Sipke de Hoop, Met vallen en opstaan. Vijf jaar Nederlands hulpbeleid in Midden- en Oost-Europa (1989–1993), doctoral dissertation, Rijksuniversiteit Groningen (2006), 81–93. 9 Carel Horstmeier, Stiefkind der Staatengemeinschaft: Die Anerkennungspolitik der DDR in Westeuropa 1949–1973, doctoral dissertation, Rijksuniversiteit Groningen (2014).

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ameliorate bilateral relations. As “Red Prussia,” the country continued to be regarded as a dependency and showcase of repressive Soviet Communism.10 On leaving his post in Berlin in 1976, Bernard Bot, The Hague’s first ambassador to the GDR , stressed the artificiality of its construction as a product of ideology rather than of nationhood: “Blood is thicker than ideology,” he maintained and predicted unification of the two Germanies before the year 2000.11 NATO loyalty cementing Dutch relations with the Federal Republic of Germany was not  a guarantee for  a smooth and warm bilateral understanding between these two countries. The memory of Nazi Germany’s attack on the country and the 1940–1945 occupation had left deep scars at both the governmental and non-governmental levels for many years. In the double context of the Cold War and European integration, however, Germany grew from an enemy into a partner, albeit for considerable time “a partner out of necessity.” Nevertheless, as this normalization process between Bonn and The Hague continued, it went hand in hand with  a continuous intensification of bilateral economic and political relations, cross-border trade and mutual understanding. A process of political and cultural convergence, Friso Wielenga observes, has enabled the countries of Western Europe to successfully mitigate tensions between  a large state like Germany and smaller states like the Netherlands. Relations with the GDR , in comparison, remained sterile.12 As Jacco Pekelder argues, it was precisely its “Red Prussia” view of the GDR which set Dutch diplomacy on the wrong footing: “That the GDR citizens would rebel against state and party authority was considered simply inconceivable because of the tradition of Prussian subservience and discipline.”13

I.

Fall of the Wall

Against this backdrop, it took the Dutch government by total surprise when the Berlin Wall collapsed on 9 November 1989. There had been no real anticipation of the radical events flooding over Europe in those memorable days, let alone a revolution from below by GDR citizens. The new Dutch government, just installed 10 Jacco Pekelder, Nederland en de DDR . Beeldvorming en betrekkingen 1949–1989 (Amsterdam: Boom, 1998), 149–152, 306–356. 11 Bernard Bot, Achteraf bezien. Memoires van een diplomaat en politicus (Amsterdam: Prometheus/Bert Bakker, 2015), 97. 12 Friso Wielenga, West-Duitsland: partner uit noodzaak. Nederland en de Bondsrepubliek 1945–1955 (Utrecht: Het Spectrum, 1989); and id., Van vijand tot bondgenoot. Nederland en Duitsland na 1945 (Amsterdam: Boom, 1999), 281–298, 410–412. At non-governmental levels, however, some bilateral contacts were established, in particular between churches, the peace movement and communist organizations. 13 Pekelder, Nederland en de DDR , 367. For a sharp correction of Pekelder’s interpretation of the GDR as a communist Prussia, see Carel Horstmeier, Nederlanders en hun worsteling met het beeld van de DDR , in: Nieuwste Tijd 10 (2004), 49–59.

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and headed by the experienced Christian Democrat Ruud Lubbers (ruling in a coalition with the Social Democrats), reacted to the epochal turn in Berlin with mixed sentiments, varying between jubilation, apprehension, and cautiousness. Of course, the first overt signs of successful Eastern European liberation from totalitarian rule were warmly welcomed, but in those early days, the paramount question was whether the geopolitical changes in the region would turn out to be structural or could still be turned back. And if the revolution proved to be a success, what would be the consequence for the valued stability on the European continent? Immediately after the fall of the Berlin Wall the government thought it wise to stick to the existing power balance and institutions, which meant support for the preservation of both NATO and the Warsaw Pact. The dominant feeling was that the Soviet Union would not consider interfering in Eastern Europe, because that would mean—in the words of Foreign Minister Hans van den Broek—the “collapse of perestroika.”14 At the same time, it would also be unwise to provoke the Soviets, for example by proclaiming  a total victory for NATO or demanding the dissolution of the Soviet-led bloc. Dutch government and parliament preferred to act cautiously.15 Another, probably even more important and immediate, problem was what to expect from the federal government in Germany, headed by Helmut Kohl. What were the real German intentions? How could West Germany remain tied to the West? How could it be prevented from adventures with uncertain outcomes? The Lubbers-Kok16 government immediately made clear that whatever was going to happen, Bonn should remain firmly integrated in the Western structures of the EC and NATO. Neutralist tendencies needed to be avoided, and NATO unity was to prevail at all costs. Concerning the possibility of a unification of the two Germanies, the Dutch government seemed to be in a state of sheer denial, at least in the initial stages. Indicatively, the minutes of the first few Cabinet meetings after 9 November (the day of the collapse of the Wall) included no single reference to the tenability of the postwar partition and the preferred status of the FRG and GDR in the new situation.17 This was surprising because the slogans “Wir sind ein Volk” and “Deutschland, einig Vaterland” were about to fill the streets of Leipzig, Dresden and other East German cities. In a meeting on 17 November Minister van den Broek just very briefly remarked that “German reunification was not near, given the position of the Soviet Union.”18 The same strategy of concealment was visible 14 Minutes Dutch Council of Ministers (MDCM), 17 November 1989, 16. 15 MDCM, 17 November 1989, 12 and 16. 16 Wim Kok (social-democrat, Partij van de Arbeid)  being the Vice PM and Minister of Finance in the (third) cabinet led by Lubbers. 17 MDCM 10, 15, 17, 22 and 24 November 1989. 18 MDCM, 17 November 1989, 13. At a press conference on 10 November, Van den Broek had used similar words, when he said that unification was not an aim in itself, but at most the result of  a broader rapprochement between Eastern and Western Europe, see Pekelder, Nederland en de DDR , 398–399.

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in the declaration which heralded the start of the new government and appeared almost three weeks after the fall of the Wall, on 28 November. The government declaration applauded the end of the Cold War, as well as the fresh democratic developments in Eastern Europe, but, curiously enough, made no single reference to the German Question. This was done intentionally on the insistence of Prime Minister Lubbers, who preferred to tackle the issue in a guarded way, avoiding profiled written statements.19 Members of Parliament openly started to wonder what could be behind the Cabinet’s silence. The leader of the center-left Progressive Democrats (Democraten 66, D66), Hans van Mierlo, worded his amazement as follows: “Who does not feel at ease with the thought of  a united Germany in the strictest sense—and I belong to that group, even though I do not exclude the possibility—does not have to feel safer if the issue is not put on the agenda. Taboos tend to provoke uncontrollable forces.”20

How could this reticence be explained? The primary documents on the issue confirm the impression that the Dutch government felt highly uncertain and uncomfortable about what was happening east of the Dutch-German border in late 1989. Initially, the government pleaded for some form of confederation between the two Germanies, rather than unification.21 Still, The Hague quickly came to realize that it did not have any control or say over the rapid developments in Bonn and Berlin. Chancellor Helmut Kohl developed his own plans with  a small group of advisers around him and refused to share his thoughts with the small western neighbor. His ten-point plan of 28 November 1989, which included an agenda for unification,22 came out of the blue and was perceived in The Hague as an unpleasant surprise23 that soon took the shape of a fait accompli after American endorsement. During late 1989/early 1990, the government was only in the position to play a re-active rather than pro-active role.

II.

Lubbers’ Opposition and Kohl’s Irritation

Dutch feelings of unease were strengthened on the domestic level by differences of opinion between Prime Minister Lubbers and Foreign Minister Van den Broek. The two had been cabinet colleagues since 1982, both Christian Democrats and highly experienced, but they increasingly clashed on the issue of who was primarily responsible for foreign and European policy-making in the 19 20 21 22

MDCM, 22 November 1989, 6. Handelingen Tweede Kamer 1989/1990, Regeringsverklaring, 28 November 1989, 19. MDCM, 17 November 1989, 17 and 21. Kohl at the time alluded to unification in the course of the 1990s; in reality it happened much sooner. 23 MDCM, 1 December 1989, 13 and 14.

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Netherlands.24 Van den Broek felt that Lubbers, with his long-standing position in the prominent European Council, was entering more and more the exclusive terrain and competences of the foreign minister. What did not help was that the two were shown to have distinct views on how to handle Germany after the fall of the Wall. Van den Broek opted for a positive, accommodating approach, showing an understanding for Chancellor Kohl’s problems while Lubbers adopted a much more critical attitude.25 The latter repeatedly pleaded for strict observance of the Helsinki guidelines, by which he meant  a full guarantee of the territorial integrity of all European states, including FRG and GDR . The 1975 Helsinki tenet referred to by Lubbers guaranteed the inviolability of borders in Europe. However, on the demand of the FRG delegation, a clause had been added to the Final Act: “The participating states consider that their frontiers can be changed, in accordance with international law, by peaceful means and by agreement.” At the time of the Helsinki agreements such a perspective on border change by peaceful agreement was deemed useful for domestic German consumption.26 In The Hague, such a notion of a peaceful change of European borders was far from popular and a source of unrest each time it was brought up in FRG politics. Therefore, it was no coincidence that the Foreign Ministry’s first policy paper on German unification (21 September 1989) was triggered by a statement by FRG Finance Minister Theo Waigel in June 1989, arguing that when discussing the renewed German Question, territories to the east of the Oder and Neisse rivers should be taken into consideration too. The Hague’s policy paper warned against “natural border” thinking. The frontiers of a unified Germany made up of the FRG and GDR would be no more “natural” than those of the German Empire in 1871 or 1919. The paper concluded: “In 1871 Germany was ‘saturated’, according to Bismarck—in 1914 it was no longer so and had not been for  a long time, not to mention 1939. Maybe it is better, after all, if Germany remains divided.”27 In late 1989 with these considerations in mind, Lubbers started to warn openly against possibly adventurous policies on behalf of the Bonn government. When Kohl launched his ten-point plan in November the Dutch prime minister turned out to be one of the most negative commentators. At the European Council meeting in Strasbourg on 8 and 9 December, Lubbers launched such

24 Traditionally, Dutch Prime Ministers were firsts among equals, rather than leaders of government as in Britain, France or Germany. Their first responsibility was to maintain the political balance underlying the ruling coalition. They limited themselves to a reticent role in matters of foreign and European policy. Prime Minister Lubbers was the first to break with this tradition. 25 MDCM, 22 November 1989, 5–6. 26 Gottfried Niedhart, Peaceful Change of Frontier as a Crucial Element in the West German Strategy of Transformation, in: Oliver Bange/Gottfried Niedhart (eds.), Helsinki 1975 and the Transformation of Europe (New York: Berghahn, 2008), 39–49. 27 Wielenga, Van vijand tot bondgenoot, 177–178.

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a harsh verbal attack on the Chancellor’s plan that he even surprised such likeminded colleagues as Mitterrand and Thatcher. For a long time, Lubbers (CDA) and Kohl (CDU) had been thought to be soulmates because of their common Christian-democratic background and their long-standing cooperation in the European Council (since 1982). But in this case they suddenly found themselves in open confrontation with each other. In Strasbourg Lubbers showed great apprehension that Kohl’s plan would “encourage reunification, that there were dangers in talking about self-determination and that it was better not to refer to one ‘German people’.”28 The latter remark was an unveiled reference to the problem of the Oder-Neisse border (referred to above), a sensitive issue because of the many “Heimatvertriebenen,” German natives, since 1945 living on the German side of the border but mentally still oriented towards the land of origin. Lubbers wondered why Kohl was so evasive on this matter and why he refused to give hard guarantees that existing state borders should not be affected. The Dutch prime minister did not mince his words. In the recollection of ­Belgian Prime Minister Wilfried Martens, Lubbers confronted Kohl with the direct question as to whether “on the basis of what happened in the past it was opportune to have Germany re-united.”29 His British colleague Margaret Thatcher wrote in her memoirs that challenging Kohl in front of the entire meeting “required some courage.” Coming from the “Iron Lady” this could be considered both  a compliment and an understatement. In Thatcher’s view, Lubbers said what many others were thinking.30 But there was also some apprehension: Was the Dutch prime minister not going too far? Was it such a clever idea to expose himself so prominently? Could he—at the end of the day—really count on the solid backing of Mitterrand, Andreotti, and others? Kohl, in reaction, was furious and complained that he had never experienced such a cold atmosphere at a European summit. He was amazed by the “fast tribunalartige Befragung” (almost tribune-like questioning) he had been confronted with.31 At the end of the dinner meeting in Strasbourg, Kohl sneered at Lubbers that the latter did not have any understanding of the history of the German people.32 In the course of December, Lubbers came to realize that German unification could not be avoided, but he remained concerned about its implications for the neighboring countries. Moreover, on the issue of the European borders, he 28 These observations come from the British Prime Minister Thatcher, writing about the Strasbourg meeting in her Memoirs: Margaret Thatcher, The Downing Street Years (London: HarperCollins, 1993), 797. 29 Wilfried Martens, De Memoires. Luctor et emergo (Tielt: Lannoo, 2006), 618. 30 Thatcher, The Downing Street Years, 797. 31 Helmut Kohl, Ich wollte Deutschlands Einheit, dargestellt von Kai Diekmann/Ralf Georg Reuth (Berlin: Propyläen Verlag, 1996), 195–197. 32 A recollection of the event by Wilfried Martens, quoted in: Sophie Bruins, Het olifantengeheugen van Helmut Kohl. Ruud Lubbers, Helmut Kohl en de Europese integratie 1989–1994, MA-thesis, University of Utrecht, December 2006, 30.

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did not feel discouraged at all by Kohl’s anger in Strasbourg. On the contrary, at a lecture in Tilburg on 9 January 1990, Lubbers specified his apprehensions regarding the stance of the Bonn government on the Oder-Neisse issue, using the following words: “Why our emphasis on ensuring territorial integrity? Why—while recognizing the legitimacy of the German striving for reunification—should we not refrain from bringing up again the discussion on the Oder-Neisse border? Because from the very start we should take away any possible worry that could live or re-live that one country would be willing to profit from developments in the other; that one block would be willing to benefit from a new situation in the other block. Make no mistake, the urge for territorial expansion—and the fear of it—are still so recent and fresh in our minds that we should do everything to take away this fear; to prevent this fear from becoming a motive or alibi for newly arising aggression.”33

In line with this way of thinking, Lubbers still believed in continuing to work with the existing military alliances, NATO and Warsaw Pact, while searching for a new relationship between the two and for “stability with lesser weapons.”34 Furthermore, to placate Moscow, the Soviet Union should be given the opportunity to become a member of the newly created European Bank for Reconstruction and Development (EBRD).35 Lubbers’ message was clear: the FRG (whether or not united with the GDR) and NATO should resist the temptation of taking advantage of the “post-wall” developments in Central and Eastern Europe. Lubbers’ position provoked criticism from various sides. Chancellor Kohl was highly annoyed by the Dutch prime minister’s behavior, the more so because he was said to have given an oral guarantee to Lubbers that he would never violate the Oder-Neisse border and that he just needed some extra time and political space to pacify the Heimatvertriebenen.36 Still, this private reassurance failed to appease Lubbers. As a result, the relationship between the two deteriorated to such an extent that the wounds inflicted at that moment would never heal again. Kohl’s later veto over Lubbers’ candidacy to become president of the European Commission in 1994 can be traced back to the disagreements between the two in late 1989/early 1990.37 33 Speech Ruud Lubbers, Welk Europa staat ons voor ogen?, Tilburg: University of Tilburg, 15 January 1990, 17.  34 Ibd., 18. 35 MDCM, 19 January 1990, 6. 36 Bruins, Het olifantengeheugen, 31; see also Lubbers’ own private recollection of the events: Ruud Lubbers, De Duitse eenwording en Europa. Een persoonlijke terugblik, in: Patrick Dassen (ed.), Gedeelde geschiedenis. Duitsland en Europa 1945–2000 (Amsterdam: Duitsland-Instituut Amsterdam, 2000), 7–18, here 13. 37 Bruins, Het olifantengeheugen, 38; Martens, De Memoires, 630; see also: Michael Gehler, Jacques Santer (1995–1999): President of the Commission in times of transition, in: Jan van der Harst/Gerrit Voerman (eds.), An impossible Job? The Presidents of the European Commission, 1958–2014 (London: John Harper Publishing, 2015), 197–222, here 201.

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As stated, on the domestic front Lubbers’ right hand man, Hans van den Broek, was also far from happy with the prime minister’s outspoken criticism of Kohl. Added to that, one of the most influential national newspapers, NRC Handelsblad, openly disagreed with Lubbers’ analysis in Tilburg and pleaded for  a more positive approach of German unification, for four reasons: 1) The greater part of the populations of both the FRG and GDR endorsed the end of the partition; 2) German unification was in line with all existing EC and NATO declarations; 3) Supporting the German government was the only way to give the Netherlands a future say in EC-Eastern European relations; 4) Countering or delaying the process would strengthen radical and extreme-right forces in FRG and GDR .38 Additionally, the NRC disagreed with Lubbers’ assessment made in Tilburg that the FRG and NATO should not openly benefit from the ongoing developments in Central and Eastern Europe. The newspaper countered: “But how about the people in the GDR : Would they not benefit enormously from reunification with the Federal Republic? […] And what to think of the profits that the surrounding Eastern European countries would have from a dynamic economic recovery of Eastern Germany?”39 This is not to say that Lubbers found himself in a completely isolated position. He also received support for his confrontational stance, both domestically and abroad. Countries like Poland were pleased to see that the Dutch prime minister was making such a big issue out of the need to guarantee the integrity of state borders. At home, part of the population shared this unease about the rapid developments in Germany, remembering that it was fewer than fifty years ago that a big and powerful Deutschland had caused a real tragedy on the European continent. Could this happen again? Should the Netherlands prepare itself for another German Alleingang (solo effort) on the European continent?

III. Public Opinion Despite existing skepticism regarding Germany, the group in the Netherlands voicing these sentiments formed a minority. In February 1990, a popular survey showed that less than a quarter (23,2 percent) of the Dutch population was against German unification, while a similar percentage (24,4 percent) had no interest in the issue. From the (majority of) 52.4 percent supporting unification, a group of 10.2 percent considered itself “convinced supporter.” That was two percent more than the group of “convinced opponents.” Optimism about German unification was most prevalent among CDA (Christen-Democratisch Appèl) voters: A total of 62.2 percent of them was either strongly or moderately in favour. Opposition to unification was present most prominently within the ranks of PvdA 38 “Duitse gevaar” is geen argument tegen Duitse eenwording, in: NRC Handelsblad, 23 January 1990; Wielenga, Van vijand tot bondgenoot, 186–189. 39 Ibd.

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(Partij van de Arbeid) and the Green Party: A total of 26.6 percent, respectively 26.1 percent, of their voters was opposed. Opponents could be found in the category of older people, especially those who had been young during the World War II occupation period (27.1 percent moderately against and 15.3 percent strongly against). Their opposition was more manifest than among those who had been adolescents during the War. Remarkable was also the opposition among young people: In the group of 18–24 years  a total of 47 percent was in favour,  a total of 30 percent was undecided and nearly a quarter, 23.2 percent, was against unification, the latter being ten percent higher than among the age group 25 to 44.40 The latter issue returned with a vengeance when, in March 1993, the Netherlands Institute for International Relations Clingendael published the results of an enquiry among over 1800 high school pupils from 52 schools evenly spread over the metropolitan Netherlands. According to these findings, fifty-six percent of the youngsters testified to an extremely negative perception of Germany and the Germans. In comparison with other Europeans, Germans were considered “arrogant,” “dominant” and dangerously proud of their country. They deemed Germany to be more “belligerent” than other European countries.41 Even though the Clingendael research findings were soon demythologized as the deplorable outcome of an overly manipulated research stratagem, their impact in both the Dutch and the German press was substantial, resulting not only in the blocking of Lubbers’ presidential candidature but now also in Germany’s bleak image among the up-and-coming generation. Were storm clouds gathering over Dutch-German relations? Whether or not such was the case, the subsequent years were characterized by intensive political as well as financial investments by both governments with a view to ameliorating their bilateral relations. Among these were official state visits to the Netherlands by Chancellor Kohl and Federal President Roman Herzog in 1995. Likewise, the establishment by the foreign ministries in The Hague and Bonn of the Dutch-German conference (from 2012: Dutch-German Forum), an annual meeting of representatives of political and economic leaders of both countries, and the intensification of cooperation between regional governments in both Germany and the Netherlands, to name but a few.42

40 Meerderheid Nederlanders blijkt voor eenwording van Duitslanden, in: NRC Handelsblad, 24 February 1990. Similar percentages already were published on 1 December 1989, see Friso Wielenga et al. (eds.), Die Überwundene Angst? Die neun Nachbarländer und die Deutsche Einheit (Groningen: Egbert Forsten: 1994), 25–26. 41 Jacco Pekelder, Nieuw nabuurschap. Nederland en Duitsland na de val van de muur (Amsterdam: Boom, 2014), 11. 42 Pekelder, Nieuw nabuurschap.

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IV. Two Plus Four Negotiations and Association with the Central and Eastern European Countries In late February 1990, the German authorities made it officially known that the integrity of the Oder-Neisse border was fully guaranteed. Nevertheless, the Dutch government still did not feel entirely reassured, as was shown during a visit by Foreign Minister Van den Broek to Warsaw in early March. Van den Broek sympathized with the Polish preference for a border treaty, to be signed on short notice (before unification), instead of a (longer-term) German guarantee.43 All in all, however, the diplomatic sky had brightened up substantially and—as a direct result—The Hague became ever more positive about the prospect of German unification. Helpful in this regard was that Van den Broek and the Ministry of Foreign Affairs had started to play a more prominent role in Dutch policy-making regarding Germany after having left the early initiative to the more reserved Lubbers and his Ministry of General Affairs.44 A new issue that came up in February 1990 concerned the Two-Plus-Four negotiations on Germany’s future, involving the FRG and GDR , respectively France, the Soviet Union, the United Kingdom, and the United States.45 The Netherlands was thus excluded from these negotiations and—as Germany’s close neighbor—immediately made known its desire to become actively involved. According to Pekelder, the Dutch government’s quest for direct involvement in the Two-Plus-Four talks should be attributed to rapidly disappearing certainties after the fall of the Berlin Wall, as well as insecurity about the future state order in Europe, which directly affected the Netherlands.46 The negotiating countries, however, refused to allow the Dutch to participate and German Foreign Minister Hans-Dietrich Genscher did not mince words when he informed The Hague, “You are not part of the game.”47 The Dutch government and Parliament felt frustrated and irritated by the exclusion, but Van den Broek managed to keep emotions within reasonable bounds. He secured via the existing NATO channels that the Netherlands would be adequately informed and consulted about the Two-Plus-Four negotiations regarding the external aspects of German unification.48 Moreover, in the longer run, the government gratefully accepted the results produced by the group of negotiating countries leading to full integration of the unified country in the frameworks of NATO and the EC . At the same time, this confronted the government with another problematic issue: How should the EC handle the other countries of Central and Eastern 43 Nederland doordrongen van Pools ongenoegen, in: NRC Handelsblad, 9 March 1990. 44 Wielenga, Van vijand tot bondgenoot, 211. 45 Handelingen Tweede Kamer 1989–1990, 214640 nr. 1, Brief van de Minister van Buitenlandse Zaken, “Duitse eenwording”, 19 February 1990. 46 Pekelder, Nieuw Nabuurschap, 22. 47 Wielenga, Van vijand tot bondgenoot, 195. 48 Handelingen Tweede Kamer 1989–1990, Europese Raad, 1 May 1990.

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Europe that were liberating themselves from Soviet domination? What kind of partnership should be offered to these countries? Also, on this issue, the Dutch government acted with caution. Although the liberation from Soviet rule was warmly welcomed and the anti-communist opposition was praised for its courage, The Hague felt it expedient not to act too fast. The initial emphasis was on providing economic aid to the countries involved, preferably within the multilateral frameworks of the EC and OECD.49 Further, on 17 November 1989 Prime Minister Lubbers suggested that the Central and Eastern European countries should strive for Council of Europe membership.50 Direct EC entry was not seen as a desirable option at that stage. On the contrary, the Dutch focus at the time was on deepening the development of European integration by means of further institutional reform rather than expanding towards the East. This all fit with the strategy of “constructive vigilance” that the Dutch government had adopted immediately after the fall of the Berlin Wall.51 Still, the government was overtaken by developments outside its immediate reach on this issue. From the beginning, the Kohl government had made it clear that it strove for full integration of the Central and Eastern European countries within the EC (and later EU) framework. Kohl received adequate support on this stance most notably from the US and the UK . Although actual Central and Eastern European enlargement was still a long shot, the agenda was set, and the Netherlands had to accept this reality. Once again, the Dutch government’s room for tactical maneuver proved limited.

V.

Business Contacts

The domestic actor most favoring an improvement of relations with the Central and Eastern European countries was the business community. It was clear from the beginning that the trade and investment possibilities the region offered were not to be disparaged for  a modern and competitively operating economy like that of the Dutch. Commercial interest in the region was not new. In 1973, the Netherlands had featured among the first group of countries that diplomatically recognized the GDR , a decision that to some extent had been influenced by the country’s corporate interests, and, although until 1990, the actual impact of economic relations with the GDR and other Central and Eastern European countries remained relatively small, the Dutch business sector had shown itself to be much more eager to explore the potential of contacts with the Soviet-dominated system than the political-diplomatic community. This was, a fortiori, the case after the collapse of the Wall in 1989. Dutch firms positioned themselves in great numbers to gain rapid access to the relatively nearby geographic area with its vast 49 MDCM, 17 November 1989, 12. 50 Ibd., 14. 51 Ibd., 12.

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development potential. With the collapse of the socialist system and the transition to an open market economy, chances were seen as abundant. At the same time, Dutch employers were afraid that the West German industrial and commercial sector—helped by the pro-actively operating government in Bonn—would easily pull ahead of their competitors and acquire disproportionate advantage in entering and penetrating the region. The Dutch business community pleaded for immediate action on behalf of the own government to help establish a Europewide level playing field for all commercial actors involved. In principle, the Dutch government was willing to accede to this request, seeing the great advantages of fruitfully developing relations with the economically liberating region in the East. Still,  a substantial difference between the two actors was that the corporate sector was prepared to go much further and move faster than the government in The Hague. The former felt that the Central and Eastern European countries should be fully and rapidly integrated into the EC structures to ensure free and fair competition on a cross-border continental scale. As described above, the government was more cautious on this score and initially preferred to look for looser forms of association with the Central and Eastern European countries, rather than offering the latter full EC membership. Likewise, businesses were less alarmed about the implications of the Central and Eastern European revolt for the free movement of workers in the European area. After the Wall had collapsed, the Dutch government warned against the dangers of an exodus of East German workers to the West, not only to the Federal Republic but also to the rest of the common market, including the Netherlands. It was just the time (1990) that the Convention implementing the Schengen Agreement was about to be signed which would facilitate the movement of workers between the Netherlands, Germany, France, Belgium, and Luxembourg.52 Unlike the government, the Dutch business sector welcomed the influx of workers from the GDR and Eastern Europe because of the possibilities it offered for a growing supply of labour, lower wages and cheaper production. As  a logical result, business showed much less apprehension than the government about the shortterm prospects of EC enlargement with Central and Eastern European countries.

VI. Concluding Remarks Throughout the Cold War, Dutch policy-makers, like political thinkers elsewhere, contemplated and discussed foreign policy aims for the countries east of the Iron Curtain. They cultivated a perspective of restored national sovereignty in Central and Eastern Europe and establishing liberal democracies, liberated from the clutches of repressive and exploitative Moscow-directed communism, in which human rights and the rule of law would be secured. In everyday diplo52 MDCM, 9 February 1990, 4–6; see also, Dankert: Rem vrije instroom Oostduitsers, in: De Telegraaf, 20 November 1989.

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matic life, however, such cherished hopes and dreams had to make place for the harsh realities of the East-West divide and the resulting limited opportunities for change. For many decades, agreement on the post-World War II European borders and the peaceful settlement of disputes appeared the best that could be attained. The Conference on Security and Cooperation in Europe and its 1975 Helsinki Accords provided a fitting framework for the diplomatic handwork that came with it. The resulting pedestrian state of diplomatic affairs and relations with the countries of Central and Eastern Europe left the country unprepared for the collapse of the Soviet Empire in 1989–1991. On 3 October 1990, less than a year after the fall of the Berlin Wall, German unification was effectuated, much earlier than the Dutch government had expected. During the whole period 1989–1991, The Hague had seemed to be overtaken and surprised by the revolutionary events taking place in the continental-European arena. Expressed priorities had to constantly be re-adjusted to the new realities that had imposed themselves. The geographically small nation often had difficulty disguising its irritability about what went on in the East: Irritation was caused by a lack of control, influence, and direct participation as was the case in the Two-Plus-Four negotiations on Germany’s future.53 Nevertheless, it would be wrong to argue that the government’s policy was a complete failure in the immediate aftermath of 9 November. Despite all of the obstacles encountered, the most crucial policy aims were soon to be fulfilled. The Hague was happy to see that in conformity to its wishes, the unified German state had become securely tied to the West through full NATO membership. German neutralist adventurism never proved itself as a real possibility or danger and—against initial expectations—the Soviet leadership allowed the new unified German state to enter the Atlantic Alliance. This outcome was even more positive than The Hague had hoped for. Similarly, the Dutch government and Parliament found themselves strongly united on the need of integrating Germany in the existing European Community institutions. In the Lower House, one of the Members of Parliament used the following words to underline this desire: “If we cannot stop German unification, we need to speed up European integration.”54 This is exactly what the government attempted to do in the subsequent period from 1990 to 1991. Most visibly, in the second half of 1991, during the Dutch Chairmanship of the European Council, The Hague launched  a federalistinspired draft treaty for European Union. This draft was rejected—an embar53 See also the main title of this paper, borrowed from P. B. M. Blaas, De prikkelbaarheid van een kleine natie met een groot verleden [The irritability of a small nation with a great past], Theoretische geschiedenis 9 (1982), 271–303; the same title is quoted in: J. L. Heldring, Thorbecke, Kissinger, Krüger e. a., in: NRC Handelsblad, 9 March 1999. 54 Anjo Harryvan/Jan van der Harst (eds.), Verloren Consensus. Europa in het Nederlandse parlementair-politieke debat, 1945–2013 (Amsterdam: Boom, 2013), 155; in her speech from the throne of 18 September 1990 Queen Beatrix made a similar statement, quoted in Vollaard/van der Harst/Voerman (eds.), Van Aanvallen!, 45.

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rassment to the Dutch government—but the following negotiations produced the Treaty of Maastricht, which solidly confirmed the German commitment to European integration and European Union.55 It was this German commitment to the wider Europe that was honored by Prime Minister Mark Rutte, when on 21 April 2016 in Middelburg in the presence of the King and Queen of the Netherlands, he awarded Federal Chancellor Angela Merkel The Four Freedoms Award: “You are acting on the inner conviction that Germany and Europe have to be a beacon of liberty, of stability and progress for all.”56 As such, the ceremony was a worthy testimony to the remarkable improvement in German-Dutch relations since the fall of the Berlin Wall.

55 Harryvan/Van der Harst (eds.), Verloren Consensus, 157–174. 56 http://www.scienceguide.nl/201604/rutte-roemt-merkel.aspx, last accessed 9 June 2016.

Steven Van Hecke

Less Europe in a Larger Union: Belgium and its Old and New Eastern Neighbours

I. Introduction The Fall of the Berlin Wall and the End of the Cold War in Europe are widely seen as milestones in the history of the European Communities. The Belgian view of “the turn of the East and the West,” as Foreign Minister Mark Eyskens called it, is no exception.1 The political salience, however, of German Reunifi­ cation and the EU’s enlargement of 1995 were rather low, despite Germany being the most important trading partner for the Belgian economy along with the strong historical links to German-speaking Europe, especially with Austria in Flanders. The Belgian political elite was not outspoken about what had happened with its “old” and “new” Eastern neighbours as long as this fit into its vision of the European integration process. Because of its low saliency, not much, if anything, has been published on postWorld War II relations between Belgium, on the one hand, and Germany or Austria, on the other hand.2 This chapter tries to fill this gap, at least for the period 1987–1995. The findings about the Belgian perspective on German Reunification and Austria’s accession to the EU are based above all on a literature review of Belgian foreign policy and the analysis of some archival sources.3 Also a number of interviews were conducted with politicians and senior diplomats who shaped Belgian foreign policy during that period.4 This chapter discusses first the position of Belgium vis-à-vis the two German states, the Federal Republic of Germany (FRG) and the German Democratic 1 Mark Eyskens, Buitenlandse Zaken en de Oost-West-kentering 1989–1992 (Tielt: Lannoo, 1992), 310. (All English quotations in this chapter are translated from Dutch by the author, unless stated otherwise.) 2 See, for instance, Prosper Thuysbaert, Het Belgisch buitenlandse beleid. Een inzicht in de internationale actuele omgeving (Leuven: Acco, 1995), 352. 3 Unfortunately, the official archives of the Belgian Ministry of Foreign Affairs could not be consulted due to a formal state embargo of 30 years. Instead, the private archives of Mark Eyskens, Belgian Foreign Minister between 19 June 1989 and 7 March 1992, were consulted at KADOC -KU Leuven. 4 Interviews with: Mark Eyskens, Belgian Foreign Minister, Knokke-Heist, 24 August 2016; Lode Willems, chief of cabinet of Willy Claes, Belgian Foreign Minister between 7 March 1992 and 10 October 1994, Brussels, 22 September 2016; Luc Carbonez, Belgium’s deputy chief of mission in Vienna (1988–1992) and European affairs advisor to Foreign Minister Willy Claes, Leuven, 6 October 2016.

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Republic (GDR), prior to 1989. Second, German reunification is analysed from a Belgian point of view. Third, within the EU’s 1995 enlargement, the focus is on the Belgian attitude vis-à-vis the entry of neutral Austria. Finally, some conclusions are drawn about Belgium’s foreign policy in post-Cold War Europe and the impact on its role with the European integration process.

II.

Belgium and the German Question

Initially, Belgium showed great interest in the German Question as it was raised in the aftermath of World War II. Next to the three Western Allied powers, the US , the UK , and France, Belgium took part in the so-called Six-Power Conference (Spring of 1948), together with the Netherlands and Luxembourg, about the future of Germany.5 The conference set forth the principles upon which a Western German state, integrated into the West, could be founded. Prime Minister Paul-Henri Spaak was concerned that too much French influence over the Ruhr would hamper Belgian interests. He was relieved that the Conference made German economic reintegration into Western Europe possible. This attitude—securing Belgium’s economic interests through Western European integration—was a complete reversal compared to the paradigm that had existed before the outbreak of World War II. Belgium, and particularly Spaak, had learnt a hard lesson for a disastrous inter-war neutrality policy. The Govern­ ment in Exile during World War II, in which Spaak had played a central role, had already realised this shift, among other things, from the preparation of the Benelux Customs Union that was eventually founded in London in September 1944. Securing the territorial integrity of small states as well as defending their economic interests vis-à-vis the victors and the losers of World War II was of primary importance. Western European integration was the ultimate means to this end. Therefore, Belgium always stood in the forefront when it came to strengthening its economic ties with West Germany and deepening the European integration process.6 The one went hand-in-hand with the other, thanks to the German Wirtschaftwunder, from which the Belgian economy could profit, and the economic integration of Western Europe, first through the European 5 Rik Coolsaet, België en zijn buitenlandse politiek 1830–2000 (Leuven: Van Halewyck, 2000), 376–377. 6 It should be noted, however, that securing Belgium’s territorial integrity, economic interests, and political and diplomatic position vis-à-vis the European powerhouses—the fear of  a so-called directoire—was first served through a more intergovernmental approach (in the times of the European Coal and Steel Community). Later on, Belgium changed its position and became one of the fiercest supporters of supranationalism, still to attain the same objectives. See, for instance, the plea of Belgium (and the Netherlands) for an intergovernmental Council of Ministers to safeguard the smaller member states vis-à-vis the supranational High Authority (later the European Commission): Wim van Meurs et al., Europa in alle staten: Zestig jaar geschiedenis van de Europese integratie (Nijmegen: Vantilt, 2013), 47.

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Coal and Steel Community and later the European Economic Community. It was, therefore, not a coincidence that Spaak played a major role in the negotiations for what were to become the Treaties of Rome (1957). Given the policy of the new FRG (with a great emphasis on the development of the German economy and its integration in the West), Belgian interests accompanied German ones, unlike the first half of the twentieth century. As a result, the Belgian-German post-World War II relationship was rather smooth, based on common interests and, compared, for instance, with the Netherlands, less hampered by historical (if not wartime) issues. Paradoxically, World War II issues within Belgium, such as the prosecution of collaborators with Nazi-Germany, particularly in Flanders, that were never really solved, were not linked to the “new Germany.” On the contrary, in the absence of resentment and border issues, the FRG was increasingly seen as a guiding force in Europe and the world, especially in terms of democracy, the rule of law, and civic education. Relations with the FRG were, therefore, excellent with the notable exception of military issues in the immediate post-war period. Belgium was not in favour of the rearmament of Germany, first through the European Defence Community. It thought it would be dominated by France and Germany as a stepping stone to a European federation. Indeed, the Belgian political elite was not enthusiastic about further political integration, personified by Foreign Minister Paul van Zeeland. Even US pressure on the Belgian government was needed to finally get Belgium to agree to the European Defence Community.7 This reluctance was sparked by  a fear of marginalisation. When the European Defence Community failed, Belgium still supported the rearmament of Germany through its accession to the Western European Union (WEU) and NATO, simply because Germany was more intergovernmental and because of the central role that the US played there, making it more trustworthy within NATO. During the 1970s, Belgium became increasingly in favour of a federal Europe since it realised that intergovernmentalism was paradoxically not in the interest of smaller states. It, therefore, started to fully support the German “political” view on further integration. The same applied to security policy such as NATO’s Harmel Doctrine, named after Belgian Foreign Minister Pierre Harmel, which was perfectly in line with Germany’s Ostpolitik.8 Belgium did not develop its own foreign policy vis-à-vis the GDR . As an open, export-oriented economy, it was mainly interested in economic cooperation. For everything that had to do with high politics or security issues, it relied on the FRG, the European Communities, and eventually NATO, even though positions changed over time. In the early 1980s, for instance, Belgium was one of the countries (after the FRG, France, and the Netherlands) that installed missiles within the framework of NATO’s dual-track policy. This move was supported by the government, including a number of socialists, who were, in line with Spaak, 7 Coolsaet, België en zijn buitenlandse politiek 1830–2000, 396–397. 8 Ibd., 444–446.

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strong believers in the US military involvement in Western Europe. One of them was Willy Claes, who later became NATO Secretary General. This particular NATO decision did not happen without protest, however. Apart from mass demonstrations, the majority of the socialists opposed the ways in which Atlanticism was becoming much too militarised, and they were far more keen on keeping good relations with the countries of the Warsaw Pact than were the Christian democrats and the liberals. In 1988, for instance, Defence Minister Guy Coëme pleaded for strengthening bilateral contacts with Eastern European countries while publicly opposing the NATO modernisation of missiles,  a move rarely seen from  a government within the Transatlantic Alliance. In November 1989, he visited his Hungarian colleague in Budapest, the first time such a diplomatic step had been taken since World War II.9 Although in line with the Harmel Doctrine, opponents called it  a political “stunt.” The controversial initiative, however, was suddenly overtaken by the events that took place in Berlin and elsewhere in Central and Eastern Europe.

III. German Reunification Like most other countries and even like many Germans themselves, Belgium was taken by surprise. Moreover, it did not develop its own policy. Overall, the country has no strong tradition in the politicization of foreign policy issues, and most of the time the political elite, the media, and public opinion are very much occupied with domestic, if not state, reform issues.10 Therefore, and despite the relative importance of Germany, the position of the Belgian government was rather (positively) passive when it came to the issue of German reunification itself. It was rather reactive (mainly because of exclusion) when it came to more political-strategic issues but it was very active about everything that had an impact on the European integration process. First, nobody within the Belgium’s political and diplomatic apparatus had foreseen the fall of the Berlin Wall, not even its far-reaching consequences for Germany and the rest of Europe. In January 1990, for instance, a senior diplomat within the Foreign Ministry still considered German reunification to be no more than a “hypothesis.”11 In his memoirs, then Prime Minister Wilfried Martens writes that, at the special European Council in Paris on 18 November 1989 organised by French President François Mitterrand, just one week after the historical events that 9 Ibd., 490. 10 In other words, foreign affairs is a matter of diplomats and the foreign minister, not of politicians or the government. According to Eyskens, even Martens as Prime Minister held a low profile during international meetings such as the European Council. Interview with M. Eykens, Knokke-Heist, 24 August 2016. 11 Coolsaet, België en zijn buitenlandse politiek 1830–2000, 491.

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had taken place in Berlin, German Chancellor Helmut Kohl did not speak about Wiedervereinigung (reunification). “Actually, nobody knew where we were heading.”12 Crucial to Martens, he adds, is that whatever the future brought, the outcome should be a European Germany instead of a German Europe.13 So although Belgium was not opposed, it would be wrong to claim that there was no fear about German reunification. Obviously, Kohl knew about this widespread fear and, therefore,  a lot of attention was paid to international and security issues in the surprise Ten-Point Plan he presented on 28 November to the Bundestag. Coincidently, Belgian Foreign Minister Eyskens made an official visit to the GDR on that very same day. He first met with his counterpart Oskar Fischer, then with Egon Krenz, three days before he stepped down. Rather than giving insights into the Belgian position, Eyskens recalls that Krenz pleaded for a Vertragsgemeinschaft (treaty community) that would eventually lead to reunification, but not before the end of the century.14 According to Eyskens, Prime Minister Martens and himself never doubted German reunification as long as the reunified country stayed member of the European Community and NATO. This was not what everyone within the Belgian government thought, however. Some of the socialist ministers preferred a neutral Germany that would eventually lead to the dissolution of the Warsaw Pact as well as NATO.15 Despite Kohl’s Ten-Point Plan, it took until February before Belgium became aware of the speed and the clear outcome of the process that had been launched in the two Germanies. From an economic point of view, there was also talk of opportunities and benefits. The German economy was not seen as threat. By contrast, it was viewed as the powerhouse of the European economy that would grow even more and was perceived as an opportunity for increasing Belgian exports.16 Furthermore, as far as monetary policy was concerned, benefits were looming. Since 1990 the Belgian franc had been coupled with the German Mark. This was of major importance for strengthening the Belgian frank but also for stabilising the strong ties between the two economies. The stronger the German Mark became, however, the more difficult it was for Belgian private companies to export outside of Germany. German reunification, which would make the 12 Wilfried Martens, De memoires. Luctor et emergo (Tielt: Lannoo, 2006), 616. 13 Eventually, this would be the outcome: European support for German reunification in exchange for German support for monetary union. According to Eyskens, Helmut Kohl even considered dropping German reunification if it would have to be a neutral German, although this might have been  a nice example of boasting. Interview with M. Eykens, Knokke-Heist, 24 August 2016. 14 Eyskens, Buitenlandse Zaken en de Oost-West-kentering 1989–1992, 5–6. 15 Ibd., 13. 16 Emblematic in that regard was Flemish captain of industry André Leysen because of his strong reputation in Belgium and Germany. He became the only foreign member of the Treuhandanstalt, the “trust agency” established by the government of the GDR to privatise state-owned companies in the run-up to reunification.

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Mark less valuable, was, therefore, seen as in the interest of Belgian economic and monetary policy. Some even claimed that “the fall of the Berlin Wall saved the Belgian frank.”17 Still, the prospect of economic prosperity was mixed with political concern, especially about the position of a single Germany vis-à-vis transatlantic cooperation and European integration. Belgium still feared (while some Socialist ministers hoped) that if the Germans were to choose, they would prefer a neutral unified country over NATO and European Community membership.18 But unlike in the United Kingdom, France or the Netherlands, the atmosphere was never hostile since major politicians, such as Martens or Eyskens, never publicly took negative positions on “the German problem.” According to Martens, Soviet Foreign Minister Eduard A. Shevardnadze, whom he received on 18 December 1989 in his residence, the Lambermont building, even called Germany “the problem of all problems.”19 Belgium was more an outsider in this sometimes emotional discussion. Not surprisingly, both Martens and Eyskens refer to the conflict between Kohl and, particularly, the Dutch Prime Minister Ruud Lubbers.20 Indeed, they both report as if they were not part of the discussion. And, if they were, it was on Kohl’s side. As has been extensively covered in the literature, the central topic during the European Council of Strasbourg on 8–9 December 1989 was the fate of Germany after the fall of the Berlin Wall. According to Martens, British Prime Minister Margaret Thatcher was against unification, French President François Mitterrand and Italian Prime Minister Giulio Andreotti were hesitating, and Spanish Prime Minister Felipe Gonzalez, Luxembourg’s Prime Minister Jacques Santer, and Martens himself were in favour of German unification. The discussion centered around on the wording “the German people” (“le peuple allemand”). Neither Martens nor Eyskens formulated any Belgian position but they were aware of the protest by Thatcher and Lubbers as well as Kohl’s fierce reply, especially vis-à-vis Lubbers: “Everybody was silent. Some of us had touched upon something that was too sensitive for our German friends. On the other hand, one had to take into account that in some European countries public opinion and therefore also their political leaders still were traumatised by the shameful excesses committed by the German occupiers during the war.”21 According to 17 Guy Janssens, In de schaduw van Schuman. België in de greep van Europa (Tielt: Lannoo, 2001), 108. 18 Archives Mark Eyskens: Mark Eyskens, Van détente naar entente: Gevolgen van de implosie van het communisme, note of the Foreign Affairs Ministry, 7 January 1990, 17: “The countries of the European Community and also the others countries of the Western Alliance should it make possible for the FRG to escape the dilemma of having to choose between volksverbondenheid (Volksverbundenheit) with the GDR and membership of the European Community and NATO.” 19 Martens, De memoires, 619. 20 See also the chapter by Anjo Harryvan and Jan van der Harst in this volume. 21 Eyskens, Buitenlandse Zaken en de Oost-West-kentering 1989–1992, 17.

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Martens, between Kohl and Lubbers “something was broken.”22 Indeed, later on it would cost Lubbers the support of Germany for his bid to become President of the European Commission.23 On  a more political-strategic level (and maybe partly because of the aforementioned incident), small countries like Belgium and the Netherlands did not play a significant role: “You are not part of the game,” German Foreign Minister Hans-Dietrich Genscher noted.24 Indeed, neighbouring countries (besides Poland)  were left out of the “Two-plus-Four” negotiations. With regard to the terms of reunification and Germany’s membership of NATO, “I had the feeling that we were presented  a fait accompli by the big countries,” said Eyskens.25 Being excluded also led to the feeling that Belgium was losing control over its most important foreign policy objective: strengthening the European integration process. Would it eventually be possible to “de-Germanise” or “communitarise” the road towards reunification?26 Belgium did present its own view of the bigger picture, however. The government was in favour of  a pan-European security system, in line with Harmel’s “Europe totale,” through the strengthening of the Conference for Security and Cooperation in Europe (CSCE) towards becoming  a permanent international organisation, the enlargement of the European Community and the europeanisation of NATO.27 Belgium’s more active attitude was also a reaction to the fear that German reunification would water down Atlanticism and European integration, the two basic pillars of the country’s post-World War II foreign policy, into  a kind of vague and weak “Oeralism.” Ultimately, this fear would turn out to be unfounded as NATO became the true victor of the Cold War and German reunification led to an acceleration of the European integration process. In November 1990, for instance, the first document signed for the reunited Germany was the Charta for a New Europe at the CSCE summit.28

22 Martens, De memoires, 618. 23 On this, see Michael Gehler, Jacques Santer (1995–1999): President of the Commission in times of transition, in: Jan van der Harst/Gerrit Voerman (eds.), An Impossible Job? The presidents of the European Commission 1958–2014 (London: Palgrave, 2015), 197–222. 24 Genscher said this in the direction of Italian Foreign Minister Gianni De Michelis, right after he (due to  a photo session) had tardily joined the meeting. For the West German record of the NATO -caucus in Ottawa on 13 February 1990, see document 50, in Horst Möller et al. (eds.), Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015), 260–263. 25 Eyskens, Buitenlandse Zaken en de Oost-West-kentering 1989–1992, 132. 26 Archives Mark Eyskens: Cabinet of the Minister of Foreign Affairs, Europa’s toekomst/ Duitse eenmaking, 19 February 1990. 27 Coolsaet, België en zijn buitenlandse politiek 1830–2000, 492. By the europeanisation of NATO is meant the introduction of security and defence policy (which would take place in the framework of the Maastricht Treaty) and, strengthening the Western European Union (WEU), of which Eyskens was a strong supporter. 28 Coolsaet, België en zijn buitenlandse politiek 1830–2000, 494.

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In line with and not opposed to the general idea of  a new pan-European security system, Foreign Minister Eyskens launched several proposals to further deepen the European Community. Early December 1989 in his “Fourteen-Point Plan” he pleaded for the gradual evolution of the Community into  a true and close federation along with the NATO membership of a reunified Germany and international recognition of the Oder-Neisse border between Germany and Poland. “The confederation of the big Europe should not be used, however, as a means of diluting the European Community.”29 He clearly linked both concepts to each other since such a “pan-European confederation” should consist of three concentric circles: one for the twelve members of the European Community, one for the members of the European Free Trade Association (EFTA), and a third for the countries of Central and Eastern Europe. According to Eyskens, his proposal was clearer than Gorbachev’s then-popular concept of  a “Common European Home” and came close to the one put forward by French President Mitterrand on 1 January 1990.30 Mid-1990, when the “Two-plus-Four” negotiations were ongoing but it became more feasible that a reunited Germany would become NATO member, Eyskens proposed  a “Charte de la Sécurité et la Coopération en Europe.”31 He pleaded for  a permanent and structured dialogue between the West and the East on security issues, later to be realised through the transformation of the CSCE into an international organisation, the Organisation for Security and Cooperation in Europe (OSCE). Overall, the prospect of German reunification and the changing balance of power within Europe (in which the relative weight of the post-World War II alliance of Western European countries would decrease)  brought small states such as Belgium and the Netherlands closer to each other. One can even speak of a revaluation of the Benelux cooperation, not only in the run-up to European Community treaty changes but also in the run-up to German reunification.32 Through regular informal meetings at the political and administrative levels and through the publication of several Benelux memoranda, Belgium tried to increase its influence in European circles and, especially, safeguard its domestic interests within this new Europe.33 It meant, among other things, that 29 Eyskens, Buitenlandse Zaken en de Oost-West-kentering 1989–1992, 25. 30 Ibd., 20.  On Mitterrand’s concept, see Frédéric Bozo, “The Failure of  a Grand Design: Mitterrand’s European Confederation, 1989–1991”, in Contemporary European History 17 (2008) 3, 391–412. 31 Archives Mark Eyskens: Communiqué de presse, Eyskens propose une “Charte de la Sécurité et la Coopération en Europe”, 22 June 1990. 32 See, for instance, the Benelux coordination meeting of 19 April 1990, one day ahead of the European Council meeting of 30 April 1990 in Dublin with, among other things, German reunification on the agenda. 33 Jan Rood/Hendrik Vos, Het EU-beleid van Nederland en België sinds het einde van de Koude Oorlog, in Duco Hellema/Rik Coolsaet/Bart Stol (reds.) Nederland-België. De Belgisch-Nederlandse betrekkingen vanaf 1940 (Amsterdam: Boom, 2011), 237–261, here 242.

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slowing down the process of further European integration needed to be prevented. This applied particularly to enlargement, and it also concerned the new Germany. At the Foreign Affairs Ministers’ Meeting of 21 January 1990 in Dublin, for instance, Dutch Foreign Minister Hans van den Broeck opposed a rush accession of the GDR whereas Eyskens was of the opinion that, if the GDR were not first made part of the FRG, the normal procedure should be followed and, therefore, Austria was first in line to become the next member of the European Community.34

IV. The Austrian EC-Application and EU-Accession Links between Belgium and Austria are weaker compared to the ones with Germany. There are longstanding historical and cultural relations but in an asymmetrical way: more important for Belgium than for Austria, particularly since they date back to the times when Austria was still an empire. Besides and contrary to Germany, there is no geographic proximity. As a political system, however, Belgium and Austria are (or were) both so-called consociational democracies with strong political positions for trade unions and socio-economic actors (pillarisation). Politically speaking, currently the capitals are perhaps more important than the countries. For Austria, Belgium is mainly Brussels, the capital of the European Union (EU) while Austria is for Belgium, mainly Vienna, host city for a number of international organisations. As far as the public opinion is concerned, Austria’s accession was not an issue. In those days, much more attention was paid to the wars in Yugoslavia and the Gulf Region. Overall, Belgium did not actively support enlargement as it would hamper efforts to deepen the integration process.35 Even before the Fall of the Berlin Wall, when preparations for a monetary union had already been started, Foreign Minister Eyskens concluded that “all candidate countries will have to wait a long time in front of the European door as the Treaties need to be amended first.” This position is called “logical and very egocentric but nonetheless probably unrealistic given the pressure from third countries on the twelve members of the European Community.”36 Indeed, political events in Central and Eastern Europe 34 Eyskens, Buitenlandse Zaken en de Oost-West-kentering 1989–1992, 127–128. In that respect it is interesting to emphasise that,  a couple of weeks earlier, the immediate Community membership of the GDR was not self-evident. One scenario was “absorption”. This is presented as “first best” but rather unlikely. The other scenario is “accession procedure.” It is written to be “logical” that GDR application is “examined after or together with the ones of other countries that had already applied for membership such as Austria and Turkey.” Mark Eyskens, Van détente naar entente: Gevolgen van de implosie van het communisme, note of the Foreign Affairs Ministry, 7 January 1990, 20–21. 35 Coolsaet, België en zijn buitenlandse politiek 1830–2000, 528. 36 Cabinet of the Foreign Affairs Minister, Nota Europa’s toekomst. Brainstorming 16 oktober 1989, 6 November 1989, 5.

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would unfold quickly and push German reunification and enlargement to the detriment of deepening the European integration process. Belgium, however, tried to stick to its original position. When in the course of preparations for the June European Council Meeting in Dublin, the Irish Presidency sent around  a questionnaire to the member states, Belgium answered the question “Should the Community approach institutional reform with a view to making accession easier for future applicants” negatively: “No way. The European integration process has its own motives […]. The danger exists that some member states would prefer enlargement in order to indirectly weaken European integration.”37 At the European Council Meeting of 26–27 June 1992 in Lisbon, for instance, the Belgian government proposed first finishing the Maastricht Treaty ratification (foreseen by the end of 1992) and adopting the so-called Delors-II Package (the Second Community Support Framework of 1994–1999, the forerunner of the EU’s current Multi­ annual Financial Framework) and then starting with the accession negotiations.38 The reason why Belgium made clear its reservations also had to do with the fact that in the meantime Sweden and Finland had applied for membership too. Norway was to follow in the autumn of 1992. In other words, Belgium would probably not have feared a negative impact on the Community if it had only been Austria. By contrast, enlargement with three or, perhaps, four new members was much more likely to have an effect on the nature of the Community. The attitude of the Belgium government changed but for economic reasons. As a crisis hit Western Europe and employment became a goal of the Community policy, the accession of four EFTA countries would strengthen economic cohesion and give positive impetuses. All countries involved (Austria, Finland, Norway, and Sweden) had  a strong social democratic tradition, which meant that particularly the Socialist ministers encouraged the enlargement with the “neutrals” (as NATO member Norway eventually did not join). In turn, Belgium weakened its federalist wish-list, avoiding the f-word and stopped asking a clear position of the applicant countries with regard to European defence. Smaller member states such as Belgium increasingly felt abandoned as the major powers within the EU weakened their supranational stance and pleaded strongly for further enlargement. The period of “Europhoria” that had started in 1985 came to an end with the ratification difficulties of the Maastricht Treaty. The window of opportunity to turn the Community into a true federal system seemed to have closed. Instead, the emphasis was on the accession of new member states. When in December 1993, the European Council of Copenhagen had to agree on the criteria, later on called the Copenhagen Criteria, it was at

37 Archives Mark Eyskens: Europese architectuur. Hoofdthema’s, 14 May 1990, 3. 38 Ministerie van Buitenlandse Zaken, Buitenlandse Handel en Ontwikkelingssamenwerking, Gecommentarieerde Agenda, Europese Raad Lissabon, 26–27 juni 1992.

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the request of Belgium that a fourth criterium was added: The Union had to be institutionally ready to accept new member states.39 When Austria applied for membership in the European Community, Foreign Minister Eyskens made clear that he opposed an immediate start of the accession procedure, against, for instance, German Foreign Minister Genscher.40 Instead, he wanted to consult the Foreign Affairs Council as Austria was  a neutral country and had stated in its application letter that Community membership should in no way affect its neutrality.41 As far as Eyskens was concerned, it was the first time an applicant country had stated such a condition, and moreover, in other cases, such as the application of Turkey, advice was also taken before forwarding the application to the European Commission. “My attitude was not anti-Austrian but pro-European. I was of the opinion that, insofar as the European Community was pursuing a political union, including a common foreign, defence and security policy, membership of a neutral country posed problems.”42 It was clear that Belgium was isolated although there were many precedents in which countries that had officially applied for Community membership had had to wait several months before the procedure was started.43 39 Rood/Vos, Het EU-beleid van Nederland en België sinds het einde van de Koude Oorlog, 247. This concern, however, only received momentum after the 2004 “Big Bang” enlargement with the debate about the so-called absorption capacity of the EU. 40 M. Eyskens, Buitenlandse Zaken en de Oost-West-kentering 1989–1992, 122–123. At the meeting of the European Council on 17 July 1989, the Belgian Foreign Minister, Mark Eyskens, failed to approve the immediate application of the Austrian petition for accession, which was initiated by his German colleague, Hans-Dietrich Genscher, by using the “neutrality passage” contained therein. If Austria insisted on “permanent neutrality,” there could be a problem. He even called for talks between the EC and the USSR before a discussion of the Council of Ministers. Viewed as a foreign policy affront in Vienna, it was felt on the basis of his publicly made proposal that the EC could enter into negotiations with the USSR about the possibility of making the Austrian neutrality more flexible. Eyskens, thus, indicated that Austrian neutrality was also in the interest of the Soviet Union. For Eyskens, the “Causa Austria” was not only a fundamental question for the policy of the West but also for the European Communities. Old fears of neutrality reemerged when there was talk of the “Finlandisation” of the EC . In view of the fact that Austria as an EC applicant was explicitly reserving its right to neutrality, this according to Eyskens was a departure for Western policy. Austria made it clear that it would not negotiate about its self-determined neutrality. Cf. Michael Gehler, Vom Marshall-Plan zur EU. Österreich und die europäische Integration von 1945 bis zur Gegenwart (Innsbruck/Wien/Bozen: StudienVerlag, 2006), 189–191. 41 Austria’s neutrality also undermined one of Eyskens favorite proposals, strengthening the WEU, the European pillar within NATO. Therefore, Austria should not become a “go-between” between the West (the Community of 12 members) and the East: Cabinet of the Foreign Affairs Minister, Nota Europa’s toekomst. Brainstorming 16 October 1989, 6 November 1989, 4. 42 Eyskens, Buitenlandse Zaken en de Oost-West-kentering 1989–1992, 123. 43 Ministerie van Buitenlandse Zaken, Buitenlandse Handel en Ontwikkelingssamenwerking, Nota voor de heer Minister van Buitenlandse Zaken. Aanvraag van Oostenrijk voor toet­ reding tot de EG, 13 juli 1989, 3–5.

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Eventually, Eyskens accepted a written procedure: the application was sent to Coreper that could decide to forward it to the European Commission as long as no member state came forward with a written objection. According to Eyskens, he was reassured by his colleagues that within the European Political Cooperation (EPC), “the neutrality problem” would be properly discussed. Eyskens recalls the animosity his statements created in the Belgian and Austrian press, especially when he stated that the problem of Austrian neutrality should be discussed between the Soviet Union and Western Europe since it was the direct consequence of the 1955 Austrian State Treaty signed by the Four Powers. “The Austrians found this proposal particularly humiliating because it implied that the Soviet Union still had a certain say on Austria. […] Important for me was that Austria would be able to take full part in the European decision-making process without interference in its neutrality status that would weaken its position within the European Community.”44 Eyskens also received criticism from his Socialist colleagues within the Belgian government who, according to Eyskens, had spoken to Austrian Chancellor Franz Vranitzky, and by whom he was blamed for playing cavalier seule for being in favour of NATO and Atlanticism, even to the detriment of the European Community. In order to clear up the diplomatic incident, Austrian Foreign Minister Mock sent his chief of cabinet to Brussels to meet Eyskens: “I personally received him and managed to get the misunderstanding out of the way.”45 The same happened later on with Minister Mock himself. In fact, a diplomatic offensive started to convince the Austrians of the reasons why Belgium had opposed their accession. At a certain point in time, there was even the plan to write a letter to Chancellor Vranitzky to discuss the neutrality issue. To avoid a leak, the letter was never sent, however.46 Vranitzky assured Eyskens that Austrian neutrality would not be an obstacle as his government would not undermine the consensus within the EPC in order not to prevent the Community from taking decisions in foreign affairs. According to Eyskens, the strong, negative reaction of the Austrians had do with with the irritation that they felt at being held up by the GDR in 44 Eyskens, Buitenlandse Zaken en de Oost-West-kentering 1989-–1992, 123–124. The same idea was put forward with regard to German reunification. Archives Mark Eyskens: Mark Eyskens, Van détente naar entente: Gevolgen van de implosie van het communisme, note of the Foreign Affairs Ministry, 7 January 1990, 19: “Does a reunification not imply a negotiation between NATO and the Warsaw Pact and eventually a negotiation in the wider context of the Group of 35 (the Helsinki Group)?” 45 This happened after Luc Carbonez, Belgium’s deputy chief of mission in Vienna, was ordered to meet Austrian Foreign Minister Alois Mock. According to Carbonez, it was his proposal to send Mock’s chief of cabinet to Brussels. Interview with Luc Carbonez, Leuven, 6 October 2016. 46 Furthermore, there was  a program for Austrian civil servants organised by Belgian diplomats to introduce them to the decision-making procedures within the European Community. Interview with Lode Willems, Brussels, 22 September 2016; interview with Luc Carbonez, Leuven, 6 October 2016.

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applying for Community membership.47 Relations improved when Willy Claes became Foreign Minister as he was close to leading Austrian Social Democratic figures.48 The whole neutrality issue, however, lost its significance, as soon as the Soviet Union imploded and the Warsaw Pact was dissolved.49 Indeed, Belgium became  a strong supporter of the Austrian accession. The successful enlargement of the EU with Austria, Finland, Norway and Sweden became one of the top priorities of the Belgian Presidency during the second half of 1993.50 According to Foreign Minister Willy Claes “[e]nlargement to the four new member states will undoubtedly be a crucial first piece in the puzzle of our future European order.”51 At the extraordinary European Council of 29 October 1993, the heads of state and government decided that negotiations should be speeded up and finalised by 1 March 1994 and that during the Belgian Presidency, in other words before 31 December 1993, a breakthrough should take place in the so-called Maastricht chapters: Common Foreign and Security Policy (CFSP), cooperation in the area of Justice and Home Affairs (JHA), and the Economic and Monetary Union (EMU). At the end of the semester, Claes mentioned the fact that during the Belgian Presidency, a clear timetable was defined that would allow finishing the negotiations.52 Indeed, one month later than originally planned, on 30 March 1994, accession negotiations were concluded.

V. Conclusions Post-World War II Belgian foreign policy was mainly based on multilateralism, particularly Atlanticism and the European integration process. Belgium’s attitude vis-à-vis German reunification and Austrian accession was no exception to that rule. Overall, the salience of both issues was rather low but if the future of the transatlantic defence cooperation and the deepening of the European Community was at stake, then Belgian authorities raised their voices. German reunification was first welcomed with some hesitation as it might have weakened rather than strengthened the European integration process. Austria’s application to become a member of the Community equally sparked skepticism as its neutrality was perceived as incompatible with a further-integrated European foreign and defence policy. It did not help that this crucial and long-awaited step for 47 Eyskens, Buitenlandse Zaken en de Oost-West-kentering 1989–1992, 125. 48 Claes was a regular visitor to Vienna and had been president of the European Socialists from 1992 and 1994. Interview with Luc Carbonez, Leuven, 6 October 2016. 49 Eyskens, Buitenlandse Zaken en de Oost-West-kentering 1989–1992, 126. 50 After the negative referendum on 27–28 November 1994 Norway eventually did not become a new member. During the Belgian Presidency, on 1 November 1993, the Maastricht Treaty went into force, changing the Community into the European Union (EU). 51 Willy Claes, speech to the Trans European Policy Studies Association, 3 June 1993. (original English) 52 Willy Claes, speech to the European Parliament, 15 December 1993. (original English)

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Belgium in the European integration process was still in the pipeline at the time of the application, with no certainty at all whether it would succeed. As soon as German reunification proved to be a lever for more integration, Belgium fully supported it. Belgian industry hoped to make profits while the political elite was not involved in the reunification process as such. In that way, one wonders whether the attitude of Belgium vis-à-vis German reunification really mattered. The same applies to Austrian accession. When security concerns proved to be less important, Belgium became one of the fiercest supporters of Austria’s bid to become member of the European Community. When an agreement was finally reached on the Treaty of Maastricht at the end of 1991, there was no need to convince the Belgians that neither German reunification nor Austria’s membership in the Community were threatening the political interests of Belgium, and, indeed, Maastricht strengthened the three basic principles— “les tropismes de la politique européenne belge”—that have shaped Belgium’s EU policy ever since Spaak: Integration is an ongoing and dynamic process, there is a preference for the méthode communautaire, and Benelux coordination within the Community is necessary in order to gain weight as one of the smaller member states.53 Eventually, however, Belgium learnt  a hard lesson as perceptions about the ultimate meaning of German reunification and Austrian accession changed. Reunification made Germany more pragmatic and realistic in terms of deepening the European integration process. In that way, it lost its most powerful ally. Contrary to Belgium, Germany also became one of the great supporters of the Union’s enlargement to the East. In fact, the accession of Austria was in that respect no more than  a prelude. Within fifteen years, the EU would almost double its membership, so enlargement became  a big success, but the trade-off between widening and deepening, which Belgium had warned against time and again, turned out to be true. Widening in the end meant weakening, as the promises of further integration remained unfulfilled. Therefore, from a Belgian point of view, enlargement was viewed more as a failure. Only economic prosperity and stronger trade links with its old and new Eastern neighbours were actually achieved. Nonetheless, Belgium continued to develop excellent political relations with both Germany and Austria. It certainly helped that the country had become more “realistic” in its EU policy and, therefore, again found Germany (and to some extent also Austria) as an ally on its way. Since the turn of the century Germany and Austria have become “Central Europe,” from a Belgian point of view, and the countries that oppose the traditional view of European integration are situated in the “East,” so Belgium changed because the EU changed. ­Officially, 53 Christian Franck, Politique européenne de la Belgique: La continuité à l’épreuve de l’élargissement, in Rik Coolsaet/Christian Franck/Claude Roosens (réds.), La Belgique et sa politique étrangère/België en zijn buitenlandse politiek 2002–2004, Special Issue of Studia Diplomatica 57 (2004) 3, 63–87, here 63.

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Belgium is still in favour of a more federal Europe and sometimes, to the surprise of its domestic audience, this is even vocalized publicly,54 but when it comes to day-to-day politics, Belgium has become an average member state that has finally found itself and to some degree reconciled itself with the idea that it is now a country, together with its “old” and “new” neighbours, within a larger but less integrated Union.55

54 See, for instance, the position taken by Prime Minister Charles Michel on “an ever closer union” at the time of the UK–EU negotiations in February 2016 (https://euobserver.com/ political/132338) and the official position of the Flemish Government as laid down in its ‘Vision of the Future of the European Union’, 30 September 2016, 35: “The Government of Flanders believes that the EU should presently not seek to expand its membership. Instead, it believes that the EU should focus on reform and deepening.” (http://www.vlaanderen. be/int/en/vision-eu). 55 Christian Franck, La politique européenne de la Belgique: les années 1970–1996, entre orthodoxie et pragmatisme, in Res Publica 40 (1998) 2, 197–2012, here 212.

Siebo Janssen

Von der deutschen Wiedervereinigung bis Lissabon – Luxemburg als kleines Land und „großer“ europapolitischer Akteur? I. Einleitung Laut dem jüngsten Eurobarometer fühlen sich 93 % der Luxemburger als EU-Bürger (gegenüber 66 % im Durchschnitt der EU) und 84 % der Luxemburger befürworten eine vertiefte Europäische Union (gegenüber 74 % durchschnittlich in der EU).1 Damit gehören die Luxemburger zu den integrationsfreundlichsten Bevölkerungen innerhalb der EU. Auch sonst hebt Luxemburg sich als europapolitischer Akteur mit seinen nur ca. 500.000 Einwohnern deutlich von anderen Mitgliedstaaten ab. Nicht nur stellte Luxemburg mit Gaston Thorn, Jacques Santer und aktuell Jean-Claude Juncker bisher dreimal den EU-Kommissionspräsidenten, auch in Bezug auf eine Vertiefung und weitere Föderalisierung der EU ist Luxemburg immer wieder einer der politischen Motoren – teils gegen erbitterte Widerstände anderer EU-Mitgliedstaaten. 1986 – also nur drei Jahre vor dem Fall der Berliner Mauer – erhielten Luxemburg als Staat und seine Bevölkerung – den Aachener Karlspreis wegen ihrer Verdienste um die Europäische Einigung. Der folgende Beitrag soll aufzeigen, wie sich die Europapolitik seit der deutschen Wiedervereinigung 1989 entwickelt hat, wo Kontinuitäten und mögliche Brüche liegen und welche Perspektiven die luxemburgische Europapolitik für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die Benelux-Union beinhaltet.

II.

Die luxemburgischen Reaktionen auf den deutschen Wiedervereinigungsprozess 1989–1990

Schaut man sich die Reaktionen der luxemburgischen Politik und Öffentlichkeit auf den Prozess der deutschen Wiedervereinigung seit der Wende im November 1989 an, so fällt einem vor allem die weitestgehende Akzeptanz auf. Während es in anderen Mitgliedstaaten der EG massive Bedenken gab – so z. B. in Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden2  – welche teilweise zu massiven Verstimmungen zwischen Deutschland und seinen europäischen Part1 Alle Zahlen entnommen aus: Tageblatt, 9. August 2016 2 Zu den Reaktionen in den Niederlanden auf die Wende und den Prozess der Wiedervereinigung siehe u. a.: Cees Nooteboom, Berlin 1989–2009 (Frankfurt/Main: Suhrkamp, 2009);

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nern führten,3 so fällt im luxemburgischen Diskurs das nahezu völlige Fehlen einer Ablehnung der Wiedervereinigung auf. Alle wesentlichen Parteien  – namentlich die Christlich Soziale Volkspartei (CSV), die Luxemburgisch Sozialistische Arbeiterpartei (LSAP) und die Demokratische Partei (DP) begrüßten den Prozess der Wiedervereinigung uneingeschränkt.4 Rückblickend schrieb der damalige Premierminister Jean-Claude Juncker (CSV) zum 80. Geburtstag Helmut Kohls im März 2010 im Rheinischen Merkur: „Kohl, der die Not der letzten Kriegsmonate hautnah erlebt und die Geschichte des Kontinents studiert hatte, hat die Einigung Europas zu seiner Sache gemacht. Er ist auch als Politiker Historiker geblieben. Er hat es verstanden, Ereignisse und Verwerfungen historisch einzuordnen und daraus die Konsequenzen für das eigene Tun abzuleiten. Die deutsche Wiedervereinigung erschien ihm als nicht aufzuhaltende Entwicklung. Gorbatschow gegenüber hat er diese Überzeugung in das Bild gekleidet, dass die deutsche Einheit so sicher komme, wie der Rhein ins Meer münde. Kohl hat das Ziel der deutschen Einheit in Frieden nie aufgegeben. Und er hat die Chance zur Wiedervereinigung beherzt ergriffen, als sie sich ihm und den Deutschen bot. Er war während der entscheidenden Wochen, die den Weg zur Einheit ebneten, nicht der Pfälzer, der sich in der großen Politik verirrt hatte, sondern der feinfühlige Staatsmann mit perspektivischem Weitblick. ‚Gut gemacht, Kanzler‘ schrieb der ‚Spiegel‘ damals. Nur zugetraut hatten es ihm die wenigsten. Die deutsche Einheit erschien ihm zwangsläufig, die europäische Einigung notwendig. Der Historiker Kohl, der junge Pfälzer aus dem Grenzland, wusste: Wenn nicht unverrückbare Friedenspflöcke in die europäische Landschaft eingeschlagen werden, dann werden die alten europäischen Dämonen die Europäer erneut zu ihrem Unheil verführen. Deshalb hat er für die europäische Integration gestritten, die Einführung des Euro zur persönlichen und nationalen Schicksalsfrage gemacht, die Freundschaft zu Frankreich und das respektvolle Miteinander mit den kleineren Nachbarn Deutschlands zur Staatsräson der 1980er- und 1990er-Jahre werden lassen. Die Einbettung der deutschen in die europäische Einigung ging ihm leicht von der Hand, denn sie entsprach dem Architektenplan, an dem er lange geduldig gearbeitet hatte. Die geniale Tat von Helmut Kohl besteht im harmonischen Zusammenfügen dessen, was zwangsläufig kommen musste – die deutsche Einheit –, und dem, was notwendig war – nämlich die europäische Einigung.“5 Frits Boterman, Cultuur als Macht. Cultuurgeschiedenis van Duitsland 1800–Heden (Utrecht: De Arbeiderspers, 2013). 3 Erinnert sei hier vor allem an das äußerst gespannte Verhältnis zwischen dem damaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl und der britischen Premierministerin Margaret Thatcher. 4 Gilbert Trausch (ed.), CSV-Spiegelbild eines Landes und seiner Politik? Geschichte der Christlich-Sozialen Volkspartei im 20. Jahrhundert (Luxemburg: Éd. Saint-Paul, 2008); Ben Fayot, Sozialismus in Luxemburg (Luxemburg: Centre de Recherches et d’Etudes ­Socialistes, 1989); Rob Roemen, Aus Liebe zur Freiheit. 150 Jahre Liberalismus in Luxemburg (Luxemburg: Imprimerie Centrale, 1995). 5 Jean-Claude Juncker, in: Rheinischer Merkur, 4. März 2010 (https://csv.lu/2010/03/a5364/, zuletzt abgerufen am 10. August 2016).

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Diese sehr positive Würdigung der Politik Helmut Kohls  – ausgehend von seinem Ideal der deutschen Wiedervereinigung als elementarer Bestandteil der europäischen Einigung  – zeigt sich bei den großen demokratischen Parteien ebenso stark wie in der politisch vielschichtigen Presselandschaft Luxemburgs. Sowohl das christdemokratisch orientierte Luxemburger Wort, wie auch das sozialdemokratisch geprägte Tageblatt begrüßten die Wiedervereinigung als Voraussetzung für die weitere europäische Integration und befanden die deutsche Teilung als eine Widernatürlichkeit auf europäischem Boden. Am Beispiel des Luxemburger Wort – der größten Tageszeitung des Großherzogtums – soll an einigen Beiträgen und Kommentaren exemplarisch die Haltung in Luxemburg zur Wiedervereinigung dargestellt werden.6 Im August 1989 kommentierte Claudio Willi, der Korrespondent des Luxemburger Wort in Bonn, die Ausreisewelle aus der DDR und warf der Staats- und Parteiführung in der DDR vor, nicht einmal an den Reformkurs Gorbatschows in der UdSSR anknüpfen zu wollen. Zugleich machte Willi in seinem Kommentar auch deutlich, dass die BRD mit einer hohen Zahl von Ausreisewilligen überfordert sein könnte und diese zu einem Klima der Ablehnung und Sozialneids unter der bundesrepublikanischen Bevölkerung führen könnte. Abschließend verwies Willi darauf, dass die Empfehlung der Bundesregierung an die Übersiedler, die Ausreise nicht zu erzwingen und stattdessen den Gesetzen der DDR zu folgen, „scheinheilig“ sei, da die Bürger der DDR eben keine Wahlmöglichkeit in Bezug auf ihren Aufenthaltsort hätten.7 Dieser Kommentar Willis kann als typisch für die luxemburgische Sichtweise in den Monaten vor dem Mauerfall angesehen werden. Auf der einen Seite sieht man sehr stark die Ablehnung der DDR als Unrechtsstaat, unterstützt die Ausreisebewegung und wirft der Bundesregierung sogar zaghaftes und scheinheiliges Verhalten vor, auf der anderen Seite sieht man aber auch die potentiellen Gefahren einer massiven Ausreisewelle und unterstellt Bonn, im Prinzip keine Lösung für die bevorstehenden Fragen bezüglich der Ausreise und Aufnahme zu haben. Einige Wochen später, im September 1989, setzt sich erneut ein Journalist (mit dem Kürzel „lz“ – der damalige Chefredakteur Leon Zeches) im Luxemburger Wort mit der DDR auseinander. Unter dem polemischen Titel „Ein Regime zum Davonlaufen“ befasst sich der Autor mit der Haltung Ungarns und der Grenzöffnung, die zur Ausreise Tausender DDR-Bürger in den Westen führte, und lobt diese geradezu überschwänglich. So schreibt er: „In der Realität hat die Regierung in Budapest viel mehr getan, was weltweite Anerkennung verdient. Wer bedenkt, wie sich Ungarn trotz schlechter Erfahrungen (1956) nun im Ostblock isoliert und den Groll der Bruderstaaten provoziert, und wer weiß, was

6 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Luxemburgische Presse zahlreiche Beiträge für ihre Auslandsberichterstattung von Presseagenturen übernimmt und lediglich die außenpolitischen Kommentare von luxemburgischen Autoren stammen. 7 Claudio Willi, Der Letzte macht das Licht aus, in: Luxemburger Wort, 11. August 1989, 2.

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internationale Verträge über Menschen- und Völkerrechte in den k­ ommunistischen Staaten wert sind […], der muß das was sich zur Zeit dank der großzügigen Haltung der ungarischen Regierung in Mitteleuropa abspielt, als eines der bedeutendsten Ereignisse dieses Jahrzehnts werten.“8

In diesem Kommentar zeigt sich eine häufige Argumentation nahezu aller luxemburgischen Parteien und Presseorgane: der Ostblock wird einhellig, in fast schon polemischer Manier, als diktatorisch gebrandmarkt und als prinzipiell internationale Abkommen brechend dargestellt. Umso leuchtender wird dann das Beispiel Ungarns im Luxemburger Wort herausgestellt, das sich nicht nur 1989 gegen den Rest des Warschauer Paktes positionierte, sondern bereits 1956 im Ungarnaufstand versucht hatte, der UdSSR Freiheitsrechte abzutrotzen. Ungarn bekommt in der luxemburgischen Ikonographie so den Status eines widerständigen Staates gegen Diktatur und Unterdrückung, während die DDR und andere Staaten des Warschauer Paktes für die alte, verfehlte und menschenverachtende Politik stehen. In der Bewunderung Ungarns durch die luxemburgischen Politiker und Medien ist, neben aller Anerkennung der ungarischen Politik im Sommer 1989, sicher auch ein Selbstbild Luxemburgs wiederzuerkennen, sah Luxemburg sich doch lange Zeit als kleine, widerständige Nation gegen die nationalsozialistische Okkupationspolitik von 1940–1945. Deutlich wird in der harten Kritik an der DDR und ihrer Reformunwilligkeit aber auch die Ablehnung jenes „Kadavergehorsams“, den man in Luxemburg bis in die Gegenwart mit Preußen und dem Nationalsozialismus verbindet. Für viele Luxemburger war die DDR lediglich die Fortsetzung eines autoritär-totalitären Zuges in der deutschen Geschichte, der in Preußen begann und sich über den Nationalsozialismus bis in die DDR fortsetzte. Dies macht noch einmal der Journalist des Luxemburger Wort mit dem Kürzel lz deutlich, wenn er seinen Kommentar zur Politik Ungarns folgendermaßen schließt: „Aber von sozialistischen Brudersorgen werden die meisten Ungarn wohl schon lange nicht mehr geplagt. Man fragt sich, ob sie überhaupt je brüderliche Gefühle für das bornierte rote Preußentum hegten.“9 Anfang Oktober 1989 schreibt Hans Ulrich Kersten im Luxemburger Wort einen Kommentar über 40 Jahre DDR unter dem Titel: Ein Jubiläum auf tönernen Füßen. Kersten betont hier erneut den undemokratischen Charakter der DDR und die Notwendigkeit umfassender Reformen, um den Zusammenbruch zu verhindern. Kersten sieht allerdings, aufgrund der mangelnden Reformbereitschaft der DDR-Führung, wenig Hoffnung für einen Wandel und prognostiziert das baldige Ende der DDR als Staat der SED.10 Am Tag des Mauerfalls, dem 9.  November 1989, erschien ein Beitrag eines Autors mit dem Kürzel „GeWe“ (Gert Werle), der sich außerordentlich kritisch 8 Ein Regime zum Davonlaufen, in: Luxemburger Wort, 14. September 1989. 9 Ibd. 10 H. U. Kersten, Ein Jubiläum auf tönernen Füßen, in: Luxemburger Wort, 6. Oktober 1989, 10.

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mit dem geplanten Wirtschaftsabkommen zwischen der EG und der DDR­ auseinandersetzte. Der Autor bezeichnete die Strategie der EG, ein Handelsabkommen mit der DDR im damaligen Moment zu verhandeln, als ein den hunderttausenden Demonstranten in der DDR in den Rücken fallen.11 Bereits in diesen wenigen Kommentaren vor der Wende wird die grundsätzliche Haltung der luxemburgischen Politik gegenüber der DDR deutlich. Die Legitimation der DDR wird durchgängig in Frage gestellt, die Haltung der Bundesrepublik Deutschland und der EG gegenüber der DDR-Führung als zu nachsichtig bzw. entgegenkommend kritisiert und die Haltung Ungarns als leuchtendes Vorbild, gleichsam spiegelbildlich dem angeblichen luxembur­ gischen Verhalten 1940–1945 gesehen. Nach dem Fall der Mauer und im sich dann rasch vollziehenden Prozess der Wiedervereinigung bleibt das Luxemburger Wort bei seiner Grundlinie und befürwortet prinzipiell eine schnelle Wiedervereinigung, besteht aber auf einer klaren Anerkennung der polnischen Westgrenze durch Deutschland und weist auch auf die Sicherheitsinteressen der anderen osteuropäischen Staaten in Bezug auf die UdSSR hin. Der bereits zitierte Leitartikler mit dem Kürzel „lz“ schreibt in einem Kommentar im November 1989 mit dem Titel „Wiedervereinigung nicht um jeden Preis!“, dass sowohl in Ost- als auch in Westeuropa die Angst umgeht, die deutsche Wiedervereinigung könnte den Frieden und die Stabilität in Europa gefährden. Der Autor bestätigt zwar die historische Berechtigung dieser Ängste, verweist dann aber auf folgendes: „Doch was auch immer geschehen ist, die Deutsche Frage gehört in das Kapitel der Menschenrechte. Zu den Menschenrechten gehört auch das Recht eines jeden Volkes auf Selbstbestimmung, ein Recht das den Deutschen in Ost und West zugestanden werden muss. Wer ihnen als Demokrat dieses Recht absprechen möchte, verleugnet sich selbst und wird mitschuldig an der Aushöhlung der Menschenrechte.“12 Eine klare Positionierung des Autors für die deutsche Wiedervereinigung, moralisch und politisch stark durch das Argument der Menschenrechte untermauert. Einen Absatz weiter warnt dann aber der gleiche Autor: „Als ­GEBRANNTEN Kindern darf den Demokraten in Europa nur nicht egal sein unter welchen Bedingungen eine Wiedervereinigung stattfindet.“13 Der Autor schließt mit einer ausdrücklichen Warnung vor einer Aufgabe der Interessen der anderen Staaten Osteuropas um die Wiedervereinigung zu erzielen. Ende November 1989 erschien im Luxemburger Wort ein halbseitiger Beitrag mit dem Titel „Luxemburger Überlegungen zur politischen Entwicklung in Deutschland“. In seinem Beitrag skizziert der Autor mit dem Kürzel „E. M.“ (vermutlich Ernest Mühlen) Einschätzungen und Erwartungen der Luxembur-

11 Der falsche Zeitpunkt, in: Luxemburger Wort, 9. November 1989. 12 Wiedervereinigung – nicht um jeden Preis!, in: Luxemburger Wort, 13. November 1989. 13 Ibd.

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ger Politik an ein wiedervereinigtes Deutschland. Die Kernaussagen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: – eine Vorherrschaft Deutschlands in Europa wurde abgelehnt und war dem­ gemäß unerwünscht – eine Rücksichtnahme auf die kleineren Mitgliedstaaten der EG wurde erwartet – die Unverletzlichkeit der Grenzen nach dem Zweiten Weltkrieg sollte garantiert sein Abschließend weist der Autor auf den möglichen Hauptstadtwechsel Bonn-­ Berlin hin. Nach seiner Ansicht würde Deutschland mit einem Wechsel der Bundeshauptstadt von Bonn nach Berlin östlicher, weniger auf den Westen hin orientiert werden, und eine kluge deutsche Außen- und Europapolitik müsste nach wie vor die Interessen der kleineren westlichen Staaten mitberücksichtigen.14 Im Februar 1990, als sich der weitere Verlauf des Einigungsprozesses deutlicher absehen ließ als in den ersten Wochen nach dem Mauerfall, erschien ein Kommentar von Hermann Bohle, dem damaligen Brüsseler Korrespondenten des Luxemburger Wort mit dem Titel „Neutralisierung Deutschlands“. Bohle skizziert hier eine weitverbreitete Angst  – die der „Entwestlichung“ Deutschlands, die bündnispolitische Neutralität als Preis der Wiedervereinigung. Tatsächlich wurde diese Forderung in sowjetischen Kreisen 1989/1990 erhoben, war aber zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr die Marschrichtung von KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow und Außenminister Eduard Schewadnardse. Gleichsam war die Angst vor einer „Österreichisierung“ des zukünftig wiedervereinigten Deutschland gerade im Benelux-Raum und in Dänemark stark. Sah und sieht man NATO und EG/EU doch als Garanten für die Westbindung Deutschlands nach 1945 an. Der Autor warnte dann auch nachdrücklich vor einem zukünftigen Sonderstatus des dann wiedervereinigten Deutschlands.15 Kurz vor der Wiedervereinigung, am 3. Oktober 1990, fasste Kommentator „GeWe“ die künftigen Erwartungen Luxemburgs an das größere Deutschland noch einmal unter dem Titel „Deutschland in der EG“ zusammen. Er spricht sich nachhaltig für eine Vertiefung des europäischen Integrationsprozesses aus, fordert die Berücksichtigung der Interessen der kleinen und kleineren Staaten in der EG und die Überwindung nationalstaatlicher Egoismen im europäischen Kontext und hegt die Hoffnung: „Das wiedervereinigte Deutschland kann entscheidend zu seiner [der des europäischen Hauses, Anm.  des Autors] Innenarchitektur beitragen.“16 Zusammenfassend lässt sich die Debatte in weiten Teilen der Luxemburger Politik und in den Medien folgendermaßen zusammenfassen: man befürwortete 14 Luxemburger Überlegungen zur politischen Entwicklung in Deutschland, in: Luxemburger Wort, 29. November 1989 15 Hermann Bohle, Neutralisierung Deutschlands, in: Luxemburger Wort, 13. Februar 1990, 2. 16 Deutschland in der EG , in: Luxemburger Wort, 1. Oktober 1990.

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die Wiedervereinigung als logischen Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts der Völker und begrüßte das Ende der kommunistischen Diktaturen in ­Osteuropa. Zugleich warnte man vor einer Neutralisierung Deutschlands und vertrat energisch das Ziel der europäischen Integration  – und zwar einer Vertiefung vor einer Erweiterung. Diese stark konsensuelle Orientierung der politischen Parteien und der ihnen nahestehenden Medien beruht nach Patrick Dumont, Fernand Fehlen und Philippe Poirier darauf, dass „Luxemburg eine Konsensdemokratie ist“.17 Elementarer Bestandteil einer solchen Konsensdemokratie ist sicherlich eine gemeinsame Grundpositionierung in zentralen politischen Fragen innerhalb der demokratischen Parteien. Europapolitisch ist eine solche konsensuelle politische Standortbestimmung der demokratischen Parteien auch in anderen westeuropäischen EU-Mitgliedstaaten zu beobachten. Diese sehr starke einheitliche Positionierung in nahezu allen außenpolitischen Fragen in der luxemburgischen Politik wurde und wird lediglich durch zwei kleinere, am politisch rechten und linken Rand stehende Parteien durchbrochen. Das Aktionskomitee für Demokratie und Rentengerechtigkeit (ADR) wurde 1987 gegründet und vertrat von Beginn an politisch rechtsstehende Positionen. So lehnte und lehnt das ADR z. B. bis in die Gegenwart eine vertiefte europäische Integration ab, wendet sich gegen Zuwanderung und vertritt eine eher aggressive „Letzeburgisierung“ des öffentlichen Raumes, indem sie beispielsweise eine Stärkung des Letzeburgischen gegenüber dem Französischen und Deutschen als Amtssprache in Luxemburg fordert.18 Die Positionierung zur deutschen Wiedervereinigung spielte zwar keine zentrale Rolle in der Politik des ADR , allerdings wurde und wird beim ADR generell vor einem zu großen Einfluss Deutschlands und Frankreichs innerhalb der EU gewarnt und zugleich gegen eine angebliche EUdSSR pole­misiert.19 Diese klare rechtspopulistische Positionierung gegen die, von den demokratischen Parteien favorisierte Politik der ever closer union und der guten Nachbarschaft mit Deutschland und Frankreich, stellt den ADR außerhalb des gefestigten Parteiensystems und lässt ihn ähnlich anachronistisch wirken wie auf der radikalen Linken die Kommunistische Partei Luxemburgs (KPL) mit ihrem Zentralorgan Zeitung vum Letzebuerger Vollek. Auch hier findet sich das schüren (links) nationalistischer Ressentiments gegen den europäischen Integrationsprozess sowie gegen die angebliche kapitalistische Vorherrschaft Deutschlands in der EU. Ähnlich wie die kommunistischen Parteien in anderen Staaten der EG lehnte die KPL – die, ebenso wie die Kommunistische Partei Frankreichs, die Deutsche Kommunistische Partei in der Bundesrepublik und die Kommunistische Par17 Zitiert nach: Patrick Dumont/Fernand Fehlen/Philippe Poirier, Parteiensystem, politische Parteien und Wahlen, in: Wolfgang H. Lorig/Mario Hirsch (eds.), Das politische System Luxemburgs. Eine Einführung (Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2008), 155–189, hier 155. 18 Ausführlich zum ADR : ibd., 168. 19 http://adr.lu/eudssr-ohne-volksbefragung/, zuletzt abgerufen am 10. August 2016.

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tei Österreichs, vor 1989 Gelder aus der UdSSR und der DDR erhielt – die deutsche Wiedervereinigung als: „[…] Annexion der DDR durch die Bundesrepublik Deutschland […]“20 ab und tut dies bis in die Gegenwart. Die starke Übereinstimmung der demokratischen Parteien in Bezug auf die Wiedervereinigung Deutschlands lässt sich aber nicht nur durch den  – den Benelux-Staaten eigenen  – Begriff der Konsensdemokratie erklären, sondern hat seine tieferen Ursachen sicherlich auch in der Geschichte des Landes. Das Großherzogtum war seit seiner Entstehung 1839 immer zwischen zwei großen Staaten  – Frankreich und Deutschland  – sowie einem kleineren Mittelstaat  – Belgien  – eingebettet. Diese „Umzingelungslage“ hat in Luxemburg zu einer außerordentlich großen Offenheit und zum Wunsch nach einer tiefgehenden europäischen Integration geführt. Zu diesem vertieften europäischen Integrationsprozess gehörte für die politischen Eliten Luxemburgs, wie auch weiten Teilen der Bevölkerung, vor 1989 auch immer die Überzeugung, dass die deutsche Teilung eine historische A-Normalität war und einer wirklichen europäischen Einigung – unter Teilnahme der Staaten Ost- und Mitteleuropas – massiv widerspreche. Allerdings war der Wille zur Integration der mittel- und osteuropäischen Staaten für die verschiedenen luxemburgischen Regierungen immer an eine deutliche Vertiefung des Integrationsprozesses gekoppelt.21

III. Luxemburg und seine Haltung zu den EU-Verträgen von Maastricht über Nizza bis zur EU-Verfassung Mit dem Zusammenbruch der kommunistischen Regime in Osteuropa und der UdSSR stellte sich nicht nur die Frage nach der Reaktion auf die deutsche Wiedervereinigung für die deutsche Politik, sondern auch die Frage, welche Gestalt das zukünftige – mittelfristig größere – europäische Integrationsprojekt bekommen sollte. Von Anfang an gab es hier zwei sehr unterschiedliche Auffassungen innerhalb der, seinerzeit zwölf, EG -Mitgliedstaaten. Auf der einen Seite standen Staaten, die zwar eine Erweiterung befürworteten, aber diese nicht mit einer grundlegenden Vertiefung verbinden wollten. Zu diesen gehörten vor allem Großbritannien und Dänemark sowie die damaligen Beitrittskandidatenländer Schweden, Finnland und – mit Abstrichen – Österreich.22 Auf der anderen 20 http://www.kp-l.org/, zuletzt abgerufen am 10. August 2016 21 Zur Rolle Luxemburgs als Kleinstaat in Europa: Michel Pauly, Geschichte Luxemburgs (München: C. H.  Beck, 2011); id., Histoire du Luxembourg (Brüssel: Éditions de l’Université de Bruxelles, 2013). Zur Frage der Erweiterung vs. Vertiefung und die luxemburgische Diskussion 1990/1991 dazu: Wichard Woyke, Belgien, Niederlande, Luxemburg, in: ­Werner Weidenfeld/Wolfgang Wessels (eds.), Jahrbuch der Europäischen Integration 1990/1991 (Bonn: Europa Union Verl., 1991), 279–286. 22 Zur Rolle Skandinaviens in der internationalen Politik seit den 1970er-Jahren: Christine Ingebritsen, Norm Entrepeneurs. Scandinavia’s Role in World Politics, in: Cooperation and Conflict: Journal of the Nordic International Studies Association, 37 (2002) 1, 11–23.

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Seite standen die Benelux-Staaten und Italien, die eine Vertiefung als Grundlage für eine Erweiterung ansahen.23 Deutschland, Frankreich und Spanien vertraten eine vermittelnde Position, die sowohl eine baldige Erweiterung, als auch eine substantielle Vertiefung vorsah.24 Bei den Vertragsverhandlungen zum Vertrag von Maastricht 1991 ging es nicht nur um eine neue institutionelle Struktur für den europäischen Integra­ tionsprozess, sondern auch um die Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit eine substantielle Vertiefung des Integrationsprozesses erreicht werden könne. Die damalige niederländische Regierung unter dem christdemokratischen Premierminister Ruud Lubbers und seinem ebenfalls christdemokratischen Außenminister Hans van den Broek25 nutzte die niederländische Ratspräsidentschaft zur Ausarbeitung eines sehr weitgehenden, stark föderal orientierten Vertragsentwurfs. Dieser sollte die dann neu zu schaffende EU einerseits erweiterungsfähig machen, diese Erweiterungsfähigkeit aber an eine substantielle Vertiefung koppeln. Der Entwurf der niederländischen Ratspräsidentschaft ähnelte in vielerlei Hinsicht dem Europäischen Verfassungsentwurf von 2003 – griff also die klassischen Fragestellungen einer kohärenten europäischen Politik auf und versuchte diese durch ein hohes Maß an Europäisierung – vor allem in den Bereichen Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und Polizeiliche Zusammenarbeit, Innen und Justizielles (PZIJ) – der späteren zweiten und dritten Säule des endgültigen Maastrichter Vertrages  – zu erreichen. Bei ihrem Vertragsentwurf waren Lubbers und van den Broek von der sicheren Unterstützung durch Belgien, Luxemburg und Deutschland ausgegangen und hatten, durch die angenommene Unterstützung Deutschlands, auf einen Dominoeffekt gehofft, der auch eher skeptische Länder wie Frankreich mitziehen würde. Die größten Probleme erwarteten die Niederländer von Großbritannien und Dänemark, hofften allerdings insgeheim, dass die Zustimmung der anderen Staaten auch Dänemark und Großbritannien zu einer flexibleren Haltung bewegen würde, zumal der konservative britische Premierminister John Major durchaus mit einer europafreundlichen Politik liebäugelte und sich damit deutlich von seiner Vorgängerin Margaret Thatcher abzuheben schien.26 23 Woyke, Belgien, Niederlande, Luxemburg. 24 Zur mittelfristigen Perspektive der deutschen Europapolitik vor dem Mauerfall 1989 siehe: Lutz G. Stavenhagen, Perspektiven deutscher Europapolitik nach dem Luxemburger Gipfel, in: Integration 2 (1986), 47–50. 25 Zur europapolitischen Positionierung der niederländischen Christdemokratie (CDA) seit den 1970er-Jahren siehe: Steven Van Hecke, Wanneer macht voor ideologie komt, in: Gerrit Voerman (ed.), De Conjunctuur van de Macht. Het Christen Democratisch Appel 1­980–2010 (Amsterdam: Boom, 2011), 179–195. 26 In ihrer ganzen Dramatik und mit den Konsequenzen für die Europäische Volkspartei (EVP) werden die Maastrichter Verhandlungen dargestellt in: Alexander van Kessel, Ruggen recht, heren. Hoe de Nederlandse christen-democraten het tegenover hun Duitse geestverwandten aflegden in het debat over het profiel van de Europese Volkspartij (Hilversum: Verloren, 2003).

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Die eigentlichen Verhandlungen endeten allerdings in einem Desaster für die niederländische Ratspräsidentschaft: der Vertragsentwurf wurde nur von Belgien unterstützt. Alle anderen Mitgliedstaaten lehnten ihn ganz oder in weiten Teilen ab. Die Frage wie ein solches Verhandlungsdesaster entstehen konnte, ist bis heute nicht völlig geklärt, lag aber wohl in politischen und psychologischen Faktoren begründet. Namentlich das Verhältnis der beiden Parteifreunde Lubbers und Helmut Kohl war nicht unproblematisch und führte regelmäßig zu wechselseitigen Verstimmungen aufgrund jeweils von der anderen Seite als problematisch empfundenen Äußerungen über die historischen Beziehungen der beiden Länder.27 Politisch entscheidender war aber wohl der Punkt, dass Bundeskanzler Kohl seinen französischen Partner François Mitterrand nicht ein Jahr nach der deutschen Wiedervereinigung erneut unter politischen Zugzwang setzen wollte. Gab es doch in Frankreich nicht nur vehemente Gegner der Wiedervereinigung – gerade auch in Mitterrands eigener Parti Socialiste (PS) – sondern auch zahlreiche Skeptiker in Bezug auf eine vertiefte europäische Integration. Diese innenpolitischen Gründe des französischen Präsidenten und die Rücksichtnahme des deutschen Bundeskanzlers auf seinen französischen Partner führten zu einem politischen Desaster für die niederländische Ratspräsidentschaft. Warum nun lehnte Luxemburg den ersten Vertragsentwurf ebenso ab wie Deutschland und Frankreich? Über die Motive kann bis zu einem gewissen Grad nur spekuliert werden, da es keine offiziellen Aussagen gab und, anders als im Falle der niederländischen Ratspräsidentschaft, auch keine Sekundärliteratur existiert. Wahrscheinlich ist aber die traditionelle „Sandwichposition“ Luxemburgs entscheidend gewesen. Als kleinster Staat der damaligen EG der zwölf war Luxemburg immer an traditionell guten Beziehungen zu Deutschland und Frankreich gelegen.28 Diese Beziehungen wären nun möglicherweise nachhaltig gestört worden, hätte sich Luxemburg – trotz des französischen Widerstands gegen den niederländischen Vertragsentwurf und der ebenfalls deutschen Ablehnung – klar und unmissverständlich hinter die Niederlande gestellt. Zwar enthielt der Vertragsentwurf von Lubbers und van den Broek klare Positionen, die ganz auf der Linie der bisherigen luxemburgischen Europapolitik lagen, zugleich war Luxemburg aber offensichtlich nicht willens, einen tieferen Konflikt für seine europapolitischen Überzeugungen mit Frankreich und Deutschland einzugehen. Ob eine Unterstützung der Niederlande durch Luxemburg tatsächlich zu einer nachhaltigen Störung des Verhältnisses geführt hätte, kann nicht abschließend beantwortet werden, allerdings fällt auf, wie wenig sich die luxemburgische Regierung für eine, eigentlich ihre europapolitische Positionierung stützende, Politik eingesetzt hatte. Offensichtlich waren die Befürchtungen über eine nachhaltige Störung des Verhältnisses zu Frankreich und Deutschland größer als der sonst so häufig betonte europapolitische Enthusiasmus. 27 Ibd. 28 Pauly, Geschichte Luxemburgs; id., Histoire du Luxemburg.

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Der letztendlich verabschiedete Vertrag von Maastricht hingegen kann als ein Kompromiss zwischen den föderalen Idealen der Niederländer und Belgier und den eher abwartenden bzw. intergouvernementalen Vorstellungen der anderen Mitgliedstaaten angesehen werden. Mit dem drei Säulen Modell und der EU als Dach, wurde mit dem Maastrichter-Vertragswerk nicht nur die Grundlage für eine zukünftige Erweiterung und im minderen Maße Vertiefung geschaffen, sondern es wurden mit der GASP und der PZIJ als zweiter und dritter – wenn auch intergouvernementalen  – Säule ein deutliches Zeichen in Richtung einer zukünftigen verstärkten Zusammenarbeit der EU-Staaten, auch in Fragen die traditionell nationalstaatliche Politiken betrafen, gesetzt.29 Ausgehend von der Erkenntnis, dass der Vertrag von Maastricht zwar die Grundlage für eine Vertiefung wie auch zukünftige Erweiterung der EU sein kann, aber in keinem Fall das Endziel der europäischen Integration darstellt, vereinbarten die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten (ab 1995 erweitert um Schweden, Finnland und Österreich) bereits im Vertrag selbst, dass 1996 eine erneute Regierungskonferenz einberufen und diese eine Überprüfung der bisherigen Ergebnisse der Arbeits- und Funktionsweise des MaastrichterVertrages als Ziel haben sollte. Das Ergebnis dieser fünfzehnmonatigen Überprüfungsphase war der Gipfel von Amsterdam im Juni 1997 und der daraus resultierende Vertrag von Amsterdam.30 War der Vertragsentwurf der niederländischen Ratspräsidentschaft unter dem sozialdemokratischen Premierminister Wim Kok diesmal auch weniger weitgehend formuliert als der Vertragsentwurf von Maastricht unter Koks Vorgänger Lubbers, so ist doch auch der Vertrag von Amsterdam ein Dokument eines – Mitte bis Ende der 1990er-Jahre noch andauernden – europäischen, proaktiven Engagements. Da die deutsche Wiedervereinigung abgeschlossen, die EU 1995 erneut erweitert worden war und die Beitrittsverhandlungen mit ca. einem Dutzend mittel- und osteuropäischer Staaten über einen EU-Beitritt begonnen hatten, war allen Teilnehmern des Amsterdamer Gipfels klar, dass nur ein klarer und eindeutiger Schritt in Richtung Vertiefung die EU erweiterungsfähig machen würde. Durch den britischen Regierungswechsel im Mai 1997 von John Major zu Tony Blair war die britische Verhandlungsposition noch einmal deutlich integrationsfreundlicher geworden und wurde allgemein als bis dato konstruktivster europapolitischer Ansatz einer britischen Regierung seit dem EG -Beitritt des Landes 1973 gesehen. Die luxemburgische Regierung betonte in den Verhandlungen einmal mehr die Notwendigkeit einer grundlegenden Vertiefung der EU bevor eine Erweiterung stattfinden könne. Luxemburgs Position wich damit 1997 – anders als 1992 – nicht von der Belgiens und der der Niederlande ab. Mit kleinen Veränderun29 Zum Vertrag von Maastricht im Detail: Werner Weidenfeld (ed.), Maastricht in der Analyse. Materialien zur Europäischen Union (Gütersloh: Bertelsmann, 1994). 30 Zu den Details des Vertrages von Amsterdam: Werner Weidenfeld (ed.), Amsterdam in der Analyse. Strategien für Europa (Gütersloh: Bertelsmann, 1999).

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gen und einem etwas stärker intergouvernementalen Charakter wurde der ursprüngliche Vertragsentwurf angenommen und der Vertrag wurde allgemein, nach den entsprechenden parlamentarischen Ratifizierungen in den Mitgliedstaaten, von Amsterdam als weiterer wesentlicher Schritt zu einer substantiellen Vertiefung und zugleich Erweiterungsfähigkeit der EU angesehen. Gleichsam konnte auch der Vertrag von Amsterdam nicht darüber hinwegtäuschen, dass zu einer tatsächlichen Erweiterungsfähigkeit bei gleichzeitiger Vertiefung der EU noch weitere erhebliche Schritte notwendig waren. Die Vertragsverhandlungen in Nizza, unter französischer Ratspräsidentschaft, sollten im Dezember 2000 den definitiven Durchbruch und damit die letzten notwendigen Schritte vor der geplanten großen Erweiterungsrunde bedeuten. Allerdings verliefen die Verhandlungen über den Vertragsentwurf außerordentlich schwierig und waren von zunehmenden Kontroversen zwischen der französischen Ratspräsidentschaft unter Jacques Chirac und der deutschen Bundesregierung unter Gerhard Schröder geprägt. Zentrale Konfliktpunkte stellten die Zahl der zukünftigen Mitglieder des Europäischen Parlaments pro Mitgliedstaat sowie die Anzahl der Stimmen in den Ministerräten dar. Waren beide für die vier großen Mitgliedstaaten (Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien) nach der Wiedervereinigung gleich geblieben, so forderte die deutsche Bundesregierung nun – auf Grundlage des Bevölkerungszuwachses durch die Wiedervereinigung auf ca. 80 Millionen Einwohner – eine höhere Anzahl an Europaparlamentsabgeordneten sowie an Stimmen in den Ministerräten. Beide Forderungen stießen auf die entschiedene Ablehnung des französischen Staatspräsidenten, der die europäische Balance und die gewohnheitsrechtlichen Voraussetzungen des institutionellen Rahmens der EU in Frage gestellt sah.31 Luxemburg verortete sich in dieser schwierigen verhandlungspolitischen Situation, die auf weitere Mitgliedstaaten übergriff, als Vermittler zwischen den Konfliktparteien und versuchte, nicht ohne Erfolg, am Ende einen Kompromiss zu formulieren, der auch von Belgien und den Niederlanden unterstützt würde. Jener Kompromiss sah folgende grundlegenden Regelungen vor: zum einen sollte die Zahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments (EP-Mitglieder) für Deutschland höher sein als für alle anderen EU-Staaten, die Stimmen in den Ministerräten zwischen den vier großen Mitgliedstaaten aber identisch bleiben. Zum anderen sollte jeder Mitgliedstaat einen Kommissar behalten und viertens sollte ein Minimum von sechs Mitgliedern im Europaparlament garantiert bleiben.32 Der damalige Premierminister Juncker sagte dann auch bei der Bewertung des Vertrages von Nizza: „[…] gut für Luxemburg, ausreichend für Europa“.33 31 Zur Rolle des wiedervereinigten Deutschlands in der EU und den internationalen Beziehungen: Werner Link, Deutschland als europäische Macht, in: Werner Weidenfeld (ed.), Die Staatenwelt Europas (Bonn: bpb, 2008), 15–17. Zur Rolle Frankreichs: Henri Menudier, Frankreich, in: ibd., 185–187. 32 Mario Hirsch, Luxemburg, in: ibd., 295–297. 33 Luxemburger Wort, 12. Dezember 2000. Zitiert nach: ibd., 300.

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Mit den Vertragsverhandlungen von Nizza wurde nicht nur deutlich, wie dringend eine grundlegende institutionelle Reform der EU war, sondern auch in wie vielen Mitgliedstaaten zum damaligen Zeitpunkt bereits eine prä-nationalistische Argumentation, die die eigenen (kurzfristigen) nationalen Interessen über das Interesse des europäischen Einigungswerks stellte, vorzuherrschen begann. Gleichsam in einem politischen Selbsterkenntnisprozess bestimmten die Staatsund Regierungschefs unter belgischer Ratspräsidentschaft in der Erklärung von Laeken im Dezember 2001, dass ein Konvent zur Ausarbeitung einer europäischen Verfassung einberufen werden solle. Dieser bestand, und dies war ein tatsächlich erstaunliches Ergebnis, nicht aus den Staats- und Regierungschefs, sondern aus Parlamentariern der nationalen mitgliedstaatlichen Parlamenten, EP-Mitgliedern und sogenannten Freunden der nationalen Regierungen. Aufgabe dieses Konvents sollte es sein, eine europäische Verfassung auszuarbeiten, die die EU nicht nur erweiterungsfähig, sondern auch handlungsfähiger machen sollte. Die luxemburgische Position im Konvent hätte – den traditionellen Linien der luxemburgischen Europapolitik folgend  – die Interessen der kleinen Mitgliedstaaten zum Maßstab seiner eigenen Politik machen müssen. Dies war auf dem Gipfel von Nizza noch so gewesen und kurz vor dem Arbeitsbeginn des Konvents hatte Luxemburgs Premierminister Juncker noch einmal diese – typisch luxemburgische – Position betont.34 Umso erstaunlicher war die, mit dem Konvent beginnende, Abkehr von der bisherigen Position. Mit einem Mal gefiel sich Luxemburg darin, zusammen mit Belgien und den Niederlanden als Unterstützer vor allem der deutschen und französischen Positionen aufzutreten. Luxemburg beharrte plötzlich nicht mehr auf dem Prinzip des „Ein Land – ein Kommissar“, sondern befürwortete ein Rotationsverfahren unter den Mitgliedstaaten, dass auf dem Prinzip der gleichen Berücksichtigung kleinerer und größerer Mitgliedstaaten beruhte.35 Wie lässt sich diese plötzliche Kehrtwende der luxemburgischen Europapolitik erklären? Zum einen sicherlich dadurch, dass Luxemburg es als notwendig erachtete, die deutsche und französische Position im Sinne einer Unterstützung der deutsch-französischen Achse und Partnerschaft zu unterstützen. Zum anderen spielte sicher auch die Überlegung eine Rolle, dass die Position „Ein Land-ein Kommissar“, welche nach der Erweiterung der EU um ca. 15 oder mehr Staaten zu einer faktischen Überregulierung und Arbeitsunfähigkeit der EU-Kommission führen würde, nicht länger zu halten wäre. Weiterhin wurde deutlich, dass sich Luxemburg in den Verhandlungen um den Verfassungsvertrag vor allem um eine Vertiefung der GASP bemühte und hier verstärkt Kompetenzen an die EU übertragen wollte. Hintergrund dieser Politik war sicherlich die Erkenntnis, dass nur eine verstärkte Zusammenarbeit in der GASP mit möglichst starken Kompetenzen der EU eine faktische Spaltung dieser, wie im Irakkrieg 2003, verhindern könne. Die USA unter der Regie­ rung George W. Bush nutzte die Zerrissenheit der Mitgliedstaaten und Beitritts34 Ibd., 301–302. 35 Ibd., 302–303.

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kandidaten der EU zu einem gezielten Gegeneinander-Ausspielen aus und der US -amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sprach mehrfach von dem Gegensatz zwischen dem „alten und neuen Europa“. Das sogenannte neue Europa stellten die Staaten Ost- und Mitteleuropas sowie Großbritannien dar und das, in Rumsfelds Diktion, alte Europa umfasste Frankreich, Deutschland, Belgien und Luxemburg mit ihrer Gegnerschaft zum Irakkrieg. In diesem Zusammenhang gab es auch erhebliche Spannungen über den außenpolitischen Kurs innerhalb der drei Benelux-Staaten, die in der Regel eine weitgehende außenpolitische Abstimmung vornahmen. Die Niederlande unterstützen den Irakkrieg – zwar nur verbal und nicht real – aber dennoch war diese Entwicklung für die außenpolitische Positionierung der drei Staaten neu und für Luxemburg durchaus beunruhigend, war diesem doch klar, dass nur eine eng abgestimmte außenpolitische Positionierung der Benelux-Staaten überhaupt eine Chance auf Einflussnahme im Konzert der 15 bzw. ab 2004 25 Staaten bedeuten könne. Die klare Positionierung der Niederlande mit ihrer in Bezug auf den Irakkrieg, historisch bedingten, ausgeprägten pro-transatlantischen Auffassung zeigte nicht nur den Bruch innerhalb der gesamten EU, sondern auch innerhalb dieser drei traditionellen Partnerländer auf.36 Für den luxemburgischen Premierminister Juncker von der CSV war schon in einem Interview mit der luxemburgischen Monatszeitschrift Forum vom Mai 2002 klar, dass die Friedenssicherung in Europa eine elementare Aufgabe sei, gleichsam einer der Gründungserzählungen der europäischen Integration und eben eines jener Vorbilder, warum große Teile der Welt voller Achtung auf die EU schauen. Juncker damals wörtlich: „Zu meinem politischen Überzeugungskodex und -Kanon gehört, dass ich mit sehr bescheidenen Mitteln luxemburgischer Politik dazu beitragen möchte, dass Krieg in Europa nicht wieder vorkommt. Ich möchte auch, dass die Millionen Menschen, die voller Hoffnung nach Europa blicken, weil sie Europa als gut funktionierendes Modell langanhaltender Friedenssicherung sehen, nicht enttäuscht werden, damit die friedensstiftende Ausstrahlung Europas weltweit Nachahmung findet.“37

Diese klare Positionierung Junckers und der damaligen luxemburgischen Regierung machte 2003 ein Eintreten für den Irakkrieg und eine Übereinstimmung mit dem, ebenfalls, christdemokratischen Premierminister der Niederlande Jan Peter Balkenende unmöglich. Die Konsequenz war nicht nur ein gespaltenes Auftreten in der Frage des Irakkrieges, sondern, teilweise, beispielsweise in der Frage der GASP, auch bei den Verhandlungen über den Verfassungsvertrag innerhalb der Benelux-Staaten. Zwar befürworteten alle drei Staaten eine verstärkte GASP, gleichsam wollten die Niederländer aber eine stärker an der NATO und den USA

36 Mario Hirsch, Luxemburg, in: Werner Weidenfeld/Wolfgang Wessels (eds.), Jahrbuch der Europäischen Integration 2003/2004 (Baden-Baden: Nomos, 2004), 359–361. 37 Interview mit Jean Claude-Juncker, in: forum 216, Mai 2002, 10.

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orientierte GASP der EU. Für Luxemburg und Belgien hingegen stand eine eigenständigere Außen- und Sicherheitspolitik der EU im Vordergrund.38 Die luxemburgische Verhandlungsposition im Rahmen der Verfassungsdebatte wurde allerdings noch von einem anderen Motiv bestimmt – bei aller Föderalisierungstendenz legte Luxemburg auch deutlichen Wert auf die Einhaltung und den Ausbau des Subsidiaritätsprinzips.39 Jenes grundlegende Prinzip, welches auf die katholische Soziallehre zurückgeht, wurde durch die deutschen Bundesländer als Voraussetzung für ihre Zustimmung zum Vertrag von Maastricht durchgesetzt. Der damalige Bundeskanzler Kohl musste dieses klassisch föderalistische Prinzip gegen den erbitterten Widerstand seines französischen Amtskollegen Mitterrand durchsetzen, der, ganz in der französischen Tradition stehend, den Nationalstaaten und in einigen Fragen der EU, eine wesentlich zentralere Rolle zubilligen wollte als den Regionen. Bei den Beratungen über den EU-Verfassungsvertrag vertrat 2003 die luxemburgische Regierung eine deutliche Stärkung des Subsidiaritätsprinzips und unterstützte die deutsche Forderung nach einer konsequenteren Anwendung desselben. Mag man hier auch vordergründig einen Widerspruch zwischen einer Position der permanenten Europäisierung einerseits und dem Subsidiaritätsprinzip andererseits in den Stellungnahmen Luxemburgs erkennen, so ist dies nur auf den ersten Blick der Fall. Vielmehr ging und geht es der luxemburgischen Politik, unabhängig von der jeweiligen Regierung, immer um eine EU der großen Linien, um eine Politik, die die EU als globalen Akteur verankert und ihr in jenen Politikfeldern weitgehende Kompetenzen zubilligt, die für eine globale Rolle der EU – für die EU als Friedensprojekt – notwendig sind. Die Idee einer weitgehenden Regu­lierung auch sekundärer Fragen durch die europäischen Institutionen begreift die luxemburgische Politik nicht nur als überflüssig, sondern auch als den eigentlichen Sinn des europäischen Integrationsprozess konterkarierend.40 Ergebnis der Auseinandersetzungen um Tiefe und Tragweite des Subsidiaritätsprinzips war eine deutliche Stärkung des Ausschusses der Regionen (AdR) innerhalb der europäischen Institutionen im Rahmen des Verfassungsvertrages und, damit verbunden, ein eigenes Klagerecht des AdR vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).41 Der Verfassungsvertrag wurde – nach zwei Jahren intensiver Diskussion im Konvent und in den Mitgliedstaaten – dann im Laufe des Jahres 2004 sowohl von den Staats- und Regierungschefs der EU unterschrieben als auch in vielen nationalen Parlamenten ratifiziert. Allerdings wollten Frankreich und die Nie38 Hirsch, Luxemburg. 39 Hierzu: Jürgen Stoldt, Luxemburg – Kern Europas, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 8 (18.2.2008), Themenheft Benelux, 19–25; und Jean-Marie Majerus, Luxemburg und die Europäische Union, in: Lorig/Hirsch (eds.), Das politische System Luxemburgs, 311–329. 40 Stoldt, Luxemburg – Kern Europas, 19–21. 41 Im Europäischen Verfassungsvertrag (EUVV) in Artikel III-292–294 sowie das Protokoll zum Verfassungsvertragsentwurf über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.

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derlande ein formal nicht zwingendes und nicht bindendes Referendum über die Verfassung durchführen. Im Falle Frankreichs hatte dies mit einem Einbruch der Zustimmung für den damaligen bürgerlichen Präsidenten Chirac zu tun, der durch ein Referendum über den Verfassungsvertrag seine Werte in den Umfragen verbessern wollte. Komplizierter lag die Lage in den Niederlanden. Hier hatte die kleine, explizit pro-europäische linksliberale Partei Democraten 66 (D66) als Voraussetzung für eine Koalitionsteilnahme an einer Regierung aus Christdemokraten (CDA) und Rechtsliberalen (VVD) die Einführung von Referenden auf nationaler Ebene gefordert. Christdemokraten und Rechtsliberale gaben diesem Willen von D66 eher widerstrebend nach, da sie überzeugte Anhänger der repräsentativen Demokratie waren und es noch sind. D66, im Hochgefühl ihres vermeintlichen Gewinns an demokratischer Partizipation, forderte daraufhin, gleichsam als Test, ein Referendum über die EU-Verfassung. Dies erschien unproblematisch, hatten sich doch ca. 85 % der Mitglieder des niederländischen Parlaments (Tweede Kamer mit 150 Mitgliedern) für den Verfassungsvertrag ausgesprochen und die Gegner waren eine bunte Sammlung von völlig konträren politischen Positionen: Ex-Maoisten, Rechtspopulisten, christliche Fundamentalisten. Die Gefahr einer Ablehnung wurde als denkbar gering eingeschätzt, zumal die Niederländer als klassisch pro-europäische Nation galten.42 Beide Abstimmungen scheiterten auf dramatische Weise. Am 29. Mai 2005 stimmten eine Mehrheit der Franzosen und am 1. Juni 2005 nahezu 2/3 der niederländischen WählerInnen gegen den EU-Verfassungsvertrag.43

IV. Luxemburg, das EU-Verfassungsreferendum und der Weg nach Lissabon Trotz der Ablehnung des EU-Verfassungsvertrages und des damit faktischen Scheiterns des größten europäischen Reformprojekts seit den Römischen Verträgen von 1957 beharrte Luxemburg – anders als Großbritannien – auf der Durchführung des bereits für den 10.  Juli 2005 angesetzten Referendums. Während der britische Premierminister Blair das Referendum in seinem Land unmittelbar nach den Referenden in Frankreich und den Niederlanden abgesagt und Spanien zwischenzeitlich mit ca. 75 % der abgegeben Stimmen in einem Referendum für die EU-Verfassung gestimmte hatte, so wollte Luxemburgs Premier Juncker ein eindeutiges Signal für die Fortsetzung des Verfassungsprozesses geben und verband das Referendum zugleich mit seinem eigenen politischen Schicksal auf der politischen Bühne Luxemburgs. Juncker wusste um seine Beliebtheit bei der Lu42 Detailliert zum niederländischen EU-Verfassungsreferendum: Atzo Nicolai, Nederland & Europa. Van droom naar daad (Den Haag: Ministerie van Buitenlandse Zaken, 2006). 43 Hierzu: Siebo Janssen, Interview auf Phoenix am 1. Juni 2005 zum Ausgang des EU-Verfassungsreferendums in den Niederlanden und den Konsequenzen.

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xemburger Bevölkerung und versuchte diese gezielt für eine positive Stimmung pro-EU-Verfassung zu nutzen. Aber, anders als erwartet, wurde die Kampagne kein Selbstläufer für die Befürworter. Im Gegenteil, es schlossen sich sehr heterogene Gruppen wie die populistische Linke und die rechtspopulistisch-rechts­ radikale ADR  – vergleichbar der Zweckkoalition in den Niederlanden  – zusammen und argumentierten gegen den EU-Verfassungsvertrag. Betonte die populistische Linke die angebliche Militarisierung der EU und den Abbau sozialer Standards sowie den unterstellten neoliberalen Charakter der EU-Verfassung, so versuchte der ADR mit der Angst vor einem europäischen Superstaat und einem Verlust an nationaler Identität die Wähler von einem „Nein“ zu überzeugen.44 Die Befürworter waren von der massiven „Nein“-Kampagne offensichtlich überrascht und befürchteten in der Endphase bereits eine Art „Niederlandeeffekt“.45 Bei der Abstimmung am 10. Juli 2005 blieb das Worst-CaseSzenario zwar aus, aber überwältigend war das Votum für die EU-Verfassung letztendlich auch nicht. Am Ende stimmten ca. 56,5 % der Luxemburger für die EU-Verfassung, während 43,5 % dagegen stimmten. Zwar war dies ein klarer Sieg der Befürworter, aber ausgehend von dem luxemburgischen Ideal der Vorzeigeeuropäer und des massiven Engagements von Premierminister Juncker war das Ergebnis doch eher eine Enttäuschung. Die Gegner der EU-Verfassung feierten ihre ca. 43,5 % dann auch wie einen Sieg und als klare Absage an die EU.46 Für die Befürworter der EU-Verfassung waren die ca. 56,5 % zwar ein eindeutiger Sieg, doch waren diese über die hohe Zahl an „Nein“-Stimmen einigermaßen schockiert und die Abstimmung wurde allgemein als „Warnschuss“ dafür verstanden, dass auch das luxemburgische Volk einer immer weitergehenden Souveränitätsabgabe nicht uneingeschränkt zustimmen werde. Bei der Abstimmung fällt besonders die hohe Zahl der „Nein“-Stimmen in einigen Gemeinden des Südens, dem sogenannten „roten Land“ (aufgrund der ehemaligen Kohleund Stahlindustrie so benannt) auf. In diesem Gebiet südlich von Luxemburg, mit den Gemeinden Dudelange und Esch-sur-Alzette als größte kommunale Einheiten, ist der Strukturwandel noch nicht abgeschlossen und es herrscht eine höhere Arbeitslosigkeit als im Durchschnitt Luxemburgs. Dies erhöhte offen­ sichtlich die Bereitschaft der Bevölkerung in dieser Region, häufiger als im Durchschnitt mit einem „Nein“ beim Verfassungsreferendum zu stimmen. In

44 Zur Haltung der ADR : http://adr.lu/eudssr-ohne-volksbefragung/, zuletzt abgerufen am 10.  August 2016. Zur Kritik von Teilen der politischen Linken am EU-Verfassungsentwurf: Andre Hoffmann, Ist dies eine Verfassung? Kritische Anmerkungen zum Charakter des EU-Verfassungsentwurfs, in: forum 244, März 2005, 21–23. 45 Als „Niederlandeeffekt“ bezeichnet der Autor jenen Effekt, der in der niederländischen Kampagne lange Zeit ein „Ja“ prognostizierte und erst in den letzten 2–3 Wochen der Kampagne einen Wechsel zu einem „Nein“ deutlich werden ließ. Ursachen hierfür waren die massiven Kampagnen der EU-Verfassungsgegner und die schwache „Ja“-Kampagne der politischen Mehrheit. 46 http://adr.lu/eudssr-ohne-volksbefragung/, zuletzt abgerufen am 10. August 2016

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einigen kleineren Gemeinden des Südens ging die Zahl der „Nein“-Stimmen auf bis zu ca. 60 % hoch. Besonders bitter waren diese Ergebnisse für die luxemburgischen Sozialdemokraten der LSAP  – hatten diese hier doch ihre politischen Hochburgen. Die „Nein“-Kampagne der kommunistischen KPL , die ihren Parteisitz in Esch-sur-Alzette hat, wie auch des antieuropäischen ADR motivierte offenbar auch zahlreiche Wähler der LSAP zu einem „Nein“, offensichtlich aus Angst vor dem Verlust sozialstaatlicher Errungenschaften und der politischen Souveränität Luxemburgs – insbesondere in der Sozialpolitik – wie sie von den beiden populistisch-radikalen Parteien geschürt wurde.47 Trotz der Zustimmung Luxemburgs und Spaniens in Referenden, der Ratifizierung durch den deutschen Bundestag und Bundesrat sowie weiterer nationaler Parlamente war die EU-Verfassung mit dem ablehnenden Votum Frankreichs und der Niederlande faktisch hinfällig. Zumal sowohl die französische wie auch die niederländische Regierung erklärten, dass das Votum der Wähler zu akzeptieren sei und es dieses als faktisch bindend angesehen werden müsse. Einen neuen EU-Vertrag ohne die beiden EWG -Gründungsmitglieder Frankreich und Niederlande zu beschließen, schien dann auch den anderen Mitgliedstaaten undenkbar. Gleichsam war mehr als deutlich, dass die EU nach ihrer bis dato größten Erweiterungsrunde um zehn Mitgliedstaaten 2004 dringend einer neuen institutionellen Architektur bedurfte. Nach dem „Verfassungsschock“ setzte vordergründig erst einmal eine Lähmung der politischen Akteure auf europäischer Ebene ein. Diese, etwas euphemistisch „Reflexionsphase“ genannte, Zeit wurde allerdings von einzelnen Mitgliedstaaten dazu benutzt, einen „Plan B“ zu entwickeln. Die zentrale Frage lautete: Wie kann der Kern des Verfassungsvertrages gesichert werden, ohne die Idee einer europäischen Verfassung wiederzubeleben? Schon bald wurde deutlich, dass vor allem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wie auch der luxemburgische Premier Juncker daran arbeiteten, einen Verfassungsvertrag „light“ zu entwerfen. Deutlich wurde, dass weder in Frankreich noch den Niederlanden und den osteuropäischen Staaten eine so weitgehende Vertiefung durchsetzbar war, wie dies der ursprüngliche EU-Verfassungsvertrag vorsah. Andererseits war allen Akteuren klar, dass es notwendig sein würde, der EU einen deutlichen Schub in Richtung Europäisierung zu geben, da sonst eine fundamentale Krise des europäischen Integrationsprozesses drohen würde.48 In langen und schwierigen Verhandlungen einigten sich die 25 Staats- und Regierungschefs letztendlich auf den Verzicht aller europäischen Symbolik, wie z. B. einer offiziellen EU-Flagge, EU-Hymne, und versuchten, gerade im Bereich

47 Andre Hoffmann, Alternativen unerwünscht, in: forum 329, Mai 2013, 20. 48 Zu den Details der Verhandlungen und Ergebnisse: Andreas Hofmann/Wolfgang W ­ essels, Eine dauerhafte Verfassung für Europa? Die Beantwortung konstitutioneller Grund­ fragen durch den Vertrag von Lissabon, in: Frank Decker/Marcus Höreth (eds.), Die Verfassung Europas. Perspektiven des Integrationsprojekts (Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2009), 69–95.

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der institutionellen Voraussetzungen, eine stärkere Balance zwischen intergouvernementalen Ansprüchen und supranationalen Erfordernissen zu finden, als dies noch in der EU-Verfassung der Fall war.49 Letztendlich war das Ergebnis der Vertrag von Lissabon, der am 13. Dezember 2007 von den – nunmehr 27 – Mitgliedstaaten50 unterzeichnet wurde. Der Vertrag stellt tatsächlich in vielerlei Hinsicht eine „abgespeckte“ EU-Verfassung dar, ist aber gerade in institutionellen Fragen, in Bezug auf die Kompetenzübertragungen auf die EU-Organe sowie bezüglich der Vertiefung der GASP deutlich vorsichtiger als der EU-Verfassungsvertrag es war.51 Das kurzfristige Scheitern des Lissabon-Vertrages an einem Referendum in Irland 2008 kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Vertrag, der in einem zweiten Referendum 2009 auch in Irland ratifiziert wurde, einen deutlichen Schritt in Richtung Vertiefung des europäischen Integrationsprozesses darstellt und somit mehr als nur der klassische Kompromiss zwischen 27 Mitgliedstaaten der EU ist. Vielmehr kann festgehalten werden, dass, bei aller Reduzierung des europäischen Pathos (gemeinsame Hymne, gemeinsame Flagge etc.) der Kernbestand des EU-Verfassungsvertrages im Wesentlichen gewahrt blieb und somit auch wesentliche Kernforderungen, die die luxemburgische Regierung sowie ein Großteil der Oppositionsparteien als unbedingt notwendig für einen neuen Vertrag erachteten, ihren Niederschlag in diesem fanden. Herauszustellen ist in diesem Zusammenhang sicherlich noch einmal die deutlich stärkere Rolle des Europäischen Parlaments (EP) gegenüber den vorherigen Verträgen, so wie der Wille, die EU transparenter und demokratischer zu gestalten. Dazu gehört u. a. die Europäische Grundrechtscharta, die Möglichkeit für EUBürger europaweite Referenden durchzuführen und die verstärkte Transparenz der Beschlussfassungen in den Ministerräten und der ­EU-Kommission. Alle drei Punkte ­standen auch deutlich auf der Agenda der luxemburgischen Regierung­ während der Vertragsverhandlungen. Das diese dann auch als wesentliche Bestandteile des Vertrages in die nationalen Öffentlichkeiten kommuniziert wurden, hat sicherlich einerseits einen eher politischen Charakter, um eine weit verbreitete Skepsis gegenüber der EU zumindest abzuschwächen, ist aber ande-

49 Eine sehr detaillierte Übersicht über den gesamten Verhandlungsprozess vermittelt aus verschiedenen Perspektiven – politikwissenschaftlich, historisch und juristisch: Decker/ Höreth (eds.), Die Verfassung Europas; sowie ergänzend: Christian D. Falkowski, Europa für uns. Warum wir Europa brauchen, (Baden-Baden: Nomos, 2011). Zur Rolle Luxemburgs an den Post-EU-Verfassungsprozess: Jürgen Stoldt, Was tun? Luxemburgs nächste Aufgabe, in: forum 247/248, Juni 2005, 4–6; und Mario Hirsch, Luxemburg und die europäische Integration, in: Lorig/Hirsch (eds.), Das politische System Luxemburgs, 330–343. 50 Zum 1. Januar 2007 sind Bulgarien und Rumänien der EU beigetreten. 51 Eine Einschätzung aus der Sicht des EP nimmt Hans-Gert-Pöttering (EVP) in seinem Beitrag vor: Hans-Gert Pöttering, Von Rom nach Lissabon. Die europäische Perspektive, in: Decker/Höreth (eds.), Die Verfassung Europas, 19–30; aus der Sicht der National­staaten: Josef Isensee, Europäische Nation? Die Grenzen der politischen Einheitsbildung Europas, in: ibd., 254–280.

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rerseits auch das Ergebnis eines intensiven Einsatzes für eine demokratisiertere und transparentere EU, die die Entwicklung einer europäischen Identität begünstigen soll.52

V.

Luxemburg als europäischer Akteur? Eine kritische Bestandsaufnahme zwischen EU, der Großregion-Saarlorlux und der Benelux-Union

Luxemburg hat sich seit der Gründung der EWG immer als zentraler europäischer Akteur verstanden. Zugleich hat Luxemburg auch kontinuierlich versucht, die regionale Kooperation zu verstärken und dadurch politische Bündnisse zu gerieren, die ihm im europäischen und globalen Kontext Einflussmöglichkeiten schaffen bzw. sichern konnten. Die beiden herausragenden Beispiele für diesen Ansatz stellen die BeneluxUnion und die Großregion Saarlorlux dar. Die Benelux-Union geht zurück auf die gemeinsamen Pläne einer Zollunion zwischen Belgien, den Niederlanden und Luxemburg, die noch während des zweiten Weltkriegs, im September 1944, von den Exilregierungen der drei Staaten in London im „Vertrag zur Einführung einer Zollunion“ eingeführt wurde.53 Ziel dieser Benelux-Union war und ist es, den drei Staaten ein größeres Gewicht innerhalb der europäischen und internationalen Politik zu verleihen. Gerade Luxemburg hat stets die Wichtigkeit einer engen Abstimmung innerhalb der­ Benelux-Union betont,54 zugleich aber auch immer versucht, ein positives Verhältnis zu seinen beiden großen Nachbarstaaten Frankreich und Deutschland zu unterhalten. Dazu versuchten die beteiligten administrativen und politischen Einheiten im Saarlorlux-Raum55 seit den 1970er-Jahren, unter wesentlicher Beteiligung Luxemburgs, eine gemeinsame Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zu konzipieren. 1995 kann dann als offizielles Geburtsjahr der Großregion gelten, als im luxemburgischen Mondorf-les-Bains der erste Gipfel der Großregion stattfand. Im Laufe der Jahre folgten weitere Integrationsschritte, wie z. B. gemeinsame Ka52 Hierzu sehr treffend: Thomas Meyer, Europäische Identität als politisches Projekt, in: ibd., 237–253. 53 Zur Sichtweise der Niederlande auf die Benelux-Union: Friso Wielenga, Die Benelux aus niederländischer Perspektive, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 8 (2008), Themenheft Benelux, 13–19. 54 Ausführlicher zur Rolle Luxemburgs im Kontext der Benelux-Union: Stoldt, Luxemburg – Kern Europas; und Mario Hirsch, Benelux, ein Motor der europäischen Integration, in: Danuta Kneipp/Eckart Stratenschulte (eds.), Staatenkooperation in der EU und darüber hinaus (Opladen: Leske + Budrich, 2003), 43–50. 55 Der Saar-Lor-Lux-Raum als Großregion umfasst die folgenden Gebiete: Großherzogtum Luxemburg, die deutschen Bundesländer Rheinland-Pfalz und Saarland, die zwei französischen Departements Lorraine (Lothringen) sowie die Wallonische Region und Deutschsprachige Gemeinschaft (DG) Belgiens.

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binettssitzungen der politischen Einheiten, die Gründung einer interregionalen Arbeitsmarktbeobachtungsstelle 1998 sowie die Bewerbung und Durchführung des gemeinsamen Projekts Kulturhauptstadt Europas Luxemburg 2007. Sowohl für die deutschen wie auch die französischen und belgischen Partner ist die Großregion stets ein wesentlicher Bezugspunkt gewesen, gleichsam ist die Großregion nur für Luxemburg eine zentrale Frage seines politischen Agierens. Dies liegt ganz wesentlich daran, dass Luxemburg  – als europäischer Kleinststaat  – keinerlei Hinterland hat auf das es sich politisch und ökonomisch beziehen könnte. Luxemburg steht für den luxemburgischen Staat, während alle anderen Einheiten der Großregion über ein administratives und politisches „Hinterland“ verfügen. Lothringen hat als Bezugspunkt Frankreich, die deutschen Bundesländer die Bundesrepublik Deutschland und selbst das notorisch zerstrittene Belgien gibt der Wallonie und der Deutschsprachigen Gemeinschaft (DG) einen Bezugsrahmen.56 Um diesen eklatanten Nachteil auszugleichen, ist Luxemburg gleichsam auf eine enge und nachhaltige Zusammenarbeit mit seinen Nachbarregionen angewiesen – ist doch der ökonomische Austausch sowie die Durchlässigkeit für Waren und Personen eine zentrale Voraussetzung für ökonomische Prosperität und politische Stabilität. Luxemburg hat durch ein starkes Engagement in der Benelux-Union und der Großregion Saarlorlux aus der vermeintlichen Schwäche des Kleinstaats eine zentrale Stärke gemacht und nach dem Niedergang der Kohle- und Stahlindustrie in den 1960er-Jahren einen Wechsel hin zu einer regional und europäisch verankerten Dienstleistungsgesellschaft geschaffen. Die grundsätzliche ökonomische Prosperität und politische Offenheit Luxemburgs sind somit einerseits ein Resultat der verschiedenen Integrationsebenen, andererseits aber auch Voraussetzung für die dauerhafte Entwicklung des luxemburgischen Staates. Das Streben Luxemburgs nach einer vertieften Integration sowohl auf der Ebene der EU, wie auch innerhalb der Benelux-Union und der Großregion sind daher nicht nur als europäischer Idealismus zu sehen, sondern auch als klare realpolitische Interessen- und Einflusswahrung.57

56 Zur politischen Situation Belgiens im Rahmen seines Föderalisierungsprozesses siehe: Siebo Janssen, Belgien – Modell für eine föderal verfasste EU ? Die Föderalisierung Belgiens im Kontext der Europäischen Integration, in: ZEI-Discussion Paper 150 (2005). 57 Ausführlich zu Zielen und Aufgaben der Großregion und zu den Motiven der Akteure innerhalb der Großregion: Bernd Groß/Christian Wille/Claude Gengler/Patrick Thull, SaarLorLux von A-Z (Baden-Baden: Nomos, 2006); sowie zur historischen und politischen Entwicklung von Grenzregionen: Christoph Duhamelle/Andreas Kossert/Bernhard Struck (eds.), Grenzregionen. Ein europäischer Vergleich vom 18. bis zum 20. Jahrhundert (Frankfurt/Main: Campus-Verlag, 2007).

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VI. Fazit: Luxemburg als europäische „Großmacht“ und Wegbereiter eines „Kerneuropas“? Als wenige Tage nach dem britischen Referendum über den „Brexit“ der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier seine fünf Kollegen aus den Gründerstaaten der EG zu einem Krisentreffen nach Berlin einlud, konnte dies durchaus als Signal verstanden werden: der Kern Europas – gleichsam die Gründungsmitglieder der EG und Vordenker des vereinten Europas – findet wieder zusammen und versucht eben diesen in einer Zeit der europäischen Krisen und der zunehmenden Zentrifugalkräfte zu stärken. Luxemburg hat die Idee eines Kerneuropas immer als eine mögliche Alternative gesehen, falls der Prozess der ever closer union politisch scheitern sollte. Zwar haben die luxemburgischen Regierungen ein solches Kerneuropa niemals offensiv vertreten, allerdings war unterschwellig immer eine Zustimmung zu solchen Ideen vorhanden.58 Wie bereits weiter oben dargestellt wurde, hat Luxemburg immer in erster Linie auf eine Vertiefung des europäischen Integrationsprozesses gesetzt und die diversen Erweiterungsrunden zwar unterstützt, jedoch immer an eine Vertiefung des europäischen Integrationsprozesses gekoppelt. Wenn jetzt, in einer Krisenhochphase der EU, wieder offen über ein Kerneuropa diskutiert wird, um die EU zukünftig handlungsfähiger zu machen, so steht der seit November 2014 amtierende EU-Kommissionspräsident Juncker dieser Idee durchaus nahe – auch wenn er in dieser Funktion eine andere offizielle Linie – jene des die gesamte EU umfassenden Integrationsprozesses – vertreten muss. Hinzu kommt sicherlich, dass mit der deutschen Einheit, entgegen vieler Befürchtungen, Deutschland zu einem faktischen Integrationskern geworden ist, da es, aufgrund seiner Geschichte und seiner ökonomischen Stärke ein elementares Interesse an der Weiterentwicklung und Vertiefung des Integrations­ prozesses hat. Faktisch ist die Bundesrepublik seit 1990 Schritt für Schritt zu einem wesentlichen Akteur der möglichen Entwicklung eines Kerneuropa geworden, wie sich bereits beim Euro, Schengen und auch den Vorstößen für eine Gemeinsame Asyl- und Flüchtlingspolitik gezeigt hat. Was anfänglich als Risiko der Wiedervereinigung gesehen wurde, die zukünftige politische und ökono­ mische Stärke Deutschlands, hat sich im Laufe der Jahre als stabilisierendes Moment der EU-Integration bewiesen. Die gegenwärtige luxemburgische Regierung aus Liberalen (DP), Sozialdemo­ kraten (LSAP) und Grünen (Dei Greng) hingegen vertritt durchaus selbstbe­ wusst die Idee einer stärkeren Integration  – gegebenenfalls auch im Rahmen eines Kerneuropas.59 58 Stoldt, Was tun? 59 Hierzu grundsätzlich für die zukünftige Politik Luxemburgs in der EU: Stoldt, Luxemburg – Kern Europas, 25.

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Ein solches verstärktes Engagement für ein Kerneuropa  – wie es ja auch bereits die Schengen- und Eurozone darstellen, deren beider Bildung durch Luxem­burg wesentlich angestoßen wurde  – würde die Einflussmöglichkeiten der luxemburgischen Europapolitik deutlich stärken und darüber hinaus die vertiefte Integration sowie die lange Zeit im politischen Raum zurückgestellte Diskussion über die Finalität der europäischen Integration mit neuem Leben füllen und der luxemburgischen Idealvorstellung eines föderalen Bundesstaates Europa sicherlich Auftrieb geben. Darüber hinaus wird Luxemburg versuchen, die Zusammenarbeit der Benelux-Union wie auch der Großregion Saarlorlux weiter auszubauen und somit den einzelnen Integrationsschritten im Rahmen der EU oder eines vertieften Kerneuropas vorzugreifen und so gangbare Wege für eine Vertiefung von Integrationsschritten auf verschiedenen politischen und administrativen Ebenen aufzeigen. Ziel dieser Integrationspolitik wäre eine weitgehende Euregionalisierung und Europäisierung Luxemburgs, das sich, heute stärker denn je, seiner Abhängigkeit und seiner Chancen im Kontext einer starken EU und einer starken grenzüberschreitenden Regionalisierung bewusst ist. Die hier vorgenommene Darstellung der Europapolitik Luxemburgs soll  – überblicksartig – darstellen, wie das Großherzogtum sich, geprägt durch seine politischen Eliten und durch politische und ökonomische Notwendigkeiten, zu einem wesentlichen europapolitischen Akteur und Motor des europäischen Integrationsprozesses seit Beginn dieses Prozesses in den 1950er-Jahren und verstärkt seit 1989 entwickelt hat. Aufgezeigt wird auch, dass ein breiter europapolitischer Konsens innerhalb der traditionellen Parteien der politischen Mitte von Christdemokraten bis zu den Grünen besteht. Allerdings hat das EU-Verfassungsreferendum vom Juli 2005 gezeigt, dass auch in der luxemburgischen Gesellschaft und gerade in jenen Teilen, die durch den Strukturwandel seit den 1960er-Jahren besonders betroffen sind, ein offensichtlicher Unfriede, zumindest aber eine weitverbreitete Gleichgültigkeit gegenüber Fragen der euro­ päischen Integration besteht. Die politischen, intellektuellen und ökonomischen Eliten hingegen setzen, sei es aus gefühlter und realer Notwendigkeit, sei es aus politischer Überzeugung, verstärkt auf eine immer engere Zusammenarbeit im europäischen und regionalen Kontext. Trotz aller Schwierigkeiten und dem auch in Luxemburg vorhandenen Skeptizismus, wie die Abstimmung über die EU-Verfassung 2005 gezeigt hatte, kann Luxemburg weiterhin als Musterbeispiel für eine europäisierte Gesellschaft gelten. Dass dies nicht lediglich aus europapolitischer Überzeugung, sondern wesentlich aus politischer und ökonomischer Notwendigkeit passiert, um eine gewisse Bedeutung innerhalb der EU zu wahren, dürfte dabei kaum verwundern. Luxemburg ist in diesem Sinne sehr typisch und zugleich untypisch im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten. Typisch, weil es die europäische Integration in erster Linie als Möglichkeit zur eigenen Nutzenmaximierung innerhalb der EU sieht, untypisch deshalb, weil Luxemburg als einer der wenigen Mitgliedstaaten bereit ist, um der politischen und ökonomischen Vorteile willen

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wesentliche Souveränitätsrechte an die EU bzw. niederschwellige Institutionen, wie die Großregion und die Benelux-Union, abzugeben. In diesem Sinne könnte Luxemburg in ferner Zukunft Modell für einen europäisch integrierten Nationalstaat stehen der diese Integration nicht als Bedrohung sondern als Chance sieht, im 21.  Jahrhundert Politik in einem europäischen und globalen Kontext (mit)zugestalten.

VI. Die Staaten Ost- und Mitteleuropas

Andreas Schmidt-Schweizer

Die deutsche Einheit als Herausforderung für Ungarn 1989/90

Das Thema „Ungarn und die deutsche Einheit“ wurde bislang, auch zum – von zahlreichen Publikationen begleiteten  – 25.  Jubiläum der Vereinigung,1 weder in Ungarn noch in der Bundesrepublik von der Wissenschaft aufgegriffen. Prinzipiell ist zur Geschichte der deutsch-ungarischen Beziehungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts festzustellen, dass gegenwärtig eine umfassende populäre oder wissenschaftliche Gesamtdarstellung zu diesem Thema noch aussteht.2 Näher beleuchtet wurden bisher nur Einzelaspekte der deutsch-ungarischen Beziehungsgeschichte3 und – im Rahmen der Geschichte der bilateralen 1 Zu den Publikationen, die aus diesem Anlass mit Blick auf andere Staaten, insbesondere auf die einstigen Siegermächte, entstanden sind, siehe die Beiträge meiner Kollegen sowie die Einleitung in diesem Band bzw. vgl. die dortigen Literaturverweise. 2 Einen skizzenhaften Überblick bieten Ádám Masát, Ungarn und die Herausbildung der Beziehungen zu den beiden deutschen Staaten zwischen 1949 und 1989, in: Gábor Újváry/ Gergely Prőhle (eds.), Chronik des wiederholten Neubeginns 1867–2001. Deutsch-ungarische diplomatische Beziehungen (Budapest: Corvina Verlag, 2001), 135–164; Andreas SchmidtSchweizer/Tibor Dömötörfi, A magyar-nyugatnémet kapcsolatok dinamikus időszaka. A diplomáciai kapcsolatok felvételétől a határnyitásig, 1973–1989 [Die dynamische Phase der ungarisch-westdeutschen Beziehungen. Von der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen bis zur Grenzöffnung, 1973–1989], in: Külügyi Szemle 13 (2014) 4, 19–43; Attila Pók, Wendepunkte der deutsch-ungarischen politischen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Haus der Geschichte Baden-Württemberg & Kulturinstitut der Republik Ungarn (eds.), Ungarn und Deutsche. Eine besondere Beziehung (Tübingen: Silberburg-Verlag, 2002), 151–165. 3 Siehe hierzu exemplarisch Holger Fischer (ed.), Deutsch-ungarische Beziehungen in Naturwissenschaft und Technik nach dem Zweiten Weltkrieg (München: Oldenbourg, 1999); István Horváth/István Németh, …és  a falak leomlanak. Magyarország és  a német egység (1945–1990) [… und die Mauern stürzen ein. Ungarn und die deutsche Einheit ­(1945–1990)], (Budapest: Magvető Verlag, 1999); Andreas Schmidt-Schweizer/Tibor Dömötörfi, Adenauer és a keleti „olvadás“. Az NSZK , a Szovjetunió és Magyarország 1955/1956 [Adenauer und das „Tauwetter“ im Osten. Die BRD, die Sowjetunion und Ungarn 1955/1956], in:­ Világtörténet 30 (2008) 2, 59–66; Andreas Schmidt-Schweizer/Tibor Dömötörfi, Meghívás „vadászatra, magánemberként“. Franz Josef Strauß első látogatása Magyarországon, 1977 [Einladung „zur Jagd, als Privatperson“. Franz Josef Strauß erster Besuch in Ungarn, 1977], in: Történelmi Szemle 54 (2012) 4, 653–666; István Sziklai, Szemelvények Magyarország és az NSZK kapcsolatából: Kádár János és Willy Brandt [Fragmente aus den Beziehungen Ungarns und der Bundesrepublik: János Kádár und Willy Brandt], in: Múltunk 54 (2009) 1, ­45–64. Einzelne Aspekte der deutsch-ungarischen Beziehungen werden zudem in einer

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Beziehungen – die ungarische Grenzöffnung vom August/September 1989.4 Aufschlussreich für die (west)deutsch-ungarischen Beziehungen in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre sind überdies die Erinnerungen des ehemaligen ungarischen Botschafters in Bonn István Horváth.5 Die Tatsache, dass das Thema „deutsche Einheit und Ungarn“ bisher keine Aufmerksamkeit erfahren hat, ist insofern wenig verwunderlich, als Ungarn zwar mit der Grenzöffnung vom 11. September 1989 den „ersten Stein aus der [Berliner] Mauer geschlagen“ hatte,6 Budapest aber auf den folgenden Vereinigungsprozess selbst bzw. auf die Gestaltung der deutschen Einheit keinen Einfluss nehmen konnte.7 Trotz der Tatsache, dass Ungarn – im Gegensatz zu den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs und selbst zu Polen  – also kein Akteur dieses deutschland-, europa- und weltpolitischen Prozesses war, ist es dennoch durchaus begründet, dieses Thema, wenn auch aus einem anderen Blickwinkel, zu beleuchten. Das Ergebnis des Vereinigungsprozesses 1989/90, also die deutsche Einheit, stellte nämlich nicht nur das vereinte Deutschland Jahrzehnte hindurch – im Grunde bis in die Gegenwart – vor gewaltige Aufgaben, sondern bildete auch für Ungarn – zumindest für eine mehrjährige Übergangszeit  – eine besondere Herausforderung: Budapest musste in einer Zeit eigener­ jüngst erschienen Monografie zur ungarischen Außenpolitik von 1956 bis 1988 behandelt (György Földes, Kádár János külpolitikája és nemzetközi tárgyalásai [János Kádárs Außenpolitik und seine internationalen Verhandlungen] (Budapest: Napvilág Verlag, 2015). 4 Siehe hierzu vor allem Andreas Oplatka, Der erste Riss in der Mauer. September 1989  – Ungarn öffnet die Grenze (Wien: Zsolnay, 2009); György Gyarmati/Krisztina Slachta (eds.), Das Vorspiel für die Grenzöffnung. Das Paneuropäische Picknick in Sopron am 19. August 1989 (Sopron/Budapest: L’Harmattan Verlag, 2014); Andrea Brait/Michael Gehler (eds.), Grenzöffnung 1989. Innen- und Außenperspektiven und die Folgen für Österreich (= Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für Politisch-Historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek; Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2014); Maximilian Graf/Alexander Lass/ Karlo Ruzicic-Kessler (eds.), Das Burgenland als internationale Grenzregion im 20.  und 21. Jahrhundert (Wien: Neue Welt Verlag, 2012). 5 Eines der von Horváth verfassten Bücher liegt auch in deutscher Übersetzung vor: István Horváth, Die Sonne ging in Ungarn auf. Erinnerungen an eine besondere Freundschaft (München: Universitas Verlag, 2000). 6 Mit diesem, seither unzählige Male wiederholten Ausspruch erinnerte Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner Berliner Rede am 4. Oktober 1990, einen Tag nach der Vereinigung, seine Landsleute an die bedeutende Rolle, die Ungarn, d. h. die ungarische Regierung unter Ministerpräsident Miklós Németh und Außenminister Gyula Horn, bei der Ingangsetzung des dynamischen Prozesses, der – über die Schwächung und den Sturz des Honecker-Regimes – schließlich zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten führte, gespielt hatte. 7 Diesbezüglich gab sich die ungarische Diplomatie, wie aus einer Analyse der „deutschen Arbeitsgruppe“ des ungarischen Außenministeriums vom Mai 1990 hervorgeht, auch keinen Illusionen hin: „Ungarn kann nicht zu einem Faktor der Beeinflussung des Vereinigungsprozesses werden […].“ Aufzeichnung des ungarischen Außenministeriums über die Auswirkungen der deutschen Vereinigung auf Europa und Ungarn vom 24. Mai 1990, Ungarisches Nationalarchiv  – Staatsarchiv (im Folgenden MNL OL), XIX-J-1-j 1990, 53. d., 0077/28/1990, (ohne Paginierung).

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radikaler politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umbrüche8 und eines tief greifenden politischen Elitenwechsels9 seine zukünftigen Beziehungen zum vereinten Deutschland strategisch bestimmen. Hierbei ging es in erster Linie darum, die bisher aufgebauten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu West- und Ostdeutschland in die Zeit nach der Vereinigung hinüberzuretten bzw. negative Folgen der Einheit für Ungarn zu vermeiden. Eine angemessene Reaktion war insofern besonders wichtig, als Ungarn zum einen – in größerem Maße als alle anderen osteuropäischen Länder – sehr enge und breit gestreute Beziehungen zu beiden deutschen Staaten entwickelt hatte, und zum anderen wegen seiner ineffizienten Wirtschaftsordnung und nicht zu finanzierenden „sozialistischen Lebensstandardpolitik“ im Laufe der 1980erJahre in starke wirtschaftlich-finanzielle Abhängigkeit von der Bundesrepublik geraten war. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass bereits zuvor die ungelöste deutsche Frage nach dem Zweiten Weltkrieg, also der Problemkomplex der deutschen Zweistaatlichkeit, für Ungarn vier Jahrzehnte hindurch eine nicht geringe Herausforderung dargestellt hatte. Sie zwang Budapest nämlich, eng verbunden mit der Entwicklung des Ost-West-Verhältnisses und der ost- bzw. westdeutsch-ungarischen Beziehungen, zwischen beiden deutschen Staaten zu lavieren. Dieser Zwang wurde mit der dynamischen Entwicklung der westdeutsch-ungarischen Wirtschaftsbeziehungen seit Mitte der 1960er-Jahre und vor allem seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Bonn und Budapest Ende Dezember 1973 immer größer. Ungarn war seitdem nicht nur auf dem Gebiet der wirtschaftlichen und politisch-diplomatischen Kontakte, sondern auch im – politisch-ideologisch besonders heiklen – Bereich der Kulturbeziehungen gezwungen, einen „Seiltanz“ zwischen dem „kommunistischen Bruderland“ Ostdeutschland und dem „internationalen Klassenfeind“, aber zugleich auch größten kapitalistischen Handelspartner Westdeutschland zu vollführen.10 Der Zwang des Manövrierens erreichte schließlich im Sommer 1989 seinen Höhepunkt, als sich die Budapester Führung in der Frage der DDRFlüchtlinge in Ungarn letztlich zugunsten einer der beiden deutschen Staaten entscheiden musste. Die – ganz in der Logik des ungarischen Westöffnungskurses und Transformationsprozesses stehende – Entscheidung erfolgte bekanntlich

8 Ausführlich zum politischen und ökonomischen Systemwechsel in Ungarn siehe Andreas Schmidt-Schweizer, Politische Geschichte Ungarns von 1985 bis 2002. Von der liberalisierten Einparteienherrschaft zur Demokratie in der Konsolidierungsphase (München: Oldenbourg, 2007). 9 Zum Elitenwechsel in Ungarn siehe Zoltán T. Pállinger, Die politische Elite Ungarns im Systemwechsel 1985–1995 (Bern/Stuttgart/Wien: Verlag Paul Haupt, 1997). 10 Zu den deutsch-deutsch-ungarischen Kulturbeziehungen siehe Andreas Schmidt-Schweizer, Im Spannungsfeld von Kaltem Krieg und Deutscher Frage. Die Kulturbeziehungen­ zwischen der Volksrepublik Ungarn und den beiden deutschen Staaten (1949–1989) (in Vorbereitung).

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zugunsten der Bundesrepublik, also für eine Ausreise der DDR-Bürger in Richtung Westen.11 In Folgenden werde ich erstens einige Bemerkungen zu den ost- bzw. westdeutsch-ungarischen Beziehungen seit 1949 machen, denn ohne diesen historischen Hintergrund ist das Ausmaß der Herausforderungen, vor die die ungarische Politik durch die deutsche Vereinigung vor einem Vierteljahrhundert gestellt wurde, kaum verständlich. Zweitens folgt ein Blick auf die Haltung der ungarischen Medien und Politik zur deutschen Vereinigung und auf ihre Hintergründe. Drittens lege ich die zahlreichen Herausforderungen dar, vor die sich Ungarn infolge der Herstellung der deutschen Einheit 1989/90 gestellt sah, sowie die politischen Schritte, mit denen die ungarische Diplomatie auf diese Herausforderungen reagierte bzw. reagieren wollte. Und viertens gebe ich einen skizzenhaften Ausblick auf die Entwicklung der bilateralen Beziehungen in den folgenden zweieinhalb Jahrzehnten.

I.

Die ost- bzw. westdeutsch-ungarischen Beziehungen seit 1949

Ungarns Beziehungen zur DDR wurden bereits kurz nach der Gründung des ostdeutschen Teilstaats im Oktober 1949 – durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen sowie durch zahlreiche bi- und multilaterale Verträge  – unter den Rahmenbedingungen des östlichen Bündnissystems geregelt. In den folgenden Jahrzehnten gewann die DDR große wirtschaftliche Bedeutung für Ungarn und war bis 1977 zweitwichtigster (nach der Sowjetunion), dann (bis 1989) drittwichtigster Handelspartner des Donaustaates. Und auch im kulturellen Bereich bestanden sehr enge Beziehungen. Bis Mitte der 1980er-Jahre verfügte die DDR nahezu über eine Monopolstellung bei der Repräsentation der deutschen Kultur in Ungarn, beim Unterricht der deutschen Sprache sowie bei den offiziellen Kontakten zur ungarndeutschen Minderheit. Das politische Verhältnis zwischen Budapest und Ostberlin war ein korrektes, formalisiertes Verhältnis – so, wie es zwischen den sogenannten Bruderländern unter der Aufsicht des „großen Bruders“ 11 Der Verfasser vertritt – im Gegensatz zu Andreas Oplatka – die Auffassung, dass es für die ungarische Regierung, nachdem Moskau Ungarn freie Hand bei der Entscheidung der Frage gelassen hatte, keine realistische Alternative zur Grenzöffnung gab. Diesbezüglich sei – unter anderem – auf die gewaltige wirtschaftliche und finanzielle Abhängigkeit Ungarns von der Bundesrepublik verwiesen sowie darauf, dass die Regierung von Ministerpräsident Miklós Németh andernfalls ihre Politik der Westöffnung und Demokratisierung völlig diskreditiert hätte. Vgl. Andreas Schmidt-Schweizer, Die Öffnung der ungarischen Westgrenze für die DDR-Bürger im Sommer 1989. Vorgeschichte, Hintergründe und Schlussfolgerungen, in: Südosteuropa Mitteilungen 37 (1997) 1, 33–53, 53; Andreas Schmidt-Schweizer, Beziehungen mit besonderem Charakter, in: Budapester Zeitung, 29.  November 2014 (http://www.budapester.hu/2014/11/29/beziehungen-mitbesonderem-charakter; zuletzt abgerufen am 10. Januar 2016).

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üblich war. Allerdings sorgten vor allem die ökonomischen und politischen Reformen unter János Kádár seit Mitte der 1960er-Jahre wiederholt für Störungen im Verhältnis zur dogmatischen DDR-Führung. Zu verschärften politischen Konflikten kam es schließlich 1987/88, als Ungarn radikale wirtschaftliche und politische Veränderungen implementierte, die die Gesellschaftssysteme beider Staaten immer weniger kompatibel machten, und die Ende 1988/Anfang 1989 in den ungarischen Systemwechsel mündeten. Die Ausreisegenehmigung für die DDR-Bürger im September 1989 gab den politischen Beziehungen zum – kurze Zeit später gestürzten  – Honecker-Regime schließlich den „Todesstoß“. Neue politische Kontakte Ungarns zu den Regierungen Modrow und de Maizière entwickelten sich im folgenden Jahr nur ansatzweise, die in den Jahrzehnten zuvor aufgebauten, oft langfristig vertraglich geregelten Beziehungen zwischen Budapest und Ostberlin in den Bereichen Wirtschaft und Kultur bestanden allerdings bis zur Vereinigung weiter. Währenddessen hatten sich in den ersten anderthalb Jahrzehnten nach 1949 zwischen der Bonner Republik und der Volksrepublik Ungarn nur marginale Beziehungen entwickelt, die sich im Wesentlichen auf die – pragmatisch gehandhabte – Sphäre des Handels beschränkten. Offizielle kulturelle, politische oder gar diplomatische Kontakte konnte es unter den damaligen weltpolitischen Verhältnissen nicht geben. Mit der Unterzeichnung des ersten bilateralen Handelsvertrags und der Errichtung von Handelsvertretungen 1963/64 setzte dann eine dynamische Weiterentwicklung der kommerziellen Beziehungen ein. Die Bundesrepublik wurde dadurch 1978 zum zweitgrößten, in technisch-qualitativer Hinsicht besonders interessanten Handelspartner Ungarns, nach der Sowjetunion und vor der DDR . Seit den 1970er-Jahren kam es auch zu zahlreichen Unternehmenskooperationen, zur Gründung erster gemischter Unternehmen und schließlich, ein Jahrzehnt später, auch zu intensiven Finanzbeziehungen: Im Oktober 1987 gewährten bundesdeutsche Banken Ungarn  – wie zuvor im Falle der DDR und ebenfalls unter tatkräftiger Mitwirkung des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß  – einen staatlich verbürgten Milliardenkredit. Und im Juni 1989, also noch vor der Ausreise der DDR-Bürger aus Ungarn, beschlossen die Bundesregierung sowie Bayern und Baden-Württemberg, eine weitere Milliarden-Bürgschaft zu übernehmen. Besondere politische Beziehungen zwischen Bonn und Budapest begannen sich nach der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen im Dezember 1973 zu entwickeln. Nicht zuletzt auch angestoßen durch persönliche Sympathien führender Politiker in beiden Ländern (siehe das gute Verhältnis zwischen Brandt bzw. Schmidt und Kádár) weiteten sich diese Kontakte in den folgenden anderthalb Jahrzehnten kontinuierlich aus und erfuhren auch während des wiederauflebenden Kalten Krieges in den Jahren von 1979 bis 1985 keinen substanziellen Bruch. In diesen Jahren kam den beiden Ländern sogar eine gewisse „Brückenfunktion“ zwischen Ost und West zu. In der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre setzte dann eine besonders dynamische Phase in den politischen Beziehungen ein. Vor allem das ungarische Ziel, eine sogenannte regulierte Marktwirtschaft einzuführen und radikale poli-

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tische Reformen zuzulassen, stieß 1987/88 auf breite westdeutsche Zustimmung und Bereitschaft zur Kooperation.12 Als die ungarische Führung unter Ministerpräsident Miklós Németh dann Anfang 1989 dazu überging, offen die vollständige Transformation der politischen und wirtschaftlichen Ordnung anzustreben, trafen diese Vorhaben – nach anfänglichen Zweifeln und im Gegensatz zur Haltung zahlreicher anderer Staaten selbst im Westen – seit Mitte 1989 auf demonstrative Sympathie und gesteigerte Unterstützungsbereitschaft, und zwar bei allen maßgeblichen politischen Kräften in der Bundesrepublik.13 Lediglich einzelne westdeutsche Politiker warnten zu diesem Zeitpunkt davor, dass die ungarische – und polnische – Politik die Position Gorbatschows in der Sowjetunion untergraben könnte. Die Ausreisegenehmigung vom September 1989 führte schließlich zu großer Dankbarkeit und zementierte das bereits zuvor außergewöhnlich gute politische Verhältnis – mit allen positiven Folgen für die Zukunft der bilateralen Beziehungen. Im Bereich der westdeutsch-ungarischen Kulturbeziehungen war es ebenfalls bereits vor dem 11. September 1989 zu einem spektakulären Durchbruch gekommen: 1986/87 verwarf Budapest – ganz im Zeichen qualitativ neuartiger Beziehungen zur Bundesrepublik  – den kulturell-sprachlichen Alleinvertretungsanspruch der DDR in Ungarn. Seitdem konnte die Bundesrepublik, vor allem nach der Eröffnung ihres Kulturzentrums in Budapest im März 1988, ungehindert ihre offiziellen kulturellen Aktivitäten – auch mit Blick auf die ungarndeutsche Minderheit – entfalten.14

II.

Die Haltung der ungarischen Medien und Politik zur Vereinigung

Vor dem Hintergrund dieser geschichtlichen Entwicklungen, die schrittweise ein ganz außergewöhnliches westdeutsch-ungarisches Verhältnis begründeten und zu einer herausragenden Bedeutung der Bundesrepublik für Ungarn, bei weiterexistierenden starken ökonomischen und kulturellen Bindungen zur DDR , führten, erfolgte am 9. November 1989 der Fall der Berliner Mauer, der die Vereinigung beider deutscher Staaten aktuell werden ließ. Auch wenn die u ­ ngarische

12 Ausführlich zu den westdeutsch-ungarischen Beziehungen seit Mitte 1987 siehe An­dreas Schmidt-Schweizer (ed.), Die politisch-diplomatischen Beziehungen in der Wendezeit (Som­ mer 1987–Herbst 1990) (= Quellen zu den Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Ungarn 1949–1990, Bd. 3; Berlin/München/Basel: De Gruyter, erscheint Dezember 2017). Ein Großteil der im Folgenden zitierten Quellen wird in dieser Publikation – gegebenenfalls in deutscher Übersetzung – veröffentlicht. 13 Siehe hierzu exemplarisch den am 22.  Juni 1989 von allen Bundestagsfraktionen an­ genommenen Antrag „zur politischen Entwicklung in Ungarn“ (Deutscher Bundestag, 11. Wahlperiode, Drucksache 11/4840, 21.06.1989, 1–3). 14 Zu den deutsch-deutsch-ungarischen Kulturbeziehungen siehe Schmidt-Schwei­zer, Im Spannungsfeld von Kaltem Krieg und Deutscher Frage (in Vorbereitung).

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Politik – wie angesprochen – keinen Einfluss auf die Gestaltung des Einigungsprozesses nehmen konnte, lohnt es sich, alleine schon aus Gründen des Vergleichs, einen Blick auf die Haltung der ungarischen Medien und Politik zur deutschen Vereinigung, insbesondere aus dem Blickwinkel der bundesdeutschen Diplomatie, zu werfen. Presse, Rundfunk und Fernsehen in Ungarn berichteten seit der Öffnung der DDR-Grenze zur Bundesrepublik an herausragender Stelle der Auslandsberichtserstattung über die dramatischen Entwicklungen in Ostdeutschland, über die Initiativen der ost- und westdeutschen Politik und über die sehr unterschiedlichen internationalen Reaktionen auf die Entwicklungen in den beiden deutschen Staaten. Hierbei griffen sie, insbesondere nach der Verkündigung des Zehn-Punkte-Programms von Helmut Kohl Ende November 1989, in zunehmendem Maße auch die Frage der deutschen Vereinigung auf.15 Wie die bundesdeutsche Botschaft in Budapest dem Auswärtigen Amt in Bonn in den folgenden Monaten mehrmals mitteilte, behandelten die ungarischen Medien dieses Thema Ende 1989/Anfang 1990 nicht nur sehr ausführlich, sondern auch überaus sachlich und zurückhaltend sowie zumeist ohne jeden eigenen Kommentar.16 Am 7. Dezember 1989 meldet die Budapester Botschaft beispielsweise: Die ungarische „Presse ist zum Thema deutsche Wiedervereinigung bzw. 10-Punkte-Plan des Bundeskanzlers weiterhin auffallend zurückhaltend. Es werden fast ausschließlich Wertungen und Kommentare anderer, d. h. ausländischer Medien, sowie Stellungnahmen ausländischer Politiker wiedergegeben. Die Berichterstattung über die Entwicklungen in der DDR ist dessen ungeachtet ausführlich und sachlich.“17 Darüber hinaus verwiesen die ungarischen Medien aber auch auf Hin-

15 Auf die Tatsache, dass mit dem Mauerfall die deutsche Frage auf die Tagesordnung der internationalen Politik rückte, wurde von der führenden ungarischen Tageszeitung­ Népszabadság (Zentralorgan der Sozialistischen Partei) erstmals wenige Tage nach dem Ereignis hingewiesen (vgl. Népszabadság, 14. November 1989, 1). Zur Thematik „deutsche Einheit“ in der ungarischen Presse siehe – neben Népszabadság – die ebenfalls landesweiten Organe Magyar Nemzet (Zentralorgan der Patriotischen Volksfront) und Népszava (Gewerkschaftszeitung). Die – wenig bedeutenden – Presseerzeugnisse der Oppositionsbewegungen griffen die Frage der deutschen Einheit ebenfalls auf, waren aber selbstverständlich in erster Linie mit den innenpolitischen Ereignissen in Ungarn befasst. Zusammenfassend zu den ungarischen Medienreaktionen auf die Ereignisse vom 9. November 1989 siehe das Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft in Budapest an das Auswärtige Amt vom 13. November 1989 Politisches Archiv des Auswärtigen Amts (im Folgenden PA AA), Zwischenarchiv, Bd. 139.944 E, (ohne Paginierung). 16 Siehe diesbezüglich die Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft in Budapest an das Auswärtige Amt vom 1. Dezember 1989, 7. Dezember 1989, 2. Januar 1990, 1. Februar 1990 PA AA , ZA 140.729 E, (ohne Paginierung). 17 Ibd. Hier und im Folgenden werden die Zitate der neuen deutschen Rechtschreibung­ (Dudenempfehlungen) angepasst. Auf die in den Medien wiedergegebenen Reaktionen im Ausland wird hier nicht eingegangen. Diesbezüglich verweise ich auf die entsprechenden Ausführungen der Artikel in diesem Band.

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dernisse, die der Vereinigung im Wege stehen könnten, insbesondere die VierMächte-Verantwortung, die sowjetischen Sicherheitsinteressen und der Prozess der europäischen Integration. Wie aus den Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft überdies hervorgeht, äußerten die ungarischen Medien selbst – zumindest in den ersten Monaten – keine Vorbehalte oder Besorgnisse gegenüber der Einheit. In diesem Sinne berichtete die Botschaft zum Beispiel am 1. Dezember 1989: „Es ist auffallend, dass in den ung[arischen] Medien praktisch keine eigenen, aus ungarischen Interessen abgeleitete Befürchtungen oder Bedenken einer deutschen Wiedervereinigung gegenüber vorgebracht wurden.“18 Gegen Jahresende 1989 trat dann das Interesse von Presse, Rundfunk und Fernsehen in Ungarn für die Frage der deutschen Einheit aufgrund der spektakulären Ereignisse in Verbindung mit dem Sturz von Nicolae Ceauşescu im Nachbarland Rumänien (mit seiner großen ungarischen Minderheit) kurzzeitig in den Hintergrund. Aufgrund der Dynamik der Annäherung beider Staaten wurde die deutsche Einheit Ende Januar 1990 erneut zu einem zentralen Gegenstand der weiterhin sachlich-zurückhaltenden ungarischen Berichterstattung, wobei man jetzt vereinzelt auch die Haltung ungarischer Politiker zu dieser Frage thematisierte. Im Falle einer Kommentierung wurde der Vereinigungsprozess  – so die bundesdeutsche Botschaft am 1. Februar 1990 – zumeist positiv betrachtet, seine Dynamik hervorgehoben und die Notwendigkeit seiner gesamteuropäischen Einbindung betont: Der „Tenor der Kommentierung zum Thema ‚deutsche Einheit‘ ist überwiegend wohlwollend, aber auch von Erstaunen über die Geschwindigkeit der Entwicklungen geprägt, [die] Frage der Einbindung in die gesamteuropäische Entwicklung wird als entscheidend angesehen.“19 Im Kreise ungarischer Journalisten zeigten sich allerdings seit Februar 1990 auch  – oft verklausulierte – Bedenken, insbesondere hinsichtlich der zukünftigen Wirtschaftskraft und eventuellen machtpolitischen Ambitionen des vereinten Deutschlands.20 Ein wirklicher Diskurs entwickelte sich daraus in den ungarischen Medien allerdings auch in den folgenden Monaten nicht. Und auch die Frage konkreter Herausforderungen, vor die Ungarn möglicherweise durch die Einheit gestellt werden könnte, bzw. eines entsprechenden Handlungsbedarfs für die ungarische Diplomatie wurde nicht erörtert. Wie aus den obigen Darlegungen hervorgeht, äußerten sich die führenden Vertreter der ungarischen Politik Ende 1989/Anfang 1990 vor der Öffentlichkeit nicht zur Frage der deutschen Einheit. Dies mag dadurch begründet gewesen sein, dass die ungarische Regierung als Nicht-Akteurin erst einmal die weiteren Entwicklungen und vor allem die Reaktionen der einstigen Siegermächte in der Deutschlandfrage abwarten wollte und sich  – nach der spektakulären Grenzöffnung vom September 1989  – international nicht unnötig mit prinzipiellen­ 18 Ibd. 19 Ibd. 20 Siehe das Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft in Budapest an das Auswärtige Amt vom 13. Februar 1990, ibd.

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öffentlichen Stellungnahmen profilieren wollte. In den Gesprächen ungarischer Spitzenpolitiker mit ihren bundesdeutschen Partnern spielte das Thema deutsche Einheit aber durchaus eine zentrale Rolle, und zwar bereits seit dem letzten Drittel des Monats November 1989. Die ungarischen Politiker zählten dabei zu den ersten Kräften in der internationalen Politik, die sich grundsätzlich positiv zur deutschen Einheit äußerten. Bereits einige Tage vor der Verkündung des Zehn-Punkte-Programms signalisierte Ministerpräsident Miklós Németh am 23. November 1989 gegenüber Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, dass er sich ein „organisches Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten vorstellen“ könne.21 Und am selben Tag brachte auch der ungarische Außenminister Gyula Horn eine prinzipiell positive Haltung gegenüber der deutschen Einheit zum Ausdruck. Laut einem Vermerk des Auswärtigen Amts äußerte Horn, „eine Wiedervereinigung sei in ungarischen Augen keine Tragödie, sondern das natürliche Begehren eines Volkes. Die Realisierung werde die Realitäten in Europa zu berücksichtigen haben.“22 Neben den führenden ungarischen Regierungspolitikern sprach sich an diesem Tag auch der Vorsitzende der stärksten Oppositionspartei József ­Antall im Namen des Ungarischen Demokratischen Forums zugunsten der deutschen Einheit aus. Die Haltung des späteren Ministerpräsidenten wurde vom Auswärtigen Amt am 1.  Dezember 1989 folgendermaßen wiedergegeben: „Das D[emokra­tische] F[orum] befürworte die Deutsche Einheit und setze sich selbstverständlich für das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes ein, wobei es davon ausgehe, dass die deutsche Einheit sich im europäischen Rahmen verwirklichen müsse.“23 Eine erste öffentliche Äußerung zur Frage der deutschen Einheit machte der stellvertretende Ministerpräsident Péter Medgyessy auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos im Februar 1990. Laut einem Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft in Budapest an das Auswärtige Amt, das sich auf eine Meldung der Ungarischen Nachrichtenagentur (MTI) vom 3. Februar 1990 stützte, äußerte Medgyessy dort Folgendes: „Die deutsche Wiedervereinigung sei ein unvermeidlicher Prozess und [werde] von Ungarn als Realität erachtet. Zunächst sei es aber entscheidend, dass dieser Wandel, der den gesamten politischen und wirtschaftlichen Charakter Europas verändern werde, graduell, ohne Brüche 21 Aktenvermerk des Auswärtigen Amts vom 27.  November 1989 über das Gespräch von Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Miklós Németh, PA AA , Zwischenarchiv, Bd. 139.939, (ohne Paginierung). 22 Vermerk des Auswärtigen Amts vom 27. November 1989 über den Besuch von Bundesminister Genscher in Budapest am 23./24. November 1989, hier: Gespräch mit Außenminister Horn am 23. November 1989, PA AA , Zwischenarchiv, Bd. 139.939, (ohne Paginierung). 23 Aufzeichnung des Auswärtigen Amts (Ministerbüro) vom 1.  Dezember 1989 über das­ Gespräch von Bundesminister Genscher mit dem Vorsitzenden des Ungarischen Demokratischen Forums Antall am 23. November 1989, PA AA , Zwischenarchiv, Bd. 139.939, (ohne Paginierung).

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und unter Kontrolle vollzogen werde.“24 In diesem Zusammenhang wies Medgyessy auch darauf hin, dass die von der ungarischen Politik betriebene Regionalkooperation auch bezwecken würde, die Kräfteverhältnisse in Europa gegenüber dem vereinten und starken Deutschland „auszutarieren“. An der grundsätzlichen Befürwortung oder  – zumindest  – Akzeptanz der deutschen Vereinigung durch die ungarische Politik und die Medien des Landes sollte sich auch in den folgenden Monaten nichts ändern, auch nicht nach der Ablösung der postkommunistischen Németh-Regierung durch das national-konservative Kabinett von Ministerpräsident József Antall Anfang Mai 1990. Den tieferen Hintergrund für diese ungarische Haltung bildeten zweifellos die weitgehend konfliktfreie gemeinsame Geschichte, die jüngste dynamische Entwicklung der bilateralen Beziehungen und die – damit verbundene – große gegenseitige Sympathie von Deutschen und Ungarn sowie natürlich die Tatsache, dass die Vereinigung Ungarn zwar vor eine Reihe konkreter Herausforderungen stellte, Ungarn aber keine prinzipiellen und langfristigen Gegeninteressen hatte. Und mit der „Forderung“ der ungarischen Politik und Medien, die Vereinigung dürfe nur kontrolliert und in europäischem Rahmen erfolgen, rannte Ungarn letztlich „offene Türen“ ein, da es – bekanntlich – ein Grundelement des politischen Denkens und Handelns von Bundeskanzler Helmut Kohl war, mit dem Prozess der Vereinigung keinen „deutschen Sonderweg“ einzuschlagen bzw. die deutsche Einheit im europäischen Rahmen und im gegenseitigen Einvernehmen mit den betroffenen bzw. maßgeblichen Kräften in der internationalen Politik herbeizuführen. Eine gewisse Befürchtung, das vereinte Deutschland könnte ein übermächtiges Gewicht in Europa und gegenüber Ungarn erhalten, trat in bestimmten, zumeist konservativ-nationalen Kreisen der ungarischen Politik in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten immer wieder in Erscheinung, sie sollte aber nie wirklich entscheidende Auswirkungen auf das deutsch-ungarische Verhältnis haben. Lediglich hinsichtlich des Tempos der Verwirklichung der Einheit kam man, vor dem Hintergrund der Geschehnisse in beiden deutschen Staaten im Frühjahr/Sommer 1990 (Stichwort „Währung-, Wirtschafts- und Sozialunion“) und in der internationalen Politik (Stichwort „2+4-Verhandlungen“), auch in Ungarn zu der Einsicht, dass ein allmählicher, schrittweiser Vereinigungsprozess nicht zu realisieren sei bzw. dass die deutsche Einheit dem Zusammenwachsen Europas weit vorauseilen werde. Auf diese zu erwartende Dynamik hatte der ungarische Botschafter in Bonn István Horváth den Ministerpräsidenten Miklós Németh bereits Mitte Dezember in einem Schreiben hingewiesen und auch einen entscheidenden Grund dafür, nämlich die sozioökonomische Situation in der DDR , genannt:

24 Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft in Budapest an das Auswärtige Amt vom 5. Februar 1990 bezüglich der Haltung Ungarns zur deutschen Einheit, PA AA , Zwischenarchiv, Bd. 140.729, (ohne Paginierung).

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„Unabhängig von […] der Meinung und vom Willen der verschiedenen ost- und westeuropäischen Politiker wird der Prozess des faktischen ‚Zusammenwachsens‘ der ­beiden deutschen Staaten – dadurch, dass das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu einer tatsächlichen Praxis geworden ist – aufgrund der objektiven Umstände voraussichtlich weitaus schneller verlaufen, als dies von den Außenstehenden angenommen wird. Dieser ‚Prozess des Zusammenwachsens‘, dessen Anzeichen bereits jetzt spürbar sind, beginnt infolge der katastrophalen Lage in der DDR auf sozialem Gebiet. […] Infolge der schwierigen inneren Wirtschaftslage der DDR lastet auf der DDR-Mark ein außerordentlich großer Druck. Die Ausweitung der Beziehungen (freies Reisen, Beendigung des Zwangsumtausches usw.) wird in der Praxis die Anerkennung der BRD -Mark (sic!) als allgemeines Zahlungsmittel erzwingen. Aufgrund dessen wirft sich bereits heute die Notwendigkeit einer Währungsreform auf. Und […] wegen der schweren politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise in der DDR [wird] in der DDR seitens der Bevölkerung immer kraftvoller die Forderung nach Vereinigung der beiden deutschen Staaten zum Ausdruck gebracht. Dieser Prozess ist unserer Meinung nach von außen nur minimal zu beeinflussen.“25

Horváth, ein ausgezeichneter Kenner und scharfsinniger Analytiker der deutschen Politik, wies also – zu einer Zeit, als viele deutsche und europäische Politiker noch an einen langfristigen Prozess glaubten bzw. darauf hofften  – sehr früh auf die durch die Situation bzw. die Entwicklungen in der DDR begründete Eigendynamik des Vereinigungsprozesses hin.

III. Die „Herausforderung deutsche Einheit“ für Ungarn 1989/90 Die deutsche Einheit stellte für die ungarische Politik nicht nur aufgrund der gewaltigen Dynamik des Vereinigungsprozesses, sondern auch wegen der zahlreichen, oft schwer abzusehenden Folgen der Einheit für die Zukunft der – wie gezeigt – für Ungarn extrem wichtigen deutsch-ungarischen Beziehungen eine große Herausforderung dar. Das Transformationsland Ungarn musste sich nun in kürzester Zeit den äußerst komplexen Aufgaben stellen, die für das Land mit der – wie auch immer gearteten – deutschen Einheit einhergingen. Bereits am 11. Dezember 1989, einige Tage vor dem offiziellen Staatsbesuch von Bundeskanzler Helmut Kohl in Ungarn26 und zu einem Zeitpunkt, als weder das Datum der deutschen Vereinigung noch die staatsrechtliche Beschaffenheit des zukünftigen vereinten Deutschlands konkret abzusehen waren, machte Botschafter Horváth in seinem  – bereits zitierten  – Brief an den ungarischen 25 Schreiben des ungarischen Botschafters in Bonn István Horváth an Ministerpräsi­dent Miklós Németh vom 11. Dezember 1989, veröffentlicht in István Horváth/András H ­ eltai, A magyar-német játszma. Emlékezés és dokumentumok [Die ungarisch-deutsche Partie. Erinnerungen und Dokumente], (Budapest: Corvina Verlag, 2015), Dokument Nr.  34, 259–262, hier 259–260. 26 Kohl hielt sich von 16. bis 18. Dezember 1989 in Ungarn auf.

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Regierungschef Miklós Németh auf die dringende Notwendigkeit aufmerksam, auf die Herausforderungen in Zusammenhang mit der bevorstehenden­ deutschen Einheit zu reagieren. Vor dem Hintergrund der immer deutlicher hervortretenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verfallserscheinungen in Ostdeutschland und der dominierenden Rolle der stabilen Bundesrepublik im Prozess des Zusammenwachsens beider deutscher Staaten plädierte Horváth – natürlich auch in seiner Funktion als ungarischer Botschafter in Westdeutschland – für eine intensive Weiterentwicklung der Beziehungen zur Bundesrepublik: „Berücksichtigt man diese [d. h. die oben genannten] Tendenzen, dann diktieren die elementaren Interessen unseres Landes, dass wir unsere Beziehungen zur BRD weiter vertiefen und dass wir eine Art ‚Garantie‘ dafür erhalten, dass Ungarn keine Nachteile wegen der entstandenen neuen Situation erleidet.“27 Wie diese „Garantie“ konkret aussehen sollte, ließ Horváth zwar offen, er signalisierte in seinem Schreiben aber – wohl auch mit Blick auf die positive Rolle Ungarns im September 1989  – dass Ungarn die Bundesrepublik um Zusicherung von (politischer, wirtschaftlicher und/oder finanzieller) Hilfe ersuchen sollte, und zwar für den Fall, dass sich „die veränderte Situation der DDR eventuell ungünstig auf die ungarisch-ostdeutschen Beziehungen“ auswirken sollte.28 Die entscheidende Bedeutung schrieb Horváth allerdings nicht dieser kurzfristig gedachten „Garantie“ bzw. Hilfezusicherung der Bundesrepublik zu. Vielmehr plädierte er in erster Linie für die langfristige Ausweitung und Vertiefung der bilateralen Kooperation in den Bereichen Finanzen und Wirtschaft (Errichtung deutscher Banken in Ungarn, weitere Kreditgewährung zur Sanierung und Restrukturierung der ungarischen Wirtschaft, verstärkte Beteiligung Deutschlands an der Entwicklung des ungarischen Tourismus und Einbeziehung ungarischer Unternehmen in bundesdeutsche Projekte in der „Dritten Welt“) sowie Kultur und Unterricht (Weiterentwicklung der Hochschulkooperation, Ausweitung der bundesdeutschen Stipendienvergabe und Intensivierung des deutschen Sprachunterrichts). Außerdem sprach er sich für die Ausweitung der Vertragsbeziehungen, insbesondere hinsichtlich des Straßen- und Luftverkehrs und im Gesundheitswesen, aus. Hinter diesen Vorschlägen, die von der ungarischen Regierung in den folgenden Monaten auch aufgegriffen und gegenüber den bundesdeutschen Partnern thematisiert wurden,29 verbarg sich ganz offensichtlich die Strategie, noch vor der Vereinigung auf der Ebene der westdeutsch-ungarischen Beziehungen vollendete Tatsachen zu schaffen, um diese Ergebnisse dann später auf ganz Deutschland übertragen zu können. 27 Schreiben des ungarischen Botschafters in Bonn István Horváth an Ministerprä­sident Miklós Németh vom 11.  Dezember 1989 in: Horváth/Heltai, A magyar-német játszma, 259–262, hier 260–261. 28 Ibd., 261. 29 Siehe hierzu István Horváth, Az elszalasztott lehetőség. A magyar-német kapcsolatok 1980–1991 [Die verpasste Chance. Die deutsch-ungarischen Beziehungen 1980–1991] (Budapest: Corvina-Verlag, 2009), 179–183; siehe auch die folgenden Ausführungen.

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Als sich im Frühjahr/Sommer 1990 vor dem Hintergrund der – bekannten – Entwicklungen in beiden deutschen Staaten und auf der Bühne der internationalen Politik eine baldige deutsche Vereinigung in Form des Beitritts der neu geschaffenen ostdeutschen Länder und Ostberlins zur Bundesrepublik abzeichnete, kristallisierte sich auch immer deutlicher heraus, vor welche Herausforderungen sich Ungarn infolge der deutschen Einheit gestellt sah und welche Antworten Budapest hierauf geben wollte. Wie aus den Dokumenten, die im ungarischen Außenministerium und in der ungarischen Botschaft in Bonn erstellt wurden,30 hervorgeht, sah sich die ungarische Diplomatie mit einer ganzen Reihe von Problemen bzw. Fragen konfrontiert: Auf der politischen Ebene tat sich für Budapest vor allem die Notwendigkeit auf, das bisherige persönliche und institutionelle deutsch-ungarische Beziehungsgefüge an die Gegebenheiten eines vereinten Deutschlands anzupassen, in Beziehung zu der sich neu bildenden politischen Elite Ostdeutschlands zu treten und Kontakte zu den auf dem Gebiet der DDR entstehenden fünf neuen Ländern vorzubereiten. Im Bereich der Wirtschaft ergab sich das grundsätzliche Problem, wie eine Auflösung oder Zurückbildung der intensiven Wirtschaftsbeziehungen, die mit Ostdeutschland entwickelt worden waren, verhindert werden könnte.31 Hierbei ging es – unter anderem – um die Fragen, ob und wie der zukünftige Import Ungarns aus Ostdeutschland nach der Währungseinheit finanziert werden könnte, mit welchen Unternehmen nach der marktwirtschaftlichen Umgestaltung Ostdeutschlands überhaupt noch Handelsbeziehungen aufrechterhalten werden könnten, welche Handelshindernisse durch die Aufnahme Ostdeutschlands in die Europäische Gemeinschaft entstehen würden, wie die Ausfälle im Handel kompensiert werden könnten und was mit den ostdeutschen bzw. ungarischen Arbeitskräftekontingenten32 geschehen sollte. 30 Im Folgenden stütze ich mich – wenn nicht anders vermerkt – auf folgende ungarischsprachigen Dokumente: Überlegungen des ungarischen Botschafters István Horváth zur Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Ungarn vom 20. April 1990, MNL OL , XIX-J-1-k 1990, 73. d., 7672–7677, (ohne Paginierung); Aufzeichnung des ungarischen Außenministeriums über die Auswirkungen der deutschen Vereinigung auf Europa und Ungarn vom 24. Mai 1990, MNL OL , XIX-J-1-j 1990, 53. d., 0077/28/1990, (ohne Paginierung); Schreiben des ungarischen Botschafters István Horváth an Ministerpräsident József Antall vom 31. Mai 1990, veröffentlicht in Horváth, Az elszalasztott lehetőség, 213–215; Jahresbericht 1989/90 des ungarischen Botschafters István Horváth in Bonn, MNL OL , XIX-J-1-j 1990, 54. d., 42/Sz.T./1990, (ohne Paginierung). 31 Besonders prägnant formulierte Botschafter Horváth diese Herausforderung: „Auf dem Gebiet der Wirtschaft ist das Hinüberretten der mit der DDR entwickelten Zusammenarbeit in die Zeit nach der Vereinigung eine der wichtigsten Fragen.“ Überlegungen des unga­rischen Botschafters István Horváth zur Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Ungarn vom 20. April 1990, MNL OL , XIX-J-1-k 1990, 73. d., (ohne Paginierung). 32 Seit den 1960er-Jahren wurden auf der Grundlage bilateraler Vereinbarungen vor allem ungarische Arbeitskräfte (v. a. aus der Baubranche) in die DDR entsandt, seltener ostdeutsche Arbeitnehmer nach Ungarn.

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Darüber hinaus zeichnete sich auch im Bereich der Finanzbeziehungen eine besondere Herausforderung ab, nämlich die Frage, ob das vereinte Deutschland aufgrund der enormen materiellen Belastungen durch die Vereinigung weiterhin in der Lage sein würde, den finanziellen Unterstützungsmaßnahmen (Kredite, Kreditbürgschaften und sonstige Finanzhilfen) für Ungarn weiterhin so viel Aufmerksamkeit zu schenken wie die alte Bundesrepublik bzw. welche Staaten oder Institutionen eventuell für Deutschland „einspringen“ könnten. Auf dem Gebiet von Kultur, Unterricht, Forschung und Wissenschaft musste sich Budapest Gedanken darüber machen, wie nach dem „Verschwinden“ der DDR die entwickelten institutionellen Beziehungen in diesen Bereichen fortgeführt werden könnten. In diesem Zusammenhang ging es beispielsweise darum, was mit den ungarisch-ostdeutschen Hochschulstipendien, mit dem wechselseitigen Sprachlehreraustausch oder mit der Facharbeiterausbildung, die insbesondere in der DDR stattfand, geschehen sollte. Zumeist warfen die genannten Herausforderungen also die Frage auf, wie es mit den vielfältigen Vertragsbeziehungen, die Ungarn und die DDR entwickelt hatten, weitergehen sollte.33 Um diesen Herausforderungen gerecht werden zu können, fasste die ungarische Diplomatie im Frühjahr/Sommer 1990, nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die bürgerlich-konservative Koalition unter Ministerpräsident József Antall, eine Reihe von Maßnahmen ins Auge.34 Wie bereits unter der Németh-Regierung setzte sich Budapest dabei an erster Stelle zum Ziel, die bilateralen Beziehungen zu Westdeutschland, die man dann – wie gezeigt – auf Gesamtdeutschland übertragen wollte, auszuweiten und zu intensivieren. Auf der politischen Ebene sollten insbesondere die Kontakte zwischen den (neuen) ungarischen Ministern und ihren Amtskollegen auf Bundes- und Länderebene sowie zwischen den beiden Parlamenten – vor allem durch persönliche Treffen – intensiviert und neue Bereiche der Kooperation erschlossen werden. Ungarischerseits dachte man bezüglich Letzterem in erster Linie daran, eine enge Kooperation der Innenministerien anzustreben, um dadurch Unterstützung für die Reform des ungarischen regionalen und lokalen Selbstverwaltungssystems und für die Polizeiausbildung bzw. Terrorismus- und Verbrechensbekämpfung zu gewinnen. Außerdem war auch an eine  – mit dem geplanten ungarischen Austritt aus dem Warschauer Pakt möglich werdende  – Kooperation im Verteidigungsbereich gedacht worden. Darüber hinaus wollte die ungarische Diplomatie ein – von Botschafter Horváth bereits Ende 1989 vorgeschlagenes35 – Deutsch-Ungarisches Forum als institutionalisierte Plattform des regelmäßigen 33 „Eine herausragende Frage, die in unseren Tagen aktuell wird, ist, was mit dem Zustandekommen der Einheit mit unseren Abkommen, die mit der DDR in Kraft sind, passieren wird.“ Jahresbericht 1989/90 des ungarischen Botschafters István Horváth in Bonn (MNL OL , XIX-J-1-j 1990, 54. d., 42/Sz.T./1990, (ohne Paginierung). 34 Auch hier stütze ich mich – falls nicht anders vermerkt – auf die in Anmerkung 30 angeführten Dokumente. 35 Vgl. Schreiben des ungarischen Botschafters in Bonn István Horváth an Ministerpräsi­dent Miklós Németh vom 11. Dezember 1989, in: Horváth/Heltai, A magyar-német játszma, 261.

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Meinungsaustausches sowie eine Arbeitsgruppe auf R ­ egierungsebene, die sich mit den konkreten Aufgaben zur Entwicklung der bilateralen Beziehungen befassen sollte, ins Leben rufen. Im Bereich der Finanzbeziehungen strebte Budapest danach, noch vor der Verwirklichung der deutschen Einheit von der Bundesrepublik eine Reihe von Kredit- bzw. Kreditbürgschafts- und sonstigen finanziellen Unterstützungszusagen zu erwirken. Diesbezüglich dachte Budapest in erster Linie an einen „langfristigen Kredit von 0,5 bis 1,0 Milliarde DM mit einer deutschen Regierungsgarantie zur Schaffung eines Sozialfonds“, an die „Gewährung eines größeren Finanzrahmens zu Zwecken der Existenzgründung unter besonderer Berücksichtigung der strukturellen Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen“ und an die „Schaffung eines Fonds […] zur Finanzierung inländischer Unterrichtszentren“.36 Zur Durchführung dieser Vorhaben sah Budapest auch weiterhin vor, eine gemeinsame deutsch-ungarische Bank zu gründen. Bezüglich der Wirtschaftsbeziehungen beabsichtigte Budapest zum einen, die bestehenden – und langfristig stabilen – ökonomischen Kontakte zur Bundesrepublik dynamisch weiterzuentwickeln und die westdeutsche Wirtschaft verstärkt in den Prozess der Transformation bzw. Privatisierung der ungarischen Wirtschaft einzuspannen, zum anderen strebte die ungarische Diplomatie an, alte, mit der DDR entwickelte Vertragsbeziehungen – neben den Handelsverträgen vor allem Verträge der Unternehmenskooperation in der Baubranche sowie Abkommen über Arbeitskräftekontingente  – übergangsweise weiterzuführen und schließlich durch neue Vereinbarungen zu ersetzen. Für die Zeit nach der Vereinigung sah Budapest insbesondere vor, sich mit seinen Bauunternehmen und Arbeitskräften am „Aufbau Ost“ zu beteiligen und Deutschland in die Entwicklung des Tourismus in Ungarn „einzuspannen“. Im Bereich von Kultur, Wissenschaft und Unterricht ging es der ungarischen Diplomatie darum, die bundesdeutsche Politik dafür zu gewinnen, wesentliche, mit der DDR entwickelte Beziehungen auch nach der Vereinigung übergangsweise fortzuführen und später neue Verträge auf der Grundlage der Prinzipien der mit Westdeutschland abgeschlossenen Verträge zu schließen. Darüber hinaus strebte Budapest konkret an, seine in der ehemaligen DDR tätigen Kultureinrichtungen (vor allem das Haus der Ungarischen Kultur in Ostberlin) zu erhalten sowie die – von der DDR praktizierte – Anerkennung der ungarischen Abiturund Hochschulzeugnisse auf das gesamte Deutschland auszuweiten. Neben diesen vorrangigen, auf die westdeutsche Politik ausgerichteten Aktivitäten wollte Budapest bis zur Verwirklichung der deutschen Einheit aber auch politische Beziehungen zur neuen, demokratisch gewählten und seit Mitte April 36 Schreiben des ungarischen Botschafters István Horváth an Ministerpräsident József Antall vom 31.  Mai 1990, veröffentlicht in Horváth, Az elszalasztott lehetőség, 213–215, hier 214; siehe auch den Bericht des ungarischen Außenministeriums vom 26. Juni 1990 über den Besuch von Ministerpräsident József Antall in der Bundesrepublik, MNL OL , XIX-J-1-j 1990, 53. d., 002417, (ohne Paginierung).

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1990 amtierenden ostdeutschen Regierung unter Ministerpräsident Lothar de Maizière entwickeln. Zweck dieses Schrittes sollte es – wie angesprochen – sein, Kontakte zur neuen demokratischen ostdeutschen Elite, die voraussichtlich auch in der Politik des vereinten Deutschlands bzw. in den neuen Bundesländern eine wesentliche Rolle spielen würde, aufzunehmen. Kurzfristig beabsichtigte Budapest zudem, auch auf dieser Ebene konkrete Möglichkeiten des „Hinüberrettens“ der vielfältigen ostdeutsch-ungarischen Beziehungen in das vereinte Deutschland zu sondieren. In diesem Zusammenhang dachte die ungarische Führung überdies daran, bis zur Vereinigung dreiseitige Kontakte auf ministerieller Ebene zu pflegen. Diesbezüglich empfahl eine Arbeitsgruppe im Außenministerium Folgendes: „In der Übergangszeit wäre es nützlich, wenn es im Falle der Ressorts zu dreiseitigen (Ungarn-DDR-BRD) Konsultationen über die Zukunft, Weiterführbarkeit und Erneuerung der Beziehungen kommen würde. Es ist zweckmäßig, kurzfristig derartige Verhandlungen in erster Linie auf dem Gebiet von Außenpolitik, Wirtschaft und Technik sowie Kultur und Unterricht zu initiieren.“37 Neben der Entwicklung der Beziehungen zu den beiden deutschen Staaten wurde im ungarischen Außenministerium aber auch dafür plädiert, die Beziehungen des Landes zur Europäischen Gemeinschaft, zu „regionalen Kooperationsformen ohne deutsche Beteiligung“ und zu den übrigen europäischen Staaten sowie zu den USA, Japan und Südkorea zu aktivieren. Diesbezüglich wurde mit Blick auf die – angesprochene – Furcht vor einem übermächtigen vereinten Deutschland folgendermaßen argumentiert: „Die ungarische Regierung muss eine Politik des ‚Stehens auf mehreren Füßen‘ ausarbeiten. […] Die Tatsachen zeigen, dass die Beziehung zu Deutschland für unser Land entscheidend sein wird. Es muss allerdings alles dafür getan werden, dass eine Wiederholung der einseitigen Orientierung unmöglich wird.“38 Und in der Tat bemühte sich Ungarn in den folgenden Jahren und Jahrzehnten, auch seine Beziehungen zu anderen Staaten zu intensivieren, dies änderte allerdings nichts an der herausragenden Rolle des vereinten Deutschlands im internationalen Beziehungsgefüge Ungarns.

IV. Die Entwicklung der deutsch-ungarischen Beziehungen nach der Vereinigung Für eine erfolgreiche, intensive und dynamische Entwicklung der Beziehungen auch zur „neuen Bundesrepublik“ hatte Ungarn vor allem aus zwei Gründen „gute Karten“: Ungarn konnte erstens auf der stabilen Grundlage der – dargeleg37 Aufzeichnung des ungarischen Außenministeriums über die Auswirkungen der deut­ schen Vereinigung auf Europa und Ungarn vom 24. Mai 1990, MNL OL , XIX-J-1-j 1990, 53. d., 0077/28/1990, (ohne Paginierung). 38 Ibd.

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ten – außerordentlich guten Beziehungen, die sich zwischen der ­Bundesrepublik und Ungarn in den vergangenen Jahrzehnten zuerst auf dem Gebiet der Wirtschaft, dann der Politik und Kultur entwickelt hatten, aufbauen. Hinsichtlich der Wirtschaftsbeziehungen wirkte sich zudem positiv aus, dass das deutsche Wirtschaftsrecht in Ungarn traditionell eine wichtige Rolle spielte und die ungarische Führung bei der Transformation der Wirtschaftsordnung seit 1987 ebenfalls darauf zurückgriff.39 Und zweitens verfügte Ungarn, insbesondere aufgrund der Grenzöffnung vom September 1989, aber auch wegen seiner  – wie gezeigt  – von Anfang an grundsätzlich positiven Haltung zur deutschen Einheit, über größte Sympathien in der Bevölkerung, Politik und Wirtschaft des vereinten Deutschlands. Dieser Sympathiefaktor trug maßgeblich dazu bei, dass die bundesdeutsche Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl und Außenminister Hans-Dietrich Genscher auch nach dem 3.  Oktober 1990 große Aufgeschlossenheit für die außenpolitischen Ziele Ungarns sowie besondere Hilfsbereitschaft bezüglich der zahlreichen Probleme des Landes zeigte.40 Sehr vorteilhaft für die Entwicklung der Beziehungen Ungarns zum vereinten Deutschland war darüber hinaus auch, dass es der ungarischen Diplomatie – wie beabsichtigt – bereits im Vorfeld der deutschen Einheit gelang, einige ihrer wichtigsten Ziele gegenüber der Bundesrepublik durchzusetzen. Beim Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten József Antall in Bonn, München und Stuttgart Mitte Juni 1990 erreichte die ungarische Seite nämlich eine Reihe von grundlegenden Zusagen bezüglich ihrer oben formulierten Anliegen.41 Der bayerische Ministerpräsident Max Streibl, sein baden-württembergischer Amtskollege Lothar Späth bzw. Bundeskanzler Helmut Kohl erklärten sich bereit, die – bereits angelaufene  – Manager- und Facharbeiterausbildung weiter zu unterstützen und die Einrichtung von deutschen Banken in Ungarn konkret in Erwägung zu ziehen. Darüber hinaus wurde eine enge Zusammenarbeit der Innenministerien der beiden Länder und des ungarischen Innenministeriums (vor allem bezüglich der Personalausbildung und der Reform der ungarischen Selbstverwaltung) vereinbart, die Errichtung von Handelsbüros und Generalkonsulaten 39 Siehe hierzu Tamás Sárközy, Das Privatisierungsrecht in den ehemaligen sozialistischen Staaten. Übersetzt von Andreas Schmidt-Schweizer (= Begegnungen, 30; Budapest: Europa Institut Budapest, 2009), 181–234; Gesetz Nr.  VI des Jahres 1988 über die Wirtschaftsgesellschaften, in: Herder-Institut (ed.): Dokumente und Materialien zur ostmitteleuropäischen Geschichte. Themenmodul „Umbruch in Ungarn 1985–1990“, bearb. von Andreas Schmidt-Schweizer (http://www.herder-institut.de/resolve/qid/2305.html; zuletzt abgerufen am 10. Januar 2016). 40 In diesem Zusammenhang sei einerseits auf die intensiven Bemühungen der Bundesregierung verwiesen, die ungarische Westintegration auf der internationalen Ebene zu unterstützen, andererseits sei die deutsche Hilfe bei der Ausbildung von Offizieren des ungarischen Grenzschutzes und der ungarischen Armee erwähnt. 41 Siehe hierzu den Bericht des ungarischen Außenministeriums vom 26. Juni 1990 über den Besuch von Ministerpräsident József Antall in der Bundesrepublik, MNL OL , XIX-J-1-j 1990, 53. d., 002417, (ohne Paginierung); siehe auch Horváth, Az elszalasztott lehetőség, 213–224.

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ins Auge gefasst und die deutsche Seite versprach zudem, den erneuten ungarischen ­Kreditwünschen nachzukommen und das ungarische Arbeitskräftekontingent in Ostdeutschland zu übernehmen. „Kanzler Kohl gab zur Erfüllung aller unserer Ersuchen ein Versprechen ab.“42 Und schließlich kam man – wie von ungarischer Seite vorgeschlagen – auch überein, ein deutsch-ungarisches Beratungsgremium auf höchster Ebene (Regierungsebene) zur konkreten Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen zu etablieren. Auch wenn nicht alle Zusagen der bundesdeutschen Seite bzw. Möglichkeiten schließlich von Budapest aufgegriffen wurden,43 so konnte Ungarn mit dem Antall-Besuch doch noch vor der Vereinigung wichtige vollendete Tatsachen schaffen. Bei späteren Verhandlungen gelang es Ungarn darüber hinaus auch, das Protokoll über die ostdeutschungarischen Warenlieferungen bis zum 31. Dezember 1991 zu verlängern. Vor diesem äußerst günstigen Hintergrund schaffte es Ungarn in den Jahren nach 1990, trotz einiger offensichtlich verpasster Chancen44 und trotz der Tatsache, dass Ungarn – zumindest formal – keine Sonderstellung im internationalen Beziehungsgefüge der Bundesrepublik erhielt,45 seine Beziehungen zum vereinten Deutschland dynamisch weiterzuentwickeln.46 Im Bereich der politisch-diplomatischen Beziehungen konnten beide Länder das hohe Niveau, wel42 Bericht des ungarischen Außenministeriums vom 26.  Juni 1990 über den Besuch von Ministerpräsident József Antall in der Bundesrepublik, MNL OL , XIX-J-1-j 1990, 53. d., 002417 (ohne Paginierung). 43 Siehe nächsten Absatz. 44 István Horváth, der bis Sommer 1991 auch Botschafter im vereinten Deutschland war, vertritt in seinen Memoiren die Meinung, dass die Antall-Regierung im Wesentlichen zwei große Chancen verpasst habe. Erstens habe sie die Möglichkeit, massive finanzielle Unterstützung (günstige langfristige Kredite) von der Bundesregierung zu erwirken, nicht wahrgenommen. Zweitens habe sie das Vorhaben, ein deutsch-ungarisches Beratungsgremium auf höchster Ebene zu etablieren, nicht weiterverfolgt. Durch diese Institution wäre Ungarn – so Horváth – in der Lage gewesen, die bilateralen Beziehungen in allen Bereichen noch wesentlich stärker weiterzuentwickeln und die große Unterstützungsbereitschaft der Bundesrepublik noch intensiver zu nutzen. Vgl. Horváth, Az elszalasztott lehetőség, 206–227, 246–284. 45 Bezeichnend hierfür ist der am 6. Februar 1992 in Budapest unterzeichnete Vertrag über „freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa“ – siehe United Nations Treaty Series, Vol. 1909, I, No. 32526 – der die Grundlage für die bilateralen Beziehungen bis in die Gegenwart bildet, allerdings kein einzigartiges Vertragswerk darstellt. Ganz ähnliche Abkommen schloss die Bundesrepublik auch mit mehreren anderen osteuro­ päischen Staaten, so im Juni 1991 mit Polen und im April 1992 mit Rumänien. 46 Die folgenden Ausführungen stützen sich auf Bence Bauer/András Hettyey, 25 Jahre deutsch-ungarische Beziehungen seit dem Wendejahr 1989, in: Auslandsinformationen der Konrad-Adenauer-Stiftung 11–12/2014, 7–29; Online-Informationen des Auswärtigen Amts zu den deutsch-ungarischen Beziehungen (http://www.auswaertiges-amt.de/DE/ Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ungarn/Bilateral_node.html; zuletzt abgerufen am 10. Januar 2016) und der ungarischen Botschaft in Berlin (http://www.mfa.gov.hu/kulke­ pviselet/DE/de/de_bilateralis/politische_beziehungen.htm; zuletzt abgerufen am 10.  Januar 2016). Eine umfassende Untersuchung zu dieser jüngsten Phase der deutsch-ungarischen Beziehungen steht gegenwärtig noch aus.

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ches die bilateralen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Ungarn in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre erreicht hatten, auch unter grundlegend gewandelten Verhältnissen bzw. unter Einschluss der fünf neuen Bundesländer weiter ausbauen. Herausragendes Indiz hierfür waren und sind die – auch im internationalen Vergleich – überaus häufigen wechselseitigen Besuche von Politikern aller Ebenen und Ressorts sowie die besonders intensiven institutionellen Kontakte. Bezüglich Letzterem sei vor allem auf das 1990 etablierte, jährlich tagende Deutsch-Ungarische Forum sowie auf die Aktivitäten der deutschen parteinahen Stiftungen in Ungarn verwiesen. Im Bereich der Wirtschaft kam es im ersten Jahrzehnt nach der Vereinigung – auch vor dem Hintergrund der durch den Zusammenbruch des östlichen Wirtschaftsbündnisses herbeigeführten grundlegenden Veränderungen und neuen Möglichkeiten in der Weltwirtschaft  – zu einem gewaltigen Anstieg des Handelsvolumens: Während Ungarn von 1990 bis 2000 seine Exporte nach Deutschland verfünffachen konnte, stiegen die ungarischen Importe aus der Bundesrepublik in den Jahren von 1990 bis 2004 um das Vierfache. Aufgrund dieser Entwicklung wurde Deutschland innerhalb kurzer Zeit zum wichtigsten Handelspartner Ungarns. Diese Position konnte die Bundesrepublik in der Folgezeit weiter ausbauen. Zweieinhalb Jahrzehnte nach der Vereinigung ist Deutschland – vor Österreich, der Slowakei, Russland und Polen – gegenwärtig mit einem wertmäßigen Anteil von rund 25 Prozent am gesamten ungarischen Außen­ handel mit Abstand der wichtigste Handelspartner Ungarns. Ungarn nimmt unter den weltweiten Handelspartnern der Bundesrepublik immerhin den 16. Platz ein. Insgesamt betrug das bilaterale Handelsvolumen 2012 etwa 38 Milliarden Euro und stieg 2014 auf rund 43 Milliarden Euro an. Und auch im Bereich der deutschen Investitionstätigkeiten in Ungarn zeichnete sich eine äußerst dynamische Entwicklung ab: Nachdem die deutschen Direktinvestitionen in Ungarn bis 1994 – umgerechnet – etwa 1,4 Milliarden Euro betragen hatten, stiegen sie bis 2014 auf 20 Milliarden Euro. Unter den gesamten ausländischen Direktinvestitionen von 79 Milliarden Euro entfiel somit ein Viertel auf die Bundesrepublik, die damit auch hier bis in die Gegenwart Rang Nr. 1 besetzt. 2014 existierten in Ungarn 4.000 Unternehmen, die mit rein oder teilweise deutschem Kapital gegründet wurden und sieben bis acht Prozent der ungarischen Arbeitnehmer bzw. 300.000 Personen beschäftigen. Die teilweise weitergeführten, ursprünglich noch mit der DDR vereinbarten Kulturbeziehungen47 sowie die vor allem im Rahmen des Goethe-Instituts in Budapest bzw. des Ungarischen Kulturinstituts (Balassi-Institut) in Stuttgart und des Collegium Hungaricum in Berlin entwickelten offiziellen kulturellen Kontakte erhielten mit dem Kulturabkommen des Jahres 1994 einen neuen Impuls und sind bis in die Gegenwart – trotz knapper Mittel – sehr lebendig und 47 In diesem Zusammenhang sei exemplarisch auf den Fortbestand des Hauses der Ungarischen Kultur (heute: Collegium Hungaricum) in Berlin sowie auf die fortwährende Präsenz zahlreicher Sprachlektoren aus dem ehemaligen Ostdeutschland in Ungarn ver­w iesen.

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vielfältig.48 Gleiches gilt für die bilateralen Kontakte im Bereich von Wissenschaft und Forschung, die durch eine diesbezügliche „Gemeinsame Erklärung“ vom September 2004 einen weiteren Anschub erhielten und bei denen einerseits die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Fraunhofer-Gesellschaft (FG) und die Max-Planck-Gesellschaft sowie andererseits die Ungarische Akademie der Wissenschaften (MTA) und der Ungarischen Forschungsfonds (OTKA) eine besondere Rolle spielen. Im Schul- und Hochschulbereich kommt dem 1992 ins Leben gerufenen Thomas-Mann-Gymnasium in Budapest und der 2002 gegründeten deutschsprachige Andrássy Universität eine zentrale Bedeutung zu. Die „Herausforderung deutsche Einheit“ der Jahre 1989/90 entwickelte sich so in den Jahrzehnten nach der Vereinigung für Ungarn zu einer Chance, die Budapest durch eine vorausschauende, maßvolle und langfristig berechenbare Politik auch weitgehend zu nutzen verstand. Die deutsch-ungarischen Beziehungen waren in diesem Zeitraum  – natürlich vor dem Hintergrund komplementärer Interessen, aber auch großer wechselseitiger Sympathien und einer besonderen Aufgeschlossenheit der bundesdeutschen Politik für die Anliegen des Donaulands – durch eine äußerst dynamische Entwicklung geprägt. Aufgrund ihres soliden Fundaments werden die bilateralen Beziehungen wohl auch die gegenwärtige „Herausforderung Orbán“, also die zahlreichen „atmosphärischen“ Störungen, die durch die Politik der seit 2010 amtierenden Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán  – offensichtlich aus innenpolitischen Motiven  – provoziert wurden bzw. werden,49 überstehen.

48 Diesbezüglich sei auf die Homepage der jeweiligen Institute verwiesen. 49 Besonders symbolträchtig ist in diesem Zusammenhang die 2014 auf Anordnung Orbáns erfolgte Errichtung eines „Besatzungsdenkmals“ in Budapest, das an die deutsche Okkupation Ungarns 1944/45 erinnern soll und eine – historisch völlig unhaltbare – ausschließliche Opferrolle Ungarns bzw. Täterrolle Deutschlands postuliert.

Miroslav Kunštát

Die deutsche Einheit als erkannte Notwendigkeit: die tschechoslowakische Perspektive

I.

Forschungsstand, Quellenlage, Rezeption

Die bisherige Forschungsliteratur speziell über die tschechoslowakische Haltung zur Frage der deutschen Einheit ist  – im Unterschied zu den diesbezüglichen Leistungen der „großen“ europäischen zeitgeschichtlichen Werkstätten – ziemlich überschaubar. Dies kann man nur teilweise durch die immer noch nicht zugänglichen, bzw. nicht völlig inventarisierten Archivbestände der wichtigsten politischen Akteure (vor allem des tschechoslowakischen Außenministers, des Präsidenten der Republik, des Ministerpräsidenten usw.) begründen.1 Mehrere Ausnahmen von der üblichen dreißigjährigen Sperrfrist (die durch das tschechische Archivgesetz übrigens nicht strikt vorgeschrieben ist) wurden wiederholt, so beispielsweise im Zusammenhang mit unserem Thema, zugelassen, z. B. für die Ausarbeitung von Studien und der Quellenedition über die Flucht der DDR-Bürger über die bundesdeutsche Botschaft in Prag im Herbst 1989 von Oldřich Tůma und Vilém Prečan.2 Die tschechische Zeithistorikergemeinde schien nach der politischen Wende 1989/90 eher durch die überraschende Dynamik der neudefinierten bilateralen Beziehungen sowie durch die Brisanz der zusammenhängenden, aus der Vergangenheit herrührenden historischen Themen (Vertreibung und Zwangsaussiedlung der ­Sudetendeutschen aus der Tschecho1 Der folgende Beitrag basiert vor allem auf dem Aktenmaterial der tschechoslowakischen Präsidentschaftskanzlei (Außenpolitische Sektion), bzw. des tschechoslowakischen Außenministeriums aus den Jahren 1990–1992, das im Jahre 2003 dem Verfasser durch die freundliche Vermittlung des damaligen Leiters der Kanzlei der Präsidenten, Herrn Ivan Medek zur Verfügung gestellt wurde. In seiner urprünglichen kürzeren Fassung wurde der Beitrag im Auftrag der gemeinsamen Deutsch-tschechischen und Deutsch-slowakischen Historikerkommission ausgearbeitet bzw. veröffentlicht. Vgl. Miroslav Kunštát, Die Wiedervereinigung Deutschlands und die tschechoslowakische Außenpolitik, in: Christoph Buchheim/ Edita Ivaničková/Kristina Kaiserová/Volker Zimmermann (eds.), Die Tschechoslowakei und die beiden deutschen Staaten (= Veröffentlichungen der Deutsch-Tschechischen und der Deutsch-Slowakischen Historikerkommission 10; Essen: Klartext, 2010), 201–218; id., Die Wiedervereinigung Deutschlands und die Tschechoslowakei, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 67 (2016) 1–2, 58–73. 2 Oldřich Tůma, 9:00, Praha-Libeň, horní nádraží. Exodus východních Němců přes Prahu v září 1989, in: Soudobé dějiny 6 (1999) 2–3, 147–164; Vilém Prečan (ed.), Ke svobodě přes Prahu. Exodus občanů NDR na podzim 1989 (Praha: Československé dokumentační středisko, 2009).

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slowakei, sog. Beneš-Dekrete und die daraus resultierenden eigentums- und restitutionsrechtlichen Fragen u. a.) fasziniert, ja fast hypnotisiert zu sein.3 Das Jahr 1990 in der tschechoslowakischen Außenpolitik, speziell in der tschechoslowakischen Deutschlandpolitik, steht somit paradoxerweise im Schatten des fachlichen Interesses, ähnlich wie etwa im ehemaligen Jugoslawien: Der nachfolgende Zerfall bzw. die Teilung des föderativen Staates brachten neue Themen und neue Fragestellungen mit sich, etwa im Bereich der tschechischslowakischen Beziehungen in der historischen Ausklangphase der tschechoslowakischen Föderation.4 Die Beziehung zum großen Nachbarn Deutschland wurde trotzdem in den 1990er-Jahren zu einer zentralen Identitätsfrage des „altneuen“ (nach dem mehrheitlichen Verfassungsverständnis) tschechischen Staatswesens. Die reduzierte, „bilateralisierte“ und mit der historischen Materie „überladene“ Sichtweise der damaligen öffentlich ausgetragenen Kontroverse mag also viele nicht informierte Beobachter überraschen. Nicht die nun als „Selbstverständlichkeit“ wahrgenommene deutsche Einheit, sondern die Annahme der Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung vom 21. Januar 1997 scheint in dieser verengten Perspektive das Schlüsselereignis der deutsch-tschechischen Beziehungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts zu sein.5 Dem Thema „deutsche Einheit“ und deren Konsequenzen für die Tschechoslowakei/Tschechien widmeten sich, bis auf wenige Ausnahmen, eher unauffällige Diplom- und Dissertationsprojekte an den tschechischen Universitäten (fast ausschließlich aus dem Fachbereich Internationale Beziehungen), die nur in seltenen Fällen später als Bücher bzw. auszugweise in Fachzeitschriften veröffentlicht wurden.6

3 Jaroslav Kučera, Česká historiografie a odsun Němců: Pokus o bilanci čtyř let, in: Soudobé dějiny 1 (1994) 2–3, 365–373; Michal Kopeček/Miroslav Kunštát, „Sudetoněmecká otázka v české akademické debatě po roce 1989“, in: Soudobé dějiny 10 (2003) 3, 293–318 u. v. a. 4 Jan Rychlík, Rozpad Československa. Česko-slovenské vztahy 1989–1992 (Bratislava: Academic Electronic Press, 2002) sowie weitere Studien dieses Autors. Siehe auch den Beitrag von Arnold Suppan zu Jugoslawien in diesem Band. 5 Vladimír Handl, Czech-German Declaration on Reconciliation, in: German Politics 6 (1997) 2, 150–167. 6 Zu diesen Ausnahmen gehören vor allem einige Veröffentlichungen des Prager Instituts für Internationale Beziehungen (Ústav mezinárodních vztahů), z. B. Vladimír Handl/Jan Hon/ Otto Pick (eds.), Germany and East Central Europe since 1990 (Prague: ÚMV, Karolinum, 1999); Vladimír Handl (ed.), Německo v čele Evropy? SRN jako civilní mocnost a hegemon eurozóny (Praha: Ústav mezinárodních vztahů, 2011). Vgl. auch Tomáš Ehler, USA a znovusjednocení Německa: diplomatický proces v letech 1989–1990 (Brno: Masarykova univerzita, 2006); Dagmar Moravcová/Běla Plechanovová/Jan Kreidl (eds.), Evropská politika sjednoceného Německa (Praha: Institut pro středoevropskou kulturu a politiku, 1999); Vladimír Handl jun., Přístup Velké Británie ke sjednocení Německa 1989–1990 (Abschlussarbeit, Sozialwissenschaftliche Fakultät, Universität Prag) u. a.

Die tschechoslowakische Perspektive

II.

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Deutschlandpolitische Diskurse in der Tschechoslowakei vor 1989: Dissidentenkonzepte als Grundlage der neuen tschechoslowakischen Außenpolitik?

Für die Außenpolitik der kommunistischen Tschechoslowakei galt bis zum Jahre 1989 die langfristige Existenz zweier deutscher Staaten als einer der Grundbausteine einer stabilen Friedensordnung in Europa, die allein auf der Bewahrung des nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen Status quo beruhen sollte. Diese Haltung war nicht nur der Anlehnung an die sowjetische Außenpolitik geschuldet. Die „Nachkriegsordnung“ war, wenn auch nicht explizit, in der Schlussakte von Helsinki (1. August 1975) und auch im Abschlussdokument der KSZEFolgekonferenz von Madrid (6. September 1983) festgeschrieben worden.7 In der sehr kleinen, doch pluralistischen alternativen Gemeinde (der sogenannten „alternativen Polis“ innerhalb der Charta 77) der tschechischen und slowakischen Dissidenten wurden jedoch, verstärkt in der Zeit der Perestroika, auch andere Modelle einer europäischen Ordnung diskutiert. Der frühere Dissident Luboš Dobrovský, unmittelbar nach der Wende 1989–1990 stellvertretender Außenminister und danach bis Juni 1992 Verteidigungsminister, erklärte später in diesem Zusammenhang: „Die beiden deutschen Staaten waren Symbol dessen, was man im Osten ‚die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges‘ nannte, und kaum einer im Westen hatte etwas dagegen. Noch in der Zeit nach dem November 1989, das kann ich als Teilnehmer an einigen Verhandlungen bezeugen, brachten wir unsere westlichen Partner in Verlegenheit, wenn wir zu erkennen gaben, dass wir die sogenannten Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges nicht bewahren wollten.“8 Wie sich auch Jiří Dienstbier, ebenfalls ein Dissident und ab Dezember 1989 Außenminister der Tschechoslowakei, schmunzelnd erinnerte, war es ein „Scherz der Geschichte“, dass der Auftakt zu dieser Diskussion, der Prager Aufruf der Charta 77 vom 11. März 1985, genau am Tag der Wahl Michail Gorbatschows zum Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) veröffentlicht wurde. Die tschechoslowakische Staatssicherheit (StB) witterte darin sogar das Ergebnis einer geheimen Koordination zwischen den tschechoslowakischen Dissidenten und gewissen Kreisen in Moskau.9 Der Aufruf bezog sich in erster Linie auf den bevorstehenden 40. Jahrestag des Kriegsendes, auf eine gewisse Stagnation im Helsinki-Prozess und auf einige Debatten, die im Ausland in Kreisen der Friedensbewegung geführt wur7 Detlef Preuße, Umbruch von unten. Die Selbstbefreiung Mittel- und Osteuropas und das Ende der Sowjetunion (Wiesbaden: Springer VS , 2014), 97–106. 8 Brief Luboš Dobrovskýs an den Verfasser dieses Beitrags vom 13. Juni 2003. Privatarchiv des Autors. 9 In den deutschen Medien gelegentlich auch Prager Appell genannt. – Mehrere Unterzeichner des Aufrufs wurden unmittelbar nach der Veröffentlichung verhaftet und verhört, darunter auch Jiří Dienstbier, der als damaliger Sprecher der Charta 77 für die Endredaktion

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den. Dieser Kontext des Dokumentes ist heute nicht mehr ganz deutlich, zum Teil  auch dank der späteren scheinbaren Herauslösung und Dekontextualisierung eines Teils des Aufrufs in Dienstbiers Buch Träumen von Europa (Samisdat 1986), das am meisten zur Verbreitung des Textes beitrug.10 Bei aufmerksamer Lektüre wird jedoch der ursprüngliche Kontext des Helsinki-Prozesses in jeder Passage des Buches sichtbar. Auch Jiří Hájek und Václav Havel haben später auf diesen Hintergrund und auf den lebhaften Austausch mit der westeuropäischen Friedensbewegung hingewiesen.11 Der Prager Aufruf verband in den tschechoslowakischen oppositionellen Kreisen (und über diese hinaus in die sogenannte graue Zone der Gesellschaft) zum ersten Mal seit Ende des Krieges die Perspektive einer Vereinigung Europas explizit mit der Wiedervereinigung Deutschlands: „Gestehen wir jedoch den Deutschen offen ihr Recht zu, sich frei zu entscheiden, ob und in welchen Formen sie die Verbindung ihrer beiden Staaten in ihren jetzigen Grenzen wollen. Nach den Bonner Ost-Verträgen und nach Helsinki könnte der Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland zu einem bedeutenden Instrument positiver Veränderungen in Europa werden.“12 Diese Thesen wurden freilich nicht nur von der tschechoslowakischen kommunistischen Presse abgelehnt. Verlegen reagierten auch einige polnische und ostdeutsche Dissidenten sowie viele Intellektuelle im westlichen Ausland. In seiner Haltung zur deutschen Frage war der Prager Aufruf seiner Zeit weit voraus. Es ging ihm dabei, anknüpfend an eine frühere Erklärung vom 15. Juni 1983, in erster Linie darum, der Friedens­ diskussion, hier im aktuellen Zusammenhang mit dem bevorstehenden Friedenskongress in Amsterdam, neue Impulse zu geben.13 Nach Václav Havel wollte er vor allem „lapidar sagen […], dass ein Frieden, der nicht auf Gerechtigkeit, des Textes und seine Publikation verantwortlich war. „Bei mir haben sie untersucht, ob diese beiden Ereignisse koordiniert waren. Da haben sie uns also überschätzt – und Gorbačev auch.“ Interview des Autors mit Jiří Dienstbier am 26. Juni 2003. 10 Jiří Dienstbier, Snění o Evropě. Politický esej (Praha: Lidové noviny, 1990), 63–64. 11 Jiří Hájek, Paměti (Praha: Ústav mezinárodních vztahů, 1997), 327–328. Vgl. auch die nichtautorisierte Mitschrift eines Gesprächszyklus des früheren tschechischen Präsidenten, Václav Havel, mit Doktoranden der Fakultät für Sozialwissenschaften an der Prager Karlsuniversität im Studienjahr 1999/2000, Gespräch am 14.  Oktober 1999. Privatarchiv des Verfassers, der diesen Zyklus moderierte; verfügbar auch in der Václav Havel-­ Bibliothek Prag (Knihovna Václava Havla), Archiv. 12 Kritische Edition der tschechischen Originalfassung des Prager Aufrufs in: Blanka Císařovská/Vilém Prečan (eds.), Charta 77: dokumenty 1977–1989, Bd. 2 (Praha: ­Ústav pro soudobé dějiny AV ČR , 2007), 692–694. Die deutsche Übersetzung u. a. bei: Gerd Poppe, Begründung und Entwicklung internationaler Verbindungen, in: Eberhard Kuhrt (ed.), Am Ende des realen Sozialismus, Volume 3: Opposition in der DDR von den 70er Jahren bis zum Zusammenbruch der DDR-Herrschaft (Opladen: Leske und Budrich, 1999), 374–375; Doris Liebermann/Jürgen Fuchs/Vlasta Wallat (eds.), Dissidenten, Präsidenten und Gemüsehändler. Tschechische und ostdeutsche Dissidenten 1968–1998 (Essen: Klartext, 1998), 277–280. 13 Tomáš Vilímek, Solidarita napříč hranicemi. Opozice v ČSSR a NDR po roce 1968 (Praha: Vyšehrad, 2010), 226–240.

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auf der Achtung der Freiheit des Individuums gegründet ist, eigentlich gar keiner ist. Er ist ein falscher Frieden.“14 Die ostdeutschen Dissidenten (Ludwig Mehlhorn, Gerd und Ulrike Poppe und 17 weitere Signatare) reagierten im Juni 1985 mit einem lobenden Brief, der gegenüber der deutschlandpolitischen Passage des Prager Aufrufs jedoch äußerst zurückhaltend war: Die eventuelle deutsche Einheit sollte nach ihrer Meinung ein Bestandsteil der neuen europäischen Ordnung werden – nicht jedoch deren Voraussetzung. Der Prager Aufruf brachte jedoch den sichtbaren Auftakt mehr oder weniger regelmäßiger Kontakte und Konsultationen zwischen den tschechoslowakischen und ostdeutschen Dissidenten über außenpolitische Fragen.15 In den „realpolitischen“ Kreisen des Westens, insbesondere bei den etablierten Parteien (mit Ausnahme der Grünen), stieß der Prager Aufruf auf wenig Anklang. Die einzige Stellungnahme von Bedeutung fand der Berliner Osteuropa-Historiker Michal Reiman in einem Artikel von Hannelore Horn für das Deutschland-Archiv.16 Auch ist es möglich, dass einige Reaktionen auf den Aufruf bislang unbekannt geblieben sind. Fest steht jedoch, dass trotz der divergierenden Meinungen keiner der Unterzeichner der Charta 77 nach der Veröffentlichung des Dokuments gegen seinen Inhalt protestierte oder ein separates Votum dazu formulierte.17 Unter den Unterzeichnern des Prager Aufrufs finden wir bedeutende Akteure der Außenpolitik in der Zeit nach der „samtenen Revolution“ von 1989: neben Václav Havel, Jiří Dienstbier, Luboš Dobrovský waren es auch der spätere slowakische Ministerpräsident Ján Čarnogurský oder – als eine der Symbolfiguren des „Prager Frühlings“ 1968 – der damalige Außenminister und einer der ersten Charta 77-Sprecher Jiří Hájek. Diese Vorgeschichte macht die insgesamt positive Haltung der Führung der tschechoslowakischen Diplomatie nach der „samtenen Revolution“ zu einer schnellen Vereinigung der beiden deutschen Staaten verständlich und mag erklären, warum die tschechoslowakische Position in dieser Frage von Anfang an wesentlich klarer und entgegenkommender war, als beispielsweise die vorsichtige und abwartende Haltung Polens, von den Vorbehalten und Befürchtungen in Frankreich, Großbritannien oder der UdSSR ganz zu schweigen.18 14 Siehe Anm. 4, Gesprächszyklus des früheren tschechischen Präsidenten Václav Havel. 15 Der Brief wurde in der Tschechoslowakei unmittelbar danach in der Samisdat-Zeitschrift Informace o Chartě 77 8 (1985), 11 veröffentlicht. Siehe auch Vilímek, Solidarita, 237–238. 16 Hannelore Horn, Die Deutsche Frage im Spektrum europäischer Linker, in: Deutsch­ land-Archiv 21 (1988) 6, 634–647. Vgl. auch Michal Reiman, Die deutsche Einheit und der tschechische Dissens, in: Doris Liebermann/Jürgen Fuchs/Vlasta Wallat (eds.), Dissidenten, Präsidenten und Gemüsehändler. Tschechische und ostdeutsche Dissidenten 1968–1998 (Essen: Klartext, 1998), 211–216. 17 Vilímek, Solidarita, 240–248. 18 So z. B. Michael Ludwig, Polen und die deutsche Frage. Mit einer Dokumentation zum deutsch-polnischen Vertrag vom 17. Juni 1991 (Bonn: Europa-Union-Verlag, 1991), 38–138; Margaret Thatcher, The Downing Street Years (London: HarperCollins, 1993), 790–798; Günther Heydemann, Zwischen Widerstand und Obstruktion. Großbritanniens Rolle und die Politik Margaret Thatchers während der Wiedervereinigung Deutschlands 1989/90, in: Deutschland-Archiv 42 (2009) 1, 31–43 und viele andere. Obwohl die Archiv-

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III. Die Tschechoslowakei und ihr Verhältnis zu den beiden deutschen Staaten vor dem Fall des Eisernen Vorhangs Die Beziehungen zwischen der Tschechoslowakei und der Bundesrepublik Deutschland wurden in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre in den offiziellen Prager Quellen als „korrekt“, „pragmatisch“, „befriedigend“ und zuweilen sogar als „gut“ charakterisiert.19 Dies galt vor allem für die wirtschaftlichen Beziehungen (die Bundesrepublik war immerhin der wichtigste westliche Handelspartner der Tschechoslowakei!) mit einem proklamierten Übergang von einem Warenaustausch mit einer zusehends ungünstigeren Kommoditätsstruktur für die Tschechoslowakei zu höheren Formen der Kooperation, von der Zusammenarbeit auf Drittmärkten bis zu geplanten Gründungen von gemischten Betrieben (joint ventures) mit einem ausländischen Anteil, die ab 1986 auch in der Tschechoslowakei zugelassen wurden.20 bestände zu dieser Zeit noch überwiegend gesperrt sind, ist die Literatur zu den Umständen der Wiedervereinigung Deutschlands und ihren außenpolitischen Implikationen bereits jetzt kaum überschaubar. Hinzu kommen in jedem Jahr neue Bücher mit Erinnerungen der damals Beteiligten (Helmut Kohl, Horst Teltschik, Hans-Dietrich Genscher, Richard von Weizsäcker, Egon Krenz, Hans Modrow, Michail Gorbatschow, Eduard Schewarnadse, Valentin Falin, Gyula Horn, Henry Kissinger u. a., in Tschechien vor allem Jiří Dienstbier und Jaroslav Šedivý). Einen ausführlichen Überblick bieten (Standardwerke, ggf. Editionen) wie Stephen F. Szabo, The Diplomacy of German Unification (New York: St. Martin’s Press, 1992); Philip Zelikow/Condoleeza Rice, Germany Unified and Europe Transformed (Cambridge/Mass.: Harvard University Press, 1995); Werner Weidenfeld/Peter M. Wagner/Elke Bruck, Außenpolitik für die deutsche Einheit. Die Entscheidungsjahre 1989/90. Geschichte der deutschen Einheit, Bd. 4 (Stuttgart: Deutsche VerlagsAnstalt, 1998); Alexander von Plato, Die Vereinigung Deutschlands – ein weltpolitisches Machtspiel. Bush, Kohl, Gorbatschow und die geheimen Moskauer Protokolle (Berlin: Ch. Links, 2003); Andreas Rödder, Deutschland einig Vaterland. Die Geschichte der Wiedervereinigung (München: C. H.Beck, 2009); Frédérick Bozo, Mitterrand, the End of the Cold War, and the German Unification (Oxford/New York: Berghahn, 2009); Tilo Schabert, Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit (Stuttgart: Klett-Cotta, 2002); Rafael Biermann, Zwischen Kreml und Kanzleramt. Wie Moskau mit der deutschen Einheit rang (Paderborn: Schöningh, 1998); Antonio Varsori, L’Italia e la fine della guerra fredda. La politica estera die governi Andreotti (Bologna: Il Mulino, 2013), 19–46; Włodzimierz Borodziej (ed.), Polska wobec zjednoczenia Niemec 1989–1991. Dokumenty diplomatyczne (Warszawa: Scholar, 2006), 7–44 (Wstęp) u. v. a. 19 So z. B. der ehemalige ČSSR-Botschafter in Bonn, Dušan Spáčil, My z Černína. Paměti československého diplomata (Praha: Periskop, 1995), 277–279. Vgl. auch das Exposé des ČSSR-Außenministers Jaromír Johanes vor den beiden Kammern der Föderalversammlung der Tschechoslowakei am 21.  März 1989, in: Dokumenty k československé zahraniční poli­tice 36 (1989), 189–203; Simona Svobodová-Herciková, Vztahy mezi ČSSR  a SRN 1973–1989 (Diplomarbeit, Sozialwissenschaftliche Fakultät, Universität Prag, 1997) 54–86. 20 Christoph Buchheim, Die Wirtschaftsbeziehungen der Tschechoslowakei zur Bundes­ republik Deutschland von der Nachkriegszeit bis in die 1990er Jahre, in: id./Edita Iva­

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Auf dem Gebiet des kulturellen und wissenschaftlichen Austausches, etwa im Vergleich mit der Dynamik der Wirtschaftsbeziehungen, muss jedoch festgestellt werden, dass viele Punkte des 1978 zwischen der BRD und der ČSSR abgeschlossenen Kulturabkommens bloß auf dem Papier bestanden: Der Kulturaustausch hatte eher einen exklusiven Charakter, an dem auf tschechoslowakischer Seite nur regimekonforme Kulturschaffende teilnehmen durften. Es fehlte bei den Durchführungsprotokollen zum Abkommen an Verbindlichkeit, ein tschechoslowakisches Kultur- und Informationszentrum in der BRD bzw. ein Goethe-­ Institut in Prag oder Bratislava wurde vor dem Zusammenbruch des Kommunismus nie eröffnet.21 Für die letzten Jahre vor der Wende war vor allem die zunehmende Intensität der politischen Kontakte symptomatisch. Zwar erreichten sie nie eine vergleichbare Qualität wie im Falle Polens oder Ungarns, doch die regelmäßigen Kontakte zwischen den beiden Außenministern Bohuslav Chňoupek und Hans-Dietrich Genscher wurden allmählich zur Gewohnheit. Den Gipfel stellte jedoch  – sowohl inhaltlich als auch protokollarisch – der offizielle Besuch von Bundeskanzler Helmut Kohl in der Tschechoslowakei im Januar 1988 dar.22 Die Augenzeugen der Gespräche von 1988 erinnern sich an die gute „Chemie“ zwischen Helmut Kohl und Lubomír Štrougal – sowie an die späteren Bedenken in Bonn, nachdem der als Reformer geltende tschechoslowakische Premierminister durch die unbekannte Größe Ladislav Adamec abgelöst worden war. Kohl erklärte in Prag unter anderem, dass „man ohne die ČSSR keine europäische Politik betreiben“ könne.23 Im Rahmen der Ostpolitik der Bundesregierung bezeichnete er die Tschechoslowakei ebenfalls als Priorität und formulierte mehrere konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Beziehungen. In einem Vieraugengespräch mit Štrougal kritisierte er jedoch  – wie erwartet  – die tschechoslowakische Kirchenpolitik.24 Kohl unterstützte auch eine engere Zusammenarbeit zwischen RGW und EG, von der die DDR schon lange profitierte: „Honecker nutzt es aus, als Gentleman

ničková/Kristina Kaiserová/Volker Zimmermann (eds.), Die Tschechoslowakei und die beiden deutschen Staaten (= Veröffentlichungen der Deutsch-Tschechischen und der Deutsch-Slowakischen Historikerkommission 10; Essen: Klartext, 2010), 145–162, 159. 21 Libor Rouček, Die Tschechoslowakei und die Bundesrepublik Deutschland 1949–1989.­ Bestimmungsfaktoren, Entwicklungen und Probleme ihrer Beziehungen (München/Wien, Tuduv-Verlagsgesellschaft, 1990), 161–168, hier 162. 22 Dokumenty k československé zahraniční politice 35 (1988), 11–25, 528–530. 23 Bericht des DDR-Botschafters Helmut Ziebart über den Besuch Kohls in Prag vom 29. Januar 1988, tschechische Edition (Nr. 6), in: Oldřich Tůma, Poslední léta komunistického režimu ve zprávách velvyslance NDR v Praze, in: Soudobé dějiny 2 (1996), 365–366. Vgl. auch Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung 18 (1988), ­145–152, und Dokumenty k československé zahraniční politice, 35 (1988), 11–25. 24 Seine Kritik zu diesem Punkt unterstrich er auch durch eine allgemein verständliche symbolische Geste: durch die Abstattung eines Höflichkeitsbesuches beim damals 88-jährigen Prager Erzbischof Kardinal František Tomášek (im inoffiziellen Teil seines Prager Programms).

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schweigt er jedoch.“ Dieses Thema tischte Kohl auch im Zusammenhang mit der damaligen Präsidentschaft der Bundesrepublik in den EG auf.25 Zum ersten Male auf tschechoslowakischem Boden wurde in diesem Gespräch auch die Perspektive der deutschen Einheit als fernes Zukunftsziel erwähnt. Der geplante Gegenbesuch des ČSSR-Ministerpräsidenten in der Bundesrepublik wurde mehrmals verschoben – und letztendlich ad acta gelegt.26 Beim Kohl-Besuch in Prag im Januar 1988 wurden 50 gemeinsame Projekte behandelt. Vereinbart wurden zum Beispiel Verhandlungen über den Bau der Autobahn Prag-Nürnberg sowie die Prüfung von Möglichkeiten zum Import von Entschwefelungsanlagen für die Kohlekraftwerke.27 In der Folgezeit schien die tschechoslowakische Seite bei deren Umsetzung sogar aktiver als die Bundesrepublik zu sein, auch angesichts einer gewissen Isolierung Prags in Folge der unrühmlichen „Palach-Woche“ im Januar 1989.28 Doch die anhaltende Kontaktdichte auf politischer Ebene ist – durch das ganze Jahr 1989 hindurch – nicht zu übersehen. Vom 17. bis 19. Februar 1989 reiste zum ersten Mal ein tschechischer Premierminister, František Pitra, (d. h. der Premier der tschechischen Teilrepublik im Rahmen der tschechoslowakischen Föderation) nach Bayern und führte 25 Bericht des DDR-Botschafters Helmut Ziebart, 366. 26 Ibd. Vgl. auch Lubomír Štrougal, Paměti a úvahy (Praha: Epocha, 2009), 351. Der frühere tschechoslowakische Ministerpräsident erwähnt hier auch eine Bitte Kohls an Štrougal: angesichts der „guten Beziehungen“ zwischen Prag und Moskau bei der Schlichtung der damaligen deutsch-sowjetischen Dissonanzen (hervorgerufen durch den unglücklichen Vergleich den Kohl zwischen Gorbatschow und Goebbels zog) zu helfen. Mehrere Details zu dieser bekannten deutsch-sowjetischen Betriebspanne bringt aus seiner Perspektive (und natürlich zu seiner Vermittlungsrolle) der damalige ČSSR-Außenminister Bohuslav (Bohuš) Chňoupek, Memoáre in claris (Bratislava: Belimex, 1998), ­234–237. 27 Intern war jedoch die tschechoslowakische Führung mit den wirtschaftlichen Ergebnissen des Kohl-Besuchs nicht besonders zufrieden: „Kohl habe bei seinem Besuch in Prag kein großes Interesse bekundet, die ökonomische Zusammenarbeit zu entwickeln, sondern die Linie einer Aktivierung der Zusammenarbeit in humanitären Fragen“. So jedenfalls – laut Protokoll – fasste einige Wochen später die Ergebnisse des Besuchs aus der BRD der neue Generalsekretär des ZK der KSČ Miloš Jakeš im Gespräch mit Erich Honecker in Berlin zusammen (10.3.1988). Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv Berlin (weiter SAPMO -BArch), Zentralarchiv der SED, Sign. DY/30/2439, Büro Erich Honecker. 28 Als „Palach-Woche“ werden die spontanen Demonstrationen der Prager Bevölkerung auf dem Prager Wenzelsplatz vom 15. bis 20. Januar 1989 bezeichnet, die durch mehrere Tage hinweg anlässlich des 20. Jahrestages der Selbstverbrennung des Studenten Jan Palach (als verzweifelter Protest gegen die sowjetische Okkupation und die keimende „Normalisierung“) stattfanden. Die Polizei griff gegen die Demonstrationen hart ein, etwa 1400 Demonstranten wurden festgenommen. Vgl. Tomáš Vilímek, Die Palachwoche. Die Demonstrationen in Prag im Januar 1989, in: Horch und Guck. Historisch-literarische Zeitschrift des Bürgerkomitees „15. Januar“ e. V., 12 (2003) 3, 60–65; Oldřich Tůma, Zítra zase tady! Protirežimní demonstrace v předlistopadové Praze jako politický a sociální fenomén (Praha: Maxdorf, 1994) 7–48; Jan Vladislav/Vilém Prečan, Horký leden 1989 v Československu (Praha: Novinář, 1990).

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Gespräche mit seinem Amtskollegen Max Streibl. Diese waren damals nicht durch historische Themen geprägt, sondern – ganz pragmatisch – von der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und dem Umweltschutz. Die geplante Modernisierung der Kohlekraftwerke im bayerisch-westböhmischen Grenzgebiet spielte dabei eine wichtige Rolle. Übrigens: für den Herbst 1989 wurden in Prag eine bayerische Wirtschaftswoche sowie ein Gegenbesuch von Max Streibl angekündigt.29 Es mag zwar paradox klingen, aber gegenüber der spätkommunistischen „Tschechischen Sozialistischen Republik“, also einer Teil­republik der früheren kommunistischen Föderation, hatte der Freistaat weniger Vorbehalte und Gesprächsbarrieren als vier Jahre später Ministerpräsident E ­ dmund Stoiber gegenüber der demokratischen Tschechischen Republik.30 Am 11. und 12. Juli 1989 folgte der zweitägige Besuch des Vizekanzlers und Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher. Dabei dominierten sicherheitspolitische Themen, insbesondere im Zusammenhang mit den laufenden Wiener Verhandlungen. Bezüglich der Auswertung der Wiener KSZE-Nachfolgekonferenz über die humanitäre Dimension sprach Genscher am Rande auch die Menschenrechte an, begleitet von der Feststellung, dass die Bundesrepublik „für eine stabile Entwicklung in Mitteleuropa“ sei und dass „wir weder Interesse an der Destabilisierung der Situation haben, noch solche Politik betreiben“. Im Anschluss an das ältere Kulturabkommen von 1978 beziehungsweise 1979 und an die bereits im Jahre 1988 angeschnittenen Themen wurde auch der fast fertige Vertrag über die Errichtung der Kultur- und Informationszentren der ČSSR in der Bundesrepublik bzw. der BRD (also eines Goethe-Institutes) in der Tschechoslowakei angekündigt.31 Das deutsch-tschechoslowakische Verhältnis stand im Jahre 1989 auch im Zeichen von zwei „trilateralen“ Themen zwischen der DDR , der BRD und der ČSSR . Das erste Thema wurde wiederholt und fast hartnäckig durch die DDR und die Tschechoslowakei auf verschiedenen internationalen Foren thematisiert: Es handelte sich um den Vorschlag für eine chemiewaffenfreie Zone in Europa, ursprünglich als eine Vereinbarung zwischen der SPD und der SED im Rahmen ihrer breiter angelegten, gelegentlich scharf kritisierten Kontakte formuliert, der sich später auch die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KSČ) angeschlossen hatte. Am Rande der Abrüstungskonferenz in Genf gab es dann ab 1988 wiederholte Konsultationen zwischen den offiziellen staatlichen Dele29 Dokumenty k československé zahraniční politice 36 (1989), 140–141. 30 Stoiber weigerte sich aus bekannten Gründen während seiner langen Regierungszeit grundsätzlich, Prag einen offiziellen Besuch abzustatten. Diese (nicht nur) symbolische Blockade in den bayerisch-tschechoslowakisch/tschechischen Beziehungen wurde erst durch den offiziellen Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer im Dezember 2010 in Prag beendet. 31 Dokumenty k československé zahraniční politice 36 (1989), 522–524, 560; Archiv der Gegenwart 59 (1989), 33534. Tatsächlich wurde jedoch das Goethe-Institut in Prag – im Gebäude der einstigen DDR-Botschaft – erst im März 1993 von Bundesaußenminister Klaus Kinkel eröffnet.

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gationen der BRD, der DDR und der Tschechoslowakei zu diesem Thema – allerdings ohne sichtbaren Erfolg.32 Darüber hinaus wurde dieser Vorschlag später durch die DDR um einen kernwaffenfreien Korridor in Mitteleuropa ergänzt. Auch im Jahre 1989 wurde diese Initiative – als „unmissverständliche Friedensoffensive“ – bei jedem Treffen der tschechoslowakischen und ostdeutschen Politiker erwähnt. Sie sollte unter anderem die Eintracht beider Staaten und Parteien anschaulich symbolisieren, so beispielsweise bei dem Besuch Erich Honeckers in Prag im Mai 1989.33 Das zweite wichtige „trilaterale“ Thema gehört zu den typischen unexpected events. Wer konnte auch nur ahnen, dass dies auch zum symbolträchtigen Kapitel der Geschichte der deutschen Einheit werden sollte: Die Asylsuche und Ausreise der DDR-Flüchtlinge über die bundesdeutsche Botschaft in Prag war ganz sicher das wichtigste „trilaterale“ Ereignis zwischen der Tschechoslowakei und den beiden deutschen Staaten im Jahre 1989.34 Die politische Führung in Prag, und damit auch das Prager Außenministerium, betrachtete dieses Problem natürlich im Sinne der traditionellen tschechoslowakischen Rechtsauffassung als eine Angelegenheit zwischen „zwei souveränen deutschen Staaten“ und verwies die Bonner Unterhändler wiederholt an Ostberlin: Prag war vorerst kaum dazu bereit, über die DDR-Bürger mit der BRD als einem „Drittstaat“ zu verhandeln. So wurde das Palais Lobkowiz auf der Prager Kleinseite zur Schaubühne eines prägenden Aktes der modernen deutschen Geschichte  – nicht zu ü ­ bersehen sind dabei die Auswirkungen dieser Ereignisse auf die tschechos­lowakische Bevölkerung. Das offizielle Prag reagierte auf die enstprechenden Vereinbarungen zwischen den Regierungen der DDR und BRD mit Erleichterung, wobei der „vermittelnde“ Druck aus Moskau, Washington und Paris natürlich ebenfalls eine wichtige Rolle 32 „Die BRD wendet sich hartnäckig gegen eine substantielle Behandlung dieser Frage. Die Erörterung von Problemen eines umfassenden Verbots hat dazu beigetragen, die Suche nach Kompromissen zu verstärken und Lösungsvarianten aufzuzeigen.“ So DDR-Außenminister Oskar Fischer in seiner Information vom 11. Mai 1988 für die Außenpolitische Kommission des ZK der SED über den aktuellen Stand der Abrüstungsverhandlungen. SAPMO -BArch, DY/30/IV 2/2.115/29. Vgl. auch „Zum aktuellen Stand der Abrüstungsverhandlungen“. Informationen des MfAA /DDR für die Außenpolitische Kommission vom 30.11.1988, 24.2.1989 u 22.6.1989. SAPMO -BArch, DY 30/IV/ 2/2.115/30. 33 Dokumenty k československé zahraniční politice, 36 (1989), 36–369. Vgl. auch das Gesprächsprotokoll Miloš Jakeš  – Erich Honecker vom 3.5.1989 in Prag, SAPMO -BArch, DY/30/2439, Büro Erich Honecker. 34 Oldřich Tůma, 9:00, Praha-Libeň, horní nádraží. Exodus východních Němců přes Prahu v září 1989, in: Soudobé dějiny 6 (1999), 147–164; Vilém Prečan (ed.), Ke svobodě přes Prahu. Exodus občanů NDR na podzim 1989. Sborník dokumentů (Prag: Československé dokumentační středisko, 2009); Harald Sallfellner/Werner Wnendt, Das Palais Lobkowitz: Ein Ort deutscher Geschichte in Prag (Prag: Vitalis, 1999) u. a. Zu den damaligen Botschaftsbesetzungen in vergleichender Perspektive Wolfgang Mayer, Flucht und Ausreise: Botschaftsbesetzung als wirksame Form des Widerstands und Mittel gegen die politische Verfolgung in der DDR (Berlin: Tykve, 2002).

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spielte.35 In einem späteren Telefonat zwischen Bundeskanzler Kohl und Premierminister Adamec am 3. Oktober 1989, also bereits nach der Abreise der meisten Botschaftsflüchtlinge, wurde vor allem die „humanitäre Vorgehensweise“ bei der Lösung der kritischen Situation in der Prager Botschaft erörtert. Adamec informierte dabei Kohl über seine parallelen Gespräche mit Ostberlin.36 Bereits Ende September entwickelte die ČSSR einen diskreten Druck, mit dem Ziel, die beschleunigte Genehmigung zur ständigen Ausreise für die Botschaftsflüchtlinge – als „große Ausnahme“ anlässlich des bevorstehenden 40. Jahrestages der DDR-Gründung – zu vermitteln. Ein „Vier-Punkte-Vorschlag“ der Prager Führung vom 29.  September 1989 betonte, dass „die DDR sich aktiver an der Lösung der ganzen Problematik beteiligen“ müsse. In demselben Dokument wurden konkrete Maßnahmen im Rahmen der vorgesehenen Amnestie empfohlen, die auch die Ausreisepraxis deutlich erleichtern sollten. Im konkreten Prager Fall schlug die ČSSR der DDR vor, die Prager Botschaftsflüchtlinge mit Bussen und unbürokratisch ausgestellten Reisedokumenten über das DDR-Territorium bis zur Grenze mit der DDR zu überführen. Bis heute ist nicht ganz klar, in welchem Maße die westdeutsche Seite von diesen „begleitenden“ tschechoslowakischen Aktivitäten informiert war.37 Am selben Tag, dem 29. September 1989, nahm jedoch die DDR-Führung den tschechoslowakischen Antrag – nur mit kleinen Änderungen, denn die Flüchtlinge sollten mit Zügen gefahren werden – an.38 Die offenen Sympathien der Prager Bevölkerung mit einer spontanen Kundgebung auf dem Kleinseitner Ring anlässlich der Busfahrt der Botschaftsflüchtlinge zum Bahnhof Prag-Libeň wurden zu Recht als Bedrohungssignal für das Prager Regime empfunden. In diesem Zusammenhang wird angesichts der historischen Einzigartigkeit der Vorkommnisse in der Prager Botschaft wenig beachtet, dass sich trotz der diversen Sympathiekundgebungen viele­ tschechoslowakische Bürger über die fehlende Möglichkeit zur Einreichung von Visaanträgen in der deutschen Botschaft beklagten. Im Unterschied zur DDR waren nämlich die Reisemöglichkeiten für ČSSR-Bürger in den „kapitalistischen Westen“ bereits Anfang des Jahres 1988 weitgehend erleichtert worden – was zu einer Vervielfachung der Visaanträge (meistens handelte es sich um Transitvisa) führte. Eine weitere Lockerung der Reisevorschriften folgte im 35 Die einschlägigen vertraulichen Gespräche über das Schicksal der Prager Botschafts­ flüchtlinge fanden auch am Rande der UNO -Generalversammlung statt, u. a. unter Vermittlung von Eduard Schewardnadse, James Baker und Roland Dumas. Vgl. Richard Kiessler/Frank Elbe, Ein runder Tisch mit scharfen Ecken. Der diplomatische Weg zur deutschen Einheit (Baden-Baden: Nomos, 1993), 33–40. Entsprechende Verhandlungen führte Hans-Dietrich Genscher auch mit Oskar Fischer und Jaromír Johanes. Entscheidend war jedoch das Gespräch Genschers mit Eduard Schewardnadse, der kurz danach in Prag und Ostberlin intervenierte. Vgl. Prečan, Ke svobodě přes Prahu, 69; Tůma, 9:00, Praha-Libeň, 157–158. 36 Dokumenty k československé zahraniční politice 36 (1989), 811. 37 Prečan, Ke svobodě přes Prahu, 56–57, 67–74. 38 Tůma, 9:00, Praha-Libeň, 157–160

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Sommer 1989.39 Die „prekäre Situation“, so der Sprecher des Auswärtigen Amtes Jürgen Chrobog, entstand nun für alle Beteiligten.40 Zur Situation in der Prager Botschaft wurde schon vieles geschrieben, viele Augenzeugen kamen zu Wort – und sogar eine Liebesgeschichte aus dem Palais Lobkowitz wurde verfilmt. Noch interessanter sind diese Ereignisse aber natürlich als lieux de mémoire in der Geschichte der deutschen Einheit, als ein zusammenführender Topos in dem sonst getrennten, unterschiedlich strukturierten deutschen und tschechischen Erinnerungsbild von den friedlichen Revolutionen des Jahres 1989.41 Neben den bereits erwähnten „trilateralen“ Themen zwischen der Tschechoslowakei und den beiden deutschen Staaten ist Ende der 1980er-Jahre eine zunehmende Dynamik auch in den offiziellen bilateralen Beziehungen zwischen der Tschechoslowakei und der DDR , bzw. zwischen den beiden „Bruderparteien“ KSČ und SED festzustellen. Die erzkonservativen Parteiführungen in Prag und Ostberlin zeigten bei verschiedenen Gelegenheiten wiederholend ihre Distanz zu den sowjetischen Perestroika-Reformen, bzw. auch zu den neuen Akzenten der sowjetischen Außenpolitik. Spätestens seit 1987 bildeten die beiden Regime einen „Antiperestroika-Block“, der nur halbherzig, wenn nicht zunehmend ablehnend auf die sowjetischen Reformversuche reagierte. Im Unterschied zur DDR war die Prager Kritik der Gorbatschow’schen Politik aber viel behutsamer, nie kam es z. B. zur Beschlagnahmung der kritischen sowjetischen Periodika, bzw. zu ihrer „Streichung von der Postzeitungsliste“ wie im November 1988 in der DDR im Falle der beliebten deutschen Ausgabe der Monatsschrift „Sputnik“.42 Beide Parteien betonten die Spezifika der „ganz unterschiedlichen“ sowjetischen politischen und wirtschaftlichen Lage, so z. B. der tschechoslowakische KP-Chef und Staatspräsident Gustáv Husák im Gespräch mit dem SED -Polit­ büromitglied Kurt Hager im Oktober 1987: „Wir haben eine Reihe von Problemen, uns geht es aber nicht darum, die sowjetischen Methoden zu kopieren.“43 Die beiden Staaten äußerten immer größere Skepsis gegenüber der ineffizienten wirtschaftlichen Zusammenarbeit im RGW (Rat für gegenseitige Wirt39 Die privaten Valuta-Konten der ČSSR-Bürger konnten ab dem 1. April 1988 auch für die Bezahlung von individuellen Reisen ins „kapitalistische“ Ausland, von Kuraufenthalten usw. genutzt werden. Die neuen Reiseerleichterungen wurden von den Staatsbehörden der DDR mit Besorgnis beobachtet. Vgl. die nur für den Dienstgebrauch bestimmte ADNInformation Nr. 2204001 Valuta-Konten für CSSR-Bürger vom 22. Januar 1988, sowie die parteiinterne Stellungnahme von Alexander Schalck an das Politbüromitglied und Sekretär des ZK der SED Günter Mittag vom 27. Januar 1988, SAPMO -BArch, DY/30/3196, Büro Günter Mittag. 40 Dokumenty k československé zahraniční politice 36 (1989), 811. 41 Ines Lehmann, Die deutsche Vereinigung von außen gesehen. Angst, Bedenken und Erwartungen, Bd. IV: Polen und die Tschechoslowakei (Frankfurt/M.: Lang, 2004), 305–322. 42 Gegen die Entstellung der historischen Wahrheit (Redaktionskommentar), in: Neues Deutschland, 25.11.1988, 2. 43 Niederschrift über Unterredung mit Gustáv Husák, SAPMO -BArch, DY 30/JNL 26/11, Büro Kurt Hager, Bl. 5. Zit. bei Kunštát/Vilímek, Die deutsch-tschechoslowakischen Beziehungen, 144.

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schaftshilfe, COMECON) und betonten die Notwendigkeit, umso mehr und intensiver bilateral zu kooperieren. Bei seinem Besuch in Ostberlin im September 1989 stellte der Prager „Chefideologe“ Jan Fojtík klipp und klar fest, dass die Kooperation mit Polen und Ungarn nicht mehr funktioniere.44 Die offiziellen Zahlen sowie der Stand des entsprechenden Vertragswerkes sollten dafür eine überzeugende Ausgangsbasis darstellen. Diese faßte noch im April 1989 der tschechoslowakische Regierungschef Ladislav Adamec im Gespräch mit Erich Honecker in Berlin als vielversprechend zusammen: Neben mehr als hundert Verträgen über die Spezialisierung der Kooperation existierten zu dieser Zeit 350 Vereinbarungen über wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit, in der sich die im März 1988 verabredeten zwölf Themenkomplexe (zum Beispiel Mikroelektronik, Chemieindustrie, Farbbildschirme, Biotechnologie, Automobilindustrie usw.) widerspiegelten.45 Aus den verfügbaren Archivmaterialien geht jedoch hervor, dass die Führung der KSČ einerseits nur sehr lückenhaft über die wirkliche ökonomische Lage der DDR informiert wurde, vor allem über das tatsächliche Ausmaß der Westverschuldung der DDR (hier mußte sich Prag auf die westlichen Medien verlassen), andererseits aber von der ČSSR-Botschaft in Ostberlin über die zunehmenden ökonomischen Probleme in Kenntnis gesetzt wurde.46 In beiden dirigistisch gesteuerten Volkswirtschaften war das reale Entwicklungspotential für neue Großprojekte sehr limitiert. Ältere Kooperationspläne in der Elektronik, Computertechnologie oder im Maschinenbau scheiterten bereits früher. Anfang Mai 1989 besuchte Erich Honecker Prag. Anlässlich dieses letzten Prager Besuchs wurde noch ein Abkommen zwischen der ČSSR und der DDR über die Jugendzusammenarbeit unterschrieben, nach dem ein institutionalisiertes Jugendwerk errichtet werden sollte. Auch die wünschenswerte Errichtung eines „gemeinsamen Marktes DDR /Tschechoslowakei“ als realistische Option zum nichtexistierenden RGW-Binnenmarkt wurde in Aussicht gestellt. Viel Realitätsverständnis gab es bei den damaligen Gesprächen nicht: „Im Grunde genommen haben die DDR-Bürger einen höheren Lebensstandard als die Bevölkerung in der Bundesrepublik,“ behauptete der SED -Chef bei dieser Gelegenheit.47

44 Brief vom Hans-Joachim Hoffmann an Kurt Hager vom 26.  September 1989, SAPMO BArch, DY 30/vorl. SED 42338, Bl. 1. 45 Bericht über den Verlauf und Ergebnisse des Arbeitsbesuches des ČSSR-Ministerpräsidenten L. Adamec in der DDR , 20. April 1989. Národní archiv v Praze, Archiv ÚV KSČ (weiter NA , AÚV KSČ), Fonds ÚV 02/1, Band P 113/89, Punkt 5, Bl. 4. Vgl. Kunštát/Vilímek, Die deutsch-tschechoslowakischen Beziehungen, 139–140. 46 Bericht über die Entwicklung der Innen- und Außenpolitik der DDR im I. Halbjahr 1987, Berlin den 30. Juli 1987. Archiv Ministerstva zahraničních věcí Prag, německý teritoriální odbor 1945 (AMZV, NTO 1945–1989, NDR (DDR), Ev. Nr. 23, Bl. 8. 47 Niederschrift der Unterredung zwischen Miloš Jakeš und Erich Honecker in Prag, 3. Mai 1989, NA , AÚV KSČ , Fonds ÚV 02/1, Bd. 116/89, Punkt 1, Bl. 4.; SAPMO -BArch, DY 30/ 2439, Büro Erich Honecker. Gesprächsprotokoll Miloš Jakeš-Erich Honecker, 3. Mai 1989.

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Auf die schnelle Entwicklung der Ereignisse im Sommer/Herbst 1989, als schon die Grenze zwischen Ungarn und Österreich geöffnet worden war, reagierte das offizielle Prag vorerst abwartend (siehe weiter oben die Passage über die DDR-Flüchtlinge in der Prager BRD -Botschaft). Die missratenen Feierlichkeiten anlässlich des 40. Jahrestages der DDR-Gründung am 7. Oktober 1989, an denen auch die tschechoslowakische Partei- und Staatsspitze teilnahm, erweckten bei der KSČ-Führung, insbesondere bei dem Generalsekretär Miloš Jakeš, ein eindeutiges Gefühl der Isolation und Panik. Dieses brachte Jakeš in einem späteren Gespräch im Jahr 2003 wie folgt zum Ausdruck: „Es wurde [der Sozialismus] sowohl in der DDR als auch in Polen und Ungarn niedergeschlagen, […] uns ist nur die Tschechoslowakei geblieben.“48 Auch in den Beziehungen zwischen der Tschechoslowakei und den beiden deutschen Staaten brachte die zweite Hälfte der 1980er-Jahre die graduelle Öffnung neuer Spielräume für die sonst weiterhin unterbundene öffentliche Diplomatie, das heißt Möglichkeiten für Städte- und Schulpartnerschaften, Universitätspartnerschaften, für die Erweiterung der offiziellen kirchlichen Kontakte sowie der Kontakte zwischen politischen Parteien. Neben den traditionellen Beziehungen zwischen der KSČ und der SED, bzw. der KSČ und DKP wurden behutsam auch die nach dem „Prager Frühling“ unterbrochenen Kontakte zwischen der KSČ und der SPD fortentwickelt. Intensiver wurden jedoch auch Kontakte zwischen den tschechoslowakischen und ostdeutschen „Blockparteien“ ČSL (Československá strana lidová/Tschechoslowakische Volkspartei)/CDU-Ost, bzw. ČSSS (Československá strana socialistická/Tschechoslowakische Sozialistische Partei)/LDPD. Auch die Beziehungen der tschechoslowakischen Opposition zu verschiedenen Akteuren in den beiden deutschen Staaten wurden – trotz Restriktionen aller Art – dichter und intensiver: Sie stellten somit auch eine Plattform für Erfahrungsaustausch, moralische und praktische Unterstützung sowie für nonkonformistische Zukunftsdebatten dar. So plädierte der Prager Appell der Charta 77 von 1985 unter anderem für die demokratische Wiedervereinigung Deutschlands.49

IV. Tschechoslowakei auf dem Weg „zurück nach Europa“ – mit dem (wieder)vereinigten Deutschland als Nachbar und Verbündeten Auf seiner ersten Auslandsreise als Präsident der Tschechoslowakei, die ihn am 2. Januar 1990 in beide deutsche Staaten führte, erklärte Václav Havel: „Bei einem friedliebenden und demokratischen Staat, ganz gleich wie groß er ist, muss man 48 Das Gespräch mit Miloš Jakeš führte Miroslav Vaněk, 16. April 2003. Niederschrift im Ústav pro soudobé dějiny Prag, Centrum orální historie, Sammlung Rozhovory. 49 Zusammenfassend bei Kunštát/Vilímek, Die deutsch-tschechoslowakischen Beziehun­ gen, 132–138.

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keine Befürchtungen oder Angst haben.“ Dennoch müsse der Prozess einer Wiedervereinigung Deutschlands „Teil eines europäischen Vereinigungsprozesses sein, er muss auf der Grundlage von Verhandlungen erfolgen und nicht irgendwie wild.“50 Havel ging damals also noch von einer zeitlichen Parallelität beider Prozesse aus. Bereits in seiner Rede im polnischen Sejm erklärte er jedoch am 25.  Februar 1990 mit Blick auf die rasante internationale Entwicklung in dieser Frage, dass es „so bald als möglich“ zu einer Vereinigung kommen sollte. Außenminister Dienstbier hatte dagegen noch im Dezember 1989 mit einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren gerechnet.51 Offiziell stellte die Tschechoslowakei keine Vorbedingungen. Die konfusen Äußerungen einiger deutscher Politiker, namentlich Helmut Kohls, zur Oder-Neiße-Grenze wurden aber auch hier aufmerksam registriert. Aus polnischer und tschechoslowakischer Sicht ging es vor allem um die nebulöse Formulierung im 5. Punkt von Kohls Zehn-PunkteProgramm zur deutschen Einheit, vorgetragen am 28. November 1989 im Bundestag: „Wie ein wiedervereinigtes Deutschland schließlich aussehen wird, das weiß heute niemand. Dass aber die Einheit kommen wird, wenn die Menschen in Deutschland sie wollen, dessen bin ich sicher.“52 In aller Stille und wohl in Erwartung einer baldigen deutschen Wiedervereinigung beschloss die tschechoslowakische Regierung am 25.  Januar, Verhandlungen mit der Bundesrepublik Deutschland über nicht durch die Reparationen abgedeckte Ansprüche von Verfolgten des NS -Regimes aufzunehmen (Beschluss Nr.  51/90), die später als „Sondierungsgespräche zur Lösung aller offenen vermögensrechtlichen Fragen, die zwischen der Tschechoslowakei und Deutschland im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind“, bezeichnet wurden. Auf die entsprechende Note des tschechoslowakischen Außenministeriums reagierte die Bundesregierung jedoch nicht. Es folgten zwei weitere Noten in dieser Sache, die unbeantwortet blieben, und auch die Bemühungen des ­tschechoslowakischen Botschafters in Bonn, Milan Kadnár, hatten keinen Erfolg. Erst in einem Gespräch mit dem ersten Stellvertreter des tschechoslowakischen Außenministers, Róbert Harenčár, formulierte der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Hans Werner Lautenschlager, am 19. September in Bonn die ablehnende Haltung der Bundesregierung, denn es sei „nicht

50 Radko Břach, Die Außenpolitik der Tschechoslowakei zur Zeit der „Regierung der natio­ nalen Verständigung“ (Baden-Baden: Nomos, 1992), 57–58. Vergleiche auch die ausführliche, stellenweise auch sehr kritische Rezension zu Břachs Arbeit: Pavel Seifter, Zahraniční politika jako sen a skutečnost, in: Mezinárodní vztahy 28 (1993) 1, 80–84. 51 Československá zahraniční politika. Dokumenty, 1–3 (1990), 13; Un entretien avec le ministre tchécoslovaque des affaires étrangeres, in: Le Monde, 27. Dezember 1989, 3. 52 Umbruch in Europa. Die Ereignisse im 2.  Halbjahr 1989. Eine Dokumentation (Bonn: Auswärtiges Amt, 1990), 119. Noch in der Entschließung des Bundestages zum Bericht des Bundeskanzlers zur Lage der Nation vom 8.11.1989 heißt es im Zusammenhang mit der deutschen Ostgrenze: „Dazu gehört, daß wir noch keinen Friedensvertrag haben.“ Ibd., 75.

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möglich, die Haltung einer zukünftigen gesamtdeutschen Regierung und des Parlamentes zu präjudizieren“.53 Diese Argumentation erschien jedoch vielen als zweifelhaft. Die DDR sollte der Bundesrepublik auf Grundlage von Artikel 23 des Grundgesetzes beitreten, dadurch entstand also kein „neuer“ Staat in Europa. Die tschechoslowakische Regierung wollte die Verhandlungen unter anderem aufnehmen, um die Nervosität und Aufregung in Teilen der Öffentlichkeit angesichts alt-neuer sudetendeutscher Eigentumsforderungen zu dämpfen.54 Das bedeutete auch, dass die Prager Regierung Verhandlungen über sämtliche vermögensrechtliche Fragen keineswegs auswich.55 Sie ging nämlich davon aus, dass die tschechoslowakischen Reparations- und sonstigen Forderungen die Vermögensverluste der ausgesiedelten Sudetendeutschen erheblich überwogen: Auf der Pariser Reparationskonferenz Ende 1945 bezifferte die Tschechoslowakei ihre Kriegsschäden auf insgesamt 17,5 Milliarden Dollar nach dem Wert des Jahres 1938.56 Es stellt sich allerdings die Frage, ob sie im Jahre 1990 mit solchen Verhandlungen in der Tat gerechnet hat. Das von Václav Klaus geführte Finanzministerium stellte das nach dem Beschluss Nr. 51/90 erforderliche Material jedenfalls nie zusammen. Die Regierung verständigte sich, etwa nach dem Besuch Helmut Kohls in Moskau Anfang Februar 1990, eher auf informelle bzw. vertrauliche Konsultationen mit den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges, aber auch mit Polen, Dänemark, Belgien und den Niederlanden, um sicherzustellen, dass alle für die Tsche-

53 OZP KPR (Odbor zahraniční politiky Kanceláře prezidenta republiky/Außenpolitische Abteilung der Kanzlei des Präsidenten der Republik), Ordner Smlouva ČSFR-SRN 1990– 1992/Vertrag zwischen der ČSFR und der BRD 1990–1992. Für die freundliche Vermittlung dieser Akten bedanke ich mich bei dem früheren Leiter der Kanzlei des Präsidenten der Republik, Herrn Ivan Medek. 54 Pavlína Richterová, Česko-německé vztahy v týdeníku Sudetendeutsche Zeitung. Od pádu Berlínské zdi do konce roku 1990 (Abschlussarbeit, Sozialwissenschaftliche Fakultät, Universität Prag, 1999), 5–54; Samuel Salzborn, Heimatrecht und Volkstumskampf. Außenpolitische Konzepte der Vertriebenenverbände und ihre praktische Umsetzung (Hannover: Offizin, 2001), 10–14, 57–143. 55 Den Vorschlag für die Aufnahme von Sondierungsgesprächen zu Vermögensfragen übermittelte das tschechoslowakische Außenministerium dem Auswärtigen Amt mit der Note Nr.  102.341/90–2; Richard Král, Bonn postupuje vůči ČR tak, jak mu Praha dovolí, in: Rudé právo, 28. Oktober 1993, 1, 3. Král, ein bekannter tschechischer Experte für inter­ nationales Recht, hatte im selben Blatt die tschechoslowakische Nichtteilnahme an den Gesprächen zur Vorbereitung der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen scharf kritisiert. Vgl. Rudé právo, 10. November 1990, 1, 4. 56 Jaroslav Kučera, „Der Hai wird nie so stark sein“. Tschechoslowakische Deutschland­politik 1945–1948 (Dresden: Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung, 2001), ­79–82; id., Eigentumsrechtliche Ansprüche der Tschechoslowakei gegenüber der Bundesrepublik Deutschland in der Zeit des „Eisernen Vorhangs“, in: Christoph Buchheim/Edita Ivaničková/Kristina Kaiserová/Volker Zimmermann (eds.), Die Tschechoslowakei und die beiden deutschen Staaten (Essen: Klartext, 2010), 51–84.

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choslowakei relevanten Nachkriegsakte in die Verträge zur deutschen Einheit aufgenommen würden.57 Im Zusammenhang mit der tschechoslowakischen Haltung zur Vereinigung Deutschlands ist die Frage einer möglichen Beteiligung an den Zwei-plus-VierGesprächen – natürlich ebenso wie im Falle Polens nur bei einzelnen Aspekten – besonders intensiv diskutiert worden. Bekanntlich hat die Tschechoslowakei an den Verhandlungen nicht teilgenommen. Die allgemein bekannten Argumente für die Nichtteilnahme lieferten Radko Břach, Jaroslav Šedivý, Jiří Dienstbier58 und einige weitere Autoren. Nach Břach (Šedivý und Dienstbier äußerten sich ähnlich) wollte die tschechoslowakische Außenpolitik Verhandlungen von einer solchen Wichtigkeit nicht mit der Verfolgung von „Interessen einer anderen Ordnung“ (nämlich spezifisch tschechoslowakischen Interessen) belasten. Außerdem habe sie die offenen Fragen als vollberechtigtes, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs von niemandem mehr bevormundetes, selbstbewusstes Subjekt klären wollen. Jaroslav Šedivý, damals enger Mitarbeiter Dienstbiers im Außenministerium, stellt die tschechoslowakische Haltung zudem in den zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit den damaligen Versuchen Moskaus (sowie auch einiger westlicher Staaten), den Warschauer Pakt zu erneuern oder zu „reformieren“. Für Prag waren diese Versuche damals – anders als für Warschau, das noch zögerte – bereits völlig unannehmbar. Prag verfolgte in der Adventszeit 1989 aufmerksam die Gespräche zwischen Moskau und Ostberlin, die auf eine etwas längere Fortexistenz der DDR bzw. einen sehr langsamen Vereinigungsprozess und auf eine für Moskau sicher sehr wünschenswerte Neutralität des vereinigten Deutschland abzielten.59 Aus dieser Perspektive beurteilte Jiří Dienstbier auch das zweifelhafte Ange­bot Eduard Schewardnadses, der gegenüber dem tschechoslowakischen Botschaf­ter in Moskau, Rudolf Slánský, am 23.  Februar 1990 erklärte, dass er „nach einer Möglichkeit sucht, Polen und die Tschechoslowakei in die direkten Verhandlungen einzubeziehen um sicherzustellen, dass sie ihre Interessen zur Geltung bringen“.60 Die Annahme dieses Angebots und die Nutzung sowjetischer Vermittlung wäre sicher nicht umsonst zu haben gewesen und auch in offenkundigem Widerspruch zur neu formulierten Konzeption der tschechoslowakischen Außenpolitik gestanden, die einen schnellstmöglichen Abzug der sowjetischen Truppen aus der Tschechoslowakei anstrebte und das System der europäischen Sicherheit auf eine neue, die bisherige bipolare Ordnung überwindende Grundlage stellen wollte. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang nur das Projekt einer 57 Jiří Dienstbier, Od snění k realitě. Vzpomínky z let 1989–1999 (Praha: NLN, 1999), ­120–135; E-Korrespondenz des Autors mit Jiří Dienstbier vom 23.  Juni 2003 und nachfolgendes Interview am 26. Juni 2003. Privatarchiv des Verfassers. 58 Břach, Die Aussenpolitik der Tschechoslowakei, 57–71; Jaroslav Šedivý, Černínský palác v roce nula. Ze zákulisí polistopadové záhraniční politiky (Praha: Ivo Železný, 1997), 73–82; Dienstbier, Od snění k realitě, 56–60, 120–134, 282–300. 59 von Plato, Die Vereinigung Deutschlands, 147–206. 60 Dienstbier, Od snění k realitě, 121.

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europäischen Sicherheitskommission und einer schrittweisen Auflösung des Warschauer Paktes und der NATO. Mit zunehmendem zeitlichem Abstand gerät zudem das damals allgegenwärtige Gefühl einer Bedrohung von Gorbatschows Perestroika im Zusammenhang mit den immer deutlicher zu Tage tretenden Krisenphänomenen im innenpolitischen und wirtschaftlichen Gefüge der Sowjetunion in Vergessenheit, ein Gefühl, das Polen zwar auch teilte, aber aus guten Gründen nicht so offen zeigte wie die Tschechoslowakei, die zudem immer noch vom sogenannten August-Syndrom (in der Reminiszenz an den 21. August 1968, d. h. den ersten Tag der sowjetischen Okkupation des Landes) gezeichnet war. Der Putschversuch in Moskau bestätigte im August 1991 jedoch noch einmal eindrücklich, dass die tschechoslowakischen Befürchtungen nicht völlig aus der Luft gegriffen waren. Zwei Monate zuvor hatten die letzten sowjetischen Soldaten die Tschechoslowakei verlassen.61 Gegenüber Polen machte die Sowjetregierung mehrfach deutlich, dass der Aufenthalt sowjetischer Truppen in der DDR und Polen auf einem anderen Rechtsstatus beruhe, als in der Tschechoslowakei: er sei Folge der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges. Der Osten des Deutschen Reiches war im Krieg besetzt und nicht wieder geräumt worden.62 Die polnische Regierung war sich natürlich auch der engen Verbindung zwischen dem Abzug der sowjetischen Truppen aus der DDR und der sowjetischen Militärpräsenz in Polen (mindestens auf logistischer Ebene) bewusst. Für eine engere Abstimmung mit der UdSSR gab es auch mit Blick auf die Oder-Neiße-Grenze gute Gründe. In diesem Punkt hätten sich damals wohl die Interessen jeder denkbaren polnischen und sowjetischen Regierung getroffen. Und so begriff auch die Regierung Mazowiecki die sowjetische Militärpräsenz in Polen als Teil einer besonderen internationalen Konfiguration, die nur im Ganzen verändert werden konnte.63 Jaroslav Šedivý, damals der nächste Berater Dienstbiers und ab Juni 1990 Botschafter in Paris, sah rückblickend für eine mögliche Teilnahme der Tschechoslowakei an den Zwei-plus-Vier-Gesprächen nur zwei denkbare Gründe, nämlich die Bestätigung der Nichtigkeit des Münchner Abkommens von Anfang an sowie die erneute Bestätigung des „Bevölkerungstransfers“ nach 1945. Etwas­ verkürzt legt er dar, warum die Westmächte, vor allem Großbritannien, es sicher nicht z­ ugelassen hätten, diese Themen auf den Verhandlungstisch zu b ­ ringen.64

61 Zu den tschechoslowakisch-sowjetischen Verhandlungen über den Abzug der sowjeti­ schen Truppen siehe die ausführliche Dokumentation Jindřich Pecka (ed.), Odsun sovět­ ských vojsk z Československa 1989–1991 (Praha: Ústav pro soudobé dějiny AV ČR , 1996). 62 Ludwig, Polen und die deutsche Frage, 114–115. 63 Ewa Boniecka, Polacy – Niemcy: bez niedomówień. Konferencja prasowa premiera Mazowieckiego, in: Życie Warszawy, 22. Februar 1990; Ludwig, Polen und die deutsche Frage, 118–119. 64 Was die hypothetische britische Haltung zum Münchner Abkommen betrifft, so über­geht Šedivý freilich die „Entschuldigung für München“ in der Rede Margaret Thatchers vor der Föderalen Versammlung der Tschechoslowakei im September 1990. Königin Elisabeth II .

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Nochmals über die „Aussiedlung“ der Deutschen zu diskutieren hätte bedeutet, die Gültigkeit des Potsdamer Abkommens anzuzweifeln. Für Šedivý und indirekt auch für Dienstbier stellte sich die Frage: Springt für uns mehr dabei heraus, wenn wir uns bei äußerst geringen Erfolgsaussichten in die letzten Gespräche der Sieger mit den Besiegten hineindrängen, oder sollten wir nicht eher signalisieren, dass ein möglichst bald vereinigtes, demokratisches, in die internationalen Strukturen eingebundenes Deutschland für uns die bevorzugte Lösung ist und wir die dann noch bestehenden Probleme in bilateralen Gesprächen lösen wollen?65 An anderer Stelle erinnerte Jiří Dienstbier daran, dass die vier Großmächte übereingekommen waren, bei der Vereinigung Deutschlands ebenso wie unmittelbar nach dem Krieg im Namen der gesamten ehemaligen Anti-Hitler-Koalition zu handeln und keine weiteren Verhandlungspartner zuzulassen.66 Das war schon aus praktischen Gründen sinnvoll, denn die hohe Zahl der alliierten Mächte war durch den Zerfall des britischen und des französischen Kolonialreiches seit dem Ende des Krieges noch erheblich gestiegen. Lediglich die deutsche Ostgrenze sollen die Großmächte als „die einzige noch nicht entschiedene Frage“ angesehen haben. Dennoch wurde Polen nicht direkt in die Verhandlungen einbezogen. „Aber: Teilnehmer waren in Wirklichkeit alle, die sich für die konkreten Beschlüsse bei der Wiedervereinigung Deutschlands interessierten. Auch wir waren in Kontakt mit den vier Mächten, um darauf zu achten, dass keine Entscheidung der Nachkriegszeit vergessen wird, die unsere Interessen berührt. Darüber hinaus haben wir bei Polen, Dänen, Belgiern und anderen eruiert, ob auch deren Interessen vollständig gesichert sind. […] Die Forderung nach direkter Teilnahme hätte eine diplomatische Niederlage bedeutet, weil wir als die einzigen Querulanten zurückgewiesen worden wären. Wichtiger ist jedoch, dass wir damit selbst in paranoider Weise Entscheidungen der Nachkriegszeit für unsicher gehalten hätten, die die Siegermächte nicht nur nicht in Zweifel zogen, sondern auch nicht die Absicht hatten zu diskutieren – weder mit Deutschland, noch mit irgendwem sonst.“67

Die Diskussion über die tschechoslowakische Nichtteilnahme an den Zweiplus-Vier-Gesprächen tauchte seitdem wie ein Leviathan immer dann wieder auf, wenn die tschechisch-deutschen Beziehungen in einer Krise steckten. Leider war sie fast immer von durchsichtigen politischen Erwägungen bestimmt. Das galt nicht nur für die publizistischen Äußerungen von Experten und ehemaligen Diplomaten wie Richard Král und Otto Klička, sondern vor allem auch für die „patriotischen“ Reden kommunistischer Politiker. Ihren Höhepunkt eräußerte sich bei ihrem Staatsbesuch im März 1996 in Prag ebenso deutlich. In den ersten Monaten des Jahres 1990 war eine schwächere Distanzierung Londons vom Münchner Abkommen aber noch nicht völlig ausgeschlossen. Vgl. Šedivý, Černínský palác, 79–80. 65 Ibd., 82; Dienstbier, Od snění k realitě, 128–129. 66 Vgl auch von Plato, Die Vereinigung Deutschlands, 207–293, hier insbesondere 282–284. 67 Korrespondenz mit Jiří Dienstbier vom 23. Juni 2003. Privatarchiv des Autors.

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reichte die Debatte in der Zeit vor der Ratifizierung des Nachbarschaftsvertrages vom 27.  Februar 1992 sowie in der Phase der Verhandlungen über die Deutsch-Tschechische Erklärung von 1997. Dienstbier beklagt in seinen Erinnerungen: „Die Argumentation hat sich im Laufe der Jahre auch in vielen gescheiten Köpfen eingenistet, die sie bis heute in abstrakter Weise wiederholen, ohne die Umstände, Haltungen und Prioritäten jener Zeit zu berücksichtigen.“68 So hat zum Beispiel der Historiker und Charta 77-Signatar Pavel Seifter, nach der Wende außenpolitischer Berater Václav Havels und in den Jahren 1997 bis 2003 tschechischer Botschafter in London, bereits 1993 in einem Aufsatz – und zwar ganz sicher nicht aus kurzfristigem politischem Kalkül – die Verteidigung des Nichtengagements der ČSFR im deutschen Vereinigungsprozess durch Břach und später auch Dienstbier und Šedivý kritisiert. Voraussetzung für diese Haltung Prags sei ein elementares Vertrauen in die andere Seite gewesen. Dienstbier habe diese Position auch niemals verlassen. Die Deutschen wählten jedoch einen anderen Weg: „Das verabsolutierte Prinzip verkehrte sich in sein Gegenteil. Das Prinzip einer europäischen Lösung der deutschen Frage wurde von uns gerade bei diesen praktischen Schritten verlassen. Wir haben die Vortäuschung akzeptiert, dass es nicht um die Beendigung des Zweiten Weltkrieges und um einen Friedensvertrag gehe. […] Das Ergebnis hat sich dann aber mehrfach wiederholt: Insbesondere die Aushandlung des Vertrages wurde so sehr bilateral ‚verkleinert‘, dass wir selbst auf die Koordination mit Polen verzichteten und das sudetendeutsche Teilproblem uns über den Kopf zu wachsen drohte.“69

Bei aller Verbitterung betont Seifter aber auch, dass es für eine abschließende Bewertung noch zu früh sei, da den Historikern gerade für die Zwei-plus-VierVerhandlungen noch viele relevante Quellen fehlen. Die Zunahme publizierter Erinnerungen der damals Beteiligten kann da nur zum Teil Abhilfe schaffen.70 Zu den internen Kritikern des damaligen tschechoslowakischen Vorgehens gehörte auch der stellvertretende Außenminister und spätere V ­ erteidigungsminister Luboš Dobrovský. Wie es scheint, war er der einzige hochrangige Akteur der 68 Dienstbier, Od snění k realitě, 122. Der Autor dieses Beitrags führte in den Jahren 1993 bis 2003 unter anderem auch zu dieser Materie eine Reihe von dienstlichen Gesprächen mit damals beteiligten Diplomaten sowie engen Mitarbeitern und Freunden Jiří Dienstbiers. Viele von ihnen hielten rückblickend die Nichtteilnahme der ČSFR für einen großen Fehler. Sie beklagten vor allem den Verzicht auf eine enge Abstimmung mit Polen, obwohl ein solcher von polnischer Seite wiederholt angeboten worden sei. 69 Seifter, Zahraniční politika jako sen a skutečnost, 82. Pavel Seifter meint mit „dem Vertrag“ den neuen Deutsch-tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrag vom 27. Februar 1992. 70 Eine Ausnahme bildet z. B. das Archiv des slowakischen Außenministeriums in Brati­ slava, wo nach der Archivtrennung (in Folge der Teilung der Tschechoslowakei) auch die Kopien aus den „föderalen“ Archivbeständen aus Prag aufbewahrt und vor kurzem auch teilweise offengelegt wurden. In diesem Beitrag konnten sie jedoch nicht mitberücksichtigt werden.

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damaligen Außenpolitik, der im Rahmen des Ministeriums sowie bei Konsultationen mit Präsident Václav Havel eine tschechoslowakische Beteiligung an den Verhandlungen forderte. Er vertrat die Ansicht, dass die Tschechoslowakei durch eine auch noch so begrenzte Teilnahme ebenso wie Polen ihre Zugehörigkeit zur Gruppe der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges deutlich machen würde. „Meinen Widerstand hat dann [Krzysztof] Skubiszewski gebrochen, der gewissermaßen mein erster Lehrer in Diplomatie war. Ich habe ihm voll vertraut. Auch er war der Ansicht, dass wir unsere Staatsgrenzen selbst in Zweifel ziehen würden, und versicherte mir, dass Polen eine Schwächung unserer Interessen durch unsere Abwesenheit nicht zulassen werde.“71 Dobrovský meint jedoch, dass sich die Nichtteilnahme an den Verhandlungen später bei der Aushandlung des Nachbarschaftsvertrages mit Deutschland (1991/92) gerächt habe, bei der die Tschechoslowakei nicht als gleichwertiger Partner und Siegermacht des Zweiten Weltkrieges wahrgenommen worden sei. Er beruft sich auf die damaligen erregten Diskussionen in der föderalen Regierung. Als die Vertragsverhandlungen in die Krise gerieten, forderte er übrigens auch die Abberufung des faktischen Leiters des tschechoslowakischen Verhandlungsteams, des Juristen Bedřich Kopecký.72 Auch Jiří Gruša, der von 1990 bis 1997 tschechoslowakischer beziehungsweise tschechischer Botschafter in Deutschland war, vertritt die Ansicht, es habe durchaus die Möglichkeit zu einer gewissen Partizipation an den Zweiplus-Vier-Gesprächen gegeben, doch habe sich damals die tschechoslowakische Botschaft in Bonn quergestellt. Botschafter war damals noch der Kommunist Milan Kadnár. Je deutlicher sich abzeichnete, dass er nicht mehr lange im diplomatischen Dienst verbleiben würde, desto intensiver wurden seine Kontakte zu Funktionären der Vertriebenenverbände, während er in den für die Tschechoslowakei lebenswichtigen Sachfragen untätig blieb.73 Der Zwei-plus-Vier-Vertrag wurde nach komplizierten Verhandlungen (in denen es hauptsächlich um die NATO -Mitgliedschaft des vereinigten Deutschlands und die damit verbundenen Probleme ging) am 12.  September 1990 in Moskau unterschrieben.74 Darüber hinaus folgte die aus polnischer und tschechoslowakischer Sicht sehr wichtige Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik und den drei Westmächten vom 27. bis 28. September 1990 über die Fortgeltung

71 Korrespondenz mit Luboš Dobrovský vom 13. Juni 2003. Privatarchiv des Autors. 72 Ibd. 73 Gespräch mit Botschafter Jiří Gruša, Wien, 2. Juli 2003 (zur Zeit des Interviews war der im Jahre 2011 verstorbene Schriftsteller und Diplomat tschechischer Botschafter in Österreich). Privatarchiv des Autors. 74 Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland, vollständig abgedruckt z. B. in: Bundesministerium für Innerdeutsche Beziehungen (ed.), Texte zur Deutschlandpolitik, Reihe III, Bd. 8a. (Bonn: Deutscher Bundes-Verlag, 1991), ­672–678. Vgl. auch Auswärtiges Amt (ed.), „2+4“. Die Verhandlungen über die äußeren Aspekte der Herstellung der deutschen Einheit. Eine Dokumentation (Bonn: Auswärtiges Amt, 1993).

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bestimmter Vorschriften des sogenannten Überleitungsvertrages von 1952 bzw. 1954.75 In dieser Vereinbarung wurde u. a. festgelegt, dass nach wie vor Art. 3 Abs. 1 und 3 des VI. Teils dieses Vertrages fortgelten sollten. Dort war festgelegt: „(1) Die Bundesrepublik wird in Zukunft keine Einwendungen gegen die Maßnahmen erheben, die gegen das deutsche Auslands- oder sonstige Vermögen durchgeführt worden sind oder werden sollen, das beschlagnahmt worden ist für Zwecke der Reparation oder Restitution oder auf Grund des Kriegszustandes oder auf Grund von Abkommen, die die Drei Mächte mit anderen alliierten Staaten, neutralen Staaten oder ehemaligen Bundesgenossen Deutschlands geschlossen haben oder schließen werden. […] (3) Ansprüche und Klagen gegen Personen, die auf Grund der im Absatz (1) und (2) dieses Artikels bezeichneten Maßnahmen Eigentum erworben oder übertragen haben, sowie Ansprüche und Klagen gegen internationale Organisationen, ausländische Regierungen oder Personen, die auf Anweisung dieser Organisationen oder Regierungen gehandelt haben, werden nicht zugelassen.“76

Das Datum des Inkrafttretens, der 28. September 1990, liegt absichtlich vor der Suspendierung der Vier-Mächte-Rechte und Verantwortlichkeiten durch die sogenannte New Yorker Erklärung vom 1. Oktober 1990. Den Abschluss dieses Abkommens haben vorher die westlichen Mächte der Prager und Warschauer Regierung, sozusagen als Absicherungsinstrument pro futuro, wiederholt avisiert bzw. versprochen.77

V.

Die neuen Ostverträge: der deutsch-tschechoslowakische Fall (1990–1992)

Der Zwei-plus-Vier-Vertrag schuf die Voraussetzungen für die Aushandlung neuer „Ostverträge“, die die Zielsetzung „über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“ im Titel führten. Die definitive Regelung der deutsch-polnischen Grenze wurde auf Drängen Polens aus den Verhandlungen 75 Bekanntmachung der Vereinbarung vom 27./28. September 1990 zu dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (in der geänderten Fassung) sowie zu dem Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (in der geänderten Fassung) vom 8. Oktober 1990, in: Bundesgesetzblatt (BGBl.) 1990 II, 1386–1389. 76 Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (in der gemäß Liste IV. zu dem am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichneten Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland geänderten Fassung), in: BGBl. 1955 II, 405–468, 440. 77 Zur Bedeutung dieser Vereinbarung (in tschechischen Fachkreisen auch gelegentlich „3+1 Vertrag“ genannt) in Bezug auf die Rechtsansprüche der vertriebenen Sudetendeutschen siehe z. B. Christian Tomuschat, Die Vertreibung der Sudetendeutschen. Zur Frage des Bestehens von Rechtansprüchen nach deutschem Recht und Völkerrecht, in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 56 (1996) 1–2, 1–69, hier 52–57.

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über einen Nachbarschaftsvertrag herausgenommen und zum Gegenstand eines eigenen Vertrages gemacht, der auch Voraussetzung für das Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrages war. Das Tempo bei der Verhandlung dieser Verträge wie auch die Reihenfolge des Abschlusses der Verhandlungen mit den einzelnen Partnerländern erinnern an die 1970er-Jahre. „Blitzschnell“ wurde der Vertrag mit der UdSSR unterzeichnet, nämlich schon am 9. November 1990.78 Nur fünf Tage später folgte der deutsch-polnische Grenzvertrag.79 Die Verhandlungen über den Nachbarschaftsvertrag zwischen der BRD und Polen zogen sich im Gegensatz dazu erheblich in die Länge, vor allem wegen Fragen der Entschädigung der NS -Opfer und der Stellung der deutschen Minderheit in Polen. Die Probleme waren weitgehend die gleichen wie bei den parallel stattfindenden Vertragsverhandlungen zwischen der BRD und der Tschechoslowakei. Das politische Interesse, die Beziehungen zu einem großen und bedeutenden Nachbarn – als solcher wurde auch Polen von Deutschland angesehen – nicht den Partikularinteressen einiger traditioneller Lobby-Gruppen zu opfern und die Verhandlungen dementsprechend nicht endlos in die Länge zu ziehen, war auf beiden Seiten vorhanden. Die Verbände der Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten waren vom schnellen Fortgang der Ereignisse im Jahre 1990, die zur endgültigen Bestätigung der Oder-Neiße-Grenze geführt hatten, regelrecht überrumpelt worden und psychologisch und politisch vorübergehend fast „außer Betrieb“ gesetzt. Gerade deshalb hielten viele Beobachter, vor allem auf der polnischen Seite, das Datum der Unterzeichnung des Nachbarschaftsvertrages zwischen Polen und Deutschland (17. Juni 1991) für extrem spät.80 Der Vertrag zwischen der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik und der Bundesrepublik Deutschland über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit wurde hingegen erst am 27.  Februar 1992 unterzeichnet.81 Schon dieser späte Termin am Vorabend der tschechoslowakischen Parlamentswahlen und kurz vor der sich bereits abzeichnenden Auflösung

78 Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 9. November 1990, in: Europa-Archiv 46 (1991) 3, 85–90. 79 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen vom 14. November 1990 über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze, in: BGBl. 1991 II, 1329–1330. 80 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen vom 17. Juni 1991 über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit, in: BGBl. 1991 II, 1314–1327. Vgl. Jan Barcz/Witold M. Góralski, Der Vertrag über gute Nachbarschaft und freundliche (sic!) Zusammenarbeit: Konzeption, grundsätzliche Regelungen und begleitende Vereinbarungen, in: Witold M. Góralski (ed.), Historischer Umbruch und Herausforderung für die Zukunft. Der deutsch-polnische Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17. Juni 1991. Ein Rückblick nach zwei Jahrzehnten (Warszawa: Elipsa, 2011), 269–294; Stanisław Sulowski, Einige kritische Bemerkungen zum deutsch-polnischen Vertrag aus dem Jahre 1991, in: ibd., 295–316. 81 BGBl. 1992 II, 462–473.

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der Tschechoslowakei (oder zumindest einer grundlegenden Neudefinition der Föderation) war bezeichnend. Die Chronologie der Ereignisse dokumentierte, gestützt auf Archivmaterial und Aufzeichnungen aus allen entscheidenden Gesprächen, der damalige Außenminister der Tschechoslowakei, Jiří Dienstbier, in seinen Erinnerungen. Der Autor dieses Beitrags, der bislang nur einen Teil der Materialien einsehen konnte, kann hier nur konstatieren, dass Dienstbiers Angaben recht genau und zuverlässig sind.82 Dienstbier befasst sich jedoch nicht mit einigen interessanten Alternativen, die sich offenkundig im Laufe der Verhandlungen anboten. Bereits aus dem Vergleich der beiden ersten Vertragsentwürfe, des deutschen vom 28. März 1991 und des tschechoslowakischen vom 30.  März 1991, kann man leicht den Eindruck gewinnen, dass zwischen März und Mai 1991 die Chance bestand, den Vertrag sehr schnell zum Abschluss zu bringen – und zwar als ein Dokument, das ausschließlich auf die Zukunft ausgerichtet gewesen und darin mehr oder weniger dem polnischen Beispiel gefolgt wäre, bei dem Fragen der Entschädigung der NS -Opfer und vermögensrechtliche Fragen in einen Briefwechsel der Außenminister beziehungsweise in getrennte Verhandlungen, die durch einen eigenen Vertrag abgeschlossen werden sollten, ausgelagert worden sind. Die tschechoslowakische Diplomatie wählte jedoch einen anderen Weg und wollte alle in der Vergangenheit angefallenen Probleme im Verhältnis zum großen Nachbarn zur Sprache bringen. Das musste die Verhandlungen zwangsläufig verzögern, und zwar umso mehr, je schwächer die tschechoslowakische Verhandlungsposition wurde, auch im Zusammenhang mit der sich immer mehr offenbarenden Fragilität des Zusammenlebens der Tschechen und Slowaken im gemeinsamen Staat. Neben den beiden Verhandlungsdelegationen, die von Vizeaußenminister Zdeněk Matějka und Botschafter Wilhelm Höynck geleitet wurden, bildete sich eine parallele und noch vertraulichere Verhandlungsplattform zwischen Botschafter Jiří Gruša und Staatssekretär Dieter Kastrup heraus, auf der die besonders umstrittenen und sensiblen Punkte besprochen wurden, namentlich eine „Geste“ an die Sudetendeutschen, die von deutscher Seite bereits am 2. November 1990 in einem Gespräch zwischen Kohl und Havel gewünscht worden war. Die tschechoslowakische Seite reagierte darauf am 8.  Mai 1991 mit einem Vorschlag anlässlich eines Besuches von Präsident Havel in Bonn. Den Sudetendeutschen wurden die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft und die Möglichkeit einer begrenzten Partizipation am tschechoslowakischen Privatisierungsprozess angeboten. Hinter diesem Angebot stand vor allem die „Tugend des Schenkens“ (Jiří Gruša)  der maßgeblichen Akteure der damaligen­ 82 Die folgenden Ausführungen stützen sich außerdem auf themenspezifische Materia­lien aus dem Prager Außenministerium (diverse Kopien), die in der Zeit der Vertragsverhandlungen dem Leiter der Kanzlei des Präsidenten der ČSFR , Karel Schwarzenberg, zur Verfügung standen und später der Registratur der Kanzlei des Präsidenten der Republik, Presseabteilung (KPR /TO) zugegliedert wurden. Siehe auch Anm. 16; Dienstbier, Od snění k realitě, 282–300.

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tschechoslowakischen Außenpolitik. Es war also kein Zeichen der Schwäche, sondern des guten Willens.83 Bundeskanzler Kohl reagierte auf dieses Angebot daher zunächst gar nicht. Später wurde es mit der Begründung zurückgewiesen, die Bundesregierung wolle keinen Präzedenzfall für eine doppelte Staatsangehörigkeit schaffen, ein Argument, das auf dem Höhepunkt der damaligen deutschen Asyldebatte durch­aus Sinn ergab. Die Gespräche auf der parallelen Plattform sollten nicht ausschließlich den Vertragstext betreffen, sondern insbesondere auch einige „flankierende Maßnahmen“. Offensichtlich war dieses inoffizielle Forum politisch sehr bedeutsam und dem sich steigernden deutschen Druck gegenüber eher offener eingestellt. Nach Auskunft von Jiří Dienstbier wurde die endgültige Textfassung des Vertrages erst am 1. September 1991 bei einem informellen Treffen Dienstbiers mit Genscher auf dem Schloss der Familie Schwarzenberg im bayerischen Scheinfeld (also unter Umgehung der offiziellen Verhandlungsdelegationen) festgelegt. Dort wurde auch die bayerische Staatsregierung in Person des damaligen Leiters der Staatskanzlei (und späteren Sprechers der Sudetendeutschen Landsmannschaft) Johann Böhm in die Gespräche miteinbezogen.84 Trotz aller Bedenken und Vorbehalte bildet der deutsch-tschechoslowakische Nachbarschaftsvertrag aus dem Jahr 1992 bis heute eine wichtige Grundlage für die Entwicklung der deutsch-tschechischen und deutsch-slowakischen Beziehungen auf einer qualitativ neuen Basis. Zwar wurden die sensibelsten Fragen der Vergangenheit letztendlich ausgeklammert (mit Ausnahme der Würdigung der Deutsch-Tschechoslowakischen Historiker-Kommission), im Text wurde aber im Unterschied zum Prager Vertrag 1973 eine viel breitere Palette nachbarschaftlicher Fragen angesprochen (Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung, Schulwesen, Sport, Jugendaustausch, Gesundheitswesen und Soziales, regionale Zusammenarbeit, Minderheitenschutz, Umweltschutz usw.), weitere detaillierte Regelungen und Ergänzungen des bilateralen Vertragswerkes wurden in diesem Zusammenhang angekündigt. Sehr wichtig war – ähnlich wie im Falle Polens – die klare Zusage der Bundesregierung, den Annäherungsprozess der Tschechoslowakei an die Europäischen Gemeinschaften zu unterstützen. Nicht alle ­waren 83 Gespräch mit Jiří Gruša, Wien, 2. Juli 2003. Privatarchiv des Autors. 84 Erst bei dieser Begegnung wurde der sehr wichtige Satz von der ununterbrochenen Kontinuität des tschechoslowakischen Staates seit 1918 – „in Anerkennung der Tatsache, daß der tschechoslowakische Staat seit 1918 nie zu bestehen aufgehört hat“ – in die Präambel eingefügt, der später für gewisse Verstimmungen unter den Slowaken sorgte, ferner der Satz, der den Prager Vertrag von 1973 „auch hinsichtlich einer Nichtigkeit des Münchener Abkommens vom 29. September 1938“ bestätigte, sowie die viel diskutierte Formulierung: „eingedenk der zahlreichen Opfer, die Gewaltherrschaft, Krieg und Vertreibung gefordert haben, und des schweren Leids, das vielen unschuldigen Menschen zugefügt wurde.“ In Scheinfeld wurde auch entschieden, die Formulierung, dass sich der Vertrag nicht mit Vermögensfragen befasse, in den begleitenden Briefwechsel aufzunehmen. Vgl. die Korrespondenz des Verfassers mit Jiří Dienstbier vom 23. Juni 2003, Privatarchiv des Autors; Dienstbier, Od snění k realitě, 288–290.

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natürlich mit dem neuverhandelten Vertrag zufrieden: die Repräsentanz der Sudetendeutschen lehnte den Vertrag ab (weil er das Problem des konfiszierten sudetendeutschen Eigentums nicht löse), kritische Stimmen gab es auch auf der tschechoslowakischen Seite, z. B. wegen der „unzureichenden“ Formulierungen betreffend die Ungültigkeit des Münchner Abkommens aus dem Jahr 1938 bzw. wegen der Übersetzung einiger Begriffe in der deutschen Fassung des Vertrags („státní hranice“ wurde z. B. im deutschen Text als „bestehende Grenze“ übersetzt, worin einige Kommentatoren den verhüllten deutschen territorialen Revisionismus witterten).85 Eine wenig bekannte, wirtschaftlich für die Tschechoslowakei negative Folge des sehr schnell ablaufenden Wiedervereinigungsprozesses war die Entstehung eines sehr hohen passiven Saldos im Außenhandel mit der DDR . In Folge des unerwartet schnellen Fortgangs der Ereignisse hielten die Betriebe der DDR 1990 ihre Verpflichtungen nicht mehr ein und nahmen tschechoslowakische Waren und Dienstleistungen im Wert von 365 Millionen Transferrubel (XTR) nicht ab. Im Bereich des Tourismus konnte die vereinbarte Abnahme tschechoslowakischer Währung in Höhe von 232 Millionen XTR nicht eingehalten werden. Insgesamt belief sich der Saldo auf 659.032.000 XTR . Nach dem 1.  Juli 1990 wurde der Transferrubel im Verhältnis 1:2,34 in D-Mark umgerechnet, was zu einer unangemessenen Verteuerung der tschechoslowakischen Exporte in die DDR führte. Der eben genannte Saldo betrug zu diesem Kurs umgerechnet 1.542.135.000 ­D-Mark. Die mit der „Abwicklung“ ihres Staates beschäftigte letzte DDR-Regierung traf keine Vorkehrungen mehr, um die im Protokoll über den Waren- und Zahlungsverkehr für das Jahr 1990 eingegangenen Verpflichtungen auch nur ansatzweise zu erfüllen. Auch der praktisch unkontrollierte Zusammenbruch der Leitungs- und Unternehmensstrukturen des Außenhandels der DDR sowie der Industrieproduktion trug seinen Teil zur negativen Bilanz bei. Die tschechoslowakische Seite bemühte sich ebenso wie Polen und anfänglich auch Ungarn zunächst um die Abschreibung aller bis zum 31. Dezember 1990 entstandenen Passiva. Das wurde jedoch vom bundesdeutschen Wirtschaftsministerium bereits im September 1990, also noch vor der Wiedervereinigung, abgelehnt. Später versuchte die Tschechoslowakei wenigstens jene Passiva abzuschreiben, die nachweislich durch Verschulden der DDR-Partner entstanden waren (Stornierung von Lieferungen, Nichtabnahme tschechos­ lowakischer Währung für den Tourismus, insgesamt 659 Millionen XTR).86 Die zunächst einheitliche P ­ osition der Länder der Visegrád-Gruppe in dieser Frage 85 Miroslav Kunštát, Germany and the Czech Republic, in: Vladimír Handl/Jan Hon/Otto Pick (eds.), Germany and East Central Europe since 1990 (Prague: Institute of International Relations, 1999), 233–252, hier 237–240. 86 TO KPR (Presseabteilung der Kanzlei des Präsidenten der Republik), Informationsmaterial zum Besuch des Außenministers der BRD, Hans-Dietrich Genscher, am 2. November 1990 in Prag, darin die detaillierte Beilage zur „Entwicklung der tschechoslowakischen Zahlungsposition in Transferrubel gegenüber der DDR bei der Internationalen Bank für

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wurde später aufgeweicht. Die ­ersten Zugeständnisse in Richtung einer Anerkennung seines Passivsaldos machte Ungarn, das aber auch weiterhin den Umrechnungskurs 1 XTR = 2,34 D ­ -Mark ablehnte. Es gelang nicht mehr, den passiven Saldo mit der DDR vor der Teilung der tschechoslowakischen Föderation (also bis 31.  Dezember 1992) zu liquidieren. Deshalb forderte die deutsche Regierung bereits im Februar 1993 die Aufnahme neuer Verhandlungen in dieser Frage. Es war übrigens das erste Wirtschaftsthema, das die BRD mit den beiden Nachfolgestaaten der früheren Tschechoslowakei vorrangig zu besprechen wünschte.87 Es gelang jedoch erst im Januar 2000 das Problem mit einem Kompromiss zu lösen. Die Bundesrepublik stimmte zu, dass die Tschechische und die Slowakische Republik ihre Passiva von 659 Millionen XTR durch Zahlung von 390 Millionen D-Mark im Jahre 2001 ausgleichen können, aufgeteilt auf die beiden Nachfolgestaaten im Verhältnis 2:1, das bei der Teilung der Tschechoslowakei auch für andere Lasten und Forderungen gewählt worden war. Nach Quellen aus dem tschechischen Außenministerium wurde es im Rahmen der Abschlussphase der Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union in Brüssel als „wichtiges positives Signal“ gewertet, dass in dieser komplizierten trilateralen Frage eine Kompromisslösung gefunden wurde.88

VI. Die Vereinigung Deutschlands im Spiegel der Meinungsumfragen und der Printmedien Wie entwickelte sich in jenen stürmischen Transformationszeiten die Einstellung der tschechischen und slowakischen Öffentlichkeit zur aktuellen Frage der Wiedervereinigung Deutschlands, bzw. generell zu Deutschland? Die Umfragen der Meinungsforscher, die im Jahre 1990 durchgeführt wurden, erlauben es von ihrer Anlage her nicht, genauere Bezüge zu politischen Vorgängen, wie den Äußerungen des Präsidenten Václav Havel zur sudetendeutschen Frage, herzustellen. Die Euphorie der ersten Monate nach der „samtenen Revolution“ von 1989 ließ dieses Thema den zuständigen, noch nicht an die neuen Verhältnisse adaptierten Meinungsforschungsinstituten (vor allem dem Institut zur Erforschung der öffentlichen Meinung (IVVM) beim Tschechoslowakischen Statistischen Amt (ČSSÚ), später auch der Agentur AISA, unerwünscht erscheinen. Nach dem Verständnis vieler Soziologen und Demoskopen wären entsprechende wirtschaftliche Zusammenarbeit, ausgearbeitet am 15. Oktober 1990 von der Auslandsabteilung der Tschechoslowakischen Staatsbank“ (Vývoj čs. platební pozice v př.Rb vůči NDR u MBHS vypracovaný 15.10.1990 zahraničním odborem SBČS). 87 TO KPR (Presseabteilung der Kanzlei des Präsidenten der Republik), Informations­ material zum Besuch des Präsidenten der ČR , Václav Havel, vom 24. bis zum 26. April 1993 in der BRD, 20. 88 TO KPR (Presseabteilung der Kanzlei des Präsidenten der Republik), Unterlagen zum Besuch des Präsidenten der Tschechischen Republik, Václav Havel, vom 9–12. Mai 2000 in der BRD, 40–41.

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Fragestellungen „illoyal“ gegenüber dem allgemein anerkannten und bewunderten neuen Staatsoberhaupt gewesen. Und so erfahren wir erst aus einer Umfrage des IVVM vom Juli 1990 (was bereits zu ahnen war), dass nur 40 Prozent der befragten Bürger glaubten, ein vereinigtes, demokratisches Deutschland stelle für die Souveränität der Tschechoslowakei keinerlei Gefahr dar. Das Gegenteil nahmen 45 Prozent an. Die restlichen 15 Prozent konnten oder wollten sich dazu nicht äußern.89 Die Fragen waren allerdings wenig differenziert, und die Ergebnisse dieser Studie lassen sich nur bedingt mit anderen parallelen Untersuchungen vergleichen. Den ersten Versuch einer systematischen und umfassenden Ermittlung der öffentlichen Meinung bildeten Feldstudien, die noch vor der Wiedervereinigung Deutschlands, in der ersten Junihälfte 1990, unter Leitung von František Zich vom Sozialökonomischen Institut der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften (ČSAV) in Aussig (Ústí nad Labem) in den 18 an die DDR , die BRD und Österreich grenzenden Kreisen durchgeführt wurden. Damals äußerte sich die Bevölkerung im Grenzland in ihrer Mehrheit nicht besorgt, dass von einem wiedervereinigten Deutschland eine Gefahr für ihre Sicherheit ausgehen könnte. Nur knapp 5 Prozent meinten, das wiedervereinigte Deutschland werde die Sicherheit der Tschechoslowakei „bestimmt“ (určitě) bedrohen. Weitere 11 Prozent entschieden sich für „vermutlich nicht“ (patrně ne), 58,3 Prozent für „vielleicht nicht“ (snad ne)  und 19,3 Prozent für „bestimmt nicht“ (určitě ne). Größere Befürchtungen hatten vor allem Personen im Rentenalter und die Bürger in den Kreisen, die an die DDR grenzten. Da gerade hier mehr alltägliche Begegnungen und persönliche Erfahrungen im Umgang mit den Nachbarn auf der anderen Seite der Grenze vorhanden waren, beinhaltete das Umfrageergebnis doch ein gewisses Warnsignal für die Zukunft.90 Im Unterschied zu den Meinungsumfragen fehlt für diesen Zeitraum eine zuverlässige und methodologisch unumstrittene Analyse der tschechoslowakischen Massenmedien.91 Die Tschechoslowakische Presseagentur ČTK und die wichtigsten Tageszeitungen (Lidové noviny, Rudé právo, Lidová demokracie, Svobodné slovo, Mladá fronta, Práce) brachten jedenfalls eine ausführliche Berichterstattung, die thematisch viel mehr auf den Verlauf der deutsch-deut89 Břach, Die Außenpolitik der Tschechoslowakei, 62. Günstigere Zahlen ergab eine Studie, bei der nach dem Grad der „Furcht vor der deutschen Einheit“ gefragt wurde. Vgl. Jan Herzmann, Československé veřejné mínění o otázkách souvisejících s regionální spoluprací přes hranice ČSFR , in: Václav Houžvička (ed.): České pohraničí v procesu evropské integrace (Ústí nad Labem: Sociálně-ekonomický ústav ČSAV, 1992), 33–34. 90 František Zich, „Start do Evropy“. Poznatky empirické sociologické sondy o připravenosti obyvatel českého pohraničí k rozvoji nových sousedských vztahů s Němci  a Rakušany, in: Václav Houžvička (ed.), České pohraničí 91 (Trutnov: Bona fide, 1991), 81–83. Zu der öffentlichen Wahrnehmung des vereinigten Deutschlands in Tschechien in den 1990erJahren siehe auch zusammenfassend Václav Houžvička, Návraty sudetské otázky (Praha: Karolinum, 2005), 443–466 und das hier angeführte soziologische Schrifttum. 91 Zu den seltenen Ausnahmen gehört z. B. der Beitrag von Dagmar Moravcová, Reflexionen der Vereinigung Deutschlands in der Tschechoslowakei, in: Prague Papers on the History of Inter­national Relations 5 (2000) 1, 243–255.

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schen Gespräche und auf die innenpolitische Entwicklung in der DDR als auf die multilateralen, bzw. die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen fokussiert war. Die veröffentlichten Kommentare spiegeln eine relativ breite Skala von Meinungen wider: skeptische Töne herrschten insbesondere bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Konsequenzen der deutschen Einheit für die Tschechoslowakei sowie für die ehemals kommunistischen Staaten Zentraleuropas (Auflösung der wirtschaftlichen Beziehungen mit der DDR) vor. Der aus dem britischen Exil zurückgekehrte Eduard Goldstücker – als Vorsitzender des Tschechoslowakischen Schriftstellerverbandes eine der Schlüsselfiguren des „Prager Frühlings 1968“ – warnte sogar vor möglichen „Kolonisierungsversuchen“ des gestärkten Deutschlands in der mitteleuropäischen Region.92 Auch die überraschende Geschwindigkeit des deutschen Vereinigungsprozesses sorgte für Bedenken, als Antwort wurde z. B. die engere regionale Zusammenarbeit zwischen den mitteleuro­ päischen postkommunistischen Staaten gefordert.93 Mehrmals wurde die „notwendige Unterstützung“ der polnischen Standpunkte betont, insbesondere der endgültigen und unmissverständlichen Bestätigung der Oder-Neiße-Grenzlinie durch das vereinigte Deutschland. Auch für die „Festigung der Selbständigkeit Österreichs“ wurde in der damaligen Erwartung der möglichen großdeutschen Ressentiments plädiert.94 Die später so häufig diskutierte Frage der (Nicht-)Teilnahme der Tschechoslowakei an den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen wurde jedoch in größerem Maße erst ex post in den Medien aufgetischt. So kritisierte (nicht nur) die kommunistisch geprägte Rudé právo im November 1990, dass die Tschechoslowakei die Gelegenheit verpasst hatte, im Rahmen der Verhandlungen – als noch die Verantwortlichkeit der Vier Mächte für Deutschland bestand – „eine Lösung der eigentumsrechtlichen Fragen, die sich aus dem Zweiten Weltkrieg ergaben, insbesondere die eigentumsrechtlichen Ansprüche der Sudetendeutschen, zu erreichen“.95

VII. Fazit Die kommunistische Tschechoslowakei betrachtete vor 1989 die langfristige, im Laufe der Zeit fast „perpetualisierte“ Teilung Deutschlands, d. h. auch die damit verbundene Bewahrung des Status quo in Europa, als einen der Grundbausteine einer stabilen Friedensordnung. Die tschechoslowakischen Dissidenten wie Jaroslav Šabata, Jiří Dienstbier, Jiří Hájek, Václav Havel, Luboš Dobrovský und andere mehr ermahnten jedoch bereits 1985 im Prager Aufruf der Charta 77 die 92 Moravcová, Reflexionen der Vereinigung, 249; Svobodné slovo, 20. Januar 1990. Die eventuellen „neokolonialen Züge“ des vereinigten Deutschlands witterte später, natürlich in milderen Tönen, auch der Außenminister Jiří Dienstbier in seiner Rede an der Harvard-University. Vgl. auch Europa-Archiv 1990, 13–14. 93 Josef Klánský, Rakousko, Maďarsko a my, in: Lidové noviny, 13. Januar 1990. 94 Ibd. Vgl. auch Moravcová, Reflexion der Vereinigung, 251. 95 Rudé právo, 10. November 1990.

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europäischen Politiker, die Vision einer Vereinigung Europas perspektivisch mit der Wiedervereinigung Deutschlands zu verknüpfen. Sowohl die spärlichen Reaktionen aus dem Westen (Intellektuelle, Politik) als auch die Echos aus den Dissidentenkreisen in Polen und in der DDR waren eher verlegen. Die außerordentliche Rolle Prags am Anfang des deutschen Vereinigungsprozesses im September 1989 (Exodus der DDR-Bürger über die hiesige deutsche Botschaft) als einer medienwirksamen Schaubühne der modernen deutschen Geschichte war natürlich unbeabsichtigt. Die scheidende (letzte) kommunistische Regierung unter Ladislav Adamec konnte zwischen der BRD und der DDR nur vermitteln. Die Auswirkungen der damaligen Ereignisse auf die tschechoslowakische Bevölkerung sind jedoch nicht zu unterschätzen. Dies zeigte sich insbesondere nach dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989: nur eine Woche spielte die Tschechoslowakei die Rolle einer der letzten Latten des verfaulten Zauns des sowjetischen Blocks. Auch hier brach sich die öffentliche Unzufriedenheit nach der Studentendemonstration in Prag am 17. November 1989 Bahn. Die nachfolgende „samtene Revolution“ gilt, trotz eigener Dynamik, als unmittelbare Fortsetzung der historischen Ereignisse in Ostberlin.96 Die Vorgeschichte des Prager Aufrufs 1985 sowie die anschließenden Debatten und Auseinandersetzungen machen die positive Haltung der tschechoslowakischen Diplomatie nach 1989 zu einer schnellen Vereinigung Deutschlands verständlicher. Die Tschechoslowakei erwies sich in dieser Frage vom Anfang an klarer und entgegenkommender, als z. B. Polen. Noch vor der Vereinigung wollte jedoch die Prager Regierung „alle offenen vermögensrechtlichen Fragen“ in die bilateralen Verhandlungen mit der alten Bundesrepublik aufnehmen bzw. lösen. Bonn wollte dagegen nicht durch solche Gespräche „die Haltung einer zukünftigen gesamtdeutschen Regierung und des Parlaments […] präjudizieren“.97 Sowohl in den internen Debatten als auch in den tschechoslowakischen Medien wurde die Frage einer eventuellen Beteiligung Prags an den Zwei-plus-VierGesprächen (ähnlich wie bei Polen, d. h. in der Vorphase und bei der Behandlung nur der die Tschechoslowakei betreffenden Probleme) heftig diskutiert. Prag reagierte somit auf das Angebot Moskaus vom 23. Februar 1990, das angeblich nach einer Möglichkeit suchte, „Polen und die Tschechoslowakei in die direkten Verhandlungen einzubeziehen“.98 Da jedoch zwischen der Tschechoslowakei und Deutschland keine Grenzprobleme bestanden, erschienen die anderen T ­ hemen (die von Prag gewünschte Anerkennung der Nichtigkeit des Münchner Abkommens von 1938 auch vom wiedervereinigten Deutschland bzw. die erneute­ Bestätigung des „Transfers“ der Sudetendeutschen auf der Basis des Potsdamer 96 Die ausführlichste Darstellung der „samtenen Revolution“ in der Tschechoslowakei bringt Jiří Suk, Labyrintem revoluce. Aktéři, zápletky a křižovatky jedné politické krize (Praha: Prostor, 2003). 97 OZP KPR (Odbor zahraniční politiky Kanceláře prezidenta republiky/Außenpolitische Abteilung der Kanzlei des Präsidenten der Republik), Ordner Smlouva ČSFR-SRN 1990–1992/ Vertrag zwischen der ČSFR und der BRD 1990–1992. 98 Dienstbier, Od snění k realitě, 121.

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Abkommens von 1945) als Probleme „einer anderen Ordnung“, die später auf die bilaterale Verhandlungsebene verschoben wurden – mit vielen Irritationen und Denkpausen. Dies führte u. a. dazu, dass die Repräsentanten der damaligen tschechoslowakischen Außenpolitik (hauptsächlich der Außenminister Jiří Dienstbier, Präsident Václav Havel sowie der Premierminister Marián Čalfa) für die Nichtteilnahme-Position im Jahre 1990 später scharf kritisiert wurden. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag schuf die Voraussetzungen für die Aushandlung der neuen bilateralen Verträge Deutschlands mit seinen mittel- und osteuropäischen Nachbarn. Nach den Freundschaftsverträgen mit der UdSSR und Polen (1990, 1991) folgten die Verhandlungen über einen vergleichbaren Vertrag auch mit der Tschechoslowakei. Bereits das späte Unterschriftsdatum des Vertrags (27. Februar 1992) sagt manches über die Schwierigkeit der Verhandlungen und über die unterschiedlichen, auseinandergehenden Vorstellungen beider Regierungen aus. Zwar wurden die sensibelsten Fragen der Vergangenheit (Eigentumsfragen, Entschädigung der tschechoslowakischen Holocaust- und NS -Opfer) letztendlich ausgeklammert, doch stellte der neue Vertrag eine solide Basis für die Vertiefung der Kontakte und der Zusammenarbeit in mehreren Bereichen dar und öffnete auch die Perspektive der deutschen Unterstützung im Prozess der Annäherung der Tschechoslowakei (bzw. der Nachfolgestaaten der Tschechoslowakei) an die Europäischen Gemeinschaften.

Dominik Pick

Deutsch-polnische Beziehungen und die deutsche Einheit

I.

Polen und die beiden deutschen Staaten vor 1989

Das Verhältnis des kommunistischen Polens zu den beiden deutschen Staaten vor 1989 wurde schon mehrmals in der Literatur dargestellt.1 Die wichtigsten bilateralen Fragen dieser Zeit, die die Beziehungen zur Bundesrepublik belasteten, waren zum größten Teil unmittelbare Folgen des Zweiten Weltkriegs. In diesem Kontext müssen unter anderem die Oder-Neiße Grenze, die Entschädigungen für zivile Opfer des Nationalsozialismus,2 die Lage der deutschen Minderheit in Polen,3 Ortsnamen und der Rechtsverkehr erwähnt werden. Dieselben Fragen spielten zudem eine sehr wichtige Rolle bei den Verhandlungen in den Jahren 1989–1991. Im Gegensatz zu den Beziehungen Polens mit der Bundesrepublik wurden die offiziellen Kontakte mit der DDR bis 1989 als sehr positiv dargestellt. In der Tat waren sie jedoch von Misstrauen auf beiden Seiten geprägt.4 Dies wurde beispielsweise sichtbar, als sich die ostdeutsche Volksarmee Anfang der 1980erJahre auf einen Einmarsch in Polen vorbereitete.5 Das wichtigste außenpolitische Ziel Warschaus war bis 1990 die endgültige Bestätigung der im Potsdamer Abkommen festgesetzten Westgrenze Polens. In 1 Siehe u. a. Dieter Bingen, Die Polenpolitik der Bonner Republik von Adenauer bis Kohl 1949– 1991 (Baden-Baden: Nomos Verlag 1998); Timothy Garton Ash, Im Namen Europas: Deutschland und der geteilte Kontinent (München: Hanser, 1993); und zuletzt Katarzyna Stokłosa, Polen und die deutsche Ostpolitik: 1945–1990 (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2011). 2 Ruchniewicz, Krzysztof, Polskie zabiegi o odszkodowania niemieckie w latach 1944/45–1975 (Wrocław: Wydawnictwo Uniwersytetu Wrocławskiego, 2007); Sławomir Dębski/Witold M. Góralski (ed.), Problem reparacji, odszkodowań i świadczeń w stosunkach polsko-niemieckich 1944–2004, Band I Studia (Warszawa: Polski Instytut Spraw Międzynarodowych, 2004). 3 Piotr Madajczyk, Niemcy polscy 1944–1989 (Warszawa: Oficyna Naukowa, 2001). 4 Vgl. Burkhard Olschowsky, Einvernehmen und Konflikt. Das Verhältnis Zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen 1980–1989 (Osnabrück: fibre, 2005); Basil Kerski/Andrzej Kotula/Kazimierz Wóycicki (eds.), Zwangsverordnete Freundschaft? Die Beziehungen zwischen der DDR und Polen 1949–1990 (Osnabrück: fibre, 2003). 5 Vgl. Stokłosa, Polen und die deutsch Ostpolitik, 473–475; Michael Kubina, „Wollte Honecker eine militärische Intervention in Polen?“ in: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED -Staat, ZdF, Beiträge und Informationen des Forschungsverbundes SED -Staat der FU Berlin 1998 (1998), 3–16; id./Manfred Wilke (eds.), Hart und kompromißlos durchgreifen. Die SED contra Polen 1980/81. Geheimakten der SED -Führung über die Unterdrückung der polnischen Demokratiebewegung (Berlin: Akademie Verlag, 1995).

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Bezug auf dieses Bestreben gab es in der gesamten Nachkriegsperiode keine Meinungsunterschiede zwischen den Polen, unabhängig davon, ob sie regimetreue Funktionäre oder Oppositionelle waren. Auch die zwei ersten unabhängigen Regierungen von Tadeusz Mazowiecki und Jan Krzysztof Bielecki in den Jahren 1989–1991 haben dieses Ziel als wichtigste außenpolitische Aufgabe festgesetzt.6 Der erste Versuch diese Frage zu lösen kann im aus dem Jahr 1950 stammenden Görlitzer Vertrag mit der DDR gesehen werden. Die Beziehungen zur DDR waren seit dieser Zeit offiziell sehr freundschaftlich, blieben aber durch zahlreiche Konflikte im Laufe der nächsten 40 Jahre belastet. Dazu hat auch Kreml beigetragen, der eine gewisse divide et impera Politik betrieb.7 Es wundert also nicht, dass sich bis in die 1970er-Jahre die Kontakte der beiden kommunistischen Staaten meistens auf den Austausch von offiziellen Delegationen beschränkten. Es fand kein tatsächlicher Austausch zwischen der Bevölkerung statt – erst im Jahr 1972 wurde ein visafreier Verkehr eingeführt. Dieser wurde allerdings bereits 1980 mit der Entstehung der Solidarność in Polen einseitig von ostdeutscher Seite wieder suspendiert.8 Kontakte mit der Bundesrepublik waren in den ersten Dekaden nach dem Krieg ebenfalls nur spärlich vorhanden. Erst 1963 wurden die Handelsmissionen in Warschau und Köln gegründet. Gleichzeitig kam es zu den ersten Versöhnungsinitiativen von Seiten der polnischen Katholiken und der westdeutschen Protestanten. Eine besondere Rolle in der Erinnerungskultur der beiden Länder spielt bis heute ein berühmter Brief der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder. Parallel dazu wurden von Polen aus auch Kontakte zu verschiedenen konfessionellen Gruppen in der DDR entwickelt.9 In der Zeit der internationalen Entspannung in den 1970er-Jahren kam es zu wichtigen politischen Veränderungen in Europa. 1970 wurde der Warschauer Vertrag, auch Normalisierungsvertrag genannt, zwischen Polen und der Bundesrepublik unterzeichnet. Zwei Jahre später nahmen die beiden Länder diplo6 Die ersten Veröffentlichungen über die deutsch-polnischen Beziehungen in dieser Zeit waren Michael Ludwig, Polen und die deutsche Frage. Mit einer Dokumentation zum deutschpolnischen Vertrag vom 17. Juni 1991 (Bonn: Europa Union Verlag, 1991) und Artur Hajnicz, Ze sobą czy przeciw sobie. Polska – Niemcy 1989–1992 (Warszawa: Presspublica, 1996); vgl. auch Wojciech Pięciak (ed.), Polacy i Niemcy pół wieku później. Księga pamiątkowa dla Mieczysława Pszona (Kraków: Znak, 1996) und später Mieczysław Tomala, Polen und die deutsche Wiedervereinigung (Warschau: Elipsa, 2004). 7 Vgl. Olschowsky, Einvernehmen und Konflikt. 8 Dagmara Jajesniak-Quast/Katarzyna Stokłosa, Geteilte Städte an Oder und Neiße. Frankfurt (Oder) – Słubice, Guben – Gubin und Görlitz – Zgorzelec 1945–1995 (Berlin: Berliner Wissenschaftsverlag, 2000). 9 Vgl. Edith Heller, Macht, Kirche, Politik. Der Briefwechsel zwischen den polnischen und deutschen Bischöfen im Jahre 1965 (Köln: Treff Punkt, 1992); Friedhelm Boll/Wiesław Wysocki/ Klaus Ziemer (eds.), Versöhnung und Politik: polnisch-deutsche Versöhnungsinitiativen der 1960er-Jahre und die Entspannungspolitik (Bonn: Dietz, 2009); Pięciak, Polacy i Niemcy; Basil Kerski/Albrecht Riechers/Christian Schröter (eds.), Dialog der Bürger. Die gesellschaftliche Ebene der deutsch-polnischen Nachbarschaft (Osnabrück: fibre, 2005).

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matische Beziehungen auf. Die polnische Seite sah den Vertrag von 1970 als Verzicht der Bundesrepublik auf territoriale Ansprüche gegenüber Polen und als Bestätigung der polnischen Westgrenze. Als Gegenleistung gestattete Warschau die Ausreise von 100.000 Deutschen. Es handelte sich hier um Personen deutscher Abstammung, die nach dem Zweiten Weltkrieg auf polnischem Gebiet verblieben waren. Dies wurde zwar nicht im Vertrag selbst verankert, wurde aber in Form einer separaten Erklärung der polnischen Regierung gewährleistet. Mit dem Normalisierungsvertrag schlug Willy Brandt ein neues Kapitel in den Beziehungen zu Polen auf. Die Sozialdemokraten waren jedoch nicht in der Lage, die Frage der polnischen Westgrenze endgültig zu lösen. Die Debatten und Verhandlungen mit der Opposition über die Ratifizierung des Vertrages dauerten in der Bundesrepublik bis zum September 1972. Gleichzeitig mit der Ratifizierung wurde daher als Kompromisslösung eine zusätzliche Erklärung des Bundestages verabschiedet. In ihr wurde festgehalten, dass der Vertrag lediglich für die Bundesrepublik gelte und nicht für das vereinigte Deutschland. Die Bundesrepublik konnte, so die westdeutsche juristische Position, nicht über die Grenzen Deutschlands als Ganzes entscheiden. Damit war die Frage der polnischen Westgrenze aus Sicht der bundesdeutschen Juristen immer noch offen und konnte nach der Wiedervereinigung wiederaufgenommen werden. Diese Position wurde in den nächsten Jahren durch weitere bundesdeutsche Institutionen bestätigt.10 Die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen fand kurz nach der Ratifizierung des Vertrages statt. Er öffnete erstmals neue Möglichkeiten für deutschpolnische Kontakte und Zusammenarbeit. Dennoch waren die nächsten Jahre von zahlreichen politischen Konflikten geprägt. Erst bei einem Treffen zwischen Bundeskanzler Helmut Schmidt und dem Ersten Sekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei Edward Gierek in Helsinki im Jahr 1975 wurde ein neuer Kompromiss erreicht. Die polnische Seite erlaubte für weitere 120.000 Personen deutscher Abstammung die Ausreise aus Polen, nachdem die Bundesrepublik – wenn auch nicht de jure – polnische Entschädigungsansprüche akzeptiert hatte. Die Entschädigungen wurden in Form eines Rentenversicherungsabkommens und durch Kredite für Polen geleistet. Beide Regierungen versuchten vergeblich den Anschein eines Junktims zwischen den beiden Fragen in der Öffentlichkeit zu vermeiden.11 Der Vertrag mit der Bundesrepublik hatte auch einen positiven, wenn auch indirekten, Einfluss auf das Verhältnis zwischen Polen und der DDR . Im Jahr 1972 wurde der visafreie Reiseverkehr zwischen den beiden Ländern eingeführt. 10 Vgl. Jan Barcz, Podstawy prawne stosunków Polski ze zjednoczonymi Niemcami, in: Sławomir Dębski/Witold M. Góralski (ed.), Problem reparacji, odszkodowań i świadczeń w stosunkach polsko-niemieckich 1944–2004, Band I: Studia (Warszawa: Polski Instytut Spraw Międzynarodowych, 2004), 113–158. 11 „Polen-Verträge. Alle vier Jahre“, in: Der Spiegel 33 (1975), 11. August 1975 und „Ostpolitik: Geld für die Polen“, in: Der Spiegel 31 (1975), 28. Juli 1975.

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Millionen polnischer und ostdeutscher Bürger konnten zum ersten Mal nach 1945 das Nachbarland besuchen.12 Die Öffnung der Grenze beeinflusste das­ Leben auf den beiden Seiten von Oder und Neiße stark. Sie ermöglichte vielen Ostdeutschen zum ersten Mal eine Reise ins Ausland. Aus ostdeutscher Sicht galt Polen fast als freies Land. Es war dort nicht nur möglich westliche Kultur zu erleben, sondern auch gemeinsam Urlaub mit der Familie oder mit Bekannten aus der Bundesrepublik zu verbringen. Die meisten polnischen Reisenden nutzten diese Gelegenheit für Einkäufe. Schon nach wenigen Monaten wurde die Versorgung im Grenzgebiet schwieriger. Deshalb wurden erste Einschränkungen bezüglich Geldumtausch und Ausfuhrmöglichkeiten eingeführt. Es kam natürlich auch zu einzelnen Exzessen und Konflikten zwischen Polen und Deutschen, bei denen immer noch die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg eine erhebliche Rolle spielten. Diese teilweise freien Kontakte zwischen den Bürgern beider Staaten waren jedoch nur bis zum 30. Oktober 1980 möglich, da die ostdeutsche Regierung angesichts der Ereignisse an der polnischen Küste im Jahr 1980 und der darauffolgenden Entstehung der Solidarność einseitig die Grenze wieder schloss, um die eigenen Bürger vor den „reaktionären“ Polen zu schützen.13 Die Verhängung des Kriegszustandes in Polen am 13. Dezember 1981 wurde von der DDR-Führung mit Zufriedenheit vernommen. Die Ereignisse in Polen wurden jedoch weiterhin sehr genau beobachtet.14 In dieser Zeit äußerten sowohl die DDR-Regierung als auch die meisten DDR-Bürger gegenüber Polen ihr Misstrauen. Ähnliche Ressentiments waren auch auf der polnischen Seite zu finden. Es konnte nun keine Rede mehr von brüderlichen Beziehungen sein, wie sie die Propaganda der beiden Länder darstellte. Ein einschlägiger Beweis dafür war ein Konflikt zwischen Polen und der DDR über den Grenzverlauf in der Pommerschen Bucht.15

12 Czesław Osękowski, Der pass- und visafreie Personenverkehr zwischen der DDR und Polen in den Siebziger Jahren. Politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen, in: Basil Kerski/Andrzej Kotula/Kazimierz Wóycicki (eds.), Zwangsverordnete Freundschaft? Die Beziehungen zwischen der DDR und Polen 1949–1990 (Osnabrück: ­f ibre, 2003), 123–133. 13 Jerzy Kochanowski, Socjologiczny zwiad po otwarciu granicy PRL -NRD, in: Przegląd­ Dyplomatyczny, 2/2001, Bd. 1, 229–255; Stokłosa/Jajesniak-Quast, Geteilte Städte. 14 Włodzimierz Borodziej/Jerzy Kochanowski/Bernd Schäfer, Grenzen der Freundschaft. Zur Kooperation der Sicherheitsorgane der DDR und der Volksrepublik Polen zwischen 1956 und 1989 (= Berichte und Studien. Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung, Band 30; Dresden: Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung, 2000); Tytus Jaskułkowski, Przyjaźń, której nie było. Ministerstwo Bezpieczeństwa Narodowego NRD wobec MSW 1974–1990 (Warszawa: Wydawnictwa Uniwersytetu Warszawskiego, 2014). 15 Burkhard Olschowsky, Die SED im Drang nach Osten? Der Territorialgewässerstreit zwischen DDR und Polen1985 bis 1989, in: Deutschland Archiv 5 (2001) 24, 816–826; Tomasz Ślepowroński, Der Konflikt um die Pommmersche Bucht (1985–1989), in: Basil Kerski/ Andrzej Kotula/Kazimierz Wóycicki (eds.), Zwangsverordnete Freundschaft? Die Beziehungen zwischen der DDR und Polen 1949–1990 (Osnabrück: fibre, 2003). 81–87.

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Die Ausrufung des Kriegszustandes in Polen wurde auch bei den wichtigsten Politikern der sozialliberalen Koalition in der Bundesrepublik mit Erleichterung zur Kenntnis genommen. Vor allem einige SPD -Spitzenpolitiker verstanden die Bedeutung der neuen politischen Situation in Polen nicht. Sie nahmen die Solidarność als Bedrohung des Status quo wahr, wollten die polnische sowie die sowjetische Regierung nicht provozieren und lehnten Kontakte mit den Vertretern der polnischen Opposition ab. Das bekannteste Beispiel ist ein Besuch von Willy Brandt im Jahr 1985 und sein klares „Nein“ zu einem Treffen mit dem Solidarność-Führer Lech Wałesa.16 Die neue Regierung von Helmut Kohl nahm zwar nach 1982 Kontakt zur polnischen Opposition auf, prinzipiell wurde aber die bisherige Ostpolitik fortgeführt. Die deutschen Rechtspositionen zur polnischen Westgrenze blieben davon unberührt. Auch eine Reihe von anderen bilateralen Fragen blieb weiter offen, so konnte beispielsweise in den Verhandlungen über die technisch-wirtschaftliche Kooperation kein Ergebnis erreicht werden. Die beiden Länder konnten sich zudem noch immer nicht auf eine gemeinsame Definition der Staats­ bürgerschaft einigen, was einige weitere Abkommen verhinderte.17 Die Lage wurde durch die polnische Verschuldung18 bei der Bundesrepublik erschwert. Polen war nicht mehr im Stande, die Kredite zurückzuzahlen, gleichzeitig wurde jedoch die Vergabe neuer Kredite erwartet, die Bonn nicht mehr gewähren wollte.19 Im Januar 1989 wurden Horst Teltschik und Ernest Kucza, von ihren Regierungen beauftragt, neue Anreize für die Intensivierung der bilateralen Beziehungen zu schaffen.20 Der neue (und letzte kommunistische) Premierminister Mieczysław Rakowski reiste im selben Monat nach Bonn, um direkt vor Ort zu verhandeln. Die deutschen Partner blieben freundlich, der Besuch brachte aber 16 Bernd Rother, Willy Brandts Besuch in Warschau im Dezember 1985, in: Friedhelm Boll/ Wiesław Wysocki/Klaus Ziemer (eds.), Versöhnung und Politik: polnisch-deutsche Versöhnungsinitiativen der 1960er-Jahre und die Entspannungspolitik (Bonn: Dietz, 2009), ­329–344 17 Bingen, Die Polenpolitik, 231; Krzysztof Malinowski, Polityka Republiki Federalnej Niemiec wobec Polski w latach 1982–1991 (Poznań: Instytut Zachodni, 1997), 178–180. 18 Die Polnische Verschuldung gegenüber dem Westen betrug Ende der 1980er-Jahre ca. 24 Milliarden Dollar. Zur polnischen Verschuldung vgl. z. B. Christoph Sowada, Haushaltspolitische Konsequenzen steigender Staatsverschuldung in Polen, in: Diskussionsbeitrag Nr. 3, Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Finanzwissenschaftliche Diskussionsbeiträge (Potsdam 1995), 2–6; Patrizia Hey, Die sowjetische Polenpolitik Anfang der 1980er Jahre und die Verhängung des Kriegsrechts in der Volksrepublik Polen: tatsächliche sowjetische Bedrohung oder erfolgreicher Bluff? (Münster: Lit-Verlag, 2010), 142 19 Richtlinien für Ernest Kucza vor den Gesprächen mit Horst Teltschik, Anlage, Warschau 30. Januar 1989, in: Włodzimierz Borodziej (ed.), Dominik Pick (Mitarbeit), Polska wobec zjednoczenia Niemiec 1989–1991. Dokumenty dyplomatyczne (Warszawa: Scholar, 2006), 74–76. 20 Vgl. Horst Teltschik, 329 Tage: Innenansichten der Einigung (Berlin: Siedler, 1991).

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keine konkreten Ergebnisse, da die bisherigen Probleme grundlegender Natur waren und ohne Demokratisierung Polens nicht gelöst werden konnten. Das kommunistische Polen konnte keine weiteren Kompromisse mit einem demokratischen Land erzielen, ohne die Grundlage des eigenen politischen Systems zu gefährden. Dies zeigt die Tatsache, dass viele der Probleme, die seit den 1970erJahren existierten und nicht gelöst werden konnten, nach der politischen Wende in nur wenigen Verhandlungsrunden einer Lösung zugeführt wurden. Die letzte Initiative der Regierung Rakowskis war ein Aide-Mémoire vom 20.  Juli 1989. Die polnischen Erwartungen gegenüber der Bundesrepublik kamen darin noch einmal zum Ausdruck. Dies spielte letztlich jedoch keine Rolle mehr, da kurz danach die erste demokratische Regierung von Tadeusz Mazowiecki ihr Amt antrat.21 Die Verhandlungen zwischen den Beauftragten Kucza und Teltschik wurden schon vor den Wahlen in Polen im Juni 1989 suspendiert. Gleichzeitig setzte Michail Gorbatschow während seines Besuches in der Bundesrepublik ein klares Zeichen dafür, dass die Länder Osteuropas unabhängig von der Sowjetunion handeln dürfen. Die deutsche Seite konnte jetzt offiziell die demokratischen Kräfte in Polen unterstützen. Helmut Kohl erwartete zu Recht, dass die neue Regierung in Polen eine Chance auf eine tatsächliche Normalisierung der Beziehungen bieten würde.22 Schon am 7. Juli 1989 traf sich der Bundeskanzler mit einer polnischen Delegation unter Führung von Bronisław Geremek. Der Vorsitzende der Solidarność-Fraktion im polnischen Sejm, Geremek, erklärte, die polnische Seite sei bereit, die Forderungen bezüglich der Rechte der deutschen Minderheit in Polen zu akzeptieren. Gleichzeitig äußerte Geremek seine Enttäuschung darüber, dass die Grenzfrage immer noch nicht endgültig gelöst sei. Er machte gegenüber Kohl deutlich, dass auch die Solidarność eine endgültige Anerkennung der polnischen Westgrenze noch vor der Wiedervereinigung Deutschlands erwarte.23 Vor allem wegen der Unterstützung der Vertriebenenverbände bei den Bundestagswahlen war für Helmut Kohl die Grenzfrage von enormer Bedeutung, weswegen er über diese erst nach der Wiedervereinigung verhandeln wollte. Diese Position des Kanzlers war für die polnische Seite jedoch nicht akzeptabel, da es nach einer erfolgten Wiedervereinigung keine Mechanismen mehr geben würde, um die Deutschen zu einem Grenzvertrag zu bewegen. Aus polnischer Sicht war es kein rein akademisches Problem, sondern eine Frage der Sicherheit. 21 Mieczysław Tomala (ed.), Polityka i dyplomacja polska wobec Niemiec. 1971–1990 (War­ szawa: Elipsa, 2006), 638. 22 Vgl.: Gespräch des Bundeskanzlers Kohl mit Staatspräsident Mitterrand, Paris, 22. Juni 1989, in: Bundesministerium des Innern unter Mitwirkung des Bundesarchivs (eds.), Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90, bearb. von Hanns Jürgen Küsters/Daniel Hofmann (= Dokumente zur Deutschlandpolitik; München: Oldenbourg, 1998), Dok. 8, 305–310. 23 Vgl.: Gespräch des Bundeskanzlers Kohl mit dem Vorsitzenden der Solidarność-Fraktion Geremek, Bonn, 7. Juli 1989, in: Deutsche Einheit, Dok. 15, 339–345.

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Dies war auch der wichtigste Grund, warum die polnische Diplomatie versuchte, eine Rolle bei den „Zwei-plus-Vier“-Gesprächen zu spielen.

II.

Polnische Opposition und die deutsche Einheit

Der polnische Sejm bestätigte am 24. August 1989 Tadeusz Mazowiecki als Premierminister. Schon am 31.  August sprach Helmut Kohl telefonisch mit dem neuen polnischen Regierungschef. Eine Woche später besuchte Lech Wałęsa die Bundesrepublik. Die neue polnische Regierung war an der Verbesserung der Beziehungen mit der Bundesrepublik sehr interessiert. In Warschau rechnete man mit wirtschaftlicher und politischer Unterstützung durch Bonn. Schon seit den 1970er-Jahren wurde in Kreisen der polnischen Opposition das Recht der Deutschen auf Wiedervereinigung anerkannt. Gleichzeitig waren sich alle polnischen Protagonisten einig, dass die Oder-Neiße-Grenze nicht in Frage gestellt werden dürfe.24 Dennoch fürchtete ein großer Teil der polnischen Bevölkerung und der politischen Eliten ein vereinigtes Deutschland. Man hatte Angst vor einem deutschen Militarismus und erneuten deutschen Expansionsbestrebungen. In diesem Sinne äußerte sich auch die kommunistische Presse in Polen im Oktober 1989, nachdem Geremek öffentlich die deutsche Einheit als Ziel der Bundesrepublik akzeptiert hatte.25 Der bisherige Beauftragte der polnischen Regierung Ernest Kucza wurde durch einen katholischen Journalisten, Mieczysław Pszon, ersetzt. Schon das erste Gespräch Pszons mit Teltschik zeigte, dass eine völlig neue Qualität in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern vorhanden war. In einem Vermerk nach dieser Verhandlungsrunde wurde notiert: „Auf der polnischen Seite entstanden neue Verhandlungspositionen. Sie wurden durch die Entstehung der Regierung von Premierminister Mazowiecki und dem gänzlichen Austausch des Verhandlungsteams bestimmt. […] Die Wende in Polen hatte eine essentielle Bedeutung für die Bundesrepublik, die in den letzten 3–4 Verhandlungsrunden deutlich auf Zeit gespielt hat und auf das Resultat der innenpolitischen Entwicklung in Polen gewartet hat.“26 Das zweite Treffen zwischen Pszon und Teltschik fand von 2. bis 3. Oktober 1989 in Bonn statt. Innerhalb dieser zwei Runden wurde bereits ein Paket von 24 Polskie Porozumienie Niepodległościowe. Wybór tekstów (Londyn: Polonia, 1989); vgl auch Gregor Feindt, Auf der Suche nach politischer Gemeinschaft. Oppositionelles Denken zur Nationen im ostmitteleuropäischen Samizdat 1976–1992 (Berlin/Boston: De Gruyter, 2015), 191–193. 25 Olaf Osica, Widmo wielkich Niemiec. Proces jednoczenia państw niemieckich w polskiej literaturze naukowej i publicystyce, in: Witold M. Góralski (ed.), Niemcy w polskiej literaturze naukowej i publicystyce 1989–1996. Bibliografia (Warszawa: Uniwersytet War­ szawski, 1997), 31–60, hier 38–39. 26 Bericht Mieczysław Pszons über die 8. Gesprächsrunde mit Horst Teltschik, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia Niemiec, 126.

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zehn verschiedenen Vereinbarungen und bilateralen Abkommen vorbereitet. Auch der Text einer gemeinsamen Erklärung der Regierungschefs wurde größtenteils fertig gestellt. Die polnische Seite war mit den Ergebnissen der Gespräche sehr zufrieden. Mieczysław Pszon betonte: „‚Das Paket‘ hat die Erwartungen Polens und der Bundesrepublik erfüllt. Es ist politisch ausgewogen – basierend auf Leistungen und Kompromissen auf den beiden Seiten.“27 Eines der wichtigsten Ereignisse in den deutsch-polnischen Beziehungen der Jahre 1989–1991 stellte der Besuch Helmut Kohls im November in Polen dar, der jedoch nicht ohne Probleme verlief. Noch vor dem Besuch gab es einen Streit über eine gemeinsame Messe, die statt wie ursprünglich geplant auf dem Annaberg nun auf dem Gelände des ehemaligen Gutshofes der Familie von Moltke in Kreisau stattfinden sollte.28 Der Fall der Berliner Mauer am 9. November kam für alle überraschend und Kohl musste seinen Besuch für einen Tag unterbrechen, um nach Berlin zu fliegen.

III. Wirtschaftliche Transformation In den ersten Monaten konzentrierte sich die neue Regierung von Tadeusz Mazowiecki auf die wirtschaftlichen Probleme und versuchte internationale Hilfe für Polen zu organisieren. Auch die Frage der deutschen Einheit schien in den ersten Monaten der neuen Regierung eher zweitrangig für die polnischen Politiker zu sein. In dieser Zeit wurden in den bilateralen Gesprächen vor allem die dringendsten ökonomischen Probleme besprochen. Die polnische Seite erwartete sowohl wirtschaftliche und finanzielle Hilfe von der Bundesrepublik, als auch politische Unterstützung bei den Verhandlungen über die Restrukturierung der Schulden mit anderen westlichen Ländern.29 Mit der Bundesrepublik wurde direkt über das Erlöschen eines Großteils der bisherigen polnischen Schulden und die Umwandlung der restlichen Beträge in polnische Złoty verhandelt. Es konnten u. a. Garantien der Bundesregierung für neue Kredite in Höhe von ca. drei Milliarden D-Mark erreicht werden.30 Die Demokratisierung Polens wurde von Kohl als ein wichtiger Faktor auch für die Veränderungen in der DDR gesehen. Deshalb bekam die Regierung Mazowiecki sehr schnell Hilfe von deutscher Seite. Teltschik wies darauf hin, dass in dieser neuen politischen Situation die wirtschaftliche Förderung Polens (die früher abgelehnt wurde) für die deutsche Regierung akzeptabel wäre.31 27 Zusammenfassung des Gespräches Pszons mit Teltschik, ibd,. 135. 28 Die Reaktionen darauf hat Der Spiegel interessant beschrieben, „Weit weg von Aussöhnung“, 45 (1989), 6. November 1989. 29 Die polnische Botschaft über den Besuch einer Delegation NSZZ Solidarność, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia, 114. 30 Bericht von Mieczysław Pszon über die 8. Gesprächsrunde mit Horst Teltschik, in: ibd., 127. 31 Bericht von Mieczysław Pszon über die 8. Gesprächsrunde mit Horst Teltschik, in: ibd., 128.

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Es ging jedoch nicht nur um Deklarationen, sondern auch um ganz konkrete Unterstützung. In einem Gespräch mit Helmut Kohl sagte Mazowiecki: „Die Deklaration der Unterstützungsbereitschaft für Polen sollte mit konkreten Inhalten in den bilateralen Beziehungen erfüllt werden – mit Krediten, wirtschaftlicher Zusammenarbeit, Verträgen, neuen Abkommen.“32 Diese Aussage zeigt, dass Mazowiecki Kohl nicht ganz vertraute. In diesem Fall waren es jedoch unbegründete Sorgen, da auch für Helmut Kohl die wirtschaftliche Hilfe den wichtigsten Teil der Polenpolitik zu dieser Zeit darstellte. Damit wollte Kohl die Sicherheit in der Region stärken und die Transformationsprozesse unterstützen. Er erwartete zudem, auf diese Art und Weise auf die Situation in der DDR einwirken zu können. Ein wichtiger Teil  der wirtschaftlichen Hilfe war die Beteiligung der deutschen Experten an den Reformen in Polen. Dies war tatsächlich für viele polnische Institutionen eine sehr große Unterstützung und nicht ausschließlich nur auf der zentralen Ebene. So kamen beispielsweise Experten aus Bremen nach Danzig, um bei der Entfaltung der städtischen Verwaltung zu helfen.33 Gleichzeitig wollte Kohl aus Sicherheitsgründen durch Experten einen indirekten Einfluss auf die Transformation in Polen nehmen.34 Die Bundesrepublik war bereit, mehr Geld im Rahmen des Internationalen Währungsfonds zur Verfügung zu stellen. Kohl wollte jedoch nicht alleine die Last der Hilfe für Polen tragen und verlangte, dass auch andere Staaten, vor allem die USA, ihre Beiträge erhöhen sollten.35 Dies wurde in der gemeinsamen Erklärung von Kohl und Mazowiecki vom November 1989 festgelegt. In den nächsten Monaten unterstützte der deutsche Kanzler die finanzielle Förderung Polens in den Londoner und Pariser Klubs36 und akzeptierte einen Schuldenerlass von 60 % der damaligen Verschuldung Polens bei der Bundesrepublik. Die restlichen 40 % wurden in polnische Złoty umgewandelt. Zudem wurden neue Kredite und Kreditgarantien angeboten und einige Verträge, z. B. über den Schutz von Investitionen, unterschrieben. Deutschland war darüber hinaus der wichtigste Beteiligte am Stabilisierungsfond für Polen.37

32 Vermerk über die Gespräche Mazowiecki-Kohl am 9., 10.  und 14.  November 1989, in: ibd., 160. 33 Jolanta Murawska, Sprawozdanie ze współpracy Gdańska z Bremą, 7.08.1992, Zbiory Referatu Spraw Zagranicznych m.st. Gdańsk, AWO Bremen Seminarium, 28.05.–2.06.2001. 34 Vermerk über die Gespräche Mazowiecki-Kohl am 9., 10. und 14. November 1989, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia, 165. 35 Ibd. 36 Den größten Teil der Schulden hatte Polen bei Ländern und Banken, die Mitglieder dieser Klubs waren, ca. ein Viertel der Schulden bei der Bundesrepublik. Die Zustimmung des Klubs ist normalerweise für eine Umstrukturierung der Schulden notwendig. 37 Materialien für das Auftreten des Außenministers K. Skubiszewski während einer Regierungssitzung am 20. November 1989, ibd., 186; Schreiben des Finanzministeriums an das Außenministerium, 26. November 1990, in: ibd., 436–437.

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Die Hilfsbereitschaft hatte jedoch ihre Grenzen und schon im Jahre 1990 zeigte die deutsche Seite deutlich weniger Bereitschaft, weitere polnische Forderungen zu akzeptieren.38 Gleichzeitig bemerkte nun auch die polnische Seite, dass die deutsche Einheit sowohl eine große Chance für die polnische Ökonomie darstellen würde, als auch mit bestimmten Nachteilen für die unmittelbare wirtschaftliche Lage Polens verbunden wäre. Ein Problem war z. B. die Fortsetzung der wirtschaftlichen Verträge mit der DDR , unter anderem in der Bauindustrie. Die bundesdeutschen Partner waren diesbezüglich nicht zu Gesprächen mit Polen bereit – zumindest nicht vor der Wiedervereinigung. Eine gewisse Bereitschaft zu diesbezüglichen Verhandlungen zeigte nur die DDR-Seite – dies war aber nicht ausreichend. In einem Memorandum der polnischen Regierung vom 15. Juni 1990 wurde auf diese Probleme eingegangen. Die polnische Seite erwartete eine spezielle Behandlung, die ihr jedoch nicht zuteilwurde.39 Es sollte erwähnt werden, dass es für Mazowiecki nicht leicht war, eine konsequente Wirtschaftspolitik gegenüber dem Ausland zu betreiben. Am 9.  Oktober 1990 bemerkte das polnische Außenministerium nüchtern: „Wir haben keine Vision einer langfristigen Zusammenarbeit, es dominieren Übergangslösungen, die den aktuellen Bedürfnissen untergeordnet werden.“40 Vermutlich konnte die polnische Regierung während der Transformation auch nicht anders. Zeitgleich mit der langsamen Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage in Polen wurde die Grenzfrage zu einem Hauptproblem in den Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Polen. Spätestens bei den Gesprächen von Krzysztof Skubiszewski in Bonn im März 1990 wurde sichtbar, dass wirtschaftlichen Themen an die zweite Stelle hinter der Grenzfrage zurückgetreten waren.

IV. Reiseverkehr und zwischenmenschliche Kontakte Die Vereinigung Deutschlands hatte einen enormen Einfluss auf den Reiseverkehr mit Polen. Schon im Jahr 1989 reisten viele DDR-Bürger nach Polen, ähnlich wie es auch in der Tschechoslowakei oder Ungarn der Fall war, um dort Zuflucht in den bundesdeutschen Botschaften zu suchen.41 Dies war auch der Grund für den Besuch des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt Dieter Kastrup in Warschau, um über die Möglichkeiten einer Ausreise aus Polen für diese DDR-Bür38 Vermerk vom Besuch des Außenministers K. Skubiszewski in der Bundesrepublik von 5.–8. Februar 1990, in: ibd., 215–216. 39 Memorandum der polnischen Regierung an die Regierungen der DDR und der Bundes­ republik, 15.  Juni 1990, in: Zbiór Dokumentów, 1991/2, 34–43; Mitteilung der Europa­ abteilung und Rechts- und Vertragsabteilung über die Folgen der deutschen Einheit für Polen, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia, 363. 40 Zusammenfassung der Europaabteilung des Außenministeriums nach einer Beratung über die polnische Deutschlandpolitik, in: ibd., 429. 41 Vgl.: Vermerk über die DDR Bürger in der Botschaft der Bundesrepublik in Polen, in: ibd., 121.

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ger zu verhandeln. In dieser Zeit wollte die polnische Regierung allerdings die Beziehungen zur DDR nicht belasten. Im polnischen Außenministerium wurde daher festgestellt: „Das Beste aus unserer Sicht wäre eine gütliche Lösung direkt zwischen den beiden deutschen Staaten.“42 Nach langen Verhandlungen konnten die DDR-Bürger letztlich Polen in speziellen Zügen verlassen. Die neue polnische Regierung verzichtete auf die alten kommunistischen Positionen bezüglich der Lage der deutschen Minderheit in Polen und in Bezug auf die Frage der Ortsnamen, da sie nicht mit einem demokratischen Staat zu vereinbaren waren.43 Die deutsche Minderheit wurde anerkannt und die Deutschen in Polen konnten ihre eigene Sprache und Kultur nun uneingeschränkt pflegen. Sie bekamen jedoch keinen Sonderstatus, sondern sollten grundsätzlich wie alle anderen Minderheiten behandelt werden.44 Diese Frage war von besonderer Bedeutung für Helmut Kohl, der dieses Thema immer wieder aufs Tapet brachte. Kohl wollte sich damit die Unterstützung der Vertriebenenverbände in den nächsten Wahlen sichern. Besonders oft wurde dieses Thema im Zusammenhang mit der Grenzfrage angesprochen. Von polnischer Seite erhoffte man sich, dass nun auch die Polen in Deutschland als Minderheit anerkannt werden würden. Hier war die deutsche Seite aber zu keinem Kompromiss bereit und die Polen haben bis heute keinen Minderheitenstatus in der Bundesrepublik.45 Man vereinbarte, dass es nun Sprachunterricht für Deutsche in Polen und Polen in Deutschland geben werde. In der Praxis wurde jedoch lediglich Deutschunterricht in Polen angeboten, die Situation bezüglich polnischem Sprachunterricht in den deutschen Schulen verbesserte sich kaum. Eine nicht unwichtige Rolle kam in diesem Kontext den finanziellen Möglichkeiten der beiden Länder zu, da Polen keine konkrete Unterstützung für die Polnischlehrer anbieten konnte. Die Möglichkeit eines Abiturs in polnischer Sprache ist in der Bundesrepublik nach wie vor nur sehr begrenzt möglich. Ein Durchbruch war mit Sicherheit der Kompromiss über die Ortsnamen. Da die polnische Seite auch hier auf die Fortsetzung der früheren kommunistischen Politik weitgehend verzichtete, konnte eine Reihe von Verträgen unterzeichnet werden, unter anderem wurden neue Vereinbarungen über den Rechtsverkehr getroffen, sowie Konsulate in Krakau und Hamburg eröffnet. Warschau akzep42 Vermerk über die DDR-Bürger in der Botschaft der Bundesrepublik in Polen, in: ibd., 123. Vgl. auch Katarzyna Stokłosa, Die letzte Fluchtwelle aus der DDR im Jahr 1989. Aus den Berichten der westdeutschen Botschaften in Budapest, Prag und Warschau, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 64 (2015) 1, 40–80, hier 67–69. Die Autorin kennt jedoch die hier zitierten Dokumente nicht und stellt die Problematik ausschließlich aus der Perspektive der deutschen Quellen dar. 43 Bericht Mieczysław Pszons über die 8. Gesprächsrunde mit Horst Teltschik, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia, 127. 44 Aufzeichnung der Gespräche des Premierministers J. K. Bielecki mit dem Bundeskanzler H. Kohl am 5. März 1991, in: ibd., 477. 45 Materialien für das Auftreten des Außenministers K. Skubiszewski auf einer Regierungssitzung am 20. November 1989, in: ibd. 185.

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tierte nun auch, dass Deutschland sich um die deutschen Kriegsgräber und Gedenkstätten auf polnischem Gebiet kümmert.46 Schon seit 1988 kam es zu einer massiven Migration aus Polen in die Bundesrepublik. In einem Vermerk des polnischen Außenministeriums nach den Gesprächen Pszon-Teltschik ist zu lesen: „In den 1980er Jahren entwickelten sich die gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Kontakte schneller als die offiziellen Beziehungen VRP – BRD.“47 Allein in den letzten zwei Jahren der Dekade reisten ca. 800.000 Polen in die Bundesrepublik ein. Dazu kamen kleine Händler oder Schwarzarbeiter, die nur für kurze Zeit einreisten. Um den Migrationsstrom einzudämmen, wurde ein Pflichtumtausch für Polen von 50 D-Mark pro Tag eingeführt.48 Da diese deutsche Maßnahme nur gegenüber Polen galt, fühlten sich diese zu Recht diskriminiert. In Polen galten ähnliche Bestimmungen hingegen für alle Einreisenden aus den westlichen Ländern.49 Eine durchgehende Forderung der polnischen Seite war die Einführung eines visafreien Reiseverkehrs zwischen den beiden Ländern.50 Die Frage war aber nicht leicht zu lösen, da Migranten aus Polen und anderen post-kommunistischen Ländern von vielen Deutschen negativ wahrgenommen wurden.

V.

Entschädigungen für ehemalige Häftlinge der Konzentrationslager und Zwangsarbeiter des „Dritten Reichs“

Im Gegensatz zu den im Westen und in Israel lebenden Opfern des ­„Dritten Reichs“ erhielten diejenigen, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in kommunistischen Ländern Ost- oder Mitteleuropas wohnten, keine Entschädigungszahlungen. Erst in den 1960er- und 1970er-Jahren wurden die ersten Gruppen in Polen, wie z. B. die Opfer der medizinischen Experimente,51 teilweise entschädigt. Anfang der 1980er-Jahre war keine Rede mehr von Entschädigungen oder Reparationen, es ging nun vor allem um moralische und finanzielle Wiedergutmachung. Diese Thematik stellte für die polnische Regierung eine wichtige Angelegenheit dar. Mazowiecki sprach mit Helmut Kohl im November 1989 ganz offen darüber: Es wurde betont, dass zwar der polnische Staat selbst keine Ansprüche 46 Materialien für das Auftreten des Außenministers K. Skubiszewski auf einer Regierungssitzung am 20. November 1989, in: ibd., 185–186. 47 Vermerk über die Ergebnisse des Pszon-Teltschik Gesprächs vom 2.–3. Oktober 1989, in: ibd., 133. 48 Mitteilung der Europaabteilung und Rechts- und Vertragsabteilung über die Folgen der deutschen Einheit für Polen, in: ibd., 362. 49 Vermerk vom Besuch des Außenministers K. Skubiszewski in der Bundesrepublik von 5.–8. Februar 1990, in: ibd., 216. 50 Zusammenfassung der Europaabteilung des Außenministeriums nach einer Beratung über die polnische Deutschlandpolitik, in: ibd., 425–427. 51 Vgl. Ruchniewicz, Polskie zabiegi.

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stellen wolle, einzelne Opfer aber in irgendeiner Form eine Wiedergutmachung erhalten sollten.52 Dieses Thema wurde allerdings anfänglich von der polnischen Seite nicht zu sehr forciert, da die wirtschaftliche Hilfe und die Grenzfrage Vorrang hatten.53 Interessanterweise lehnte Kohl diese Idee im November 1989 nicht sofort ab, sondern erwiderte, dass diese Frage weiterer Erörterung bedürfe. Gleichzeitig wies die deutsche Seite aber auf zahlreiche Probleme hin, die damit verbunden wären. Kohl hatte Sorge, dass die neuen Verhandlungen mit Polen über die Entschädigungen weitere Ansprüche aus anderen Ländern nach sich ziehen könnten.54 Der deutsche Kanzler zeigte sich zwar in Gesprächen mit polnischen Politikern offen bezüglich der Entschädigungen, war aber nicht bereit, dieses Thema in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Beim Treffen mit Mazowiecki im November 1989 schlug Kohl vor, die Presse nur darüber zu informieren, dass die beiden Politiker darüber gesprochen hatten.55 Es war zudem klar, dass Kohl diese Frage erst im Zusammenhang mit einem Nachbarschaftsvertrag mit Polen lösen wollte.56 Es scheint, dass der polnische Vorschlag von Außenminister Krzysztof Skubiszewski, eine Stiftung zu gründen, von Kohl sehr positiv aufgenommen wurde.57 Diese pragmatische Art und Weise, schnell Hilfe für polnische Opfer des Nationalsozialismus zu leisten, bedeutete aber nicht, dass offizielle Entschädigungsansprüche akzeptiert wurden, sondern nur, dass die Hilfe einen humanitären Aspekt bekam. Gleiche Gedanken lagen später auch der Gründung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ im Jahr 2000 zu Grunde.58 Die Verhandlungen über die Entschädigungen wurden zusätzlich durch den Bund der Vertriebenen erschwert. Da die Vertriebenen einen wichtigen Teil der CDU-Wählerschaft darstellten, musste Kohl auch ihre Ansichten und Forderungen im Hinterkopf behalten. Der Verband der Vertriebenen stellte vor allem bei den Verhandlungen über den Grenzvertrag, aber auch im Zusammenhang 52 Vermerke über die Gespräche mit dem Verein der durch das Dritte Reich geschädigten Polen, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia, 154–157; Vermerk von den Gesprächen Mazowiecki-Kohl am 9., 10. und 14. November 1989, in: ibd., 161. 53 Vermerk über den Besuch von Außenminister K. Skubiszewski in der Bundesrepublik vom 5.–8. Februar 1990, in: ibd., 217–218. 54 Bericht von D. Luliński, Korrespondent der „Trybuna Ludu“, über ein Treffen des Bundeskanzlers H. Kohl mit Journalisten am 12. März 1990, in: ibd., 227. Dies ist auch tatsächlich passiert. 55 Vermerk über die Gespräche Mazowiecki-Kohl am 9., 10. und 14. November 1989, in: ibd., 162, 169–170, Aufzeichnung der Gespräche des Premierministers T. Mazowiecki mit dem Bundeskanzler H. Kohl am 8. November 1990, in: ibd., 460–461. 56 Bericht von D. Luliński, Korrespondent der „Trybuna Ludu“, über ein Treffen des Bundeskanzlers H. Kohl mit Journalisten am 12. März 1990, in: ibd., 227. 57 Vermerk über den Besuch von Außenminister K. Skubiszewski in der Bundesrepublik vom 5.–8. Februar 1990, in: ibd., 221. 58 Vgl.: http://www.stiftung-evz.de/stiftung/geschichte.html, zuletzt abgerufen am 25.  Juli 2016.

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mit den Entschädigungen einen wichtigen Faktor dar.59 Deshalb wurde dieses Thema letztlich erst in den Gesprächen mit dem neuen polnischen Premierminister Jan Krzysztof Bielecki gelöst.60 Die Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung“ wurde am 16. Oktober 1991 ins Leben gerufen.61

VI. Oder-Neiße Grenze Der wichtigste Streitpunkt zwischen der Bundesrepublik und Polen war seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die polnische Westgrenze an Oder und Neiße. Es war die Position der Bundesrepublik, dass nur Deutschland als Ganzes endgültig über die Grenzen entscheiden konnte. Deshalb war die Vereinbarung jeglicher Regelungen, Verträge oder Abkommen vor der Vereinigung ausgeschlossen. Auch die früheren Verträge der beiden deutschen Staaten mit Polen – der Görlitzer Vertrag 1950 und der Warschauer Vertrag 1970 – wurden in der Bundesrepublik als nicht bindend für ein vereinigtes Deutschland gesehen. Dies war in der internationalen Praxis eine bisher unbekannte Interpretation. Bei dieser Position blieb Helmut Kohl, während sein Außenminister HansDietrich Genscher sich deutlich kompromissbereiter gegenüber den polnischen Verhandlungspartnern zeigte. Genscher versicherte seinen polnischen Kollegen regelmäßig, dass es keine ernstzunehmenden deutschen Politiker gebe, die die Oder-Neiße Grenze in Frage stellen würden. Diese Meinung vertrat er auch in der Öffentlichkeit. Eine ähnliche Position nahmen auch die sich damals in Opposition befindenden Sozialdemokraten und Grünen ein. Um alle Zweifel zu beseitigen und polnische Sorgen zu beruhigen wurde am 8. November 1989 eine Resolution des Bundestages verabschiedet. Die Resolution bestätigte den Warschauer Vertrag von 1970 „als festes Fundament der Beziehung zwischen der Bundesrepublik und Polen“.62 Die Resolution wurde in Polen sehr positiv aufgenommen. Sehr kritisch blieb die polnische Seite jedoch gegenüber der Rhetorik Helmut Kohls. Er versicherte den polnischen Partnern zwar immer wieder, dass die Grenzfrage einer für beide Seiten akzeptablen Lösung zugeführt werden müsse, vermied aber jegliche Erklärungen über die Unantastbarkeit der Grenze in der Öffentlichkeit. 59 Vgl. Aufzeichnung der Gespräche des Premierministers T. Mazowiecki mit dem Bundeskanzler H. Kohl am 8. November 1990, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia 460–461, 452–454; Bemerkungen von A. Hajnicz, Direktor des Zentrums für Internationale Studien, im polnischen Senat über den Stand der deutsch-polnischen Beziehungen, in: ibd., 468–470. 60 Aufzeichnung der Gespräche des Premierministers J. K. Bielecki mit Bundeskanzler H. Kohl am 5. März 1991, in: ibd., 478–479. 61 http://www.fpnp.pl/, zuletzt abgerufen am 25. Mai 2017. 62 Drucksache 11/5589, 8.  11. 1989; vgl. auch Werner Weidenfeld/Peter M. Wagner/Elke Bruck, Außenpolitik für die deutsche Einheit. Die Entscheidungsjahre 1989/90 (= Geschichte der deutschen Einheit, Band 4, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1990), 499.

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In Gesprächen mit Mazowiecki im November 1989 sprach Kohl nur ungern über dieses Thema. Er verwies auf die eigene schwierige innenpolitische Lage sowie auf die Rolle der Vertriebenen in der deutschen Politik. Kohl sagte sogar, dass zwar die Mehrheit der Deutschen die Oder-Neiße-Grenze akzeptieren würde, er dies aber offiziell nicht vor der Vereinigung bestätigen könne.63 Der polnische Premierminister erwiderte: „In den deutsch-polnischen Beziehungen hat sich viel verändert, aber es bleibt immer noch viel zu tun. […] Das polnische Volk darf nicht immer wieder umgesiedelt werden, die Polen müssen die Gewissheit haben, dass die Oder-Neiße-Grenze eine endgültig geregelte An­ gelegenheit ist.“64 Mazowiecki kam am letzten Tag des Besuchs von Kohl wieder auf das Thema Grenze zurück und setzte den deutschen Kanzler unter Druck. Er machte ihm klar, dass die polnische Seite die Rhetorik der CDU bezüglich der Grenze als beunruhigend empfand. Kohl antwortete noch einmal, dass es keinen Grund zur Sorge gebe, dass er als Kanzler jedoch nicht nur die politischen, sondern auch die juristischen Aspekte berücksichtigen müsse. Deshalb wurde die Grenze auch nicht direkt in der Gemeinsamen Erklärung vom 14. November 1989 erwähnt. Es wurde nur ganz allgemein festgestellt: „Die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik Polen betrachten den Vertrag vom 7. Dezember 1970 über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen als festes Fundament ihrer Beziehungen.“65 Zudem wurde auch „die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Achtung der territorialen Integrität und der Souveränität aller Staaten in Europa in ihren gegenwärtigen Grenzen“66 betont. Der Besuch von Helmut Kohl in Polen wurde von der polnischen Seite als sehr kompliziert und schwierig beschrieben, obwohl die Ergebnisse eher positiv wahrgenommen wurden.67 In einem Vermerk über den Besuch heißt es: „Vom politischen Standpunkt erachten wir die Aussagen aus der ‚Gemeinsamen Erklärung‘ als deutlichen Fortschritt im Vergleich zum vorherigen Stand. […] Kohl, als christdemokratischer Kanzler, bestätigte den Vertrag vom 7.12.1970 ohne sich irgendwelcher Zweideutigkeiten in diesem Bereich der zwischenstaatlichen Praxis zu bedie-

63 Vermerk über die Gespräche Mazowiecki-Kohl am 9., 10.  und 14.  November 1989, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia, 159, 162. Für die deutsche Version: Gespräch des Bundeskanzlers Kohl mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft „Solidarität“, Wałesa, Warschau, 9. November 1989, in: Deutsche Einheit, Dok. 76, 492–500; Gespräch des Bundeskanzlers Kohl mit Ministerpräsident Mazowiecki, Warschau, 14. November 1989, in: ibd., Dok. 92, 532–537. 64 Vermerk über die Gespräche Mazowiecki-Kohl am 9., 10. und 14. November 1989, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia, 160. 65 Gemeinsame Erklärung Mazowiecki-Kohl, Drucksache 11/5699, Pkt. 4. 66 Gemeinsame Erklärung Mazowiecki-Kohl, Drucksache 11/5699, Pkt. 61. 67 Materialien für das Auftreten des Außenministers K. Skubiszewski auf einer Regierungssitzung am 20. November 1989, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia, 183.

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nen. Trotzdem sind wir uns bewusst, dass die Interpretationsunterschiede zwischen Polen und der Bundesrepublik bezüglich des Vertrages vom 7.12.1970 noch nicht verschwunden sind, sie haben lediglich deutlich nachgelassen.“68

Zu diesem Zeitpunkt zeigte sich die polnische Seite hinsichtlich der Zukunft der deutsch-polnischen Beziehungen relativ optimistisch. Deshalb war Kohls 10-Punkte-Programm69 vom 28.  November 1989 auch eine unangenehme Überraschung für Polen. Spätestens in diesem Moment bemerkte man auch in Warschau, dass die Grenzfrage ein ernsthaftes Problem in den bilateralen Beziehungen darstellen könnte. Kohl wurde nicht nur in Polen stark dafür kritisiert, dass in seinem Programm der 11. Punkt über die Grenze fehlte.70 Allerdings schienen zu diesem Zeitpunkt, wie bereits ausgeführt, für die polnische Seite die wirtschaftlichen Fragen immer noch wichtiger zu sein. In einem Schreiben an Kohl erwähnte Mazowiecki zwar den Warschauer Vertrag und begrüßte die Resolution des Bundestages vom 8. November 1989, doch widmete er den ökonomischen Fragen deutlich mehr Raum. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass die wirtschaftlichen Fragen in dieser Phase der Transformation mit Sicherheit noch nach unmittelbareren und praktischeren Lösungen verlangten. Die Grenzfrage stellte hierbei zwar ein sehr wichtiges, aber doch nicht neues und zum Teil theoretisches Problem dar.71 Das Vermeiden einer eindeutigen Aussage über die Grenzen durch Helmut Kohl war für die polnische Seite auch in den nächsten Monaten sehr enttäuschend. In einem schon zitierten Gespräch mit Mazowiecki äußerte sich der deutsche Kanzler sehr eindeutig: „Die Grenzfrage ist vielleicht immer noch ein innenpolitisches Thema in der Bundesrepublik, aber nicht mehr zwischen Polen und Deutschland.“72 Tatsächlich spielte hier vor allem die innenpolitische Lage in der Bundesrepublik eine besondere Rolle oder zumindest die Vorstellung, die Kohl von dieser Lage hatte. Der Kanzler hoffte auf die Stimmen des Bundes der Vertriebenen bei den nächsten Bundestagswahlen.73 Diese Interpretation scheint plausibel zu sein. Es sollte aber auch erwähnt werden, dass Helmut Kohl wenig Verständnis für die polnischen Sorgen hatte und dass das Argument Kohls, dass eine klare Stellungnahme in der Öffentlichkeit aus innenpolitischen Gründen nicht möglich sei, von der polnischen Seite nicht nachvollzogen werden konnte. Dies bestätigt auch ein Gespräch zwischen Mazowiecki und dem britischen Außenminister Douglas Hurd im Februar 68 Materialien für das Auftreten des Außenministers K. Skubiszewski auf einer Regierungssitzung am 20. November 1989, in: ibd., 184–185. 69 Mehr dazu: Weidenfeld/Wagner/Bruck, Außenpolitik, 103–110. 70 Vgl. Polnische Botschaft in der Bundesrepublik über das 10-Punkte Programm des Bundeskanzlers, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczeni., 189. 71 Premierminister T. Mazowiecki an Bundeskanzler H.  Kohl [30]. Januar 1990, in: ibd., 190–192. 72 Vermerk über die Gespräche Mazowiecki-Kohl am 9., 10. und 14. November 1989, ibd., 169. 73 Vgl. auch Bulletin vom 16. November 1989, Nr. 128, 1094–1098; Drucksache 11/5699.

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1990. Hurd sagte: „Die Position, die Kohl in diesem Fall bis jetzt einnimmt, entspringt seinen innenpolitischen Schwierigkeiten. Aus diesem Grund […] erhielt Polen vor den Wahlen in der Bundesrepublik keine solche Zusicherung [über die Grenze]. […] Premierminister Tadeusz Mazowiecki stellte fest, dass es in der Bundesrepublik immer irgendwelche Wahlen und damit verbundene Probleme“ gäbe.74 Ähnliche Informationen bekam die polnische Diplomatie in Paris. Die französische Seite informierte: „Kohl stimmte privat zu, aber öffentlich engagiert er sich nicht.“75 Kohl wurde nicht nur in Polen, sondern teilweise auch in der Bundesrepublik kritisiert. Im März 1990 berichtete Der Spiegel über die Probleme in den Verhandlungen mit Polen: „Das liegt an der merkwürdigen Semantik Helmut Kohls. Warum, so fragen Beamte aus Genschers Außenministerium, verrennt sich der Kanzler ‚in einem Anflug von Bockigkeit‘ in Rechtspositionen? Warum läßt Kohl alle Welt im Zweifel, obwohl die Endgültigkeit der Oder-Neiße-Grenze für keinen Staat in Ost und West außer Frage steht?“76 Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich die polnische Seite, sobald Gerüchte über eine mögliche engere Kooperation zwischen Deutschland und der Sowjetunion aufkamen, angesichts der historischen Erfahrungen sehr besorgt zeigte.77 Am Rande soll erwähnt werden, dass ähnliche Reaktionen auch heute noch in Polen beobachtbar sind, wenn es sich um deutsch-russische Kooperationen handelt, wie z. B. im Fall der Ostsee-Pipeline. Da diese Reaktionen meistens in der Bundesrepublik nicht verstanden und deshalb auch ignoriert werden, fühlen sich polnische Politiker in ihrer Vorstellung oft bestätigt.

VII. Die Neugestaltung Europas und die polnische Grenze Nachdem die wirtschaftlichen Reformen in Polen mit Unterstützung und Akzeptanz der internationalen Gemeinschaft schon im Gange waren, wurde die Bedeutung der polnischen Grenze immer öfter international diskutiert. Auf der Konferenz von NATO - und Warschauer Pakt-Staaten in Ottawa zwischen dem 12.  und 14.  Februar 1990 wurde die Öffentlichkeit über die „Zwei-plus-Vier“Gespräche informiert. Der polnische Außenminister Skubiszewski konnte dabei einen kleinen Erfolg erreichen. Auf seinen Vorschlag hin wurde die gemeinsame Erklärung der vier Großmächten und den zwei deutschen Staaten um die 74 Vermerk über den Besuch des Premierministers T. Mazowiecki in Großbritannien von 12.–14. Februar 1990, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia, 236. 75 Vermerk über den Besuch des Präsidenten W. Jaruzelski und des Premierministers T. Mazowiecki in Frankreich am 9. März 1990, in: ibd., 223. 76 „Oder-Neiße. Unehrlich und zweideutig“, Der Spiegel, 10 (1990), 5. März 1990. 77 Vermerk der Berater des Wirtschaftskomitees des Ministerrats über die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Kaliningrader Gebiet, in: Borodziej, Polska wobec ­zjednoczenia, 275.

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Sicherheitsfrage der Nachbarländer ergänzt.78 Damit war vor allem die OderNeiße-Grenze gemeint. Zu dieser Zeit kristallisierten sich auch die polnischen Positionen heraus. Der polnische Standpunkt wurde sofort nach der Konferenz, noch im Februar 1990, in einem Brief von Skubiszewski an die Vier Mächte und die beiden deutschen Staaten präsentiert. In diesem Brief äußerte der polnische Außenminister seinen Wunsch nach einer Bestätigung der existierenden Grenzen. Er betonte, dass dies in einem Friedensvertrag erfolgen könnte. Diese Lösung war jedoch für die westdeutsche Seite nicht akzeptabel. In Bezug auf die in Ottawa formulierte Sicherheitsfrage wurde für Polen ein Stimmrecht bei den „Zwei-plus-Vier“-Gesprächen verlangt. Es war zwar klar, dass Polen nicht gleichberechtigt an den „Zwei-plus-Vier“-Gesprächen teilnehmen durfte, die polnische Regierung verlangte jedoch mindestens die Beteili­ gung bei den Gesprächen über die Grenzen und die Sicherheit in Europa. Skubiszewski machte deutlich: „Polen fordert dabei keinen gleichen Status wie die Vier Mächte oder die zwei deutschen Staaten.“79 Die polnische Seite akzeptierte die Vereinigung Deutschlands von Anfang an. Bei einem Besuch von Tadeusz Mazowiecki in Frankreich erklärten die polnischen Politiker: „Polen hält das Recht der Deutschen zur Wiedervereinigung für natürlich und selbstverständlich, und ihre Umsetzung sollte mit den Interessen Europas als Ganzes in Einklang gebracht werden, und vor allem [mit den Interessen] von Deutschlands Nachbarn“.80 Jedoch wollte die polnische Regierung angesichts der Erfahrungen der Vergangenheit erst die Grenze sichern.81 Die polnische Seite verlangte deshalb, dass ein Grenzvertrag mit Deutschland noch vor der Vereinigung vorzubereiten und zu paraphieren sei. Die Polen waren offen bezüglich der Form, in welcher eine solche Bestätigung der Grenze passieren könnte. Wichtig war ihnen, dass diese Bestätigung die Form eines völkerrechtlichen Vertrags habe, der von der Bundesrepublik nicht mehr in Frage gestellt werden könne. Im März 1990 hielt Hans-Dietrich Genscher fest, dass das vereinigte Deutschland nur aus den beiden zwei deutschen Staaten und West-Berlin bestehen könne.82 Eine solche Deklaration von deutscher Seite wurde in Warschau jedoch 78 Außenminister K. Skubiszewski an Premierminister T. Mazowiecki aus Ottawa, 13. Februar 1990, in: ibd., 203–204. 79 Außenminister K. Skubiszewski an den dänischen Außenminister U. Ellemann-Jensen, in: ibd., 210 80 Vermerk über den Besuch des Präsidenten W. Jaruzelski und des Premierministers T. Mazowiecki in Frankreich am 9. März 1990, in: ibd., 222 81 Die Gespräche zu diesem Thema fanden am 12. Februar 1990 statt. Zudem sprach Premierminister Mazowiecki mit Thatcher in London und Skubiszewski mit allen Außenministern der Vier Mächte in Ottawa, vgl.: Aufzeichnung des Gespräches des Premier­ministers T. Mazowiecki mit der britischen Premierministerin. M. Thatcher am 12. Februar 1990, in: ibd., 193–195. 82 Vermerk über den Besuch von Außenminister K. Skubiszewski in der Bundesrepublik vom 5.–8. Februar 1990, in: ibd., 214.

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als nicht ausreichend angesehen. In Frage kam allerdings eine Lösung wie in Helsinki im Jahre 1975. In diesem so genannten „Helsinki II“ sollten die Grenze aller Länder garantiert werden.83 Die polnische Seite verlangte zudem, dass die Amerikaner in Europa bleiben und dass Deutschland nach der Vereinigung ein Teil der NATO und der Europäischen Gemeinschaft sein solle. Im Laufe der Zeit traten weitere Probleme zutage, die mit dem Vertrag verbunden waren. Es ging der polnischen Seite nicht nur darum, einen Grenz­ vertrag zu schließen, sondern auch darum, auf welche Art und Weise die Grenze anerkannt wird.84 Polen wollte, dass die Grenze bestätigt und nicht neu festgelegt wird, dies stellte einen wichtigen Unterschied dar. Es ging schließlich darum, ob die Gebiete östlich von Oder und Neiße schon ab 1945 zu Polen gehörten oder erst seit dem neuen Vertrag. Da der 1970 geschlossene Warschauer Vertrag in der Bundesrepublik nicht als völkerrechtlich bindend für Deutschland als Ganzes wahrgenommen wurde, wollte die polnische Seite eine ähnliche Situation in Zukunft vermeiden. Bei den „Zwei-plus-Vier“-Gesprächen machte Jerzy Sułek deutlich: „Die Notwendigkeit […] einen Vertrag abzuschließen, ist mit dem Wunsch verbunden alle Unklarheiten über die polnisch-deutsche Grenze zu beenden. Dies hängt vor allem von der Rechtsposition der Bundesrepublik ab, wonach erst das vereinte Deutschland eine endgültige Entscheidung über die Rechtsnatur der polnisch-deutschen Grenze treffen“ könne.85 Deshalb erwartete Polen auch, dass das deutsche Grundgesetz geändert werde. Es ging hier vor allem um die Artikel 23, 116 und 146.86 Dies stellte ein besonders problematisches Thema dar, da das Grundgesetz eine innerdeutsche Angelegenheit war und die bundesdeutschen Politiker darüber nicht mit den polnischen Partnern diskutieren wollten und konnten. Es war jedoch klar, dass diese Artikel aus dem Grundgesetz entfernt werden müssten. Um die eigenen Positionen zu stärken, informierte die polnische Regierung kontinuierlich die wichtigsten Partner in anderen Ländern über die aktuelle Situation. Schon im Februar 1990 wurden Gespräche mit Vertretern der Vier Mächte begonnen. Bei einem Gespräch mit Margaret Thatcher sagte Tadeusz Mazowiecki: „Das wichtigste ist für uns aktuell das deutsche Problem. Die deutsche Einheit scheint eine ausgemachte Sache zu sein. Wir legen großen Wert auf zwei Dinge: 1.  Die Bestätigung der Unverletzlichkeit der Grenzen […] und 2.  ob im zukünftigen Europa der deutsche Faktor nicht zu dominant wird.“87­ 83 Aufzeichnung des Gespräches des Premierministers T. Mazowiecki mit der britischen Premierministerin M. Thatcher am 12. Februar 1990, in: ibd., 196. 84 Bemerkungen der Europaabteilung über den Vertrag mit Deutschland, in: ibd., 245. 85 Direktor der Europaabteilung J. Sułek bei den „2+4“ Gesprächen in Berlin am 4. Juli 1990, in: ibd., 385. 86 Vermerk über den Besuch des amerikanischen Staatsekretärs J. Baker in Polen, in: ibd., 269. 87 Aufzeichnung des Gespräches des Premierministers T. Mazowiecki mit der britischen Premierministerin M. Thatcher am 12. Februar 1990, in: ibd., 193. Ein weiteres Gespräch mit Thatcher fand im Mai 1990 statt, vgl.: Vermerk über Besuch des Premierministers T. Mazowiecki in Großbritannien vom 12.–14. Februar 1990, in: ibd., 235–237.

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Thatcher zeigte bei dieser Gelegenheit viel Verständnis für die polnische Seite. Ähnlich reagierten auch die Franzosen.88 Klare Unterstützung äußerten die Sowjetunion und die weiteren Staaten des Warschauer Paktes. Durch solche Gespräche versuchte die polnische Seite Kohl unter Druck zu setzen. Diese Taktik funktionierte auch teilweise. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von Mazowiecki und Mitterrand, erklärte Letzterer, dass für Frankreich die Oder-Neiße-Grenze unantastbar sei. Er akzeptierte auch offiziell die polnische Teilnahme bei den „Zwei-plus-Vier“-Gesprächen.89 Von den Großmächten unterstützte lediglich die größte und wichtigste Macht – die USA  – die polnischen Positionen nicht eindeutig. Zwar war die polnische Westgrenze auch für die Amerikaner unantastbar, sie sahen aber den Streit weitgehend als theoretisches Problem an. George H. W. Bush sagte: „Wir unterscheiden uns nicht bezüglich der Unverletzlichkeit der Grenzen. Aber ich bin überzeugt, dass Kohl die Bestätigungsnotwendigkeit der bestehenden Grenzen versteht […]. Ich glaube nicht, dass ein vereinigtes Deutschland in der Zukunft weniger verhandlungsbereit sein wird.“90 Auch Bush akzeptierte, dass Polen bei den „Zwei-plus-Vier“-Gesprächen anwesend sein werde.91 Gleichzeitig zeigte der amerikanische Präsident jedoch auch viel Verständnis für die Politik Kohls. Die polnische Außenpolitik konnte zu dieser Zeit als sehr erfolgreich beurteilt werden. Es wurden zwar nicht alle Ziele erreicht, diese waren aber wegen der deutlich schwächeren Position Polens auf der internationalen Bühne auch nicht immer realistisch. Es gelang der polnischen Diplomatie jedoch sowohl wirtschaftliche Unterstützung zu bekommen, als auch die Grenzfrage zu einem international diskutierten Thema zu machen. Allen wichtigen Akteuren war das Problem bekannt und die polnischen Positionen wurden mehr oder weniger akzeptiert. Dies verärgerte Kohl offensichtlich. Bei einem Treffen mit Journalisten sagte er, dass er von den polnischen Vorwürfen der Unehrlichkeit persönlich betroffen sei.92 Der deutsche Kanzler meinte zudem – vermutlich tatsächlich nicht ganz ehrlich –, dass er damit einverstanden sei, dass Polen bei den „Zwei-plus-Vier“Gesprächen eigene Positionen darstellen könne.93 Kohl akzeptiert dies zwar, er 88 Der polnische Botschafter in Frankreich am 22. Februar 1990, in: ibd,. 205. 89 Die polnische Botschaft in Frankreich am 14. März 1990, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia, 233–235. Vgl. auch Teltschik, 329 Tage, 171, 90 Aufzeichnung des Gespräches des Premierministers T. Mazowiecki mit dem amerikanischen Präsidenten G. Bush, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia, 241. Ähnlich auch der amerikanische Botschafter, vgl.: Vermerk des Außenministers K. Skubiszewski nach dem Gespräch mit dem amerikanischen Botschafter J. Davies, in: ibd., 230. 91 Aufzeichnung des Gespräches des Premierministers T. Mazowiecki mit dem amerikanischen Präsidenten G. Bush, in: ibd., 240–242. 92 Bericht von D. Luliński, Korrespondent der „Trybuna Ludu“, über ein Treffen des Bundeskanzlers H. Kohl mit Journalisten am 12. März 1990, in: ibd., 227. 93 Bericht von D. Luliński, Korrespondent der „Trybuna Ludu“, über ein Treffen des Bundeskanzlers H. Kohl mit Journalisten am 12. März 1990, in: ibd., 228. Erste Gesprächsrunde Zwei plus Vier auf Beamtenebene, Bonn, 14. März 1990, in: Deutsche Einheit, Dok. 220, 950–952

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wurde aber durch die eindeutige Positionierung der Großmächte dazu gezwungen. Der polnische Botschafter in Paris berichtete bezüglich der Feststellung des französischen Außenministers Roland Dumas über Kohl: „[E]s war nicht leicht, Kohl zu einer Meinungsänderung in der Frage der Teilnahme Polens an ‚4+2‘ zu überzeugen; Genscher hat dabei erheblich geholfen.“94 In Zusammenhang mit der Grenzfrage müssen auch die Verhandlungen über den Abzug der sowjetischen Truppen aus Mittel- und Osteuropa gesehen werden. Die noch offene Grenzfrage hatte einen gewichtigen Einfluss auf die polnische Position bezüglich der in Polen stationierten Truppen. Zwar wollte auch Polen, dass die sowjetischen Truppen das Land verlassen, gleichzeitig wünschte man sich, dass diese bis zur Grenzregelung noch im Land verbleiben. In einem interessanten Gespräch im Februar 1990 schlug die britische Premierministerin Thatcher Mazowiecki sogar vor, dass die sowjetischen Truppen in der DDR bleiben sollten, um unter anderem die polnische Westgrenze weiterhin zu garantieren. Mazowiecki bestätigte, dass es noch zu früh wäre, die Truppen aus Polen abzuziehen.95 Ähnlich reagierte der polnische Außenminister im Gespräch mit Eduard Schewardnadse am gleichen Tag in Ottawa. Skubiszewski meinte, dass die Frage des Abzugs der sowjetischen Truppen erst in Zukunft diskutiert werden sollte.96 Aber auch nach der Unterzeichnung des Grenzvertrages konnte dieses Problem nicht sofort gelöst werden und im Frühjahr 1991 kam es erneut zu einem Streit, als die Truppen, die auf dem ehemaligen Territorium der DDR stationiert waren, durch Polen nach Hause disloziert werden sollten. Dies wurde jedoch nicht im Vorfeld mit der polnischen Seite abgestimmt. Es wurde sogar ein Konvoi an der polnisch-deutschen Grenze angehalten.97 Polen verlangte Transitgebühren und Versicherungen für die Armeefahrzeuge und wollte die Truppen aus der DDR nicht durchlassen, solange die Evakuierung der Armee aus Polen nicht geklärt war.98

94 Die polnische Botschaft in Frankreich am 26. März 1990, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia, 233, Fußnote 120. 95 Aufzeichnung über das Gespräch des Premierministers T. Mazowiecki mit der britischen Premierministerin M. Thatcher am 12. Februar 1990, in: ibd., 195. 96 Vermerk vom Treffen des Außenministeres K. Skubiszewski mit dem russischen Außenminister Schewardnadse, in: ibd., 202. 97 Aufzeichnung der Gespräche des Premierministers J. K. Bielecki mit dem Bundeskanzler H. Kohl am 5. März 1991, in: ibd., 479. 98 Vermerk des Außenministers K. Skubiszewski nach dem Gespräch mit dem deutschen Botschafter G. Knackstedt, in: ibd., 471–473.

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VIII. Grenzvertrag Im April 1990 bereitete die polnische Seite einen ersten Vertragsentwurf vor, in dem nicht nur die Grenze anerkannt, sondern auch weitere Aspekte der gemeinsamen Beziehungen geregelt werden sollten. Am 3. und 18. Mai fanden die ersten zwei trilateralen Verhandlungsrunden mit Experten aus beiden deutschen Staaten statt. Der polnische Vorschlag, einen allgemeinen Vertrag (später Nachbarschaftsvertrag genannt) zu diskutieren, wurde abgelehnt. Die bundesdeutsche Seite informiert darüber, dass sie nur über die Grenze reden könne. Die anderen Fragen sollten erst nach der Vereinigung diskutiert werden. Jedoch konnten sich die beiden Seiten auch bei den Gesprächen über die Grenze nicht ganz verständigen. Polen wollte über einen Vertragstext verhandeln und diesen, wenn möglich, noch vor der Wiedervereinigung Deutschlands paraphieren lassen. Die bundesdeutsche Seite wollte dagegen nur über die Kernaussagen eines solchen Textes diskutieren. Sie sollten einen Teil  der geplanten Resolutionen der beiden deutschen Parlamente bilden. Die Vertreter der DDR akzeptierten bei den Gesprächen in der Regel die polnischen Forderungen, nur war ihre Position deutlich schwächer als die der bundesdeutschen Delegation.99 Einerseits versuchte die bundesdeutsche Vertretung vor der Wiedervereinigung erst gar nicht, mit Polen über den Grenzvertrag zu verhandeln, anderseits wollte Kohl den Vier Mächten zeigen, dass keine Probleme zwischen Deutschland und Polen mehr bestünden. Deshalb mussten die Gespräche stattfinden. Die deutsche Seite informierte sogar die Außenminister der Vier Mächte, dass es keine Meinungsunterschiede mit Polen mehr gäbe und dass klar sei, um welche Grenze es sich handle. Dies entsprach zwar nicht ganz den Tatsachen, die Vertreter der Vier Mächte wollten dem deutschen Kanzler jedoch gerne Glauben schenken.100 Polen unternahm deshalb erneut eine diplomatische „Offensive“, um den Vier Mächten den Verlauf der Verhandlungen auch aus polnischer Perspektive darzulegen. Es wurde sogar vom polnischen Außenministerium vorgeschlagen, nach jeder deutsch-polnischen Gesprächsrunde alle Vier Mächte offiziell über den Stand der Dinge zu informieren. Damit wollte Warschau zwei Ziele erreichen: zum einen eigene Positionen stärken und zum anderen zusätzlichen Druck auf die deutsche Seite ausüben.101 Die Verhandlungen waren in der Tat nicht einfach. Die polnische Seite vertraute dem deutschen Partner offensichtlich nicht völlig. Die Befürchtungen 99 Vgl. Protokoll über die Unterschiede nach der 2. Gesprächsrunde VRP-BRD -DDR , Bonn am 18. Mai 1990, in: ibd., 293–295. 100 Vermerk über die Konsultationen der Außenministerien Polens und Frankreichs vom 14. Mai 1990, in: ibd., 279. 101 Vermerk über die Konsultationen der Außenministerien Polens und Frankreichs vom 14. Mai 1990, in: ibd., 273–274.

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in Warschau wurden dadurch verstärkt, dass die polnischen Vorschläge weitgehend ignoriert wurden – unter anderem weigerte sich die westdeutsche Seite über die Implementierung des Vertrags zu sprechen. Es wurde immer wieder das gleiche Argument benutzt: Über solche Dinge könne nur ein vereinigtes Deutschland entscheiden. Es ging aber nicht nur um Entscheidungen, sondern auch um die Verhandlungen, die, der deutschen Position folgend, erst nach der Wiedervereinigung stattfinden sollten. Wolfgang Wiemer, Berater des letzten DDR-Außenministers Markus Meckel, teilte der polnischen Seite mit, dass „das Haupthindernis für eine schnelle und für uns wünschenswerte Lösung dieser Sache in den dreiseitigen Expertengesprächen bei der Bonner Seite und beim Widerstand von Kanzler Kohl“ liege. Dieser wollte offensichtlich, dass die „vertragliche Regelung der deutsch-polnischen Grenzfrage und der damit verbundene Verhandlungsprozess über den Vertragstext auf der Grundlage der polnischen Vorschläge erst nach der Vereinigung des deutschen Staates stattfindet.“102 Aus diesem Grund fürchtete Warschau, dass diesen ein ähnliches Schicksal ereilen würde, wie den 1970 geschlossenen Vertrag. Warschau war in dieser Situation gezwungen, die eigenen Erwartungen zu modifizieren. Skubiszewski sagte im Gespräch mit Genscher am 6. Juni 1990 in Kopenhagen, dass die polnische Seite nicht mehr die Paraphierung des Vertragstextes verlangen würde.103 Skubiszewski war aber immer noch bestrebt, die Verhandlungen über den Grenzvertrag fortzuführen und nicht nur die Gespräche über die Resolutionen des Parlaments.104 Im Juni 1990 waren die Resolutionen das wichtigste Thema in den Expertengesprächen der beiden deutschen Parlamente. Die polnische Seite zeigte sich damit generell zufrieden. In einer Notiz des polnischen Außenministeriums wurden nicht nur die Resolutionen als wichtiger Schritt bezeichnet, sondern auch die Stellungnahme Helmut Kohls: „Wir freuen uns, dass Kanzler Kohl während der Debatte im Bundestag am 21. Juni so eindeutig unsere Meinung teilte, die wir schon lange vertreten haben.“105 Am gleichen Tag wurden die Resolutionen verabschiedet, die eine eindeutige Botschaft an Polen enthalten: „Die Grenze Polens zu Deutschland, so wie sie heute verläuft, ist endgültig. Sie wird durch Gebietsansprüche von uns Deutschen weder heute noch in Zukunft in Frage gestellt. Dies wird nach der Vereinigung Deutschlands in einem Vertrag mit der Republik Polen völkerrechtlich verbindlich bekräftigt werden.“106 Das war das Maximum, das die polnische Seite vor der Vereinigung erreichen konnte. 102 Vermerk der Abteilung IV für das Außenminister K. Skubiszewski über die Gespräche mit der Bundesrepublik und der DDR , in: ibd., 299. 103 Aufzeichnung des Gesprächs der polnischen und deutschen Außenminister K. Skubiszewski und H.-D. Genscher am 6 Juni 1990, in: ibd., 327. 104 Vermerk für den Außenminister K. Skubiszewski vom 3. Mai 1990, in: ibd., 250–252. 105 Das Außenministerium über die Resolutionen der Volkskammer und des Bundestages über die deutsch-polnische Grenze, in: ibd., 352. 106 Die Botschaft fand in dieser, vom Original abweichenden Form ihren Weg in die Öffentlichkeit und wurde so auch von der Presse zitiert, vgl.: Aufzeichnung aus den Verhand-

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IX. Zwei-plus-Vier Nur wenige Tage später im Juli 1990 fand die dritte Runde der „Zwei-plus-Vier “ Gespräche in Paris statt, zu der auch die polnische Delegation eingeladen wurde. Die Teilnahme an den Gesprächen war ein deutlicher Erfolg der polnischen Diplomatie. Die Vier Mächte nahmen Polen ernst. Polnische Politiker und Experten nahmen an den Vorbereitungsgesprächen Anfang Juli 1990 sowie an einer Runde der Außenminister am 17. Juli 1990 in Paris teil.107 Noch vor dem Treffen der Außenminister am 3.  Juli hat Krzysztof Skubiszewski einen Brief an alle sechs beteiligten Länder geschickt, in welchem noch einmal eingehend die polnischen Positionen dargelegt wurden.108 Die wichtigsten Gespräche fanden am 17. Juli in Paris statt. Dort wurde der polnischen Seite versichert, dass die Vier Mächte und die beiden deutschen Staaten die polnische Grenze vollständig akzeptieren und dass es hierzu keine divergierenden Meinungen gebe. Zwar wurde der polnische Vorschlag, dass der Grenzvertrag zeitgleich mit dem „Zwei-plus-Vier“-Vertrag in Kraft treten solle, als unrealistisch bezeichnet. Genscher versicherte aber offiziell, dass der Grenzvertrag möglichst schnell danach unterzeichnet werde. Es wurde auch bestätigt, zuerst einen Grenzvertrag zu unterzeichnen und erst danach mit den Verhandlungen über einen großen Vertrag (Nachbarschaftsvertrag) zu beginnen.109

X.

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Ohne „Zwei-plus-Vier“ hätte die deutsche Einheit mit Sicherheit nicht erreicht werden können. Nach der Unterzeichnung der Vereinbarung am 12.  September 1990 in Moskau feierten die Deutschen am 3. Oktober die Einheit. Schon im Oktober 1990 stellte man während einer Expertenrunde im polnischen Außenministerium fest, dass sich die polnische Außenpolitik zu viel auf die „Zweiplus-Vier“-Gespräche konzentrierte und zu wenig Vertrauen gegenüber Kohl gezeigt hätte. Nur am Rande wurde eine eventuelle militärische Bedrohung seitens Deutschlands angesprochen. Keiner der Beteiligten hätte eine solche für möglich gehalten. Die Tatsache aber, dass darüber noch im Jahr 1990 gesprochen wurde, zeigt ganz deutlich, wie tief die polnische Angst vor den Deutschen imlungen der Außenministerien in Rahmen von „2+4“ Gesprächen mit der Beteiligung Polens, in: ibd., 373; Ludwig, Polen und die deutsche Frage, 247. 107 Richtlinien für Ernest Kucza vor den Gesprächen mit Horst Teltschik, Warschau 30. Januar 1989, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia, 72. 108 Außenminister K. Skubiszewski an dem russischen Außenminister E. Schewardnadse, in: ibd., 368. 109 Vermerk über das Außenministertreffen im Rahmen des „2+4“ Gesprächen in Paris am 17. Juli 1990, in: ibd., 392–394.

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mer noch saß. Den polnischen Beamten war klar, dass man nun mehr auf die Zukunft orientieren müsse: „Das vereinigte Deutschland […] wird bald eine Großmacht sein, nicht nur auf europäischer Ebene, sondern es wird auch eine wichtige Rolle in der Weltpolitik spielen. Deutschlands Beziehungen zu Polen werden nicht mehr diese besondere Dimension haben, die aus der Vergangenheit herrührt […]. Aus der Vereinigung sollte keine größere Gefahr für Polen entstehen, aber die Chancen und deren Nutzung wird zum großen Teil von uns selbst abhängen.“110

Die Verhandlungen über den Grenzvertrag begannen am 30.  Oktober 1990. Einen Tag zuvor schrieb Der Spiegel: „Mit Rücksicht auf die Vertriebenen blockt Kanzler Kohl polnische Wünsche nach einer schnellen Verständigung ab.“111 Dies entsprach nicht ganz der Wahrheit. Es gab tatsächlich immer noch einige politische Probleme, die bei den Verhandlungen zwischen den Experten nicht gelöst werden konnten. Deshalb schlug Jerzy Sułek aus der polnischen Delegation ganz pragmatisch vor, dass die beiden Delegationen nur den Vertragstext vorbereiten sollten. Alle anderen Probleme sollten den Politikern überlassen werden. Dieses pragmatische Vorgehen war der Schlüssel zum schnellen Erfolg. Beide Delegationen wussten, dass der zweite Vertrag über gute Nachbarschaft deutlich komplizierter werden würde und dass die polnische Seite nicht zu lange auf die endgültige Regelung über die Oder-Neiße-Grenze warten wollte. Am 8. November 1990 kam es zu einem erneuten Treffen zwischen Kohl und Mazowiecki, genau ein Jahr nach dem ersten offiziellen Treffen. Beide Regierungschefs nahmen sehr kooperative Positionen ein. Gesprochen wurde u. a. über die kostenfreie Übernahme der Ausrüstung der Nationalen Volksarmee der DDR durch die polnische Armee, über die Minderheiten in beiden Ländern, Rentenversicherungen, sowie den Abzug der sowjetischen Truppen aus Polen und der DDR . Auch die ökonomische Zusammenarbeit war ein wichtiges Thema, vor allem in Bezug auf die weitere Arbeitsmöglichkeit für polnische Bauarbeiter in der ehemaligen DDR und die polnische Verschuldung. Ein wichtiger Teil der Gespräche war der zweite Vertrag über gute Nachbarschaft. Kohl bot an, diesen Vertrag von beiden Regierungschefs unterzeichnen zu lassen.112 Wenige Tage später, am 14.  November, unterzeichneten die beiden Außenminister den deutsch-polnischen Grenzvertrag. Danach wurden die Verhandlungen über den Nachbarschaftsvertrag aufgenommen. Nach den ersten drei Gesprächsrunden kam es allerdings zu einer längeren Pause, die bis März 1991 dauerte. Einen wichtigen Faktor stellten hierbei die gesamtdeutschen Wahlen

110 Zusammenfassung der Europaabteilung des Außenministeriums nach einer Expertenrunde über die polnische Deutschlandpolitik, in: ibd., 425. 111 „Ersatzlose Preisgabe“, in: Der Spiegel 44 (1990), 29.10.1990. 112 Aufzeichnung der Gespräche des Premierministers T. Mazowiecki mit Bundeskanzler H. Kohl am 8. November 1990, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia, 461.

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am 2. Dezember 1990, aber auch der erste Golfkrieg sowie die Verhandlungen über den Abzug der sowjetischen Truppen aus Mittel- und Osteuropa dar. Erst nach dem Treffen zwischen Helmut Kohl und dem neuen polnischen Premierminister Jan Krzysztof Bielecki wurden die Verhandlungen am 19. und 20. März 1991 fortgesetzt. Besonders emotional verliefen die Gespräche über die Minderheitenfrage. Einerseits wollte die deutsche Seite keine klaren Verpflich­ tungen gegenüber den in Deutschland lebenden Polen eingehen. Anderseits verlangte sie mehr Rechte für die deutsche Minderheit in Polen. Damit konnte sich die polnische Seite nicht einverstanden erklären, die, wie schon erwähnt, keinen speziellen Status für die deutsche Minderheit in Polen wollte. Sie war aber bereit, die Frage gemäß den „europäischen Standards“ zu lösen.113 Jerzy Sułek bemerkte in der 4.  Verhandlungsrunde: „Wir schreiben einen Vertrag über gute Nachbarschaft und partnerschaftliche Zusammenarbeit und nicht einen Minderheitenvertrag“.114 Der Vertrag wurde letztendlich am 17. Juni 1991 in Bonn unterzeichnet. Bei dieser Gelegenheit erklärte Genscher im Gespräch mit Skubiszewski, dass die deutsche Seite eine Resolution des Bundestages beabsichtige, die die Wichtigkeit des Vertrags bekräftigen solle. Dies konnte als ein Zeichen guten Willens gegenüber Polen gesehen werden. Jedoch war der polnische Außenminister sehr vorsichtig als er „seine allgemeine Besorgnis über das Auftauchen eines solchen Resolutionskonzepts äußerte; er wies darauf hin, dass wir schlechte Erfahrungen mit einer Resolution aus dem Jahr 1972 haben, die tief in den Vertragstext aus dem Jahr 1970 eingegriffen hat“.115

XI. Polen, Deutschland, die Europäische Gemeinschaft und die NATO Mit der Vereinigung Deutschlands wurde Polen gleichzeitig zu einem Nachbarland der Europäischen Gemeinschaften und der NATO. Schon zu dieser Zeit gab es in Polen Erwartungen in Bezug auf eine zukünftige Mitgliedschaft in den beiden Organisationen. Dabei war die Hilfe der deutschen Seite unabdingbar. Als die Gespräche über ein Assoziierungsabkommen Polens mit der EWG im Gange waren, erwartete die polnische Seite die Unterstützung Deutschlands. In einem Memorandum vom 15.  Juni 1990 kommt dies deutlich zum Ausdruck: „Die 113 Aufzeichnung aus der 4. Verhandlungsrunde über den deutsch-polnischen Vertrag über die gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 19.–20. März 1990, in: ibd., 484. 114 Aufzeichnung aus der 4. Verhandlungsrunde über den deutsch-polnischen Vertrag über die gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 19.–20. März 1990, in: ibd., 487. 115 Aufzeichnung eines Gespräch des Premierminister J. K. Bielecki und des Ministers K. Skubiszewski mit Bundeskanzler H.  Kohl und Außenminister H.-D. Genscher am 17. Juli 1991, in: ibd., 537.

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Regierung der Republik Polen zählt auf die aktive Unterstützung der polnischen Beteiligung an den europäischen Institutionen für wirtschaftliche Zusammenarbeit […], wir denken – mit der weiteren Perspektive – an die Aufnahme in die Gemeinschaft.“116 Für Helmut Kohl war es selbstverständlich, dass Polen in Zukunft Mitglied sowohl in der NATO als auch in der EWG sein werde. Zum ersten Mal wurde dieses Thema zwischen Mazowiecki und Kohl bereits im November 1989 diskutiert und auch in der gemeinsamen Erklärung der beiden Regierungschefs erwähnt.117 Da eine Mitgliedschaft Polens mehr Sicherheit in diesem Teil  Europas bedeuten würde und dadurch auch im deutschen Interesse lag, unterstützte Deutschland diese bedingungslos.118 Auch in den nächsten Monaten blieb Kohl dieser Meinung. Bei einem Gespräch mit Bielecki meinte er: „Ein Wunsch Deutschlands ist es, dass auch Polen, Ungarn und die ČSFR der EWG beitreten.“119 Für Polen waren die Beziehungen zur EWG und NATO aus zwei Gründen wichtig: Erstens bedeutete dies mehr internationale Sicherheit und die Chance auf eine schnelle Modernisierung des Landes, zweitens vertraute die Regierung in Warschau den deutschen Politikern immer noch nicht ganz. In einer Notiz des polnischen Außenministeriums vom Juni 1990 lesen wir: „Wir glauben, dass der Prozess der deutschen Einheit im Rahmen und ‚unter dem Dach‘ der europäischen Einheit stattfinden sollte. Es liegt in unserem Interesse, dass die Vereinigung Deutschlands keine Schwierigkeiten beim Aufbau der europäischen Einheit verursacht, sondern dass sie den Fortschritt dieses Prozesses begünstige und zu seinem Antrieb wird.“120

XII. Fazit Für Polen war die deutsche Einheit eng mit der Sicherheit der polnischen Westgrenze verbunden. Aber auch weitere, seit Jahren existierende Probleme und Meinungsunterschiede zwischen den beiden Ländern mussten bei dieser Gelegenheit einer Lösung zugeführt werden. Deshalb waren der Grenz- sowie der Nachbarschaftsvertrag ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Nachkriegsbeziehungen der beiden Länder. Er beendete einen politischen Streit um die Grenze und öffnete weitere Felder für gemeinsame Verständigung und Kooperation. 116 Memorandum der polnischen Regierung an die Regierungen der DDR und der Bundesrepublik, 15. Juni 1990, in: Zbiór Dokumentów, 1991/2, 34–43. 117 Gemeinsame Erklärung Mazowiecki-Kohl, in: Borodziej, Polska wobec zjednoczenia, 176. 118 Vermerk über die Ergebnisse der Pszon-Teltschik Gespräche, in: ibd., 135. 119 Aufzeichnung eines Gespräch des Premierminister J. K. Bielecki und des Ministers K.  Skubiszewski mit Bundeskanzler H.  Kohl und Außenminister H.-D. Genscher am 17. Juli 1991, in: ibd., 529. 120 Mitteilung der Europaabteilung und Rechts- und Vertragsabteilung über die Folgen der deutschen Einheit für Polen, in: ibd., 356.

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Der zweite Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit wurde zu einem Grundstein für die zukünftige Zusammenarbeit auch auf europäischer Ebene. Tatsächlich spielte er in vielen Bereichen eine sehr wichtige Rolle und führte zu einer Verbesserung der bilateralen Beziehungen. Diese Prozesse der Annäherung hatten aber schon früher, spätestens mit dem Treffen zwischen Mazowiecki und Kohl im November 1989, begonnen. Bereits am 5. Juni 1991 wurde von der polnischen Seite die erste Evaluation der gemeinsamen Erklärung Mazowiecki-Kohl vom 14. November 1989 durchgeführt. Es wurden zwar nicht alle damals erwähnten Vorhaben vollständig realisiert, es ist jedoch trotzdem bemerkenswert, wie viele verschiedene gemeinsame Projekte, Verträge, Vereinbarungen usw. innerhalb von eineinhalb Jahren zu Stande gekommen waren.121 Leider fanden nicht alle Probleme eine akzeptable Lösung für beide Seiten. So dauerten beispielsweise die Verhandlungen über die Entschädigung für jene Polen, die Opfer des „Dritten Reichs“ waren, noch jahrelang an. Auch die Minderheitenfrage kommt immer wieder in den politischen Debatten über die bilateralen Beziehungen der beiden Länder vor. Nun fühlten sich aber vor allem die Polen in der Bundesrepublik benachteiligt und diskriminiert. In der polnischen Presse wird Gorbatschows Rolle beim Zerfall der Sowjetunion und der kommunistischen Regimes meist deutlich geringer bewertet, als die Bedeutung der Solidarność-Bewegung der 1980er-Jahre. Schon im Jahr 1990 wurde im polnischen Außenministerium mit Stolz bemerkt: „Wir betonen, […], dass die deutsche Wiedervereinigung möglich und realistisch wurde dank eines inneren Wandels Mittel- und Osteuropas, der von Polen eingeleitet wurde. Die in den frühen 80er-Jahren durch ‚Solidarność‘ initiierten Veränderungen in Richtung Demokratie, Freiheit und Menschenrechte haben ebenfalls zum Sturz des totalitären Regimes in der DDR geführt und den Deutschen den Weg zur Selbst­ bestimmung und zur Einheit des Staates eröffnet.“122

Diese Perspektive wird in Polen weitgehend akzeptiert. Deshalb wurde die Tatsache, dass nicht die Solidarność, sondern der medial präsentere Fall der Berliner Mauer und die deutsche Einheit in den meisten Ländern Europas zum ersten Symbol des Zerfalls der kommunistischen Regime in Europa wurde nicht besonders positiv wahrgenommen.

121 Stand der Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung vom 14. November 1989, 5. Juli 1991, in: ibd., 505–506. 122 Mitteilung der Europaabteilung und Rechts- und Vertragsabteilung über die Folgen der deutschen Einheit für Polen, in: ibd., 357.

Arnold Suppan

Jugoslawien und die deutsche „Wiedervereinigung“

Das Thema lässt sich in folgenden drei Punkten umschreiben: 1. Die Hauptakteure im Auflösungsprozess Jugoslawiens – der serbische KPFührer und seit Mai 1989 serbische Präsident Slobodan Milošević, der slowenische KP-Führer und seit Mai 1990 slowenische Präsident Milan Kučan, der seit Mai 1990 Präsident Kroatiens Franjo Tuđman, sowie ihre Minister, Mitarbeiter und Berater, nicht zuletzt der Generalstab der Jugoslawischen Volksarmee (JVA) – waren in den Jahren 1989–1991 viel zu sehr mit den politischen Auseinandersetzungen in Jugoslawien im Allgemeinen und in Belgrad, Ljubljana und Zagreb im Besonderen beschäftigt, um noch Zeit und Aufmerksamkeit für die laufende und genaue Beobachtung anderer wesentlicher politischer Entwicklungen wie die deutsche „Wiedervereinigung“ oder die Auflösung der Sowjetunion zu finden. Bis zum Frühjahr 1990 gab es nicht einmal ernsthafte Versuche, politische Unterstützung im Ausland zu erhalten.1 2. Als ich im Herbst 1990 – nach neuerlichen Besuchen in Ljubljana, Zagreb und Belgrad – einen deutschen Diplomaten in Wien auf die Gefährlichkeit der Situation in Jugoslawien aufmerksam machte, erhielt ich die kühle Antwort, dass sich kein Außenministerium gleichzeitig mit mehr als drei Hauptthemen beschäftigen könne. Für Bonn sei dies im Moment die Einbettung der deutschen „Wiedervereinigung“ ins westliche Bündnissystem, die sich zuspitzende Situation in der Sowjetunion und die Irak-Krise. Gegenüber der Jugoslawien-Krise verhalte man sich beobachtend. Ein anderer deutscher Diplomat sagte in aller Öffentlichkeit, jetzt sei die Zeit von Zusammenschlüssen gekommen, nicht die von Trennungen. 3. Nach der Unabhängigkeitserklärung Sloweniens und Kroatiens am 25. Juni 1991 erfuhr ich von einem Berater der neuen slowenischen Regierung die entwaffnende Bemerkung, ohne die deutsche „Wiedervereinigung“, die ja auch eine Grenzveränderung in Mitteleuropa bedeutet habe, hätten weder Ljubljana noch Zagreb ihre Unabhängigkeitserklärung riskiert, da sie ebenfalls Grenzveränderungen bedeuteten. Solche seien nämlich, den Helsinki-Schlussakten vom 1. August 1975 zufolge, nur im Einvernehmen zu erzielen. Man darf nicht 1 Recherchen des slowenischen Kollegen Vinko Rajšp ergaben, dass auch das in Ljubljana erscheinende regimekritische Magazin Mladina weder zum Fall der Berliner Mauer noch zur deutschen „Wiedervereinigung“ Artikel oder Kommentare verfasst, sich hingegen voll auf die jugoslawische Innenpolitik konzentriert hatte.

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vergessen, dass die Unabhängigkeitserklärungen Estlands, Lettlands, Litauens, Weißrusslands, der Ukraine, der Moldova, der drei transkaukasischen und der fünf zentralasiatischen Republiken der Sowjetunion erst Ende August 1991 erfolgten.2 Auf Anregung von Generalsekretär Thomas Klestil wurde zu Jahresbeginn 1988 in der Politischen Sektion des österreichischen Außenministeriums unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland erstmals ein Assessment über die Lage in den Staaten des Warschauer Paktes und in Jugoslawien erstellt. Der Leiter der Ostabteilung, Gesandter Ernst Sucharipa, fasste am 28. Jänner 1988 zu Jugoslawien zusammen: Die Schwäche der föderativen Staatsgewalt enthebe die Entscheidungsträger weitgehend der politischen Verantwortung. „Zusammen mit der Austragung von Nationalitätenkonflikten auf Kosten des Bundes, der Fragmentierung des jugoslawischen Marktes, einer weitgehend zu beobachtenden Überbürokratisierung sowie politischen Eingriffen in die – ohnehin wenig erfolgreiche – Funktionsweise der Selbstverwaltung sei das jugoslawische System somit von Unflexibilität und einem deutlichen Manko an Lösungskapazität für die anstehenden Probleme gekennzeichnet.“

Neben der schweren internen Wirtschaftskrise (niedrige Produktivität, galoppierende Inflation, anhaltende Streikbewegung) wird auch auf Verzögerungen bei den Schuldendienstleistungen hingewiesen. „Im Spannungsfeld zwischen den Aktionen des extrem nationalistischen Flügels der serbischen Führung (Slobodan Milošević) und irredentistischen albanischen Kräften gewinne der Kosovo-Konflikt zunehmend an Aktualität.“ Gemessen an der Situation im Kosovo wurden der kroatische Nationalismus, der potentielle (muslimische) Fundamentalismus in Bosnien und der Herzegowina, die großserbischen hegemonistischen Bestrebungen und der slowenische Separatismus als „weniger akut“ gesehen. Ein Ende der krisenhaften Entwicklung in Jugoslawien sei aber nicht in Sicht, wobei weder die NATO noch die Warschauer-Pakt-Staaten ein Interesse an einer Verschiebung des euro-strategischen Gleichgewichts hätten. Sowohl in der BRD, Frankreich und Italien als auch in Österreich bestehe die Bereitschaft, Jugoslawien bei seinen wirtschaftlichen Reformbemühungen zu unterstützen.3 Am 11. November 1988 wurde Sucharipa in seiner Tour d’Horizon durch Osteuropa bereits deutlicher: „Die wirtschaftliche Situation in Jugoslawien bleibt auch nach dem IMF-Beistandsabkommen vom Sommer 1988 sehr kritisch (US -Dollar 20 Mrd. Staatsverschuldung; 2 Vgl. Wolfgang Mueller/Michael Gehler/Arnold Suppan (eds.), The Revolutions of 1989. A Handbook (Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2015). 3 Gesandter Sucharipa an österreichische Vertretungsbehörden im Ausland (laut Verteilerliste „KSZE “), 28. Jänner 1988, Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA), Österreichische Botschaft (ÖB) Bonn RES -1988 (1–2), Karton 55; ÖB Berlin (Ost) RES -1988 (07–19), GZ . 713/1-II .3/88, Karton 23.

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200 % Inflationsrate […]. Eines der prinzipiellen Probleme der jugoslawischen Wirtschaft liegt im bisher offensichtlichen Nichtfunktionieren des Selbstverwaltungs­ systems begründet. […] Der Titosche Versuch, durch verfassungsmäßige Festschreibung die Macht auf sämtliche Teilrepubliken aufzuteilen, hat zu einem Machtvakuum an der Spitze des Staates geführt und ist als gescheitert anzusehen. […] Der serbische KP-Führer Milošević […] könnte versucht sein, seine offensichtliche Popularität auszunützen, um sich selbst als neue Führungsfigur, eventuell auch außerhalb Serbiens, aufzubauen. […] [Daher] bleibt die Gefahr einer Destabilisierung des jugoslawischen Völkergleichgewichts mit potentiell gefährlichen Auswirkungen auf die Umwelt aufrecht.“4

Jede jugoslawische Führung sei mit dem Grundproblem des Auseinanderdriftens der wesentlich weiter entwickelten nördlichen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien und der traditionell dem Balkan verhafteten südlichen Teile des Bundesstaats konfrontiert.5 Insgesamt empfahlen Sucharipa und sein Team konkrete Maßnahmen der Hilfestellung im politischen, wirtschaftlich-finanziellen und humanitären Bereich unter Betonung des gesamteuropäischen Gedankenguts. Freilich sollte man auch ein „Worstcase-szenario“ nicht ausschließen, das zu „plötzlich stark anwachsenden Flüchtlingsströmen“ sowie der Unterbrechung von für Österreich wichtigen Warenlieferungen und von Teilen der österreichischen Energieversorgung führen könnte. Die ersten beiden Befürchtungen der österreichischen Diplomaten sollten sich bald bewahrheiten. Jugoslawien hatte zwar die Krise im Sommer 1989 um die DDR-Bürger in Ungarn genau beobachtet, aber jede öffentliche Stellungnahme vermieden. Lediglich die Belgrader Zeitungen geizten nicht mit klaren Wertungen und veröffentlichten Photos von der Nationalen Volksarmee der DDR im Stechschritt und von Volkspolizisten, die mit Schlagstöcken gegen Demonstranten vorgingen, mit denen nicht zuletzt Vergleiche zur NS -Okkupation in Serbien angestellt werden sollten. Die Zurückhaltung Belgrads galt auch der überraschenden Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze für etwa 50.000 DDR-Bürger nach Österreich am 10. September.6 Die zu Titos Zeiten immer gut informierte Uprava državne bezbednosti (UDBA), der jugoslawische Geheimdienst, dürfte von den Geheimverhandlungen des ungarischen Ministerpräsidenten Miklós Németh mit Bundeskanzler Helmut Kohl in Bonn – nicht aber mit Ost-Berlin – ebenso überrascht gewesen sein wie viele andere Dienste. Németh hatte aber auch nicht 4 Gesandter Sucharipa, Gesandter Litschauer, Legationssekretär Manz, Attaché Brezovszky, Wien, 11. November 1988: „Osteuropa im Wandel? Zur innenpolitischen Bewegung in den WP-Staaten und Jugoslawien“, BMEIA , GZ 701.03/19-II-3/88. 5 Vgl.: Ibd. 6 In einer internen Lagebeurteilung der Politischen Sektion des Bundesministeriums für Äußere Angelegenheiten (BMAA) vom 12.  Oktober 1989 wurde diese Massenflucht mit Recht als „Bankrotterklärung des Systems“ bezeichnet.  – BMEIA , ÖB Berlin (Ost), RES 1989 (1–10), Karton 24. 

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vergessen, in Moskau rückzufragen.7 Während sich im Herbst die Krise um die DDR-Flüchtlinge in Prag und Warschau weiter verschärfte und ab Anfang Oktober die Montagsdemonstrationen in Leipzig begannen, spitzte sich in Jugoslawien der Konflikt zwischen den beiden Republiken Serbien und Slowenien zu, der am 1.  Dezember 1989 in einen Wirtschaftsboykott Serbiens gegen slowenische Firmen mündete. Daher wurde in Belgrad und Ljubljana zwar der Fall der Berliner Mauer mit Interesse verfolgt, aber ohne Aufregung registriert. Immerhin sah sich ein hochrangiger Funktionär im jugoslawischen Außenministerium schon im Oktober 1989 dazu veranlasst, dem österreichischen Botschafter Paul Leifer gegenüber Kritik an der „übertriebenen Wiedervereinigungs-Euphorie“ zu üben, mit der gewisse Gruppierungen in der BRD eindeutig zu weit gegangen seien.8 Jedenfalls hielt der Gesandte Sucharipa vor Weihnachten 1989 die unterschiedlichen Positionen der Warschauer-Pakt-Staaten und Jugoslawiens zur Frage der (Wieder-)Vereinigung Deutschlands fest. Mit Hinweis auf die Schlussakte von Helsinki als Festschreibung „historischer Realitäten“ differenzierte die Politische Sektion am Ballhausplatz: – Das Selbstbestimmungsrecht werde von allen Staaten außer der Sowjetunion und Rumänien zugestanden. – Für eine Regelung im Rahmen eines gesamteuropäischen Einigungsprozesses stünden die Sowjetunion, Polen, die ČSSR und auch Jugoslawien. Hingegen seien der ungarische Außenminister Horn und Bulgarien „viel liberaler?“,9 Rumänien aber deutlich für die weitere Existenz zweier deutscher Staaten. – Es gebe eine starke Prägung der Haltungen durch historische Erfahrungen und aktuelle Interessen: „Polen, in geringerem Ausmaß auch ČSSR und auch Jugoslawien hegen offenbar größere Besorgnis vor allfälliger (Wieder-) Vereinigung, während Ungarn und Bulgarien eher gelassen reagieren. Sicherlich kommt der Haltung der Sowjetunion (Existenz zweier deutscher Staaten als Produkt der Geschichte) politisch wesentliche Bedeutung zu. […] Die Ambivalenz in der sowjetischen Haltung zeigt sich auch in der Wiederaufnahme offensichtlich überholter Konzepte (z. B. Entmilitarisierung Deutschlands). Die größte Besorgnis herrscht in Polen und lässt sich auf die aus polnischer Sicht nicht ausreichende Anerkennung der polnischen Westgrenze reduzieren.“10 7 Andreas Oplatka, Der erste Riss in der Mauer. September 1989 – Ungarn öffnet die Grenze (Wien: Zsolnay, 2009), 173–177, 198. 8 Botschafter Leifer, Gesandter Kotschy an BMAA , Belgrad, 16. Oktober 1989, BMEIA , Zl. 488-RES/89. Fälle von DDR-Flüchtlingen in Jugoslawien wurden im stillschweigenden Einvernehmen zwischen BRD - und jugoslawischen Behörden gelöst. Die betreffenden Personen erhielten einen BRD -Reisepass und konnten ungestört ausreisen. Es kam auch zu gelegentlichen Übernachtungen in den Botschaftsräumlichkeiten der BRD in Belgrad. 9 Angeblich vertrat in der ungarischen Regierung Ministerpräsident Miklós Németh eine wesentlich zurückhaltendere Ansicht als Außenminister Gyula Horn. 10 Gesandter Sucharipa, Legationssekretär Manz an Kabinett des Bundesministers, Generalsekretariat und Sektionsleiter, Wien, 21. Dezember 1989, BMEIA, GZ 22.17.01/56-II.3/89.

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Die personellen Veränderungen an Jugoslawiens Staatsspitze im Mai 1989  – der slowenische Wirtschaftsfachmann Janez Drnovšek übernahm für ein Jahr die Staatsführung, der Kroate Ante Marković wurde Ministerpräsident  – ließen noch einmal Hoffnungen auf eine Reformierbarkeit des Systems aufkeimen. Aber Milošević begann die Bundespartei zu paralysieren und Slowenien beschloss am 27. September eine Verfassungsänderung, die heftige Kritik im Zentralkomitee des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens und auch in der Bundeskammer des Parlaments auslöste: Slowenien verlangte das explizite Recht auf Selbstbestimmung, einschließlich des Rechts auf Ausscheiden aus der Föderation; es forderte, dass Bundesgesetze, die nicht im Interesse Sloweniens lägen, in Slowenien nicht anzuwenden wären; und Slowenien wünschte, dass die Ausrufung des Ausnahmezustands auf slowenischem Territorium in Friedenszeiten nur mit Zustimmung des slowenischen Parlaments erfolgen dürfe. Diese Beschlüsse waren zwar vor allem gegen großserbische Hegemoniebestrebungen gerichtet, die sich im November 1989 drohend gegen Slowenien und Kroatien richteten, bereiteten aber die spätere Sezession vor.11 Die innerjugoslawische Krise spitzte sich im Winter 1989/90 weiter zu und führte auf dem Parteitag des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens am 23. Jänner 1990 zum endgültigen Bruch zwischen den slowenischen und kroatischen Kommunisten einerseits, den serbischen andererseits. Als Milošević alle Anträge der slowenischen Genossen niederstimmen ließ, gab Kučan das Signal zum Aufbruch und die slowenische Delegation zog vor den Augen der Weltöffentlichkeit aus dem Sitzungssaal im Belgrader Sava-Zentrum aus. Titos Einheitspartei war endgültig auseinandergebrochen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, wenn die parallel ablaufenden welthistorischen Ereignisse in Jugoslawien kaum wahrgenommen wurden: das 10-Punkte-Programm Bundeskanzler Helmut Kohls, das Treffen von Präsident George W. Bush und Generalsekretär Michail Gorbatschow auf einem US -Kriegsschiff vor der Insel Malta, das Treffen der Warschauer-Pakt-Staaten in Warschau und der NATO -Gipfel in Brüssel. Immerhin war in den dabei festgelegten vier Prinzipien auch die Gültigkeit der Helsinki-Schlussakte für die Frage der deutschen Grenzen niedergeschrieben worden. Mehr Interesse dürften in Jugoslawien die internationalen Verhandlungen um die Festschreibung der deutsch-polnischen Grenze hervorgerufen haben.12 Die Frage der „Wiedervereinigung“ Deutschlands gab in Belgrad auch Anlass zu verstärkter Diskussion über Ersatzleistungen für im Zweiten Weltkrieg erlittene Schäden. So erklärte der Staatssekretär des jugoslawischen Außenministeriums, Milivoje Makšić, im Februar 1990 vor dem Außenpolitischen Ausschuss des jugoslawischen Parlaments, „dass der Prozess der deutschen­ 11 Interne Lagebeurteilung der Politischen Sektion des BMAA vom 12.  Oktober 1989, BMEIA , ÖB Berlin (Ost), RES -1989 (1–10), Karton 24.  12 Vgl. Laura Silber/Allan Little, Yugoslavia: Death of a Nation (New York: Penguin, ²1997); Norman M. Naimark/Holly Case (eds.), Yugoslavia and Its Historians: Understanding the Balkan Wars of the 1990s (Stanford: Stanford University Press, 2003).

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Wiedervereinigung, welcher eine Frage ist, die von den Deutschen allein entschieden werden müsste, in keiner Weise das Vertrauen in Europa stören und die Sicherheit keines der Länder des Kontinents einschließlich Jugoslawiens beeinträchtigen dürfe“. Gleichzeitig verwies Makšić auf die Haltung der jugoslawischen Regierung, dass Jugoslawien als eines der Opfer des Zweiten Weltkrieges die offene Frage der Entschädigung für die Kriegsfolgen nicht vergessen dürfe und dass der Prozess der Wiedervereinigung die Suche nach einer Lösung dieses offenen Punktes mit einschließen müsse.  – Zum Sachverhalt: Die jugoslawischen Forderungen umfassten Reparationen, Schadenersatz für Kriegsschäden, Entschädigung für KZ -Häftlinge, Zwangsarbeiter und andere Opfer des NS -Regimes.13 Am 15. März 1990 berichtete der Geschäftsträger der BRD -Botschaft in Belgrad, Martin Lutz, dass jugoslawische Medien berichteten, Staatssekretär Makšić habe am Vortag im Auswärtigen Ausschuss des Parlaments erklärt, Jugoslawien befinde sich in Gesprächen mit „anderen Siegerländern der Anti-Hitler-Koalition, die ein Recht auf Entschädigungsforderungen hätten“. Makšić erklärte später dem österreichischen Botschafter Paul Leifer, dass sich das Außenministerium bei der Diskussion im Parlament verpflichten musste, „die Frage der Reparationen bei zukünftigen Verhandlungen zusammen mit anderen interessierten Staaten ernsthaft zu verfolgen“. Denn bei dem seinerzeit zwischen Josip Broz Tito und Willy Brandt ausgearbeiteten Finanzpaket im Volumen von 36 Millionen D-Mark habe es sich nur um einen Kredit gehandelt, den Jugoslawien zurückzahle.14 Die Erklärung des Staatssekretärs Makšić stellte eine völlige Fehlinformation dar. Auf Grund eines Vertrags vom 10.  März 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jugoslawien hatte Bonn einen ersten Kredit in Höhe von 300 Millionen D-Mark an Belgrad gewährt. Vom 16. bis 19. April 1973 besuchte Bundeskanzler Willy Brandt Jugoslawien und traf mit Staatspräsident Josip Broz Tito auf der Adriainsel Brioni zusammen. Ein Gesprächsergebnis bestand in der Regelung „noch offener Fragen aus der Vergangenheit“ – die Begriffe „Entschädigung“ und „Wiedergutmachung“ für NS -Opfer wurden dabei vermieden. Als finale Abgeltung für sämtliche zwischenstaatliche Forderungen war die Vergabe eines weiteren zinsgünstigen Kredits der Bundesrepublik an Jugoslawien gedacht. Am Rande einer Bonner Kabinettssitzung am 11. Oktober 1973 beschloss die deutsche Bundesregierung, Jugoslawien ein langfristiges Kreditvolumen von 13 Die Belgrader Tageszeitung Večernji Novosti behauptete, die Kriegsschäden in Jugo­ slawien seien von der Pariser Reparationskonferenz 1945/46 mit 46 Milliarden US Dollar beziffert worden. 14 Geschäftsträger Kotschy, Belgrad, an BMAA , 8. Mai 1990, Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Wien, Archiv der Republik (AdR), ZWA , BMAA , II Pol 1990, GZ 22.07.00– 22.17.01, Karton 5 (BRD); Vermerk von Referat 210, 5. März 1990, in: Heike Amos/Tim Geiger (Bearb.), Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess, ed. von Horst Möller/Ilse Dorothee Pautsch/Gregor Schöllgen/ Hermann Wentker/Andreas Wirsching (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015), Dok. 66.

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700 Millionen D-Mark anzubieten, davon 400 Millionen D-Mark zu Kapitalhilfebedingungen und 300 Millionen D-Mark zu Marktkonditionen. Das Kreditabkommen wurde 1974 realisiert. Daher betrachtete Bonn die Reparationsfrage im Jahre 1990 als gelöst.15 Im Frühjahr 1990 war Jugoslawien mit den Wahlen in Slowenien und Kroatien beschäftigt. Die beiden Wahlgänge im April in Slowenien und im April/Mai in Kroatien waren die ersten freien Parlamentswahlen seit 1927 (!). In Slowenien gewann die nicht-kommunistische Koalition DEMOS unter Führung des Historikers Lojze Peterle, in Kroatien die „Kroatische Demokratische Union“ unter Führung des Historikers Franjo Tuđman, der einmal Generalmajor der JVA und Direktor des Instituts für die Geschichte der Arbeiterbewegung in Zagreb gewesen war. Die Jugoslawische Volksarmee ließ daraufhin die Territorialarmeen in den einzelnen Republiken entwaffnen – was freilich in Slowenien nur teilweise gelang.16 Der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, Hans Dietrich G ­ enscher, traf am Abend des 31. August 1990 zu einem kurzfristig angesetzten Besuch in Belgrad ein, führte beim Abendessen und danach Gespräche mit dem jugoslawischen Außenminister Budimir Lončar, gab am Vormittag des 1.  September nach einem gemeinsamen Frühstück noch eine Pressekonferenz und verabschiedete sich sogleich in Richtung Bonn.17 Die beiden Minister besprachen die europäischen Integrationsprozesse, die Lage in Jugoslawien und die Situation in der Golfregion. Er und Lončar, so Genscher, seien sich der großen inneren Probleme Jugoslawiens bewusst und hätten darüber sehr freimütig gesprochen. Man sei sich darin einig, dass sich auch für die Lösung dieser Probleme die europäische Perspektive positiv auswirken könnte. Deshalb wäre es falsch, so der deutsche Außenminister weiter, Jugoslawien diese europäische Perspektive zu versperren. Die BRD habe auch den Wunsch Jugoslawiens nach stärkerer Annäherung an die europäischen Institutionen von Anfang an unterstützt. Die Herstellung einer ökonomischen und einer politischen Union in Europa, sagte Genscher, werde die Entwicklungschancen des alten Kontinents bedeutend erhöhen. In diesem Kontext unterstrich er die Bedeutung des KSZE-Gipfels in Paris, bei dem neue gemeinsame Institutionen gegründet würden. Genscher betonte auch, die Frage der „ethnisch gemischten Provinz Kosovo“ habe in der Tagesordnung der Gespräche ganz oben gestanden. Diese Angelegenheit werde nächste Woche auch 15 Ortez des Referatsleiters 012, Bettzuege, 15.  Mai 1990, in: Die Einheit, Dok.  99; vgl. BGBl. 1956, II, 968–969; Bulletin 1973, 427–428; AAPD 1973, Dok. 110, 111; AAPD 1974, Dok. 27. 16 Vgl. Dunja Melčić (ed.), Der Jugoslawien-Krieg. Handbuch zu Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen (Wiesbaden: Springer Fachmedien, ²2007). 17 Ein Sommertreffen der beiden Außenminister gab es bereits 1988 in Zadar, der enger­en Heimat von Lončar. Das Treffen im Sommer 1989 musste bedingt durch die Erkrankung Genschers entfallen. Das diesjährige war bereits grundsätzlich vereinbart, musste aber wegen des Termindrucks für Genscher infolge der Wiedervereinigungsfrage mehrmals verschoben werden.

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im deutschen Bundestag erörtert werden. Genscher meinte zudem, dass die Fortsetzung des Demokratisierungsprozesses in Jugoslawien von ausschlag­gebender Bedeutung sei, denn nur so könnten die Probleme in den Beziehungen zwischen den verschiedenen „Nationalitäten“ gelöst werden. Demokratie sei die Antwort auf alle Fragen, die sich in Europa stellten, Demokratie bedeute auch Achtung aller Rechte der Minderheiten.18 Tatsächlich hatte Genscher „in für ihn ungewöhnlicher Art ziemlich nachdrücklich die im Kosovo gesetzten Repressionsmaßnahmen angesprochen, die nicht mit den KSZE-Bestimmungen übereinstimmten“. Lončar kommentierte die Ereignisse in der serbischen Provinz mit langen historischen Hintergrundschilderungen, distanzierte sich aber deutlich von der Aufhebung des Autonomiestatuts und sprach von einer „unglücklichen, der Annäherung an Europa zuwiderlaufenden Anomalie“. Er stellte aber gleichzeitig fest, dass nach Ansicht der jugoslawischen Bundesregierung eine Selbständigkeit des Kosovos außerhalb Serbiens unrealistisch sei. Aber demokratische Wahlen würden sowohl in allen Republiken als auch auf Bundesebene bis längstens zum Jahresende 1990 abgehalten werden.19 Erstaunlicherweise erwähnte Genscher erst gegen Ende seines Statements vor der internationalen Presse – vorher ging er noch auf die Irak-Krise ein20 – die bevorstehende 2+4-Konferenz in Moskau, von der er sich einen erfolgreichen Abschluss erwarte, womit auch die außenpolitischen Aspekte der Vereinigung der beiden deutschen Staaten gelöst wären. Tatsächlich hatte die jugoslawische Seite gewisse Ängste geäußert, auf Grund der prioritären Ausrichtung der deutschen Politik auf die Wiedervereinigung „etwas in Vergessenheit zu geraten“. Daher urgierte der BRD -Botschafter in Belgrad, Hansjörg Eiff, den bereits überfälligen Besuch. Ein Besuch auf der Ebene der Regierungschefs zeichnete sich hingegen nicht ab, da Bundeskanzler Kohl wohl auch nach dem 3. Oktober 1990 vorwiegend mit Wiedervereinigungsproblemen beschäftigt sein werde.21 Obwohl ein CIA-Report vom 1. Oktober 1990 die Einschätzung gab, dass Jugoslawien innerhalb von einem Jahr zu funktionieren aufhören werde, verlangte der Secretary of State James Baker noch am 18. Juni 1991 im Aspen Institute in 18 ÖB Belgrad an BMAA Wien, 3.  September 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II Pol. 1990, GZ 22.17.01–22.23.00. 19 ÖB Belgrad an BMAA Wien, 5.  September 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II Pol. 1990, GZ 22.17.01–22.23.00. 20 Hinsichtlich der irakischen Aggression gegen Kuwait schätzte Genscher die Aktivitäten der Bewegung der blockfreien Länder und Jugoslawiens als Vorsitzendem bei der Auffindung von adäquaten Lösungen. Die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates müssten beachtet und die gefangenen ausländischen Staatsbürger im Irak freigelassen werden, der Irak müsse sich aus Kuwait zurückziehen. Lončar bestätigte, dass er zu einem Besuch nach Bagdad eingeladen wurde, diese Reise aber erst nach Ende der Besetzung Kuwaits antreten werde. 21 ÖB Belgrad an BMAA Wien, 3.  September 1990, ÖStA, AdR, BMAA , II . Pol 1990, GZ 22.17.01–22.23.00.

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Berlin, dass die KSZE-Mitglieder alles tun müssten, um die Einheit der Staaten Osteuropas zu erhalten, das gelte auch für Jugoslawien. Die CIA hatte auch richtig vermutet, dass die von der Regierung Marković eingeleiteten Wirtschaftsreformen das Auseinanderbrechen Jugoslawiens nicht verhindern würden (tatsächlich wurden sie von Milošević noch vor Weihnachten 1990 blockiert). Und die CIA sah auch voraus, dass Serbien versuchen werde, die Sezession Sloweniens und Kroatiens abzuwenden, auch mittels Anstachelung eines Aufstandes der serbischen Minderheit in Kroatien. Der US -Botschafter in Belgrad, Warren Zimmermann, räumte ein, dass der CIA-Bericht ziemlich exakt gewesen sei und sich nur hinsichtlich des Kosovos geirrt habe. – Der angekündigte bewaffnete Aufstand der Albaner erfolgte erst 1998/99.22 Obwohl die Teilrepubliken im Verlauf des Sommers und Herbstes 1990 weiter auseinanderdrifteten, verlangten die EG -Außenminister am 18. Dezember 1990 die Respektierung der Menschenrechte und demokratischer Prinzipien in Jugoslawien, den Erhalt der territorialen Integrität und Einheit des Staates sowie die Respektierung der Interessen der Republiken. Und die Staats- und Regierungschefs der EG -Mitglieder sprachen sich noch am 9. April 1991 dezidiert für den Erhalt der territorialen Integrität aus. EG -Kommissionspräsident Jacques Delors versprach Belgrad sogar 4,5 Milliarden Dollar an Wirtschaftshilfe, um eine politische Reform zu unterstützen. Obwohl es in Deutschland bereits Sympathien für eine Selbständigkeit Sloweniens und Kroatiens gab, hielt sich die deutsche Regierung bewusst zurück. Der Chef der Südosteuropa-Sektion im Auswärtigen Amt, Michael Libal, bestätigte, dass Bonn weder Ljubljana noch Zagreb zu Alleingängen ermutigte.23 – Als ich Mitte Juni 1991 in Wien einen bekannten Laibacher Rechtsprofessor fragte, was die Alternative zu einer Unabhängigkeitserklärung sei, erhielt ich die klare Antwort: „Weiterhin von Belgrad beherrscht zu werden.“ Aus diesem Satz sprachen 45 Jahre Erfahrung mit Titos Jugoslawien. Die Unabhängigkeitserklärungen Sloweniens und Kroatiens und der sofort einsetzende Zehn-Tage-Krieg in Slowenien bedeuteten für Europa einen Schock. War das Fallen des Eisernen Vorhangs und die Transformation der kommunistischen Regime  – mit Ausnahme von Rumänien  – erstaunlich friedlich über die Bühne gegangen, wurde jetzt plötzlich mitten in Europa an der slowenischösterreichischen und slowenisch-italienischen Grenze geschossen. Immerhin erreichte eine EG -Troika sehr rasch einen Waffenstillstand, aber der Konflikt begann sich sofort nach Kroatien zu verlagern, wo es bereits im Frühjahr 1991 bewaffnete Zwischenfälle gegeben hatte. Am 24. August 1991 bestellte der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher den noch immer Gesamtjugoslawien vertretenden Botschafter, den Slowenen Boris Frlec, zu sich und stellte 22 Matjaž Klemenčič, The International Community and the FRY/Belligerents, 1989–1997, in: Charles Ingrao/Thomas A. Emmert (eds.), Confronting the Yugoslav Controversies. A Scholar’s Initiative (Washington/West Lafayette/IN: Purdue University Press, 2009) 153–198, hier 154. 23 Ibd., 156.

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klar: „If the bloodshed continues and the policy of faits accomplis by force supported by the Yugoslav army is not halted immediately, the Federal Government [of Germany] must seriously examine the recognition of Croatia and Slovenia in their given frontiers.“ Und im September warnte Genscher in der parlamentarischen Debatte im Bundestag die JVA: „With every shot of your cannons and tanks, the hour of recognition moves closer.“24 Spätestens zu diesem Zeitpunkt rückte Deutschland in der serbischen Politik und in den serbischen Medien wieder in den Mittelpunkt, allerdings nicht das moderne Deutschland, sondern das „alte“ Deutschland mit angeblich strategischen Zielen am Balkan, mit dem alten „Drang nach Südosten“, mit seinem angeblich pathologischen Hass auf Serbien und die Serben. Österreich wurde bei dieser Wiederbelebung alter Feindbilder gleich mitgenommen. Führende Medien leisteten auf beiden Seiten ganze Arbeit: die Politika und der Nin, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Bild Zeitung und die Wiener Kronen Zeitung.25 Freilich: Nicht die Diskussion um die Anerkennung beförderte den Krieg in Jugoslawien – im Herbst 1991 vor allem um Vukovar und Dubrovnik –, sondern die Angriffe serbischer und montenegrinischer Truppen auf kroatische Städte beschleunigten den Anerkennungsprozess. Eine Resolution des UN-Sicherheitsrates verlangte einen Waffenstillstand, um UN-Peacekeeping-forces entsenden zu können. Aber nach dem Scheitern der Haager Konferenz erklärte Bundeskanzler Kohl  – auch laufend informiert vom österreichischen Außenminister Alois Mock – am 27. November 1991 im Bundestag, Slowenien und Kroatien bis zum 24. Dezember anerkennen zu wollen. Damit setzte er alle anderen EG -Staaten unter Druck, nach den Kriterien der Badinter Kommission, einer 1991 von der EG eingesetzten Schiedskommission bezüglich des Zerfalls Jugoslawiens unter dem Vorsitz von Robert Badinter, den Anerkennungsprozess einzuleiten und abzuschließen. Dies geschah schließlich am 15.  Januar 1992. Die Befürchtungen vieler serbischer Stimmen bewahrheiteten sich freilich nicht. Das Interesse der neuen Bundesrepublik Deutschland an den jugoslawischen Nachfolgestaaten nahm nicht zu, sondern ab.

24 Michael Libal, Limits of Persuasion: Germany and the Yugoslav Crisis, 1991–1992 (West­ port/Conn/London: Praeger, 1997) 39, 45. 25 Vojin Dimitrijević, „The International Community and the Yugoslav Crisis“, in: Nebojša Popov (ed.), The Road to War in Serbia. Trauma and Catharsis (Budapest: Central European University Press, 2000) 633–660.

VII. Die Staaten Südeuropas

Birgit Aschmann

„Mein Freund Felipe“ – Spanien und die deutsche Einheit

„Unsere europäischen Nachbarn und Partner“, so hielt es der damalige Bundes­ kanzler Helmut Kohl im Jahr 2009 in seinen Erinnerungen fest, „trafen der Mauerfall und die Aussicht auf die Wiedervereinigung Deutschlands wie ein Schock.“ Die offiziellen Versicherungen, auf die deutsche Einheit hinstreben zu wollen, waren längst zu rhetorischen Floskeln erstarrt, die weder die wahren Wünsche der Briten noch die der Franzosen oder der Niederländer spiegelten. Entsprechend reagierten die westeuropäischen Regierungschefs in den Tagen und Wochen nach dem Fall der Mauer am 9. November 1989 einhellig reserviert bis ablehnend auf die Initiativen zur Wiedervereinigung. Mit einer Ausnahme: „Aus dem Kreis unserer europäischen Verbündeten stand nur einer von Beginn an fest an unserer Seite: der spanische Ministerpräsident Felipe González, der keine Minute einen Zweifel aufkommen ließ, wo sein Platz war.“1 Die Bezeugungen der Verbundenheit und Dankbarkeit gegenüber „meinem Freund Felipe“2 haben schon deshalb einen festen Platz in den Erzählungen Helmut Kohls über die Wiedervereinigung gefunden, weil der spanische Ministerpräsident schon am Tag nach der Öffnung der Berliner Mauer seine Unterstützung versprach und in den folgenden Monaten dieses Versprechen immer wieder einlösen sollte. „Überschwänglich gratulierte der spanische Ministerpräsident Felipe González den Deutschen und versicherte mir, ich könne jederzeit mit seiner Hilfe rechnen – vor allem auch dann, wenn es notwendig werden sollte, eine gesamteuropäische Haltung zu erarbeiten.“3 Diese Sonderrolle des spanischen Regierungschefs ist erklärungsbedürftig, und dies umso mehr, als ein Blick in die spanische Publizistik zeigt, dass die B ­ egeisterung über die deutsche Wiedervereinigung keineswegs so einhellig war. Insofern ist es das Anliegen des vorliegenden Beitrags, erstens die langfristig-strukturellen sowie die persönlich-situativen Ursachen der abweichenden Haltung von Felipe González aufzuzeigen, bevor zweitens die politische ­­Relevanz Spaniens im Vereinigungsprozess herausgearbeitet werden soll. Drittens sollen die Bedenken beleuchtet werden, die außerhalb des engeren Regie1 Helmut Kohl, Vom Mauerfall zur Wiedervereinigung. Meine Erinnerungen (München: Droemer, Neuauflage 2014), 20–21. 2 Helmut Kohl, Ich wollte Deutschlands Einheit, dargestellt von Kai Diekmann/Ralf Georg Reuth (Berlin: Propyläen, 1996), 143. 3 Kohl, Vom Mauerfall, 99; ähnlich id., Ich wollte Deutschlands Einheit, 143.

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rungszirkels in der spanischen Öffentlichkeit gegen die deutsche Wiedervereinigung in Stellung gebracht wurden. Schließlich waren die Interessen der spanischen Außenpolitik keineswegs so kongruent mit der deutsch-deutschen Entwicklung wie die Freundschaftsbeteuerungen von Felipe González vermuten lassen könnten. Abschließend gilt es, die Entwicklung der bilateralen Beziehungen nach der Wiedervereinigung – wenn auch nur kursorisch – in den Blick zu nehmen. Vorläufig müssen die Ergebnisse schon deshalb sein, weil eine abschließende Untersuchung erst dann zu erwarten ist, wenn die Archivunterlagen freigegeben sein werden. An amtlichem Aktenmaterial waren für diese Studie nur diejenigen Schriftstücke heranzuziehen, die in den Sondereditionen aus dem Auswärtigen Amt (Die Einheit) und dem Bundeskanzleramt (Dokumente zur Deutschland­ politik) noch vor Ablauf der sonst geltenden 30-jährigen Sperrfrist ediert werden konnten.4 Ansonsten wurden neben der Memoiren-Literatur der beteiligten Politiker Tageszeitungen und Zeitschriften ausgewertet, die als Sprachrohre verschiedener gesellschaftlicher Gruppierungen die von der Regierungspolitik abweichenden Stimmen spiegeln können. Neben der Quellenlage ist auch der Forschungsstand schnell umrissen: In nur zwei Aufsätzen steht die spanische Politik gegenüber der deutschen Einheit im Vordergrund.5 In beiden allerdings werden sowohl die bilaterale Vor- als auch die Nachgeschichte nicht hinreichend betrachtet. Zudem werden Positionen, die sich von der des spanischen Ministerpräsidenten unterschieden, nur kursorisch behandelt. Beide Aspekte sollen im Folgenden vertieft werden. Insgesamt ist anzunehmen, dass es trotz der unbefriedigenden Quellenlage anhand der bisher erschienenen Literatur sowie der zeitgenössischen Presse und Publizistik schon heute möglich ist, ein so stimmiges Bild zu entwerfen, dass es nach späterer Akteneinsicht allenfalls ergänzt, aber nicht mehr revidiert werden muss.

4 Heike Amos/Tim Geiger (Bearb.), Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess, ed. von Horst Möller/Ilse Dorothee Pautsch/Gregor Schöllgen/Hermann Wentker/Andreas Wirsching (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015); Bundesministerium des Innern unter Mitwirkung des Bundesarchivs (eds.), Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90, bearb. von Hanns Jürgen Küsters/Daniel Hofmann (= Dokumente zur Deutschlandpolitik; München: Oldenbourg, 1998). 5 Walther L. Bernecker, España y Alemania en dos momentos decisivos de sus historias: la transición española y la reunificación alemana, in: Iberoamericana VII, 26 (2007), 153–165, v. a. 158–165; Matthieu Trouvé, Le gouvernement espagnol face à la chute du Mur de Berlin, in: Michèle Weinachter (ed.), L’est et l’ouest face à la chute du mur. Question de perspective (Cergy-Pontoise Cedex: Cirac, 2013), 99–109.

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I.

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Die Vorgeschichte: strukturelle und persönliche Konstellationen

Die zentralen Erklärungsfaktoren für die uneingeschränkte Unterstützung des Bundeskanzlers durch Felipe González liegen einerseits in strukturellen, andererseits in persönlichen Konstellationen, die weit in die Zeit vor 1989 zurückreichen. Zu den langfristigen strukturellen Ermöglichungsfaktoren der politischen Freundschaft zählt das Fehlen traumatisierender Konflikte in der Geschichte der deutsch-spanischen Beziehungen. So gehört es seit langem zur Routine bilateraler Gipfeltreffen, dass sich die Staatsoberhäupter wechselseitig daran erinnern, wie konfliktfrei das Verhältnis immer war, was schon durch den simplen Umstand bedingt ist, dass Spanien und Deutschland nicht direkt aneinander grenzen, was ihnen die üblichen territorialen Auseinandersetzungen zwischen Nachbarländern ersparte.6 Hingegen verband beide Länder die Herrschaft des gemeinsamen Kaisers bzw. Königs Karl V. sowie immer wieder der gemeinsame Gegner: Frankreich. Letzteres war für die langfristige Ausprägung eines Wissens von übereinstimmenden Interessen nicht unwesentlich, wird allerdings in aktuellen Begegnungen auf hoher politischer Ebene ebenso verschwiegen wie die Kooperation beider Staaten in der Zeit des europäischen Faschismus. In der Nachkriegszeit war diese Kooperation zunächst ein Handikap, war doch die Hilfe Hitlers bei der Errichtung der Franco-Diktatur die zentrale Legitimation der diplomatischen Isolierung Spaniens nach 1945, womit die spanische Diktatur in die Knie gezwungen werden sollte – wohlweislich ohne militärisches Eingreifen. In dieser Zeit profitierte Spanien insofern von der politischen Ohnmacht Deutschlands, als es sich kurzerhand die Räumlichkeiten und Territorien der deutschen Kulturinstitutionen – darunter die der Botschaft und der deutschen Schulen – aneignete. Bis diese Enteignungen 1958 in eine einvernehmliche rechtliche Lösung überführt wurden, blieben die Nachkriegsbeziehungen beider Länder von dieser Rechtsproblematik überschattet. So konfliktfrei, wie immer wieder beschworen, waren die Beziehungen letztlich nicht. Zugute kam jedoch beiden Ländern – und damit auch dem bilateralen Verhältnis – die Entwicklung des Ost-West-Konfliktes. Schließlich stand schon der strategische Wert beider Territorien für das westliche Verteidigungsbündnis außer Frage. Doch während der Bundesrepublik mit der Aufnahme in den Marshallplan, die EWG und die NATO die vollständige Westintegration gelang, blieb der franquistischen Diktatur wegen der Vorbehalte der Benelux-Länder und der nordischen Staaten dieser Weg verwehrt. Anstelle der NATO -Mitgliedschaft wurde Spanien über ein separates Militärabkommen mit den USA 1953 indirekt an den Westen angegliedert, und anstelle einer westlichen Wirtschaftsintegration setzte 6 Zu den deutsch-spanischen Beziehungen während der Nachkriegszeit sowie ihrer Vorgeschichte und ihren Rahmenbedingungen siehe Birgit Aschmann, „Treue Freunde…?“ Westdeutschland und Spanien (Stuttgart: Steiner, 1999).

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Franco zunächst auf Autarkie. Nachdem dieses Modell in eine Sackgasse geführt hatte, erhielt der Anschluss an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft die höchste Priorität in der spanischen Politik.7 Anfang der 1950er-Jahre hatte die spanische Regierung die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) noch skeptisch-zurück­ haltend verfolgt, zumal sie keineswegs von deren Erfolg überzeugt war. Als sich aber diejenigen westeuropäischen Staaten (in welche rund 70 Prozent der spanischen Exporte gingen) 1957 zur EWG zusammenschlossen, ließ das die Politiker im Moncloa-Palast nicht ruhen. Zu sehr waren nun handfeste materielle Nachteile durch die Abkoppelung von jenem Wirtschaftsraum zu befürchten, in dem sich ein enormer wirtschaftlicher Aufschwung vollzog. Doch die Annäherung an die EWG blieb wegen der besagten politischen Vorbehalte einiger europäischer Regierungen gegenüber der franquistischen Diktatur überaus problematisch. Von umso stärkerem Gewicht war der Umstand, dass sich Spanien auf einen Kooperationspartner immer verlassen konnte: die Bundesrepublik.8 Schon die Assoziierung Spaniens mit der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) 1958 wäre ohne die Hilfe der Bonner Regierung kaum möglich gewesen. Schon zwei Jahre zuvor hatten die deutschen Vertreter für eine Vollmitgliedschaft Spaniens in der OEEC votiert, die – nicht zuletzt dank der beharrlichen deutschen Unterstützung – 1959 schließlich doch möglich war. Anders als andere europäische Länder sahen deutsche Diplomaten keinen Anlass, „von dieser Linie aus politischen Gründen abzugehen“.9 Entsprechend setzte die Bundesregierung ihre Hilfe bei der Anbindung Spaniens an die europäischen Institutionen konsequent fort. Das Auswärtige Amt empfahl im Januar 1962 schließlich, um „Spanien künftig noch enger an die freie Welt zu binden“, den Anschluss Spaniens an die EWG.10 Keine drei Wochen später bat die spanische Regierung offiziell beim Präsidenten des EWG -Ministerrats um die Aufnahme von Verhandlungen, die zunächst zur Assoziation, jedoch „zu gegebener Zeit zur vollen Integration“ führen sollten.11 Auch wenn sich in den 1960er-Jahren die Regierung de Gaulle für die EuropaIntegration Spaniens engagierte, so unterschied sich die französische Unterstützung schon insofern von der deutschen, als sie weit weniger verlässlich war.12 7 Vgl. Maria Teresa La Porte, La política europea del régimen de Franco 1957–1962 (Pamplona: Eunsa, 1992). 8 Vgl. Birgit Aschmann, The Reliable Ally: Germany Supports Spain’s European Integration Efforts, 1957–67, in: Journal of European Integration History 7 (2001) 1, 37–51. 9 Schreiben von Dr. Heise an die Vertretung der Bundesrepublik beim Europäischen Wirtschaftsrat (OEEC), 21.9.1956, in: Bundesarchiv (BArch) B 146/734. 10 Jansen, Abteilung 2, Auswärtiges Amt, Bonn, 22.1.1962, betr.: Erste Überlegungen über politische und wirtschaftliche Aspekte eines Anschlusses Spaniens an die EWG , in: Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA) Ref. 206/167. 11 Das Schreiben vom Februar 1962 ist in Übersetzung abgelegt, PA AA Ref. 206/167. 12 Vgl. Birgit Aschmann, Partner in der Protektion: Die deutsch-französische Kooperation zugunsten einer EWG -Integration Spaniens in den 60er Jahren, in: Historische Mitteilungen 12 (1999) 2, 262–274.

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Dies zeigte sich insbesondere nach dem Übergang Spaniens zur Demokratie, als sich die französische (und italienische) Regierung nun wegen der drohenden Konkurrenz Spaniens auf dem Agrarmarkt einer zügigen Integration des Landes in die EG widersetzten. Erneut bedurfte es jetzt der Hilfe der Bundesregierung, die sich vehement für das Europaprojekt Spaniens einsetzte, bis die volle Integration im Januar 1986 Wirklichkeit wurde. Die zuverlässige Förderung der spanischen Europapolitik gehört zu den mittelfristig wirksamen strukturellen Ursachen der Unterstützung der Deutschlandpolitik Kohls, handelte es sich doch schon in den 1950er-Jahren um ein unausgesprochenes do-ut-des-Geschäft, welches die spanische Europapolitik mit der Deutschlandpolitik Bonns verknüpfte: So wie sich die Bundesrepublik für die Integration Spaniens in den westeuropäischen Wirtschaftsverband stark machte, so setzte sich die spanische Regierung für die Deutschlandpolitik der Bundesrepublik ein. Dies wurde in den 1960er-Jahren umso wichtiger, als im Zuge des internationalen Entspannungsprozesses die Teilung Deutschlands immer mehr als gegeben hingenommen und der Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik in Frage gestellt wurde. Der christlich-demokratisch geführten Bundesregierung war es daher ein besonderes Anliegen, Alliierte für ihren Rechtsstandpunkt zu gewinnen. Dass Spanien bereitwillig der Bitte der Bundesregierung entsprach, „in internationalen Organisationen unseren politischen Standpunkt in der Frage der Nichtanerkennung der sogenannten DDR zu unterstützen“,13 wussten die Bonner Diplomaten zu schätzen. Tatsächlich gehörte die deutsche Frage zum Standardrepertoire spanischer Redner in Gremien der Vereinten Nationen seit der Aufnahme Spaniens in die UNO im Jahr 1955. Noch als Außenminister Gerhard Schröder (CDU) im März 1966 Spanien bereiste, beteuerte er, „daß Spanien ein wichtiges Mitglied der europäischen Völkerfamilie ist, dessen Mitarbeit bei der Lösung europäischer Probleme wünschenswert“ sei  – um sich seinerseits vom spanischen Außenminister Fernando María de Castiella versichern zu lassen, „daß Deutschland seine Rolle in Europa erst dann voll werde erfüllen können, wenn die deutsche Einheit in Frieden und Freiheit wiederhergestellt sei“. Diese Lösung der deutschen Frage sei „wesentlich für die Beseitigung der Spannungen in Europa und der Welt“.14 Für den spanischen Außenminister stand außer Frage, „daß die deutsche Wiedervereinigung nur auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts herbeigeführt werden kann und daß die Bundesregierung als die einzige rechtmäßig gebildete deutsche Regierung allein befugt ist, für das ganze deutsche Volk zu 13 Vgl. Schreiben von Zapp, Ref. 214, 11.7.1956, PA AA Abt. 2, Ref. 200/8. Ebenso Instruktionen für Botschafter von Welck, 1958, Aufzeichnung über Spanien und die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Spanien, PA AA Ref. 206/163. 14 Gemeinsames Kommuniqué, in: PA AA I A 4/391. Auch in der Tischrede Schröders kommt die deutsche Dankbarkeit für das spanische Engagement gegen die DDR ausreichend zur Sprache. Vgl. Entwurf der Tischrede als Antwort auf die Rede des spanischen Außenministers, PA AA I A 4/391.

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sprechen“.15 Dabei war den Vertretern der Bundesregierung die spanische Unterstützung schon deshalb recht, weil sie mit der Einflussnahme Madrids auf die arabischen und lateinamerikanischen Länder rechnete, deren Votum in der UNO schon wegen der großen Zahl der Stimmen als wichtig galt.16 Dem deutschen Botschafter wurde der Nachdruck, mit dem die Bundesregierung diese Loyalität einforderte, allmählich lästig. Kaum eine Woche vergehe, so klagte Botschafter Helmut Allardt im Mai 1965, „ohne daß die Botschaft dem spanischen Außenministerium eine Bitte der Bundesregierung vortragen muß, sich bei internationalen Organisationen gegen die Zulassung der SBZ auszusprechen“. Zugleich aber verginge kaum ein Tag, „ohne daß die spanische Presse auf die Unzumutbarkeit der deutschen Teilung hinweist“.17 Je mehr die Relevanz der Deutschlandthematik international abnahm, desto intensiver baten die Deutschen ihre spanischen Freunde, für sie Position zu beziehen: Für das deutsche Volk, so betonte Außenminister Schröder 1966, sei es angesichts der deutschen Teilung „wichtiger […] als je, Freunde, große, treue, zuverlässige Freunde zu haben“.18 Dass sich diese Freundschaft 23 Jahr später als so zuverlässig erweisen sollte, lag an der durch Wiederholung erfolgten Besiegelung des do-ut-des-Verhält­ nisses in den 1970er- und 1980er-Jahren. Von entscheidender Bedeutung war dabei die persönliche Beziehung, die sich vor, während und nach der spanischen „Transition“ zwischen dem Vorsitzenden der spanischen Sozialisten (PSOE) und zwei deutschen Bundeskanzlern entwickelte. Der Umstand, dass Felipe Gonzá­ lez, der von 1982 bis 1996 Ministerpräsident Spaniens war, sowohl mit Willy Brandt als auch mit Helmut Kohl ein – weit über das übliche Maß unter „politischen Freunden“ hinausgehendes – aufrichtiges Freundschaftsverhältnis pflegte, erwies sich 1989/90 als Glücksfall.19 So verband diese sonst so unterschiedlichen Politiker Brandt und Kohl zum einen das unumwundene Eintreten für die deutsche Wiedervereinigung, zum anderen der gemeinsame Freund Felipe. Dass sich dieser nun seinerseits rückhaltlos für die deutsche Wiedervereinigung einsetzte, dürfte neben der jahrhundertealten Freundschaft der Staaten und der institutionellen Gegenleistung für die Unterstützung der s­ panischen Europapolitik vor allem in der persönlichen Dankbarkeit von Felipe ­González seine Wurzeln haben. 15 Ibd. 16 Vgl. u. a. Instruktionen für Botschafter von Welck, 1958, PAAA Ref. 206/163. 17 Schreiben von Botschafter Allardt an das Auswärtige Amt, 29.5.1965, betr.: Zeigen der Flagge der spanischen Republik bei Maifeier in Berlin, PA AA I A 4/318. 18 Vgl. Fernschreiben der Botschaft Madrid, 29.3.1966, PA AA I A 4/391. 19 Zur Freundschaft in der Politik vgl. Rafael Biermann, Zur Bedeutung freundschaftlicher Verbundenheit in der Politik. Eine Annäherung am Beispiel des deutschen Einigungsprozesses, in: Birgit Aschmann (ed.), Gefühl und Kalkül. Der Einfluss von Emotionen auf die Politik des 19. und 20. Jahrhunderts (Stuttgart: Steiner, 2005), 197–230. Siehe auch John von Heyking, Friendship as Precondition and Consequence of Creativity in Politics, in: John von Heyking/Thomas Heilke (eds.), The Primacy of Persons in Politics: Empiricism and Political Philosophy (Washington, DC: Catholic University Press of America, 2013), 79–106.

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Weder der kometenhafte Aufstieg des jungen Arbeiteranwalts zum Ministerpräsidenten noch derjenige des Partido Socialista Obrero Español (PSOE) zur langjährigen Regierungspartei wären ohne die massive Unterstützung aus der Bundesrepublik möglich gewesen.20 In den 1970er-Jahren hatten die innerspanischen Spannungen derart zugenommen, dass sich aus der Perspektive der sozialliberalen Bundesregierung verschiedene Schreckensszenarien für die Zeit nach Francos absehbarem Tod abzeichneten. Dazu zählte einmal die Eskalation von Gewalt bis hin zum Bürgerkrieg, was schon wegen des erstaunlich langlebigen Glaubens an eine charakterliche Disposition „des Spaniers“ zu Konflikt und Anarchie seit den 1950erJahren als Menetekel über der Iberischen Halbinsel zu schweben schien. Diese Furcht erhielt Nahrung durch die Entwicklung in Portugal, wo nach der Nelkenrevolution im April 1974 mehr und mehr die Kommunisten die Oberhand zu gewinnen schienen. Eine kommunistische Ausrichtung Spaniens war neben den Bürgerkriegsbefürchtungen das zweite Schreckensszenario der SPD/FDP-Bundesregierung  – die sich darin nicht von ihren christlich-demokratischen Vorgängerinnen unterschied. Der Schlüssel zur Zukunft, so bestätigte der designierte König Juan Carlos dem deutschen Botschafter in Spanien, liege bei der linken Opposition, das heißt, bei der PSOE .21 In dieser Situation suchte die Bundesregierung geradezu fieberhaft nach Persönlichkeiten, denen zuzutrauen war, durch eine Politik des Ausgleichs sowohl den Bürgerkrieg zu verhindern als auch dem Vordringen des Kommunismus auf der Iberischen Halbinsel einen Riegel vorzuschieben. Als Person, die eine breite Integration spanischer Gesellschaftsgruppen garantieren könnte, galt bald Juan Carlos, der von Franco als Nachfolger an der Spitze des Staates vorgesehen worden war, aber längst in Gesprächen mit Vertretern der Bundesregierung seine Entschlossenheit zur Demokratisierung des Landes bekräftigt hatte. Wer aber auf dem linken politischen Spektrum den Kommunisten das Wasser abgraben könnte, schien unklar, da sich die bekannteren spanischen Sozialisten nicht hinreichend vom Kommunismus abgegrenzt hatten. In dieser Situation lernte Willy Brandt 1974 in Lissabon jenen 32-jährigen Sozialisten kennen, der gerade Generalsekretär der PSOE geworden war. Felipe González war die Figur, die die Bundesregierung suchte. Er war jung, somit nicht durch den Bürgerkrieg belastet. Zudem war er charismatisch, wodurch er Anhänger gewinnen konnte, und er war nicht zuletzt flexibel. So ließ sich der vormals überzeugte Republikaner für die Kooperation mit dem Monarchen gewinnen. Sodann konnte ihm das Erfolgsmodell der SPD als Vorbild näher gebracht werden. Dass Felipe sich bereit erklärte, in dem – wie er sagte – „­ entscheidenden politischen Kampf nach Francos Tod“, nämlich dem „zwischen Sozialisten und 20 Vgl. v. a. Antonio Muñoz Sánchez, El amigo alemán. El SPD y PSOE de la dictadura a la democracia (Barcelona: RBA Libros, 2012). 21 Georg von Lilienfeld, Botschaft Madrid an das Auswärtige Amt, 18.8.1976, PA AA Zwischenarchiv 110259.

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Kommunisten“,22 anzutreten, nahm die deutschen Gesprächspartner vollends für ihn ein. Enorme Summen brachte vor allem die Friedrich-Ebert-Stiftung auf, um einerseits diesen Kandidaten zu unterstützen und andererseits die spanischen Sozialisten mit den Demokratievorstellungen der SPD vertraut zu machen.23 Diese „Westernisierung“24 der PSOE gipfelte darin, dass sich die Partei schließlich offiziell von ihrem früheren marxistischen Gedankengut verabschiedete und auf diese Weise ihr „spanisches Bad Godesberg“25 vollzog. All dies bahnte der PSOE den Weg zum fulminanten Wahlsieg 1982 und führte gleichzeitig dazu, die Anhängerschaft der Kommunistischen Partei auszutrocknen. Der vormals im linken Parteienspektrum dominierende Partido Comunista Español (PCE) spielte nun eine marginale Rolle, während die früher unbedeutende PSOE nun die Politik gestaltete. Schon 1977, bei den ersten demokratischen Wahlen der postfranquistischen Zeit, war der PSOE mit 30 Prozent der Stimmen zur größten Oppositionspartei geworden, während der PCE mit 9,4 Prozent weit abgeschlagen war.26 Das Fundament dieser Erfolgsgeschichte war dabei die dauerhafte Freundschaft zwischen Felipe González und Willy Brandt. Diese emotionale Bindung zwischen den Amtsträgern und Persönlichkeiten ließ sich ungeachtet der parteipolitischen Divergenzen nahezu bruchlos auf Helmut Kohl übertragen, der seinen „Freund Felipe“ gelegentlich damit aufzog, wie ein so kluger Mann ein Sozialist sein könne. Es ist dieses dreifach – nämlich historisch, institutionell und persönlich  – gesicherte Freundschaftsband, welches erklärt, warum der spanische Ministerpräsident 1989/90 so uneingeschränkt bereit war, die Bundesrepublik bei der Gestaltung der Wiedervereinigung zu unterstützen.

22 Vgl. Antonio Muñoz Sánchez, La Fundación Ebert y el socialismo español de la dictadura a la democracia, in: Cuadernos de Historia Contemporánea 29 (2007), 257–278, 272. 23 Vgl. Antonio Muñoz Sánchez, Von der Franco-Diktatur zur Demokratie. Die Tätigkeit der Friedrich-Ebert-Stiftung in Spanien (Bonn: Dietz, 2013); id., The Friedrich Ebert Foundation and the Spanish Socialists during the Transition to Democracy, 1975–1982, in: Contemporary European History 25 (1996) 1, 143–162. 24 Zum Konzept der „Westernisierung“ bzw. der Anwendung auf die SPD vgl. Julia Angster, Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie. Die Westernisierung von SPD und DGB (München: Oldenbourg, 2003); Anselm Doering-Manteuffel, Westernisierung. Politisch-ideeller und gesellschaftlicher Wandel in der Bundesrepublik bis zum Ende der 60er Jahre, in: Axel Schild/Detlef Siegfried/Karl Christian Lammers (eds.), Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften (Hamburg: Christians, 22003), ­311–341. 25 Vgl. Ramón Cotarelo, The International Dimension and the Spanish Party System, in: Gerhard Mangott/Harald Waldrauch/Stephen Day (eds.), Democratic Consolidation  – The International Dimension: Hungary, Poland and Spain (Baden-Baden: Nomos, 2000), 215–222, 218. 26 Vgl. Cristina Palomares, New Political Mentalities in the Tardofranquismo, in: Nigel Townson (ed.), Spain Transformed. The Late Franco Dictatorship, 1959–1975 (Basingstoke/ New York: Palgrave Macmillan, 2007), 118–139, 134.

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II.

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Die Relevanz Spaniens im Einigungsprozess

Die Bedeutung Spaniens hatte sich schon vor dem Mauerfall abgezeichnet. Als Helmut Kohl und Michail Gorbatschow am 12. Juni 1989 im Bonner Kanzleramt zusammenkamen, um über „die ‚Gesundung‘ der internationalen Beziehungen“27 zu reden, kam die Rede auch auf Felipe González. Kohl wies darauf hin, dass Gorbatschow seit dem Oktober Gelegenheit gehabt habe, mit anderen Kollegen zu sprechen – namentlich erwähnte er jedoch nur den spanischen Ministerpräsidenten, mit dem er selbst erst vor wenigen Stunden telefoniert habe und dessen Grüße er jetzt gerne ausrichte. González war jetzt wichtig als Gewährsmann der Möglichkeit, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten, auch wenn man verschiedenen politischen Lagern angehöre: „González“, so Kohl, sei „Vizepräsi­ dent der Sozialistischen Internationale und dennoch ein Freund von ihm“.28 Unmittelbar nach der Abreise Gorbatschows setzte Kohl drei Personen über den Inhalt der Gespräche mit seinem Gast in Kenntnis: George H. W. Bush, Margaret Thatcher und Felipe González.29 Auch wenn González schon wegen der spanischen Ratspräsidentschaft der EG, die im Juni 1989 endete, informiert worden sein dürfte, ist es doch erstens bezeichnend, dass der französische Präsident Mitterrand erst eine Woche später am Rande einer Begegnung in Paris ins Bild gesetzt wurde.30 Zweitens ist bemerkenswert, dass Telefonate mehrfach in dem Gespräch bzw. den Erinnerungen von Kohl erwähnt werden, nicht aber in den Akten überliefert sind. Offen­bar wurden diese Ferngespräche mit dem spanischen Freund nicht im Bundeskanzleramt registriert. Auch der Anruf von González unmittelbar nach dem Mauerfall, in dem er Kohl so überschwänglich gratulierte, lässt sich nicht rekonstruieren. Das legt nahe zu vermuten, dass es womöglich mit weiteren Gesprächen ähnlich gewesen ist. Zumindest ist es dadurch schwierig, aus der veröffentlichten Aktenlage heraus die Intensität der Kontakte zu ermitteln. Würden beispielsweise ausschließlich die in der Edition der Dokumente zur Deutschlandpolitik aufgelisteten Schriftstücke herangezogen, um auf die Intensität der bilateralen Beziehung rückzuschließen, wäre das Ergebnis recht ernüchternd: Im gesamten Band, in welchem Dokumente zur Deutschen Einheit von Ende Mai 1989 bis Ende September 1990 zusammengestellt wurden, wird im Titel eines Dokumentes nur ein einziges Mal der Name des spanischen Ministerpräsidenten erwähnt.31 Ebenso lange muss man suchen, bis man in der Aktenedition des Aus27 Gespräch des Bundeskanzlers Kohl mit Generalsekretär Gorbatschow, Bonn 12. Juni 1989, abgedruckt in: Dokumente zur Deutschlandpolitik, 276–287, 280. 28 Ibd., 285. 29 Telefonat von Kohl mit González am 15.6.1989, in: Dokumente zur Deutschland­politik, 303–304. 30 Vgl. Kohl, Vom Mauerfall, 33–34. 31 Dabei handelt es sich um das oben erwähnte Telefonat vom 15. Juni 1989.

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wärtigen Amtes zur „Einheit“ auf der viertletzten Seite das einzige Dokument findet, in welchem – auch eher beiläufig – der Name González fällt.32 Die wahre Bedeutung Spaniens für den deutschen Einigungsprozess geht aus diesen Akten entweder nicht hervor oder sie muss gegen null tendiert haben. Letzteres hielt der spanische Diplomat Eduardo Foncillas für durchaus richtig.33 In einem Interview im Jahr 1991 erklärte der seinerzeitige spanische Botschafter in Bonn, dass die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Spanien während der Wiedervereinigung von nachgeordneter Bedeutung gewesen seien. Als Beleg für diese These galt ihm der Umstand, dass damals kaum spanische Minister nach Deutschland, sehr wohl aber in andere europäische Länder reisten. Auch sei er in der „heißen“ Phase der Wiedervereinigung nicht ein einziges Mal vom spanischen Außenminister um seine Ansichten gebeten worden.34 Die „deutsche Frage“ sei in Spanien ein weitgehend unbekanntes Problem gewesen. Von der offensichtlichen Marginalität der deutsch-spanischen Beziehungen in dieser entscheidenden Phase der deutschen Politik zeugen auch biographische Werke über Felipe González. In den Passagen über die Jahre 1989/90 fehlen jegliche Bezüge auf die deutsche Einheit.35 Doch diese Leerstelle steht in eklatantem Kontrast nicht nur zur Berichterstattung in der spanischen Presse, sondern auch zur Darstellung eines Mitarbeiters aus dem spanischen Außenministerium, der bekräftigte, dass die deutsche Frage von importancia prioritaria gewesen sei.36 Allerdings waren die Mitarbeiter des Außenministeriums schon deshalb weniger mit der Angelegenheit beschäftigt, weil der Ministerpräsident sie zur Chefsache erklärt hatte. Moncloa, also die Regierung, gab die Richtung vor.37 Das entspricht zumindest der Position von Felipe González, der in Interviews immer wieder die Bedeutung der damaligen Zeit hervorgehoben hat. Auch die immer wieder artikulierte Dankbarkeit von Kohl über die spanische Unterstützung wirft ein anderes Licht auf die Relevanz der Beziehungen. Dass diese sich nicht in dem Kontakt zweier Persönlichkeiten erschöpfte, ist durch die Tatsache belegt, dass sich die Außenminister beider Länder ebenfalls seit dieser Zeit eng verbunden waren. Als Francisco Fernández Ordóñez später von seiner schweren Krankheit gezeichnet war, ließ es sich Hans-Dietrich Genscher nicht nehmen, sich persönlich bei seinem „Freund Ordóñez“38 nach dessen Zustand zu erkundigen. „Ihm und Felipe

32 Vgl. Dok. 170: Ortez des Referatsleiters 012, Reinhard Bettzuege, 26.11.1990, betr. KSZE Treffen der Staats- und Regierungschefs vom 19. bis 21. November 1990 in Paris; in: Die Einheit, 765. 33 Bernecker, España y Alemania, 159. 34 Ibd. 35 Josep Sánchez Cervelló/Iván Tubau, Felipe González Márquez (Barcelona: Edition B, 2004), 99–108. 36 Bernecker, España y Alemania, 159. 37 Ibd. 38 Hans-Dietrich Genscher, Erinnerungen (Berlin: Siedler, 1995), 371.

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González“, so schrieb Hans-Dietrich Genscher in seinen Memoiren, „werde ich ihr Eintreten für die deutsche Einheit niemals vergessen“.39 Allerdings hatte der Botschafter insoweit nicht Unrecht, als im Jahr 1989/90 weniger die bilateralen Beziehungen als vielmehr González’ Engagement in internationalen Gremien im Vordergrund stand. Hier setzte er sich vehement zugunsten der deutschen Einigungspolitik ein. So schon am 8./9. Dezember 1989, als in Straßburg die zwölf Regierungs­ chefs der EG zusammenkamen, die sich durch das nur wenige Tage zuvor ver­ öffentlichte Zehn-Punkte-Programm der Bundesregierung mehrheitlich vor den Kopf gestoßen fühlten. Retrospektiv konnte sich Kohl an keine andere Sitzung seiner Amtszeit erinnern, die in „einer so angespannten und unfreundlichen Atmosphäre“40 verlaufen sei. Margaret Thatcher agierte nachgerade aggressiv. „Alte Freunde“, klagte Kohl, „waren plötzlich keine mehr“. Giulio Andreotti warnte vor einem neuen „Pangermanismus“, und das vormals freundschaftliche Verhältnis Kohls zum niederländischen Ministerpräsidenten Ruud Lubbers erkaltete abrupt nach dessen Ablehnung der deutschen Pläne. Umso dankbarer war Kohl für die vermittelnde Rolle Felipe González’. Nur er und sein irischer Amtskollege hatten sich „ohne Wenn und Aber für die Wiedervereinigung“ ausgesprochen.41 Als sich die Staats- und Regierungschefs der EU am 28. April 1990 erneut in Dublin, diesmal zu einem Sondergipfel, trafen, erfuhr die Bundesregierung erneut Unterstützung vor allem vom irischen Gastgeber und dem spanischen Ministerpräsidenten. Nicht zuletzt ihrem Einsatz war es geschuldet, dass der Europäische Rat am Ende erklärte: „Die Gemeinschaft begrüßt die Vereinigung Deutschlands wärmstens.“42 Dass Felipe González als „ein wirklicher Anwalt für die deutsche Einheit“ gewirkt habe, werde er, beteuerte Kohl, „nie vergessen“.43 Hilfreich dürfte dabei gewesen sein, dass es im März 1990 gleich zwei deutschspanische Begegnungen gegeben hatte, in deren Rahmen die Staatsmänner ihre Politik hatten koordinieren können. Am 2. März war Genscher nach Madrid gereist, um den spanischen Außenminister und González selbst über den Fortgang des Einigungsprozesses auf dem Laufenden zu halten, und zwei Tage nach der ersten freien und zugleich letzten Volkskammer-Wahl in der DDR am 18. März 1990 war der spanische Ministerpräsident nach Bonn gefahren. Offenbar standen die Regierungschefs beider Länder in so engem Kontakt, dass es der Informationen des spanischen Botschafters erst gar nicht bedurfte. Diese Synchronisation der Interessen führte schließlich dazu, dass González erklärte, dass zu den „Säulen“, auf welchen Europa errichtet werden müsse, nicht nur der einheitliche

39 Ibd. 40 Kohl, Vom Mauerfall, 135; ähnlich vgl. Kohl, „Ich wollte Deutschlands Einheit“, 195. 41 Kohl, „Ich wollte Deutschlands Einheit“, 197. 42 Vgl., Kohl, Vom Mauerfall, 244–245. 43 Ibd., 138–139.

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Markt, eine gemeinsame Politik und eine einheitliche Währung gehören, sondern auch die deutsche Einheit.44 Derart, wie sich Felipe González die deutsche Sache zu eigen gemacht hatte, ist es nicht verwunderlich, dass er es sich nicht nehmen ließ, noch am 3. ­Oktober 1990 zu später Stunde bei Helmut Kohl anzurufen, um persönlich zu gratulieren.45 Diese stete Hervorhebung des spanischen Ministerpräsidenten als „mein Freund Felipe González“46 in den Erinnerungen Kohls ist Ausdruck der Dankbarkeit und zeugt zugleich vom Ausnahmecharakter dieser politischen Beziehung. Die Relevanz des persönlichen Faktors tritt dabei umso deutlicher zu Tage, je mehr die Staatsräson Spaniens in den Blick genommen wird, die eine sehr viel skeptischere Haltung hätte erwarten lassen können.

III. Widerstrebende Interessen Spaniens Im März 1990 hatte Felipe González in der spanischen Tageszeitung El País beteuert, die Spanier hätten mit der deutschen Einheit „nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen“.47 Fraglich war, ob die Regierung nicht doch mit Verlusten rechnen musste. So wurden tatsächlich in der Öffentlichkeit, in Presse und Zeitschriften Vorbehalte gegen den deutschen Einigungsprozess formuliert, die sich in der obersten politischen Ebene nicht widerspiegelten. So schrieb El País schon am 10. November 1989 nicht nur von „Hoffnungen“, sondern auch von „schweren Risiken“.48 Anders als die unmittelbaren Nachbarstaaten Deutschlands befürchteten die spanischen Politiker nicht ein Wiedererstarken Deutschlands, was auch daran gelegen haben dürfte, dass sie sich von einem noch stärkeren Partner eher Vorals Nachteile versprechen konnten. Außerdem wurde durchaus vorausgesehen, dass die deutsche Wirtschaft durch die Integration des maroden Ostens zunächst­ geschwächt werden würde.49 Vielmehr kreisten die Sorgen um mögliche Folgen der Wiedervereinigung für Europa50 und dessen Beziehung zu Spanien sowie um die Auswirkungen auf die internationale Ordnung. 44 Vgl. Anuario El País 1990, 360, zitiert bei Bernecker, España y Alemania, 160. 45 Kohl, Vom Mauerfall, 407. 46 In der spanischen Presse wurde die geradezu liebevolle Anrede des spanischen Ministerpräsidenten mit „Philip“ (sic!) durch den Bundeskanzler explizit hervorgehoben, vgl. El País, 2. Mai 1991. 47 Vgl. Ignacio Cembrero, González, Genscher y Delors intentan apaciguar los temores que suscita la unificación alemana, in: El País, 3. März 1990. 48 Hermann Tertsch, Riesgos y esperanzas de una nueve Europa, in: El País, 10. November 1989; die Risiken wurden erneut beschworen in: El País, 11. November 1989. 49 Miguel Herrero de Miñon, Reunificación alemana e inseguidad europea, in: Revista de Occidente 112 (1990), 29–46. 50 Im Folgenden ist mit diesem Begriff in der Regel das Europa der Römischen Verträge­ gemeint.

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1.

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Die Folgen für Europa und die Position Spaniens

Entscheidend war die Frage, welche  – nachteiligen  – kurz- und langfristigen Rückwirkungen der deutsche Einigungsprozess auf die spanische Europapolitik bzw. das Verhältnis zwischen Europa und Spanien haben würde. Die immense Bedeutung der Frage nach den Folgen für Europa überrascht schon deshalb nicht, weil die Orientierung an Europa der Kern der Staatsräson der postfranquistischen Regierung gewesen war. Schon die am Ende der 1980erJahre einsetzende Flut spanischer Veröffentlichungen zur Europa-Thematik verrät, welchen Stellenwert Europa für die spanische Gesellschaft erlangt hatte.51 Dieses Gewicht ist wiederum in seinen wirklichen Ausmaßen nur dann zu verstehen, wenn man die langjährige Beschäftigung der spanischen Ausein­an­ der­setzung mit Europa in Rechnung stellt. Dabei ist zunächst die von der französischen Aufklärung angestoßene langfristige Debatte über die Zugehörigkeit Spaniens zu Europa gemeint, deren Höhepunkt um die Wende zum 20.  Jahrhundert erreicht wurde, nachdem 1898 die einstige Weltmacht die letzten großen Kolonien (Kuba, Puerto Rico und die Philippinen) im Krieg gegen die USA verloren hatte.52 In dieser problematischen Phase der Neuorientierung konkurrierten diejenigen Intellektuellen, die Spanien eine enge Anbindung an Europa empfahlen, mit denjenigen, die eine Zukunft des iberischen Landes nur in der rigorosen Abschottung erblickten.53 Mit großer Vehemenz setzte sich erst J­ oaquín Costa für eine Europäisierung Spaniens ein, danach übernahm José Ortega y Gasset, der seinerseits von Costa geprägt war, die führende Stimme im Europadiskurs. In das kollektive Gedächtnis der Spanier schrieb sich nicht zuletzt jene, später immer und immer wiederholte Phrase aus einem Vortrag O ­ rtega y Gassets aus dem Jahre 1910 ein, wonach „Spanien das Problem und Europa die Lösung“ sei.54 51 Vgl. Celestino del Arenal y José Angel Sotillo, Bibliografía sobre España y Europa, in:­ Sistema 86/87 (1998), 185–196, 185. 52 Vgl. u. a. Hans Hinterhäuser (ed.), Spanien und Europa. Stimmen zu ihrem Verhältnis von der Aufklärung bis zur Gegenwart (München: dtv, 1979). 53 Zum Rückzug und der totalen Isolierung riet nicht zuletzt der Diplomat Ángel Ganivet. Man müsse „sämtliche Türen, durch die der spanische Geist nach allen vier Himmelsrichtungen aus Spanien entwich […], mit Riegeln, Schlüsseln und Vorhangschlössern verschließen“ und das Haus nicht mehr verlassen: „Noli foras ire; in interiore Hispaniae habitat veritas“. Aus Ángel Ganivet, Idearium español (1897), in: id.., Obras completas, Band 1 (Madrid: Suárez 1923), übersetzt in: Hinterhäuser, Spanien, 226–232. Vgl. Birgit Aschmann, „Eine seltsame Ente im europäischen Teich“? Zur Bedeutung von Europa und Europabildern im spätneuzeitlichen Spanien, in: Jürgen Elvert/Jürgen Nielsen-Sikora (eds.), Leitbild Europa? Europabilder und ihre Wirkungen in der Neuzeit (Stuttgart: Steiner, 2009), 156–173. 54 Die Europäisierung, so Ortega y Gasset, sei die Voraussetzung für die Regenerierung Spaniens, nach der infolge der Kolonialverluste von 1898 eine ganze Generation spanischer Intellektueller strebte: „Regeneración es inseparable de europeización; por eso ­apenas se sintió la emoción reconstructiva, la angustia, la vergüenza y el anhelo, se pensó la idea

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Ein halbes Jahrhundert später hatte diese Sicht nachgerade hegemonialen Deutungscharakter angenommen. Jetzt begann die zweite Phase der intensiven Auseinandersetzung mit Europa, die man im Kopf behalten sollte, wenn man die spanische Europapolitik der 1980er-Jahre verstehen will. In den letzten Jahren des Franquismus wurde die Orientierung an Europa zum Leitmotiv der spanischen Gesellschaft, zur entscheidenden Integrationsklammer, welche die sonst so heterogene Gesellschaft zusammenhielt.55 Allerdings wurden auf diesen vagen Begriff „Europa“ höchst verschiedene Dinge projiziert und entsprechend divergierende Erwartungen mit einer „Annäherung an Europa“ verknüpft. Ortega selbst hatte unter Europa „Modernisierung“, „Erneuerung“ und „Demokratie“ verstanden. In dieser Tradition setzten insbesondere die Reformer, die einen schnellen Übergang zur Demokratie erhofften, auf eine Stärkung der politischen Öffnung durch die Integration in die europäischen Institutionen. Es war nicht zuletzt König Juan Carlos selbst, der am Tag der Unterzeichnung der EG -Verträge im Juni 1985 die spanische Gesellschaft auf diese Europa-Deutung fest­ legen wollte, als er bekräftigte, „was das spanische Volk unter Europa versteht: die Grundsätze von Freiheit, Gleichheit, Pluralismus und Gerechtigkeit, die auch die spanische Verfassung beseelen“.56 Mindestens ebenso stark aber motivierte ein etwas prosaischer, aber sehr überzeugender Aspekt: die Perspektive wirtschaftlicher Profite durch die Integration Spaniens in den europäischen Wirtschaftsverband. Diese Motivation hatte schon dem Assoziationsantrag mit der EG im Jahre 1962 zugrunde gelegen. Das Bild Europas als „Gemeinschaft ökonomischer Nutzenmaximierer“57 hatte die Sicht der franquistischen Politik auf den europäischen Einigungsprozess geprägt und war durch die Prosperität des europäischen Wirtschaftsraumes der Nachkriegsjahre offenbar unzweideutig bestätigt worden. Dass sich 1963 87 Prozent der Spanier in einer Meinungsumfrage für eine Integration Spaniens in ein vereintes Europa aussprachen, dürfte nicht zuletzt an der Hoffnung auf Wohlstandsteigerung gelegen haben. Dass diese Erwartungen nicht zwangsläufig mit einer Demokratieerwartung einhergingen, belegen die 30 Prozent der Stimmen, europeizadora. Regeneración es el deseo; europeización es el medio de satisfacerlo. Verdaderamente se vio claro desde un principio que España era el problema y Europa la­ solución“, vgl. José Ortega y Gasset, La pedagogía social como programa político“, in: Obras completas Band 2 (Madrid: Taurus, 2004), 102. Erstmals veröffentliche Ortega y Gasset den Text im Jahre 1910 in der Zeitschrift Europa. 55 Vgl. José Vidal-Beneyto, The Construction of Collective Memory: From Franco to Democracy, in: Diogenes 201 (2004), 17–26. Zum umfassenden europäischen Konsens in der Bevölkerung auch Paul Kennedy, Spain’s third way? The spanish socialist party’s utilization of Europe, in: Journal of southern Europe and the Balkans 3 (2001) 1, 49–59, 50–51. 56 José A. Sentís, El Rey destaca los ideales de libertad que vinculan a España y a Europa, in: ABC , 13. Juni 1985; vgl. auch Walther L. Bernecker, Zwischen Isolation und Integration. Das spanisch-europäische Verhältnis im 20. Jahrhundert, in: Michael Salewski (ed.), Nationale Identität und Europäische Einigung (Göttingen/Zürich: Muster-Schmidt, 1991), 125–168, 162. 57 Vgl. Aschmann, Spanien: „Eine seltsame Ente“, 167.

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die auf die Frage, welches Staatsoberhaupt einem vereinten Europa vorstehen sollte, Francisco Franco nannten.58 Ein drittes Motiv für die Annäherung an Europa lag in der Hoffnung, nach dem Ende der langjährigen Isolierung Spaniens dessen internationalen Status heben und wieder an Prestige gewinnen zu können. Dieses Bedürfnis war umso mächtiger, als es nicht nur auf die demonstrative Ausgrenzung aus dem Arkanbereich Europas während des Franquismus zurückgeführt werden kann, sondern mit der tiefverwurzelten nationalen Verletztheit zu tun hat, die in den Vorwürfen der französischen Aufklärer gründete. Darauf sattelte sich mit den kolonialen Verlusten ein Gefühl der Inferiorität, aus welchem sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Sehnsucht nach Regeneración speiste.59 Diese Sehnsucht war aufs engste mit den Vorstellungen einer „Europäisierung“ Spaniens verknüpft, die das Land nicht nur reformieren, sondern die Voraussetzung für internationalen Prestigegewinn bilden sollte. Daraus erklären sich die enormen Anstrengungen, die von spanischer Seite unternommen wurden, um durch mustergültiges Integrationsverhalten zu den „Vorzeigeeuropäern“ und den „Motoren der Europäisierung“60 zu werden. So war das spanische Engagement für Europa in den 1980er- und 1990er-Jahren, den „goldenen Jahren der spanischen Mitgliedschaft“,61 immer Teil eines altbekannten nationalen Projektes um die Positionierung Spaniens. Ein weiterer und letzter Aspekt konnte insbesondere die Anhänger der regionalen Nationalismen für das Europaprojekt einnehmen. So erhofften sich diese durch Europa die Möglichkeit, ihre Autonomien weiter ausbauen zu können. Basken und Katalanen setzten auf die „Sandwich-Theorie“, wonach der Nationalstaat durch den Druck der europäischen Einigung einerseits und die Zugkräfte der peripheren Nationalismen andererseits gleich zweifach in Bedrängnis gerate. Das „Europa der Regionen“ schien der autonomen Politik neuen Schwung zu verleihen.62 58 Die Infratest-Umfrage, die in Kooperation mit dem spanischen Marktforschungsin­stitut Eco Centro de Investigaciones del Mercado durchgeführt worden war, sollte ursprünglich verboten werden. Sie wurde genehmigt, als das deutsche Team drohte, andernfalls die Spanier im französischen Exil zu befragen. Der Verdacht, die Ergebnisse könnten manipuliert worden sein, lässt sich durch die Gleichgültigkeit der Spanier gegenüber der für den Franquismus so wichtigen konfessionellen Frage ein Stück weit relativieren. Die Ergebnisse der Umfrage wurden im WDR veröffentlicht. Vgl. Schreiben von Botschafter Allardt an das Auswärtige Amt, 16.11.1963, PA AA Ref. 206/180; vgl. Aschmann, Spanien: „Eine seltsame Ente“, 170. 59 Ibd., 161–162. 60 Heinz Kluss, „Mehr Europa“ – eine Bilanz der spanischen Ratspräsidentschaft, in: Euro­ päische Sicherheit 8 (2002), 13–15, 13. 61 Adele Orosz, Mehr Europa oder mehr Spanien? Spaniens Europapolitik unter González und Aznar (Baden-Baden: Nomos, 2010), 83. 62 Vgl. dazu Klaus-Jürgen Nagel, Transcending the National/Asserting the National: How Stateless Nations like Scotland, Wales and Catalonia react to European Integration, in: Australian Journal of Politics and History 50 (2004) 1, 57–74; Joan Botella, Las Españas, en Europa, in: Revista de Occidente 229 (2000), 83–94.

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All diese verschiedenen Erwartungen – Demokratisierung, Wohlstandsmaxi­ mie­ rung, Prestigesteigerung und Stärkung der peripheren Nationalismen  – schienen potentiell durch die deutsche Einigung beeinträchtigt: nicht unmittelbar, aber durch die zu erwartenden Konsequenzen, die sich aus der deutschen Einheit ergeben könnten. Weite Teile der spanischen Gesellschaft waren davon überzeugt, dass eine Anbindung Spaniens an Europa die Demokratisierung des Landes forcieren und absichern würde. Zugleich setzten sich die spanischen Europapolitiker ihrerseits für eine Demokratisierung der EG ein. In der Publikation La Europa que queremos aus dem Jahre 1986 forderte José María Areilza, der von 1975 bis 1976 während der spanischen Transition Außenminister gewesen war, eine politische Vertiefung der EG.63 Die Anliegen dieses konservativen Reformers vertrat auch die sozialistische Regierung unter González.64 Entsprechend war es das Ziel der spanischen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 1989, die politische Zusammenarbeit der Länder zu intensivieren und die Mobilität der Bürger zu erleichtern. So gehen die Einführung der europäischen Unionsbürgerschaft und die verstärkte europäische Kooperation im Bereich der Innen-, Justiz- und Asylpolitik sowie die Konzepte der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) nicht zuletzt auf das vehemente Engagement der Spanier zurück.65 Nun stand plötzlich zu befürchten, dass die deutsche Einheit die weitere Vertiefung der europäischen Integration gefährden würde. Im September 1990 veröffentlichte der Jurist und Politiker Miguel Herrero de Miñon, einer der Väter der spanischen Verfassung von 1978, in der renommierten Zeitschrift Revista de Occidente seine Sicht auf die deutsche Einheit. Der Herausgeber der Ausgabe, die dem Thema „Die deutsche Frage im europäischen Kontext“ gewidmet war, bewertete den Beitrag von Herrero de Miñon als „artículo brillantísimo“.66 Der konservative Politiker stellte in bemerkenswerter Deutlichkeit in Frage, was die Basis der allgemeinen europäischen Akzeptanz und das Mantra der deutschen Wiedervereinigungslegitimation sei: das Junktim der deutschen und der europäischen Einigung.67 Dass die deutsche Einheit und die Einheit Europas – wie von Helmut Kohl und anderen Politikern immer wieder beschworen – zwei Seiten derselben Medaille seien, könnte sich – schrieb Herrero de Miñon – als 63 José María Areilza, La Europa que queremos (Madrid: Espasa Calpe, 1986). 64 Ángel Viñas, España y la unificación europea, in: Walther L. Bernecker/Günther Maihold (eds.), España: del consenso a la polarización. Cambios en la democracia española (Frankfurt a. M.: Vervuert, 2007), 21–44. 65 Olaf Jörgens, Zwischen Kontinuität und Wandel. Zwanzig Jahre spanische Europapolitik unter Felipe González, José María Aznar und José Luis Rodríguez Zapatero (Bonn: Bouvier 2008), 100–102. Vgl. auch Walter Haubrich, Die EG braucht eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, in: FAZ , 29. April 1991. 66 Ignacio Sotelo, Presentación, in: Revista de Occidente 112 (1990), 5–8, 7. 67 Auch der deutsche Botschafter in Madrid, Guido Brunner, hatte behauptet, dass die Veränderungen enorme Perspektiven für „Europa en general y para la Comunidad Europea en particular“ mit sich bringe, vgl. El País, 11. November 1989.

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„completa falsedad“ herausstellen. Es sei eine Strategie der „Idealisierung“, mit der der wahre Sachverhalt verschleiert und die deutsche Wiedervereinigung für die skeptischen Europäer kommensurabel gemacht werden sollte. De facto aber werde die deutsche Einheit Westeuropa aus dem Gleichgewicht bringen. Durch die zu erwartende Erweiterung der Gemeinschaft nach Osten werde die­ vormalige Homogenität des kleineren Westeuropa zugunsten eines größeren, aber sehr viel uneinheitlicheren Europas beeinträchtigt. Mit dieser Umstrukturierung Europas aber stünde die „Vertiefung“ der EG, d. h. der Prozess der politischen Integration Westeuropas, auf dem Spiel.68 Tatsächlich meinte die spanische Diplomatie zwei Jahre nach dem Mauerfall, ein nachlassendes Interesse Deutschlands an einer solchen Vertiefung der EG beklagen zu müssen.69 In einer 2008 publizierten Überblicksdarstellung über die Geschichte der spanischen Europapolitik seit 1986 kam der Autor zu dem Ergebnis, dass Spanien in den ersten Jahren der Mitgliedschaft in der Europäischen Union „entscheidende Beiträge zum gesamteuropäischen Integrationsprozess“ geleistet habe. Zugleich aber habe Spanien „hervorragend verstanden“, seine nationalstaatlichen Interessen zu bewahren und durchzusetzen.70 Dies bezog sich nicht zuletzt auf die wirtschaftlichen Vorteile, die Spanien aus der EU-Mitgliedschaft zu ziehen wusste. Doch auch diese schienen durch die Folgen der deutschen Einigung fraglich zu werden. Auf die Dimension der bilateralen Handelsströme zwischen Spanien und Deutschland bezogen sich die Bedenken gegenüber den Folgen der deutschen Wiedervereinigung weniger.71 Dass die Importe, die Spanien aus der Bundesrepublik bezog, darunter genauso wenig würden leiden müssen wie die Exporte von Südfrüchten in den deutschen Raum, lag auf der Hand. Eher war von einem Zuwachs durch die gesteigerte Nachfrage in Ostdeutschland auszugehen.72 Womöglich stand ein Rückgang der deutschen Investitionen in Spanien zu befürchten. Aber in der Liste derjenigen europäischen Staaten, die die meisten Direktinvestitionen in Spanien tätigten, rangierte die Bundesrepublik ohnehin nur auf Platz vier – hinter Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien.73 68 De Miñon, Reunificación, 33. 69 „Alemania siente algo menos de interés por la construcción europea“, Interview von Ingacio Cembrero mit dem Staatssekretär für Auswärtiges Francisco Villar, in: El País, 6. September 1991. 70 Jörgens, Zwischen Kontinuität und Wandel, 209. 71 Dies hatte so noch Walther Bernecker akzentuiert. Die spanischen Interessen an der deutschen Einigung seien „primordialmente, económico“, so Bernecker. Vgl. id., España y­ Alemania, 160. 72 Zu dem Interesse schon der DDR an den Zitrusfrüchten Spaniens vgl. Tim Haberstroh, Die DDR und das Franco-Regime. Außenpolitik zwischen Ideologie und Pragmatismus (Schkeuditz: Schkeuditzer Buchverl., 2011), 58, 100. Schon 1986 und 1988 hatten Repräsentanten Spaniens und der DDR beschlossen, die Handelskontakte zu intensivieren, vgl. El País, 7. April 1986, 16. März 1988. 1986 war der spanische Außenminister Francisco Fernando Ordóñez zum Staatsbesuch in die DDR gereist, vgl. El País, 7. April 1986, 8. April 1986. 73 Haberstroh, Die DDR und das Franco-Regime, 161.

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Bedeutsamer war die Frage, welche Folgen die mit der deutschen Einigung absehbare Integration mittel- und osteuropäischer Staaten für die innereuropä­ ischen Finanzströme haben würde. Schließlich hatten Spanien und Portugal seit dem Beginn der EG -Mitgliedschaft nicht nur Ausgleichszahlungen aus dem Brüsseler Haushalt erhalten, die helfen sollten, den industriellen Rückstand aufzuholen. Insbesondere hatten sie von dem 1975 eingerichteten Strukturfonds profitiert, der die Modernisierung von Infrastruktur und Landwirtschaft finanzieren half. Von 1986 bis 1988 hatte Madrid fast 15 Milliarden ECU74 aus dem Strukturfonds erhalten und arbeitete gemeinsam mit dem griechischen Ministerpräsidenten an einer Sicherstellung der finanziellen Interessen der EG -Südländer. So konnte Madrid eine massive Erhöhung der finanziellen Mittel des Strukturfonds durchsetzen, von denen sich Spanien Hilfe bei der Senkung seiner Arbeitslosenquote versprach, die damals – von 1985 bis 1993 – bei etwa 21 Prozent lag.75 Sollten nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes die mittel- und osteuropäischen Staaten mit ihren schwächeren Ökonomien und dem Entwicklungsrückstand der postkommunistischen Länder in die Gemeinschaft drängen, so war zu erwarten, dass die Struktur- und Kohäsionsgelder zulasten Spaniens neu verteilt werden würden.76 Tatsächlich ist in dieser Zeit ein Wandel der spanischen Politik dahingehend beobachtet worden, dass die zunächst sehr gemeinschaftsorientierte Betrachtungsweise einem stärker nationalstaatlich geprägten Denken und Handeln Platz machte. So nutzte González die Drohung, die Verhandlungen über den Maastricht-Vertrag lahmzulegen, als Mittel, um die Zusicherung weiterer Gelder aus den Struktur- und Kohäsionsfonds zu erpressen.77 Auch die Haltung Spaniens bei der Osterweiterung der EU fügt sich in dieses nationalstaatliche Deutungsmuster: So versuchten die spanischen Repräsentanten die Aufnahme der neuen Anwärter zu verzögern, um möglichst lange deren Zugang zu den europäischen Fonds zu blockieren. Doch fürchtete Spanien schon seit der deutschen Wiedervereinigung nicht nur materielle, sondern auch symbolische Verluste. Der engagierte Einsatz Spaniens zugunsten einer fortschreitenden Integration der westeuropäischen Staaten sollte nicht nur die Zugehörigkeit des Landes zum Westen illustrieren, sondern darüber hinaus Spanien aus der „internationalen Bedeutungslosigkeit“ herausholen und dessen Fähigkeit zur Übernahme einer Führungsrolle demonstrieren.78 So ging es nicht nur darum, das Gewicht Euro74 Der ECU war von 1979–1998 die europäische Rechnungseinheit und wurde mit Beginn der europäischen Währungsunion 1:1 durch den Euro ersetzt. 75 Vgl. Jörgens, Zwischen Kontinuität und Wandel, 83–84. 76 Zur Sorge, dass angesichts der Begehrlichkeiten der Tschechoslowakei, Polens und Ungarns sich schließlich auch Spanien in ein Geberland verwandeln könnte, vgl. den Artikel „Alemania siente algo menos de interés por la construcción europea“, in: El País, 6. September 1991. 77 Vgl. Jörgens, Zwischen Kontinuität und Wandel, 106–108. 78 Alicia Sorroza Blanco, Spain and the European Union, in: Contemporary Spanish Foreign Policy 7 (2014), 64–81, 77.

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pas innerhalb der Weltordnung zu stärken, sondern auch darum, dass Spanien innerhalb Europas an Bedeutung gewinnen sollte. Die spanische Regierung wollte als „one of the big ones“ zu den Entscheidungsträgern zählen.79 Auch die Geltendmachung spanischer Interessen in der Außenpolitik sollte nicht zuletzt spanische Führungsstärke demonstrieren. So hielt es sich Spanien zugute, Akzente für eine aktivere europäische Politik mit den Staaten des Nahen Ostens und vor allem mit Lateinamerika gesetzt zu haben.80 Sowohl die Vertiefung der Europäischen Union als auch die Ausrichtung auf die Europa-Lateinamerika-Achse schien mit der deutschen Wiedervereinigung in den Hintergrund zu treten. Der Aufmerksamkeitsfokus Europas drohte sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gen Osten zu verlagern. Umso nachdrücklicher versicherte González der spanischen Öffentlichkeit, die Regierung werde sicherstellen, dass die Öffnung nach Osten den Interessen Spaniens in Nordafrika und Lateinamerika nicht abträglich sein werde.81 Doch schon die wiederholten Beteuerungen verraten die Furcht, dass Spanien, welches erst unlängst aus der Isolierung heraus- und in das Herz des politischen (West-)Europa hineingefunden hatte, abermals an den Rand gedrückt werden könnte. Aus dem „isolation syndrome“82 wurde jetzt das „periphery syndrome“.83 Bereits im Dezember 1989 sah sich González gezwungen, der Befürchtung entgegenzutreten, die Entwicklung im Osten Europas könne den „carácter periférico“ Spaniens verstärken. Von einem diesbezüglichen „temor“ schrieb El País und verwies auf die symptomatische Versicherung des Ministerpräsidenten, man müsse „keinerlei Art von Angst haben“.84 Stattdessen könne sich die spanische Bevölkerung sicher sein, dass ihre Regierung zu den Entscheidungsträgern Europas und des Westens zähle: Spanien sei ungefähr so randständig wie Großbritannien.85 Womöglich erklärt diese Befürchtung zugleich die Entschlossenheit, mit der sich Felipe González das deutsche Anliegen zu eigen machte: In Anbetracht der Prozesse, die nicht mehr aufzuhalten waren, konnte er zumindest an der Seite Helmut Kohls als „Macher“ der europäischen Veränderungen auftreten. Als „Anreger und Moderator“, so berichtete die FAZ , werde González in Brüssel „gerade […] besonders geschätzt“.86 Hilfreich für das spanische Prestige­bedürfnis dürfte dabei der Umstand gewesen sein, dass Spanien plötzlich als Vorbild für die Gestaltung des Übergangs von einer Diktatur in demokratische Verhältnisse 79 80 81 82 83 84

Ibd., 69. Vgl. auch Viñas, España, 30. Sorroza Blanco, Spain, 66–67. El País, 10.12.1989. Analog auch FAZ , 29. April 1991. Sorroza Blanco, Spain, 69. Ibd., 79. „[…] y no debemos tener ahora […] ningún tipo de miedo“, vgl. El País, 10. Dezember 1989: „González no teme que Europa Oriental le reste protagonismo a España“. 85 Ibd. 86 Walter Haubrich, Die EG braucht eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, in: FAZ , 29. April 1991.

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galt.87 Der amerikanische Präsident George H. W. Bush hatte schon im Oktober 1989 verkündet, dass der friedliche Übergang Spaniens zur Demokratie „ein Beispiel für die Entwicklung in Mittel- und Osteuropa sein könnte“.88 Prompt entdeckten die Ungarn allerlei Parallelen, und die Prawda in Moskau pries die Verdienste von Juan Carlos, aber auch die von Felipe González bei der Konsolidierung der Demokratie. Bald suchten nicht nur verschiedene Staatschefs der osteuropäischen postdiktatorischen Staaten das Gespräch mit González – Kohl selbst erkundigte sich bei „seinem Freund Felipe“ nach dessen Umgang mit den ehemaligen Machthabern.89 Doch diese symbolpolitischen Gewinne reichten keineswegs, um alle Bedenken in Spanien auszuräumen, die den Folgen der deutschen Einheit galten. Im Fokus stand dabei die Sorge um Rückwirkungen auf die internationalen Machtverhältnisse. 2.

Die Folgen für die internationale Ordnung

„Warum“, so die Frage von Herrero de Miñon 1990, „verunsichert und beunruhigt die deutsche Wiedervereinigung?“ Die Antwort blieb er nicht schuldig: Er sah die Ursachen der Sorgen in der Veränderung der internationalen Ordnung.90 Während der US -Politikwissenschaftler Francis Fukuyama das „Ende der Geschichte“ durch den Siegeszug der liberalen Demokratien prognostizierte, sahen einige Spanier eine Zunahme von Konflikten voraus.91 An die Stelle des Ost-West-Konfliktes, der trotz seiner Widernatürlichkeit zumindest stabile Verhältnisse geschaffen und innerhalb des westlichen Lagers zu einer integrierenden Homogenität geführt habe, werde nun eine höchst labile Situation in „Mitteleuropa“ treten.92 Diese polyzentrische Situation werde mit der Stabilität der bipolaren Welt nicht konkurrieren können. Nach einer Rückkehr Zentral- und Osteuropas auf die politische Bühne und der zu erwartenden Ansicht, dass es einer Integration des „ganzen“ Europas bedürfe, werde sich eine Unruhezone inmitten Europas entwickeln. Gerade die Staaten zwischen 87 So suchte u. a. General Jaruzelski den Kontakt zu Juan Carlos als dem „hochgeachteten Architekten der spanischen Demokratie“, in: Volker Mauersberger, Das sanfte Harakiri. Ein Modell für die Reformer im Osten: Wie Spanien den gefahrvollen Übergang von vierzigjähriger Diktatur zur Demokratie bewältigte, in: Die Zeit, 22. Dezember 1989. 88 Ibd. 89 Vgl. Kohl, Ich wollte Deutschlands Einheit, 348–349. 90 Vgl. auch die Wahrnehmung schon unmittelbar nach Mauerfall, in: El País, 10. November 1989: „nos hallamos en el umbral de un orden internacional radicalmente nuevo“. 91 Francis Fukuyama, The End of History and the Last Man (New York: Free Press, 1992); Schon im Sommer 1989 hatte Fukuyama in der Zeitschrift The National Interest einen vielbeachteten Beitrag zum Thema „The End of History“ publiziert. Zu den spanischen Bedenken vgl. El País, 11. November 1989, wo schon „tantos riesgos“ beschworen wurden, sowie de Miñon, Reunificación, 32–35. 92 Schon im November 1989 war im El País die Bedeutung des Verlustes an Stabilität diskutiert worden, vgl. „La caída del muro“, in: El País, 10. November 1989.

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Deutschland und der Sowjetunion seien Keimherde der Spannungen. So sah der Autor – in Übereinstimmung mit schon früh in der Presse geäußerten Befürchtungen93 – die Abtrennung erst der baltischen Staaten, dann der Ukraine von der Sowjetunion kommen und sagte nationale Auseinandersetzungen voraus. Diese seien umso wahrscheinlicher, als sich die NATO in ihrer aktuellen Form schon deshalb werde verändern müssen, weil ein  – so die letztlich irrige Vermutung  – vereintes Deutschland niemals innerhalb der NATO bleiben könne. Die logische Konsequenz sei die Neutralisierung Deutschlands, der Abzug aller ausländischen Truppen und die Refiguration des atlantischen Verteidigungsbündnisses, welches die Interessen des westlichen Europas wahren müsse. Dieses könne mit dem mittel- und osteuropäischen vielleicht einen Markt, aber nicht die politischen und strategischen Interessen teilen.94 Was der Jurist Herrero de Miñon für unausweichlich hielt, die Neutralisierung Deutschlands, wollte González auf jeden Fall vermeiden. Der Ministerpräsident gab aber zugleich zu, dass dies ein „Risiko“ bleibe, welches nach Möglichkeit einzugrenzen sei.95 Mit Sorge verfolgten die Spanier insbesondere die Forderungen nach einem territorialen Neuzuschnitt der osteuropäischen Staaten. So sehr Felipe González das Selbstbestimmungsrecht der Völker als legitime Grundlage der staatlichen Neuordnung der innerdeutschen Verhältnisse hervorhob, so kritisch standen viele Spanier der Beschwörung dieser Formel gegenüber, stand doch zu befürchten, dass sich die peripheren Nationalismen innerhalb Spaniens ebenfalls auf dieses Prinzip berufen würden – diesmal nicht, um Grenzen abzubauen, sondern um sie zu errichten.96 Das Selbstbestimmungsrecht, welches den Deutschen zuzugestehen sei, könne – so beeilte sich González gleich im Dezember 1989 zu betonen – keinesfalls auf das Baskenland übertragen werden.97 Er sorgte sich darum, dass die „kleinen nationalistischen Wellen“ manch „verschollen geglaubtes Geröll […] an den großen europäischen Strand spülen“ könnten.98 So war der Blick auf den aufkommenden Nationalismus in den Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes von einer besonderen spanischen Perspektive geprägt. Nicht zuletzt der Entwicklung Jugoslawiens galten die Sorgen der spanischen Beobachter.99 Schon sahen Journalisten durch die Erfahrung von „Bruch“, „Diskontinuität“, „Unordnung“, „Chaos“ und „Angst“ im Osten die Kriegsgefahr wachsen.100 93 Vgl. El País, 11.  November 1989. Hier wurden die Folgen des Mauerfalls für Aserbeidschan, Armenien, die Ukraine und Georgien diskutiert. Die Risiken wurden mit einem „Sprung ins Ungewisse“ („un salto al vacío“) verglichen. 94 De Miñon, Reunificación, 46. 95 El País, 10. Dezember 1989. 96 Vgl. die Anspielung bei de Miñon, Reunificación, 33. 97 „El País Vasco no es Alemania“, in: El País, 10. Dezember 1989. 98 Walter Haubrich über eine zurückliegende Bemerkung González’ aus dem Vorjahr, vgl. FAZ , 24. Mai 1991. 99 El País, 11. November 1989. 100 Alle diese Begriffe fallen in der Berichterstattung über den Osten Europas, vgl. ibd.

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Die Wiedervereinigung Deutschlands wurde schnell für eine unumstößliche Tatsache gehalten. Doch die Folgen, die in der Publizistik vorausgesehen wurden, verdeutlichen, dass diese Wiedervereinigung keineswegs so eindeutig im Interesse Spaniens lag, wie der ostentative deutsch-spanische Schulterschluss der Politiker hätte vermuten lassen können. All diese Bedenken hatten jedoch keinen Einfluss auf die Haltung Felipe González’. Konsequent kam er seinem noch in der Nacht des Mauerfalls gegenüber Kohl gegebenen Versprechen nach, die deutsche Wiedervereinigung auch auf europäischer Ebene zu unterstützen. Aber auch in der breiten Öffentlichkeit hinterließen die Bedenkenträger keine sichtbaren Spuren: „Wie kaum ein anderes Volk Europas“101 hatte die spanische Bevölkerung den Mauerfall gefeiert. 73 Prozent der Spanier sprachen sich bei einer Umfrage im November 1990 für die deutsche Einheit aus.102 Diese positive Einstellung von Bevölkerung und Regierungschef angesichts einer Entwicklung, die mit den spanischen Interessen keineswegs in Einklang zu bringen war, lässt sich nur vor dem aufgezeigten Hintergrund der lang- und mittelfristigen Vorgeschichte der bilateralen Beziehungen und der persönlichen Verbundenheit der Regierungschefs verstehen. Die wohlwollende Sicht auf die Einigung spiegelt sich auch nach 25 Jahren in Presse und Öffentlichkeit. Dabei waren die bilateralen Beziehungen in der Zwischenzeit keineswegs spannungsfrei gewesen. Auch dafür war die deutsche Einigung relevant, markierte sie doch den Höhe-, aber damit auch Endpunkt gegenseitiger Verpflichtungsgefühle. Die nationalen Wünsche beider Länder, die zu erreichen sich Spanien und die Bundesrepublik wechselseitig unterstützt hatten, waren mit dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft zum einen und der deutschen Wiedervereinigung zum anderen in Erfüllung gegangen. Dadurch wurde das Jahr 1990 zu einer klaren Zäsur in den deutsch-spanischen Beziehungen. Die nachlassende Bindung wurde durch den Regierungswechsel in Spanien 1996 unterstrichen: Der neue konservative Ministerpräsident José María Aznar fühlte sich weder der Bundesrepublik gegenüber verpflichtet noch verband ihn etwas Persönliches mit Helmut Kohl. Doch auch zu Gerhard Schröder, dem Bundeskanzler in den Jahren 1998–2005, entwickelte sich kein vertrauensvolles Verhältnis. Vielmehr suchte Aznar den Schulterschluss mit Tony Blair. An die traditionellen Verbindungen der Briten in die USA anknüpfend, proklamierte Aznar nun ein „neues Europa“, welches Portugal, Italien und Großbritannien einschloss und das Erbe der Achse Paris-Berlin antreten wollte. Bei all diesen Veränderungen blieb Aznar doch insofern der Linie seines Vorgängers gegenüber treu, als auch diese Politik sich der Prestigeakkumulation verpflichtet fühlte. Populär allerdings war Aznars Politik

101 Walter Haubrich, Mehr europäisches Selbstbewusstsein, in: FAZ , 24.Mai 1991. 102 „Los Europeos ‚votan‘ por una sola Alemania“, in: El País, 19. Februar 1990. Der Artikel erschien zeitgleich in Tageszeitungen der acht europäischen Länder, die an der Umfrage teilgenommen hatten, in Deutschland exklusiv in der Frankfurter Rundschau.

Spanien und die deutsche Einheit

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nicht, weshalb sein Herausforderer José Luis Zapatero gezielt mit dem Versprechen warb, Spanien wieder an das „alte“ Europa heranzuführen.103 Wenn sich damit auch das deutsch-spanische Verhältnis besserte – an die Qualität der 1980er-Jahre kam es nie wieder heran. Der Tiefpunkt war ohne Zweifel in der jüngsten Wirtschaftskrise erreicht.104 Jetzt rächte sich, dass noch F ­ elipe González an der Konstruktion eines „Südeuropa“ mitgewirkt hatte, welches unter Einschluss Griechenlands der europäischen Hilfe bedürftig war. Spanien galt nun endgültig als Teil dieses „Südeuropas“, dessen Wirtschaftsschwäche zum zentralen Problem Europas geworden war. Schneller hätte Spaniens Selbstbild kaum abstürzen können: Aus einer der Leitnationen Europas war ein Problemstaat geworden. Wiederum war Spanien das Problem, aber Europa schien keine Lösung mehr. So wie einst die Hoffnung der Spanier ganz auf Deutschland ausgerichtet gewesen war, so entluden sich jetzt die Enttäuschung und Wut der Spanier an der deutschen Kanzlerin. Und doch ist das nicht die ganze Wahrheit: Dass die Bundesrepublik nach wie vor von hoher Anziehungskraft ist, zeigt sich in den Wanderbewegungen junger Spanier, die ihr Glück auf dem deutschen Arbeitsmarkt suchen. Und die grundlegende Sympathie für die deutsche Einigung ist – trotz der „Merkelkrise“ – ungebrochen. Das zeigt die enorme mediale Aufmerksamkeit, die dem Jubiläum der deutschen Einigung gewidmet war. Diese gipfelte im November 2014 in einer symbolischen deutsch-spanischen Vereinigung, als exakt 25 Jahre nach dem Mauerfall in einer Lichtprojektion in Madrid die Puerta de Alcalá und das Brandenburger Tor verschmolzen.105

103 Vgl. u. a. Orosz, Mehr Europa, 115. 104 Vgl. Holm-Detlef Köhler, Wandlungen im Deutschlandbild der Spanier von der Wiedervereinigung bis zur Wirtschaftskrise; in: Deutschland Archiv 2014 (Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2015), 103–111. 105 Die Aktion ging aus einer Kooperation der Deutschen Botschaft und dem Madrider Rathaus hervor. Vom 6.11–9.11.2014 wurde diese Videoinstallation gezeigt. Vgl. http:// www.spanien.diplo.de/contentblob/4345288/Daten/4671938/dd25jahremauerfall.pdf (zuletzt abgerufen am 18. April 2016).

David Schriffl

Portugal and German Reunification The End of Utopia and Fears of the Periphery

I. Preconditions Portugal’s integration in Europe was for a long time not a heartfelt wish. It was much more rooted in the Atlantic, also due to its colonial empire.1 Britain was referred to as the oldest ally of Portugal. Without British support, the Portuguese colonial Empire would not have survived into the twentieth century.2 Even though the country stayed neutral in World War II, an important Air Force base (Lajes) was granted to Great Britain and the US on the Azores islands. It made the transit of Allied planes across the Atlantic much easier. Having played a role in the war, Portugal’s later NATO membership was never contested even from the foundation of the Alliance in 1949.3 The authoritarian regime of Antonio de Oliveira Salazar4 stemmed from the interwar period and displayed itself as more fascist in the thirties and early forties and more conservative in later years. It survived until 1974 and only collapsed under the burden of a colonial war in Africa, which lasted over a decade.5 Due to its ideological background Portugal saw itself as an anti-Communist bastion in Western Europe and it supported, at least ideologically, the countries of Central Europe it considered to be similarly orientated. This was the case as well for Austria and for West Germany. This ideological background was also a reason for the good relations Portugal had maintained with National Socialist Germany during the war. Its economy was less developed than most other economies in Western Europe, oriented towards the colonial markets and Great Britain. Britain was always keen on keeping Portugal in its strategic and economic network. Therefore, increased 1 See, for example, Christian Haußer, Das portugiesische Imperium – Raum ohne Herrschaft, in: Michael Gehler/Robert Rollinger (eds.), Imperien und Reiche in der Weltgeschichte. Epochenübergreifende und globalhistorische Vergleiche, Teil  2 (Wiesbaden: Hassarowitz, 2014), 935–969. 2 Pedro Aires Oliveira, Live and Let Live: Britain and Portugals Imperial Endgame (1945–75), in: Portuguese Studies 29 (2013) 2, 186–208. 3 Nuno Severiano Teixeira, Portugal e a NATO: 1949–1989, in: Análise Social 30 (1995) 133, 803–818. 4 Cf. Filipe Ribeiro de Meneses, Salazar: A political Biography (New York: Enigma, 2010). 5 John Cann, Counterinsurgency in Africa: the Portuguese way of war, 1961–1974 (Westport/ Connecticut: Greenwood Press, 1997).

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trade between West Germany and Portugal met British resistance.6 So taking part in the founding of the European Free Trade Association (EFTA)7 in 1960 had its reasons for avoiding a split between Portugal’s markets and those of the United Kingdom.8 For the same reasons and because of its economic backwardness, the country did not take part in the founding of the European Economic Community (EEC). Many Portuguese had to leave their country to work abroad. Between 1966 and 1972, high numbers of Portuguese emigrated to France and West Germany. Austerity was the main goal of the regime before its fall in 1974. The NATO membership of the Federal Republic of Germany (West Germany) was intensely welcomed by the Portuguese government, so, the regime’s relations with West Germany were almost frictionless, quite close and friendly. In the later years of the regime, West Germany supported left-wing Portuguese parties. In the Carnation Revolution in 1974, in which the army—disillusioned by the futile efforts in the colonial war—was the key actor, the regime collapsed. It was temporarily replaced by  a Junta of National Salvation, where the army maintained an important role together with Communists and Socialists. All over Europe there were fears that a left wing or even Communist regime could be established on the Atlantic, also calling into question the NATO -membership of the country, but in 1976, an election brought  a Socialist government into office. In fact, Portuguese politics at the time were developed by left-wing parties with left-wing ideas. Nevertheless in 1977, the Portuguese government under the leadership of Mario Soares—who had close ties to the West German Social Democratic Party—handed over Portugal’s membership application to the EEC . The membership contract was signed by Soares in 1985, coming into effect in 1986 in the same year as the Single European Act.9 Also in 1986, Soares was elected as president of the Republic. 6 Cf. David Schriffl, Die Beziehungen Österreichs zu Portugal: 1945–1974, in: Stefan A. Müller/ David Schriffl/Adamantios T. Skordos, Heimliche Freunde. Die Beziehungen Österreichs zu den Diktaturen Südeuropas nach 1945: Spanien, Portugal, Griechenland (Wien/Köln/ Weimar: Böhlau, 2016), 131–234, 161. 7 Cf. António Costa Pinto/Nuno Severiano Teixeira (eds.), Southern Europe and the Making of the European Union (New York: Columbia University Press, 2003); Alice Monteiro Pita Brito da Cunha, À descoberta da Europa: a adesão de Portugal às Comunidades Europeias (Lisbon: Ministério de Negócios Estrangeiros, 2007); Wolfram Kaiser, Challenge to the Community: The Creation, Crisis and Consolidation of the European Free Trade Association 1958–72, in: Journal of European Integration History 3 (1997) 1, 7–33; Wolfram Kaiser, A better Europe? EFTA, the EFTA Secretariat and the European Identity of the “Outer Seven”, 1958–72, in: Marie-Thérèse Bitsch/Wilfried Loth/Raymond Poidevin (eds.), Europäische Institutionen und europäische Identität. Institutions Européennes et identités européennes (= Organisation internationale et relations internationales 41; Bruxelles: Etablissements Emile Bruylant, 1998), 165–184. 8 Nicolau Andresen-Leitão, O convidado inesperado: Portugal e  a fundação da EFTA , 1956–1960, in: Análise Social 39 (2004) 171, 285–312. 9 João Pedro Simões Dias, A cooperação europeia  e Portugal, 1945–1986 (Lisbon: SPB Editores, 1999).

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Portugal then was the poorest country in Western Europe with  a GNP per capita of 55 percent of the average GNP in Europe. In its first seven years, Portugal received subsidies from Europe equivalent to 11 percent of its GNP (Only Ireland with 17 percent and Greece with 21 percent received more). A lot of foreign capital was invested in the country between 1986 and 1989 and in this year, 72 percent of the average European GNP was reached.10 But the country took a long time to overcome its traditional underdevelopment. Only in the 1960s did the rate of illiterates sink below 50 percent. Between 1987 and 1994, the numbers of households with telephone rose from 33 to 74 percent, and those with a washing machine from 44 to 74 percent.11 Things that had already been achieved in West Germany in the postwar period were accomplished in Portugal only at the time of the collapse of the Soviet Union. Still the political system adhered to comparably leftist ideas of, for example, controlling markets. The crisis and fall of the Soviet Union in 1991 led to a consensus for more liberal and market-oriented politics. Thoughts of a violent transformation of the society and intellectual Marxism lost ground within the population and political classes. Changes to the constitution were made in 1989 to re-privatize public companies and to open the markets to more competition. The big public sector of the economy was reduced. These adjustments created considerable problems that were increased by the opening of the Eastern European markets after 1989. Portugal was now facing other countries on the continent producing even more cheaply. The inclusion of one of these areas—the former GDR—into the European Community caused fears that Portugal might lose some of its European subsidies as a consequence of German reunification. That was the economic background of Portugal’s stance towards German reunification. The GDR was by Western European standards also  a poor country and could absorb subventions from the European Community that had gone to Portugal and other countries before. This problem was made a topic in talks between German Chancellor Kohl and Jacques Delors, the then-president of the Commission in August 1990. Fears in Europe that German reunification could be a reason for a higher budget of the European Community were present. Kohl did not want the public to think this would be the case. Delors agreed and called a press conference to state exactly that and to assure the public that the subventions for Greece, Ireland, and Portugal would not be reduced.12 This was an important step in securing as much support as possible by these other member-states.

10 Rui Ramos/Bernardo Vasconcelos e Sousa/Nuno Gonçalo Monteiro, História de Portugal (Lisbon: Esfera dos Livros, 2010) 750. 11 Ramos/Vasconcelos e Sousa/Monteiro, História, 758. 12 Telefongespräch des Bundeskanzlers Kohl mit Präsident Delors, 20.8.1990 (= Dokument 388), in: Dokumente zur Deutschlandpolitik. Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90, 1481.

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II.

David Schriffl

The Fall of the Wall and Helmut Kohl’s Ten-Point-Plan

Some reactions to the fall of the Berlin Wall were quite positive also in the Portuguese press.13 Expresso reported under the title “An Unusual Proposal from the Partido Social Democrata (PSD). Lisbon pays for the demolition of the Berlin Wall” that the Lisbon Mayor’s Office even opened a bank account for public and private donations to pay for the costs that the removal of the Wall would cost.14 Before Kohl aired his Ten-Point Plan, the headlines sounded like “Bonn adopts cautious policy towards GDR .”15 The position of the Portuguese government toward the events in Germany in 1989 and 1990 shows an official and a slightly different unofficial picture. The pivotal point for Lisbon’s reaction was Kohl’s Ten-Point Plan for the reunification of Germany. He presented the plan in his speech before the Bundestag on 28 November 1989. Portuguese Foreign Minister João de Deus Pinheiro also commented on those ten points in a speech before the Assembleia da Republica, the Portuguese Parliament on 5 December 1989. First of all, the Portuguese noted that the fall of the Berlin Wall would signal not only the beginning of German reunification but also the end of Yalta, the symbol of the partition of post-war Europe. The German people had fought for Germany’s unity for centuries and had proven that even Yalta could not be  a more effective barrier against this unity than prior hindrances. It is interesting to see the historical remarks. Emphasizing this point, the minister added that history would also show that anyone who could have an interest in doing so should not try to prevent the Germans from reuniting for his or her own good. This sounds like fueling those fears, that a portion of this public opinion soon aired in Portugal, fears of a German giant dominating Europe as  a whole. Pinheiro also predicted that the process of reunification would be irreversible, even though it was unclear how long it would take to be completed. At the same time, he expressed that it would be necessary for West Germany to repel nationalistic tendencies and to prove its fidelity to NATO and to the European Community. It is no coincidence that he mentioned the two in this order. For Portugal, already under Salazar, Portugal’s membership in NATO was always more important than its membership in the European institutions. Kohl’s depiction of  a German confederation (point 6) found in Pinheiro an advocate, and he also mentioned Germany’s historical ties to Central Europe and the Baltics. The Portuguese strategic thinking was clearly shown when the 13 Cf. Ana Luísa Santos Freire Mouro, A Metamorfose do Gigante Alemão. Subsídio para o Estudo da Receção da Unificação Alemã na Imprensa Periódica Portuguesa de Referência, (https://ria.ua.pt/bitstream/10773/9291/1/476_Microsoft_Word_-_AnaMouro.pdf, last accessed 29 December 2016). 14 Orlando Raimundo, Proposta insólita do PSD. Lisboa paga demolição do muro de Berlim, in: Expresso, 25 November 1989, A7. 15 Carlos Martins, Visita de Kohl ainda sem data. Bona adopta política cautelosa face á RDA , in: Expresso, 25 November 1989, B8.

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minister as a last point emphasized that the German reunification had to take into account the interests of all affected parties, especially the European Communities, the United States, and the Soviet Union. The interest of the European Communities in that respect was clearly the maintenance of a balance between its member-states. Again, this point addressed fears of a reunited Germany that was stronger than its neighbors in the European Community might wish.16 Only  a day after this parliamentary speech, the Austrian Ambassador in Lisbon was received by the Portuguese Deputy Prime Minister and Minister of Defense Eurico de Melo. He had just returned from a meeting of the NATO Ministers of Defense and the European Community. The meeting took place in a—quite understandably—positive mood related to the changes in Eastern Europe achieved by the revolutions that had taken place there. Those developments were also regarded by the Portuguese as irreversible just like the process towards German reunification. But the process was to serve the common interest of disarmament of NATO and Warsaw Pact in the spirit of the Vienna Disarmament Talks. Still, the question of the presence of foreign troops had to be solved. The Portuguese saw it as “unthinkable” that both Soviet and US -troops could be stationed in a future reunified Germany. They saw a possible future problem because the retreat of both Powers from the whole of Germany would give the Soviets a strategic advantage for geographical reasons. No solution for this problem was aired, and the ministers regarded it as necessary to draw a distinction between the swift political process and the military process, which would have to develop much more slowly. This would be imperative for avoiding a disturbance in the balance of conventional and nuclear deterrence in Europe. The Portuguese emphasized that this position would also be in the best interests of non-aligned countries like Austria.17 Looking at the history, it almost sounds absurd how the strategic interests of the Soviet Union were balanced with those of the United States, but, of course, at that time nobody could foresee the collapse of the Soviet Union itself, and there was always the possibility of a political backlash in Moscow. The different way of thinking within the Portuguese military is also illustrated by the fact that the Portuguese Minister of Defense also outlined that Kohl’s ten points would only be a measure to ensure the people of Germany that the government would not abandon the constitutional principle to reunite the country and to keep it calm. But the time needed to achieve this goal would depend not only on the solution of economic and political problems but also on the continuity of a military balance at the lowest possible level.18 16 Diário da Assembleia da República, V. Legislatura, 3.  Sessão Legislativa (1989–1990), I. Série—Número 22, Reunião Plenária de 5 de Decembro de 1989, 744. 17 Telex, Betreff: Plan BK Kohl zur deutschen Wiedervereinigung, Haltung europäischer Regierungen – weitere portugiesische Stellungnahme, Lissabon, 7. Dezember 1989, Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Wien, Archiv der Republik (AdR), Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten (BMAA), II-Pol 1989, GZ . 22.17.01/49-II .1/89. 18 Ibd.

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The press quickly defined this fact as most important, that reunified Germany would only function in a European security architecture, within the “European House”—a term used by Portuguese media without any reference to Gorbachev. The fears that a green Bundestag MP had aired with respect to a possible reunification were also cited: “The dreams of German greatness have already provoked two World Wars.” The warnings of a group of artists and intellectuals about a “sale of the GDR to West Germany and its absorption” were also displayed. Combined with the critical French position,  a Portuguese correspondent in Bonn balanced positive and negative statements, the headline stating that Kohl had proposed  a federation of the two Germanies was garnished with the note “Indifferent to Appeals for Modesty.”19 One day later, the same newspaper featured criticism of Kohls initiative under the title “The Proposal for Reunification embarrasses the West and finds Disapproval in the East. Kohl tries to Reactivate German Nationalism, accuses Moscow.” In the text, East Berlin’s Mayor Walter Momper is also cited as saying that “the Kohl’s proposals must not be used as an excuse for an annexation of the GDR .”20 In an editorial in the magazine Expresso under the title “Portugal and Berlin,” the principle questions are put on the table soon after the fall of the Berlin Wall. Kohl’s promise that the fall of the Berlin Wall would not lead to less engagement by Germany in Europe is seen very critically. It sounds “good but cannot be taken seriously” because politicians often “will not say what they think but rather what they believe is best under the given circumstances.” This was one of these moments because reunification would be much more important for Germany than the European project. A unified Germany could play in a league with the US , the Soviet Union or Japan. This German stance would pose problems for Portugal. Financially now, Lisbon would have to prepare to help pay subsidies to Poland, Hungary, and the GDR , which normally would have come to Portugal. Politically, the problems of the Iberian Peninsula would immediately lose importance compared to “the giant puzzle in the central zone of the continent.” Besides that, Portugal could fall back from development towards the center of Europe and become the periphery again without any means of influencing the situation. The attention of Germany and with it, the United Kingdom, France, and Italy towards the East might pose a risk that Germany would monopolize relations with the East and its markets for itself. The wind had changed from bringing advantages to the South; therefore, Portugal should be cautious because it could become a “half-forgotten country on the outskirts.”21 The topic of being or again becoming marginalized or peripheral is a recurring topic. Eduardo Soares, a former high functionary in the Foreign Ministry wrote 19 Maria Ermelinda Pedrosa, Indiferente aos apelos á prudência. Kohl propõe federação das duas Alemanhas, in: Jornal de Noticias, 29 November 1989, 22. 20 Proposta de reunificação embaraça Ocidente  e desagrada ao Leste. Kohl tenta reatar nacionalismo alemão, in: Jornal de Noticias, 30 November 1989, 22. 21 Portugal e Berlim, in: Expresso, 25 November 1989, A20.

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in the end of November 1989 that there was a danger of becoming peripheral but that “being peripheral is a state of mind and not a geographical fate which cannot be overcome. History knows many successful peripheries and poor or decadent centers.” Great insecurity flows from the commentaries of the time, besides the happiness about the new freedom in Eastern Europe. The author also fears the economic power of a reunified Germany, but he reminds the reader of the fall of Soviet dominance in Eastern Europe after decades. The Soviet Union will face similar problems soon, and “before having a German problem, we have a Soviet problem in front of us or, if we will, a Russian problem.” The author sees at the same time the necessity of developing and Westernizing the economies of the Eastern countries as he sees that this “transforms them into serious competitors for our own economy.” Soares even finds it necessary to ensure his readers of Portugal’s identity and political strategy in the face of the events in Germany: “The decision to be in Europe, to be Europe, diminished negative aspects of being peripheral. In face of the actual developments and their maybe less positive effects for Portugal, the worst mistake would be to flee to historic nostalgia. Our history, our Portuguese universalism, the Atlantic relations, those to Africa and Brazil gave our identity strength as a people, as a nation, as a state. They are trumps and heritage […] but not a destiny.”

Portugal would have the chance now to stress its participation in building the future Europe.22 With this opinion, he was not alone. In an article about the effects of the changes in Eastern Europe on the economy in the same newspaper, one of the opening sentences is “For our country a prime and immediate consequence is obvious: an increase of Portugal’s peripheral status.” Europe would now have new priorities, which is “today clearly led by Greater Germany.” The South in general would lose economic and strategic importance. António Neto da Silva, of course, also mentions the likely losses in European subsidies for Portugal and the naturally bigger interest of Germany in reunification than in development of the South. It sounds almost desperate when he states in his final sentences, “Periods of big transformation are also periods of big opportunities. We cannot be the last ones taking them.”23 In a big interview with the Spanish philosopher Fernando Savater in Expresso, the question of the lost utopia is negotiated. To the question what was lost and what was won by the fall of the Berlin wall he answered, “What is won is obvious. What is lost is […] that the great ideas ended, the utopia died… but with the dead of the utopia the fall of the Berlin Wall was possible.”24 22 Eduardo Azevedo Soares, Portugal e a Europa de hoje, in: Expresso, 25 November 1989, B16. 23 António Neto da Silva, Portugal, o Mercado Único e a abertura a Leste, in: Expresso, 25 November 1989, B14. 24 Francisco Belard/Pilar del Rio, “O Muro caiu porque morreu a Utopia”, in: Expresso, 25 November 1989, 66–R 011–012.

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So fears were already an important part of the Portuguese stance towards the German situation after the fall of the Berlin Wall. Of course, reunification was seen as a logical consequence of these events. The announcement of Kohl’s Ten-Point Plan then made everything clear. The reaction of the press ran accordingly. On 1 December 1989, Expresso titled the article regarding the German affairs “German Reunification. Kohl ends the Ambiguity.” Voices that had asked to “save the socialist state on German soil” were reported. Gorbachev’s appeal to create a “common European home” was followed by the comment “It is not very likely that the Secretary General thought of German reunification when he made this statement.” But Carlos Martins ended by saying that “the reunification of Germany is a natural process and time is on its side, not the reunification but the division of the nation is non-natural.”25 Anyhow, Egon Krenz’s refusal of Kohl’s plan is referred to on the same page in similar intensity and size. Under the title “The Maturity of Europe” Joaquim Vieira predicts the end of the balance of the Cold War and again draws an image of an overwhelmingly strong Germany. He speaks of a “truth that cannot be hidden,” that the disintegration of the Soviet Empire would show many similarities to the one of the Austro-Hungarian Empire that had resulted from World War I, and one-hundred years later Europe would seemingly face the same problems. This counterfactual view shows many of the fears being activated in Portugal then. He continues, “From all worries the dominant one is in respect to the German reunification, without any doubt the reconstitution of a state of 80 million inhabitants and a GDP of the size of France and the United Kingdom combined, which was the base of two global conflicts.” At least the author then sees the chance for Europe to get rid of the “tutelage” of Washington and Moscow, and he counts on the much bigger acceptance of transnational integration at the end of the twentieth century in comparison to its beginning. After fatal projects of European unification by the Roman Emperors, Charles the Great and Napoleon, this time it would happen for the first time on the basis of the free will of the European nations.26 Others mentioned the “phantom of Greater Germany” and even the wording of the NSDAP was used when it was said that the giant economic power of a reunified Germany might be used to “open its historic Lebensraum in the East.”27 With this stance it is no surprise that the journals gave much space to critics of the reunification. A long interview with Rainer Eppelmann, presented as the head of the GDR opposition group Demokratischer Aufbruch was headlined “German reunification would be  a bomb in the foundation of the European house.”28 Also the headline on 25 Carlos Martins, Reunificação alemã. Helmut Kohl põe fim a ambiguidade…, in: Expresso, 1 December 1989, B8. 26 Joaquim Vieira, A maturidade da Europa, in: Expresso, 1 December 1989, 4–R, 5–R. 27 M. A. Pina, A “questão alemã”: um Fantasma presidiu á cimeira do Eliseu, in: Jornal de Noticias, 21 November 1989, 3. 28 Maria Ermelinda Pedrosa, Reunificação alemã seria uma bomba nas fundações da “Casa Europeia”, in: Jornal de Noticias, 24 November 1989, 20.

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the front page of the same newspaper two days later published the thoughts of another GDR-based dissident group, Demokratie Jetzt, saying “To talk about reunification now is already absurd.”29

III. The (path to) Reunification, 1990 An important supporter for Helmut Kohl in promoting German reunification in 1990 was the Spanish Prime Minister Felipe González. Germany had supported the opposition on the Iberian Peninsula under Willy Brandt—also in Portugal under the leadership of Mario Soares. Gonzalez’s gesture shows the thankfulness of the former opposition leader.30 But in 1990 Portugal was led by the Conservative Anibal Cavaco Silva (Prime Minister from 1985 to 1995) who did not have similar close contacts to Germany.31 And Soares who served as president at that time did not use the parliamentary session on 3 October 1990 (and other occasions) to express special feelings, just one MP of the conservative ruling PSD and one of the Social Democrats (Partido Socialista/PS) congratulated the German people. In his explanation, the conservative MP Pacheco Pereira addressed fears of a German nationalism in a daring comparison that if the Germans as a people were held responsible for the atrocities of World War II, then the citizens of the Soviet Union would have to be held responsible for the Communist experience. “Are there costs?” The MP asks rhetorically “Of course there are, but there is no comparison of the costs keeping Europe divided and the countries of the East sentenced to misery and oppression. Therefore, we welcome the process of German reunification and wish the new nation a promising future as it emerges from the end of the war.”32 That sounded quite pragmatic. The Portuguese press reacted to the German reunification in the months between July and December 1990 in a manner similar to many other states in Europe. Public opinion was divided in two camps: One—the smaller one— praising the possibilities of a stronger Europe through a reunited and stronger Germany, where the reunification even could become  a case-study for the Unification of Europe; the other—bigger one—issuing warnings of a “German giant” who represented more a threat than a hope. While official German publications depicted a “German nation fighting for human rights, trust, freedom and

29 Maria Ermelinda Pedrosa, “Falar para já de reunificação alemã é absurdo”, in: Jornal de Noticias, 26 November 1989, 1. 30 Cf. the chapter by Birgit Aschmann in this volume. 31 Wolfram Kaiser/Christian Salm, Transition and Europeanization in Spain and Portugal: social democratic and Christian democratic networks in transition from dictatorship to parliamentary democracy, in: Archiv für Sozialgeschichte 49 (2009), 259–282. 32 Diário da Assembleia da República, V. Legislatura, 3.  Sessão Legislativa (1989–1990), I.  Série—Número 107, Commissão Permanente, Reunião Plenária de 3 de Outubro de 1990, 3741.

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stability between peoples,” others distrusted these declarations and assumed that Germany wanted to become the hegemon of Europe again. Expresso explicitly mentioned the memory of the “times of killing” and agreed with Günter Grass, who identified “elements in the German character […] which would speak against reunification,” even that there would be and “age-old ferocity” in the Germans that could grow again.33 The reunification would be of an economic and not military form, but the past would not allow too much enthusiasm. The same paper aired fears that Bonn’s aid to the monetary union would be a cheap deal to take possession of all of Europe. The newspaper Publico, newly founded in 1990 and up to now one of Portugal’s most highly esteemed papers also aired fears mainly. On 1 July 1990, the day the monetary union in Germany came into effect, an article described Germany as “rich, organized, determined, the biggest power in Europe, a colossus, strong, without counterbalance that would be frightening.” Germany would use its integration in Europe only to attain reunification and full sovereignty. Shortly afterwards a senior professor of political science wrote in the academic journal Nova Cidadania that the solution found would “solidly anchor Germany in the West” and would create mechanisms that could “limit its negative tendencies and foster its good tendencies.” German power would have to be “domesticated” within the framework of international law. This is an old motive that is known from the period after World War II when European integration also served the purpose of controlling the German resources needed to wage  a new war. Interestingly, already in March 1990 in an interview for the aforementioned newspaper Publico, the French historian of German descent, Alfred Grosser, called fears connected to the German Reunification irrational. His argument was that a reunified Germany would strengthen Europe and enable it to catch up or even overtake Japan. Surprisingly, his argument did not seem to be designed to take away the fears mentioned previously. The conservative Portuguese politician Francisco Lucas Pires, who served as vice-president of the European Parliament in 1986–1987 and later also presided over his party, the Democratic and Social Centre—People’s Party (Centro Democrático e Social—Partido Popular/ CDS -PP), also asserted in March 1990 that if German reunification were seen as part of the reunification of Europe, the outcome would be more “secure” and positive for all. The integration of German reunification within the framework of the European Community would make possible a “dilution of Germanness” and the integration and limitation of renewed German power. We have already seen that motive before. Also, on the day of German monetary union the editor of Publico José Manuel Fernandes tried in a quite interesting—not so say funny—way to be a bit more optimistic. He wrote that there was no proof that being “German, disciplined, strict and dutiful, so different from the Latin soul [was] more vulnerable to the temptation of totalitarianism.” Another journalist 33 Santos Freire Mouro, Metamorfose, 82–83.

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stated that those “nightmares starring Germany” were only be possible because they “anticipate[d] the passive complicity of the Western democracies.”34 Another topic was the fate of socialism in East Germany. In Portugal, a vibrant political left with a steady parliamentary representation discussed German reunification intensely from this point of view. The question of whether there was a third way between capitalism and communism that could have been an alternative for East Germany was left unanswered. An interesting aspect here is also the fact that East German women were supposed to suffer a backlash in their women’s rights due to reunification. The Portuguese left regarded them as “less submissive” and “more independent” than their Western sisters and feared a decline of their life-quality and “self-determination.”35 Reunification was seen as an “absorption” of socialist Germany into capitalist Germany, the “system of the millionaires.” Some even stated that the word reunification was counterfactual and that one would rather see an “Anschluss,” an annexation of the GDR by West Germany. In an editorial, José António Saraiva stated “The major portion of the people simply talk about reunification. But that term does not correspond with reality. What happened is that the government of the GDR was dissolved, and the government of West Germany is left to govern both Germanies. The same happened to the East-German parliament. And with the parties. And with the money. And with the economy. And with the political system. And this in German is called Anschluss.” The author calls many parts of the reunification process “humiliating” for the East Germans. “The annexation of the GDR by West Germany symbolizes the annexation of the Communist world by the Capitalist world.” It was the end of  a system that would have posed for many marginalized people—despite its shortcomings—the last hope.36 A caricature clearly shows the inequality felt between the two German states in the wake of reunification. The festivities for reunification were reported on in  a friendlier manner because German unity had been reached “for the first time in its history, not against but with its neighbors and allies.”37 The same day the German consul in Porto organized  a party for the local German colony to celebrate German unity also on the shores of the Atlantic. The newspaper Jornal de Noticias asked the consul for his assessment of the Portuguese reactions to reunification. He qualified them as “very positive” and made clear that the Portuguese workers in Germany would not face any restrictions even though fewer people might be allowed to come to Germany to work because of the high unemployment rate that was expected in the former GDR .38 Many also saw a wall persisting between 34 35 36 37 38

Santos Freire Mouro, Metamorfose, 83–85. Ibd., 90. Saraiva, José António, Anschluss, in: Expresso, 5 October 1990, A10. Maria Fernandes, A festa de Berlim, in: Jornal de Noticias, 4 October 1990, 25. Um ponto final na história do pós-guerra—palavras de Genscher citadas pelo cônsul alemão no Porto, in: Jornal de Noticias, 4 October 1990, 25.

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the people after the fall of the Berlin Wall, a wall between “the rich uncle who had decided to make order in the life of the poor, lost and tramping nephew.” While some in the conservative press described reunification with words like “inevitable, necessary and miraculous,” serious and politically centered-minded publications also saw in the end of the GDR a “necessary capitulation, which had left a bad aftertaste.”39 When the Reichstag was reopened in October 1990, the weekly Expresso published  a report under the title “Helmut Kohl reopens the Reichstag.” The classic connections to Prussian history were made. Inhabitants of Berlin were interviewed on their opinions about the event. The mostly critical statements contrasted with Kohl’s official statements about a peaceful Germany. A chauffeur from East Berlin was quoted as saying that everything would still be “a bit confusing. With the communists, there was no right to vote or to choose a leader. We had Honecker and we had to live with him. Now, there is no doubt that things are changing. We have a new leader, Helmut Kohl, but I also did not elect him.” A survivor of a concentration camp was also interviewed and quoted as saying, “I fear for my grandchildren. From now until 30 or 40 years from now, we could return to do the same things. The Germans are undisciplined, obedient, workers, everything could occur again.”40 Often the singing of the words “Deutschland, Deutschland über alles”41 seems to be proof that some fears of German dominance could be rooted in reality. Also, the Diario de Lisboa rode that wave. On 2 October 1990, the main headline was “From Midnight, Deutschland über alles. Tomorrow Europe will be different. Millions of new Germans will be able to chant their anthem ‘Deutschland über alles’ again. What does this mean for peace in Europe?”42 This was followed by a report titled “Requiem for the GDR .”43 Reports about the “neonazi unification” completed the picture.44 A good summary of the Portuguese position, at least of public opinion, is given by the headline “The New Germany spreads Fears and Hopes.” The sequence of the words is interesting here. In the article regarding Portugal, this position is explained and includes the official reaction of the Lisbon government to the events. “Portugal of course also entered the game of congratulations. Mario Soares said that the reunification of Germany is  a moment of hope and great joy for all of Europe because it represents the victory of democracy, pluralism, and peace. He added: For us Europeans of today the unification of Germany is not a factor of worries and fears. The prime minister, Cavaco Silva was received today on the historic occasion for 39 Santos Freire Mouro, Metamorfose, 89–91. 40 Helmut Kohl reabre Reichstag, in: Expresso, 5 October 1990, B1. 41 Benjamin Formigo/Catherine Field/Michael Kallenbach, Berlim simboliza restauraãõ alemã, in: Expresso, 5 October 1990, B6. 42 A partir da meia-noite Deutschland über alles, in: Diario de Lisboa, 2 October 1990, 1. 43 “Nova ordem da paz Europeia”. Requiem pela RDA, in: Diario de Lisboa, 2 October 1990, 9. 44 Luísa Meireles/Catherine Field, Alemanha: “unificaão” neonazi, in: Expresso, 13 October 1990, B, B2.

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Germany by West Germany’s ambassador. Already yesterday he had sent a message to Chancellor Helmut Kohl in which he assured that: The day of October 3 will stay in our memory as a date of hope, as the beginning of a new era in Europe. So like Mitterrand’s France, Portugal has also set its foot on the new German train, foreseeably going with great speed.”45

It is easy to spot the ambiguity that seems to have been an important part of the atmosphere in Portugal surrounding German reunification. Altogether one has to state that euphoria was not the main feature of Portugal’s public opinion in reacting to Germany’s reunification. Even in positive commentaries, fears—actual and ancient alike—were more than present. Also, specialized journals like Nation and Defense, which as the official journal of the Institute of Defense can be regarded as official, published quite pessimistic views of the new situation. Even  a former foreign minister from Salazar’s regime—Franco Nogueira—distributed his views there. Of course, they were based on history—a lot of history. He stated in 1990 that the most important factor for the new Europe after 1989 would be reunited Germany and that Germany had, in fact, been the European problem since Charlemagne. The new powerful Germany would soon raise its voice independently as a purely German voice, the fate of Europe would be decided on the question of whether Germany would again enter a fight against the Slavs of Eastern Europe or cooperate with them. This negative view did not materialize, but one sentence appears almost like a prophecy: “The question is whether the problems between the new Slavic Republics—especially between the Ukraine and Russia—will degenerate into a tragedy.”46

IV. Outlook The critical stance also persisted over time. In an analysis for Nation and Defense, the Director of the Portuguese Institute for International Relations Carlos Gaspar declared in 2007 that the reunification of Germany had led to the return of the Great Powers in Europe—namely Great Britain, France, and Germany—and a growing split between the larger states and the smaller ones. The Treaty of Maastricht had increased the division between the center and the periphery in Western Europe.47 Given such a background, also in the academic and political sphere, it is no surprise that those fears that had never completely disappeared made their comeback during the years of financial and economic 45 A nova Alemanha espalha receios e esperanças, in: Diario de Lisboa, 3 October 1990, 2. 46 Franco Nogueira, Mundo e Europa em transição, in: Nação e Defesa 17 (1992) 62 Abril, Junho, 27–39, 39. 47 Carlos Gaspar, Portugal, os Pequenos Estados e a Uniao Europea, in: Nação e Defesa 117 (2007) 3, 107–145.

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crisis in the years after 2000. Public opinion rephrased those fears in the wake of the economic crisis 21 years later: There were depictions of a Germany under Merkel that would, on the basis of economics, achieve what the Emperor or Hitler could not accomplish, or others, who feared that Europe would assist in the emergence of a “Fourth Reich.” A journalist stated that such renewed fears of a German giant were only possible because public opinion was in a “moment of panic.”48 The commemoration 25 years after the fall of the Berlin Wall at least showed that skepticism over a lost alternative had not completely disappeared from the Portuguese political spectrum. The Portuguese Parliament held a special session on that occasion on 21 November 2014. A MP from the conservative party CDS -PP even stated that fascism had only completely collapsed with the fall of the Berlin Wall; therefore, was equating the SED -regime with Hitler’s Germany. The Communist Party criticized an increasing inequality within the European Union and the “Left Block” congratulated all who had fought against the Wall but stated that the system in the GDR was a caricature because only socialism with democracy could be real socialism.49 Somehow, those words sounded familiar when thinking of the critical voices aired in the Portuguese press in 1989. Looking back at 1990, it seems that besides happy feelings in Portugal, provoked by freedom of travel and the end of a dictatorship in Eastern Europe, a certain state of panic was also present during and after Germany’s reunification. It seems that Germany and Portugal over the decades before 1990 had somehow had an inverse development: The Salazar regime would have welcomed German reunification without hesitation for ideological reasons. It would also have been praised as the fall of Communism in the Soviet Satellite states, which Salazar himself had already predicted in 1965.50 The more left-oriented Portugal of 1989/1990 could not praise the collapse of the GDR without constraint. Somehow, an ideological ideal, an alternative model of society, had collapsed together with the dictatorship run by the Stasi and the SED.

48 Santos Freire Mouro, Metamorfose, 85. 49 Diário da Assembleia da República, XII . Legislatura, 4.  Sessão Legislativa (2014–2015), I. Série—Número 21, Reunião Plenária de 21 de Novembro de 2014, 47, 50; Plenary session of the Portuguese National Assembly on 21 November 2014. 50 Schriffl, Die Beziehungen Österreichs zu Portugal: 1945–1974, 215.

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Italien und die deutsche Einigung 1989–1990 I. Vorbemerkung Am 9.  November 1989 begann mit der Öffnung der Grenzübergänge in Berlin der deutsch-deutsche Einigungsprozess,1 der in Italien kurz mit dem so genannten „Fall der Berliner Mauer“ identifiziert wird. Dieses historische Ereignis bildete nicht nur für die deutsche Geschichte eine Zäsur, sondern auch für das europäische Integrationsprojekt und damit für alle indirekten und direkten Nachbarn Deutschlands, darunter auch Italien. In überraschend kurzer Zeit gewann Deutschland unter der scheinbar alleinigen Regie des christdemokratischen Bundeskanzlers Helmut Kohl (1982–1998) seine einst verlorene Einheit wieder zurück.2 Gleichzeitig waren sämtliche Länder Mittel- und Osteuropas Schauplätze von raschen und teilweise unerwarteten politischen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen von großer historischer Bedeutung geworden.3 Noch heute sorgen diese Entwicklungen für Diskussionen unter Experten, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Ursachen dieses historischen Wandels in vielerlei Hinsicht noch unklar sind.4 Vor diesem Hintergrund stellen sich, was die deutsche Einigung und den Umbruch in Mittel- und Osteuropa angeht, aufgrund der vielschichtigen Probleme eine Reihe noch nicht zur Gänze beantworteter Fragen. Es handelt sich bei diesem Beitrag um eine Mehrebenanalyse5 der italienischen Wahrnehmung, Einschätzung und Haltung gegenüber dem deutsch-deutschen Einigungsprozess, wobei dessen Folgen mit Blick auf die „deutsche Frage“ im weiteren Sinne des Wortes sowie auch hinsichtlich der Ereignisse und Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa untersucht werden sollen. Diese Zäsur in der neuesten Geschichte Europas wird dementsprechend in ihren verschiedenen Dimensionen untersucht, wobei es nicht nur um das offizielle staatliche Italien gehen wird, sondern auch Fragen der Medienwahrnehmung, der Reaktionen der 1 Vgl. z. B. Andreas Rödder, Deutschland einig Vaterland. Die Geschichte der Wiedervereinigung (München: Verlag C. H. Beck, 2009). 2 Vgl. Helmut Kohl, Erinnerungen 1982–1990 (München: Drömer Verlag, 2005). 3 Vgl. Michael Gehler, Die Umsturzbewegungen 1989 in Mittel- und Osteuropa, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 41–42 (4.10.2004), 36–46. 4 Insbesondere ist die Rolle Italiens noch nicht vollkommen geklärt. Vgl. z. B. Antonio Varsori, L’Italia e la fine della guerra fredda. La politica estera dei governi Andreotti 1989–1992 (Bologna: Il Mulino Saggi, 2013), Introduzione und Capitolo I. 5 Vgl. zu diesem Ansatz generell: Michael Gehler, Zeitgeschichte im dynamischen Mehrebensystem: Zwischen Regionalisierung, Nationalstaat, Europäisierung, internationaler Arena und Globalisierung (Bochum: Dr. Dieter Winkler Verlag, 2001).

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Wirtschaftswelt und der Gesellschaft miteinbezogen werden sollen. Folgende Fragen stellen sich hierbei: – Gab es in Italien bereits im Vorfeld der Jahre 1989/90 klare Vorstellungen von der Lösung der deutschen Frage und wenn ja, welche? – Existierte schon in den Monaten vor dem Mauerfall eine Wahrnehmung dessen, was sich in Deutschland anbahnte und ab dem 9. November 1989 tatsächlich geschah und wenn ja, in welchem Ausmaß? – Welche italienischen Befürchtungen, Erwartungen und Hoffnungen waren mit dem deutsch-deutschen Transformationsprozess verbunden? Als roter Faden ziehen sich zwei wesentliche Arbeitshypothesen durch die folgenden Seiten. Die erste Arbeitshypothese ist mit der Wahrnehmung verbunden, dass die Rolle Italiens im Kontext des Einigungsprozesses dynamischer war als traditionell in der Fachliteratur behauptet wird. Im Laufe der Jahre beurteilte ein Teil der internationalen Literatur zum Thema die italienische Rolle im Vergleich zu der Frankreichs oder Großbritanniens de facto als eher passiv; eine Behauptung, die zumindest teilweise im Widerspruch zum im Laufe der letzten Jahre veröffentlichten Archivmaterial steht.6 Die zweite Arbeitshypothese besteht in der Annahme, dass der deutsch-deutsche Einigungsprozess eine spezifische Rolle in der italienischen Außenpolitik und gesellschaftlichen Debatte spielte, weil diese Problematik nicht nur weitreichende Rückwirkungen für die bilateralen Beziehungen zu Deutschland, sondern auch für die Beziehungen zu Österreich und dem gesamten mitteleuropäischen Raum hatte. Deswegen war es für Italien sehr wichtig, Position zu beziehen und entsprechende Maßnahmen zu treffen.

II.

Der Forschungsstand und die Terminologie

Dank einer Reihe von Beiträgen ist bekannt, wie komplex und facettenreich die Geschichte der Beziehungen Italiens zur BRD in den ersten Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war7 und insbesondere welche Rolle die Interaktionen der beiden Staaten für den Prozess der europäischen Integration spielten.8 Weniger bekannt und vor allem weniger erforscht ist, wie sich die ita6 Siehe z. B. die Fußnoten von 13 bis 16. 7 Vgl. z. B. Maddalena Guiotto, Drei Protagonisten des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg: Alcide de Gasperi und seine Beziehungen zu Leopold Figl und Konrad Adenauer, in: Michael Gehler/Maddalena Guiotto (eds.), Italien Österreich und die Bundesrepublik Deutschland in Europa. Ein Dreiecksverhältnis in seinen wechselseitigen Beziehungen und Wahrnehmungen von 1945/1949 bis zur Gegenwart (Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2012), 131–150. 8 Vgl. z. B. Federico Scarano, Antonio Segni, Konrad Adenauer e l’integrazione europea, in: Piero Craveri/Antonio Varsori (eds.), L’Italia nella costruzione europea. Un bilancio storico 1957–2007 (= Storia internazionale dell’età contemporanea; Milano: Franco Angeli, 2009),

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lienische Außenpolitik,9 inklusive der deutsch-italienischen Beziehungen,10 und das Erscheinungsbild Deutschlands in der italienischen Presse in den 1980erJahren verändert haben. Dies gilt auch für die Ereignisse von 1989 bis 1990. Der deutsch-deutsche Einigungsprozess ist aus deutscher Binnenperspektive sehr gut erforscht worden. Zur deutschen Frage 1989/90 aus deutscher, britischer und französischer Sicht gibt es schon sehr viel Fachliteratur und zahlreiche Monografien.11 Während die Haltung dieser Staaten in den letzten Jahren intensiv beleuchtet wurde, bleibt jene der mittleren und kleinen europäischen Länder zumindest teilweise noch unklar. Der Forschungsstand bezüglich Italiens stellt sich wiederum etwas anders dar. Bekannt sind die negativen Äußerungen von Italiens Außenminister Giulio Andreotti (1983–1987) aus dem Jahr 1984 oder seine vereinigungskritische Haltung Ende 1989, aber dies waren nur Momentaufnahmen in einem durchaus komplexeren Panorama. Italiens Reaktionen waren ­umfassender als



369–394. Vgl. auch Wilfried Loth, L’Allemagne et l’Italie dans le processus de construction européenne: une coopération occasionelle?, in: Piero Craveri/Antonio Varsori (eds.),­ L’Italia nella costruzione europea. Un bilancio storico 1957–2007 (= Storia internazionale dell’età contemporanea; Milano: Franco Angeli, 2009), 455–466. 9 Unter den wenigen Veröffentlichungen, die sich mit dem Thema „Italienische Außenpolitik in den achtziger Jahren“ intensiv beschäftigen, ist hervorzuheben Ennio di Nolfo, La politica estera italiana negli anni Ottanta (Manduria/Bari/Roma: Lacaita, 2003). Vgl. auch Giuseppe Romeo, La politica estera italiana nell’era Andreotti 1972–1992 (Soveria Mannelli: Rubbettino, 2000). 10 Zu den deutsch-italienischen Beziehungen in den 1980er-Jahren vgl. Luigi Vittorio Graf Ferraris, Deutsch-italienische Beziehungen in den 1980er Jahren. Aufzeichnungen aus italienischen diplomatischen Akten, in: Michael Gehler/Maddalena Guiotto (eds.), Italien Österreich und die Bundesrepublik Deutschland in Europa. Ein Dreiecksverhältnis in seinen wechselseitigen Beziehungen und Wahrnehmungen von 1945/1949 bis zur Gegenwart (Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2012), 243–261. 11 Vgl. z. B. Andreas Rödder, Deutschland einig Vaterland. Die Geschichte der Wiedervereinigung (München: C. H. Beck, 2009); Klaus Hildebrand, Probleme und Perspektiven der Forschung zur deutschen Einheit 1989/1990, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 52 (2004) 2, 193–210; Markus Driftmann, Die Bonner Deutschlandpolitik 1989/1990: Eine Analyse der deutschlandpolitischen Entscheidungsprozesse angesichts des Zerfalls der DDR (Münster: Lit-Verlag, 2005); Andreas Rödder, Zeitgeschichte als Herausforderung: die deutsche Einheit, in: Historische Zeitschrift 270 (2000) 3, 669–687; Tilo Schabert, Wie Weltgeschichte gemacht wird: Frankreich und die deutsche Einheit (Stuttgart: Klett-Cotta, 2002); Frédéric Bozo, Mitterrand la fin de la guerre froide et la réunification allemande (Paris: Odile, 2005); Yvonne Klein, Obstructive or promoting? British Views on German Unification 1989/1990, in: German Politics 5 (1996), 404–431; Norbert Himmler, Zwischen Macht und Mittelmaß: Großbritanniens Außenpolitik und das Ende des Kalten Krieges. Akteure, Interesse und Entscheidungsprozesse der britischen Regierung 1989–1990 (Berlin, Duncker&Humblot, 2001); Frank Costigliola, An arm around the shoulder: The United States, NATO and the German Reunification 1989–1990, in: Contemporary European History 3 (1994), 87–110. Vgl. auch die Beiträge von Hanns Jürgen Küsters, Heike Amos /Tim Geiger, Christian F. Ostermann und Tilo Schabert in diesem Band.

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die seines Ministerpräsidenten. Die italienische Haltung ist bis heute, unter­ anderem aufgrund des schwierigen Zugangs zu den Archivalien, nur indirekt oder partiell erforscht worden.12 Die erste Schwierigkeit bei der Erforschung dieses Themas besteht nämlich darin, dass viele italienische Archive für Wissenschaftler grundsätzlich noch nicht oder nur partiell zugänglich sind. Zwar sind zum Beispiel einige im Archiv des Instituts Luigi Sturzo aufbewahrte und erst vor einigen Jahren zugänglich gemachte Dokumente, die sogenannten Carte Giulio Andreotti, eine wichtige Informationsquelle, doch auf Basis der in Italien verfügbaren Archivalien lässt sich nur ein unvollständiges Bild rekonstruieren. Zur Entwicklung eines aufschlussreichen und repräsentativen Bildes ist es deshalb erforderlich, nicht nur italienische, sondern auch ausländische Quellen zu benutzen. In einigen europäischen Ländern sind wichtige Aktensammlungen vor Ablauf der (üblichen) dreißigjährigen Sperrfrist freigegeben und in einigen Fällen auch veröffentlicht worden. Diese Sammlungen bieten einige interessante Informationen über die italienische Haltung und Einschätzung. Auf russischer Seite enthält die ins Deutsche übersetzte Edition Michail Gorbatschow und die deutsche Frage13 die einschlägigen sowjetischen Protokolle der Parteisitzungen, Gespräche und die entscheidenden diplomatischen Akten. Den Anfang dieses Veröffentlichungsprozesses markierte aber 1998 die Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes,14 die der Rolle des deutschen Bundeskanzlers besondere Aufmerksamkeit schenkte. Nicht übersehen werden darf das Archivmaterial des Auswärtigen Amtes. Im Zuge des 20.  Jahrestages der Wiedervereinigung wurden im Jahre 2010 bereits zahlreiche Akten im Politischen Archiv des Außenministeriums zum Thema deutsche Einheit vorzeitig für die wissenschaftliche Nutzung freigegeben. Im selben Jahr erschien die britische Sammlung German Unification 1989–199015 in der die Rolle der britischen Premierministerin sowie die der prominentesten Mitglieder des ­Foreignund Commonwealth Office präsentiert wurden. Es folgte die Teilöffnung der­ 12 In Anbetracht dieser Hindernisse sind einige Veröffentlichungen der letzten Jahre bemerkenswert. Vgl. Varsori, L’Italia e la fine della guerra fredda, 19–47. Vgl. auch id., Italy the East European Revolutions and the Reunification of Germany 1989–1992, in: Wolfgang Mueller/Arnold Suppan/Michael Gehler (eds.), The Revolutions of 1989. A Handbook (Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2015), 403–418. 13 Alexandr Galkin/Anatolji Tschernjajew (eds.), Михаил Горбачев и гирманский вопрос, сборник документов 1986–1991 (Moskva: Izdate’stvo, 1996). Vgl. die deutsche Edition: Helmut Altrichter/Horst Möller/Jürgen Zarusky (eds.), kommentiert von Andreas Hilger, Michail Gorbatschow und die deutsche Frage: Sowjetische Dokumente 1986–1991 (München: Oldenbourg, 2011). 14 Bundesministerium des Innern unter Mitwirkung des Bundesarchivs (eds.), Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90, bearb. von Hanns Jürgen Küsters/Daniel Hofmann (= Dokumente zur Deutschlandpolitik; München: Oldenbourg, 1998). 15 Patrick Salmon/Keith Hamilton/Stephen Twigge (eds.), Documents on British Policy Overseas. Series III, Volume VII: German Unification 1989–1990 (London: Routledge, 2010).

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entsprechenden französischen Archive und die Veröffentlichung der Sammlung La diplomatie française face à la réunification allemande.16 Zuletzt muss unter den verschiedenen Veröffentlichungen von Dokumenten auch die vor kurzem erschienene Edition Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess17 erwähnt werden. Diese mittlerweile verfügbaren Quellen von verschiedenen Ministerien und privaten Stiftungen, die parallel analysiert werden können, ermöglichen dem Historiker nun, mithilfe von Selbstzeugnissen, Forschungsliteratur und Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, einen Beitrag zu einem besseren Verständnis der italienischen Rolle im Einigungsprozess zu leisten. Die Entscheidung, italienisches und ausländisches Archivmaterial parallel zu analysieren bietet zweierlei Vorteile. Zum einen wird es möglich, dank der ausländischen diplomatischen Akten einige „Lücken“ in der italienischen Dokumentation zu schließen. Zum anderen bieten ausländische Akten den Vorteil, die Haltung Italiens aus einer neuartigen Perspektive zu analysieren. Die zweite Schwierigkeit bei der Arbeit mit diesem Thema besteht darin, dass von einer einheitlichen Haltung Italiens nicht die Rede sein kann. Ganz im Gegenteil zeigt sich, dass es notwendig ist, von der Reaktion nicht eines Italiens, sondern von sozusagen verschiedenen Italien innerhalb und außerhalb des politischen Spektrums zu sprechen. Das ist durch die nationale historische Entwicklung des Landes vor und nach dem Zweiten Weltkrieg und durch die sozialen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen zu erklären. In Anbetracht der Komplexität dieses Themas, dessen auch nur partielle Diskussion viel Zeit in Anspruch nähme, beschränkt sich dieser Beitrag hauptsächlich darauf, die Differenzen zwischen dem so genannten offiziellen Italien, d. h. vor allem der Regierung und dem Außenministerium, und dem inoffiziellen Italien, d. h. der Welt der Printmedien, der Kultur und der großen und mittleren Industrie darzulegen. Somit werden verschiedene Analyseebenen in diesem Beitrag behandelt, und zwar nicht nur die offizielle Haltung der Regierungen unter Ministerpräsident Giulio Andreotti (1989–1992), sondern auch jene des, von Außenminister Gianni De Michelis (1989–1992) geleiteten, italienischen Außenministeriums, des diplomatischen Corps’, der Medien und der Wirtschaftswelt. Besonderes Augenmerk gilt den Verbindungen dieser verschiedenen Ebenen untereinander. Zunächst ist jedoch eine Anmerkung zu der in diesem Beitrag verwendeten Terminologie erforderlich. Die Bezeichnungen Wiedervereinigung, Vereinigung, Einigung, deutsch-deutscher Einigungsprozess oder deutsche Einheit werden in diesem Text als Synonyme benutzt. Sowohl in dem offiziellen staatlichen 16 Maurice Vaïsse/Christian Wenkel (eds.), La diplomatie française face à la réunification allemande. D’après des archives inédits (Paris: Éditions Tallandier, 2012). 17 Heike Amos/Tim Geiger (Bearb.), Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess, ed. von Horst Möller/Ilse Dorothee Pautsch/ Gregor Schöllgen/Hermann Wentker/Andreas Wirsching (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015).

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Italien, als auch im sogenannten inoffiziellen Italien wurde jedoch am häufigsten der Begriff deutsche Wiedervereinigung (Riunificazione tedesca) verwendet. Es geht um verschiedene Worte, die verschiedene Darstellungen derselben Ereignisse benennen. Der Titel dieses Beitrags benutzt das Wort Einigung, weil die BRD und die DDR nie zuvor Teil ein- und desselben Staates gewesen waren. Es handelt sich deshalb um einen Einigungsprozess, oder, juristisch betrachtet, um einen Prozess der Einverleibung.18 Das Wort Wiedervereinigung mag eine umstrittene Bezeichnung sein, nichtsdestotrotz kann es auf eine komplexe und interessante Geschichte zurückblicken. Schon 1989 wurde dieses Wort sogar von der deutschen Regierung oft verwendet, und zwar als „Kampfbegriff“;19 in anderen europäischen Ländern war seine Benutzung sowohl juristisch als auch psychologisch begründet. Von „deutscher Wiedervereinigung“ zu sprechen löste in Italien sehr unterschiedliche und auch starke emotionale Reaktionen aus, beispielsweise in den Medien. Es folgt daraus aber nicht, dass diese Reaktionen negativ waren. Ganz im Gegenteil zeigen die Ereignisse von 1989 das Ausmaß der positiven Veränderung in der italienischen Darstellung Deutschlands.

III. Das inoffizielle Italien Die italienische Perzeption Westdeutschlands veränderte sich in den Jahren, die dem Ende des Zweiten Weltkriegs folgten tatsächlich langsam, aber erheblich. In den fünfziger Jahren blickten die Journalisten, trotz der guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern auf bilateraler und europäischer Ebene, noch sehr skeptisch auf ein Land mit einer problematischen Identität und einer noch problematischeren Vergangenheit. Wenn wir die meistgelesenen italienischen Tageszeitungen betrachten, und zwar Il Corriere della Sera, La Stampa und La Repubblica, erkennen wir aber, dass diese Entwicklung im Laufe der Jahre nicht linear verlief. Positive und negative Phasen wechselten einander oft ab.20 Erst in den achtziger Jahren zeichnet sich ein wirklich differenziertes Deutschlandbild ab. Die Angst vor der deutschen Vergangenheit wurde langsam geringer und kritische Elemente rückten, wenn auch nur partiell, in den Hintergrund. 18 Vgl. z. B. Tullio Treves, Diritto internazionale. Problemi fondamentali (Milano: Giuffré Editore, 2005), 77–80. 19 Vgl. den Beitrag von Hanns Jürgen Küsters in diesem Band. 20 Zu den negativen Phasen gehören auch die Jahre nach dem Rücktritt Willy Brandts. Damals verschlechterte sich das Bild Deutschlands in den italienischen Medien deutlich. Der Höhepunkt dieser Phase der Verschlechterung wird 1977 mit dem Fall Kappler erreicht. In diesem Zusammenhang vgl. Eva Sabine Kuntz, Konstanz und Wandel von Stereotypen: Deutschlandbilder in der italienischen Presse nach dem Zweiten Weltkrieg (= Italien in Geschichte und Gegenwart Band 9; Frankfurt am Main: Lang, 1997), Kapitel 9. Vgl. auch den Aufsatz von Arnd Bauerkämper, Das umkämpfte Gedächtnis. Die Flucht Herbert Kapplers aus Italien 1977 und deutsch-italienische Erinnerungskonflikte, in: Zeit­geschichte 39 (2012), 178–204.

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Eine – wenn auch nicht eindeutige – Tendenz, die mit dem so genannten Fall der Berliner Mauer verstärkt wird. Trotz der Besorgnis, dass dieses Ereignis in einigen Artikeln21 hervorrief, trat in den Zeitungen weniger ein Gefühl der Angst, als vielmehr ein Gefühl der „kollektiven Umarmung“ (abbraccio collettivo)22 in den Vordergrund. Sogar die traditionelle emotionale Spaltung zwischen den beiden Ländern schien geringer zu werden. Dazu trug auch die Tatsache bei, dass Deutschland zu Europa gehörte; mit anderen Worten: die feste Einbindung der BRD in den europäischen Kontext stellte eine Garantie für eine Zukunft dar, in der auch ein geeinigtes Deutschland weiter als verlässliche Demokratie auftreten würde. Eine positive Veränderung lässt sich auch im kulturellen Bereich feststellen. Seit Anfang der achtziger Jahre ist in Italien nämlich die Rede von einem Boom der deutschen Kultur.23 Obwohl die Anzahl der Menschen, die sich in diesen Jahren mit der deutschen Sprache und Kultur beschäftigten relativ gering blieb, scheint eine solche Äußerung keine bloße Übertreibung zu sein. Ein wachsendes Interesse verbreitete sich nämlich sowohl in den Medien als auch in den privaten und öffentlichen Institutionen. Das Deutsche hatte also den Stellenwert einer Kultur- und Nischensprache, jedoch änderte sich dies stetig, weil das Interesse für und die Neugierde an Deutschland zunahmen.24 Die Liste der in den achtziger Jahren stattfindenden Veranstaltungen und Maßnahmen in Bezug auf die deutsche Kulturlandschaft ist beeindruckend. 1981–1982 finanzierte zum Beispiel die Stadt Rom ein „Projekt Deutschland“ für die Förderung und Intensivierung der Beziehungen zwischen italienischen und deutschen Autoren aller Gebiete. Das Goethe-Institut Rom organisierte zwei große Symposien über Martin Heidegger und Max Weber. In den anderen Goethe-Instituten Italiens wurden diese Initiativen zum Teil  zeitgleich übernommen, zum Teil  wurden unabhängig voneinander andere Veranstaltungen organisiert. So organisierte zum Beispiel das Goethe-Institut Palermo 1984 den Kongress „Pirandello und Deutschland“ und in Genua fand das Seminar „Die Anfänge der Ökologischen Bewegung in Deutschland“ statt.25 Außerdem ist bereits Mitte der 1980er-Jahre in Deutschland eine neue Sensibilität bezüglich der Bedeutung von Heimat und nationaler Identität, die auch in Italien mitrezipiert und diskutiert wurde, zu beobachten – Themen, die ­früher ausschließlich mit Samthandschuhen und großer Umsicht behandelt wurden.

21 Siehe die umfangreiche Artikelserie in Corriere della Sera „Paura della Grande Germania“ in den Monaten Juni – Juli 1990. 22 Vgl. zu diesem Ausdruck: Eva Sabine Kuntz, Konstanz und Wandel von Stereotypen, 353, 364. 23 Vgl. „Murnau – Manila – Minsk, 50 Jahre Goethe-Institut“ (München: C. H. Beck Verlag, 2001); Gian Enrico Rusconi, Cinquant’anni di successo. I Goethe-Institut in Italia (http:// www.goethe.de/ins/it/it/lp/uun/102523.html, zuletzt abgerufen am 11. August 2015). 24 Dieser Befund spiegelt Eindrücke der Autorin nach Lektüre verschiedener Zeitungen­ wider. 25 Siehe Fußnote 23.

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Das Goethe-Institut Turin organisierte zum Beispiel 1985 das Treffen „Auf der Suche nach Heimat, Nationalismus, Regionalismus und Identität in der zeitgenössischen italienischen und deutschen Literatur“. 1987 fand das Kolloquium „Welche Vergangenheit hat unsere Zukunft?“ zwischen italienischen und deutschen Zeithistorikern statt. Ernst Nolte, Renzo De Felice, Wolfgang Mommsen und Karl Dietrich Bracher sind nur einige der großen Namen in der Gruppe von Wissenschaftlern, die sich mit dem Thema „Geschichtsrevisionismus“ beschäftigten. Im selben Jahr eröffnete der italienische Staatspräsident Francesco Cossiga höchstpersönlich das Veranstaltungsprogramm des Kulturinstituts Roms mit der dokumentarischen Ausstellung „Der deutsche Widerstand im Dritten Reich“. Einige Wochen später besuchte die Abgeordnete Nilde Jotti als Ehrengast ein Symposium der italienischen und deutschen Verfassungsexperten. Kurz vor Weihnachten eröffnete der damalige italienische Außenminister Andreotti gemeinsam mit seinem deutschen Kollegen Hans-Dietrich Genscher die neue Zentrale des Goethe-Instituts in Rom.26 Alle diese Beispiele, aber auch die von der Villa Vigoni organisierten Veranstaltungen, zeigen, dass im Gegensatz zu den bekannten Klischees nicht nur deutsche Philosophie, sondern auch deutsche Soziologie, moderne und zeitgenössische Geschichte, Fragen der nationalen Identität – einschließlich derjenigen im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Vergangenheit – ein immer größeres Publikum fanden. Die Präferenzen spiegelten sich in einer Mischung aus Angst und Bewunderung wider, die auf eine emotionale und nicht immer ganz explizite Art und Weise die Beziehung der Italiener zu der sogenannten deutschen Frage und dem Fall der Berliner Mauer kennzeichnete. Dieser historische Abriss bot einen Überblick über die interessantesten Aspekte der Reaktionen in den schriftlichen Medien und in der Welt der Kultur. Trotzdem scheint er nicht ausreichend, um zu dem Schluss zu kommen, dass die italienische öffentliche Meinung den Einigungsprozess mit positiven Gefühlen betrachtete. Man darf dabei nämlich nicht vergessen, dass die italienische Presse zu dem Zeitpunkt noch einen elitären Charakter hatte. Die Zahl der Zeitungsleser war auch in den 1980er-Jahren, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, noch relativ gering. Einen guten Anhaltspunkt für die Wahrnehmung Deutschlands in der öffentlichen Meinung bieten aber die Ergebnisse der damaligen Meinungsumfragen. Als Beispiel kann eine Studie des Ende November 1989 durchgeführten Eurobarometers27 erwähnt werden. In dieser Umfrage, in der untersucht werden sollte, ob die Europäer für oder gegen eine eventuelle Wiedervereinigung seien, waren 80 % der Italiener dafür. In Anbetracht die26 Vgl. „Andreotti  e Genscher inaugurano la nuova sede del Goethe Institut“, AGI Agenzia giornalistica italiana, martedì 7 dicembre 1987 (http://archivio.agi.it/articolo/34239 4aa1a0b0928c8a147c4c5149729_19871207_andreotti-e-genscher-inaugurano-nuovasede-goethe-institut/ zuletzt abgerufen am 13. August 2015). 27 Eurobarometer 32 early release, flash November 1989, Eastern Europe and the Community, a Reunification of the two Germanies?

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ser und anderer ähnlicher Umfrageergebnisse28 erweist sich die Reaktion in den Printmedien und in der öffentlichen Meinung insgesamt homogener und positiver als in der politischen Elite. Die italienische Bevölkerung zeigte große Anteilnahme an diesem Ereignis sowie Enthusiasmus und Sympathie für die Deutschen; die Bilder, die von den Medien übertragen wurden, waren ein Zeugnis von Freude und Mitgefühl.29

IV. Das offizielle Italien und sein Verhältnis zur Bundesrepublik Im Bezug auf die politische Elite Italiens muss zunächst gesagt werden, dass auch in diesem Bereich das Wort „Wiedervereinigung“ öfter als das Wort „Einigung“ benutzt wurde. In diesem Fall scheinen die Gründe hauptsächlich juristischer Natur gewesen zu sein. Die Grundlage der italienischen Haltung gegenüber den deutschen Ereignissen bildeten, den diplomatischen Akten zufolge, folgende Dokumente: die Präambel des deutschen Grundgesetzes, der Brief zur deutschen Einheit anlässlich der Unterzeichnung des Moskauer Vertrags vom 12. August 1970, der Vertrag zwischen der BRD und der DDR von 1972, die Schlussakte von Helsinki30 und vor allem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Karlsruhe 1973. Diesem letzten Dokument zufolge bestand das Deutsche Reich von 1937 an als Völkerrechtssubjekt fort. Man ging davon aus, dass das Deutsche Reich den Zusammenbruch von 1945 überdauert habe. Deshalb durfte man in Italien von einer Wiedervereinigung sprechen, einer Wiedervereinigung die für Italien wegen des Problems der Grenzänderung unabsehbare Folgen hätte haben können. Aber noch Mitte 1989 hielt in den politischen Kreisen in Italien praktisch niemand eine Wiedervereinigung für aktuell und man ging gewiss nicht davon aus, dass sie schon wenige Monate später auf der Tagesordnung stehen würde.31 Je nach Parteizugehörigkeit, je nach nationalen politischen Zielen und der persönlichen Sensibilität fielen die Reaktionen auf den Einigungsprozess dann ganz unterschiedlich aus. Zum Beispiel schienen diese Ereignisse der italie-

28 Vgl. z. B. die Daten der verschiedenen Eurobarometer zwischen Oktober 1989 und Oktober 1990, die Umfrage im Auftrag der Zeitung Corriere della Sera Juni – Juli 1990, die internationalen Umfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach von September/Oktober 1989 und Oktober/November 1989. 29 Vgl. Ines Lehmann, Die deutsche Vereinigung von außen gesehen. Angst Bedenken und Erwartungen in der ausländischen Presse, Band 2 (Frankfurt: Lang, 1997), Die Presse Italiens, 228. 30 Vgl. Cenni storici sulla questione tedesca nel contesto dell’Atto finale di Helsinki, Mini­ stero degli affari esteri, Direzione generale affari politici, 16 novembre 1989, in: Istituto Luigi Sturzo (ILS), Archivio Giulio Andreotti (AGA), Sezione Europa, busta 382 Vertice di Parigi. 31 Vgl. Varsori, L’Italia e la fine della guerra fredda, 29–30.

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nischen Kommunistischen Partei (Partito Comunista Italiano, kurz PCI) die­ Möglichkeit zu bieten, ihrem Ziel eines immer engeren Bündnisses mit der SPD näher zu kommen.32 Von der Sozialistischen Partei wurden sie ebenfalls als Möglichkeit einer nationalen und europäischen Profilierung wahrgenommen und wurden dementsprechend Ende 1989 von Vizepremierminister Martelli und dem ehemaligen Ministerpräsidenten Bettino Craxi im Allgemeinen positiv kommentiert.33 Übrigens zeigten beide Parteien ein größeres Wahrnehmungsvermögen als die Christdemokratische Partei, die den Fall der Mauer anscheinend unvorbereitet mitverfolgte. Zudem war die Lage innerhalb dieser Partei mit allen ihren verschieden Strömungen höchst differenziert. Besonders positiv waren die ersten Reaktionen von Staatspräsident Cossiga,34 der großes Ansehen im Ausland und auch in Deutschland genoss, und der einer der wenigen italienischen Politiker war, der gute Kenntnisse der deutschen Kultur und Sprache besaß. Im Laufe der Jahre hatte er eine besondere Sensibilität für die innenpolitische Lage Deutschlands entwickelt, nicht zuletzt weil er 1961, als die Mauer errichtet wurde, als Gesandter seiner Partei in Berlin war.35 1989 behauptete er in Erinnerung an diese Zeit: „Jetzt bin ich in der glücklichen Lage, Zeuge einer historischen Phase von neuen Realitäten in den internationalen Beziehungen zu sein […]. Über dreißig Jahre lang habe ich alle osteuropäischen Ereignisse aus der Nähe verfolgt […]. In meinem Leben habe ich die Tragödie des Aufbaus der Berliner Mauer erlebt und war einer der ersten Westeuropäer, der sie überquerte.“36

32 Vgl. Rapporto sulla visita di Bonn 4–10 febbraio 1985, in: Archivio della Fondazione Gramsci, Carte del PCI (ACPI), Mikrofilm 0574, FASC8505. Vgl. auch Verschiedene­ Dokumente über die Jahre 1988–1989, in: ACPI, Sezioni Comitato Centrale, Direzione, Estero Germania.RFT, Mikrofilm 8912. 33 Vgl. Vorlage des Referatsleiters 203, Kuhna, für Staatssekretär Sudhoff. Italienische Haltung zur deutschen Frage nach den Deutschland-kritischen Äußerungen von MP Andreotti, 18. Dezember 1989 (= Dok. 32), in: Die Einheit, 176, Absatz 3. 34 Vgl. Fabrizio Dragosei, Cossiga l’unità tedesca „legittima aspirazione“, in: Corriere della Sera, 13. November 1989, 6. Vgl. auch Vorlage des Referatsleiters 203, Kuhna, für Staatssekretär Sudhoff. Italienische Haltung zur deutschen Frage nach den Deutschland-­ kritischen Äußerungen von MP Andreotti, 18. Dezember 1989 (= Dok. 32), in: Die Einheit, 174–178. 35 Vgl. Clio Pedone, L’uomo che guardò oltre il Muro. La politica estera italiana dagli­ euromissili alla riunificazione tedesca svelata da Francesco Cossiga (Soveria Mannelli: Rubbettino Editore, 2012), Capitolo III, 8, 9, 10. 36 „Adesso mi trovo nella felice posizione di vivere in un momento storico denso di nuove realtà nelle relazioni internazionali […] da oltre trent’anni ho vissuto da vicino tutte le questioni dell’Est europeo […] io ho vissuto un’esperienza tragica nella mia vita nel 1961: ho visto costruire il muro di Berlino e sono stato uno dei primi occidentali ad attraversarlo.“ Äußerungen von Präsidenten Francesco Cossiga in Washington, Center for International and Strategic Studies 12.10.1989, zitiert in: Clio Pedone, L’uomo che guardò ­oltre il Muro.

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Besonders schwer zu deuten ist hingegen die Position des Ministerpräsidenten Giulio Andreotti. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass seine Äußerungen vom September 198437 die bilateralen Beziehungen zumindest kurzfristig negativ belastet hatten: „Wir sind alle einverstanden, dass die zwei deutschen Staaten gute Beziehungen zueinander unterhalten. Dies ist ein Beitrag zum Frieden, den niemand unterschätzt. Doch sollte klar sein, dass man in diese Richtung nicht übertreiben darf, man muss erkennen, dass der Pangermanismus etwas ist, das überwunden werden muss. Es gibt zwei deutsche Staaten und zwei sollten es auch bleiben.“38

37 Für Andreottis Äußerungen kann man auf die sogenannte „Fatti di Innsbruck“ als Hintergründe verweisen; es ist sehr wahrscheinlich, dass De Gasperi seine Erfahrungen mit der „Fatti di Innsbruck“ nach 1945 an Andreotti weitergegeben hatte (und daher auch die Angst von Pangermanismus rührte). „Als 1984 – genau 80 Jahre nach den ‚fatti di Innsbruck‘  – deutschnationale Studenten im Innsbrucker Kongresshaus einen Freiheitskommers unter der Losung ‚Von Kufstein bis Salurn zum Vaterland!‘ veranstalteten, warnte Andreotti als italienischer Ministerpräsident auch angesichts der von Schützen durch die Stadt getragenen Dornenkrone (die an das Leiden der Tiroler angesichts der Landesteilung erinnern sollte!), davor, dass der ‚Pangermanismus‘ wieder sein Haupt rühre. Der italienische Christdemokrat merkte dabei an, dass im Übrigen niemand in Europa die deutsche Einheit wünsche. Die Teilung Deutschlands wurde als beste Lösung begriffen, kein europäischer Christdemokrat wagte dies aber so offen auszusprechen wie Andreotti, ehemaliger Sekretär De Gasperis, der 1984 in aller Hemmungslosigkeit artikulierte, dass es ein offenes Geheimnis sei, dass die Wiedervereinigung Deutschlands von keinem europäischen Staat gewünscht werde und es besser bei der Teilung bleibe. Am 13. September 1984 hatte Andreotti in Rom im Zusammenhang mit der kurzfristig verschobenen Reise des DDR-Staatschefs Erich Honecker in die Bundesrepublik u. a. öffentlich erklärt: ‚Wir sind alle einverstanden, daß die beiden deutschen Staaten gute Beziehungen haben. Das ist ein Beitrag zum Frieden, den niemand unterschätzt. Aber es muß klar sein, daß man in diese Richtung nicht übertreiben muß, daß heißt, man muß erkennen, daß der Pangermanismus etwas ist, das überwunden werden muß. Es gibt zwei deutsche Staaten und zwei deutsche Staaten müssen es bleiben.‘ Ein geteiltes und schwaches Deutschland sollte außerdem eine Garantie dafür sein, dass die Brennergrenze nicht wieder gefährdet werden würde.“ Siehe: Michael Gehler, Tirol im 20. Jahrhundert. Vom Kronland zur Europaregion (Innsbruck/Bozen/Wien: Tyrolia Verlag, 2008, zweite überarbeitete und aktualisierte Neuauflage: Innsbruck/Wien 2009), 33–35. Zur „Fatti die Innsbruck“ siehe auch: Michael Gehler/Günther Pallaver (eds.), Universität und Nationalismus. Innsbruck 1904 und der Sturm auf die italienische Rechtsfakultät (Trento: Fondazione Museo Storico, 2013). 38 „Noi siamo tutti d’accordo che le due Germanie abbiano dei buoni rapporti. Questo è un contributo alla pace che nessun sottovaluta. Però sia chiaro che non bisogna esagerare in questa direzione, cioè bisogna riconoscere che il pangermanismo è qualcosa che deve essere superato. Esistono due stati germanici e due stati germanici devono rimanere.“ in: „Queste le frasi all’origine del caso“, in: La Repubblica, 16. September 1984, 3. Für die Hintergründe vgl. Gehler/Pallaver (eds), Universität und Nationalismus. Vgl. Auch: Federico Scarano, Innsbruck e il conflitto per l’Università italiana nell’Impero asburgico agli albori del Novecento, in: Intra et Extra Moenia: Sguardi sulla città tra antico e moderno (Napoli: Giannini Editore, 2014), 185–190.

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Zudem kann man auch nicht leugnen, dass er noch Ende November 1989, unter anderem bei einem Gespräch mit Gorbatschow am 29. November 1989, eine gewisse Zurückhaltung zeigte:39 „M. S. Gorbačev: […] jetzt zur deutschen Frage. Sie in Westeuropa sind in dieser Hinsicht sehr feinfühlig. Sogar Mitterrand sagte, als man ihn in Anschluss an ein Gespräch mit Kohl danach fragte, dass er die Aussicht auf eine Wiedervereinigung insgesamt positiv sehe. Und erst dann begann er zu präzisieren, zu korrigieren, zu nuancieren. […] Die Wiedervereinigung von BRD und DDR ist keine aktuelle Frage. G. Andreotti: Das ist absolut richtig. […] Ich habe wiederholt gesagt, darunter auch kürzlich im Parlament, dies ist eine Nation, aber es sind zwei Staaten. Das ist unsere feste, sehr feste Haltung […] In Deutschland gibt es jetzt Wahlkalküle. Die Regierung fürchtet eine Stärkung der Republikaner. Daher auch die verschiedensten Improvisationen in der Art der gestrigen Kohl-Rede im Bundestag. […] Ich möchte Ihnen eine Frage stellen. Wo liegt die Ursache für eine so rasche Entwicklung der Ereignisse in der DDR? […] Wir waren auf eine solche Entwicklung der Ereignisse nicht vor­ bereitet […].“40

Auch die diplomatischen Akten des deutschen Auswärtigen Amts bestätigen dies: „Nach der plötzlichen Öffnung der Mauer am 09.11.1989 äußerte MP Andreotti sich nicht zu den Fragen der Zukunft beider deutschen Staaten, sondern mahnte, ‚Nerven zu behalten.‘ Ungeachtet der dramatischen Veränderungen in der DDR blieb er in der Folgezeit in mehreren Interviews dabei, daß die Frage der Wiedervereinigung ‚nicht aktuell sei.‘ Aktuell in ‚absehbarer Zukunft‘ sei vielmehr das Konzept: eine Nation – zwei Staaten […]. Grundsätzlich gehört MP Andreotti zu den Politikern, die bereits früh für eine positive Bewertung und Ermutigung der Reformprozesse in Mittel- und Osteuropa eintraten. Umso mehr fällt seine deutliche Zurückhaltung in der deutschen Frage auf. […] Nach dem ER in Straßburg sprach MP Andreotti […] vom ‚Recht – besser wäre Hoffnung‘ der Deutschen auf Wiedervereinigung. Er verfolgte auch hier die Tendenz, die deutsche Frage herunterzuspielen. Zu den Begriffen ‚Selbstbestimmung‘ und ‚deutsches Volk‘ aus der Erklärung des ER von Straßburg erklärte er, daß er statt dessen für den Begriff ‚freier Ausdruck des Volkswillens‘41 plädiert habe.“42

39 Vgl. Из беседы М. С. Горбачева с Дж. Андреотти Рим, 29 ноября 1989 года (= Dok. 54), Михаил Горбачев и гирманский вопрос, сборник документов 1986–1991. 40 Vgl. Gespräch Gorbačev mit dem italienischen Ministerpräsidenten Andreotti am 29. November 1989 (= Dok. 57), in: Michail Gorbatschow und die deutsche Frage: Sowjetische Dokumente 1986–1991. 41 Vgl. TD Rome 1538: Réflexions de M. De Michelis après Strasbourg, Ambassade de France en Italie, 13 décembre 1989, in: Archives du ministère des affaires étrangères (AMAE),­ Direction Europe, Série Italie, carton 6377, sous-série 11 dossier 3/2, période 1986–1990. 42 Vorlage des Referatsleiters 203, Kuhna, für Staatssekretär Sudhoff. Italienische Haltung zur deutschen Frage nach den Deutschland-kritischen Äußerungen von MP Andreotti, 18. Dezember 1989 (= Dok. 32), in: Die Einheit, 175.

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Wenige Monate später trafen sich in Pisa die Regierungschefs und Vorsitzenden der christ-demokratischen Parteien aus jenen zwölf europäischen Ländern, in denen sie an der Macht waren. Wie es scheint, spielte dieses Treffen eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der Haltung von Italiens Ministerpräsident.43 Anfangs wiederholte Giulio Andreotti seinen Standpunkt, dass zwei deutsche Staaten in Europa weiter bestehen sollten. Auf der Konferenz der Europäischen Volkspartei (EVP) in Pisa am 17. Februar 1990 konnte aber Kohl seine Politik durchsetzen indem er Missverständnisse aus den letzten Wochen aufklärte. Insbesondere zeigte Kohl, dass die Einheit Deutschlands keine Gefahren berge, sondern viele Chancen für die europäische Integration böte, da die Einheit nur im Rahmen des atlantischen Bündnisses und der Europäischen Gemeinschaft erreicht werden könne. Noch am Abend anlässlich einer Pressekonferenz fragte der Italien-Korrespondent der FAZ , Heinz Joachim Fischer, Andreotti, ob er noch der Meinung sei, dass die Existenz zweier deutscher Staaten wichtig für die Stabilität in Europa sei. Der italienische Ministerpräsident antwortete, dass er „die Dinge heute tatsächlich anders“ sehe. Der politische Kontext habe sich geändert und es gebe keinen Grund, die ihm von Helmut Kohl gegebenen Zusicherungen zu bezweifeln.44 Andreotti selbst behauptete Mitte Februar 1990 in einem Briefwechsel45 mit Staatpräsident Cossiga, dass vor diesem Treffen eine Wiedervereinigung ein­ avventura sconvolgente („ein unvorstellbares Abenteuer“) gewesen wäre. Die Garantie Kohls dafür, dass die Grenzen unverändert blieben und das Urteil von Karlsruhe dementsprechend bald verfallen würde, habe ihn dazu gebracht, seine ursprünglichen Vorbehalte zu relativieren. Vorausgesetzt die Grenzen bleiben unverändert und die politischen Interessen Italiens werden nicht verletzt, habe er keine Einwände gegen diesen Prozess. Im Einklang mit seinem üblichen Realismus und seiner Anpassungsfähigkeit ließ er also große Vorsicht walten. Diese Vorsicht vermittelte sowohl der italienischen Presse, als auch dem Ausland einen Eindruck von Starrheit und Mangel an Tatkraft in der Haltung seiner Regierung. Nachdem die Position des italienischen Ministerpräsidenten skizziert wurde, bleibt nun zu klären, was eigentlich die Interessen Italiens waren, die durch eine eventuelle deutsche Wiedervereinigung hätten gefährdet werden können und aus welchem Grund das Problem der Grenzänderung in der politischen Debatte Italiens eine zentrale Rolle spielte. Die rasche Entwicklung der deutschen inneren Lage zwang Italien binnen weniger Wochen eine Strategie zu erarbeiten. Diese berücksichtigte drei verschie43 Vgl. z. B. TD Rome 167: Andreotti, l’Allemagne et l’Europe, Ambassade de France en Italie, 29 février 1990, in: AMAE , Direction Europe, Série Italie, carton 6377, sous-série 11 dossier 3/2, période 1986–1990. 44 Michael Gehler, Deutschland. Von der Teilung zur Einigung 1945 bis heute (Wien/Köln/ Weimar: Böhlau, 2010), 340–341. 45 Vgl. Varsori, Italy the East European Revolutions and the Reunification of Germany, 409.

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dene Themenbereiche: einen europäischen, einen atlantischen und einen mitteleuropäischen.46 Die Bedingungen für eine Wiedervereinigung sollten innerhalb der Europäischen Gemeinschaft (EG), der Atlantischen Allianz (NATO) und der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) verhandelt werden. Die EG sollte den eigentlichen Rahmen zur deutschen Wiedervereinigung bilden. Darüber herrschte zwischen Regierung, Außenministerium und Parlament Übereinstimmung, vor allem in Bezug auf die Notwendigkeit einer raschen Vertiefung, insbesondere im Rahmen der Wirtschaftsunion,47 und die Beschleunigung des europäischen Integrationsprozesses. Innerhalb der NATO waren die äußeren Aspekte zu verhandeln und der KSZE-Prozess war der Rahmen, wo sowohl die Interessen Italiens in Mitteleuropa gewahrt werden sollten als auch die Sowjetunion miteinbezogen werden konnte. Wie De Michelis’ Äußerungen in Ottawa und Genschers Antwort „You are not part of the game“48 verrieten, herrschte in Italien somit großes Unbehagen, als man erfuhr und hinnehmen musste, dass die äußeren Aspekte der Wiedervereinigung in der Zwei-plus-Vier Formation49 und nicht innerhalb der NATO verhandelt werden sollten.50 Außerdem war die Lage auch dadurch erschwert, dass Italien im Gegensatz zu Frankreich noch nicht über effektive Strukturen des bilateralen Dialogs mit Deutschland verfügte. Im deutsch-französischen Verhältnis verfügte man über Institutionen, die sich bemühten, die Kontakte und das Verständnis zwischen den Beamten und auf allen Ebenen voranzutreiben. Italien hatte dies nicht und das beklagten die italienischen Vertreter in Bonn seit den 1970erJahren. Die deutsch-französischen Beziehungen waren gleichzeitig ein wünschenswertes Vorbild für Rom und ein Schatten auf dem Verhältnis zur Bundes­ republik.51 46 Vgl. Verschiede Akten in: ILS , AGA , Sezione Stati Uniti, busta 367 und Sezione Europa, busta 382. 47 Vgl. TD Rome 167 Andreotti l’Allemagne et l’Europe, 19 février 1990, in: AMAE , Direction Europe, Série Italie, carton 6377, sous-série 11 dossier 3/2, période 1986–1990. 48 Vgl. z. B. TD n.112 Télégramme de François Bujon de l’Estang, ambassadeur de France à Ottawa à Roland Dumas Ministre des affaires étrangères (= Doc. 38), 13.02.1990, in: Vaïsse/Wenkel, La diplomatie française, 218–221. Vgl. auch NATO -Ministerratstagung in Ottawa, 13 Februar 1990 (= Dok. 50), in: Die Einheit, 260–261. Die Aussage erschien umso brisanter, da Genscher erst gegen Ende der Sitzung in den Raum kam und es sich dabei um seine erste Wortmeldung gehandelt haben dürfte. Vgl.: Ibd. 49 Oder Vier-plus-Zwei, beide Bezeichnungen waren in Italien üblich. 50 Vgl. White House Background briefing, the visit of Prime Minister of Italy Giulio Andreotti, Monday, March 5, 1990, ILS , AGA , Sezione Stati Uniti, busta 367. Vgl. auch, Note: L’offensive diplomatique de M. de Michelis, 10 avril 1990, in: AMAE , Direction Europe, Série Italie, carton 6377, sous-série 11 dossier 1, période 1986–1990. 51 Die Genscher-Colombo Initiative von 1981 deutet auf den Versuch hin, sich von der Achse Bonn-Paris freizuspielen. In diesem Zusammenhang siehe Ulrich Rosengarten, Die Genscher-Colombo-Initiative. Baustein für die Europäische Union (Baden-Baden: Nomos, 2008).

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Einerseits brachte das Zwei-plus-Vier-Format einen uralten Minderwertigkeitskomplex der italienischen Politik wieder ans Tageslicht. In Anbetracht der diplomatischen und wirtschaftlichen Entwicklung der vorangegangenen Jahre hielt sich Italien für eine mittelgroße Staatsmacht, aber es fühlte sich von seinen Partnern nicht als solche wahrgenommen.52 Andererseits hatte sich die italienische Diplomatie in den achtziger Jahren trotz der politischen Spannung innerhalb des Landes sowohl in den traditionellen außenpolitischen Ausrichtungen als auch in der Profilierung seiner Rolle in Mittel- und Osteuropa besonders aktiv gezeigt. Die Errungenschaften des italienischen Außenministeriums, der Farnesina, und das Wahrnehmungsvermögen seiner Diplomaten in diesem letzten Bereich wurden von vielen anerkannt und gepriesen.53 Genau in diesem Bereich war Italien entschlossen, seine Stimme zur Geltung zu bringen. Das Interesse Italiens für Mittel- und Osteuropa und insbesondere für den Donauraum ist wohl die wichtigste Gemeinsamkeit der verschiedenen Seelen der Politik- und Wirtschaftswelt.54 Die „deutsche Frage“ wurde von Anfang an nicht als ein isoliertes Thema betrachtet, sondern als Bestandteil eines Prozesses, der ganz Mittel- und Osteuropa betraf, insbesondere Polen und Ungarn, die wichtigsten Partner Italiens in diesem Raum. Zum einen hatten die italienische Regierung und das Außenministerium eine Ostpolitik entwickelt – zunächst gedämpft, aber in den 1980er-Jahren mit großem Einsatz55 – die mit der vollen Unterstützung der Wirtschaft aufgenommen wurde, welche hoffte, durch die Vervielfältigung der politischen Kontakte sowie durch ökonomische Projekte und diplomatische Initiativen von der Beschleunigung des Öffnungsprozesses in Osteuropa zu profitieren. 1989 war Italien jenseits des „Eisernen Vorhangs“ nach der Bundesrepublik Deutschland und nur knapp nach Österreich der drittwichtigste Handelspartner Ungarns. Zum anderen war die BRD auf politischer und kultureller Ebene nicht nur einer der wichtigsten Gesprächspartner Italiens, sondern und vor allem auch der erste Wirtschaftspartner des Landes. Die BRD war schon 1987 mit mehr als 21 % der italienischen Importe das wichtigste Abnahmeland für italienische Produkte, gefolgt mit einigem Abstand von Frankreich.56 Darauf sollte jede 52 Dieser Eindruck stammt aus der Lektüre von nicht offiziell freigegebenen Akten. 53 Vgl. TD Rome 1377 Rencontre quadrilatérale de Budapest, 19 novembre 1989, in: AMAE , Direction d’Europe continentale, Série Hongrie, carton 6333, sous-série 11 dossier 1, pé­ riode 1986–1990. 54 Vgl. z. B. Note à monsieur le Ministre d’état/ministre des affaires étrangères: Les ­relations de l’Italie avec la Hongrie et la Pologne „une Ostpolitik“ économique offensive, janvier 1990, in: AMAE , Direction Europe, Série Italie, carton 6378, sous-série 11 dossier 5, période 1986–1990. 55 Vgl. z. B. Karlo Ruzicic-Kessler: Italy and Yugoslavia: From Distrust to Friendship in Cold War Europe, in: Journal of Modern Italian Studies 19 (2014) 5, 641–664. Vgl. auch Luigi Vittorio Ferraris, La Ostpolitik italiana e tedesca, in: Renato Cristin (ed.), Vie parallele/Parallele Wege, Italien in Geschichte und Gegenwart (Frankfurt am Main: Lang, 2005), 97–108. 56 Vgl. z. B. Positions des nos principaux concurrents sur le marché italien, in: AMAE ,­ Direction Europe, Série Italie, carton 6373, sous-série 8 dossier 5, période 1986–1990.

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Stellungnahme zum Thema Wiedervereinigung Rücksicht nehmen. Alle diese Elemente sind nicht wegzudenken, wenn man die Haltung Italiens gegenüber dem Einigungsprozess nicht nur auf politischer, sondern auch auf wirtschaftlicher Ebene verstehen will.

V.

Ein Landesspezifischer Schwerpunkt: Die Quadrangolare

Die Ostpolitik in salsa italiana,57 nach dem ironischen Ausdruck von Sandro Viola,58 hatte eine stark ausgeprägte innere Dynamik und eine wachsende Komplexität.59 Die Hauptziele Italiens waren wirtschaftlicher Natur, nämlich die Unterstützung und weitere Entwicklung der nationalen Wirtschaft auf diesen neuen osteuropäischen Märkten, sowie politischer Natur. In einem Europa, wo das Einflussvermögen der Achse Paris-Bonn immer größer wurde, sollte Italien als Vermittler zwischen Donauraum und Mittelmeer eine neue Rolle einnehmen. In diesem Zusammenhang entstand im November 1989 infolge eines mehrjährigen Prozesses der engen Kooperation zwischen Rom, Wien, Budapest und Belgrad das Projekt einer Quadrangolare.60 Es handelte sich dabei um eine zwischenstaatliche Struktur, die nicht die Absicht hatte, die bestehenden Allianzen zu ersetzen,61 sondern die Kooperation zwischen Ländern, die verschiedenen Allianzen angehörten, weiter zu fördern.62 Die Voraussetzung für den Erfolg dieses Projekts war Außenminister De Michelis zufolge die Beibehaltung aller bestehenden Grenzen von der Ostsee bis zum Mittelmeer, d. h. Veränderung in der Stabilität. Dies erklärt zumindest teilweise die ursprünglichen Bedenken Italiens gegenüber der Dynamik, die die deutschen Ereignisse hätten verursachen können. Eine Änderung der deutschen Grenzen hätte erhebliche Folgen für das Schicksal der Quadrangolare und die bilateralen Beziehungen zu Polen haben 57 Mit italienischem Geschmack. 58 Vgl. Sandro Viola, Andreotti  a Varsavia continua la piccola Ostpolitik italiana, in: La­ Repubblica, 20. Dezember 1984. Vgl. Sandro Viola, Una „Ostpolitik“ in salsa italiana, in: La Repubblica, 30. November 1983. 59 Vgl. z. B. Note l’Italie et les pays de l’Est, 17 mars 1987, in: AMAE , Direction Europe, Série Italie, carton 6378, sous-série 11 dossier 5, période 1986–1990. 60 Vgl. z. B. Emil Brix, Die Mitteleuropapolitik von Österreich und Italien im Revolutionsjahr 1989, in: Michael Gehler/Maddalena Guiotto (eds.), Italien Österreich und die Bundesrepublik Deutschland in Europa. Ein Dreiecksverhältnis in seinen wechselseitigen Beziehungen und Wahrnehmungen von 1945/1949 bis zur Gegenwart (Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2012), 455–467. 61 Vgl. Initiative quadrilatérale de l’Italie, la Hongrie, l’Autriche et la Yougoslavie, 13 novembre 1989, in: AMAE , Direction d’Europe Continentale, Série Hongrie, carton 6333, soussérie 11 dossier 1, période 1986–1990. 62 Vgl. Cooperazione Quadrangolare. A firma del segretario generale, 15 novembre 1989, in: ILS , AGA , Sezione Europa, busta 382, Vertice di Parigi. Vgl. auch Fußnote: Initiative pentagonale, Motivations italiennes, 30 août 1990, in: AMAE , Direction Europe, Série Italie, carton 6377, sous-série 11 dossier 1, période 1986–1990.

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und außerdem die heikle Frage Südtirol in einem multilateralen Kontext reaktivieren können.63 Vorgänger und Modell der Quadrangolare zugleich war die genau elf Jahre zuvor entstandene Arbeitsgemeinschaft Alpe Adria. Der geographische Raum, auf den sich beide bezogen, war (mit Ausnahme von Bayern) derselbe. Sie war nicht entstanden, um die Arbeitsgemeinschaft Alpe Adria zu ersetzen, sondern um sie zu ergänzen. Die Quadrangolare hätte die durch eine rein lokale Integration entstandenen Gefahren abgemildert; die Alpe Adria hatte den Vorteil, eine regionale Struktur zu sein, die jederzeit eine Reihe von sozialen, ökonomischen und gewerkschaftlichen Netzwerken mobilisieren konnte und den Menschen näher stand.64 Zudem bot die Teilnahme Bayerns an der Alpe Adria die Möglichkeit, den Kontakt zu Deutschland zu bewahren. Anfangs beinhalteten alle diese Initiativen keinen anti-deutschen Charakter, d. h. sie wurden nicht ins Leben gerufen, um der Wiedervereinigung zu trotzen oder sie zu verlangsamen. Obwohl man sich vor einer möglichen Ausweitung des Einflusses Deutschlands im Osten gewissermaßen fürchtete,65 erkannte selbst Italiens Außenminister De Michelis, dass eine Umstrukturierung Mitteleuropas ohne eine vollständige deutsche Beteiligung undenkbar wäre. Für die Zukunft dürfe deshalb die Möglichkeit einer Beteiligung der Schweiz und Deutschlands, oder wenigstens ­Bayerns, an dem im Bereich zwischen den Alpen, der Donau und der Adria von Italien geförderten Kooperationsprojekt nicht ausgeschlossen werden.66

63 Zum Thema vgl. insbesondere Emil Brix, Die Mitteleuropa Politik von Österreich und Italien im Revolutionsjahr 1989, in: Michael Gehler/Maddalena Guiotto (eds.), Italien Österreich und die Bundesrepublik Deutschland in Europa. Ein Dreiecksverhältnis in seinen wechselseitigen Beziehungen und Wahrnehmungen von 1945/1949 bis zur Gegenwart (Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2012), 455–469. Vgl. auch Luciano Monzali, Giulio­ Andreotti  e le relazioni italo-austriache 1972–1992 (Meran: Edizioni Alphabeta Verlag, 2015). 64 Vgl. TD Rome 175 Communauté de travail Alpe Adria, in: TD Rome 1377 Rencontre quadrilatérale de Budapest, 19 novembre 1989, in: AMAE , Direction Europe, Série Autriche, carton 6176, sous-série 13 dossier 7, période 1986–1990. 65 Vgl. La Yougoslavie et la coopération régionale, Michel Chantelais ambassadeur en Yougoslavie à son excellence Roland Dumas ministre des affaires étrangères, 14 mai 1990, in: AMAE , Direction Europe, Série Autriche, carton 6176, sous-série 13 dossier 7, période 1986–1990. 66 Vgl. TD Rome 1377 Rencontre quadrilatérale de Budapest, 19 novembre 1989, in: AMAE , Direction d’Europe continentale, Série Hongrie, carton 6333, sous-série 11 dossier 1, période 1986–1990.

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VI. Italien und sein Verhältnis zur Deutschen Demokratischen Republik Ob auch die Beziehungen zur DDR einen Einfluss auf die Einschätzung und Haltung Italiens gegenüber dem deutsch-deutschen Transformationsprozesses hatten, ist die letzte Frage, die hier noch untersucht werden soll. Nach der Gründung der DDR konzentrierte die christdemokratische italienische Regierung, zuerst unter der Leitung von Ministerpräsident Alcide de Gasperi, ihre Deutschlandpolitik auf die Bundesrepublik.67 Die engen Beziehungen zur Bundesrepublik blieben ebenso wie die Distanz gegenüber der DDR bzw. die Nullbeziehungen, oder besser gesagt die Nichtanerkennungspolitik, bis Anfang der siebziger Jahre eine Konstante der italienischen Außenpolitik. Im Windschatten dieser politischen Entscheidung, eine offizielle Anerkennung zu verweigern, entwickelte sich jedoch ein komplexes Netz von inoffiziellen, d. h. nichtstaatlichen Kontakten auf verschiedenen Ebenen, die vor allem von gesellschaftlichen Akteuren wie Stiftungen, Gewerkschaften und insbesondere Parteistrukturen der Linken Italiens gepflegt wurden. Im Verhältnis zwischen den beiden Staaten spielten somit die Beziehungen der kommunistischen Parteien, der PCI und der SED, vor allem auf kultureller Ebene eine zentrale Rolle. Ostberlin pflegte im Rahmen der Westkontakte intensive und starke Beziehungen zu den italienischen Kommunisten. In diesem Kontext einer stark durch die Democrazia cristiana (DC)68 und den PCI polarisierten innenpolitischen Lage entwickelte sich auch ein propagandistisch gefärbtes Bild der DDR als das andere und das bessere Deutschland, dass bei den linksorientierten Intellektuellen, insbesondere den kommunistischen, und Zeitungen wie l’Unità, bis in die siebziger Jahre großen Anklang fand. Erst nach 1973 kam es auch auf Regierungsebene zu Beziehungen. Eine parallele Zunahme des wirtschaftlichen Austausches erfolgte jedoch nicht.69 Abgesehen von einzelnen innenpolitisch motivierten Profilierungsbestrebungen waren die Kontakte zwischen Italien und Ost-Berlin somit keineswegs mit den Kontakten zwischen Rom und Warschau oder Budapest vergleichbar. Die DDR sei weiterhin keine eigene Nation, so Alberto Indelicato, der letzte italienische Botschafter in der DDR .70 Trotzdem Italien eine eigenständige DDR-Politik ver67 Außerdem schien ein vielschichtiges Ressentiment gegenüber „Preußen“ in den diplomatischen Kreisen Italiens auch dazu zu führen, ein südliches und katholisches Deutschland vorzuziehen. Im Bezug auf diese These vgl. Charis Poethig, Italien und die DDR : die politischen ökonomischen und kulturellen Beziehungen von 1949 bis 1980 (Frankfurt am Main: Lang, 2000), Teil I und II und Schlußbetrachtung. 68 Christdemokratische Partei Italiens. 69 Vgl. z. B. Politisches Archiv des Auswärtiges Amtes (PA AA), MfAA (Akten des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten des DDR)-ZR 1843/86, Scambi commerciali dell’Italia con l’Est 1981–1983. 70 Vgl. Alberto Indelicato, Memorie di uno stato fantasma. BERLINO 1987–1990 (Torino:­ edizioni Lindau, collana I Draghi, 2004).

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folgte kam es nicht zu einem Prioritätenkonflikt, da die Bindung zur BRD durchgehend stärker blieb. Außerdem erfolgte seit den 1970er-Jahren auch eine gewisse ideologische Distanzierung der PCI von Moskau und vor allem von Ostberlin, dessen Positionen und ideologischer Dogmatismus immer weniger akzeptabel waren.71 Die Entwicklung der eurokommunistischen Idee und vor allem die Zielsetzung in den 1980er-Jahren, ein stärkeres Bündnis mit den sozialistischen westeuropäischen Parteien und insbesondere mit der deutschen SPD anzuknüpfen, waren schlechte Voraussetzungen für eine Kooperation zwischen SED und PCI.

VII. Schlussbemerkung Zusammenfassend stellt demnach der Mauerfall eine Zäsur im italienischen Diskurs über Deutschland dar. Die vorausgehende Periode, die achtziger Jahre, war von einem manchmal voluntaristischen Einfrieren alter Klischees und Stereotype gekennzeichnet. Um Bilder abzumildern, die die gegenseitige Wahrnehmung jahrzehntelang negativ belastet hatten, waren die Stellungnahmen äußerst vorsichtig geworden, vor allem nach den Äußerungen des Ministerpräsidenten Giulio Andreotti aus dem Jahr 1984. Hat jedoch der Verzicht auf solche Stereotypen die gegenseitige Kenntnis grundlegend verändert oder hat er auch eine gewisse Leere zur Folge? Der berühmte italienische Politologe Gian Enrico Rusconi und die Historiker Thomas Schlemmer und Hans Woller sprachen in Bezug auf die Entwicklung der deutsch-italienischen Beziehungen nach der Wiedervereinigung von einer „schleichenden Entfremdung“.72 Auf diese Weise verfalle eine jahrzehntelange Tradition des Austausches und der Kooperation zwischen italienischen und deutschen Christdemokraten sowie zwischen der deutschen Sozialdemokratie und den Linken Italiens. Den Rest besorge Silvio Berlusconi.73 Es handelt sich hierbei um eine umstrittene These, die von einigen Experten und Kulturbeauftragten unterstützt und von anderen heftig kritisiert wird. 71 Vgl. Francesco di Palma, Die SED, der PCI und der Eurokommunismus (1968–1989). Akteure, Netzwerke und Deutungen, in: Arnd Bauerkämper/Francesco di Palma (eds.), Bruderparteien jenseits des Eisernen Vorhangs. Die Beziehungen der SED zu den kommunistischen Parteien West- und Südeuropa (1968–1989) (Berlin: Ch. Links Verlag, 2011), 149–168. Vgl. auch Fiammetta Balestracci, Zwischen ideologischer Diversifizierung und politisch kulturellem Pragmatismus. Die Beziehungen zwischen der Partito Comunista italiano und der SED (1968–1989), in: ibd., 167–196. 72 Vgl. Gian Enrico Rusconi/Thomas Schlemmer/Hans Woller (eds.), Schleichende Entfremdung? Deutschland und Italien nach dem Mauerfall (München: Oldenburg Verlag, 2009). 73 Vgl. Gian Enrico Rusconi, Die politischen Wurzeln der schleichenden Entfremdung, in: Gian Enrico Rusconi/Thomas Schlemmer/Hans Woller (eds.), Schleichende Entfremdung? Deutschland und Italien nach dem Mauerfall, zitiert in: Friederike Hausmann, Die Deutschen und ihre Nachbarn: Italien (München: C. H. Beck Verlag), 217.

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Manche Historiker und Germanisten sprechen lieber von der Dichte und der Qualität dieser bilateralen Beziehungen. Auf politischer Ebene ist eine deutliche Entfremdung anscheinend nicht zu leugnen. In den 1990er-Jahren wurden die Kräfte Italiens zuerst hauptsächlich vom Zusammenbruch der „ersten Republik“74 und von den politischen Skandalen, in die manche damalige Politiker verwickelt waren, absorbiert und dann von der schwierigen Gründung der so genannten „zweiten Republik“ und den weitreichenden wirtschaftlichen Reformen, die mit der Zielsetzung einer gemeinsamen europäischen Währung einhergingen. Deutschland musste sich darauf konzentrieren, die von der Wiedervereinigung verursachten Folgen und Probleme zu lösen und seine Rolle im Kontext einer völlig neuen europäischen und internationalen Lage zu definieren. Nichtsdestotrotz sollten einige Elemente nicht in Vergessenheit geraten. Die Ursachen dieser negativen Entwicklung liegen nämlich nicht in ungelösten kritischen Konfliktelementen im bilateralen Verhältnis zwischen Italien und Deutschland, sondern vielmehr darin, dass es Italien nicht leicht fiel, grundlegende innere Reformen zu verwirklichen und sich gleichzeitig der neuen internationalen Ordnung anzupassen. Außerdem hat die Tatsache, dass sich in letzter Zeit die italienischen Medien hauptsächlich mit der inneren Lage beschäftigt haben (und falls sie den Blick über die Alpen warfen, dann nur um die wirtschaftlichen Streitereien zu beschreiben) die Lage weiter verschlechtert. Nicht nur die Beziehungen zu Deutschland haben darunter gelitten, sondern auch die Kooperation mit anderen europäischen Partnern und selbst das Verhältnis zur Europäischen Union. In diesem Zusammenhang wäre es vielleicht treffender, von einer verpassten Chance als von einer schleichenden Entfremdung zu sprechen. Dem offiziellen staatlichen Italien fehlten einfach die Zeit, die Energie und nicht zuletzt die Ressourcen, um sich der Vertiefung dieser Beziehungen, ebenso wie der Neudefinierung seiner Rolle im europäischen Kontext zu widmen. Zudem scheinen nach dem Ende der sogenannten Jalta-Ordnung die Maßstäbe des bilateralen Verhältnisses nicht mehr aktuell und die alten politischen Kommunikationskanäle  –

74 Es geht um einen umstrittenen Begriff. Dadurch beschreibt man den Umbruch zwischen den Phasen vor und nach den Reformen, Umstrukturierungen und politischen Skandalen von 1992/1994. Man benützt den italienischen Ausdruck „Prima Repubblica“ um die Periode zwischen 1948 und dem Anfang der 1990er-Jahre zu beschreiben, während die Bezeichnung „Seconda Repubblica“ mit der Phase nach 1992–1994 identifiziert wird. Drei Ereignisse markierten das Ende der ersten und die Geburt der zweiten Republik und zwar die politischen Skandale von 1992, das neue Wahlgesetz von 1993 und der Wahlsieg von Silvio Berlusconi im Jahr 1994. Der Ausdruck „Seconda Repubblica“ wurde nicht nur von Journalisten, sondern auch von Mitgliedern der italienischen politischen Klasse verwendet, wie z. B. 2002 vom Präsidenten des Senats Marcello Pera und 1993 vom Minister­ präsidenten Giuliano Amato. Vgl. z. B. Giorgio Galli, I partiti politici italiani (1943–2004) (Milano: Rizzoli, 2004).

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nämlich die des Austauschs und Zusammenwirkens der damaligen größten Parteien, der Democrazia Cristiana und der Partito Comunista auf italienischer Seite, der CDU/CSU und der SPD auf deutscher – nicht mehr brauchbar. Auf beiden Seiten erwies es sich als schwierig, ein angemessenes Bild des anderen zu entwickeln, um dieses Vakuum zu füllen. Abschließend muss ein weiteres Element, eine Tendenz erwähnt werden: die fortschreitende Regionalisierung von Kontakten. Dieser Trend wird besonders auf wirtschaftlicher Ebene immer deutlicher, sei es in Form von interregionalen Kooperationsprojekten in der Alpengrenzregion, in Form von Euroregionen oder einfach als wachsende Zusammenarbeit, zum Beispiel zwischen dem Nordosten Italiens und Bayern. Diese Entwicklung wirkt sich sowohl im lokalen kulturellen Austausch als auch in der Vertiefung von politischen Kontakten auf regionaler Ebene und im von den einheimischen Medien vermittelten Deutschlandbild positiv aus. All diese Elemente gehen in die Richtung einer zumindest partiellen Relativierung der „Entfremdungs“-These. Wenn nämlich von einer schleichenden Entfremdung die Rede sein kann, dann erst auf dem Gebiet der hohen Politik. Sowohl auf kulturellem als auch auf wirtschaftlichem Gebiet zeichnet sich hingegen keine besonders deutliche Verschlechterung, sondern eine stetige Verbesserung ab. Deutsch mag auch heutzutage noch eine Nischensprache sein, eine Elitensprache ist es in Italien allerdings seit langem nicht mehr. Zudem haben sich die Dimensionen dieser Nische nach dem Fall der Mauer weiter vergrößert. Hier ist nicht nur der Beitrag der Goethe-Institute und der Kulturinstitute im Allgemeinen erwähnenswert, sondern auch die Tatsache, dass zwischen 2004 und 2007 sowohl in den staatlichen als auch in den privaten Schulen der Anteil des Deutschunterrichts75 leicht gestiegen ist.76 Die Wirtschaftskrise von 2008 hatte kontroverse Folgen. An den Sprachzentren der Universitäten und in den Kursen der Goethe-Institute war sie eine weitere Anregung zum Erlernen der deutschen Sprache. An den Grund- und Sekundarschulen war dies jedoch nicht der Fall.77 75 Die Anzahl der Deutschschüler an den italienischen Schulen ist zwischen 2004 und 2006 in absoluten Zahlen von 283.947 auf 327.907 gestiegen. Der Gesamtanteil der Deutschlerner ist dabei von 4,7 % auf 4,9 % gewachsen. Der Zuwachs sieht an den Sekundarschulen besonders deutlich aus. Dieser in absoluten Zahlen ausgeprägte Zuwachs von 37 % ist höchstwahrscheinlich der Einführung einer zweiten Fremdsprache an italienischen Schulen zuzuschreiben (http://www.goethe.de/ins/it/de/lp/lhr/acv/mat/2652843/2652915. html, zuletzt abgerufen am 18. Januar 2016). 76 Siehe: Ulrike Stepp, Im Zeichen von „Erasmus“. Deutsch-italienischer Universitätsaustausch und europäische Integration, in: Gian Enrico Rusconi/Thomas Schlemmer/Hans Woller (eds.), Schleichende Entfremdung? Deutschland und Italien nach dem Mauerfall (München: Oldenburg Verlag, 2009). 77 In den letzten Jahren ist die Anzahl der Deutschlerner an den Schulen in Italien rückläufig, unter anderem weil viele Schulen lieber den Unterricht der englischen Sprache ausgebaut

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In Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung fasst folgendes Zitat zusammen wie vielfältig und keineswegs problematisch das deutsch-italienische Verhältnis ist: „Dank den Vorteilen des EU-Binnenmarkts und der langjährigen Freundschaft unserer zwei Nationen sind die Beziehungen zwischen den italienischen und deutschen Unternehmern so eng geworden, dass die Bezeichnungen ‚Zusammenarbeit‘ und ‚Kooperation,‘ wenn auch korrekt, nicht mehr ausreichend sind, um sie zu beschreiben und sollten durch die Ideen ‚Synergie‘ und ‚Integration‘ ergänzt werden.“78

Parallel sind die interkulturellen Distanzen unter den Angehörigen der jungen Generation in den Jahren nach dem Mauerfall immer geringer geworden. Das alte Deutschland, sei es das romantische, das preußische oder auch das Land des Wirtschaftswunders, war in Bildern gespeichert, die irgendwie – positiv oder negativ – vertraut waren. Nach der Wiedervereinigung war die Verbreitung abgeleierter Stereotype über Deutschland nicht mehr gesellschaftsfähig. Trotzdem blieb Deutschland in mehrerlei Hinsicht sowohl für die öffentliche Meinung als auch für die politische Elite eine Terra incognita. Der positive, wachsende wirtschaftliche und kulturelle Austausch und das stetige Zusammenwirken haben aber dazu geführt, dass weitere alte Stereotype immer seltener hochgekommen sind und neue Vorstellungen die alten langsam ersetzt haben. Zu dieser positiven Entwicklung hat der europäische Integrationsprozess nicht nur auf ökonomischer, sondern auch auf kultureller Ebene maßgeblich beigetragen. Durch Austauschprogramme wie Erasmus und viele andere Initiativen wurde das Problem Terra incognita stark relativiert. Junge Deutsche studieren in Florenz, Bologna oder Mailand, italienische Studenten in Städten wie München, Hamburg oder Berlin. Nach dem Mauerfall ist eine Zunahme sowohl bei den deutsch-italienischen Hochschulkooperationen, als auch bei der Zahl der Austauschstudenten in beiden Staaten festzustellen. Das Kennen­ lernen des anderen hat sich dementsprechend fast zur Normalität entwickelt – dies dürfte insgesamt ein europäisches Phänomen sein. Unmittelbar nach der vollzogenen Einheit ist diesbezüglich der Vorstellung über Deutschland tatsächlich ein gewisses Vakuum entstanden, welches aber im Laufe der folgenden Jahre partiell mit neuen Assoziationen gefüllt werden

haben und Spanisch als 2. Fremdsprache anbieten. Die Lehrerstellen für Deutsch sind an den Schulen deswegen weniger geworden. Diese Behauptung relativiert sich jedoch zumindest partiell bei der Betrachtung der regionalen Verteilung, insbesondere im Norden Italiens. 78 „Sfruttando i vantaggi del mercato unico europeo e traendo linfa dall’amicizia di lunga data tra le nostre due Nazioni, i legami fra imprese italiane e tedesche sono divenuti così stretti che i concetti di ‚collaborazione‘ o ‚cooperazione‘, pur se corretti, risulterebbero insufficienti a descriverli e dovrebbero essere completati dalle idee di ‚sinergia‘ e ‚integrazione‘.“ in: Marco Mutinelli, Rapporto sugli investimenti diretti tedeschi in Italia e italiani in Germania (Milano: Università degli Studi di Milano, 2011).

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konnte. Den Grundstein für andere, ebenso positive Entwicklungen ist mit a­ ller Wahrscheinlichkeit schon gelegt worden. Auch wenn der Weg lang und h ­ olprig sein mag ist eine Verbesserung der Beziehungen zwischen einem geeinten Deutschland und Italien in jeder Hinsicht und auf allen Ebenen wünschenswert, nicht zuletzt auch als Beitrag zum Erfolg des europäischen Integrationsprojekts.

Andreas Stergiou

Greece, German Reunification, and the 1995 EU Enlargement

Greek society seems to be the most identifiable example of the combination of anti-Europeanism with anti-Germanism. More precisely, everything that appears to have boosted mighty Germany, for example German Reunification or EU-enlargement with German-friendly countries, has been perceived negatively by most Greeks. Thus, someone could argue that Greece’s “mastery of its past” (Vergangenheitsbewältigung) towards Germany constitutes a Greek “Sonderweg” among the European Nations.1 Two main reasons have accounted for this: the bitter memories of the Greek population from the very harsh Nazi-occupation during World War II coupled with Greek popular demands for compensation/reparations2 and the widely prevalent view that it was Berlin’s authoritative behaviour that led to the EU austerity policy in Greece after 2010.3 Still, intrumentalising anti-German feelings and resentments throughout the twentieth Century has always been a very effective method for stirring up Greek nationalism or, more usually, capitalising on political misfortunes and malfeasances by laying the blame on German policy. The aim of this chapter is to shed light on this political-social phenomenon, focusing in particular on the period around German Reunification and until the 1995 EU-enlargement that brought Austria into the European Union.

1 A poll carried out in February 2012 (Survey carried out by VPRC -company) showed that 32.4 percent of Greeks associated Germany with Hitler, Nazism and the Third Reich and 77 percent agreed that the country exerted a “Fourth Reich policy”. This is quite typical in Greek political culture and in Greek politicians’ traditional modus operandi of putting personal and narrow political interests above national interests and of transferring responsibility for failures and omissions to external factors. 2 In the wake of the turbulent negotiations between Athens and its creditors about the bail-out packages, various Greek politicians publicly asked Berlin to pay World War II reparations and the Greek Minister of Justice threatened to seize German properties as compensation. A recent survey (carried out by the Observatory of Radicalism at the University of Macedonia, June 2015) reveals that rejection of reparations-claims by the German government might have motivated the Greek public to demonstrate in the streets more than any other issue, including public spending cuts, international peace or even EU’s decision to stop funding the Greek state. 3 Survey carried out by the Public Opinion Research Institute of the University of Macedonia, April 2014.

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I.

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Brief Overview of Greece’s Relationship to the Two German States

The history of Greek-German relations has been  a very long and complicated one. Greece’s first modern king, Otto Prince of Bavaria, installed in 1832 by the European powers of the time, was of German origin. His unpopular reign led to an insurrection and his expulsion from Greece in 1862. During the First World War, the question whether Greece should enter the war against Germany, as the Entente wished at the time, sharply divided Greece, leading to the establishment of two parallel governments on Greek territory.4 German influence in Greece increased rapidly during the 1930s through growing trade ties. Balkan agricultural resources formed a natural complement to the expanding German industrial plants. Germany’s dominant position in Greece’s import and export trade by the end of the 1930s was related particularly to the main Greek export commodity, tobacco.5 Athens used its credits to steadily increase its arms purchases from Berlin, which also delivered production equipment to the Greek armed forces and the Greek armament industry.6 During the Second World War, Nazi Germany invaded and occupied Greece. From 1942 onwards a resistance movement came into existence. The campaign against guerillas became the Wehrmacht’s main concern in Greece. When liberation from Nazi-Germany came in the autumn of 1944, over a thousand villages had been razed, one million Greeks had seen their homes plundered and burned, their crops damaged, and their churches despoiled. More than 20,000 civilians had been killed or wounded, shot, hanged, or beaten by Axis troops.7 As a result of Greece’s occupation by the Nazis and their allies, the Bulgarians and the Italians, the country’s economy dramatically declined. Occupied Greece had to support the occupying forces in many ways: cover their living costs and the costs of quartering occupation troops in the country, and meet the needs of 4 Greek Prime Minister Venizelos vehemently supported joining the Entente, whereas King Constantine, married to the sister of Kaiser Wilhelm II and impressed by the strength of the German Army, opposed Venizelos’s foreign policy, which, nevertheless, eventually prevailed. Chris Woodhouse, Modern Greece: A Short History (London: Faber and Faber, 1968), 194–195. 5 Ronald Schönefeld, Wirtschaftliche Kooperation unter Krisenbedingungen. Deutsch-Grie­ chische Handelsbeziehungen in der Zwischenkriegszeit, in: Institute for Balkan Studies (ed.), Griechenland und die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen Nachkriegseuropas. Drittes Symposium organisiert in Thessaloniki and Ouranopoulis, Halkidiki von 23–27. Juni 1989 vom Institut für Balkan-Studien und der Südosteuropa-Gesellschaft München (Thessaloniki: Institute for Balkan Studies, 1991), 143–159. 6 Victor Papacosma, Ioannis Metaxas and the “Fourth of August” Dictatorship in Greece, in: Bernd Fischer (ed.) Balkan Strongmen. Dictators and Authoritarian Rulers of South Eastern Europe (Indiana: Purdue University, 2007), 165–198, here 190. 7 Mark Mazower, Inside Hitler’s Greece: The Experience of Occupation, 1941–1944 (New Haven/London: Yale University Press, 1993), 156.

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the German Reich for food and natural resources. What was left to the Greek government was completely insufficient to provide for its own population, and accordingly, mass starvation ensued. In the meantime, conditions had already been aggravated by the deterioration in the food supply situation, following the ceding of the Macedonian and Thracian surplus territories to Bulgaria, while significant losses in produce had been triggered by the occupation policy.8 A remnant of the German Occupation was the so-called forced occupation loan, imposed on Greece by the occupying German and Italian forces under the terms of a unilateral decision taken in Rome on 14 March 1942. The decision on the loan was subsequently notified to the collaborationist government in Athens, and although it did include  a repayment clause, it has never been completely redeemed aside of two loan repayment installments German occupators paid while still being in Greece.9 Paradoxically, Greece was one of the first formerly occupied countries to promote post-war reconciliation with Germany. With regard to anticipated economic benefits, post-war normalisation of Greek-German relations started with the reopening of Greece’s general consulate in Bonn and Germany’s consulate in Athens in March and December 1950 respectively. Both consulates were upgraded to embassies in the spring of 1951.10 As  a matter of fact, the Cold War rearranged priorities for both countries, putting the resolution of “unpleasant” issues from the past on hold. Ethical questions were pushed aside in the ideological battle between East and West, as Greece and Germany undertook efforts at rapprochement in their mutual interest. Several consequences of the German occupation, such as the return of confiscated German property, German reparations, and prosecution or amnesty for war criminals, were “accommodated.” The Greek authorities did little to pursue legal proceedings against wartime criminals and to punish war crimes. War crime courts were quicker to abandon their mission than anywhere else in Europe, while over-conscientious prosecutors were transferred to provincial 8 Andreas Stergiou, Greece’s Economic Exploitation by the Nazis, in: Tetradia Politikou Dialogou Erevnas kai Kritikis (in Greek), 49 (2004–2005), 71–87; Konstantinos Doxiadis, The Sacrifices of Greece in the Second World War (in Greek) (Athens: Ministry of Reconstruction, 1946). 9 See the report made by a group of high-ranking German economists on the German financial-economic administration during the occupation: Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik (henceforth: PA AA): Folder R 27320: Activities Report of the South-Eastern Europe Special Agent for economic-financial matters in Greece during the German Occupation 1941–1944, Dr. S. Nestler. According to its calculations this “German debt (Reichsschuld) to the Greek state” amounted to 476 million Reichsmark. Since then there have been different calculations on today’s exact amount of that war debt with the most accurate (approximately 11 billion Euros) to have been delivered by Nicos Christodoulakis’ outstanding analysis on the topic: Germany’s War Debt to Greece: A Burden Unsettled (Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2014). 10 Kateřina Králová, Between Tradition and Modernity: Greek-German Relations in Retrospect, in: Acta Universitatis Carolinae. Studia Territorialia, IV (2009), 97–117, here 110.

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postings to keep them away from the capital.11 The payment of German reparations was shelved as well. In return, Greece secured itself German investments and loans that were vital for the recovery of Greece’s ailing post-war economy.12 Notably, in 1945 the victorious powers of World War II organized the Paris Conference on Reparations to record all claims against the Axis powers. The Allied Powers accepted that the amount of Greek claims be adjusted to 7,181 million US-dollars, which was anything but a fair compensation. Greece was awarded 4.35 percent of German industrial infrastructure and ships as well as a 1.70 percent share on German assets abroad. It should be made clear that this was not automati­ cally the suggested reparation payment. The purpose of the conference was not to come up with absolute sums but rather to work out percentages of a then still unspecified reparations pool. Considerations associated with the impending Cold War, however, forced the Americans to draw the criteria for how this pool should be divided up in favour of the great powers rather than the “smaller allies.” Contributions to the total Allied war effort, such as war expenditures, were compensated more generously than suffering, death, destruction, and resistance efforts.13 The next landmark in the historical course of the German reparations was the 1953 London Peace Conference at which Germany managed to achieve  a settlement of its debts based on the fact that the country was divided and, hence, West Germany could not take responsibility for carrying out negotiations on an issue that concerned the entire German nation. Thus, both negotiations were to be suspended and claims by the various countries expecting reparations deferred until the final settlement of the partition of the German nation, i. e. the German reunification.14 Since Greece was one of the claimant states, it was supposed to rerefrain from reparations’ claims until the partition was overcome.15 11 Subject: Greek-German Relations 1951, Historical Archive of the Greek Foreign Ministry 9 (henceforth HAGFM): Central Department, Folder 39, Subfolder 5; Folder 140, Subfolder 1; Folder 142, Subfolder 1 and 7; Subject Greek-German Relations 1952, correspondence between Greek Foreign Ministry and Greek Ministry of Justice with the Greek Embassy in Bonn and the Greek Mility Mission in Berlin, HAGFM: Folder 39, Subfolder 5 and 8. 12 See Gabriella Etmektsoglou, Criminal States, Innocent Citizens? Aspects of Greek-German Relations During World War II and Its Aftermath, in: Gerd Bender/Rainer Maria Kiesow/ Dieter Simon (eds.), Die andere Seite des Wirtschaftsrechts: Steuerung in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts (Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 2006), 59–88. 13 Hagen Fleischer/Despina Konstantinakou, Ad calendas graecas? Griechenland und die deutsche Wiedergutmachung, in: Hans Günter Hockerts/Claudia Moisel/Tobias Winstel (eds), Grenzen der Wiedergutmachung. Die Entschädigung für NS -Verfolgte in West- und Osteuropa 1945–2000 (Göttingen: Wallstein Verlag, 2006), 375–457, here 380–382 14 According the Article 5, section 2 of the London Debt Agreement “[…] Consideration of claims arising out of the Second World War by countries which were at war with or were occupied by Germany during that war, and by nationals of such countries, against the Reich and agencies of the Reich, including costs of German occupation, credits acquired during occupation on clearing accounts and claims against the Reichskreditkassen shall be deferred until the final settlement of the problem of reparation […].” 15 Greek Government Gazette (7 January 1956): Act 3480 on the ratification of the London Peace Conference.

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Still in 1960, Germany proceeded to pay, as voluntary compensation, 115 million Deutschmark to the Greek Government as reparations for Nazi injustice. This amount only covered victims of persecution for racial, religious or political reasons, and excluded reparations for wartime damages caused in occupied Greece. These were covered via  a special agreement, one of twelve postwar compensation agreements Bonn signed with Western nations.16 An additional factor promoting and strengthening postwar relations between Greece and the Federal Republic of Germany was Greek immigration to West Germany, which offered a relief from poverty, large-scale unemployment, and social insecurity among the lower classes. Moreover, Greek governments managed to cover, through emigration, a portion of their currenct balance deficit by receivinggainging foreign currency, while Germany profited by gaining workers during a period of manpower shortage.17 At the outset of the Cold War, Greece came into the American sphere of influence. The United States undertook responsibility for both the security and the economic recovery of the Greek state. Gradually, however, because of Washington’s commitments around the world in the context of its global containment policy, the character of American assistance to Greece changed. On the one hand, US economic aid to Greece from the late 1950s onwards was intended to thwart the Soviet bloc’s expansion into Greece, and, therefore, concentrated principally on military assistance. This shift seriously affected the economic reconstruction of the post-war Greek state, so Washington replaced its massive participation in Greek reconstruction with West Germany’s great commercial potential in order to share the burdens of keeping Greece within the Western sphere of influence.18 On the other hand, the US -German cooperation towards the reconstruction of their NATO ally provoked the reaction of the Eastern bloc, which exerted massive effort to affect Greece’s adherence to the West. To implement the Soviet bloc strategy, among the Socialist countries the German Democratic Republic (GDR) was granted  a decisive role in undermining Greece’s loyalty to NATO and to the Western Economic Organisations (General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) and European Economic Community (EEC)). From a strikingly similar perspective, the two Germanies both considered Greece to be the weakest link in the Western Alliance because of its domestic and economic instability. Widespread unrest among the population, the Cyprus problem and strained Greek-Turkish relations as well as parliamentary instability were considered factors that could provoke the resurgence of an internal communist threat and 16 Greek Government Gazette (1961): Act 4178 on the ratification of the German-Greek Agreement on the compensation of Greek Citizens suffered by National Socialist ­measures. 17 Dimitrios Apostolopoulos, Greece and Germany in Postwar Europe: The way towards Reconciliation, in: Journal of Modern Greek Studies, 21 (2003) 2, 223–243, here 233. 18 Cf. Mogens Pelt, Tying Greece to the West. US -West German-Greek Relations 1949–1974 (Copenhagen: Museum Tusculanum Press, 2006).

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facilitate Soviet propaganda to that end, thereby destabilizing NATO’s vulnerable Southeastern flank.19 Greece, however, excited the Communist Bloc’s, and by extension, also the German Democratic Republic’s interest for an array of other reasons. West Germany’s resolute neutrality in the Cyprus conflict, for example, the cardinal problem in Greek foreign policy in the 1950s and 1960s, was deeply disappointing for Greek public opinion, while East Germany, along with the entire Eastern bloc, steadily supported Greek anti-British deeds. In this regard, official East German declarations were propagated accordingly by the leftist press in Greek Society. Additionally, Greece came into the crosshairs of East Berlin because, like Iceland, it upheld a cool stance towards the NATO Travel Board Agreement, and suffered from an increasing deficit in its balance of trade with Western capitalist countries, and the latter were increasingly reluctant to absorb more agricultural products from Greece. This situation enabled East Germany to conclude a semi-official trade agreement with Greece in 1953. All of these coincidental and chronic social and political factors, taken together, were regarded by East Berlin as the cornerstone on which West-German isolation policy against the GDR (Hallstein Doctrine) could be circumvented and, hence, subsequent diplomatic relations with Athens could be built.20 As supportive as the SED’s course toward Greece turned out to be, the unconditional support of the communist and pro-communist parties (The United Democratic Left, EDA, which had parliamentary representation and was closely connected to the Greek Communist Party, KKE , outlawed until 1974), as well as other organisations close to the Communists. The left-wing parties in Greece conducted targeted and skilful propaganda for the benefit of the SED and the German Democratic Republic with the aim of revealing “the imperialist foreign policy of the German Federal Republic, opposing peaceful, proletarian East German political practice.”21 19 DDR  – Beziehungen zu Griechenland und Zypern (GDR—Relations to Greece and Cyprus): Politisches Archiv (henceforth PA), Auswärtiges Amt (henceforth AA), Bestand Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR (henceforth MfAA): DDR-Beziehungen zu Zypern, PA AA , MfAA , A 184–5, A 12890; Report about US -Greek Relations by ambassador Tasca 24 November 1973, US National Archives and Records Administration (henceforth NARA), General Records of the Department of State, Record Group 59, Records relating to Greece 1963–1974, Box 20; Memorandum on Turkish Relations with the Soviet Union, 21 April 1967, NARA , RG 59, Records relating to Greece 1963–1974; Ambassador Battle and Mr. Rockwell to the senate Foreign Relations Committee (Briefing Memorandum), 26 June 1967, NARA , General Records of the Department of State, Record Group 59, Records relating to Greece 1963–1974. 20 Andreas Stergiou, Im Kampf „gegen den Westdeutschen Imperialismus“: Die Politik der SED im Mittelmeerraum, in: Jahrbuch für Historische Kommunismus-Forschung (2002), 141–165, here 143–144. 21 Subject: Aktenvermerk über die Tageszeitungen Avgi und Anexartitos Typos vom 19.10. 1960, Abteilung Agitation und Propaganda, Stiftung Archiv der Parteien und Massen­ organisationen der DDR im Bundesarchiv (= SAPMO -BArch), DY 30 IV 2//20/252.

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Until the Colonels’ Regime in Greece (1967–1974), East Berlin’s penetration did not have any extraordinary record. During the Military Junta Period, however, Bonn and East Berlin adopted an ambivalent attitude towards the military rulers. Initially Bonn was reluctant to suspend relations with Greece. After strictly secret negotiations, the West German government agreed in 1969 to build four submarines for Greece at the state-owned Howalt Shipyards in Kiel, which were delivered in 1971; however, Willy Brandt’s election as chancellor in 1969 signaled  a tentative change in West German policy toward the military regime in Athens. Both the German state and the Social Democratic Party began to support in various ways Greek anti-junta groups and personalities in West Germany.22 East Germany’s relationship to Greece followed the reverse course, as it was the case with most of the Communist countries. Initially, in line with all Eastern Bloc capitals, the Pankow regime categorically condemned the Greek Junta as a fascist regime and declared its solidarity with the Greek people. Nevertheless, the unbridgeable ideological differences between Greece and East Germany at the time did not prevent the two countries from promoting bilateral economic relations from 1970 onwards, paving the way for the normalization of the political ties as well. The improvement in relations between Greek Fascists and East German Communists went so far that an agreement for the establishment of formal diplomatic relations between the military regime in Athens and the communist regime in East Berlin was signed in 1973! Paradoxically, East Berlin finally achieved during the Colonels’ Regime what it had not managed to achieve under democratic rule in Greece.23 Ties between the two countries, however, actually did not become closer after the normalisation of official relations in the 1970s because the Greek governments that took office after the restoration of democracy in Greece in 1974 started to make reparations claims against East Germany. Negotiations officially started in 1976, but East Berlin turned out to be adamantly against the Greek demands. Thus, despite the fact that negotiations lasted until the collapse of the GDR , East-Berlin systematically avoided any payment to the Greek government.24 Contrary to the tiny progress in East German-Greek interstate relations, ties between the East German Communist Party and the Greek orthodox Commu22 Arne Trehold, Europe and the Greek Dictatorship, in: Richard Clogg/George Yannopoulos (eds.), Greece under Military Rule (London: Secker & Warner, 1972), 210–227, here 220. 23 Andreas Stergiou, Im Spagat zwischen Solidarität und Realpolitik. Die Beziehungen zwi­ schen DDR und Griechenland und das Verhältnis der SED zur KKE (= Monographien-Reihe Peleus, Bd. 13; Mannheim: Bibliopolis, 2001), 128–134. 24 Subject: Völkerrechtliche Beziehungen zwischen Griechenland und der DDR : Konsularvertrag und Rechtshilfe Abkommen 1972–1983, PA AA : Folder 136691 and 163181; Despoina Konstantinakou, War reparations and War Criminal in Greece. Seeking Moral and Material Justice after the Second World War (in Greek) (Athens: Alexandria Publisher, 2015), 204–207.

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nists at the same time flourished more significantly than with other “brother parties.” Especially the financial cooperation of both parties went very well. This included the sharing of profits from Greek contracts awarded to East German firms, the mediation of the trade in weapons that the SED regime carried out with Angola, Eritrea, and Iran, credits to Communist printing companies and so on. The significance of the KKE in the SED’s financial activities was demonstrated when Athens became one of the first European cities to bevisited by the “Partei des Demokratischen Sozialismus” (PDS) chairman, Gregor Gysi, after the transformation of the SED in July 1990. As Der Spiegel reported at the time, it was to “park money.”25 In contrast to other European countries in which the 1980s were characterized by the cultural dominance of the “new right,” Greek politics was overwhelmed by the rise of the Greek Socialist Party “PASOK” (Panhellenic Socialistic Movement) headed by Andreas Papandreou, that came to power in October 1981 at the very heavy expense of the left-wing parties. One of the means by which PASOK successfully managed to challenge the previous KKE ’s monopoly over the Greek left, was its populist foreign policy agenda and rhetoric. As has been observed by scholars dealing with PASOK, the Greek Socialists, more consistently than in any other aspect of their politics, have insisted that the US , NATO, and the “West” were the causes of the “Greek tragedy” and had put the fight against these forces at the top of their political priorities.26 In the 1980s, Greece quickly became the NATO country that exchanged more state visits with the GDR at the highest levels than any other; it was also the first NATO country whose head of state undertook an official visit to East Berlin. In turn, this damaged diplomatic relations between Greece and the Federal Republic. Indeed, the development of cordial multi-level contacts with the East German regime as well as flirtation with certain “Third-World mentality patterns” during the PASOK administration (1981–1989) irritated the West German government in Bonn.27 The “leftist-radical” escapades of Greek diplomacy after Papandreou had taken power frequently led to anxieties in Bonn that it would lose its traditionally 25 Griechenland. Roter Konzern, in: Der Spiegel, 22.4.1991; Revelations on Greek Communist Party Property (in Greek), in: To Vima, 17.2.1991; “Perissos LLC ” (in Greek, Perissos is the Athens district where Greek Communist Party Headquarters is located), in: To Vima, 20.7.2008; Interviews the author made with the former General Secretaries of the KKE , Charilaos Florakis and Grigoris Farakos (Athens, March 1999). 26 Michalis, Spourdalakis, The Rise of the Greek Socialist Party (London/New York: Routledge, 1988), 233. 27 1982 East German Embassy Report on Greek Foreign Policy, PA AA , MfAA , ZR 1532/84; PAGFM: Greek German Relations: Folder 124895: Report of the West German Consulate in Thessaloniki on Eastern Countries’ activities in Northern Greece, 8 June 1982, West German Embassy in Moscow’s Telegram to Bonn, 30 August 1982, about KKE General Secretary Charilaos Florakis in the USSR : PA AA , Greek-German Relations, Folder 124896. See also Giannis Drakoularakos, Ellada-Anatoliki Evropi 1967–1987 (in Greek) (Athens/Komotini: Ant. Sakkoulas Publisher, 1989), 49–60.

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dominant political-economic position in Greece. Admittedly, Greece was not the only NATO state in the 1980s that willingly accommodated the GDR’s “Western Offensive,” improving bilateral relations by leaps and bounds, but it was the only NATO state and European Community partner that was at the forefront of each GDR endeavour not to consult Bonn. Thus, Greece categorically rejected the stationing of mid-range nuclear missiles in Europe, in order to accommodate East Berlin’s acts of solidarity in the dispute with Ankara—a matter that had caused considerable controversy in West German domestic politics, where there were even signs that Bonn might begin tapping into pro-Turkish reactions. It was not until the collapse of the GDR and the fall of Papandreou in the same year that diplomats in Bonn were again able to trust the capricious Greeks.28

II.

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The fall of the Socialists was followed by a turbulent political period in Greece within which the fall of the Berlin Wall took place. In 1988–89, the Greek political system entered into open existential crisis, which raised the question of Greece’s democratic stability in an acute and immediate form. This crisis was triggered by a steady stream of revelations of high-level corruption and chronic misadministration that had shaken the Greek political system in the years before. During the short period from the summer of 1989 to the summer of 1990, Greece experienced three general elections, since no single party emerged from the first two with an absolute majority or even a near one, and two provisional coalition governments with limited mandates. As  a matter of fact, they were transitional governments with a specific mission, based on an agreement to hold new elections as soon as possible and to run basic state affairs for a fixed period. The main task the governments in Athens were called to fulfil at that time was to speed up the legal proceedings against the persons involved in the scandals, among them Andreas Papandreou, the former premier minister. This matter had acquired a crucial moral dimension, overshadowing all other public affairs. The tendency prevailed among the parties participating in the cabinets to opt for the lowest common denominator after prolonged negotiations between the coalition partners, with limited measures being taken. Paradoxically, in the period where Europe and the world were going through colossal transformations, the Greek state and society were entirely focused on internal affairs, adopting a practically isolationist attitude to the world.29 Though the general elections held between 28 Hagen Fleischer, Vom Kalten Krieg zur Neuen Ordnung: Der Faktor Griechenland in der deutschen Außenpolitik, in: Thetis 3 (1996), 299–309, here 306–309. 29 Geoffrey Pridham/Susannah Verney, The Coalitions of 1989–90 in Greece: Inter‐party Relations and Democratic Consolidation, in: West European Politics 14 (1991) 4, 42–69; Grigoris Farakos, Witnesses and Thoughts (in Greek) (Athens: Proskinio Publisher,1993), 307–314.

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June 1989 and April 1990 failed to produce  a clear majority, what they did succeed in doing was to precipitate a coalition-government, in which, for the first time since 1945, the Greek Communists assumed ministerial portfolios. The Greek coalitions of 1989–1990 were not only unusual by comparative European standards, given their political composition and ideological span but also memories polarised by civil war. Since 1974, a leftist mindset had hegemonised most of the political culture prevailing in Greek society, but Communist political parties had been out of power. Still, while Communism in Europe was consigned to “the dustbin of history,” in Greece it was gaining access to power. Accordingly, the government in Athens observed the political upheaval and the associated radical changes in Eastern Europe with bafflement. No wonder Greece was the only European country that did not participate in the celebrations marking the demise of communism in Europe. Therefore, Greek society’s attitude towards the German Reunification process was ambivalent. According to the Eurobarometer survey, people in Greece were among those with the most favourable feelings towards German Reunification; however, Greece had the lowest percentage in favour of German Reunification when they were asked which political objectives were more important to them: the Reunification of two German States or the Completion of the Single European Market by the beginning of 1993.30 Within the political spectrum, all of the political forces31 more or less welcomed the fall of the Berlin Wall and the reunification process except the Greek Communist Party (KKE),  a pure Marxist-Leninist party up to that point, and some left-reformist groups. The Greek Communist Party still believes that the building of the Berlin Wall was an act of self-defence by the East-Germans against Western Imperialism and regards the unification as a disguised form of occupation of the former GDR by West Germany.32 Resentments from the period of the left-dominated resistance against Nazis combined with a left-wing nationalism that had been cultivated by the Socialist Party (PASOK) in the eighties again surfaced. Certainly, this strategy was in line with the political philosophy that Andreas Papandreou had pursued from the moment of PASOK’s creation during the military junta on, when he sought to map out the path for left-wing nationalism. Not accidentally, PASOK presented its own version of history, describing itself as the descendant of the generation of the heroic resistance groups. This move enabled PASOK to depict the political Right as one and indivisible from the collaborationist security battalions of World War II through the Greek Civil War, the subsequent repressive parliamentary regime, and then the military dictatorship, up to its, at that time, current politi­ cal manifestation, the Conservative Party (Nea Dimokratia/New Democracy), 30 Commission of the European Communities (ed.), Eurobarometer public opinion in the European Community, 1 (June, 1990) 33, 36–39. 31 Hellenic Parliament’s Debates and Voting: Debate No. 26, 16.2.1990. 32 Perissos’s Wrath, about the Fall of the Berlin Wall (in Greek), in: To Vima, 15.11.2009.

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squeezing out the traditional centre, and both gaining and retaining power with the votes of many traditional KKE supporters.33 In April 1990, the conservative New Democracy Party took office in Greece. The new Greek Prime Minister, Konstantinos Mitsotakis, began his first tour of Europe with a visit to Bonn, where he met his German counterpart ideological “soulmate” Chancellor Helmut Kohl just to demonstrate the special nature of the Greek-German relations.34 At that time, the Greek government (incorrectly, as seen in retrospect) assumed that the end of East-West confrontation and subsequent détente would inevitably reduce, the strategic importance and, by extension, the political weight of Turkey. Bonn, for its part, appeared to be compliant with this assumption and regarded the Greeks as its undeclared allies in keeping Turkey and millions of prospective Turkish immigrants out the European Economic Community. German aid in war material hitherto delivered to Greece increased, whereas Athens in return agreed to harbor a flotilla of German mine-sweepers in Suda Bay on Crete in September 1990.35 Additionally, Greece received 501 BMP-1 personnel carriers from the GDR reserves within the restructuring of the Conventional Armed Forces in Europe Treaty in 1991.36 Moreover, the German Foreign Minister and President of the Western European Union Council at that time officially invited Greece to begin talks with the aim of being able to become  a member of the Defence Organisation.37 German Diplomats also officially noted that the new Greek Government willingly shared German perceptions about the new European security architecture promoted by NATO and the European Community.38 Greece’s willingness resulted from serious security concerns occurring at that time, establishing the belief that it was in the country’s best interest to participate in all stages and aspects of the European framework. It was also estimated that the closer its ties with European institutions, the stronger its position within the new concept 33 Pridham/Verney, The Coalitions of 1989–90 in Greece, 46; Mark Mazower, The Cold War and the Appropriation of Memory: Greece after Liberation, in: István Deák/Jan T. Gross/ Tony Judt (eds.), The Politics of Retribution in Europe. World War II and Its Aftermath (New Jersey: Princeton University Press, 2000), 212–232, here 225. 34 Fleischer, Vom Kalten Krieg zur Neuen Ordnung, 307. 35 Hagen Fleischer, Post War Relations between Greece and the two German States: A reevaluation in the light of German Unification, in: Hellenic Foundation for European and Foreign Policy (ELIAMEP) (ed.), The Southeastern European Yearbook 1991 (Athens: ELIAMEP, 1992), 163–178, here 171. 36 Theodoros Tsakiris, Greek-Russian Relations (in Greek), in: Giannis Valinakis (ed.) Greece’s Foreign and European Policy 1990–2010 (Athens: Sideris, 2010), 155. 37 Ministry of Foreign Affairs of Greece-Sotiris Dalis (ed.), Western European Union – Union de L’Europe Occidentale, Présidence Grecque – Greek Presidency (Athens: Sideris, 1999), 209–211. 38 Helmut Schäfer, Greece and Germany: Partners in Europe, in: Hellenic Foundation for European and Foreign Policy (ELIAMEP) (ed.), The Southeastern European Yearbook 1993 (Athens: ELIAMEP, 1994), 210–215, here 210.

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for European Defence and Security would be.39 This evidently presupposed Bonn’s support. The expectation, however, that the unification of Germany would open up new opportunities for settling the pending war compensation claims with Greece quickly evaporated. The reparations issue is an emotionally charged one for both sides. It has been frequently revisited in interactions between the two nations, and it has often resulted in mutually negative perceptions. Unfortunately for Greece, German persistence on the reparations issue in the negotiations that resulted in the  “Treaty on the Final Settlement with Respect to Germany” (Two-Plus-Four), signed in Moscow on 12 September 1990, led the two former German Republics and the four 1945 Allies, the United States, the USSR , the United Kingdom, and France to “unyieldingly” rule smaller states out of the negotiations related to the post-war treaties concerning countries that had been occupied by Nazi-Germany.40 The Two-Plus-Four Treaty that intentionally avoided the appearance of a “classic” peace treaty returned, full and complete sovereignty to Germany, settled still pending issues from World War II like the Oder-Neisse line or the withdrawal of Soviet troops and arms from the former GDR but does not contain any reference to reparations. Bonn tried to hinder the reactivation of the London Debt Agreement of 1953 by creating fait accomplis. Secret documents on the 1989–1990 period brought to light by news magazine Der Spiegel indicate that German Chancellor Helmut Kohl and German Foreign Minister Hans-Dietrich Genscher operated in the respective negotiations in colloboration with the 1945 Allies with the intention of preventing the nightmare of demands for war reparations by all those damaged by Germany, which could be raised by signing a “conventional peace treaty.”41 As laid down in the summary note prepared by the French negotiators in the Moscow consultations on the Treaty, the document contains certain essential elements of a peace treaty, first and foremost the establishment of the borders of the defeated country.42  The interesting point is that the same interpretation is used in different ways and more significantly for different purposes by the “pro-German” and “proGreek” sides. The pro-German side argues that the agreement of 12 September 1990 signed in Moscow decidedly concluded the period opened in 1945. The 39 See former Greek Premier Minister’s, Konstantinos Mitsotakis, article: Prospects of Western Union and Greece, in: Athens News, 6.4.1995. 40 Alexander von Plato, Die Vereinigung Deutschlands – ein weltpolitisches Machtspiel (Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung, 2003), 282–284 41 Klaus Von Wiegrefe, Die Furcht vor dem F-Wort, in: Der Spiegel, 21.2.2015. 42 Cf.: Sylvie Goulard, Why Greece’s Call for WWII Reparations From Germany Is a Very Bad Idea, in: The World Post, 2.10.2015 (http://www.huffingtonpost.com/sylvie-goulard/ greece-wwii-reparations-germany_b_6652232.html, last accessed 12.05.2016); Hermann Josef Brodesser et al., Wiedergutmachung und Kriegsfolgenliquidation. Geschichte – Regelungen – Zahlungen (München: Beck, 2000), 185.

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same purpose was achieved by the “Charter of Paris for a New Europe” signed in November 1990 sealing the end of the Cold War, which considered the Moscow Two-Plus-Four Treaty to be in accordance with the principles of the “Final Act of the Conference on Security and Co-operation in Europe.” The latter was also approved in its entirety by Greece. For that reason, when the Greek side later attempted to open the reparations case, the argument then put forward by the German side was that the 1990 Two-Plus-Four Treaty, endorsed by the Charter of Paris did not include any provisions for the Greek claims; thus, such claims should be thereafter considered void, invalid and expired, especially with regard to the distance of time to the end of WWII. The German state also ruled out further wartime reparations referring to the 1960 payments and to the generous bilateral support from NATO and the EU, in which Germany was the largest contributor.43 Other experts,44 however, believe that Greek claims or at least parts of them are legal. Conversely, it is exactly the Moscow Agreement that paves the way for a settlement of all unfinished issues resulting from the German obligations to the former occupied countries. They argue that the Two-Plus-Four Treaty does not bind third parties like Greece, and there is no legal basis for concluding that all claims are obsolete with the Two-Plus-Four Treaty. According to the pacta tertiis rule laid down in article 34 of the “Vienna Convention on the Law of Treaties” (VCLT), the signatories could not settle the question of reparations with binding force for third states. On the question of whether such claims may be barred because of the long time that has passed since the atrocities were committed, they refer to the decision made by the German-Allied Court of Arbitration for First World War damages in 1974 that forced Germany to pay 47 million Deutsche Mark in compensation sixty years after the start of the war. Concerning the 1960 payments, Greece considered that money only as an initial payment with the rest of its claims to be discussed after German reuni43 Karl Doehring/Bernd Josef Fehn/Hans Günter Hockerts, Jahrhundertschuld-Jahrhundertsühne (München: Olzog, 2001), 20–37; Helmut Rumpf, Die deutsche Frage und die Reparationen, in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 33 (1973), 344–371. 44 Aside from the repeated inquiries submitted to the Bundestag (in 1996, 2014, 2015) on this issue by the German Political Party Die Linke, see also the opinion of the German law expert Professor Andreas Fischer-Lescano, Griechische Forderungen nach Begleichung der Kriegsschulden nach deutschem Recht zulässig. Bundesgerichtshof zur Frage der Kriegsschulden, in: Presseportal, 11.3.2015; Albrecht Ritschl, Germany owes Greece  a debt, in: The Guardian, 21.6.2011; Kerstin Bartsch/Björn Elberling, Jus Cogens vs. State Immunity, Round Two: The Decision of the European Court of Human Rights in the Kalogeropoulou et al. v. Greece and Germany Decision, in: German Law Journal, 4 (2003) 5, 477–491, here 490; Giorgos Mintsis, War Crimes and Compensations: The German Occupation in Greece and the Compensation claims in line with the International Law (in Greek) (Athens: Sakkoulas Publisher 1998), 108; Norman Paech, Der Juristische Schatten der Wehrmachtsverbrechen in Griechenland (https://groups.yahoo.com/neo/groups/wehrmacht_atrocities_in_greece/conversations/messages/195, last accessed 13 February 2016).

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fication, as it can be inferred by the correspondence between the two states in 1966–1967. Regarding the argument that NATO and EU-assistance should be interpreted as a replacement for compensation, the experts, adopting the Greekfriendly position simply mention that the same assistance was given to countries like Portugal or Spain that did not participate at all in World War II. Nevertheless, since 1990, the German state has steadfastly refused to reopen this can of worms. Such compensation as has been paid, mostly to forced labourers, was channelled through NGOs to avoid creating precedents. Only one country, Greece, has openly challenged this and tried to obtain compensation in court, but this happened many years afterwards and in a completely different political, economic and international framework.45 Indeed, in the crucial time after the reunification of the two German states probably out of fear of putting the looming harmonious Greek-German relationship, which existed almost exclusively at the official state level, at risk, Athens did not raise the issue.46 Both Greek Prime Minister Konstantinos Mitsotakis and Deputy Foreign Minister Giorgos Papastamkos received harsh criticism from the opposition for that reason. In the Hellenic Parliament, the issue was discussed several times between 1990 and 1991 by the opposition parties, who repeatedly accused the conservative administration of being inert and subser45 In May 2000, the Areopag, the Greek High court, passed  a legally binding decision obliging the Federal Republic of Germany to pay a sum of altogether 28 million Euro as compensation to the victims of Nazi crimes conducted in Greece during the WWII . The Greek State, however, never put into practice this decision out of fear for the repercussions on the Greek-German relations. The Greek victims were successful in their claim for enforceability of their legal titles against German property in Italy awarded by Greek courts, since in the meantime Italian courts had likewise awarded compensation to Italian victims of the German occupation. Consequently, Germany objected to both rulings by arguing that these acts were “‘sovereign measures’ and claimed ‘state immunity’” for the war crimes and the crimes against international law. After Greek and Italian courts of appeal rejected this argument, the German government filed a lawsuit at the International Court of Justice in Den Haag in December 2008 in order to circumvent the enforcement of the compensation claims with the aim of proving that these rulings constitute an infringement of international law and Germany’ sovereignty rights, since the filing of these kinds of lawsuits by victims does not fall under the jurisdiction of the Italian and Greek courts. Eventually, in February 2012, the International Court of Justice validated German claims by finding that the Italian Republic had violated its obligation with respect to the immunity that the Federal Republic of Germany enjoys under international law by declaring enforceable in Italy decisions of Greek courts based on violations of international humanitarian law committed in Greece by the German Reich; International Court of Justice, 3 February 2012, Jurisdictional Immunities of the State (Germany v. Italy: Greece Intervening). A report from a Bundestag committee in 2013 concluded that Greece had a right to claim the repayment at least of the forced loan and that this right has not been abolished nor is it subject to “time limitation,” as the German government insists. Deutscher Bundestag: Drucksache 18/324 18 (Wahlperiode 17.1.2014). 46 When later the Greek government raised the issue, Berlin repeated the argument that the claims were not valid anymore, because Greece did not raise complaints immediately after it gained knowledge of the content of the Two-Plus-Four Treaty.

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vient towards Bonn. The government, however, justified its “cautious” modus operandi by referring to the official stance that the other countries involved in the compensation complex had adopted. As the Conservative government noted, Athens could not act on its own in this respect; it had to coordinate its actions with other states that held bigger geopolitical weight than Greece. The left-oriented parties, in contrast, presented Germany as a nation of people blissfully unware of their past and historic guilt and ungrateful toward the land that “gave birth to civilization and democracy.” In their view, Germany’s refusal to make good on  a totally legitimate claim was increasingly attributed to the cynicism of a powerful nation applying a double standard for itself and others: Germany benefited immensely from the cancellation of its external debt as agreed to by the victors through the 1953 London Debt Agreement but more than half a century later, it refused to bear the responsibility of compensating people who had suffered under the Nazis. This ideologically motivated and charged rhetoric (still topical in Greece) was based on the popular narrative of Greece’s heroic struggle against the Nazis as one against Germany at large that had gone unrewarded.47 Greek Society’s phobic perceptions of European integration tarnished Germany’s image too. German involvement in the process of European integration, in particular, was presented as  a superior form of statecraft that elevated the traditional “Staatsraison” over the “raison de communauté.” In short, in the classical question about German reunification that revolved around  a mighty Germany in post-Cold War Europe, “Would German power be used to create a Europeanised Germany or a Germanized Europe?”, Greek average perceptions were rather more in line with the second likelihood. From this point of view, Maastricht was a typical “German” product48 because it was strongly influenced by the German economic tradition and vision with an emphasis on stability and the fight against inflation; the monetary union was thus perceived as an extension of German monetary rules over the rest of Europe.49 Furthermore, it was a bad coincidence that the “Maastricht process” commenced in the summer of 1990 at a time when the New Democracy Party, under Konstantinos Mitsotakis, came to power, initiating immediately  a series of austerity policies, for which Greek Society instinctively blamed the European Community.

47 Hellenic Parliament’s Debates and Voting: Debate No. 101, 12.12.1990: Debate on the inguiry submitted by the Left Coalition about the Greek Reparations Claims after the German Reunification and Debate on 11.3.1991 on the inguiry submitted by Greek Socialist Party’s MP ’s about Greek Government’s actions toward the issue of German reparations. 48 Among the Greek leftists, the simplifistic view that Maastricht was entirely  a German product remains very popular to this day. 49 See  a typical example in Alexis Papalias’ article, German Unification: A Victory of Political Rationalism, in: Politis magazine 108 (12.10.1990), 29.

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III. The 1995 EU-Enlargement within the Framework of Greek Security Challenges The end of the Cold War affected Greek security in a profound way as Greece faced considerable fluidity and uncertainty in its Northern borders. The Balkan wars in the 1990s marked a significant stage in Greek-German relations as well as in Athens’ ties with other EU-members. Yugoslavia’s disintegration and the wars there were the subject of considerable concern in Athens. Proximity and the fear of that Balkan instability, whether limited to former Yugoslavia or more generally, would inhibit the integration of Greece within the European mainstream and created a sense of vulnerability.50 Like most European countries, Greece was totally unprepared for the collapse of Yugoslavia and the turmoil that it unleashed. The disintegration of Yugoslavia shattered the very foundations of Greek policy in the Balkans, which was based on the permanence and safeguarding of state sovereignty and inviolability of borders by virtue of former international treaties. The fall of the Yugoslavian federal state had three important consequences for Greece: 1. The emergence of an independent Macedonian state (official name: Former Yugoslav Republic of Macedonia, FYROM) with possible territorial claims against Greece; 2. the opening of prospects for Turkish penetration into the Balkans; and 3. the possibility of the emergence of a Greater Albania. Thus, Greece’s efforts over the previous twenty years to create  a stable security environment in the Balkans had been undermined.51 In the Greek view, a possible disintegration of FYROM represented a major threat to regional stability as well as the territorial status quo in the Balkans and in Southeastern Europe that had been preserved throughout the Cold War; therefore, Greece initially endeavoured to resist German pressure within EU structures for the recognition of Croatian and Slovenian independence. When it appeared that the disintegration of Yugoslavia was irreversible, Athens changed its policy to ensure that the territorial status quo in the region would be maintained. Furthermore, Athens partially interpreted the Balkan instability in the context of the Greek-Turkish conflict because Greek officials feared that Turkey might detect  a “window of opportunity” for the improvement of its position visà-vis Greece in the Balkan turmoil. The fragmentation of Yugoslavia—at the same time coupled with the deterioration of Greek relations with Albania and Bulgaria—also generated the threat of a possible “Islamic encirclement” due to the Muslim population living in those countries in Greek security perceptions. 50 Thanos Dokos, Greece in a new Regional Security Setting, in: Defensor Pacis 13 (2003), 52–57, 52. 51 Fotios Moustakis/Michael Sheehan, Greek Security Policy after the Cold War, in: Contemporary Security Policy 21 (2000) 3, 95–115, here 102–103.

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Those fears were strengthened by Ankara’s strategy of signing bilateral trade and military co-operation agreements with most Southeastern European countries and offering them economic, military, and political aid.52 The more popular those concerns became for the Greek public, the fiercer they were taken up by the Serbs. As an experienced, journalist at the time noted, “Sometimes Serb officials went so far as to claim that they were fighting the Bosnians because they wanted to protect Greece. This was the case with the ‘defense minister’ of the Serb Republic, Dušan Kovačević, who stated that the war in Bosnia stemmed from the fact ‘that the Turks want to encircle Greece through the creation of a Muslim state in the area with the intention of isolating Greece from its Orthodox neighbors.’”53

Accordingly, the unfolding drama in the Balkans denied the conservative governement the opportunity to play a more active role in the Intergovernmental Conference (IGC), in 1990–1991, leading to the signing of the Maastricht Treaty. Above all, Athens’ enthusiasm in the early phase of the Intergovermental Conference for a federal Europe, even for the relinquishment of the national veto in the Council of the Union, was overshadowed by the war in the Balkans. Hence, Greece was the first EU member-state to invoke the right of veto in order to block the recognition of FYROM by the EU due to security concerns emanating from clauses in the first Constitution of the Independent Former Socialist Republic of Macedonia that were deemed both confrontational and indicative of a potential future claim on Greek territory.54 Greece was also the country that continuously sabotaged UN sanctions against Serbia and Montenegro. Furthermore, Athens itself, being under enormous domestic pressure,55 eventually imposed sanctions against FYROM by denying its landlocked neighbor access to the port of Salonika. Growing suspicion among Athens partners and allies, questioning the value and validity of Greek membership in Western institutions such as NATO and the EU, was solidified by Greece’s actions and attitudes towards the collapse of Yugoslavia. Greece’s recalcitrant, and at times obstructive, policies on the international management of and intervention in Yugoslavia’s wars drove its allies and partners to distraction. As some experienced analysts noted, whereas EU membership was intended to defend Greek foreign and security interests—the 52 See the excellent analysis by Nikolaos Tzifakis, Securitization and desecuritization dynamics in South-Eastern Europe (1992–1997) (Ph.D.-thesis: Politics and International Relations, Lancaster University, September 2002), 290–304. 53 Takis, Michas, Unholy Alliance. Greece and Milošević’s Serbia (= Eastern European studies 15; Texas: Texas A&M University Press, 2002), 33–35. 54 Panos Tsakaloyannis, The Limits to Convergence, in: Christopher Hill (ed.), The Actors in Europe’s Foreign Policy (Routledge: New York, 1996), 186–207, here 194–199. 55 Mass demonstrations were taking place against FYROM and the utilisation of Greek national symbols by the new-founded state. Only one demonstration that took place in Salonica on 31 March 1994 managed to gather two million out of a total of ten million Greeks.

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Europeanisation of Greek foreign policy—Greece’s first major post-Cold War threat was treated in such an “un-Europeanised” manner both in formulation and implementation that its very membership of the EU was in question.56 Athens’ hopes that accession to the Western European Union (WEU) as fullfledged member would address its security concerns had proven unrealistic since the article of the WEU Treaty providing for automatic assistance by all means available (not limited only to military) by the member-states to a member that suffered an attack in Europe had become, in all practicality, ineffective.57 Germany’s public image in Greece in the early 1990’s was heavily clouded as a result of German foreign policy in the Balkans at that time, which was perceived as  being  a trigger for the disintegration of Yugoslavia. Especially, the support Bonn offered to the Slovenian and Croatian declaration of independence, which was endorsed by all European Community members and, hence, by the Greek Government, was regarded as one of the causes leading to the collapse of Yugoslavia.58 In an emotionally-motivated way, Greek public opinion associated the whole European Community and NATO -policy in the region with Germany. Painful memories from the Second World War and the devastating anti-guerilla campaign by Axis troops against Serbia and Greece were reactivated. Diverging perceptions, due to specific geographical positions and historical experience, even the varying degree of concern about regional differences in the Balkans, especially toward Serb nationalism, offered considerable scope for misunderstanding, misinterpretation, and confusion, on the German as well as on the Greek sides.59 In the same way that Serb leaders were exploiting popular Greek conspiracy theories about “the Islamic Arch” in the Balkans, they were also refuelling Greek anti-German resentments. In February 1992, for instance, Radovan Karadžić gratified Greece’s pro-Serbian attitude by revealing  a “satanic” German plan to colonize Bosnia with Turkish immigrants from Germany in an effort to facilitate the spread of Islam throughout the Balkans. He also thanked the Greek journalists interviewing him for their support. The most significant statement in this discourse belonged to PASOK Party leader Andreas Papandreou, who in an analysis of the crisis in Yugoslavia published in the newspaper Ta Nea a few 56 Spyros Economides, The Europeanisation of Greek Foreign Policy, in: West European Politics 28 (2005) 2, 471–491, here 479–481. 57 The desicions made at the Petersbourg meeting in June 1992, where the so-called Petersbourg tasks were defined, came as  a schock to Greek public, as the nine members of Union decided to modify article V of the Brussels Treaty referring at the Solidarity clause by practically rendering it inapplicable to any form of Greek-Turkish conflict. This was confirmed with bitterness also by former Greek Prime Minister, Konstantinos Mitsotakis. See his article: Prospects of Western Union and Greece, in: Athens News, 6.4.1995. 58 Helmut Schäfer, Greece and Germany: Partners in Europe, in: The Southeast European Yearbook (1993), 210–215, here 210–211. 59 Ibd., 211.

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months before he again became Greece’s prime minister in 1993, laid the blame for Yugoslavia’s dissolution squarely at the feet of the Vatican and Germany. The crisis in Yugoslavia, wrote Papandreou, “was nurtured by the two old friends from the Second World War: Germany and the Vatican.”60 In the first half of 1994, Greece took over its third EEC/EU-Presidency. Notably, the Treaty of Maastricht establishing the European Union had just entered into force and there were a number of exceptionally complex and difficult issues related to the process of European integration that had to be tackled. One of them concerned the next EU-enlargement that would include Austria, Finland, and Sweden (the so-called “neutrals” enlargement round), which eventually was completed at the Corfu Summit held on 24–25 June 1994 with the signing of the respective Acts of Accession. The issue was relatively low on the public agenda in Greece, and one could argue that public opinion in general ignored the topic. Discussion about the EU was still dominated by the Maastricht Treaty ramifications for Greece. In economic terms, the EU-accession of the three countries appeared to be very beneficial for Greek interests within the European Union. Though it did not affect the distribution of subsidies emanating from the Common Agricultural Policy (CAP), of which Greece was one of the biggest beneficiaries, and accession of these relatively prosperous countries would mean increased aid for poorer members like Greece, it was intertwined with serious political matters. Given the ongoing turmoil in the Balkans, the prospect of an EU enlargement to Southeastern Europe, including Austria, a German-speaking country with historicalyl deep roots in the Balkans, was reason enough to spread fears that this EU-enlargement was solely an effort to promote a German- friendly institutional architecture that would further serve German interests in the region but could also conceivably disregard the vital interests of smaller EU partners. Some analysts interpreted the revitalisation of Greek-American ties in 1993–1994 during the new Socialist Party (PASOK) administration as the result of the perceived sweeping role of Bonn during the early phases of the Yugoslav Conflict.61 Already, in the period just before the take-over of the Greek presidency, an array of hilarious incidents had aggravated Greek-German relations. Greek Minister for European Affairs, Theodore Pangalos, had to apologize to German Chancellor Helmut Kohl because he described Germany as having “the brains of  a child and the strength of  a beast”! Another Socialist minister, Evangelos Yannopoulos, at the same time said that Germany was using the power of the Deutsche Mark “to create a Fourth Reich”!62 As ridiculous as these statements 60 Michas, Unholy Alliance, 33–35. 61 Yannis Valinakis, Greek Security in the Perspective of the Common Foreign and Security Policy, in: Heinz Jürgen Axt (ed.), Greece and the European Union: Stranger among partners? (Baden-Baden: Nomos, 1997), 199–240, here 229. 62 European Union Concerned As Greece Takes Presidency, in: Chicago Tribune Newspaper, 7.1.1994.

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might sound, they are indicative for Greek society’s collective attitude towards Germany at this time. Greece’s assessment of the prospective inclusion of three neutral countries into the European Union structures was influenced by its insecurities at that moment and its efforts to find  a secure haven within the emerging European defence architecture. In this regard, Athens believed that this EU enlargement would directly affect EU’s potential to develop in the direction of  a genuine defence organisation. Even though most of these neutrality policies were based on Cold War bipolarity, the inclusion of security in the Maastricht Treaty in the form of the Common Foreign and Security Policy (CFSP) would create difficulties regarding the precise content of the acquis politique. Another reservation stemmed from the fact that Austria, Sweden, and Finland were not part of the NATO -Alliance and hence they could negatively affect EU-NATO cooperation.63 At the crucial Corfu EU Summit, however, objections from the European Union members did not occur against Austria’s but against Finland’s accession, which were able to be overcome thanks to Greek presidential arbitration. Paradoxically, the Greek Presidency’s contribution to enlargement negotiations with the three new member states was also praised by German Foreign Minister Klaus Kinkel.64 Greece seemed formally “to be back in the European family.”

63 Valinakis, Greek Security in the Perspective of the Common Foreign and Security Policy, 229. 64 German Foreign Minister lauds Greek EU presidency, in: Athens News Agency Bulletin, 15.6.1994.

Hüseyin I. Çiçek

Weder Fluch noch Segen Die Türkei und die deutsche Einheit

I. Einleitung In den Jahren 2015 und 2016 genoß die Türkei in der deutschen Presse und Deutschland in den türkischen Medien eine starke Präsenz. Genaugenommen sind es vor allem die beiden politischen Führungsfiguren Angela Merkel und Recep Tayyip Erdoğan, denen das Interesse zuteilwurde. Die deutsche Bundeskanzlerin wurde von den eigenen Medien aufgrund des Flüchtlingsdeals mit der Türkei kritisiert, während der türkische Staatschef eine kritische Journalistik längst zum Schweigen gebracht hat.1 Geprägt waren die publizistischen Darstellungen von gegenseitigen Anschuldigungen, dass die sicherheitspolitischen Interessen des einen Landes vom anderen nicht ernstgenommen würden. So wurde beispielsweise deutscherseits – aber nicht nur – der Türkei mangelnde Bereitschaft zur Bekämpfung des Islamischen Staates (IS) vorgeworfen.2 Gleichzeitig kontert die türkische Presse, dass Deutschland die existentielle Bedrohung der Türkei durch die Partiya Karkerên Kurdistanê (PKK) zu wenig ernst nehme. Vor dem Plenum der 71. UNO Generalversammlung betonte der türkische Staatspräsident ganz explizit, dass der IS von Ankara zwar als Terrororganisation ernst genommen wird, dieser jedoch nicht die Existenz der Türkei bedrohe.3 Implizit bedeutet dies, dass die PKK oder die Partiya Yekitîya Demokrat (PYD) weitaus größere Gefahren für die territoriale Integrität der Türkei darstellen. Der gescheiterte Putsch vom 16. Juli 2016 führte zu einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen, zumal Deutsch1 Vgl. Hüseyin I. Çiçek, Instabile Türkei: Machtkampf islamistischer Fraktionen (http://www. nzz.ch/meinung/instabile-tuerkei-machtkampf-islamistischer-fraktionen-ld.112654, zuletzt abgerufen am 24. November 2016); sowie id., Erdogans Agenda: Kultur des Autoritarismus (http://www.nzz.ch/meinung/kommentare/erdogans-agenda-kultur-des-autoritarismusld.127151, zuletzt abgerufen am 24. November 2016). 2 Vgl. Rainer Hermann, Der einsame Kampf der Kurden (http://www.faz.net/aktuell/politik/ ueber-die-tuerkische-offensive-gegen-die-kurden-14409731.html, zuletzt abgerufen am 24. November 2016); sowie Özlem Topcu, Heucheln für Fortgeschrittene (http://www.zeit. de/2015/31/tuerkei-is-kurden-tayyip-erdogan, zuletzt abgerufen am 25. September 2016). 3 „Sorun şu ki, IŞİD Ankara için ciddi bir terörizm tehdidi, ama varoluşsal bir tehdit değil“ (http://sosyal.hurriyet.com.tr/yazar/murat-yetkin_575/ankara-icin-varolussal-tehdit_ 40228064?utm_source=t.co&utm_medium=post&utm_campaign=ankara-icin-varolussaltehdit_40228064&utm_term=post, zuletzt abgerufen am 23.September 2016).

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land der türkischen Regierung dessen Instrumentalisierung vorwarf, um gezielt und aus politischem Kalkül den Weg der Rechtsstaatlichkeit zu verlassen. Dabei handelt es sich um einen Vorwurf, der bereits in den 1980er-Jahren seitens der Bundesrepublik formuliert worden ist und in den deutsch-türkischen Beziehungen als ein entscheidender Wendepunkt hin zu einer Verschlechterung der Beziehungen verbucht werden darf.4 Es verhärteten sich die Fronten nicht nur zu Deutschland, sondern ebenso zur EU – vor allem seitdem der türkische Staatspräsident Erdoğan letzterer vorgeworfen hatte, „Terrororganisationen“ zu unterstützen.5 Die politische Situation um die Jahreswende 2016/17 erinnert etwas an das Ende der 1980er- und den Beginn der 1990er-Jahre. Selbstverständlich sind die damaligen und heutigen Herausforderungen nicht deckungsgleich. Die Transformationsprozesse in Mittel- und Osteuropa und der Krieg im Nahen Osten waren wichtige Determinanten der damaligen europäischen und internationalen Politik. Das Europa der letzten Jahre verzeichnete ein Erstarken der Rechtspopulisten und vor allem eine Zunahme der antieuropäischen Stimmungen. Im Nahen Osten führte der sogenannte „Arabische Frühling“ des Jahres 2011 nicht zum erhofften Ausgang einer Demokratisierungswelle, welche die Nationalstaaten erfassen und somit eine Transformation der politischen Systeme ermöglichen sollte. Von den Ereignissen in Europa und dem Nahen Osten waren und sind Deutschland und die Türkei in hohem Maß betroffen. Für beide Staaten bedeuteten die geopolitischen Transformationsprozesse einen Einschnitt. Sie mussten sich daher rasch auf die neue Situation einstellen. Während Deutschland im Herzen Europas mit den ehemaligen sozialistischen Ländern konfrontiert war, die gezielt die Mitgliedschaft in der EG suchten und somit als neue politische oder wirtschaftliche Partner gewonnen werden konnten, bedeutete diese Entwicklung für die Türkei, dass sie die wirtschaftlichen Beziehungen mit einem ihrer stärksten Handelspartner neu verhandeln musste. Die Handelsverbindungen mit dem zweitwichtigsten Partner, dem Irak, waren aufgrund des zweiten Golfkriegs 1990/91 zu einem Ende gelangt. Bereits kurz nach 1987 stellte Zypern einen Antrag auf Aufnahme in die EG, gefolgt von Österreich 1989, das nun vehement in die Gemeinschaft drängte. Es dauerte nicht lange ehe die mittel- und osteuropäischen Staaten ebenfalls ihr politisches Begehren, der EG beizutreten bekundeten. Bis 1987 war es die Türkei allein, die die Liste der Anwärter auf eine Mitgliedschaft anführte. Der politische Wandel Ende der 1980er- und zu Beginn 1990er-Jahre in Europa veränderte die türkischen EG -Mitgliedschaftsperspektiven, d. h. die Türkei musste mit verschiede4 Vgl. Udo Steinbach, Die Türkei im 20. Jahrhundert schwieriger Partner Europas (Bergisch Gladbach: Lübbe, 1996), 411–431; sowie Curd-Torsten Weick, Die schwierige Balance. Kontinuitäten und Brüche deutscher Türkeipolitik (= Konfrontation und Kooperation im Vorderen Orient, Band 5; Münster/Hamburg/London: Lit-Verlag, 2001), 4. 5 Vgl. „Erdogan: Meinung des EU-Parlaments wertlos“ (http://diepresse.com/home/politik/ eu/5122808/Erdogan_Meinung-des-EUParlaments-wertlos, zuletzt abgerufen am 24. November 2016).

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nen neuen europäischen Konkurrenten um den EG -Beitritt buhlen. Bereits Ende 1987 waren Stimmen zu vernehmen, die die schlechte wirtschaftliche Lage der mittel- und osteuropäischen Staaten als ernstzunehmenden Hinderungsfaktor bezeichneten, gleichzeitig jedoch die Überzeugung vertraten, dass die kulturellen und historischen Verflechtungen sowie konfessionell-religiösen Gemeinsamkeiten überwiegen würden.6 Mit Blick auf die Türkei wurden die letzten drei Faktoren als Herausforderungen aufgefasst, die die Beitrittsoption als bedenklich erscheinen ließen.7 Dieser Aufsatz ist gemäß den fünf Leitfragen des Bandes strukturiert: Zuerst soll ein kurzer, nicht repräsentativer Überblick über bestehende Literatur der deutschen Türkeiforschung geleistet werden. Zweitens sollen die Beziehungen der beiden Staaten vor 1989/90 in gebotener Kürze dargelegt werden. Drittens folgt die Darstellung der türkischen Haltung zur Frage der deutschen Einheit. Die Auswertung der Literatur, vor allem mit Blick auf die dritte Frage, macht es notwendig, die Haltung der Türkei nicht nur anhand wissenschaftlicher Arbeiten, sondern auch anhand türkischer Medienerzeugnisse zu analysieren. Letzteres ist vor allem deswegen nötig, weil die bestehende Literatur zu Deutschland und der Türkei in den 1990er-Jahren weniger die Wiedervereinigung als solche in den Blick nimmt als vielmehr die Herausforderungen im regionalen Kontext der türkischen Innenpolitik und der Kurdenfrage, aber auch im überregionalen Zusammenhang mit Blick auf die EG, Deutschland und die Türkei sowie im internationalen Rahmen mit dem zweiten Golfkrieg und dem Ende des Kalten Kriegs. Aufgrund verschiedener Überlegungen wurde in einem ersten Zugriff die Hürriyet8 untersucht. Der Betrachtungszeitraum erstreckt sich vom 9.  bis 19. November 1989 und vom 3. bis 13. Oktober 1990. Zunächst geht es um die Reaktionen nach dem „Fall der Mauer“ und dann um jene nach dem Vollzug der deutschen Einheit. Besonderes Augenmerk wurde auf die Titelseiten gelegt, konkret darauf, ob und wie das Geschehen in Berlin und die deutsche Einheit sowie für Deutschland relevante Entwicklungen auf den Titelblättern dargestellt wurden. Zudem wird der Frage, wie die Hürriyet in den Kategorien Welt- und Europapolitik über das Ereignis berichtete, nachgegangen. Kommentare für den oben besagten Zeitraum wurden ebenfalls in die Arbeit aufgenommen. Viertens findet eine kompakte Darstellung des Verlaufs der türkischen EG - bzw. EU-Beitrittsversuche von 1986 und 1995 Eingang in diesen Artikel, wodurch wieder die Brücke zur eingangs skizzierten gegenwärtigen Lage geschlagen wird. 6 Vgl. Werner Gumpel, Determinanten der Europabeziehungen der Türkei zu Beginn der neunziger Jahre, in: id. (ed.), Europa und die Türkei in den neunziger Jahren (= Südost­europa aktuell 11; München: Südosteuropa-Gesellschaft, 1991), 9–14, hier 10. 7 Vgl. Ismail Ermağan, Avrupa Birliği Bağlamında Türkiye-Almanya İlişkileri, in: Mustafa Kemal Üniversitesi Sosyal Bilimler Enstitüsü Dergisi 20 (2012) 9, 73–91. 8 Die Hürriyet wurde aufgrund ihrer umfassenden Berichterstattung, ihrer Auflagenstärke sowie ihrer meinungsbildenden Funktion ausgewählt. Ausführlicher dazu Şeref Ateş, Deutsch-Türkische Medienbeziehungen (Würzburg: Konigshausen&Neumann, 2009).

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II.

Hüseyin I. Çiçek

Die deutsche Türkeiforschung

Die langjährigen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei waren geprägt von enger politischer, wirtschaftlicher sowie gesellschaftlicher Kooperation, aber auch von einer „Politik des Zeigefingers oder kritischen Dialogs“ sowie einer Atmosphäre des Misstrauens.9 Vor allem seit den 1980er-Jahren war ein verstärktes politisches Auseinanderdriften im Verhältnis der beiden Staaten wahrzunehmen. Divergenzen über die Freizügigkeit türkischer Arbeitskräfte im Rahmen des EWG -Assoziationsabkommens von 1963,10 die deutsche Ablehnung der Aufnahme der Türkei in die Europäischen Gemeinschaften 1987 oder die Themen Minderheiten- und Menschenrechte waren wichtige Faktoren in den deutsch-türkischen Beziehungen, die das Verhältnis ins Wanken brachten.11 Diesen Aspekten werden wir uns weiter unten wieder zuwenden. Gleichzeitig ist ein Anstieg wirtschaftlicher und intellektuell-akademischer Verflechtungen festzustellen. Letzteres hing vor allem, aber nicht nur, mit der zahlenmäßig großen türkischen Einwanderungsgesellschaft in Deutschland zusammen, welche ein Resultat des Anfang der 1960er-Jahre zwischen den beiden Staaten geschlossenen Anwerbeabkommens ist.12 Die Nachkommen der Gastarbeiter haben inzwischen im heutigen Deutschland wichtige öffentliche, private oder universitäre Tätigkeitsbereiche inne und konnten selbst zu einer Kooperation über die Grenzen der Politik hinweg beitragen. Bereits in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre betonte Udo Steinbach, dass die große Anzahl türkischer Bürger in der Bundesrepublik eine Präsenz türkischer Innenpolitik in all ihren Facetten in Deutschland unausweichlich machen würde.13 Ein Blick in die Publikationswelt der deutschen Türkeiforschung zeigt die vielfältigen Ambitionen. Keineswegs ist es hier das Ziel, einen umfassenden qualitativen Überblick über die verschiedenen Werke zu geben, vielmehr sollen einige wenige Arbeitsschwerpunkte stellvertretend für eine große Anzahl von

9 Weick, Die schwierige Balance, 40. 10 Vgl. Michael Gehler, Von Mustafâ Kemâl „Atatürk“ bis Adnan Menderes und zu der EWG -Assoziierung der Türkei (1919–1963). Zur Kontextualisierung der Berichte von Botschafter Karl Hartl aus Ankara, in: id./Rudolf Agstner (eds.), Die Türkei, Europa und der Nahe Osten. Die Berichte des österreichischen Botschafters Karl Hartl aus Ankara 1958–1963 (= Forschungen zur Geschichte des österreichischen Auswärtigen Dienstes 12; Münster/Hamburg/London: Lit-Verlag, 2016), 11–53, hier 44–49. 11 Vgl. Udo Steinbach, Die deutsch-türkischen Beziehungen – alte Freundschaft am Scheideweg?, in: Südosteuropa Mitteilungen 34 (1994) 2, 79–84, hier 80. 12 Vgl. Hüseyin I. Çiçek, Türkische Migration nach Vorarlberg im Kontext individueller Gesellschaftserfahrungen, in: Peter Melichar/Andreas Rudigier/Gerhard Wanner (eds.), Wanderungen. Migration in Vorarlberg, Liechtenstein und in der Ostschweiz zwischen 1700 und 2000 (Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2016), 227–241 13 Vgl. Udo Steinbach, Die deutsch-türkischen Beziehungen, 82.

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publizierten Beiträgen genannt werden.14 Ein Blick in das facettenreiche Literaturfeld der deutschen Türkeiforschung zum Thema Türkei und Deutschland zeigt, dass die Arbeiten sich auf historischer-, kultur- oder islamwissenschaftlicher Ebene bewegen. So geht es um deutsch-jüdische Intellektuelle in der Türkei,15 Frauenrechte im Osmanischen Reich,16 Diskussionen über die Bedeutung der Nation in der formativen Phase der türkischen Republik oder Koranexegeten im Auftrag des Kemalismus.17 Soziologische oder politikwissenschaftliche Studien18 befassten sich mit dem türkischen Bildungssystem im internationalen Vergleich oder dem Einfluss kommunaler Politiker in der Türkei.19 Derzeit wird das Forschungsfeld u. a. von Publikationen angeführt, die sich mit der Identität Türkeistämmiger in Deutschland auseinandersetzen.20 Daneben gibt es von deutschen Türkeiexperten, wie etwa Udo Steinbach, Klaus Kreiser, Raoul Motika, Ahmad Feroz und anderen, umfassende Monografien über die Türkei im 20.  Jahrhundert sowie die deutsch-türkischen Beziehungen während des Ersten oder Zweiten Weltkriegs.21 Englische Publikationen, wie etwa von Bruce R. Kuniholm,22 widmen sich der formativen Phase des Kalten Krieges und der Türkei. Hier liegt das Hauptaugenmerk auf den 1950er- und 1960er-Jahren. Neuere Arbeiten, wie etwa von Jenny White, widmen sich dem Aufstieg der islamistischen Parteien sowie deren Führern und vor allem dem Einfluss des türkischen Islams auf die Gesellschaft seit den 1980er-Jahren.23 In 14 Ausführlicher dazu: Vgl. Reiner Arntz/Michael Gehler/Mehmet Öncü (eds.), Die Türkei, der deutsche Sprachraum und Europa. Multidisziplinäre Annäherungen und Zugänge (Wien/ Köln/Weimar: Böhlau, 2014); vgl. Klaus Kreiser et al. (eds.), Junge Perspektiven der Türkeiforschung in Deutschland, Band 1 (Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2014), 15 Vgl. Kader Konuk, East-West mimesis. Auerbach in Turkey (Stanford/California: Stanford University Press, 2010). 16 Vgl. Elife Biçer-Deveci, Der Kampf für die Frauenrechte im Osmanischen Reich: Kadinlar Dünyası und die osmanisch-muslimische Frauenbewegung im frühen 20. Jahrhundert, in: Klaus Kreiser et al. (eds.), Junge Perspektiven der Türkeiforschung in Deutschland. Band 1 (Wiesbaden: Springer Fachmedien 2014), 41–61. 17 Vgl. Benjamin Flöhr, Ein traditionalistischer Korandeuter im Dienste des Kemalismus­ Elmalılı Muhammed Hamdi Yazır (1878–1942) (= Islamkundliche Untersuchungen; Berlin: Schwarz, 2015). 18 Vgl. Weick, Die schwierige Balance. 19 Vgl. Charlotte Joppien, „Ohne Lider geht hier nichts“ – Eine Untersuchung der kommunalen Sichtbarkeit und Einflussnahme des Parteivorsitzenden, in: Klaus Kreiser et al. (eds.), Junge Perspektiven der Türkeiforschung in Deutschland, Band 1 (Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2014), 117–133. 20 Ibd. 21 Vgl. Steinbach, Die Türkei im 20. Jahrhundert; vgl. Ahmad Feroz (1994), The making of modern Turkey. (Reprint, London: Routledge, 1994). 22 Vgl. Bruce R. Kuniholm, The origins of the Cold War in the Near East. Great power conflict and diplomacy in Iran, Turkey, and Greece (Princeton/New Jersey: Princeton University Press, 1994). 23 Vgl. Jenny B. White, Muslim Nationalism and the New Turks (= Princeton studies in Muslim politics; Princeton/New Jersey: Princeton University Press, 2014).

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Whites Arbeiten spielt die internationale politische Konstellation eher eine Nebenrolle. Das Verhältnis Ankaras zu den beiden deutschen Staaten bis in die 1960er-Jahre wurde von Can Özren analysiert.24

III. Die deutsch-türkischen Beziehungen im Kalten Krieg Bevor wir uns dem Verhältnis Ende 1980er- und am Beginn der 1990er-Jahre widmen, sollen die Determinanten der deutsch-türkischen Beziehungen in den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren in der gebotenen Kürze dargelegt und besprochen werden. Konrad Adenauer charakterisierte die deutsch-türkischen Verhältnisse im Rahmen seines ersten Staatsbesuches (18. bis 25. März 1954) wie folgt: „Unsere gemeinsame Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der freien Welt bildet auch den Hintergrund für eine fruchtbare Entwicklung unserer Beziehungen.“25 Die sowjetische Bedrohung führte dazu, dass die Bundesrepublik und die Türkei im Rahmen der Eindämmungsdoktrin Harry S.  Trumans sich (wieder) annäherten. Gleichzeitig sollte festgehalten werden, dass die Türkei während des Zweiten Weltkriegs eine prodeutsche Politik verfolgte und erst in den letzten Monaten des Krieges die Beziehungen zu NS -Deutschland beendete.26 Die gemeinsame Bedrohung im Kontext des Kalten Krieges führte zu einer Wiederaufnahme der Beziehungen. Washington war mehr als erfreut über diese Entwicklung – nicht nur aus politischen, sondern auch aus geo- sowie militärstrategischen Gründen waren die Bundesrepublik und die Türkei von Bedeutung.27 Auch mit Blick auf die EWG -Ambitionen der Türkei ab den 1960er-Jahren war die Bundesrepublik ein wichtiger Unterstützer Ankaras. Keineswegs bedeutet dies, wie weiter unten ausgeführt, dass Bonn für eine rasche Aufnahme der Türkei eintrat. Darüber hinaus waren Westdeutsche und Türken auch im ideologischen Kampf während der bipolaren Aufteilung der Welt unentbehrlich. Adenauer ging nicht ohne Übertreibung so weit, zu behaupten, dass „jede politische Erschütterung am Bosporus augenblicklich an der Elbe spürbar“28 sei. In Einklang mit der amerikanischen Türkeipolitik entwickelte die Bundesrepublik auch eine Wirtschaftspolitik, die die Türkei stärken sollte. „Hence the Kennedy administration was determined to involve its European allies, e­ specially 24 Vgl. Can Özren, Die Beziehungen der beiden deutschen Staaten zur Türkei (1945/49–1963) (= Studien zur Zeitgeschichte des Nahen Ostens und Nordafrikas 5; Münster/Hamburg/ London: Lit-Verlag, 1999). 25 Konrad Adenauer, zit. in: Weick, Die schwierige Balance, 29. 26 Vgl. Hüseyin Çiçek, Die Truman Doktrin und die Transformation des politischen Systems der Türkei, Universität Innsbruck, Diplomarbeit 2006. 27 Vgl. George S. Harris, Troubled alliance. Turkish-American problems in historical ­perspective 1945–1971 (= Hoover Institution Studies 33; Washington DC: American Enterprise Institute for Public Policy Research, 1972), 100. 28 Konrad Adenauer, zit. in: Weick, Die schwierige Balance, 30.

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West Germany, in sharing the burden of assistance to countries like Turkey.“29 Die kemalistische Republik vergab im Gegenzug viele Aufträge an deutsche Unternehmen und trug somit ihrerseits zur Stärkung der Beziehungen bei. Dieser Prozess war jedoch aufgrund verschiedener ökonomischer Herausforderungen ins Stocken geraten. Ankara konnte seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen und bereits 1954 musste Bonn „Bürgschaften und Garantien“ in Höhe von 533 Millionen D-Mark übernehmen.30 Vor allem die türkische Beteiligung am Koreakrieg 1950–1953 und ihr Engagement im Zuge des NATO -Beitritts sowie ihre strategische Bedeutung an der Südflanke der Sowjetunion führte zu einer verstärkten amerikanisch-deutschen Türkeipolitik. Zwischen 1964 und 1974 betrug die westdeutsche Türkeihilfe mehr als 170 Millionen D-Mark pro Jahr. Nur die Amerikaner leisteten im selben Zeitraum mehr finanzielle Unterstützung. Auch die Spannungen zwischen Ankara und Washington im Rahmen der Zypern-Krise änderten nichts an der Haltung Bonns. Das Engagement nahm sogar zu. Ab 1978 erhöhte sich die finanzielle Unterstützung auf mehr als 280 Millionen D-Mark; verantwortlich waren zwei Regierungsabkommen über Warenhilfekredite. Eine wirkliche Verbesserung der türkischen Wirtschaft stellte sich jedoch nicht ein. Vielmehr sorgten innenpolitische Probleme wie fehlende Minderheitenrechte und v. a. die Kurdenfrage sowie wirtschaftspolitische Krisen für eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in der Türkei. Alarmiert wurden die Bündnispartner Ankaras vor allem durch die Ereignisse im regionalen und internationalen Umfeld der kemalistischen Republik. Der Iran wurde zu einer islamischen Republik und konnte die Region destabilisieren, die sowjetische Aufrüstung und Machtpolitik am Horn von Afrika, in den Golfstaaten, Pakistan und die Intervention in Afghanistan am 24. Dezember 1979 sorgten zusätzlich für Unbehagen.31 Gleichzeitig führten die letztgenannten Entwicklungen zu einer militärischen Bedeutungszunahme der Türkei. Sie war nunmehr der alleinige NATO -Verbündete an der Südflanke der Sowjetunion.32 Am 29.  November 1978 wurde während der atlantischen Versammlung in Lissabon sowohl die Bedeutung der NATO -Südflanke unterstrichen, als auch die Tatsache, dass eine „bündnissolidarische Türkeihilfe“ oberstes Gebot sei, vor allem mit Blick auf die transatlantische Verteidigungsallianz, betont.33 Anfang der 1950er- bis in die 1980er-Jahre war es – abgesehen von den USA – vor allem Deutschland, das der Türkei durch wirtschaftliche und militärische Unterstützung zu Hilfe kam und somit zur politischen und ökonomischen Stabilisierung der kemalistischen Republik beitrug. Helmut Schmidt äußerte 29 Harris, Troubled alliance, 100. 30 Ausführlicher dazu ibd. 31 Vgl. Helmut Hubel, Türkei und Mittelost-Krisen. d. türk. Interessenlage gegenüber amerikan. u. westeurop. Bemühungen um Konfliktbewältigung im Nahen u. Mittleren Osten (= Arbeitspapiere zur internationalen Politik 34; Bonn: Europa-Union-Verlag, 1984). 32 Vgl. Harris, Troubled alliance; sowie: Bruce R. Kuniholm, The origins of the Cold War in the Near East. 33 Vgl. Weick, Die schwierige Balance, 39.

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sich diesbezüglich: „Ihr Land […] trägt wie das unsrige seinen Teil zur Verantwortung für Sicherheit und Frieden in Europa [bei]. Wir sind zuversichtlich […], dass unsere türkischen Freunde […] ihren unentbehrlichen Beitrag zu den gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen […] leisten [werden]. Bei der Erfüllung ihres Auftrags im Rahmen des Bündnisses [der NATO], der materielle Opfer verlangt, werden wir Ihnen wie in der Vergangenheit zur Seite stehen.“34 Trotz der oben genannten zahlreichen weltpolitischen Herausforderungen – die auch in den 1980er-Jahren die internationale Politik fest im Griff hatten – und der weiterhin gewährten deutschen Türkeihilfe verschlechterten sich die deutsch-türkischen Beziehungen nachhaltig. Ein wichtiger Grund hierfür war, dass die Bundesrepublik u. a. davon überzeugt war, dass NATO -Mitgliedsstaaten sich in ihrer politischen Gesinnung sowie Haltung wesentlich von den Staaten des Warschauer Paktes absetzen müssten. Die deutsche Türkeihilfe sollte nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Demokratie stärken. Bundeskanzler Schmidt, Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Oppositionsführer Helmut Kohl wurden vom Militärputsch 1980 „überrollt“,35 zumal sich die Türkei und ihre führende Militärs trotz der Unterstützung seitens der NATO -Mitgliedsstaaten und insbesondere Deutschlands nicht gegen einen Putsch entschieden hatten. Berichte über Menschenrechtsverletzungen seitens Amnesty International sorgten zusätzlich für Spannungen; das Verhältnis wurde auch durch das Verhalten eines Teils der türkischen Einwanderungsgesellschaft in Deutschland, die durch Demonstrationen, Hungerstreiks und politische Initiativen die Bundesregierung zusätzlich unter Druck setzte, beeinflusst. 1981 äußerte sich Außenminister Genscher während des Besuchs von Ministerpräsident Turgut Özal in der Bundesrepublik deutlich zu den politischen Entwicklungen in der Türkei und unterstrich einmal mehr, dass innerhalb der NATO Menschenrechtsverletzungen keinen Platz hätten.36 Hinzu kam, dass die Türkeihilfe und türkische Gastarbeiter immer mehr in der Innenpolitik der Bundesrepublik an Signifikanz gewannen. Peter Corterier von der SPD -Bundesfraktion kritisierte die Bonner Regierung scharf und forderte ein Ende der Türkeihilfe, da sich die deutsche Bevölkerung nicht indirekt durch finanzielle Unterstützung an Menschenrechtsverletzungen am Bosporus beteiligen wolle.37 Hinzu kam, dass seit den 1970er-Jahren die Anzahl von rechten und linken türkischen Organisationen in Deutschland gestiegen war und deren gewalttätige Auseinandersetzungen signalisierten, dass die türkische Innenpolitik in der Bundesrepublik nicht nur angekommen, sondern Realität geworden 34 Entnommen aus der Rede des Bundeskanzler Schmidt am 10.  Mai 1978 während des Deutschlandbesuches des türkischen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit, zit. in: Amtl. Bulletin vom 6. Juni 1978, Nr. 60, 573–574. 35 Mehrere Türkeiberichte der westdeutschen Regierung verwiesen auf die besorgniserregenden Entwicklungen in der Türkei. Deswegen kann angenommen werden, dass die aufgeheizte und hoch explosive politische Stimmung in der Türkei Bonn nicht verborgen geblieben war, jedoch auf einen anderen Ausgang gehofft worden war. 36 Weick, Die schwierige Balance, 57. 37 Vgl. Frankfurter Rundschau, 30. Jänner 1981.

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war. „Es ist so – das ist der eigentliche Grund für die Sorge, mit der die Bundesregierung diese Entwicklung beobachtet –, dass die Gefahr besteht, dass sich die innenpolitischen Auseinandersetzungen in der Türkei hier durch Auseinandersetzungen von rechts- und linksextremistischen Gruppierungen entladen.“38 Die oben genannten Punkte wie auch die negative Haltung der Kohl-Genscher-Regierung mit Blick auf das Freizügigkeitsabkommen – alle Parteien stimmten darin überein, dass ein solches Abkommen zu einer Masseneinwanderung aus Anatolien führen würde – hatten zu einer Verschlechterung der Beziehungen geführt. Bereits seit Ende der 1970er- und Beginn der 1980er-Jahre signalisierte die Bundesrepublik, dass sie vertiefte politische und wirtschaftliche Beziehungen im Rahmen bilateraler Abkommen und der EG befürworte, jedoch nicht bereit war, die Freizügigkeitsfrage – die im Rahmen des Assoziationsabkommens mit der Türkei vereinbart wurde  – umzusetzen. Auch machten verschiedene bundesdeutsche Politiker vor dem Antrag Ankaras auf eine EG -Vollmitgliedschaft am 14. April 198739 klar, dass eine Aufnahme der Türkei noch viel Arbeit voraussetzen würde. Bundespräsident Weizsäcker versuchte bereits 1986 während seines Türkeibesuches die politische Führung in Ankara davon zu überzeugen, dass es in der Türkei „großer Anstrengung“ bedürfe, um die im Assoziationsvertrag gestellten Aufgaben und Reformen umzusetzen. Eine gemeinsame Zollunion rückte immer weiter in die Ferne und die schlechte wirtschaftliche Lage der Türkei machte weder für die Bundesrepublik noch für die EG eine Freizügigkeit reizvoll.40 Auf ihre geostrategische Bedeutung setzend versuchte Staatspräsident Kenan Evren Einfluss auf Bonn und den EG -Entscheid zu nehmen, nämlich die Vollmitgliedschaft bis 1992 zu vollziehen: „Zu diesem Zeitpunkt wird der europäische Binnenmarkt und das Europäische Währungssystem vervollständigt. […] Wenn die Türkei außerhalb der EG bleibt, dann würde der Schaden zu Lasten Europas gehen. Denn in diesem Falle müßte die Türkei nach Alternativen suchen.“41 Abgesehen von dieser versteckten Drohpolitik bot das Ende des Kalten Krieges der Türkei neue Optionen.

IV. Die Türkei, der Mauerfall und die deutsche Einheit im Spiegel der Hürriyet Eine spezifische Untersuchung zur Haltung der Türkei gegenüber der deutschen Wiedervereinigung ist weniger ein expliziter als vielmehr ein impliziter Analyse­punkt – so auch in den Publikationen von Steinbach oder Çil.42 In vielen­ 38 Staatssekretär von Schoeler (SPD), zit. in: Weick, Die schwierige Balance, 284. 39 Bereits 1959 hatte die Türkei um eine Mitgliedschaft in der EWG angesucht. 40 Weick, Die schwierige Balance, 353. 41 Vgl. FAZ , 28. Januar 1988. 42 Nevim Çil, Türkische Migranten und der Mauerfall, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 59 (10.5.2009) 21/22, 40–46. Dieser Artikel stellt hier nur bedingt eine Ausnahme dar. Der Artikel befasst sich zwar mit den politischen Veränderungen der 1990er-Jahre und ver-

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Arbeiten steht zwar der Wandel in den türkisch-deutschen Beziehungen seit den 1980er-Jahren im Vordergrund, der Blick richtet sich jedoch auf die Herausforderungen im Bereich der Sicherheitspolitik (NATO), Minderheitenpolitik, EWG, Ausländerpolitik, Ausländer- sowie Türkenfeindlichkeit in Deutschland nach der Wiedervereinigung oder stellt die Kurdenfrage ins Zentrum der Analysen.43 Türkische Publikationen, wie etwa vom renommierten Politologen Baskin Oran, nehmen weniger die deutsche Einheit in den Fokus als vielmehr das Ende des Kalten Krieges, die NATO (Sicherheitspolitik) und die Türkei, die Kurdenfrage, den zweiten Golfkrieg oder die Balkankriege.44 Auch der türkische Politologe İbrahim Serhat Canbolat widmet sich in seinem Buch „Deutschland und die Türken in einer sich verändernden Welt“ nicht explizit der Haltung des türkischen Staates mit Blick auf die deutsche Einheit.45 Selbstverständlich spielt die Bundesrepublik in den genannten Bereichen eine Rolle, jedoch nicht die deutsche Einheit. Anders gesagt: Die deutsche Einheit wird weder als „Segen noch Fluch“ kategorisiert. Die türkische Perspektive beschäftigt sich weniger damit, ob Deutschland durch den „Mauerfall“ zu einer Gefahr für Europa oder die Welt werden könnte, sondern fragt danach, ob die Türken in Deutschland durch die Entwicklungen benachteiligt werden würden. Mit Blick auf die internationale Politik steht die NATO -Partnerschaft im Mittelpunkt und die Haltung der Bundesrepublik, die sich während des zweiten Golfkriegs eher gegen türkische Interessen positionierte.46 Die Hürriyet nimmt den „Mauerfall“ in ihren Ausgaben zwischen dem 9. und dem 19.  November 1989 weniger aus geo- oder europapolitischer Sicht in den Blick. Stattdessen dominieren Analysen zum Thema Gastarbeiter oder Auslän­ dergesetze.47 D. h. es wurden persönliche oder kollektive Nachteile der türki­ schen Einwanderungsgesellschaft im Rahmen alltäglicher Herausforderungen besprochen und debattiert, ob und weshalb der „Tod des osmanischen Mannes“ unmittelbar bevorstehe.48 In der Bundesrepublik würde ein ­anderes Geschlechsucht mit einer gewissen Zahl nicht-repräsentativer Interviews türkische Stimmen in der Bundesrepublik mit Blick auf die Wiedervereinigung einzufangen, jedoch liegt das Hauptaugenmerk auch hier auf der Frage nach Ausländer- oder Türkenfeindlichkeit, nach gesellschaftlichen Herausforderungen sowie Integration und weniger auf der Haltung der Türkei zur deutschen Wiedervereinigung. 43 Vgl. Weick, Die schwierige Balance. 44 Vgl. Baskın Oran (ed.), Turkish foreign policy, 1919–2006. Facts and analyses with documents (= Utah series and Turkish and Islamic studies; Salt Lake City: University of Utah Press, 2010); sowie: id. (ed.), Türk Dış Politikasi. Kurtuluş Savaşından Bugüne Olgular, Belgeler, Yorumlar [Die türkische Außenpolitik. Vom Unabhängigkeitskrieg bis zur Gegenwart. Fakten, Dokumente, Analysen] (Istanbul: İletişim Yayınları, 202015). 45 Vgl. İbrahim S. Canbolat, Değişen dünyada Almanya ve Türkler. Ulusal çıkar, ulusal birlik ve kamuoyu tercihi açısından bir inceleme (Bursa: Alfa, 42009). 46 Weick, Die schwierige Balance, 172–182 sowie 194–201. 47 Hürriyet, 16.  November 1989, 7 und Titelseite; Hürriyet, 11.  November 1989, 3, 12, 13 und Titelseite; Hürriyet, 13. November 1989, 9, 13, 15 und Titelseite. 48 Hürriyet, 16. November 1989, 2.

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terverhältnis die familiären Aufgabenstrukturen bestimmen und immer mehr männliche türkische Gastarbeiter würden sich nach ihren deutschen Vater-Kollegen orientieren. Begegnungen zwischen türkischen Lebensmittelhändlern in Berlin-Kreuzberg, die Freude der Ostdeutschen über die Entwicklungen in der DDR und deren Interesse am Sex-Kino waren Themen der Berichterstattung.49 Der Hürriyet-Journalist Dogan Uluc analysierte in seinem Kommentar vom 13. November 1989 auf Seite 10 unter dem Titel „Bei der Errichtung und dem Abriss der Berliner Mauer war ich vor Ort“ die Situation, ohne den Mauerfall und die nun wieder möglich erscheinende deutsche Einheit als eine Herausforderung für Europa oder die Türkei darzustellen. Am 5. September 1960 sei er mit einer Gruppe von türkischen Journalisten nach Berlin gereist und hätte sich vor Ort die Nachkriegsordnung in Berlin „angesehen“. Damals hätte die DDR ihr totalitäres Gesicht gut verstecken können. Ein Jahr später im August 1961 bei einer erneuten Reise nach Berlin hätte eine 4,5 Meter hohe und 45 km lange Mauer ein „Volk“, eine „Glaubensgemeinschaft [sic!]“ sowie eine „Rasse“ voneinander getrennt. Damals hätten einige Menschen aus den Stadtteilen Kreuzberg, Glienicke und Potsdam, deren Häuser in Richtung Westberlin standen und die Mauer überragten, versucht, aus einer Höhe von mehr als vier Metern über die Mauer zu springen und somit aus der DDR zu fliehen. Viele seien beim Versuch gestorben. Zusammenfassend bezeichnete er die Mauer als einen Ort der Scham (utanç duvarı) und berichtete über die große Anzahl von Deutschen, die sich nun zwischen Ost und West frei bewegen könnten: „Der erste Rausch der Freiheit“­ („Özgürlügün ilk sarhoşluğu“) hätte die Ostdeutschen fest im Griff. Im Kommentar finden sich auch Äußerungen von Ost- und Westdeutschen, die dem Autor mitgeteilt hatten wie sie die Situation bewerten: So beispielsweise ein Taxifahrer, der Uluc gegenüber immer wieder beteuerte, dass er alles für einen Traum hält: „Wie wenn ich träumen würde, ist das die andere Seite der Mauer?“ („Uykuda gibiyim, burası duvarın öte yanı mı“). Der mitfühlende und emotionsgeladene Kommentar von Uluc wird aber von Artikeln überschattet, die vor allem über die neuen Ausländergesetze der Bundesrepublik berichten. Eine Schlagzeile auf der Titelseite der Hürriyet vom 9. November 1989 lautet: „Die Gastarbeiter werden wie Kienholz verbrennen“ („Gurbetçi çira gibi YANACAK “). Auf Seite 7 wird über den Rücktritt der damaligen DDR-Regierung berichtet sowie über die Haltung Bonns, vor allem Helmut Kohls, gegenüber der DDR . Der „Mauerfall“ vom 9. November 1989 wird überschattet von der türkischen Innenpolitik, neuen Ausländergesetzen in der Bundesrepublik und von einem Attentat auf zwei Journalisten in der Türkei, bei dem einer von beiden getötet und der andere schwer verletzt wurde. Die Hürriyet-Berichterstattung zwischen dem „Mauerfall“ und dem 19. November 1989 behandelt vorwiegend die sich für türkische Gastarbeiter durch restriktive Maßnahmen der neuen deutschen Migrationspolitik stellenden­ 49 Hürriyet, 18. November 1989, Titelseite.

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Herausforderungen. Dieses Thema wird auf Seite sieben wieder aufgenommen und unter der neuen Schlagzeile „Deutsche Ausländergesetze sind eine Falle für Türken“ („Alman Yabancılar Yasası Türkler için bir tuzak“) analysiert. Daneben kommen die Entwicklungen in der DDR – „Die Regierung der DDR ist zurückgetreten“ („D. Alman Hükümeti istifa etti“ ) und die Haltung der Bundesrepublik bzw. Helmut Kohls  – „Kohl: Auswanderung/Abwanderung wird Heraus­ forderungen mit sich bringen“ („Kohl ‚Göç‘ sorunları da beraber getirecek“) – auf der gleichen Seite zur Darstellung. Am 13. November nahm die Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker „Wir sind ein Volk“ (Biz tek ulusuz) einen Platz auf der Titelseite ein. Eine Analyse aus türkischer Perspektive, was ein geeintes Deutschland für Europa bedeuten würde, fand in der Ausgabe vom 13. November keinen Platz. Vielmehr richtete sich das Augenmerk auf Feierlichkeiten und die mögliche Abwanderung der Ostdeutschen. Bis zum 19. November 1989 beherrschten – abgesehen von der türkischen Innenpolitik – Fragen der Herausforderungen und Entwicklungen innerhalb der türkischen Einwanderungsgesellschaft die Titelseiten der Zeitung. „Das vereinte Deutschland ist geboren“ („Ve BIRLEŞIK Almanya doğdu“), lautete die Titelseite der Hürriyet am 3. Oktober 1990. Der Bericht verwies darauf, dass genau um 24 Uhr vor dem Bundestag die deutsche Flagge gehisst wurde. Erwähnt wurde auch, dass die DDR-Regierung früher am selben Tag um 17 Uhr ein letztes Mal zusammengekommen und ihre letzte Arbeitssitzung mit der 9. Sinfonie Beethovens beendet hatte. Auch sei es zu Ausschreitungen gekommen, als maskierte deutsche Gruppen gegen die Einheit demonstriert hätten. Trotz eines hohen Polizeiaufgebotes, sei es zu Zwischenfällen in Berlin-Kreuzberg gekommen. Daneben dominierten Schlagzeilen über den zweiten Golfkrieg und gefangene Terroristen. Auch die weiteren Berichte im Zusammenhang mit der deutschen Einheit „Für ein Europa der Brüderlichkeit: das Ende der Visapflicht“,50 oder Auszüge aus der Rede des Bundeskanzlers Helmut Kohl „Europa ist unsere Zukunft und Deutschland unser Vaterland“51 oder „das Herz Deutschlands schlägt in Berlin“,52 widmeten sich der deutschen Einheit sowie der deutschen Innenpolitik. Eine türkische Haltung bzw. Bewertung kommt jedoch in der Ausgabe vom 3. Oktober 1990 nicht zum Ausdruck. Gleichzeitig muss angemerkt werden, dass der sich abzeichnende zweite Golfkrieg und damit der bevorstehende Militäreinsatz der westlichen Allianz sowie die mögliche Destabilisierung des Nahen Ostens in der Hürriyet einen großen Platz einnahmen. Auch die weitere Berichterstattung in dieser Tageszeitung bis zum 13. Oktober 1990 ist nicht von einer türkischen Perspektive auf die deutsche Einheit geprägt. Wie in der Zeit rund um den „Mauerfall“ wurde mehr über aktuelle Entwicklungen in der deutschen Politik berichtet, jedoch kam Themen, wie etwa den Gastarbeitern, der türkischen Innenpolitik und dem Irak50 Hürriyet, 3. Oktober 1990, 2. 51 Hürriyet, 3. Oktober 1990, 7 und Titelseite. 52 Hürriyet, 3. Oktober 1990, 10.

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krieg, stets mehr Aufmerksamkeit zu. Letzteres hängt auch damit zusammen, dass die deutsche Einheit keine Änderung in den deutsch-türkischen Beziehungen mit sich brachte. Deutschlands Haltung gegenüber der Türkei war aufgrund der Menschenrechtsverletzungen, der problematischen Minderheitenpolitik und dem langsamen Voranschreiten des Demokratisierungsprozesses eher kritisch: „Die Europäische Gemeinschaft ist eindeutig eine Wertegemeinschaft, die der Demokratie und den Menschenrechten verpflichtet ist. Wenn wir dies aufgeben würden“, so der FDP-Abgeordnete Ulrich Irmer im November 1988, „dann wären wir es nicht wert, dass wir als Europäische Gemeinschaft existieren. Jeder, der diesem Club beitreten will, muss als Vorleistung dafür sorgen, dass derartige Dinge, die wir aus der Türkei wissen und leider täglich neu erfahren, nicht mehr vorkommen. Ich möchte unseren türkischen Freunden und der türkischen Regierung ganz nachhaltig ins Stammbuch schreiben: Sorgt dafür, dass mit diesen Verhältnissen schleunigst Schluss gemacht wird, sonst brauchen wir – ich sage: leider – über einen Beitritt zur EG gar nicht zu reden.“53

Die Aussage der Abgeordneten gab die Haltung Bonns wieder: Die Regierung war an einer guten und stabilen Zusammenarbeit mit Ankara interessiert, aber nicht unter allen Umständen. Gleichzeitig bot das Wegfallen des Warschauer Paktes neue Optionen für die EG und Deutschland gleich vor ihrer Haustür. Dies führte dazu, dass die Türkei von ihren innenpolitischen Querelen durch eine neue Außenpolitik ablenken konnte. Auch wenn der Irakkrieg die Rolle der Türkei als einen bedeutenden Verbündeten der NATO -Allianz vor Augen führte, so hatte dies keine Auswirkungen auf die Haltung der EG gegenüber Ankara. Auch Deutschland begrüßte das Engagement der Türkei während des zweiten Golfkriegs, ohne jedoch seinen kritischen Standpunkt gegenüber einer Vollmitgliedschaft zu ändern. Ankara versuchte einen Ausweg zu finden, indem es seine Position durch politische und wirtschaftliche Beziehungen zu den Turkvölkern in der ehemaligen Sowjetunion neu zu bestimmten suchte und somit seinerseits den Druck auf Bonn und Brüssel zu erhöhen versuchte. Staatspräsident Evrens Worte, dass die Türkei neue Verbündete suchen würde, sofern die­ EG -Vollmitgliedschaft ausbleibe, waren keineswegs nur politische Floskeln, es waren einmal mehr unverhohlene Drohungen Die Türkei konnte aufgrund ihrer geostrategischen Bedeutung und durch eine starke Präsenz in Asien von Washington profitieren. Darüber hinaus bestand für die Türkei realpolitisch die Option, sich zwischen den Turk-Republiken und Russland als Mittlerin zu etablieren. Sie hätte somit zusätzlich von den Nachfolgestaaten der Sowjetunion profitieren können.54 Der asiatische Raum erschien in den 1990er-Jahren u. a. politisch aber auch wirtschaftlich weitaus­ 53 Irmer, zit. in: Weick, Die schwierige Balance, 360. 54 Vgl. Christodoulos K. Yiallourides, Turkish External Orientation and Political C ­ ulture, in: Christodoulos K. Yiallourides/Panayotis J. Tsakōnas (eds.), Greece and Turkey after the End of the Cold War (New York: Aristide D. Caratzas, 2001), 65–79.

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lukrativer als der europäische. Das Ziel der Türkei in den 1990er-Jahren war es daher auch, sich außenpolitisch sowohl für die Vereinigten Staaten und die EG/ EU als auch für die Turk-Republiken und Russland unentbehrlich zu machen.55 Auf Grundlage ethnischer Zugehörigkeiten sowie gemeinsamer Wirtschaftsinteressen sollte der asiatische Raum „erobert“ werden. Für nationalistische Semantiken aus dem 19. Jahrhundert hatten die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion wenig übrig. Im Bereich wirtschaftlicher Kooperation entwickelte sich eine gute Zusammenarbeit, die die Turk-Republiken nutzten – nicht nur um ihre nationalen Ökonomien zu stärken, sondern auch, um international als souverän anerkannt zu werden.56 Ziel Ankaras war es daher, mit dem notwendigen politischen Aufwand von den Ressourcen der Region wie den Bodenschätzen Öl oder Gas zu profitieren. Der Energieverbrauch der Türkei nahm immer weiter zu: Zwischen 1987 und 1995 stieg der Gasverbrauch von 500 Millionen auf 5 Milliarden Kubikmeter an. Der Golfkrieg Anfang der 1990er-Jahre zwang die Türkei, neue Wege zu finden, um ihren Energiebedarf zu decken.57 Auch Russland, der Iran und China wetteiferten mit der Türkei um die Rohstoffe der Region. Dies war auch ein Grund für Washington und London, Ankara in seinen politischen und wirtschaftlichen Bemühungen zu unterstützen, um den Einfluss Teherans, Moskaus und Pekings soweit als möglich einzudämmen.58 Abgesehen von den ehrgeizigen türkischen Energiepolitiken wurde auch in die Bereiche Kultur, Technik, Militär und Bildung investiert. Der türkische Kommunikationsriese „Posta ve Telgraf Teşkilatı Genel Müdürlüğü“ (PTT) errichtete kostenlos Telefonanlagen, um die Kommunikation zwischen den Turk-Republiken und der kemalistischen Türkei zu verbessern. Das türkische Fernsehen bzw. der türkische Unterhaltungssektor kreierten Sendungen und Filme, um gezielt kulturellen und politischen Einfluss auf die asiatischen Turkvölker zu nehmen.59 Militärstrategen der Türkei waren als Berater in Zentralasien tätig, Stipendien und Forschungsförderungen sollten den akademischen Austausch vorantreiben. 1992 wurde die „Turkish International Cooperation Agency“ (TICA) gegründet, um das Bankwesen und den Kapitaltransfer voranzutreiben. Ebenso hatte die Institution zum Ziel, das Verwaltungssystem und die Ausbildung von Beamten zu forcieren und zu überwachen. Zusätzlich stellte die türkische Ex­ 55 Vgl. Christos Iacovou, Ethnicity and Politics in Turkey and the Turkic Peoples After the Collapse of the Soviet Union, in: Christodoulos K. Yiallourides/Panayotis J. Tsakōnas (eds.), Greece and Turkey after the End of the Cold War (New York: Aristide D. Caratzas, 2001), 1–23. 56 Vgl. Charalambos Tsardanidis, Turkey and Central Asia: Alice in Asialand?, in: Christo­ doulos K. Yiallourides/Panayotis J. Tsakōnas (eds.), Greece and Turkey after the End of the Cold War (New York: Aristide D. Caratzas, 2001), 167–181. 57 Vgl. Tsardanidis, Alice in Asialand?, 171. 58 Ibd., 167–181. 59 Phil Robins, Turkey’s Ostpolitik: Relations with the Central Asian States, in: David ­Menashri (ed.), Central Asia meets the Middle East (London/Portland: F. Cass, 1998), 129–149, hier 139–149.

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im-Bank den Turk-Republiken Kredite in der Höhe von mehr als 700 Millionen Dollar zur Verfügung. Damit wollte die Türkei u. a. sicherstellen, dass türkische Lebensmittel und andere in Anatolien produzierte Waren in die ehemaligen Sowjetrepubliken importiert werden.60 Trotz der politischen Bestrebungen und finanziellen Unterstützungen der Türkei für die Turk-Republiken konnten diese nicht davon überzeugt werden, Ankara als eine neue Regionalmacht neben Russland zu akzeptieren. Zudem war die türkische Wirtschaft in den 1990er-Jahren nicht in der Lage, die Ökonomien der Turk-Republiken zu stärken. Auch zögerten viele große türkische Unternehmen, in die Republiken der ehemaligen Sowjetunion zu investieren.61 Die Führer der neu entstandenen Turk-Republiken suchten die Nähe Moskaus, zumal sie auch keine Interessenskonflikte herausfordern wollten. Die deutsche Wiedervereinigung und das Ende des Kalten Krieges zwangen die Türkei, sich politisch, strategisch und wirtschaftlich aktiver in ihrem „asiatischen Hinterhof“ einzusetzen. Der Ertrag der türkischen Bemühungen war jedoch sehr gering, was auch daran lag, dass die Türkei während des Kalten Krieges die Turkvölker kaum zu unterstützen wagte. Danach sorgten die Konflikte zwischen Russland und Tatarstan oder Tschetschenien in den 1990er-Jahren für großes Unbehagen in Ankara. Diplomatische Zurückhaltung war die Devise, was sich aber sehr negativ auf die Beziehungen zu den Turk-Republiken auswirkte.62

V. Fazit Der politische Transformationsprozess, beginnend mit dem 9. November 1989, bot die Möglichkeit, die in die Schieflage geratenen deutsch-türkischen Beziehungen deutlich wahrzunehmen. Seit den 1950er-Jahren positionierte sich Bonn mit der Zustimmung Washingtons als Fürsprecher Ankaras. Beide Staaten grenzten an die Sowjetunion bzw. sowjetische Satellitenstaaten und verstanden sich als „Bollwerk“ gegen den Kommunismus. Das Verhältnis wurde durch die übereinstimmende Haltung im Koreakrieg sowie mit dem Anwerbevertrag 1963 – Beginn der Einwanderung türkischer Gastarbeiter – und Waffenlieferungen während der Zypernkrise gestärkt. Finanzielle Unterstützungen über mehrere Millionen D-Mark ab den 1950er-Jahren sollten die Türkei so weit stärken, damit – wie Adenauer unterstrich – an der Elbe keine Erschütterungen wahrzunehmen wären. Trotz der engen politischen und wirtschaftlichen Kooperation zwischen Bonn und Ankara gelang es nicht, am Bosporus einen stabilen Demokratisierungsprozess in die Wege zu leiten und aufrechtzuerhalten. Fragen der Menschen- und Minderheitenrechte überschatteten die Beziehungen.­ 60 Vgl. Tsardanidis, Alice in Asialand?, 167–181. 61 Yilmaz Bingöl, Turkey’s policy towards Post-Soviet Central Asia: Opportunities and­ Challenges, in: Eurasian Studies 14 (1998), 2–19, hier 5–27. 62 Vgl. Tsardanidis, Alice in Asialand?

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Internationale und regionale Konflikte (Irak-Irankrieg oder die Intervention in Afghanistan) führten zu einer geostrategischen Bedeutungszunahme Ankaras und ermöglichten, dass Bonn und auch andere Verbündete ihre Kritik aufweichten. Eine politisch immer stärker werdende Einwanderungsgesellschaft aus der Türkei sowie die Übertragung türkischer innenpolitischer Konflikte auf deutsche Straßen – Integration wurde immer mehr zum Wahlkampfthema – sorgten in der Bundesrepublik für Unmut und förderten – abgesehen von den bilateralen Herausforderungen – eine kritischere Haltung in den 1980er-Jahren. Deutlich wird dies vor allem im Zuge des erneuten türkischen Antrages auf EG -Vollmitgliedschaft 1987 – gleichwohl die Kohl-Genscher-Regierung Ankara immer wieder davon abgeraten hatte, einen Antrag zu stellen. Obwohl die Hürriyet am 3. Oktober 1990 und in den folgenden Tagen über die vollzogene deutsche Einheit berichtete, dominierten der bevorstehende Irakkrieg und Themen zur Lage der Türken in Deutschland. Ein ähnliches Bild lässt sich auch für die Zeit um den 9. November 1989 nachzeichnen. Der Mauerfall wurde zwar angesprochen, jedoch weniger mit Blick auf die Hoffnungen und Erwartungen Ankaras. Stattdessen wurde über die Novellierung der Ausländergesetze sowie Treffen von Türken und Ostdeutschen berichtet, so schrieb man zum Beispiel darüber, dass Ostdeutsche alle Bananen aus türkischen Lebensmittelgeschäften aufkauften. Die Rolle Deutschlands für die Zukunft Europas war kein Thema in der Tages­zeitung, möglicherweise, weil Bonn in den vorausgegangenen Jahren die bilateralen Beziehungen mit Ankara gepflegt, sich aber mit Blick auf eine EG Vollmitgliedschaft der Türkei deutlich negativ positioniert hatte. Gleichzeitig war die Türkei im besagten Zeitraum nicht in der Lage, ihre Mängel und Versäumnisse im Bereich der Menschen- und Minderheitenreche sowie des Demokratisierungsprozesses generell entsprechend den deutschen bzw. EG -Erwartungen zu erfüllen. Es war daher nicht zu erwarten, dass sich die Haltung in Bonn und Brüssel ändern würde. Auch drängten die EG -Verhandlungen mit Zypern: 3. Juli 1990, Malta: 16. Juli 1990, Österreich: 1. Februar 1993, Ungarn: 31. März 1994, Polen: 5. April 1994, Rumänien: 22. Juni 1995, Slowakei: 27. Juni 1995, Lettland: 13. Oktober 1995, Estland: 24. November 1995, Litauen: 8. Dezember 1995, Bulgarien: 14. Dezember 1995, Tschechische Republik: 17. Jänner 1996 und Slowenien: 10. Juni 1996 die Türkei in den Hintergrund. Das alles waren Gründe, weshalb die deutsche Einheit für die Türkei weder Fluch noch Segen war.

VIII. Transnationale Parteiennetzwerke

Michael Gehler and Hannes Schönner

The European Democrat Union and the Revolutionary Events in Central Europe in 1989

First, this article will explain the role of the “European Democrat Union” (EDU) within the framework of European Christian Democrats and Conservatives and its importance for the year of change 1989. Second, it will touch on a few aspects on the leading figures; third, on the promising contacts between the EDU and the Communist Party of the USSR; fourth, on the role played by the EDU in Central Europe, especially vis-à-vis the events in Poland and Hungary, which were its priorities; and finally, on the developments in the German Democratic Republic (GDR) regarding the German Question.1

I.

The Origins of the European Christian Democrats and Conservatives

After 1945, Catholic-conservative and Christian democratic people’s parties played an increasingly more important role in Western Europe than before. There was no lack of new incentives nor of necessary challenges for transnational contacts and organized party cooperation. Nevertheless, the secret meetings of the “Geneva Circle” (1947–56) as well as cooperation within the “Nouvelles Equipes Internationales” (NEI), which were formed in 1947,2 up through their renaming and transformation into the “European Union of Christian Democrats” (EUCD) in 1965, were characterized by continuous debates about how far the coordination should go in both political and ideological matters.3 1 Due to the contribution by Michael Gehler, this chapter is—in part—a result of the FWFproject P 26439-G15 “Aktenedition: Österreich und die Deutsche Frage 1987 bis 1990.” 2 Michael Gehler, Der „Genfer Kreis“: Christdemokratische Parteienkooperation und Ver­ trauensbildung im Zeichen der deutsch-französischen Annäherung 1947–1955, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 49 (2001) 7, 599–625; id., The Geneva Circle of West European Christian Democrats, in: Michael Gehler/Wolfram Kaiser, Christian Democracy in Europe since 1945, Vol. 2 (London/New York: Routledge, 2004), 207–220; Michael Gehler/Wolfram Kaiser (eds.), Transnationale Parteienkooperation der europäischen Christdemokraten: Do­kumente 1945–1965 (Munich: Saur, 2004); Michael Gehler/Marcus Gonschor/Hinnerk Meyer/Hannes Schönner (eds.), Transnationale Parteienkooperation der europäischen Christdemokraten und Konservativen. Dokumente 1965–1979 (Berlin/Munich: De Gruyter Oldenbourg, 2017). 3 Thomas Jansen/Steven Van Hecke, At Europe’s Service. The Origins and Evolution of the European People’s Party (Berlin et al.: Springer, 2011), 21–28.

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The NEI and the EUCD expressly referred to Christian principles, and, thus, civil parties of the center with related but not identical platforms, were excluded. This concerned states with  a different political culture and only small parties that declared themselves Christian, such as the United Kingdom and the Scandinavian countries. In contrast to the NEI, in the EUCD only one party could be represented per country. It is worth noting that within the EUCD over the course of years, the so-called “Political Committee” was formed from the Christian democratic parties of the EC states. This committee had the function of creating a lasting institutional connection between the parties and factions of the Community at the European level. In addition, the Committee also laid the foundations for the European People’s Party (EPP). The transnational EPP federation of Christian democratic member parties in the European Community, which was founded on 29 April 1976, clearly differed from earlier forms of Christian Democratic cooperation. The official inaugural assembly took place on 8 July 1976, in Luxembourg. The aim of the EPP foundation was to create a parliamentary faction.4 It was the intention of the German CDU and the Bavarian CSU to include British conservatives and French civil groups in the party alliance, but they ran into categorical rejection from the Italian, Belgian, and Dutch parties. Against this backdrop, the Austrian People’s Party (ÖVP) with Josef Taus and Alois Mock, together with the support of the German union parties of the CDU (Helmut Kohl) and the CSU (Franz Josef Strauß), and the British Conservatives made efforts to extend the narrow ideological framework of “Christian Democracy” and to create  a broader spectrum of cooperation of European parties of the center, both within and outside the EC . The CDU/CSU and the ÖVP stood for an increased European-conservative orientation which, with the EDU that was founded in 1978, attempted to create an equivalent for the EPP and consequently with the intention of creating a broader base.5

II.

Some Explanations of the EDU within the Framework of European Christian Democrats and Conservatives and its importance for the “Year of Change” 1989

Starting in 1978, conservative and Christian democratic parties joined together for common work in the EDU. This new organization did not, however, lead to a consensus with respect to  a forced policy of integration. The term “European integration” was hardly used; rather, the discussion was of “European coopera4 Thomas Jansen, Die Entstehung einer Europäischen Partei. Vorgeschichte, Gründung und Entwicklung der EVP (Bonn: Europa-Union-Verlag, 1996); id., Die Europäische Volkspartei. Entstehung und Entwicklung (Brussels: EDP, 2006). 5 Cf. Andreas Khol/Lars Tobisson/Alexis Wintoniak (eds.), Twenty Years European Democrat Union 1978–1998 (Vienna: EDU, 1998).

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tion.” Nevertheless, in the view of the EDU, the Europe of that time should not be isolated by its existing borders. The goal was for a greater Europe in the sense of an ideological and geopolitical homogeneity of civil democratic parties with an intended influence on opposition groupings in the communist sphere.6 The EDU was intended not only as a catch basin for the center-right parties, especially as a counterweight to the Socialist International (SI) but also as a substitute for those Christian Democratic and conservative parties that had not been accepted into the EPP as a result of their ideological or programmatic points of difference or because of their countries not being members of the EC . The ideological rifts between Christian democrats and center-right parties, especially the British conservatives and French neo-Gaullists, were in no way reconciled with the twotrack (EUCD -EDU) arrangement. The relationship between the EDU and the EUCD or the EPP—which, since the founding of the EDU, had been from time to time also designated as dualist—continued to exist. In any case, more and more European parties attempted to overcome this dilemma within the framework of the EPP as a faction in the European Parliament. The EDU acted more as a Working Group or Working Community of Conservatives and Christian-democrats than as a European Party. The EDU documented all its activities and published a regularly appearing yearbook. Starting from this background we may ask: How can we define the EDU within the context of 1989? What did it do with regard to Central Eastern Europe? What solutions did the EDU propose? What did it achieve and what could it do? Those who are involved in evaluating the importance of EDU policy in the years and months preceding the beginning of the “annus mirabilis” in 1989 have to consider the changes in East-West policy in light of the new Soviet policy. The chronology of the “year of change”—including the period 1987/1988—represents an adequate longitudinal cross-section describing the work of the EDU, its focus, its contacts, and its expectations. After all, in 1989 the EDU was already able to look back on a ten-year development and trial period as a “Christian democratic party family.” And in contrast to the European People’s Party, founded two years before the EDU in 1976, the EDU saw itself from the beginning neither as the extended arm of  a military alliance nor as  a strictly defined economic area. Rather, mutual cooperation and collaboration with sometimes divergent (Christian democratic and conservative) parties were at the center of its political work. This distinction would prove crucial in the “changes” during 1989. Only the hegemony of Christian democratic and conservative parties in Western Europe made possible the increased importance of the EDU as well as the EDU member parties. If Glasnost and Perestroika had been initiated ten years earlier, socialist parties would have prevailed in the governments of most 6 “Das Europakonzept der EDU, Dokumente zur ÖVP-Außenpolitik.” (The European Concept of the EDU. Documents on ÖVP Foreign Policy), Archive of the Karl von VogelsangInstitute, Sign. 2358.

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Western European countries. It was only national governmental responsibility that enabled the EDU to act as  a relevant partner against the Soviets and the governments of the Council for Mutual Economic Assistance (COMECON) countries. Party visits by the EDU and/or EPP delegations to the same partners in the Central and Eastern European countries often followed one after the other. This race to the East was also reflected in the fact that, in the meantime, the party foundation of the US Republicans had established  a political office in Poland (Warsaw) before the Adenauer Foundation in 1989.7

III. Aspects on the Leading Figures Who were the key players in the EDU? Founded in 1978, the EDU was administered and represented by the Austrians EDU President Alois Mock and Executive Secretary Andreas Khol from Vienna’s central office.8 Thus, the Austrian Christian Democratic People’s Party (ÖVP) was also a leading figure within the EDU. The actual influence of Christian democratic and conservative parties, however, came from the parties’ spectrum within the European Community. The two 7 See the memoirs of Dieter A. Schmidt, head of the CSU Foreign Policy Department: “[…] After the historic turnaround in 1989/90, a great number of parties from CEE pushed into the European political parties’ associations. In the case of the socialists, as well as in the case of the EPP, less liberal, conservatives, greens, and communists. The motives for this were clear. It was expected that this membership would provide support and benefits in bringing the respective countries closer to the EU and the EU and their subsequent membership. The national party programs were adapted to the requirements and wishes of the EPP accordingly. If the EPP was an important and solid basis for the joint work of EP members and the EPP Group, the EDU had always seen more than the EC and the EU. That was extremely important prior to the decisive expansion moves. […]”, in: Michael Gehler/ Marcus Gonschor/Hinnerk Meyer/Johannes Schönner (eds.), Mitgestalter Europas. Transnationalismus und Parteiennetzwerke europäischer Christdemokraten und Konservativer in historischer Erfahrung (= Schriftenreihe der Konrad-Adenauer-Stiftung; St. Augustin/ Berlin: Konrad-Adenauer-Stiftung, 2013), 436. 8 Michael Gehler/Johannes Schönner, Transnationale christdemokratische Parteienkooperationen in Europa 1965–1989. Der Beitrag österreichischer Ideen und Initiativen, in: Helmut Wohnout (ed.), Demokratie und Geschichte. Jahrbuch des Karl von Vogelsang-Instituts zur Erforschung der Geschichte der christlichen Demokratie in Österreich 11/12 (2007/2008), (Vienna/Cologne/Weimar: Böhlau, 2009), 271–318. In total, the following parties were members of the EDU during the period under investigation: Austrian People’s Party (Austria), Dimokratikos Synagermos (Cyprus), Det Conservative Folkeparti (Denmark), Kansallinen Kokoomus (Finland), Rassemblement pour la Republique (France), Christian Democratic Union/Christian Social Union (Germany), Nea Demokratia (Greece), Progressive Citizenship/Patriotic Union (both of Liechtenstein), Hoyres Hovedorganissasjon (Norway), Partido del Centro Democratico  e Social (Portugal), Alianza Popular (Spain), Moderata Samlingspartiet (Sweden), Anavatan Partisi (Turkey) and Conservative and Unionist Party (United Kingdom).

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German parties, the CDU and CSU, the British Conservatives, and the French Rassemblement pour la République (RPR), as well as the Scandinavians Hoyres Hovedorganissasjon (Norway) and the Moderata Samlingspartiet (Sweden), formed the gravitational center of the EDU. It is no secret that the defining figure of Christian Democratic party cooperation especially within the EPP since the early 1980s was the German Chancellor Helmut Kohl.9 How he was received and perceived in the EPP, whether there were critics of his assertive manner and dominant role, and in what respects he differed from his predecessors like Mariano Rumor or Leo Tindemans and successors like Jacques Santer are questions that must still be resolved through research. One expression of the leadership role of Kohl was that, for example, he was always the first to speak at the meetings of party leaders and heads of state, the EPP summits, and what he said gave the ensuing discussion its tone and direction. Thomas Jansen, EPP and EUCD General Secretary from 1983 to 1994, recalls that Kohl was usually present at the EPP meetings. The dates were initially always coordinated with him. His presence also guaranteed the participation of all the other party leaders. His assessment of the situation and his recommendations hardly ever met with resistance. He was occasionally opposed by Dutch Prime Minister Ruud Lubbers or the Chairman of the Belgian French-speaking Walloon Parti Social Chrétien (PSC), Gérard Deprez. The political weight, charisma, and the powers of argumentation in what Kohl said nevertheless regularly assured him “the broadest possible following,” as Jansen recalls: “His leadership role was universally acknowledged, because his involvement was perceived as motivated by European concerns; he always spoke in the interests of the EPP.” On the one hand, because of “the brusqueness he display[ed] when in a bad temper,” some members felt offended by Kohl. “He made it apparent to his surroundings if he was dissatisfied with something or with someone. On the other hand, he could be very courteous and pleasant when in  a good mood. The EPP had no comparable leadership personalities during my term of office.”10 Next to Kohl, the other leading EDU-representative was Alois Mock. In 1979, Mock became President of the EDU and from 1983 to 1987 also of the International Democratic Union (IDU). Following the 1986 elections, Alois Mock was Austrian Vice Chancellor in the government of Franz Vranitzky (SPÖ) from 1987 to 1989. He held the position of foreign minister from 1987 to 1995, leading

9 Martin Eichtinger/Helmut Wohnout, Alois Mock. Ein Politiker schreibt Geschichte (Vienna/Graz/Klagenfurt: Styria, 2008), 148–152, here 155. 10 Information from Thomas Jansen to Michael Gehler (27 May 2010); id., Die Entstehung einer Europäischen Partei, 233–234; Jansen/Van Hecke, At Europe’s Service; Thomas Jansen, „Die Sozialisten haben auf europäischer Ebene immer nachgehinkt“, in: Michael Gehler/Marcus Gonschor/Hinnerk Meyer/Johannes Schönner (eds.), Mitgestalter Euro­ pas. Transnationalismus und Parteiennetzwerke europäischer Christdemokraten und Konservativer in historischer Erfahrung (Sankt Augustin/Berlin: Konrad-Adenauer-Stiftung, 2013), 267–269.

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Austria into the European Union.11 Kohl and Mock had a very close relationship in the EDU. It is not too far-fetched to argue that Mock acted very loyally along the political lines of Kohl who felt himself not only as a patriarch but also as a protector of Austria’s European policy ambitions and interests.12 Mock established close contacts with Jacques Chirac and Margaret Thatcher who joined the EDU meetings in the 1980s.

IV. The Promising Contacts between EDU and the Communist Party of the USSR In order to properly classify the revolutionary events of 1989, it is necessary to work out the shift from 1987/1988 to 1989. Without a doubt the policies of the EDU member parties and the whole organization have been re-weighted in many areas, irrespective of all the continuities evoked. Official political contacts with the leaders of the Warsaw Pact and socialist state parties were unimportant—in contrast to the Western European parties of the Socialist International. It was even considered practically immoral to maintain contacts with the Eastern heads of state if there were no contacts with civil society groups or even dissidents at the same time. Along with this, “party foreign policy” was always determined under the premise of tense East-West relations before 1989, and in particular on issues of disarmament and security. Only with CPSU General Secretary Mikhail Gorbachev did this diplomatic taboo change. The Kremlin suddenly became “sexy.” In 1988, “Germany’s policy” was still basically identical to “security and disarmament policy.” When, in June, the Intermediate Range Nuclear Forces/ INF (Reduction and Destruction of the Nuclear Medium Range)-Treaty became valid through the ratification in Moscow, the EDU also welcomed this step as contribution to confidence building and stabilizing the political situation in Europe.13

11 On this topic, cf. Hans-Peter Schwarz, Helmut Kohl. Eine politische Biographie (Munich: DVA , 2012). 12 “Mock’s Discussions with Helmut Kohl and Hans-Dietrich Genscher, 6–7 October 1987,” Information, Johann Plattner, Vienna, 12 October 1987, ÖStA, AdR, BMAA , II-Pol 1987, GZ . 518.02.42/18-II .1/87. 13 Cf. Curt Gasteyger, Europa nach dem INF-Abkommen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 10 (4.3.1988), 3–10. The question of incorporating British and French missile systems had paralyzed US -Soviet negotiations on disarmament since the beginning of the 1980s. The Soviets always demanded the English and French warheads to be attributed to the American arsenals. This was also one of the reasons why, from 1983 onwards, US medium-range missiles Pershing were stationed in the FRG . As  a direct consequence of the failure of the disarmament negotiations, the Conference on Security and Cooperation in Europe (CSCE) was also affected by these tensions until 1987.

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Already in 1987 the negotiations had largely moved forward—not least on the personal initiative of Gorbachev. The two German states had a special role when the treaty came into effect. GDR and the Federal Republic of Germany (FRG) were potential target areas for a first blow and therefore particularly threatened by the rockets. Bonn and East Berlin therefore urged their respective coalition partners to give up their weapons. But what was  a feint and what was honest diplomacy? The economically disastrous situation of the Soviet Union was in essence for the reactions of the West. Thus, Soviet economic growth was supposed to be eight percent to meet the current five-year plan. In 1988 it was only two percent, which was described as “Stalinist cosmetics” by EDU founding member Franz Josef Strauß at the meeting of the EDU Steering Committee in Madrid on 15 April 1988, just as the dominant mood between cautious curiosity and pessimism, based on the experiences of the past. Most of the EDU leaders saw in Gorbachev someone who was only aiming at an improvement of the communist system, but not at fundamental change. The fact that the Soviet economy not only stagnated but also fell into ruin, that civilian research was not taking place, and that the life expectancy of the “Soviet citizens” fell significantly from the mid-1980s onward was only worked out in detail later by analysts and historians.14 Nevertheless, within the framework of its own analyses, the EDU tried to at least ask questions about the possible economic and political alternatives for the Soviet Union under Gorbachev. This was the purpose of the intensive East contacts. The EDU’s strategic arm for all “European-ideological” questions was the so-called Committee No. 1 for European Structures and European Policy, chaired by the Prime Minister of Rhineland-Palatinate, Bernhard Vogel. This committee met every three months. In 1988, the main focus was on European agricultural policy, EC-EFTA (European Free Trade Association) negotiations, as well as the 1989 European elections. Although the changes in the Soviet Union and Central Eastern Europe were carefully registered in 1988, the EDU-representatives did not expect any serious shifts in power. Word of the military balance and the “transparency of the military activities” went through all requirements for the current East-West dialogue talks as a common threat until the year 1989.15 14 For the most recent literature on this subject, see Stefan Karner, Von der Stagnation zum Verfall. Kennzeichen der sowjetischen Wirtschaft der 1980er Jahre, in Hanns Jürgen Küsters (ed.), Der Zerfall des Sowjetimperiums und Deutschlands Wiedervereinigung (Cologne/Weimar/Vienna: Böhlau, 2016), 15–45, here 15–18. 15 See for example, the EDU Strategy Paper for the 10th IDU Party Leaders’ Conference, Berlin, 24 September 1987 (“The party Leaders call for verifiable and comprehensive agreements which established a stable ratio between the conventional forces of NATO and Warsaw Pact throughout Europe through elimination of existing imbalances in favor of the Soviet Union. Such agreements must not lead to increased pressure from conventional forces in other directions or parts of the world […]. The Party Leaders also call for militarily significant and politically binding agreements on further confidence and security

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On the occasion of the eleventh Party Leaders’ Conference in Rhodes on 23 September 1988, EDU-representatives discussed the domestic developments in the Communist countries of Central and Eastern Europe. The Steering Committee was asked to observe and analyze the development of democratization and the formation of new political groups in these countries. Moreover, the Committee on European Structures and European Policy was ordered by the Party Leaders’ Conference to keep track of the political development in Eastern Europe in the light of the domestic policy changes in the countries of the Warsaw Pact. In this context, special attention was to be paid to the development of new democratic groups in these countries. At its 36th Meeting (General Meeting), which was held in Vienna in November 1988, the Steering Committee discussed the more recent developments in some countries of Central and Eastern Europe. There was  a first exchange of opinion with representatives of new democratic movements from Poland, Hungary, and Yugoslavia. As a result of its discussions, the Steering Committee decided to take the following course of action: Since a clear distinction had to be drawn between the developments in the individual countries, pursuing  a different course of action in each country was recommended. The two EDU Committees (Steering Committee and Committee on Europe) were to harmonize their further procedures and expected to reach their decisions on the basis of information gathered on site, in an open dialogue with government bodies and private social organizations.16 The Austrian People’s Party attempted to come into closer contact with opposition movements in Central and Eastern Europe. European socialist countries were closely observed by the East German Ministry for State Security (MfS). The Mielke apparatus knew that these activities were organized within the framework of the EDU. According to the MfS the ÖVP had established contacts especially to the Hungarian Democratic Forum. East-Berlin was also informed about the Austrian People’s Party establishing connections with growing new party groups in Czechoslovakia, Poland and Yugoslavia.17 Personal contacts with Mikhail Gorbachev had been a central aspect of EDU’s strategic work and planning since 1987–1988. The contacts of the EDU leadership to the Soviet Union under Gorbachev were reflected in several visits, the most important of which were those in May and September 1989. Under Gorbachev, the Communist Party of the Soviet Union (CPSU) was very interested in establishing contacts with conservative parties in Western Europe. On the conservative and Christian democrat sides, at the outset of Glasnost and Perestroika building measures in Europe based on those agreed upon in Stockholm 1986, to increase the transparency of military activities.” Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Sign. EDU/1987/1434, 4 16 See the protocol for the 36th General Meeting in Vienna, 26 November 1988, Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Sign. EDU/1988/1583, 5.  17 Maximilian Graf, Österreich und die DDR 1949–1990. Politik und Wirtschaft im Schatten der deutschen Teilung (= Internationale Geschichte 3; Vienna: Verlag der ÖAW, 2016), 603.

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there were particularly strong doubts about the sincerity of the reform will of the Soviet leadership. From 1985 to 1989, contacts with the International Department of the Central Committee of the Communist Party of the Soviet Union for the purpose of an exchange of information and ideas on topical issues of international politics were not uncommon for representatives of Western countries and non-Communist parties. Most of these contacts were of an ad-hoc nature. Some of the social democratic parties in Western Europe, such as the German Social Democrats (SPD), maintained institutionalized relations. The EDU discussed the issue of relations between EDU members and the Communist parties of Warsaw Pact countries within its Steering Committee on several occasions. In general, such relations were subject to criticism, particularly in view of the fact that the victims of human rights violations in these countries might interpret such contacts as  a kind of legitimization of the Communist single-party system. No decisions were taken regarding an official EDU policy vis-à-vis Communist parties. In 1989, the situation had changed in that relations between the EDU member parties and communist parties could no longer be considered according to the aspect of legitimization. This argument could now clearly be refuted by stating from the very beginning and in public that the issue to be discussed concern democracy, human rights and other matters, and that contacts were also to be established with opposition groups. Thus, from this point of view, there were no basic objections to informative talks and non-institutionalized contacts with the Communist Party of the Soviet Union. Apart from  a few exceptions, this was fundamentally new both for the EDU and its member parties. A joint approach of all EDU member parties appeared to be more meaningful than bilateral partyto-party talks. A joint approach was coordinated properly from the outset, and thus, the risk of misunderstandings in bilateral contacts could be eliminated.18 Any new contacts were to demonstrate the implementation of the principle of free movement, as laid down by the Vienna Follow-up Meeting of the Conference on Security and Co-operation in Europe in its Vienna Concluding Document.19 18 Cf. the protocol of the EDU Steering Committee on 7 December 1989 in Munich/Munich Statement; (“The EDU Steering committee notices with satisfaction that also in the GDR and in Czechoslovakia reforms of real socialism have now been initiated. The EDU will support these developments, and has instructed its committee on ‘European Structures and European Policy’ under the chairmanship of Dr. Bernhard Vogel, to undertake a Fact Finding Mission to Czechoslovakia and to hold the next meeting of the Committee in Berlin.”) Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Sign. EDU/1989/ 1083, 1–4. 19 Peter Matthias/Hermann Wentker (eds.), Die KSZE im Ost-West-Konflikt. Internationale Politik und gesellschaftliche Transformation 1975–1990 (Munich: De Gruyter Oldenbourg, 2012); Benjamin Gilde, Österreich im KSZE -Prozess 1969–1983. Neutraler Vermittler in humanitärer Mission (Munich: Oldenbourg, 2013); Wilhelm Bruns, Mehr Substanz in den Ost-West-Beziehungen. Zur dritten KSZE -Folgekonferenz in Wien, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 12 (17.3.1989), 3–9; Stefan Lehne, The Vienna Meeting of the Conference on

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The EDU could not pursue contacts in the Soviet Union, unless EDU member parties were guaranteed the right to meet any individual and any group anywhere and at any point in time. Since its reorganization at the end of 1988, the International Department of the Central Committee of the Communist Party of the Soviet Union acted as  a general coordinating and controlling body in all international affairs, i. e. its functions were not limited to party contacts. Thus, the Department was in charge of relations with Communist parties all over the world. Institutionalized contacts with other parties as well as fundamental issues of foreign, security and foreign trade policies were also part of its responsibility. On the one hand in the EDU meetings with Soviet representatives in May and September 1989, a strong downward trend and changing expectations were documented. As early as spring, many conservative observers questioned the irreversibility of the Soviet reform course. On the other hand, at the beginning of 1989, the Soviet leadership felt that it was enough to convince conservative circles in the West of the seriousness of the Gorbachev course to win the entire political spectrum of the West and the remaining critics and doubters on the fringes.20 Regarding the Soviet attitude towards maintaining these contacts with EDU bodies, conservative circles in the West were often also the key to economic and scientific-technological cooperation. Gorbachev had attempted to establish a good relationship with Christian Democrats and conservative politicians in the United States, including US President Ronald Reagan, Britain’s Prime Minister Margaret Thatcher, and Franz Josef Strauß, the Bavarian Prime Minister until his death in 1988.21 Thatcher, as is well known, was the first Western top politician to spontan­ eously declare in December 1984 on the occasion of  a London visit of the then-second man in the Kremlin: “I can do business with him.”22 Rightly, the Austrian EDU representatives recognized the opportunity to promote an underSecurity and Cooperation in Europe, 1986–1989. A Turning Point in East-West Relations (Boulder/San Francisco/Oxford: Westview Press. 1991); Hans-Heinrich Wrede, KSZE in Wien. Kursbestimmung für Europas Zukunft (Cologne: Verlag Wissenschaft und Politik, 1990). 20 On this, see Stefan Karner/Mark Kramer/Peter Ruggenthaler/Manfred Wilke (eds.), Der Kreml und die deutsche Wiedervereinigung 1990. Interne sowjetische Analysen (Berlin: Metropol Verlag 2015), 13–16. 21 See the protocol of the Statement of the EDU Party Leaders on the EDU Conference in Rhodos, 22–24 September 1988 (“[…] Since the last meeting of EDU Party Leaders on the occasion of the EDU and IDU Party Leaders Conference in Berlin in September 1987, there have been decisive changes concerning the relations between the West and the Soviet Union. The arms race cannot be won and requires sacrifices the East-European countries with their less efficient economies are unable to make. The superiority of market economic models has been proven a hundred times.”) Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Sign. EDU/1988/1141, 2–5. 22 See the autobiography of Margaret Thatcher, The Downing Street Years (London: Harper Collins 1993).

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standing of Austrian EC policy during these talks. At the same time, Austrians were one of the largest (external) critics of the slow-moving internal market within the framework of the EDU. From the perspective of 1988, the finalization of the Internal Market and the simultaneous creation of  a larger European Economic Space (EES) merely remained a vision. On the one hand, it should be taken into account that the EDU consisted of parties that belonged to the EC , but, on the other hand, not only to the EC but also to the EFTA . Thus, East-West contacts also developed during these tensions. As early as 1988, the EDU Party Leader Conference gave a very strong recommendation to all of its member parties that it would be welcomed if individual states were to cease any contact with the Eastern Economic Organization in “the EFTA Countries and the European Community.” Above all, the German and French representatives at the EDU considered it more opportune for the EC to act as the main Western negotiating partner with COMECON.23 This also resulted in the individual EFTA countries and parties that were represented in the EDU, such as Austria and Sweden, approaching the idea of full membership in the European Community. This fundamental consideration of further EC membership led Brussels itself to make additional bilateral concessions to reduce pressure on the Community. The European Union’s market position was deliberately emphasized. As a result, all rapprochements within the framework of EDU integration negotiations and conferences were to be viewed exclusively from a market-economic perspective. Moreover, the discussion on market integration clearly describes the issue within the EDU on the eve of 1989. In 1988, the realization of a Western European single market was still being sought for 1992.24 The importance of an interface between market-economic considerations (EC-EFTA negotiations) and the new foreign policy developments in the East becomes clear in the person of Bernhard Vogel. The former CDU Minister President of Rhineland-Palatinate was Vice President of the EDU in 1988/89 and 23 See the Report on the EFTA-Countries and the European Community, in: EDU Yearbook 1988, 167–178. 24 From this point of view, this was also not a contradiction. For example, in the context of the “Debate on Questions of European Integration,” Fritz König (ÖVP) asked for the realization of the four freedoms (with the inclusion of Austria), while at the same meeting, Elmar Brock (CDU) formulated: “[…] Different social services in Community countries are competitive factors on the internal market. If it is not possible to progressively approach the different social levels of the countries by means of minimum standards at a high level, the internal market cannot be realized without social conflict. The aim is to increase the economic performance of the less developed countries. […] If we do not see this context, there is a great risk that national social systems could be harmonized in such a way that they could be regarded as social dumping by trade unions and large parts of the population, as a reduction in acquired workers’ rights and the like […].” Both of these findings were, as far as Western Europe is concerned, visionary and correct: After the year 1989, however, they were overtaken as short-term short-listed. Bibliography of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU, EDU Protocol, Party Steering Committee, Rhodes September 1988; Sign. JB 1988.

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as such responsible for foreign policy negotiations with Alois Mock. Thus, Vogel warned persistently of a painful division of Europe by competition between the EC and EFTA, when foreign policy conditions in crucial areas began to change at the same time. As a German, Vogel also knew that German “reunification” was conceivable only through pan-European integration. As always, the key to East Berlin was in Moscow. From January to May 1989, relations between Bonn and Moscow underwent a further intensification. The shift from distance to an intense neighborhood policy—most impressively manifested by Helmut Kohl and Mikhail Gorbachev—put the GDR under pressure, especially in the East at the Oder-Neisse border in Poland. Even in Hungary and the Soviet Union, the signals of democracy could not to be ignored. At this point, there was a small but significant anticipation of the crucial year 1989: On 8 May 1989, a meeting between Bernhard Vogel and the foreign policy adviser of Soviet Party Leader Gorbachev, Valentin Falin, was held in Vienna. In this discussion, the Soviet side made it clear that the EDU was preferred to the Socialist International as  a dialogue partner since EDU member parties had more skills in Western Europe. The EDU assessed this as “new, hitherto unknown realism in the communist countries.”25 Already at this meeting in May 1989, it was agreed that the EDU would continue this talk under the leadership of EDU Executive Secretary Andreas Khol in Moscow in September 1989. In fact, in September 1989, Khol, at the head of the EDU delegation, did not meet with Mikhail Gorbachev, but with Falin and other senior members of the Politburo, as well as representatives of dissident groups and representatives of the Russian Orthodox Church. It was  a fundamentally different attitude from that which still prevailed in 1988. In other words, there was nothing more that could be conceived in 1988, not even that a year later there would no longer be any “ideological fear of contact.”26 EDU-Eastern Europe policy was primarily information policy in 1988/89. Findings from EDU contacts with Eastern politicians, also from fact-finding missions, were incorporated into the foreign policy of the Western European states. The EDU representatives also had close ties with individual democratic 25 Cf. the Lisbon Statement, EDU Steering Committee, 10 March 1989/Lisbon. Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Protocol Lisbon 1631. 26 After the EDU meeting with Valentin Falin, head of the International Section of the Central Committee of the CPSU and a full member of the Central Committee, on 10 May 1989 in Vienna, Bernhard Vogel answered journalists’ questions: “[…] After years of no contact, the time is now ripe to hold talks with this important part of Europe. In any case, there is no longer any fear of ideological contact at all within the EDU.” Valentin Falin said at the same press conference that “the conversation is not only a positive beginning to a hopefully productive collaboration, but also a symbolic sign of the profound changes in the political landscape of Europe. I emphasize the importance of human contact for the solution of common European problems, even if it is likely to take longer to understand each other beyond ideological boundaries. How does the Chinese proverb go? ‘A long journey begins with the first step’.” Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, press releases and press conferences, sign. JB 1988.

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civil rights groups and later parties. In the case of the Hungarian contacts, the race with the Socialist International became clear, which in turn soon turned into  a “road map” for securing  a leftist partner from the party bankruptcy. However, this was linked with the risk of dealing with reformed communists who had become involved as partners. However, the divergent experiences with these countries’ contacts and the pronounced visit-diplomacy also led to divergent analyses. Even in June 1989, many EDU party leaders believed in different developments in the “Eastern Bloc.” There were also different moods in the populations of the respective homelands, ranging from “politically lethargic” to “euphoric.” This balancing act between European responsibility and national interest was reinforced by the year 1989—and not just created. At the prominent meeting of the EDU Steering Committee in Stockholm at the end of June 1989, it was assumed that Hungary and Poland would be most likely to achieve a lasting change in their political systems, while in the GDR , Czechoslovakia and the Balkans, the persistent socialist forces were viewed as reform-resistant.27 At its 37th meeting, which was held on 10 March 1989 in Lisbon, the EDU Steering Committee decided with regard to Poland that an EDU delegation was to visit Warsaw in May 1989, in order to analyze the political and constitutional changes after the “round table talks” between the Communist government and the representatives of new political groups. The EDU delegation was to meet with representatives of both the government and these new political groups to discuss the future political, economic, and cultural relations.28 But still, the negative voices had not declined, especially among the Scandinavian member parties, which warned against too offensive openings and reforms in individual Eastern states and as  a result against  a fate such as the “Prague Spring” and consequently against risky diplomatic incidents. The Executive Committee of the EDU tried to interpret the internal power shifts within the Soviet system. These included the plenum of the Central Committee and the meeting of the Supreme Soviet since November 1988. But even these observations had in the past only revealed the well-known strategic game of “doves” and “hawks” in the Kremlin. Western contacts had always failed. What was different in 1989? On 26 March, elections to the Congress of People’s Deputies of the Soviet Union took place in the Soviet Union, and it was not concealed from the West that numerous prominent party representatives were being punished, and representatives of the internal party opposition were being given consent, which had previously seemed impossible.29 27 Cf. the protocol of the 38th Meeting of the EDU Steering Committee in Stockholm, 30 June 1989, Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Sign. EDU/1989/1931, 1–3. 28 Report on the 37th Meeting of the EDU Steering Committee in Lisbon, 9–10 March 1989. Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Sign. EDU/1989/1820, 4–7. 29 See “Discussions between the EDU and the Soviet Communist Party,” Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, EDU Protocol, Parteiführerkonferenz; Sign. JB 1989/EDU 127–135.

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V.

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Poland and Hungary as priorities

Seen from this perspective, the meeting of the EDU European Committee in Budapest from 19 to 21 June 1989 was a turning point in the entire EDU policy. During these June days, the EDU, as an organization, began to realize that the political upheavals in the East were not a singular event. The fact that Alois Mock and Andreas Khol had taken key positions underlines the scope of action of the President and his Executive Secretary. While Hungary and Poland had been at the center of the observations up to then, the decision was made to send observation missions to as many Eastern and Central Eastern European countries as possible. The focus of the new EDU-Ostpolitik was to explore the extent to which reforms were occurring in the individual countries and in what ways these reforms could be supported by the EDU.30 It was the aim of the EDU missions to investigate how far the democratic reforms and transformations had already progressed, and moreover, how to support further reform steps. The Budapest meeting was organized completely by the Austrians and the ÖVP-foreign policy expert Rainer Stepan. Due to Stepan’s personal contacts, the EDU was able to get in touch instantly with opposition groups. When, in July 1989, the Hungarian opposition groups had forced elections, EDU contacts, provided by the Austrians and especially Rainer Stepan, were suitable “keys” to electing later non-communist parliamentarians. It was evident now that a large number of partners had previously failed due to lack of both suitable candidates and contacts in West. The EDU was able to achieve a “rich political harvest” in 1989.31 In Budapest, the EDU’s clearly defined aim was to explore the new political structures and provide organizational and policy support to the new political forces. The EDU emphasized that discussions should now be held with all new opposition groups. In the case of the Hungarian host country, this meant, in June 1989, not only talks with the leaders of the state and the communist state party and the president of the parliament but also with the churches, ecclesiastical journalists, and the new parties, the Hungarian Democratic Forum, the Alliance 30 See the correspondence and protocols concerning the contacts between the EDU and the Representatives of Political Parties in Poland, in Hungary, and others in Summer 1989. Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, (for Example) Sign. EDU/1989, 1937, 2–12; Sign. EDU/1989, 1838, 1–10, or Sign. EDU/1989, 1902, 6–8. 31 Beyond all its contacts to Czechoslovakian, Polish, Hungarian opposition, the EDU had also partners in the Soviet Union. For example, in the Ukraine, there was very close contact to the Ruch-Movement. Founded in the Austrian-Hungarian Monarchy, the Ruch-movement was forbidden after 1918. Illegal throughout all the intervening decades, the Ruch-Movement took over responsibility for Ukrainian self-government in 1990/1991; Cornelia Göls, Die politischen Parteien in der Ukraine (Frankfurt am Main: Peter Lang, 2008).

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of Free Democrats, Fidesz, the Independent Smallholders, the Agrarian Workers’ and Civic Party (Független Kisgazda-, Földmunkás- és Polgári Párt), and the Hungarian Social Democrats. It was  a deliberate political decision by the EDU Office to hold the EDU Committee’s meeting “European Structure and European Policy”—in terms of ideological relevance, the most heavily weighted platform within the EDU—in Budapest. The signal sent out was clear: The EDU was ready to support citizens’ movements in Eastern Europe and to enter into discussions with them at the same level as the state communist parties.32 The EDU understood how to predict the key economic figures as far as they were available from Eastern Europe. The true drama of the Soviet economy, which was close to insolvency, however, was not known in the summer of 1989. State and party leaders in the West knew very well that political reforms in the COMECON countries were directly related to their economic weaknesses. Consequently, Budapest’s economic problems with the leading economists and economic journalists were also discussed in Budapest. In order to keep pace with the political developments, the EDU increased the number and frequency of its meetings. All information and assessments were supposed to be communicated quickly within the party platform. But even at the thirty-eight meeting of the EDU Steering Committee in Stockholm on 30 June 1989, the “Stockholm Declaration,” published afterwards, did not reveal any prospects for an impending overthrow of the communist system in Central and Eastern Europe. Under the leadership of Mock, the ­Christian democrats expressed their support for the reductions and restructuring of Western troops in Europe, initiated at the last NATO summit with US President George Bush, as “these would be on the ongoing East-West talks Security and trust building.” In the summer of 1989, the aim of EDU’s East-West policy was “to achieve a stable and secure balance in Europe, with lower troop levels […].”33 As far as contacts with the Soviet Union were concerned, future decisions were made in Stockholm. The EDU Steering Committee agreed to accept the invitation of the EDU Executive Secretariat to Moscow in the autumn to discuss political reforms in Europe, cooperation in economics and environmental protection between East and West. The EDU, through this offensive commitment to maintaining contacts, stood out from other West European party groups, that had not advanced their contacts into the “lion’s den.” Still, caution and skepticism—perhaps even the thought of impossibility— limited far-reaching changes in Eastern and Central Europe. A few days before this Stockholm Declaration, on 27 June 1989,  a memorable event occurred. 32 Cf. the protocol of the Meeting of the EDU Committee Nr. 1 in Budapest, 19–21 June 1989 (Title of the Meeting: New Political Initiatives in Central Europe), Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Sign. EDU/1989/1624, 1–17. 33 Stockholm Declaration, Protocol of the 38th Meeting of the EDU Steering Committee, 30 June 1989 in Stockholm. Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, Collection, Sign. EDU/1989/1668.

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Mock cut through the border fence with his Hungarian colleague Gyula Horn at the Burgenland-Hungarian border. These memorable media images of cutting through the border fence made it clear to the European public in East and West that the erosion of the existing power division had become unstoppable.34 Mock was acknowledged in the international media for his personal courage and farsightedness. The general symbolism, which Austria played in this, remained little recognized in many places however.35 In the later memoirs of US President George Bush, Mock is not even mentioned, and even his close companion within the EDU, Helmut Kohl, did not regard this act as part of a courageous all-Austrian European policy. In the West German Ministry of Foreign Affairs, the cutting of the barbed wire and the Austrian attitude throughout the year were only praised as “showing solidarity and being helpful.”36 In this historic phase, the European party leaders were urgently looking for guidance, which at least enabled a “policy-based view” in the medium term. In the summer of 1989, from 24 to 26 August, an EDU parliamentary conference took place in Antalya, Turkey. The choice of topics is interesting in the middle of the “year of change.” In a total of eight resolutions, the EDU parliamentarians attempted to give a direction to their own interests.37 A few days before the EDU conference in Prague, a peaceful bourgeois demonstration memorialized the suppression of the “Prague Spring” by Warsaw Pact troops on the twenty-first anniversary. Through this demonstration—blended with the current demands of 1989, such as human rights and freedom of speech and expression—the Czechoslovak single-party state saw itself challenged in all of its own certainty. Numerous Czechoslovak and foreign demonstrators were beaten and imprisoned. In a sharp resolution, the EDU Parliamentary Conference condemned this demonstration of power in Prague. Interestingly, the Polish

34 Maximilian Graf, Die Welt blickt auf das Burgenland. 1989  – die Grenze wird zum Abbild der Veränderung, in: Maximilian Graf/Alexander Lass/Karlo Ruzicic-Kessler (eds.), Das Burgenland als internationale Grenzregion im 20. und 21. Jahrhundert (Wien: Neue-Welt-Verlag, 2012), 135–179; Maximilian Graf, Ein Musterbeispiel der europäischen Entspannung? Die österreichisch–ungarischen Beziehungen von 1964 bis 1989, in: Csaba Szabó (ed.), Österreich und Ungarn im 20. Jahrhundert (= Publikationen der ungarischen Geschichtsforschung in Wien IX ; Wien: Institut für Ungarische Geschichtsforschung, 2014), 261–280. 35 Eichtinger/Wohnout, Alois Mock, 145–166. 36 Quoted in Marcus Gonschor, Die USA und der Umbruch in Mittel- und Osteuropa 1989/90. Eine Analyse der autobiographischen Darstellungen von Ronald Reagan, Helmut Kohl und George H.  Bush/Brent Scowcroft, in: Andrea Brait/Michael Gehler (eds.), Grenzöffnung 1989. Innen- und Außenperspektiven und die Folgen für Österreich (Vienna/ Cologne/Weimar: Böhlau, 2014), 163–184, here 173. 37 The first three resolutions can be described as politically relevant in the context of the “year of change”; the remaining resolutions concern specific topics, which were destined for the West as well.

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Parliament and individual Hungarian opposition politicians also criticized this approach.38 The second resolution was devoted to the EU membership of parties from Central and Eastern European countries and clearly defined the admission criteria (“[…] the parties must be democratic and like-minded […] must be of national importance […] must operate in a democracy or an emerging democracy”). In the summer of 1989 there was no formal membership of any party from the East, but alone that one was possible, even postulated, suggested  a sensational development. A third resolution attempted  a political balancing act: The potential new members of the EDU were to be wooed, but at the same time, the EDU tried to bring them up to Western European standards. Self-reliance, individuality, financial responsibility, and the importance of the family were emphasized as cornerstones of Christian Democratic politics (“Principles of  a rational policy: welfare society instead of welfare state”). The EDU leadership consciously emphasized not only individual responsibility but also the new, emerging parties at that time of development.39 Any long-term strategic planning was evidently made difficult at this stage of development, possibly even impossible. The external political situation, and the drama within the real socialist hemisphere, which occurred almost weekly, blurred the boundaries between action and reaction. This also applied to an intergovernmental grouping like the EDU. From 21–23 September 1989, the IDU party leadership conference took place in Tokyo. Within the framework of this meeting—and not to waste any time—the further course of action within the EDU was discussed. The party chairmanship commissioned the EDU Steering Committee to draw up an aid program for newly-formed democratic parties in the countries of Central and Eastern Europe. The Steering Committee was also called upon to “seek ways of making contacts to such parties, including the possibility of membership or other institutional links.” In Tokyo, EDU President Alois Mock presented the results of recent analyses of inner-Soviet relations.40 The EDU office in Vienna had added four states of the “Eastern Bloc” to its political agenda: Rapid contacts were to be established, especially with 1.  The Soviet Union, 2. Poland, 3. Hungary and finally 4. Slovenia, where the political changes had developed at incredible speed. The fact that the EDU wanted to 38 See the Resolution Nr.1 of the Plenary Meeting on the 2nd EDU Parliamentary Conference, Antalya, 24–26 August 1989 (Call for the Release of Demonstrators by Czech Authorities), in: EDU Yearbook 1989, 75. 39 Summary of the Second EDU Parliamentary Conference in Antalya, 24–26 August 1989, Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Sign. EDU/1989/1696/1. 40 “[…] How can the Soviet Union and its allies in Eastern Europe be persuaded to implement the necessary political, economic and humanitarian reform which must necessarily precede fundamental agreements on arms control […].” Protocol Party Leaders’ Conference 21–23 September 1989/Tokyo, Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Sign. EDU/1672–1674.

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cooperate directly with opposition forces in the Soviet Union and also explicitly mentioned Slovenia—instead of Yugoslavia—still appears remarkable even decades later.41 The fact that one wanted to go directly to the situation in the Soviet Union, and thus to Gorbachev, showed not so much the degree of agreement on negotiation as the mutual trust that had been expressed. The contacts of the “Vogel-Commission,” which had already begun in the spring of 1989, to the official Soviet state and party apparatus as well as to the public groups continued seamlessly. In the EDU analysis of possible Christian-oriented Russian cooperation partners, there were obvious uncertainties and fundamental difficulties in transposing Western European definitions to Russian conditions. However, these EDU assessments had produced names, figures who would intervene actively in later historical events. Despite the establishment of an explicitly named “Christian Democratic Party of Russia” in the summer of 1989, the EDU leadership considered it unlikely that a real party system would develop in the near future.42 The EDU, especially Mock, paid more attention to an interregional group led collectively by Andrei Sakharov, Yuri Afanasyev, Victor Palm, former chess world champion Anatoly Karpov, and Boris Yeltsin. In the view of the EDU, this group fulfilled the function of an opposition group, although its members could not be categorized by specific political parties or ideologies. Some of them, according to EDU analyses, were described as “communists,” who were not reformable. Some from this interregional group still believed in a “kind of reform communism,” others were “liberal,” some were considered “conservative.”43 The historical assessment of the EDU mission to Moscow in early September 1989 is therefore not easy to judge. Neither can this trip be seen as generally successful or  a failure. From 5 to 9 September Secretary-General Khol, Antti Peltomäki and Bernd Fischer visited the capital of the Soviet Union, not least in the hope of meeting Gorbachev. This hope finally crumbled. There was no meeting. Nevertheless, this second mission was important for the EDU Executive Secretariat in reaffirming the seriousness of the Christian-democratic commitment to the Soviet side, led once again by Falin. In  a total of three working sessions, both sides prepared  a joint statement, which, however, was not supposed to be published in the Soviet media at the 41 EDU Basic Report, Soviet Union, Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Sign. EDU/1639–1650. 42 Cf. the Background Paper for the Negotiations with the Communist Party of the Soviet Union. Meeting of the EDU Delegation with the Soviet Representatives Valentin Falin and Gennadij Shikin on 5th May 1989 in Vienna (“[…] the EDU cannot pursue contacts in the Soviet Union, unless EDU Member parties are guaranteed that they will be able to meet any individual and any group anywhere and at any point in time.”), in: EDU Yearbook 1989, 135. 43 EDU Aid Program for newly founded Democratic Parties in the Soviet Union, Poland, Hungary, and Slovenia, 30 October 1989, Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, EDU/1989/1706.

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request of the EDU. In September, the EDU delegation was the first Western group to meet with the Russian Christian Democratic Party, led by Alexander Ogorodnikov, which was founded in August 1989. A detailed discussion between Khol and the Russian metropolitan Filaret Denyssenko, responsible for the external relations of the Russian Orthodox Church, was also permitted by the Soviet leaders.44 As early as the spring of 1989, the Baltic States had become a special feature of the contacts with the Soviet Union. In the case of the Estonian SSR , the Latvian SSR , and the Lithuanian SSR (all of them struggling for independence from the Soviet Union), the uncertainty and the hesitation of the EDU was shown. These Soviet republics were in principle to be treated separately. The Baltic People’s Fronts, which were founded in the first half of 1989 (considered by the EDU to be popular movements in support of Gorbachev’s Perestroika), were not organized on a party basis, although they were ideologically independent and opposed to Soviet communism. As noted in the EDU Steering Committee minutes, “[…] The main intention must be to include as many democratic groups as possible. The EDU wants to keep the rules as they were originally agreed among all parties. This means the expansion of contacts or membership. There will always be discussions about these principles in the light of specific problems.”45 In the case of Poland and Hungary, it was very clear that it was sometimes difficult to find bourgeois and Christian-democratic groups from the multitude of supposed opposition groups that would fit the content and structure of the Western European Christian Democrats. It was above all here that the German Chancellor and CDU chairman Helmut Kohl, who had already argued for  a pragmatic approach for years, sought to promote all relevant groups evenly. Accordingly, the attempt was made to address the entire democratic party 44 Report on the EDU Secretariat’s Mission to Moscow, 6–8 September 1989. “[…] it had been discussed already in Stockholm, at the end of the meeting between EDU Party Leaders and leaders of the Soviet Communist Party, some sort of common declaration will have to be published. In view of experiences with Soviet negotiators, the Executive Secretary put together in advance a draft statement, on the basis of the Stockholm declaration and EDU programmatic instruments. This draft, after having been agreed to by Dr. Fischer and Mr. Peltomäki, was presented upon request to the Soviet hosts. Apparently, they could not agree amongst themselves on their text beforehand, not knowing how much to ask from the EDU […] This put the EDU delegation in the favourable position that the basis for negotiations was our draft. After a general discussion on Thursday morning, the EDU Delegation presented this draft and it was immediately well received by the Soviet hosts. […] The common statement is based on the Stockholm Declaration, as regards environmental protection, it is based on the EDU expertise. It should be mentioned that although the Soviets proposed to issue a communique on our visit to Moscow in the Pravda, the EDU Delegation made clear that they would prefer to have no communication to the press, and so it was agreed, our visit was not in the soviet or any other press.” Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Sign. EDU/1989/1697. 45 Steering committee/minutes, Lisbon, March 10th 1989/budget-report 1989–1990, Archive of the Karl von Vogelsang-Institut/EDU-Materials, EDU/1989/1614 1631.

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system equally and from the same level on the part of the Western European parties. A departure from this support policy would only take place through clear internal political shifts in these countries themselves, but, in principle, there was the distinction between contacts on the one hand and financial support on the other. From the point of view of the leading EDU member parties, one condition was not yet the other.46 In the Steering Committee minutes, it was made clear, the “EDU supports an activist position as regards new members or contacts. Seeking new contacts and members is essential. We share the respective financial recommendations put forward in the various reports.”47 In Poland, from the summer of 1989 onwards, the lack of unity within the Christian Trade Union had become more and more pronounced. The separation between the Solidarity Trade Union movement as an electoral block and the group of (party) functionaries had also been highlighted at the EDU office in Vienna. As  a result, political parties were only able to develop slowly in the autumn of 1989. Even in the middle of October, the fog had not yet lifted for the EDU because cryptically the analysts wrote that currently there were “two Christian Democratic groups […] currently in Poland. […] In the spring of 1990, an EDU mission to Poland is to be carried out in order to analyze the development of the party system more closely. The Konrad Adenauer Foundation will open an office in Warsaw in the near future, and the CDU will be asked to explore ways of cooperation between the EDU and the Konrad Adenauer Foundation in this area.”48

The example of Poland reveals already the Western struggle for influence in the summer of 1989. The Adenauer Foundation was not the only Western party foundation that was looking to establish roots in the East. The National Repub46 See the correspondence and protocols concerning the contacts between the EDU and the Political Parties in Poland, in Hungary, and others in Summer 1989. Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, (for Example)  Sign. EDU/1989, 1836, 2–4; or Sign. EDU/1989, 1902, 6–8; In particular, see the recommendations for Action, Meeting of the Committee Nr. 1 in Budapest, 19–21 June 1989 (“[…] these general recommendations for action apply in particular to Hungary and Poland where there is need to give spiritual, material and structural aid to the democratic groupings in these countries. Special training and similar assistance ought to be primarily confined to followers of an EDU-oriented ideology. The EDU should recommend that on governmental level all-out efforts be made so that Hungary may be in  a better position to institute economic reforms.”), in: EDU Yearbook 1989, 181–182. 47 See Steering Committee, Minutes, Lisbon, 10 March 1989, Archive of the Karl von Vogelsang-Institut/EDU-Materials/Treasurer, EDU/1989/1631. 48 The note refers to  a group outside the Parliament led by Sila-Nowicki, while the other group refers to Sejm deputy Marek Jurek. After all, the EDU Office in October 1989 recommended inviting Marek Jurek to be on the next EDU Steering Committee and to provide financial support for his party whatever happened. See the basic paper of the EDU office in Vienna. Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Sign. EDU/1989/1706.

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lican Institute for International Affairs from the United States also produced a Polish program as well as the Socialist International. The EDU Office in Vienna was careful not to support parties that had already been funded by other Western party organizations. Since the Budapest meeting, the EDU coordinators surrounding Mock and Khol urged that a mutual exchange of information between EDU members be established and institutionalized after numerous EDU and IDU parties and party detachments had dealt with the issue of Eastern contacts individually.49 On 17 December 1989, Mock repeated the demonstrative gesture of cutting the previously insurmountable border fence, this time on the Czechoslovak border near Laa/Thaya. Now Mock’s counterpart was the Czechoslovak Foreign Minister, Jiři Dienstbier, who, for his part, had urged him, like Hungary, to put an end to the deadly border in a symbolic act with his country.50 The EDU was the only Christian Democratic force to maintain contacts with opposition groups, especially in Hungary, Czechoslovakia and Poland, as early as the beginning of the 1980s. From the emergence of the Solidarność (Solidarity) in Poland in 1980, EDU was in close contact with Polish Christians. When, in Czechoslovakia,  a sign-up campaign was organized for the Prague Cardinal František Tomašek in Czechoslovakia in 1986—also with the support of Charta 77—the EDU tried to provide logistical and political assistance under Mock and Stepan. After all, this democratic petition was signed by 600,000 people—well aware that it could be associated with personal reprisals.51 The third emphasis in the policy of the EDU—besides the Soviet Union and Poland—was Hungary. In comparison to the other two countries the disruption of the ruling communist system was advanced comparatively well in 1988/89 in Hungary. As already mentioned above, the party spectrum was pluralistically developed. The efforts of Austrian politicians and human rights activists to establish contacts with dissidents in the East have already been described. The Austrian Minister of Science and later Chairman of the ÖVP, Erhard Busek and the Director of the Karl von Vogelsang-Institute—located at the Political Academy of the ÖVP—in Vienna, Rainer Stepan, were early pioneers and “scouts” for keeping in touch with civil groups in the Communist system. In the course of 1989, these 49 See also the recommendations for Action, Meeting of the Committee Nr. 1 in Budapest, 19–21 June 1989 (“[…] Also, as a matter of principle, any reform movement ought to be given general support. However, some caution is needed when offering help to communist reformers. This may ultimately nourish  a dominating role of the Social Democrats,  a process greatly encouraged by the Socialist International.”), in: EDU Yearbook 1989, 182. 50 Helmut Wohnout, Vom Durchschneiden des Eisernen Vorhangs bis zur Anerkennung Sloweniens und Kroatiens. Österreichs Außenminister Alois Mock und die europäischen Umbrüche 1989–1992, in: Andrea Brait/Michael Gehler (eds.), Grenzöffnung 1989. Innenund Außenperspektiven und die Folgen für Österreich (Vienna/Cologne/Weimar: Böhlau, 2014), 185–220, 196. 51 Cf. the protocol of the 31st EDU Steering Committee on 13 November 1987 in Paris, Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Sign. EDU/1987/1460, 1–15.

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contacts became politically meaningful for the EDU. Stepan,  a close political adviser of Mock, offered his support to opposition groups often under personal risk, fostered young democratic movements, and began to educate students in Budapest and in Vienna. The Hungarian Democratic Forum under the leadership of József Antall saw itself as an EDU-like party, which had similarities to the CDU/CSU and ÖVP. From the side of the EDU, this basic attitude was expressed as a desire to join the Christian Democratic party family as soon as possible. At the initiative of Alois Mock, as well as Helmut Kohl, the Democratic Forum of the EDU Steering Committee was held from 6 to 7 December 1989. With financial support from the Hungarian parties, the EDU leadership established the Hungarian Democratic Forum. The Independent Smallholders’ Party, the Christian Democratic People’s Party and Fidesz, the later dominant power on the bourgeois side in Hungary, were to be supported with small financial sums.52

VI. The upcoming German Question In the meantime, in the autumn of 1989, political developments in the GDR had become unpredictable and radically changed. Within the EDU, too, the changes of the year 1989 unleashed a dynamic, which never had happened before, and again this was within the framework of the integration process. However, the “turnaround” also made it clear that even the strongest euphoria could only cover a few expectations in the long run. In the autumn of 1989 the events were finally over. The EDU had established itself as a stage for transnational contacts, which were quite comparable to those of the institutionalized meetings within the EC . In St. Augustin near Bonn on 13 November 1989, Parliamentary Group Leader Fritz König (ÖVP), at the request of the absent Chairman Bernhard Vogel, chaired the 28th Meeting of EDU Committee “European Structures—European Policy.” Lothar Kraft, Director of the Konrad-Adenauer-Foundation, opened the meeting and explained that Vogel was in Poland accompanying Federal Chancellor Helmut Kohl. The Manager of the CDU Parliamentary Group, Friedrich Bohl, MP, reported on the latest developments in the GDR . He let the EDU Committee know that during the past weekend three million GDR citizens out of 16 million had visited West Germany. Not more than two percent remained in the Federal Republic of Germany. From the beginning of the year until that 52 See the recommendations for Action, Meeting of the Committee No. 1 in Budapest, 19–21 June 1989 again. (“[…] With respect to Hungary, the EDU support would relate to the groups and/or parties listed below: Hungarian Forum, Free Democrats, FIDESZ , Smallholders Party, Christian Democratic People’s Party. In this connection  a party caucus of the respective members of parliament as well as scholarships for a selected group of journalists might be envisaged.”), in: EDU Yearbook 1989, 181–182.

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point, a total of 250,000 emigrants from the GDR had come to the FRG. A total of 300,000 emigrants from other countries (ethnic Germans) were also received. The big migratory movement from the GDR to the FRG was only possible in view of the opening of the Hungarian border to Austria in September 1989. This had been achieved with the help of the EDU’s Chairman Mock. Bohl expressed the gratitude of the Germans to the Austrians for their assistance. The SPD was now trying to profit from the developments and attempting to show that these changes had all been due to their policies, Bohl argued. They were trying to make the public forget that they and the SED had only recently signed papers of cooperation together Social Democrats now wanted to jump on the running train and get themselves into the driver’s seat of the locomotive. Nevertheless, the CDU’s policy would have been decisive anyway. The West needed to be firm: “Now it is our duty to underpin the reform process through economic assistance. At the suggestion of Margaretha af Ugglas, MP, the Committee congratulated its German friends on these historical developments.”53 The Committee deliberated the recent developments in Central and Eastern Europe. The opening of the borders of the GDR to the West was warmly welcomed as were the signs of reform in this state. The Committee especially congratulated Chancellor Helmut Kohl and his government on the developments in inner-German relations: “The firm insistence on the Basic Law and its implication by the CDU/CSU contributed to this success just as much as their adherence to the principle, unlike the SPD, of not entering into friendly relations with the SED, the communist party, which bears the responsibility for the old regime of terror. Only a few weeks ago, the SPD was still trying to conduct top-level talks with the SED, thus stabilizing this party. The EDU welcomes and supports the courageous and far-sighted attitude of Chancellor Kohl in responding to the crisis in the GDR with a broad offer of aid, if those in power initiate a process of democratization. The Committee will support Chancellor Kohl and his government in all further steps that lead to a peaceful development as well as to more freedom and democracy in the GDR . The EDU supports the desire of the Germans to complete the unity of Germany in freedom and peace in exercising the right of self-determination.”54

The EDU Committee then adopted  a declaration under the heading “For a unified Europe in peace and freedom.” It supported the demand of the federal government for reunification and pointed out the central role of the Western European integration process in the present changes within the Warsaw Pact.55 At a meeting of the EDU from 2 to 3 December in Salzburg, with participation of Christian Democratic politicians from eight countries of the EC , Italian Prime 53 Minutes 28th Meeting St. Augustin/Bonn, 13 November 1989. Statement of EDU and CPSU, Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU/1989/1698. 54 See Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Sign. EDU/1989/2001, 11–13. 55 Ibd.

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Minister Giulio Andreotti informed German Chancellor Kohl about the visit of the Soviet head of state Gorbachev from 28 November to 1 December 1989 in Italy. The West German irritation about Italian reservations to  a possible German “reunification” began to become clearly visible.56 At this conference in Salzburg, the “German Question” was discussed for the first time by a larger circle of EDU party leaders. A few days earlier, Helmut Kohl had presented his ten-point program for a confederation of the two German states, which received no objections from the other members of the EDU, but dealing with Andreotti was most difficult on this issue. It took German policy-makers months to dispel this Italian skepticism.57 The fact that the EDU deliberately set up initiatives and statements within the scope of its meetings to present German reunification as a legitimate wish of the entire German people and, thus, also as a democratic demand for European Christian Democracy is recognizable.58 After all, since its founding in 1978, the EDU had raised German reunification to a political postulate. In its realpolitical abstractness before 1989, this goal was unreservedly supported by all EDU member parties. It is therefore all the more surprising that the German historiography has virtually stifled this EDU achievement and this pan-European, Christian-Democratic contribution. At the same time, this also transcends its own Federal initiatives and Christian-Democratic commitment.59

56 Cf. Christdemokratische Spitzenpolitiker aus ganz Europa berieten in Salzburg. Kooperationen mit Gruppen im Osten, in: Salzburger Nachrichten, 4 December 1988, 15.  57 “Gespräch des Bundeskanzlers Kohl mit Präsident Bush,” Laeken bei Brüssel, 3 December 1989, in: Hanns Jürgen Küsters/Daniel Hofmann (eds.), Dokumente zur Deutschlandpolitik: Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90 (Munich: Oldenbourg, 1998), 603. 58 See Bonn Statement 1990. Adopted by the EDU Steering Committee on 25 October 1990. The Steering Committee of the EDU held its 43rd meeting in Bonn, on October 25th, 1990. Under the chairmanship of the Austrian Foreign Minister and EDU-Chairman, Dr. Alois Mock, the representatives of 18 Christian Democratic, conservative, and other like-minded parties from Europe deliberated on questions of European policy. The Steering Committee expresses its satisfaction to hold the first meeting after the German unification on October 3, 1990, in Bonn, at the seat of the Federal Government of the unified Germany. Since its founding in 1978, the EDU had always supported German unification in word and deed. Thanks to the firmness of the free Western democracies, Atlantic solidarity, and the success of the social market economy, especially in the Federal Republic of Germany, the smooth and unexpected unification of Germany had now come about. The mandate of the Bonn Basic Law is herewith fulfilled. Germany is now in the position to pursue at full power its political aims, which are the further European integration in the framework of a new all European architecture according to the construction plans of the European Community and of the global European peace order. Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Sign. JB 1990/22. 59 Even in the most recent publications of the Konrad Adenauer Foundation on “The Fall of the Berlin Wall” and “German Reunification” from 2016, one does not find relevant mention of the role of the EDU. See Hanns Jürgen Küsters (ed.), Der Zerfall des Sowjet­

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The year 1989, however, cannot be viewed as detached from developments in Western Europe and only reduced to events in the East. The outcome of the elections to the European Parliament in 1989 was important, and this should not be ignored for the general question of this essay.60 Notable was the low electoral participation, which was basically  a disgrace for all of the participating and “European” parties. EDU member parties were not in the least exempted. The fact that the euphoria of the Central and Eastern European reform initiatives and upheavals had pushed this lack of democratic legitimacy was quietly regretted, but without any other kind of self-reflection, this was dismissed as a very early “system error” by both the EDU and the EC . This did not alter the fact that the CDU and the CSU as well as the Democrazia Cristiana (DC) had relatively successfully won these elections with their candidates. However, from the point of view of the “Year of Change 1989,” the European elections showed no special thematic features. On the contrary, it was pointed out in June that questions of nuclear disarmament and foreign-policy stability, maintaining the status quo in the sense of  a “balance of power” had priority over the support of Eastern reform efforts. Once again, the European elections proved to be  a “protest” and it is, therefore, not surprising that the Greens as well as the right-wing parties, e.g. the German Republicans (Die Republikaner), succeeded in an above-average fashion. The main political theme of these elections to the European Parliament in 1989 was the development of the internal market and the further convergence of the EC and COMECON. The fact that the Joint Declaration, adopted on 25 June 1988, included the EFTA states as well as Malta and Turkey had been the result of EDU pre-planning.61

VII. Conclusion and Final Remarks The year 1989 was a new beginning in many respects. This also included the fact that for the first time the EDU was able to adopt a pan-European policy, a policy which for the first time allowed freely chosen Christian Democratic parties in a previously unknown degree of freedom with parties and peoples of the East together. For the first time since 1945, Europeans were able to directly make European party politics.

imperiums und Deutschlands Wiedervereinigung. The Decline of the Soviet Empire and Germany’s Reunification (Cologne/Weimar/Vienna: Böhlau, 2016). 60 The European Parliamentary Election took place on 18 June 1989. 61 Since its founding but especially since 1987/88, the EDU had argued for including Turkey in the EC . The argument was the mutual bilateral ability to profit economically for Turkey, but above all for the Western European states, under the leadership of the Federal Republic of Germany. This became the mantra for the expansion promises to Ankara. See Madrid Meeting, adopted by the EDU Steering Committee on 15 April 1988, Archives of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, Sign. JB 1988/280.

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From then on, the EDU spoke for Christian Democratic and Conservative parties in Western and Eastern Europe. It is well known that representatives from all Yugoslav national groups and national states participated in this meeting. The tensions within the Yugoslav ethnic groups represented at this conference were also apparent to the EDU. Although it took place before other party mergers, this EDU initiative could still not alter the political and human disaster of Yugoslavia in the following year, 1991. That the EDU, under the organizational leadership of the ÖVP, became the “stage” for the “European Round Table” on the Danube ship Mozart in January 1990, underscores this pioneering Austrian activity. For the first time since the end of World War II, Western and Eastern European Christian-democratic party representatives, along with the participation of Americans and Russians, gathered here and discussed their future together. Freedom of speech and freedom of movement as well as the emotional uptick of parties from Eastern and Western Europe were never again achieved in this form within the framework of a common party network.62 The “West” and the “East” had already recognized differences in economic policy during the irreversible developments after reunification. While the West saw new markets and areas for production in the countries of Central Europe, the Eastern European countries believed in a disinterested construction of their countries, which would soon lead them to attain the same level as Western countries. The history of most European joint venture programs proves the correctness of this misunderstanding. An example of this is the relationship between Austria and Hungary. The role of supporter quickly changed to the role of “competitor,” which did not shy away from “hostile takeovers,” as seen from the Eastern perspective. The tense relationship in the field of oil processing and the wide field of the energy industry is still significant today. Nevertheless, it did not take long—an advance in time—and at the end of August 1990 “A Free Europe for All” was proclaimed at the EDU party leadership conference.63 Now, within the framework of the EDU, two Eastern and Central Eastern European like-minded parties, namely those from the Czech and Slovak Federal 62 The EDU Executive Secretary informed the EDU Committee that Austrian Deputy Prime Minister Josef Riegler had invited Eastern Europeans and Western Europeans to attend the “Round Table on Europe,” to be held on 11–12 January 1990, on a ship at the Danube. EDU Party Leaders would get the respective invitations in the course of the week, and they were invited to nominate four parliamentarians for the conference. The Austrian People’s Party organized this Round-Table together with the International Cooperation Fund (London), and bore all costs. Cf. Invitation, program, and protocol of the first Round-Table-Europe Meeting in Vienna, Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, Material related to the ÖVP at the Federal Level, Sign. 2836 63 Minutes of the 13th Party Leaders’ Conference in Helsinki, 29–31 August 1990, “A free Europe for all.” Helsinki Declaration, Archive of the Karl von Vogelsang-Institute, EDU Collection, EDU 1990/1848, 5–13.

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Republic and Hungary, were formally invited, and their leaders were equally represented. At the same time, the parties from the three Baltic States had already been invited to send representatives as observers. Regarding security policy in 1990, there was the deceptive opinion that the economically defeated Soviet Union as  a Commonwealth of Independent States (CIS) or Russia would henceforth only appear as  a regional power. The permanent advancement of European political politics was regarded as the ultimate maxim, but the EDU was not able to clearly define the boundaries of the European part of Europe, as was the case with the EC . In the euphoria of the almost weekly dramatic developments in the East, the EDU saw the geographical boundaries of Europe and future political space as identical. At the Helsinki conference in August 1990, there was confidence that the integration of the European states would surely succeed in overcoming the economic heritage of “real socialism.” Little attention was paid to cultural and psychological differences. The assessment of the future of the Soviet Union in the summer of 1990 was also noteworthy. The EDU conference clearly highlighted the emerging economic gaps, nationality struggles, and political unrest. Even at this time, however, the political imagination within the EDU lacked the desire to recognize a complete disintegration of the Soviet Union in 1990. On the contrary,  a fundamental economic policy reform of the giant empire was perceived in an approach, and no more than a democratic “change within the Soviet Union” was expected.64 At least with this assessment one was—as would soon be seen—wrong in the Summer of 1990. Before 1989, the Christian Democratic and conservative parties acted at the individual and bilateral levels vis-à-vis Central and Eastern Europe. A stronger coordination started in the spring and summer of 1989. When looking at the agenda, goals and priorities of the EDU, the discussion of various topics shows that East-Central Europe took priority, especially Poland, Hungary and the USSR . The Baltic states, the GDR , and Czechoslovakia were only second or third in importance. Then, there were also EC-EFTA relations, which were of interest to the EDU as well as European Security (Arms Control and Measures of Confidence Building between NATO and the Warsaw Pact). What did the EDU do with regard to Central Eastern Europe? 1. Discussion of and Decisions on different topics (supporting and strengthening of the ongoing reform processes in Poland, Hungary and the GDR; welcoming the opening of borders, underscoring a policy of durable stability of peace and freedom in Europe; underlining Germany’s unity as a precondition for stability and peace in Europe, the acceptance of the right of self-determination of the Germans); 2. Fact Finding Missions to Hungary, Poland and the Soviet Union; 3. Searching for candidates for EDU membership and the founding of future Christian-conservative political parties; 64 Ibd., 14–15.

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4. Looking for forms of institutionalized relations: Coordination of future EDU members in the various European assemblies and institutions especially the Council of Europe; 5. Developing guidelines for economic and technical assistance programs for East-Central Europe—though the EDU served as a predecessor of the European Bank for Reconstruction and Development (EBRD). Did this work at all levels? The observations, perceptions and judgements of the political developments in Central and Eastern Europe by EDU groups were dependent on the fast-occurring revolutionary events, including incalculable and unpredictable outcomes. From a Christian democratic and conservative point of view, some contacts established with political personalities were misleading und unsuccessful. In Poland the EDU could be of help in the preparations for the round table before the elections, but the political system remained insecure and unstable. The political development was in flux and the party political system remained fragile and splintered. The coalition partners in the government changed. Tadeusz Mazowiecki could not be won for the conservative EDU working group. Poland in 1988–89 was more US than Europe oriented. The US Republicans dominated the scene and opened a foreign office in Warsaw earlier than the Adenauer Foundation. For reasons of stability, the US Republicans first set their priorities on the old party political system. Therefore, Republican goals differed from EDU intentions. The case of Hungary was judged as too optimistic by EDU representatives. The Fidesz was more or less neglected while József Antáll was supported. He became prime minister of the first freely-elected Hungarian government but died of cancer in 1993. With regard to Croatia and Slovenia, the EDU judged the centrifugal tendencies in Yugoslavia correctly. The subject presented here stresses the necessity of also focusing on nongovernmental and non-state-actors and the role they played during the revolutionary events of 1989. In the sense of political-network research and networking studies, a player such as the EDU has to be considered, also to better understand the diplomatic and political decision-making process during that crucial year.

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Too little, too late? The Socialist International, German reunification, and the Transition in Eastern Europe

I. Introduction This chapter deals with the attitude displayed by the Socialist International (SI) towards German reunification shortly before and after it was achieved. Still, three preliminary caveats are necessary. First, the very nature of the SI, a loose forum of debate and coordination among sovereign and heterogeneous parties, makes it pointless—if not impossible—to chart the day-to-day evolution of its political approach to the events of 1989–1990.1 Rather, this study will focus on the occasions when the most intense debates and exchanges of opinions occurred among the SI leaders and members, and especially its congresses summoned in 1986, 1989, and 1992. Second, the article will prove how the charismatic leadership of President Willy Brandt impressed on the SI activities a shift in focus from direct involvement in the transition of each East European state to the broader goals of building a continental system of peaceful relations and on facilitating the “reunification” of Europe after the divisions imposed by the Cold War. Within this framework, social democracy largely failed to assert itself as  a leading force of German reunification and more generally of the transition in Eastern Europe, unlike it had occurred during the emancipation of three Southern European countries (notably Portugal, Greece, and Spain), from dictatorship and their adhesion to the Western values of freedom and pluralism during the 1970s.2 Against this background, it is more productive to take into consideration the interests of the SI in the whole process of “European reunification” as a consequence of the events of 1989, instead of focusing exclusively on the peculiarities of the German question.

1 On the evolution of the Socialist International structure and self-representation, see: Guillaume Devin, L’Internationale Socialiste (Padevinris: Presses de la Fondation Nationale des Sciences Politiques, 1993), 287–358. 2 For an appraisal of the role played in Southern Europe during the 1970s by the German governments and parties, see the special issue: Journal of European Integration History 15 (2009) 1.

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Third, although the article will ascribe the scant influence exerted by the

SI on the Eastern European transition to the developments occurred since after

the late 1970s, a complementary line of interpretation could rely on longer-term analyses. The birth (or rebirth) of the SI in Frankfurt in 1951 was the result of a complex process that had begun soon after the end of World War II. During this long preparatory phase, a considerable degree of disagreement had emerged among the brother parties about specific questions left unsolved by the conflict (above all the future of Germany) and complicated by the new Cold War scenario; and about the future of Western Europe as a whole, of its economic and political integration process and of its relations with the United States.3 Because of the inability to work out a common definition of the tasks of European social democracy, the SI member parties diverted their efforts toward the creation of a “world socialist agreement” which was motivated by the assumption that “the tasks facing the international socialism in the European area [were] only one of the immediate aspects of its mission.”4 Thus, if the Frankfurt meeting “can be considered as the (symbolic) starting point of a genuine process of globalization” for the new SI, this was also the result of the failure to establish  a detailed European agenda.5 When more binding forms of socialist cooperation emerged slowly within the European space during the late 1950s, the institutional basis of cooperation and integration had been laid down by someone else, mostly Christian-Democratic-led governments. The opportunity to develop a coherent social democratic project for Europe was overtaken by the need to find  a pragmatic approach to the existing institutional framework: significantly, the cooperation among socialist parties at the European level tightened considerably only after the EC summit held in The Hague in 1969 resolved to hold direct elections for the European Parliament.6 Thus, the later disposition of the SI toward a global approach was not only the result of a genuine push to abandon the traditional Eurocentric view but also of the failure to deal effectively with the European regional level.

II.

Berlin 1992

In September 1992 six hundred delegates representing more than one hundred and fifty parties and organizations worldwide gathered in Berlin for the XIX Congress of the Socialist International, consecrated to “Freedom and solidarity 3 Devin, L’Internationale Socialiste, 38–47. 4 For an account of the divisions among European socialist parties on the subject of European integration during the 1950s, see: Richard T. Griffiths, Socialist Parties and the Question of Europe in The 1950s (Leiden: Brill, 1993). 5 Peter Van Kemseke, Towards an Era of Development. The Globalization of Socialism and Christian Democracy, 1945–1965 (Leuven: Leuven University Press, 2006), 53. 6 Simon Lightfoot, Europeanizing Social Democracy? The Rise of the Party of European Socialists (London: Routledge, 2005), 29.

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in a changing world.”7 The choice of the location was an obvious tribute to the city whose infamous Wall had symbolized the harshness of the Cold War for three decades, and whose hastened renewal now epitomized the desire of the whole of Eastern Europe to remove the physical debris of the recent past. The delegates at the meeting elected the new President of the SI, former French Prime Minister Pierre Mauroy, who recalled how for his organization Berlin was above all the city of Willy Brandt. This was not just an obvious tribute to the man who had taken the lead of the SI in 1976 and rescued it from  a state of permanent crisis to make it a major player in the international arena. Three decades earlier, as mayor of the city, Brandt had witnessed helplessly the building of the Wall. It is well known how he drew the conclusion from that episode that the Federal Republic of Germany (and more generally Europe)  needed to play  a more assertive role in promoting East-West détente.8 All along his career as Foreign Minister and later as Chancellor, Brandt had aimed at creating the conditions for a new order of peace in Europe which would make possible and acceptable a rapprochement between the two German states.9 In many respects, he pursued the same goal from his new position as leader of the SI, stressing the continental and even global value of détente and “coexistence” among different political systems as the strongest guarantee for the free and peaceful development of societies.10 Seriously ill (he would eventually pass away a month after the Berlin meeting), Brandt could not attend the congress to give his resignation speech after sixteen years in charge. Nevertheless, he sent  a last touching message expressing his satisfaction and pride at the choice of Berlin, although “many places of the new democracies in the East would have deserved the same honor.”11 In a brief appraisal of his SI Presidency, Brandt restated that, although peace was not the only point on his agenda, it was surely the most important: even during the tensest moments of the “Second Cold War” in the early 1980s, he had regarded freedom from fear of the nuclear threat as the necessary precondition for a 7 http://www.socialistinternational.org/viewArticle.cfm?ArticleID =65, last accessed November 2016. 8 Oliver Bange/Gottfried Niedhart, “Die Relikte der Nachkriegszeit” beseitigen. Ostpolitik in der zweiten außenpolitischen Formationsphase der Bundesrepublik Deutschland und ihre internationalen Rahmenbedingungen 1969–1971, in Archiv für Sozialgeschichte 44 (2004), 415–448. 9 Giovanni Bernardini, West German-American Relations and a New ‘Order of Peace’ for Europe, 1969–1970, in: Journal of Transatlantic Studies 8 (2010) 1, 19–31. 10 Bernd Rother, Between East and West—social democracy as an alternative to communism and capitalism: Willy Brandt’s strategy as president of the Socialist International, in Leopoldo Nuti, The Crisis of Détente in Europe. From Helsinki to Gorbachev, 1975–1985 (London: Routledge, 2009), 217–230. 11 The message was read by SI-Vice-President and SPD -Parteivorsitzender Hans-Jochen Vogel. For the full text, see: Berliner Ausgabe, Willy Brandt, Band 8, Über Europa hinaus. Dritte Welt und Sozialistische Internationale (Bonn: Dietz, 2006), 514.

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peaceful evolution of the continent and of the world as  a whole.12 As Europe appeared free at last from the bloc-to-bloc confrontation which had paralyzed it for decades, the 1990s were the time for the “Old Continent” to become a factor of stabilization and peace for other areas of the world for its own sake, because “nothing comes from itself. And very little is permanent.”13

III. The SI goes global Mentioning this new “globalizing” mission for the SI, Brandt alluded to the original program that he had pursued during his Presidency: to overcome the Eurocentric nature of the organization, due to the continental origin of the social democratic doctrine and practice, but also to the historical development of the Cold War as the last conflict over Europe which had exported its binary logic to the whole world.14 Brandt’s celebrated motto Über Europa hinaus (“Beyond Europe”) signaled his intention to relativize the SI in two directions. First, the late 1970s saw an unprecedented opening of the organization to membership by political parties from all over the world. Their compatibility with the values and practices of the SI was decided case by case and not without internal conflicts around sensitive issues such as internal discipline and the respect for party pluralism.15 Nevertheless, the result was a considerable increase in the number of affiliated national parties especially in Latin America and Africa. The price paid by the organization in terms of cohesion was offset by the further extension of its influence outside Europe: As a consequence, soon after Brandt’s election eminent SI characters such as Olof Palme and Bruno Kreisky committed themselves to playing a more relevant role in crisis areas such as South Africa and the Middle East.16 The second development imposed by the Brandt’s Presidency of the SI was a new globalizing approach to the most compelling challenges that the world would face in the foreseeable future. Taking the lead within the organization,

12 Bernd Rother, Common Security as a Way to Overcome the (Second) Cold War? Willy Brandt’s Strategy for Peace in the 1980s, in: Frédéric Bozo/Marie-Pierre Rey/N. Piers Ludlow/Bernd Rother, Visions of the End of the Cold War in Europe, 1945–1990 (New York: Berghahn, 2012), 239–252. 13 http://www.willy-brandt.org/fileadmin/brandt/Downloads/Grusswort_Willy_Brandt_ SI_1992.pdf, last accessed November 2016. 14 Barbara Marshall, Willy Brandt: A Political Biography (London: Palgrave, 1996), 109. 15 Bernd Rother/Wolfgang Schmidt, Einleitung, in: Berliner Ausgabe, Willy Brandt, Band 8, Über Europa hinaus. Dritte Welt und Sozialistische Internationale (Bonn: Dietz, 2006) 32. 16 See for example Oliver Rathkolb, Brandt, Kreisky, Palme as Policy Entrepreneurs: Social Democratic Networks in Europe’s Policy Towards the Middle East, in: Wolfram Kaiser/ Brigitte Leucht/Michael Gehler (eds.), Transnational Networks in Regional Integration. Governing Europe 1945–83 (London: Palgrave, 2010), 152–176.

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Brandt launched three offensives which represented his aspiration to free SI political action from the normative constraints of the Cold War dichotomy and of its Eurocentric bias: to secure peace, to establish new relations between the global North and South, and to promote the respect of human rights worldwide.17 It is more than evident how this development was coherent with Brandt’s personal and political evolution during the late 1970s. Once out of power, the former Chancellor turned to what he perceived to be dangerous and underestimated emergencies such as the limits of growth, the need for a “New International Economic Order,” and environmental hazards. The convergence between Brandt’s agenda as SI President and his commitments as  a globally renowned statesman reached its apex in 1977, when he accepted the chairmanship of the Independent Commission on International Development Issues promoted by the World Bank.18 As the work of the Commission progressed, Brandt’s pessimism and awareness of the serious risks facing the world increased: his proposals went from emergency measures, such as securing energy supplies to all countries and establishing an effective world food program, to the promotion of longer-term fundamental changes to the configuration of international economy, to the global power structure, and to the institutional forms of international cooperation towards “a more effective world community.”19 Conscious that this program was destined to meet  a cold reception from the governments of the North (including his successor as West German Chancellor, Helmut Schmidt), Brandt insisted that the Commission’s final report “North-South: A Programme for Survival” would be published in as many languages as possible in order to raise the awareness of the world public opinion and to improve the atmosphere for future action. Both the methods and the contents of Brandt’s commitment to the Commission merged with the new course of the SI: When a second Commission report was published in 1983 under the title “Common Crisis,” later that year the SI gathered in Albufeira, Portugal for the congress “The World in Crisis: The Socialist Response.” The congress promoted the creation of a Committee on Economic Policy which later issued an appeal for a fundamental reshaping of the world economic order which would lead to a new model of development based on “growth through distribution.” The final report issued by the committee

17 Bernd Rother, Ein dritter Weg zwischen Kommunismus und Kapitalismus? Selbstverständnis und Strategien der Sozialistischen Internationale unter der Führung von Willy Brandt 1976–1992, in: id. (ed.), Willy Brandt. Neue Fragen, neue Erkenntnisse (Bonn: Dietz, 2011), 234. 18 For  a balanced account of the history of the Brandt Commission, see: Jean-Philippe Thérien, The Brandt Commission: The end of an era in North-South politics, in: Ramesh Thakur/Andrew F. Cooper/John English (eds.), International Commissions and the Power of Ideas (Tokio: The United Nations University Press, 2005), 27–45. 19 Marshall, Willy Brandt, 115.

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envisaged a new role for Europe, mostly through its alignment with the Third World’s claims for a New International Economic Order.20 The more the SI urged Europe to take an assertive stance in international relations, the less the unsolved problems of the Old Continent were at the core of its debate. A striking example came during the preparatory phase of the Congress in Madrid (1980) when Brandt imposed a decision that Europe would not figure as a separate topic for discussion.21 Nor was it the most pressing matter during the following Congress in Lima, Peru in 1986. In the Manifesto produced at the meeting, Eastern Europe was only mentioned once in a broader analysis of the intensification of the neoliberal economic strategy worldwide, which threatened the traditional political-economic tenets of social democracy. Within this framework, the document recalled the “deep crisis” affecting the economies of the Eastern bloc economies, burdened by “excessively centralized planning, bureaucracy, and lack of individual motivation.” The SI expressed its hope that they could undertake  a “conceptual and structural transformation in order to meet their own needs and to participate in  a fruitful economic interaction between North and South,” but also warned that these economies could not isolate themselves further, “nor should they be isolated by others,” if they were to become an active part of the international effort to build  a new economic order.22 Still, obviously the first Congress held in Latin America (the second continent by member parties for the SI) centered mainly on the struggle for peace, democracy and respect of human rights at the regional level.23 It is well known how Brandt committed the organization to play an active role in the process of democratization and pacification of Central and South America, and how this strategy collided with the politics of the Reagan administration. The most renowned battleground was Nicaragua, where the SI welcomed the overthrow of the Somoza dictatorship and supported the Sandinista revolutionary front with the goal of consolidating democracy in the country. The rise of the Marxist-­Leninist faction within the front led the SI to take  a more critical stance; moreover, Brandt tried to leverage his own personal influence to avoid a shift in the country towards Moscow’s sphere of influence by reinforcing parliamentary democracy. Although the US nurtured similar concerns, their solution passed through an outright support of counterrevolutionary forces and the rejection of the dialogue with the new leaders of the country. The conflict’s escalation reached its peak when the Reagan admin-

20 B. Vivekanandan, International Concerns of European Social Democrats (London: Macmillan Press ltd., 1997), 17–19. 21 Marshall, Willy Brandt, 109. 22 The proceedings of the Lima Conference are available at: http://www.socialistinternational. org/viewArticle.cfm?ArticleID =79, last accessed November 2016. 23 Rother/Schmidt, Einleitung, 49.

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istration branded the SI initiatives towards the whole of Latin America as “wholly unacceptable.”24

IV. Security for Europe Europe was more closely involved in the third major debate which took place in Lima about the prospects of future negotiations between the two Superpowers on nuclear disarmament. A long report on this subject was submitted to the Congress by the Socialist International Disarmament Advisory Council (SIDAC).25 Again, SIDAC was established in 1978 not only as  a response by the SI to the urgency of the moment but also as a consequence of Brandt’s effort to convey the long-term goals and the general framework of his successful Ostpolitik in the international organization he was called to rescue from irrelevance. East-West economic relations (recalled in the opening debate at the Lima Congress) and nuclear disarmament had been two essential components of Brandt’s strategy of “change through rapprochement,” which implied stronger ties between East and West despite their belonging to different ideologies.26 Both the increase in economic exchange and the decrease in military tension in Europe were not achievements per se but  a means of reaching  a new stage of interaction, pacific entanglement, and mutual understanding beyond the logic of the Cold War. In this respect, disarmament and more generally a constructive climate of peace were essential to gradually lessening the hold of the communist authorities over the peoples of their countries, which on the contrary was strengthened by the climate of permanent confrontation, and allowed the dialogue with Western societies to exert a positive influence on the other side of the Iron Curtain. The point is even more evident in the case of nuclear weapons: According to Brandt and his principal collaborator Egon Bahr, the permanent danger in the heart of Europe hindered the development of peaceful cooperation and mutual understanding, and strengthened the communist regimes in their pretense to defend their peoples against the threats of the West and especially against the alleged revival of “German imperialism.”27 After leaving the national government, Brandt’s and Bahr’s interest in the field of disarmament used a double strategy, which involved a more assertive role for 24 Marshall, Willy Brandt, 111. For a detailed account of the SI-USA controversy about Latin America in the 1980s, see: EWR EEC European Economic Community/EWG/Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EES European Economic Space/EWR /EEA/Europäischer Wirtschafts­raum EFTA Europäische Freihandelsassoziation/European Free Trade Association EG Europäische Gemeinschaft/en EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl EIB Europäische Investitionsbank/European Investment Bank EMS European Monetary System/Europäisches Währungssystem EMU European Economic and Monetary Union/Europäische Wirtschaftsund Währungsunion EP Europäisches Parlament EPC European Political Cooperation/Europäische Politische Zusammenarbeit/EPZ EPP European People’s Party/Europäische Volkspartei/EVP Europäische Politische Union EPU EPZ Europäische Politische Zusammenarbeit ER Europarat EU Europäische Union

836 EUCD EUGH EVP EWG EWR

Abkürzungsverzeichnis Europäische Union Christlicher Demokraten Europäischer Gerichtshof Europäische Volkspartei Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum

FAZ FCMA-Treaty

Frankfurter Allgemeine Zeitung Agreement of Friendship, Cooperation, and Mutual Assistance/Finnland-UdSSR Foreign Direct Investment FDI FDP Freie Demokratische Partei FIDESZ Fiatal Demokraták Szövetsége/Bund Junger Demokraten FINN-EFTA Finnland-EFTA free trade agreement/Finnland-EFTA Assoziationsabkommen FR Frankreich FRG Federal Republic of Germany/Bundesrepublik Deutschland FYROM Former Yugoslav Republic of Macedonia GAP GASP GATT

Gemeinsame Agrarpolitik Gemeinsame Außen-und Sicherheitspolitik/EU General Agreement on Tariffs and Trade/Allgemeines Zoll-und Handelsabkommen GB Großbritannien GDP Gross domestic product/Bruttoinlandsprodukt/BIP GDR German Democratic Republic/Deutsche Demokratische Republik GEMU German Economic and Monetary Union/Deutsche Wirtschafts- und Währungsunion GMJO Gustav Mahler-Jugendorchester GNP Gross National product/Bruttosozialprodukt/BSP HVA

Hauptverwaltung Aufklärung/Auslandsnachrichtendienst der DDR

IAEA

International Atomic Energy Agency/Internationale AtomenergieOrganisation/IAEO I.c. Dritter Generalstabsoffizier (für Aufklärung etc. zuständig) IDU Internationale Demokratische Union/International Democrat Union IGC Intergovernmental Conference/Regierungskonferenz IMF International Monetary Fonds/Internationaler Währungsfonds/IWF INF-Vertrag Intermediate Range Nuclear Forces Treaty/Vertrag über die Vernichtung nuklearer Mittelstreckensysteme IT-Sektor Informationstechnik IVVM Institut zur Erforschung der Öffentlichen Meinung/Prag IWF Internationaler Währungsfonds JAH JVA

Cooperation in the Area of Justice and Home Affairs/Ministerrat der EU für Justiz und Innere Angelegenheiten Jugoslawische Volksarmee

KIK KKE KP

Catholic Intelligentsia Club/Katholischer Intelligenzklub/Polen Kommunistische Partei Griechenlands Kommunistische Partei

Abkürzungsverzeichnis

837

KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion KPL Kommunistische Partei Luxemburgs KPÖ Kommunistische Partei Österreichs KSČ Kommunistische Partei der Tschechoslowakei KSE Konventionelle Streitkräfte in Europa KSZE Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa KVAE Konferenz über Vertrauensbildung und Abrüstung in Europa KZ Konzentrationslager LDPD MBFR-Vertrag MfAA MfS MID MIT MNEs MOE -Staaten MP MTA

Liberal-Demokratische Partei Deutschlands/DDR Mutual and Balanced Forces Reductions Treaty/Vertrag über beidseitige und ausgewogene Truppenverminderungen Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten/DDR Ministerium für Staatssicherheit/DDR Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten/Sowjetunion ungarische Nachrichtenagentur US multinational Enterprises/US -amerikanische multinationale Unternehmen Mittel-und Osteuropäische Staaten Member of Parliament/Parlamentsmitglied Ungarische Akademie der Wissenschaften

N+N Staaten NATO NEI

Neutrale und Nichtpaktgebundene Staaten North Atlantic Treaty Organization/Nordatlantikpakt Nouvelles Équipes Internationales/Zusammenarbeit christli­cher Par­ teien in Europa NGO Non-governmental Organization/Nicht-Regierungsorganisation NIN Nedeljne informativne novine/Wöchentliche informative Zeitung/ Serbien NRC New Rotterdam Courant (Handelsblatt) NS Nationalsozialismus NSC United States National Security Council/Nationaler Sicherheitsrat der USA NVA Nationale Volksarmee/DDR Neue Zürcher Zeitung NZZ OECD

OSCE OSZE OTKA

Organization for Economic Co-operation and Development/Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Organization for European Economic Cooperation Österreichische Akademie der Wissenschaften Österreichische Botschaft Österreichische Volkspartei Organization of Petroleum Exporting Countries/Organisation erdölexportierender Länder Organization for Security and Co-operation in Europe/OSZE Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Ungarischer Forschungsfonds

PASOK PCE PCI

Panhellenic Socialistic Movement/Griechenland Partido Comunista Español/Kommunistische Partei Spaniens Partito Comunista Italiano/Kommunistische Partei Italiens

OEEC ÖAW ÖB ÖVP OPEC

838 PDS PHARE PS PS PSC PSD PSOE PTT PvDA PYD PZIJ RGW RPR

Abkürzungsverzeichnis 1. Partito Democratico della Sinistra 2. Partei des Demokratischen Sozialismus Poland and Hungary Aid for Restructuring of the Economies 1. Partido Socialista/Sozialistische Partei /Portugal 2. Parti socialiste/Sozialistische Partei/Frankreich Walloon Parti Social Chrétien/Christlich-soziale Partei ­Wallo­niens Partido Social Democrata/Sozialdemokratische Partei/Portugal Partido Socialista Obrero Español/Sozialistische Partei Spaniens Posta ve Telgraf Teskilatı Genel Müdürlüğü/Die Türkische Post Partij van de Arbeid/Niederlande Partiya Yekitîya Demokrat/Partei der Demokratischen Union/(kurdisch) Politische Zusammenarbeit, Innen und Justizielles Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe Rassemblement pour la République/Sammlungsbewegung für die Republik (gaullistisch)

Saarlorlux

Region, die Teile Deutschlands, Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs umfasst SALT Strategic Arms Limitation Talks/Gespräche zur Begrenzung strategischer Rüstung Samisdat Verbreitung nichtsystemkonformer Literatur in Ländern des ehemaligen Ostblocks auf inoffiziellen Wegen SD Social Democrats/Sozialdemokraten/Dänemark SDP Sozialdemokratische Partei der DDR SEA Single European Act/Einheitliche Europäische Akte/EEA SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands/DDR SI Sozialistische Internationale/Socialist International SIDAC Socialist International Disarmament Advisory Council/Abrüstungsrat der Sozialistischen Internationalen SIPRI Stockholm International Peace Research Institute/Stock­holmer Internationales Friedensforschungsinstitut SKP Sveriges Kommunistiska Parti/Kommunistische Partei Schwedens SNF Short-Range Nuclear Forces SOZ Soviet Occupation Zone/Sowjetische Besatzungszone/SBZ SP/VD Sozialdemokratische Partei der Schweiz/Kanton Waadt SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SPÖ Sozialistische Partei Österreichs SSR Socialist Soviet Republic/Sozialistische Sowjetrepublik START Strategic Arms Reduction Treaty/Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen Stasi Staatssicherheitsdienst SU Sowjetunion SUKK Sverige under kalla Kriget/Schweden im Kalten Krieg SVP Schweizerische Volkspartei TEU TICA TKL

Treaty of the European Union/Vertrag über die Europäische Union Turkish International Cooperation Agency/(Entwicklungszusammenarbeit) Federation of Finnish Industries/Industrieverband Finnlands

Abkürzungsverzeichnis

839

UDBA UdSSR UK UN UNO URANIA US USA USSR

Uprava državne bezbednosti/jugoslawischer Geheimdienst Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken United Kingdom/Vereinigtes Königsreich United Nations/Vereinte Nationen United Nations Organization/Organisation der Vereinten Nationen Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse/DDR United States/USA United States of America/Vereinigte Staaten von Amerika Union of Soviet Socialist Republics/Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

VCLT VKSE VN VVD VSBM

Vienna Convention on the Law of Treaties Verhandlungen über Konventionelle Streitkräfte in Europa Vereinte Nationen/UN/UNO Volkapartij voor Vrijheid en Democratie/Niederlande Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen

WEU WGT WJC WP WTO

Westeuropäische Union West-Gruppe der Truppen/UdSSR World Jewish Congress/Jüdischer Weltkongress Warschauer Pakt World Trade Organization/Welthandelsorganisation

XTR Abkürzung für Transferrubel ZK Zentralkomitee

Personenregister Acheson, Dean  134 Adamec, Ladislav  573, 577, 579, 596 Adamischin, Anatolij  75, 127 Adenauer, Konrad  27, 42, 97, 245, 330, 402, 403, 405, 473, 726, 742, 758, 760, 766, 821, 823 af Ugglas, Margaretha  413, 761 Afanassjew, Juri/Afanasyev, Yuri  756 Agius, Christine  413 Aho, Esko  436 Albrecht, Ulrich  47, 49, 56, 58 Allardt, Helmut  644 Amos, Heike  16, 65 Andersen, Knud Børge  445 Andersson, Sten  406–410 Andreotti, Giulio  21, 162, 196, 222, 229, 304, 342, 379, 382, 439, 496, 510, 649, 679–681, 684, 687–689, 695, 762, 806, 821, 825 Andriessen, Frans  201, 304, 307, 314, 318, 329, 812, 821, 828 Antall, József  387, 555, 556, 560, 563, 564, 760, 766 Areilza, José Maria de  654 Aschmann, Birgit  21, 639 Ash, Timothy Garton  157, 162 Attali, Jacques  165, 166, 168–172, 176, 198, 821 Auken, Svend  448, 449, 452, 453, 455–457, 464 Aunesluoma, Juhana  415, 417 Axen, Hermann  96 Aznar, José María  660 Badinter, Robert  636 Bahr, Egon  61, 62, 95, 773, 774, 777, 779, 783 Baker, James A. 30, 37, 39, 40, 58, 59, 70, 71, 73, 89, 97, 98, 101, 102, 104–108, 110–116, 121, 122, 136–138, 182, 187–189, 196, 201, 391, 475, 634, 802, 806 Balkenende, Jan Peter  534 Balladur, Édouard  812, 828 Bangemann, Martin  307–310, 318, 339, 342, 821 Bartsch, Udo  367, 368, 372 Barzel, Rainer  28

Bauer, Friedrich  281, 305, 346, 347, 375 Beil, Gerhard  289, 307, 308, 322 Beneš, Edvard  568, 819 Berger, Stefan  144 Berlusconi, Silvio  695 Bernardini, Giovanni  22, 767 Bianco, Jean-Louis  168, 169, 173 Bielecki, Jan Krzysztof  600, 612, 624, 625 Bildt, Carl  400, 412–414 Binchy, Daniel A. 211 Bismarck, Otto von  154, 253, 495 Bitter-Smirnov, Sophie  23 Bitterlich, Joachim  166, 167, 175, 821 Bjerregaard, Ritt  447, 449 Blackwill, Robert  105 Blair, Tony  531, 536, 660 Blanton, Thomas  98, 100 Blaschke, Karl-Heinz  796 Blocher, Christoph  257 Blot, Jacques  195 Blüm, Norbert  201 Böhm, Johann  591 Böhme, Ibrahim  48, 51 Böll, Heinrich  207 Böttger, Siegfried  366 Bohl, Friedrich  760, 761 Bohle, Hermann  526 Boidevaix, Serge  71 Boland, Colm  221 Bondarenko, Alexander  63, 388, 390 Bondevik, Kjell Magne  472, 474–477, 482, 483 Bot, Bernard  492 Břach, Radko  583, 586 Bracher, Karl Dietrich  684 Brait, Andrea  19, 259, 349 Brandt, Willy  27, 95, 147, 148, 201, 261, 327, 329, 402, 404–406, 409, 411, 443, 444, 463, 470, 491, 551, 601–603, 632, 644–646, 671, 707, 767, 769–774, 776–779, 781–785, 787 Brauer, Max  404 Braunmühl, Carlchristian von  63 Breschnew, Leonid/Brezhnev, Leonid  14, 120, 410, 491, 775, 784

841

Personenregister Brix, Emil  373 Bromme, Paul  404 Brundtland, Gro Harlem  468, 476, 482, 483 Bütler, Hugo  252, 253 Bukowski, Wladimir/Bukovsky, Vladimir  778 Busek, Erhard  316, 346, 358, 360, 371, 759 Bush, George H. W. 29, 30, 32–36, 38, 42, 60, 69, 73–75, 89, 93, 96–104, 106, 108–116, 124, 130, 149, 150, 171, 173, 174, 177–180, 185, 187, 188, 192, 193, 196, 197, 200, 382, 383, 390, 476, 618, 631, 647, 658, 753, 754, 806, 807, 814, 817, 821, 825, 829, 830 Bush, George W. 533 Byrne, Malcolm  823 Čalfa, Marian  59, 597 Canbolat, ĺbrahim Serhat  730 Cap, Josef  342 Carlsson, Ingvar  399, 400, 408–414 Čarnogurský, Ján  571 Carstens, Karl  28 Carter, Jimmy  14 Casement, Roger  211 Caspar, David Friedrich  364 Castiella, Maria de  643 Cattani, Alfred  250 Cavaco Silva, Anibal  671 Ceauşescu, Nicolae  384, 554 Cheysson, Claude  177 Chirac, Jacques  532, 536, 744 Chňoupek, Bohuslav  573 Christophersen, Henning  318, 327 Chrobog, Jürgen  578 Çiçek, Hüseyin I. 22, 721 Cicero Marcus Tullius  161, 202 Çils, Nevim  729 Claber, Simone  142 Claes, Willy  508, 517 Coëme, Guy  508 Collins, Gerard/Gerry  217, 225, 226, 228 Corterier, Peter  728 Cossiga, Francesco  192, 684, 686, 689 Costa, Joaquín  651 Craxi, Bettino  686, 776, 780 Cresson, Edith  303, 306 Croker, Thomas C. 207 Cuccia, Deborah  22, 677 De Felice, Renzo  684 De Gasperi, Alcide  330, 694

De Gaulle, Charles  173, 178–180 De Maizière, Lothar  48, 51, 63, 288, 290, 298, 335, 337, 338, 369, 562 De Michelis, Gianni  72, 690, 692, 693, 821 Dedial, Jürg  255 Deighton, Anne  145 Delamuraz, Jean-Pascal  196 Delors, Jacques  37, 189, 216, 221, 224, 225, 228, 230, 300, 304–307, 310, 312, 317–319, 324, 325, 328, 332, 333, 335–337, 342–346, 412, 432, 452, 480, 482, 514, 635, 665, 808, 809, 811, 812, 817, 821, 826–828, 830 Denyssenko, Filaret  757 Deprez, Gérard  743 Deus Pinheiro, João de  666 Dienstbier, Jiři  59, 569–571, 581, 583–586, 590, 595, 597, 759 Dobrovský, Luboš  569, 571, 586, 587, 595 Dopson, Alan  143 Dorr, Noel  217, 221, 226, 227 Drnovšek, Janez  631 Dufourcq, Bertrand  163, 173 Duisberg, Claus J. 162 Dumas, Roland  71, 173, 175, 176, 189–191, 198, 200, 218, 304, 317, 388, 619, 821 Dumont, Patrick  527 Ehrlich, Werner  380 Eichler, Heinz  308 Eiff, Hansjörg  634 Eifler, Martin  363 Elgey, Georgette  169, 177 Ellemann-Jenssen, Uffe  439, 444, 447, 449, 450–454, 456–462, 465 Engel, Jeffrey  97 Enzensberger, Hans Magnus  255 Eppelmann, Rainer  670 Erdoğan, Recep Tayyip  721, 722 Erhard, Ludwig  27, 405, 444 Erlander, Tage  403–405 Erler, Petra  335, 339 Evren, Kenan  729, 733 Eyskens, Mark  317, 321, 378, 505, 509–513, 515, 516 Falin, Valentin  277, 750, 756, 808, 826 Fehlen, Fernand  527 Fernandes, José Manuel  672 Fernández Ordóñez, Francisco  648 Feroz, Ahmad  725 Fischer, Bernd  756

842 Fischer Heinz  281, 313 Fischer, Heinz Joachim  689 Fischer, Oskar  45, 71, 270, 285, 307, 509 Fischer, Paul  463 Fischer, Thomas  416 FitzGerald, Garrett  214, 224 Flynn, Séan  224 Fojtík, Jan  579 Foncillas, Eduardo  648 Friedmann, Bernhard  28 Friedrich, Hans  471 Frlec, Boris  635 Frohner, Adolf  365 Frøland, Hans Otto  20, 467 Froment-Meurice, Henri  305 Fuchs, Ernst  368 Fukuyama, Francis  658, 793 Gaspar, Carlos  675 Gates, Robert  100, 111 Gehler, Michael  10, 11, 20, 22, 259, 293, 295, 395, 739, 791, Geiger, Tim  16, 65 Geißler, Heiner  28 Genscher, Hans-Dietrich  29, 38, 39, 52, 53, 57, 60–62, 64, 65, 71–75, 82, 85, 86, 90, 99, 101, 102, 109–111, 131, 133, 134, 137, 138, 155, 162, 164, 175, 176, 189, 190, 201, 303, 310, 314, 315, 319, 326, 382, 391, 425, 444, 451, 452, 454, 455, 462, 464, 475, 476, 481, 500, 511, 515, 555, 563, 573, 575, 591, 612, 615, 616, 619, 621, 622, 624, 633–636, 648, 649, 684, 690, 712, 728, 729, 736, 808, 813, 816, 821, 826, 828 Geoghegan-Quinn, Máire  217 George, Stephen  142 Geppert, Dominik  144 Gerassimow, Gennadi/Gerasimov, Gennadi  410 Geremek, Bronisław  604, 605 Gerhardsen, Einar  470 Gerlach, Manfred  201, 308 Gienow-Hecht, Jessica C. E. 351 Gierek, Edward  601 Gillespie, Raymond  232 Giscard d’Estaing, Valéry  312 Gjerde, Bjartmar  471 Glemp, Józef  781 Goebbels, Joseph  29 Goldstücker, Eduard  595 Gonschor, Marcus  821

Personenregister González, Felipe  21, 219, 510, 639–641, 644–650, 654, 656–661, 671, 818, 821, 825 Gorbatschow, Michail/Gorbačёv, Mikhail/ Gorbachev, Mikhail  9, 17, 29, 30, 32–36, 38–40, 42, 44, 45, 51, 60, 62, 63, 77, 86, 88, 89, 93, 96, 97, 98, 102, 104, 106–108, 110–121, 123–126, 128, 130–134, 138, 149–151, 154, 156, 159, 160, 163, 170, 171, 180, 181, 184, 192, 222, 224, 226, 231, 243, 246, 250, 252, 263–265, 280, 282, 285, 302, 305, 310, 323, 333, 339, 359, 373, 380, 381, 383, 388, 390–392, 406, 407, 419–425, 427, 428, 436, 455, 475, 477, 491, 512, 522, 523, 526, 552, 569, 578, 584, 604, 626, 631, 647, 668, 670, 680, 688, 744–746, 748, 750, 756, 757, 762, 775, 782, 784, 795, 802, 805, 807, 808, 812, 814, 816, 817, 825–830 Gorinowitsch, Gorald  322 Gossel, Daniel  144 Graf, Maximilian  10, 11, 19, 20, 259, 295, 350, 792 Graf, Robert  265 Grass, Günter  672 Greilinger, Philipp  19, 23, 375 Grewe, Wilhelm  31 Grimm, Wilhelm  207 Grosser, Alfred  672 Grosser, Dieter  334 Grubmayr, Herbert  314, 388–390, 392, 396 Gruša, Jiří  587, 590 Gueffroy, Chris  29 Guigou, Elisabeth  168, 169, 173–176, 190, 198, 199 Gutzeit, Martin  47 Gysi, Gregor  202, 289, 708 Hækkerup, Peter  443 Hager, Kurt  578 Haig, Alexander  779 Hájek, Jiřì  570, 571, 595 Harenčár, Róbert  581 Harmel, Pierre  507, 508, 511 Harney, Mary  234, 235 Harryvan, Anjo  20, 489 Harst, Jan van der  20, 489 Hartmann, Peter  175 Hathaway, Robert  143 Haughey, Charles J. 19, 205–207, 215–221, 223, 225–231, 240, 325, 811 Hausner, Rudolf  368

Personenregister Havel, Václav  320, 386, 570, 571, 580, 581, 586, 587, 590, 593, 595, 597, 819 Hawlicek, Hilde  359, 362, 366, 368, 369 Heaney, Seamus  232 Heaslip, Kester  215 Hecke, Steven Van  20, 505 Heidegger, Martin  683 Heinemann, Gustav  444 Hennekinne, Loȉc  169, 171, 173 Hentilä, Seppo  416 Herder, Johann Gottfried von  210 Herndl, Kurt  384 Herodot/Herodotus  161, 202 Herzog, Roman  499 Hilger, Andreas  18, 117 Himmler, Norbert  144 Hitler, Adolf  145, 157, 402, 410, 415, 443, 585, 632, 641, 676, 791 Hoess, Friedrich  305, 383, 391 Höynck, Wilhelm  590 Hoff, Henning  144 Hoffmann, Hans-Joachim  356, 359, 360, 362, 368 Holeschovsky, Christine  344 Holik, Wiltrud  53 Holkeri, Harri  422, 435 Honecker, Erich  29, 95, 96, 124, 125, 152, 262, 263, 269, 272–274, 277, 302, 359, 360, 407, 408, 446, 447, 472,551, 573, 576, 579, 674, 800 Horn, Gyula  269, 270, 555, 630, 727, 754, Horn, Hannelore  571 Horváth, István  548, 556–558, 560 Hoyos, Philipp  383 Hrdlicka, Alfred  366 Hurd, Douglas  71, 75, 144, 153, 156, 159, 182, 187, 198, 317, 614, 615, 821 Husák, Gustáv  578 Hutchings, Robert  97, 98, 100, 105 Hutter, Wolfgang  368 Iliescu, Ion  820 Iloniemi, Jaakko  430 Indelicato, Alberto  694 Irmer, Ulrich  733 Ismay, Hastings Lionel  813, 828 Jaber al-Ahmad al-Sabah  181 Jacobi, Klaus  248 Jakeš, Miloš  580 Jakisch, Klaus-Reiner  143

843 Jakobson, Max  429, 435 Jansen, Thomas  303, 743 Janssen, Siebo  20, 521 Jaruzelski, Wojciech  779, 781 Jehn, Alexander  373 Jelzin, Boris/Yeltsin, Boris  756 Jenninger, Philipp  342 Johannes Paul II., Papst/Karol Wojtyła  824 Jotti, Leonhilde  684 Juan Carlos, König  645, 652, 658 Juncker, Jean-Claude  521, 522, 532–534, 536–538, 542 Judt, Tony  162 Just, Thomas  22 Kaarlehto, Paavo  434 Kádár, Janos  551 Kadnár, Milan  581, 587 Kairamo, Kari  435 Kaiser, Wolfram  142 Kampits, Peter  350 Karadžić, Radovan  718 Karl V., Kaiser  641 Karl der Große/Charlemagne  521, 675 Karner, Stefan  17 Karpow, Anatoli/Karpov, Anatoly  756 Karppinen, Antti  427 Kastrup, Dieter  54, 70, 75, 590, 608 Kennedy, John F. 13, 726 Kersten, Hans Ulrich  524 Keynes, John Maynard  347 Khol, Andreas  290, 742, 750, 752, 756, 757, 759 Kiepach, Manfred  387 Kiesinger, Kurt Georg  27, 405 Kind, Christian  250 King, Tom  159 Kinkel, Klaus  437, 482, 720 Kirchengast, Josef  274 Kissinger, Henry  104 Kivinen, Olli  435 Klaus, Václav  582 Klenberg, Jan  430 Klestil, Thomas  316, 332, 333, 628 Klička, Otto  585 Knackstedt, Günther  79 Knoll, Sarah  19, 22, 375 Knuth, Michael  370 Köhler, Horst  324, 327 König, Fritz  760 König, Gerd  314

844 Kofod-Svendsen, Flemming  447 Kohl, Helmut  16, 27– 40, 42, 44, 45, 54, 55, 61–63, 69, 70, 72–75, 77, 80, 86, 88, 90, 93, 99, 102–106, 108–113, 116, 125, 128, 131, 134, 137, 141, 144, 149, 151, 154, 155, 157, 160, 162, 166, 171, 174–177, 180, 181, 183, 187, 189–198, 200–202, 205, 218, 220–226, 228–232, 250–254, 262, 278–283, 290, 291, 298–300, 303, 304, 305, 313, 315, 319, 320, 324, 325, 327, 329–333, 335, 336, 338, 339, 341–346, 378, 381, 383, 386, 389, 392–394, 406, 423, 425–427, 437, 439, 445, 448, 449, 451, 455, 460, 462, 464, 472–474, 476–478, 480–485, 493–499, 501, 509–511, 523, 530, 535, 553, 556, 557, 563, 564, 573, 574, 577, 581, 582, 590, 591, 603–607, 609–615, 618–626, 629, 631, 634, 636, 639, 643, 644, 646–650, 657, 658, 660, 665–668, 670, 671, 674, 675, 688, 689, 711, 712, 719, 728, 729, 731, 732, 736, 740, 743, 744, 750, 754, 757, 760, 761, 762, 777, 784, 785, 800, 802, 803, 807, 808, 810–812, 814, 817, 819, 821, 823, 826–830 Kohler-Koch, Beate  343 Koivisto, Mauno  412, 420, 421, 423, 427, 430, 432–438 Kok, Wim  493, 531 Kopecký, Bedřich  587 Kotschemassow, Wjatscheslaw  51, 71 Kovačević, Dušan  717 Kraft, Lothar  760 Krag, Jens Otto  443 Král, Richard  585 Kreis, Georg  19, 241 Kreiser, Klaus  725 Kreisky, Bruno  262, 297, 329, 352, 770, 785 Krenz, Egon  125, 265, 273–275, 277, 280, 308, 310, 509, 670, 826 Krjutschkow, Wladimir/Kryuchkov, Vladimir 111 Krog-Meyer, Erik  446 Kucza, Ernest  603.605 Küsters, Hanns Jürgen  16, 27, 167 Kučan, Milan  627, 631 Kuniholm, Bruce R. 725 Kunštát, Miroslav  21, 567 Kurz, Sebastian  350 Kuosmanen, Antti  417 Kwizinskij, Julij  63 Kyaw, Dietrich von  338

Personenregister Lafontaine, Oskar  785, 802 Lahdenmäki, Timo  430 Lalumière, Catharine  311 Lammers, Karl Christian  440 Lamoureux, François  328 Lamy, Pascal  325 Landesmann, Hans  357 Lanxade, Jacques  169, 171–173 LaPorte, Norman  144 Lappenküper, Ulrich  799 Larres, Klaus  143, 158 Lautenschlager, Hans Werner  333, 581 Lee, Sabine  143 Lehmden, Anton  368 Leifer, Paul  630, 632 Lenihan, Brian  217 Libal, Michael  635 Loibl, Wolfgang  375, 386 Loth, Wilfried  167 Lončar, Budimir  633, 634 Lubbers, Ruud  222, 493–498, 501, 510, 511, 529, 649, 743, 821 Luchsinger, Fred  249, 253, 254 Ludewig, Johannes  325, 327 Lutz, Martin  191, 303, 336, 632 Lykketoft, Mogens  448, 464 Maderthaner, Leopold  343 Mählert, Ulrich  23 Männikkö, Heikki  430 Magrutsch, Walter  380–382 Major, John  159, 460, 529, 531 Makko, Aryo  20, 399 Makšić, Milivoje  631, 632 Mallaby, Christopher  71, 141, 150, 153, 160 Mandela, Nelson  243 Manz, Hans Peter  322 Margerie, Caroline de  173, 174 Markovič, Ante  631, 635 Marte, Johann  363 Martens, Wilfried  222, 496, 508–511, 806, 818, 821, 825 Martins, Carlos  670 Mastny, Vojtech  823 Matĕjka, Zdenĕk  590 Matlock, Jack F. 97 Mauriac, François  439 Mauroy, Pierre  769, 780 Mazowiecki, Tadeusz  30, 54, 79, 108, 280, 386, 584, 600, 604–608, 610, 611, 613–619, 623, 625, 626, 819

845

Personenregister Meckel, Markus  9, 43, 46–50, 52–54, 56–64, 621, 808, 826 Medgyessy, Péter  555, 556 Mehlhorn, Ludwig  571 Melo, Eurico de  667 Menzel, Adolf  364 Merkel, Angela  237, 504, 538, 661, 676, 721 Meyer, Carsten  344 Meyer, Christian  311 Meyer, Hinnerk  18, 141 Meyer, Joachim  371 Meyer, Kuno  211 Meyer, Martin  255 Mielke, Erich  746 Mierlo, Hans von  494 Milošević, Slobodan  627, 628 Miñon, Miguel Herrero de  654, 658, 659 Misselwitz, Hans  53, 54, 56, 61 Mita, Ciriaco de  181 Mitsotakis, Konstantinos  711, 714, 715 Mittag, Günter  274, 277 Mitterrand, François  18, 19, 30, 32, 33, 36, 37, 40, 44, 69, 107, 128, 130, 131, 151, 162, 163, 165, 166, 168–186, 188–202, 218–220, 22, 223, 225–231, 278, 283, 285, 293, 294, 314, 315, 331, 333, 377, 390, 437, 457, 460, 478, 480, 481, 496, 508, 510, 512, 530, 535, 618, 647, 675, 688, 776, 777, 780, 799, 809–812, 817, 821, 826–828, 830 Mock, Alois  269, 277, 279, 281, 282, 285, 287, 298, 301, 304, 305, 313, 314, 320, 327, 330, 331, 339, 345, 346, 378, 396, 516, 636, 740, 742–744, 750, 752–756, 759–761, 821 Modrow, Hans  44–46, 50, 51, 64, 128, 191, 201, 250, 277–279, 283–287, 293, 298, 310, 311, 313, 320, 322–325, 329, 345, 391, 395, 410, 475, 551, 800, 807, 808, 826 Møller, Otto E. 448 Møller, Per Stig  451 Moens, Alexander  93 Mommsen, Wolfgang J. 143, 684 Momper, Walter  63, 280, 668 Morel, Pierre  169, 173 Moritz, Herbert  356, 360, 361, 373 Motika, Raoul  725 Mühlen, Ernest  525 Müller, Christian  251, 252 Mulroney, Brian  112 Muschik, Alexander  403 Musitelli, Jean  168, 169, 173

Naimark, Norman  98 Napoleon Bonaparte  441, 670 Narinskiy, Mikhail  163 Nedrebø, Tore  469 Németh, Miklos  269, 552, 555, 556, 558, 560, 629 Netanjahu, Benjamin  384 Neta da Silva, António  669 Nickelsen, Irmgard  363 Nier, Kurt  364 Nilsson, Torsten  404, 405 Nørgaard, Ivar  457 Nogueira, Franco  675 Nolte, Ernst  684 Nowotny, Thomas  272, 375, 376, 394 O’Driscoll, Mervyn  19, 205 Ølberg, Per Martin  473 Oeser, Ingo  311 Östling, Johann  401 Özal, Turgut  728 Özren, Can  726 Ogorodnikov, Alexander  757 Olesen, Niels Wium  20, 439 Olesen, Thorsten Borring  20, 439 Ollenhauer, Ernst  402 Orbán, Viktor  566 Ortega y Gasset, José  651, 652 Oskar II./Oscar/König von Schweden  401 Ost, Friedhelm  303 Ostermann, Christian F. 17, 93 Otto von Wittelsbach/König von Griechenland 702 Ozawa, Ytiro  132 Paasikivi, Juho Kusti  418, 423, 435 Paasio, Pertti  428, 429, 434, 436 Palach, Jan  574 Palm, Victor  756 Palme, Olof  401, 405, 411, 770, 785 Pangalos, Theodore  437, 719 Papandreou, Andreas  708–710, 718, 719 Papastamkos, Giorgos  714 Pastinen, Ilkka  425 Paul, Wolfgang  386 Pekelder, Jacco  492, 500 Peltomäki, Antti  756 Penttilä, Risto E. J. 429 Pereira, Pacheco  671 Peterle, Lojze  633 Petersen, Gert  449, 453

846 Petersen, Nikolai  440 Pick, Dominik  21, 599 Pires, Francisco Lucas  672 Pitra, František  574 Plato, Alexander von  167 Plattner, Johann  377, 378, 382, 388, 392, 396 Pleinert, Otto  384 Pöttering, Hans-Gert  342 Poirier, Philippe  527 Pollitzer, René  382 Polster, Anton  276 Poppe, Gerd  571 Poppe, Ulrike  571 Portugalow, Nikolai  31, 121 Powell, Charles  156, 175, 199 Prečan, Vilém  567 Preiß, Kurt  367 Pszon, Mieczysław  605, 606, 610 Putensen, Dörte  416 Quayle, Dan  422 Rakowski, Mieczysław  390, 603, 604 Rasmussen, Poul Nyrup  460 Rathkolb, Oliver  22 Rau, Johannes  783 Reagan, Ronald  29, 95–99, 150, 169, 406, 456, 748, 772, 775, 776, 806, 807 Reiman, Michal  571 Relander, Timo  435 Rentola, Kimmo  416 Ridgway, Rozanne L. 95, 97 Ridley, Nicholas  157, 480 Riegler, Josef  290, 341, 342 Ritter, Gerhard A. 162, 164 Robinson, Mary  232 Rocard, Michel  191 Romberg, Walter  64 Rühe, Volker  28 Ruffy, Victor  247 Rumor, Mariano  743 Rumsfeld, Donald  534 Rusconi, Gian Enrico  695 Rusi, Alpo  423 Rutte, Mark  504 Ryan, Frank  213 Šabata, Jaroslav  595 Sacharow, Andrei/Sakharov, Andrej  756, 782 Sajdik, Martin  396 Salazar, Oliveira  663, 666, 675, 676

Personenregister Salolainen, Pertti  436, 437 Santer, Jacques  510, 521, 743, 806, 818, 821, 825 Sarotte, Mary Elise  98, 164, 165, 168 Savater, Fernando  669 Savranskaya, Svetlana  98, 100 Scally, Derek  237, 238 Schabert, Tilo  19, 161, 799 Schäuble, Wolfgang  338 Schallenberg, Wolfgang  305, 306, 377 Scheel, Walter  147, 405, 443 Schewardnadse, Eduard/Shevardnadze, Eduard  30, 35, 51, 60, 62, 71, 77, 85, 110, 113, 119, 121, 122, 134, 137, 285, 390–392, 455, 510, 583 Schikin, Gennadi/Shikin, Gennady  63, 281, 287 Schirmer, Herbert  368, 369, 371, 372 Schiwkow, Todor  820 Schlaff, Martin  289 Schlecht, Otto  324–327 Schlemmer, Thomas  695 Schlotter, Peter  58 Schlüter, Poul  439, 445, 446, 448–450, 451, 456, 463 Schmid, Helga  366 Schmidhuber, Peter M. 328 Schmidt, Helmut  27, 183, 406, 444, 463, 551, 601, 727, 728, 771, 776 Schmidt, Klaus-Peter  324 Schmidt, Manfred  162 Schmidt-Schweizer, Andreas  21, 547 Schönner, Hannes  22, 739 Schori, Pierre  406, 407, 409 Schriffl, David  21, 663 Schröder, Gerhard/Bundeskanzler  532, 660 Schröder, Gerhard/Außenminister  405, 643, 644 Schuman, Robert  330 Schwarz, Hans-Peter  162, 167 Scowcroft, Brent  97, 101, 102, 107, 109, 113, 171 Šedivý, Jaroslav  583, 584 Seifter, Pavel  586 Seiters, Rudolf  323 Senghaas, Dieter  58 Shifrinson, Joshua  112 Shultz, George  95, 96 Skubiszewski, Krzysztof  55, 79, 81, 587, 608, 611, 615, 616, 619, 621, 622, 624

847

Personenregister Slánský, Rudolf  583 Soares, Eduardo  668, 669 Soares, Mario  664, 671, 674 Somogyi, Andreas  385, 390 Sorsa, Kalevi  421, 775, 777 Soutou, Georges-Henri  162, 167 Spaak, Paul-Henri  506, 507, 518 Späth, Lothar  28, 334, 563 Stavenhagen, Lutz  191, 303, 336 Steinbach, Udo  724, 725 Steinmeier, Frank-Walter  542 Steindling, Rudolfine  288, 290 Stepan, Rainer  752, 759, 760 Stepanow-Mamaladse, Teimuraz  122 Stergiou, Andreas  21, 701 Stern, Fritz  157 Stoiber, Edmund  575 Stoltenberg, Gerhard  476 Stoph, Willy  277 Strasser, Hellmuth  379 Strauß, Franz Josef  262, 551, 740, 745, 748 Streibl, Max  563, 575 Strougal, Lubomír  573 Sturm, Roland  143 Sturzo, Luigi  680 Sucharipa, Ernst  272, 376, 384, 387, 394, 628–630 Sudhoff, Jürgen  53, 54, 81, 90, 332, 333 Süßmuth, Rita  28 Sułek, Jerzy  56, 617, 623, 624 Suominen, Ilka  436 Suppan, Arnold  21, 627 Sutton, Michael  167 Syse, Jan P. 468, 475, 477 Szürös, Mátyás  196 Tamnes, Rolf  469–471 Taus, Josef  329, 330, 740 Teltschick, Horst  31, 104, 111, 175, 279, 301, 319, 320, 341, 603–606, 610, 821 Thatcher, Margaret  18, 30, 32, 36, 37, 44, 69, 96, 99, 107, 128, 131, 141, 143, 144, 148–151, 153–160, 162, 170, 174, 177, 178, 191, 197–199, 218, 220, 222, 224, 225, 243, 280, 282, 283, 293, 294, 334, 335, 381, 445, 480, 496, 510, 529, 617–619, 647, 649, 744, 748, 799, 810, 812, 817, 8­ 26–828, 830 Thorn, Gaston  521 Tietmeyer, Hans  324, 327 Tindemans, Leo  743

Tito, Josip Broz  629, 631, 632, 635 Tomašek, František  759 Tore Godal, Bjørn  481 Trojan, Carlo  318, 331, 332, 336, 338, 811 Truman, Harry S. 94, 726, 821 Tschernjaew, Anatolij  119 Tuđman, Franjo  627, 633 Türk, Helmut  339, 340 Tůma, Oldřich  567 Udgaard, Nils Morten  476 Uluc, Dogan  731 Undén, Östen  402, 403, 412 Uutela, Marjo  20, 415 Valera, Eamon de  211 Valéry, Paul  42 Védrine, Hubert  166, 168–171, 173, 174, 176, 186, 198, 201 Veil, Smone  312 Visuri, Pekka  438 Vogel, Bernhard  745, 749, 750, 756, 760 Vogel, Hans-Jochen  29 Volle, Angelika  143 Vollebæk, Knut  479 Vranitzky, Franz  262, 269, 271, 277–280, 283, 285, 291–294, 298, 301, 302, 313, 316, 322, 334, 335, 342, 345, 353, 360, 369, 370, 374, 386, 387, 395, 516, 743 Vukovich, Martin  381 Wagner, Gerhard  385 Waigel, Theo  495 Waldegrave, William  151, 175 Waldheim, Kurt  299, 340 Wałęsa, Lech  280, 603, 605, 779, 781 Walters, Vernon A. 71, 99, 101, 103, 105, 806, 825 Watt, Donald C. 143 Weber, Max  683 Weeks, Gregory  23 Wehner, Herbert  402 Weizsäcker, Richard von  29, 201, 232, 240, 729, 732 Wentker, Hermann  16 Werle, Gert  524 White, Jenny  725, 726 Whitehead, John  96 Wiemer, Wolfgang  621 Willi, Claudio  523 Winter, Horst  357, 358, 363

848 Wolf, Klaus  283, 359, 365, 373 Woller, Hans  695 Wunderbaldinger, Franz  265, 266, 310, 364, 375 Yannooulos, Evangelos  719 Young, Hugo  160

Personenregister Zapatero, José Luis  661 Zeches, Leon  523 Zeeland, Paul van  507 Zelikow, Philip  97 Zich, František  594 Ziegler, Klaus  379 Zoellick, Robert  109