Die Domänenfrage im deutschen Verfassungsrecht des 19. Jahrhunderts [1 ed.] 9783428522095, 9783428122097

Die Domänenfrage ist ein großes Thema der deutschen Verfassungsgeschichte - die Gretchenfrage bei der Entstehung staatli

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Die Domänenfrage im deutschen Verfassungsrecht des 19. Jahrhunderts [1 ed.]
 9783428522095, 9783428122097

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Schriften zur Verfassungsgeschichte Band 78

Die Domänenfrage im deutschen Verfassungsrecht des 19. Jahrhunderts

Von

Winfried Klein

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

WINFRIED KLEIN

Die Domänenfrage im deutschen Verfassungsrecht des 19. Jahrhunderts

Schriften zur Verfassungsgeschichte Band 78

Die Domänenfrage im deutschen Verfassungsrecht des 19. Jahrhunderts

Von

Winfried Klein

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 16 Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0553 ISBN 978-3-428-12209-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand zwischen Sommer 2002 und November 2004 in Heidelberg und wurde im Februar 2006 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Mein Dank gilt an erster Stelle Herrn Professor Dr. Mußgnug für die Betreuung vor und während der Arbeit sowie die vielen hilfreichen Hinweise. Herrn Professor Dr. Schroeder danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Von der studienbegleitenden fachlichen Förderung durch Herrn Professor Dr. Laufs habe ich nicht zuletzt bei der Erstellung dieser Arbeit profitiert. Auch hierfür bin ich dankbar. Der Konrad-Adenauer-Stiftung bin ich zu großem Dank verpflichtet. Ohne die finanzielle Förderung meiner Arbeit wäre ich nicht so schnell zum Ziel gekommen und hätte nicht so intensiv in den Archiven forschen können. Die ideelle Förderung durch die Konrad-Adenauer-Stiftung hat mich bereichert und meinen Horizont erweitert. Danken möchte ich den Mitarbeiterinnen der Staatsarchive in Weimar und Meiningen für die zahlreichen Hinweise, die zum Gelingen der Arbeit wesentlich beigetragen haben. Durch die freundliche Genehmigung des Abdrucks zweier Grundbuchauszüge kann das Thema der Arbeit dem Leser besser vor Augen geführt werden. Herrn Professor Dr. Rödel vom Generallandesarchiv in Karlsruhe danke ich dafür, dass er sich so nachdrücklich dafür eingesetzt hat, unzugängliche Archive zu öffnen, auch wenn dem nicht der erhoffte Erfolg beschieden sein durfte. Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern, meiner Tante Christa sowie allen Verwandten und Freunden, die mich während der Jahre des Studiums, der Dissertation und des Referendariats auf vielfältige Weise unterstützt haben. Vor allem aber danke ich meiner Frau, die mit viel Geduld die einzelnen Stationen bei der Erarbeitung der Dissertation begleitet und mich stets unterstützt hat. Heidelberg, im Juni 2006

Winfried Klein

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 1 Der Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Die Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Kapitel Der Staat, der Fürst und die Domänen

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§ 1 Die Entwicklung vom Lehen zum neuzeitlichen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Die Rechtspersönlichkeit des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die naturrechtliche Begründung der Rechtspersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . B. Die staatsrechtlichen Lehren des 18. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Das Staatsrecht des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wilhelm Eduard Albrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Albrechts Kriterien für die Ablösung des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ausgestaltung der Staatsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Lösung der Domänenfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Überwindung des Dualismus von Fürst und Ständen . . . . . . . . D. Spekulative und organische Staatslehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zwischenbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Das Persönlichkeitsdogma in Großbritannien und Frankreich . . . . . . . . . . . I. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Die Widerspiegelung der Theorie von der Rechtspersönlichkeit des Staates im deutschen Verfassungsrecht des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Staats- und Privatrecht und die Ausbildung der Rechtspersönlichkeit des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Ablösung des Staatsrechts vom Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die weiteren Voraussetzungen für die Ausbildung der Rechtspersönlichkeit des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Erste Ansätze staatsrechtlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Ausbildung verschiedener Verfassungskonzeptionen nach 1815 . . . . . I. Landständische Verfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis II. Die Wiener Schlussakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Auswirkungen der Wiener Schlussakte auf das Verfassungsrecht der Bundesstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Stellung des Fürsten im Staat und sein Verhältnis zum Staat . . . . . . . I. Die Stellung des Fürsten im Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Herr als Haupt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beibehaltung der Stellung als Landesherr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Verhältnis des Fürsten zum Staat und zu seinem Haus . . . . . . . . 1. Mit der Auflösung des Alten Reichs verbundene Veränderungen . . 2. Das Verhältnis von Privatfürstenrecht und Staatsrecht . . . . . . . . . . a) Patrimoniale Theorien und patrimonial geprägte Fürstentümer b) Die staatsrechtlich verfassten Fürstentümer . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der agnatische Konsens bei der Verfassungsgebung . . . . . . . . . III. Die hannoversche Verfassungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 4 Die Domänenfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Das Eigentum an den Domänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Domänenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Eigentumsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfänge der Differenzierung zwischen Staatsvermögen und fürstlichem Privatvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelungen in europäischen Monarchien des 18. Jahrhunderts . . a) Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesetzliche Regelungen im Deutschland des 18. und 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Hessen-Darmstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Die übrigen deutschen Fürstentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die in der damaligen Literatur vertretenen Ansichten zur Lage in den übrigen deutschen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Domänen als Privateigentum des Fürsten . . . . . . . . . . . . . . b) Die Domänen als Staatseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermittelnde Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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5. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Ertragshoheit über die Domänenerträge und die Folgen für das ständische Budgetrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Finanzierung der Regierungsaufgaben im altständischen System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fürst und Stände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Finanzierung der Regierungsaufgaben durch den Fürsten . . . . 3. Die Mitwirkung der Stände bei der Finanzierung der Regierung . . . II. Die Entstehung des modernen Finanzverfassungsrechts . . . . . . . . . . . . 1. Das Budgetrecht in europäischen Monarchien der Zeit . . . . . . . . . a) Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verstetigung der Steuererhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Vereinigung der Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Auswirkungen der Kassenvereinigung auf die Einkünfte des Monarchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Modell der Staatszivilliste oder Krondotation . . . . . . . . . . b) Das Modell der Privatzivilliste oder Domänenjahresrente . . . . 5. Das Budgetrecht der Landtage zu Beginn des konstitutionellen Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Vorgaben des deutschen Bundesverfassungsrechts . . . . . . . b) Konkretisierende Bundesbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Steuerbewilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Hoheit über die Domänenerträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Stände mit Ausgabenbewilligungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Budgetrecht der preußischen Kammern . . . . . . . . . . . . (2) Das Ausgabenbewilligungsrecht im frühen 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Stände ohne ausdrückliches Ausgabenbewilligungsrecht . . . . . (1) Der Streit über notwendige Ausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Bindung der Regierung an ihre Ausgabenansätze . . . . g) Der Zusammenhang von Ausgabenbewilligung und Hoheit über die Domänenerträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 5 Zusammenfassung und weitere Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis II. Kapitel Die staatsrechtliche Entwicklung in Baden, Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Meiningen und die Lösung der Domänenfrage

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§ 1 Das Großherzogtum Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Verfassungskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über die Verfassung und die Organisation des Landes . . . . II. Die Entstehung der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundprinzipien und Aufbau der Verfassung von 1818 . . . . . . . . . . . . B. Die Stellung des Großherzogs im Staat und sein Verhältnis zum Staat . . . I. Die verfassungsrechtliche Regelung und deren Entstehung . . . . . . . . . II. Die Stellung des Großherzogs nach den Hausgesetzen . . . . . . . . . . . . . III. Das Verhältnis von Hausgesetzen und Staatsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Thronfolge . . . . . . . . . . . 2. Die Staatspraxis im Jahr 1806 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 59 der Verfassungsurkunde und das Privatfürstenrecht . . . . . . . . C. Das Eigentum an den Domänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Status vor dem Inkrafttreten der Verfassungsurkunde . . . . . . . . . . II. Die Regelung der §§ 58, 59 der Verfassungsurkunde . . . . . . . . . . . . . . III. Die Entstehungsgeschichte des § 59 der Verfassungsurkunde . . . . . . . IV. Auslegungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Zivillistengesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die praktische Anwendung der Domänenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Streitpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Ertragshoheit über die Domänenerträge und die Folgen für das ständische Budgetrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die rechtliche Regelung nach der Verfassung und den Gesetzen . . . . II. Die Entstehungsgeschichte der Haushaltsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . III. Auslegungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Haltung der Regierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Haltung der Ständeversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die praktische Anwendung der Haushaltsverfassung . . . . . . . . . . . . . . E. Die Revolution von 1918 und die anschließende Vermögensauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Verfassungskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über die Verfassung und die Organisation des Landes . . . . II. Die Entstehung des Grundgesetzes von 1816 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundprinzipien und Aufbau des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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B. Die Stellung des Großherzogs und seiner Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mittelbare gesetzliche oder untergesetzliche Bestimmung der Stellung des Großherzogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Stellung des Großherzogs nach den Hausgesetzen . . . . . . . . . . . . . III. Das Verhältnis von Hausgesetzen und Staatsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Das Eigentum an den Domänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Status der Domänen vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes von 1816 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die einfachgesetzliche Regelung des Domänenstatus in der Folgezeit III. Die Entstehungsgeschichte des Finanzgesetzes von 1821 . . . . . . . . . . . IV. Auslegungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Der Domänenstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Verhandlungen über die Domänen im Jahre 1848 . . . . . . . . . . 2. Der agnatische Protest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Auseinandersetzung um die Regelung des Jahres 1854 . . . . . . a) Die großherzogliche Proposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Reaktion des Landtages und die anschließende Debatte . . c) Inhalt der Verabschiedung und die Verordnung vom 4. Mai 1854 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der hierauf erfolgte agnatische Protest und seine Behandlung VI. Die praktische Anwendung der Domänenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Ertragshoheit über die Domänenerträge und die Folgen für das ständische Budgetrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die rechtliche Regelung im Grundgesetz und den anderen Gesetzen 1. Das Grundgesetz von 1816 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Finanzgesetz von 1821 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Änderungen in der Revolutionszeit 1848/1849 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Handhabung nach 1854 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Auslegungsfragen und Streitpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Die Revolution von 1918 und der Verlauf der Vermögensauseinandersetzung bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Enteignungen in der Sowjetischen Besatzungszone . . . . . . . . . . . . II. Die Restitutionsfragen nach der Wiedervereinigung . . . . . . . . . . . . . . . F. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Das Herzogtum Sachsen-Meiningen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Verfassungskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über die Verfassung und die Organisation des Landes . . . . II. Das Grundgesetz von 1824 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Entstehung des Grundgesetzes von 1829 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Verfassungstradition Sachsen-Hildburghausens . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verfassungstradition Sachsen-Coburg-Saalfelds . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 3. Vorarbeiten am gemeinschaftlichen Grundgesetz für SachsenMeiningen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grundprinzipien und Aufbau des Grundgesetzes von 1829 . . . . . . B. Die Stellung des Herzogs im Staat und sein Verhältnis zum Staat . . . . . . . I. Die verfassungsrechtlichen Regelungen und deren Entstehung . . . . . . II. Die Regelungen der Hausgesetze und deren Entstehung . . . . . . . . . . . III. Das Verhältnis der Hausgesetze zum Staatsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Handhabung dieses Verhältnisses in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Haltung der Regierung in der lippischen Thronfolgefrage . . . 2. Die Haltung der Regierung bei der Verabschiedung des Hausgesetzes von 1896 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Das Eigentum an den Domänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die gesetzlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Grundgesetze von 1824 und 1829 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Entstehungsgeschichte der verfassungsrechtlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Finanzgesetz von 1831 und seine Entstehung . . . . . . . . . . 2. Das Gesetz des Jahres 1846 und seine Entstehungsgeschichte . . . 3. Die Wiederherstellung des Finanzgesetzes von 1831 . . . . . . . . . . . 4. Die Regelung des Jahres 1849 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Behandlung des agnatischen Protests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Prüfung des Konsenserfordernisses anhand verschiedener Rechtsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhandlungen innerhalb des Gesamthauses über die künftige Behandlung des Konsenserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das weitere Vorgehen der Regierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Gesetz des Jahres 1854 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Domänenstreit von 1855 bis 1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Anrufung des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der endgültige Vergleichsvorschlag und seine Behandlung . . . . . . 3. Der Inhalt des Domänengesetzes von 1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die praktische Anwendung des Domänengesetzes . . . . . . . . . . . . . . D. Die Ertragshoheit über die Domänenerträge und die Folgen für das ständische Budgetrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Regelung nach den Grundgesetzen und den anderen Gesetzen . . 1. Das Grundgesetz von 1824 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Grundgesetz von 1829 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Regelung der Haushaltsverfassung von 1829 . . . . . . . . . . . b) Die Entstehungsgeschichte der Haushaltsverfassung von 1829 3. Das Finanzgesetz von 1831 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

155 155 158 158 159 161 162 162 163 163 164 164 164 165 166 167 168 169 172 172 173 174 175 176 177 178 180 181 183 183 183 184 184 186 190

Inhaltsverzeichnis

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4. Das Gesetz des Jahres 1846 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Regelungen der Jahre 1848/1849 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Gesetz von 1854 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Das Domänengesetz von 1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Haushaltsgesetz von 1879 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Die Auswirkungen in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auslegungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Auseinandersetzungen bis 1849 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Auseinandersetzungen nach 1849 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Die Revolution von 1918 und der Verlauf der Vermögensauseinandersetzung bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Auseinandersetzung nach dem 1. Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Fürstenenteignung 1948 und die Restitution nach der Wiedervereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192 192 193 193 194 194 195 195 196 198 199 200 201 202

III. Kapitel Das Untersuchungsergebnis

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§ 1 Allgemeine Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 § 2 Die jeweilige Verfassungskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 § 3 Die Stellung des Fürsten im Staat und sein Verhältnis zum Staat . . . . . . . . . . . 208 § 4 Das Eigentum an den Domänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 § 5 Die Ertragshoheit über die Domänenerträge und die Folgen für das ständische Budgetrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 § 6 Übertragung der Resultate auf die übrigen deutschen Staaten . . . . . . . . . . . . . . 214 A. Zum Eigentum an den Domänen und zur Ertragshoheit über die Domänenerträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 B. Übereinstimmungen zwischen der Behandlung der Domänen und der Verfassungskonzeption einschließlich der Stellung des Fürsten . . . . . . . . . . 216 § 7 Abschließende Bewertung und Ergebnis der Dissertation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 A. Die Frage nach der Reichweite des Ausgabenbewilligungsrechts . . . . . . . . 218 B. Die Frage nach der Positivierung staatlicher Rechtspersönlichkeit . . . . . . . 219 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 I. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 II. Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Abkürzungsverzeichnis a. a. O. ABGB Abt. ALR Art. Aufl. Bd. bearb. BGBl. BGVBl.

BRegBl. BRV BVerfG DBA ders. EGMR fl. Grünhut’s Zeitschrift Hrsg./hrsg. HSM IPO Kap. LandR o. J. RegBl. RGBl. S-W-E S-W-E-RegBl. Verf. Verf.-Urk.

am angegebenen Ort Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch von 1811 Abteilung Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 Artikel Auflage Band bearbeitet – 1871: Bundesgesetzblatt des Deutschen Bundes – ab 1949: Bundesgesetzblatt (Bundesrepublik Deutschland) – bis 1918: Gesetzes- und Verordnungsblatt für das Großherzogthum Baden – ab 1918: Badisches Gesetzes- und Verordnungsblatt – bis 1806: Kur-Badisches Regierungs-Blatt – 1806 bis 1918: Regierungsblatt des Großherzogthums Baden Bismarcksche Reichsverfassung von 1871 Bundesverfassungsgericht Deutsche Bundesakte von 1815 derselbe Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Florin (Gulden) Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart Herausgeber/herausgegeben Herzogtum Sachsen-Meiningen Instrumentum Pacis Osnabrugense (Friedensvertrag von Osnabrück 1648) Kapitel Landrecht ohne Jahr Regierungsblatt Reichsgesetzblatt 1871 bis 1945 Sachsen-Weimar-Eisenach 1817 bis 1918: Regierungsblatt für das Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach Verfassung Verfassungsurkunde

Abkürzungsverzeichnis WRV WSA ZaöRV Zeitschr. f. die ges. Staatsw.

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Weimarer Reichsverfassung von 1919 Wiener Schlussakte von 1820 Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft

Einleitung § 1 Der Untersuchungsgegenstand Die Domänenfrage ist eines der großen Themen der deutschen Verfassungsgeschichte des 19. Jahrhunderts. Sie war Gegenstand teilweise erbitterter Auseinandersetzungen zwischen Fürsten und Landständen. In den Jahren 1848 und 1849 zählte die Lösung der Domänenfrage zu den zentralen revolutionären Forderungen. Auch zahlreiche Rechtsgelehrte beteiligten sich an der Debatte über die Domänen. Der öffentlichen Aufmerksamkeit, die die Domänenfrage damals erzeugte, wird ihre heutige Behandlung im verfassungsgeschichtlichen Schrifttum nicht gerecht. In der neueren Zeit widmeten sich ihr nur vereinzelt Untersuchungen.1 Eine umfassende Analyse fehlt bislang. Als Domänen bezeichnete man land- und forstwirtschaftliche Güter, die dem Träger der Landeshoheit, also zumeist dem Landesherrn gehörten. Um das Eigentum an diesen Gütern und die Hoheit über ihre Erträge ging es bei der Domänenfrage. Die Domänenfrage stellte sich zu einer Zeit, als die Folgen des Wandels vom patrimonial geprägten Land zum konstitutionellen Staat sichtbar und greifbar wurden: Mit der im frühen 19. Jahrhundert aufkommenden Vorstellung vom Staat als Rechtspersönlichkeit erschien der Staat plötzlich nicht mehr als ein Abstraktum. Er wurde vermögens- und grundbuchfähig.2 Gingen die Domänen dann noch in staatliches Eigentum über, bedeutete dies, dass der Staat Träger der Landeshoheit oder Souveränität geworden war. Die Domänenfrage war also keine bloße Eigentumsfrage, sondern gleichsam die Gretchenfrage bei der Herausbildung des rechtspersönlichen und souveränen Staates. Dass die Domänen im 19. Jahrhundert keineswegs deutschlandweit zu Staatseigentum wurden,3 deutet darauf hin, dass sich die Entwicklung hin zum vermögensfähigen Staat im deutschen Verfassungsrecht erst nach und nach vollzog. Gleichwohl sprechen beachtliche Stimmen im staatsrechtlichen Schrifttum – unter Verweis auf Wilhelm Eduard Albrechts berühmte Rezension über Maurenbrechers „Grundsätze des heutigen deutschen Staatsrechts“ – davon, im 19. Jahrhundert hätten die deutschen Professoren den Staat zur Rechtspersönlichkeit ernannt.4 Demgegenüber weist Ulrich Häfelin darauf hin, dass gerade Albrecht 1 2 3

Mußgnug, ZNR 24 (2002), S. 290 ff. sowie Jensen, Das Domanium Waldeck. Mußgnug, S. 86. Preußen, Bayern, Württemberg, Hessen-Darmstadt und Sachsen; Weil, S. 44 ff.

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Einleitung

eine Theorie des positiven modernen Staatsrechts jener Zeit entwickelt habe.5 Beim Blick in Albrechts Rezension wird deutlich, dass einiges für diese Annahme spricht. Denn Albrecht machte das Bestehen staatlicher Rechtspersönlichkeit vom Vorliegen bestimmter Kriterien abhängig, nämlich die Ablösung von Staats- und Privatrecht, die Einrichtung einer Staatsorganisation, die im Domäneneigentum manifestierte Souveränität des Staates und die Überwindung des Dualismus von Fürsten und Ständen. Diese Kriterien bilden das Prüfraster für die folgende Untersuchung. Lässt sich dabei eine Übereinstimmung zwischen den Kriterien Albrechts und dem staatlichen Domäneneigentum feststellen, so beweist dies die Richtigkeit der Beobachtungen Albrechts und der These Häfelins. Die Domänenfrage betraf auch die Einnahmen des Staates. Solange die Domänen Privateigentum des Fürsten blieben, flossen ihre Erträge – ungeachtet einer möglichen Pflicht des Fürsten, mit ihnen die Staatslasten zu finanzieren – zunächst in die fürstliche Kammerkasse. Wurden die Domänen dagegen verstaatlicht, flossen ihre Erträge selbstverständlich in die Staatskasse. Inwieweit sich dies auf die Reichweite des ständischen Budgetrechts ausgewirkt hat, ist bislang noch nicht abschließend geklärt. Der These von Karl Heinrich Friauf, wonach insbesondere in einigen thüringischen Fürstentümern die Stände befugt gewesen seien, über die gesamten Staatsausgaben mitzuentscheiden,6 hat Reinhard Mußgnug entgegengehalten, gerade in Thüringen hätten die Stände nur über die Verwendung der Steuermittel zu befinden gehabt, während über die Verwendung der Domänenerträge die Fürsten allein entschieden.7 Träfe Friaufs These zu, wären die thüringischen Herzogtümer Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Meiningen oder Sachsen-Coburg-Saalfeld die ersten deutschen Staaten mit einem parlamentarischen Budgetrecht gewesen. Sie hätten ungefähr dreißig Jahre vor dem Erlass der preußischen Verfassungsurkunde8 ein voll ausgeprägtes ständisches Ausgabenbewilligungsrecht gekannt. Sollte sich Friaufs These nicht bestätigen lassen, hätten sich in Teilen des frühkonstitutionellen Deutschlands altständische Strukturen länger gehalten, als bislang vielfach vermutet worden ist.

4 Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 495; Wolff, S. 429; O. Mayer, Festgabe für Laband, Bd. 1, S. 1 ff., 59. 5 Häfelin, S. 86. 6 Friauf, S. 41 ff. 7 Mußgnug, S. 98; ders., ZNR 24 (2002), S. 290 ff., 303 f. 8 Vgl. § 99 der preuß. Verf.-Urk. von 1850, bei Boldt, S. 428 ff., 442.

§ 2 Die Vorgehensweise

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§ 2 Die Vorgehensweise Zum Aufbau der Arbeit sind einige Hinweise vorauszuschicken. Zunächst sollte sich diese Arbeit auf die Eigentumslage der Domänen und einen möglichen Zusammenhang mit der Reichweite des ständischen Haushaltsrechts beschränken. Im Laufe der Untersuchung hat sich aber gezeigt, dass die Rechtsund Vermögensfähigkeit des Staates als Voraussetzung für staatliches Eigentum nicht außer Acht gelassen werden kann. Daher werden zunächst allgemein die theoretischen Grundlagen für die Herausbildung staatlicher Rechtspersönlichkeit erarbeitet, deren tatsächliche Widerspiegelung in der Verfassungsentwicklung der deutschen Staatenwelt des 19. Jahrhunderts sodann Gegenstand der Erörterungen sein wird. Dabei wird auch Häfelins Hinweis auf die im 19. Jahrhundert peu à peu positivierte Staatspersönlichkeit anhand der Kriterien Albrechts auf seine Stichhaltigkeit hin überprüft. Erst danach können die verschiedenen Spielarten bei der Lösung der Domänenfrage in ausgewählten Ländern vorgestellt werden. In diesem Zusammenhang wird mit Hilfe der jeweiligen Verfassungstexte ein erster Versuch der Beantwortung der von Friauf und Mußgnug aufgeworfenen Frage nach der Reichweite des ständischen Budgetrechts erfolgen. Die dabei gewonnenen Ergebnisse sollen dann anhand der Entwicklung in drei deutschen Bundesstaaten eingehend untersucht und die bis dahin aufgeworfenen Fragen einer Beantwortung zugeführt werden. Zu diesem Zweck mussten Bundesstaaten gefunden werden, die – zunächst kein staatliches Domäneneigentum kannten, – eine unterschiedlich weit entwickelte Staatsorganisation aufwiesen und – den Ständen unterschiedlich weit reichende Haushaltsbefugnisse zuwiesen. Diese Kriterien erfüllen Baden, Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Meiningen. Diese drei Bundesstaaten bieten sich außerdem an, weil hier, wenn auch zu unterschiedlichen Zeiten, das Eigentum an den Domänen beziehungsweise die Hoheit über die Domänenerträge Anlass zu aufschlussreichen Auseinandersetzungen zwischen den jeweiligen Regierungen und den Ständen gab. Einen besonderen Erkenntnisgewinn lässt dabei die Untersuchung Sachsen-Meiningens erwarten, das nach 1826 die Traditionen Sachsen-Hildburghausens und SachsenCoburg-Saalfelds in sich vereinte und unter der Geltung zweier Verfassungen eine häufig wechselnde Domänengesetzgebung kannte. Daher beansprucht die Analyse der Verhältnisse in Sachsen-Meiningen einen breiteren Raum als es im Falle Badens und Sachsen-Weimar-Eisenachs der Fall sein wird. Wie sich im weiteren Verlauf zeigen wird, sind die zu untersuchenden Fürstentümer repräsentativ für vergleichbare Entwicklungen in anderen deutschen Bundesstaaten.

I. Kapitel

Der Staat, der Fürst und die Domänen § 1 Die Entwicklung vom Lehen zum neuzeitlichen Staat Am Anfang des ersten Jahrtausends nach Christi Geburt fanden sich auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands viele Stämme ohne ein gemeinsames Oberhaupt. Seit der Zeit der Karolinger und Ottonen festigten sich zwar die Bande zwischen diesen Stämmen, doch zu einem Königtum im englischen oder französischen Sinne fand das Reich nicht.1 Stattdessen entwickelte sich ein Wahlkönigtum. Die zunächst in uneinheitlichem Verfahren erhobenen2 und später in reiner Fürstenwahl3 gewählten und in Aachen gekrönten Könige wurden durch Salbung und Krönung des Papstes zu Kaisern des Römischen Reiches.4 So konnten sich die deutschen Kaiser auf eine – in alter biblischer Tradition5 vermittelte – theokratische6 Legitimation berufen und – vorerst allein – ihre Macht von Gott herleiten.7 Die bereits zu fränkischer Zeit als königliche Statthalter beliehenen Herzöge und Grafen durften sich aber bald als Fürsten und Herren ihres Landes8 betrachten. Sie erhielten neben der lehnrechtlichen eine eigene, auf das Land bezogene private9 Herrschaftsbefugnis. Letztere trat in der Folge mehr und mehr in den Vordergrund. Die Regierungsrechte wurden kaum noch als vom Kaiser abgeleitet betrachtet. Sie erschienen als dem Grund und Boden inhärente 1

Den Vergleich liefert Mitteis in seinem Werk, Der Staat des hohen Mittelalters. Willoweit, § 7 II 2, S. 50; Mitteis, S. 94 f., 268. 3 Mitteis, S. 268; Laufs, S. 22 f. 4 Sachsenspiegel, LandR, III 52, § 1; Laufs, S. 22. 5 1. Samuel 10, 1. 6 So auch der Sachsenspiegel in seinem Eingangskapitel, wonach Papst und Kaiser nach der Zwei-Schwerter-Lehre von gottishalben beschermer der Christenheit sein sollen, LandR, I, § 1; ferner C. Schmitt, S. 282 f.; Schroeder, Vom Sachsenspiegel zum Grundgesetz, S. 13 f. 7 Schücking, S. 9. 8 Lat. domini terrae, erstmals so im statutum in favorem principum, das davon sprach, dass jeder der Fürsten gemäß den Gewohnheiten seines Landes (terre sue) handeln könne, Übersetzung bei Buschmann, Teil I, S. 75, 77. 9 Mitteis, S. 5. 2

§ 1 Die Entwicklung vom Lehen zum neuzeitlichen Staat

21

Machtbefugnisse.10 Ihren Grundbesitz vermochten die Landesherren, nicht zuletzt infolge der Reformation, Schritt für Schritt zu erweitern und mit den als Lehen empfangenen Reichsgütern zu vereinigen.11 Dies bedingte eine allmähliche Abnahme der lehnrechtlichen Verantwortung gegenüber dem Kaiser.12 Die Fürstentümer wurden fortan kraft eigenen Erbrechts, teilweise unter förmlicher Zustimmung des Kaisers, vererbt.13 Aus dieser Position heraus vergaben die Fürsten selbst Lehen und konnten so ihr Patrimonium zusätzlich auf einen eigenen Personenverband gründen.14 So erwuchs den im Reichstag versammelten Fürsten mit der Zeit eine immer stärker ausgeprägte Landeshoheit.15 Diese wurde schließlich im Westfälischen Frieden allen Reichsständen kraft eigenen Rechts16 zugesichert.17 Vorerst blieb zwar die lockere Unterordnung der Reichsstände unter des Kaisers und Reiches „obristen Bottmäßigkeit“18 als Hindernis für eine unmittelbare Bezugnahme auf göttliche Legitimation und Souveränität bestehen. Doch begünstigte die allgemeine Entwicklung im Zeichen des Absolutismus mittelfristig eine Entscheidung des in den einzelnen Ländern bestehenden Dualismus von Fürsten und Landständen zugunsten der Fürsten.19 Spätestens mit der Auflösung des Reiches im Jahre 1806 erlangten alle Territorien die äußere Souveränität. Im Innern betraf die Anerkennung der Souveränität vielfach die von den Landständen weitgehend absoluten Fürsten,20 die sich nunmehr unmittelbar auf Gott beriefen und sich – auch wenn es zu ihrer Legitimation nicht mehr erforderlich war – zumindest als mittelbare Eigentümer21 von Grund und Boden des gesamten Territoriums betrachteten.22 Damit wandelten 10

Schücking, S. 9. Jensen, S. 33. 12 Reichslehen konnten ohne des Kaisers und der Mitbelehnten Konsens nicht veräußert werden, Strube, in: Spangenberg, DXXV. Bedenken, § VIII., S. 432. 13 Vgl. die Confirmatio Caesareae Constitutionis Primogenitura 1717, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV B 2; die Primogeniturordnung des Herzogs Ernst August zu Sachsen-Weimar, bei Schulze, Bd. 3, S. 220; freilich war nicht unumstritten, ob die Errichtung von Erbverträgen und Hausgesetzen auch nach dem Westfälischen Frieden noch der Confirmatio des Kaisers bedurfte, vgl. Zoepfl, Bd. I, § 214 III, Note 4, sowie ders., a. a. O., §§ 254 II, 255 I. 14 Mitteis/Lieberich, S. 127, 267. 15 Quaritsch, Souveränität, S. 80, der darauf verweist, dass die meisten Landesherren jedenfalls bis zum Westfälischen Frieden neben Gott auch die Reichsgerichte über sich hatten. Ähnlich auch Schroeder, Vom Sachsenspiegel zum Grundgesetz, S. 66. 16 Pufendorf, 5. Kap., § 28, S. 95. 17 Art. VIII, § 1 IPO. 18 Moser, Von der Teutschen Reichs-Stände Landen, S. 1147. 19 Zu dieser Entwicklung siehe Willoweit, § 23 III., IV. 20 Pufendorf, 5. Kap., § 28, S. 94, der von der Souveränität der Stände spricht, vgl. auch Bodin, I. Buch, 8. Kap., S. 19, 21; schließlich auch die Rheinbundsakte in Artt. 25 bis 27, bei Pölitz, Bd. I, S. 3 ff., 7. 21 v. Rotteck, Eintrag Domaine, S. 87. 22 So die Darstellung von Schücking, S. 11. 11

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

sich die vormaligen privaten Herrschaftsbeziehungen zusehends zu öffentlichrechtlichen.23 Auch viele Domänen waren vom Kaiser als Lehen vergeben worden. Nach dem Ende der lehnrechtlichen Verantwortung gegenüber dem Kaiser fragte man sich nun, wem diese und auch die nicht als Lehen vergebenen Domänen gehörten. Denkbar erschien damals sowohl fürstliches Eigentum aufgrund privatrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Befugnisse, als auch ständisches Eigentum in Vertretung des gesamten Landes.24 Ein vom Landesherrn losgelöstes Eigentum des Staates als juristischer Person wurde zu diesem Zeitpunkt nicht anerkannt, da der Gedanke der Rechtspersönlichkeit des Staates noch nicht genügend entwickelt worden war. Ein Staat, der rechtlich so noch nicht existierte, konnte nicht Träger von Rechten, insbesondere von Vermögensrechten sein.25

§ 2 Die Rechtspersönlichkeit des Staates Gänzlich unbekannt war die Idee einer unabhängig vom Herrscher bestehenden Körperschaft als möglicher Trägerin von Rechten und Pflichten freilich nicht. Schon im Mittelalter prägte Papst Innozenz IV. (um 1195–1254)26 den Begriff der persona ficta als Ausdruck einer in der romanistischen und kanonistischen Rechtswissenschaft aufgestellten allgemeinen Lehre von den juristischen Personen.27 Diese Vorstellung hatte indes noch wenig mit dem gemein, was heute unter einer juristischen Person verstanden wird: Sie war ausschließlich auf die Verselbständigung des Kirchen- oder Amtsvermögens ausgerichtet28 und außerdem zunächst auf Städte, Dörfer und korporative Zusammenschlüsse beschränkt.29 Noch überwog die Vorstellung vom König als natürlicher Person ausgehender, jeweils konkreter Herrschaftsbeziehungen.30 Erst nachdem Jean Bodin (1530–1596) den Begriff der Souveränität entwickelt hatte, stellten sich die Staatsdenker der Neuzeit die Frage, wem diese absolute und dauernde Gewalt31 zustehen sollte. Bodin hatte sie noch dem Herrscher zugeschrieben32 und

23 24

Willoweit, § 25 II 2, S. 203. Häberlin, 2. Bd., S. 14; ähnlich auch Zoepfl, Bemerkungen zu A. L. Reyschers,

S. 4. 25

Auf diese knappe Formel brachte es Heinze, S. 244. Im Folgenden werden die Lebensdaten der genannten Personen, soweit sie erkundet werden konnten, angemerkt. 27 Häfelin, S. 11. 28 Häfelin, S. 12. 29 Willoweit, § 25 II, S. 203. 30 Häfelin, S. 20 f. 31 Bodin, Buch I, 8. Kap., S. 19. 32 Bodin, Buch I, 8. Kap., S. 20 f., Buch IV, 4. Kap., S. 111. 26

§ 2 Die Rechtspersönlichkeit des Staates

23

war davon ausgegangen, dass dieser kraft seiner Souveränität eine Vielzahl von Familien und das ihnen Gemeinsame zum Staat einigt.33

A. Die naturrechtliche Begründung der Rechtspersönlichkeit Die im Wesentlichen auf dem Gedanken des Herrschaftsvertrages aufbauenden naturrechtlichen Lehren entwickelten die bestehenden Ansätze einer persona ficta weiter und begannen, sie auf den Staat zu übertragen. Auch wenn die Staatsdenker dieser Zeit wie Hugo Grotius (1583–1645), Thomas Hobbes (1588–1679), John Locke (1632–1704), Samuel Pufendorf (1632–1694) und Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) von einem korporativen Personenbegriff ausgingen,34 wurde von ihnen weder eine rechtliche Verselbständigung des Staates gegenüber allen seinen Mitgliedern erreicht, noch war sie gewollt.35 Grund hierfür war die jeweilige Motivation für das Wiederaufgreifen der aus dem Mittelalter überkommenen Vertragslehre. Hobbes und Pufendorf sollte der Gesellschaftsvertrag zur Legitimation des Fürstenstaates dienen, Locke und Rousseau machten durch ihn ihre Opposition zur fürstlichen Souveränität deutlich.36 Hugo Grotius brauchte einen abstrakten Staatsbegriff, um seine Völkerrechtsdogmatik darauf aufbauen zu können.37 Allerdings werden bei Grotius erste Ansätze einer Unterscheidung zwischen Staats- und Herrschersouveränität deutlich.38 Er sah im Staat die „vollkommenste Gemeinschaft der frei verbundenen Menschen,“39 den allgemeinen und gemeinsamen Gegenstand40 der einheitlichen höchsten Gewalt.41 Die aus einer oder mehreren Personen bestehende „höchste Obrigkeit“ war für ihn der besondere Gegenstand der höchsten Staatsgewalt.42 In direkter Konsequenz folgerte Grotius daraus, dass die Privathandlungen eines Fürsten nicht als Handlungen des Staates, sondern als solche eines einzelnen Privatrechtssubjekts zu betrachten seien.43 Hervorzuheben ist, dass Grotius die Kontinuität der allgemeinen

33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43

Bodin, Buch I, 1. Kap., S. 8. Häfelin, S. 26. Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 477. Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 476. Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 475. Häfelin, S. 30; Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 475. Grotius, 1. Buch, Kap. 1, § 14; 2. Buch, Kap. 5, § 23. Grotius, 1. Buch, Kap. 3, § 7. Grotius, 1. Buch, Kap. 3, § 17. Grotius, 1. Buch, Kap. 3, § 7. Grotius, 2. Buch, Kap. 14, § 2.

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

Staatsgewalt selbst bei einem Wechsel des Herrschers oder der Verfassung bejahte.44 So weit wollten die anderen naturrechtlichen Staatsdenker nicht gehen. Für sie konnte der Staat nur im Herrscher oder in den jeweils Herrschenden45 handlungsfähig und damit beständig sein.46 Am deutlichsten akzentuierte Thomas Hobbes den Gedanken des Aufgehens der Staatsperson in der Herrscherpersönlichkeit. Er sah die Macht des Staates auf den Herrscher als Stellvertreter47 und Verwalter48 übertragen.49 Um im Falle des Ablebens des Herrschers das Fortbestehen des Staates dennoch zu gewährleisten, bedurfte es nach seiner Meinung des Erbrechts als eines künstlichen Lebens des Herrschers.50 Im Gegensatz dazu wies Jean-Jacques Rousseau der Nation, also dem Volk, die maßgebliche Rolle im Staat zu und sah darin auch den Staat als verkörpert an.51 Jedoch war für Rousseau der Staat nicht eine Körperschaft mit verschiedenen Organen, er sah die Volksversammlung als die entscheidende Persönlichkeit an, welche von der ausführenden Körperschaft, der Regierung, geführt werde.52 Mit dieser Aufteilung der einheitlichen Staatspersönlichkeit in mehrere öffentliche moralische Personen leitete Rousseau bereits die Auflösung des naturrechtlichen Persönlichkeitsbegriffs ein.53

B. Die staatsrechtlichen Lehren des 18. Jahrhunderts Auch wenn Kant (1724–1804) noch der Auffassung Rousseaus folgte,54 sahen die führenden Juristen im Staat nur noch den souveränen oder absoluten Fürsten, der mit seinem Machtapparat der Summe von Untertanen gegenüberstand.55 Indes kann der Ludwig XIV. (1638–1715) zugeschriebene Ausspruch „L’Etat c’est moi“ nicht uneingeschränkt als Ausdruck dieser Rechtsauffassung 44

Grotius, 2. Buch, Kap. 6, §§ 7 und 8. Auf das Mehrheitsprinzip abstellend: Locke, Abs. 97, S. 74. Locke unterschied allerdings zwischen der Auflösung der Gesellschaft und der Auflösung der Regierung; nur wenn das Vertragsband zerstört werde, das die Einzelnen zum Volk zusammenschließe, endeten Volk und Staat, Abs. 211, S. 160. 46 Hobbes, Kap. 19, S. 175; Locke, Abs. 212, S. 161; Pufendorf, De officio, 2. Buch, Kap. 6, § 11; Pufendorf, 6. Kap., § 1, S. 96. 47 Hobbes, Kap. 17, S. 156. 48 Hobbes, Kap. 18, S. 158. 49 Hobbes, Kap. 18, S. 158. 50 Hobbes, Kap. 19, S. 174. 51 Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 477. 52 Rousseau, 3. Buch, Kap. 1, S. 62. 53 Häfelin, S. 47. 54 Kant, §§ 47, 48. 55 Häfelin, S. 57. 45

§ 2 Die Rechtspersönlichkeit des Staates

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betrachtet werden. Vielmehr schrieb der König in seinen Memoiren, die Untertanen seien Teil seiner Person, wobei er gleichsam das Haupt des Körpers und die Untertanen dessen Glieder seien.56 Damit erscheint seine Staatsauffassung gar nicht so weit entfernt von der Friedrichs des Großen (1712–1786), der wohl im Fürsten den „ersten Diener des Staates“57 erblickte, ihn aber gleichzeitig als „Ausgangspunkt der Tätigkeit im Staatskörper“58 oder als die „Seele des Staates“59 bezeichnete. Im zu Ende gehenden 18. Jahrhundert war der Begriff der Staatspersönlichkeit dann nahezu vollständig verloren gegangen.60 Zwar sprach Johann Jacob Moser (1701–1785) vom Reich als „Staats-Cörper“.61 Auch war von einer Vereinigung des Volkes die Rede, mit der der Staat entstehe.62 Doch bedeutete dies nicht die Vereinigung zum Staat im Sinne der naturrechtlichen Lehre, sondern vielmehr die Versammlung unter eine höchste Gewalt.63 Das Staatsrecht galt nicht als die Summe der den Staat als juristische Person betreffenden Rechtsnormen,64 sondern als die Gesamtheit der Rechte und Verbindlichkeiten der höchsten Gewalt des Staates.65 Folglich bestanden die staatsrechtlichen Beziehungen als subjektive Rechtsverhältnisse zwischen dem Herrscher und den Untertanen,66 für eine davon zu trennende Staatsperson blieb kein Raum. Allerdings wollte man diese Rechtsbeziehungen nicht mehr so sehr auf dem Eigentum des Herrschers am Land aufbauen, sondern verstärkt auf dem Eigentum an der Landeshoheit.67

C. Das Staatsrecht des 19. Jahrhunderts Das Staatsdenken des 19. Jahrhunderts war sowohl vom Absolutismus als auch von der wieder auflebenden Idee eines Gesellschaftsvertrages bestimmt.68 Verschiedene Autoren wandten sich von neuem den naturrechtlichen Persönlichkeitslehren zu.69 In Anlehnung an Hobbes wurde der Staat als eine zeitlich un-

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Ludwig XIV., Memoiren, bei Schätzel, S. 171 ff., 174. Friedrich der Große, S. 53. 58 Friedrich der Große, Antimachiavell, Kap. 3, S. 117 ff., 130. 59 Friedrich der Große, Antimachiavell, Kap. 22, S. 117 ff., 194. 60 Häfelin, S. 66 f. 61 Moser, Von der Teutschen Reichs-Stände Landen, S. 1146. 62 Pütter, Bd. I, S. 1. 63 Pütter, Bd. I, S. 1. 64 So das heutige Verständnis, vgl. Maurer, § 1, Rn. 29. 65 Pütter, Bd. I, S. 2. 66 Häfelin, S. 67; ähnlich auch Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 479. 67 So die von Höhn, Der individualistische Staatsbegriff und die juristische Staatsperson, S. 205, bezeichnete jüngere patrimoniale Auffassung. 68 Ermacora, S. 127. 69 Häfelin, S. 70 f. 57

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

begrenzte moralische Person mit eigenem Verstand und Willen, mit eigenen Rechten und Pflichten angesehen, der durch jeden rechtmäßigen Regenten als Oberhaupt im Staat spreche und handele.70 Dieses regierende Subjekt müsse rechtlich als fortdauernd gedacht werden.71 Dieser zunächst nur staatsphilosophische Rückgriff richtete sich gegen die Theorie vom patrimonialen Eigentum des Fürsten am Territorium.72 Mit dem Gedanken vom Staat als moralischer Person sollten die privaten Eigentümerbefugnisse des Fürsten auf einen vom Staat zu trennenden Privatbereich zurückgedrängt werden.73 Im Bereich des Gesellschaftsrechts bereitete Friedrich Carl von Savigny (1779–1861) den Boden für die endgültige Übertragung der Rechtspersönlichkeit auf den Staat. Demnach sollte die Rechtsfähigkeit, welche per se nur natürlichen Personen zukomme, auf „künstliche, durch bloße Fiction angenommene Subjecte“ ausgedehnt werden.74 Indes lehnte von Savigny die Rechtspersönlichkeit des Staates ab. Er bezeichnete den Staat zwar als eigene „organische Erscheinung des Volkes“,75 wollte jedoch nur dem Fiskus Rechtssubjektivität zuerkennen.76 Gleichwohl wuchs das Bedürfnis nach einer Erklärung für die staatsrechtlichen Verhältnisse, wie sie sich vor allem in Süddeutschland nach 1815 entwickelten.77 Mit den herkömmlichen Lehren, welche entweder beim Fürsten oder beim Volk als Souverän anknüpften und darin den Staat verkörpert sahen, kam die Wissenschaft nicht mehr weiter. Man verhakte sich derart in der Auseinandersetzung zwischen beiden Möglichkeiten, dass man vom Erlösungswort78 des Göttinger Juristen Wilhelm Eduard Albrecht (1800–1876) im Jahre 183779 zunächst kaum Notiz nahm.80 I. Wilhelm Eduard Albrecht In bewusster Abkehr von den naturrechtlichen Lehren begriff Albrecht den Staat nicht als eine Verbindung von Menschen, sondern „als ein Gemeinwesen, als eine Anstalt, die über den Einzelnen stehend, zunächst Zwecken gewidmet ist, die keineswegs bloß die Summe individueller Interessen des Herrschers und 70

Klüber, § 3 mit Anm. d) „Le Roi ne meurt pas“. Klüber, § 3. 72 Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 480. 73 Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 480. 74 v. Savigny, 2. Bd., § 85, S. 236. 75 v. Savigny, 1. Bd., S. 22; Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. I, S. 828. 76 v. Savigny, 2. Bd., § 86, S. 245. 77 Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 482 f. 78 Nach Höhn, Der individuelle Staatsbegriff und die juristische Person, S. 225. 79 Albrecht, Rezension über Maurenbrechers Grundsätze des heutigen deutschen Staatsrechts, ursprünglich erschienen in Göttinger gelehrte Anzeigen 1837, S. 1489 ff. 80 Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 497. 71

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der Untertanen, sondern ein höheres, allgemeines Gesamtinteresse bilden“.81 Der so verstandene Staat musste selbst handeln, herrschen und Rechte haben können.82 Die Handlungen der Personen, die im Namen oder Dienste des Staates als Haupt oder Glied desselben berechtigt oder verpflichtet sind, wollte Albrecht dem Staat selbst zurechnen und „diesen daher als juristische Person denken“.83 Folglich müssten die im Monarchen vereinigten Rechte in Privatrechte desselben und „Rechte des Staates“ getrennt werden, „die er als Organ desselben“ somit nicht nach Regeln des Privatrechts, sondern nach Regeln der Verfassung auszuüben habe.84 Der Monarch unterschied sich als Organ damit nicht mehr qualitativ von den Ständen, sondern nur noch durch die Quantität seiner Befugnisse.85 Die Souveränität selbst sollte daher dem Staat als Rechtspersönlichkeit zustehen.86 Allerdings sah Albrecht dieses Verständnis vom Staat bis dahin in den deutschen Staaten noch nicht allenthalben in vollem Maße zum Durchbruch gekommen.87 Für ihn bestand das privatrechtliche Herrschaftsgeflecht in einigen Territorien zumindest teilweise fort. Hier vermochte Albrecht noch nicht alle Voraussetzungen der Rechtssubjektivität zu erkennen.88 Mit seiner positivistischen Grundhaltung beschrieb Albrecht somit nur den Rechtszustand in der deutschen Staatenwelt und ernannte keineswegs den Staat zur juristischen Person.89 Seine Theorie von der Rechtspersönlichkeit des Staates muss in engem Zusammenhang mit der tatsächlichen Entwicklung des modernen Staatsrechts gesehen werden. Nur dort, wo staatsrechtliche Beziehungen an die Stelle der patrimonialstaatlichen getreten waren, konnte, so Albrechts These, von einem Staat mit Rechtssubjektivität gesprochen werden. Dies war nach seiner Ansicht mit dem Erlass einer Verfassung oder anderer Normen der Fall, welche ausdrücklich oder implizit das Staatsrecht vom Privatrecht absonderten und es im Rang vorangehen ließen.90 Albrechts Differenzierung zwischen privatrechtlichen und staatsrechtlichen Kategorien war keinesfalls von untergeordneter Bedeutung.91 Sie war – wie zu zeigen sein wird – über die Entstehung der Stände als eines neben dem Fürsten in der Willensbildung autonomen Kompetenzträgers92 hinaus Ausdruck des ge81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92

Albrecht, S. 4 (1492). Albrecht, S. 4 (1492). Albrecht, S. 4 (1492). Albrecht, S. 20 (1512). Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 489. Dafür Klüber, § 258; Albrecht, S. 20 ff. (1511 ff.). Albrecht, S. 5 (1493). Albrecht, S. 5 f. (1493 f.). So auch Häfelin, S. 86. So Albrecht, S. 5 (1493). So aber Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 495. Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 495.

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

wandelten Staats- und Herrscherverständnisses und Voraussetzung für ein rechtliches Verhältnis zwischen dem Herrscher und den Beherrschten.93 II. Albrechts Kriterien für die Ablösung des Staates Von dieser Grundlage ausgehend stellte Albrecht verschiedene Kriterien auf, um die Absonderung des Staatsrechts vom Privatrecht und damit die Ablösung des Staates vom Fürsten besser erkennen zu können. 1. Die Ausgestaltung der Staatsorganisation Ein Staat mit Rechtspersönlichkeit verlangte Albrecht zufolge die Charakterisierung des Fürsten als Staatsorgan.94 Dessen Rechte und Pflichten sollte die das Privatrecht ablösende Verfassung festlegen.95 Auch wenn Albrecht das Verhältnis zwischen dem Staat und seinen Untertanen nicht ausdrücklich als grundrechtlich geprägt kennzeichnete, brachte er doch seine Vorstellung von der Gleichheit aller Untertanen deutlich zum Ausdruck.96 Damit setzte er nicht nur staatsrechtliche Beziehungen zwischen den verschiedenen Staatsorganen voraus, sondern auch zwischen dem Staat und den Untertanen. Obwohl die Rechte der Organe damit staatsrechtlich begründet waren, sollte, so Albrecht, das Recht zu ihrer Ausübung – insbesondere das Sukzessionsrecht – zur Sicherung der eigen93 In Anlehnung an Albrecht schrieben die Vertreter der anorganischen Staatslehre dem Staat als juristischer Person einen eigenen Willen, die Staatsgewalt, zu. Damit unterschieden sie scharf zwischen den Staatsgliedern und dem korporativen Staatsgebilde. Der Staat allein sollte mittels seiner Organe alleiniger Träger von Rechten und Pflichten sein. Da Staat und Staatsorgane als eine Einheit verstanden wurden, bedurfte es wegen der Vermögensfähigkeit des alle Organe umfassenden Staates keiner Entscheidung mehr zwischen Fürst und Ständen. Der Wegfall des Fürsten als Staatsorgan hinderte damit auch nicht den Fortbestand des Staates. Erst mit dem Ausfall aller Staatsorgane sollte die Staatsgewalt zum Erliegen kommen und der Staat als ein juristisches Nichts betrachtet werden können. Gerber, S. 3; Jellinek, 9. Kap., Abschn. 2, S. 283; Laband, § 4, S. 19, Anm. 2). Organische Erwägungen waren dieser Lehre nicht unbekannt, wurden aber als politische und nicht als rechtliche Kriterien gewertet; vgl. Gerber, S. 19 f. Auch wenn anfangs noch nicht in eindeutiger Weise der Staat unabhängig von der Existenz eines Herrschers anerkannt wurde, trat der Gedanke einer Trennung von Staat und den die Staatsorgane tragenden Menschen immer stärker hervor. Vgl. Jellinek, 16. Kap., Abschn. 3, S. 559 f. Diese Auffassung findet sich bis heute in der völkerrechtlichen Lehre vom failed state wieder, wobei heute zumindest die Rechtsfähigkeit als fortbestehend erachtet wird, vgl. Ipsen, § 5, Rn. 9. Staatsrechtlich wird die anorganische Lehre im Anschluss an Kelsen, der die Staatsperson als Subjekt der Zuschreibung von Staatsfunktionen auffasste, nahezu unverändert als die heutzutage herrschende Meinung angesehen; Kelsen, S. 293 ff.; Maurer, § 1, Rn. 15; Doehring, § 2, Rn. 95; Zippelius, § 13 II. 94 Albrecht, S. 20 (1511 f.). 95 Albrecht, S. 20 (1511 f.). 96 Albrecht, S. 7 (1495).

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ständigen Legitimation des Herrscherhauses nach wie vor als ein selbständiges „Privatrecht der landesherrlichen Familie“ betrachtet werden.97 2. Die Lösung der Domänenfrage Albrecht stellte weiter einen – wenn auch nicht konstitutiven – Zusammenhang zwischen der rechtlichen Behandlung der Domänen und der Entwicklung des Staates zur Rechtspersönlichkeit her.98 In den Staaten, in welchen die Domänen als Staatseigentum gesetzlich anerkannt waren, müssten nach Albrecht alle Hoheitsrechte statt als Privatrechte des Landesherrn, als Rechte des Staats angesehen werden.99 3. Die Überwindung des Dualismus von Fürst und Ständen Auch in der Überwindung des Dualismus zwischen Fürsten und Ständen sah Albrecht einen wichtigen Aspekt für die Herausbildung des Staatsrechts. Die älteren Landstände hätten vorwiegend Eigeninteressen vertreten und nur zufällig auch dem Lande gedient.100 Mit der Ausrichtung des Staates an einem allgemeinen Gesamtinteresse trat dagegen der Gedanke der Repräsentation des Volkes und seiner Interessen in den Vordergrund.101 Eine wirksame Artikulation der Allgemeininteressen setzte Albrecht zufolge aber neben der Einführung einer wirklichen Mitwirkung bei der Gesetzgebung zumindest die Kontrolle über die „Kammerkasse als einer Hälfte des Staatshaushaltes“ sowie ein modifiziertes Steuerbewilligungsrecht voraus.102

D. Spekulative und organische Staatslehren Dieser von Albrecht begründeten so genannten staatsrechtlichen Auffassung wurde in der Wissenschaft zunächst nur wenig Beachtung geschenkt.103 Im Mittelpunkt standen noch Staatstheorien, die – unter anderem an Georg Wilhelm Friedrich Hegel104 (1770–1831) anknüpfend – den Staat zumeist durch den 97 Albrecht, S. 21 f. (1512 f.). Daran zeigt sich der Mittelweg zwischen Fürstenund Volkssouveränität, den Albrecht begehen wollte. 98 Konstitutiv konnte dies wegen der Gefahr eines Zirkelschlusses nicht sein. 99 Albrecht, S. 22 (1514 f.). 100 Albrecht, S. 6 f. (1494). 101 Davon geht Albrecht mittelbar aus, vgl. Albrecht, S. 6 f. (1494 f.). 102 Albrecht, S. 15 f. (1503). Er bezog sich dabei besonders auf die Forterhebung von Steuern und die Bedingungsfeindlichkeit der Steuerbewilligung. Kritisch sah er das von ihm so genannte Steuerverweigerungsrecht der alten Stände. 103 Häfelin, S. 89.

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Fürsten verkörpert sahen.105 Parallel dazu entwickelte sich die so genannte organische Staatslehre.106 Sie kennzeichnete den Staat als eine harmonische und wechselseitige107 Verbindung von Staatsgeist108 und Staatskörper sowie Staatsgliedern zu einem Gesamtkörper mit Rechtspersönlichkeit.109 Bedeutendster Vertreter dieser Lehre war Otto von Gierke (1841–1921). Nach seiner Auffassung sollte der Staat keine bloß erdichtete Person, sondern als Verbandsperson ein wirklicher, handlungsfähiger Organismus sein.110 Der Fürst habe – ohne den Staat selbst zu personifizieren111 – keine vom Staat verschiedene, individuell berechtigte und verpflichtete Persönlichkeit.112 Er sei, ohne sich seiner privatrechtlichen Persönlichkeit zu begeben,113 ganz allein Organ (neben Volksvertretung, Rechtsprechung und Wahlvolk)114 und damit Erscheinungsform der Staatspersönlichkeit; und das nicht mehr aus eigenem Recht, sondern aus dem Recht des Staates.115 Heinrich Zoepfl (1807–1877) lehnte es dagegen ab, den Staat selbst als eine Persönlichkeit zu sehen, deren Recht der Fürst bloß auszuüben habe.116 Nach seiner Meinung konnte die Staatspersönlichkeit geschichtlich nur in der Person des Herrschers (sei es das souveräne Volk oder ein Fürst) handlungsfähig und handelnd sein.117 Er wies – wie auch Romeo Maurenbrecher (1803–1843) – den Gedanken einer möglichen Staatssouveränität zurück.118 Die mit der Staats104 Für Hegel war die Persönlichkeit des Staates nur im Monarchen wirklich. In bemerkenswerter Parallelität zu Hobbes stellte Hegel fest, ohne seinen Monarchen sei das Volk eine formlose Masse, die kein Staat mehr sein könne; Hegel, § 279, S. 434 f. Dennoch lag es ihm fern, den Staat ganz im Monarchen aufgehen zu lassen; Schnädelbach, Die Verfassung der Freiheit, in: Siep (Hrsg.), S. 243–265, 247, 252; Häfelin, S. 92. 105 Hierzu zählte auch Friedrich Julius Stahl. Er wies dem Staat keine Rechtspersönlichkeit zu, hielt ihn aber für eine politische Person, die als öffentlich-rechtliche die Fähigkeit habe, Subjekt des Handelns und Herrschens zu sein; Stahl, S. 107 f. 106 Im Anschluss an W. J. Schelling, der seine Gedanken etwa in den Stuttgarter Privatvorlesungen äußerte, Schelling, S. 29 ff., 33 f. 107 Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. II, S. 40. 108 Von der historischen Rechtsschule war der Begriff des Volksgeistes, der als Seele der nationalen Gemeinschaft angesehen wurde, übernommen worden, vgl. Bluntschli, S. 11; Häfelin, S. 107. 109 Bluntschli, S. 13. Die Fähigkeit, den Rechtswillen des Staates zu äußern, Rechte zu schaffen, zu erwerben und gleich dem Fiskus zu haben, war darin eingeschlossen; Bluntschli, S. 14; Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. II, S. 41. 110 Gierke, Deutsches Privatrecht, S. 470, 475. 111 Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. I, S. 828. 112 Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. I, S. 828. 113 Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. I, S. 828. 114 Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. I, S. 829. 115 Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. I, S. 828. 116 Zoepfl, Bd. I, § 54, S. 98. 117 Zoepfl, Bd. I, § 57, S. 106 f.

§ 2 Die Rechtspersönlichkeit des Staates

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gewalt gleichgesetzte Souveränität119 wurde als Gewalt im Staat120 und nicht – wie von der Wortbildung her nahe liegend – als Gewalt des Staates angesehen. Die so verstandene Staatsgewalt schrieb man dem Herrscher eigentümlich121 oder eigentumsähnlich122 zu.

E. Zwischenbewertung Von diesen Theorien konnte sich erst im 20. Jahrhundert die auf Albrecht zurückgehende, später so genannte anorganische Staatslehre durchsetzen. Dies sagt aber noch nichts über ihre tatsächliche Bedeutung in der Mitte des 19. Jahrhunderts aus. Viele theoretische Entwicklungen sind häufig ein Spiegel ihrer Zeit und der tatsächlichen Verhältnisse. Daher soll hier keine Entscheidung über die wissenschaftliche Stichhaltigkeit dieser von Albrecht begründeten Lehre getroffen werden. Vielmehr ist von Interesse, ob ihr Ansatz zur Begründung staatlicher Rechtspersönlichkeit eine zutreffende Beobachtung und Widerspiegelung der staatsrechtlichen Entwicklung darstellte. Dies könnte beweisen, dass Albrecht lediglich den Abschluss eines komplexen Prozesses erkannt und keineswegs den Staat zur Rechtspersönlichkeit ernannt hat.

F. Das Persönlichkeitsdogma in Großbritannien und Frankreich Die auf Deutschland bezogenen Auffassungen von der Rechtspersönlichkeit des Staates lassen sich, wegen des andersartigen Entwicklungsprozesses vom Lehen zum Staat, nicht per se auf andere Staaten übertragen. Insbesondere in Großbritannien und Frankreich zeigten sich andere Entwicklungen. I. Großbritannien Bis heute wird in Großbritannien nicht vom Staat als Zuordnungssubjekt der Staatsgewalt gesprochen, sondern von der Krone im Allgemeinen und vom Parlament und den Behörden im Einzelnen.123 Obgleich schon früh eine Korpora118 Zoepfl, Bd. I, S. 98; ähnlich auch Maurenbrecher, S. 167, 285, der aber eine privatrechtliche Rechtspersönlichkeit des Staates nicht ausschließen wollte. 119 Zoepfl, Bd. I, S. 83. 120 Zoepfl, Bd. I, S. 98. 121 Maurenbrecher, S. 167 f.; dieser betrachtete die Souveränität darüber hinaus als Privatrecht des Fürsten und sprach den Ständen mögliche Eigentumsrechte an der Staatsgewalt ab. Die Stände hätten lediglich ihnen verliehene Befugnisse, Maurenbrecher, S. 203. 122 Zoepfl, Bd. I, S. 71.

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

tionstheorie entwickelt worden war, umfasste diese, wie anfangs auch in Deutschland, Städte und Ämter, nicht aber den Staat als juristische Person.124 Zu einer Trennung zwischen dem jeweiligen Monarchen und einer umfassenden Staatsperson kam es nicht.125 Bezeichnenderweise ist das Verhältnis zwischen Krone, Parlament und Bürgern immer noch nicht in einer Verfassungsurkunde als staatsrechtliches Verhältnis qualifiziert.126 II. Frankreich In Fortentwicklung der Lehre Rousseaus wurde im nachrevolutionären Frankreich der Staat als Rechtspersönlichkeit verstanden.127 Jedoch wies man in Abkehr von Rousseau den Staatsorganen, als den im Namen der Staatsperson handelnden und den Willen dieser Person bildenden Instanzen, keine eigene Rechtspersönlichkeit zu.128 Zweifel an der Trennung von Staatsperson und Herrscher gab es kaum,129 womit sich die in Deutschland so brisante Domänenfrage in Frankreich nicht stellen konnte.

G. Zusammenfassung und Bewertung Die Lehre von der Rechtspersönlichkeit des Staates entwickelte sich in verschiedenen Etappen. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich zwei gegensätzliche Strömungen herausgebildet. Auf der einen Seite wurde dem Staat Rechtspersönlichkeit zugeschrieben. Dieser Auffassung lag Albrechts Rezension zugrunde – auch wenn sie zunächst wenig Beachtung fand.130 Albrecht zufolge konnte nicht nur den Fürsten,131 sondern dem Staat selbst über das Privatrecht132 hinaus Rechtssubjektivität zukommen, sofern eine Ablösung des Staatsrechts vom Privatrecht positivrechtlich 123

Alder, S. 39, 229; Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 499. Häfelin, S. 214, Anm. 2. 125 Doehring, § 2, Rn. 97. 126 Die Entwicklung der letzten Jahre kommt aber einer schrittweisen Verfassungsgebung gleich, vgl. Sydow, S. 83 ff. 127 So Häfelin, S. 220; vgl. auch die Verf. von 1791, 3. Abschn., Art. 1; Verf. von 1793, Art. 1; Verf. von 1795, Artt. 1, 2; Verfassung von 1799, Art. 1; Charte von 1814, Art. 14; bei Pölitz, Bd. II, S. 5, 23, 31, 90. 128 Häfelin, S. 221 mit Anm. 33. Die Frage der Einheit von Staat und Staatsorganen war ähnlich wie in Deutschland umstritten; Häfelin, S. 221 f. mit Anm. 35. 129 Häfelin, S. 221. 130 Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 497. 131 Das Deutsche Reich wurde ungeachtet von Art. 1 der BRV nach der Verfassungspräambel als Fürstenbund gegründet, BGBl. 1871, S. 63 ff., 64. 132 Maurenbrecher, S. 167, 285. 124

§ 3 Die Theorie von der Rechtspersönlichkeit des Staates im 19. Jh.

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zum Ausdruck gekommen war. Sowohl nach der anorganischen Staatslehre als auch nach der von Gierke geprägten Richtung der organischen Staatslehre musste der Landesherr als Staatsorgan und Erscheinungsform der Staatspersönlichkeit angesehen werden. Der so repräsentierte Staat war selbst Träger der Souveränität oder Landeshoheit, konnte als Grundeigentümer gedacht und als vermögens- und somit grundbuchfähig erachtet werden.133 Auf der anderen Seite sahen die Vertreter der patrimonialstaatlichen Auffassung den Fürsten nach wie vor als Eigentümer des Landes134 oder der Landeshoheit.135 Ähnlich verhielt es sich, wenn man wie Hegel oder Zoepfl die Rechtspersönlichkeit des Staates mit dem Fürsten gleichsetzte.

§ 3 Die Widerspiegelung der Theorie von der Rechtspersönlichkeit des Staates im deutschen Verfassungsrecht des 19. Jahrhunderts Mit Albrechts Rezension waren die theoretischen Grundlagen einer umfassenden Rechtspersönlichkeit und Vermögensfähigkeit des Staates gelegt. Die zuvor knapp dargestellte Entwicklung in Frankreich und Großbritannien scheint Albrechts These von der Persönlichkeitsbildung bei Positivierung des Staatsrechts bereits zu bestätigen. Ob und inwieweit diese Theorie auch den Zustand in der deutschen Staatenwelt des 19. Jahrhunderts widerspiegelte, wird nachfolgend zu zeigen sein. Dort, wo der Staat tatsächlich zur juristischen Person geworden war, konnte ihm selbst Eigentum zustehen.

A. Staats- und Privatrecht und die Ausbildung der Rechtspersönlichkeit des Staates Die Frage nach der Rechtspersönlichkeit des Staates lässt sich kaum von der Ablösung des öffentlichen vom privaten Recht trennen. Beide Entwicklungen waren eng miteinander verbunden und bedingten sich auch in der Praxis gegenseitig. 133 Klüber, § 328. Selbst Maurenbrecher gesteht unter Verweis auf die neueste Staatsrechtsentwicklung dem Staat als moralischer Person Eigentum zu, vgl. Maurenbrecher, Grundsätze, S. 366. Seine später vertretene Auffassung, der Staat könne von Rechts wegen nur nach privatrechtlichen Grundsätzen juristische Person sein, widerspricht dem nicht, da er auch Ausnahmen durch besondere Akte der Staatsgewalt für denkbar hält, Maurenbrecher, S. 285. 134 Darauf weist unter Bezugnahme auf das ältere deutsche Staatsrecht ebenfalls Maurenbrecher hin, Maurenbrecher, Grundsätze, S. 366 Anm. b). 135 Auf Letzteres weist Höhn, Der individualistische Staatsbegriff und die juristische Staatsperson, S. 205, hin.

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

I. Die Ablösung des Staatsrechts vom Privatrecht Die Ablösung des Staatsrechts vom Privatrecht setzte zum einen die Entstehung eines eigenen Rechtssystems voraus. Dazu brauchte es noch kein umfassend verfassungsrechtlich geordnetes Beziehungsgeflecht136 mit einem ausdifferenzierten System von Staatsorganen und mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestattete Untertanen.137 Es genügten einige wenige Rechtssätze, die die überkommenen konkret-individuellen Herrschaftsbeziehungen ersetzten oder überlagerten. Zum anderen war der Aufbau einer eigenständigen Privatrechtsordnung erforderlich. Bereits im 17. Jahrhundert hatte sich die Trennung von Privat- und Staatsrecht im Wissenschafts- und Lehrbetrieb durchzusetzen begonnen. Jedoch bestand die Abgrenzung weniger in einer strikten Zweiteilung des materiellen Rechts als vielmehr in einer sinnvollen systematischen Einteilung des zu bearbeitenden Stoffs.138 Erst im 19. Jahrhundert gewann die Trennung darüber hinaus inhaltliche Bedeutung, indem das Privatrecht als Modell isolierter Individualbeziehungen interpretiert wurde.139 II. Die weiteren Voraussetzungen für die Ausbildung der Rechtspersönlichkeit des Staates Die Metamorphose140 zum Staat mit Rechtspersönlichkeit erforderte allerdings mehr als nur eine getrennte Entwicklung beider Rechtsordnungen. Dafür bedurfte es zunächst einer über die bloße Beschränkung landständischer Rechte hinaus gehenden Verfassungsgebung und einer verfassungsrechtlichen Qualifizierung des Fürsten als Staatsorgan. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Eine juristische Person kann ohne Organe und Regeln, nach denen diese tätig werden, im Rechtsverkehr nicht handlungsfähig sein.141 Um sich darüber hinaus vom den Staat verkörpernden Fürsten lösen zu können, war auch die Beteiligung der das Volk mehr oder weniger repräsentierenden Landtage an der Gesetzgebung und der gesamten Finanzverwaltung einschließlich der Steuererhebung notwendig. Die Herstellung einer Rechtsbeziehung zwischen Fürst und 136

Ähnlich Stolleis, Geschichte des Öffentlichen Rechts, Bd. 1, S. 403 f. Anderer Ansicht ist Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 490; seines Erachtens diente Albrechts Argumentation lediglich der Positionierung gegenüber Maurenbrecher. 138 Bullinger, S. 32; zusammenfassend Stolleis, Geschichte des Öffentlichen Rechts, Bd. 1, S. 394 ff.; Mizia, S. 77. 139 Mizia, S. 78; ähnlich schon Häberlin, 1. Bd., S. 179. 140 Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 489. 141 O. Mayer, Festgabe für Laband, Bd. 1, S. 18 f.; Jellinek, 16. Kap., Abschn. 2, S. 544; allgemein gesellschaftsrechtlich: K. Schmidt, S. 221, 256. 137

§ 3 Die Theorie von der Rechtspersönlichkeit des Staates im 19. Jh.

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Untertanen erforderte zumindest die ansatzweise Verbürgung der Gleichheit vor dem Gesetz. Ferner musste es – wie von der Lehre vorgegeben – zu einer differenzierteren Beurteilung der Rolle des Monarchen hinsichtlich der von ihm wahrgenommenen staatlichen Funktion und seines privaten Status als Bürger kommen.142 Zugleich musste die Verfassung selbst aus einem Gesetz, das zur Disposition des Fürsten stand, in eine Ordnung der juristischen Person Staat verwandelt werden. Sie durfte nicht mehr vom Fürsten oder seinen Nachfolgern einseitig geändert oder aufgehoben werden können.143 Der Fürst musste sich von den privatrechtlichen Bindungen an sein Haus lösen, und das Staatsrecht musste dem Privatrecht im Rang vorgehen.

B. Erste Ansätze staatsrechtlicher Regelungen Im 18. Jahrhundert zeichneten sich nur vereinzelt gesetzliche Regelungen ab, welche dem Monarchen die Funktion des Staatsoberhauptes und damit eines Organs im Staat zuwiesen. Hervorzuheben ist dabei das Preußische Allgemeine Landrecht (ALR) von 1794. Demnach wurde der Monarch als „Oberhaupt im Staat“ angesehen.144 Allerdings sollte er auch alle Rechte und Pflichten des Staates in seiner Person vereinigen.145 Die Personen- und Familienrechte des Fürsten als Landesherrn und seines Hauses bestimmten sich nach den Hausverfassungen und Verträgen. Nur die übrigen Privathandlungen und Geschäfte sollten nach den staatlichen Gesetzen beurteilt werden.146 Somit erkannte das ALR keineswegs stringent den Monarchen als Staatsorgan an, es zeigte vielmehr unbewusst erste Ansätze hierzu und verharrte ansonsten im naturrechtlich-korporativen Denken.147 Vergleichbares konnte später auch in Österreich beobachtet werden, wo im ABGB von 1811 zwischen der Funktion des Landesfürsten als Staatsoberhaupt und Privatmann unterschieden wurde.148

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Grotius, 2. Buch, Kap. 14, § 2; Häberlin, 3. Bd., S. 489. Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 489. 144 ALR II 13 § 4, bei Hattenhauer, S. 590; zur Entwicklung in Preußen, Laufs, S. 173. 145 ALR II 13 § 1, bei Hattenhauer, S. 589. 146 ALR II 13 §§ 17 und 18, bei Hattenhauer, S. 590. 147 Höhn, Der individualistische Staatsbegriff und die juristische Staatsperson, S. 215. 148 ABGB § 289. 143

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

C. Die Ausbildung verschiedener Verfassungskonzeptionen nach 1815 Die schon in der Rheinbundzeit gegebenen ersten Verfassungen149 in Deutschland beschränkten sich in erster Linie auf die Reform der Staatsverwaltung150 oder erloschen alsbald151. Der eigentliche Prozess der Verfassungsgebung begann, wenn auch zögerlich, im Herzogtum Nassau152 und erlebte wenig später eine erste Blüte unter dem Einfluss der französischen Charte von 1814153 nach Verabschiedung der Deutschen Bundesakte (DBA),154 deren Artikel 13155 die Schaffung landständischer Verfassungen in allen deutschen Bundesstaaten vorsah. I. Landständische Verfassungen Alsbald zeigten sich erhebliche Unterschiede zwischen den neu geschaffenen Konstitutionen. Formal bildeten sich zwei Verfassungskonzeptionen heraus: auf der einen Seite die an der französischen Verfassungsentwicklung orientierten Vollverfassungen156 und auf der anderen Seite die vom altständischen Denken geprägten Grundgesetze,157 welche sich primär auf die enumerative Aufzählung landständischer Rechte beschränkten.158 Diese formalen Unterschiede waren auch inhaltlich von Bedeutung. Zunächst kamen sie in der Beziehung zwischen Fürst und Ständen zum Ausdruck, aber auch in der Frage der Stellung des Fürsten im Staat sowie des Verhältnisses der Untertanen zum Staat wichen die Verfassungen voneinander ab. Das in Artikel 13 DBA enthaltene Homogenitätsgebot vermochte diese Differenzen nicht zu beheben. Denn eine Präzisierung des Begriffs der landständi149 Im von Napoleon gebildeten Königreich Westfalen, vgl. den Text bei Pölitz, Bd. I, S. 38 ff., in Bayern, bei Pölitz, Bd. I, S. 96 ff., in Sachsen-Weimar, bei Pölitz, Bd. I, S. 732 ff., im Großherzogthum Frankfurt, bei Pölitz, Bd. I, S. 43 ff. sowie im Fürstenthum Köthen, bei Pölitz, Bd. I, S. 1057 ff. 150 So in Bayern und Sachsen-Weimar. 151 In Westfalen, Frankfurt, Köthen; Huber spricht hier von Schein-Konstitutionalismus, vgl. Huber, Bd. 1, S. 88 ff. 152 Patent vom 2. September 1814, bei Pölitz, Bd. I, S. 1009 ff. 153 Hierzu Sellin, S. 275 ff. 154 Übersicht bei Huber, Bd. 1, S. 656 f. 155 Text bei Pölitz, Bd. I, S. 14. 156 Insbesondere in Bayern, Württemberg, Hessen-Darmstadt, Sachsen-Coburg-Saalfeld. 157 Etwa in Nassau, Waldeck, Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Hildburghausen, Sachsen-Meiningen (1824). 158 Dazwischen bestanden noch Mischformen etwa in Baden und Sachsen-Meiningen (1829).

§ 3 Die Theorie von der Rechtspersönlichkeit des Staates im 19. Jh.

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schen Verfassung war auf dem Wiener Kongress vor allem am Widerstand Württembergs gescheitert.159 Daher versuchte der österreichische Staatskanzler Clemens von Metternich (1773–1859) auf der Karlsbader Konferenz im Jahre 1819 unter argumentatorischer Mithilfe seines Publizisten Friedrich Gentz (1764–1832), eine authentische Interpretation des Artikels 13 DBA durchzusetzen. Diese sollte die bundesrechtliche Legitimität des liberaldemokratischen Anspruchs auf Repräsentativverfassungen zerstören und den Begriff der landständischen Verfassung im Sinne des altständischen Systems deuten.160 Damit wären die Verfassungen Badens und Bayerns sowie die im Entstehen befindliche württembergische Verfassung bundesrechtswidrig geworden, denn sie sahen neben einem aristokratisch gebildeten Herrenhaus eine durch Wahl gebildete zweite Kammer vor, deren Abgeordnete sich trotz des Zensus- oder Klassenwahlrechts als Vertreter des ganzen Staatsvolkes betrachteten.161 Diese Art der Volksrepräsentation wäre an und für sich mit Artikel 13 DBA zu vereinbaren gewesen, wenn sie nicht gleichzeitig eine implizite Anerkennung der Volkssouveränität162 und damit eine Bedrohung der monarchischen Souveränität bedeutet hätte. Auf längere Sicht hätte dies die weitere Restauration in Deutschland gefährden können. Dem konnte zwar nicht – wie von Metternich gewünscht – durch eine ausdrückliche authentische Interpretation der Bundesakte Einhalt geboten werden, die Wiener Schlussakte (WSA) von 1820 grenzte aber den Begriff der landständischen Verfassungen ein. II. Die Wiener Schlussakte Weil das monarchische Prinzip im Sinne der Souveränität163 ausdrücklich festgeschrieben und den Ständen lediglich die Mitwirkung164 und nicht die Beteiligung am Staatshandeln zugesprochen wurde, war der eigentliche Zweck des restaurativen Aufbegehrens erreicht. Die Verfassungen sollten nur in den enumerativ aufgezählten Fällen der Beschränkung des Fürsten dienen165 – im Dienste 159 Vgl. die württembergische Erklärung zu den sog. 12 Artikeln, bei Botzenhart, S. 38 ff., in deren Erwiderung auf Artikel 11 die Bestimmung eines Minimums ständischer Befugnisse als die Rechte eines jeden Landesherrn kränkend angesehen wurde. 160 Huber, Bd. 1, S. 643. 161 Huber, Bd. 1, S. 642. 162 So ausdrücklich auch der württembergische Gesandte Wintzingerode, nach Huber, Bd. 1, S. 645. 163 Artt. 55, 57 und 58 WSA sprechen von souveränen Fürsten. 164 So Art. 57 WSA: „Da der teutsche Bund, mit Ausnahme der freien Städte aus souverainen Fürsten besteht; so muß, dem hierdurch gegebenen Grundbegriffe zufolge, die gesammte Staatsgewalt in dem Oberhaupte des Staats vereinigt bleiben, und der Souverain kann durch eine landständische Verfassung nur in der Ausübung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden werden.“ 165 Diese umfasste auch die Verfassungsänderung, vgl. Böckenförde, Der Verfassungstyp der deutschen konstitutionellen Monarchie, in: Böckenförde, S. 146 ff., 150.

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

der Bewahrung des Monarchen vor radikalen republikanischen Forderungen, welche als staatszerstörend empfunden wurden.166 Es fällt auf, dass Artikel 57 WSA den souveränen Fürsten vorschrieb, die gesamte Staatsgewalt „in dem Oberhaupte des Staats vereinigt“ zu belassen. Dies könnte dazu verleiten, dem Homogenitätsgebot auch die Pflicht zu entnehmen, den Wandel vom Landesherrn zum Staatsorgan zu vollziehen. Ein solches Verständnis der Schlussakte widerspräche aber ihrer eigentlichen Intention, die altständischen Verhältnisse möglichst unangetastet zu lassen167. Zwar machte die Wiener Schlussakte die Beibehaltung der fürstlichen Souveränität zur Pflicht,168 doch war nicht die Herstellung, sondern die Verhinderung eines modernen Verfassungsstaates Sinn und Zweck des monarchischen Prinzips.169 Daher durften die Staaten, welche ihre Fürsten als Staatsoberhäupter betrachteten, den Ständen nicht mehr Befugnisse zuweisen, als es das Bundesrecht zuließ. Wo die Fürsten als Landesherrn angesehen wurden, konnte alles bleiben, wie es war. III. Die Auswirkungen der Wiener Schlussakte auf das Verfassungsrecht der Bundesstaaten Ausgehend von den so verstandenen Homogenitätsgeboten der Bundesakte und der Wiener Schlussakte schien das monarchische Prinzip in Deutschland bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts recht einheitlich ausgestaltet worden zu sein.170 Der konstitutionelle Rahmen bewegte sich in engen Grenzen, was insbesondere am Ausschluss jeglicher parlamentarischer Abhängigkeit der Regierung deutlich wurde.171 Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Minister für die Handlungen des Immunität172 genießenden Monarchen verantwortlich zeichneten173 und in rechtlicher Hinsicht auch hätten verantwortlich gemacht werden können174. Weitere Kennzeichen des damaligen Verfassungsrechts in

166 In Anlehnung an Benjamin Constant, einem Vordenker der französischen Charte von 1814, betont dies Kimminich, S. 328. 167 Huber, Bd. 1, S. 652. 168 Huber, Bd. 1, S. 655 f. 169 Huber, Bd. 1, S. 653. 170 Huber, Bd. 1, S. 317 f. spricht selbst von den ersten Grundgesetzen nach 1814 von Verfassungen des konstitutionellen Typus. 171 Stahl, Das monarchische Prinzip, in: Stahl, S. 184 ff., 191 f. 172 So etwa die bayer. Verf.-Urk., 2. Teil § 1 Abs. 2; die bad. Verf.-Urk. § 5 Abs. 2; die württ. Verf.-Urk. § 4 Abs. 2; manche Verfassungen schweigen dazu, etwa die Grundgesetze von Sachsen-Meiningen und Sachsen-Weimar, da sie die Immunität als selbstverständlich voraussetzen; bei Pölitz, Bd. I. 173 Beispielsweise das sachsen-meiningische Grundgesetz von 1829, Artt. 102, 103, bei Pölitz, Bd. I, S. 851. 174 Vgl. etwa die bayer. Verf.-Urk., 10. Teil §§ 4 bis 6; die bad. Verf.-Urk. § 67; die württ. Verf.-Urk. §§ 195, 199; einschränkend das sachsen-weimarsche Grundgesetz

§ 3 Die Theorie von der Rechtspersönlichkeit des Staates im 19. Jh.

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Deutschland waren die Gesetzgebung des Fürsten mit Zustimmung der Stände175, welche regelmäßig aus zwei Kammern176 bestanden, die alleinige Kommandogewalt des Monarchen über das Heer177 und das absolute Vetorecht des Fürsten.178 Das Budgetrecht der Landtage war aufgrund der in diesem Punkt unklaren Bestimmungen der Wiener Schlussakte uneinheitlich geregelt.179 Schließlich unterschieden sich die Verfassungen, auch wegen des bundesrechtlichen Schweigens, erheblich in Fragen des Wahlmodus, der Ausgestaltung von Grundrechten,180 der Behandlung des Verhältnisses der Fürsten zu Land und Staat sowie in der Lösung der Domänenfrage.181

D. Die Stellung des Fürsten im Staat und sein Verhältnis zum Staat I. Die Stellung des Fürsten im Staat Es ist dem Wesen der juristischen Person immanent, dass sie um Handlungsfähigkeit zu erlangen der Ausstattung mit Organen bedarf. Zwar waren monarchische Gemeinwesen durchaus handlungsfähig, auch wenn der Monarch selbst kein Staatsorgan war. Für die Errichtung juristischer Personen bedarf es aber eines gesonderten Rechtssatzes, der die Organstellung festlegt oder präzisiert sowie eine Abgrenzung von den dahinter stehenden Privatpersonen vorvon 1816 § 115; das sachsen-meiningische Grundgesetz von 1829 Art. 88; bei Pölitz, Bd. I. 175 Zum Beispiel die bayer. Verf.-Urk., 7. Teil § 2; die bad. Verf.-Urk. §§ 64, 65; die württ. Verf.-Urk. § 88; das sachsen-weimarsche Grundgesetz von 1816 § 5 Abs. 6; das sachsen-meiningische Grundgesetz von 1829 Art. 85, Nachweise bei Pölitz, Bd. I. 176 Beispielsweise die bayer. Verf.-Urk., 1. Teil § 2; die bad. Verf.-Urk. § 26; die württ. Verf.-Urk. § 128; Ausnahmen bildeten etwa Sachsen-Weimar und Sachsen-Meiningen; Nachweise bei Pölitz, Bd. I. 177 Dabei handelte es sich um eine Selbstverständlichkeit, welche in der die Macht des Fürsten beschränkenden Konstitution selten Erwähnung fand, beispielsweise aber in der Verfassungsurkunde des Großherzogthums Hessen von 1820, Art. 74, bei Pölitz, Bd. I., S. 685. 178 Dieses ergab sich daraus, dass die Stände den Gesetzen des Fürsten lediglich zuzustimmen hatten und es somit im freien Ermessen des Fürsten lag, einen von den Ständen geänderten Gesetzesentwurf in Kraft zu setzen oder nicht. 179 Dazu § 4 B.II.4. 180 Den Verfassungen Badens, Bayerns und Württembergs mit recht umfangreichen Grundrechtskatalogen standen die Grundgesetze von Nassau (1814), Hannover (1819), Sachsen-Hildburghausen (1818), Sachsen-Meiningen (1824), Braunschweig (1820), Lippe-Detmold (1819), Schaumburg-Lippe (1816) und Waldeck (1814, 1816) gegenüber, welche keine Grundrechte nannten. Das Grundgesetz Sachsen-Weimar-Eisenachs von 1816 proklamierte einige wenige Grundrechte in einem dem Verfassungstext angehängten Nachsatz. Texte bei Pölitz, Bd. I. 181 Siehe unter § 4 A.II.; Übersicht bei Degen, S. 14 ff.

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

nimmt.182 Nur so kann die Rechtsperson nach außen hin erkennbar auftreten und handeln. Dies war nicht in allen deutschen Bundesstaaten der Fall. 1. Der Herr als Haupt Insbesondere die Verfassungen der süddeutschen Staaten wiesen dem jeweiligen Fürsten die Funktion des Staatsoberhauptes zu. Sie vollzogen größtenteils eine klare Trennung zwischen privaten und staatlichen Funktionen des Staatsoberhauptes.183 Weniger klar war die badische Verfassungsurkunde gefasst. Nur mittelbar bezeichnete sie den Großherzog als Staatsoberhaupt184 und trennte seine öffentlichen und privaten Handlungen nicht mit der gleichen Deutlichkeit wie die Verfassungen Bayerns und Württembergs.185 Allen süddeutschen Verfassungen war aber gemein, dass sie – anders als noch das ALR – im Fürsten alle „Rechte der Staatsgewalt“ vereinigt sahen186 und damit den Staat als Person von der Staatsgewalt als Macht der Organwalter187 des Staates trennten.

182 So auch jüngst der BGH in seiner Entscheidung zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft, BGH, NJW 2005, S. 2061 ff., 2063. Da es vorliegend um den Staat selbst geht, bedarf es ungeachtet der sonstigen Voraussetzungen keiner staatlichen Verleihung der Rechtspersönlichkeit, weshalb sich der Streit, ob auch ein Gewohnheitsrechtssatz genügen kann, an dieser Stelle erübrigt, vgl. zum Problem, K. Schmidt, S. 196 f.; zum Genügen eines Gewohnheitsrechtssatzes, Gierke, Deutsches Privatrecht, S. 487 f. 183 Bayer. Verf.-Urk.: 2. Teil, § 1 „Der König ist das Oberhaupt des Staats, vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt, und übt sie unter den von Ihm gegebenen in der gegenwärtigen Verfassungsurkunde festgesetzten Bestimmungen aus.“ Ferner 2. Teil, § 8 „Die übrigen Verhältnisse der Mitglieder des königlichen Hauses richten sich nach den Bestimmungen des pragmatischen Familiengesetzes.“ Württ. Verf.-Urk.: § 4 „Der König ist das Haupt des Staates, vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt, und übt sie unter den durch die Verfassung festgesetzten Bestimmungen aus.“ § 18 „Die Verhältnisse der Mitglieder des königlichen Hauses zum Könige, als Oberhaupt der Familie, und unter sich, werden in einem eigenen Hausgesetze bestimmt.“ Verf.-Urk. Großherzogthum Hessen: Art. 4 „Der Großherzog ist das Oberhaupt des Staates, vereinigt in Sich alle Rechte der Staatsgewalt, und übt sie unter den von Ihm gegebenen, in dieser Verfassungsurkunde festgesetzten Bestimmungen aus.“ Texte bei Pölitz, Bd. I. 184 Bad. Verf.-Urk. § 2 „Alle organischen Beschlüsse der Bundesversammlung, welche die verfassungsmäßigen Verhältnisse Teutschlands oder die Verhältnisse teutscher Staatsbürger im Allgemeinen betreffen, machen einen Theil des badischen Staatsrechts aus, und werden für alle Klassen von Landesangehörigen verbindlich, nachdem sie von dem Staatsoberhaupte verkündet worden sind.“ § 5 „Der Großherzog vereinigt in Sich alle Rechte der Staatsgewalt, und übt sie unter den in dieser Verfassungsurkunde festgesetzten Bestimmungen aus.“ Texte bei Pölitz, Bd. I, S. 461 ff. 185 Bad. Verf.-Urk. §§ 4, 5; bei Pölitz, Bd. I, S. 461 ff. 186 Bayer. Verf.-Urk. 2. Teil, § 1; württ. Verf.-Urk. § 4; bad. Verf.-Urk. § 5; Verf.Urk. des Großherzogthums Hessen, Art. 4; bei Pölitz, Bd. I. 187 Wolff, S. 443.

§ 3 Die Theorie von der Rechtspersönlichkeit des Staates im 19. Jh.

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2. Beibehaltung der Stellung als Landesherr Einige Fürstentümer schufen auch mit der Einführung landständischer Verfassungen keine wirklich staatsrechtlichen Verhältnisse. Geregelt wurden vielmehr die Beziehungen zwischen dem Landesherrn und dem Land mit „sämtlichen Untertanen“, welche gegenüber dem Regenten durch Abgeordnete vertreten sein sollten.188 Die Stellung des Landesherrn bedurfte keiner Regelung, denn es blieb alles beim Alten. So sprach dieser Typ landständischer Verfassungen denn auch vom Landesfürsten,189 vom Regenten190 oder Landesherrn.191 Viele der neu gegebenen Grundgesetze verzichteten ganz auf eine konkrete Bezeichnung des Fürsten.192 Besonders deutlich wird das Verhältnis von Land und Fürst anhand der Frage der Haftung. Da der Fürst auch zivilrechtliche Immunität genoss, musste die Konstruktion des Fiskus herhalten, um zivilrechtliche Ansprüche193 gegen den Landesherrn und seine Verwaltung durchzusetzen.194 3. Zwischenlösungen Zwischen diesen beiden Modellen gab es teilweise keine eindeutige Lösung. So wurde kumulativ oder synonym vom Landesherrn und Staatsoberhaupt gesprochen.195 Die Formulierung des Grundgesetzes von Sachsen-Meiningen aus dem Jahr 1829, wonach der Herzog „erblicher Landesherr oder Oberhaupt des Staats“ war, brachte den Schwebezustand besonders deutlich zum Ausdruck.196 Entsprechend wurde kaum zwischen privaten und öffentlichen Handlungen des Landesherrn unterschieden.197

188 So ausdrücklich § 1 der Verf.-Urk. von Sachsen-Hildburghausen von 1818, bei Pölitz, Bd. I, S. 783 ff. 189 Etwa § 126 des Grundgesetzes von Sachsen-Weimar-Eisenach von 1816, bei Pölitz, Bd. I, S. 758 ff. 190 Vgl. § 88 des Grundgesetzes von Sachsen-Meiningen von 1824, bei Pölitz, Bd. I, S. 824 ff. 191 So § 79 der Braunschweigischen Landschaftsordnung von 1820, bei Pölitz, Bd. I, S. 914 ff. 192 Hannov. Patent von 1819; Liechtenst. Verf.-Urk. von 1818; Verordnung Schaumburg-Lippe von 1816; bei Pölitz, Bd. I. 193 In Bayern wurde die Frage der Staatshaftung dem Staatsrecht zugeordnet, vgl. v. Seydel, Bd. 2, S. 371. 194 Forsthoff, S. 28; O. Mayer, S. 50 f.; vgl. auch das Nachwort zum Grundgesetz von Sachsen-Weimar-Eisenach, bei Pölitz, Bd. I, S. 758 ff. 195 § 3 der Verf.-Urk. von Sachsen-Coburg-Saalfeld von 1821, bei Pölitz, Bd. I, S. 806. 196 Art. 3 des Grundgesetzes von 1829, Text bei Pölitz, Bd. I, S. 852 ff. 197 § 4 der Verf.-Urk. von Sachsen-Coburg-Saalfeld von 1821; Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes Sachsen-Meiningens von 1829, bei Pölitz, Bd. I.

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

II. Das Verhältnis des Fürsten zum Staat und zu seinem Haus Den vorgestellten Modellen über die Stellung des Fürsten im Staat standen verschiedene Möglichkeiten gegenüber, das Verhältnis des Fürsten zu seinem Haus als Familienoberhaupt198 oder als Stammherr199 zu beurteilen. Im Reichsverband bestimmten das Herkommen oder die Hausgesetze, Erbverträge oder Familienfideikommissstiftungen die Rolle des Fürsten innerhalb der hohen Familie.200 Nach diesem autonomen Privatfürstenrecht201 stand – vergleichbar mit der heutigen Vor- und Nacherbschaft – den als Mitgliedern des beliehenen Hauses reichsunmittelbaren Agnaten ein Anspruch auf ein ungeschmälertes Erbe von Thron und Land zu.202 Eine Verfügung – etwa über das Domänenvermögen –, die eine nicht konsentierte Schmälerung des Erbrechts darstellte, sollte dem Thronfolger gegenüber nach einer Auffassung im Schrifttum relativ unwirksam203, nach einer anderen Auffassung beim Regierungsantritt widerruflich sein204. Ohne weiteres rechtsbeständig waren nur die den jeweiligen Hausverfassungen entsprechenden Regierungshandlungen.205 Dazu zählten grundsätzlich der Erlass einer Verfassung206 sowie alle Verfügungen, welche keine einseitigen – die monarchischen Grundsätze207 verletzenden – Änderungen an der Thronfolgeordnung oder an der Substanz des Domänenvermögens vornahmen.208 198 Beseler, Grünhut’s Zeitschrift 5 (1878), S. 540 ff., 550; Gierke, Grünhut’s Zeitschrift 5 (1878), S. 557 ff., 595. 199 Mejer, Grünhut’s Zeitschrift 5 (1878), S. 261; Vollert, Natur des Kammervermögens, S. 26 f. 200 Zoepfl, Bd. I, § 213. 201 Mizia, S. 41. Als Grenzen dieser Autonomie wurden die Reichs- und Landesverfassung sowie wohlerworbene und unentziehbare Rechte Dritter angesehen, Mizia, S. 194, Anm. 517. 202 Pütter, Bd. 2, § 445, S. 449; Leist, § 41, S. 129; Beseler, I. Abt. § 16, S. 56 ff. 203 In Anknüpfung an das röm. Recht, Huber, Bd. 2, S. 96. Bei vertraglichen Veräußerungsverboten war die Unwirksamkeit der widersprechenden Verfügung nicht vorgeschrieben. Allerdings wurden Beschränkungen durch Erbverbrüderungen und Erbverträge zunehmend als gesetzliche Veräußerungsverbote mit der Folge absoluter Unwirksamkeit aufgefasst, vgl. Zachariae, Das rechtliche Verhältnis des fürstlichen Kammergutes, S. 38, Note 35. 204 Beseler, I. Abt. § 16, S. 58; Zachariae, Das rechtliche Verhältnis des fürstlichen Kammerguts, S. 38 f., Note 36. So auch die im Sachsenspiegel, LandR, I 52, § 1 S. 2 wiedergegebene Regel. Dazu unter Hinweis auf RGZ 137, 343 f.: Laufs, S. 16. 205 Zoepfl, Bd. I, § 266 VI. ff. 206 Dahlmann (Hrsg.), S. 172, 175; so auch Zachariae, Bd. 1, S. 288 Anm. 6; Zoepfl, Bd. I, § 266, S. 748, 750 f.; Klüber, § 252. Letztlich aber unter Verweis auf Moser, Von der Teutschen Reichs-Stände Landen, S. 1134, der sich auf die Verträge zwischen Landesherrn und Landständen bezieht, also nicht auf die moderne Verfassungsgebung. 207 Später war an dieser Stelle vom monarchischen Prinzip die Rede, Dahlmann (Hrsg.), S. 189.

§ 3 Die Theorie von der Rechtspersönlichkeit des Staates im 19. Jh.

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1. Mit der Auflösung des Alten Reichs verbundene Veränderungen Schon mit dem Wegfall der Reichsunmittelbarkeit und der damit verbundenen Erlangung äußerer Souveränität stellte sich die Frage nach der Behandlung der Agnaten, die sich nun nicht mehr auf den Kaiser berufen konnten, sondern zu Untertanen des Landesherrn geworden waren.209 Ob sie dennoch alle Rechte behielten, die mit der neu gewonnenen Souveränität nicht in Widerspruch standen, wurde unterschiedlich bewertet.210 Nach Artikel 14 DBA sollten jedenfalls den mediatisierten Fürstenhäusern Deutschlands verschiedene Schutzrechte zuteil werden.211 Hierzu gehörte der Schutz aller Rechte und Vorzüge, welche aus privatem Eigentum herrührten. Auch den bestehenden Familienverträgen wurde eine Bestandsgarantie erteilt. Neue Familienverträge mussten dem Souverän vorgelegt werden.212 Inwiefern diese Bestimmung auch auf das Verhältnis innerhalb des jeweiligen landesherrlichen Hauses Anwendung finden konnte, war unklar.213 Jedenfalls dürfte die innere Souveränität der Fürsten von Bundes wegen nicht über das jeweilige Hausrecht hinaus beschränkt worden sein. So hingen die Stellung der Agnaten und die Stellung des Fürsten von den rechtlichen Verhältnissen im jeweiligen Bundesstaat ab. 2. Das Verhältnis von Privatfürstenrecht und Staatsrecht Diese unterschiedlichen Rechtsverhältnisse waren wiederum davon beeinflusst, ob es zu einer Klärung des Verhältnisses von Staats- und Privatrecht gekommen war. Die Beantwortung dieser Frage entschied letztlich über den Rang des Privatfürstenrechts und damit auch über die Stellung des Fürsten gegenüber seinem Haus.

208 Dahlmann (Hrsg.), S. 183 ff., 213 ff., so auch Zachariae, Bd. 1, S. 288 Anm. 6; Gersdorff, S. 48 f. 209 Zoepfl, Bd. I, § 215 II.; Zachariae, Das rechtliche Verhältnis des fürstlichen Kammerguts, S. 40 f.; Locher, S. 23, sah die Geltendmachung agnatischer Rechte als sehr erschwert an, sie seien aber durch die Souveränität an sich nicht beseitigt worden. 210 Dafür Zachariae, Bd. 1, S. 162. Reyscher, S. 147 f. und Klüber, § 242 VII. erstreckten – unter Beachtung der Rechte Dritter – die Souveränität auf alle Rechtsgebiete. 211 Bei Pölitz, Bd. I, S. 14. 212 Mizia, S. 195 f. 213 Für eine analoge Anwendung plädiert Zoepfl, Bd. I, § 215 I., mit gleichem Ergebnis auch Maurenbrecher, Grundsätze, S. 461; dagegen wohl Klüber, § 11 V. d).

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

a) Patrimoniale Theorien und patrimonial geprägte Fürstentümer In eher patrimonial geprägten Gemeinwesen wie den thüringischen oder mecklenburgischen Herzogtümern wurden Privat- und Staatsrecht – sofern sie als getrennt angesehen wurden – für gleichrangig erachtet.214 Ohne auf die positiv-rechtlichen Besonderheiten einzelner Bundesstaaten einzugehen, vermischten viele Rechtsgelehrten – dem gewandelten Staatsverständnis zum Trotz – das Privat- und Privatfürstenrecht mit dem Staatsrecht215 oder gingen von einem gemischt privat- und öffentlich-rechtlichen Charakter216 des Privatfürstenrechts aus.217 Nach allen diesen Meinungen konnte eine einseitige Entscheidung des Fürsten über die Thron- und Erbfolge sowie über vergleichbare Änderungen der Hausgesetze ohne Zustimmung der Erbberechtigten nicht dauerhaft rechtsbeständig sein.218 Denn der Monarch war wegen des fehlenden Vorrangs des Staatsrechts dem Privatfürstenrecht gegenüber lediglich Stammherr und nicht souveränes Familienoberhaupt. b) Die staatsrechtlich verfassten Fürstentümer Wurde dagegen das Verhältnis zwischen Fürst und Land wie in Preußen, Bayern und Württemberg staatsrechtlich ausgestaltet oder beurteilt, so betraf dies endgültig den agnatischen Anspruch auf das Land. Die erbliche Thronfolge stellte nurmehr eine öffentlich-rechtliche Form der Amtssukzession219 und nicht mehr einen privatrechtlichen Anspruch, Landesherr zu werden, dar.220 Fortan setzte sich das Staatsrecht gegenüber dem Privatrecht und damit auch dem Privatfürstenrecht durch,221 was sich auch an der Schaffung von Hausgesetzen in staatlicher Gesetzesform zeigte.222 Folglich konnte dem – nun von seinen pri214 Hierfür plädiert generell Rehm, S. 24. Vgl. zu den thüringischen Fürstentümern das II. Kapitel mit den §§ 2 und 3; zu den mecklenburgischen Fürstentümern, Büsing, S. 10 f., 17 ff. 215 Leist, § 5, S. 10. 216 Zoepfl, Bd. I, § 212; Maurenbrecher, Grundsätze, S. 434. 217 Zum Ganzen, Mizia, S. 83 ff. 218 Zoepfl, Bd. I, § 215 I. 219 So die Regelungen im 2. Titel §§ 1 bis 22 der bayer. Verf.-Urk. sowie §§ 4 bis 18 der württ. Verf.-Urk., bei Pölitz, Bd. I, S. 134 ff., 435 ff. 220 Schücking, S. 23. 221 Klüber, §§ 10 V, 11 VI. Für die Verhältnisse in Bayern, v. Seydel, Bd. 2, S. 376 f., der aber die Lehre von der Staatssouveränität ablehnte, ders., Bd. 1, S. 169 f. 222 In Württemberg zu großen Teilen im 2. Kapitel der Verf.-Urk. von 1819 enthalten, bei Pölitz, Bd. I, S. 435 f.; außerdem die Hausgesetze von 1808 und 1828 bei Schulze, Bd. 3, S. 500 ff. und S. 512 ff. In Bayern galt das Königliche Familien-Statut vom 5. August 1819, bei Schulze, Bd. 1, S. 337 ff. Dass die Frage des Verhältnisses von monarchischem Hausrecht und Staatsrecht nichts von ihrer Aktualität eingebüßt

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vatrechtlichen Banden befreiten – Familienoberhaupt gegenüber keine Verletzung wohlerworbener Rechte mehr geltend gemacht werden.223 Wegen des dadurch zum Ausdruck kommenden Übergangs vom Land zum Staat betraf jede Schmälerung des Thronfolgeanspruchs nurmehr ein subjektiv-öffentliches Recht.224 Alle nachfolgenden verfassungsgemäßen Änderungen dieses Rechts und damit auch der Hausverfassung blieben also rechtswirksam.225 Freilich mussten die Agnaten als Untertanen vor willkürlicher Behandlung geschützt werden.226 Eine Beschränkung privater Eigentumsrechte bedurfte daher – wie bei anderen Untertanen auch – einer Ausgleichsregelung im Sinne des Aufopferungsgedankens.227 Zu diesem Zweck erfolgten vielfach Abfindungen bei der Verstaatlichung von Domänen im Rahmen der Einführung einer Zivilliste228 oder bei Einführung einer staatsrechtlichen Primogeniturordnung durch eine umfassende staatliche Apanagierung der Kognaten229. An die Stelle agnatischer hat, beweist die jüngst ergangene Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum „Hohenzollerntestament“, BVerfG, FamRZ 2004, S. 765 ff. Die 3. Kammer des Bundesverfassungsgerichts erachtete dabei die Entscheidung der Vorinstanz, dem nicht ebenbürtig verheirateten Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen keinen Erbschein zu erteilen, für unvereinbar mit dem Grundrecht auf Eheschließungsfreiheit aus Artikel 6 Abs. 1 GG. Insbesondere habe die Vorinstanz verkannt, dass die in Streit stehende erbrechtliche Ebenbürtigkeitsklausel ihre „ursprüngliche staatsrechtliche Funktion – die Regelung der Thronfolge in einer Erbmonarchie – nicht mehr erfüllen“ könne. Indem das Gericht damit der staatsrechtlichen Schutzpflicht den Vorrang vor der privatautonom gestalteten Erbfolge und Selbstorganisation der Großfamilie eines vormals regierenden Hauses einräumt, verkennt es jedoch die Tatsache, dass in der Vergangenheit Ebenbürtigkeitsklauseln keine primär staatsrechtliche Funktion zukam. Auch vor 1918 sahen mediatisierte Fürstenhäuser in der Ebenbürtigkeit ein wesentliches Kriterium für die Aufrechterhaltung des splendor familiae und der Sicherung des Hausvermögens, das privater Natur war. Nichts Anderes kann für die seit 1918 nicht mehr regierenden Häuser gelten, zumal für Preußen, wo Privatgut und Staatsgut schon früh getrennt wurden. Dass in Preußen die Verfassungsurkunde von 1850 wesentliche Teile des Hausrechts inkorporierte, steht dem nicht entgegen, denn die Regelung in Artikel 53 der preußischen Verfassungsurkunde hatte lediglich den Gleichlauf der in Preußen grundsätzlich getrennten hausgesetzlichen und staatsrechtlichen Erbfolge zum Ziel. Mit dem Erlöschen der Monarchie im Jahre 1918 bedurfte es dieses Gleichlaufs nicht mehr. Vgl. auch Isensee, S. 757. 223 Mit Beschränkung auf Verfügungen über das zum Staatsgut gewordene Domänenvermögen selbst Maurenbrecher, Grundsätze, S. 471. 224 Schücking, S. 27. 225 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 2, S. 108; Schücking, S. 30; diese Richtung wies bereits Häberlin, 3. Bd., S. 530, der zwischen Handlungen, die der Monarch im Namen des Staates tätigte, und solchen, welche er im eigenen Namen vollzog, unterschied. Die erstgenannten waren regelmäßig vom Regierungsnachfolger anzuerkennen. Dies konnte seiner Meinung nach dazu führen, dass ein Agnat infolge der Revokation privater Handlungen seines Vorgängers möglicherweise nur die Staatserbfolge antrat, ders., a. a. O., S. 531. 226 Zachariae, Das rechtliche Verhältnis des fürstlichen Kammerguts, S. 41. 227 Schücking, S. 31. 228 So etwa in Bayern, v. Seydel, Das Staatsrecht, S. 21. 229 Etwa in Baden, Eisenlohr, S. 43 f.

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

Mitbestimmung trat die jeweilige Mitgliedschaft in der 1. Kammer des Landtages. c) Der agnatische Konsens bei der Verfassungsgebung Diese mit einer staatsrechtlichen Verfassungsgebung einhergehenden, tief greifenden Veränderungen können nicht bloß als behutsame Fortentwicklungen des bestehenden Rechts verstanden werden. Der Fürst wurde in die Rolle des Ausübers der Staatsgewalt gedrängt und konnte die von ihm gegebene Verfassung weder einseitig abändern noch selbst wieder aufheben. Das auf das Land bezogene Herrschaftsrecht hatte sich zur organschaftlichen Befugnis im Staat gewandelt, während der Staat Träger der Souveränität wurde. Mit guten Gründen kann man diese Veränderung als „Depossedierung“ sogar „des absoluten Monarchen“230 bezeichnen. Deshalb stellte sich die Frage, ob so weitreichende Rechtsänderungen ohne vorherige Zustimmung der Erbfolgeberechtigten einseitig vorgenommen werden konnten. Wo die Fürsten souverän geworden waren,231 konnten sie jede Frage allein entscheiden.232 Hier eine agnatische Zustimmungspflicht für eine umfassende staatsrechtliche Organisation des Staates zu fordern,233 hätte – um an die berühmte Souveränitätsdefinition Bodins234 zu erinnern – zwischen den Souverän und Gott die Agnaten gesetzt. Der wirkliche Souverän konnte aber, wie Hobbes betonte, einseitig selbst seine Nachfolge regeln und war nicht an hausrechtliche Regeln gebunden.235

230 C. Schmitt, Hugo Preuß, S. 8; Häfelin, S. 87 f.; Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, S. 496; ähnlich auch Höhn, Der individualistische Staatsbegriff und die juristische Person, S. 225, der darauf hinweist, dass damit der Fürst von seiner souveränen Stellung entthront worden sei, er zugleich aber – unter Ziehung der absolutistischen Giftzähne – beibehalten werden sollte, ohne die Volkssouveränität einzuführen. 231 Preußen, Bayern, Württemberg, zum Teil auch Baden, vgl. Huber, Bd. 1, S. 90. 232 Willoweit, § 27 III 1, S. 226 f.; Huber, Bd. 2, S. 93. Ob Huber davon die Staaten ausnehmen wollte, die noch dem Feudalsystem verhaftet waren, ist unklar. 233 Der in Weimar tätige Staatsminister Ernst Christian August von Gersdorff forderte bei der Veräußerung irgendeines Rechts der Souveränität den agnatischen Konsens; Gersdorff, S. 48; die Bindung der Ausübung bestimmter dieser Rechte an die Mitwirkung dritter physischer oder moralischer Personen in dem Staate hielt er aber für zulässig. Der Erlass einer landständischen Verfassung, die ähnlich wie in SachsenWeimar-Eisenach bloß bereits bestehende Beschränkungen des Fürsten wiederholte, fiel seiner Meinung nach nicht darunter; Gersdorff, S. 9, 25. Eine umfassendere Verfassungsgebung hätte er vor dem Hintergrund der Lehre von der Rechtspersönlichkeit des Staates möglicherweise anders beurteilt. 234 Bodin, Buch I, 8. Kap., S. 20. 235 Hobbes, Kap. 19, S. 176.

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Allerdings blieb man in einigen Bundesstaaten noch dem alten Feudalsystem verhaftet.236 Hier hielten die Regierenden die durch die Artikel 25 und 26 der Rheinbundsakte erlaubte innere Souveränität237 für etwas Widernatürliches und übten sie grundsätzlich nicht aus.238 Daher musste es für die Beantwortung der Frage, ob ein agnatischer Konsens zum Erlass einer Verfassung erforderlich war, auf den jeweiligen Stand der staatsrechtlichen Entwicklung, insbesondere die Ausübung der Souveränität durch den Fürsten sowie den materiellen Gehalt des betreffenden Rechtsaktes ankommen. Dem entsprach auch die Praxis in den deutschen Staaten. In Preußen hielt der zweifellos souveräne König den agnatischen Konsens grundsätzlich für überflüssig.239 Lediglich im Jahr 1809, beim Erlass des Edikts über die Veräußerlichkeit der königlichen Domänen, ersuchte König Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) um die Unterstützung der Erbberechtigten, weil er es für zweckmäßig hielt.240 Soweit Rechtsakte vor allem in Süddeutschland staatsrechtliche Veränderungen vornahmen, wurde zum Teil der agnatische Konsens eingeholt.241 In den übrigen deutschen Fürstentümern bedurfte es – wie noch auszuführen ist – schon deshalb keines agnatischen Konsenses beim Erlass einer Verfassung, weil eine Kränkung wohlerworbener Rechte und damit eine Lösung vom Privatfürstenrecht nicht zur Debatte stand.242 III. Die hannoversche Verfassungsfrage Zu erbitterten Auseinandersetzungen führte die Frage nach dem Konsenserfordernis im Königreich Hannover in den Jahren 1837 bis 1839. Dort hatte Kö236

So die thüringischen Staaten, Huber, Bd. 1, S. 91. Art. 26 verpflichtete die Bundesglieder nicht zur Ausübung der inneren Souveränität, sondern berechtigte bloß dazu, vgl. den Wortlaut bei Pölitz, Bd. I, S. 7. Dies bestätigt auch Willoweit, § 27 III 1, S. 226 f. 238 Etwa in Sachsen-Weimar-Eisenach, vgl. Ministerialvortrag vom 1. November 1817, in ThHStA Weimar, Landtag S-W-E 40, Zusammenstellung der Verabschiedungen, Gesetze und Verwaltungsvorschriften über die Bedeutung des Kammervermögens im Staatshaushalte des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 4 ff., 6; Pernice, Rechts-gutachten, ThHStA Weimar, HA, A XXVI, 1786, Bl. 7 RS. 239 So ausdrücklich das Edikt von 1713, bei Schulze, Bd. 3, S. 739. 240 Edikt und Hausgesetz vom 6.XI.1809, Schulze, Bd. 3, S. 750 ff.; Arndt meint dagegen, der König hätte den Konsens von Rechts wegen einholen müssen, Arndt, S. 22. Diese seine Annahme findet im Text des Edikts jedoch keine Stütze. 241 Umfassend in Bayern, vgl. v. Seydel, Bd. 1, S. 104, Bd. II, S. 376 f.; in Baden dagegen lag zu einzelnen Verordnungen der agnatische Konsens vor, vgl. im II. Kapitel § 1 B III, C I; in Württemberg musste die von König Friedrich als Stifter der Monarchie ohne Zustimmung der Agnaten erlassene hausrechtliche Regelung des Jahres 1808, bei Schulze, Bd. 3, S. 500 ff., nach agnatischen Beanstandungen revidiert werden, vgl. Göz/Gaupp, S. 44; Dahlmann (Hrsg.), S. 204. 242 Der Konsens wurde in diesen Fällen oft dennoch erteilt. Dies betraf besonders die thüringischen Staaten, vgl. die Beispiele im II. Kapitel §§ 2 und 3. 237

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nig Wilhelm IV. (1765–1837) unter der Geltung der nicht gerade fortschrittlichen landständischen Verfassung von 1819243 nach Beratungen mit den Ständen im Jahr 1833 eine Verfassung gegeben, welche dem König die Funktion des Staatsoberhauptes zuwies,244 die Thronfolge und die Regentschaft hinreichend regelte,245 den Untertanen die wichtigsten Grundrechte zugestand246 und die Ständeversammlung als Landesrepräsentation247 betrachtete. Die Domänen wurden als Krongut bezeichnet248 und mussten damit wohl als Staatsgut angesehen werden.249 Ihre Erträge flossen ebenso wie die Steuern einer Generalkasse zu.250 Den Ständen oblag neben der Steuerbewilligung auch eine für diese Zeit relativ weitreichende Befugnis, die Ausgaben mitzubestimmen.251 König Ernst August (1771–1851) erklärte bei seinem Regierungsantritt diese im Jahr 1833 erlassene staatsrechtlich geprägte Verfassung für unverbindlich, da sie ohne Zustimmung der erbberechtigten Agnaten erlassen worden sei.252 Er selbst hatte sich noch als Thronfolger alle Rechte vorbehalten.253 Der dagegen erhobene Protest der Göttinger Sieben, zu denen auch Wilhelm Eduard Albrecht gehörte, ist bekannt.254 Wenig später erhob die Stadt Osnabrück im Namen der aufgelösten Ständeversammlung Beschwerde bei der Bundesversammlung auf Wiederherstellung des Grundgesetzes von 1833.255 Ihr Begehren wurde durch drei umfassende Gutachten der Juristenfakultäten Heidelberg, Jena und Tübingen gestützt.256 Im Mittelpunkt stand auch hier die Domänenfrage.257 Sich so weit inhaltlich einzulassen, war die Mehrheit des Bundestages aber nicht bereit. 243

Patent vom 7.VII.1819, bei Pölitz, Bd. I, S. 263 ff. § 6 des Grundgesetzes vom 26.IX.1833, bei Pölitz, Bd. III, S. 571. 245 §§ 11 bis 26, bei Pölitz, Bd. III, S. 572 ff.; dabei ist bemerkenswert, dass die weitere Regelung der Hausverfassung dem König als Familienoberhaupt mit Zustimmung der Stände vorbehalten war, § 26 a. a. O. 246 §§ 27 bis 41, bei Pölitz, Bd. III, S. 574 ff. 247 § 83, bei Pölitz, Bd. III, S. 585. 248 § 122, bei Pölitz, Bd. III, S. 592. 249 So offenbar die Haltung des Königs, vgl. Dahlmann (Hrsg.), S. 213 f.; im Umkehrschluss auch das Patent vom 1.XI.1837, bei Real, S. 15. 250 §§ 140, 133, bei Pölitz, Bd. III, S. 594 f. 251 §§ 139, 140, bei Pölitz, Bd. III, S. 595. 252 Patent vom 1.XI.1837, bei Real, S. 12 f. 253 Huber, Bd. 1, S. 92 f., der auch auf die anders verlaufene Entwicklung in Braunschweig verweist. 254 Text der Protestation, bei Real, S. 34 ff. 255 Bei Real, S. 41 ff., 48 f. 256 Dieses von Dahlmann hrsg. Gutachten wurde aufgrund eines Bundesbeschlusses vom 30.IX.1839 als staatsgefährlich eingestuft und sollte eingezogen werden, Protokolle der Deutschen Bundesversammlung 1839, § 312, S. 907. 257 Es ging insbesondere darum, ob die Verfassung überhaupt eine Rechtsänderung mit sich gebracht habe; dafür Zachariae, Bd. 2, S. 437; dagegen Dahlmann (Hrsg.), S. 243. 244

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Die Verfassungsbeschwerde wurde nach heftigen Auseinandersetzungen als unzulässig abgewiesen.258 Auf erneute Vorstellung Bayerns, Württembergs, Badens und Hessen-Darmstadts verhandelte die Bundesversammlung erneut die hannoversche Angelegenheit. 1839 verneinte sie schließlich bei „obwaltender Sachlage eine bundesgesetzlich begründete Veranlassung zur Einwirkung in diese innere Landesangelegenheit“.259 Auch wenn damit keine materiell-rechtliche Entscheidung getroffen worden war, so kam doch implizit die Auffassung der Mehrheit zum Tragen, wonach gegen bestehendes Privatfürstenrecht verstoßende Regierungshandlungen bei Regierungsantritt widerrufen werden konnten.260

E. Zusammenfassung und Bewertung Die Anfang des 19. Jahrhunderts gegebenen Verfassungen wiesen formale und inhaltliche Unterschiede auf, welche die staatsrechtliche Entwicklung widerspiegelten. Landständisch geprägte Grundgesetze beschränkten die Befugnisse der Landstände auf die wenigen ausdrücklich aufgezählten Fälle und beließen die Stellung des Fürsten dem Staat und seinem Haus gegenüber unangetastet. In den an der französischen Charte orientierten Staaten wurden die Beziehungen der Untertanen zum Staat, das Verhältnis von Fürst und Ständen sowie die Stellung des Fürsten als Staatsoberhaupt umfassend geregelt. Dort ging in der Regel mit dem Wandel vom Herrn zum Haupt auch eine Änderung des Thronfolgeanspruchs einher. Beides war Spiegelbild der Entwicklung vom Land zum Staat. Insbesondere die Veränderung des Thronfolgeanspruchs brachte die Ablösung des Staatsrechts vom Privatrecht zum Ausdruck. War es dem Monarchen wie in Preußen möglich, einseitig staatsrechtliche Strukturen wie Veränderungen an der Thronfolge oder am Domänenvermögen durchzusetzen, konnte er ohne Zweifel als souverän gelten und hatte das Privatfürstenrecht hinter sich gelassen. Hier waren agnatische Ansprüche gegen einseitige Verfügungen des Fürsten nicht mehr haltbar. Allerdings wurde der mit der Verstaatlichung des Thronfolgeanspruchs verbundenen Veränderung vom Anspruch auf das Land zum Anspruch im Staat in der Praxis – gemessen am Umfang der Ausführungen etwa im Gutachten der Tübinger Juristenfakultät261 – offenbar nur im Zusammenhang mit der Domänenfrage Bedeutung beigemes258

Protokolle der Deutschen Bundesversammlung 1838, § 180, S. 511 ff. Protokolle der Deutschen Bundesversammlung 1839, § 256, S. 640. 260 Dieser Grundsatz wurde später in § 26 des Landesverfassungsgesetzes vom 6.VII.1840, bei Pölitz, Bd. IV, S. 152 ff., 156 bestätigt. Interessanterweise meidet dieses Landesverfassungsgesetz den Begriff des Staatsoberhauptes, wiewohl der König materiell ein solches war, vgl. § 5 des genannten Gesetzes, bei Pölitz, a. a. O., S. 153. 261 56 Seiten umfasste der die Domänen betreffende Teil des Gutachtens der Tübinger Juristen-Facultät, die mögliche Einschränkung von Regierungsrechten wurde auf 259

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

sen. Wurden die Domänen verstaatlicht, blieb dem Fürsten zur Herrschaft nur noch die Berufung auf seine ererbte Legitimation und auf den Staat. Der Staat selbst war rechts- und vermögensfähig, ja sogar souverän geworden, während der Landesherr zum Staatsorgan wurde. Der Übergang der Domänen verstand sich dort infolge ihrer Verbindung mit der Landeshoheit von selbst. Blieb der Fürst dagegen noch Landesherr, behielt er – wie im Folgenden gezeigt wird – zumeist mit den Domänen auch eine eigene Herrschaftsbasis an Grund und Boden. Die patrimonialen Strukturen lebten weiter und das Privatfürstenrecht behielt seine Bedeutung bei. Dies kam vor allem bei der Behandlung des agnatischen Konsenses oder Dissenses zum Ausdruck. Solange die Agnaten erfolgreich Schritte zur Einrichtung staatsrechtlicher Strukturen bekämpfen konnten, war es dem Monarchen nicht möglich, seine Souveränität und daran anknüpfend den Übergang zur Staatsperson zu manifestieren. Hier war die Persönlichkeitsbildung des Staates noch nicht abgeschlossen. Dieser Befund zeigt die zentrale Bedeutung der Ablösung des Staatsrechts vom Privatrecht für die Entwicklung staatlicher Rechtspersönlichkeit und stützt weiter die von Wilhelm Eduard Albrecht aufgestellten Kriterien. Gleichzeitig haben sich auch die Zweifel an der These von der Ernennung des Staates zur Rechtspersönlichkeit verstärkt. Die deutschen Fürstentümer hatten sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts keineswegs einheitlich zu vollwertigen juristischen Personen entwickelt, was sich weiter bei der Behandlung des Eigentums an den Domänen bestätigen wird.

§ 4 Die Domänenfrage Die rechtliche Unsicherheit über das Verhältnis des Fürsten zum Staat und die Frage nach der Trägerschaft der Landeshoheit und der Vermögensfähigkeit des Staates zeigte sich im 19. Jahrhundert in langwierigen,262 mit großer Heftigkeit geführten Kämpfen um die Domänen.263 Dabei ging es nicht nur um das Eigentum an den Domänen, sondern auch um die Zuweisung der Domänenerträge und – damit verbunden – um die Reichweite des ständischen Budgetrechts.

sechs Seiten abgehandelt, 24 Seiten umfassten die Ausführungen zu einem allfälligen Übermaß ständischer Befugnisse. 262 Am längsten dauerte die Auseinandersetzung im Herzogtum Sachsen-Meiningen (1847 bis 1871), dazu im II. Kapitel § 3 C. 263 In Hannover; Nassau, Reyscher, S. 185 ff., Anhalt-Dessau, Reyscher, S. 198 f., und einigen thüringischen Staaten, Reyscher, S. 278 ff.

§ 4 Die Domänenfrage

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A. Das Eigentum an den Domänen I. Der Domänenbegriff Der Begriff Domäne kann auf das lateinische Wort dominium beziehungsweise das mittellateinische domanium zurückgeführt werden und gehört zur Wortfamilie dominus. Je nach Zusammenhang bedeutet dominium Eigentum oder Herrschaft. Es geht also um Eigentum beziehungsweise Herrschaft an verschiedenen Rechtsobjekten. Die Besonderheit der Domänen lag in der Verbindung von Eigentum und Herrschaft, denn es handelte sich um Güter, die als Pertinenz der Landeshoheit vererbt wurden.264 In die deutsche Rechtssprache fand das Wort Domäne Eingang aus dem Französischen (domaine), wo es die Krongüter oder die zum Staat gehörenden und demselbigen einverleibten Güter bezeichnete.265 Hiervon ausgehend wäre eine einheitliche Übertragung des Domänenbegriffs in die deutsche Rechtssprache zu erwarten gewesen. Dies war aber nicht der Fall.266 Zuweilen wurde das Domänenvermögen mit dem gesamten Vermögen gleichgesetzt, das der fürstlichen Finanzbehörde, der Kammer, unterstand (Kammergut).267 Damit hätte das Domänenvermögen auch Erträge aus Regalien umfasst. Vereinzelt wurde deswegen das Domänenvermögen als Staatsvermögen und das Kammergut als Privatvermögen des Fürsten bezeichnet.268 Carl von Rotteck (1775–1840) beschränkte sich im Staatslexikon bei der Definition der Domäne auf das „Staats-Privateigentum“.269 Das Staatsprivateigentum sei von der Gebietshoheit zu unterscheiden und gehöre nur um des Ertrages willen dem Staat. Diese Beschränkung auf die Ertragserzielung lässt sich auch auf die Meinung übertragen, das gesamte Kammergut einschließlich der Domänen sei mit der Landeshoheit verbundenes Privatvermögen des Fürsten.

264 Pertinenz ist gleichbedeutend mit einer Nebensache, die bei rechtlicher Verfügung über die Hauptsache als mit inbegriffen und einbezogen gilt, vgl. Jensen, S. 33 Anm. 4. Die Pertinenzqualität der Domänen war unstreitig; vgl. stellvertretend Zachariae, Das rechtliche Verhältnis des fürstlichen Kammerguts, S. 24 f. sowie Reyscher, S. 92 f. 265 Moser, Von der Teutschen Reichs-Stände Landen, S. 207; Vollert, Natur des Kammervermögens, S. 2. 266 Übersicht bei Neusser, in Erler/Kaufmann (Hrsg.), Eintrag Domäne, S. 750. 267 Moser, Von der Teutschen Reichs-Stände Landen, S. 207. Diesen folgten „die dem Landesherrn eigenthümlich zustehende, dem Land oder der Cammer einverleibte oder nicht einverleibte, ligende privat-Güter an ganzen Ortschafften, oder einzelnen Grundstücken; welche allerley Namen führen, als Chatoull-Güter, CammerschreibereyGüter, patrimonial-Güter“ u.s.w., Moser, Von der Landeshoheit in Cameral-Sachen, S. 4. 268 Häberlin, 2. Bd., S. 14. 269 v. Rotteck, Eintrag Domaine, S. 87.

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Daher wird im Folgenden davon ausgegangen, dass Domänen diejenigen Güter mit Pertinenzqualität waren, welche als Teil des Kammergutes270 ausschließlich der Gewinnerzielung dienten. Dazu gehörten insbesondere land- und forstwirtschaftliche Güter, nicht jedoch die Regalien und Monopolbetriebe. Eine Sonderrolle spielte dabei das private Schatullgut, welches als Familienfideikommiss dem jeweiligen Fürsten zustand und dem Kammergut nicht zugerechnet wurde.271 II. Die Eigentumsfrage 1. Anfänge der Differenzierung zwischen Staatsvermögen und fürstlichem Privatvermögen Die Differenzierung zwischen öffentlichem und privatem Recht hatte – wie bereits geschildert – die Vermögensfähigkeit des Staates zur Folge. Dies führte allmählich und keineswegs deutschlandweit zur Differenzierung zwischen dem kraft Amtes (zum Nießbrauch) zur Verfügung stehenden Staatsvermögen und dem Privatvermögen des Fürsten.272 Zunächst wurden Regalien und Monopole – Teile des Kammervermögens – dem Staat zugerechnet.273 Da infolge der Regalität der Staat bestimmen konnte, woran er Privatbesitz gestattete oder ausschloss, waren die Regalien unmittelbar mit der Gebietshoheit des Staates verbunden und konnten nicht mehr dem Privatrecht zugeordnet werden.274 Später folgten die ursprünglich der Repräsentation dienenden275 und dem Adel vorbehaltenen fürstlichen Kultureinrichtungen. Hof- und Nationaltheater wurden gegründet, bei denen nicht mehr nur das Parkett publik war276. Dabei ließen sich die Fürsten nicht ausschließlich von den Forderungen der Öffentlichkeit leiten. Sie verbanden eigene finanzielle und bildungspolitische Interessen mit der Öffnung der Theater.277 Denn Theater und Sammlungen verursachten den Fürsten nur Kosten. Die Verstaatlichung ebnete den Weg für ihre Finanzierung aus Staats- und Steuergeldern. Daher wurden auch die fürstlichen Sammlungen, die sich teilweise in sehr schlechtem Zustand befanden, unter dem Beifall des Bildungsbürgertums öffentlich zugänglich gemacht und letztlich in staatlichen Museen untergebracht.278 Demgegenüber sahen sich die Fürsten bei den Domänen 270

Reyscher, S. 8. Zachariae, Bd. 2, S. 416. 272 Willoweit, S. 203. 273 Zoepfl, Bd. II, §§ 488, 541. 274 Zoepfl, Bd. II, § 541. 275 Fischer-Lichte, S. 64 f. 276 Nipperdey, S. 534. 277 Fischer-Lichte, S. 112 f., 1776 war dies in Wien der Fall, 1777 folgte Mannheim, 1786 Berlin und 1789 München. 271

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zunächst keinen derartigen Zwängen ausgesetzt. Solange sich die Abgabenlast in Grenzen hielt und die Domänen wenigstens subsidiär zur Finanzierung der Staatslasten beitrugen, machte sich die Öffentlichkeit kaum Gedanken über die Folgen eines möglichen Übergangs der Landeshoheit auf den Staat. Folglich zog sich die Entwicklung, welche bei den Kultureinrichtungen nur wenige Jahrzehnte währte, bei den Domänen über einen längeren Zeitraum hin. 2. Regelungen in europäischen Monarchien des 18. Jahrhunderts Früher noch als im Alten Reich setzten Veränderungen am Domäneneigentum in den europäischen Monarchien ein, deren Verfassungsentwicklung Einfluss auf die deutschen Staaten hatte. Dies führte dort mit der Zeit zu einer recht einheitlichen Beurteilung der Eigentumsfrage. a) Großbritannien Das ab 1706279 mit Schottland vereinigte Königreich war auf dem Weg hin zur parlamentarischen Monarchie bereits weit vorangeschritten. Dies hatte zur Folge, dass bereits im Jahre 1697 ein Civil List Act verabschiedet worden war.280 Von den bewilligten Mitteln mussten die Kosten der Hofhaltung, die Gehälter der Gesandten, der Richter und der Zivilbeamten getragen werden. Daraus erklärt sich der merkwürdig anmutende Begriff der Zivilliste, einer Liste von Beamten, die aus ihr zu bezahlen waren.281 Im Jahre 1760282 gingen die Krondomänen gegen dauerhafte Bewilligung einer Zivilliste durch das Parlament in die Verwaltung der öffentlichen Behörden über. Das Eigentum der Krone blieb aber bestehen.283 Den Mitgliedern des Königshauses ist darüber hinaus bis heute in beträchtlichem Umfang privates Grundvermögen verblieben.284 b) Frankreich In Frankreich hatte das Königshaus das früher lehnbar verliehene Reichsgut samt manchem Stammgut im Laufe der Jahrhunderte durch Kauf, Schenkung, 278 Minges, S. 176; etwa das Fridericianum in Kassel (1779) und die Glyptothek in München (1816–1830), Nipperdey, S. 546. 279 Union with Scotland Act 1706, bei Wallington/Lee, S. 10 ff. 280 Williams, S. 50 ff. 281 Hatschek, 1. Teilband, S. 646. 282 Gneist, S. 160 ff.; Mackenzie, S. 147 ff. 283 Hatschek, 1. Teilband, S. 82 f., Lyall, S. 92 f. 284 Alder, S. 232.

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Heirat oder Erbschaft zu einem großen Teil zurückerhalten.285 Es wurde als Staatsvermögen verstanden, seine Einnahmen flossen dem Staatshaushalt zu.286 Das Staatsvermögen wuchs mit der Revolution aufgrund der Verstaatlichung von Kirchengütern im Jahr 1790 nochmals an.287 Die privaten Besitzungen des Königs wurden durch die Verfassung vom 3. September 1791 dem Staat einverleibt.288 Die königliche Verfügungsgewalt sollte fortan nur noch auf die Funktion als Staatsorgan beschränkt sein und mit dem Tod des Königs auf den Thronfolger übergehen. Im Gegenzug wurde dem König für die Dauer seiner Regentschaft eine Zivilliste zugesprochen. Die Charte von 1814 bestätigte diese Regelung.289 c) Polen Bis ins 18. Jahrhundert hinein war Polen ein Wahlkönigtum. Daher konnte kein polnischer König dieser Zeit in seiner Funktion als König Eigentum vererben. Die Domänen waren also Staatseigentum und wurden von einer durch den Sejm eingesetzten Quartankommission verwaltet.290 Die Verfassung des Herzogtums Warschau brach mit dieser Tradition endgültig, nachdem schon die Verfassung von 1791 – die erste kontinentaleuropäische Verfassungsurkunde – den Weg in diese Richtung gewiesen hatte291. Der herzoglichen Krone sollten als jährliches Einkommen Erträge von Landgütern oder königlichen Domänen zur Verfügung stehen.292 Der Verfassung von 1815 zufolge bestanden schließlich die Güter der königlichen Krone aus auf Rechnung des Königs verwalteten Krondomänen und bestimmten königlichen Palästen.293 3. Gesetzliche Regelungen im Deutschland des 18. und 19. Jahrhunderts In Deutschland fanden insbesondere in den großen Flächenländern spätestens im frühen 19. Jahrhundert gesetzliche Übertragungen der Domänen auf den Staat statt. 285 v. Rotteck, Eintrag Domaine, S. 91; offenbar konnte in Frankreich seit 1607 der Regent Eigentum nur noch für den Staat erwerben, Maurenbrecher, Grundsätze, S. 366, Anm. a). 286 Hartmann, Die Steuersysteme in Frankreich und England, in: Hinrichs/Schmitt/ Vierhaus, S. 43 ff., 47. 287 Schremmer, S. 67. 288 Kap. II, Abschnitt 1, Art. 9, bei Pölitz, Bd. II, S. 8. 289 Art. 23 der Charte, bei Pölitz, Bd. II, S. 91. 290 Hintze, Verfassungsgeschichte Polens, in: Hintze, S. 511 ff., 554. 291 Art. VII Abschnitt 8 der Verf. von 1791, bei Pölitz, Bd. III, S. 12. 292 Art. 10 der Verf. von 1807, bei Pölitz, Bd. III, S. 17. 293 Art. 157 der Verf. von 1815, bei Pölitz, Bd. III, S. 33.

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a) Preußen In Preußen bestimmte König Friedrich Wilhelm I. (1688–1740) am 13. August 1713, dass alle bis dato erworbenen und zu erwerbenden Ländereien, Güter und Einkünfte seiner „Cron und Chur auff ewig incorporiert, den unter denselben hiebevor gemachten Unterschied von Schatoul – ordinairen CammerGütern in totum aufgehoben und diesen neuen Acquisitionen die Natur und Eigenschaft rechter Domanial-Cammer- und Taffel-Güter“294 zukommen und jede Veräußerung derselben nichtig sein sollte. Mit der Vereinigung der Steuerund der Kammerverwaltung zu einem Generaldirektorium im Jahre 1723 unternahm der König einen weiteren Schritt hin zur Vereinheitlichung der Verwaltung des Kammervermögens. Abgeschlossen wurde dieser Prozess mit dem Allgemeinen Landrecht, das bestimmte, die Domänen- und Kammergüter seien besonderes Eigentum des Staates.295 b) Bayern In Ansätzen zeigte sich ein solcher Prozess Ende des 18. Jahrhunderts auch in Bayern.296 Bereits im Jahr 1796 hatten sich Herzog Maximilian Joseph IV. (1756–1825) und Herzog Wilhelm (1752–1837) im Ansbacher Hausvertrag auf Grundsätze der Behandlung der Domänengüter verständigt. Dabei wurde vorausgesetzt, dass die Domänen einen wichtigen Teil der „Staatseinkünfte und des Hausfideikommisses“ darstellten.297 Konsequenterweise schränkte man insbesondere die Veräußerung von Domänengütern erheblich ein.298 Schon wenige Jahre später ging die bis dahin eigenständige Verwaltung der Kabinettsgüter auf die Hofkammer über,299 was einen ersten Schritt zur Kassenvereinigung darstellte. Nachdem es zunächst formell noch bei der Trennung von Kammer- und Staatsvermögen geblieben war, wurden mit der Fideikommisspragmatik vom 20. Oktober 1804 alle Stammgüter, Regalien und Renten mitsamt dem Zubehör zu einer einzigen unteilbaren und unveräußerlichen Fideikommissmasse erklärt.300 Dieser Staats- und Haus-Fideikommiss wurde ausdrücklich von der Privatverlassenschaft, den Allodien getrennt.301 Das vorgeschriebene grundsätzliche Veräußerungsverbot betraf zunächst alle Rechte der Landeshoheit302 sowie 294 Edikt von der Inalienabilität deren alten und neuen Domänengüter vom 13. August 1713, bei Schulze, Bd. 3, S. 737 f. 295 ALR II 14 § 11, bei Hattenhauer, S. 590; vgl. auch Anderssen, S. 64 ff. 296 v. Seydel, Bd. 1, S. 132 f. 297 Bei Schulze, Bd. 1, S. 302. 298 Bei Schulze, Bd. 1, S. 302. 299 Verordnung vom 18.III.1799, bei v. Aretin, S. 67. 300 Churpfalzbaierisches RegBl. 1805, Sp. 164. 301 Churpfalzbaierisches RegBl. 1805, Sp. 166.

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die Staats- und Kammergüter, ebenso deren Gefälle.303 Von diesem Verbot waren die Verfügungen des regierenden Fürsten ausgenommen, „welche innerhalb der Gränzen des Ihm zustehenden Regierungs-Rechts, nach dem Zwecke der Wohlfahrth des Staates mit Auswärtigen oder mit Unterthanen im Lande über Stamm- und Staatsgüter vorgenommen worden sind“.304 Die am gleichen Tage erlassene Schuldenpragmatik brachte die Trennung zwischen fürstlichem Privatvermögen und Staatsvermögen vielleicht noch deutlicher zum Ausdruck, indem sie verbot, zu privaten Zwecken gemachte Schulden als staatliche anzuerkennen.305 Beide Rechtsakte erhielten den agnatischen Konsens.306 Vermögensrechtlich war ab diesem Zeitpunkt vom öffentlichen Eigentum an den Domänengütern auszugehen. Dies bedeutete freilich noch keine kassentechnische Vereinigung von Domänen- und Steuererträgen. Eine solche erfolgte erst im Jahr 1807.307 Die Verfassungen von 1808 und 1818 inkorporierten die beiden Pragmatiken des Jahres 1804.308 Dabei ging die Verfassungsurkunde von 1818 über die vorherigen Formulierungen hinaus, indem sie nur noch von Staatsgut sprach.309 Trotz des klaren Wortlauts war diese Verfassungsbestimmung umstritten. Vereinzelt wurde gar die Ansicht vertreten, der Wortlaut der Verfassungsurkunde habe überhaupt keine eigenständige Bedeutung. Die Kammergüter und Domänen seien nur insofern Staatsgüter, als das Recht des Besitzes und der Vererbung staatlich geregelt werden könne.310 So weit ging die Mehrheit der Rechtsgelehrten nicht. Zwar hielt auch sie die Bestimmungen des III. Titels für die „wenigst gelungenen“ der Verfassungsurkunde.311 Gleichwohl war man sich einig, dass in der Verfassungsurkunde endgültig Staatsrecht und Privatrecht getrennt und die Domänen als Staatsgut anerkannt worden waren.312

302

Churpfalzbaierisches RegBl. 1805, Sp. 167. Churpfalzbaierisches RegBl. 1805, Sp. 170. 304 Churpfalzbaierisches RegBl. 1805, Sp. 172. 305 Churpfalzbaierisches RegBl. 1805, Sp. 209. 306 Churpfalzbaierisches RegBl. 1805, Sp. 212 f. 307 Königl.-Baier. RegBl. 1807, Sp. 481 f., 974. 308 II. Titel, § 11 der Konstitution von 1808, bei Pölitz, Bd. I, S. 98; III. Titel, § 3 der Verf.-Urk. von 1818, bei Pölitz, Bd. I, S. 137. 309 III. Titel, § 3 der Verf.-Urk., bei Pölitz, Bd. I, S. 137; auch hierzu lag der agnatische Konsens vor, vgl. v. Seydel, Bd. 1, S. 104. 310 v. Moy, S. 142. 311 v. Seydel, Bd. 2, S. 376; Spies, S. 62 ff. 312 Spies, S. 66; Zachariae, Bd. 2, S. 435 f. Anm. 2 Ziff. 1; v. Seydel, Bd. 2, S. 376 f., Seydel weist aber darauf hin, dass damit nicht das Königreich Bayern Eigentümer geworden ist, sondern seiner Meinung nach der König als Staatsorgan bzw. der königl. Fiskus, ders., a. a. O., S. 369 f. 303

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c) Württemberg In Württemberg wurde die Eigenschaft des privaten Hofdomänekammergutes nach 1805 nicht mehr verändert.313 Dagegen wurde der Teil des Hofkammergutes, der schon seit jeher zur Bestreitung eines Teils des Regierungsaufwandes bestimmt war, mit Inkrafttreten der Verfassung von 1819 zu Staatsgut erklärt.314 d) Hessen-Darmstadt Die Verfassungsurkunde von 1820 nahm eine Aufteilung der Domänen in staatliches und privates Eigentum vor.315 Dabei wurde ein Drittel der gesamten Domänen auf den Staat übertragen, die übrigen zwei Drittel blieben Familieneigentum des großherzoglichen Hauses. e) Sachsen Im Königreich Sachsen wurden mit Erlass der Verfassungsurkunde von 1831 die Domänen zu Staatsgut erklärt, das in seinem gesamten Umfang auf den jeweiligen Thronfolger übergehen sollte.316 Davon zu trennen waren das königliche Hausfideikommiss als Eigentum des königlichen Hauses317 und das königliche Privateigentum.318 f) Österreich Ähnlich wie in Preußen erhob das österreichische ABGB die Kammergüter und Regalien zu Staatsvermögen, welche der Landesfürst als Oberhaupt des Staates besaß.319 Privateigentum war seitdem nur noch, was der Landesfürst als Privatperson sein eigen nannte.320 Die Grundgesetze der Jahre 1861 und 1867 beließen es bei dieser Regelung.321

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Locher, S. 24. Locher, S. 28; in seiner Thronrede vom 5. März 1817 hatte König Wilhelm I. den neuen Verfassungsentwurf vorgestellt und dabei betont, „als Besitzer des engeren Familien-Fidei-Commisses für [sich] und [seine] Nachfolger in die Reihe der PrivatGüterbesitzer“ zu treten. Dies bestätigte dann § 103 der württ. Verf.-Urk. von 1819, bei Pölitz, Bd. I, S. 444. 315 Artt. 6, 7 der Verf.-Urk. von 1820, bei Pölitz, Bd. I, S. 677 ff., 678. 316 § 17 der Verfassungsurkunde vom 4.IX.1831, bei Pölitz, Bd. I, S. 220 ff., 222. 317 § 20 der Verfassungsurkunde vom 4.IX.1831, bei Pölitz, Bd. I, S. 220 ff., 223 f. 318 § 21 der Verfassungsurkunde vom 4.IX.1831, bei Pölitz, Bd. I, S. 220 ff., 224. 319 §§ 287, 289 ABGB. 320 Reyscher, S. 169. 314

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g) Die übrigen deutschen Fürstentümer Neben der Verwandlung der Domänen in Staatsgut gab es in den deutschen Staaten auch Regelungen, welche das fürstliche Privateigentum an den Domänen ausdrücklich festschrieben.322 Ansonsten blieb eine positivrechtliche Regelung, welche Güter Staats- oder Privateigentum sein sollten, vorerst aus.323 4. Die in der damaligen Literatur vertretenen Ansichten zur Lage in den übrigen deutschen Staaten Solange und soweit gesetzliche Regelungen über die vermögensrechtliche Zuordnung der Domänen ausblieben, entwickelte sich im staatswissenschaftlichen Schrifttum des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts eine angeregte Diskussion über die Rechtsnatur des Domänenvermögens. Diese Diskussion beruhte auch auf mancherlei Missverständnissen, insbesondere darauf, dass man teilweise die Vermögensfähigkeit des Staates noch nicht zu denken bereit war und stattdessen Landes- und Staatseigentum gleichsetzte, was in der damaligen Terminologie ständisches Eigentum bedeutete. a) Die Domänen als Privateigentum des Fürsten Einer Ansicht zufolge stand das Eigentum an den Domänen dem Landesherrn zu, solange nichts Abweichendes vereinbart worden war324. Die Domänen hätten seit alters her – ungeachtet ihrer Pertinenzqualität325 – im Privatvermögen der „Herrn und Dynasten“ gestanden und seien so vererbt worden.326 Dabei hätten weder Landstände noch Untertanen Rechte an den Domänen gehabt.327 Staatliches Eigentum könne ohne Rechtsänderung nur dann angenommen werden, wenn der Staat einmal Eigentum und Nutznießung derselben gehabt habe 321 § 10 lit. c) des Grundgesetzes über die Reichsvertretung von 1861; § 11 lit. c) des Grundgesetzes über die Reichsvertretung von 1867, bei Reiter, S. 91, 114. 322 In Nassau, Präambel zum Patent vom 1./2. Sept. 1814, bei Pölitz, Bd. I, S. 1010 und, wenn auch nicht ganz eindeutig, in Baden, § 59 der Verf.-Urk., bei Pölitz, Bd. I, S. 467. 323 Dies betraf Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Braunschweig, Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Coburg-Gotha, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, die beiden Reuß, Schaumburg-Lippe und Lippe. Vgl. die Übersichten bei Zachariae, Bd. 2, S. 433 ff.; Reyscher, S. 169 ff.; Degen, S. 14 ff. und Weil, S. 60 ff. Positivrechtlich ungeregelt blieb die Eigentumsfrage zunächst auch in Waldeck, vgl. dazu Jensen, S. 33 ff. 324 Moser verweist dabei auf England und Polen, Von der Teutschen Reichs-Stände Landen, S. 208; für Deutschland Maurenbrecher, Grundsätze, S. 367, Anm. q). 325 Zachariae, Das rechtliche Verhältnis des fürstlichen Kammerguts, S. 24 f. 326 Moser, Von der Teutschen Reichs-Stände Landen, S. 208. 327 Moser, Von der Teutschen Reichs-Stände Landen, S. 210.

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und er die Nutznießung alsdann unter Eigentumsvorbehalt dem Fürsten überlassen hätte.328 Diesen Rechtszustand habe Artikel 27 der Rheinbundsakte329 nicht nur den mediatisierten, sondern a minore ad maius den regierenden Fürsten erhalten.330 Je nachdem, welche erbrechtliche Regelung im jeweiligen Fürstenhause herrschte,331 sollte der Fürst als Stammherr332 Eigentümer der Domänen oder lediglich Familienfideikommissinhaber sein.333 Unter der Prämisse der Rechtspersönlichkeit des fürstlichen Hauses334 wurden die Domänen von anderen als Eigentum der fürstlichen Familie betrachtet.335 Unterschiedlich beurteilte man auch die Auswirkungen der Pertinenzqualität auf die Domänen. Zum Teil räumte man dem Privatrecht den Vorrang ein und wollte dementsprechend für den Fall des Aussterbens des regierenden Hauses die Domänen den Allodialerben zufallen lassen.336 Dies hätte im Fall der Mediatisierung dazu geführt, dass die Domänen beim vormals herrschenden Haus verblieben wären. Teilweise rückte man – unter Verweis auf die von Preußen 1866 durchgeführten Einverleibungen verschiedener deutscher Bundesstaaten – die Pertinenzqualität in den Vordergrund.337 Demnach wären die Domänen etwa im Falle einer Mediatisierung an den Staat gefallen, ohne dass es einer Zwangsenteignung bedurft hätte.338 Konsequenterweise hätte dieser Teil der das Privateigentum bejahenden Lehre dann aber auch dem rechtspersönlichen und souveränen Staat automatisch das Eigentum an den Domänen zuschreiben müssen,339 da die Souveränität nur die volle Ausprägung der Landeshoheit war.

328

Moser, Von der Teutschen Reichs-Stände Landen, S. 209. Bei Pölitz, Bd. I, S. 7. 330 Zachriae, Das rechtliche Verhältnis des Kammerguts, S. 22 f.; dagegen Reyscher, S. 157, der im Wortlaut keine Garantie eines bestehenden Zustandes erkennen kann. 331 Diese im Grunde nach der Trägerschaft der Familienautonomie fragende Problematik konnte bis zum Ende der Monarchie nicht grundsätzlich geklärt werden, vgl. Mizia, S. 205 ff., 211. 332 Mejer, Grünhut’s Zeitschrift 5 (1878), S. 247; ders., Grünhut’s Zeitschrift 6 (1879), S. 200. 333 Vollert, Natur des Kammervermögens, S. 26 f.; ähnlich auch Zachariae, Das rechtliche Verhältnis des Kammerguts, S. 37; Zoepfl, Bemerkungen zu A. L. Reyschers, S. 28 ff. 334 Beseler, Grünhut’s Zeitschrift 5 (1878), S. 540 ff., 543; Gierke, Grünhut’s Zeitschrift 5 (1878), S. 557 ff., 589 f. 335 v. Berg, S. 11 ff.; Leist, § 28, S. 92; Rehm, S. 328. 336 Zoepfl, Bd. II, S. 684. 337 Rehm, S. 330 f. Rehm legt dabei freilich der Pertinenzqualität eine größere Bedeutung bei als dem dabei praktizierten Recht des Siegers. 338 Rehm, S. 328. Rehm trennt dabei das Krongut, das mit Staatsgut gleichgesetzt werden kann, nicht sauber vom Privateigentum an den Domänen. 339 Soweit wollte Rehm nicht gehen. Er forderte nach wie vor eine gesetzliche Umwandlung; Rehm, S. 333 f. 329

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b) Die Domänen als Staatseigentum Ein Teil der Staatsrechtslehre war dagegen der Auffassung, dass die Domänen wie in Preußen Staatsgut seien.340 Mit der Vereinigung der fürstlichen und ständischen Kassen sei eine neue Vermögensmasse entstanden, welche weder dem Fürsten noch den Ständen gehören könne. Folglich müsse der Staat – die beide umfassende Körperschaft – Eigentümer geworden sein.341 Im Übrigen wurde vom Zweck des Domänenvermögens, vornehmlich der Bestreitung der Staatsaufgaben zu dienen – Steuern wurden nur zu bestimmten Zwecken und nur dann erhoben, wenn die Domänenerträge nicht ausreichten –, auf seine rechtliche Natur geschlossen.342 Daneben führte man die meist nur mit Zustimmung der Stände zulässige Veräußerung der Domänen an, welche auf ein Miteigentumsrecht schließen lasse.343 Entscheidendes Argument war aber die Herkunft der meisten Domänen als vormalige Reichslehen. Mit dem Ende des Reiches seien die lehnrechtlichen Verpflichtungen dem Kaiser gegenüber endgültig weggefallen. Einer Einverleibung in das Privatvermögen des jeweiligen Fürsten hätte nach dieser Ansicht die Pertinenzqualität dieser Lehen ebenso widersprochen wie der öffentlich-rechtliche Charakter des Eigentumsübergangs.344 c) Vermittelnde Ansichten Zwischen diesen gegensätzlichen Meinungen siedelte Nikolaus Thaddäus Gönner (1764–1827) schon vor 1806 die Kammergüter der deutschen Fürsten an.345 Sie seien einerseits wie jedes Privatgut der Reichsbesteuerung unterworfen und dienten dem Unterhalt des Regenten und seiner Familie.346 Gleichzeitig müssten sie aber zu den Landeslasten einen Teil beitragen, der nicht geringer sein dürfe als der Beitrag des Landes durch Steuern.347 Solange der Kammerbeitrag in die Landeskasse flösse, sei der Fürst frei, über die restlichen Mittel zu verfügen, und sei dabei auch nicht an die Mitwirkung der Agnaten gebunden. Erst eine Veräußerung der Kammergüter oder deren Abtretung an den Staat würde den Beitritt der Agnaten erforderlich machen.348 An diese Ein-

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Klüber, § 253. Vgl. Reyscher, S. 149 ff.; auch wenn er eine vermittelnde Meinung einnimmt, bleibt dieses Argument auch für diese staatsrechtliche Auffassung von Bedeutung. 342 Luther, S. 102 f.; Reyscher, S. 101 ff. 343 Luther, 109 f. 344 Reyscher, S. 143 ff.; ähnlich Luther, S. 116. 345 Gönner, Bd. II, § 450, S. 217 f. 346 Gönner, Bd. II, § 450, S. 218. 347 Gönner, Bd. II, § 450, S. 218 f.; grundsätzlich sollte die Höhe des zu leistenden Anteils dem Partikularstaatsrecht vorbehalten bleiben. 348 Gönner, Bd. II, § 450, S. 219. 341

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schätzung knüpfte August Ludwig Reyscher (1802–1880) an. Er bezeichnete das Domänenvermögen als vom Lande unzertrennlich, aber dem Landesherrn „als solchem“ zu eigen.349 Dementsprechend käme den Domänen auch nur hinsichtlich des Gerichtsstandes, der Verjährung und der Besteuerung der Charakter eines Staatsgutes zu.350 Vertreten wurde auch die Position, dass der jeweilige Erwerbstitel zu erkunden und dann über die Rechtsnatur jedes einzelnen Gutes zu befinden sei.351 5. Zusammenfassung und Bewertung Eine Verallgemeinerung der Beurteilung des Eigentums an den Domänen ist ohne Berücksichtigung des jeweiligen Erwerbstitels sicher nicht angebracht. Vor allem verbietet sich aber die Festlegung auf eine der angeführten Auffassungen, denn die geschilderten Meinungen spiegelten, parallel zur Diskussion um die Staatspersönlichkeit, nur den jeweiligen staatsrechtlichen Zustand einzelner Staaten wider. Dort, wo der Wandel des Fürsten vom Herrn zum Haupt abgeschlossen und der Staat rechtsfähig geworden war, konnten und mussten wohl die Domänen infolge ihrer Pertinenzqualität zu Staatseigentum erklärt werden.352 In anderen Ländern schwiegen die Verfassungsurkunden zur Funktion des Fürsten und ließen die Domänenfrage entsprechend in der Schwebe. So umschrieb etwa die badische Verfassung von 1818 die Stellung des Großherzogs, verzichtete aber auf eine konkrete Festlegung.353 Gleichzeitig wurde von Verfassungs wegen keine klare Festlegung in der Eigentumsfrage getroffen.354 Eine Orientierung an der Pertinenzqualität der Domänen erwies sich als schwierig, da unklar blieb, wer als Träger der Landeshoheit und damit Eigentümer der Domänen anzusehen war – der Fürst oder der Staat. Wo das altständische System noch intakt war, blieb der Fürst als Landes- und Stammherr oder das Fürstenhaus ohne weiteres Eigentümer der Domänen, was aber zu Auseinandersetzungen mit den Ständen führte.355 Teilweise wurde das 349

Reyscher, S. 140. Reyscher, S. 140. 351 v. Rotteck, S. 92 ff. 352 Verfassungsurkunde des Königreichs Bayern 1818, Titel III, § 3, bei Pölitz, Bd. I, S. 137; auch in Preußen, gem. ALR II 14 § 11, bei Hattenhauer, S. 590; Württemberg, §§ 102, 103 der Verf.-Urk. von 1819; teilweise auch Hessen-Darmstadt (ein Drittel), Art. 6 der Verf.-Urk. von 1820; letztere bei Pölitz, Bd. I. 353 Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Baden, § 5, bei Pölitz, Bd. I, S. 462. 354 Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Baden, § 59, bei Pölitz, Bd. I, S. 467; vgl. Walz, S. 249. 355 Vgl. zu Sachsen-Weimar, Ortloff, S. 33 ff. und zu Sachsen-Meiningen, Reyscher, S. 297 ff. 350

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fürstliche Eigentum und damit das patrimoniale System ausdrücklich festgeschrieben.356 Eine Zwischenlösung stellte die mit der Aufteilung des Domänenvermögens kombinierte Einführung staatsrechtlicher Strukturen dar.357 In den europäischen Staaten zeigte sich kein derart enger Zusammenhang zwischen der Ausbildung des vermögensfähigen Staates und der Eigentumslage der Domänen. In Großbritannien, wo bis heute nicht vom Staat, sondern von der Krone als Subjekt der Vermögenszuordnung gesprochen wird, wurden die Domänen in die Parlamentsverwaltung überführt, ohne etwas an der Eigentumslage zu ändern. In Frankreich bestand schon vor der Revolution staatliches Domäneneigentum, es wurde nach Änderung der Souveränitätsverhältnisse lediglich erweitert. Polen war schließlich als Wahlkönigtum ein Sonderfall, dort dürfte das Staatseigentum mit dem Eigentum des durch den Sejm vertretenen Landes gleichzusetzen gewesen sein. Insgesamt zeigt sich aber eine Bestätigung der These Albrechts. Dort, wo die geforderte Ablösung des Staatsrechts vom Privatrecht erfolgt und der Landesherr Staatsoberhaupt geworden war, gingen die Domänen regelmäßig in staatliches Eigentum über, was das Vorliegen staatlicher Rechtspersönlichkeit bestätigt. Blieben die Domänen dagegen Privatgut, zeigte sich auch keine Veränderung der Stellung des Landesherrn. Dies bestätigt zugleich, dass sich keineswegs deutschlandweit die Fürstentümer zu Staaten ernennen ließen, sondern zu einem Großteil an ihren alten Traditionen festhielten.

B. Die Ertragshoheit über die Domänenerträge und die Folgen für das ständische Budgetrecht Waren die Domänen in das Eigentum des Staates überführt, flossen ihre Erträge auch der Staatskasse zu.358 Wo allerdings der rechtliche Status der Domänen in der Schwebe blieb, war die Frage der Ertragshoheit offen, was zu Auseinandersetzungen in Wissenschaft und Praxis Anlass gab. Im Unterschied zur Eigentumsfrage bildete aber weniger die Entwicklung von der Landesherrschaft zum neuzeitlichen Staat den Ausgangspunkt der Problematik, sondern eher der dem Ständewesen anhaftende Dualismus zwischen Landesherr und Landständen. 356

In Nassau, Präambel zum Patent vom 1./2. Sept. 1814, bei Pölitz, Bd. I, S. 1010. Zu einem Großteil in Hessen-Darmstadt (zwei Drittel), Art. 7 der Verf.-Urk. von 1820, bei Pölitz, Bd. I, S. 678 und später auch in Sachsen-Meiningen, Gesetz vom 20.VII.1871, Landesherrliche Verordnungen des Herzogthums Sachsen-Meiningen, 1. Abt., S. 674 ff. 358 Zu dieser Selbstverständlichkeit Anderssen, S. 65; vgl. zu Preußen außerdem § 2 des Edikts und Hausgesetzes vom 6.XI.1809, über die Veräußerlichkeit der königlichen Domainen, bei Schulze, Bd. 3, S. 751. 357

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I. Die Finanzierung der Regierungsaufgaben im altständischen System 1. Fürst und Stände Landstände begleiteten die Entwicklung der Landesherrschaft in unterschiedlichen Ausprägungen von Anfang an. Ausgehend von den vormaligen Hoftagen der Fürsten und den Lehenskurien der Vasallen, welche zur Beratung ihres Herrn verpflichtet waren, wandelte sich die Pflicht zu Rat und Hilfe in ein Recht auf Landstandschaft.359 Nahezu zeitgleich mit dem Erlass des statutum in favorem principum erging im Jahre 1231 ein Reichsspruch des königlichen Hofgerichts „ut neque alii quilibet constitutiones vel nova iura facere possint, nisi meliorum et maiorum terre consensus primitus habeatur“.360 In den folgenden Jahrhunderten behaupteten oder erstritten die Landstände unterschiedliche Befugnisse. Auch ihre Zusammensetzung war nicht überall gleich (zumeist Adel, Geistlichkeit, Städte).361 Johann Jacob Moser definierte den Begriff der Landstände zum Ende ihrer Blüte als diejenigen „Personen oder Gemeinden, welche, Krafft der Landes-Freiheiten und Herkommens, von dem Landes Herrn in gewissen Landes-Angelegenheiten um ihren Rath, oder auch Bewilligung, angesprochen werden müssen, auch sonsten mancherley des Landes Wohlfarth betreffende Sache zu dirigieren, zu veranstalten, oder doch dabey etwas zu sagen haben“.362 Diese Begriffsbestimmung vermochte zwar das Wesen der Landstände im Alten Reich allgemein zu beschreiben, aufgrund der vielfältigen Unterschiede war Moser jedoch zu einer Abstraktion gezwungen, welche die einzelnen Konturen völlig verschwimmen lässt. Gleichwohl kommt ein Wesenszug klar zum Ausdruck: die Gegenüberstellung von Fürst und Landständen. Diese entwickelte sich bis zum Ausgang des Mittelalters zum Gegensatz, dem so genannten – hier nur haushaltrechtlich interessierenden – Dualismus.363 2. Die Finanzierung der Regierungsaufgaben durch den Fürsten Im Mittelalter konnten die Bedürfnisse der Landesherren, die sich im Wesentlichen auf Hofhaltung und Heerfahrt beschränkten,364 nur schwer aus Steuermitteln bestritten werden; es fehlte vor allem die wichtigste Voraussetzung der 359

Mitteis/Lieberich, S. 275. Zeumer, S. 52; Übersetzung: „dass weder Fürsten noch andere Herren Gesetze oder neue Rechte geben können, solange nicht die Vornehmen und Großen des Landes ihre Zustimmung gegeben haben.“ 361 Kimminich, S. 117 ff. 362 Moser, Von der Teutschen Reichs-Stände Landen, S. 322. 363 Mitteis/Lieberich, S. 276. 364 Kruse, S. 2. 360

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Steuererhebung: das Bargeld. Zwar lassen sich auch im frühen Mittelalter deutliche Spuren des Handels und des Verkehrs im Rahmen einer begrenzten Geldwirtschaft entdecken, doch überwog infolge des Mangels an Münzgeld die Naturalwirtschaft bei weitgehend agrarischer Lebens- und Denkweise.365 Der mit dem Aufblühen des Handels verbundene steigende Bedarf an Bargeld konnte kaum befriedigt werden, herrschte doch immer wieder Münznot. Bedingt war dies durch die hohen Herstellungskosten und den zuweilen bestehenden Mangel an Edelmetallen.366 Hinzu kam die Vielfalt der Prägestätten im Alten Reich, welche einen kontinuierlichen Geldumlauf behinderte.367 Daher mussten die Fürsten die ihnen entstehenden Kosten überwiegend aus den Erträgen ihrer Kammergüter und Regalien und durch die Inanspruchnahme persönlicher Leistungen bestreiten.368 Das vorkonstitutionelle Finanzverfassungsrecht beruhte also auf der Verfügungsmacht des Landesherrn über Grund und Boden seines Landes.369 Auch später waren die Kammereinnahmen zur Tragung sämtlicher Regierungslasten bestimmt.370 Erst mit dem Vordringen der Geldwirtschaft, also spätestens im 15. Jahrhundert, wuchs die Bedeutung von Steuern für die Finanzierung der Regierungsaufgaben.371 Doch hinderte das am Herkommen orientierte Rechtsdenken und die noch nicht vorhandene zentrale Staatsverwaltung372 den Landesherrn daran, von wenigen Ausnahmen abgesehen373, Abgaben einseitig befehlend durchzusetzen. Abgaben hätte er nur als Grundherr fordern können.374 3. Die Mitwirkung der Stände bei der Finanzierung der Regierung Zu den Aufgaben der Landstände zählten insbesondere die Steuerbewilligung, Steuererhebung und Steuerverwaltung.375 Auch hier bestanden zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Reichsständen, gleichwohl können einige allgemeingültige Prinzipien aufgestellt werden:

365

Boelcke, S. 37. Trapp, S. 83; Boelcke, S. 87. 367 Verzeichnis bei Suhle, S. 181 ff. 368 Kruse, S. 1 f. 369 Mußgnug, Der Staat (Beiheft 9), S. 79. 370 Strube, in: Spangenberg, DXXV. Bedenken, § V., S. 428. 371 Insbesondere bezüglich des Heerwesens, Stolleis, Pecunia nervus rerum, S. 68. 372 Mußgnug, ZNR 24 (2002), S. 290 ff., 299. 373 So gehörten zu den Kammereinkünften auch Abgaben, welche heute als Verbrauchssteuern angesehen würden, Mußgnug, Der Staat (Beiheft 9), S. 80. 374 v. Seydel, Das Staatsrecht, S. 3. 375 Moser, Von der Landeshoheit in Steuer-Sachen, S. 589, 648. 366

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– Auf den Landtagen holte sich der Landesherr Rat und Hilfe und bat insbesondere von Zeit zu Zeit und keineswegs kontinuierlich um die Bewilligung von Steuern (sog. Bede oder Beisteuer376). – Der Bede entsprachen die Stände regelmäßig, wenn die Mittel, welche der Fürst aus eigenen Quellen wie den Domänen gewann, nicht ausreichten,377 um so genannte notwendige Regierungsausgaben zu bestreiten oder außerordentliche Lasten zu tragen (sog. Subsidiarität der Besteuerung).378 Von der Subsidiarität ausgenommen waren in späterer Zeit die zugunsten des Reiches zu erhebenden Mittel.379 – Der Fürst musste daher genau beziffern380, wie viel Geld er noch benötigte und wofür er es auszugeben gedachte (Zweckbindung der Steuererhebung).381 – Sollten die Steuermittel derart zweckgebunden verwendet werden, mussten die Stände effektive Möglichkeiten der Ausgabenkontrolle finden. Da die Fürsten wenig geneigt waren, diesem Begehren entgegenzukommen, entwickelte sich neben der Kammerkasse ein eigenständiges System ständischer Kassen (sog. Landkästen, Landschaftskassen, Landschaftseinnehmereien oder Landesarearien).382 Die Stände verwahrten dort die erhobenen Steuermittel, bis sie aus den vereinbarten Gründen abgerufen wurden.383 Neben diesen steuerlichen Befugnissen erstritten sich einzelne Stände das Recht, auch über die Veräußerung landesherrlicher Güter befinden zu dürfen. Weniger der Wunsch nach eigener Hoheit über diese Ländereien motivierte hierzu,384 sondern weit mehr die Sorge, eine ausufernde Veräußerungspraxis werde das Vermögen des Landesherrn derart abschmelzen lassen, dass die Regierungsaufgaben nur noch aus Steuermitteln bestritten werden können.385 376

Zachariae, Das rechtliche Verhältnis des fürstlichen Kammerguts, S. 29. Gönner, Bd. II, § 450, S. 218 f. 378 Etwa die berühmte Fräulein- oder Prinzessinnensteuer oder die Loskaufung aus der Kriegsgefangenschaft, vgl. Zachariae, Das rechtliche Verhältnis des fürstlichen Kammerguts, S. 29. 379 Zum Beispiel § 180 des Jüngsten Reichsabschieds, bei Buschmann, Teil II, S. 261. 380 So genannter Insuffizienz-Nachweis, vgl. Schulze, Grünhut’s Zeitschrift 2 (1875), S. 183. 381 Beispiele finden sich etwa im Vergleich des Markgrafen Albrecht von Brandenburg mit den Landständen von 1472 und im Tübinger Vertrag von 1514, bei Näf, S. 67–69, 71–77. 382 Mußgnug, Der Staat (Beiheft 9), S. 82. 383 Friauf, S. 30 f. 384 Dies versuchte Reyscher nachzuweisen. Aus dem Zustimmungserfordernis der Stände bei Veräußerungen von Kammergütern folgte seiner Meinung nach die Staatsguteigenschaft der Domänen, Reyscher, S. 122 f. 385 Zachariae, Bd. 2, S. 451. 377

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

II. Die Entstehung des modernen Finanzverfassungsrechts 1. Das Budgetrecht in europäischen Monarchien der Zeit In den europäischen Staaten, die auf die deutsche Verfassungsentwicklung maßgeblichen Einfluss hatten, zeigte sich – worauf schon die Behandlung der Eigentumsfrage hindeutet – eine andere Entwicklung. a) Großbritannien In Großbritannien hatte sich über die Jahrhunderte hinweg zunächst das parlamentarische Steuerbewilligungsrecht entwickelt. Die Bill of Rights sicherte dem Parlament zu „that levying money for or to the use of the Crown by pretence of prerogative without grant of Parliament for longer time or in other manner than the same is or shall be granted is illegal“.386 Allerdings umfasste diese schon auf die Magna Charta387 zurückgehende Zusicherung noch nicht das Recht, die Ausgaben der Krone festzusetzen.388 Erst im 18. Jahrhundert erreichten die Parlamentarier durch die dauerhafte Gewährung der Zivilliste gegenüber George III. (1738–1820) die Kontrolle über die wiederkehrenden ordentlichen Ausgaben389. Nur wenig später gelang es ihnen, auch die außerordentlichen Ausgaben durch jährliche Beschlussfassung zu kontrollieren.390 Die so entstandene Appropriationsakte enthält bis heute lediglich den Ausgabenetat, während die Steuerbewilligung durch eigenständige finance acts und damit permanent erfolgt.391 b) Frankreich Im absolutistischen Frankreich verfügte der König seit der letztmaligen Einberufung der Stände im Jahre 1614 über nahezu alle Staatseinkünfte mit der 386 Bill of Rights, bei Wallington/Lee, S. 4; Übersetzung: „dass die Erhebung von Steuern für den Gebrauch der Krone unter dem Vorwand der Prärogative ohne parlamentarische Bewilligung für längere Zeit und in anderer Weise als sie bewilligt ist oder sein soll, ungesetzlich ist.“ 387 „No ,scutage‘ or ,aid‘ may be levied in our kingdom without its general consent, unless it is for the ransom of our Person, to make our eldest son a knight, and (once) to marry our eldest daughter“, bei Davis, S. 26; Übersetzung: „Kein Schildoder Hilfsgeld darf in unserem Königreich ohne seinen [des Königreichs] gemeinsamen Beschluss erhoben werden, es sei denn zum Zwecke der Auslösung unserer Person, zum Ritterschlag unseres ältesten Sohnes und zur Verheiratung unserer ältesten Tochter.“ 388 Mackenzie, S. 147. 389 So genannter Consolidated Fund Act, Alder, S. 216. 390 Mackenzie, S. 147. 391 Hatschek, 1. Teilband, S. 455; Alder, S. 214 ff.

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Maßgabe der Registrierung der Steuerdekrete durch die einzelnen Parlamente, insbesondere das Parlament von Paris.392 Nur noch für den don gratuit des Klerus sowie die taille, einer permanenten Steuer,393 war in einem Teil des Landes die Bewilligung erforderlich.394 Dennoch musste Ludwig XVI. (1754–1793) zur Lösung der schwerwiegenden Finanzprobleme im Jahr 1789 die Generalstände einberufen.395 Die infolge der anschließenden Revolution erarbeitete Verfassung sah vor, dass sich jeder Bürger – persönlich oder durch seine Repräsentanten – von der Notwendigkeit der öffentlichen Ausgaben überzeugen, sie frei bewilligen und ihre Verwendung kontrollieren konnte.396 Daraus ergab sich unmittelbar das Ausgabenbewilligungsrecht des Gesetzgebers.397 Die Verfassung von 1793 behielt diese Regelung im Wesentlichen bei.398 In der Direktorialzeit blieb es beim Ausgabenbewilligungsrecht, auch wenn die Verfassung keine ausdrückliche Vorschrift hierüber enthielt.399 Danach wurde die parlamentarische Ausgabenbewilligung schrittweise abgebaut. Gemäß Artikel 45 der Konsulatsverfassung tätigte die Regierung die Einnahmen und Ausgaben des Staates nach dem jährlichen Finanzgesetz.400 Schließlich sah die Charte nur noch ein Steuerbewilligungsrecht der Kammern vor.401 Bereits kurze Zeit nach der Verfassungsgebung des Jahres 1814 bestätigte der Finanzminister Joseph Dominique Baron Louis (1755–1837) den Abgeordneten, sie hätten die Aufgabe, den Umfang des staatlichen Bedarfs zu erkennen und dessen Höhe festzustellen.402 Dies war zunächst umstritten,403 auch weil eine ausdrückliche Bestimmung über die Prärogative des Königs zur Ausgabenbewilligung im Gegensatz zum ursprünglichen Entwurf404 entfallen war. Letztlich befanden aber die Kammern über das Budget im Ganzen.405 392

Seidler, S. 152 f.; Jèze, S. 17. Jèze, S. 16, 394 Hartmann, Die Steuersysteme in Frankreich und England, in: Hinrichs/Schmitt/ Vierhaus, S. 43 ff., 44. 395 Furet/Richet, S. 47 f. 396 Declaration des droits de l’homme et du citoyen, Artikel XIV, bei Fauré, S. 13. 397 Kap. 3, Abschn. 1, Art. 1, Ziff. 2 der Verfassung von 1791, bei Pölitz, Bd. II, S. 11. 398 Artt. 54, 55, bei Pölitz, Bd. II, S. 25. 399 Friauf, S. 33. Art. 162 der Verf. von 1795 setzte freilich das Ausgabenbewilligungsrecht voraus, bei Pölitz, Bd. II, S. 42. 400 Bei Pölitz, Bd. II, S. 61. 401 Artikel 48, bei Pölitz, Bd. II, S. 92. 402 Jèze, S. 22. 403 Darstellung bei Friauf, S. 94 f. 404 Sellin, S. 239. 405 So ausdrücklich das Budgetgesetz vom 25. März 1817, wonach die Ausgaben die jedem Minister zur Verfügung gestellten Mittel nicht überschreiten durften und die Minister keine Ausgabe über die beschlossenen Mittel hinaus zu leisten befugt waren, Jèze, S. 22; vgl. auch Seidler, S. 173; Mußgnug, S. 114. 393

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c) Polen In Polen bestimmte der Sejm schon früh über die Einnahmen und Ausgaben des Staates. Der Staatshaushaltsplan umfasste damit Einnahmen aus Domänen, Regalien und Steuern.406 Die Verfassung vom 3. Mai 1791 führte diese Tradition fort.407 Weniger weit reichten die Befugnisse des aufgrund der Verfassung des Herzogtums Warschau errichteten Sejms, der lediglich über das Abgabenoder Finanzgesetz zu beschließen hatte.408 Deutlicher wurde erst wieder die Verfassung des Königreichs Polen von 1815, an der sich – unter anderen – die badische Regierung bei der Abfassung der Verfassungsurkunde von 1818 orientiert hat.409 Demnach war der Sejm befugt, über die Vermehrung oder Verminderung der Steuern und Abgaben und anderer öffentlicher Lasten sowie über die Abfassung des Budgets der Ausgaben und Einnahmen zu beschließen.410 2. Die Verstetigung der Steuererhebung In Deutschland entwickelte sich eine allgemeine und kontinuierliche Steuererhebung im neuzeitlichen Ständewesen erst allmählich. Ausgangspunkt war dabei in Preußen das Militärwesen. Unter der Herrschaft des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1620–1688) verpflichteten sich die brandenburgischen Stände im Jahre 1662 zur Übernahme einer regelmäßigen, jährlichen Contribution für den Militäretat.411 Den Städten war es ab 1667 gestattet, anstelle der Contributionen eine indirekte Abgabe, die Accise, einzuführen.412 Die Stände der österreichischen Länder folgten dieser Entwicklung Anfang des 18. Jahrhunderts, wenn auch zögerlich.413 In den meisten deutschen Territorien wurden die Stände zwar über den Umweg der Errichtung ständischer Ausschüsse geschwächt,414 eine Verstetigung der Steuererhebung oder gar der Übergang der Ertragshoheit auf die Kammer erfolgte dort aber bis zum Ende des 18. Jahrhunderts noch nicht.415 Grund dafür dürfte der reichsrechtliche Schutz des Ständewesens gewesen sein, welchem sich vor allem die kleineren Territorien nicht widersetzen konnten.416 406

Hintze, Verfassungsgeschichte Polens, in: Hintze, S. 511 ff., 553 ff. 6. Abschnitt, Absatz 2, bei Pölitz, Bd. III, S. 8 ff., S. 11; vgl. auch v. Unruh, S. 194 f. 408 Art. 21 der Verf. von 1807, bei Pölitz, Bd. III, S. 18. 409 v. Weech, S. 98. 410 Art. 91 der Verfassung von 1815, bei Pölitz, Bd. III, S. 29. 411 Seidler, S. 155. 412 Accise-Ordnung vom 15. April 1667, bei Altmann, I. Teil, S. 68 ff. 413 Seidler, S. 156; vgl. auch Hintze, Der österreichische und der preußische Beamtenstaat im 17. und 18. Jahrhundert, in: Hintze, S. 321 ff., 348. 414 So etwa in Bayern, vgl. v. Seydel, Das Staatsrecht, S. 3. 415 Mußgnug, Der Staat (Beiheft 9), S. 88 f. 407

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3. Die Vereinigung der Kassen Auch wenn, wie in Preußen, dem Fürsten permanente Steuereinnahmen zur Verfügung standen, blieb zunächst die Trennung zwischen der Kammerkasse und der Steuerkasse bestehen.417 Indem König Friedrich Wilhelm I. das General-Kriegs-Kommissariat und das General-Finanz-Direktorium aufhob und die Steuer- und Domänenkasse unter einheitliche Verwaltung des General-Ober-Finanz- und Domänen-Direktoriums stellte, behielt er zwar rein technisch zwei Kassen bei, vereinigte beide jedoch de facto zu einer Staatskasse.418 In den meisten deutschen Staaten wurde die Vereinigung der Kassen, wenn überhaupt,419 erst im Zuge der Napoleonischen Neuordnung Deutschlands vollzogen.420 Damit war den alten Ständen endgültig das Steuerbewilligungsrecht entzogen. 4. Die Auswirkungen der Kassenvereinigung auf die Einkünfte des Monarchen Wo nun der Fürst Staatsorgan und die Domänen Staatsgut geworden waren oder die Erträge der Staatskasse zuflossen, stellte sich die Frage nach den Einkünften des Monarchen. Er konnte sich nicht mehr aus seinen Domänen finanzieren, sondern wurde als oberster Bediensteter zum Gehaltsempfänger des Staates. Nach dem Vorbild Englands und Frankreichs fand das Institut der Zivilliste Eingang in das deutsche Verfassungsrecht. Der durch Max von Seydel (1846–1901) geprägte Begriff der Kronrente421 ist zwar präziser, er konnte sich in der deutschen Rechtssprache aber nicht durchsetzen. a) Das Modell der Staatszivilliste oder Krondotation Lediglich die Verfassungsurkunde Württembergs sah schon früh eine Aufwandsentschädigung nach den Erfordernissen der Bedürfnisse des Königs und seines Hofstaates teils in Geld, teils in Naturalien vor.422 In Bayern traf die 416

Schulze, Grünhut’s Zeitschrift 2 (1875), S. 171. Schulze, Grünhut’s Zeitschrift 2 (1875), S. 176. 418 Instruktion für das General-Ober-Finanz-, Kriegs- und Domänen-Direktorium vom 20. Dezember 1722, bei Altmann, I. Teil, S. 110 ff. 419 In Mecklenburg blieb die Kassentrennung bis zum Ende der Monarchie bestehen, vgl. Schulze, Grünhut’s Zeitschrift 2 (1875), S. 173; siehe ferner § 97 des mecklenburgischen Erbvergleichs von 1755, bei Boldt, S. 32 f. 420 So etwa in Württemberg (1805), vgl. Göz/Gaupp, S. 7, für Bayern (1807), vgl. v. Seydel, Bd. 1, S. 114; Auswirkungen hatte auch Art. 26 der Rheinbundsakte, bei Pölitz, Bd. I, S. 7. 421 v. Seydel, Bd. 1, S. 177 Anm. 5. 422 § 104 württ. Verf.-Urk., bei Pölitz, Bd. I, S. 444. 417

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Verfassung dagegen zunächst keine Bestimmung über eine Zivilliste, sie wurde vorläufig durch das jeweilige Budget festgelegt.423 Die Krondotation erfolgte damit jedenfalls aus allgemeinen Staatshaushaltsmitteln.424 An versteckter Stelle setzte im Jahr 1820 der preußische König Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) eine Zivilliste fest und radizierte425 die jährlich für die Krone festgesetzte Summe auf die Staatsdomänen.426 In Baden erhielt der Großherzog seit 1806 sein Einkommen aus dem Staatshaushalt.427 Dies blieb auch nach 1818 so, obgleich den Domänen offenbar der Charakter eines Familienprivatgutes gegeben worden war. Allerdings wurde nun vom Domänenertrag zuerst die Zivilliste abgezogen und der Restbetrag dem Staat überwiesen.428 Am öffentlich-rechtlichen Charakter der badischen Zivilliste änderte sich dadurch aber nichts.429 b) Das Modell der Privatzivilliste oder Domänenjahresrente Ähnliche Regelungen wie in Baden fanden sich in den thüringischen Staaten, wobei dort zum Teil ein Beitrag der Domänen zu den Staatslasten vollständig ausgeschlossen wurde.430 Somit erhielt der Monarch kein Gehalt vom Staat; er finanzierte seine Hofhaltung nach wie vor aus privaten Eigenmitteln.431 5. Das Budgetrecht der Landtage zu Beginn des konstitutionellen Staates Mit der im Zuge der Deutschen Bundesakte beginnenden Konstitutionalisierung Deutschlands wurde auch das Budgetrecht der Landtage neu geregelt.

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v. Seydel, Das Staatsrecht, S. 21. Daher auch die Bezeichnung Staatszivilliste, vgl. ThHStA Weimar, Nachlass von Watzdorf, Nr. 9, Bl. 7. 425 Dies bedeutete aber nur, dass im Falle unzureichender Domänenerträge diese ausschließlich der Zivilliste zufließen sollten, während Ansprüche des Staates ausgeschlossen blieben. 426 Nach dem Gesetz über die künftige Behandlung des gesamten Staatsschuldenwesens vom 17. Januar 1820, vgl. Anderssen, S. 71. 427 Dies geht implizit aus Art. III der Schuldenpragmatik von 1806 hervor, BRegBl. 1806, S. 91. 428 § 59 der bad. Verf.-Urk., bei Pölitz, Bd. I, S. 467. 429 Wielandt, S. 38; Rehm, S. 342 f.; a. A. Jagemann, S. 559 f. 430 Art. 38 Abs. 1 des Grundgesetzes Sachsen-Meiningen 1829, bei Pölitz, Bd. I, S. 839; zu Sachsen-Weimar-Eisenach siehe im II. Kapitel § 2 C.III. 431 Daher auch die Bezeichnung Privatzivilliste, vgl. ThHStA Weimar, Nachlass von Watzdorf, Nr. 9, Bl. 7. Ähnlich auch Rehm, S. 124 f. 424

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a) Die Vorgaben des deutschen Bundesverfassungsrechts Insbesondere vor dem Hintergrund der britischen Verfassungsentwicklung verwundert es nicht, dass die Regierungen in Deutschland mittels bundesrechtlicher Vorgaben versuchten, die Bestrebungen der Landtage zur Erweiterung des Budgetrechts zu behindern. Ansatzpunkte waren die Artikel 57 und 58 der Wiener Schlussakte. Wegen dieser Artikel waren die Bundesstaaten bei ihrer Verfassungsgebung gehalten, auf die Erfüllung der bundesmäßigen Pflichten zu achten.432 b) Konkretisierende Bundesbeschlüsse In Konkretisierung des primären Bundesrechts ergingen verschiedene Beschlüsse. Im Jahre 1824 wurden die Regierungen dazu aufgefordert, darüber zu wachen, dass bei der Ausübung der landständischen Befugnisse das monarchische Prinzip unverletzt bleibe.433 Deutlicher wurden die so genannten Sechs Artikel vom 28. Juni 1832. Hiernach galt die ständische Verweigerung der Mittel, die zur Erfüllung der Bundespflichten und der nach den jeweiligen Landesverfassungen vorgesehenen „Regierungsaufgaben“ erforderlich waren, als eine Gefährdung der inneren Ordnung,434 welche zur Bundesintervention berechtigte.435 Die Vereinbarkeit dieses Beschlusses mit dem primären Bundesrecht war fraglich, was die meisten Regierungen aber nicht weiter störte.436 Zwei Jahre später kam der Engere Rat der Bundesversammlung in Wien zusammen, um über eine Stärkung der Regierungen gegenüber den Landständen zu beraten.437 Vor allem sollte die Gefahr, welche dem monarchischen Prinzip durch das Haushaltsrecht der Landtage drohte, eingegrenzt werden.438 Ergebnis dieser Beratungen waren die so genannten 60 Artikel. Sie schrieben die vollkommene Bedingungsfeindlichkeit der Steuerbewilligung und das grundsätzliche Verbot der ständischen Ausgabenbewilligung vor.439 Das Recht der Steuerbewilligung sei nicht gleichbedeutend mit dem Recht, das Staatsbudget zu regeln, es sei denn, einzelne Verfassungen oder Gesetze sähen etwas anderes bereits ausdrücklich vor.440 Zu den Domänenerträgen schwieg das im Übrigen geheime Protokoll, das formell keinen Bundesbeschluss darstellte, weitgehend. Die Bundes432 433 434 435 436 437 438 439 440

Text bei Pölitz, Bd. I, S. 23 ff., 33. Text bei Huber, Dokumente, Bd. 1, S. 130. Im Sinne der Artt. 25 und 26 der Wiener Schlussakte. Text bei Pölitz, Bd. I, S. 35. Friauf, S. 59. Huber, Bd. 2, S. 177 f. Friauf, S. 61. Artt. 19 und 20, Text bei Huber, Dokumente, Bd. 1, S. 137 ff., 140 f. Ausdrücklich Art. 20 Abs. 2.

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glieder sollten immerhin darauf hinwirken, dass das Einkommen des Regenten, wo es nicht verfassungsrechtlich eigenständig geregelt war, auf die Domanialgefälle gegründet und nicht ohne Zustimmung des Regenten vermindert und ohne Zustimmung der Stände erhöht werden konnte.441 Damit waren der evolutionären Entwicklung eines möglichen Ausgabenbewilligungsrechts zunächst Grenzen gesetzt. Unmittelbaren Einfluss auf bestehende Rechtsverhältnisse konnten diese Artikel aber wegen des fehlenden bundesgesetzlichen Rangs nicht haben.442 Daher zeigten sich von Anfang an – abgesehen von den mit den Homogenitätsgeboten übereinstimmenden Grundstrukturen – zum Teil erhebliche Abweichungen der haushaltsrechtlichen Regelungen, die gleichwohl nicht dazu führten, dass der Kern des monarchischen Prinzips – die parlamentarische Unverantwortlichkeit der Regierung – angetastet wurde. c) Die Steuerbewilligung Sowohl die Befürworter des altständischen Systems als auch die Protagonisten repräsentativer Verfassungen waren sich darüber einig, dass den Ständen das Recht der Steuerbewilligung zustehen sollte.443 So wurde es denn in alle Verfassungsurkunden nach 1814 aufgenommen. Unterschiede gab es in der Bewilligungsdauer444 und der verfassungsrechtlichen Qualifizierung des Steuerbeschlusses; teilweise verlangten die Verfassungen ausdrücklich einen Gesetzesbeschluss, etwa in Hessen-Darmstadt445 oder Sachsen-Coburg-Saalfeld446, teilweise setzten sie die Steuerbewilligung in der Form von Auflagen- oder Finanzgesetzen nur mittelbar voraus.447 Ganz überwiegend verboten es die Verfassungen, als Ausfluss des monarchischen Prinzips448, mit der Steuerbewilligung Bedingungen zu verknüpfen.449 Nennenswerte Abweichungen bestanden nur in der Frage, wem die Steuern zuflossen, der Staatskasse oder der Landschaftskasse. Wo die Steuern in die Staatskasse flossen450, war das altständische 441

Art. 22. Huber, Bd. 2, S. 178 f. 443 Friauf, S. 20. 444 Zwischen einem Jahr in Nassau, § 2 Ziff. 3) des Patents vom 1./2. Sept. 1814 und sechs Jahren in Sachsen-Coburg-Saalfeld, § 80 der Verfassungsurkunde vom 8. August 1821 und in Bayern, 7. Teil § 5 der bay. Verf.-Urk., vgl. die Nachweise bei Pölitz, Bd. I. 445 Art. 67 Abs. 2 Verf.-Urk., bei Pölitz, Bd. I, S. 677 ff. 446 § 68 Ziff. 2) Verf.-Urk., bei Pölitz, Bd. I, S. 806 ff. 447 Mußgnug, S. 94. 448 Stahl, Das monarchische Prinzip, in: Stahl, S. 184 ff., 190 f. 449 § 56 der bad. Verf.-Urk., 7. Teil § 9 der bay. Verf.-Urk., § 72 Abs. 2 der Verf.Urk. von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Art. 68 der Verf.-Urk. von Hessen-Darmstadt, § 113 der württ. Verf.-Urk., Nachweise bei Pölitz, Bd. I. 442

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System endgültig verabschiedet worden, dagegen lebten seine Einrichtungen fort, wo die Stände nach wie vor die Steuermittel selbst verwalteten451. Zum Teil war als Zwischenstadium eine gemeinsame Steuerverwaltung von Fürst und Ständen vorgesehen.452 d) Die Hoheit über die Domänenerträge Ähnlich verhielt es sich mit der Hoheit über die Kammer- und Domänenerträge. Die Bundesstaaten, in denen die Eigentumsfrage zugunsten des Staates entschieden worden war, gingen selbstverständlich davon aus, dass die Erträge dieser Staatsgüter dem Staatshaushalt zuflossen453. Davon profitierten die Staatshaushalte in erheblichem Umfang. In Bayern betrug der Steueranteil an den Staatseinnahmen in den Jahren 1837 bis 1849 rund 60%, der Anteil der Domänenerträge gut 30% und der Anteil der Einnahmen aus Regalien und Staatsfiskusrechten etwa 10%.454 War dagegen eine rechtliche Zuordnung des Domänenvermögens unterblieben, konnte, wie oben dargestellt, vielfach das Eigentum des Fürsten oder seiner Familie vermutet werden. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass häufig gleichwohl geregelt war, wem die Domänen- und Kammererträge zufließen sollten. In Baden und Hessen-Darmstadt flossen sämtliche Kammererträge in den jeweiligen Staatshaushalt.455 Den Landeskassen von Sachsen-Meiningen (1829) und Sachsen-Coburg-Saalfeld kamen die Kammererträge unter Ausschluss der Domänenrevenüen zugute.456 In allen anderen Bundesstaaten blieb es jedenfalls bis zum Jahr 1830 bei der fürstlichen Ertragshoheit über die Domänenerträge.457 Dementsprechend mussten die Staatsausgaben überwiegend aus Steuermitteln bestritten werden.

450 Baden, Walz, S. 248; Bayern, vgl. v. Seydel, Das Staatsrecht, S. 189; HessenDarmstadt, Gareis, S. 103 ff.; Württemberg, Göz/Gaupp, S. 224. 451 § 2 lit. e) des Verfassungsmanifests von Sachsen-Hildburghausen aus dem Jahre 1818; § 14 Ziff. 3) des sachsen-meiningischen Grundgesetzes von 1824; § 25 lit. b) des Waldeckischen Landesvertrages von 1816, Nachweise bei Pölitz, Bd. I. 452 § 19 Abs. 1 der braunschweig. Landschaftsordnung von 1820, § 6 des hannoverschen Patents von 1819, § 68 Abs. 1 der Verf.-Urk. von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Art. 47 der Verf.-Urk. von Sachsen-Meiningen von 1829, §§ 119, 120 des Grundgesetzes von Sachsen-Weimar-Eisenach von 1816, Nachweise bei Pölitz, Bd. I. 453 Beispielsweise § 2 des preuß. Edikts vom 6.XI.1809, bei Schulze, Bd. 3, S. 751; ebenso § 109 der württ. Verf.-Urk. von 1819, bei Pölitz, Bd. I, S. 445. 454 Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des Königreichs Bayern 1843, Beil.-Bd. 9, S. 16 ff. 455 Bad. Verf.-Urk. § 59, Verf.-Urk. von Hessen-Darmstadt Art. 7; Nachweise bei Pölitz, Bd. I. 456 Art. 38 Abs. 1 des sachsen-meining. Grundgesetzes von 1829; § 76 der sachsencob. Verf.-Urk. von 1821; bei Pölitz, Bd. I.

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e) Stände mit Ausgabenbewilligungsrecht Während das Steuerbewilligungsrecht allen Landständen oblag, konnte davon bei der Ausgabenbewilligung nicht gesprochen werden.458 (1) Das Budgetrecht der preußischen Kammern Nach herkömmlicher Ansicht hatten erst die preußischen Kammern nach der Verfassungsurkunde von 1850 die Befugnis, jährlich mit dem Staatshaushaltsetat über die Verwendung aller Staatseinnahmen zu entscheiden.459 Die Steuern wurden auf permanenter gesetzlicher Grundlage in der Regel ohne zeitliche Begrenzung erhoben.460 Pate für das preußische Budgetrecht hatte die belgische Verfassung von 1831 gestanden,461 die wiederum französische Verfassungstraditionen in sich aufgenommen hatte.462 Ursprünglich hatte die preußische Regierung nicht beabsichtigt, ein derart umfassendes Budgetrecht in der Verfassung zu verankern. Vielmehr sollte es Prärogative des Königs bleiben, über die Verwendung sämtlicher Staatseinnahmen zu entscheiden. Die Vorlage des Hauptfinanzetats sollte lediglich zum Zwecke der Information des Landtages erfolgen.463 Die Beweggründe, die letztlich zur dauerhaften Veränderung der Regierungsposition geführt haben, sind im Einzelnen unklar.464 (2) Das Ausgabenbewilligungsrecht im frühen 19. Jahrhundert Doch finden sich schon vor 1850 in einigen Verfassungstexten des frühen neunzehnten Jahrhunderts – wie von Friauf nachgewiesen – Bestimmungen über ein ständisches Ausgabenbewilligungsrecht.465 Dass die Verfassung von 457 So etwa in Sachsen-Weimar-Eisenach, Landes-Grundgesetz über das Kammervermögen von 1821, § 2, Regierungsblatt 1821, S. 493; in Braunschweig, Nassau, Sachsen-Meiningen (1824), Schaumburg-Lippe, Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck; vgl. Zimmermann, S. 58 ff. 458 Die von Heckel, in Anschütz/Thoma (Hrsg.), S. 358 ff., 362 getroffene Feststellung, den Landtagen habe ein wirkliches Budgetrecht gefehlt, ging aber an der tatsächlichen Rechtslage vieler deutscher Staaten vorbei. 459 § 99 der Verf.-Urk. von 1850, bei Boldt, S. 428 ff., 442; schon in § 70 des Regierungsentwurfes vom 20.V.1848 enthalten, bei Altmann, II. Teil, 1. Hälfte, S. 301 ff., 309. Ähnlich auch Art. V § 103 der Verfassung des Deutschen Reiches v. 28.III.1849, bei Boldt, S. 407 f. 460 Friauf, S. 78; van Calker, S. 17. 461 § 115 der Verfassung Belgiens vom 25.II.1831, bei Pölitz, Bd. II, S. 237 ff., 246. 462 Willoweit/Seif, Europäische Verfassungsgeschichte, S. XXVII f. 463 § 11 der Verordnung vom 3.II.1847, bei Pölitz, Bd. IV, S. 32 ff., 34. 464 Mußgnug, S. 152 f.

§ 4 Die Domänenfrage

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Sachsen-Coburg-Saalfeld dabei die Verabschiedung des Etats der Landeskasse in Gesetzesform vorschrieb,466 verdient Beachtung. Dieses ständische Budgetrecht auf eine Stufe mit dem Budgetrecht der preußischen Kammern zu stellen,467 erscheint jedoch, wie noch ausgeführt werden wird, verfehlt. Vereinzelt wurde nämlich ausdrücklich ein Zusammenhang mit der altständischen Zweckbindung hergestellt.468 Aber auch dort, wo ein derartiger Hinweis fehlte, war den Ständen von Verfassungs wegen nur eine Mitbestimmung über die Ausgabe von Steuermitteln zugestanden worden.469 Nur wenige Landtage hatten die Befugnis, über die Verwendung von Teilen des Kammerertrages zu befinden.470 Lediglich im Königreich Württemberg, das als Sonderfall anzusehen ist,471 sowie zunächst im Königreich Hannover472 verfügte der Landtag über das volle Budgetrecht. f) Stände ohne ausdrückliches Ausgabenbewilligungsrecht In den Verfassungen der meisten größeren Bundesstaaten wie Bayern, Baden, Hannover und Hessen findet man keine Bestimmungen über ein Ausgabenbewilligungsrecht der Stände. Auch ohne ausdrückliche Ermächtigung versuchten viele Landtage, über den Umweg der Bindung der Regierung an die Ausgabenansätze des Etats das Ausgabenbewilligungsrecht zu erstreiten. Denn die Regierungen mussten in den oben genannten Ländern nach wie vor die Insuffizienz 465 Braunschweig nach der Landschaftsordnung von 1820, § 17 Abs. 1; Verf.-Urk. von Sachsen-Hildburghausen 1818, § 2 lit. c); Grundgesetz von Sachsen-Meiningen 1824, § 14 Ziff. 1); Grundgesetz von Sachsen-Weimar 1816, § 5 Ziff. 1); Verordnung von Schaumburg-Lippe 1816, § 2 Ziff. 1); waldeckischer Landesvertrag 1816, § 25 lit. a), b); sachsen-meiningisches Grundgesetz von 1829, Art. 81 lit. a) i.V. m. Art. 82, welcher allerdings die Bestimmung über einzelne Haushaltsposten untersagt; Verf.Urk. von Sachsen-Coburg-Saalfeld 1818, § 68 Ziffern 1), 3); Nachweise bei Pölitz, Bd. I; vgl. insgesamt Friauf, S. 40–54. 466 Verf.-Urk. von Sachsen-Coburg-Saalfeld 1818, § 68 Ziffer 2); Nachweise bei Pölitz, Bd. I. 467 So aber Friauf, S. 43 ff. 468 So in Braunschweig nach der Landschaftsordnung von 1820, § 17 Abs. 1, bei Pölitz, Bd. I, S. 914 ff. 469 Verf.-Urk. von Sachsen-Hildburghausen 1818, § 2 lit. c); Grundgesetz von Sachsen-Meiningen 1824, § 14 Ziff. 1); Grundgesetz von Sachsen-Weimar 1816, § 5 Ziff. 1); Verordnung von Schaumburg-Lippe 1816, § 2 Ziff. 1); waldeckischer Landesvertrag 1816, § 25 lit. a), b); Nachweise bei Pölitz, Bd. I. 470 Sachsen-meiningisches Grundgesetz von 1829, Art. 81 lit. a) i.V. m. Art. 82, welcher allerdings die Bestimmung über einzelne Haushaltsposten untersagt; Verf.Urk. von Sachsen-Coburg-Saalfeld 1818, § 68 Ziffern 1), 3); Nachweise bei Pölitz, Bd. I. 471 Verf.-Urk. 1819, §§ 109–113, bei Pölitz, Bd. I, S. 434 ff.; vgl. auch Friauf, S. 42 f.; Mußgnug, S. 115. 472 §§ 139, 140 des Grundgesetzes vom 26.IX.1833, bei Pölitz, Bd. III, 571 ff., 595.

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

der Kammererträge nachweisen, um das Ersuchen um die Bewilligung von Steuern zu begründen.473 Hinzu kam das Erfordernis, den Ständen eine Übersicht über die geplanten Ausgaben vorzulegen.474 Diese Übersicht prüften die Stände und bewilligten anschließend die erforderlichen Mittel. Bei dieser Bewilligung waren die Stände in ihrem Ermessen jedoch nicht frei. Vielmehr waren sie einerseits durch die oben genannte Bedingungsfeindlichkeit gebunden, andererseits lebte eine Tradition aus dem Alten Reich fort, wonach die Stände für bestimmte Ausgaben ohne Ermessen Gelder bewilligen mussten.475 Diese so genannten notwendigen Ausgaben boten zu allerlei Streit Anlass. (1) Der Streit über notwendige Ausgaben Zwischen Regierungen und Ständen herrschte größtenteils Einverständnis darüber, dass Steuern in einem bestimmten Umfang zur Gewährleistung der Handlungsfähigkeit des Staates bewilligt werden mussten. Jedoch bestand Uneinigkeit über die Bestimmung dieses Umfangs. Manche Verfassungen und in deren Folge die Regierungen unterschieden zu diesem Zweck zwischen notwendigen und nützlichen Ausgaben.476 Nur bei den nützlichen Ausgaben sollten die Stände in ihrer Entscheidung frei sein.477 Zu den notwendigen Ausgaben gehörten demnach die gesetzlich vorgegebenen, die bundesrechtlich bedingten und diejenigen, welche für das Militär, die Justiz und Polizei, also für die innere Verwaltung erforderlich waren.478 Dies ließ den Ständen nur noch wenig Spielraum für eine wirksame Beeinflussung der Steuerverteilung. Daher verwundert es kaum, mit welcher Vehemenz sie der Auffassung der Regierungen entgegentraten.479 Dennoch saß die Regierung am längeren Hebel, sie war durch die Wiener Schlussakte mit dem monarchischen Prinzip hinreichend gerüstet.480 Den Ständen blieb nahezu keine Möglichkeit, über die Drohung mit Steuerverweigerung die Ausgabenpolitik der Regierung zu beeinflussen.481

473 Ausdrücklich die württ. Verf.-Urk. § 109, bei Pölitz, Bd. I, S. 434 ff.; vgl. außerdem die Praxis in Bayern, v. Seydel, Bd. 2, S. 540; allgemein Zachariae, Bd. 2, S. 449; Zoepfl, Bd. II, S. 679 f. 474 Bayer. Verf.-Urk. 7. Tit. §§ 4, 5; bad. Verf.-Urk. § 55, bei Pölitz, Bd. I. 475 Ausdrücklich die braunschweigische Landschaftsordnung, § 15, die in den genannten Fällen das Bewilligungsrecht außer Kraft setzt, bei Pölitz, Bd. I, S. 914 ff.; ferner Friauf, S. 111 ff. 476 § 110 württ. Verf.-Urk.; § 113 der Verf.-Urk. von Sachsen-Coburg-Saalfeld, bei Pölitz, Bd. I. 477 So Friauf, S. 113. 478 van Calker, S. 8 ff.; Friauf, S. 113. 479 Friauf, S. 116. 480 Stahl, Das monarchische Prinzip, in: Stahl, S. 184 ff., 190 f. 481 Zoepfl, Bd. II, S. 398.

§ 4 Die Domänenfrage

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(2) Die Bindung der Regierung an ihre Ausgabenansätze Eine andere Frage war, inwieweit die Regierungen an die Ausgabenansätze der von ihnen eingebrachten Etats gebunden waren. Nur wenige Verfassungen regelten dies ausdrücklich.482 Die Stände beanspruchten eine strikte Bindung der Regierung, während die Regierungen sich relativ frei fühlten, auch andere Ausgaben als die angegebenen zu tätigen. Besonders intensiv wurde in Bayern gestritten. Dort sparte die Regierung an ihrer Ansicht nach unwichtigen Ausgaben, um Prestigeprojekte wie Bilderkäufe für die Alte Pinakothek finanzieren zu können.483 Diese so genannte Erübrigungspolitik drohte die überkommene Zweckbindung der Steuerbewilligung endgültig zu zerstören. Nach längeren Auseinandersetzungen gab die Regierung in weiten Teilen nach und kam mit der Kammer der Reichsräte, dem Oberhaus, im so genannten Verfassungsverständnis überein, dass „die Krone, für welche das vorgelegte Budget in quanto et quali obligatorisch wird, [. . .] das gesammte budgetisirte Staatsbedürfnis, zusammt den gesammten, theils übereinstimmend bevoranschlagten, theils gewilligten Deckungsmitteln in gesetzmässiger Weise realisiert“.484 Die so mit der Steuerbewilligung erteilte Appropriation verpflichtete die Krone, die Steuermittel nur verwilligungsgemäß485 und die sonstigen Staatseinkünfte etatmäßig zu verwenden486 (sog. negative Bindungswirkung). Die Staatsrechtslehre ging dementsprechend zunächst von einer Vereinbarung des Budgets in Anlehnung an zivilrechtliche Vertragslehren aus.487 Indes war die Regierung nicht gehalten, verwilligte Mittel auch auszugeben (keine positive Bindungswirkung).488 Damit konnten die Stände zwar sicher sein, dass die von ihnen bewilligten Steuern zweckgemäß verwendet wurden, wirklichen Einfluss auf die Zusammensetzung der Ausgaben erhielten sie aber nicht. g) Der Zusammenhang von Ausgabenbewilligung und Hoheit über die Domänenerträge Es fällt auf, dass die Staaten, in denen den Ständen ein Ausgabenbewilligungsrecht zustand, die Domänenerträge oder gar die gesamten Kammererträge 482 Württ. Verf.-Urk. § 112; Grundgesetz von Sachsen-Weimar 1816, § 102; in Sachsen-Coburg-Saalfeld erzeugte das Finanzgesetz auch für die Ausgaben bindende Wirkung, Verf.-Urk. §§ 68 Ziff. 2, 115; bei Pölitz, Bd. I. 483 Mußgnug, Der Staat (Beiheft 9), S. 79 ff., 92. 484 § 3 des Verfassungsverständnisses vom 14. Juni 1843, Verhandlungen der Kammer der Reichsräte des Königreichs Bayern, 1842/43, Beil.-Bd. 4, S. 269 ff., 272. 485 Zoepfl, Bd. II, S. 403. 486 v. Seydel, Das Staatsrecht, S. 185. 487 van Calker, S. 11 f. 488 v. Seydel, Das Staatsrecht, S. 185.

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

stets der Kammerkasse zuwiesen und damit jeglicher Beeinflussung durch die Stände entzogen. Demgegenüber flossen in Baden und Bayern die Kammererträge der Staatskasse zu, die Stände konnten aber nicht über die Staatsausgaben bestimmen. In Sachsen-Meiningen wurde die Befugnis der Stände zur Bestimmung der Staatsausgaben zu dem Zeitpunkt eingeschränkt, an dem Teile der Kammereinkünfte der Landeskasse überwiesen wurden.489 Gerade dieser Vorgang zeigt den engen Zusammenhang zwischen Ausgabenbewilligung und Domänenfrage. Solange der Landesherr mit seinen eigenen Mitteln ungebunden Politik betreiben konnte, war es für ihn hinnehmbar, dass die Stände mit ihren Steuermitteln Politik trieben. Damit erscheint diese Spielart des frühkonstitutionellen Haushaltsrechts mehr ein Nachhall des altständischen Finanzsystems zu sein als eine Vorwegnahme modernen Haushaltsrechts. III. Bewertung Das durch die Rechtspersönlichkeit des Staates möglich gewordene Staatseigentum an den Domänen blieb nicht ohne Auswirkungen auf die jeweiligen Staatshaushalte. Dort, wo die Domänen Staatsgut wurden, flossen ihre Erträge in die Staatskasse, aus der der Fürst dann seine Kronrente oder Zivilliste bezog. Gleichzeitig wurden die Befugnisse der Stände, über die Verwendung der Staatsausgaben mitzuentscheiden, deutlich eingeschränkt und das Steuerbewilligungsrecht bedingungsfeindlich ausgestaltet. Die Macht der Fürsten gründete sich hier nicht mehr auf ihre Herrschaft über Grund und Boden, sondern auf das staatliche Gewaltmonopol. Blieben die Domänen dagegen fürstliches Privateigentum, flossen ihre Erträge in der Regel der fürstlichen Kammer zu. Dies schloss Beiträge zur von der Kammerkasse nach wie vor getrennten Landeskasse natürlich nicht aus. Der Fürst erzielte sein Einkommen in diesen Ländern aus dem Domänenvermögen, ohne vom Landesetat abhängig zu sein. Dies ermöglichte es, in einigen Fürstentümern den Ständen ein Mitentscheidungsrecht über die aus Steuermitteln zu tätigenden Ausgaben einzuräumen, ohne das monarchische Prinzip zu tangieren. Es gab aber auch Zwischenlösungen, bei denen das fürstliche Privateigentum an den Domänen beibehalten wurde, die Domänenerträge nach Abzug der Zivilliste dem Staatshaushalt zuflossen und die Stände kein volles Budgetrecht besaßen. Hier war die Vorstufe einer Verstaatlichung der Domänen, die Kassenvereinigung, bereits vollzogen, man zögerte aber – wie am Beispiel Badens zu zeigen sein wird – den letzten Schritt zu tun. Daher bestehen erhebliche Zweifel daran, dass es schon im Vormärz ein umfassendes ständisches Ausgabenbewilligungsrecht gegeben hat, wie es Friauf an489

Artt. 82, 38 Abs. 2 des Grundgesetzes von 1829, bei Pölitz, Bd. I, S. 839, 848.

§ 5 Zusammenfassung und weitere Fragestellung

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nimmt. Die weitere Untersuchung insbesondere der Verhältnisse in SachsenWeimar-Eisenach und Sachsen-Meiningen wird zeigen, ob diese Zweifel ihre Berechtigung haben. In den europäischen Monarchien hatten sich die Dinge anders entwickelt. In Großbritannien erstritt sich das Parlament, nachdem die Domänen in seine Verwaltung überführt worden waren, nach und nach das volle Budgetrecht, was zur Ausbildung des parlamentarischen Regierungssystems führte. In Frankreich, dessen Charte von 1814 Vorbild einiger deutscher Verfassungsurkunden war, hatte sich trotz der verstaatlichten Domänen ein umfassendes parlamentarisches Budgetrecht herausgebildet, ohne dass es vorerst zu einer Parlamentarisierung der Regierung gekommen wäre. Gleiches gilt für Polen. Auch an dieser Stelle finden Albrechts Ausführungen – wenn auch weniger deutlich – ihre positivrechtliche Bestätigung. Im staatsrechtlich organisierten Staat mit Rechtspersönlichkeit gab es eine einheitliche Staatskasse, der auch die Domänenerträge zuflossen. Der Dualismus von Fürsten und Ständen war hier weitgehend überwunden. In den patrimonial geprägten Fürstentümern beließ man es dagegen bei der herkömmlichen Kassentrennung. Zu einer wirksamen Artikulation der Allgemeininteressen im Sinne Albrechts kam es dort vorerst nicht.

§ 5 Zusammenfassung und weitere Fragestellung Die mit der Landeshoheit ausgestatteten Fürsten standen zunächst noch den alten Ständen gegenüber. Im Zuge der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches wurden die Fürsten nach außen souverän und nutzten diese Souveränität vielfach zur Beseitigung des Feudalsystems. Dabei wurden zusehends Staatsund Privatrecht voneinander getrennt. Dies schlug sich in der Verselbständigung des Staates gegenüber dem Fürsten nieder und zeigte sich bei der Behandlung des Domäneneigentums und der Domänenerträge. Dort, wo die Domänen Staatseigentum wurden, war der Staat als Rechtspersönlichkeit grundbuchfähig geworden. Ob der Staat – ausweislich seines staatsrechtlichen Zustandes – auch dann rechtsfähig geworden war, wenn die Domänen Privateigentum blieben oder ihr Status in der Schwebe gehalten wurde, wird nun am Beispiel von Baden, Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Meiningen erörtert werden. Außerdem soll geprüft werden, inwieweit sich dort die Beantwortung der Domänenfrage auf die Haushaltsbefugnisse der Stände ausgewirkt hat. Zu diesem Zweck orientiert sich die weitere Untersuchung an Albrechts Kriterien (Trennung von Staats- und Privatrecht, Staatsorganisation, Staatseigentum, Überwindung des Dualismus in Haushaltsfragen) und konzentriert sich auf folgende Punkte: – Die jeweilige Verfassungskonzeption: Regelte die Verfassung umfassend die wichtigsten Belange des Staatslebens oder zählte sie nur enumerativ die Befugnisse der Stände auf (1. und 3. Kriterium Albrechts490)?

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I. Kap.: Der Staat, der Fürst und die Domänen

– Die Stellung des Fürsten im Staat und sein Verhältnis zum Staat: Hatte sich der Wandel vom Herrn zum Haupt vollzogen und hatte sich der Fürst seiner privatrechtlichen Bindungen an das Fürstenhaus begeben (1. Kriterium Albrechts)? – Das Eigentum an den Domänen: Stand es dem Landesherrn, den Ständen oder möglicherweise dem mittlerweile rechtsfähig gewordenen, beide umfassenden Staat zu (2. Kriterium Albrechts491)? – Die Ertragshoheit über die Domänenerträge und die Folgen für das ständische Budgetrecht: Wie war das Einkommen des Landesherrn ausgestaltet? Hing die Zuweisung der Domänenerträge mit der Reichweite des ständischen Budgetrechts zusammen (3. Kriterium Albrechts492)? Diese Fragen sind anschließend auf mögliche Zusammenhänge hin zu untersuchen. Dabei wird sich schließlich zeigen, inwieweit die Ausbildung des rechts- und vermögensfähigen Staates im Deutschland des frühen 19. Jahrhunderts mit der jeweiligen staatsrechtlichen Entwicklung und der Lösung der Domänenfrage zusammenhing.

490 491 492

§ 2 C.II.1. und 3. § 2 C.II.2. § 2 C.II.3.

II. Kapitel

Die staatsrechtliche Entwicklung in Baden, Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Meiningen und die Lösung der Domänenfrage § 1 Das Großherzogtum Baden A. Die Verfassungskonzeption I. Überblick über die Verfassung und die Organisation des Landes Nachdem das Großherzogtum Baden infolge von Mediatisierung, Säkularisation und weiteren Veränderungen bis 1806 eine Größe angenommen hatte, die mehr als das Vierfache der ursprünglichen Größe der vereinigten Markgrafschaft von Baden-Baden und Baden-Durlach umfasste,1 begann die badische Regierung mit der Organisation des neu entstandenen Gemeinwesens.2 Dies führte unter Großherzog Carl Friedrich (1728–1811) bereits im Jahre 1808 zu ersten Vorarbeiten für eine Verfassung,3 welche in etwa den frühen Verfassungen Westfalens und Bayerns entsprochen hätte. Die Bemühungen darum blieben vorerst erfolglos. Obwohl der nachfolgende Großherzog Carl (1786–1818) zunächst keinen allgemein anerkannten Thronerben besaß – die Regelung der Thronfolgefrage und deren Absicherung durch eine Verfassung stellte folglich eine staatspolitische Notwendigkeit dar4 – zögerte er.5 Erst im Zuge der Beratungen des Wiener Kongresses kam erneut, auch auf ausländischen Druck hin,6 Bewegung in die Verfassungsfrage. 1

Schroeder, Das Alte Reich, S. 259. Kurfürstlich Badische Landes-Organisation in 13 Edikten, 1803. 3 v. Weech, S. 151 ff.; die im Folgenden aus diesem Werk zitierten Akten befinden sich im badischen GLA in Karlsruhe. Ihr Zustand hat sich seit der Auswertung durch v. Weech teilweise erheblich verschlechtert, daher werden diese Quellen ausschließlich nach v. Weech zitiert. Alle übrigen im GLA erhobenen Akten werden mit der üblichen Faszikelnummer angegeben. 4 Huber, Bd. 1, S. 326. 5 Fenske, S. 15. 6 v. Weech, S. 2 f. 2

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

II. Die Entstehung der Verfassung Zwischen den frühen Verfassungsarbeiten um 1808 und den Vorarbeiten für die Verfassungsurkunde von 1818 lässt sich so gut wie keine Übereinstimmung feststellen. Es handelte sich um vollkommen unterschiedliche Ansätze. Der erste Vorentwurf7 aus dem Jahre 1815 weist eine gewisse Ähnlichkeit mit dem ein Jahr zuvor in Nassau8 erlassenen Verfassungspatent auf. Er ist stark von altständischen Gedanken geprägt. Wenig anders verhielt es sich mit den unmittelbar nachfolgenden Entwürfen. Sie entsprachen in ihrem Aufbau dem Typus der landständischen Verfassung der mitteldeutschen Staaten und sahen noch keine allgemeine Volksrepräsentation vor.9 Ein Jahr später – Napoleon hatte mit seiner Rückkehr für ein vorübergehendes Ruhen der Arbeiten gesorgt – werden neue Ansätze erkennbar. So fanden in zunächst spärlicher Form Grundrechte Erwähnung.10 Eine eher reaktionäre Wendung stellte dagegen die zwischenzeitliche Festlegung auf ein Einkammersystem dar. Daran hielt zunächst auch der Finanzrat Carl Friedrich Nebenius (1785–1857) fest, welcher im Auftrag des Freiherrn von Sensburg (1752–1832) eine weitere Vorlage ausgearbeitet hatte. Dieser Entwurf war schon stärker vom Gedanken der Repräsentation und von Grundrechten bestimmt, welche in Anlehnung an Sachsen-Weimar-Eisenach11 im Rahmen eines Nachsatzes zum eigentlichen Verfassungstext gewährt werden sollten.12 Wenig später fertigte Nebenius, nunmehr vom Großherzog beauftragt, nach umfangreichen Studien13 einen neuen Entwurf an, welcher weitgehend unverändert – ohne agnatischen Konsens – im August 1818 in Kraft gesetzt wurde. Die Agnaten hielten offenkundig die Bestimmungen der Verfassungsurkunde für vereinbar mit den allgemeinen monarchischen Grundsätzen und erhoben daher keine Einwände. Im Zuge der Verfassungsberatungen von 1809 hatte der Markgraf noch auf die Gefahr einer zu großen Abhängigkeit des Souveräns von anderen Gremien aufmerksam gemacht und damit zweifellos auch die Gefahr einer möglichen Einschränkung seiner künftigen Befugnisse beschworen.14 Ähnliche Vorbehalte wurden im Jahr 1818 nicht mehr geltend gemacht. Dass 1809 7

v. Weech, S. 4 f. Text bei Pölitz, Bd. I, S. 1009 ff. 9 Vielmehr wurde nach wie vor von den verschiedenen Ständen gesprochen, freilich unter Einbeziehung des Bauernstandes, vgl. v. Weech, S. 7 ff. und S. 13 ff. 10 § 30 des Entwurfs des Staatsrates von Sensburg, bei v. Weech, S. 51. 11 Das sachsen-weimarische Grundgesetz vom 5. Mai 1816 findet sich in den Akten des GLA Karlsruhe, 48, Nr. 6070, Bl. 21 ff. 12 v. Weech, S. 82. 13 Deren Umfang ist leider nicht bekannt. Insbesondere finden sich weder im GLA Karlsruhe noch in v. Weechs Material Verfassungsmuster anderer europäischer Staaten. 14 v. Weech, S. 190. 8

§ 1 Das Großherzogtum Baden

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keine Verfassung gegeben wurde, hatte mit Sicherheit andere Gründe als die Bedenken des Markgrafen.15 Der schließlich in Kraft getretene Entwurf enthielt zum ersten Mal Hinweise auf die Stellung des Großherzogs und seines Hauses sowie einen umfassenden Grundrechtskatalog. Im Rahmen der Errichtung des Zweikammersystems traten ständische Gesichtspunkte hinter den Repräsentationsgedanken zurück. Vorbilder hierfür waren mit großer Sicherheit die polnische Verfassung von 1815 sowie die französische Charte von 1814.16 III. Grundprinzipien und Aufbau der Verfassung von 1818 Die Verfassung folgt auf den ersten Blick dem Aufbau der französischen Charte von 1814. Jedoch sind viele Regelungen detaillierter ausgefallen. Der Verfassungstext gliedert sich in fünf Abschnitte und 83 Paragraphen. Recht knapp wirken die Vorschriften über den Großherzog und sein Haus.17 Die Bestimmungen über die staatsbürgerlichen und politischen Rechte der Badener gehen mehr in die Breite.18 Die Aufnahme von Grundrechten stellte eine bedeutende Neuerung gegenüber den anderen frühen deutschen Verfassungen dar.19 Garantiert wurden etwa die Grundsätze der Gleichheit20, der Religions-21 und Pressefreiheit22 sowie justizielle Grundrechte23. Von besonderer Bedeutung war auch die Gewährleistung des Eigentumsrechts.24 Die mit Abstand meisten Bestimmungen handelten von den Landständen, von ihrer Zusammensetzung sowie ihren Rechten und Pflichten.25 Daran wird nochmals der Unterschied zur bayerischen und zur württembergischen Verfassungsurkunde deutlich. Diese hatten viele andere Rechtsbereiche, etwa die Stellung des Königs im Verfassungsgefüge oder die Rechtspflege, erfasst und konnten bereits als Vollverfassungen betrachtet werden. Die badische Verfassung da-

15 v. Weech verweist auf die kriegerischen Ereignisse des Jahres 1809, v. Weech, S. 190. 16 Hug, S. 211; v. Weech, S. 98. 17 §§ 1 bis 6. 18 §§ 7 bis 25. 19 So hatte bis dahin lediglich das Grundgesetz von Sachsen-Weimar-Eisenach in einem Nachsatz die Pressefreiheit und gewisse justizielle Rechte genannt, vgl. den Text bei Pölitz, Bd. I, S. 777, weiter gehend die bayerische Verfassungsurkunde von 1818, bei Pölitz, Bd. I, S. 138 f. 20 §§ 7 und 8. 21 § 18. 22 § 17. 23 §§ 14 und 15. 24 § 13. 25 §§ 26 bis 82.

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

gegen blieb trotz ihrer bedeutenden Neuerungen tendenziell dem landständischen Verfassungsmodell verhaftet. Die Landstände bestanden aus zwei Kammern. Die 1. Kammer war Herrenhaus und Standesvertretung zugleich.26 Die 2. Kammer war, für die damalige Zeit keineswegs selbstverständlich, als Volksvertretung konzipiert.27 Wenn auch ein gewisser Zensus28 zu erfüllen war und die Wahl indirekt erfolgte29, spielten Standesunterschiede bei ihrer Bildung keine Rolle. Die Abgeordneten wurden auf acht Jahre gewählt, wobei alle zwei Jahre eine Teilerneuerung eines Viertels der Abgeordneten stattfand.30 Der Großherzog hatte jederzeit das Recht, die Stände aufzulösen und zu vertagen. Die Auflösung der Stände hatte die Beendigung der Wahlperiode der 2. Kammer und der gewählten Mitglieder der 1. Kammer zur Folge.31 Ohne Zustimmung der Stände konnten keine Steuern erhoben32, bestimmte Domänen nicht verkauft33 und kein Gesetz, das in Freiheit und Eigentum eingriff34 oder die Verfassung änderte35, gegeben werden. Alle diese Beschlüsse standen unter dem Vorbehalt der großherzoglichen Bestätigung und Promulgation.36 Das Recht der Ministeranklage war an eine besondere gesetzliche Regelung gebunden37, die erst im Jahre 1869 erging38. Alle den Landständen nicht zugewiesenen Befugnisse blieben nach Maßgabe des § 2 der Verfassung, der auf das organische Bundesrecht verwies, dem Großherzog vorbehalten. Auch wenn die badische Verfassung in ihrem Aufbau tendenziell einer Verfassung des landständischen Typs entsprach, bedeutete ihr materieller Gehalt einen wichtigen Schritt in Richtung des Repräsentationssystems. Besonders die Grundrechte und das fortschrittliche Wahlrecht sind dabei hervorzuheben. Damit erfüllte die Verfassungsurkunde von 1818 ein wichtiges Kriterium Albrechts, nämlich die Ausrichtung am Allgemeininteresse und die Artikulation 26 Ihr gehörten die Prinzen des großherzoglichen Hauses, die Häupter der standesherrlichen Familien, je zwei Vertreter der Kirchen und Universitäten, acht Abgeordnete des grundherrlichen Adels sowie ebenfalls höchstens acht vom Großherzog ernannte Mitglieder an, vgl. § 27. 27 Auch wenn § 33 nur von den Abgeordnete der Städte und Ämter sprach. 28 §§ 36 und 37. 29 § 34. 30 § 38. 31 § 43. 32 § 53. 33 § 58. 34 § 65. 35 § 64. 36 § 66. 37 § 67. 38 BGVBl. 1869, S. 542.

§ 1 Das Großherzogtum Baden

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des Allgemeininteresses durch die Stände bei der Gesetzgebung.39 Außerdem gestaltete sie die Beziehungen zwischen den Untertanen und dem Großherzog beziehungsweise dem Landtag im Sinne Albrechts auf staatsrechtliche Weise.40 Eine Inkongruenz von Form und Inhalt zeigte sich aber bei der Stellung des Großherzogs.

B. Die Stellung des Großherzogs im Staat und sein Verhältnis zum Staat I. Die verfassungsrechtliche Regelung und deren Entstehung Mit § 4 der Verfassungsurkunde wurde das Haus- und Familienstatut von 1817 zum festen Bestandteil des Verfassungsrechts. Dieses enthielt eine Bekräftigung der vorangegangenen Einbeziehung der aus der zweiten Ehe Carl Friedrichs hervorgegangenen Söhne und eine ausführliche Regelung der gesamten Erbfolge.41 Dem Großherzog wurde in § 5 die Ausübung aller Rechte der Staatsgewalt im Rahmen der verfassungsrechtlichen Bestimmungen zugewiesen. Eine ausdrückliche Bezeichnung als Staatsoberhaupt fehlt jedoch. Dass er als solches angesehen wurde, folgt aus der Verfassung nur mittelbar.42 Trotz des Wortlauts des § 5, der eine Trennung des Großherzogs vom Großherzogtum als Staat nahe legt, war im Schrifttum die Ansicht verbreitet, alleiniger Träger der gesamten Staatsgewalt sei eine einzige physische Person – der Großherzog.43 Einen wichtigen Hinweis auf die Stellung des Großherzogs als Haupt der Familie gibt auch der weiter unten zu behandelnde § 59 der Verfassungsurkunde. In sämtlichen frühen Verfassungsentwürfen fehlen Hinweise auf den Großherzog und sein Haus. Erst der letzte Entwurf von Nebenius enthielt eine mit den späteren §§ 4, 5 der Verfassungsurkunde vergleichbare Regelung. Ihr Ursprung lässt sich nicht direkt verfolgen. Die Parallelen zur bayerischen Verfassungsurkunde44 fallen aber auf. Deutlich treten die Unterschiede zur französischen Charte hervor. Diese hatte den König ausdrücklich als Staatsoberhaupt bezeichnet, ihm gleichzeitig aber nur bestimmte Rechte zugewiesen.45 Auch die polnische Verfassung umschrieb – wohl als Zeichen der Personalunion mit Russland – lediglich die Stellung des Königs und wies ihm innerhalb der verfassungsrecht39

Vgl. I. Kapitel § 2 C.II.3. I. Kapitel § 2 C.II.1. 41 Bei Schulze, Bd. 1, S. 202 ff., Näheres im Folgenden. 42 § 2 machte die Rechtsverbindlichkeit von Bundesbeschlüssen von der Verkündung durch das „Staatsoberhaupt“ abhängig. 43 Wielandt, S. 26; ähnlich Jagemann, S. 551. 44 II. Titel, § 1, bei Pölitz, Bd. I, S. 134. 45 § 14 der Charte, bei Pölitz, Bd. II, S. 90. 40

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

lichen Schranken die Ausübung der Souveränität zu.46 Die am Entwurf von Nebenius vorgenommenen Änderungen betrafen nicht die Stellung des großherzoglichen Hauses.47 Somit blieb es beim Verweis auf die Hausgesetze, bei der knappen Formulierung der Erbfolge und der Stellung des Großherzogs. II. Die Stellung des Großherzogs nach den Hausgesetzen In Baden fehlte es an einer umfassenden kodifizierten Hausverfassung, wie es sie in Württemberg48 und Bayern49 gab. Die verschiedenen Hausverträge und Statuten regelten insbesondere die Erbfolge. Nachdem Carl Friedrich bereits zweimal (1787 und 1796) die Erbfolgeberechtigung seiner Söhne aus zweiter, an sich ungleicher und damit nicht standesgemäßer Ehe50 verlautbart hatte, bestätigte er diese Änderung der Erbfolge unter Zustimmung der Agnaten nochmals im Jahre 1806.51 Da dies auf internationaler Ebene nicht unumstritten blieb,52 strebte der Großherzog nach einer Absicherung durch Napoleon. Dieser machte die Anerkennung der Agnaten aus zweiter Ehe von einer Reform der badischen Finanzverwaltung abhängig und verwies im Übrigen auf die neu erlangte Souveränität Badens.53 Somit stand die Erbfolge nach Erstgeburtsrecht in agnatischer Linealfolge zunächst den männlichen Abkömmlingen Carl Friedrichs aus erster Ehe und nach Erlöschen dieser Linie den Abkömmlingen aus zweiter Ehe zu.54 Die Prinzessinnen hatten Verzicht zu leisten. Gleichwohl konnten ihre männlichen Nachkommen bei Aussterben der männlichen Linien erbfolgeberechtigt sein.55 Weitere Anordnungen wurden nicht getroffen. Einfachgesetzlich erfolgten später die Regelungen über die Zivilliste56 und die Apanagen der Mitglieder des großherzoglichen Hauses. Das Apanagengesetz von 183957 bestimmte immerhin, wer als Mitglied des großherzoglichen Hauses 46

Bei Pölitz, Bd. III, S. 24. v. Weech, S. 97. 48 Zu großen Teilen im 2. Kapitel der Verf.-Urk. von 1819 enthalten, bei Pölitz, Bd. I, S. 435 f.; außerdem die Hausgesetze von 1808 und 1828 bei Schulze, Bd. 3, S. 500 ff. und S. 512 ff. 49 Königliches Familien-Statut vom 5. August 1819, bei Schulze, Bd. 1, S. 337 ff. 50 Eisenlohr, S. 9. 51 Schulze, Bd. 1, S. 165 f., der Inhalt wurde der Allgemeinheit erst im Jahre 1817 bekannt gemacht, vgl. Eisenlohr, S. 14. 52 Über den bayerisch-badischen Streit und dessen für Baden glimpflichen Ausgang berichtet Huber, Bd. 1, S. 323 ff. 53 Eisenlohr, S. 11. 54 Großherzoglich Badische Successions-Acte vom 10. September 1806, bei Schulze, Bd. 1, S. 199 f. 55 § 3 des Großherzoglich Badischen Haus- und Familien-Statuts vom 4. October 1817, bei Schulze, Bd. 1, S. 202 ff., eine im Übrigen deutschlandweit einzigartige Anomalie, vgl. Eisenlohr, S. 16. 56 BRegBl. 1831, S. 211 ff. 47

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betrachtet werden konnte; es waren dies der Erbgroßherzog,58 die Söhne und Töchter des Großherzogs einschließlich ihrer Ehegatten und Witwen59 sowie die Gemahlin beziehungsweise die Witwe des Großherzogs60. Der Großherzog selbst nahm als Haupt der Familie61 eine besondere Stellung ein. Allerdings hatte er auf eine präzise Umschreibung seiner Befugnisse als Familienoberhaupt im Gegensatz zum Vorentwurf des Hausgesetzes verzichtet.62 Dies mag als Indiz für eine mögliche Einflussnahme innerhalb des großherzoglichen Hauses gelten, auch wenn schriftlich nichts festgehalten wurde. III. Das Verhältnis von Hausgesetzen und Staatsrecht 1. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Thronfolge Durch die Einbeziehung des Statuts von 1817 „als wörtlich in gegenwärtige Urkunde aufgenommen“,63 wurde das Hausgesetz den Bestimmungen des § 64 über die Verfassungsänderung unterworfen.64 Das schloss eine Änderung der Erbfolge ohne Zustimmung der Stände aus. Ob damit auch ein Verzicht auf den agnatischen Konsens verbunden war, lässt sich dem Verfassungstext nicht entnehmen. Überwiegend wurde in der badischen Staatsrechtslehre die Auffassung vertreten, mit der Aufnahme in die Verfassungsurkunde sei die Thronfolgeordnung auch den Wandlungen jedes Teils der Verfassung unterworfen worden, ohne dass ein Vorbehalt zugunsten der Agnaten oder Kognaten verankert worden wäre.65 Vielfach wurde das Erfordernis eines agnatischen Beitritts verneint, da für den souveränen Großherzog etwas anderes gelten sollte als für den niederrangigen Adel.66 Indes sind auch hier Zweifel angebracht, denn die Vertreter dieser Ansicht bezogen sich auf die Ausführungen August Wilhelm Heffters (1796–1880).67 Dieser nahm zwar an, das souveräne Familienoberhaupt besitze die Familiengewalt, doch beschränkte er dies ausdrücklich auf wenige Berei57

BRegBl. 1839, S. 197 ff. § 1. 59 §§ 23, 15, 16; 21–26. 60 § 20. 61 Als solches musste er spätestens seit der Successions-Acte von 1806 gelten, bei Schulze, Bd. 1, S. 200. 62 Entwurf eines Familiengesetzes, GLA Karlsruhe, 48, Nr. 6063, S. 84. 63 § 4 der VerfUrk. 64 So auch mittelbar Walz, S. 211. 65 Walz, S. 42 mit weiteren Nachweisen, sowie weniger eindeutig Wielandt, S. 26. 66 Dorner, S. 521, Anm. 1, der die Beistimmung in den Jahren 1787 und 1806 mit nahe liegenden, aber nicht weiter belegten Gründen rechtfertigt; gleicher Auffassung auch Walz, S. 38, Anm. 1, S. 51, sowie Degen, S. 44 ff. 67 Heffter, §§ 45–47. Auf ihn bezog sich Dorner, S. 521, Anm. 1; Dorner wiederum wurde von Walz, S. 38, Anm. 1, S. 51 zitiert. 58

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che.68 Hierzu zählte er die Beaufsichtigung des persönlichen Verhaltens der Familienmitglieder, die Fürsorge für angemessenen Unterhalt, die Sorge für die Erziehung der Kinder, die Rangbestimmung sowie Angelegenheiten der laufenden Geschäftsführung.69 Nur in diesen Fällen hielt Heffter die Ausübung der Familiengewalt ohne Zuziehung weiterer Personen für gestattet. Sollten aber „weiter gehende Verfügungen über bereits feststehende materielle Befugnisse“ hinaus mit Rechtsverbindlichkeit für alle oder gewisse Familienmitglieder getroffen werden, so hielt er deren Zuziehung für erforderlich.70 Insbesondere sollten Bestimmungen über die Vermögensrechte der Familie nur unter Zuziehung und Zustimmung der Berechtigten abgeändert werden.71 2. Die Staatspraxis im Jahr 1806 Den so eingegrenzten Befugnissen des Familienoberhauptes entsprach auch die badische Staatspraxis. Im Gegensatz zu den thüringischen Staaten bildete die neu erlangte Souveränität die wichtigste Grundlage des 1806 geschaffenen Staatswesens.72 Waren Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Meiningen überwiegend dynastisch gewachsen, so bildeten die badischen Erblande nur einen Bruchteil des neuen Großherzogtums. Die Legitimation zur Besitzergreifung und zur Beherrschung der neuen Gebiete unter einer Staatsgewalt erfolgte durch reichs- und völkerrechtliche Vereinbarungen.73 Aber dies besagt noch nichts über die innere Transformation dieser Legitimation. Gegenüber den Ständen übte der Großherzog die neu gewonnene Souveränität zwar alsbald aus,74 die Familiengewalt nahm er jedoch zunächst nicht für sich allein in Anspruch. Nach Erlangung der vollen Souveränität sah er sich, verbunden mit der ihm zustehenden stammhäuptlichen Eigenschaft, zwar in den Stand gesetzt, die Nachfolge in der Regierung des souveränen Großherzogtums zu regeln,75 diese Erklärung erfolgte aber noch einmal mit Einwilligung der Agnaten.76 Damit erkannten die Agnaten die Stammherrlichkeit des Staats- und Familienoberhauptes in Thronfolgefragen an. Nachfolgende Rechtsakte, welche insoweit agnatische Rechte berührten, brauchten folglich nur noch auf den vormaligen Beitritt 68

Heffter, § 45. Heffter, § 43. 70 Heffter, § 45; ähnlich auch Beseler, Grünhut’s Zeitschrift 5 (1878), S. 540 ff., S. 550. 71 Heffter, § 47. 72 Huber, Bd. 1, S. 90 f. 73 Reichsdeputationshauptschluss, Preßburger Frieden und die Rheinbundsakte, vgl. Degen, S. 46 ff. sowie Quaritsch, Souveränität, S. 108 ff. 74 Verordnung zur Aufhebung der landständischen Verfassung im Breisgau vom 23. Mai 1806, abgedruckt bei Pfister, Teil II, S. 20. 75 Successions-Acte vom 10. 9.1806, bei Schulze, Bd. 1, S. 200. 76 Schulze, Bd. 1, S. 166. 69

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der Agnaten zu verweisen.77 Der Wegfall der agnatischen Beistimmung bei der Regelung von Thronfolgefragen reichte jedoch nicht aus, die souveräne Entscheidungsbefugnis des Fürsten und Familienoberhauptes in allen Fragen des Hausrechts zu begründen. Ähnlich wie die Successions-Acte wurde wenig später eine Pragmatik zur Ordnung des Schulden- und Finanzwesens, die so genannte erste Schuldenpragmatik, mit Einwilligung der Agnaten erlassen.78 Allerdings fehlte hier ein Hinweis auf eine weitere Änderung der Stellung der Agnaten. Dies verwundert. Entweder war nach der Successions-Acte der Großherzog als Familienoberhaupt allein zur Bestimmung der Hausverfassung berechtigt und bedurfte keines agnatischen Konsenses mehr, dann war die Unterschrift des Erbgroßherzogs und der Markgrafen überflüssig. Oder eine solche Übereinstimmung war wegen des unterschiedlichen Regelungsgehaltes erforderlich, da sich die Agnaten insoweit noch nicht ihres weiteren Einflusses begeben hatten. Gegen die erste Annahme spricht die Bedeutung der Schuldenpragmatik, die den Domänen erhebliche Belastungen auferlegte und gleichzeitig den Grundstein für die wirtschaftliche Stabilisierung Badens bildete. Daher trifft wohl die zweite Annahme zu, denn dieser bedeutende Rechtsakt hätte ohne Beistimmung der Agnaten keine dauerhafte Rechtsbeständigkeit gehabt. Von Souveränität ist im Übrigen an keiner Stelle die Rede, vielmehr aber von der Bedeutung der Pragmatik als Haus-Status- und Land-Grund-Gesetz.79 Dementsprechend erfolgten zwei Ausfertigungen – als Staats- und als Hausgesetz.80 Die mit Zustimmung der Agnaten vorgenommene hausrechtliche Regelung ging der landesgesetzlichen Verordnung voraus.81 Dieses Vorgehen beweist zum einen das Festhalten an der patrimonialen Tradition, zum anderen aber auch die Bereitschaft, auf die neue Zeit einzugehen und private und öffentliche Handlungen getrennt zu behandeln. Der agnatische Beitritt hatte sich also keineswegs erübrigt. Im patrimonialstaatlichen Kontext war er nicht nur politisch, sondern auch rechtlich geboten. Da der Text jedoch an keiner Stelle von einer endgültigen Einwilligung der Agnaten in die Alleinentscheidung des Großherzogs über die Domänen spricht, kann ihm ein solcher Regelungsgehalt auch nicht zugewiesen werden. 3. § 59 der Verfassungsurkunde und das Privatfürstenrecht Weil die Rechtsakte aus dem Jahr 1806 nur wenig Argumentationsmaterial lieferten, versuchte Walther Degen, die Bestimmung des § 59, wonach Carl 77 78 79 80 81

Etwa die Staatsurkunde v. 4.10.1817, bei Schulze, Bd. 1, S. 201. BRegBl. 1806, Nr. 26 vom 11. November 1806, S. 103 f. BRegBl. 1806, S. 90. BRegBl. 1806, S. 103. BRegBl. 1806, S. 103.

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„vermöge obhabender Pflichten“ als Haupt der Familie den Status der Domänen bestätigte, als Berechtigung zur einseitigen Festlegung der Hausgesetze zu deuten.82 Diese Auslegung verkennt freilich, dass Pflichten und Rechte nicht zwangsläufig korrelieren und es sich lediglich um die Bestätigung oder gar Wiederherstellung eines für das großherzogliche Haus günstigen Zustandes handeln sollte. Hinzu kommt der Verweis auf die allgemein anerkannten Grundsätze des Staats- und Fürstenrechts in derselben Vorschrift. Auch wenn es im Jahr 1818 durchaus schon Zweifel am Erfordernis des agnatischen Konsenses gegeben haben mag,83 bringt doch die Formulierung unzweideutig zum Ausdruck, dass der Verfassungsgebung eine Verbindung von Staats- und Fürstenrecht zu Grunde lag. Demnach spricht viel für die Annahme, dass zum damaligen Zeitpunkt eine einseitige Verfügung über die in § 59 der Verfassungsurkunde genannten Vermögensrechte nicht in Betracht kam. Weil der Großherzog beim Erlass der Verfassung keine über seine bereits bestehenden materiellen Befugnisse hinausgehenden Verfügungen traf, bedurfte die Verfassung keines agnatischen Konsenses.84 Der Großherzog war als Familienoberhaupt und Regent zwar befugt, im Rahmen der bestehenden Hausgesetze Fragen der Thronfolge ohne agnatischen Konsens durch die Verfassung und später durch verfassungsänderndes Gesetz mit Zustimmung der Stände zu regeln. Eine Rechtsänderung, welche noch bestehende agnatische Rechte wesentlich einschränkte, bedurfte aber des vorhergehenden agnatischen Konsenses. Ähnlich stellt es auch eine Denkschrift aus dem Jahr 1832, die sich im Aktenbestand des badischen Generallandesarchivs befindet, dar: Großherzog Carl hätte die Frage der Abtretung der Domänen an den Staat zunächst hausgesetzlich mit agnatischem Konsens regeln müssen, um sodann als Souverän handeln zu können.85 Der Vorrang des Staatsrechts galt in Baden somit nur in den Fällen, in denen sich die Agnaten ihrer Rechte bereits abschließend begeben hatten. Damit erfüllte die badische Verfassung von 1818 nur bedingt Albrechts Kriterium von der Ablösung des Staatsrechts vom Privatrecht.86

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Degen, S. 45 f. Vgl. Klüber, § 252 Anm. b). 84 Ähnlich Helferich, S. 20. 85 GLA Karlsruhe, 47, Nr. 414, Bl. 13. Es handelt sich dabei, der Handschrift nach zu urteilen, um eine Schrift von Nebenius. 86 Vgl. I. Kapitel § 2 C.II.1. 83

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C. Das Eigentum an den Domänen I. Der Status vor dem Inkrafttreten der Verfassungsurkunde Vor dem Jahr 1806 war der eigentumsrechtliche Status der Domänen gesetzlich nicht geregelt.87 Positiv festgehalten war nur, dass die beiden Teile der Markgrafschaft bis zum Jahr 1771 obwohl im Gebrauch geteilt,88 ungeteiltes gemeinschaftliches Eigentum des Gesamthauses bleiben sollten.89 Ein so verstandenes Eigentum am Staat konnte im Zuge der Gebietsvergrößerung der Jahre 1803 bis 1806 nicht mehr aufrechterhalten werden. Die Frage nach dem Eigentum an den Domänen stellte sich aber unverändert weiter, weil ihre Herkunft unterschiedlicher Art war: So gab es Domänen, die den Markgrafen zur Ausstattung ihrer Fürstenwürde als Reichslehen gegeben worden waren – die so genannten Hofdomänen.90 Daneben bestanden als Hausdomänen private Erwerbungen.91 Diese Güter konnten nach den herkömmlichen Grundsätzen ungeachtet ihrer Pertinenzqualität92 und der Subsidiarität der Besteuerung93 als Privatgüter des großherzoglichen Hauses angesehen werden.94 Allerdings musste bei den Hofdomänen die Verbindung mit der Landeshoheit schwerer wiegen.95 Darüber hinaus hatten der Reichsdeputationshauptschluss, die Friedensverträge von Lunéville und Preßburg sowie die Rheinbundsakte zu einer Ausweitung des Domänenbestandes geführt.96 Dabei überstieg der Zuwachs die erforderliche Entschädigung für enteignetes Land bei weitem. So standen den im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses eingetretenen Verlusten in Höhe von 30.000 Einwohnern und etwa 300.000 fl. Revenuen der Erwerb von 254.000 neuen Staatsbürgern und Einnahmen von 1.500.000 fl. gegenüber.97 Teilweise erachtete man daher die aufgrund der völkerrechtlichen Verträge der Jahre 1801 bis 1806 erworbenen Domänen als freies Staatseigentum.98 Teilweise wurden nur

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Degen, S. 32–41 mit weiteren Nachweisen. Schulze, Bd. 1, S. 157. 89 Eisenlohr, S. 7. 90 Pfister, Teil I, S. 144. 91 Pfister, Teil I, S. 144; ähnlich Degen, S. 32 f. 92 Diese galt offenbar auch in Baden, vgl. Pfister, Teil I, S. 144. 93 Diese galt bis zum Eingehen der Stände auch in Baden, vgl. Degen, S. 33 f. Danach trugen die Kammererträge gleichwohl weiterhin zu den Staatslasten bei, ders., a. a. O., S. 34. 94 Siehe hierzu im I. Kapitel § 4 II.4.a). Auch Degen hielt die Erwerbungen bis zum Jahr 1803 vollständig für Privatgut des großherzoglichen Hauses, Degen, S. 58. 95 Darauf deutet Pfister hin; ders., Teil I, S. 144. 96 Degen, S. 46 ff. 97 Schroeder, Das Alte Reich, S. 265. 98 Pfister, Teil I, S. 203 f. 88

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die nach 1805 hinzugekommenen Ländereien für Staatsgut gehalten.99 Die eigentumsrechtliche Bewertung dieser Domänen harrte also weiter einer Klärung. Im Jahr 1806 erließ der Großherzog dann die bereits erwähnte erste Schuldenpragmatik. Sie stellte alle neu erworbenen Lande mit den dazu gehörenden Gütern, Renten und Rechten dem früheren Territorium gleich.100 Gleichzeitig traf sie eine Regelung über die Ablösung und Tilgung der mit den neuen Ländereien und Reichsstädten101 erworbenen Schulden, welche mit den badischen Altschulden zu einer gemeinsamen Staatsschuld zusammengezogen wurden.102 Zu diesem Zweck bestimmte die Pragmatik, dass die Schulden aus dem Staatsvermögen, „mithin aus Landes- und DomänenEinkünften“ beglichen werden sollten.103 Ferner sollten nur noch rechtmäßige Staatsschulden aufgenommen werden. Das Kriterium der Rechtmäßigkeit war anhand abschließend aufgezählter Einzelfälle bestimmt.104 Mit der Erklärung der Landes- und Domäneneinkünfte zu einem gemeinsamen Staatsvermögen war ähnlich wie in Preußen, Württemberg und Bayern ein bedeutender Schritt hin zur Staatsguteigenschaft der Domänen getan worden. Fortan sollten die Erträge der Domänen der Staatskasse zufließen.105 Mit gutem Grund hätte daraus sogar auf die rechtliche Einordnung des Domänengutes geschlossen werden können. Dennoch blieb eine entsprechende Übertragung auf den Staat aus, so dass die meisten Domänen vorerst noch als Familien-Privat-Gut betrachtet werden mussten. Der Großherzog wurde lediglich ermächtigt, in genau umschriebenen Einzelfällen Domänen ohne weitere Beteiligung der Familienmitglieder zu veräußern.106 Im Jahr 1808 hob der Großherzog diese Pragmatik wieder auf und regelte von neuem – in der Gestalt eines „StaatsGrund- und FamilienGesetzes“ – den Umgang mit den Staatsschulden.107 Mittelbar wurde sogar die Trennung von Staatsvermögen und Privatvermögen des Großherzogs vorausgesetzt, indem seine Privat- und Schatullschulden nicht als Staatsschulden betrachtet wurden.108 Interessanterweise unterschied der Gesetzestext auch zwischen dem Staat und dem Souverän in Person des Großherzogs.109 Die Kosten der Staatsverwaltung wie auch des Unterhalts des Regenten und seiner Familie sollten aus „den Einkünften des öffentlichen Vermögens des Staats“ bestritten werden.110 Auch am Grundsatz der Un99

Jagemann, S. 558 f. BRegBl. 1806, S. 90. 101 Über die zuvor aufgeworfene Frage der Übernahme eines Teils der reichsstädtischen Schulden berichtet Schroeder, Das Alte Reich, S. 271, 277. 102 BRegBl. 1806, S. 90. 103 BRegBl. 1806, S. 91. 104 BRegBl. 1806, S. 91 f. 105 Abschnitt III, BRegBl. 1806, S. 91. 106 BRegBl. 1806, S. 91. 107 BRegBl. 1808, S. 299 ff. 108 BRegBl. 1808, S. 305. 109 BRegBl. 1808, S. 301. 100

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veräußerlichkeit des Landes hielt man mit bestimmten Ausnahmen fest.111 Insgesamt erscheint die Schuldenpragmatik des Jahres 1808 formell und systematisch moderner als die des Jahres 1806. In der Sache wurde freilich nur wenig geändert – es blieb bei der öffentlich-rechtlichen Designation des Domänenvermögens. Eine klare Aufteilung zwischen Privat- und Staatsgut erfolgte nicht. Dennoch hatte der Markgraf und spätere Großherzog Ludwig (1763–1830) bei den Beratungen über die Neufassung der Schuldenpragmatik seiner Besorgnis über eine mögliche Verkürzung agnatischer Rechte Ausdruck verliehen.112 Inwiefern sich diese Kritik inhaltlich auswirkte, konnte nicht geklärt werden. In der Einleitung der Pragmatik von 1808 wird jedenfalls nur noch auf die in Anwesenheit des Markgrafen erfolgte Anhörung des Staatsrates hingewiesen.113 II. Die Regelung der §§ 58, 59 der Verfassungsurkunde Die Verfassungsurkunde von 1818 sah schließlich in den §§ 58, 59 eine umfassende Regelung domänenrechtlicher Fragen vor. Nach dem Grundsatz des § 58, der die pragmatischen Sanktionen von 1806 und 1808 ablösen sollte, durfte keine Domäne ohne Zustimmung der Stände veräußert werden. Hiervon gab es zwei Ausnahmen: Die erste betraf bereits beschlossene Veräußerungen und stand unter der Bedingung der Verwendung des Erlöses für neue Erwerbungen oder die Schuldentilgung. Die zweite Ausnahme handelte hauptsächlich von Veräußerungen und Tauschen zum Zweck der Beendigung von Rechtsstreitigkeiten. Von zentraler Bedeutung war jedoch die Bestimmung des § 59: „Ohngeachtet die Domainen, nach allgemein anerkannten Grundsätzen des Staatsund Fürstenrechts, unstreitiges Patrimonialeigenthum des Regenten und seiner Familie sind, und Wir sie auch in dieser Eigenschaft vermöge obhabender Pflichten als Haupt der Familie, hiermit ausdrücklich bestätigen; so wollen Wir dennoch den Ertrag derselben, außer der darauf radicierten Civilliste und außer andern darauf haftenden Lasten, so lang als Wir uns nicht durch Herstellung der Finanzen in dem Stand befinden werden, Unsere Unterthanen nach Unserm innigsten Wunsche zu erleichtern, – der Bestreitung der Staatslasten ferner belassen. Die Civilliste kann, ohne Zustimmung der Stände, nicht erhöhet und, ohne Bewilligung des Großherzogs, niemals gemindert werden.“

Auch wenn die Frage des Eigentums an den Domänen vorangestellt ist, stellt doch die Bestimmung über die Zivilliste den Kern der Norm dar. Die Zivilliste sollte wie in allen konstitutionellen Staaten ohne Zustimmung der Stände nicht 110 111 112 113

BRegBl. 1808, S. 300. BRegBl. 1808, S. 304 f. GLA Karlsruhe, 48, Nr. 6060, Bl. 73. BRegBl. 1808, Nr. 38 vom 27. November 1808, S. 300.

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erhöht und ohne Bewilligung des Großherzogs nicht gemindert werden können. Über die Höhe dieser Kronrente schweigt der Verfassungstext. Bestimmt wird lediglich eine Radizierung der Zivilliste auf den Domänenertrag. Dies bedeutete aber nur, dass im Falle unzureichender Domänenerträge diese nur der Zivilliste zufließen sollten, während Ansprüche des Staates ausgeschlossen blieben.114 Die über den Betrag der Zivilliste hinausgehenden Erträge sollten solange und soweit der Staatskasse überwiesen werden, bis durch die Verbesserung der Finanzen des Landes die Möglichkeit zu einer Erleichterung der Steuerbelastung eingetreten sein würde.115 In diesem Falle wäre die Regierung verpflichtet gewesen, die 1806 eingeführte Kassenvereinigung wieder rückgängig zu machen. Dies ist bis zum Ende der Monarchie nicht geschehen.116 In diesen Rahmen wurde schließlich noch die vielfach umstrittene Eigentumsfrage eingebettet. Die Domänen sollten ungeachtet der öffentlichen Designation ihrer Erträge „Patrimonial-Eigentum des Regenten und seiner Familie“ sein und bleiben. III. Die Entstehungsgeschichte des § 59 der Verfassungsurkunde In den frühen Verfassungsentwürfen der ersten Dekade des 19. Jahrhunderts finden sich keine Hinweise auf eine vermögensrechtliche Regelung der Domänenfrage. Erst im Jahre 1815 ist in einem frühen Entwurf von „Staatsgut“ die Rede.117 Dieser Passus stieß sogleich auf den Widerspruch der beim Wiener Kongress versammelten Minister, insbesondere des Freiherrn von Marschall (1763–1817), welcher im März 1815 bemerkte, die Domänen seien seines Erachtens nicht Staatsgut, sondern Familiengut des Regenten. So seien sie wenigstens bei der Mediatisierung betrachtet worden, sonst hätte man die Domänen der Mediatisierten für die Staaten einziehen müssen, mit welchen sie vereinigt wurden.118 In keinem weiteren Entwurf war dann von der Staatsguteigenschaft der Domänen mehr die Rede. Vielmehr sprach ein redigierter, auf Nebenius zurückgehender Entwurf aus dem Jahre 1816 von der Radizierung der Zivilliste „auf Unsere Domänen“.119 Diese von Nebenius vorgeschlagene Fassung erschien vor dem Hintergrund der badischen Geschichte durchaus folgerichtig. Die zwischen 1801 und 1806 dem badischen Gebiet als Surrogat für verlorene Domänen einverleibten Güter 114

Walz, S. 39. Helferich, S. 4. 116 Hachenburg, Rechtsgutachten vom 17.XII.1918, GLA Karlsruhe, 233, Nr. 26655, S. 17 f. 117 v. Weech, II. Entwurf, § 29, S. 18. 118 Bei v. Weech, S. 23. 119 v. Weech, S. 73. 115

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mussten zum Teil offenbar als Staatseigentum betrachtet werden. Dagegen konnten die angestammten Domänen zumindest bis zum Erlass der Schuldenpragmatik von 1806 für fürstliches Privatgut erachtet werden. Bei der Vermengung, in der sich die verschiedenen Domänen befanden, war es schwierig, den Eigentumsstatus für jede einzelne derselben zu ermitteln.120 So musste ein Ausgleich gefunden werden, der – ohne eine Vermögensauseinandersetzung herbeizuführen – die Belange des Großherzogs und seiner Familie ebenso berücksichtigte wie die Bedürfnisse des vorerst noch vom Großherzog verkörperten Staates.121 Der Schlusskonferenz in Griesbach lag dann ein der später erlassenen Verfassung nahezu gleichlautender, ebenfalls von Nebenius ausgehender Entwurf zugrunde. Aufgrund bewusst gestreuten Misstrauens gegenüber Nebenius hatte der Großherzog seinen Berichterstatter zu dieser Konferenz nicht geladen.122 Die einzige bedeutende Änderung war die Neufassung des § 59 am 14. August 1818. Daher wird auch vermutet, dass Nebenius von der Schlusskonferenz ausgeschlossen werden sollte, um die Neufassung des § 59 durchzusetzen.123 Offenbar hatte der Großherzog den Wunsch geäußert, dass in dem Verfassungsentwurf die „sämmtlichen Domänen als Familien-Privat-Gut“ des Hauses aufgeführt werden.124 Unklar bleibt, wer die Vorschrift in die später gültige Fassung brachte. Manche betrachteten den Großherzog als den ausschließlichen Urheber, andere den Markgrafen und späteren Großherzog Ludwig oder den Freiherrn von Reizenstein (1766–1847). Freiherr von Sensburg rühmte sich ebenfalls der Urheberschaft.125 Jedenfalls wurde der Entwurf in der bekannten Weise abgeändert.126 Bemerkenswert ist, dass die die Neufassung enthaltende Niederschrift am Rand einen besonderen Hinweis auf die Garantie der Verfassung durch den Deutschen Bund enthielt.127 Möglicherweise glaubte man, ohne eine derartige Regelung der Domänenfrage den Bundesgesetzen nicht zu entsprechen. Wenn man sich die spätere Formulierung der 60 Artikel vor Augen hält, wonach das Einkommen des Regenten, soweit es nicht verfassungsrechtlich eigenständig geregelt war, auf die Domanialgefälle gegründet sein sollte,128 liegt dieser Gedanke durchaus nahe. Aus den Aufzeichnungen von Nebenius lässt sich ledig120

Pfister, Teil I, S. 144. So die Auffassung von Hachenburg, Rechtsgutachten vom 17.XII.1918, GLA Karlsruhe, 233, Nr. 26655, S. 14 ff. 122 GLA Karlsruhe, N Nebenius, Nr. 35, Materialien zur Gesch. der Verf. II, Teil I, H. 3, Bl. 8, S. 1. 123 Beck, S. 45. 124 GLA Karlsruhe, 48, Nr. 6075, Bl. 10. 125 v. Weech, S. 99. 126 GLA Karlsruhe, 48, Nr. 6075, Bl. 13. 127 GLA Karlsruhe, 48, Nr. 6075, Bl. 13. 128 Art. 22. 121

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lich entnehmen, dass die Verfassung generell monarchischen Grundprinzipien zu folgen hatte129 und die Neufassung des § 59 für die Genehmigung durch den Großherzog von zentraler Bedeutung gewesen sein muss.130 Ob die merkwürdig gewundene Fassung des § 59 darauf zurückzuführen ist, dass Großherzog Carl, der beim Erlass der Verfassung in seiner Person noch die Person des Landesherrn und des Staates in sich vereinigte, beim Abwägen zwischen diesen beiden Personen der Person des Landesfürsten den Vorzug gegeben habe,131 lässt sich den Akten nicht entnehmen. Gleiches gilt für die Vermutung, der Verweis auf die Eigenschaft als „Patrimonial-Eigentum des Regenten und seiner Familie“ hätte nur die Herkunft der Domänen beschreiben sollen.132 Belegt ist dagegen ein Zusammenhang mit den Schuldenpragmatiken von 1806 und 1808, auf den im Protokoll der Sitzung vom 14. August 1818 hingewiesen wird.133 Demnach wurde unmittelbar nach der Behandlung des neugefassten § 59 die unter agnatischer Beistimmung des nunmehrigen Großherzogs Carl und der Markgrafen Friedrich und Ludwig festgesetzte Schuldenpragmatik vom 1. Oktober 1806 verlesen. Die später im November 1808 „unter den nämlichen Souveränitätsverhältnissen“134 einseitig, also ohne Zustimmung des nunmehr regierenden Großherzogs, erlassene Pragmatik fand dagegen nur am Rande Beachtung. Ihr wurde offenkundig keine Bedeutung beigemessen. Beide pragmatischen Sanktionen verloren ihre Verbindlichkeit, nachdem mit den §§ 57, 58 ihr Zweck „vollständig erreicht“ wurde.135 Als sicher erscheint so, dass der Großherzog an die Bestimmungen der Pragmatik von 1808 nicht mehr gebunden sein wollte. Bezogen auf die Pragmatik von 1806 kann Ähnliches vermutet werden. Hier waren die Agnaten aber beigetreten, somit mussten diese Regelungen durch einen actus contrarius aus der Welt geschafft werden. Sprachen noch 1806 gute Gründe dafür, dass die Domänen einen öffentlich-rechtlichen Charakter hatten, so sollte ihnen nun eindeutig nur der Charakter eines Familien-Privat-Gutes zuerkannt werden. Damit war der bis zum Jahr 1805 geltende Zustand wieder hergestellt. Ob die Verfassung ohne die besagte Änderung des § 59 am möglichen Widerspruch des Markgrafen gescheitert wäre, konnte anhand der zugänglichen archivarischen Quellen nicht festgestellt werden. 129 GLA Karlsruhe, N Nebenius, Nr. 35, Materialien zur Gesch. der Verf. I, Bl. 1 (b), S. 4. 130 GLA Karlsruhe, N Nebenius, Nr. 35, Materialien zur Gesch. der Verf. II, Teil I, H. 3, Bl. 8, S. 2. 131 Hachenburg, Rechtsgutachten vom 17.XII.1918, GLA Karlsruhe, 233, Nr. 26655, S. 13 f. 132 Hachenburg, Rechtsgutachten vom 17.XII.1918, GLA Karlsruhe, 233, Nr. 26655, S. 16. 133 GLA Karlsruhe, 48, Nr. 6075, Bl. 10. 134 GLA Karlsruhe, 48, Nr. 6075, Bl. 10. 135 § 58 Abs. 3 der VerfUrk.

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IV. Auslegungsfragen Mit der Regelung des § 59 wurde zumindest zum Ausdruck gebracht, dass eine wie auch immer geartete Eigentumsvermutung zugunsten des Staates nicht eingreifen konnte. Darüber hinaus stritt sich die Staatsrechtslehre über viele Aspekte dieser Bestimmung. Dazu gehörte vor allem die Frage, ob alle Domänen von § 59 erfasst sein sollten oder nur die dem großherzoglichen Hause angestammten, also vor dem Jahre 1803 beziehungsweise 1805 angefallenen Güter. Einige badische Juristen waren der Auffassung, Großherzog Carl habe lediglich als Familienoberhaupt gesprochen und daher nur diejenigen Güter im Auge gehabt, welche als Familieneigentum dem Staate zur Verwaltung überlassen werden sollten.136 Auf die reinen Staatsdomänen habe er sich gar nicht bezogen. Daher müsste für jede einzelne Domäne bei einer allfälligen Teilung der Domänen zwischen der landesherrlichen Familie und dem Staat auf den Rechtstitel ihrer Erwerbung zurückzugehen sein.137 Eine solche Teilung sollte besonders dann notwendig werden, wenn auf dem Wege eines Verfassungsgesetzes etwa die Thronfolge abgeändert werden sollte.138 Gleiches musste auch für den Fall einer Mediatisierung des Großherzogtums gelten. Eine derartige Teilung ist damals – abgesehen von den verschiedenen Rechtsauffassungen – wohl vor allem an den tatsächlichen Schwierigkeiten einer derartigen Scheidung gescheitert.139 Helferich nahm darüber hinaus an, die Verfassung habe überhaupt keine Änderung gegenüber dem schon zuvor bestehenden Zustand vorgenommen.140 Daher sei es bei der öffentlich-rechtlichen Eigenschaft der Domänen geblieben, welche spätestens seit 1806 mit Einwilligung der Agnaten bestanden habe.141 In Anlehnung an Reyscher sprach er dem Großherzog in seiner Eigenschaft als Landesherr das Eigentum an den Domänen zu,142 eine privatrechtliche Beziehung sei nicht gegeben.143

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Walz, S. 38; Degen, S. 54; Schenkel, S. 8, Fn. 1. Walz, S. 38; Degen, S. 54; Schenkel teilte dieses Ergebnis. Er wollte aber dem Großherzog ungeachtet seiner Eigenschaft als Souverän nicht zugestehen, das Eigentumsrecht an den Domänen einseitig zu ändern. Somit hielt er die Übertragung vormaligen Staatseigentums durch § 59 auf den Großherzog und seine Familie für ausgeschlossen; Schenkel, S. 8, Fn. 1. 138 Wielandt, S. 26 Anm. 2. 139 Glockner, S. 130. 140 Helferich, S. 13. 141 Helferich, S. 14 f. 142 Helferich, S. 18. 143 Helferich, S. 21, 23. 137

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Nur vereinzelt wurden alle Domänen für Patrimonialeigentum gehalten. Die Verfassung habe eine Absonderung vertagt und Großherzog Carl habe alle badischen Domänen, auch die nach 1805 erworbenen, als Patrimonium der durch die Hausgesetze bestimmten fürstlichen Familie proklamiert.144 Soweit die Verfassung wirkliche Staatsdomänen zu Familieneigentum erklärt habe, stehe dem Staat ein voller Entschädigungsanspruch an den Domänenfiskus zu.145 Außerdem war umstritten, wem das Eigentum an den § 59 unterfallenden Domänen persönlich zustehen sollte. Da ungeachtet einer möglichen Bestätigung der Fideikommisseigenschaft der Domänen durch § 59 für deren rechtliche Behandlung – „wenigstens bis zu etwa erfolgender Ausscheidung aus dem Domänengrundstock“ – ausschließlich die hierfür geltenden staatsrechtlichen Bestimmungen für maßgeblich gehalten wurden,146 erschien eine Analogie zum Stammgutsrecht und damit ein Eigentum des Großherzogs als Haupt der Familie ausgeschlossen. Dies erforderte eine andere Eigentumskonstruktion, die schließlich im Eigentum der großherzoglichen Familie als Korporation gefunden wurde.147 Der jeweilige Großherzog erschien dieser juristischen Person gegenüber nur als ein über den bloßen Nießbrauch des bürgerlichen Rechts hinaus berechtigter Nutznießer.148

V. Die Zivillistengesetze Die bis dahin durch den jeweiligen Etat festgelegte Zivilliste149 wurde mit dem Gesetz über die Zivilliste von 1831 auf jährlich 650.000 fl. festgesetzt.150 Mit dem Zivillistengesetz wurde dem Großherzog auch die so genannte Hofausstattung zur Verfügung gestellt. Hierzu gehörten Gebäude wie das Residenzschloss, Grundstücke und Rechte wie etwa Jagdrechte. Die Frage des Eigentums an dieser Hofausstattung regelte das Zivillistengesetz nicht. Im Schrifttum nahm man zum Teil an, aus dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Zivilliste und der Steuerfreiheit der Hofausstattung ergebe sich das staatliche Eigentum.151 Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass die Hofausstattung ursprüng144 Jagemann, S. 558; ähnlich auch Seubert, S. 741, der zwar nach den Erwerbstiteln durchaus für eine Vielzahl von Domänen Staatseigentum annehmen mochte, indes aber die Regelung des § 59 für einstweilen unumstößlich hielt und auf Möglichkeiten der Änderung hinwies. 145 Jagemann, S. 559. 146 Dorner, Das Badische Ausführungsgesetz zum BGB, S. 320. 147 Walz, S. 38; Degen, S. 56 f. 148 Walz, S. 38. 149 Glockner, S. 268. 150 Art. 1 des Gesetzes vom 2.XI.1831, BRegBl. 1831, S. 211. 151 So etwa Wielandt, S. 39 f., 184; ähnlich auch Pfister, Teil I, S. 221.

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lich Teil des Domanialvermögens war.152 Ihre Absonderung durch das Zivillistengesetz war nicht ausdrücklich eigentumsrechtlicher Natur. Daher wurde, wenn auch nur vereinzelt, die Zivilliste und damit auch die Hofausstattung als ausschließliches Privateigentum des Großherzogs verstanden.153 Mit dem Vollzug des Staatsbudgets für 1872/1873 gingen Teile der Hofausstattung, darunter die Hofbibliothek, in die Verwaltung des Staates über, ohne dass ausdrücklich eine Veränderung der Eigentumslage vorgenommen worden wäre.154 Aus der Zivilliste waren etwa die Gehälter der Hofbeamten, der gesamte Aufwand der Hofhaltung und der Aufwand für die Unterhaltung der Bibliothek und des Theaters der Residenz sowie alle anderen Hofausgaben zu bestreiten, zu deren Zahlung aus der Staatskasse keine Autorisation durch das Staatsbudget gegeben war.155 Die Zivilliste durfte nicht veräußert, ihrem Zweck entzogen oder belastet werden.156 Mit dem Zivillistengesetz von 1854 wurde die Zivilliste um eine jährliche Entschädigungsrente in Höhe von 2.490 fl. erhöht.157 Im Jahr 1858 erfolgte nochmals eine Erhöhung um 100.000 fl.158 VI. Die praktische Anwendung der Domänenregelung Das dem Staat unter der Bezeichnung Domänenarear159 zur Nutzung und Verwaltung zustehende Vermögen wurde in den Staatsgrundstock, den Domänengrundstock sowie das bewegliche Staatsvermögen eingeteilt.160 Der Staatsgrundstock stellte wirkliches Staatseigentum dar. Dazu gehörten sämtliche öffentlichen Gebäude, die Staatseisenbahnen und die Salinen.161 In den Domänengrundstock fielen alle von § 59 der Verfassung erfassten Domänen, die landwirtschaftlich (Kameraldomänen) oder forstwirtschaftlich (Forstdomänen) genutzt wurden.162 Die Verwaltung der Hofausstattung übernahm die Großherzogliche Generalintendanz der Zivilliste.163

152 So auch die Regierungsbegründung zum Gesetz über die Zivilliste, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1831, H. 2, S. 40. 153 Jagemann, S. 559 f. 154 Bekanntmachung vom 19.X.1872, BGVBl. 1872, S. 350. 155 Art. 2 des Gesetzes vom 2.XI.1831, BRegBl. 1831, S. 211. 156 Art. 3 des Gesetzes vom 2.XI.1831, BRegBl. 1831, S. 212. 157 Art. 1 des Gesetzes vom 3.III.1854, BRegBl. 1854, S. 43. 158 Gesetz vom 14.IV.1858, BRegBl. 1858, S. 147. 159 Walz, S. 250. 160 Regenauer, S. 52. 161 Walz, S. 250. 162 Walz, S. 251. 163 Walz, S. 252.

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VII. Streitpunkte Im Gegensatz zu den thüringischen Staaten kam es in Baden weniger zu Auseinandersetzungen über die Rechtsnatur des Domäneneigentums. Die Regelung des § 59 wurde in der 2. Kammer etwa durch den Abgeordneten Ludwig August Friedrich von Liebenstein (1781–1824) beklagt, der darauf hinwies, „daß von allen Bestimmungen unserer im ganzen so liberalen Verfassung im In- und Ausland keine lauteren und gegründeteren Tadel gefunden habe, als die, daß alle Domänen des Staats Privateigentum der regierenden Familie seyen. Es habe gerechte Verwunderung erregt, daß man dabei nicht einmal zwischen den Domänen in den alten Stammlanden und den Domänen in den seit dem Lüneviller Frieden erworbenen Entschädigungslanden, welche durch das Blut und die Schätze des Volkes errungen worden, unterschieden habe.“164 Dennoch fand man sich ständischerseits relativ schnell mit der Regelung des § 59 ab, da schließlich die Erträge in die Staatskasse flossen. Eine größere Auseinandersetzung im Zuge der Karlsbader Beschlüsse konnte schon im Ansatz vermieden werden. In der Regierung gab es nämlich Tendenzen, die Verfassung rechtmäßig oder staatsstreichartig165 abzuändern. In diesem Zusammenhang sollte auch § 59 modifiziert werden. Demnach wären die Erträge der Domänen dem Regenten zugeflossen und lediglich der Überschuss nach Abzug der frei zu bestimmenden Zivilliste der Staatskasse überwiesen worden.166 Diese Vorarbeiten waren allerdings ohne das Einverständnis des eigentlich nicht so liberalen Großherzogs Ludwig gemacht worden. Da er keine realistische Durchsetzungschance sah, lehnte er die Vorschläge ab.167 Auch über das Zivillistengesetz wurde wenig gestritten. Im Gegenteil begrüßten es die Stände, dass der Zweck der Zivilliste, den Aufwand des Regenten und seiner Familie vom Staatsaufwand zu trennen, „vollkommen“ erreicht wurde.168 Nur in den Fällen, in denen die Erträge nicht der Staatskasse zuflossen, gab es Anlass zu Protest. So hatten sich verschiedene Gemeinden im Main-TauberKreis beschwert, dass die vormals mediatisierten kurfürstlich-mainzischen Domänen nunmehr als reines Privatgut betrachtet wurden, deren Erträge privat genutzt wurden, weshalb die Steuerforderung höher ausfalle als erforderlich.169 Diskutiert wurde auch darüber, ob die Regierung einseitig bestimmen konnte, 164

Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1819, H. 8, S. 14. Huber, Bd. 1, S. 378 f. 166 Denkschrift des Finanzministers von Fischer, bei v. Weech, S. 117. 167 v. Weech, S. 117. 168 Commissionsbericht über den Gesetzentwurf, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1831, Bd. 25, S. 208 ff., 209. 169 Bericht des Abg. von Rotteck (Petitionskommission), Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1831, Bd. 36, S. 334 f., Beil. 18. 165

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was als Domänenertrag und was als Domänenkapital anzusehen war und als solches verrechnet werden sollte, oder ob es hierzu eines Gesetzes bedurfte.170 Im Kern betraf dies die Frage, wer über die Domänenerträge verfügen konnte: die Regierung oder die Stände. Vorerst konnte die Regierung diese Frage noch für sich entscheiden.171 Mittelbar kam es zu einer Auseinandersetzung über die Rechtsnatur der Domänen im Zusammenhang mit dem 1831 vorgelegten Entwurf des Apanagengesetzes. Die 2. Kammer debattierte heftig über die Frage, inwieweit die privaten Fideikommisse auf die Apanagen anzurechnen seien.172 Dabei kam es zum Teil auf die Frage an, ob diese Fideikommisse nicht in Wirklichkeit als Staatsvermögen betrachtet werden müssten. Während seitens der Regierung – vorsichtig formuliert, aber in der Sache eindeutig – die Domänen als ursprüngliches Familieneigentum der Regentenfamilie angesehen wurden,173 verteidigte namens der Kammer der Abgeordnete Welcker das „Recht des Staats auf die Staatsdomänen“ und bezeichnete dieselben als Vermögen „zum Besten des Staats“174. Eine Einigung über diese Eigentumsfrage konnte nicht erzielt werden, was ein Grund für das Scheitern des Gesetzes in diesem Jahr war. Nachdem es im Jahr 1839 erneut vorgelegt worden war, kam es zu einer Einigung. Demnach oblag die standesgemäße Versorgung der Mitglieder des Hauses dem fürstlichen Patrimonialvermögen und gehörte zu den Lasten, welche nach § 59 der Verfassungsurkunde gleich der Zivilliste auf dem Ertrag der Domänen hafteten.175 Das Jahr 1848 brachte auch in Baden erhebliche Unruhe. Die revolutionäre Bewegung machte vor den Ständen nicht Halt. Die 2. Kammer beschloss, die Einberufung einer konstituierenden Versammlung zu fordern, und überwies die Ausarbeitung der Einzelheiten den Ausschüssen. Eine solche Konstituante sollte auch die Frage einer Aufteilung von Krongut und Staatsgut klären, umstrittene Ländereien sollten von einem Gerichtshof beurteilt werden.176 Es blieb jedoch bei der Forderung, die Umsetzung unterblieb, auch wegen des Widerstandes der Regierung. Erst im Jahr 1873 fand die Regierung den Gedanken einer Aufteilung des Domänenvermögens in Staatsvermögen und Privatvermögen der großherzoglichen Familie erwägenswert.177 Verschiedene Gesetzentwürfe wurden angefer170 171 172 173

Helferich, S. 28. Helferich, S. 28 f. Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1831, Bd. 34, S. 3–58. Nebenius, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1831, H. 34,

S. 53. 174

Welcker, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1831, H. 34,

S. 68. 175

Glockner, S. 276. Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1847–1849, Bd. 7, S. 213. 176

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tigt, welche neben der Festlegung des Rechtsverhältnisses der Domänen eine umfangreiche Entschädigung für die großherzogliche Familie ebenso vorsah wie ein Verfahren zur Absonderung des Privatvermögens vom Staatsvermögen durch eine unabhängige Kommission. Die Absicht, der „principiellen Lösung der Domänenfrage näher zu treten und damit eine für alle Beteiligten erwünschte definitive verfassungsmäßige Regelung anzubahnen“, wurde seitens der Regierung sogar dem Landtag bekannt gegeben.178 Warum diese Vorarbeiten nicht weiterverfolgt wurden, geht weder aus den Akten noch aus anderen Quellen179 hervor. Tatsache ist, dass in dieser Zeit der – auch mit der Reichsgründung zusammenhängende – wachsende Geldbedarf durch neue Steuermittel gedeckt werden musste.180 Außerdem schien die Höhe der Zivilliste nicht mehr den Bedürfnissen des Hauses zu entsprechen. Wahrscheinlich spielte die Regierung auf Zeit, als sie den Ständen erklärte, einer Erhöhung der Zivilliste könne man nur dadurch entgehen, dass eine Auseinandersetzung des Domänenvermögens herbeigeführt werde.181 Denn bis zu einer endgültigen Erledigung der Domänenfrage sollte die Zivilliste einen besonderen Zuschuss aus dem Staatsbudget erhalten.182 Der Zeitpunkt einer Einigung hätte mit an der Regierung gelegen. Da sie aber untätig blieb, kam es bis zum Ende der Monarchie zu keiner Änderung am Zuschuss zur Zivilliste aus Staatsmitteln.183 Die Domänen behielten also überwiegend ihren Charakter als Patrimonialgut, obwohl bereits wichtige Kriterien Albrechts erfüllt waren, insbesondere im Hinblick auf die Staatsorganisation und die wenigstens ansatzweise erfolgte Ablösung des Staatsrechts vom Privatrecht. Unter der Geltung des § 59 der Verfassungsurkunde musste dies selbst für den Fall gelten, dass die Landeshoheit auf den Staat überging oder bereits übergegangen war.

D. Die Ertragshoheit über die Domänenerträge und die Folgen für das ständische Budgetrecht Domänenerträge und Steuereinnahmen flossen in Baden schon seit 1668 in die Kammerkasse.184 Insofern brachte die 1806 erfolgte Zuweisung der Domä177

GLA Karlsruhe, 47, Nr. 420. Schreiben des Finanzministers Ellstätter an den Präsidenten der 2. Kammer vom 30. Januar 1874, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1873/1874, Beilagenheft 4, S. 356. 179 Vgl. Seubert, S. 742. 180 Fenske, S. 67. 181 Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1873/1874, Beilagenheft 4, S. 356. 182 Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1873/1874, Beilagenheft 4, S. 356. 183 Walz, S. 39. 178

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nenerträge an die Generalstaatskasse185 keine spürbare Neuerung. Es änderte sich aber die Bezugsperson. Bis 1806 war der Großherzog als Landes- und damit Kammerherr das Bezugssubjekt, danach war es der Staat, der vorerst noch durch den Großherzog verkörpert wurde. Nachdem § 59 der Verfassungsurkunde die Domänenerträge ungeachtet der Rechtsnatur des Domänenvermögens weiter dem Staatshaushalt überwies, schien die Eigentumsfrage nicht mehr von solcher Bedeutung für die Stände zu sein. Das Konfliktpotenzial erwies sich als gering. Etwas anderes sollte sich beim Haushaltsrecht zeigen, das trotz klarer Formulierungen zu vielfachem Streit Anlass bot. I. Die rechtliche Regelung nach der Verfassung und den Gesetzen Das Haushaltsrecht basierte zunächst auf einer Reihe von Bestimmungen der Verfassungsurkunde. Demnach war die Erhebung von Steuern von der regelmäßig auf zwei Jahre zu erteilenden Bewilligung der Stände abhängig.186 Diese Bewilligung musste unbedingt erfolgen.187 Zuerst wurde der Entwurf des Auflagengesetzes in die 2. Kammer eingebracht.188 Ihm musste das Staatsbudget einschließlich einer detaillierten Übersicht über die Verwendung der verwilligten Gelder der vorherigen Periode beigefügt werden.189 Erst nach Annahme durch die 2. Kammer konnte die 1. Kammer über den Entwurf beraten.190 Kam kein übereinstimmender Beschluss beider Kammern zustande, sollten jeweils die bejahenden und verneinenden Stimmen der beiden Kammern zusammengezählt werden. Die dann erzielte Mehrheit gab den Ausschlag.191 Dabei konnte die 1. Kammer durchaus von der 2. Kammer überstimmt werden. Für den Fall der Budgetverzögerung war eine Forterhebung der bereits verwilligten Steuern für sechs Monate vorgesehen.192 Steuern zu Rüstungszwecken konnten auch vor Einwilligung der Stände erhoben werden. Diese Ausnahme wurde allerdings an ein größeres Mitspracherecht eines ständischen Ausschusses bei der Entscheidung über die Verwendung der Gelder gekoppelt.193 Weitere Mitspra184

Degen, S. 34. Über deren Einrichtung informiert eine Obrigkeitliche Kundmachung, BRegBl. 1803, Nr. 18 vom 1. November 1803; die Bestimmung, dass Domänen- und Landeseinkünfte gleichermaßen zum Staatsvermögen gerechnet werden, erfolgte in der Verordnung vom 1. Oktober 1806, BRegBl. vom 11. Nov. 1806, S. 91. 186 §§ 53 und 54. 187 § 56. 188 § 60. 189 § 55. 190 § 60. 191 § 61. 192 § 62. 193 § 63. 185

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cherechte der Kammern bei der Verwendung der Steuergelder waren nicht vorgesehen. Nachdem die jeweiligen Finanzgesetze verschiedene budgetrechtliche Regelungen getroffen hatten194, wurde erst im Jahr 1882 ein das Budgetrecht regelndes Gesetz erlassen.195 Bestandteil der Verfassungsurkunde wurde das Budgetrecht erst im Jahre 1904.196 II. Die Entstehungsgeschichte der Haushaltsverfassung Die ersten Verfassungsentwürfe weisen, auf das Haushaltsrecht bezogen, eine große Übereinstimmung mit der französischen Charte von 1814 auf. Auch Parallelen zur polnischen Konstitution von 1815 können gezogen werden. So war diesen beiden Verfassungen gemein, dass keine Steuer ohne Bewilligung der Stände197 ausgeschrieben werden durfte und dass das Auflagengesetz zuerst der Abgeordnetenkammer zuzuleiten war198. Dies sind aber auch die einzigen Anhaltspunkte für die Herkunft der zentralen Budgetregeln. Eine bedeutende Einschränkung des Bewilligungsrechts wurde schon früh durch das Gebot der Unbedingtheit der Verwilligung eingeführt.199 Über die Herkunft dieser Vorschrift können nur Vermutungen angestellt werden. Es ist möglich, dass sie in engem Zusammenhang mit den Beratungen des Wiener Kongresses steht, denn dort wurde bekanntlich auch die Frage der landständischen Verfassungen samt eines allfälligen Homogenitätsgebotes besprochen.200 An diesen Beratungen nahmen maßgebliche Vertreter der badischen Regierung teil. Darunter befand sich Freiherr von Marschall, welcher den alsbald folgenden zweiten Entwurf, der die Bedingungsfeindlichkeit der Steuerbewilligung nicht mehr vorsah, genau in diesem Punkte kritisierte und darauf hinwies, die Stände sollten keine „allzutiefe Einmischung in Gegenstände der exekutiven Administration erhalten“201. Zwar hat Nebenius den abschließenden Entwurf losgelöst von den früheren Entwürfen verfasst,202 gleichwohl waren ihm die Vorarbeiten bekannt, und er war von Staatsminister von Reizenstein ausdrücklich auf den Entwurf des Freiherrn von Marschall hingewiesen worden.203 In diese Richtung weist auch Carl Salomo 194

Walz, S. 283. BGVBl. 1882, S. 155 ff. 196 BGVBl. 1904, S. 343. 197 § 48 der Charte, bei Pölitz, Bd. II, S. 92; §§ 39, 91 der polnischen Verfassung von 1815, bei Pölitz, Bd. III, S. 26, 29. 198 § 47 der Charte, bei Pölitz, Bd. II, S. 92; § 97 der polnischen Verfassung von 1815, bei Pölitz, Bd. III, S. 29. 199 § 30 des 1. Entwurfs von 1815, bei v. Weech, S. 10. 200 Huber, Bd. 1, S. 526, 530, 536. 201 v. Weech, S. 23. 202 v. Weech, S. 96. 195

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Zachariae (1769–1843), der anführt, die Bedingungsfeindlichkeit beruhe auf der ständischen Sitte der Vorzeit, bei Steuerbewilligungen gewisse Vorbehalte und Bedingungen hinzuzufügen, welche nicht die Arten oder den Betrag oder die Verwendung der zu erhebenden Steuern, sondern die Beschränkung der landesherrlichen Gewalt in anderen Beziehungen zum Gegenstande hatten. Diesen Missbrauch zu verhindern, sei der Gedanke hinter dieser Vorschrift.204 Denkbar ist auch, dass die nur wenige Wochen vorher verkündete bayerische Verfassungsurkunde205 Pate für die Einführung der Bedingungsfeindlichkeit im Schlussentwurf stand. Jedenfalls war schon früh der Gedanke einer Mitaufsicht der Stände über die allgemeine Verwendung der Steuermittel fallengelassen worden.206 Dementsprechend war zu keinem Zeitpunkt an ein Ausgabenbewilligungsrecht der Stände gedacht worden. Erst in den Entwürfen des Jahres 1816 kam die Nachweisung des Staatsbedürfnisses zur Sprache.207 Dieser Nachweis sollte aber ausschließlich der Vorbereitung der Steuerbewilligung dienen und hatte keine Befugnis zum Inhalt, einzelne Ausgabenposten festzusetzen.208 Die Bewilligungszeiträume der Entwürfe schwankten während der Beratungen zwischen einem und drei Jahren. III. Auslegungsfragen Anders als bei der Frage des Eigentums an den Domänen kam es offenbar wegen der Auflagenbewilligung und insbesondere wegen eines möglichen Ausgabenbewilligungsrechts der Stände und der sich daran anknüpfenden Rechtsfragen209 zu keiner wissenschaftlichen Auseinandersetzung in der Staatsrechtslehre. Vielmehr standen sich politisch die Stände und die Regierung mit unterschiedlichen Auffassungen gegenüber. Seitens der Stände führten freilich namhafte Staatsrechtslehrer das Wort.210

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v. Weech, S. 96. C. S. Zachariae, Verhandlungen der 1. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 4, S. 509. 205 Diese war am 26. Mai 1818 gegeben worden und enthielt im 7. Titel mit § 9 die Bestimmung der Bedingungsfeindlichkeit, welche nahezu wörtlich mit § 46 der badischen Verfassungsurkunde übereinstimmt, bei Pölitz, Bd. I, S. 143. 206 GLA Karlsruhe, N Nebenius, Nr. 35, Badische Verfassung, loses Beiblatt. 207 v. Weech, S. 50. 208 § 25 ad I, v. Weech, a. a. O. 209 Vor allem das Erfordernis eines formellen Gesetzes, die Bindungswirkung des Etats, die Frage von Erübrigungen sowie die Spezialisierung des Budgets. 210 So beispielsweise Carl Salomo Zachariae, Karl von Rotteck und Carl Welcker. 204

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1. Die Haltung der Regierung Die Regierung war anfangs noch mit einiger Unsicherheit in die Beratungen des Finanzgesetzes gegangen.211 Je weiter die Forderungen der Stände gingen, desto eindeutiger stellte die Regierung klar, dass die verfassungsmäßigen Rechte des Landtages in Bezug auf das Budget mit der Bewilligung der Auflagen erschöpft seien.212 Niemand anderes als Nebenius selbst konnte berufen sein, den Ständen eine authentische Auslegung der Verfassung zu unterbreiten. Als er dem Landtag „die Anträge der Regierung über die Ausgaben des Staates und die Mittel zu deren Bestreitung in der Finanzperiode von 1822–1824 in der verfassungsmäßigen Form“ eines Gesetzes vorlegte,213 meinte er damit weder, dass über die Einnahme eine gesetzliche Bestimmung zu treffen sei, noch, dass das Ausgabenbudget als Gesetz verabschiedet werden müsste. Vielmehr schränkte er durch den Hinweis auf die verfassungsmäßige Form die Reichweite der Vorlage ein.214 Zwar setzte er den Abgeordneten ausführlich die Ausgabenpositionen einschließlich der Veränderung zum vorherigen Budget auseinander, doch legte er auch hier Wert auf den erläuternden Charakter215 seiner Ausführungen und verwies an anderer Stelle darauf, dass einzelne Ausgaben bereits durch die Regierung festgesetzt seien.216 Später wird Nebenius noch deutlicher, das Budget diene der Verfassung nach lediglich als „Material zur Begründung des Auflagengesetzes“217 und könne keineswegs als bindendes218 Gesetz betrachtet werden.219 Wäre dies der Fall, so „würde die Kammer administrieren und nicht bloß Auflagen bewilligen“.220 Vielmehr sei das Budget, wie es die Verfassung ausdrücklich in § 82 Abs. 2 vorsah, eine Vereinbarung zwischen der Regierung und den Ständen, welche dem Ministerium die Verbindlichkeit auflege, es unter den gegebenen Verhältnissen zu beachten.221 Daher könne weder eine Überschreitung noch eine Verletzung des Budgets zur Ministeranklage berechti211

van Calker, S. 45. van Calker, S. 63. 213 Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 1, S. 165. 214 Dies übersieht Friauf, S. 101, wenn er glaubt, die Regierung habe mit ihrer Formulierung auf den Landtag zugehen wollen. 215 Beilage A zum Protokoll vom 3. April 1822, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 1, nach S. 158, S. VII. 216 Beilage A zum Protokoll vom 3. April 1822, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 1, nach S. 158, S. VIII f. 217 Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 4, S. 492. 218 Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 4, S. 492. 219 Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 5, S. 36. 220 Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 4, S. 491, zugleich eine mögliche Bestätigung der oben vertretenen Auffassung, dass die Bedingungsfeindlichkeit der Steuerbewilligung nicht erst über die bayerische Verfassungsurkunde in die Verfassung Eingang fand (vgl. die Äußerungen von Marschalls). 212

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gen.222 Auch die Einnahmen seien kein Gesetz, nur die Abgaben würden durch das Finanzgesetz bestimmt.223 2. Die Haltung der Ständeversammlung Anderer Ansicht war die Mehrheit in der Ständeversammlung. Dort hielt man auch das Budget der Einnahmen für ein Gesetz.224 Dies hätte für die Stände letztlich die Mitbestimmung über die Domänenerträge bedeutet und die Bestimmung über die Radizierung der Zivilliste in § 59 aushöhlen können. Dabei blieb man aber nicht stehen, sondern forderte auch die Mitbestimmung über die einzelnen Ausgabenpositionen. Wenn in der Ständeversammlung überhaupt die badische Verfassungsurkunde herangezogen wurde, so kam § 55 der Verfassung zur Sprache, wonach mit dem Entwurf des Auflagengesetzes das Staatsbudget vorzulegen war, in dem grundsätzlich kein Posten für geheime Ausgaben vorkommen durfte. Darauf stützte sich vor allem C. S. Zachariae mit seiner Meinung, das Großherzogtum Baden gehöre zu den Staaten, in welchen die Stände das Recht der Ausgabenbewilligung hätten. Die Budgets dieser Staaten seien in einem Geiste abgefasst worden, der mit Baden vergleichbar sei.225 Zwar könnten die den Kammern zustehenden Rechte „nach der Verschiedenheit der Verfassungen verschieden sein“, doch würden die Kammern, welche bei der abzulegenden Rechenschaft über das Budget keine Stimme hätten, mehr dem „Namen als der Sache nach ein Bewilligungsrecht haben“.226 Wo den Ständen lediglich das Recht der Steuerbewilligung zustehe, komme dies auch in der Gesetzesformulierung zum Ausdruck. Etwas anderes müsse aber dort angenommen werden, wo es den Kammern obliege, über die Verwendung der öffentlichen Einkünfte zu bestimmen. Dies gelte auch für Baden. § 55 der Verfassungsurkunde könne nur so gedeutet werden, dass den Kammern das Recht zustehe, nicht nur über die öffentlichen Abgaben, sondern auch über deren Verwendung im Einzelnen zu bestimmen. Zu demselben Ergebnis führe auch die Auslegung des § 59 der Verfassungsurkunde, da die Zivilliste, welche als vornehmste Ausgabe in der konstitutionellen Monarchie verstanden wurde,227 ohne Zustimmung 221 Staatsrat Böckh, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 5, S. 22. 222 Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 4, S. 506; Bd. 5, S. 51. 223 Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 5, S. 36. 224 So schon 1820 C. S. Zachariae, Verhandlungen der 1. Kammer der Ständeversammlung, 5. Bd., 2. Abt., S. 871, später auch der Abg. von Itzstein, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, Bd. 5, S. 36. 225 Verhandlungen der 1. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 4, S. 517 f. 226 Verhandlungen der 1. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 4, S. 515 f. 227 Commissionsbericht über den Entwurf des Civillistengesetzes, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1831, Bd. 25, S. 208 ff., 215; ähnlich auch

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der Stände nicht erhöht werden konnte.228 Andere Ständevertreter differenzierten nicht einmal zwischen dem badischen Verfassungsrecht und dem anderer Staaten.229 Meist wurden nur die Ideale von Konstitutionalismus230 und Volkssouveränität beschworen231 oder auf ausländische Verfassungszustände hingewiesen.232 Ergebnis der Argumentation sollte neben dem Ausgabenbewilligungsrecht auch die Form der Ausgabenbewilligung als bindendes, die Regierung zur Leistung spezieller Ausgaben233 ermächtigendes234 Gesetz235 sein. Unter dieser Voraussetzung hätten die Stände alle unvorhergesehenen Ausgaben nachbewilligen müssen, womit sich auch die Frage nach der Verwendung von Erübrigungen erledigt hätte.236 Trotz ihrer umfangreichen Erwägungen konnten sich die Ständevertreter nicht durchsetzen. Schon ihre rechtliche Begründung war kaum haltbar, aber auch eine stichhaltige Begründung hätte nur wenig gebracht. Die Regierung saß am längeren Hebel, zumal die Möglichkeit der Ministeranklage mangels gesetzlicher Regelung237 noch nicht genutzt werden konnte. Eine im Jahr 1831 aufgekommene Frage betraf ein mögliches Steuerverweigerungsrecht der Stände.238 Vor dem Hintergrund der einige Jahre zuvor erfolgten Einschränkung der Pressefreiheit diskutierten die Abgeordneten der 2. Kammer darüber, ob sie die Annahme der Regierungsanträge zur Auflagenbewilligung und zum Budget bis zur Wiederherstellung der Pressefreiheit verzögern sollten.239 Kernpunkt der Argumentation war sowohl seitens der Regierung als Nebenius, Beilage A zum Protokoll vom 3. April 1822, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, Bd. 1, nach S. 158, S. VI. 228 Verhandlungen der 1. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 4, S. 517. 229 Etwa der Abg. Duttlinger, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 5, S. 50. 230 Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 4, S. 506. 231 Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 9, S. 439. 232 So der Abgeordnete Duttlinger, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 5, S. 50; Bd. 9, S. 391. 233 So der Abg. Uhl, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 4, S. 491. 234 Wohl erstmals durch den Abg. von Itzstein erwähnt, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 9, S. 390. Indes war der Begriff der Ermächtigung der Regierung zu budgetrelevanten Handlungen nicht völlig neu, bereits in den Beratungen über die Rechnungen der Amortisationskasse hatte Staatsrat Böckh den Begriff in einem etwas anderen Zusammenhang gebraucht, a. a. O., Bd. 4, S. 493 f. 235 So der Abg. Uhl, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 4, S. 492; ebenso der Abg. Bassermann, a. a. O., S. 495. 236 Etwa der Abg. von Itzstein, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 5, S. 34 f.; ähnlich der Abg. Ziegler, a. a. O., S. 48 f., sowie der Abg. Duttlinger, a. a. O., S. 49, sowie a. a. O. Bd. 9, S. 386. 237 Eine solche, von der Verfassung in § 67 vorausgesetzte gesetzliche Regelung wurde erst im Jahr 1869 erlassen, BGVBl. 1869, S. 542–547. 238 van Calker, S. 104 f.

§ 1 Das Großherzogtum Baden

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auch der Stände § 56 der Verfassungsurkunde, wonach die Auflagenbewilligung nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden durfte. Ständischerseits hatte schon einige Jahre zuvor C. S. Zachariae den Boden bereitet. Nach seiner Meinung war eine Bedingung lediglich etwas Sachfremdes, eine Zweckbindung der Auflagenbewilligung fiel für ihn nicht darunter.240 Nun gingen die Abgeordneten noch weiter und legten § 56 dahingehend aus, dass die Steuerbewilligung nur nicht an ein künftiges Tun des Ministeriums geknüpft werden dürfe, weil dann die Steuerzahler über ihre Pflicht im Unklaren blieben.241 So verstanden war die Verzögerung des Auflagengesetzes bis zur Erfüllung der ständischen Forderungen keine Bedingung im Sinne des § 56. Mit der Entstehungsgeschichte und dem dabei beabsichtigten Zweck der Norm hatte das nichts zu tun. Daher erklärte die Regierung die entsprechenden Anträge für verfassungswidrig,242 konnte sich aber in diesem Punkt nicht durchsetzen, sondern musste letztlich die Pressefreiheit wiederherstellen.243 Zuletzt versuchten die Stände, auch ein Initiativrecht bei Finanzgesetzen für sich in Anspruch zu nehmen.244 Dem konnte das Ministerium entgegentreten und vorerst ein solches Vorgehen unterbinden.245 IV. Die praktische Anwendung der Haushaltsverfassung All dies darf über die praktische Handhabung des Haushaltsrechts in den folgenden Jahrzehnten nicht hinwegtäuschen. Auch wenn zunächst die restaurativen Tendenzen verstärkt wurden,246 konnte bereits im Jahr 1831 zumindest formal eine Erweiterung der ständischen Befugnisse durchgesetzt werden. In der Einleitungsformel wurde die Zustimmung der Stände zum Finanzgesetz nicht mehr auf die Auflagenerhebung beschränkt.247 Nach Ansicht der Regierung änderte sich die Rechtslage dadurch nicht.248 Von den Ständen wurde diese Änderung entweder nicht bemerkt oder für unbedeutend erachtet.249 Auch später beharrte die Regierung noch auf ihrer Meinung.250 Vom Jahr 1850 an gestaltete 239 Insbesondere der Abg. Welcker, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1831, Bd. 26, S. 117. 240 Verhandlungen der 1. Kammer der Ständeversammlung, 1822, Bd. 4, S. 509. 241 So der Abg. Welcker, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1831, Bd. 26, S. 120. 242 Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1831, Bd. 26, S. 133. 243 Fenske, S. 34. 244 van Calker, S. 122. 245 Verhandlungen der 1. Kammer der Ständeversammlung, 1831, Bd. 6, S. 125. 246 Vgl. van Calker, S. 85–97. 247 BRegBl. 1832, S. 1. 248 Verhandlungen der 1. Kammer der Ständeversammlung, 1831, Bd. 3, S. 248, 256 f. 249 van Calker, S. 102.

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

sich die Praxis derart, dass die Regierung nicht nur die Steuereinnahmen, sondern auch alle anderen Staatseinnahmen251 und ebenso die Ausgaben mit zunehmender Spezialität252 dem ständischen Mitbestimmungsrecht unterstellte.253 Von nun an musste jede Bestimmung, durch die eine öffentliche Einnahme der Staatskasse entzogen wurde, gesetzlich getroffen werden.254 Der von den Ständen derart kontrollierte Einnahmenetat setzte sich zu rund 40% aus Steuermitteln, zu 18% aus Zöllen, zu gut 18% aus Domänenerträgen, zu gut 15% aus Bergwerks- und Salinenerträgen sowie zu etwa 8% aus Verwaltungseinnahmen zusammen.255 Diese von Stund an unbestritten anhaltende Übung der Budgetbewilligung wurde mit dem bereits erwähnten Etatgesetz von 1882 gesetzlich bestätigt und im Jahr 1904 mit der Neufassung der §§ 60, 61 der Verfassungsurkunde positivrechtlich verankert. Dass die Änderung in der Budgetpolitik so kurz nach den revolutionären Wirren der Jahre 1848/49 vollzogen wurde und zu einem mit der preußischen Verfassungslage vergleichbaren Zustand führte, ist nicht weiter verwunderlich. Dass daran auch die preußische Verfassungsgebung selbst Anteil hatte, kann nur vermutet werden. Jedenfalls hatte der Landtag von 1850 an die Kontrolle über die Domänenerträge, weshalb spätestens zu diesem Zeitpunkt der Dualismus von Fürsten und Ständen, wie ihn Albrecht verstand,256 in Baden vollkommen überwunden war.

E. Die Revolution von 1918 und die anschließende Vermögensauseinandersetzung Nachdem der Großherzog abgedankt hatte und Baden Republik geworden war, erfolgte relativ schnell die Vermögensauseinandersetzung. Mit Gesetz vom 25. März 1919257 wurde der zwischen dem vormaligen Großherzog Friedrich II. (1857–1928) und dem badischen Staat geschlossene Vertrag258 bestätigt. Neben verschiedenen Grundstücken und Schlössern erhielten der Großherzog und sein Haus ein Kapital in Höhe von 8 Mio. Mark, aus dem etwaige Ansprüche an das 250

Walz, S. 283. Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1850/51, Beil.-Bd. 6, S. 275–277, sowie auch zur Haltung der Regierung, Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung, 1850/51, Einziger Band, S. 169 f. 252 van Calker, S. 212; vgl. auch den Etat für die Jahre 1850/51, BRegBl. 1851, S. 50–56. 253 Walz, S. 283; van Calker, S. 213. 254 van Calker, S. 212. 255 Regenauer, S. 752. Ähnlich auch der Etat für die Jahre 1882 und 1883, BGVBl. 1882, S. 90 ff.: 48,23% Steuern, 16,55% Domänenerträge, 2,50% Salinenerträge, 9,25% Zolleinnahmen, 22,60% sonstige Verwaltungseinnahmen. 256 I. Kapitel § 2 C.II.3. 257 BGVBl. 1919, S. 179 ff. 258 Anlage zu dem vorgenannten Gesetz, BGVBl. 1919, S. 180–182. 251

§ 1 Das Großherzogtum Baden

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Hausvermögen zu befriedigen waren.259 Im Gegenzug wurden vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an sämtliche Domänen zu freiem und ausschließlichem Staatseigentum erklärt.260 Dabei ist von den in § 59 der Verfassungsurkunde von 1818 vorbehaltenen Rechten an den Domänen die Rede, welche der Auseinandersetzungsvertrag ablösen sollte. Eine Aufhebung der vormaligen Bestimmungen erfolgte im Gegensatz zum Zivillistengesetz und zum Apanagengesetz261 nicht, ebenso wenig eine Eigentumsübertragung. Rechtstechnisch dürfte es sich um eine Aneignung derjenigen Domänen handeln, welche infolge der Ablösung der Rechte des § 59 herrenlos geworden waren. Damit erübrigte sich auf pragmatische Weise der Streit darüber, welche Domänen für Staatsgut und welche für Privatgut gehalten wurden.262 Außerdem bedurfte es keiner weiteren Prüfung, ob allein aufgrund der Pertinenzqualität der Domänen ein Eigentumsübergang auf den nun die Landeshoheit innehabenden Staat erfolgt war.263 Nach dieser einvernehmlichen Klärung der Eigentumsverhältnisse wurde das Staatseigentum an den Domänen verfassungsrechtlich in § 35 der badischen Verfassung von 1919264 gesichert. In den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts war die Bewegung für eine umfassende Fürstenenteignung in Baden offenbar so schwach, dass sie in der Geschichtsschreibung keine besondere Erwähnung findet. 1924 forderte das großherzogliche Haus eine inflationsbedingte Aufwertung der Abfindungssumme von 8 Mio. Mark um 75%. Nach einigem Hin und Her einigte man sich schließlich im Jahr 1930 auf den Ankauf von 511 Kunstwerken aus dem Großherzoglichen Kupferstichkabinett zu einem Kaufpreis von 4 Mio. RM. Im Gegenzug erkannte das großherzogliche Haus an, keine Aufwertungsansprüche zu besitzen.265 Die Regelungen des Auseinandersetzungsvertrages sind noch heute in Kraft. Das Eigentum des großherzoglichen

259

§ 1. § 7. 261 § 3 des vorgenannten Gesetzes. 262 Nach der Begründung des Gesetzentwurfes sollte mit der Auseinandersetzung nicht das Eigentum an den einzelnen Domanialgütern geklärt, sondern eine gütlichschiedliche Regelung im Wege eines Vergleichs gefunden werden; Amtliche Berichte über die Verhandlungen der verfassungg. bad. Nationalversammlung, 1919, Sp. 536. Auf einen anderen Aspekt hatte der Abgeordnete Dietz (SPD) im Landtag hingewiesen; die in § 59 enthaltene Anerkennung des Patrimonialeigentums an den Domänen treffe bis dato für einen „ganz erheblichen Teil des Domänenvermögens“ auch zivilrechtlich zu. Mit der gütlichen Einigung wolle man langwierige und unsichere Zivilprozesse vermeiden, vgl. Verhandlungen des Bad. Landtages 1919, S. 46. Den Weg hierzu hatte der Regierung Rechtsanwalt Dr. Max Hachenburg in seinem Rechtsgutachten vom 17.XII.1918 gewiesen, Rechtsgutachten vom 17.XII.1918, GLA Karlsruhe, 233, Nr. 26655. 263 Diese Frage bedenkt Hachenburg, Rechtsgutachten vom 17.XII.1918, GLA Karlsruhe, 233, Nr. 26655, S. 19 f. 264 BGVBl. 1919, S. 279 ff. 265 Schüren, S. 290 Anm. 38. 260

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

Hauses fällt bei Aussterben des Mannesstammes dem Land Baden-Württemberg als Rechtsnachfolger des Landes Baden zu.266

F. Zusammenfassung und Bewertung Im Großherzogtum Baden zeigten sich schon früh Ansätze staatsrechtlicher Strukturen. Die napoleonische Neuordnung Süddeutschlands begünstigte diese Entwicklung. Die Regierungsrechte des großherzoglichen Hauses basierten nur noch zu einem Bruchteil auf dem ererbten Territorium. Der überwiegende Teil des Landes musste daher aufgrund der neuen Souveränität mit staatlicher Macht der badischen Herrschaft unterworfen werden. Die Verfassungsurkunde von 1818 führte diese Entwicklung fort, ohne sie aber zu vollenden. Dies zeigt sich besonders bei der Beantwortung der im I. Kapitel aufgeworfenen Fragen nach der Verfassungskonzeption, nach der Stellung des Fürsten im Staat und seinem Verhältnis zum Staat, nach dem Eigentum an den Domänen und der Ertragshoheit über die Domänenerträge einschließlich der Folgen für das ständische Budgetrecht. – So war das konstitutionelle Verfassungssystem nicht in Reinform ausgestaltet. Die Struktur der Verfassungsurkunde von 1818 zeigte noch Anklänge an die landständischen Verfassungen Mitteldeutschlands: Die meisten Bestimmungen handelten von den beiden Kammern und ihren Befugnissen. Gleichwohl gewährleistete die Verfassung wesentliche Grundrechte und konzipierte die 2. Kammer als Volksrepräsentation. Damit war ein wichtiges Kriterium Albrechts erfüllt, nämlich die Ausrichtung am Allgemeininteresse und damit im Ansatz die Überwindung des ständischen Dualismus. – Das Verhältnis des Fürsten im Staat und zum Staat war noch nicht endgültig geklärt. Zwar wies die Verfassung, wenn auch nur mittelbar, dem Großherzog die Funktion eines Staatsoberhauptes zu. Auch der Thronfolgeanspruch wurde weitgehend öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Dies war vor dem Hintergrund der erheblichen Gebietsgewinne nach 1803 auch folgerichtig. Allerdings waren noch nicht alle Belange des zwischen dem Großherzog und seinem Haus bestehenden Verhältnisses aus dem Privatfürstenrecht herausgelöst. Insbesondere konnte eine Verstaatlichung der Domänen ohne agnatischen Konsens nicht vorgenommen werden. Dies entsprach nur unvollständig Albrechts Forderung nach einer Ablösung des Staatsrechts vom Privatrecht. – Die seit 1806 bestehende Tendenz zur Verstaatlichung der Domänen wurde mit der Regelung des § 59 der Verfassung von 1818 gestoppt. Damit erreichte der Großherzog, der als Agnat beim Erlass der Schuldenpragmatik 266

B.-W.

§ 2 des Auseinandersetzungsvertrages i.V. m. Art. 94 Abs. 3 der Landesverf.

§ 1 Das Großherzogtum Baden

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des Jahres 1808 nicht um seine Zustimmung gebeten worden war, die Wiederherstellung des bis zum 1. Oktober 1806 geltenden Rechtszustandes. Darauf aufbauend wurden die Einkünfte der Domänen nach Abzug der Zivilliste in der geschilderten Art der Staatskasse überwiesen, ohne zwingend Teil des Staatsvermögens zu sein. Einer schleichenden Verstaatlichung der Domänen war damit Einhalt geboten. Mit Albrecht kann deshalb daran gezweifelt werden, dass in Baden ausweislich der Domänenregelung die Hoheitsrechte als Rechte des Staates angesehen werden konnten. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Baden staatliches Eigentum Anerkennung fand, auch wenn anfangs die staatliche Rechtspersönlichkeit auf den Fiskus beschränkt blieb.267 – Den Ständen oblag zunächst nur das Recht der Steuerbewilligung. Über die Verwendung aller sonstigen Einnahmen hatten sie vorerst nicht zu befinden. Die dargestellten Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den Ständen zeigen, wie sehr die Regierung einen ständischen Einfluss auf die Staatsausgaben fürchtete. Dies lag vor allem am Umfang des Beitrags der Domänenerträge zu den Staatseinnahmen. Hätten die Stände vor diesem Hintergrund schon früh über die Staatsausgaben mitbestimmen können, wäre eine allmähliche Parlamentarisierung Badens zu befürchten gewesen. Dass sich die Regierung später zu einer Ausweitung des ständischen Rechts bereit fand, ändert nichts an dieser Einschätzung und war in der Verfassung zunächst so nicht vorgesehen. Vielmehr hatte sich – nachdem der revolutionäre Rauch der Jahre 1848/49 verflogen war – das konstitutionelle System so gefestigt, dass eine Ausweitung der ständischen Befugnisse nicht mehr staatsgefährdend erschien. Folglich konnte erst mit der Einführung der ständischen Kontrolle über sämtliche Staatseinnahmen von einer vollständigen Überwindung des Dualismus im Sinne Albrechts gesprochen werden. Die Einordnung Badens anhand der Kriterien Albrechts268 ist auch in der Gesamtbetrachtung nicht einfach. Hält man die unvollständige Ablösung privatrechtlicher Bindungen des Großherzogs und die Regelung über das Domäneneigentum für entscheidend, dann hat sich Baden erst spät, vielleicht erst mit der Revolution von 1918 zur Rechtsperson entwickelt. Die Regelung in § 59 der Verfassungsurkunde war dann folgerichtig, da der Großherzog unter dieser Prämisse Träger der Landeshoheit blieb. Legt man dagegen den Schwerpunkt auf die Staatsorganisation und die Haushaltsbefugnisse der Stände in der Ausprägung ab 1850, dann hatte Baden den Übergang zum rechtspersönlichen Staat schon im 19. Jahrhundert vollzogen. Dies hätte den Übergang der Landeshoheit oder Souveränität auf den Staat zur Folge gehabt. Infolgedessen hätte das Großherzogtum Baden auch Eigentümer der Domänen werden müssen. Dem stand 267 268

Walz, S. 250. Im I. Kapitel § 2 C.II.

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

jedoch § 59 der Verfassungsurkunde als allerdings beachtliche protestatio contra factum proprium269 entgegen. Allein aus dieser Ausnahmeregelung, deren praktische Bedeutung zusehends abnahm, auf das Festhalten an der patrimonialen Tradition im Ganzen zu schließen, wäre verfehlt. Denn mit der Kontrolle der Stände über sämtliche Einnahmen und Ausgaben des Staates und der Ausrichtung der Stände am Repräsentationsgedanken waren in Baden die wichtigsten Kriterien Albrechts erfüllt. Außerdem war staatliches Eigentum grundsätzlich anerkannt, wenn auch auf den Fiskus beschränkt. Daher darf vermutet werden, dass Albrecht das Großherzogtum Baden spätestens von 1850 an als rechtspersönlichen Staat betrachtet hätte.

§ 2 Das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach A. Die Verfassungskonzeption I. Überblick über die Verfassung und die Organisation des Landes Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches war auch Sachsen-WeimarEisenach souverän geworden. Im Vergleich zu Baden hatte es durch die Rheinbundsakte aber nur einen geringen Gebietszuwachs erfahren.270 Dies allein konnte noch kein Anlass für eine umfassende Neustrukturierung des Landes sein. Vielmehr blieb zunächst – trotz der 1741 erfolgten Vereinigung der drei Seitenlinien271 zum Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach – die seit dem Jahr 1672 bestehende Teilung der Landschaften erhalten. Diese Tatsache stand einer effektiven Landesverwaltung im Wege. Aus diesem Grunde schritt Herzog Carl August (1757–1828) zur Vereinigung der drei Landschaften, verzichtete der erlangten Souveränität zum Trotz aber auf deren Aufhebung.272 Die Constitution der vereinigten Landschaft vom 20. September 1809273 sollte die gemeinschaftliche Erledigung der ständischen Geschäfte regeln. Auch wenn sie wegen der Zeitumstände nicht zur vollen Wirksamkeit gelangte, bleibt ihr doch das Verdienst, den Übergang von der Rheinbundszeit zum Frühkonstitutionalismus begleitet zu haben.274 269

Mußgnug, ZNR 24 (2002), S. 302. Nach Art. 25 der Rheinbundsakte sollte jeder der Konföderierten die in seinem Gebiet eingeschlossenen ritterschaftlichen Güter mit voller Souveränität besitzen, bei Pölitz, Bd. I, S. 7. 271 Jena, Weimar und Eisenach. 272 Meyer, S. 6; Schweitzer, S. 26. Schweitzer war als Abgeordneter der Universität Jena ständischerseits Beauftragter bei den Verfassungsverhandlungen, vgl. Ortloff, S. 18. 273 Bei Pölitz, Bd. I, S. 732 ff. 274 Ortloff, S. 12. 270

§ 2 Das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach

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Auf dem Wiener Kongress verpflichtete sich Preußen, an Sachsen-WeimarEisenach Gebiete mit insgesamt 77.700 Einwohnern abzutreten.275 Dies bewirkte im Ganzen nahezu eine Verdoppelung des Landesgebiets.276 Auf Antrag des russischen Kaisers Alexander I. (1777–1825) verlieh der Wiener Kongress am 21. April 1815 Carl August den Titel eines Großherzogs.277 Bereits in den Besitzergreifungspatenten vom 15. November 1815 und vom 24. Januar 1816 kündigte Carl August die Einberufung von Abgeordneten aus den alten und neuen Landen an, um gemeinschaftlich eine Verfassungsurkunde abzufassen, welche Grundgesetz und Landesgrundvertrag zwischen dem Fürsten und seinen Untertanen zugleich sein sollte.278 Kam damit vor allem der Gedanke der Integration der neuen Landesteile zum Ausdruck, so verstärkte die Verordnung zur Bildung der ständischen Versammlung den Eindruck, es sollte eine repräsentative Verfassung mit staatsrechtlichen Elementen ausgearbeitet werden.279 II. Die Entstehung des Grundgesetzes von 1816 Die Verfassungsberatungen fußten auf der Vorbereitung durch Ernst Christian August von Gersdorff (1781–1852). In einer Denkschrift vom 19. Oktober 1815 hatte er die allgemeine Entwicklung in Deutschland seit 1806 als einen Prozess der Entmachtung der Landstände beschrieben und auf die Erlangung der vollkommenen Landeshoheit, der wegen Napoleon so genannten Souveränität, hingewiesen. Daher hätten die Stände zu dieser Zeit nur noch aus Gnade und nicht mehr aus eigenem Recht bestanden.280 Nun beabsichtigte er, die alte Tradition fortzuführen, wobei dem Zeitgeist gemäß das Alte und Herkömmliche mit dem Neuen und Einzurichtenden sanft zu verbinden sei.281 Wichtigste Neuerung sollte die Repräsentation aller Klassen der Staatsbürger sein,282 was eine Neuordnung der Zusammensetzung und Bildung der Ständeversammlung bedingte. Eine tief greifende Änderung ständischer Rechte war ebenso wenig vorgesehen 275 Artt. 38, 39 der Wiener Kongressakte, bei Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 6, S. 47 f.; der Vertrag zwischen Preußen und Sachsen-Weimar-Eisenach ist ebenfalls abgedruckt bei Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 6, S. 152–155. 276 Ortloff, S. 13. 277 Ortloff, S. 13; das Annahmepatent Carl Augusts findet sich bei Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 200 f. 278 Bei Pölitz, Bd. I, S. 751. 279 Insbesondere § 1 der Verordnung vom 30. Januar 1816, bei Pölitz, Bd. I, S. 751 f. 280 ThHStA Weimar, B 147a, Bl. 1 Rückseite = Ortloff, S. 107 f., der im Folgenden, soweit Übereinstimmung mit den Originalakten besteht, der besseren Verfügbarkeit halber zitiert wird. 281 Bei Ortloff, S. 108. 282 Bei Ortloff, S. 109.

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wie eine Präzisierung der Stellung des Landesherrn.283 Gersdorffs Vorentwurf vom März 1816 wurde da schon deutlicher. In einem ersten Abschnitt handelte er von der Stellung und Rolle des Landesherrn als dem nach „deutschem Sinn und Brauch“284 Inhaber der gesamten Staatsgewalt, sowie von den Regierungsorganen.285 Anschließend legte er die Organisation und Kompetenzordnung der Stände fest. Zuletzt beinhaltete der Entwurf einen Katalog von Grundrechten.286 Eine so weitreichende, an der französischen Charte orientierte Verfassungsgebung, die Fürst und Landstände als Organe des Staates konstruieren sollte,287 hatte aber dem Großherzog nicht vorgeschwebt. Er erwirkte eine Reduzierung des Entwurfes auf die Verfassung der Landstände. Die Stellung des Landesherrn, Regierungsorgane und individuelle Rechte waren nicht mehr oder nur noch indirekt angesprochen.288 Das Kernstück, die Repräsentation aller Stände im Landtag, blieb aber unangetastet. Nun machte sich die Beratende Versammlung an die Arbeit. Hier zeigte sich eine noch stärkere restaurative Tendenz als in der Regierung – im Sinne der Wiederherstellung des altständischen Systems. Auseinandersetzungen gab es vor allem um die ständische Finanzkontrolle. Die Versammlung bestand auf der Trennung zwischen landesherrlicher und landständischer Verwaltung und wollte dementsprechend ein landständisches Mitglied in das Landschaftskollegium entsenden.289 Der am Ende gefundene Kompromiss bestand darin, dass die Stände zwei Mitglieder des Landschaftskollegiums dem Großherzog vorschlagen konnten.290 Die Befugnisse der Stände und ihre Zusammensetzung blieben in den Beratungen dagegen nahezu unangetastet. Ohne dass ein agnatischer Konsens eingeholt worden wäre, sanktionierte der Großherzog das Grundgesetz am 5. Mai 1816.291 Als Zugeständnis an die neue Zeit wurde – vom deutschen Liberalismus stürmisch gefeiert292 – ein Nachsatz angefügt, welcher einige Grundrechte anerkannte und gesetzlich bestätigte, insbesondere das Recht auf eine auch die Verbindlichkeiten des Fiskus umfassende, in drei Instanzen geordnete, unparteiische Rechtspflege sowie das Recht der Pressefreiheit.293

283

ThHStA Weimar, B 147a, Bl. 14 Rückseite. Davon wurde freilich auch später noch ausgegangen, Pernice, Rechtsgutachten, ThHStA Weimar, HA, A XXVI, 1786, Bl. 7. 285 Hartung, S. 294, der allerdings keine Fundstelle benennt. 286 Hartung, S. 294. 287 Hartung, S. 295. 288 Müller, S. 51. 289 Müller, S. 52. 290 § 5 Ziff. 7) lit. b) des sachsen-weimarischen Grundgesetzes, bei Pölitz, Bd. I, S. 760. 291 ThHSTA Weimar, B 148b, Bl. 413–418. 292 Jonscher, S. 15. 293 Bei Pölitz, Bd. I, S. 777. 284

§ 2 Das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach

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III. Grundprinzipien und Aufbau des Grundgesetzes Wie bereits angedeutet, erschöpfte sich das Grundgesetz in der Verfassung der Landstände. Es gliederte sich in sechs Abschnitte und 129 Paragraphen. Der erste Abschnitt legte allgemeine Prinzipien fest, so etwa Grundsätze des Wahlmodus oder die Bestimmung der einzelnen Stände des Großherzogtums.294 Im zweiten Abschnitt sind die Befugnisse der Landstände abschließend aufgezählt: das Recht der Steuerbewilligung,295 das Recht der Bestimmung über die Verwendung der Steuern,296 das Recht zur Rechnungsprüfung,297 das Motionsrecht298 sowie das Recht der Ministeranklage beim Fürsten, der die Klage weiterzuleiten hatte299. Besonders wichtig war die Teilnahme an der Gesetzgebung im Fall der Verfassungsänderung oder bei Eingriffen in die Freiheit, die Sicherheit oder das Eigentum der Staatsbürger.300 Recht umfangreich behandelte der dritte Abschnitt die Bildung und Zusammensetzung der Landstände. Es sollten für das gesamte Großherzogtum 31 Abgeordnete als Volksvertreter auf sechs Jahre gewählt werden, elf davon aus dem Stand der Rittergutsbesitzer, zehn aus dem Bürgerstand und ebenso zehn aus dem Bauernstand.301 Die Wahl erfolgte in verschiedenen Wahlbezirken mittelbar durch Wahlmänner.302 Wahlfähig war nur, wer ein gewisses Vermögen vorweisen konnte. So musste ein Rittergutsbesitzer wirklich ein Rittergut zu eigen haben und ein Bürger ein Einkommen zwischen 300 und 500 Rthlr. pro Jahr haben.303 Aus dem Bauernstand war nur wahlfähig, wer ein Vermögen von wenigstens 2000 Rthlr. besaß.304 Frauen und Unmündige übten ihr Stimmrecht durch ihre Ehemänner, Vormünder oder Bevollmächtigten aus.305 Die so zu Stande gekommene Versammlung fasste alle ihre Gesetzesbeschlüsse auf Proposition des Großherzogs grundsätzlich mit der Mehrheit der Stimmen.306 Bei Stimmengleichheit entschied der Großherzog.307 Für den Fall, dass sich ein Stand durch einen Beschluss beschwert fühlte und 294

Rittergutsbesitzer, Bürger und Bauern, § 2. § 5 Ziff. 2). 296 § 5 Ziff. 1). 297 § 5 Ziff. 3). 298 § 5 Ziff. 4) i.V. m. § 117. Das Motionsrecht war eine Vorstufe des Gesetzesinitiativrechts mit der Einschränkung, dass die Stände unter Beachtung des Initiativmonopols des Fürsten der Regierung Vorschläge für die Erarbeitung von Gesetzesentwürfen unterbreiten konnten. 299 § 5 Ziff. 5) i.V. m. §§ 112–116. 300 § 5 Ziff. 6). 301 §§ 6, 30. 302 § 13. 303 §§ 14, 26. 304 § 27. 305 §§ 16 und 20. 306 § 82, 88. 307 § 82 Abs. 2. 295

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deswegen ein geschlossenes Separatvotum abgab, wurde die Wirksamkeit des Beschlusses bis zur Entscheidung durch den Großherzog ausgesetzt.308 Neben förmlichen Gesetzesbeschlüssen bestand auch die im Grundgesetz nicht genannte, wohl aber vorausgesetzte Möglichkeit, Verabschiedungen zwischen dem Landesherrn und den Ständen zu schließen. Diese hatten gesetzesgleiche Wirkung; es fehlte aber die sonst übliche äußere Form der Landesgesetze.309 Jeder Abgeordnete galt als Vertreter des ganzen Volkes und war nur seinem Gewissen unterworfen, für seine Äußerungen in der ständischen Versammlung durfte er nicht verantwortlich gemacht werden.310 Der Großherzog konnte die Ständeversammlung jederzeit vertagen und auflösen. Im Falle des Ausbleibens einer Neuwahl binnen dreier Monate sollte die aufgelöste Ständeversammlung wieder zusammentreten.311 Die von Albrecht geforderte Ausrichtung am Allgemeininteresse312 kam daher im Grundgesetz von 1816 nur ansatzweise zum Ausdruck. Der Repräsentativgedanke erfuhr durch die Minderheitenrechte der einzelnen Stände eine bedeutende Einschränkung. Die wenigen Grundrechte, die im Zusammenhang mit dem Grundgesetz proklamiert wurden, stellten aber einen ersten Schritt zur Ausbildung staatsrechtlicher Beziehungen im Sinne Albrechts dar.

B. Die Stellung des Großherzogs und seiner Familie Die großherzogliche Familie wird an keiner Stelle des Grundgesetzes erwähnt. Der Großherzog selbst wird verschiedentlich als Landesfürst313 oder Regent314 bezeichnet. Seine Stellung wird nicht umschrieben oder präzisiert. Die landständische Verfassung erscheint vielmehr als enumerative Einschränkung der Ausübung fürstlicher Regierungsgewalt.315 Soweit den Ständen keine Kompetenz zugewiesen war, blieb der Landesherr zur Entscheidung befugt. Von einer Stellung des Großherzogs als Staatsorgan geht das Grundgesetz offenbar nicht aus.316 308

§§ 83, 84. Schweitzer, S. 31. 310 §§ 67, 68. 311 § 96. 312 I. Kapitel § 2 C.II.3. 313 Etwa §§ 5 und 126. 314 § 128. 315 Schweitzer, S. 35, Anm. 66). 316 So auch Pernice, Rechtsgutachten, ThHStA Weimar, HA, A XXVI, 1786, Bl. 27; ähnlich auch Schweitzer, S. 34 f., der darauf hinweist, dass in Sachsen-Weimar-Eisenach der Großherzog die gesamte Staatsgewalt in sich vereint. Im Gegensatz dazu die süddeutschen Verfassungen, die übereinstimmend davon sprechen, der Fürst vereinige alle Rechte der Staatsgewalt in sich. 309

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I. Mittelbare gesetzliche oder untergesetzliche Bestimmung der Stellung des Großherzogs Auch einfach- oder untergesetzlich ist es zu einer Beschreibung der Stellung des Großherzogs und seines Hauses nicht gekommen. Das Finanzgesetz von 1821317 sprach immerhin von den Bedürfnissen des großherzoglichen Hauses und des Hofstaats, verzichtete aber auf die im Entwurf und seitens des Landtages vorgeschlagene Formulierung,318 wonach es „Grundsatz des Landesstaatsrechts des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach und verbindliche Norm für Rat und Tat der Staatsbehörden des Großherzogtums sei, dass dem Fürsten des Landes eine solche Stellung erhalten werde, wodurch seine Hoheit und Unabhängigkeit als Staatsoberhaupt gesichert, seine Wirkung als Regent erleichtert, das Gleichgewicht der Verfassung durch ein würdiges Verhältnis zu seinen Untertanen erhalten und seinem Hause der Glanz gegeben werde, der ihm gebührt“.319 Auch wenn Großherzog Carl August diesen Grundsatz in einem Dekret vom 6. Januar 1819 sanktionierte, hatte dies keine praktischen Folgen. Das Dekret wurde auch nicht als Verabschiedung publiziert.320 II. Die Stellung des Großherzogs nach den Hausgesetzen Verschiedene Streitigkeiten während der gemeinsamen Regentschaft mit seinem Onkel von 1707 bis 1728 hatten Herzog Ernst August (1688–1748) zu Anfang des 18. Jahrhunderts die Notwendigkeit der Einführung der Primogenitur vor Augen geführt. Am 4. August 1717 wurde ein entsprechendes Testament errichtet, welches nach der für notwendig erachteten Zustimmung der Stände und dem agnatischen Konsens321 zwecks Konfirmation dem Kaiser übersandt wurde. Diese Confirmatio Caesareae erfolgte erst am 29. August 1724.322 Von Stund an galt im Herzogtum das Recht der Erstgeburt im Mannesstamm. Der so bestellte Thronfolger sollte vom 18. Lebensjahr an323 in „alle Lande, samt allen 317 Landes-Grundgesetz über die Bedeutung des Kammervermögens im Staatshaushalte des Großherzogtums vom 17. April 1821, S-W-E-RegBl. 1821, S. 493–495. 318 Unterthänigste Erklärungsschrift der getreuen Landstände vom 23. December 1818, ThHSTA, Landtag S-W-E 40, Zusammenstellung der Verabschiedungen, Gesetze und Verwaltungsvorschriften über die Bedeutung des Kammervermögens im Staatshaushalte des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 9. 319 S-W-E-RegBl. 1821, S. 414 f. 320 Höchstes Dekret vom 6. Januar 1819 auf die unterthänigste Erklärungsschrift vom 23. December 1818, ThHStA, Landtag S-W-E 40, Zusammenstellung der Verabschiedungen, Gesetze und Verwaltungsvorschriften über die Bedeutung des Kammervermögens im Staatshaushalte des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 10 ff. 321 Primogeniturordnung vom 29. August 1724, bei Schulze, Bd. 3, S. 220 ff., S. 222. 322 Schulze, Bd. 3, S. 25.

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

dazu gehörigen Schlössern, Ämtern, Graf-, Herr-, Lehen- Ritter- und Mannschaften, Städten, Flecken, Dörfern, Untertanen, Diensten, Zinsen, Jagden, Gehölzen, Teichen, Folge, Steuern und anderen Nutzungen und Pertinenzien, denen ausstehenden Schulden und Inventarien, Silbergeschirr, und in Summa allen und jeden zur Zierde und Notwendigkeit . . . angeschafften Vorrat . . . einzig und allein succedieren“.324 Für den Fall der Gebietserweiterung sollte die Primogenitur auch für die zugewachsenen Lande gelten.325 Was nicht den Anfall von Land und Leuten betraf, das Privatvermögen also, sollte dagegen der testamentarischen Verfügung unterliegen oder ansonsten nach dem sächsischen Recht vererbt werden.326 Die Nachgeborenen sollten eine jährliche Abfindung erhalten.327 Für den Fall der so genannten Missheirat sollte der Erstgeborene sein Sukzessionsrecht verlieren und sein Recht gegen eine Abfindung auf den Nachgeborenen übergehen.328 Aus der Tatsache, dass die agnatische Beistimmung für erforderlich gehalten wurde, die Verfügung ansonsten aber vom Herzog allein – also nicht auf vertraglicher Basis – getroffen worden ist, geht die Stellung des Fürsten als Familienoberhaupt seiner Seitenlinie des sächsischen Gesamthauses hervor. Er konnte aber nur über wenige Bereiche allein verfügen. Dies basierte auf dem Hausrecht des sächsischen Gesamthauses und dem in Thüringen bis zum Inkrafttreten des BGB geltenden Sächsischen Recht.329 Die Grenzen der großherzoglichen Familiengewalt zeigten sich vor allem im Rahmen der später zu behandelnden Auseinandersetzung über das Domänenvermögen. III. Das Verhältnis von Hausgesetzen und Staatsrecht Wo das Grundgesetz schon keine Aussage über die Stellung des Großherzogs trifft, so lässt es auch die Frage des Verhältnisses von Fürstenrecht und Staatsrecht offen. Aus dieser Offenheit auf die Möglichkeit einer bloß staatsgesetzlichen Klärung zu schließen,330 wäre aber zumindest vorschnell. Wie oben bereits dargestellt, hatte das Grundgesetz von 1816 eine abschließende Aufzählung ständischer Rechte zum Inhalt, eine Ausdehnung des Verfassungsrechts auf den Fürsten und sein Haus war ausdrücklich abgelehnt worden. Diese durch eine Verfassungsänderung zu erweitern, erscheint vor diesem Hintergrund natür323

Kaiserliches Privileg vom 6. Juli 1775, vgl. Schweitzer, S. 42, Anm. 82. Primogeniturordnung vom 29. August 1724, bei Schulze, Bd. 3, S. 220 ff., S. 222. 325 Primogeniturordnung vom 29. August 1724, bei Schulze, Bd. 3, S. 222. 326 Primogeniturordnung vom 29. August 1724, bei Schulze, Bd. 3, S. 222. 327 Primogeniturordnung vom 29. August 1724, bei Schulze, Bd. 3, S. 223. 328 Primogeniturordnung vom 29. August 1724, bei Schulze, Bd. 3, S. 223. 329 Insbesondere der Regel im Sachsenspiegel, LandR, I § 52 S. 2. 330 So etwa Schücking, S. 41. 324

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lich nicht unmöglich. Gleichwohl bleibt die Frage, ob dies aus damaliger Sicht auch ohne agnatischen Konsens hätte geschehen können. Das Grundgesetz war seinerzeit ohne Beistimmung der Agnaten gegeben worden, da wohlerworbene Rechte nicht tangiert waren.331 Weder behandelte die landständische Verfassung Fragen der Thronfolge332 noch verstaatlichte sie Domänengut. Es wurden mit anderen Worten keine staatsrechtlichen Beziehungen geknüpft,333 welche Albrecht als Voraussetzung für das Bestehen einer Staatsperson nennt. Vielmehr handelte es sich beim Grundgesetz von 1816 um ein von Fürst und Ständen vereinbartes Recht, für dessen Verabschiedung der Fürst familienrechtlich befugt sein musste. Das altständische System lebte so mit der als widernatürlich empfundenen Unterbrechung in der Rheinbundszeit, aber mit den durch die Auflösung des Reiches verbundenen Änderungen mutatis mutandis fort.334 Damit blieben auch die privatrechtlichen Bindungen des Großherzogs intakt. Jede Schmälerung agnatischer Rechte bedurfte daher der Zustimmung der Erbberechtigten. Dies betraf insbesondere Gesetze, welche Fragen der Thronfolge und des Domänenvermögens regelten. Verfassungsrecht und Fürstenrecht standen damit gleichrangig nebeneinander.335 Der Grundsatz Albrechts von der Absonderung des Staatsrechts vom Privatrecht war daher in Sachsen-Weimar-Eisenach noch nicht verwirklicht. Wegen des Fehlens dieser wichtigen Voraussetzung staatlicher Rechtspersönlichkeit blieb der Großherzog vorerst Träger der Landeshoheit.

C. Das Eigentum an den Domänen So überrascht es nicht, dass die Frage des Domäneneigentums in den Verfassungsberatungen des Jahres 1816 keine Bedeutung hatte. An der Eigenschaft der Domänen als Patrimonialeigentum herrschte offenbar kein Zweifel. Dies lag auch an der Entwicklung vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes über die landständische Verfassung.

331 332 333

So indirekt Gersdorff, S. 12. Gersdorff, S. 48 f. Pernice, Rechtsgutachten, ThHStA Weimar, HA, A XXVI, 1786, Bl. 7 Rück-

seite. 334 Ministerialvortrag vom 1. November 1817, in ThHStA Weimar, Landtag S-W-E 40, Zusammenstellung der Verabschiedungen, Gesetze und Verwaltungsvorschriften über die Bedeutung des Kammervermögens im Staatshaushalte des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 4 ff., 6; Pernice, Rechtsgutachten, ThHStA Weimar, HA, A XXVI, 1786, Bl. 7 Rückseite; ähnlich Gersdorff, S. 11. 335 Dies sieht im Ergebnis auch Schweitzer, S. 30 ff.

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I. Der Status der Domänen vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes von 1816 Anders als in Baden oder Bayern hatte es in Sachsen-Weimar-Eisenach keine evolutionäre Entwicklung hin zum Staatseigentum gegeben. Der Ansatz der Primogeniturordnung, zwischen der Erbschaft des Privatvermögens und dem Anfall von Land und Leuten zu unterscheiden, wurde nicht weiter verfolgt. Allerdings kann bezweifelt werden, ob darin ein solcher Ansatz überhaupt zu sehen ist. Denkbar erscheint auch, dass mit Land und Leuten die mit der Landeshoheit verbundene Gebietshoheit gemeint war, welche an die Landesherrschaft als solche geknüpft war. Zweifelsfrei kam es in der Folge weder zu einer Zuweisung der Domänenerträge an die Landschaftskasse noch zu einer Vereinigung von Landschafts- und Kammerkasse. Dies kann aber ähnlich wie in Baden nicht ohne weiteres für die durch den Reichsdeputationshauptschluss und die Wiener Kongressakte erworbenen Ländereien gelten. Gute Gründe sprachen dafür, die in den auf dem Wiener Kongress zugesprochenen Gebieten befindlichen Domänen als Privateigentum des Großherzogs beziehungsweise seiner Familie anzusehen: Sie konnten als Äquivalent für den Verzicht gelten, durch welchen das weimarsche Haus die eventuellen Erbrechte aufgab, die ihm an der durch den König von Sachsen an Preußen abgetretenen Hälfte des Königreiches zustanden.336 Offen blieb der Status der vormaligen kirchlichen und ritterschaftlichen Güter, sofern weder der Reichsdeputationshauptschluss noch die Rheinbundsakte eine Regelung getroffen hatte.337 Zu diesen führte die Regierung kurz nach Inkrafttreten des Grundgesetzes aus, sie seien eigene Güter des Landesherrn und seines Hauses, wobei sie die Regalien ausdrücklich mit einbezog.338 Die Stände widersprachen dem nicht. Allenfalls die evangelischen Kirchengüter konnten wegen des landesherrlichen Kirchenregiments anders beurteilt werden.339

336

Vollert, Die Domainenfrage, S. 13. Teilweise lagen derartige Bestimmungen vor, vgl. §§ 34, 35, 61 des RDH, bei Buschmann, Teil II, S. 319 ff., 348, 358; sowie Artt. 25 und 27 der Rheinbundsakte, bei Pölitz, Bd. I, S. 3 ff., 7. 338 Ministerialvortrag vom 1. November 1817, in ThHStA Weimar, Landtag S-W-E 40, Zusammenstellung der Verabschiedungen, Gesetze und Verwaltungsvorschriften über die Bedeutung des Kammervermögens im Staatshaushalte des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 4 ff., 6 = Vollert, Die Domainenfrage, S. 14 f. 339 Untertänigste Erklärungsschrift vom 23. Dezember 1817, ThHStA Weimar, Landtag S-W-E 40, Zusammenstellung der Verabschiedungen, Gesetze und Verwaltungsvorschriften über die Bedeutung des Kammervermögens im Staatshaushalte des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 8 ff. 337

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II. Die einfachgesetzliche Regelung des Domänenstatus in der Folgezeit Nach dem Landes-Grundgesetz über die Bedeutung des Kammervermögens im Staatshaushalt vom 17. April 1821 umfasste das Kammervermögen all diejenigen Gegenstände, deren Einkünfte in die landesfürstliche Kammer flossen, mithin die Einkünfte aus Regalien, liegenden Gütern und nutzbaren Rechten.340 Diese Einkünfte waren, nach Abzug der Verwaltungs- und Erhaltungskosten der Kammer und nach Abzug eines Fonds, welcher zur Verzinsung und Tilgung des derselben aufruhenden Schulden bereits ausgesetzt worden war, den Bedürfnissen des großherzoglichen Hauses und dessen Hofstaats gewidmet. Außerdem waren sie zur Erfüllung derjenigen Bedingungen und Verpflichtungen bestimmt, welche aus dem Domanialbesitz und dessen Rechten hervorgingen.341 Das Gesetz erkannte nur mittelbar das Eigentum des herzoglichen Hauses an den Kammergütern an. Deutlicher wurde der Einleitungssatz des Landes-Grundgesetzes über die Steuerverfassung vom 29. April des gleichen Jahres. Hier war von Familien- und Stammgut die Rede.342 Dass diese Einleitung dem Gesetz ohne Beistimmung der Stände vorangestellt worden ist,343 vermag an ihrer Wirksamkeit kaum etwas zu ändern: Im Grundgesetz von 1816 findet sich keine Bestimmung, die den Ständen ein Mitspracherecht in der Frage des Eigentums an den Domänen zuweist. Lediglich über Fragen der Steuerverfassung und der Staatsschulden konnten die Stände insoweit mitbestimmen.344 Der Großherzog konnte ansonsten allein handeln. Im Übrigen hatte die Gesetzgebung eine klare Trennung der Vermögensmassen von Landschaft und großherzoglichem Haus zum Ziel. Die eigentlichen Staatsausgaben sollten nur noch aus Steuermitteln bestritten werden.345 Grund hierfür waren die hohen Schulden, die auf dem Kammergut lasteten. Man glaubte, die Steuerlast durch eine klare Vermögenstrennung begrenzen zu können.346 Demnach waren auch strenge Regeln über die Veräußerung von Kammergütern vorgesehen. Grundsätzlich durfte eine Veräußerung nur mit Zustimmung der Stände erfolgen.347 Ausnahmen galten für Fälle geringwertiger Veräußerungen, des Tausches oder der Steigerung des Vermögenswertes.348 340

§ I dieses Gesetzes (Finanzgesetz), S-W-E-RegBl. 1821, S. 493. § II, S-W-E-RegBl. 1821, S. 493. 342 Anderer Ansicht war mit Hinblick auf die Entstehungsgeschichte Reyscher, S. 279 ff. 343 So Reyscher, S. 281. 344 Vgl. § 5 Ziff. 1), 2) des Grundgesetzes. 345 S-W-E-RegBl. 1821, S. 496. 346 Untertänigste Erklärungsschrift vom 16. April 1821, S-W-E-RegBl. 1821, S. 419. 347 § III des Finanzgesetzes. 348 §§ IV bis VI des Finanzgesetzes. 341

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III. Die Entstehungsgeschichte des Finanzgesetzes von 1821 Das Finanzgesetz über das Kammervermögen geht auf eine Denkschrift aus der Feder von Gersdorffs über eine allfällige Vereinigung des Landschaftsvermögens mit dem Kammervermögen gegen Gewähr einer Zivilliste zurück.349 Diesen Plan griffen die Stände auf und diskutierten darüber. Im Ergebnis lehnten Sie eine Kassenvereinigung ab. Besser geeignet, die schwierige finanzielle Situation in den Griff zu bekommen, schien ihnen eine vollständige Kassentrennung.350 Gleichwohl sprach der Landtag auch vom öffentlichen Einkommen aus Gütern, Domänen und Regalien sowie der Designation ihrer Verwendung für bestimmte Ausgabenposten des Staatshaushalts.351 Dem folgte die Regierung nicht. Sie betrachtete die von den Ständen vorgeschlagene Kassentrennung als Vorschlag für eine ausschließliche Bestimmung der Einkünfte aus den Domänen, Forsten und Regalien für die Unterhaltung des regierenden Hauses und Hofes.352 Im Gegenzug sollten sämtliche Steuern der Landschaftskasse zufließen. Bis dahin gingen noch die Tranksteuer, Ordinarsteuer, Donativ- und Präsentgelder, Aschenhäuser-, Ritter-, Juden- und Handelssteuer zur Kammerkasse.353 Dessen ungeachtet waren sich Landstände und Regierung schließlich darin einig, dass bestimmte Staatsausgaben aus Mitteln der Kammerkasse zu bestreiten waren.354 Das waren namentlich die Leistungen an Geistliche, Kirchen, Schulen und fromme Stiftungen sowie die Besoldungen und Verwaltungskosten der Rechtspflege in den großherzoglichen Ämtern und Stadtgerichten sowie die Kosten der Geleits- und Zollstellen.355 Zur Eigentumsfrage nahm die Regierung 349 Plan zur Centralisierung der Finanzverwaltung des Großherzogthums SachsenWeimar-Eisenach, ThHStA Weimar, Landtag S-W-E 40, Landtagsvorstandsakten, Bl. 83. 350 Ständische Erklärungsschrift vom 3. März 1817, S-W-E-RegBl. Nr. I vom 8. April 1817, S. 26. 351 Ständische Erklärungsschrift vom 3. März 1817, S-W-E-RegBl. Nr. I vom 8. April 1817, S. 26. 352 Höchstes Dekret vom 1. November 1817, ThHStA Weimar, Landtag S-W-E 40, Zusammenstellung der Verabschiedungen, Gesetze und Verwaltungsvorschriften über die Bedeutung des Kammervermögens im Staatshaushalte des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 2. 353 Höchstes Dekret vom 1. November 1817, a. a. O., S. 3. 354 Ministerialvortrag (Beilage zu vorgenanntem Höchsten Dekret), a. a. O., S. 7; Ständische Erklärungsschrift vom 23. Dezember 1817, a. a. O., S. 9 f. 355 Ständische Erklärungsschrift vom 23. Dezember 1818, a. a. O., S. 10; allgemeiner aber inhaltsgleich formulierte § 5 des großherzogl. Entwurfes: „Es soll nämlich: entweder ein durch Verabschiedung zwischen Fürst und Ständen bestimmter Theil des Staats- und Regierungs-Aufwandes aus den Kammereinkünften bestritten werden, oder es soll, nach Maßgabe einer zu treffenden Vereinbarung des Fürsten mit dem Landtag und mit Hinsicht auf die Lasten, welche auf dem Vermögen der Staatsunterthanen zu den Zwecken und Kosten des Gemeinwesens beygetragen werden müssen, das Einkommen Großherzogl. Kammer seinen angemessenen Beytrag zur Landes-Steuerkasse entrichten.“

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eine klare Position ein. Sie verstand das großherzogliche Kammervermögen als den Inbegriff aller Güter, liegenden Gründe, Äcker, Wiesen, Wein- und Hopfenberge, Gärten, Schlösser, Vorwerke und Höfe, Salzwerke, Kohlebergwerke, Bergwerke, großherzoglichen Forste und Waldungen, Jagd- und Fischereirechte und sonstigen Vorzüge, Regalien und nutzbaren Rechte. Hinzu kam die Summe der Einkünfte, die aus jenen Gütern und Grundstücken flossen, oder als erbliche und grundherrliche Gefälle, Zinsen in Getreide, Geld oder Naturalien, als Frohnen, Dienste, Triften oder Triftgerechtigkeiten zum Kammervermögen gezählt wurden.356 Dieses so bezeichnete Vermögen sollte dem Großherzog als Landesherrn und dem großherzoglichen Haus kraft Ererbung, Erbteilung oder Erwerb eigentümlich gehören.357 Das Schatullvermögen erachtete die Regierung als Bestandteil des Kammervermögens.358 Die Landstände konnten sich offenbar nicht zu einer Kritik an diesen Grundsätzen entschließen. Vielmehr wurde die Diskussion über die Frage der Staatsguteigenschaft des Kammervermögens auf unbestimmte Zeit vertagt.359 Der Passus über das Eigentum am Kammervermögen kam gleichwohl in der endgültigen Gesetzesfassung nicht mehr vor. Die Gründe hierfür können vielfältiger Natur sein. Denkbar ist eine Weigerung der Stände, dies so zu übernehmen.360 Wahrscheinlicher erscheint aber, auch anhand der zitierten Erklärungsschrift, dass man sich über diese Frage überhaupt nicht verständigt hat oder sie bewusst offen lassen wollte. Eingehende Erörterungen sind in der Folgezeit seitens der Regierung wie der Stände jedenfalls ausgeblieben. IV. Auslegungsfragen Aus der Entstehungsgeschichte und dem Wortlaut des Finanzgesetzes von 1821 folgt – vorsichtig formuliert – ein erheblicher Auslegungsbedarf. Zunächst herrschte zwar relative Ruhe. Lediglich der Landtag von 1823 erachtete es offenbar als „nicht ganz unzweifelhaft“, dass das Kammervermögen nur den Bedürfnissen des großherzoglichen Hauses gewidmet sein sollte.361 Daran knüpfte die Diskussion im Zuge der Domänenstreitigkeiten an. Zwar ging es primär um die Frage, ob das Finanzgesetz von 1821 überhaupt eine Bestimmung über das Domäneneigentum getroffen hatte.362 Aber auch über die Verwendung der Domänenerträge wurde diskutiert. Was hatte die Bestimmung zu bedeuten, dass 356 Unterbeylage zu M. 5 (vom 24. November 1820) (Beylage 3. zu No. 18 des S-W-E-RegBl. 1820/21, S. 405 ff.), S. 412. 357 Unterbeylage zu M. 5 (vom 24. November 1820) (Beylage 3. zu No. 18 des S-W-E-RegBl. 1820/21, S. 405 ff.), S. 411 f. 358 Unterbeylage zu M. 5 (vom 24. November 1820) (Beylage 3. zu No. 18 des 1820/21, S. 405 ff.), S. 412. 359 Erklärungsschrift vom 16. April 1821, S-W-E-RegBl. 1821, S. 415 ff., 419. 360 So meint dies Reyscher, S. 279. 361 Zit. aus den Verhandlungen des Landtages S-W-E, Protokolle 1847, S. 344.

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die übrigen Erträge zur Erfüllung derjenigen Bedingungen und Verpflichtungen bestimmt sein sollten, welche „aus dem Domanial-Besitze und dessen Rechten hervorgehen“? Lag darin eine öffentlich-rechtliche Zweckbindung363 oder lediglich eine freiwillige Übernahme verschiedener Posten des Staatshaushaltes, obwohl die Kammererträge ausschließlich zur Erhaltung des großherzoglichen Hauses und Hofstaates gedacht waren?364 Anders als in Baden spielte die Frage, ob das Domäneneigentum dem Großherzog als Familienoberhaupt oder der großherzoglichen Familie als juristischer Persönlichkeit gehören sollte, keine Rolle. V. Der Domänenstreit Bereits im Vormärz hatte sich in der breiten Masse der Bevölkerung die Ansicht verbreitet, das Kammervermögen werfe einen beträchtlichen Ertrag ab, welcher ausschließlich dem großherzoglichen Haus zugute komme. Dass mit dem Ertrag auch die auf der Kammer ruhenden Lasten beglichen werden mussten, spielte in der öffentlichen Diskussion dagegen kaum eine Rolle. Besonders gegen die mit dem Kammervermögen verbundenen grundherrlichen Rechte nahm der Widerwille zu. Eine große Menge der Pflichtigen versuchte, sich durch so genannte Kammerprozesse von diesen Verpflichtungen zu befreien.365 Diese Unruhe konnte auch den Abgeordneten des Landtages nicht verborgen bleiben. Daher regte der Abgeordnete Oskar von Wydenbrugk (1815–1876) am 29. März 1847 im Landtag an, eine Motion an Großherzog Carl Friedrich (1783–1853) zu richten, wonach eine Vereinigung des Kammervermögens mit dem landschaftlichen Vermögen in der Art eintreten sollte, dass die Kammereinkünfte der Haupt-Landschaftskasse zuflössen und dem Großherzog sowie seinem Haus eine Zivilliste gegeben würde.366 Für den Fall der Ablehnung durch den Großherzog wurde alternativ eine Besteuerung des Kammervermögens vorgeschlagen.367 von Wydenbrugk begründete seinen Antrag vor allem mit der brodelnden Stimmung im Lande.368 Daneben kamen auch historische Aspekte über die Ent362 In diese Richtung geht Reyscher, S. 280, während Vollert, Die Domainenfrage, S. 25, nach der Gesetzeslage klar vom Privateigentum des großherzoglichen Hauses ausgeht. 363 Reyscher, S. 280. 364 Schweitzer, S. 43 ff. 365 Vollert, Die Domainenfrage, S. 27. 366 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Protokolle 1847, S. 325. 367 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Protokolle 1847, S. 325. 368 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Protokolle 1847, S. 325, 332, unter Hinweis auf die sehr hohe Steuerlast, S. 335, wo er auf die hohe Zahl an Kammerprozessen hinweist.

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stehung des Finanzgesetzes und die Entwicklung der Landeshoheit zur Sprache.369 Eine langwierige Debatte schloss sich an. In dieser zeigte sich, dass die Gegner einer Kassenvereinigung kaum mehr Argumente als die gegenwärtige Rechtslage und die Aussichtslosigkeit des Unterfangens zur Verfügung hatten. Die einzig stichhaltige Entgegnung zielte auf die überhöhten Holzpreise370 der Kammer ab. Diese würden wohl auch infolge einer Kassenvereinigung kaum abnehmen, und damit würde die Unzufriedenheit nicht sinken.371 Gleichwohl ergab die Schlussabstimmung eine deutliche Mehrheit von 21 zu 7 Stimmen für den Motionsantrag, der am 4. Mai 1847 der Regierung übergeben wurde.372 Die klare Mehrheit beeindruckte den Großherzog überhaupt nicht. Er veranlasste lediglich eine Prüfung des Sachverhaltes. Dabei wies von Gersdorff den Staatsminister in einem Schreiben vom 26. November 1847 darauf hin, dass sich die geforderten Veränderungen als „existenziell den zur Nachfolge berechtigten Agnaten in den Haus-Familienfideicommiss des großherzoglichen Hauses – dem Stammvermögen darstellen“ würden.373 Somit war den Verantwortlichen die Möglichkeit einer Verletzung agnatischer Rechte bewusst. Ob deswegen die Agnaten um Rat gefragt wurden, ist nicht bekannt. Jedenfalls war die Abneigung der Regierung eindeutig, ohne dass es auf die rechtliche Beurteilung angekommen wäre.374 Erst im Zuge der Märzereignisse 1848 ging der Großherzog auf die landständische Motion ein und genehmigte, nachdem es in Weimar am 8. März 1848 zu heftigen Unruhen gekommen war, zunächst die eventual beantragte Besteuerung des Kammervermögens.375 Gleichzeitig kündigte der Großherzog lediglich unter Beitritt des Thronfolgers Carl Alexander (1818–1901) die Vereinigung des Kammer- und Landschaftsvermögens gegen Gewähr einer Zivilliste an.376 Diese Proklamation war Anlass zu einem intensiven Schriftwechsel zwischen Großherzog und Prätendent. Die am meisten überarbeitete Stelle der Vorentwürfe betraf die Frage des Kammervermögens.377 Über die Details begannen – wiederum durch den Abgeordneten von Wydenbrugk initiiert – sogleich Verhandlungen zwischen Regierung und Ständen.378 Dabei mussten sich beide Seiten über ihre Vorgehensweise erst einmal klar werden. Der Landtag schien, vorangetrieben durch von Wydenbrugk, im Vorteil zu sein. Die Re369

Verhandlungen des Landtages S-W-E, Protokolle 1847, S. 326, 330, 331. Darauf weist unter anderen der Abg. Lairitz hin, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Protokolle 1847, S. 340. 371 So der großherzogl. Kommissar von Thon, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Protokolle 1847, S. 348. 372 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Protokolle 1847, S. 412. 373 ThHStA, Nachlass von Watzdorf, Nr. 10, Bl. 1 ff., Bl. 4. 374 Ministerialvortrag vom 12. Januar 1848, ThHStA Weimar, Nachlass v. Watzdorf, Nr. 8, Bl. 12. 375 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1847/48, S. 187. 376 Großherzogliches Patent vom 9. März 1848, S-W-E-RegBl. 1848, S. 33 f. 377 ThHStA Weimar, HA A XXVI, Nr. 1648, Bl. 9–11. 370

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gierung dagegen befasste sich erst jetzt mit der Frage, wie eine Kassenvereinigung technisch und rechtlich vorgenommen werden könnte. Auch die Höhe der Zivilliste musste ermittelt werden 1. Die Verhandlungen über die Domänen im Jahre 1848 Während die Verhandlungen zwischen Landtag und Regierung noch liefen und teilweise sogar schon abgeschlossen waren, gab der Großherzog offenbar aus eigenem Antrieb Gutachten in Auftrag. Möglicherweise wurden sie ihm auch unaufgefordert zugesandt. Ihr Untersuchungsgegenstand war die rechtliche Durchführung der Kassenvereinigung. In einem ersten Gutachten wurde zunächst festgestellt, dass sich die Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenachs von den Verfassungen der meisten deutschen Staaten darin unterscheide, dass die altständischen Verhältnisse bis dato erhalten worden seien, weshalb hier auch dem Staat nicht die Eigenschaft einer „moralischen Person“ zukomme.379 So habe es hier keine Vereinigung von Kammer- und Landschaftsvermögen gegeben und auch keine Veränderung der Haushaltsverfassung.380 Die nunmehr erwogene Neuerung komme der Einführung einer neuen, dem Staat Persönlichkeit verleihenden Verfassung gleich.381 Wolle man die Verfassungstradition aber aufrechterhalten, müsse von einer eigentumsrechtlichen Veränderung des Kammergutes abgesehen werden. Würde das Eigentum an den Domänen dem Staat übertragen, könne überdies im Falle der Vereinigung Weimars mit den anderen thüringischen Staaten zu einem Gesamtstaat382 kein Anspruch mehr auf das Kammervermögen erhoben werden.383 Ratsam sei dagegen eine verwaltungstechnische Vereinigung. Demnach sollten Kammer- und Landschaftsvermögen einer einheitlichen Verwaltungsbehörde unterstellt werden, ohne eigentumsrechtlich etwas zu ändern.384 Ein anderes Gutachten wies in eine ähnliche Richtung, nur dass der Akzent auf der Zivilliste lag. Diese müsse nicht zwangsläufig aus 378 Brief von Wydenbrugks an den Staatsminister von Watzdorf vom 9. März 1848, ThHStA Weimar, Nachlass von Watzdorf, Nr. 79, Bl. 5 ff., 7 = Gerber (Hrsg.), Quellen, S. 73 ff., 74. 379 Schreiben A. L. J. Michelsens an den Großherzog vom 26. März 1848, ThHStA Weimar, Nachlass von Watzdorf, Nr. 9, Bl. 1 ff., 2. 380 Schreiben A. L. J. Michelsens an den Großherzog vom 26. März 1848, ThHStA Weimar, Nachlass von Watzdorf, Nr. 9, Bl. 1 ff., 2. 381 Schreiben A. L. J. Michelsens an den Großherzog vom 26. März 1848, ThHStA Weimar, Nachlass von Watzdorf, Nr. 9, Bl. 1 ff., 2. 382 Darüber wurde in der Revolutionszeit intensiv diskutiert. Vgl. beispielsweise den auf der zweiten Gothaer Ministerialkonferenz besprochenen Staatsvertragsentwurf, bei Gerber (Hrsg.), Quellen, S.168 ff. 383 Schreiben A. L. J. Michelsens an den Großherzog vom 26. März 1848, ThHStA Weimar, Nachlass von Watzdorf, Nr. 9, Bl. 1 ff., 2 RS. 384 Schreiben A. L. J. Michelsens an den Großherzog vom 26. März 1848, ThHStA Weimar, Nachlass von Watzdorf, Nr. 9, Bl. 1 ff., 2 RS.

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Staatshaushaltsmitteln bestritten werden. Es sei ebenso denkbar, sie dem Kammerertrag zu entnehmen und den Überschuss dem Staatshaushalt zur Verfügung zu stellen. Diese so genannte Privatzivilliste sei der Staatszivilliste vorzuziehen.385 Vor diesem Hintergrund müssen die Verhandlungen zwischen den Ständen und der Regierung gesehen werden. Kurz nach der Proklamation vom 9. März legte das Staatsministerium den Ständen Vorschläge über eine Vereinigung von Kammer- und Landschaftsvermögen vor. Demnach sollte das nutzbare großherzogliche Kammervermögen an liegenden Gütern und an Gerechtsamen, welches die gesamte Einnahme der Kammer-Zentralkasse-Rechnung bildete, von dem großherzoglichen Kammer-Fiskus auf den großherzoglichen landschaftlichen Fiskus eigentümlich übergehen.386 Das übrige Kammervermögen, namentlich Residenzschlösser, Lustschlösser, Jagdschlösser, Parks, Lustgärten, Theater, Gebäude, welche für die Hofhaltung und die Hofdienerschaft bestimmt waren, Marstall, Gestüte, Poststall, alle mit den Kammergütern nicht verpachteten Inventarien und Gerätschaften, die großherzogliche Bibliothek, Kunstschätze, Kostbarkeiten, sollte „nach wie vor“ dem großherzoglichen Hause verbleiben.387 Im Gegenzug wurde die Übernahme der Kammerschulden durch die so erweiterte Landschaftskasse vorgeschlagen. Die Zivilliste war nicht genau fixiert, hätte aber ungefähr 300.000 Thaler betragen. Diese Vorschläge stimmten erstaunlich genau mit dem Plan von Gersdorffs vom Jahr 1817 überein.388 Der Landtag zeigte sich zufrieden und wollte nur die Zivilliste genauer festgelegt wissen.389 Der Großherzog entsprach diesem Wunsch mit seinem Dekret vom 6. April 1848.390 Darin bestätigte er die Vereinigung des Kammervermögens mit dem Landschaftsvermögen und die Aussonderung des großherzoglichen Vermögens. Die endgültige Festlegung des großherzoglichen Vermögens und seine Abgrenzung vom nunmehr so bezeichneten Staats-Fiskus erfolgte mit der Verabschiedung vom 16. November 1848.391 Die Zivilliste wurde auf 280.000 Thaler festgesetzt und sollte aus „Staatsmitteln“ bestritten werden, das Grundvermögen des Staates sollte für die Erfül-

385 Schreiben eines Herrn Müller vom September 1848, ThHStA Weimar, Nachlass von Watzdorf, Nr. 9, Bl. 7. 386 Ministerialdekret vom 16. März 1848, Verhandlungen des Landtags von S-W-E, Schriftwechsel 1847/48, S. 194. 387 Ministerialdekret vom 16. März 1848, Verhandlungen des Landtags von S-W-E, Schriftwechsel 1847/48, S. 194. 388 Plan zur Centralisierung der Finanzverwaltung, ThHStA Weimar, Landtag S-W-E 40, Landtagsvorstandsakten, Bl. 83. 389 Untertänigste Erklärungsschrift vom 3. April 1848, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1847/48, S. 204. 390 Verhandlungen des Landtages von S-W-E, Schriftwechsel 1847/48, S. 310 ff. 391 Verhandlungen des Landtages von S-W-E, Schriftwechsel 1847/48, S. 342.

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lung haften. Vorerst verzichtete der Großherzog sogar auf einen Teil der Zivilliste in Höhe von 30.000 Thalern, um zur Sanierung der Staatsfinanzen beizutragen. Dieser Verzicht erfolgte aber unter dem Vorbehalt der Verbesserung der Situation.392 Erstaunlich ist, dass die Regierung dabei erstmals vom Staatsvermögen gesprochen hat. Diese Sicht hat sie auch später wiederholt393 und zumindest mittelbar in das 1850 neu gefasste Grundgesetz eingebracht.394 Die Vereinigung von Kammer- und Landschaftsvermögen galt ausweislich der Regierungsbegründung als ein wichtiges Motiv für die Verfassungsrevision des Jahres 1850.395 Auch wenn wichtige Regelungen über die Veräußerung von Domänengut und die Belastung desselben aufgenommen wurden, kam es nicht zu einer ausdrücklichen Anerkennung des Kammervermögens als Staatsvermögen.396 Merkwürdigerweise bestand auch der Landtag nicht darauf. Er begnügte sich mit Bestimmungen, welche ein solches Staatsvermögen voraussetzten.397 Rechtstechnisch blieb damit die Vermögensvereinigung eine Verabschiedung zwischen Großherzog und Ständen. Eine Publikation im Regierungsblatt erfolgte nicht. Dies verwundert wegen der großen Bedeutung der Materie. Selbst die Kritiker der Vereinigung des Kammervermögens mit dem Landschaftsvermögen hielten die Verabschiedung zunächst für formell wirksam.398 Dies änderte sich erst, als der Landtag über die Neuregelung der Domänenfrage im Jahre 1854 zu befinden hatte. Auf eine Interpellation des Abgeordneten Fries hin gab der Staatsminister Bernhard von Watzdorf (1804–1870) kund, man habe 1848 auf die Veröffentlichung in Form eines Gesetzes verzichten können, da es sich bei der Verabschiedung lediglich um eine „Finanzmaßregel“ handelte, welche überhaupt nicht in Gesetzesform habe verabschiedet werden können.399

392

Verhandlungen des Landtages von S-W-E, Schriftwechsel 1847/48, S. 311. Ministerialdekret vom 28. Oktober 1848, Verhandlungen des Landtages von S-W-E, Schriftwechsel 1847/48, S. 273. Ebenso im höchsten Abschiedsdekret vom 15. November 1848, wo von der Vereinigung des Kammervermögens mit dem Staatsvermögen die Rede ist, Verhandlungen des Landtages von S-W-E, Schriftwechsel 1847/48, S. 353. 394 Dort war vom Staatsgut (§ 38) und Stammvermögen des Staates (§ 41) die Rede, Grundgesetz vom 15. Oktober 1850, in: Gesetze über die Verfassung und den Landtag im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, Eisenach 1904, S. 7 ff., S. 18 f. 395 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1850, S. 444. 396 §§ 38 bis 42 des Regierungsentwurfes, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1850, S. 455 f. 397 Etwa der Bericht des Revisionsausschusses, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1850, S. 544 f. 398 Etwa Vollert, Die Domainenfrage, S. 29 f. 399 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Protokolle 1854, S. 67. 393

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2. Der agnatische Protest Am 25. Mai 1852 erhob Herzog Bernhard (1792–1862) zusammen mit seinen Söhnen Protest gegen die Verabschiedung des Jahres 1848. Er sei weder vor noch nach Inkrafttreten der Regelung um seine Zustimmung gebeten worden und erhebe Einspruch gegen die Übertragung des Eigentums auf den Staat. Die verwaltungsmäßige Zusammenfassung beider Vermögen könne aber aufrechterhalten werden.400 Die Erhebung dieses Protestes geschah in Kenntnis von Erbgroßherzog Carl Alexander, der zu dieser Zeit die Staatsgeschäfte bereits maßgeblich mitgestaltete.401 Vorentwürfe für die Protestationsschrift waren ihm frühzeitig zugegangen.402 Sicher wurden derartige Vorgänge bereits im Vorfeld abgesprochen, der Austausch von Entwürfen überrascht dagegen, zumal Carl Alexander noch nicht den Thron bestiegen hatte. Über die Gründe geben die Akten keine Auskunft. Denkbar ist aber, dass der Erbgroßherzog bereits 1848 nur widerwillig mit unterzeichnet hatte, in der Hoffnung, bei einem Wandel der Verhältnisse die Vereinbarung wieder aufheben zu können. Wahrscheinlich fühlte er sich durch seine Zustimmung zur Märzproklamation derart gebunden, dass er selbst nicht protestierte. Dass auf die agnatische Kritik erst im Jahr 1853, nach dem Tod des Großherzogs Carl Friedrich reagiert wurde, dürfte am zögerlichen Naturell des Verstorbenen403 gelegen haben. 3. Die Auseinandersetzung um die Regelung des Jahres 1854 a) Die großherzogliche Proposition Mittels höchstem Abschiedsdekret vom 16. Dezember 1853 wurde der Landtag vom Protest der Agnaten in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig kündigte der Großherzog einen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Kammergutsverhältnisses an. Dieser sollte allerdings nur die Eigentumsfrage betreffen, die Vereinigung beider Vermögen in verwaltungstechnischer Hinsicht aber nicht berühren.404 Am 24. Februar 1854 ging dem Landtag der neue Entwurf zu.405 Demnach wurde dem großherzoglichen Haus das Eigentum am gesamten Kammervermögen zugedacht, wie es nach dem Gesetz von 1821 umschrieben worden war. Dessen Ertrag sollte dennoch der Staatskasse überwiesen werden. An die Stelle der staatlichen Zivilliste sollte eine so genannte Domänenjahresrente treten, 400 Beilage Nr. 1 zu einem Rechtsgutachten über die Verabschiedung des Jahres 1854, ThHStA Weimar, HA A XXVI, 1786, Bl. 76. 401 Patze/Schlesinger, S. 126. 402 ThHStA HA A XXVI Nr. 948 (Briefwechsel), Bl. 50, 51. 403 Hierüber berichtet Günzel, S. 108. 404 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1853, S. 766 f. 405 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1854, S. 1.

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welche der vorigen Zivilliste in der Höhe entsprach. Auch den jährlichen Verzicht auf einen Teil der Zivilliste in Höhe von 30.000 Thalern wollte man nicht aufgeben.406 Insgesamt also ein – verglichen mit Meiningen oder gar Mecklenburg – recht großzügiges Angebot. Taktisch geschickt wurde etwa gleichzeitig die Untersuchung von Anton Vollert, einem Mitarbeiter im Staatsministerium, veröffentlicht.407 Hierzu hatte offenbar der Staatsminister von Watzdorf die Anregung gegeben.408 Wenig überraschend stellte diese Schrift zunächst fest, dass bereits zur Zeit des alten Reiches das Kammergut Eigentum des Landesherrn gewesen sei.409 Daran habe auch das Landesgrundgesetz von 1821 nichts geändert, vielmehr seien dem Kammergut damit noch die Schatullgüter hinzugefügt worden – es besitze somit die Eigenschaft eines wirklichen Stamm- und Familiengutes mit Fideikommissqualität.410 Diese Einschätzung finde auch ihre Bestätigung in den Landtagsverhandlungen der Jahre 1847/48. Dort sei von einer Übertragung des Domäneneigentums auf den Staat die Rede. Doch von einer Übertragung könne man nur sprechen, wenn man den privatrechtlichen Charakter des Kammerguts anerkenne.411 Zwar hielt auch Vollert die Verabschiedung für ein rechtswirksames Gesetz, sie sei jedoch ihrem Inhalt und der Form nach zugleich ein Vertrag zwischen dem Landesherrn und dem Staat.412 Ein derartiger Vertrag sei neben seinen privatrechtlichen Bestandteilen öffentlich-rechtlichen Charakters. Dies habe seinen Grund in der doppelten Stellung des Großherzogs als Oberhaupt des Staates und als Familienoberhaupt.413 Da staatsrechtlich an der Gültigkeit der Verabschiedung nicht zu zweifeln sei, könne nur auf die privatrechtliche Seite dieses Vertrages rekurriert werden. Danach hindere eine mögliche Verfügungsbeschränkung des Fürsten die Wirksamkeit des Vertrages selbst.414 Der Großherzog sei wegen der Qualität des Kammergutes als Familienfideikommiss an den Konsens der Agnaten gebunden gewesen. Nach Versagung desselben stünde jedem Agnaten für den Fall der Sukzession die Revocatorien-Klage zu.415 Eine auch in Zukunft derart unsichere Rechtslage könne nicht im Interesse des Landtages sein.416 406

Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1854, S. 2. Vollert, Die Domainenfrage im Großherzogthume Sachsen-Weimar-Eisenach, Weimar 1854. 408 Ortloff, Zeitschr. f. d. ges. Staatsw. 1896 (52), S. 747. 409 Vollert, Die Domainenfrage, S. 20. 410 Vollert, Die Domainenfrage, S. 26 f. 411 Vollert, Die Domainenfrage, S. 30. 412 Vollert, Die Domainenfrage, S. 32. 413 Vollert, Die Domainenfrage, S. 33 f. 414 Vollert, Die Domainenfrage, S. 34. 415 Vollert, Die Domainenfrage, S. 37. 416 Vollert, Die Domainenfrage, S. 42. 407

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b) Die Reaktion des Landtages und die anschließende Debatte Die Abgeordneten waren über die großherzogliche Proposition alles andere als begeistert, konnten sich aber nicht sogleich über ihre Vorgehensweise verständigen und setzten einen Ausschuss ein. Dieser gab am 25. März 1854 seinen ersten Bericht, besser gesagt seine ersten Berichte ab, denn zu einer einheitlichen Position war man nicht gekommen.417 Dies betraf zunächst die rechtliche Beurteilung. Die Minderheit wollte an der Verabschiedung des Jahres 1848 festhalten und hielt den agnatischen Protest für irrelevant.418 Zum einen habe schon vor dem Jahr 1821 kein Privateigentum am Kammervermögen bestanden. Die hierfür entscheidenden Passagen der Primogeniturordnung von 1724 bestätigten dies.419 Zum anderen hätte 1821 eine deutlichere Gesetzesformulierung gefunden werden müssen.420 Vor diesem Hintergrund sei schon die Berechtigung der Agnaten zweifelhaft. Im Übrigen hielt die Minderheit – wohl zu Recht – die Verabschiedung des Jahres 1848 für ein Gesetz. Alternativ wäre zwar auch die Einordnung als Vertrag denkbar gewesen, welchen der Großherzog teils als Vertreter des Staates, teils als mit dem Staate kontrahierender Landesfürst abgeschlossen hätte.421 Hierzu hätte es aber einer Abtrennung des Landesfürsten vom Staat bedurft, welche nicht gegeben sei.422 Auch die Annahme, es handele sich bei der Verabschiedung um eine „Finanzmaßregel“, widerspräche dem nicht, da es sich dabei nicht um einen feststehenden rechtlichen Begriff handele.423 Die Mehrheit beurteilte die Rechtslage entweder anders oder war sich der Aussichtslosigkeit des Widerstandes bewusst.424 Interessanter schien dagegen die Frage, welche Rechtsfolge die Aufhebung der Verabschiedung von 1848 gehabt hätte. Zwar lag eine Rückkehr zum Rechtszustand von 1821 nahe. Aber es blieb unklar, zu welcher Konsequenz sie führen werde.425 Man wollte sich nicht der Auslegung der Regierung anschließen, wonach bereits das Gesetz von 1821 die Eigentumsfrage geklärte habe. Mehrheitlich war der Ausschuss allenfalls zu einer Anerkennung des großherzoglichen Eigentums ex nunc bereit.426 An den 417

Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1854, S. 13. Minoritätsgutachten des Abg. Fries, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel, 1854, S. 15 ff. 419 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1854, S. 16 f. Zum Inhalt der Primogeniturordnung siehe oben B. II. 420 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1854, S. 18. 421 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1854, S. 20. 422 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1854, S. 20. 423 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1854, S. 20. 424 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1854, S. 13. 425 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1854, S. 13 f. 418

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Ausschussbericht mit allen seinen Neben- und Vermittlungsvorschlägen schloss sich eine intensive mehrtägige Debatte an, an deren Ende der Landtag mit deutlicher Mehrheit, aber ohne Überschwang einer Neuregelung zustimmte.427 c) Inhalt der Verabschiedung und die Verordnung vom 4. Mai 1854 Schließlich akzeptierte der Landtag die Aufhebung der Verabschiedung von 1848 und den Wiedereintritt des Gesetzes von 1821 mit der Maßgabe, dass alle sonstige zwischenzeitliche und nachfolgende Gesetzgebung berücksichtigt werde. Mit der Bezugnahme auf die vormalige Gesetzgebung hielt man die Eigentumslage bewusst in der Schwebe. Weder die Erklärungsschrift des Landtages428 noch die diese sanktionierende Verordnung429 schrieben dem Großherzog oder seinem Haus das Eigentum am Kammervermögen zu. Vielmehr wurde auf die Schwierigkeit einer Auseinandersetzung des Kammer- und Landschaftsvermögens verwiesen. Klar zum Ausdruck kam dagegen, dass die Kammererträge nach wie vor der Staatskasse zufließen sollten und dass aus diesen Erträgen dem Großherzog und seinem Haus eine feste jährliche Domänenrente von 280.000 Thalern zu bezahlen war, von denen der Großherzog freiwillig und auf Widerruf 30.000 Thaler der Staatskasse zur Verfügung zu stellen bereit war.430 Die Verordnung vom 4. Mai 1854 bestätigte die landständische Erklärungsschrift und gab ihr damit den Charakter einer gesetzesgleichen Verabschiedung. Darüber hinaus wurden verschiedene Einzelheiten der Durchführung geregelt. d) Der hierauf erfolgte agnatische Protest und seine Behandlung Auch wenn es nicht zu einer ausdrücklichen Zuweisung des Kammervermögens an den Großherzog und sein Haus gekommen war, schien damit doch eine Beruhigung der Lage möglich geworden. Immerhin war die Vermögensvereinigung aufgehoben worden. Dennoch erhoben Herzog Bernhard und sein jüngster Sohn am 11. Mai 1854 erneut agnatischen Protest, da ihrer Ansicht nach nicht deutlich genug das privatrechtliche Eigentum des großherzoglichen Hauses betont worden war und außerdem die landständischen Formulierungen etliche Zweifel an der Auslegung des Gesetzes von 1821 hervorgerufen hätten.431 Nun 426

Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1854, S. 14 f. Verhandlungen des Landtages S-W-E, Protokolle 1854, S. 104. 428 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1854, S. 40 f. 429 S-W-E-RegBl. 1854, S. 229 = Schulze, Bd. 3, S. 302. 430 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1854, S. 41. 431 Beilage Nr. 2 zu einem Rechtsgutachten über die Verabschiedung des Jahres 1854, ThHStA Weimar, HA A XXVI, 1786, Bl. 77; die Bevollmächtigung durch den Sohn erfolgte in einer eigenen Urkunde, ThHStA Weimar, HA A XXIV Nr. 74, Bl. 29 f. 427

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wurde der Großherzog offenbar unsicher. Denn anders als in den Jahren 1852/ 53 bemühte er selbst externen Sachverstand – ein Rechtsgutachten des hallensischen Juristen Ludwig Wilhelm Anton Pernice (1799–1861) –, um die eigene Rechtslage besser abschätzen zu können. Dieser untersuchte ausführlich die Stellung der Agnaten des Großherzogtums seit der Auflösung des Reiches. Auch wenn Carl August am Anfang des 19. Jahrhunderts die Möglichkeit gehabt hätte, die neu erlangte Souveränität zu einer staatsrechtlichen Ausgestaltung des Großherzogtums zu nutzen, habe er davon keinen Gebrauch gemacht.432 Vielmehr habe er die landständischen Institutionen zu neuem Leben erweckt, ohne eine möglicherweise die agnatischen Rechte beschränkende Verfassung zu geben.433 Daher sei es beim wohlerworbenen Recht der Agnaten geblieben.434 Dieses beinhalte die Pflicht, bei jeder Belastung des Domänenvermögens mit dinglichen Rechten, mit Pfandschaften und Hypotheken, bei jeder Veräußerung im engeren oder weiteren Sinn, also auch bei Tausch, Hingabe zur Mitgift oder an Zahlung statt, den agnatischen Konsens einzuholen.435 Somit sei die Frage, ob die mit der Verordnung vom 4. Mai 1854 sanktionierte Verabschiedung die in der Verabschiedung von 1848 gesehene Rechtsverletzung aufgehoben habe. Dazu hätte es freilich einer Rückübertragung des Eigentums am Kammervermögen auf das großherzogliche Haus bedurft, welche der Landtag ausdrücklich verwehrt hatte.436 Diese festgestellte Verletzung agnatischer Rechte könnte, so das Rechtsgutachten, durch den erneuten Versuch einer gesetzlichen Regelung aufgehoben werden. Sollte der Landtag sich wiederum weigern, so wäre der Weg zur Schiedsgerichtsbarkeit des Bundes frei.437 Die Regierung hielt es jedoch von Anfang an für nicht ratsam, diesen Weg zu beschreiten. Sie wollte endlich Ruhe in dieser Sache. Daher empfahl Staatsmi432

Rechtsgutachten vom 22. Juli 1855, ThHStA Weimar, HA A XXVI, 1786, Bl. 6. Memorandum betreffend den rechtlichen Standpunkt Seiner Königlichen Hoheit und Durchlauchtigsten Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach, den Protest der höchsten Agnaten vom 11. Mai 1854 gegenüber (vom 22. Juli 1855), ThHStA, HA A XXVI 1785, Bl. 10; ähnlich Rechtsgutachten vom 22. Juli 1855, ThHStA Weimar, HA A XXVI, 1786, Bl. 7 RS. 434 Memorandum betreffend den rechtlichen Standpunkt Seiner Königlichen Hoheit und Durchlauchtigsten Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach, den Protest der höchsten Agnaten vom 11. Mai 1854 gegenüber (vom 22. Juli 1855), ThHStA, HA A XXVI 1785, Bl. 10 RS. 435 Rechtsgutachten vom 22. Juli 1855, ThHStA Weimar, HA A XXVI, 1786, Bl. 29. 436 Memorandum betreffend den rechtlichen Standpunkt Seiner Königlichen Hoheit und Durchlauchtigsten Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach, den Protest der höchsten Agnaten vom 11. Mai 1854 gegenüber (vom 22. Juli 1855), ThHStA, HA A XXVI 1785, Bl. 5. 437 Memorandum betreffend den rechtlichen Standpunkt Seiner Königlichen Hoheit und Durchlauchtigsten Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach, den Protest der höchsten Agnaten vom 11. Mai 1854 gegenüber (vom 22. Juli 1855), ThHStA, HA A XXVI 1785, Bl. 13 RS. 433

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

nister von Watzdorf dem Großherzog, den Agnaten gegenüber zu erklären, dass am Eigentum des großherzoglichen Hauses kein Zweifel bestehe. Sollten die Agnaten diese Vorgehensweise nicht akzeptieren, wurde vorgeschlagen, den Landtag vom erneuten Protest in Kenntnis zu setzen und gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass man dem Protest keine Folge leisten würde, sondern ihn wegen des feststehenden Eigentumsrechts der Krone für unberechtigt erachte.438 Diesem Rat leistete der Großherzog letztendlich Folge. Er erachtete den Protest für unbegründet und beschied im August 1855 Herzog Bernhard entsprechend.439 Außerdem wurde der Landtag im Jahr 1856 vom Protest der Agnaten in Kenntnis gesetzt.440 Verbunden wurde diese Information mit der Zuleitung einer Aufstellung der Substanz des Kammervermögens.441 Nach eingehender Beratung nahm der Landtag dieses Auseinandersetzungsverzeichnis in modifizierter Form an.442 Dem stimmte der Großherzog weitgehend zu.443 Die wenigen Vorbehalte, die geltend gemacht wurden, vermochten am Ergebnis nichts mehr zu ändern. Fortan war klar, was zum Kammervermögen gehörte. Dagegen blieb – jedenfalls aus Sicht des Landtages – offen, wem das Kammervermögen gehörte.444 Der Großherzog ging fest vom Eigentum des großherzoglichen Hauses aus und betonte dies auch gegenüber dem Landtag.445 Der Landtag wehrte sich dagegen nicht mehr. Immerhin hatten die Stände durch die Überweisung der Kammererträge an die Staatskasse das dringendste Problem gelöst. Die Eigentumsfrage rückte damit in den Hintergrund. Carl Alexander war daneben bemüht, den Familienfrieden endgültig wiederherzustellen. So korrespondierte er nachfolgend intensiv mit Bernhard, wobei es auch um eine Erhöhung der Domänenjahresrente ging.446 Zu dieser kam es aber erst im Jahr 1859.447 Schließlich vereinbarten Landtag und Großherzog im Jahre 1896, die Domänenjahresrente grundsätzlich nach dem jeweiligen Domänenreinertrag auszurich-

438 Gutachten des Staatsministers von Watzdorf vom 4. September 1854, ThHStA Weimar, HA A XXVI, 1646, Bl. 46. 439 ThHStA Weimar, HA XXVI, 1790, Bl. 28. 440 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1856, S. 352. 441 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1856, S. 352 ff. 442 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1856, S. 681 ff. 443 Höchstes Dekret vom 16. Mai 1857, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1856/57, S. 833 f. 444 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1856, S. 681. 445 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1856, S. 835. 446 ThHStA Weimar, HA A XXVI, 948, Bl. 108, 109 RS. 447 Auf dann 280.000 Thaler, vgl. Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1859, S. 614.

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ten. Eine für den Großherzog in der Höhe der Jahresrente befriedigende Lösung konnte aber nicht gefunden werden.448 VI. Die praktische Anwendung der Domänenregelung Bis zum Jahr 1848 unterstand das Kammervermögen der Verwaltung der großherzoglichen Kammer.449 Daran änderte sich zunächst auch mit der rechtlichen Vereinigung von Kammer- und Landschaftsvermögen nichts. Erst im Jahr 1850 erfolgte die Unterstellung beider Vermögen unter eine einheitliche Verwaltung.450 Dabei blieb es auch nach der Neuregelung des Jahres 1854. In der Folge unterschied der Staatshaushaltsplan zwischen fiskalischem Vermögen, Hoheitsrechten und Steuervermögen.451 Die Eigentumsrechte am fiskalischen Vermögen wurden in den Katastern unterschiedlich ausgewiesen. Teilweise war vom Eigentum des Großherzogs, teilweise vom Eigentum der großherzoglichen Kammer- oder Kriegskasse die Rede.452 Auf Rechnung der Hofkasse verwaltete das Hofmarschallamt den so genannten Kronfideikommiss, einen dem großherzoglichen Haus zur eigenen Verwaltung und Nutzung überlassenen Teil des Kammervermögens.453 Damit entsprach die Lösung der Domänenfrage in Sachsen-Weimar-Eisenach der dortigen Verfassungskonzeption. Der Großherzog blieb Träger der Landeshoheit und damit auch Eigentümer der Domänen. Schon aus diesem Grund hätte Albrecht Sachsen-Weimar-Eisenach nicht als rechtspersönlichen Staat angesehen.454

D. Die Ertragshoheit über die Domänenerträge und die Folgen für das ständische Budgetrecht Da die Domänen im Eigentum des großherzoglichen Hauses blieben, musste die Frage geklärt werden, inwiefern sie an den Staatsausgaben und die Stände bei der Ertragsverwaltung beteiligt werden sollten. Die Haushalts- und Steuerverfassung konnte – wie schon angedeutet – an die ungebrochene ständische 448

Ortloff, Zeitschr. f. d. ges. Staatsw. 1896 (52), S. 755 f. Regulativ zu übersichtlicher Anordnung des Cammerhaushalts und der Cammercassen-Rechnung und Verwaltung, S-W-E-RegBl. 1820, S. 134 f. 450 Durch das Gesetz über die Neugestaltung der Staatsbehörden, S-W-E-RegBl. 1850, S. 103 ff., 119. 451 Entwurf des General-Etats der Staatseinnahmen und Ausgaben 1857, 1858, 1859, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1856, S. 393 ff. 452 Lafrenz, Tafel 2, Fundbuch zur Katasterkarte. Die originalen Kataster einzusehen war im ThHStA Weimar nicht möglich. 453 Reyscher, S. 284. 454 Vgl. I. Kapitel § 2 C.II.2. 449

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Tradition anknüpfen. Dennoch brauchte es einige Zeit, um ein festes Regelwerk zu etablieren. Primär basierte das Haushaltsrecht auf dem Grundgesetz von 1816 und sekundär auf verschiedenen Gesetzen und den jeweiligen Etats. I. Die rechtliche Regelung im Grundgesetz und den anderen Gesetzen 1. Das Grundgesetz von 1816 Das Grundgesetz von 1816 beschränkte die ständische Mitwirkung am Staatshaushalt auf die aus den landschaftlichen Kassen und aus Steuermitteln fließenden Einnahmen.455 Zu den Kammererträgen enthielt es keine Regelung, womit es bei der eigenständigen Verwaltung durch die großherzogliche Kammer blieb. Mit dieser Einschränkung oblag es den Ständen gemeinschaftlich mit dem Großherzog, „die Staatsbedürfnisse zu prüfen und die zu ihrer Deckung erforderlichen Einnahmen und Ausgaben festzusetzen“. Der Landtag hatte damit die ausdrückliche Befugnis, über die Etats zu beraten und zu beschließen.456 Die so umschriebene Bestimmung des Etats war keinesfalls unverbindlich457, vielmehr waren die verabschiedeten Etats „auf das Strengste und Unverbrüchlichste zu halten“.458 Der Landesherr sicherte außerdem zu, sich jeder „Einweisung in eine der Landschaftlichen Cassen, welche jenen Etats in irgend einem Puncte entgegenläuft“, zu enthalten.459 Damit entsprachen die Befugnisse des Landtages weitgehend einem wirklichen Ausgabenbewilligungsrecht.460 Noch deutlicher wurde der Verfassungstext im Hinblick auf das Steuerbewilligungsrecht. Ohne Gehör und ausdrückliche Bewilligung der Landstände durfte keine Steuer oder Abgabe ausgeschrieben oder erhoben werden und keine Anleihen auf die landschaftlichen Kassen oder das Vermögen der Staatsbürger gemacht werden.461 Zentrales Gremium im Haushaltsverfahren und bei der Haushaltskontrolle war das Landschaftskollegium, eine Verwaltungsbehörde, für die der Landtag zwei Mitglieder vorzuschlagen hatte.462 Ihm unterstanden die landschaftlichen Kassen zur Verwaltung.463 Rechtzeitig vor Eröffnung eines neuen Landtages 455

§ 5 Ziff. 1 des Grundgesetzes von 1816, bei Pölitz, Bd. I, S. 760. § 99 Abs. 2 des Grundgesetzes von 1816. 457 So Kichler, S. 28. 458 § 102 des Grundgesetzes von 1816. 459 § 102 des Grundgesetzes von 1816. 460 Friauf, S. 40 f., 144; ähnlich Mußgnug, S. 98 sowie ders. ZNR 24 (2002), S. 290 ff., 303. 461 § 5 Ziff. 2 des Grundgesetzes von 1816. 462 §§ 5 Ziff. b), 118, 119 des Grundgesetzes von 1816. 463 § 97 des Grundgesetzes von 1816. 456

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hatte das Landschaftskollegium die Budgets der ihm unterstehenden Kassen auf die Dauer von drei Jahren zu entwerfen464 und dem Großherzog zur Prüfung zuzuleiten.465 Anschließend leitete der Großherzog die Etats dem Landtag zu,466 welcher sowohl über sie als auch über die Mittel zu ihrer Deckung entschied.467 War der Landesherr mit der ständischen Entscheidung einverstanden, so konnten die Abgaben ausgeschrieben werden, wenn nicht, musste der Landtag erneut beraten.468 Ausdrückliche Vorkehrungen für den Fall des Ausbleibens einer rechtzeitigen Budgetverabschiedung waren nicht vorgesehen. Lediglich für den Fall außerordentlicher und unvorhergesehener Bedürfnisse sollte ein außerordentlicher Landtag einberufen werden.469 Die Rechnungsprüfung erfolgte durch das Landschaftskollegium und einen besonders eingerichteten landständischen Ausschuss.470 2. Das Finanzgesetz von 1821 Das so etablierte, in Steuer- und Kammerverwaltung getrennte Kassensystem des Großherzogtums entsprach weitgehend dem altständischen Muster der Finanzverfassung.471 Die einzige, wenn auch bedeutende Neuerung war die Unterstellung der Hauptlandschaftskasse unter das vom Großherzog gebildete Landschaftskollegium. Diese Trennung von Steuer- und Kammerkasse wurde mit dem Finanzgesetz von 1821 noch verstärkt. Wie bereits im Rahmen der Eigentumsfrage behandelt, hielten die Stände eine Kassenvereinigung für ungeeignet, um die ständischen Finanzen zu konsolidieren. Vielmehr verlangten sie eine strikte Kassentrennung, was zunächst den ständischen Dualismus noch verschärfte. Bislang von der Kammer erhobene Abgaben flossen fortan in die Landschaftskasse,472 während Erträge aus Domänen und Regalien vollständig der Kammerkasse überwiesen wurden.473 Damit konnten die Stände zwar über die Verwendung aller Steuereinnahmen mitentscheiden, einer Mitsprache bei der Verwendung der Kammererträge hatten sie sich dagegen vollständig begeben. Die Kammererträge wurden zur Verwaltung und Erhaltung des Kammergutes, in Teilen auch für den niederen Polizei- und Justizdienst sowie für die Besol464

§ 98 des Grundgesetzes von 1816. § 99 Abs. 1 des Grundgesetzes von 1816. 466 § 99 Abs. 1 des Grundgesetzes von 1816. 467 § 99 Abs. 2 des Grundgesetzes von 1816. 468 §§ 100, 101 des Grundgesetzes von 1816. 469 §§ 103, 104 des Grundgesetzes von 1816. 470 §§ 105 bis 107 des Grundgesetzes von 1816. 471 Ventzke, S. 48. 472 § 1 des Landesgrundgesetzes über die Steuerverfassung, S-W-E-RegBl. 1821, S. 496 ff., 497. 473 § 5 des Regulativs zu übersichtlicher Anordnung des Cammerhaushalts und der Cammercassen-Rechnung und Verwaltung, S-W-E-RegBl. 1820, S. 134. 465

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dungs- und Verwaltungskosten für Geistlichkeit, Kirchen, Gymnasien und Schulen verwendet.474 Interessanterweise war wohl nicht nur die Sorge um die eigene Kassenlage für die Entscheidung gegen eine Kassenvereinigung ausschlaggebend. Vielmehr dürfte das altständische Denken im Landtag der ersten Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes entscheidend gewesen sein. Man fürchtete sich vor zu großer Verantwortung, wenn durch eine „noch weitere Ausdehnung des nach der Verfassung den Abgeordneten des Landtages zustehenden Verwilligungsrechtes, ihr Anteil an der Regierung und Verwaltung noch bedeutender und einflussreicher werden sollte“.475 Damit blieb es bis zum Jahre 1848 bei der Beschränkung des ständischen Ausgabenbewilligungsrechtes auf die Steuereinnahmen und – wegen der Tragung nahezu sämtlicher Regierungslasten aus Steuermitteln – bei der vergleichsweise hohen Steuerbelastung der Bürger.476 Praktisch bedeutete dies, dass die Kammer in den Rechnungsjahren 1841/ 1842 bis 1843/1844 durchschnittlich etwa 1.319.249 Thaler pro Jahr einnahm,477 während in den Jahren 1848–1850 für die Staatskasse jährlich 848.397,18 Thaler an Einnahmen bewilligt waren.478 Der Ausgabenetat war nur geringfügig spezialisiert.479 Damit bestand in Sachsen-Weimar-Eisenach bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts der ständische Finanzdualismus unverändert fort. Das wichtige Kriterium Albrechts für das Vorliegen staatlicher Rechtspersönlichkeit – die Überwindung des Dualismus – war in Sachsen-Weimar-Eisenach bis dahin nicht erfüllt.480 3. Änderungen in der Revolutionszeit 1848/1849 Das revidierte Grundgesetz von 1850 enthielt infolge der mittlerweile eingetretenen Kassenvereinigung481 auch keine Beschränkung mehr auf die aus der Landschaftskasse zu bestreitenden Staatsausgaben. Vielmehr stand es dem 474 Vgl. die Übersicht über die Kammerrechnungen der Jahre 1841–1843, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Protokolle, S. 726 im Anhang. 475 So rückblickend der schon seinerzeit amtierende Landmarschall von Riedesel vor dem Landtag des Jahres 1847, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Protokolle 1847, S. 203. 476 Eine Aufstellung gibt etwa der Abg. von Wydenbrugk, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Protokolle 1847, S. 332. 477 Übersicht über die Kammerrechnungen der Jahre 1841–1843, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Protokolle, S. 726 im Anhang. 478 Etatentwurf 1848–1850, Landtagsverhandlungen S-W-E, Schriftwechsel 1848, S. 145 ff. 479 Etatentwurf 1848–1850, Landtagsverhandlungen S-W-E, Schriftwechsel 1848, S. 145 ff. 480 Vgl. I. Kapitel § 2 C.II.3. 481 Durch das Gesetz über die Neugestaltung der Staatsbehörden, S-W-E-RegBl. 1850, S. 103 ff., 119.

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Landtag zu, „gemeinschaftlich mit dem Landesfürsten die Staatsbedürfnisse zu prüfen und die zu ihrer Deckung erforderlichen Einnahmen und Ausgaben festzusetzen“.482 Der erste regierungsinterne Entwurf hatte noch den Hinweis auf die aus Steuermitteln zu bestreitenden Ausgaben enthalten.483 Ob dies als Versehen oder als ursprüngliches Vorhaben gedeutet werden muss, konnte nicht geklärt werden. Jedenfalls hing diese Ausdehnung der ständischen Rechte eng mit der Kassenvereinigung zusammen und war durch sie bedingt.484 Im Übrigen spiegelte sie die allgemeine haushaltsrechtliche Entwicklung in den deutschen Staaten wider.485 4. Die Handhabung nach 1854 Die Neuregelung über das Kammervermögen änderte nichts an der Ertragszuweisung an den Staat. Dies zeigte sich auch an der Höhe der Einnahmen; diese lagen nunmehr bei 1.550.827 Thalern pro Jahr. Die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Kammer- und Steuerertrag des vorausgehenden Jahrzehnts auf der einen Seite und dem nunmehr bestimmten Etat486 auf der anderen Seite erklärt sich aus der Zuweisung des Kronfideikommisses an die Hofkasse. Zieht man von der Gesamtsumme der Ausgaben die größten bisher von der Kammer geleisteten Ausgaben487 ab, so fällt der finanzielle Gewinn für die Staatskasse mit etwa 200.000 Thalern recht bescheiden aus. Gekoppelt war dies allerdings auch an die detailliertere Aufstellung des Etats in Kapitel.488 5. Auslegungsfragen und Streitpunkte Trotz des klaren Wortlauts des Grundgesetzes versuchte das Staatsministerium, seine Befugnisse zu Lasten der Stände zu erweitern.489 Dies geschah bis 482 § 4 Ziff. 1 des revidierten Grundgesetzes, in: Gesetze über die Verfassung und den Landtag im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, Eisenach 1904, S. 7. 483 ThHStA Weimar, Nachlass von Watzdorf, Nr. 98, Bl. 7. 484 Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1850, S. 444. 485 Wichtigstes Beispiel ist die im selben Jahr in Kraft getretene, revidierte preußische Verfassungsurkunde, Art. 99, bei Boldt, S. 442. In Baden hatte sich die Staatspraxis zur gleichen Zeit entsprechend gewandelt. 486 Etwa 500.000 Thaler. 487 Zivilliste in Höhe von 250.000 Thalern und Kammerschuldentilgung in Höhe von etwa 5.000 Thalern, verschiedene Bau- und Erhaltungskosten über ca. 50.000 Thaler sowie Kosten für den niederen Justiz- und Schuldienst über etwa 100.000 Thaler, auf Grundlage des Generaletats der Staatseinnahmen und -ausgaben 1857–1859, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1856, S. 393 ff. 488 Generaletat der Staatseinnahmen und -ausgaben 1857–1859, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1856, S. 393 ff. 489 Hierüber berichtet ausführlich Friauf, S. 144 ff., ohne aber auf die entscheidenden Änderungen der Gesetzeslage der Jahre 1821, 1848, 1850 und 1854 einzugehen.

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1850 offenbar in weit bescheidenerem Umfang als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.490 Der Grund hierfür liegt auf der Hand. Konnte die großherzogliche Regierung bis 1848 relativ frei über die Kammererträge verfügen, war sie danach bei nahezu allen Staatsausgaben budgetrechtlich gebunden. So genügten nicht immer einzelne Vorbehalte. Der Etat für die Jahre 1857–1859 wurde gar unter den Generalvorbehalt gestellt, dass die „sämtlichen Behörden zur Pflicht gemachte, sorgsamste Sparsamkeit bei Ausführung der Etats die Einhaltung der letzteren im Einzelnen wie im Ganzen nicht ermöglichen sollte“ und dass der etwaige „Mehrbedarf aus bereitesten Cassemitteln“ bestritten werden sollte.491 Noch deutlicher zeigte sich die veränderte Haltung der Regierung bei der Frage der Spezialität der einzelnen Etatpositionen. Auch früher war schon darüber diskutiert worden, ohne dass nennenswerte Streitigkeiten daraus erwachsen wären.492 Nun spitzte sich die Auseinandersetzung zu. Die Regierung nahm für sich in Anspruch, Einsparungen bei speziellen Etatpositionen für Mehraufwendungen innerhalb desselben Kapitels verwenden zu können.493 Damit hätte den Landständen de facto nur die Befugnis zugestanden, den kapitelweise unterteilten Generaletat festzusetzen, auf die einzelnen Ausgabeposten hätten sie keinen besonderen Einfluss gehabt. Dies erkannten die Stände sogleich und beschlossen, alle Ersparnisse bei einzelnen Etatsätzen in den Reservefonds zu überführen, aus dem ein etwaiger Mehrbedarf für den Fall nachgewiesener Notwendigkeit gedeckt werden sollte.494 Dies wollte der Großherzog nicht gelten lassen. Er verwies darauf, dass der Staatsregierung „jederzeit die unbestrittene Befugnis zugestanden“ habe, „innerhalb eines Etats-Titels gemachte Ersparnisse an einzelnen Etats-Positionen zu anderweitigem Mehrbedarfe bei demselben Etats-Titel zu verwenden“.495 Diese Haltung Carl Alexanders verwundert. Hatte er doch in dem während seiner Ausbildung zum Regenten angefertigten Grundgesetzkommentar zum einen festgehalten, dass Ersparnisse aus den Etats nicht frei verwendet werden durften.496 Jegliches Abweichen vom bestehenden Etat 490 So beispielsweise der Landtagsabschied von 1836, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel, 1835/36, S. 182, es ging bei dem Vorbehalt um 1.000 Thaler, welche notfalls nicht dem Reservefonds, sondern dem Kassenvorrat entnommen werden sollten. Ähnlich scheint es sich auch mit den sonstigen Vorbehalten dieser Zeit verhalten zu haben, welche dem Verfasser nicht zur Verfügung stehen, vgl. aber Friauf, S. 145. 491 Höchstes Abschiedsdekret, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1856, S. 390 f. 492 Friauf, S. 146. 493 Ministerialdekret vom 29. Nov. 1850, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1850, S. 205. 494 Bericht des Finanzausschusses, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1850, S. 502; dementsprechend auch der Beschluss des Landtages, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1850, S. 532. 495 Höchstes Dekret, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1850, S. 571.

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würde das Landschaftskollegium zur Anzeige beim Staatsministerium verpflichten, welches – ohne rechtlich in eine Richtung gebunden zu sein – darüber zu entscheiden hatte.497 Zum anderen betrafen seine Erläuterungen zu § 102 des Grundgesetzes ganz überwiegend den Reservefonds. Aus diesem durften nur mit Genehmigung des Großherzogs unter Gegenzeichnung des Finanzministers in Notfällen Mittel entnommen werden. Für den Fall, dass hierfür bereits eine Etatposition vorgesehen war, kam eine Entnahme grundsätzlich nicht in Betracht.498 Gleichwohl blieb die Regierung bei ihrer Auffassung. Ebenso der Landtag, welcher sich seiner besseren Rechtsposition bewusst war. Die gemeinschaftliche Festsetzung der Einnahmen und Ausgaben mit dem Landesfürsten bedinge, dass die verwilligten Summen auch nur zu den verwilligten Zwecken eingesetzt würden. Würde der Regierung Folge geleistet, könnten, da einzelne Titel innerhalb der jeweiligen Kapitel so verschiedene Ausgabenposten enthielten, Verwilligungen zu ganz anderen als den beschlossenen Zwecken verwendet werden.499 Auch diese Beweisführung beeindruckte die Regierung nicht, sie reagierte vielmehr mit dem bereits angeführten Generalvorbehalt und ließ damit die Rechte des Landtages ins Leere laufen.500 Rechtliche Konsequenzen hatte sie hierfür wegen des erschwerten Verfahrens der Ministeranklage nicht zu befürchten.501 Die Auseinandersetzungen zwischen dem Landtag und der Regierung machen den qualitativen Unterschied der ständischen Haushaltsbefugnisse in der Zeit vor und nach 1850 deutlich: Vor 1850 konnten die Landstände nur über die aus Steuermitteln zu tätigenden Staatsausgaben mitentscheiden. Danach hatten sie das volle Budgetrecht. Damit nahm Sachsen-Weimar-Eisenach die preußische Verfassungsentwicklung nicht vorweg, sondern zog mit ihr gleich.

E. Die Revolution von 1918 und der Verlauf der Vermögensauseinandersetzung bis heute Mit der Revolution wurde eine Klärung der Eigentumsverhältnisse unausweichlich. Bereits kurze Zeit nach dem Machtwechsel fanden Verhandlungen zwischen Beauftragten des Großherzogs Wilhelm Ernst (1876–1923) und der 496

ThHStA Weimar, HA A XXVI 1514, Bl. 30r. ThHStA Weimar, HA A XXVI 1514, Bl. 30r. 498 ThHStA Weimar, HA A XXVI 1514, Bl. 30r. 499 Bericht des Finanzausschusses, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1856, S. 283. 500 Höchstes Abschiedsdekret, Verhandlungen des Landtages S-W-E, Schriftwechsel 1856, S. 391. 501 Zunächst §§ 112–115 des Grundgesetzes von 1816, später §§ 49, 51 f.; hierzu auch Friauf, S. 169 ff. 497

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provisorischen Regierung statt. Dabei ging es um den Versuch einer gütlichen Einigung über die Vermögensauseinandersetzung. Man wollte jahrzehntelange Gerichtsverfahren mit unklaren Erfolgsaussichten vermeiden.502 Außerdem bestand das praktische Problem, dass nur noch bei wenigen Teilen des Kammerguts der jeweilige Erwerbstitel nachgewiesen werden konnte.503 Allerdings kam es vorerst zu keinen wirklichen Verhandlungen, da man sich nicht über den Verhandlungsgegenstand einigen konnte.504 Bei diesem Stand blieb es bis zum Antritt der gewählten Regierung im Jahr 1919.505 Am 17. Juni 1919 stellte der Großherzog erste Forderungen. Neben umfangreichem Grundvermögen (darunter das Residenzschloss in Weimar sowie die Wartburg) sollte dem Großherzog eine jährliche Rente in Höhe von 300.000 Mark zustehen.506 Im Gegenzug hätte der Freistaat Sachsen-Weimar-Eisenach den Großteil des sonstigen Kammervermögens erhalten.507 Die Staatsregierung erachtete diese Forderung als unannehmbar. Insbesondere wollte sie die Wartburg – als Nationalheiligtum – nicht im Privateigentum des Fürstenhauses belassen.508 Noch hatte die Gegenseite aber einige Trümpfe in der Hand. So drohte sie unverhohlen mit dem Abzug des Goethe- und Schillerarchivs aus Weimar, wozu sie testamentarisch berechtigt, wenn nicht gar verpflichtet war.509 Auch die mittlerweile in Kraft getretene Reichsverfassung konnte ins Feld geführt werden. Hatte sie doch verbindlich das Eigentumsrecht verbürgt,510 worauf sich der Großherzog nunmehr berufen konnte. Dies erkannten auch die Sozialdemokraten.511 Daher bewegte sich die Mehrheit auf eine Einigung zu. Der Kapp-Putsch drohte die bislang erzielten Ergebnisse zunichte zu machen. Hielten sich doch hartnäckig Gerüchte, nach denen der abgedankte Großherzog am Umsturzversuch beteiligt gewesen sein soll.512 Erst nach einer eidesstattlichen Versicherung des vormaligen Monarchen, nichts von den Plänen gewusst zu haben, beruhigte sich die Lage wieder.513 502

Verhandlungen der Gebietsvertretung von Weimar 1921–1923, Drucks., S. 18. Verhandlungen der Gebietsvertretung von Weimar 1921, S. 128. 504 ThHStA Weimar, Landtag S-W-E, 383, Bl. 3. 505 ThHStA Weimar, Landtag S-W-E, 383, Bl. 3. 506 ThHStA Weimar, Landtag S-W-E, 383, Bl. 4. 507 ThHStA Weimar, Landtag S-W-E, 383, Bl. 4. 508 ThHStA Weimar, Landtag S-W-E, 383, Bl. 11. 509 So das Testament der Großherzogin Sophie aus dem Jahr 1895, wonach bei Verlegung der Residenz oder des Hauptwohnsitzes des Hauses das Goethe- und Schillerarchiv an den Sitz des Hauses verlegt werden sollte, zitiert nach ThHStA Weimar, Landtag S-W-E, 383, Bl. 37. 510 Art. 153 WRV, RGBl. 1919, S. 1383 ff., 1412. 511 Etwa der Landtagsabgeordnete Luther auf einer Versammlung sozialdemokratischer Abgeordneter, ThHStA Weimar, Landtag S-W-E, 383, Bl. 34, 35. 512 ThHStA Weimar, Landtag S-W-E, 383, Bl. 172. 513 ThHStA Weimar, Landtag S-W-E, 383, Bl. 179. 503

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Im Herbst des Jahres 1921 – Sachsen-Weimar-Eisenach bestand nur noch als Gebiet innerhalb des Landes Thüringen – konnte die nunmehrige Gebietsvertretung den Auseinandersetzungsvertrag mit überwältigender Mehrheit bei zwei Gegenstimmen bestätigen.514 Danach erkannte das großherzogliche Haus das Kammergut einschließlich des Krongutes als Eigentum des Gebietes Weimar an und verzichtete rückwirkend zum 1. Januar 1919 auf die Zahlung der Domänenjahresrente.515 Die Wartburg wurde Eigentum einer eigens hierfür errichteten Stiftung des öffentlichen Rechts,516 das Residenzschloss Weimar ging in Staatseigentum über, das großherzogliche Haus erhielt ein teilweises Nutzungsrecht daran.517 Der Fundus des Nationaltheaters in Weimar sollte gegen eine angemessene Abfindung dem Gebiet übertragen werden.518 Außerdem erhielt der Großherzog eine jährliche Rente von 300.000 Mark519 sowie eine Barabfindung in Höhe von etwa 2 Mio. Mark.520 Im Ergebnis erhielt das Gebiet Grundbesitz im Umfang von 52.093 ha, dem großherzoglichen Haus verblieben 4.696 ha Land. Zum 1. Oktober 1923 wurde die Jahresrente auf 100.000 RM aufgewertet.521 Mit diesem Rechtszustand hatte es vorerst sein Bewenden. Das Gesetz über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Ländern und den vormals regierenden Fürstenhäusern522 aus dem Jahr 1939 betraf nicht den Weimarer Auseinandersetzungsvertrag. I. Die Enteignungen in der Sowjetischen Besatzungszone Zwischen 1945 und 1948 blieben die vormaligen Landesherren zunächst weitgehend von Enteignungen verschont.523 Ende 1948 wurde schließlich das gesamte im Land Thüringen gelegene unbewegliche und bewegliche Vermögen der ehemaligen Fürsten und ihrer Familienangehörigen entschädigungslos enteignet und zu Volkseigentum erklärt.524 Die Auseinandersetzungsverträge wurden allesamt aufgehoben. Damit entfiel auch die vertraglich versicherte Jahresrente. Dass es sich dabei um reines Privatvermögen der Familien handelte, das keineswegs Eigentum des Staates war, spielte keine Rolle. 514

Verhandlungen der Gebietsvertretung von Weimar 1921, S. 142. § 1 des Auseinandersetzungsvertrages, Verhandlungen der Gebietsvertretung Weimar 1921–1923, Drucks., S. 22. 516 § 13 des Auseinandersetzungsvertrages. 517 § 15 des Auseinandersetzungsvertrages. 518 §§ 5 lit. a), 19 Ziff. 1 des Auseinandersetzungsvertrages. 519 § 17 des Auseinandersetzungsvertrages. 520 § 19 des Auseinandersetzungsvertrages. 521 Schüren, S. 295. 522 RGBl. Teil I 1939, S. 129 f. 523 Kaiser, S. 119. 524 Insbesondere durch das Gesetz über die Enteignung der ehemaligen Fürstenhäuser im Lande Thüringen, RegBl. für das Land Thüringen Teil I, 1948, S. 115. 515

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II. Die Restitutionsfragen nach der Wiedervereinigung In der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990525 machte die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik deutlich, keine Möglichkeit für eine Revision der zwischen 1945 und 1949 erfolgten Enteignungen in der sowjetisch besetzten Zone zu sehen. Die Bundesregierung nahm dies zur Kenntnis. Die Aufnahme der Gemeinsamen Erklärung in Artikel 41 des Einigungsvertrages schloss eine Veränderung der besatzungsrechtlich entstandenen Eigentumslage endgültig aus.526 Lediglich bewegliches Vermögen konnte aufgrund des Ausgleichsleistungsgesetzes zurückgefordert werden.527 Aufgrund § 5 Abs. 1 des Ausgleichsleistungsgesetzes528 meldete das Haus Sachsen-Weimar-Eisenach Anfang der 1990er Jahre Rückübertragungsansprüche an. Diese betrafen weite Teile des Bestandes der Stiftung Weimarer Klassik sowie nahezu das gesamte Inventar der Wartburg. Im Sommer 2003 kamen die Verhandlungen zwischen dem Haus Sachsen-Weimar-Eisenach und dem Freistaat Thüringen zum Abschluss. Das Fürstenhaus verzichtete im abgeschlossenen Vergleich auf sämtliche Restitutionsansprüche und erhielt im Gegenzug eine Kompensationsleistung in Höhe von 15,5 Mio. A sowie verschiedene eher symbolisch zu verstehende Anerkennungsleistungen.529

F. Zusammenfassung und Bewertung In Sachsen-Weimar-Eisenach wurde die auf Napoleon zurückgeführte Souveränität als widernatürlich empfunden. Das großherzogliche Haus bedurfte ihrer auch nicht, um seine Herrschaft auf neu hinzugekommene Ländereien auszudehnen. Die Gebietsvergrößerungen ließen sich mit den herkömmlichen Mitteln bewältigen, weil sie in weiten Teilen dem Kammervermögen zugute kamen. Dementsprechend löste man die Landstände nicht auf, sondern erweiterte ihren Auftrag auf das gesamte Land. Zugleich wuchsen auch die ständischen Befugnisse. Daher erscheint es folgerichtig, dass Versuche scheiterten, eine staatsrechtlich geprägte Verfassung einzuführen. So zeigte sich das Verharren in der alten Zeit auch bei der Beantwortung der im I. Kapitel aufgeworfenen Fragen nach der Verfassungskonzeption, nach der Stellung des Fürsten im Staat und 525 Gemeinsame Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990, Anlage III zum Einigungsvertrag, BGBl. Teil II, S. 885 ff., 1237. 526 BGBl. Teil II, 1990, S. 885 ff., 903. Diese vom Bundesverfassungsgericht mehrfach bestätigte Regelung (vgl. etwa BVerfG, NJW 1991, S. 1597; 1996, S. 1666) ist jüngst auch vom EGMR gebilligt worden, EGMR, NJW 2005, S. 2530 ff. 527 BGBl. Teil I, 1994, S. 2628. 528 BGBl. Teil I, 1994, S. 2631. 529 Landtagsvorlage des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Freistaates Thüringen, Anlage zu Ldtg.-Drucks. 3/3387 vom 13.06.2003.

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seinem Verhältnis zum Staat, nach dem Eigentum an den Domänen und der Ertragshoheit über die Domänenerträge einschließlich der Folgen für das ständische Budgetrecht. – Auch wenn sich das 1816 verabschiedete Grundgesetz dem Repräsentationsgedanken nicht verschloss und die Abgeordneten der Stände als Vertreter des ganzen Volkes angesehen wurden, beschränkte sich das Grundgesetz insgesamt doch darauf, die Befugnisse der Landstände und ihre Zusammensetzung abschließend zu regeln. Im Gesetzgebungsverfahren blieb eine getrennte Behandlung der Stände möglich. Die Landtagsorganisation und die Bildung des Landschaftskollegiums erinnerten zusätzlich an die altständische Tradition. Einzelne Grundrechte wurden nur im Publikandum erwähnt. Damit konnte der ständische Dualismus nicht so wie von Albrecht gefordert überwunden werden. – Zur Stellung des Großherzogs schwieg die Verfassung. In keiner Weise wurden Fragen der Hausverfassung in das Grundgesetz aufgenommen. Nach Einschätzung sowohl der Regierung als auch zahlreicher Juristen der Zeit konnte der Großherzog als Haupt der Familie nur in unbedeutenden Fällen einseitig handeln. Zumeist war er an die Zustimmung der Agnaten gebunden, was sich schließlich bei der Domänenfrage zeigte. Staatsrecht und Privatrecht standen damit gleichrangig nebeneinander. Die von Albrecht postulierte Ablösung des Staatsrechts vom Privatrecht blieb in Sachsen-Weimar-Eisenach bis zur Revolution von 1918 aus. Der Großherzog blieb Träger der Landeshoheit. – Die Lösung der Domänenfrage erfolgte letztlich ähnlich wie in Baden. Man hielt die Frage des Eigentums offen – was ein Verbleiben der Domänen im Eigentum des großherzoglichen Hauses nicht ausschloss – und konzentrierte sich auf die Erträge der Kammergüter. Selbst die Vermögensauseinandersetzung des Jahres 1921 führte nicht zu einer nachträglichen Klärung der Eigentumsfrage des 19. Jahrhunderts. Die Zivilliste war als Domänenjahresrente ausgestaltet.530 – Bis zum Jahr 1848 hatte sich der altständische Finanzdualismus im Gegensatz zur Zeit des Alten Reiches noch verstärkt. Es herrschte nicht nur eine vollständige Kassentrennung, sondern auch eine Abkopplung der Staatsausgaben von den Kammererträgen. Damit konnten die Stände zwar über die Ausgaben des Staates weitgehend mitbestimmen, sie mussten aber den Preis einer hohen Steuerlast für die Bürger in Kauf nehmen. Der Landesherr dagegen war in der Verwendung der Kammererträge so gut wie frei und musste die Erträge nicht einmal versteuern. Nur in geringem Ausmaß beteiligte er sich am eigentlichen Staatsaufwand. Größeren Raum nahm dagegen das 530 Auf die Ähnlichkeit zu Baden weist auch Ortloff, Zeitschr. f. d. ges. Staatsw. 1896 (52), S. 744, hin.

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

großherzogliche Mäzenatentum ein. Unter der Leitung Johann Wolfgang von Goethes (1749–1832) wurde in Weimar etwa das spätere Nationaltheater konzipiert und erlangte in der Folge einen weit über Thüringen hinaus gehenden Ruf.531 Erst die Revolution 1848/49 änderte diesen Zustand. Fortan flossen die Kammererträge in großem Umfang der Staatskasse zu. Von 1850 an bestimmte der Landtag über die Verwendung aller dem Staat zur Verfügung stehenden Mittel, also auch über die Kammererträge. Damit hatte sich Sachsen-WeimarEisenach jedenfalls finanzverfassungsrechtlich den größeren deutschen Bundesstaaten angenähert. Anders als von Friauf angenommen, gehörte Sachsen-Weimar-Eisenach somit nicht zu den Protagonisten eines modernen parlamentarischen Budgetrechts. Es führte vielmehr bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die überkommene altständische Tradition fort. Also wurde ein weiteres wichtiges Kriterium Albrechts, die Überwindung auch des Finanzdualismus, in Sachsen-WeimarEisenach erst ab 1850 erfüllt. Ansonsten vollzog sich die Abkehr vom altständischen System und Denken nur allmählich. Dies betraf Fragen des Wahlrechts und der Staatsverwaltung. Im Grundgesetz Sachsen-Weimar-Eisenachs von 1850 schlugen sich diese Änderungen nur in begrenztem Umfang nieder. Zu einer umfassenden Ausrichtung an den Kriterien Albrechts532 ist es, wie gesehen, bis zur Revolution von 1918 nicht gekommen. Daher hielt man in den Jahren 1848/1849 eine Übertragung der Domänen auf den Staat unter den gegebenen Bedingungen für nahezu unmöglich, denn Sachsen-Weimar-Eisenach wies zum damaligen Zeitpunkt nur unwesentliche Merkmale einer juristischen oder, wie man damals formulierte, „moralischen“ Person auf. Die staatsrechtliche Entwicklung war 1918 ungefähr dort angekommen, wo sie in Baden nach 1818 ihren Anfang genommen hatte. Folglich blieben die Domänen in Sachsen-Weimar-Eisenach als Eigentum des Großherzogs, des großherzoglichen Hauses beziehungsweise der Kammer im Grundbuch eingetragen. Dies musste auch nach der Rechtsauffassung seine Richtigkeit haben, die den Domänen als Folge ihrer Pertinenzqualität die Staatsguteigenschaft zuschreiben wollte. Denn ohne einen rechtspersönlichen Staat konnten die Landeshoheit und das Domänenvermögen herkömmlich nur dem Fürsten zustehen.

531 532

Kessler, S. 116. Im I. Kapitel § 2 C.II.

§ 3 Das Herzogtum Sachsen-Meiningen

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§ 3 Das Herzogtum Sachsen-Meiningen A. Die Verfassungskonzeption I. Überblick über die Verfassung und die Organisation des Landes Anders als im Fall der Großherzogtümer Baden und Sachsen-Weimar-Eisenach blieb das Ende des Alten Reiches ohne nennenswerte Auswirkungen auf das Herzogtum Sachsen-Meiningen. Sachsen-Meiningen war infolge der Aufteilung des Herzogtums Sachsen-Gotha im Jahre 1681 entstanden.533 Zu dieser Zeit bestanden als weitere Linien oder Spezialhäuser des gothaischen Gesamthauses noch Sachsen-Altenburg und Sachsen-Coburg-Gotha, mit jeweils weiteren Seitenlinien.534 Später vergrößerte sich das Gebiet des Herzogtums SachsenMeiningen durch die – nach vielen Streitigkeiten – erfolgte Verteilung der Gebiete frühzeitig ausgestorbener Seitenlinien.535 Landstände gab es nur im meiningischen Kernland, dem so genannten Unterland. Sie bestanden aus Ritterschaft und Städten, von welchen jeder Teil sechs Deputierte zum Landtag ernannte, auf welchem die Steuern beraten und bewilligt wurden.536 Ohne dass die Rheinbundsakte oder der Wiener Kongress eine nennenswerte Gebietsänderung mit sich gebracht hätte, gab Herzog Bernhard Erich Freund (1800–1882) im Jahr 1824 seinem Land eine erste landständische Verfassung, welche in wesentlichen Punkten mit dem sachsen-weimarschen Grundgesetz von 1816 übereinstimmte.537 Kurze Zeit später trat wegen des Aussterbens der Seitenlinie Gotha-Altenburg eine weitere Gebietserweiterung ein.538 Den endgültigen Gebietsbestand erlangte das Herzogtum im Jahr 1826. Nach dem am 12. November 1826 zwischen den drei damals noch bestehenden Seitenlinien Meiningen, Hildburghausen und Coburg-Saalfeld vereinbarten Teilungsvertrag fielen dem Herzogtum Sachsen-Meiningen das ganze frühere Herzogtum Hildburghausen, weite Teile des Herzogtums Saalfeld sowie Teile des Herzogtums Coburg zu.539 Dies machte ähnlich wie in Baden und Sachsen-Weimar-Eisenach eine Neuorganisation des Herzogtums erforderlich. Allerdings zeigte sich, dass aufgrund der dynastisch begründeten Gebietsvergrößerung die bisherigen Rechtstraditionen nicht unberücksichtigt bleiben konnten. So dauerte es noch bis zum Jahr 1829, bis eine gemeinsame Landesorganisation geschaffen werden konnte.

533 Sachsen-Gotha- und Meiningischer Hauptrecess vom 8. Juni 1681, bei Schulze, Bd. 3, S. 171 ff. 534 Römhild, Eisenberg, Hildburghausen und Saalfeld, vgl. Kircher, S. 31 ff. 535 Kircher, S. 31. 536 Pölitz, Bd. I, S. 824. 537 Pölitz, Bd. I, S. 824 ff.; zum Inhalt unter A.II. 538 Kircher, S. 32. 539 Kircher, S. 32.

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

In diesem Jahr wurde zunächst eine Fülle von Organisationsedikten540 erlassen, ehe im Herbst das Grundgesetz über die vereinigte landschaftliche Verfassung des Herzogtums Sachsen-Meiningen541 publiziert wurde. II. Das Grundgesetz von 1824 Wie bereits angedeutet, glich das Grundgesetz vom 4. September 1824 teilweise der landständischen Verfassung von Sachsen-Weimar-Eisenach aus dem Jahr 1816. Es gliederte sich in sieben Abschnitte und 91 Paragraphen. Der erste Abschnitt behandelte allgemeine Prinzipien der landständischen Verfassung, insbesondere die Festlegung der Stände,542 das Repräsentationsprinzip543 sowie die Beschränkung der ständischen Rechte auf die in der Verfassung aufgezählten.544 Bemerkenswert ist dabei, dass die Landschaft des Unterlandes zwar aufgelöst wurde, die mit ihr verbundene Verfassung aber subsidiär weiter gelten sollte.545 Im zweiten Abschnitt wurden die Rechte des Landesherrn gegenüber den Landständen umrissen. Diese Rechte betrafen die Berufung, Eröffnung, Vertagung und Schließung des Landtages sowie die Besetzung des Landtagsvorstandes durch den Landesherrn.546 Die Rechte des Landtages behandelte der dritte Abschnitt. Demnach oblag es den Landständen, gemeinschaftlich mit dem Landesfürsten die „Staatsbedürfnisse, soweit dieselben aus landschaftlichen Kassen und aus dem Vermögen der Staatsbürger zu bestreiten“ waren, und die „zu ihrer Deckung erforderlichen Einnahmen und Ausgaben festzusetzen“.547 Jede Besteuerung bedurfte der Zustimmung der Landstände.548 Die Steuereinnahmen durften die Stände in einer eigenen Kasse verwalten und nur zu den „im Etat angegebenen bestimmten Zwecken verwenden“.549 Sie wachten über die Erhaltung der Substanz des Kammergutes.550 Dagegen sollten neue Gesetze nicht

540 Edikt über die Publikation landesherrlicher Verordnungen, Edikt über die Verfassung des Landesministeriums und des Geheimratskollegiums, Edikt über die Einrichtung der obern Landesstellen, Edikt über die Einrichtung der unteren Verwaltungsbehörden, Verordnung über die Kompetenzverhältnisse zwischen den Gerichten und den Regierungs- und Verwaltungsbehörden, in: Landesherrliche Verordnungen des HSM, Zusammenstellung der noch in Anwendung kommenden Gesetze und Verordnungen, 1. Abt., S. 1–43. 541 Bei Pölitz, Bd. I, S. 833 ff. 542 § 2 des Grundgesetzes von 1824, bei Pölitz, Bd. I, S. 824 ff. 543 § 3 des Grundgesetzes von 1824. 544 § 4 des Grundgesetzes von 1824. 545 § 6 des Grundgesetzes von 1824. 546 §§ 7–13 des Grundgesetzes von 1824. 547 § 14 Ziff. 1 des Grundgesetzes von 1824. 548 § 14 Ziff. 2 des Grundgesetzes von 1824. 549 § 14 Ziff. 3 des Grundgesetzes von 1824. 550 § 14 Ziff. 4 des Grundgesetzes von 1824.

§ 3 Das Herzogtum Sachsen-Meiningen

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ohne vorherigen „Beirat“ der Stände erlassen werden.551 Ob damit das Gesetzgebungsrecht eine Einschränkung erfahren sollte, geht aus dem Verfassungstext nicht eindeutig hervor, der Wortsinn spricht dafür.552 An anderer Stelle wird lediglich darauf verwiesen, dass die Ablehnung oder Änderung eines herzoglichen Gesetzentwurfes seitens des Landtages einer Begründung bedurfte.553 Der Landtag hatte also nur ein Anhörungsrecht bei der Gesetzgebung. Seine sonstigen Rechte waren das Motionsrecht, das Recht der Ministeranklage beim Herzog sowie die Befugnis zur Bestellung verschiedener ständischer Verwaltungsposten.554 Die drei Stände wählten je sieben Volksvertreter auf sechs Jahre.555 Der Stand der Rittergutsbesitzer wählte seine Abgeordneten ebenso direkt wie der Stand der Bürger.556 Aus dem Bürgerstand war aber nur wählbar, wer Bürger einer Stadt war und ein unabhängiges Einkommen von jährlich mindestens 300 fl. hatte.557 Die Bauern, die einen näher bezeichneten Grundbesitz hatten, wählten ihre Abgeordneten durch Wahlmänner.558 Die so gewählten Abgeordneten waren ähnlich wie heute nur ihrem Gewissen unterworfen und besaßen Indemnität und Immunität.559 Die Beschlüsse des Landtages ergingen mit Mehrheit bei einer Mindestanwesenheit von zwei Dritteln der Abgeordneten.560 Missbilligten die Abgeordneten eines Standes oder eines Landesteils das Ergebnis einer Abstimmung einstimmig, so gaben sie dies zu Protokoll. Der Beschluss wurde anschließend dem Herzog zur Entscheidung vorgelegt.561 Der Landtagsvorstand hatte eine wichtige Funktion bei der Vorbereitung der Etats und der Aufsicht über das Steuerwesen.562 Die Rechnungsprüfung erfolgte durch einen besonders zu bestellenden landschaftlichen Ausschuss.563 Das Grundgesetz konnte nur in Übereinstimmung von Fürst und Ständen abgeändert werden.564 Grundrechte waren nicht vorgesehen. Unterschiede zur sachsen-weimarschen Verfassung treten in wichtigen Bereichen zu Tage. Die altständische Tradition wurde bei der Festlegung des Wir551 552 553 554 555 556 557 558 559 560 561 562 563 564

§ 14 Ziff. 7 des Grundgesetzes von 1824. So auch Kircher, S. 46. § 66 Abs. 2 des Grundgesetzes von 1824. § 14 Ziffern 5, 6, 8 des Grundgesetzes von 1824. §§ 15, 39 des Grundgesetzes von 1824. §§ 20 bis 25 des Grundgesetzes von 1824. § 25 des Grundgesetzes von 1824. §§ 26 bis 38 des Grundgesetzes von 1824. §§ 61, 68, 69 des Grundgesetzes von 1824. § 56 S. 2 des Grundgesetzes von 1824. § 64 des Grundgesetzes von 1824. § 73 Ziff. 3 bis 6 des Grundgesetzes von 1824. § 74 des Grundgesetzes von 1824. § 85 des Grundgesetzes von 1824.

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

kungsbereichs der Stände – eigene landschaftliche Kasse, Etatbewilligung, aber kein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Gesetzgebung – sowie durch die Subsidiaritätsklausel des § 6 des Grundgesetzes stärker betont als in SachsenWeimar-Eisenach. Die Untertanen konnten sich anders als in Sachsen-WeimarEisenach auch nicht von Verfassungs wegen auf Grundrechte berufen. Damit kontrastierten die altständische Elemente und der mit der gleichwertigen Vertretung der Stände verbundene Repräsentationsgedanke sehr deutlich. Da freilich die ständischen Kompetenzen an die alte Zeit anknüpften, blieben die Neuerungen inhaltsleer. Gemessen an den Kriterien Albrechts, etablierte das Grundgesetz von 1824 keine staatsrechtlichen Verhältnisse.565 Insbesondere fehlte es an der Überwindung des ständischen Dualismus, der Verstaatlichung der Domänen und der Ablösung des Staats vom Landesherrn. III. Die Entstehung des Grundgesetzes von 1829 Nachdem das Gebiet des Herzogtums Sachsen-Meiningen im Jahr 1826 eine letzte Erweiterung erfahren hatte, bedurfte es einer neuen Verfassung, da die hinzugekommenen Gebiete eigene Verfassungstraditionen einbrachten. 1. Die Verfassungstradition Sachsen-Hildburghausens Am 19. März 1818 hatte Herzog Friedrich (1763–1834) von Sachsen-Hildburghausen mit Manifest und Urkunde die mit den Ständen verabredete landständische Verfassung publiziert.566 Der Erbprinz hatte hierzu ebenfalls seine Zustimmung gegeben.567 Auch in Hildburghausen entsandten die einzelnen Stände Abgeordnete,568 die als Volksvertreter galten und im Wesentlichen die üblichen Befugnisse innehatten.569 Die Steuereinnahmen flossen in die unter der Kontrolle der Regierung stehende landschaftliche Kasse.570 Die Stände entschieden über deren Verwendung mit,571 soweit die Domänenerträge nicht ausreichten.572 Schließlich war bei Dispositionen über die Substanz des Domänenvermögens zusätzlich zum agnatischen Konsens die Zustimmung der Landstände erforderlich.573 Daher bedurfte auch das im Jahr 1820 erlassene Haus565

I. Kapitel § 2 C.II. Bei Pölitz, Bd. I, S. 783 ff. 567 Sammlung der im Herzogthume Sachsen-Hildburghausen seit dem Jahre 1810 erschienenen landesherrlichen Edicte und Verordnungen II. Bd., S. 16. 568 § 6 der Verfassungsurkunde von Hildburghausen. 569 § 2 der Verfassungsurkunde von Hildburghausen. 570 § 2 lit. e) der Verfassungsurkunde von Hildburghausen. 571 § 2 lit. c) der Verfassungsurkunde von Hildburghausen. 572 Rescript des Herzogs Friedrich vom 27. November 1817, bei Pölitz, Bd. I, S. 782. 566

§ 3 Das Herzogtum Sachsen-Meiningen

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und Grundgesetz über die Staatsgüter und Staatsschulden574 der Zustimmung der Stände. Um agnatischen Konsens wurde offenbar nicht nachgesucht, Protest wurde aber auch nicht erhoben.575 Dieses Gesetz stellte die Staatsguteigenschaft aller Bestandteile des Landes, insbesondere der Domänengüter, Forsten, Gefälle und sonstigen nutzbaren Rechte fest.576 Davon betroffen waren sowohl die zum Familienfideikommiss des herzoglich sächsischen Gesamthauses gehörenden als auch die in späteren Zeiten erworbenen oder dem Staate angefallenen Güter.577 Hinzu kamen noch die mit Mitteln des Landes erworbenen Besitzungen.578 Der Domänenertrag sollte gleichwohl primär dem herzoglichen Haus und nur subsidiär der Landeskasse zugute kommen.579 Neben der Ertragsverteilung sollte auch die bestehende Kassentrennung erhalten bleiben. Die Verwaltung der Domänen oblag nach wie vor der Kammer,580 während die Steuereinkünfte von der Landschaft verwaltet wurden. Des Weiteren bestimmte das Gesetz ein umfassendes Veräußerungsverbot für die Domänen581 und fasste die Landes- und die Kammerschulden zu einer Staatsschuld zusammen.582 Über die Auslegung dieses Gesetzes ist im Zusammenhang mit der späteren meiningischen Domänenfrage gestritten worden. Die umfassende Definition des Staatsgutes lässt durchaus verschiedene Schlüsse zu. So kann man entweder von mittelbarem Staatsgut sprechen, was der Gebietshoheit des Staates gleichkäme,583 oder aber von unmittelbarem Staatseigentum, was eine tatsächliche Veränderung der Rechtslage bedeutet hätte.584 Für beide Auslegungsmöglichkeiten sprechen gute Argumente. Da sich die Rechtslage ohnedies mit Inkrafttreten des sachsen-meiningischen Grundgesetzes von 1829 wieder geändert hat, soll es mit diesem Hinweis sein Bewenden haben.

573

§ 2 lit. f) der Verfassungsurkunde von Hildburghausen. Sammlung der im Herzogthume Sachsen-Hildburghausen seit dem Jahre 1810 erschienenen landesherrlichen Edicte und Verordnungen II. Bd., S. 34 ff. 575 Heinze, S. 287. 576 Art. 1 Abs. 1 des Haus- und Grundgesetzes von 1820; vgl. zur Bedeutung des Gesetzes die Ausführungen von Heinze, S. 282. 577 Art. 1 Abs. 1 des Haus- und Grundgesetzes von 1820. 578 Art. 1 Abs. 2 des Haus- und Grundgesetzes von 1820. 579 Art. 1 Abs. 1 des Haus- und Grundgesetzes von 1820. 580 Art. 3 des Haus- und Grundgesetzes von 1820. 581 Artt. 4, 5 des Haus- und Grundgesetzes von 1820. 582 Art. 6 des Haus- und Grundgesetzes von 1820. 583 So Zachariae, Das rechtliche Verhältnis des fürstlichen Kammerguts, S. 81. 584 So Reyscher, S. 303 f. 574

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

2. Die Verfassungstradition Sachsen-Coburg-Saalfelds Im Herzogtum Coburg-Saalfeld bestand vom Jahr 1821 an eine Verfassung,585 die – trotz der persönlichen Einflussnahme Metternichs586 – eine deutliche Abkehr vom altständischen System signalisierte.587 Maßgebliche Vorbilder waren die Verfassungen Sachsen-Weimar-Eisenachs und Hessen-Darmstadts gewesen.588 Neben der Bezeichnung des Landesherrn als Staatsoberhaupt589 wurde auch die Frage der Thronfolge590 wenigstens ansatzweise in der Verfassung geregelt. Ein umfassender Grundrechtskatalog schloss sich an die einführenden Bestimmungen an.591 Ähnlich wie in Hildburghausen bestand der Landtag aus Vertretern verschiedener Stände,592 die dem ganzen Land verpflichtet waren.593 Ohne Zustimmung der Stände konnten keine neuen Gesetze gegeben werden.594 Darüber hinaus besaßen die Stände ein eigenes Initiativrecht für Gesetze.595 Für den Beschluss des Etats der Landeskasse sah die Verfassung die Gesetzesform vor596 und ging damit über das hessische Vorbild hinaus. Dieser Etat umfasste die Ausgaben der Landeskasse, welche aus Steuermitteln, Einkommen aus Regalien und allen aus der „Übung der landesherrlichen Gewalt entspringenden Gefällen, nicht minder dem gesamten Ertrag der Chaussee- und Wegegelder aller Art“ gedeckt wurden.597 Indem die Domänen der Besteuerung unterworfen wurden, trugen sie nur indirekt zum Staatsetat bei.598 Ihre Erträge sollten primär dem Regentenhaus zukommen.599 Anders als von Friauf angenommen,600 konnten die Stände folglich nicht über alle Einnahmen und Ausgaben des Staates befinden. 585

Bei Pölitz, Bd. I, S. 806 ff. Bohley, S. 131 f. 587 Allen als staatsrechtlich bezeichneten Neuerungen zum Trotz wollte man die altständische Tradition nicht vollständig verabschieden, Bohley, S. 119 f., 177. 588 Bohley, S. 95, 153. 589 § 3 der Verf.-Urk. von Coburg-Saalfeld; hieran zeigt sich besonders die Verbindung der altständischen Tradition mit dem konstitutionellen Vorbild in Art. 4 der Verf.-Urk. Hessen-Darmstadts, bei Pölitz, Bd. I, S. 677. 590 § 4 der Verfassungsurkunde von Coburg-Saalfeld. 591 §§ 5 bis 24 der Verfassungsurkunde von Coburg-Saalfeld. 592 § 35 der Verfassungsurkunde von Coburg-Saalfeld. 593 § 37 der Verfassungsurkunde von Coburg-Saalfeld. 594 § 65 der Verfassungsurkunde von Coburg-Saalfeld. 595 § 67 der Verfassungsurkunde von Coburg-Saalfeld. 596 § 68 Ziff. 2 der Verfassungsurkunde von Coburg-Saalfeld. 597 § 68 Ziff. 1, 2, 3 und § 70 der Verfassungsurkunde von Coburg-Saalfeld. 598 § 72 der Verfassungsurkunde von Coburg-Saalfeld; zur Entwicklung der Domänenfrage während der Verfassungsberatungen Bohley, S. 90, 110. 599 § 76 der Verfassungsurkunde von Coburg-Saalfeld. 600 Friauf, S. 44. 586

§ 3 Das Herzogtum Sachsen-Meiningen

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3. Vorarbeiten am gemeinschaftlichen Grundgesetz für Sachsen-Meiningen Diese vorgefundenen Traditionen versuchte der Geheime Rat und Professor Carl Ernst Schmid (1774–1852) aus Jena601 nach längerer Vorarbeit durch die Regierung und eine besonders eingesetzte Organisationskommission zusammenzuführen. Lediglich ein erster Vorentwurf hatte sich noch am alten Grundgesetz Sachsen-Meiningens orientiert,602 alle darauf folgenden Entwürfe lehnten sich im Aufbau an die Verfassungen Coburg-Saalfelds, Hessen-Darmstadts, Bayerns und Württembergs an. Die Stellung des Landesherrn als Staatsoberhaupt, die Frage der Grundrechte sowie die Zusammensetzung und Stellung der Stände änderten sich im Lauf der Beratungen wenig. Dagegen spielte das Haushaltsverfassungsrecht und das Eigentum an den Domänen eine wichtige Rolle.603 Nachdem in einer zu diesem Zweck bestellten außerordentlichen Versammlung – bestehend aus Vertretern der Stände aller Landesteile604 – der endgültige Entwurf vorgelegt wurde,605 konnten noch Änderungswünsche vorgetragen werden, welche zumeist jedoch keine Berücksichtigung fanden.606 Am 23. August 1829 publizierte Herzog Bernhard Erich Freund schließlich das Grundgesetz für die vereinigte landschaftliche Verfassung des Herzogtums Sachsen-Meiningen.607 4. Grundprinzipien und Aufbau des Grundgesetzes von 1829 Das neue Grundgesetz gliederte sich in acht Titel und 110 Artikel. Zunächst beschrieb es den Bestand des Herzogtums als ein „staatsrechtliches Ganzes“, von dem kein Teil unter Ausschluss der Staatserbfolge der bloßen Allodialerbfolge unterworfen werden sollte.608 Im Anschluss regelte das Gesetz ansatz601 602

Pölitz, Bd. I, S. 833. Entwurf vom 4. Sept. 1827, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XXIII, 2, Bl.

13 ff. 603 Dazu mehr im Rahmen der Behandlung der einzelnen Regelungen unter C.I.1.a) und D.I.2.b). 604 Ueber das im HSM erlassene Gesetz vom 23. Mai 1849, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV, E 7, Bl. 2. 605 So die Präambel des Grundgesetzes vom 23. August 1829, bei Pölitz, Bd. I, S. 833. 606 Erwiderung des Herzogs vom 26. Juli 1829, ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 34, Bl. 99–102 RS, auf die ständischen Erklärungsschriften vom Juni und Juli 1829, ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 84, Bl. 84–181; ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 34, Bl. 1–50. 607 Bei Pölitz, Bd. I, S. 833 ff. = Sammlung der landesherrlichen Verordnungen im HSM, No. 13, S. 139 ff.

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

weise die Stellung des Herzogs als „erblicher Landesherr oder Oberhaupt des Staates“ sowie Grundsätze der Staatserbfolge.609 Der II. Titel handelte von den Rechten und Pflichten der Untertanen und legte zugleich die Bedingungen für den Erwerb und Verlust des Untertanenrechts fest.610 Wie von der Deutschen Bundesakte611 vorgegeben, stand den Untertanen das Auswanderungsrecht zu.612 Ansonsten sollte die Zugehörigkeit zu den unterschiedlichen christlichen Konfessionen keine Auswirkung auf die staatsbürgerlichen Verhältnisse der Untertanen haben; eine wirkliche Religionsund Gewissensfreiheit war aber nicht vorgesehen.613 Dagegen wurden die Rechtsverhältnisse der einzelnen Stände besonders geschützt.614 Das Grundgesetz gewährleistete das Eigentumsrecht nur insofern, als es für jede Enteignung eine billige Entschädigung vorschrieb.615 Größeren Raum nahmen die Pflichten der Untertanen ein, zu denen die Steuerpflicht, die Wehrpflicht und die Eidespflicht auf den Regenten gehörten.616 Das vom Untertanenrecht zu unterscheidende Staatsbürgerrecht stand allen volljährigen, männlichen Untertanen zu.617 Die Volljährigkeit wurde auf 21 Jahre festgesetzt.618 Nur Staatsbürger durften wählen und zu Gericht sitzen.619 Von den Gemeinden und Amtsgemeinden620 handelte ebenso ein eigener Titel wie von den Kirchen621. Breiten Raum nahmen die Bestimmungen zum Kammer- und Staatsvermögen sowie zu den Staatsschulden ein.622 Nahezu die Hälfte der Verfassungsbestimmungen betraf die Wahl, die Zusammensetzung, die Befugnisse und die Organisation der Landstände.623 Nach wie vor sollten die Klassen der Rittergutsbesitzer, der Städte und der Bauern die „getreuen Stände des Herzogtums“ bilden.624 Die Wahl der 24 Mitglieder625 608

Artt. 1, 2 des Grundgesetzes von 1829. Artt. 3, 4 des Grundgesetzes von 1829. 610 Artt. 6, 7, 9 des Grundgesetzes von 1829. 611 Art. 18 der Deutschen Bundesakte, bei Pölitz, Bd. I, S. 15 f. 612 Art. 9 des Grundgesetzes von 1829. 613 Art. 12 des Grundgesetzes von 1829. 614 Art. 15 des Grundgesetzes von 1829. 615 Art. 16 des Grundgesetzes von 1829. 616 Artt. 10 lit. a), b) und 11 des Grundgesetzes von 1829. 617 Artt. 13, 14 des Grundgesetzes von 1829. 618 Art. 14 des Grundgesetzes von 1829. 619 Art. 13 des Grundgesetzes von 1829. 620 Titel III, Artt. 19–28 des Grundgesetzes von 1829. 621 Titel IV, Artt. 29–36 des Grundgesetzes von 1829. 622 Titel V, Artt. 37–48 des Grundgesetzes von 1829. Dazu die ausführliche Darstellung unter C.I.1. 623 Titel VI, unterteilt in vier Kapitel, Artt. 49–101 des Grundgesetzes von 1829. 624 Art. 50 des Grundgesetzes von 1829. 625 Art. 63 des Grundgesetzes von 1829. 609

§ 3 Das Herzogtum Sachsen-Meiningen

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umfassenden Ständeversammlung erfolgte zu einem Drittel durch die Rittergutsbesitzer direkt626 und zu zwei Dritteln indirekt durch die männlichen, einer christlichen Konfession angehörenden Staatsbürger, welche in den Städten und Landgemeinden Steuern zahlten.627 Die zu diesem Zweck bestellten Wahlmänner mussten überdies das dreißigste Lebensjahr erreicht haben.628 Die Wahl der Deputierten erfolgte mit absoluter Mehrheit auf sechs Jahre.629 Das passive Wahlalter lag bei 25 Jahren; ein Abgeordnetenkandidat musste mindestens 15 fl. direkte Steuer zahlen.630 Zu den Befugnissen der Landstände gehörte das Recht der Gesetzgebung bei Eingriffen in Freiheit und Eigentum631 und bei Verfassungsänderungen632. Das Grundgesetz gewährleistete das Steuerbewilligungsrecht uneingeschränkt.633 Zum Ausgabenbewilligungsrecht hielt es dagegen nur unklare Rechtsgrundlagen bereit.634 Ein vom Landtag gewählter Kassierer verwaltete die Steuergelder in der Landeskasse.635 Die Rechnungsprüfung erfolgte durch den Landtagsmarschall und die beiden stellvertretenden Vorsitzenden des Landtages.636 Der Landtag fasste seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit bei einer Mindestanwesenheit von 20 Abgeordneten637. Für den Fall, dass ein Stand sich durch einen Beschluss in seinen wohlerworbenen Rechten verletzt sah, konnte er beim Herzog beantragen, den Beschluss vorerst nicht zu sanktionieren.638 Dem Herzog stand es dann frei, den Beschluss zu akzeptieren oder den Landtag erneut mit der Sache zu befassen und anschließend über die Sanktion zu entscheiden.639 Außerdem durfte der Herzog den Landtag jederzeit einberufen,640 schließen641 oder auflösen642.

626

Artt. 64 Abs. 2, 67 des Grundgesetzes von 1829. Art. 68 des Grundgesetzes von 1829. 628 Art. 70 des Grundgesetzes von 1829. 629 Artt. 75, 77 des Grundgesetzes von 1829. 630 Art. 71 des Grundgesetzes von 1829. 631 Art. 85 des Grundgesetzes von 1829. 632 Art. 109 des Grundgesetzes von 1829. 633 Art. 81 lit. b) des Grundgesetzes von 1829. 634 Artt. 81 lit. a), 82 des Grundgesetzes von 1829. 635 Artt. 83, 61, 47 Abs. 2 des Grundgesetzes von 1829. 636 Art. 55 Abs. 4 lit. a) Unterabsatz 2) des Grundgesetzes von 1829. 637 Artt. 95 Abs. 3 und 91 des Grundgesetzes von 1829. 638 Art. 96 Abs. 1 des Grundgesetzes von1829. 639 Art. 96 Abs. 2 des Grundgesetzes von 1829. 640 Artt. 89, 51 des Grundgesetzes von 1829; ohne Einberufung konnte der Landtag sich nicht versammeln. Zuwiderhandlungen konnten strafrechtlich verfolgt werden. 641 Art. 101 des Grundgesetzes von 1829. 642 Art. 52 des Grundgesetzes von 1829. 627

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

Regierungshandlungen konnten nur mit Gegenzeichnung des dadurch die Verantwortung übernehmenden Ministers vorgenommen werden.643 Die Gerichtsbarkeit ging vom „Staat und dem Landesherrn“ aus.644 Die Verfassung orientierte sich damit vom Aufbau her an den süddeutschen Vorbildern. Materiell blieb sie dem altständischen Denken verhaftet, was sich sowohl an der Stellung des Landesherrn und seiner Familie als auch an der Organisation des Landtages und der Regelung der Finanzverfassung zeigte. Nur im Ansatz kann eine Ausrichtung am Allgemeininteresse und damit eine Überwindung des ständischen Dualismus im Sinne Albrechts konstatiert werden.645

B. Die Stellung des Herzogs im Staat und sein Verhältnis zum Staat Auch wenn das Grundgesetz von 1829 Ansätze einer Einordnung des Herzogs in die Staatsorganisation zeigt, wird die Stellung des Herzogs nur unvollkommen konkretisiert. Ähnlich wie in Sachsen-Weimar-Eisenach liegt der Schwerpunkt der verfassungsrechtlichen Regelungen auf der Begrenzung ständischer Kompetenzen.646 Die landesherrliche Familie spielt im Verfassungstext kaum eine Rolle. Sie findet lediglich im Rahmen der Thronfolgeregelung647 und der Behandlung des Domäneneigentums648 Erwähnung. Weitergehende Regelungen treffen die verschiedenen Hausgesetze. I. Die verfassungsrechtlichen Regelungen und deren Entstehung Im Mittelpunkt der verfassungsrechtlichen Bestimmungen über den Herzog steht Artikel 3 des Grundgesetzes von 1829 mit seiner merkwürdig gewundenen Formulierung, der Herzog sei „erblicher Landesherr oder Oberhaupt des Staates“. In seiner Hand sollten sich „alle Zweige der obersten Staatsgewalt“ vereinigen. Diese unklare Umschreibung lässt sich auf die unterschiedlichen Traditionen des vereinigten Herzogtums zurückführen. Das meiningische Grundgesetz von 1824 hatte noch vom Regenten,649 Landesherrn650 oder Landesfürsten651 gesprochen. Ähnlich war die Verfassungsurkunde von Sachsen643 644 645 646 647 648 649 650 651

Artt. 102, 103 des Grundgesetzes von 1829. Art. 105 des Grundgesetzes von 1829. Vgl. I. Kapitel § 2 C.II.3. Goeckel, S. 12. Artt. 3 bis 5 des Grundgesetzes von 1829. Art. 38 des Grundgesetzes von 1829. § 7 des Grundgesetzes von 1824. § 13 des Grundgesetzes von 1824. § 88 des Grundgesetzes von 1824.

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Hildburghausen formuliert.652 Die Verfassungsurkunde von Coburg-Saalfeld sprach vom Herzog, der „als Landesherr“ Oberhaupt des Staates sein sollte.653 Davon ausgehend hätte man vermuten können, einen entsprechenden Passus auch in den ersten Entwürfen zur gemeinschaftlichen Verfassung zu finden, dies trifft aber nicht zu. Vielmehr bezeichneten nahezu alle Vorentwürfe den Herzog als das „Oberhaupt des Staates“.654 Lediglich einem Entwurf zufolge vereinigte der Herzog „als Oberhaupt des Staats alle Rechte der Staatsgewalt in sich“.655 Im Entwurf, der den Landständen schließlich zugeleitet wurde, war die Stellung des Herzogs als „erblicher Landesherr und Oberhaupt des Staates“ beschrieben.656 Diese kumulative Formulierung wäre vor dem Hintergrund der altständischen Traditionen noch nachvollziehbar gewesen, im verabschiedeten Gesetzestext taucht jedoch unvermittelt die alternative Fassung „Landesherr oder Oberhaupt des Staates“ auf. Ob es sich dabei um ein Redaktionsversehen oder um eine bewusste Nichtfestlegung handelte, konnte anhand der Quellen nicht geklärt werden; beides erscheint möglich. Im Schrifttum finden sich dazu keine Ausführungen.657 Dennoch erlaubt die Systematik des ersten Titels eine Präzisierung der Stellung des Herzogs. Das Grundgesetz bezeichnete das Herzogtum als „ein staatsrechtliches Ganzes“658 und setzte damit eine Trennung von privatem Recht und Staatsrecht voraus659. Dies macht die staatsrechtliche Qualität des Grundgesetzes trotz aller Ungereimtheiten deutlich. Das Herzogtum wurde als etwas Eigenständiges neben dem Landesherrn anerkannt. Allerdings schloss die Verfassung zugleich eine Trennung von privatfürstlichem Erbrecht und der Staatserbfolge aus.660 Wortlaut und Systematik des I. Titels sowie die bereits zitierte Bestimmung zur Gerichtsbarkeit lassen daher auf eine Verkörperung des Staates durch den Herzog als Staatsoberhaupt schließen, der als Landesherr Träger der Landeshoheit blieb.661 II. Die Regelungen der Hausgesetze und deren Entstehung Das lange Zeit für die meiningische Seitenlinie, oder anders gesprochen, das meiningische Spezialhaus maßgebliche Hausgesetz war die Primogeniturord652

§ 36 und § 56 der Sachsen-Hildburghäuser Verfassungsurkunde von 1818. § 3 der Coburg-Saalfelder Verfassungsurkunde von 1821. 654 Entwurf vom 28. November 1827, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XXVII 2, Bl. 59 RS; weiter Bl. 223. 655 Entwurf vom 4. Dezember 1827, ThStA Meiningen, GA Meiningen XXVII 2, Bl. 96 RS. 656 ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 1. 657 Kircher, S. 32 f.; Goeckel, S. 11 f. 658 Artikel 1 des Grundgesetzes von 1829. 659 Artikel 2 des Grundgesetzes von 1829. 660 Artikel 2 des Grundgesetzes von 1829. 661 In Anlehnung an Zoepfl, Bd. I, § 57, S. 106 f. 653

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nung des Herzogs Georg (1761–1803) aus dem Jahr 1802. Sie bestimmte, dass nach dem Ableben des regierenden Herzogs der Erstgeborene alleiniger „Erbund Landes Successor“ sein sollte und in alles von der Hausverfassung Vorgesehene eintreten sollte.662 Hierzu gehörten die Regierungsrechte, Land und Leute nebst den zugehörigen „Vasallen, Unterthanen, Güthern, Pretiosen, Schuldforderungen, Prätensionen, Inventarien, Vorräthen, Archiven, Kunst-Rissen und Schilderey-Cammern, Münz Cabinetten und Insgemein mit allen Mobilien und Immobilien“.663 Für alle Fälle der Gebietsvergrößerung sollte der regierende Herzog „die anfallenden Lande selbst mit allen übrigen Einkünften, Landes Hoheit und Gerechtsamen“ erhalten, womit anfallende Ländereien ebenfalls der Primogenitur unterworfen wurden.664 Im Gegensatz zur Erbfolgeregelung in Sachsen-Weimar sah diese Primogeniturordnung keine Trennung der Thronfolge von der privaten Erbfolge vor. Die wegen der agnatischen Primogenitur bei der Erbfolge übergangenen Angehörigen des Hauses wurden durch Apanagen entschädigt, welche aus der Kammerkasse „des regierenden Herrn“ zu zahlen waren.665 Die Primogeniturordnung verdankt ihre Entstehung der gemeinschaftlichen Regierung der Herzöge Carl (1754–1782) und Georg. Als der ältere Herzog Carl im Jahr 1782 ohne Nachkommen starb, wurde Herzog Georg alleiniger Regent des Landes und zugleich alleiniger Stammherr des Spezialhauses. Damit erlangte er die freie Dispositionsbefugnis über seine Besitztümer. Er musste nur die agnatischen Rechte der Mitglieder der anderen Seitenlinien und des gesamten sächsischen Hauses beachten. Durch die Anordnung der Linealsukzession mit Erstgeburtsrecht allein für seine Erben blieben diese Rechte unberührt.666 Im Hinblick auf Meiningen vereinte Herzog Georg damit die dem öffentlichen Recht angehörenden legislativen Befugnisse eines noch nicht souveränen Landesherrn und die privatrechtlichen Zuständigkeiten eines Vaters über seinen damals gerade zweijährigen Sohn in sich.667 Die Primogeniturordnung begründete die Stellung des jeweiligen Herzogs als Familienoberhaupt, was ein Edikt aus dem Jahre 1829 ausdrücklich bestätigte.668 Der Herzog konnte damit allein über die Belange seines Hauses befinden, wenn auch unter

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Primogeniturordnung vom 12. März 1802, bei Schulze, Bd. 3, S. 246 ff., 247. Primogeniturordnung vom 12. März 1802, bei Schulze, Bd. 3, S. 248. 664 Primogeniturordnung vom 12. März 1802, bei Schulze, Bd. 3, S. 252. 665 Primogeniturordnung vom 12. März 1802, bei Schulze, Bd. 3, S. 249 f. 666 H. A. Zachariae, Über die Primogenitur-Constitution des Herzogs Georg von Sachsen-Meiningen vom 12. März 1802, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 263, Bl. 36. 667 H. A. Zachariae, Über die Primogenitur-Constitution des Herzogs Georg von Sachsen-Meiningen vom 12. März 1802, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 263, Bl. 36. Zur Zulässigkeit dieses Vorgehens, Beseler, I. Abt., § 16, S. 46. 668 Art. 6 des Edikts vom 21. Januar 1829 (Nr. 2), Landesherrliche Verordnungen des HSM, I. Abt., S. 2 ff., 3. 663

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dem nach Sächsischem Recht669 geltenden Vorbehalt der agnatischen Zustimmung.670 Von dieser Erbfolgeregelung im meiningischen Spezialhaus ist die Rechtslage innerhalb des sächsischen Gesamthauses zu unterscheiden. Für den Fall des Aussterbens der meiningischen Seitenlinie wäre die Erbfolge zunächst auf die anderen Linien des gothaischen Gesamthauses übergegangen, was gegebenenfalls eine Teilung des Landes zur Folge gehabt hätte. Beim Aussterben auch dieser Linien sollte das großherzoglich weimarische Haus eintreten. Zuletzt wäre Meiningen dem königlich sächsischen Haus angefallen.671 Da die Primogenitur der Sicherung des Besitzstandes diente, erfolgte aus dem Gesamthaus kein Widerspruch gegen ihre Einführung.672 III. Das Verhältnis der Hausgesetze zum Staatsrecht Die vorgenannten Bestimmungen lassen noch keinen Schluss über das Verhältnis von Hausgesetzen und Staatsrecht zu. Lediglich Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes von 1829 nimmt auf die Primogeniturordnung Bezug. Danach bedurfte die Änderung der Thronfolge der Zustimmung des Landtages.673 Ob daneben ein agnatischer Konsens erforderlich war, was auf einen Gleichrang von Staatsrecht und Hausrecht hindeuten würde, lässt sich weder aus der Entstehungsgeschichte der Primogeniturordnung noch aus der Verfassung direkt folgern. Das Grundgesetz von 1829 forderte nur für den Fall einer Schmälerung der Substanz des Kammervermögens neben der Zustimmung der Stände den agnatischen Konsens.674 Der Landtag verlangte aber auch in anderen Fällen – etwa beim Erlass des Hausgesetzes von 1896 – die Einholung des agnatischen Konsenses. Damit gingen die Stände wohl von einer Gleichordnung von Hausrecht und Staatsrecht aus, die Regierung verhielt sich aber widersprüchlich.

669 Vgl. die im Sachsenspiegel, LandR I, § 52 S. 1 wiedergegebene Rechtsregel. Diese fand bis zum Inkrafttreten des BGB in den thüringischen Staaten Anwendung. 670 H. A. Zachariae, Über die Primogenitur-Constitution des Herzogs Georg von Sachsen-Meiningen vom 12. März 1802, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 263, Bl. 36; so auch das Regierungsgutachten vom Februar 1854, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV E 7, S. 16. 671 Kircher, S. 34 f. 672 H. A. Zachariae, Über die Primogenitur-Constitution des Herzogs Georg von Sachsen-Meiningen vom 12. März 1802, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 263, Bl. 36. 673 Goeckel, S. 25; anderer Ansicht war Arndt, S. 33, der den Verweis des Grundgesetzes auf die Primogeniturordnung zwar nicht leugnet, gleichwohl aber meint, aus den Befugnissen des Landtages bei Verfassungsänderungen keine Schlussfolgerung über die Frage einer Änderung der Thronfolge treffen zu können. 674 Art. 45 des Grundgesetzes von 1829.

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IV. Die Handhabung dieses Verhältnisses in der Praxis Im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Hausgesetzes im Jahre 1896 kam es zu einer Diskussion über das Verhältnis von Hausrecht und Staatsrecht. Da das einzige Kind des Erbprinzen Bernhard (1851–1928) eine Prinzessin war und der nächste Prätendent in nichtstandesgemäßer Ehe lebte, musste 1896 die Thronfolgeordnung geändert werden.675 Auf Bernhard sollte dessen nicht standesgemäß verheirateter Bruder und auf diesen für den Fall der Kinderlosigkeit der jüngere Bruder Friedrich676 (1861–1914) folgen. Die reichsweit heftig geführte Diskussion um die lippische Thronfolge mag den Zeitpunkt für den Erlass des meiningischen Gesetzes beeinflusst haben. 1. Die Haltung der Regierung in der lippischen Thronfolgefrage Im Fürstentum Lippe ging es zunächst um die Frage, welche Linie des Gesamthauses erbfolgeberechtigt sei. Diese Frage entschied ein vom Bundesrat nach Artikel 76 Abs. 1 der Reichsverfassung von 1871 eingesetztes Schiedsgericht.677 Der so Regent gewordene Graf Ernst (1842–1904) hatte keine standesgemäßen Nachkommen. Deren Thronfolge zu ermöglichen war Ziel der lippischen Landesgesetzgebung. Damit war die andere – mit Kaiser Wilhelm II. (1859–1941) verschwägerte – Seitenlinie nicht einverstanden und rief ihrerseits den Bundesrat an.678 Der ließ sich gegen die Stimmen Sachsen-Meiningens auf die Sache ein679 und überwies die Rechtsfrage erneut einem Schiedsgericht. Mit dem Austrägalurteil wurde den Nachfahren des Grafen Ernst das Sukzessionsrecht in Lippe zugestanden680 und implizit auch anerkannt, dass Fragen der Thronfolge und der Hausgesetzgebung im Allgemeinen auch ohne agnatischen Konsens geregelt werden konnten. Dass sich Sachsen-Meiningen im Bundesrat so verhielt, war keineswegs Zufall; es hing eng mit der eigenen Hausverfassung zusammen.681 675 676

Patze/Schlesinger, S. 224. Dieser war bemerkenswerterweise mit der Gräfin zu Lippe-Biesterfeld verheira-

tet. 677 Bundesraths-Drucks. 1897, Nr. 97. Zur Frage der Anwendbarkeit des Art. 76 Abs. 1 BRV auf Thronfolgestreitigkeiten siehe Laband, S. 48. 678 Huber, Bd. 4, S. 435 f. 679 Verhandlungen des Bundesrates 1898, § 16. Die Regierung Sachsen-Meiningens hielt darüber hinaus die Landesgesetzgebung für befugt, „Regentschaft und Thronfolge ohne Zustimmung der Agnaten rechtsverbindlich zu regeln“. 680 Huber, Bd. 4, S. 436. 681 Im Übrigen nahm man wechselseitig Bezug aufeinander. So hatte der Detmolder Minister von Oertzen offenbar im lippischen Landtag den Protest der Agnaten des sächsischen Gesamthauses bereits angekündigt, bevor er veröffentlicht war. Hiervon wiederum berichtet der Erbprinz von Meiningen in einem Schreiben an die meiningische Regierung, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 12, Bl. 156.

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2. Die Haltung der Regierung bei der Verabschiedung des Hausgesetzes von 1896 Obgleich der Herzog auf Bitten des Landtags682 bereit war, die Zustimmung der nächsten Agnaten einzuholen,683 legte er auf den Beitritt des Gesamthauses überhaupt keinen Wert.684 Sachsen-Meiningen sei im Gegensatz zu den Zeiten des Alten Reichs nun ein souveräner Staat und demnach befugt, „Normen zu schaffen, dass die aus dieser Ehe entstammenden Prinzen erbfolgeberechtigt im Herzogtum Sachsen-Meiningen“ seien.685 Dementsprechend erklärten sich die Prinzen von Meiningen mit dem neuen Hausgesetz einverstanden.686 Die Regierungen Sachsen-Weimars, Sachsen-Coburg-Gothas und Sachsen-Altenburgs wollten dem Gesetz, sofern es sich nicht auf die inneren Verhältnisse SachsenMeiningens beschränkte, keine rechtliche Wirksamkeit beimessen und verwiesen – ohne weitere Folgen – auf die lippische Thronfolgefrage und deren Behandlung durch den Bundesrat.687 3. Schlussfolgerung Der Vorgang zeigt zum einen, dass der Landtag spätestens seit den Domänenstreitigkeiten stets selbst den agnatischen Konsens im Spezialhaus einforderte. Zum anderen wird die uneinheitliche Linie der Regierung deutlich. Noch in der hannoverschen Verfassungsfrage hatte Sachsen-Meiningen eine abwartende Haltung eingenommen und wollte die Anträge der Stadt Osnabrück jedenfalls nicht aus formalen Gründen abgewiesen sehen.688 Auch in der Hauptabstimmung schloss sich Meiningen der Minderheit an, welche eine weitere Behandlung der Sache begrüßt hätte.689 Hinderten agnatische Rechte die Regierung dagegen bei einer internen Frage, wie bei der Hausgesetzgebung, ging sie ohne weiteres darüber hinweg. Der Regierung deswegen Beliebigkeit zu unterstellen, griffe zu kurz. Vielmehr handelt es sich allgemein um ein Problem der Durchsetzbarkeit rechtlicher Regelungen. Die Thronfolgefrage betraf zunächst die Angehörigen 682 Hierüber berichtet der Erbprinz Bernhard in einem Schreiben an den Herzog vom 24. Februar 1896, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 12, Bl. 102. 683 Verhandlungen des HSM Landtages 1896, Abth. 2, S. 213. 684 So wiederum der Bericht des Erbprinzen Bernhard in einem späteren Schreiben an den Staatsminister, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 12, Bl. 172. 685 Staatsminister von Heim, Verhandlungen des HSM Landtages 1896, Abth. 1, S. 161. 686 ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 12, Bl. 157 RS. 687 ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 12, Bl. 168–170. 688 ThStA Meiningen, GA Meiningen, XI E 25 Vol. II, Bl. 16 ff. So auch die Mehrheit der großherzoglich und herzoglich sächsischen Häuser, Verhandlungen der Bundesversammlung 1838, § 265, S. 814. 689 Verhandlungen der Bundesversammlung 1839, § 69, S. 178.

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des Spezialhauses. Mit ihnen hätte das Herzogtum auf lange Zeit regiert werden können. Gerade deshalb bestand in Meiningen ein besonderes Interesse daran, die Thronfolge im Spezialhaus zu belassen. Bedenken des Gesamthauses mussten demgegenüber zurückstehen. Bei der Domänenfrage konnten sich die Erbberechtigten auf eine verfassungsrechtlich abgesicherte Rechtsposition stützen, sodass die Regierung hier kaum Spielraum hatte. Die widersprüchliche Praxis der Regierung vermag damit eine Gleich- oder gar Überordnung des Rechts des Gesamthauses gegenüber dem Recht SachsenMeiningens nicht zu bestätigen. Ausweislich der übereinstimmenden Behandlung des Konsenserfordernisses durch Regierung und Stände kann dies freilich nicht für die Verhältnisse innerhalb des Herzogtums Sachsen-Meiningen gelten. Hier waren Staats- und Hausrecht gleichrangig, der Herzog hatte sich noch nicht von seinen privatfürstenrechtlichen Bindungen gelöst. Damit waren wichtige Grundsätze Albrechts (Ablösung des Staats- vom Privatrecht und Staatsorganisation) auch in Sachsen-Meiningen noch nicht in vollem Maße verwirklicht, was bei der Domänenfrage weitere Probleme aufwerfen sollte.

C. Das Eigentum an den Domänen I. Die gesetzlichen Regelungen Bei der Behandlung des Domäneneigentums bestätigte sich das Festhalten an den überkommenen patrimonialen Strukturen. Das Eigentum an den Domänen war in den altmeiningischen Landen herkömmlich als Eigentum des Herzogs und seiner Familie verstanden worden.690 Ähnlich wie in Sachsen-WeimarEisenach konnte hier allenfalls den vormaligen Kirchengütern so etwas wie Staatsgutqualität zugesprochen werden.691 Für die aus Coburg-Saalfeld hinzugekommenen Domänen galt nichts anderes. Streit entstand aber wegen der vormaligen Domänen aus Sachsen-Hildburghausen. Diese konnten nicht nur wegen des Gesetzes von 1820, sondern auch aufgrund der Designation ihres Ertrages für Staatsgüter gehalten werden.692 1. Die Grundgesetze von 1824 und 1829 Das Grundgesetz von 1824 traf keine Bestimmung über das Eigentum an den Domänen. Es übertrug den Ständen lediglich das Recht, über die Erhaltung der Substanz des Kammervermögens zu wachen.693 Die Gebietsveränderungen des 690

Vahlkampf, S. 15 f. Diese Annahme verneinend, Vahlkampf, S. 30 f. 692 So Heinze, S. 281–288; a. A. etwa Zachariae, Das rechtliche Verhältnis des fürstlichen Kammerguts, S. 77–84. 691

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Jahres 1826 machten schließlich eine Regelung für das gesamte Land erforderlich, in die die verschiedenen Traditionen der Landesteile einflossen. In einem eigenen Titel des Grundgesetzes von 1829 wurden das Staatsvermögen, das Kammergut und das Schatullgut voneinander abgegrenzt. Das Staatsvermögen umfasste vor allem die Steuereinnahmen sowie die der Landeskasse überwiesenen Einkünfte aus Regalien, die Chaussee- und Wegegelder sowie Leistungen zum Nutzen des Militärs.694 Zum Domänenvermögen, welches als Eigentum des herzoglichen Spezialhauses betrachtet wurde, zählten sämtliche herzoglichen Schlösser samt Inventar, die Kammergüter nebst Gebäuden, Waldungen, liegenden Gründen, grundherrlichen Zehnten, Erbzinsen und sonstigen aus der Grundherrschaft fließenden Renten und Gerechtsame.695 Es war vorgesehen, ein Verzeichnis über den genauen Umfang des Domänenvermögens und des Staatsgutes anzufertigen, welches integraler Bestandteil des Grundgesetzes sein sollte.696 Eine Minderung der Substanz des Kammervermögens durfte nur nach Erteilung des agnatischen Konsenses und nach ständischer Zustimmung erfolgen. Von diesen Zustimmungserfordernissen konnte nur in engen Grenzen abgewichen werden, etwa, wenn ein eventueller Veräußerungsgewinn zur Schuldentilgung eingesetzt wurde.697 Die Verwaltung des Domänenvermögens oblag der Kammer, welche als landesherrliche Behörde unter der Aufsicht des Ministeriums stand.698 Das Schatullgut wurde als Vermögen beschrieben, das der „regierende Herzog aus der Landes- und Kammerkasse für seine Person bezieht und daraus erübrigt, aus den Ersparnissen der Kammerkasse dazu ausdrücklich bestimmte oder sonst durch Erbschaft oder andere Weise erwarb“.699 a) Die Entstehungsgeschichte der verfassungsrechtlichen Regelungen Zum Zeitpunkt der Bildung des gemeinschaftlichen Herzogtums im Jahr 1826 war es noch keineswegs ausgemacht, dass das Domänenvermögen Eigentum des Spezialhauses bleiben würde. Die ersten Überlegungen für ein neues Grundgesetz wiesen in eine andere Richtung. Zumindest Teile des dinglichen Kammervermögens sollten entschädigungslos der Staatsverwaltung unterstellt werden.700 Spätere Entwürfe gingen nicht mehr so weit, sahen teilweise aber immerhin eine verwaltungstechnische Kassenvereinigung vor.701 Je länger der Beratungs693 694 695 696 697 698 699 700

§ 14 des Grundgesetzes von 1824. Artt. 37, 38 Abs. 2 des Grundgesetzes von 1829. Artt. 38 Abs. 1, 41 des Grundgesetzes von 1829. Artt. 38 Abs. 3, 40 des Grundgesetzes von 1829. Art. 45 des Grundgesetzes von 1829. Art. 48 des Grundgesetzes von 1829. Art. 39 des Grundgesetzes von 1829. ThStA Meiningen, GA Meiningen, XXIII 2, Bl. 13.

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

prozess dauerte, desto weniger schien man an einer Veränderung der Verhältnisse interessiert. Ende des Jahres 1827 wurde bereits über die Festschreibung des herzoglichen Familieneigentums am Domänenvermögen diskutiert.702 Bei der abschließenden Erörterung mit den Ständevertretern, die dem Eigentum des herzoglichen Hauses ablehnend gegenüberstanden, wies die Regierungsseite nachdrücklich auf den Zusammenhang zwischen der Ertragshoheit und dem Eigentum an den Domänen hin. Wären die Domänenerträge der Staatskasse überwiesen worden, hätte die Gefahr eines schleichenden Eigentumsübergangs bestanden.703 Dem sollte, sehr zum Ärger der Hildburghäuser Deputierten, entgegengewirkt werden. Diese bezichtigten das Spezialhaus, sich Eigentum zu nehmen, das ihm nicht gehöre.704 Dementsprechend forderte die beratende Ständeversammlung den Herzog auf, wenigstens einer genauen Aufstellung der als Staatsgut zu betrachtenden Güter zuzustimmen, sowie die vormalige Regelung in Hildburghausen zu berücksichtigen.705 Der Herzog ging auf diese Kritik nur ansatzweise ein und verwies auf die schwierige Vereinbarkeit der verschiedenen Verfassungstraditionen. Allerdings habe er nicht beabsichtigt, sich und seinem Haus „irgend ein neues, bisher in der Staatsverfassung nicht schon von den ältesten Zeiten gegründetes Recht beizulegen“.706 Die Berechtigung an den Domänen bestehe vielmehr, und er brauche sie nicht nachzuweisen.707 Mit der Überweisung der Regalien und sonstiger mit der Landeshoheit verbundenen Erträge sei der neuen Entwicklung schon Genüge getan worden.708 b) Das Finanzgesetz von 1831 und seine Entstehung Dass die ersten ordentlich zusammenberufenen Stände damit nicht zufrieden waren, zeigte sich schon bald. Auf der Eröffnungssitzung des Landtages weigerten sich die Abgeordneten, bedingungslos auf das neue Grundgesetz zu schwören. Sie leisteten ihren Eid nur mit „Rücksicht darauf, wie sie [die Verfassung] in der Folge der bey dem bevorstehenden Landtag zu treffenden Abänderungen sich gestalten werde“.709 Sie brachten daher Ende des Jahres 1830 eine Motion auf Änderung des Grundgesetzes ein. Dabei vermieden sie es, eine Regelung 701 ThStA Meiningen, GA Meiningen, XXIII 2, Bl. 78 RS, Bl. 95 RS, Bl. 160, Bl. 233. 702 ThStA Meiningen, GA Meiningen, XXIII 2, Bl. 128. 703 ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 84, Bl. 175 RS. 704 ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 84, Bl. 180. 705 ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 34, Bl. 31 RS, Bl. 33. 706 ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 34, Bl. 99 RS. 707 ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 34, Bl. 101. 708 ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 34, Bl. 101. 709 Historischer Auszug aus den Verhandlungen des vom 31.X.1830 bis zum 16.IV. 1831 versammelt gewesenen Landtags HSM, S. 6.

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der Eigentumsfrage zu fordern, und stellten die Verwendung der Domänenerträge in den Vordergrund.710 Auf diesen Entwurf reagierte der Herzog im Februar 1831 mit einem eigenen Gesetzesvorschlag. Bei dessen Vorlage betonte er, dass die Domänen nach meiningischer Geschichte und Staatspraxis nur als Familieneigentum bestehen könnten.711 Daher beschränkte sich der herzogliche Entwurf auf die Einführung einer einheitlichen Verwaltung des Steuer- und Domänenvermögens.712 Somit waren die beiden Standpunkte klar: Die Stände strebten eine Ausdehnung der eigenen Befugnisse an und pochten darauf, dass eine Klärung der Eigentumsfrage noch nicht erfolgt sei. Der Herzog dagegen wollte den Status quo beibehalten und war zunächst lediglich zu einer Änderung der Finanzverwaltung bereit. Am Ende einigten sich beide Seiten auf einen Kompromiss. Sie verzichteten auf eine Verfassungsänderung,713 stellten aber durch das alle älteren Gesetze erläuternde, modifizierende oder aufhebende714 Gesetz über das Finanzwesen klar, dass das Grundgesetz die Eigenschaft der Domänen nicht verändert habe.715 Das Domänen- und das Staatsvermögen wurden unter die Verwaltung einer Behörde gestellt. Einzige Staatskasse sollte die unter der Aufsicht des Finanzsenats stehende Hauptkasse sein, welche aber buchungstechnisch Domänen- und Steuervermögen getrennt verwaltete.716 2. Das Gesetz des Jahres 1846 und seine Entstehungsgeschichte Anfang der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts zeigte sich Herzog Bernhard Erich Freund zusehends unzufrieden mit der 1831 vereinbarten Regelung. Grund war die ihm unzureichend erscheinende finanzielle Ausstattung des herzoglichen Hauses.717 Daher setzte er die Aufhebung wesentlicher Bestimmungen des Finanzgesetzes von 1831, die Wiederherstellung des ursprünglichen 710 Historischer Auszug aus den Verhandlungen des vom 31.X.1830 bis zum 16.IV. 1831 versammelt gewesenen Landtags HSM, S. 6. 711 Historischer Auszug aus den Verhandlungen des vom 31.X.1830 bis zum 16.IV. 1831 versammelt gewesenen Landtags HSM, S. 38; dies hatte sich die Regierung zuvor durch ein Rechtsgutachten des Verfassungsschöpfers Prof. Carl Ernst Schmid aus Jena bestätigen lassen, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV E 1, Bl. 32. 712 Historischer Auszug aus den Verhandlungen des vom 31.X.1830 bis zum 16.IV.1831 versammelt gewesenen Landtags HSM, S. 39 f. 713 Luther, S. 5, irrt mit seiner Annahme, das Finanzgesetz habe die Artt. 38 und 39 aufgehoben. Die von den Ständen gewünschte Revision dieser Artikel ist ausdrücklich nicht erfolgt. 714 Art. 11 des Gesetzes über das Finanzwesen vom 27.IV.1831, Sammlung der landesherrlichen Verordnungen im HSM 1831, S. 9. 715 Art. 1 des Gesetzes über das Finanzwesen vom 27.IV.1831, a. a. O., S. 7; Böttiger, S. 8, weist darauf hin, die Mehrzahl der Juristen und das Publikum hätten fortan die Domänen in Sachsen-Meiningen für Staatsgut erachtet. 716 Artt. 4, 5 des Gesetzes über das Finanzwesen, a. a. O., S. 8. 717 Verhandlungen des HSM Landtages 1844, Abt. 2, S. 315.

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Verfassungszustandes und die Begrenzung des Beitrags der Domänen zu den Staatslasten durch.718 Eine weitere Präzisierung des eigentumsrechtlichen Zustandes der Domänen erfolgte dabei nicht.719 Den Ständen versprach der Herzog erneut, alsbald eine Aufstellung der Substanz des Domänenvermögens vorzulegen.720 Als ersten Schritt hierzu übersandte er den Ständen ein knappes Verzeichnis von Domänengebäuden, die der Landesverwaltung bis auf Widerruf zu Gebrauch und Nutzung überlassen werden sollten.721 3. Die Wiederherstellung des Finanzgesetzes von 1831 Es sollte nicht lange dauern, bis sich der Widerstand der Landstände gegen die für sie nachteilige Regelung regte. Am 16. Mai 1847, also eineinhalb Monate nachdem in Weimar die Frage nach der Eigenschaft des Domänenvermögens aufgeworfen worden war, beantragte der Abgeordnete Jacob, das Staatsvermögen vom Privatvermögen des Spezialhauses zu trennen und den Ertrag des Staatsvermögens dem Staatshaushalt zuzuführen.722 Hintergrund war erneut die Annahme, dass in Meiningen neben dem fürstlichen Privatgut seit langer Zeit auch originäres Staatsgut bestanden hätte.723 Außerdem zweifelte der Abgeordnete die Rechtmäßigkeit des im Vorjahr beschlossenen Gesetzes an. Es sei mit der denkbar knappen Mehrheit von elf zu neun Stimmen beschlossen worden und damit nicht mit der Mehrheit der Mitglieder des Landtages.724 Indes irrte Jacob hier. Das Grundgesetz sah keine qualifizierte Mehrheit und schon gar keine Einstimmigkeit für seine Änderung vor; für jedes Gesetz genügte die einfache Mehrheit.725 Der Gesetzgebungs- und Verfassungsausschuss lehnte ein Eingehen auf Jacobs Antrag ab. Allerdings drängte er auf die alsbaldige Erstellung des Verzeichnisses über den Bestand des Domänen- und des Staatsvermögens.726 Auch im Staatsministerium beschäftigte man sich mit der Frage des Domäneneigentums. Allerdings geschah dies nicht im Sinne des Abgeordneten 718 Art. 1 des Gesetzes mehrere Änderungen des Gesetzes über das Finanzwesen vom 27. April 1831 betreffend vom 26. März 1846, Sammlung der landesherrlichen Verordnungen im HSM 1846, S. 147. 719 Böttiger, S. 8; allerdings erfolgte auch keine Rücknahme der offenen Formulierung von 1831, vgl. Ueber das im Herzogthume Sachsen Meiningen erlassene Gesetz vom 23. Mai 1849, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV E 7, Bl. 7. 720 Art. 2 Abs. 2 dieses Gesetzes, a. a. O., S. 147. 721 Reskript vom 26. März 1846 mit Anlage, Verhandlungen des HSM Landtages 1846, Abt. 2, S. 642 ff. 722 Verhandlungen des HSM Landtages 1847, Abt. 2, S. 292 ff. 723 Verhandlungen des HSM Landtages 1847, Abt. 2, S. 293. 724 Verhandlungen des HSM Landtages 1847, Abt. 2, S. 293 f. 725 Art. 95 Abs. 3 des Grundgesetzes von 1829; davon ging auch die Landtagsmehrheit aus, vgl. Verhandlungen des HSM Landtages 1847, Abt. 2, S. 330. 726 Verhandlungen des HSM Landtages 1847, Abt. 2, S. 330 f.

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Jacob. Man beabsichtigte umgekehrt, von den Ständen die ausdrückliche Anerkennung des Eigentums des herzoglichen Hauses am Domänenvermögen zu fordern.727 Dabei glaubte sich die Regierung im Einklang mit den Regelungen der anderen deutschen Staaten. Die von dieser vermeintlichen Normalität abweichende frühere Regelung in Hildburghausen hielt sie für unbeachtlich, da sie ohne agnatischen Konsens erlassen worden sei.728 Eine Klärung der Vermögensverhältnisse wurde spätestens mit dem Ausbruch der Wirren des Jahres 1848 unausweichlich. Am 12. März 1848 erhielt Herzog Bernhard Erich Freund verschiedene Reformadressen aus der Bevölkerung. Darin fand sich unter anderem auch die Forderung nach einer Überweisung sämtlicher Domänenerträge an den Staatshaushalt, abzüglich einer Zivilliste von 250.000 fl.729 Noch am selben Tag willigte der Herzog ein, das Gesetz von 1831 wiederherzustellen und die Höhe seiner Bezüge aus dem Domänenvermögen auf zunächst 225.000 fl. zu begrenzen.730 Erbprinz Georg (1826–1914) stimmte wenig später zu und versprach, das Gesetz vom 13. März 1848 einschließlich des genannten Reskripts im Falle seiner Regierungsnachfolge als rechtsverbindlich anzuerkennen.731 Dies konnte freilich nur zur vorläufigen Beruhigung der Lage dienen. Zumindest die Klärung der bestehenden Eigentumsverhältnisse war weiter vonnöten. 4. Die Regelung des Jahres 1849 Schon am 8. April 1848 wurde dem Landtag ein Gesetz zur Erklärung des Domänenvermögens für Staatsgut vorgelegt.732 Dieser Entwurf erwies sich als außerordentlich unklar und mehrdeutig. Die scheinbaren Zugeständnisse wurden durch Vorbehalte eingeschränkt.733 Insbesondere das Ansinnen des Herzogs, einen beliebigen Anteil des Domänenvermögens als Privatvermögen einzubehalten, sorgte für Aufregung.734 Auf Seiten der herzoglichen Familie war man da727

ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV E 1, Bl. 120 RS. ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV E 1, Bl. 120 RS, 121, 132. 729 Gerber (Hrsg.), Quellen, S. 41 ff., 51 f. 730 Gesetz, die Verwendung der Domäneneinkünfte betreffend vom 13. März 1848, Sammlung der landesherrlichen Verordnungen im HSM 1848, S. 3 f.; darin nimmt der Herzog auch Bezug auf ein Reskript vom selbigen Tag, in dem der Bedarf des herzoglichen Spezialhauses auf 225.000 fl. bzw. 250.000 fl. bei Verheiratung des Erbprinzen festgesetzt wird. Siehe dazu ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV E 6, Bl. 148. 731 ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV E 4, Bl. 10. 732 Zit. nach dem Bericht des Finanzausschusses über diesen Entwurf, Verhandlungen des HSM Landtags 1849, Abt. 2, S. 37. 733 Bericht des Finanzausschusses über diesen Entwurf, Verhandlungen des HSM Landtags 1849, Abt. 2, S. 37 f. 734 Bericht des Finanzausschusses über diesen Entwurf, Verhandlungen des HSM Landtags 1849, Abt. 2, S. 38. 728

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gegen wegen einer allfälligen Mediatisierung des Herzogtums und eines damit verbundenen Vermögensverlusts besorgt: Auch für den Fall des Aufgehens des Herzogtums in einem gemeinsamen thüringischen Staat735 sollte daher die Versorgung des Hauses, die man auf das Domänenvermögen gründen wollte, gesichert sein. Eine solche Lösung hielten die Stände für unausgewogen. Die Trennung von Domänen- und Staatsvermögen hätte wegen der hohen Forderungen des Herzogs wohl kaum eine Besserung gebracht.736 Außerdem war man skeptisch, ob das Staatsoberhaupt zugleich der größte Grundbesitzer des Staates sein sollte.737 Daher forderten die Stände, das Domänenvermögen als Staatsgut anzuerkennen und für den Fall der Mediatisierung bereits jetzt eine Aufteilung zu vereinbaren.738 Ein eigentlich unwesentlicher Streitpunkt – die Frage, ob dem Landtag eine Veräußerung von Teilen des Staatsvermögens auch gegen den Willen der Regierung möglich sein sollte – zeigt die Brisanz der Domänenfrage für die Machtverteilung im monarchischen Staat des 19. Jahrhunderts. Die Regierung fürchtete nämlich um ihre Verwaltungsbefugnisse. Sollte der Landtag allein über Teile des Staatsvermögens verfügen können, würde er und nicht mehr die Regierung administrieren.739 Dies sei mit der konstitutionellen Regierungsform nicht zu vereinbaren.740 Die Höhe der Zivilliste war gleichfalls umstritten. Der Landtag wollte dem herzoglichen Haus lediglich 150.000 fl. zugestehen,741 während die Regierung ihre Forderung etwas unwillig auf 175.000 fl. beschränkte.742 Dagegen bestand kaum Streit über die dem Privatvermögen des Hauses zuzuschreibenden Schlösser und sonstigen Liegenschaften. Die Regierung setzte sich im Übrigen, ganz 735 Auch bei den Bürgern war eine Mediatisierung Meiningens nicht sonderlich beliebt, wie unter anderem eine Adresse von Camburger Bürgern an die Nationalversammlung in Frankfurt zeigt; bei Gerber (Hrsg.), Quellen, S. 160 ff. 736 Bericht des Finanzausschusses über diesen Entwurf, Verhandlungen des HSM Landtags 1849, Abt. 2, S. 39. 737 Bericht des Finanzausschusses über diesen Entwurf, Verhandlungen des HSM Landtags 1849, Abt. 2, S. 39. 738 Artt. 1, 11 des Gesetzentwurfes des Finanzausschusses, Verhandlungen des HSM Landtages 1849, Abt. 2, S. 40 f. = Artt. 1, 11 des Entwurfs des Landtages, Verhandlungen des HSM Landtages 1849, Abt. 2, S. 82 f. 739 Denkschrift der Staatsregierung, Verhandlungen des HSM Landtags 1849, Abt. 2, S. 92. 740 Denkschrift der Staatsregierung, Verhandlungen des HSM Landtags 1849, Abt. 2, S. 92. 741 Art. 10 des Landtagsentwurfes, Verhandlungen des HSM Landtages 1849, Abt. 2, S. 83. 742 Wiederum unter dem Vorbehalt einer Erhöhung bei Vermählung des Erbprinzen auf 200.000 fl., Verhandlungen des HSM Landtages 1849, Abt. 2, S. 93.

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im Sinne der 60 Artikel des Deutschen Bundes, mit ihrem Ansinnen durch, die Zivilliste dinglich abzusichern. Ein näher zu bezeichnender Anteil am Domänenvermögen mit einem Mindestertrag von jährlich 75.000 fl. sollte zu diesem Zweck im Eigentum des Herzogs verbleiben. Das von Herzog Bernhard Erich Freund am 23. Mai 1849 schließlich sanktionierte Gesetz sah eine Übertragung der Domänen auf den Staat sowie die Anerkennung bislang bestehender Staatsgüter vor.743 Die Absonderung des Privatvermögens wurde in der beschriebenen Art und Weise vorgenommen.744 Das Staatsgut sollte grundsätzlich unveräußerlich sein.745 Von den Erträgen des Staatsgutes wurde zunächst die Zivilliste in Höhe von 175.000 fl. abgezogen. Im Fall der Verheiratung des Erbprinzen sollte dieser Betrag um 25.000 fl. steigen.746 Bemerkenswert ist, dass der Landtag bei Annahme des Gesetzentwurfs ausdrücklich die Genehmigung und Anerkennung des Gesetzes durch den Erbprinzen Georg verlangte. Der Herzog versprach zwar, um diese Genehmigung nachzusuchen,747 er ließ sich aber fast ein halbes Jahr Zeit. Nachdem das Staatsministerium, ohne selbst tätig zu werden, Anfang November 1849 darauf aufmerksam geworden war, bat der Erbprinz am 8. November 1849 von sich aus um die Übersendung des Domänengesetzes.748 Am 16. November 1849 wurde das Gesetz schließlich dem Erbprinzen zugeleitet.749 Der hatte mit der Prüfung noch weniger Eile als sein Vater. Am 14. Mai 1852 erklärte er endlich, er könne seine Zustimmung zu dem Domänengesetz nicht erteilen und verwahre sich ausdrücklich gegen die darin zugesicherte Abtretung der Domänen.750 Zur Begründung führte er an, das meiningische Domänenvermögen sei „ein generelles Haus- und Familienfideicommiß derjenigen Sächsischen Fürstenhäuser, welche das Herzogliche Gesammthaus Gotha“ umfasse.751 Erfahre die Veräußerung eines Teils dieses Vermögens nicht den Konsens aller Agnaten des Gesamthauses, so sei sie nichtig. Eine alleinige Einwilligung seitens des Erbprinzen würde somit nicht genügen. Da nun aber mit Albert von Sachsen-Coburg-Gotha (1819–1861), dem Gemahl der britischen Königin Viktoria (1819–1901), bereits ein weiterer Agnat sein Einverständnis versagt hatte,752 konnte Erbprinz Georg nicht umhin, das Gesetz ebenfalls abzulehnen. Damit wurde das Domänengesetz infolge der vom Landtag 743 Art. 1 des Gesetzes, das Domänenvermögen und die Civilliste betreffend, Sammlung der landesherrlichen Verordnungen im HSM 1849, S. 199. 744 Artt. 3, 4, 5, 6 des oben genannten Gesetzes, a. a. O., S. 199 ff. 745 Art. 7, a. a. O., S. 201. 746 Art. 11, a. a. O., S. 203. 747 Verhandlungen des HSM Landtages 1849, Abt. 2, S. 105, 112. 748 ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV E 2, Bl. 141, 140. 749 ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV E 2, Bl. 142. 750 ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV E 2, Bl. 148 = Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 7. 751 Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 7. 752 ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 266, Bl. 27–28 RS.

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selbst geforderten,753 aber nicht erfolgten Genehmigung durch den Erbprinzen eigentumsrechtlich zumindest nicht wirksam.754 5. Die Behandlung des agnatischen Protests Regierung und Fürstenhaus waren sich schnell einig, dass aus dem agnatischen Dissens die Nichtigkeit des Gesetzes folgen müsse.755 Schwieriger schien es freilich zu sein, den Landtag davon zu überzeugen. Intern wurden daher schon Vorbereitungen getroffen, notfalls den Bundestag anzurufen. Hierzu bemühte sich der Erbprinz erfolgreich um die Unterstützung der preußischen Regierung.756 a) Die Prüfung des Konsenserfordernisses anhand verschiedener Rechtsgutachten Der meiningischen Regierung lag zu dieser Zeit bereits ein umfangreiches Gutachten der herzoglich gothaischen Regierung aus dem Jahr 1850 über die Behandlung des agnatischen Protests gegen das Staatsgrundgesetz des Herzogtums Gotha von 1849 vor.757 Auch die Schriften zur Domänenfrage in SachsenWeimar waren bekannt.758 Gleichwohl wurde eine eigene Denkschrift verfasst und sogar in Druck gegeben. Darin wurde zunächst die Rechtsnatur der Domänen bis zum Jahr 1849 als zum herzoglichen Spezialhause gehörend festgestellt, um anschließend die Gesetzgebung des Jahres 1849 mangels agnatischen Konsenses für „absolut nichtig“ zu erklären.759 In eine ähnliche Richtung ging auch das gothaische Gutachten. Da es aber den Protest gegen das gesamte dortige Staatsgrundgesetz betraf, war es breiter angelegt und lässt dadurch bessere Rückschlüsse auf die Haltung der sächsischen Häuser zur Dispositionsbefugnis der Fürsten zu. Die gothaische Regierung legte ihren Überlegungen die Annahme zugrunde, die nachfolgenden Regenten seien nur verpflichtet, die rechtmäßigen Handlungen ihres Vorgängers anzuerkennen.760 Ein Regent könne nur die Rechte ausüben, die ihm die be753

Verhandlungen des HSM Landtages 1849, Abt. 2, S. 105. In Anlehnung an die äußere Wirksamkeit von Verwaltungsakten, Kopp/Ramsauer, § 41 Rn. 20. 755 ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV E 4, Bl. 87 RS. 756 Brief des Erbprinzen an den Herzog vom 22.03.1854, ThStA Meiningen, GA Meiningen XV JJ 85, Bl. 1. 757 ThStA Meiningen, Staatsministerium Nr. 265, Bl. 2 ff. 758 Ueber das im Herzogthume Sachsen Meiningen erlassene Gesetz vom 23. Mai 1849, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV E 7, Bl. 15. 759 Ueber das im Herzogthume Sachsen Meiningen erlassene Gesetz vom 23. Mai 1849, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV E 7, Bl. 15. 754

§ 3 Das Herzogtum Sachsen-Meiningen

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stehende Staats- und Hausverfassung gebe, und so seine Nachfolger binden.761 Bestimmungen über die Rechtsverhältnisse der Domänen könnten nur dann einseitig getroffen werden, wenn lediglich bereits bestehende Verhältnisse und Grundsätze ausdrücklich anerkannt oder näher bestimmt würden.762 Für den Fall aber, dass Familiengüter ganz oder teilweise zu Staatsgütern erklärt oder deren Erträge auf Dauer zur Bestreitung des Staatsaufwandes bestimmt würden, müsse der agnatische Konsens eingeholt werden.763 Geschehe dies nicht, so seien die von Fürst und Ständen getroffenen Bestimmungen den Agnaten gegenüber genauso zu beurteilen wie sonst ein Vertrag zu Lasten Dritter.764 Dem Thronfolger stünde in einem solchen Fall bei seinem Regierungsantritt ein Revokationsrecht zu.765 Um der dadurch entstehenden Rechtsunsicherheit zu begegnen, war in Meiningen eine Neufassung des Domänengesetzes folgerichtig. Erstaunlich ist gleichwohl, dass die meiningische Regierung von der absoluten Nichtigkeit des Gesetzes von 1849 ausging. An dieser kann man nicht nur wegen der von zahlreichen Rechtsgelehrten766 vertretenen Auffassung von der relativen Unwirksamkeit derartiger Verfügungen zweifeln. Auch dass mit großer Wahrscheinlichkeit unter den meiningischen Domänen ehemalige Staatsgüter waren, lässt zumindest auf eine Teilwirksamkeit des Gesetzes schließen. Daher war der Regierung so sehr daran gelegen, wenigstens dem Hildburghäuser Gesetz über Staatsgüter und Staatsschulden jede Wirksamkeit abzusprechen.767 b) Verhandlungen innerhalb des Gesamthauses über die künftige Behandlung des Konsenserfordernisses Nahezu zeitgleich mit der rechtlichen Prüfung innerhalb der Regierung fanden Verhandlungen zwischen den Vertretern der Spezialhäuser des gothaischen Gesamthauses über die künftige Regelung des agnatischen Konsenses statt.768 Interessant ist dabei, dass bestimmt werden sollte, in welchen Fällen und unter welchen Bedingungen ausnahmsweise einzelne Teile des Domänenguts ohne zusätzliche Beistimmung aller Agnaten veräußert werden konnten. Nur Veräußerungen über 500 Reichstalern wären zustimmungspflichtig gewesen.769 Bis zu 760

ThStA Meiningen, Staatsministerium Nr. 265, Bl. 2 RS. ThStA Meiningen, Staatsministerium Nr. 265, Bl. 3. 762 ThStA Meiningen, Staatsministerium Nr. 265, Bl. 3 f. 763 ThStA Meiningen, Staatsministerium Nr. 265, Bl. 8 RS. 764 ThStA Meiningen, Staatsministerium Nr. 265, Bl. 8 RS. 765 ThStA Meiningen, Staatsministerium Nr. 265, Bl. 9. 766 Zachariae, Bd. 2, S. 463 f.; Klüber, § 333; Gönner, Bd. I, § 244, S. 243. 767 ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV E 1, Bl. 132. 768 Protokoll vom 18.X.1853, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 266, Bl. 50 ff. 761

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einer Summe von 50.000 Reichstalern hätte der Konsens der drei nächsten Agnaten des Spezialhauses genügt.770 Die Veräußerung wertvollerer Objekte hätte der Zustimmung dieser Agnaten und der Häupter der anderen Spezialhäuser bedurft.771 In den einzelnen Staaten wäre gesetzlich zu bestimmen gewesen, dass kein Richter einen Vertrag über Veräußerung eines Teils des Domänenguts hätte bestätigen und kein Grundbuchbeamter eine derartige Erwerbung in das Grundbuch hätte eintragen dürfen, ohne dass ihm der jeweils ausreichende Konsens nachgewiesen worden wäre.772 Offenkundig hatte man die praktischen Probleme des Konsenserfordernisses im Gesamthaus erkannt. Die Vorschläge hätten den einzelnen Häusern eine größere Beweglichkeit garantiert und außerdem auch zur Beruhigung der Domänenstreitigkeiten beitragen können. Zu einem Vertragsschluss kam es aber nicht. Über die Gründe kann nur gemutmaßt werden, möglicherweise hielt man, nachdem sich die Revolutionswirren gelegt hatten, eine Regelung nicht mehr für erforderlich. Außerdem wurden die Domänenstreite in den anderen sächsischen Spezialhäusern um das Jahr 1854 zu einem Großteil beigelegt.773 c) Das weitere Vorgehen der Regierung So blieb die meiningische Regierung vorerst auf die Rücknahme des Domänengesetzes von 1849 angewiesen. Mit allen rechtlichen und politischen Absicherungen gewappnet, trat Herzog Bernhard Erich Freund am 26. Februar 1853 an den Landtag heran und setzte ihn von der Konsensverweigerung des Erbprinzen in Kenntnis.774 Ein gutes Jahr nachdem der Landtag von der Verweigerung der Genehmigung durch den Erbprinzen informiert worden war, erhielt er den neuen Gesetzentwurf mit der Bemerkung, weder die Erklärung noch die Anerkennung der Domänen als Staatsgut könne für rechtswirksam erachtet werden. Auch die sonstigen Regelungen des Domänengesetzes von 1849 seien unwirk769 Protokoll vom 18.X.1853, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 266, Bl. 51; die Höhe dieser Veräußerungen war auf 3.000 Reichstaler pro Etatjahr begrenzt, Protokoll vom 18.X.1853, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 266, Bl. 51 RS. 770 Protokoll vom 18.X.1853, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 266, Bl. 51; die Höhe dieser Veräußerungen sollte auf 100.000 Reichstaler in fünf Etatjahren begrenzt bleiben, Protokoll vom 18.X.1853, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 266, Bl. 51 RS. 771 Protokoll vom 18.X.1853, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 266, Bl. 51 RS. 772 Protokoll vom 18.X.1853, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 266, Bl. 51 RS, 52. 773 In Weimar 1854, Sachsen-Altenburg 1854, Sachsen-Coburg-Gotha 1855; vgl. Degen, S. 19 ff. 774 Vgl. die Ausführungen vom 13. März 1854, Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 1.

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sam.775 Nunmehr sollte das gesamte Domänenvermögen zu Eigentum des herzoglichen Spezialhauses erklärt werden.776 Eine Domänenrente wie in Weimar sah der Entwurf nicht vor. Vielmehr sollte der Beitrag der Domänen zur Landeskasse gesetzlich begrenzt werden.777 Nachdem sich das herzogliche Haus beinahe fünf Jahre mit der Neuregelung Zeit gelassen hatte, wirkte der Wunsch des Herzogs, dass „eine gedeihliche Feststellung der Domänenfrage baldigst erreicht werden möge“,778 beinahe schon zynisch. 6. Das Gesetz des Jahres 1854 Der Landtag überwies den ihm übermittelten Gesetzentwurf dem Gesetzgebungs- und Finanzausschuss. Dieser war mehrheitlich von der Aussichtslosigkeit des Beharrens auf dem Gesetz von 1849 überzeugt und ließ sich daher auf eine Behandlung des proponierten Entwurfs ein.779 Dessen ungeachtet war die Ausschussmehrheit mit wesentlichen Bestimmungen des Entwurfs unzufrieden. So wollte man die Eigentumsfrage in Anlehnung an das Gesetz von 1831 weiter offen halten.780 Die Dotation des herzoglichen Hauses wünschte man in der Form einer Domänenrente zu gestalten.781 Das Landtagsplenum schloss sich in diesen beiden Punkten nur knapp dem Ausschuss an.782 Die Regierung hielt ein Zugehen auf den Landtag grundsätzlich für sinnvoll. Allerdings war sie nicht bereit, die offene Formulierung des Finanzgesetzes von 1831 zur Eigentumsfrage beizubehalten. Erbprinz Georg ging gar so weit, seinem Vater vorzuschlagen, notfalls ein das Eigentum des Hauses sicherndes Gesetz zu oktroyieren.783 Dazu sollte es aber nicht kommen. Vielmehr wurde dem Landtag vorgeschlagen zu überprüfen, welche Teile des Domänenvermögens Eigentum des Landes seien.784 Zweifelsfälle sollten schiedsrichterlich geklärt werden.785 Außerdem sah der Regierungsentwurf eine vollständige Besteuerung des Domänenvermögens vor.786 Zur gesetzlichen Verankerung einer Domänenjahresrente konnte sich die Regierung nicht durchringen. Sie regte aber eine besondere Vereinba775

Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 1. Art. 1 des Entwurfes, Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 2. 777 Art. 10 des Entwurfes, Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 4. 778 Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 1. 779 Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 28. 780 Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 31. 781 Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 34. 782 Jeweils mit 13 gegen 10 Stimmen, Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 50 f. 783 ThStA Meiningen, GA Meiningen, XV JJ 85, Bl. 2. 784 Art. 1 des 2. Reg.-Entwurfs, Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 57. 785 Art. 1 Abs. 5 des 2. Reg.-Entwurfs, Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 57. 776

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rung darüber zwischen Fürst und Ständen an.787 Der Landtag ging auf diese Modifizierungen ein. Herzog Bernhard Erich Freund genehmigte nach Zustimmung des Erbprinzen788 das vom Landtag beschlossene Gesetz am 3. Juni 1854.789 Somit war das Domänenvermögen als Eigentum des herzoglichen Spezialhauses mit der Eigenschaft eines Familienfideikommisses des gothaischen Gesamthauses anerkannt.790 Die Bestandteile des Domänenvermögens sollten den Ständen innerhalb eines Jahres in einem besonderen Verzeichnis ausgewiesen werden.791 Hätte sich bei der Anfertigung dieses Verzeichnisses das Eigentum des Landes an einzelnen Teilen des Domänenvermögens herausgestellt, hätten diese Teile ausgeschieden werden müssen.792 Für den Fall des Ausbleibens einer Einigung zwischen Fürst und Ständen war ein Schiedsgerichtsverfahren vorgesehen.793 Ansonsten sollten die Bestimmungen des Grundgesetzes von 1829 im Wesentlichen beibehalten werden. Dies traf auch auf die primäre Verwendung des Domänenertrages für die Bedürfnisse des herzoglichen Hauses zu.794 Gleichwohl sicherte der Herzog den Ständen mit der Bestätigung dieses Domänengesetzes zu, vom Domänenertrag zunächst nur 225.000 fl. entnehmen zu wollen. Nach Abzug dieser Summe sollte die eine Hälfte des Restbetrages dem Bedarf des herzoglichen Hauses zugute kommen, die andere Hälfte der Landeskasse überwiesen werden.795 II. Der Domänenstreit von 1855 bis 1871 Vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung verwundert es kaum, dass die Stände, als ihnen 1855 endlich das versprochene Verzeichnis vorgelegt wurde, nicht gleich einverstanden waren. Zunächst beauftragten sie drei Abgeordnete mit der Prüfung des Verzeichnisses.796 Um diese Prüfung zu verhindern, 786

Art. 8 des 2. Reg.-Entwurfs, Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2,

S. 58. 787 Art. 7 des 2. Reg.-Entwurfs, Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 58; sowie die vorgeschlagene Zusicherungsakte über eine Begrenzung des Bedarfs des herzoglichen Hauses auf 225.000 fl., Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 60. 788 Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 90. 789 Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 83. 790 Art. 1 des Gesetzes über das Domänen-Vermögen und dasjenige Schatull- und Allodialvermögen, dessen Ertrag vor dem Jahre 1849 zur Domänen-Kasse geflossen ist, Sammlung der landesherrlichen Verordnungen im HSM 1854, S. 325. 791 Art. 1 Abs. 3 des Domänengesetzes 1854, a. a. O., S. 325. 792 Art. 1 Abs. 4 des Domänengesetzes 1854, a. a. O., S. 325. 793 Art. 1 Abs. 5–7 des Domänengesetzes 1854, a. a. O., S. 326. 794 Art. 7 des Domänengesetzes 1854, a. a. O., S. 328. 795 Zusicherungsakte vom 3. Juni 1854, Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 83. 796 Schneider, S. 437.

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übte die Regierung auf die Abgeordneten Druck aus. Schließlich blieb nur noch der Abgeordnete Luther übrig, der im Jahr 1857 eine ausführliche Denkschrift vorlegte und veröffentlichen wollte.797 Auch dem versuchte die Regierung zu begegnen. Sie sprach dem Landtag nicht nur die Befugnis ab, eigene Rechtsgutachten einzuholen, sondern auch, diese zu drucken.798 Die besondere Brisanz der Luther’schen Schrift lag darin, dass die Eigenschaft der Domänen als Patrimonialgut im Ganzen mit ausführlicher Begründung angezweifelt wurde.799 Luther brachte keine wirklich neuen Argumente in die Diskussion ein. Es gelang ihm aber, die für die Staatsguteigenschaft der Domänen sprechenden Gründe im Einzelnen auf Sachsen-Meiningen zu übertragen. So wies er etwa für Meiningen die herkömmliche Geltung des Grundsatzes der subsidiären Steuererhebung nach.800 Außerdem glaubte er zu erkennen, dass die Regierung mit der 1854 vorgeschlagenen Aufhebung der Steuerfreiheit der Domänen implizit selbst die öffentlich-rechtliche Natur des Domänenguts anerkannt habe. Nur Privatgut könnte besteuert werden.801 Schließlich hielt Luther die Verwaltung der Domänen durch staatliche Behörden802 wegen der seit 1831 offenen Rechtslage für einen weiteren Grund, dem Staat das Domäneneigentum zuzusprechen. 1. Die Anrufung des Schiedsgerichts Nachdem es bis zum Jahr 1861 zu keiner Einigung gekommen war, schlug der Herzog den Ständen ultimativ drei Gerichtshöfe zur schiedsrichterlichen Entscheidung der Angelegenheit vor. Mit einer Erklärungsschrift vom 9. April 1861 wählte der Landtag das Oberappellationsgericht Dresden als Schiedsgericht aus803 und verwahrte sich gleichzeitig gegen die einseitige Auslegung des Domänengesetzes durch den Herzog. Ständischerseits habe man dem Gesetz unter der Annahme zugestimmt, dass die seit dem Jahr 1831 bestehende, rechtlich offene Situation bis zur Klärung durch das anzufertigende Verzeichnis beibehalten werde.804 Der Landtag legte jetzt ein eigenes Verzeichnis805 der aus dem 797 Luther, Ueber die rechtliche Natur der Domänen in dem HSM und den übrigen sächsischen und deutschen Staaten, Meiningen 1857. Die Regierung versuchte auch mit Mitteln des Strafrechts, die Verbreitung dieser Schrift zu verhindern, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XIV E 11, Bl. 33 ff. 798 Schneider, S. 437 f. 799 So Luthers ausdrücklicher Vorsatz, Luther, S. V. Die Schrift bestand aus zwei Teilen, von denen nur der erste Teil gedruckt wurde. Der zweite Teil hatte die Überprüfung der einzelnen Bestandteile des Domänenvermögens zum Inhalt, ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 479. 800 Luther, S. 102. 801 Luther, S. 112. 802 Luther, S. 116. 803 Verhandlungen des HSM Landtages 1861, Abt. 2, S. 323. 804 Verhandlungen des HSM Landtages 1861, Abt. 2, S. 324 f.

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Domänenvermögen auszuscheidenden Staatsgüter vor, das jedoch nicht die Zustimmung des herzoglichen Hauses fand. Daher beanspruchte der Landtag die im Einzelnen aufgeführten Vermögensobjekte beim ausgewählten Oberappellationsgericht Dresden.806 Es dauerte noch weitere zehn Jahre bis ein Vergleich geschlossen werden konnte. In der Zwischenzeit dankte Herzog Bernhard Erich Freund zugunsten seines Sohnes Georg ab, was möglicherweise zu einer Entspannung der Situation führte.807 Währenddessen entbrannte eine intensive Auseinandersetzung zwischen führenden Rechtslehrern in Deutschland.808 Überwiegend handelte es sich bei den zur meiningischen Domänenfrage erschienenen Veröffentlichungen um Schriften, welche die Auftraggeber politisch zufrieden stellen sollten. Rechtlich kam kaum Neues zutage. Allen Arbeiten war eine ausführliche historische Herleitung der vertretenen Ansichten gemein, ohne aber neben dem positiven Recht genauso gründlich die staatsrechtliche Natur des Herzogtums Sachsen-Meiningen zu betrachten.809 Das Schiedsgericht kümmerte sich wenig um diese Ausführungen. Ihm ging es um eine gütliche Einigung und einen gerechten Interessenausgleich.810 Allerdings führte der erste Vergleichsvorschlag aus dem Jahr 1868 zu keinem Ergebnis, da Herzog Georg unvermittelt einen ganz neuen Teilungsmodus vorschlug,811 mit dem der Landtag nicht einverstanden war.812 2. Der endgültige Vergleichsvorschlag und seine Behandlung Erst am 12. Januar 1871 – wenige Tage vor der Reichsgründung – übermittelte das Gericht dem Landtag einen weiteren Vorschlag. Der beigefügte Gesetzentwurf hielt wie schon das Gesetz von 1831 die Eigentumsfrage bewusst of805

Verhandlungen des HSM Landtages 1861, Abt. 2, S. 327 ff. Verhandlungen des HSM Landtages 1861, Abt. 2, S. 327. 807 Schneider, S. 441. 808 Für die ständische Sicht vor allem Reyscher, Die Rechte des Staats, Leipzig 1863; Reyscher, Der Rechtsstreit über das Eigenthum an den Domänen des HSM, Leipzig 1865. Für die Regierungsseite sprachen insbesondere H. A. Zachariae, Das rechtliche Verhältnis des fürstlichen Kammerguts, insbesondere im HSM, Göttingen 1861; Zoepfl, Bemerkungen zu A. L. Reyschers, Heidelberg 1864. Die einzelnen Argumente wiederzugeben, würde dem Rahmen und dem Zweck der Arbeit nicht entsprechen und ihren Rahmen sprengen. Im Übrigen sei auf die im I. Kapitel unter § 4 A.II.4. wiedergegebenen Ansichten zur Rechtsnatur des Domänenvermögens hingewiesen. 809 Vgl. nur die Ausführungen Reyschers, mit denen er auf Zoepfl und Zachariae eingeht, Reyscher, Der Rechtsstreit, S. 35 ff., 103 ff. 810 So das Begleitschreiben zum Vergleichsvorschlag, Verhandlungen des HSM Landtages 1871, Abt. 2, S. 59. 811 Nach Art. 20 des herzogl. Entwurfs sollte das Land ein Fünftel, das herzogl. Spezialhaus dagegen vier Fünftel des Domänenvermögens erhalten, Verhandlungen des HSM Landtages 1868, Abt. 2, S. 508. 812 Verhandlungen des HSM Landtages 1868, Abt. 2, S. 571, 573. 806

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fen.813 Das gesamte Domänenvermögen sollte grundsätzlich unveräußerlich sein. Ausgenommen waren Veräußerungen, denen der Landtag seine Zustimmung erteilte.814 Dieser Grundsatz sollte auch für die Belastung des Domänenvermögens gelten.815 Das Domänenvermögen sollte nicht besteuert werden.816 Dem Herzog war eine Domänenjahresrente in Höhe von 250.000 fl. zugedacht.817 Außerdem sollte er 15.000 fl. für den Unterhalt der zur Domänenverwaltung gehörenden Schlösser und Gebäude erhalten. Bei unvorhergesehenen Schäden wäre ein Zuschuss aus dem Domänenvermögen zu zahlen gewesen.818 Für den Fall, dass das Spezialhaus nicht mehr die Regierung des Landes stellen sollte, sah der Vergleichsvorschlag eine Realteilung des Domänenvermögens vor. Danach hätte das Land zwei Fünftel des gesamten Domänenvermögens und das herzogliche Spezialhaus beziehungsweise das gothaische Gesamthaus drei Fünftel des Domänenvermögens erhalten.819 Verschiedene Schlösser und Gärten wollte man davon aber ausnehmen, darunter auch das Residenzschloss in Meiningen.820 Diesen schiedsrichterlichen Vorschlag griff der Herzog wenig später auf. Sein Entwurf eines Domänengesetzes orientierte sich recht genau am Vorschlag des Oberappellationsgerichts. Eine wichtige Ausnahme war freilich enthalten: Bereits jetzt sollten einige Gebäude und Grundstücke aus dem Domänenvermögen ausgeschieden und als Landeseigentum anerkannt werden. Zugleich legte er eine genaue Auflistung von Liegenschaften bei, welche herzogliches Eigentum bleiben sollten.821 Die Stände nahmen die Vorschläge bereitwillig entgegen und hatten nur wenige, unbedeutende Änderungswünsche.822 Selbst ihr Auseinandersetzungsverzeichnis glich weitgehend dem des herzoglichen Entwurfes.823 Am 813

Art. 1 der Gerichtsentwurfs, Verhandlungen des HSM Landtages 1871, Abt. 2,

S. 60. 814

Art. 3 des Gerichtsentwurfs, Verhandlungen des HSM Landtages 1871, Abt. 2,

S. 60. 815

Art. 4 des Gerichtsentwurfs, Verhandlungen des HSM Landtages 1871, Abt. 2,

S. 60. 816 Art. 7 Abs. 3 des Gerichtsentwurfs, Verhandlungen des HSM Landtages 1871, Abt. 2, S. 61. 817 Art. 9 des Gerichtsentwurfs, Verhandlungen des HSM Landtages 1871, Abt. 2, S. 61. 818 Art. 9 des Gerichtsentwurfs, Verhandlungen des HSM Landtages 1871, Abt. 2, S. 62. 819 Art. 12 des Gerichtsentwurfs, Verhandlungen des HSM Landtages 1871, Abt. 2, S. 62. 820 Art. 14 des Gerichtsentwurfs, Verhandlungen des HSM Landtages 1871, Abt. 2, S. 63. 821 Art. 1 Abs. 1 des Regierungsentwurfs, Verhandlungen des HSM Landtages 1871, Abt. 2, S. 166a; ferner die Anlagen A und B zu diesem Entwurf, Verhandlungen des HSM Landtages 1871, Abt. 2, S. 166e f., 166g f. 822 Verhandlungen des HSM Landtages 1871, Abt. 2, S. 178 f., 187 f.

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18. Juli 1871 nahm der Landtag den modifizierten Gesetzentwurf an.824 Die herzogliche Sanktion erfolgte zwei Tage später. Damit hatte der meiningische Domänenstreit bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts ein vorläufiges Ende gefunden. 3. Der Inhalt des Domänengesetzes von 1871 Das neue Domänengesetz legte – wie bereits angesprochen – eigentumsrechtlich den Status der Domänen nicht fest.825 Es schuf aber die Möglichkeit, bereits mit dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens einige Gebäude und Grundstücke als Landeseigentum oder Eigentum des herzoglichen Spezialhauses im Grundbuch einzutragen.826 Im Blick auf die Erbfolge erfolgte eine Differenzierung zwischen dem gesamten Domänenvermögen und den als herzogliches Privatvermögen verzeichneten Gütern.827 Das Domänenvermögen ging auf den jeweiligen Regierungsnachfolger über. Bei Erlöschen des meiningischen Mannesstammes hätte sich die Erbfolge nach den Grundsätzen des gothaischen Gesamthauses gerichtet. Die gleichen Bestimmungen waren auch für das ausgeschiedene Privatvermögen maßgebend. Immerhin setzte dies die theoretische Möglichkeit einer Trennung von Regierungsnachfolge und privater Erbfolge voraus. Die Verwaltung des Domänenvermögens war den staatlichen Behörden unter Leitung des Staatsministeriums anvertraut.828 Ähnlich wie in Sachsen-Weimar-Eisenach hatte man sich nun auch in Meiningen auf eine Domänenjahresrente in Höhe von 230.000 fl. geeinigt, deren Höhe nicht ohne Zustimmung des Herzogs vermindert und nicht ohne Zustimmung der Stände erhöht werden durfte.829 Schließlich war aus den Entwürfen über eine Realteilung im Falle des Aufhörens der Regierung durch das gothaische Gesamthaus positives Recht geworden. In diesem Fall hätte das Land zwei Fünftel des Domänenvermögens erhalten.830 Sollte eine Einigung nicht erfolgen, war wiederum ein Schiedsverfahren vorgesehen.831 Um künftige Unklarheiten zu vermeiden, wurde das Domänen-

823

Verhandlungen des HSM Landtages 1871, Abt. 2, S. 180 ff. Verhandlungen des HSM Landtages 1871, Abt. 2, S. 187 f. 825 Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Domänenvermögen, Landesherrliche Verordnungen des HSM, 1 Abt., S. 674 ff. 826 Art. 1 Abs. 3 dieses Gesetzes, Landesherrliche Verordnungen des HSM, 1 Abt., S. 675 in Verbindung mit den Beilagen A und B. 827 Art. 2 Abs. 1 dieses Gesetzes, Landesherrliche Verordnungen des HSM, 1 Abt., S. 675. 828 Art. 6 Abs. 2 dieses Gesetzes, Landesherrliche Verordnungen des HSM, 1 Abt., S. 676. 829 Art. 10 dieses Gesetzes, Landesherrliche Verordnungen des HSM, 1 Abt., S. 677. 830 Art. 12 dieses Gesetzes, Landesherrliche Verordnungen des HSM, 1 Abt., S. 677 f. 824

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gesetz zum integralen Bestandteil des Grundgesetzes von 1829 erklärt und das Gesetz von 1854 ausdrücklich aufgehoben.832 4. Die praktische Anwendung des Domänengesetzes In der Praxis änderte sich nicht viel. Nur selten bestand Eigentum des Landesfiskus.833

Auszug aus dem Grundbuch von Birkenfeld, eingetragen ist der Landesfiskus (ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 5, Nr. 8712). 831 Art. 15 Abs. 2 dieses Gesetzes, Landesherrliche Verordnungen des HSM, 1 Abt., S. 678. 832 Art. 18 dieses Gesetzes, Landesherrliche Verordnungen des HSM, 1 Abt., S. 679. 833 ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 5, Nr. 8712.

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Auszug aus dem Grundbuch von Brennersgrün, eingetragen ist der Domänenfiskus (ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 5, Nr. 8820, Bl. 116).

Die meisten Domänen blieben als Eigentum des herzoglichen Spezialhauses oder des herzoglichen Domänenfiskus eingetragen.834 Teilweise fand sich ein Vermerk, dass bis zur Aufteilung nach dem Domänengesetz die dort bezeichneten Domänen als Eigentum des herzoglichen Spezialhauses verzeichnet bleiben würden.835 Als Staatseigentum war dagegen kein Grundstück eingetragen. Interessanterweise entschied das auch für Sachsen-Meiningen zuständige Oberappellationsgericht Jena in einem Beschluss über die rechtliche Stellung der herzoglichen Hofkammer in Gotha, dass die der meiningischen Domänenjahresrente vergleichbaren Einkünfte des herzoglichen Domänenanteils836 einer 834

ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 475, Bl. 30. ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 498, Bl. 3. 836 § 23 des Gothaer Vertrages über die Domänenteilung vom 19. Juli 1905, Gesetzessammlung für das Herzogthum Gotha 1905, S. 81 ff. 835

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Zivilliste gleichkämen. Die für das Staatsoberhaupt und seine Hofhaltung anfallenden Kosten bewertete das Gericht als staatliche Lasten, deren Übernahme einen staatlichen Zweck erfüllte.837 Diese 1914 ergangene Entscheidung hatte freilich keine Auswirkungen mehr auf die rechtliche Bewertung des Domänenvermögens in Meiningen. Die Tatsache, dass in den Grundbüchern bis 1918 kein Staatseigentum eingetragen war, lässt ein wichtiges Kriterium Albrechts unerfüllt: die Verstaatlichung der Domänen.838 Dies war ungeachtet der vorhandenen staatsrechtlichen Ansätze in Sachsen-Meiningen aber folgerichtig, weil der Herzog – wenn auch als Staatsoberhaupt – Träger der Landeshoheit war.

D. Die Ertragshoheit über die Domänenerträge und die Folgen für das ständische Budgetrecht Die ständigen Veränderungen der Domänengesetze und der Streit um das Domäneneigentum hatten erhebliche Auswirkungen auf den Beitrag der Domänenerträge zu den Staatseinnahmen und die Beteiligung der Stände bei den Staatsausgaben. Die so geprägte Haushaltsverfassung war im Wesentlichen von den jeweiligen Grundgesetzen, dem Finanzgesetz von 1831 und den verschiedenen Domänengesetzen bestimmt. I. Die Regelung nach den Grundgesetzen und den anderen Gesetzen 1. Das Grundgesetz von 1824 Das Grundgesetz von 1824 gab den Landständen neben der Steuerbewilligung839 die Befugnis, gemeinschaftlich mit dem Herzog „die Staatsbedürfnisse, soweit dieselben aus landschaftlichen Kassen und aus dem Vermögen der Staatsbürger zu bestreiten sind, zu prüfen, und die zu ihrer Deckung erforderlichen Einnahmen und Ausgaben festzusetzen“.840 In die landschaftlichen Kassen flossen alle Einnahmen aus Steuern und sonstigen von den Ständen zu verwilligenden Abgaben.841 Über die Erträge der Domänen, Regalien und sonstigen landesherrlichen Rechte traf dieses Grundgesetz keine Bestimmung. Auch der 837 Gemeinschaftl. Thüring. Oberlandesgericht in Jena, 3. Zivilsenat, Beschluss vom 9. Oktober 1914 über die rechtliche Stellung der Herzogl. Hofkammer in Gotha, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 1079, Bl. 214. 838 I. Kapitel § 2 C.II.2. 839 § 14 Ziff. 2 des Grundgesetzes von 1824, bei Pölitz Bd. I, S. 825. 840 § 14 Ziff. 1 des Grundgesetzes von 1824. 841 § 14 Ziff. 3 des Grundgesetzes von 1824.

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Grundsatz der Subsidiarität fand keinen positiven Eingang in das Grundgesetz. Allenfalls über § 6 des Grundgesetzes, welcher zur Lückenausfüllung altständisches Recht für anwendbar erklärte, hätte die Subsidiarität der Besteuerung Anwendung finden können. Jedenfalls blieb den Ständen jegliche Mitsprache über die Verwendung der Domänenerträge vorenthalten, da dies auch nach altständischem Recht dem Landesherrn vorbehalten war. Der landschaftliche Vorstand hatte die landschaftlichen Kassenetats vorzubereiten und dem Landesfürsten einen ersten Entwurf zuzuleiten. Nach Genehmigung durch den Herzog wurde der Etatentwurf den Ständen zugeleitet, welche sowohl über den Etat an sich als auch über die Mittel zur Deckung der Bedürfnisse zu beraten und zu beschließen hatten.842 Eine verbindliche Festlegung der Regierung auf die beschlossenen Etats war im Gegensatz zu Sachsen-Weimar-Eisenach nicht vorgesehen. Vielmehr hatten die Stände im Allgemeinen und der landschaftliche Vorstand im Besonderen darauf zu achten, dass die von der Landschaftskasse verwalteten Mittel auf das „strengste und unverbrüchlichste“ mit den festgesetzten Kassenetats übereinstimmten.843 Die abschließende Rechnungsprüfung erfolgte durch einen vom Landtag besonders zu wählenden Ausschuss unter Beteiligung eines vom Herzog ernannten Rechnungsverständigen.844 Die Finanzbestimmungen des Grundgesetzes von 1824 brachten also keine Abkehr vom Dualismus, wie ihn Albrecht gefordert hatte.845 Insbesondere fehlte es an einer Beteiligung der Stände an der Kontrolle der Kammererträge. 2. Das Grundgesetz von 1829 Dieses weitgehend mit Sachsen-Weimar-Eisenach übereinstimmende Haushaltsrecht erfuhr wesentliche Änderungen durch das Grundgesetz von 1829. Wiederum scheinen die Verfassungen von Hildburghausen und Coburg-Saalfeld, die weitergehende haushaltsrechtliche Befugnisse der Stände vorgesehen hatten, die Richtung gewiesen zu haben. a) Die Regelung der Haushaltsverfassung von 1829 Die Stände hatten, wie es zu dieser Zeit üblich war, das Steuerbewilligungsrecht.846 Um den Ständen die Feststellung des Steuerbedarfs zu ermöglichen, musste ihnen das Staatsministerium einen genauen Voranschlag des zu den Staatszwecken Erforderlichen vorlegen.847 Die Bewilligung erfolgte in der Re842 843 844 845 846

§ 74 des Grundgesetzes von 1824. §§ 14 Ziff. 3, 73 Ziff. 6 des Grundgesetzes von 1824. § 73 Ziff. 6 des Grundgesetzes von 1824. I. Kapitel § 2 C.II.3. Art. 81 lit. b) des Grundgesetzes von 1829.

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gel auf ein Jahr mit einfacher Stimmenmehrheit848. Es konnten aber auch längere Budgetperioden vereinbart werden.849 Grundsätzlich erlaubte das Grundgesetz den Ständen sogar, Steuern zu verweigern. Einzige Ausnahme bildete das für Bundeszwecke Notwendige.850 Nach der Bewilligung konnte die Ausschreibung der Steuern erfolgen. Sie flossen schließlich in die unter Mitwirkung der Stände verwaltete Landeskasse.851 Ein von den Ständen gewählter und vom Herzog bestätigter Kassierer hatte die Aufgabe, diese Landeskasse unter der Aufsicht des Finanzministeriums zu verwalten.852 Doch bildeten Steuern nicht die einzige Einnahme der Landeskasse. Ihr flossen darüber hinaus alle sonstigen Abgaben einschließlich der Einkünfte aus Regalien und der mit der Ausübung der landesherrlichen Gewalt verbundenen Gefälle, insbesondere die Chaussee- und Wegegelder, Schutzgelder und alle Einnahmen des Militärs zu.853 Nun war es schon der altständischen Tradition wegen geboten, dass die Stände nicht nur über die Einnahmen zu befinden hatten, sondern auch bei der Verwendung der Ausgaben Mitsprache erhalten sollten. Daher oblag es den Ständen, über den veranschlagten Staatsbedarf zu beraten und mitzuentscheiden.854 Hierbei schränkte das Grundgesetz die ständische Mitwirkung aber insofern ein, als Verwilligungen nicht „einzelnen Personen und Stellen“ gegeben werden durften, sondern „jedem Zweig der Staatsverwaltung“ und „den darunter begriffenen Anstalten im Ganzen erteilt“ werden mussten. Die Verwendung im Einzelnen blieb der Staatsregierung überlassen. Diese hatte gleichwohl die verwilligten Summen etatmäßig zu verwenden.855 Ein einseitiges Abweichen vom bewilligten Etat galt als verfassungswidrig856 und konnte eine Ministeranklage nach Artikel 88 des Grundgesetzes nach sich ziehen.857 Den Ständen blieb es aber unbenommen, Wünsche zu einzelnen Ausgabenposten vorzutragen. Die Berücksichtigung dieser Anregungen lag jedoch im Ermessen der Regierung.858 Die Rechnungsprüfung erfolgte alljährlich durch einen besonderen Ausschuss des Landtages unter Hinzuziehung der Rechnungskammer.859 Dabei

847

Art. 81 lit. a) des Grundgesetzes von 1829. Art. 85 Abs. 2 des Grundgesetzes von 1829. 849 Art. 47 Abs. 3 des Grundgesetzes von 1829. 850 Art. 81 lit. b) Unterabsatz 2 des Grundgesetzes von 1829. 851 Artt. 83, 47 des Grundgesetzes von 1829. 852 Art. 47 Abs. 2 des Grundgesetzes von 1829. 853 Art. 38 Abs. 2 des Grundgesetzes von 1829. 854 Art. 81 lit. a) des Grundgesetzes von 1829. 855 Art. 82 Abs. 1 des Grundgesetzes von 1829. 856 Art. 47 Abs. 5 des Grundgesetzes von 1829. 857 So Staatsrat Oberländer, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 38, Bl. 2 RS. 858 Art. 82 Abs. 2 des Grundgesetzes von 1829. 859 Artt. 81 lit. c), 47 Abs. 4 des Grundgesetzes von 1829. 848

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war den Ständen über die Verwendung der bewilligten „Steuern und Abgaben“ Rechenschaft abzulegen.860 Die ständische Mitsprache bei den Staatsausgaben betraf anfangs Kosten des Landesministeriums und der Landesregierung einschließlich eines Beitrags für die Landesmilitärkasse sowie Kosten des Oberlandesgerichts, des Konsistoriums und der Rechnungskammer.861 Der von den Ständen zu bewilligende Etat erfasste zunächst nicht die Mittel für die untere Gerichtsbarkeit, das Schulwesen und das herzogliche Haus. Die Verwaltung des Domänenvermögens erfolgte von der Landeskasse getrennt. Die Domänenerträge flossen in die Kammerkasse, welche ebenfalls unter der Aufsicht des Finanzministeriums stand. Ihr Etat wurde jährlich von der Kammer entworfen und vom Herzog festgesetzt. Überschüsse fielen in die freie Disposition des Herzogs.862 Dies schloss einen freiwilligen Beitrag zu den Staatslasten natürlich nicht aus. Ein Anspruch der Stände war jedoch ausgeschlossen. Zur Rechnungsprüfung war die Rechnungskammer befugt. Sie musste den Ständen nachweisen, dass die Substanz des Kammergutes im Ganzen erhalten geblieben und das Kammergut nicht mit neuen Schulden belastet worden war.863 Damit stellte das Grundgesetz von 1829 nur einen ersten Schritt zur Überwindung des ständischen Finanzdualismus im Sinne Albrechts dar.864 b) Die Entstehungsgeschichte der Haushaltsverfassung von 1829 Wie bereits angedeutet, muss das Haushaltsrecht als eine Zusammenführung verschiedener Traditionen verstanden werden. Allerdings war anfangs noch keineswegs ausgemacht, in welche Richtung sich das gemeinschaftliche meiningische Recht entwickeln würde. Zunächst schien man geneigt zu sein, ganz dem Vorbild Saalfelds folgen zu wollen und möglicherweise noch darüber hinaus zu gehen.865 Neben den ständischen Steuereinnahmen sollten auch die bisher zur Kammer geflossenen Steuern einschließlich der Einkünfte aus Regalien und Staatsfiskusrechten der Landschaftskasse überwiesen werden. Die Landschafts860

Art. 81 lit. c) des Grundgesetzes von 1829. Etatentwurf für die Jahre 1831–1834, Historischer Auszug aus den Verhandlungen des vom 31.X.1830 bis zum 16.IV.1831 versammelt gewesenen Landtags HSM, S. 9 f., 51. 862 Art. 38 Abs. 4 des Grundgesetzes von 1829. 863 Art. 48 des Grundgesetzes von 1829. 864 I. Kapitel § 2 C.II.3. 865 § 6 Ziff. 4 des 1. Vorentwurfs vom 4.IX.1827, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XXIII 2, Bl. 13 RS. 861

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kasse wäre im Gegenzug für einen breiteren Ausgabenbereich zuständig gewesen.866 Den Ständen hätte alle drei Jahre ein Ausgabenvoranschlag einschließlich der zur Deckung erforderlichen Einnahmen aus Regalien, Staatsfiskusrechten und auf längere Zeit bewilligten indirekten Steuern vorgelegt werden müssen. Nach erfolgter Prüfung sollten die Stände über die zusätzlich erforderlichen direkten Steuern entscheiden.867 Damit hätten sie über ein weitreichendes Ausgabenbewilligungsrecht verfügt. Bei einer nicht bewilligten Budgetüberschreitung sollte ihnen das Recht zur Ministeranklage offen stehen.868 Diese Gedanken wurden später teilweise noch weiter geführt. So war an eine ausdrückliche Aufnahme der subsidiären Steuerbewilligung gedacht. Die Domäneneinkünfte sollten nach Abzug der Zivilliste869 ganz den Staatsbedürfnissen zugute kommen und nur bei nachgewiesener Insuffizienz dieser Einnahmen der noch fehlende Teil durch Steuern bestritten werden.870 Auch hierbei hätten die Stände ein vollwertiges Ausgabenbewilligungsrecht besessen.871 Die Frage, wie mit den Kammererträgen zu verfahren sei, wurde im weiteren Verlauf der Vorarbeiten immer wichtiger. So war Herzog Bernhard Erich Freund sehr daran gelegen, nicht von einer Zivilliste abhängig zu sein. Er zog es vor, dem Staatshaushalt einen bestimmten Anteil des Domänenüberschusses zu überweisen. So konnten er und sein Haus besser von einer Erhöhung der Domänenerträge profitieren.872 Dies war jedoch nicht der alleinige Grund. Dahinter stand auch eine bestimmte Vorstellung des Herzogs über das Verhältnis der Verfassungsorgane. Mit seiner und seines Hauses Stellung und Würde hielt er es für besser vereinbar, wenn die Stände vom Regenten den Domänenüberschuss zu fordern hätten. Hätte der Herzog dagegen die Stände um die Gewährung der Zivilliste bitten müssen, wäre dies nach Auffassung des Hauses einer Unterordnung gleichgekommen.873 Dies verhinderte aber nicht, dass im Staatsministerium weiter darüber nachgedacht wurde, „alle und jede Staatseinnahme und -ausgabe“ in einer Generalkasse zu zentralisieren.874 Die Stände hätten über diese Einnahmen und Ausga866 § 6 Ziff. 4 des 1. Vorentwurfs vom 4.IX.1827, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XXIII 2, Bl. 14. 867 § 6 Ziff. 4 des 1. Vorentwurfs vom 4.IX.1827, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XXIII 2, Bl. 14 RS. 868 § 6 Ziff. 4 des 1. Vorentwurfs vom 4.IX.1827, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XXIII 2, Bl. 14 RS. 869 § 102 des 2. Vorentwurfs vom 28.XI.1827, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XXIII 2, Bl. 78 RS. 870 § 93 des 2. Vorentwurfs vom 28.XI.1827, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XXIII 2, Bl. 76. 871 §§ 94, 95 des 2. Vorentwurfs vom 28.XI.1827, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XXIII 2, Bl. 76 RS. 872 Anmerkung zu einem Entwurf vom 19.XII.1827, ThStA Meiningen, GA Meiningen, XXIII 2, Bl. 148 RS, 149. 873 ThStA Meiningen, GA Meiningen, XXIII 3, Bl. 102. 874 ThStA Meiningen, GA Meiningen, XXIII 3, Bl. 160.

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ben mitzuentscheiden gehabt, allerdings – wegen der Zusammenfassung der Einnahmen – nunmehr nur noch unter dem Diktum der Bedingungsfeindlichkeit. Dieser auf den Jahresbeginn 1828 zu datierende Entwurf war der erste, welcher die Bedingungsfeindlichkeit einführte. Fortan war hiervon in jedem weiteren Entwurf die Rede – unabhängig davon, ob die Stände nur über die Steuereinnahmen875 oder über die gesamten Staatseinnahmen876 befinden sollten. Am 21. Juli 1828 legte die herzogliche Organisationskommission einen aus den vielen vorausgegangenen Entwürfen entstandenen Bericht nebst Verfassungsentwurf vor.877 Dieser Entwurf sah unter anderem vor, dass die Stände keine eigene Steuer- und Kassenverwaltung mehr haben sollten, dass die Domänen, ohne Staatseigentum zu werden, zu den Staatslasten beizutragen hätten und dass die Domänen- und Landeseinkünfte in eine gemeinsame Kasse fließen sollten.878 Als Grund für die Abschaffung der ständischen Kassenverwaltung wurde zum einen die Einführung des konstitutionellen Systems angeführt, welches nach Ansicht der Organisationskommission hinreichende Gewähr gegen eine Verschwendung der Steuermittel gab.879 Zum anderen hielt man eine Neuregelung wegen der angestrebten Kassenvereinigung verwaltungstechnisch für sinnvoll. Hätten die Stände die Kassenverwaltung dann nicht nur kontrolliert, sondern selbst ausgeübt, wäre dies nach Ansicht der Organisationskommission einer Übergabe der Staatsverwaltung an die Stände gleichgekommen. Um jedoch für eine sorgsame Verwaltung der Steuermittel zu sorgen, schien es erforderlich, die Staatsregierung etatmäßig zu binden und die so gebundene Finanzadministration durch die Stände effizient zu kontrollieren.880 Wegen der von der Organisationskommission vorgeschlagenen Zentralisierung der Finanzen musste es auch zu einer anderen Gestaltung der Etatfeststellung kommen.881 Zwar war nach wie vor ein Recht zur Ausgabenbewilligung vorgesehen, nunmehr aber in eingeschränkter Form. Denn die Stände sollten die Verwendung der Einnahmen allgemein bestimmen, nicht aber selbst vollziehend tätig werden.882 Um einen in diese Richtung gehenden Missbrauch auch des Steuerbewilligungsrechts zu

875

ThStA Meiningen, GA Meiningen XXIII 3, Bl. 233, 249 RS. ThStA Meiningen, GA Meiningen XXIII 4, Bl. 96, 96 RS, 116 RS, 121 RS. 877 ThStA Meiningen, GA Meiningen XXIII 4, Bl. 147 ff. 878 ThStA Meiningen, GA Meiningen XXIII 4, Bl. 169 RS, 170. 879 ThStA Meiningen, GA Meiningen XXIII 4, Bl. 171 RS. 880 ThStA Meiningen, GA Meiningen XXIII 4, Bl. 171. 881 Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass unter Beibehaltung der Trennung des Domänenvermögens vom Landeseinkommen die ständische Befugnis zur Ausgabenfestsetzung eine andere gewesen wäre, ThStA Meiningen, GA Meiningen XXIII 4, Bl. 224 RS. 882 ThStA Meiningen, GA Meiningen XXIII 4, Bl. 171. 876

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verhindern, war wiederum die Bedingungsfeindlichkeit der Steuerbewilligung vorgesehen.883 Aufgrund dieses Berichts wäre zu erwarten gewesen, dass der außerordentlichen Ständeversammlung ein vergleichbar fortschrittlicher Entwurf vorgelegt worden wäre. Dies geschah jedoch nicht. Vielmehr wurde in Frage gestellt, ob die Domäneneinkünfte überhaupt zu den Staatsbedürfnissen beitragen sollten.884 Dennoch gelang es im Laufe der Beratungen immerhin, die vielfach vorgesehene Überweisung der Einkünfte aus Regalien und sonstigen Staatsfiskusrechten an die Landeskasse in das Grundgesetz einzuführen. Die Stände erhielten die Zusage einer nachhaltigen Mitsprache bei der Verwaltung der Landeskasse,885 während die Bedingungsfeindlichkeit der Steuerbewilligung bereits im letzten Entwurf entfallen war und so nicht mehr diskutiert wurde. Übrig blieb die Formulierung des Artikels 82, wonach „Verwilligungen der Stände nicht einzelnen Personen und Stellen gegeben, sondern jedem Zweig der Staatsverwaltung im Ganzen erteilt und es der Staatsregierung überlassen bleiben sollte, die verwilligten Summen etatsmäßig zu verwenden“.886 Über ihren Sinn ist viel spekuliert und diskutiert worden, in den Beratungen der außerordentlichen Ständeversammlung spielte die Bestimmung jedoch kaum eine Rolle.887 Auf Nachfrage hatte die Regierung den Ständen erklärt, sie werde „auf einzelne Verwilligungen der Stände“ nicht eingehen.888 Es könnten aber dergleichen Wünsche ausgesprochen werden.889 Aus der geschilderten Genese des Haushaltsrechts erscheint es denkbar, dass es sich bei Artikel 82 zunächst um ein schlichtes Redaktionsversehen handelte – man beließ diese Norm im Entwurf, ohne sie noch wirklich zu brauchen, da die Stände nur ihre angestammten Befugnisse wahrzunehmen hatten. Nachdem man aber erkannt hatte, welches Potenzial die Norm bot, sollte sie eventuell bewusst die ständische Ausgabenbewilligung einschränken. Eine letztgültige Klärung dieser Frage konnte bei der bestehenden Quellenlage nicht erreicht werden.

883

ThStA Meiningen, GA Meiningen XXIII 4, Bl. 227 RS. Art. 38 des Grundgesetzentwurfs vom 26. Mai 1829, ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 1. 885 ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 34, Bl. 102 RS. 886 Grundgesetzentwurf vom 26. Mai 1829, ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 1. 887 ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 84, Bl. 84. 888 ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 84, Bl. 84. 889 ThStA Meiningen, HSM Landtag, Nr. 84, Bl. 84. 884

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

3. Das Finanzgesetz von 1831 Wie schon angesprochen, verwahrte sich eine Vielzahl der Abgeordneten der ersten ordentlichen Ständeversammlung gegen die finanziellen Bestimmungen des neuen Grundgesetzes. Die damit verbundene bedingte Eidesverweigerung hatte die Verhandlungen über das Finanzgesetz von 1831 zur Folge. Neben einer Klärung der Eigentumsfrage war den Ständen vor allem an der Wiedereinführung des Subsidiaritätsprinzips bei der Steuerbewilligung gelegen. Es sollten „nie mehr Steuern ausgeschrieben werden, als nach Anrechnung der Hoheitsgefälle und der Ueberschüsse der Domainencasse sich als Fehlbetrag in der Einnahme“ darstellten.890 Aber auch auf der Ausgabenseite begehrten die Abgeordneten zusätzliche Befugnisse. Sie wollten die Bedürfnisse des gesamten Staatshaushalts gemeinschaftlich mit dem Staatsministerium festgestellt sehen. Der so gefertigte Kassenetat sollte von der Finanzbehörde genau vollzogen werden.891 Verwiesen wurde dabei unter anderem auf die Verfassung Hildburghausens, welche den Ständen bereits das Mitbestimmungsrecht für den ganzen Staatshaushalt zugestanden habe.892 Damit war die Gegenseite natürlich nicht einverstanden. Sie gestand zwar ein, dass auch in den meiningischen und den hinzugekommenen Landen herkömmlich die subsidiäre Besteuerung gegolten habe. Allerdings müsste es zukünftig der Regierung vorbehalten bleiben, Art und Umfang des Beitrages zu den Staatslasten zu bestimmen. Daher wurde vorgeschlagen, die Trennung von Kammer- und Landeskasse zumindest buchungstechnisch beizubehalten und die Stände bei der Erstellung des Kammeretats wenigstens anzuhören.893 Das schließlich zustande gekommene Gesetz schrieb zwar den Grundsatz der subsidiären Steuererhebung fest,894 sorgte aber dafür, dass die Stände nur über die Verwendung der an die Landeskasse überwiesenen Mittel entscheiden konnten.895 Zwar konnte ein Teil des Domänenüberschusses der Landeskasse zugeführt werden,896 doch erfolgte dies zumeist nur zur Deckung des Defizits der Landeskasse.897 Die aus den Domäneneinkünften zu bestreitenden Staatsausgaben wurden lediglich mit Beirat der Stände festgesetzt.898 Für die 890 Historischer Auszug aus den Verhandlungen des vom 31.X.1830 bis zum 16.IV.1831 versammelt gewesenen Landtags HSM, S. 6. 891 Historischer Auszug aus den Verhandlungen des vom 31.X.1830 bis zum 16.IV.1831 versammelt gewesenen Landtags HSM, S. 6. 892 Historischer Auszug aus den Verhandlungen des vom 31.X.1830 bis zum 16.IV.1831 versammelt gewesenen Landtags HSM, S. 37. 893 Historischer Auszug aus den Verhandlungen des vom 31.X.1830 bis zum 16.IV.1831 versammelt gewesenen Landtags HSM, S. 8. 894 Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes über das Finanzwesen vom 27. April 1831, Sammlung der landesherrlichen Verordnungen im HSM 1831, S. 7 f. 895 Art. 9 Abs. 2 des Gesetzes über das Finanzwesen, a. a. O., S. 9. 896 Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes über das Finanzwesen, a. a. O., S. 7. 897 Vgl. etwa die Etats für 1838–1841, Verhandlungen des HSM Landtages 1838 Abt. 2, S. 230 ff.

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unverbrüchliche Einhaltung beider Teile des Hauptetats, des Domänenetats und des Landesetats sollten die Staatsdiener gegenüber dem Landesherrn und den Ständen gleichermaßen verantwortlich sein.899 Diese individuelle Verantwortlichkeit der Staatsdiener setzten die Stände kurz vor Abschluss der Gesetzesberatungen durch. Die zwischenzeitlich erwogene Verantwortlichkeit der Finanzbehörde lehnten sie ab, weil nach ihrer Anschauung eine Behörde nicht zur Verantwortung gezogen werden konnte.900 Zur besseren Übersichtlichkeit der Einnahmen und Ausgaben trug die Aufteilung des Hauptetats nicht bei. Es wurde üblich, die Ausgaben innerhalb eines Haushaltspostens zum Teil sowohl aus dem Domänenetat als auch aus dem Landesetat zu bestreiten.901 Im Ergebnis waren die Domäneneinkünfte nach Abzug einer Art Zivilliste in Höhe von 200.000 fl.902 zu etwa einem Drittel an den Staatsausgaben beteiligt.903 Besonders hoch war der Anteil der Domänenmittel an den Ausgaben für Kultus und öffentlichen Unterricht (28%), für die allgemeine Finanzverwaltung (47%), für die Forstverwaltung (96%), für das Hochbauwesen (87%), für die Forstakademie (50%), für die Pensionsleistungen (46%), für die Staatsschuldentilgung (35%) sowie für den Reservefonds (50%).904 Damit waren bedeutende Teile der Staatsausgaben der Mitentscheidung der Stände entzogen. Der Anteil der in die Landeskasse fließenden Einnahmen aus Regalien und Landesfiskusrechten sank dagegen von anfänglich 24%905 auf etwa 5%906. Folglich brachte auch das Finanzgesetz von 1831 den Ständen weder ein volles Ausgabenbewilligungsrecht noch eine wirksame Kontrolle über die Domänenerträge, wie sie Albrecht gefordert hatte.907

898

Art. 9 Abs. 2 des Gesetzes über das Finanzwesen, a. a. O., S. 9. Art. 9 Abs. 3 des Gesetzes über das Finanzwesen, a. a. O., S. 9. 900 Historischer Auszug aus den Verhandlungen des vom 31.X.1830 bis zum 16.IV.1831 versammelt gewesenen Landtags des HSM, S. 46. 901 Etats der Jahre 1838–1841, Verhandlungen des HSM Landtages 1838 Abt. 2, S. 230 ff. 902 Costabell, S. 14. 903 Etats der Jahre 1838–1841, Verhandlungen des HSM Landtages 1838 Abt. 2, S. 230 ff. 904 Etats der Jahre 1838–1841, Verhandlungen des HSM Landtages 1838 Abt. 2, S. 233. 905 Historischer Auszug aus den Verhandlungen des vom 31.X.1830 bis zum 16.IV.1831 versammelt gewesenen Landtags des HSM, S. 9. 906 Etat der Einnahme und Ausgabe der Landeskasse im Herzogthum S.-Meiningen für die Etatsperiode vom 1. April 1847–1850, ThHStA Weimar, Nachlass von Watzdorf, Nr. 8, Bl. 117; Etats der Jahre 1838–1841, Verhandlungen des HSM Landtages 1838 Abt. 2, S. 230 ff. 907 I. Kapitel § 2 C.II.3. 899

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

4. Das Gesetz des Jahres 1846 Das Domänengesetz von 1846 stellte die Beitragspflicht der Domänen zu den Staatslasten nicht grundsätzlich in Frage. Sein Zweck war vor allem die Begrenzung der Domänenbeiträge zum Staatshaushalt. Daher sollte der Landeskasse in der Zeit bis zum 1. April 1864 statt der Überweisung eines Teils des jeweiligen Überschusses jährlich ein fester Betrag von 30.000 fl. überwiesen werden.908 Da den Ständen nunmehr ein fester Betrag in Aussicht stand, wurde ihnen im Gegenzug jegliches Mitspracherecht bei der Erstellung des Domänenetats genommen und die entsprechenden Artikel des Finanzgesetzes von 1831 für unwirksam erklärt.909 Diese Neuerung wirkte sich nicht nur wegen der eingeschränkten Mitsprachebefugnisse negativ auf die Stände aus. Aus dem Landesetat mussten künftig auch Ausgaben getätigt werden, die zuvor zu einem Großteil aus dem Domänenetat geleistet worden waren. Die Summe der übernommenen Verpflichtungen überstieg den Betrag von 30.000 fl. bei weitem.910 5. Die Regelungen der Jahre 1848/1849 Daher lag den Ständen daran, zu den Regelungen des Finanzgesetzes von 1831 zurückzukehren. Dies erreichten sie nach Ausbruch der Revolution im März 1848.911 Das darauf ergangene Domänengesetz überwies dem Staatshaushalt nach Abzug der Zivilliste sämtliche Domänenerträge.912 Die Stände sollten nunmehr verfassungsgemäß zur Mitbestimmung über den gesamten Staatshaushalt befugt sein.913 Dies galt für die Jahre 1849 bis 1854.914

908 Art. 1 des Gesetzes vom 26. März 1846, mehrere Änderungen des Gesetzes über das Finanzwesen vom 27. April 1831 betreffend, Sammlung der landesherrlichen Verordnungen im HSM 1846, S. 147. 909 Art. 2 dieses Gesetzes, a. a. O., S. 147. 910 So der Vergleich zwischen den Etatsansätzen für die Jahre 1838–1841, Verhandlungen des HSM Landtages 1838, Abt. 2, S. 232 f., nach Abzug der Domänenbeiträge mit den Ansätzen der Jahre 1841–44 und 1847–50, Etat der Einnahme und Ausgabe der Landeskasse im Herzogthum S.-Meiningen für die Etatsperiode vom 1. April 1847–1850, ThHStA Weimar, Nachlass von Watzdorf, Nr. 8, Bl. 117 ff. 911 Gesetz vom 13. März 1848, die Verwendung der Domäneneinkünfte betreffend, Sammlung der landesherrlichen Verordnungen im HSM 1848, S. 3. 912 Artt. 1, 9 des Gesetzes vom 23. Mai 1849, das Domänenvermögen und die Civilliste betreffend, Sammlung der landesherrlichen Verordnungen im HSM, 1849, S. 199, 203. 913 Art. 1 des Gesetzes vom 23. Mai 1849 in Verbindung mit Art. 47 des Grundgesetzes von 1829. 914 Im Übrigen auch noch für den Etat der Jahre 1856–1859, vgl. die Zusicherung des Herzogs, Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 91.

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6. Das Gesetz von 1854 Auf den agnatischen Dissens von 1852 erging das Domänengesetz von 1854. Dieses bestimmte, dass das Domänenvermögen zunächst die Kosten der Hofhaltung und des Unterhalts der herzoglichen Familie zu tragen hatte. Die Hälfte der Domänenüberschüsse sollte jedoch der Landeskasse überwiesen werden.915 Bei der Feststellung des Domänenetats blieb es beim Anhörungsrecht für die Stände.916 Auch die getrennte Buchführung innerhalb der Finanzbehörde wurde aus dem Finanzgesetz des Jahres 1831 übernommen.917 Somit brachte dieses Gesetz bis auf die Besteuerung des Domänenvermögens918 keine wirklichen Neuerungen. 7. Das Domänengesetz von 1871 Das schiedsrichterlich vorbereitete Domänengesetz von 1871 gewährte den Ständen endlich die Mitentscheidung über den Domänenetat919 und schrieb die Überweisung der Hälfte des nach Abzug der Domänenjahresrente verbleibenden Überschusses der Domänenkasse an die Landeskasse fest.920 Allerdings wurde das Domänenvermögen wieder der Besteuerung entzogen.921 Spätere Versuche, das Domänenvermögen erneut zu besteuern, schlugen fehl.922 Damit konnte der ständische Finanzdualismus – vom Intermezzo der Jahre 1849 bis 1856 abgesehen – erst mit dem Domänengesetz von 1871 überwunden werden. Erst zu diesem Zeitpunkt erlangten die Stände die Kontrolle über die Domänenerträge.

915 Art. 7 des Gesetzes über das Domänen-Vermögen und dasjenige Schatull- und Allodialvermögen, dessen Ertrag vor dem Jahre 1849 zur Domänen-Kasse geflossen ist, Sammlung der landesherrlichen Verordnungen im HSM 1854, S. 325, 328. Zusätzlich die Versicherung des Herzogs, die Hälfte des Überschusses der Landeskasse zu überweisen, Verhandlungen des HSM Landtages 1854, Abt. 2, S. 83. 916 Art. 6 des Domänengesetzes von 1854, a. a. O., S. 328. 917 Art. 9 des Domänengesetzes von 1854, a. a. O., S. 328. 918 Art. 8 des Domänengesetzes von 1854, a. a. O., S. 328. 919 Art. 6 des Gesetzes vom 20. Juli 1871 über das Domänenvermögen, Landesherrliche Verordnungen des HSM, Abt. 1, S. 674, 676. 920 Artt. 10, 11 des Domänengesetzes 1871, a. a. O., S. 677. 921 Art. 8 Abs. 3 des Domänengesetzes 1871, a. a. O., S. 677. 922 So die Vorstöße seitens des Landtages in den Jahren 1906, 1910, 1917, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 1079, Bl. 168a, 168a RS, 238, 241. Vgl. auch Beuthener Zeitung vom 14.I.1918 (Nr. 12), S. 2.

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8. Haushaltsgesetz von 1879 Im Jahr 1879 wurde das Haushaltsrecht letztmalig reformiert und endlich auch umfassend kodifiziert. Demnach oblag den Ständen die Mitbestimmung über sämtliche Einnahmen und Ausgaben des Staates in der Form eines Etatgesetzes.923 Die Ausgaben waren in den Rechnungen unter den einzelnen Etattiteln auszuweisen.924 Als Etattitel galt jede Hauptposition des Spezialetats.925 Damit war die ständische Kontrolle endlich auch über die einzelnen Ausgabenpositionen gesetzlich bestätigt.926 Dafür wurde die Übertragung von Ersparnissen unter bestimmten Bedingungen innerhalb der dreijährigen Etatperiode zugelassen.927 Ersparnisse, welche am Ende der Budgetperiode noch vorhanden waren, wuchsen der Landeskasse zu.928 Ansonsten hielt man an der seit 1871 geübten Praxis fest, dass die eine Hälfte des Domänenüberschusses der Landeskasse überwiesen wurde, die andere Hälfte aber dem Herzog zugute kam.929 9. Die Auswirkungen in der Praxis Das bedeutete in der Praxis, dass dem Herzog ein Anteil von etwa zehn Prozent der gesamten Haushaltssumme zur freien Verfügung stand.930 Noch heute sind in Meiningen die Auswirkungen dieser finanziellen Möglichkeiten des Herzogs zu sehen. Dadurch, dass der Herzog in beträchtlichem Umfang eigene Mittel zur Verfügung hatte, konnte er sich ein für einen Kleinstaat eigentlich überdimensioniertes Kulturleben leisten. Die heute etwa 20.000 Einwohner zählende Kreisstadt zeigt rund um ihre prachtvoll ausgebaute Bernhardstraße eine erstaunliche Zahl repräsentativer Bauten, die man eher in einer der heutigen Landeshauptstädte vermuten würde. Im Mittelpunkt steht das Hoftheater, welches – ursprünglich von einer eigenen Theatergesellschaft gegründet – seit 1858 von den Herzögen auf eigene Rechnung betrieben wurde.931 Dieses Theater erarbeitete sich in der Folge mehr und mehr im Dienste der allgemeinen Bildung932 923 Art. 1 des Gesetzes vom 9. Juli 1879, betreffend die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Herzogthums und die Befugnis der Revisionsbehörde, Landesherrliche Verordnungen des HSM, Abt. 2, S. 984. 924 Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes vom 9. Juli 1879, a. a. O., S. 985. 925 Art. 9 Abs. 2 des Gesetzes vom 9. Juli 1879, a. a. O., S. 986. 926 Oberländer, S. 228. 927 Art. 9 Abs. 3 des Gesetzes vom 9. Juli 1879, a. a. O., S. 986. 928 Art. 13 des Gesetzes vom 9. Juli 1879, a. a. O., S. 987. 929 Art. 11 des Domänengesetzes 1871, a. a. O., S. 677. 930 Vgl. das Budget von 1897 (der Domänenüberschuss lag bei über 800.000 Mark), Anlage zum Abgabengesetz, Sammlung der landesherrlichen Verordnungen 1894–1898. 931 Kern, S. 10. 932 Kern, S. 11.

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einen mit Weimar vergleichbaren Ruf in Deutschland933 und ganz Europa.934 Gegenüber dem Theatergebäude wirkt das an abgelegener Stelle in der Innenstadt errichtete Landtagsgebäude eher unscheinbar. Die Kosten seiner Errichtung mussten aus dem Staatshaushalt bestritten werden; hier herrschten schon damals Sparzwänge.935 II. Auslegungsfragen Regierung und Stände stritten im Bereich des Haushaltsrechts vor allem über die Auslegung des Artikels 82 des Grundgesetzes von 1829. Hauptstreitpunkt war, ob die Stände lediglich über Ausgaben der verschiedenen Verwaltungszweige und besonderen Anstalten mitentscheiden konnten oder ob dies auch für einzelne Kapitel oder Titel innerhalb der Budgets dieser Verwaltungszweige zu gelten hatte. Wäre Letzteres der Fall gewesen, hätte sich die Regierung im Einzelnen daran halten müssen und wäre von Rechts wegen gehindert gewesen, Ersparnisse von einem Kapitel zu einem anderen Kapitel desselben Verwaltungszweiges zu übertragen.936 1. Die Auseinandersetzungen bis 1849 Die Stände monierten bereits wenige Jahre nach Erlass des Finanzgesetzes von 1831 das Vorgehen der Regierung bei der Vorlage der Etats. Sie begehrten eine genaue Prüfung der Regierungsvorlage und verweigerten daher zu diesem Zeitpunkt deren Annahme.937 Daraus ergab sich ein Streit über die Forterhebung der Steuern bei Fehlen eines ordentlichen Haushaltes.938 Hierbei hatte die Regierung aufgrund des Artikels 81 lit. b) des Grundgesetzes die besseren Argumente auf ihrer Seite. Der von den Ständen begehrte spezielle Nachweis der geplanten und auch geleisteten Ausgaben939 wurde von der Regierung zunächst halbherzig mit formalen Argumenten abgelehnt.940 Hierauf wurden die Stände deutlicher und for933

Kessler, S. 121. Kern, S. 16. 935 Winkler, S. 53 ff. 936 Costabell, S. 9; dieses Recht nahm das Staatsministerium ausdrücklich in Anspruch, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 38, Bl. 19 RS. 937 Verhandlungen des HSM Landtages 1834, Abt. 2, S. 100. 938 Verhandlungen des HSM Landtages 1835, Abt. 2, S. 107. 939 Verhandlungen des HSM Landtages 1835, Abt. 2, S. 359. 940 Verhandlungen des HSM Landtages 1835, Abt. 2, S. 386; freilich wies die Regierung bereits darauf hin, dass die Verwilligung im Ganzen der Prüfung des Landtages unterliege, die einzelne Verteilung aber Sache der Regierung sei; Verhandlungen des HSM Landtages 1835, Abt. 1, S. 229. 934

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derten die Regierung dazu auf, Abweichungen von den beschlossenen Spezialetats besonders zu rechtfertigen.941 Dies brachte das Ministerium endlich dazu, auf Artikel 82 des Grundgesetzes zurückzugreifen:942 Es sei nicht zu bestreiten, dass die Ausgaben für jeden Zweig der Staatsverwaltung im Ganzen zu verwilligen seien und der Staatsregierung die Feststellung und Verwendung im Einzelnen zustünde.943 Diese Auffassung zu teilen, waren die Stände nicht bereit. Sie legten fortan gegen die ihrer Meinung nach bereits erfolgten und künftigen Etatüberschreitungen Verwahrung ein und machten ihre verfassungsmäßigen Rechte ausdrücklich geltend.944 Bei Feststellung der Etats müsste den Ständen ein „genauer Anschlag“ der geplanten Ausgaben vorgelegt werden. Dies bedeute, dass die Stände über jede einzelne geplante Ausgabe zu informieren seien und auf dieser Grundlage das Ausgabenbudget feststellen würden.945 Diese Auslegung finde auch bei der Rechnungsprüfung ihre Bestätigung, weil dabei geprüft werde, ob die Ausgaben etatmäßig geleistet wurden.946 Die einseitige Anführung des Wortlauts von Artikel 82 entleere die in seinem Zusammenhang stehenden Verfassungsbestimmungen ihres Sinngehaltes.947 Eine Abweichung vom so festgestellten Etat sei unrechtmäßig und außerdem auch nicht erforderlich, da jeder Etat eines Verwaltungszweiges mit einem Kapitel für unvorhergesehene Ausgaben bedacht sei und überdies der Reservefonds ein flexibles Verwaltungshandeln ermögliche.948 All dies erlaube es dem Ministerium, die Etats unverbrüchlich einzuhalten.949 Darauf bestanden die Stände auch in den nachfolgenden Jahren bis 1848/49.950 2. Die Auseinandersetzungen nach 1849 Mit der Verabschiedung des Domänengesetzes von 1849 war offenbar eine neue Lage entstanden, da die Stände nicht mehr nur den Landesetat, sondern auch den gesamten Hauptetat mitbestimmten. Vor diesem Hintergrund951 prüfte das Staatsministerium, ob die jahrzehntelange Auslegung des Artikels 82 des 941

Verhandlungen des HSM Landtages 1835, Abt. 2, S. 520. Verhandlungen des HSM Landtages 1835, Abt. 1, S. 418 f., 428. 943 Verhandlungen des HSM Landtages 1838, Abt. 1, S. 221. 944 Verhandlungen des HSM Landtages 1838, Abt. 2, S. 362. 945 Verhandlungen des HSM Landtages 1838, Abt. 2, S. 388. 946 Verhandlungen des HSM Landtages 1838, Abt. 2, S. 388. 947 Verhandlungen des HSM Landtages 1838, Abt. 2, S. 388. 948 Verhandlungen des HSM Landtages 1838, Abt. 2, S. 389. 949 Verhandlungen des HSM Landtages 1838, Abt. 2, S. 389. 950 Verhandlungen des HSM Landtages 1841, Abt. 2, S. 203, 310; 1844, Abt. 2, S. 437 f.; 1847, Abt. 2, S. 246. 951 ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 38, Bl. 34, 44. 942

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Grundgesetzes von 1829 aufgegeben werden müsste.952 Dass dies erst Ende des Jahres 1852 geschah, verwundert, weil zu diesem Zeitpunkt bereits der Protest des Erbprinzen gegen das Domänengesetz bekannt war. Möglicherweise erwog die Regierung, ihre ständischerseits als ungünstig empfundene Auslegungspraxis im Zuge eines Kompromisses über ein neues Domänengesetz aufzugeben. Jedenfalls wurde in diesem Zusammenhang nochmals ausführlich die rechtliche Begründung eines eingeschränkten Verständnisses des Budgetrechts diskutiert. Ausgangspunkt war dabei die Bestimmung des Artikels 81 des Grundgesetzes. Nach Meinung des Staatsministeriums ließ diese Norm für sich genommen verschiedene Auslegungen zu.953 Ihr Wortlaut, wonach den Ständen ein genauer Anschlag dessen, was der Staat in „verschiedenen Beziehungen“ benötigte, vorzulegen sei, konnte isoliert betrachtet durchaus zur Begründung eines sehr spezialisierten Etats dienen.954 Vor dem Hintergrund des Artikels 47, der von den „verschiedenen Zweigen der Staatsverwaltung“ sprach, glaubte man aber, dass in Artikel 81 eine zwar andere, aber inhaltsgleiche Formulierung gewählt worden war.955 Die Formulierung des Artikels 47 bezog sich wiederum auf ein vorkonstitutionelles Edikt aus dem Jahr 1829.956 Artikel 24 dieses Edikts wies die „Regulierung aller Spezialetats der verschiedenen Verwaltungszweige“ dem Landesministerium zu.957 Sollten nun auch diese Spezialetats von der Mitbestimmung der Stände umfasst sein, bestand nach Auffassung der Regierung die Gefahr, dass die eigentliche Verwaltung auf die Stände überginge.958 Somit wähnte sich die Regierung einer drohenden Parlamentarisierung des Regierungssystems ausgesetzt, wie sie in England bereits verwirklicht war.959 Um dem zu begegnen, stützte sie sich wieder auf Artikel 82 des Grundgesetzes. Die Gegenüberstellung seiner beiden Absätze zeige deutlich, dass das Ministerium nur zur Einhaltung der Etats der Verwaltungszweige verpflichtet sei, die Einhaltung der Spezialetats aber im Ermessen des Ministeriums liege.960 Zu dieser strikten Auslegung glaubte die Regierung auch bundesrechtlich verpflichtet zu sein.961 Zwar erlaubte das Bundesrecht, die Stände an der Festsetzung des Staatsausga952

ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 38. ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 38, Bl. 5 RS. 954 ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 38, Bl. 4 RS. Der Hinweis darauf ist im Original durchgestrichen, was für die behutsame Vorgehensweise der Regierung spricht. 955 ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 38, Bl. 6. 956 Edict vom 21. Januar 1829 (Nr. 2), die Verfassung und den Geschäftsgang des Landesministeriums und des Geheimrathscollegiums betreffend, Landesherrliche Verordnungen des HSM, Abt. 1, S. 2 ff. 957 Edict vom 21. Januar 1829 (Nr. 2), a. a. O., S. 7. 958 ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 38, Bl. 5 RS. 959 ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 38, Bl. 11 RS. 960 ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 38, Bl. 14, 14 RS. 961 ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 38, Bl. 21 RS. 953

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

benbudgets zu beteiligen, sofern dies Verfassung und Gesetz ausdrücklich vorsahen.962 Dies schließe, so das Staatsministerium, grundsätzlich eine Verpflichtung zur Einhaltung auch der Spezialetats nicht aus. Die Einhaltung der Spezialetats könne jedoch nur moralisch und nicht rechtlich verbindlich sein,963 damit die Regierung nicht „gelähmt und kraftlos gemacht würde“.964 Schlussendlich führte die Beratung im Staatsministerium zu keiner Änderung der Haltung der Regierung. Der Landtag fügte sich dem insoweit, als er zur Vermeidung weiterer Differenzen zwar die von der Regierung vorgegebenen „Geschäftsformen vorläufig“ anzuerkennen bereit war, dessen ungeachtet aber an seinem rechtlichen Standpunkt festhielt.965 Dieses scheinbare Einlenken veranlasste das Staatsministerium, endgültig seine Verfassungsauslegung klarzumachen und den Ständen nicht nur ein erweitertes Ausgabenbewilligungsrecht, sondern auch das von der Verfassung vorausgesetzte Steuerverweigerungsrecht weitgehend streitig zu machen.966 III. Bewertung Das Spannungsverhältnis zwischen den Bestimmungen der Artikel 82, 81 und 47 des Grundgesetzes von 1829 konnte auch in der Folgezeit bis zum Erlass des Haushaltsgesetzes von 1879 nicht überwunden werden.967 Allerdings stellt sich noch heute die Frage, ob die Regierung die budgetären Rechte des Landtages wirklich nach einem apriorisch vorausgesetzten Verhältnis zwischen der Regierung und den Landständen beurteilte968 oder ob sie sich doch auf das positive Verfassungsrecht stützen konnte. Dem Wortlaut des Artikels 82 Abs. 1 zufolge waren die Ausgaben den einzelnen Verwaltungszweigen pauschal zuzuweisen. Der Regierung war die Verwendung im Einzelnen überlassen. Dabei konnte sie zwar nicht völlig frei entscheiden, aber die Pflicht zur etatmäßigen Verwendung war durch Artikel 82 Abs. 2 ausdrücklich zur Ermessensfrage geworden. Artikel 82 kann aber nicht losgelöst von den Artikeln 81 und 47 betrachtet werden. Während die Artikel 82 Abs. 1 und 47 Abs. 2 übereinstimmend von den verschiedenen „Zweigen der Staatsverwaltung“ sprechen und damit ohne systematische Widersprüche ausgelegt werden können, bringt die Formulierung des Artikels 81 lit. a), in dem vom in 962 Art. 20 der 60 Artikel der Wiener Ministerkonferenz vom 12. Juni 1834, bei Huber, Dokumente, Bd. 1, S. 140. 963 ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 38, Bl. 44 RS. 964 ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 38, Bl. 23 RS. 965 Verhandlungen des HSM Landtages 1853, Abt. 2, S. 373. 966 Verhandlungen des HSM Landtages 1853, Abt. 2, S. 413 f. 967 Costabell, S. 9. 968 So Friauf, S. 149 f.

§ 3 Das Herzogtum Sachsen-Meiningen

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„verschiedenen Beziehungen zu Zwecken des Staates“ Erforderlichen die Rede ist, einige Unklarheit mit sich. Artikel 81 lit. a) könnte auf eine über Artikel 82 hinausgehende Bindungswirkung hinweisen. Hätten die unterschiedlichen Formulierungen das Gleiche bedeuten sollen, hätte eine gleichlautende Fassung der fraglichen Bestimmungen nahe gelegen. Will man die drei genannten Artikel dennoch in einen sinnvollen Zusammenhang setzen, so erscheint es zum einen möglich, im Voranschlag nach Artikel 81 lit. a) nichts anderes zu sehen als die Grundlage zur Bemessung des Steuerbedarfs. Diese konnte durchaus spezialisiert sein. Artikel 82 hätte folglich allein den Rahmen für die Verwendung dieser festgesetzten Mittel gebildet und die Ausgabenansätze nach Artikel 81 lit. a) von der eigentlichen Ausgabenbewilligung entkoppelt. Zum anderen könnte das Ausgabenbewilligungsrecht bereits in der Festsetzung der Ausgabenansätze gelegen haben. Dann aber hätte Artikel 82 entweder eine zusätzliche Beschränkung der Ausgabenbewilligung dargestellt, oder aber er wäre schlichtweg überflüssig gewesen. Alle genannten Möglichkeiten können sich auf die in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck gekommenen Motive stützen. Die Auslegung der Regierung kann daher aus heutiger Sicht nicht beanstandet werden. Noch bestehende Zweifel mussten damals aus bundesrechtlichen Gründen zulasten der Stände gehen. Artikel 2 der 60 Artikel der Wiener Ministerkonferenz von 1834 verlangte ausdrücklich eine Auslegung im Lichte des monarchischen Prinzips.969 Obgleich die 60 Artikel kein förmliches Bundesrecht darstellten, bedeutete diese Verpflichtung zumindest eine Wiederholung der dem monarchischen Prinzip entspringenden Zuständigkeitsvermutung970 zugunsten des jeweiligen Fürsten. Damit hatten die meiningischen Stände erst spät ein umfassendes Ausgabenbewilligungsrecht. Bis 1871 war der Domänenetat der ständischen Mitentscheidung entzogen. Aber auch danach stand Artikel 82 des Grundgesetzes einer umfassenden Ausübung des ständischen Bewilligungsrechts entgegen.

E. Die Revolution von 1918 und der Verlauf der Vermögensauseinandersetzung bis heute Ohne größere Unruhen setzte sich die Revolution auch in Meiningen durch. Am 10. November 1918 sprachen Vertreter des Arbeiter- und Soldatenrates bei Herzog Bernhard III. vor und forderten ihn zur Abdankung auf. Es bedurfte keiner langen Diskussion, und der Herzog unterzeichnete die bereits vorbereitete Abdankungsurkunde.971 969 970

Bei Huber, Dokumente, Bd. 1, S. 137. Huber, Bd. 1, S. 654.

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

Bereits wenig später erklärte der vormalige Herzog, er sei bereit, „zu Gunsten des Staates auf die Rechte an dem Domänenvermögen“ zu verzichten. Dies setze aber voraus, dass bestimmte Gebäude und Grundstücke ausgegliedert würden und ein Kapital in Höhe von mindestens 1,9 Mio. Mark972 überlassen bleibe.973 Analog zu Artikel 17 des Domänengesetzes von 1871 sollte der neue Freistaat die Gehälter und Pensionen der Hofbeamten und sonstigen Bediensteten übernehmen.974 I. Die Auseinandersetzung nach dem 1. Weltkrieg Die hierauf begonnenen Verhandlungen kamen schon im Dezember 1918 zu einem Ergebnis. Der am 30. Dezember 1918 unterzeichnete und notariell beurkundete Vertrag975 sah einen vollständigen Verzicht des herzoglichen Hauses auf alle Vermögensrechte am Domänenvermögen vor.976 Der meiningische Staatsfiskus sollte hierauf, in Ausübung seines Rechts nach § 928 BGB,977 beantragen können, das Domänenvermögen (45.211 ha Domänenwald978 und 931.681 ha anderer Domänenliegenschaften979) im Grundbuch einzutragen. Darüber, dass die Domänen aufgrund des revolutionären Übergangs der Landeshoheit bereits dem Staat gehören könnten, machte man sich entweder keine Gedanken oder man suchte einfach eine pragmatische Lösung, um langwierigen Verhandlungen aus dem Weg zu gehen. Zugleich verzichtete das herzogliche Spezialhaus auf die Bezüge aus dem Domänenvermögen sowie die Domänenjahresrente.980 Neben dem Domänenvermögen wurde auch originäres Privatvermögen des Spezialhauses dem Freistaat übertragen.981 Als Gegenleistung erhielt das Haus Sachsen-Meiningen einen Betrag von 11 Mio. Mark, welcher nicht freies Vermögen des Chefs des Spezialhauses sein sollte.982 Solange für die Aufgabe des Domänenvermögens kein vollständiger agnatischer Konsens nachgewiesen war, konnte der Staatsfiskus den Betrag als Rente in Höhe von 4,5% 971

Moczarski, S. 81. ThStA Meiningen, HSM Landtag Nr. 1342, Bl. 140. 973 ThStA Meiningen, GA Meiningen, Urkunden B 2 Nr. 315, Bl. 1. 974 ThStA Meiningen, GA Meiningen, Urkunden B 2 Nr. 315, Bl. 1. 975 Vertrag zwischen dem Staatsfiskus des Staates Sachsen-Meiningen und dem herzoglichen Spezialhaus (Auseinandersetzungsvertrag), ThStA Meiningen, GA Meiningen, Urkunden B 2 Nr. 315, Bl. 3 ff. 976 § 1 Abs. 1 des Auseinandersetzungsvertrages, a. a. O. 977 § 1 Abs. 2 des Auseinandersetzungsvertrages, a. a. O. 978 Moczarski, S. 81 ff., 86. 979 Moczarski, S. 81 ff., 86. 980 § 4 des Auseinandersetzungsvertrages, a. a. O. 981 §§ 28 ff. des Auseinandersetzungsvertrages, a. a. O. 982 § 35 des Auseinandersetzungsvertrages, a. a. O.; diese Summe wurde nach der Inflation auf 8,25 Mio. Goldmark festgelegt, vgl. Schüren, S. 295. 972

§ 3 Das Herzogtum Sachsen-Meiningen

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der zu zahlenden Geldsumme auszahlen.983 Für den Fall, dass der Freistaat Meiningen zu einer sofortigen Zahlung des gesamten Geldbetrages nicht in der Lage sein sollte, konnte er ebenfalls von der Möglichkeit einer Rentenzahlung Gebrauch machen.984 Der genaue Inhalt dieses Vertrages wurde vertraulich behandelt985 und dem Landtag nur in groben Zügen vorgestellt.986 In seiner letzten Sitzung beschloss der schon seit 1909 amtierende Landtag einstimmig den Vertrag und das ihn begleitende Domänengesetz.987 Die vom Vertrag ebenfalls betroffenen, umfangreichen Kulturgüter Meiningens wurden 1919 in eine Stiftung eingebracht, welche dafür Sorge tragen sollte, dass die bestehenden Kulturstätten auch nach dem Aufgehen SachsenMeiningens im neuen Thüringen weitergeführt werden konnten.988 Zwei Jahre später erwarb das nun Teil des neuen Landes Thüringen gewordene Gebiet Meiningen das ehemalige Hoftheater nebst den angeschlossenen Grundstücken vom herzoglichen Haus.989 Eingeschlossen war auch der für den Theaterbetrieb erforderliche Fundus des Theaters.990 Der gesamte Vertrag wurde dabei noch einmal unter den Vorbehalt des agnatischen Konsenses gestellt.991 Dies schien den Beteiligten nicht weiter bedenklich, da sie offenkundig davon ausgingen, einen bürgerlich-rechtlichen Kaufvertrag abzuschließen.992 Das Theater war danach nicht mehr als Eigentum des herzoglichen Spezialhauses im Grundbuch vermerkt, sondern als Eigentum des Gebietes Meiningen.993 II. Die Fürstenenteignung 1948 und die Restitution nach der Wiedervereinigung Wie im restlichen Thüringen war das Vermögen des meiningischen Spezialhauses von den Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg betroffen. Ende 983

§ 37 des Auseinandersetzungsvertrages, a. a. O. § 38 des Auseinandersetzungsvertrages, a. a. O. 985 Schüren, S. 295. 986 Verhandlungen des Landtages Sachsen-Meiningen 1918, Abt. 1, S. 243 ff. 987 Verhandlungen des Landtages Sachsen-Meiningen 1918, Abt. 1, S. 246, 248. 988 Moczarski, S. 81 ff., 116. 989 ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 1076, Bl. 167. 990 § 2 des Kaufvertrages, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 1076, Bl. 167. 991 § 13 dieses Vertrages, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 1076, Bl. 167. 992 Das geht implizit aus dem Schreiben des Staatsministeriums an das Herzogliche Hofmarschallamt vom 5.11.1919 hervor, ThStA Meiningen, Staatsministerium, Abt. 1, Nr. 1076, Bl. 5. 993 Diesbezüglicher Grundbuchauszug, ThStA Meiningen, Staatsministerium Abt. 1, Nr. 1076, Bl. 122, 125. 984

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

1948 wurde das gesamte unbewegliche und bewegliche Vermögen des ehemaligen Fürstenhauses entschädigungslos enteignet und zu Volkseigentum erklärt.994 Die Auseinandersetzungsverträge wurden allesamt aufgehoben. Damit entfiel auch die auf der Abfindungssumme basierende, vertraglich versicherte Jahresrente. Nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 machte das Haus SachsenMeiningen die ihm nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz zustehenden Ansprüche geltend. Unbewegliches Vermögen konnte danach freilich nicht zurückgegeben werden. Nach längeren Verhandlungen einigte man sich darauf, dass die sich in Meiningen befindlichen, umfangreichen Sammlungen der Kulturstiftung Meiningen erhalten bleiben sollten. Im Gegenzug wurden einige wenige Gegenstände den Mitgliedern des Hauses zurückgegeben.995

F. Zusammenfassung und Ergebnis In Sachsen-Meiningen führte weder der Reichsdeputationshauptschluss noch die Rheinbundsakte zu einer nennenswerten Gebietserweiterung, welche die Ausübung souveräner Herrschaftsbefugnisse erfordert hätte. Anders als die Regenten Badens oder auch Sachsen-Weimar-Eisenachs konnte der Herzog in Sachsen-Meiningen seine Herrschaft ohne weiteres auf seine ererbte Legitimation und auf das Eigentum an den Domänen gründen. Die Gebietsvergrößerung des Jahres 1826 hatte eine dynastisch-vertragliche Grundlage, so dass es auch hier eigentlich keiner wesentlichen Veränderungen bedurft hätte. Jedoch brachten die hinzugekommenen Teile Sachsen-Hildburghausens und Sachsen-CoburgSaalfelds eigene Verfassungstraditionen mit, welche im gemeinschaftlichen Grundgesetz von 1829 zusammengeführt wurden. Im Einzelnen ergeben sich folgende Antworten auf die im I. Kapitel aufgeworfenen Fragen nach der Verfassungskonzeption, nach der Stellung des Fürsten im Staat und seinem Verhältnis zum Staat, nach dem Eigentum an den Domänen und der Ertragshoheit über die Domänenerträge einschließlich der Folgen für das ständische Budgetrecht: – Die Verfassung von 1829 wies – unter dem Einfluss der Verfassung SachsenCoburg-Saalfelds – äußerlich Strukturen einer Vollverfassung wie in HessenDarmstadt, Bayern oder Württemberg auf. Allerdings handelte nahezu die Hälfte der Verfassungsbestimmungen von den Ständen, ihrer Zusammensetzung und ihren Kompetenzen. Ähnlich wie in Sachsen-Weimar-Eisenach blieb die Bildung der Ständeversammlung an die Zugehörigkeit zu einem 994 Insbesondere durch das Gesetz über die Enteignung der ehemaligen Fürstenhäuser im Lande Thüringen, RegBl. für das Land Thüringen Teil I, 1948, S. 115. 995 So der thüringische Kultusminister Goebel am 9. September 2004 vor dem Landtag, Verhandlungsniederschrift des Thüringer Landtags, 4. Wahlperiode, 2. Sitzung, S. 126.

§ 3 Das Herzogtum Sachsen-Meiningen

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Stand und einen gewissen Zensus gebunden. Außerdem hatten die einzelnen Stände gewisse Minderheitenrechte. Gleichwohl sollten die Abgeordneten Vertreter des ganzen Landes sein. Recht spärlich fielen die Bestimmungen zu den Grundrechten aus. Damit wies das Grundgesetz von 1829 erste Ansätze staatsrechtlicher Strukturen auf. Es fehlte aber noch eine das ständische Denken überwindende Ausrichtung am Allgemeininteresse, wie es Albrecht gefordert hatte. – Am Verhältnis des Herzogs im Staat und zum Staat zeigte sich der nach 1826 notwendig gewordene Kompromiss zwischen den verschiedenen Verfassungstraditionen. Der Herzog wurde zum einen als Staatsoberhaupt bezeichnet, zum anderen sollte an die Tradition der Landesherrschaft angeknüpft werden. Dies zeigte sich vor allem am Verhältnis des herzoglichen Spezialhauses zum Staat. Wohlerworbene Rechte der Agnaten konnten ohne ihre Zustimmung nicht dauerhaft beschränkt oder dem Staat übertragen werden. Offenbar wich man mit der Zeit aber davon ab, auch den Konsens des Gesamthauses für erforderlich zu halten. Dies zeigte sich zum Beispiel bei der Änderung des Hausgesetzes im Jahr 1896 und bei der Behandlung der lippischen Thronfolgefrage durch den Gesandten Sachsen-Meiningens im Bundesrat. Bemerkenswert ist, dass selbst nach der Revolution von 1918 die neue Regierung die Zustimmung der Agnaten zum Auseinandersetzungsvertrag und zur Veräußerung des Theaters forderte. Damit hatte sich in Sachsen-Meiningen bis 1918 der Wandel vom Herrn zum Haupt noch nicht vollständig vollzogen. Der Herzog hatte sich noch nicht von seinen privatfürstlichen Bindungen an sein Haus gelöst. Er blieb als Staatsoberhaupt Landesherr und damit Träger der Landeshoheit. – Das Eigentum an den Domänen blieb bis zur Revolution von 1918 als Eigentum des herzoglichen Domänenfiskus eingetragen. Die Änderungen im Jahr 1848 blieben ein Intermezzo. Nachdem sich der revolutionäre Rauch verflüchtigt hatte, wurde die Verstaatlichung der Domänen wieder rückgängig gemacht, was den bis 1871 andauernden Domänenstreit auslöste. Im Domänengesetz von 1871 wurde der Eigentumsfrage lediglich zweitrangige Bedeutung beigemessen. Nur zu einem geringen Teil wurde bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes Landeseigentum anerkannt. Eine abschließende Auseinandersetzung zwischen Privat- und Staatsvermögen sollte erst im Fall des Erlöschens der Regierung durch das sächsische Gesamthaus erfolgen. Im Mittelpunkt stand vorerst noch die Frage der Domänenerträge. – Über die Konzeption der Haushaltsverfassung wurde bereits im Vorfeld der Verfassungsgebung 1828/1829 diskutiert. Dabei ging es um die Zuweisung der Domänenerträge und die Ausgestaltung der ständischen Haushaltsbefugnisse. Im Raum standen dabei die Einführung einer Zivilliste öffentlicher oder privater Art sowie die Vereinigung der Kassen. Die Frage der Kassen-

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II. Kap.: Die staatsrechtliche Entwicklung

verwaltung stand in engem Zusammenhang mit dem Budgetrecht. Das Grundgesetz von 1829 stellte letztlich einen Kompromiss zwischen den bisherigen Verfassungen dar: Es hob die in Hildburghausen vorgesehene Staatsguteigenschaft der Domänen auf und überwies im Gegenzug die Regalienerträge dem Landeshaushalt. Dies entsprach im Ergebnis weitgehend der Haushaltsverfassung Sachsen-Coburg-Saalfelds. Dort konnten die Stände mitnichten über alle Einnahmen und Ausgaben des Staates entscheiden. Die Ausdehnung der Ertragshoheit der Landeskasse auf die Regalien durch das Grundgesetz Sachsen-Meiningens von 1829 ging mit einer Einschränkung des Ausgabenbewilligungsrechts einher. Daran änderte auch das Finanzgesetz von 1831 nichts. Unter seiner Geltung wurde der Domänenetat nur mit Beirat – also nach bloßer Anhörung – der Stände, der Steueretat dagegen mit Zustimmung der Stände erlassen. Etwa ein Drittel der Staatsausgaben wurde folglich aus dem so festgestellten Domänenetat bestritten. Ein volles Ausgabenbewilligungsrecht der Stände – wie von Friauf angenommen – ergab sich damit nicht. Erst nach Beilegung des Domänenstreits im Jahr 1871 erhielten die Stände die Befugnis, auch über den Domänenetat und damit über die gesamten Staatsausgaben mitzuentscheiden. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte der ständische Finanzdualismus, gemessen an Albrechts Maßstäben, als überwunden gelten. Stellt man diese Ergebnisse nun insgesamt den Kriterien Albrechts996 gegenüber, so wird deutlich, dass das Herzogtum Sachsen-Meiningen wohl noch zu den von Albrecht nicht namentlich genannten Territorien gehört haben muss, in denen die Idee der rechtsfähigen Staatsperson noch nicht „in vollem und gleichem Maße“997 zum Durchbruch gekommen war. Die dargestellten geschichtlichen Abläufe zeigen vielmehr, dass Sachsen-Meiningen staatsrechtlich in einem ähnlichen Zustand stehen blieb wie Sachsen-Weimar-Eisenach. Allerdings wurden in Sachsen-Meiningen die alten patrimonialen Strukturen deutlicher und früher abgelöst.998 Ein Beziehungsgeflecht zwischen den Untertanen und den Staatsorganen begann sich zu entwickeln. Die in diese Richtung weisende Verwaltung sowohl der Landeskasse als auch der Kammerkasse durch die Regierung löste das altständische System aber nur bedingt ab. Erst von 1871 an konnten die Stände auch über die Verwendung der Domänenerträge mitentscheiden. Außerdem erfolgte keine vollständige Ablösung des Landesherrn vom Staat. Dies zeigte sich, wie beschrieben, vor allem bei der Lösung der Domänenfrage: Die Domänen blieben dem Domänenfiskus unterstellt. Daneben bestand vom Landesfiskus verwaltetes ständisches Eigentum. Das Herzogtum Sachsen-Meiningen hatte sich bis zum Ende der Monarchie im Jahr 1918 noch 996 997 998

Im I. Kapitel § 2 C.II. Albrecht, S. 5 (1493). Über die vergleichbare Rechtslage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, Bohley, S. 177.

§ 3 Das Herzogtum Sachsen-Meiningen

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nicht in dem Maße zur Rechtsperson verwandelt, dass es selbst als Staat Eigentum haben konnte. Vielmehr deutete die Verfassungskonzeption auf eine Verkörperung Sachsen-Meiningens durch den Herzog hin. Der Herzog blieb also bis zuletzt Träger der Landeshoheit. Die Domänenregelung erwies sich damit als folgerichtig.

III. Kapitel

Das Untersuchungsergebnis § 1 Allgemeine Zusammenfassung Die vorangegangene Untersuchung hat gezeigt, dass die Domänenfrage mit dem Verfassungsrecht der deutschen Staaten eng verbunden war und die staatsrechtliche Entwicklung in Deutschland widerspiegelte. Die Fürsten, die bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches nach und nach die volle Landeshoheit erlangten, standen zunächst noch den alten Ständen gegenüber. Im Zuge der Auflösung des Alten Reiches wurden die Fürsten nach außen souverän und nutzten diese Souveränität vielfach zur Beseitigung des Feudal- und Ständesystems. Dabei wurden zusehends Staats- und Privatrecht voneinander getrennt. Dies schlug sich in der Verselbständigung des Staates gegenüber dem Fürsten nieder und zeigte sich bei der Behandlung des Domäneneigentums und der Domänenerträge. Dort, wo die Domänen dann Staatseigentum wurden, war der Staat als Rechtspersönlichkeit grundbuchfähig geworden. Die bereits im I. Kapitel geweckten Zweifel daran, dass es, wie von Friauf angenommen, schon im Vormärz ein umfassendes ständisches Ausgabenbewilligungsrecht gab, konnten im weiteren Verlauf der Arbeit bestätigt werden. Damit unterschied sich die Entwicklung in den deutschen Bundesstaaten Mitte des 19. Jahrhunderts deutlich von den Verhältnissen in Frankreich und Großbritannien. In Großbritannien hatte sich das Parlament, nachdem die Domänen in seine Verwaltung überführt worden waren, nach und nach das volle Budgetrecht erstritten, was zur Ausbildung des – von der Restauration so gefürchteten – parlamentarischen Regierungssystems führte. In Frankreich, dessen Charte von 1814 Vorbild einiger deutscher Verfassungsurkunden war, hatte sich trotz der verstaatlichten Domänen ein umfassendes parlamentarisches Budgetrecht herausgebildet, ohne dass es vorerst zu einer Parlamentarisierung der Regierung gekommen wäre. Bei der Klärung der ebenfalls zu Anfang aufgeworfenen Frage nach der positivrechtlichen Verankerung staatlicher Rechtspersönlichkeit konnte eine weitgehende Übereinstimmung zwischen der im Domäneneigentum zum Ausdruck gekommenen Rechts- und Vermögensfähigkeit des Staates auf der einen Seite und der staatsrechtlichen Organisation in den deutschen Bundesstaaten auf der anderen Seite festgestellt werden. Dies hatte sich bereits mit Blick auf Frankreich

§ 2 Die jeweilige Verfassungskonzeption

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und Großbritannien angedeutet. In Frankreich hatte bereits der absolutistische Staat Eigentum. In Großbritannien, das bis heute keine formelle Verfassung besitzt, blieben die Domänen dagegen im Eigentum der Krone, wurden aber in die Verwaltung des Parlaments überführt. In der weiteren Darstellung der Verfassungsverhältnisse in Baden, SachsenWeimar-Eisenach und Sachsen-Meiningen haben sich in einigen grundlegenden Strukturfragen weitgehende Übereinstimmungen gezeigt: In allen diesen Staaten hatten die Stände mit Ausnahme des Haushaltsrechts vergleichbare Befugnisse. In diesem Rahmen waren auch die Kompetenzen der Fürsten vergleichbar. Jedoch zeigten sich erhebliche Abweichungen bei der jeweiligen Verfassungskonzeption, bei der Stellung des Fürsten im Staat und bei seinem Verhältnis zum Staat, beim Eigentum an den Domänen sowie bei den Haushaltsbefugnissen der Stände.

§ 2 Die jeweilige Verfassungskonzeption Im Vorfeld der Analyse der Verhältnisse in Baden, Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Meiningen war die Frage aufgekommen, ob die jeweilige Verfassung umfassend die wichtigsten Belange des Staatslebens regelte, sich also als konstitutionelle Vollverfassung darstellte, oder ob sie nur enumerativ die Befugnisse der Stände aufzählte und somit dem Typ eines landständischen Grundgesetzes entsprach. Der weitere Verlauf der Untersuchung ergab dabei folgende Resultate: I.

Die badische Verfassungsurkunde orientierte sich, auch wenn sie von der französischen Charte geprägt war, im Aufbau tendenziell noch am landständischen Modell Sachsen-Weimar-Eisenachs. Die meisten Bestimmungen handelten von den Landständen. Der Stellung des Großherzogs und den Fragen der Thronfolge wurde nur unwesentlich mehr Beachtung geschenkt als in Sachsen-Meiningen. Dagegen wurden Grundrechte in einem beachtlichen Umfang garantiert. Die Struktur und Zusammensetzung der Landstände entsprach weithin dem Repräsentationsgedanken. Damit ging die badische Verfassung von 1818 inhaltlich über das Maß hinaus, das vom Aufbau her zu erwarten gewesen wäre, und knüpfte bereits wesentliche der von Albrecht geforderten staatsrechtlichen Bande.

II. Große Übereinstimmung zwischen der formellen Verfassungskonzeption und dem materiellen Gehalt lässt sich beim Grundgesetz Sachsen-WeimarEisenachs von 1816 feststellen. Es handelte nahezu ausschließlich von den Landständen und wies dem Repräsentationsgedanken keine besondere Bedeutung zu. Grundrechte wurden bei der Publikation zugesichert, Bestandteil des Verfassungstextes waren sie aber nicht. Staatsrechtliche Strukturen im Sinne Albrechts führte das Grundgesetz von 1816 nicht ein.

208

III. Kap.: Das Untersuchungsergebnis

III. Das Grundgesetz Sachsen-Meiningens aus dem Jahr 1829, welches das an Sachsen-Weimar-Eisenach orientierte Grundgesetz von 1824 ablöste, zeigt auf den ersten Blick eine erstaunliche Übereinstimmung mit den Verfassungen Hessen-Darmstadts, Württembergs und Bayerns. Alle wesentlichen Fragen des Staatslebens wurden angesprochen. Allerdings blieb es vielfach bei Merkzetteln,1 wie man heute sagen würde. Insbesondere die Stellung des Landesherrn oder Staatsoberhaupts wurde nur rudimentär behandelt, auch die Grundrechte erfuhren keine bedeutende inhaltliche Ausgestaltung. Dagegen standen materiell nach wie vor die Landstände im Mittelpunkt der Verfassungsgebung. Damit entwickelten sich staatsrechtliche Ansätze zwar früher als in Sachsen-Weimar-Eisenach, den Entwicklungsstand Badens erreichte Sachsen-Meiningen vorerst jedoch nicht. Damit ermöglicht der erste Überblick über die jeweiligen Verfassungen keine wirkliche Einordnung der untersuchten Staaten anhand der Albrecht’schen Kriterien (Ablösung von Staats- und Privatrecht, Staatsorganisation, Staatseigentum, Überwindung des Dualismus in Haushaltsfragen)2. Inhaltlich kann aber eine Abstufung nach der Bedeutung des Repräsentationsgedankens vorgenommen werden. In Baden kam dieser schon in beachtlichem Umfang zum Ausdruck. Dies zeigte sich nicht nur an der Stellung der Stände, sondern auch am Wahlmodus der 2. Kammer. Diese wurde als Vertretung des ganzen Volkes verstanden und nicht nach Ständen getrennt bestellt. Auch die Verfassungen Sachsen-Weimar-Eisenachs und Sachsen-Meiningens lehnten sich am Gedanken der Repräsentation des ganzen Landes an. Die Landtage wurden dort aber nach wie vor vom Ritter-, Bürger- und Bauernstand bestimmt. Diese Stände hatten jeweils besondere Minderheitenrechte. Die Landtagsorganisation entsprach eher dem altständischen Modell. Die von Albrecht geforderte Ausrichtung der Stände am Allgemeininteresse und in deren Folge die Überwindung des ständischen Dualismus war in Sachsen-Meiningen und besonders in Sachsen-Weimar-Eisenach nur schwach ausgeprägt. Baden dagegen erfüllte weitgehend dieses Kriterium Albrechts.

§ 3 Die Stellung des Fürsten im Staat und sein Verhältnis zum Staat Ebenso wie die Frage nach der Verfassungskonzeption ist auch die Frage nach der Stellung des Fürsten im Staat und seinem Verhältnis zum Staat thematisiert worden. Als zentrales Problem hat sich dabei die Verbindung des Wan1 In Anlehnung an die so genannte Merkzettelgesetzgebung im Rahmen der Schuldrechtsreform des Jahres 2002, vgl. Ehmann/Sutschet, S. 12, 151. 2 Im I. Kapitel § 2 C.II.

§ 3 Stellung des Fürsten im Staat und sein Verhältnis zum Staat

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dels vom Herrn zum Haupt mit der Ablösung des Fürsten von seinen privatrechtlichen Bindungen an das Fürstenhaus herausgestellt. Aus der Untersuchung Badens, Sachsen-Weimar-Eisenachs und Sachsen-Meiningens ergibt sich Folgendes: I.

Die badische Verfassungsurkunde sah – wenn auch nicht ausdrücklich – im Großherzog das Staatsoberhaupt mit allen damit verbundenen Kompetenzen. Die hausrechtlichen Thronfolgeregelungen wurden Teil des materiellen Verfassungsrechts. Änderungen daran hätten ohne agnatischen Konsens vorgenommen werden können. Ausgenommen blieben aber Verfügungen über die Domänen. Diese auch aus heutiger Sicht unklare Rechtslage erlaubt keine eindeutige Zuordnung Badens. Sicher erscheint nur, dass der Großherzog schon mehr Haupt als Herr war.

II. In Sachsen-Weimar-Eisenach war man offenbar nicht geneigt, das Verhältnis des Fürsten zum Staat überhaupt zu thematisieren. Sicher vereinigte der Großherzog die Regierungsgewalt in sich, eine Absonderung des Staatsoberhauptes als Staatsorgan wurde jedoch nicht vorgenommen. Der Großherzog galt unverändert als Träger der Landeshoheit. Es blieb auch beim gleichrangigen Verhältnis von Verfassungsrecht und Privatfürstenrecht. III. Wiewohl das zweite Grundgesetz von Sachsen-Meiningen sich vom Aufbau an staatsrechtlich geprägte Verfassungen anlehnte, ließ es die Stellung des Herzogs im Unklaren. Der Herzog hatte alle Befugnisse eines souveränen Landesfürsten. Dass er als Landesherr oder Staatsoberhaupt bezeichnet wurde, brachte aber zum Ausdruck, dass das Grundgesetz teilweise an der patrimonialstaatlichen Tradition festhielt. Die Thronfolge orientierte sich an der nicht in den Verfassungstext inkorporierten Primogeniturordnung aus dem Jahr 1802. Damit wurde ansatzweise auch die Frage des Verhältnisses von Privatfürstenrecht und Verfassungsrecht beantwortet. Beide Rechtsgebiete galten offenbar als gleichrangig, was sich am Erfordernis des agnatischen Konsenses beim Erlass wesentlicher hausverfassungsrechtlicher Bestimmungen zeigte. Der Herzog wurde als Landesherr Staatsoberhaupt und blieb somit Träger der Landeshoheit. Die untersuchten Beispiele belegen, dass im Deutschland des frühen 19. Jahrhunderts zwar alle Fürsten von Bundes wegen zu Souveränen geworden waren. In der einzelstaatlichen Praxis wurde aber von dieser neuen Souveränität, die man teilweise als widernatürlich empfand, nicht überall in gleichem Maße Gebrauch gemacht. In den beiden thüringischen Staaten lag dies wahrscheinlich daran, dass eine Souveränitätsausübung zur Beseitigung der ständischen und der patrimonialstaatlichen Traditionen nicht durchsetzbar gewesen wäre. In Sachsen-Weimar-Eisenach zeigte sich dies schon im Zuge der Verfassungsberatungen und später bei der Vereinbarung einer strikten Kassentrennung zwischen Großherzog und Ständen. Die Beachtung des agnatischen Dissenses im Rahmen

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III. Kap.: Das Untersuchungsergebnis

des Domänenstreits stützt zusätzlich diese Beobachtung. In Sachsen-Meiningen konnte der ständische Einfluss zwar häufig zurückgedrängt werden, gegenüber der eigenen Familie konnten sich die jeweiligen Herzöge aber kaum einseitig durchsetzen. Im von der napoleonischen Neuordnung Süddeutschlands geprägten, vergleichsweise weit fortgeschrittenen Baden zeigten sich keine eindeutigen Rechtsverhältnisse. Dort konnten die teilweise noch vorhandenen Stände nach Erlangung der Souveränität beseitigt werden, die Thronfolge wurde staatsrechtlich ausgestaltet. Dagegen wurde der privatrechtliche Charakter der Domänen nur wenig von den neuen Souveränitätsverhältnissen berührt. Dementsprechend konnten in diesem Punkt die patrimonialen Traditionen – in Ermangelung einer eindeutigen Ablösung des Staatsrechts vom Privatfürstenrecht – weiter am Leben erhalten werden. Versuche zur Beseitigung dieser überkommenen Bindungen scheiterten offenbar mehrfach am Widerstand der Agnaten. Damit kann festgehalten werden, dass – mit unterschiedlichen Ausprägungen – alle drei untersuchten Staaten die ersten Kriterien Albrechts (Ablösung von Staats- und Privatrecht, Staatsorganisation) nicht vollständig erfüllten und die Rechtspersönlichkeit noch nicht in vollem Maße zur Ausprägung kam. Dass die Landeshoheit zumindest in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eher noch beim Fürsten und nicht beim Staat zu suchen war, zeigte sich bei der Lösung der Domänenfrage.

§ 4 Das Eigentum an den Domänen Anschließend konnte erörtert werden, wem das Eigentum an den Domänen zustand – dem Landesherrn, den Ständen oder möglicherweise dem mittlerweile rechtsfähig gewordenen, beide umfassenden Staat. Während man sich in Sachsen-Weimar-Eisenach zunächst nur wenig Gedanken über das Eigentum an den Domänen machte, waren die Regierenden in Baden und Sachsen-Meiningen schon im Rahmen der Verfassungsgebung darauf bedacht, jegliche Rückschlüsse von der Designation der Domänenerträge auf die Rechtsnatur der Domänen zu unterbinden. I.

In Baden wurde in § 59 ausdrücklich bestimmt, dass der Charakter der Domänen als Familienprivatgut trotz der Ertragszuweisung an die Staatskasse erhalten bleiben sollte. Damit sollte vor allem dem Eindruck entgegengewirkt werden, die Domänen könnten Staatsgut sein. Diesen hatten verschiedene seit dem Jahr 1806 erlassene Verordnungen erweckt.

II. Dagegen kam man in Sachsen-Weimar-Eisenach offenbar erst spät auf die Idee, den Domänen die Eigenschaft eines Staatsgutes zuzuschreiben. Vereinzelte Ansätze einer Kassenvereinigung in den Jahren nach 1817 betrafen nur die Vermögensverwaltung und nicht die Eigentumsverhältnisse. Erst im Vorfeld der revolutionären Ereignisse von 1848/49 tauchte der Gedanke

§ 4 Das Eigentum an den Domänen

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einer Verstaatlichung der Domänen auf. Die daraufhin erzielte Einigung mit der großherzoglichen Regierung war aber nur von kurzer Dauer. Auf den agnatischen Protest hin hob man die Vereinbarung mit den Ständen wieder auf und wies die Bestandteile des nunmehr wieder als Eigentum des großherzoglichen Hauses aufgefassten Domänenvermögens entsprechend aus. III. Der Herzog von Sachsen-Meiningen wollte den Verdacht eines möglichen Staatseigentums an den Domänen erst gar nicht aufkommen lassen und schrieb sowohl das Eigentum der herzoglichen Familie an den Domänen als auch die Zuweisung der Erträge an das herzogliche Spezialhaus im Grundgesetz von 1829 fest. Welche Domänen davon erfasst waren, wurde immer wieder diskutiert, was schließlich zu einem langwierigen Domänenstreit führte. Dieser konnte erst 1871 beigelegt werden. Dabei kam es aber zu keiner umfassenden Vermögensauseinandersetzung zwischen dem Großherzog und den Ständen. Vielmehr sollte eine solche erst im Falle einer Mediatisierung vorgenommen werden. In allen drei Staaten wurden die Einkünfte des Regenten schließlich – in Übereinstimmung mit den 60 Artikeln – an den Domänenertrag gekoppelt.3 Lediglich in Baden bezeichnete man diese Domänenrente als Zivilliste. In Sachsen-Weimar und Sachsen-Meiningen war dagegen der private Charakter der Einkünfte bis zum Ende der Monarchie offenkundig. Daraus folgt, dass die untersuchten Länder, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, an der überkommenen privaten Herrschaftsbegründung festhielten. Besonders deutlich kam dies in Sachsen-Meiningen zum Ausdruck, wo sich etwa 20% der gesamten Landesfläche im Privatbesitz der herzoglichen Familie befanden.4 Ähnliches galt auch für Sachsen-Weimar-Eisenach. In Baden war dieser Aspekt nicht mehr ganz so wichtig. Hier hatte, wegen des nur noch geringen Anteils ererbten Landes, die erlangte und ausgeübte Souveränität eine größere Bedeutung. Das Festhalten am Domäneneigentum und die Radizierung der Zivilliste auf seine Erträge sollte wohl die ansonsten öffentlich-rechtlich ausgeübte Herrschaft familienintern festigen. Für die thüringischen Staaten ist noch ein anderer Aspekt von Bedeutung: Besonders in der 1848er Revolution war die Idee eines gemeinsamen thüringischen Staates sehr attraktiv. Eine Vereinigung zu diesem Zeitpunkt hätte die Übertragung der Domänen – sollten sie Staatsgut sein – auf das neue Gemeinwesen zur Folge gehabt. Dass die Domänen auch als Privatgüter infolge ihrer Pertinenzqualität möglicherweise auf einen neuen Staat übergegangen wären, ließ man außer Acht.

3 4

Artt. 19 und 20, Text bei Huber, Dokumente, Bd. 1, S. 137 ff., 140 f. Schmidt, S. 1.

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III. Kap.: Das Untersuchungsergebnis

Damit entspricht die Eigentumsregelung in Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Meiningen vollauf Albrechts Beobachtungen. Die Domänen blieben Eigentum des Landesherrn beziehungsweise seines Hauses, weil ein rechtspersönlicher Staat fehlte. In Baden dagegen gab es zwar kein staatliches Domäneneigentum, was am Übergang der Landeshoheit auf den Staat zweifeln lässt, Eigentum des Staatsfiskus war aber generell anerkannt.

§ 5 Die Ertragshoheit über die Domänenerträge und die Folgen für das ständische Budgetrecht Wegen der großen Bedeutung der Domänen für die Finanzierung der Regierungsaufgaben konzentrierte sich die Untersuchung abschließend auf die Auswirkungen der Eigentumslage der Domänen auf die Ertragshoheit über die Domänenerträge und die Folgen für das ständische Budgetrecht. I.

In Baden flossen die Domänenerträge nach Abzug der Zivilliste in die Staatskasse. Die Stände erhielten zur Berechnung des Steuerbedarfs die Ansätze sämtlicher Staatsausgaben zugeleitet, eine Befugnis zur Ausgabenbewilligung war damit zunächst nicht verbunden. Erst im Jahr 1850 erlangten die Stände in der Staatspraxis das Ausgabenbewilligungsrecht und die Kontrolle über sämtliche Staatseinnahmen.

II. Die Stände in Sachsen-Weimar-Eisenach erachteten zunächst eine Trennung der Kammer- und der Landschaftskasse für den besten Weg, die Kammerschulden abzutragen. Dementsprechend verfügten sie nur über die Steuereinnahmen und über die daraus zu tätigenden Staatsausgaben. Auf die Kammererträge, also auch auf die Einkünfte aus Regalien, hatten sie keinen Einfluss. Nach der im Zuge der Revolution von 1848/49 eingetretenen Kassenvereinigung wurde durch das revidierte Grundgesetz von 1850 das ständische Recht zur Ausgabenbewilligung auf alle Staatseinnahmen erweitert. Daran änderte auch die Rücknahme der Verstaatlichung der Domänen nichts. Allerdings nahmen nach 1850 die Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den Ständen über die Bindung der Regierung an die Etats zu. Dies kann nur dadurch erklärt werden, dass die Regierung genau wahrgenommen haben muss, wie sehr sie durch die Überweisung der Domänenerträge an die Staatskasse an Möglichkeiten eigener Politikgestaltung eingebüßt hatte. III. Eine vergleichbare Entwicklung zeigte sich in Sachsen-Meiningen. Dort verfügten die Stände nach dem Grundgesetz von 1824 zunächst über die gleichen Haushaltsbefugnisse wie in Sachsen-Weimar-Eisenach. Die Herzogtümer Sachsen-Hildburghausen und Sachsen-Coburg-Saalfeld kannten von Verfassungs wegen ähnliche Rechtsverhältnisse. Die Verhältnisse in

§ 5 Die Ertragshoheit über Domänenerträge und die Folgen

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Sachsen-Coburg-Saalfeld unterschieden sich nur dadurch, dass hier der Ausgabenetat als Gesetz angesehen wurde. Besondere Folgen hatte dies aber nicht. Während das gemeinsame Grundgesetz von 1829 die Einkünfte aus Regalien und Landesfiskusrechten der Landeskasse überwies, schränkte es zugleich – bewusst oder unbewusst – das ständische Budgetrecht durch die Bestimmung des Artikels 82 ein. Der Herzog sollte vorerst nicht verpflichtet sein, auch nur einen Teil des Domänenüberschusses dem Staatshaushalt zu überweisen. Damit waren die Stände nicht einverstanden und erwirkten im Finanzgesetz von 1831 eine Wiederherstellung der subsidiären Besteuerung. Ein Mitentscheidungsrecht hatten die Stände danach nur bei der Verwendung der Einnahmen der Landeskasse. Bei der Feststellung des Domänenetats mussten sie nur angehört werden. Sobald die Domänenerträge der Landeskasse überwiesen wurden und die Stände damit auch über ihre Verwendung bestimmen konnten, nahmen die Konflikte zwischen der Regierung und den Ständen über die Bindungswirkung der Etats zu. Nach Beilegung des Domänenstreits im Jahr 1871 flossen die Domänenüberschüsse nach Abzug der Domänenjahresrente zur Hälfte in den Staatshaushalt. Der Domänenetat wurde mit Zustimmung der Stände festgestellt. Erst damit hatten die Stände de facto das volle Ausgabenbewilligungsrecht erhalten. Diese Punkte zeigen, dass das Finanzverfassungsrecht in Sachsen-WeimarEisenach und Sachsen-Meiningen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht annähernd mit dem Budgetrecht der preußischen Kammern vergleichbar war. Das Ausgabenbewilligungsrecht war im Wesentlichen auf die Steuererträge beschränkt. Zugleich bestand der ständische Finanzdualismus im Sinne Albrechts fort. In Baden trugen die Domänen in großem Umfang zur Deckung der Staatslasten bei, die Kammern konnten anfangs jedoch nur über die Steuererhebung befinden. Unter der Herrschaft des monarchischen Prinzips erscheinen beide Lösungen folgerichtig. Ein auf die Steuererträge beschränktes Ausgabenbewilligungsrecht ließ den Monarchen noch genügend Spielraum zur eigenen Regierung. So ermöglichte es die Zuweisung der Domänenerträge an die Kammer in SachsenWeimar-Eisenach und Sachsen-Meiningen den Landesherrn, kostspielige Kulturprojekte zu verwirklichen. Eine Abhängigkeit von den Ständen hatten sie dabei nicht zu befürchten. Solange unter anderem in solchen Fragen die Unabhängigkeit der Regierung gewährleistet war, wurden von Seiten des Deutschen Bundes keine Einwände gegen die Finanzverfassungen der thüringischen Staaten erhoben.5 Das badische und bayerische Budgetrecht stand in anderer, aber ebenso effektiver Weise einer 5

Insbesondere Art. 20 der 60 Artikel, bei Huber, Dokumente, Bd. 1, S. 140.

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III. Kap.: Das Untersuchungsergebnis

Abhängigkeit der Regierung von den Ständen entgegen: es sprach den Ständen nur das Steuerbewilligungsrecht zu. Damit verhinderte es die Parlamentarisierung des Verfassungssystems. Nach 1850 fürchteten sich die Regierungen offenbar nicht mehr so sehr davor, dass das ständische Ausgabenbewilligungsrecht eine Parlamentarisierung des Systems herbeiführen könnte. Daher erlangten die Stände der untersuchten Staaten in dieser Zeit die Kontrolle über die Domänenerträge und konnten über deren Verwendung mitentscheiden. Damit war der ständische Finanzdualismus, wie ihn Albrecht beobachtet hatte, überwunden. Die Domänenfrage hat also in den untersuchten Staaten bis zur Revolution 1918 eine einheitliche Beantwortung erfahren. Die Domänen blieben letztlich Familienprivatgut. Ihre Erträge kamen aber erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts weitgehend den jeweiligen Staatskassen zugute. Diesem Befund entsprach in der Regel auch die Verfassungskonzeption einschließlich der Stellung des Fürsten.

§ 6 Übertragung der Resultate auf die übrigen deutschen Staaten Nun stellt sich die Frage, ob die bei der Analyse der untersuchten Referenzstaaten erzielten Ergebnisse auf die übrigen Glieder des Deutschen Bundes übertragen werden können.

A. Zum Eigentum an den Domänen und zur Ertragshoheit über die Domänenerträge Nach den Ausführungen des I. Kapitels kann nicht von einer einheitlichen Lösung der Domänenfrage in ganz Deutschland ausgegangen werden. In den deutschen Bundesstaaten zeigte sich ein differenziertes Bild: – In den meisten Kleinstaaten, zu denen Braunschweig, Sachsen-Coburg-Gotha, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, die beiden Reuß, Schaumburg-Lippe und Lippe gehörten, gab es eine mit Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Meiningen vergleichbare Rechtslage.6 Allerdings hatten die Stände dort oftmals kein Ausgabenbewilligungsrecht über die Steuereinnahmen.7 Die Domänen 6

Degen, S. 23 ff.; Weil, S. 62 ff. Anders nur in Braunschweig nach der Landschaftsordnung von 1820, § 17 Abs. 1, Verf.-Urk. von Sachsen-Hildburghausen 1818, § 2 lit. c); Verordnung von Schaumburg-Lippe 1816, § 2 Ziff. 1); Waldeckischer Landesvertrag 1816, § 25 lit. a), b); Nachweise bei Pölitz, Bd. I. 7

§ 6 Übertragung der Resultate auf die übrigen deutschen Staaten

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waren Privatgut der Fürsten beziehungsweise ihrer Familien. Die Domänenerträge flossen zunächst noch in die Kammerkasse. – In Hannover8 und Baden, später auch in Sachsen-Weimar-Eisenach flossen die an sich privaten Domänenerträge nach Abzug der Zivilliste in die Staatskasse. In Baden waren die Stände bis 1850 auf das unbedingte Steuerbewilligungsrecht beschränkt, während die Stände in Hannover (nach 1840) und in Sachsen-Weimar-Eisenach (nach 1850) nur über die aus der Landeskasse zu tätigenden Ausgaben mitbestimmen konnten. – In Hessen-Darmstadt und Württemberg wurden die Domänen in Staats- und Privatgut aufgeteilt, wobei sämtliche Erträge nach Abzug der Zivilliste der Staatskasse zuflossen. Dabei blieben die Stände in Hessen-Darmstadt auf das unbedingte Steuerbewilligungsrecht beschränkt, während sie in Württemberg schon früh die Befugnis erhielten, über die Verwendung der Staatsausgaben mitzuentscheiden. Nach Beilegung des Domänenstreits in Sachsen-Meiningen wurden geringe Teile des Domänenvermögens in Landeseigentum verwandelt. Dort konnten die Stände über die Verwendung der Domänenerträge nach Abzug der Domänenjahresrente fortan weitgehend mitentscheiden. Eine vergleichbare Entwicklung zeigte sich in Sachsen-Altenburg und Oldenburg.9 – In den Königreichen Preußen, Bayern, Sachsen und zunächst auch Hannover wurden sämtliche Domänen in Staatsgüter verwandelt. Ihre Erträge kamen allein der Staatskasse zugute. Die Stände konnten jedoch nicht von Anfang an über die Ausgaben mitentscheiden. Hannover bildete in der Zeit von 1833 bis 1837 eine Ausnahme. Hier flossen die Domänenerträge in die Staatskasse. Die Stände hatten ein Mitbestimmungsrecht bei sämtlichen Ausgaben. Das war sicher ein Grund für die Auslösung des hannoverschen Verfassungsstreites.10 Das Staatseigentum an den Domänen blieb also nicht ohne Auswirkungen auf die jeweiligen Staatshaushalte. Dort, wo die Domänen Staatsgut wurden, flossen ihre Erträge in die Staatskasse, aus der der Fürst dann seine Kronrente oder Zivilliste bezog. Gleichzeitig wurden die Befugnisse der Stände, über die Verwendung der Staatsausgaben mitzuentscheiden, deutlich eingeschränkt und das Steuerbewilligungsrecht bedingungsfeindlich ausgestaltet. Die Macht der Fürsten gründete sich hier nicht mehr auf ihre Herrschaft über Grund und Boden, sondern auf das staatliche Gewaltmonopol. Blieben die Domänen dagegen fürstliches Privateigentum, flossen ihre Erträge in der Regel der fürstlichen Kammer zu. Dies schloss Beiträge zur von 8 §§ 129, 135, 136 des Landesverfassungsgesetzes vom 6.VIII.1840, bei Pölitz, Bd. IV, S. 152 ff., 176 ff. 9 Degen, S. 22, 25; Weil, S. 80 ff. 10 So auch Friauf, S. 50 f.

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III. Kap.: Das Untersuchungsergebnis

der Kammerkasse nach wie vor getrennten Landeskasse natürlich nicht aus. Der Fürst erzielte in diesen Ländern sein Einkommen aus dem Domänenvermögen, ohne vom Landesetat abhängig zu sein. Dies ermöglichte es, den Ständen in einigen Fürstentümern ein Mitentscheidungsrecht über die aus Steuermitteln zu tätigenden Ausgaben einzuräumen, ohne das monarchische Prinzip zu tangieren. Es gab aber auch Zwischenlösungen, bei denen das fürstliche Privateigentum an den Domänen beibehalten wurde, die Domänenerträge nach Abzug der Zivilliste dem Staatshaushalt zuflossen und die Stände kein volles Budgetrecht besaßen. Hier war die Vorstufe einer Verstaatlichung der Domänen – die Kassenvereinigung – bereits vollzogen. Man zögerte aber den letzten Schritt zu tun, wie das Beispiel Badens zeigt.

B. Übereinstimmungen zwischen der Behandlung der Domänen und der Verfassungskonzeption einschließlich der Stellung des Fürsten Die Anfang des 19. Jahrhunderts gegebenen Verfassungen wiesen formale und inhaltliche Unterschiede auf, welche Spiegelbild der staatsrechtlichen Entwicklung waren. Landständisch geprägte Grundgesetze beschränkten die Befugnisse der Landstände auf die wenigen ausdrücklich aufgezählten Fälle und beließen die Stellung des Fürsten dem Staat und seinem Haus gegenüber unangetastet. In den an der französischen Charte orientierten Staaten wurden die Beziehungen der Untertanen zum Staat, das Verhältnis von Fürst und Ständen sowie die Stellung des Fürsten als Staatsoberhaupt umfassend geregelt. Die Behandlung der Domänen wie auch ihrer Erträge war damit regelmäßig eng verbunden: – In den Bundesstaaten, in denen die Domänen wenigstens teilweise zu Staatsgut erklärt wurden (Preußen, Bayern, Württemberg, Sachsen, Hessen-Darmstadt), hatte sich der Wandel vom Herrn zum Haupt vollzogen. Sofern Verfassungen gegeben wurden, regelten sie hier alle wesentlichen Belange des Staatslebens, so auch die Thronfolge. Dass dies zumeist flächenmäßig große Staaten betraf, sticht ins Auge. Offenbar hat die Größe des jeweiligen Landes – von Mediatisierung und Säkularisation begünstigt – eine Ablösung der dynastischen Bindungen beschleunigt. – In den Bundesstaaten, in denen die Domänen Privatgut blieben (SachsenWeimar-Eisenach, zu Anfang auch Sachsen-Meiningen sowie Braunschweig, Sachsen-Coburg-Gotha, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, die beiden Reuß, Schaumburg-Lippe und Lippe), gab es, wenn überhaupt, bis weit ins 19. Jahrhundert hinein landständische Grundgesetze. Diese zählten lediglich die Befugnisse der Stände enumerativ auf, ohne den Thronfolgeanspruch oder die

§ 6 Übertragung der Resultate auf die übrigen deutschen Staaten

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Stellung des Fürsten zu thematisieren.11 In den mecklenburgischen Fürstentümern blieb es – von der Revolutionszeit abgesehen – bis 1918 bei den Regeln des Landesgrundgesetzlichen Erbvergleichs von 1755.12 In allen diesen Bundesstaaten sorgte die Überschaubarkeit des Landes, verbunden mit dem nur geringen Gebietszuwachs nach 1803, dafür, dass die patrimonialen Strukturen kaum in Frage gestellt wurden. Die privatfürstenrechtlichen Bindungen erhielten sich. Die Fürsten blieben Träger der Landeshoheit und damit Eigentümer der Domänen. – Dazwischen stand anfangs allein Baden, wo Eigentum des Staatsfiskus nicht unbekannt war, die Domänen aber Privatgut blieben; ihre Abtretung an den Staat ohne agnatischen Konsens gelang vorerst nicht. Die vom Aufbau her zwar landständisch geprägte Verfassung wies inhaltlich wesentliche staatsrechtliche Züge auf. Ähnlich entwickelten sich die Verhältnisse in SachsenMeiningen nach Inkrafttreten des Grundgesetzes von 1829 – wenn auch in abgeschwächter Form. In den Staaten, die den Wandel vom Herrn zum Haupt vollzogen, erfolgte in der Regel auch eine Änderung des Thronfolgeanspruchs. Beides war Spiegelbild der Entwicklung vom Land zum Staat. Insbesondere die Veränderung des Thronfolgeanspruchs brachte die Ablösung des Staatsrechts vom Privatrecht zum Ausdruck. War es dem Monarchen wie in Preußen möglich, einseitig staatsrechtliche Strukturen wie Veränderungen an der Thronfolge oder am Domänenvermögen durchzusetzen, konnte er ohne Zweifel als souverän gelten und hatte das Privatfürstenrecht hinter sich gelassen. Hier waren agnatische Ansprüche gegen einseitige Verfügungen des Fürsten nicht mehr haltbar. Allerdings wurde der mit der Verstaatlichung des Thronfolgeanspruchs verbundenen Veränderung vom Anspruch auf das Land zum Anspruch im Staat in der Praxis offenbar nur im Zusammenhang mit der Domänenfrage Bedeutung beigemessen. Wurden die Domänen verstaatlicht, blieb dem Fürsten zur Herrschaft nur 11 In Braunschweig jedenfalls bis 1832, die neue Landschaftsordnung aus diesem Jahr weist aber Ähnlichkeiten mit dem Grundgesetz Sachsen-Meiningens von 1829 auf, vgl. Pölitz, Bd. I, S. 1192 ff.; Sachsen-Coburg-Gotha erhielt erst nach der Revolution von 1848/1849 eine beständige Verfassung, vgl. Jonscher, S. 36; ähnlich verhielt es sich in Schwarzburg-Rudolstadt, wo bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Verordnung vom 8. Januar 1816, bei Pölitz, Bd. I, S. 1064 f., galt, vgl. Jonscher, S. 36.; Schwarzburg-Sondershausen erhielt 1841 ein Landesgrundgesetz, das die altständischen Strukturen ablöste, vgl. Pölitz, Bd. IV, S. 298 ff.; in Reuß ä. L. kam es erst im Jahr 1867 zur formellen Verfassungsgebung, vgl. Jonscher, S. 36; in Reuß j. L. war dies bereits infolge der Revolution von 1848/49 der Fall, vgl. Jonscher, a. a. O.; Schaumburg-Lippe besaß bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine auf der Verordnung vom 15. Januar 1816 basierende landständische Verfassung, bei Pölitz, Bd. I, S. 1104 ff.; das Fürstentum Lippe hatte seit 1836 eine landständische Verfassungsurkunde, die aber keine staatsrechtlichen Strukturen einführte, vgl. den Text bei Pölitz, Bd. IV, S. 340 ff. 12 Wieden, Helge bei der, S. 8 f.

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III. Kap.: Das Untersuchungsergebnis

noch die Berufung auf seine ererbte Legitimation und auf den Staat. Der Staat selbst war rechts- und vermögensfähig, ja sogar souverän geworden, während der Landesherr zum Staatsorgan wurde. Der Übergang der Domänen verstand sich dort infolge ihrer Pertinenzqualität von selbst. Blieb der Fürst dagegen noch Landesherr, behielt er neben der Landeshoheit zumeist mit den Domänen auch eine eigene Herrschaftsbasis an Grund und Boden. Die patrimonialen Strukturen lebten weiter, und das Privatfürstenrecht behielt seine Bedeutung bei. Dies kam vor allem bei der Behandlung des agnatischen Konsenses oder Dissenses zum Ausdruck. Solange die Agnaten erfolgreich Schritte zur Einrichtung staatsrechtlicher Strukturen bekämpfen konnten, war es dem Monarchen nicht möglich, seine Souveränität und daran anknüpfend den Übergang zur Staatsperson zu manifestieren. Hier war die Persönlichkeitsbildung des Staates noch nicht abgeschlossen.

§ 7 Abschließende Bewertung und Ergebnis der Dissertation Aus alldem ergibt sich die Lösung der in der Einleitung aufgeworfenen Fragen:

A. Die Frage nach der Reichweite des Ausgabenbewilligungsrechts Von Württemberg abgesehen verfügte bis zur Revolution von 1848 keine der Ständeversammlungen in Deutschland dauerhaft über ein volles Ausgabenbewilligungsrecht. In den thüringischen Staaten konnten die Stände fast nur über die Verwendung der Steuermittel mitentscheiden und keineswegs alle Staatsausgaben beeinflussen. Vielmehr blieb ihnen die Mitbestimmung über den Domänenetat regelmäßig verwehrt. Damit hatten die Stände in einigen wichtigen Angelegenheiten des Staates wie der Bildung oder der Justiz nur ein eingeschränktes Mitspracherecht bei der Ausgabenbewilligung. Dieses Ausgabenbewilligungsrecht war dabei keine Erfindung des frühen 19. Jahrhunderts, sondern ein Relikt des altständischen Systems. Das belegt in eindrucksvoller Weise die strikte Kassentrennung in Sachsen-Weimar-Eisenach nach 1821. Aber auch in SachsenMeiningen wurde die Rückbesinnung auf das altständische System im Zuge der Verfassungsberatungen von 1828/1829 deutlich. Mit den Befugnissen der preußischen Kammern nach der Verfassungsurkunde von 1850 sind die Kompetenzen der Stände in Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Meiningen, SachsenCoburg-Saalfeld und Sachsen-Hildburghausen daher nicht annähernd zu vergleichen.

§ 7 Abschließende Bewertung und Ergebnis der Dissertation

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B. Die Frage nach der Positivierung staatlicher Rechtspersönlichkeit Auch die weitgehende Übereinstimmung der staatsrechtlichen Entwicklung der untersuchten Bundesstaaten mit der Lösung der Domänenfrage sticht ins Auge. In den Staaten, die eine positivrechtlich verfasste Staatsorganisation aufwiesen (1. Kriterium Albrechts), zeigte sich zugleich die Rechts- und Vermögensfähigkeit des souveränen Staates (2. Kriterium Albrechts). Zugleich hatten diese Staaten den ständischen Dualismus weitgehend überwunden (3. Kriterium Albrechts). Diejenigen Fürstentümer dagegen, die kein staatliches Domäneneigentum kannten, hatten zumindest bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts auch keine wirkliche Staatsorganisation. Es ist natürlich nicht zwingend, aufgrund dieses Zusammenhangs den zuletzt angesprochenen Fürstentümern die Rechts- und Vermögensfähigkeit abzusprechen. Es liegt aber nahe, die Entwicklung zur staatlichen Rechtspersönlichkeit dort als nicht abgeschlossen anzusehen, wo darüber hinaus zwei voneinander getrennte Finanzsysteme (Kammer- und Landeskasse) bestanden. Denn dort war nicht der Staat Zuordnungssubjekt der jeweiligen Finanzbeziehungen, vielmehr standen den Untertanen die Fürsten beziehungsweise die Stände gegenüber. Eine Fürst und Stände umfassende Persönlichkeit war weder im Alltag erkennbar, noch war sie erforderlich. Die Regierungsaufgaben konnten, gerade wegen der fortbestehenden fürstlichen Herrschaftsbegründung auf Grund und Boden, besonders in den Kleinstaaten noch in den altständischen Bahnen erledigt werden. Solange die Domänen fürstliches Privatgut blieben, dienten sie hier zugleich der Herrscherlegitimation. Hinzu kommt, dass es regelmäßig zwar ein Regelwerk für das Verhältnis von Fürst und Ständen gab, dieses aber gerade nicht der Organisation des Staates dienen sollte, sondern – in der Tradition der mittelalterlichen Herrschaftsverträge – lediglich der gegenseitigen Machtbegrenzung. Damit mangelte es an einer wesentlichen und überwiegend anerkannten Voraussetzung für das Bestehen jeglicher Rechtspersönlichkeit: der durch Satzung erfolgten Organisation einschließlich der Zuweisung von Kompetenzen an die einzelnen Organe.13 Lediglich nach einer innerhalb der organischen Staatslehre vertretenen Auffassung hätten satzungslose Gemeinwesen aufgrund einer a priori bestehenden organischen Persönlichkeit rechts- und vermögensfähig sein können. Doch hätte es nach dieser Ansicht 13 Unter anderem dieses Kriterium hat jüngst auch der BGH herangezogen, um die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft zu begründen, BGH, NJW 2005, S. 2061 ff., 2063. Dabei hat er insbesondere das Vorliegen einer Satzung, die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen, das Vorhandensein von Organen und die Unauflöslichkeit der Gemeinschaft angeführt. Diese Punkte sind mutatis mutandis auf Albrechts Kriterium von der Staatsorganisation übertragbar.

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III. Kap.: Das Untersuchungsergebnis

einer organischen Verbindung zwischen Fürst, Ständen und Untertanen bedurft. Man darf also vermuten, dass es auch diese Rechtsgelehrten abgelehnt hätten, einem Verband ohne erkennbare und nachvollziehbare organisatorische Strukturen Rechtspersönlichkeit zuzusprechen. In der Praxis der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigte sich in den Verfassungen Bayerns, Württembergs, Hessen-Darmstadts und Sachsens sowohl die tatsächliche als auch die rechtliche Grundlage des rechtspersönlichen Staates. Diese Verfassungen etablierten, anders als von Otto Mayer angenommen, nicht nur Organe. In diesen Staaten waren zugleich die Domänen größtenteils verstaatlicht und die Kassen vereinigt. Das sah tatsächlich nach einer juristischen Person aus,14 die die Staatsorgane umfasste und der deren Handeln zuzuordnen war. Bestand eine solche Rechtsperson dagegen nicht, so genügte, wie etwa bis heute in Großbritannien, die das Parlament einschließende Krone oder in den deutschen Kleinstaaten der Fürst als Zuordnungssubjekt der Regierungsgewalt. Es sprechen also über den bloßen empirischen Befund hinaus gute Gründe für die Annahme, dass Gemeinwesen, die das Privatfürstenrecht vom Staatsrecht nicht trennten und auch keine verfasste Staatsorganisation aufwiesen, selbst nicht rechts- und vermögensfähig waren. Es bleiben aber Ausnahmen, die dieses Bild möglicherweise trüben. In Preußen gab es bis 1848/1850 keine geschriebene Verfassungsurkunde. Allerdings hatten sich die preußischen Könige bis dahin sowohl von der ständischen Mitbestimmung als auch von den privatfürstenrechtlichen Bindungen innerhalb des Königshauses gelöst. Sie waren im wahrsten Sinne des Wortes Souveräne und als solche allein Organ im preußischen Staat. Daher widerspricht die preußische Entwicklung nicht den übrigen Befunden. Auch Baden, das keine stringent staatsrechtlichen Verhältnisse kannte, steht dem bisherigen Ergebnis nicht entgegen. Trotz der angesprochenen Unklarheiten hatte sich hier der Großherzog als Staatsorgan vom Land abgelöst. Dass es bis 1918 beim privaten Domäneneigentum blieb, ist kein Widerspruch, weil staatliches Eigentum zumindest im Laufe der Zeit Anerkennung fand. Der das patrimoniale Domäneneigentum erhaltende § 59 der Verfassungsurkunde stellte damit eine in diesem Fall beachtliche protestatio contra factum proprium15 dar. Ähnliches dürfte auch für das Königreich Hannover gelten, das nach dem Landesverfassungsgesetz von 1840 ähnliche Rechtsverhältnisse einführte wie in Baden. Die weiter bestehende Bindung der Domänen an das Königshaus hinderte den Wandel zur Staatsperson nicht, gleichwohl sollte mit der Beibehaltung der privaten Domänen der Familienfrieden gewahrt werden, was vor dem Hintergrund des vorangegangenen Verfas14 15

In Anlehnung an O. Mayer, Festgabe für Laband, Bd. 1, S. 59. Mußgnug, ZNR 24 (2002), S. 302.

§ 7 Abschließende Bewertung und Ergebnis der Dissertation

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sungsstreits nachvollzogen werden kann. Die thüringischen Kleinstaaten, die um 1850 neue Verfassungen erhielten, behielten in der Regel das fürstliche Privateigentum an den Domänen bei, obwohl wesentliche Voraussetzungen für die Herausbildung staatlicher Rechtspersönlichkeit vorlagen, etwa der Wandel vom Herrn zum Haupt. Dies muss freilich mit den nachrevolutionären Restaurationsbestrebungen in Zusammenhang gebracht werden. Dabei standen machtpolitische Fragen weit mehr im Vordergrund als staatsrechtlich stringente Lösungen. Dies beweist insgesamt, dass Albrechts Beobachtungen zutrafen. Vor allem in den untersuchten (Groß-)Herzogtümern Sachsen-Weimar-Eisenach und SachsenMeiningen war – um mit Albrecht zu sprechen – die Idee des rechtspersönlichen Staates noch „nicht in vollem und gleichem Maße zum Durchbruch gekommen“.16 Diese Fürstentümer wurden von Albrecht folgerichtig nicht für juristische Personen gehalten und schon gar nicht zu solchen Staatspersonen erklärt – sie erfüllten seine Kriterien nicht. Diejenigen Staaten, die eine ausgeprägte Staatsorganisation aufwiesen, staatliches Domäneneigentum kannten und den ständischen Dualismus überwunden hatten, brauchten nicht zur Rechtsperson ernannt werden, sie waren ohne weiteres rechtsfähig. Dieses Ergebnis erklärt auch, weshalb etwa in Sachsen-Weimar-Eisenach oder vor allem in Sachsen-Meiningen derart um die Domänen gestritten wurde. Es ging letztlich nicht nur um das Eigentum an Grund und Boden, sondern auch um die Ablösung des Staates vom Landesherrn. Abschließend soll nochmals der Blick auf Sachsen-Weimar-Eisenach gerichtet werden. Diesem Großherzogtum wurde nicht aufgrund einer bestimmten Rechtsauffassung, sondern aus tatsächlichen Gründen die Eigenschaft einer „moralischen“ Person abgesprochen.17 Das Grundgesetz von 1816 schuf nämlich keine staatsrechtlichen Verhältnisse. Es passte die über Jahrhunderte überlieferten patrimonialen Strukturen maßvoll den veränderten Verhältnissen an. Die alte Zeit sollte dabei nicht in Vergessenheit geraten. Sie im Gegenteil ins Bewusstsein zurückzuholen, war vielleicht sogar der Hauptzweck dieses Grundgesetzes. Ein schönes Bild dieses konservativen Verständnisses zeichnet Goethe in seiner Novelle. Die uralte Stammburg des von Goethe beschriebenen Fürstentums hatte sich lange Zeit der Witterung entgegengestemmt, doch musste „hie und da ein Gemäuer weichen, da und dort in wüste Ruinen zusammenstürzen. Nun haben wir [so der alte Fürst-Oheim] manches getan, um diese Wildnis zugänglicher zu machen, denn mehr bedarf es nicht, um jeden Wanderer, jeden Besuchenden in Erstaunen zu setzen, zu entzücken“.18

16

Albrecht, S. 4 f. (1492 f.). ThStA Weimar, Nachlass von Watzdorf, Nr. 9, Bl. 1–2. 18 Goethe, S. 515 ff., 517. Zur Deutung der alten Stammburg als Sinnbild der alten Herrschaftsform vgl. den zugehören Kommentar, S. 751 ff., 758. 17

Bibliographie I. Literaturverzeichnis Albrecht, Wilhelm Eduard: Rezension zu Maurenbrechers Grundsätzen des heutigen deutschen Staatsrechts, urspr. erschienen in: Göttinger gelehrte Anzeigen 1837, S. 1489–1515, Neudruck 1962. Alder, John: Constitutional and Administrative Law, London 1999. Anderssen, Ernst: Begriff und rechtliche Verhältnisse der Domänen in Preussen im Vergleich zur Entwicklung seiner Monarchie, Greifswald 1912. Anschütz, Gerhard/Thoma, Richard: Handbuch des deutschen Staatsrechts, zweiter Band, Tübingen 1932. Aretin, Johann Georg von (Hrsg.): Der Genius in Baiern unter Maximilian IV., 1. Band, 2. Stück, München und Amberg 1802. Arndt, Adolf: Können Rechte der Agnaten auf die Thronfolge nur durch Staats-Gesetz geändert werden?, Berlin 1900. Beck, Joseph: Carl Friedrich Nebenius – Ein Lebensbild eines deutschen Staatsmannes und Gelehrten, Mannheim 1866. Berg, Günther Heinrich von: Juristische Beobachtungen und Rechtsfälle, Band 1, Hannover 1802. Beseler, Georg: Die Lehre von den Erbverträgen, II. Teil, Göttingen 1840. – Die Familie des hohen Adels als corporative Genossenschaft, Grünhut’s Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart, 5 (1878), S. 540–556 [zitiert: Beseler, Grünhut’s Zeitschrift, 5 (1878)]. Bluntschli, Johann Casper: Deutsche Staatslehre für Gebildete, Nördlingen 1874. Bodin, Jean: Über den Staat, Auwahl, Übersetzung und Nachwort von Gottfried Niedhart, Stuttgart 1976. Böckenförde, Ernst-Wolfgang (Hrsg.) unter Mitarbeit von Rainer Wahl: Moderne deutsche Verfassungsgeschichte (1815–1914), 2. veränderte Aufl., Königstein/Ts. 1981. Boelcke, Willi A.: Wirtschaftsgeschichte Baden-Württembergs von den Römern bis heute, Stuttgart 1987. Böttiger, A.: Ueber Kammergüter und Domänen in den Sächsischen Landen, Leipzig 1846. Bohley, Karl: Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld von 1800 bis 1821, Erlangen 1933.

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– Acten des Wiener Congresses in den Jahren 1814 und 1815, Bd. 6, Erlangen 1816. Manz Texte Redaktion: ABGB, in: Manz Texte von A–Z, Zivilrecht, S. 1 ff., 8. Aufl., Wien 1999 [zitiert: ABGB]. Näf, Werner: Herrschaftsverträge des Spätmittelalters, Bern 1951. Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit, 1. Band, 2. Aufl., Leipzig 1832, Nachdruck 1999. – Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit, 2. Band, 2. Aufl., Leipzig 1833, Nachdruck 1999. – Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit, 3. Band, 2. Aufl., Leipzig 1833, Nachdruck 1999. – Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit, 4. Band, 2. Aufl., Leipzig 1847, Nachdruck 1999. Real, Willy: Der hannoversche Verfassungskonflikt von 1837/1839, Göttingen 1972. Reiter, Ilse: Texte zur österreichischen Verfassungsentwicklung 1848–1955, Wien 1997. Schätzel, Walter (Hrsg.): Der Staat: Was Staatsmänner, Politiker und Philosophen über den Staat und seine Probleme gesagt haben, Berlin/Darmstadt/Wien 1963. Schulze, Hermann: Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, erster Band, Jena 1862. – Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, dritter Band, Jena 1883. Wallington, Peter/Lee, Robert G. (Hrsg.): Blackstone’s Statutes on Public Law, 8th Edition, London 1998. Willoweit, Dietmar/Seif, Ulrike (Hrsg.): Europäische Verfassungsgeschichte, München 2003. Zeumer, Karl: Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit, 2. Aufl., Tübingen 1913. 2. Ungedruckte Quellen

a) Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA Karlsruhe) 47, Nr. 414 47, Nr. 420 48, Nr. 6060 48, Nr. 6063 48, Nr. 6070 48, Nr. 6075 233, Nr. 26655 N Nebenius, Nr. 35

II. Quellenverzeichnis

b) Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar (ThHStA Weimar) B 147a B 148b HA, A XXIV, Nr. 74 HA, A XXVI, Nr. 948 HA, A XXVI, Nr. 1514 HA, A XXVI, Nr. 1646 HA, A XXVI, Nr. 1648 HA, A XXVI, Nr. 1785 HA, A XXVI, Nr. 1786 HA, A XXVI, Nr. 1790 Landtag Sachsen-Weimar-Eisenach, 40 Landtag Sachsen-Weimar-Eisenach, 383 Nachlass von Watzdorf, Nr. 8 Nachlass von Watzdorf, Nr. 9 Nachlass von Watzdorf, Nr. 10 Nachlass von Watzdorf, Nr. 79 Nachlass von Watzdorf, Nr. 98

c) Thüringisches Staatsarchiv Meiningen (ThStA Meiningen) GA Meiningen, XI, E 25 GA Meiningen, XIV, B 2 GA Meiningen, XIV, E 1 GA Meiningen, XIV, E 2 GA Meiningen, XIV, E 4 GA Meiningen, XIV, E 6 GA Meiningen, XIV, E 7 GA Meiningen, XIV, E 11 GA Meiningen, XV, JJ 85 GA Meiningen, XXIII GA Meiningen, XXIII, 2 GA Meiningen, XXIII, 3 GA Meiningen, XXIII, 4 GA Meiningen, XXVII, 2

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236

Bibliographie

GA Meiningen, Urkunden B 2, Nr. 315 HSM Landtag, Nr. 1 HSM Landtag, Nr. 34 HSM Landtag, Nr. 84 HSM Landtag, Nr. 479 HSM Landtag, Nr. 498 HSM Landtag, Nr. 1342 Staatsministerium Abt. 1, Nr. 12 Staatsministerium Abt. 1, Nr. 38 Staatsministerium Abt. 1, Nr. 263 Staatsministerium Abt. 1, Nr. 265 Staatsministerium Abt. 1, Nr. 266 Staatsministerium Abt. 1, Nr. 475 Staatsministerium Abt. 1, Nr. 1076 Staatsministerium Abt. 1, Nr. 1079 Staatsministerium Abt. 5, Nr. 8712 Staatsministerium Abt. 5, Nr. 8820

Personen- und Sachverzeichnis Agnatischer Konsens – bei Verfassungsgebung 47 – Rechtsfolge bei Versagung 42 Albrecht, Wilhelm Eduard 17, 26, 62, 79, 84, 90, 102, 110, 113, 118, 121, 137, 140, 152, 158, 164, 183, 184, 186 – Göttinger Sieben 48 – Kriterien für die Ablösung des Staates 28, 208 Appropriation 77 Auseinandersetzungsvertrag – Baden 110 – Sachsen-Meiningen 200 – Sachsen-Weimar-Eisenach 145 Ausgabenbewilligungsrecht 18, 218 – Baden 109, 212 – Frankreich 67 – Großbritannien 66 – Polen 68 – Preußen 74 – Sachsen-Coburg-Saalfeld 75 – Etatgesetz 154 – Sachsen-Hildburghausen 152 – Sachsen-Meiningen 183, 185, 193, 213 – Sachsen-Weimar-Eisenach 138, 140, 142, 212 – Württemberg 75, 215 – Zusammenhang mit Ertragshoheit über die Domänenerträge 77 Baden – § 59 der Verfassungsurkunde 89, 93, 97, 100 – Änderungspläne 100, 101, 102 – Entstehungsgeschichte 94

– Agnatischer Konsens – und Verfassungsgebung 82, 90, 96 – Staatspraxis 88 – Apanagengesetz 101 – Ausgabenbewilligungsrecht 104, 105, 109, 212 – Domänen 91, 210 – als Patrimonialeigentum 98 – als Staatseigentum 97 – Domäneneigentum 94 – Domänenerträge 101, 102, 212 – Geschichtliche Entwicklung 81 – Haushaltsverfassung, Entstehungsgeschichte 104 – Hofausstattung, Rechtsnatur 98 – Rechtspersönlichkeit des Staates 113 – Revolution 1918 110 – Vermögensauseinandersetzung 110 – Schuldenpragmatik von 1806 89, 92, 95, 96 – Schuldenpragmatik von 1808 92, 96 – Staatseigentum 99 – Staatseinnahmen, ständische Kontrolle 109 – Staatsoberhaupt 40 – Staatsvermögen 92 – Stellung des Großherzogs – als Familienoberhaupt 87 – nach den Hausgesetzen 86 – nach der Verfassung 85, 209 – Steuerbewilligungsrecht 103, 104, 105 – Bedingungsfeindlichkeit 103, 104 – Steuerverweigerungsrecht 108 – Sukzessionsakte von 1806 86 – agnatischer Konsens 88 – Thronfolgeordnung 86 – Verfassungskonzeption 83, 207

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Personen- und Sachverzeichnis

– Verfassungsurkunde von 1818, Entstehungsgeschichte 82 – Verhältnis Staatsrecht und Privatfürstenrecht 87 – Zivilliste 70, 93 – Rechtsnatur 98 – Zivillistengesetze 98 Bayern – Domänen 55 – Staatsoberhaupt 40 – Steuerbewilligungsrecht 77 – Verfassungsverständnis 77 – Zivilliste 69 Bernhard Erich Freund, Herzog von Sachsen-Meiningen 149, 155, 167, 169, 171, 174, 176, 178, 187 Bernhard III., Herzog von Sachsen-Meiningen 162 Bodin, Jean – Souveränitätsbegriff 22, 46 Budget – negative Bindungswirkung 77 – positive Bindungswirkung 77 Budgetrecht 70 – Bundesbeschlüsse 71 – Wiener Schlussakte 71 Carl Alexander, Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach 127, 131, 136 Carl August, Großherzog von SachsenWeimar-Eisenach 114, 115, 119, 135 Carl Friedrich, Großherzog von Baden 81, 86, 126, 131 Carl, Großherzog von Baden 81, 90, 96 Carl, Herzog von Meiningen 160 Deutsche Bundesakte siehe Verfassungen, landständische Domänen – Auswirkungen der Pertinenzqualität 59 – Baden 215 – Bayern 55, 215

– – – – – – – – –

Domänenbegriff 52 Domänenfrage 17, 50 Fürstliches Privateigentum 58 Hannover 215 Hessen-Darmstadt 57, 215 Kleinstaaten 58, 214 Österreich 57 Preußen 55, 215 Rechtsnatur des Domänenvermögens 58 – Sachsen 57, 215 – Staatseigentum 60 – Vergabe als Lehen 22 – Württemberg 57, 215 Domänenerträge – Ertragshoheit 62, 73, 212 – Zusammenhang mit dem Ausgabenbewilligungsrecht 77, 214 Dualismus, ständischer 21, 63 Ernst August, Herzog von Sachsen-Weimar 119 Ernst August, König von Hannover 48 Erübrigungspolitik 77 Fiskus 41 Frankreich – Ausgabenbewilligungsrecht 67 – Domänen 53 – Entwicklung des Persönlichkeitsdogmas 32 – Steuerbewilligungsrecht 66 Friedrich der Große, König von Preußen 25 Friedrich Wilhelm I., König von Preußen 55 Friedrich Wilhelm III., König von Preußen 47, 70 Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg 68 Friedrich, Herzog von Sachsen-Hildburghausen 152

Personen- und Sachverzeichnis Genz, Friedrich 37 Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen 169, 171, 175, 178 Georg, Herzog von Meiningen 160 Gersdorff, Ernst Christian August von 115, 124, 127 Gierke, Otto von 30 Großbritannien – Ausgabenbewilligungsrecht 66 – Domänen 53 – Entwicklung des Persönlichkeitsdogmas 31 – Steuerbewilligungsrecht 66 Grotius, Hugo 23 Hannoversche Verfassungsfrage 47 – Haltung Sachsen-Meiningens 163 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 29 Hessen-Darmstadt, Domänen 57 Hobbes, Thomas 23 Insuffizienznachweis 65, 76 Juristische Person, Lehre – Fiktionstheorie 26 – kanonistische Rechtswissenschaft 22 Kant, Immanuel 24 Kassen, ständische 65 Kassenvereinigung 69 Landeshoheit – geschichtliche Entwicklung 21 – Wandel der Herrschaftsbeziehungen 22 Landstände – Finanzbefugnisse 64 – geschichtliche Entwicklung 63 Liebenstein, Ludwig August Friedrich von 100 Lippe, Thronfolgefrage 162 Locke, John 23 Ludwig, Großherzog von Baden 93, 95 Ludwig XIV., König von Frankreich 24 Ludwig XVI., König von Frankreich 67

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Maurenbrecher, Romeo 26, 30 Metternich, Clemens von 37, 154 Monarch – Landesherr 41, 217 – Staatliche Funktion und privater Status 35, 52 – Staatsoberhaupt 40, 216 Moser, Johann Jacob 25, 63 Nebenius, Carl Friedrich 82, 95 Österreich – Domänen 57 – Staatsoberhaupt 35 – Steuerwesen 68 Pernice, Ludwig Wilhelm Anton 135 Pertinenz 51 Polen – Ausgabenbewilligungsrecht 68 – Domänen 54 Preußen – Ausgabenbewilligungsrecht 74 – Domänen 55 – Hohenzollerntestament, Ebenbürtigkeits-klausel 44 – Kassenvereinigung 69 – Staatsoberhaupt 35 – Steuerwesen 68 – Zivilliste 70 Privatfürstenrecht 42 – patrimoniale Theorie 44 – Verhältnis zum Staatsrecht 43 – Vorrang des Staatsrechts 44 Pufendorf, Samuel 23 Rechtspersönlichkeit des Staates 17, 219 – Naturrechtliche Lehren 23 – Organische Staatslehre 30 – Spekulative Staatslehre 29 – Staatsrechtliche Lehren des 18. Jahrhunderts 24

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Personen- und Sachverzeichnis

– Staatsrechtliche Lehren des 19. Jahrhunderts 25 Regalien 52 Restitutionsfragen nach der Wiedervereinigung – Gemeinsame Erklärung 146 – Rechtsprechung 146 Rheinbundsakte 47 Rotteck, Carl von 51 Rousseau, Jean-Jacques 24 Sachsen, Königreich, Domänen 57 Sachsen-Coburg-Saalfeld – Ausgabenbewilligungsrecht 75 – Etatgesetz 154, 213 – Staatsoberhaupt 154 – Verfassungstradition 154 Sachsen-Hildburghausen – Ausgabenbewilligungsrecht 152 – Grundgesetz über Staatsgüter und Staatsschulden 153 – Kassentrennung 153 – Verfassungstradition 152 Sachsen-Meiningen – Agnatischer Konsens 161 – Agnatischer Protest, Domänengesetz von 1849 171 – Agnatischer Protest, Vertragsverhandlungen zur Regelung 173 – Agnatischer Protest, Vorgehen der Regierung 172 – Artikel 82 des Grundgesetzes von 1829 189, 196, 198 – Ausgabenbewilligungsrecht 150, 183, 185, 190, 193, 213 – Coburg-Saalfeld 149, 159 – Domänen 164, 211 – Finanzgesetz von 1831 166 – Finanzgesetz von 1846 167 – Gesetz von 1854 175 – Gesetz von 1871 180 – Grundgesetz von 1824 164 – Grundgesetz von 1829 165

– – – – – – – – – – –

– – – – – – – – – – – –



– im Grundbuch 181 – Schiedsgerichtsverfahren 177 – Vergleichsvorschlag von 1871 178 Domäneneigentum 176 Domänenerträge 183, 212 Domänengesetz von 1849 169 Domänenjahresrente 180 Domänenstreit 1847/48 168 Domänenstreit 1855–1871 176 Fürstenenteignung in der SBZ 201 geschichtliche Entwicklung 149 Grundgesetz von 1824 149, 150 – Anhörungsrecht des Landtages 151 Grundgesetz von 1829 150 – Entstehungsgeschichte 155 Haushaltsverfassung – Entstehungsgeschichte 186 – Finanzgesetz von 1831 190 – Gesetz von 1846 192 – Gesetz von 1854 193 – Gesetz von 1871 193 – Gesetz von 1879 194 – Regelung 1848/49 192 Herzog als Träger der Landeshoheit 159 Hildburghausen 149, 152, 158 Hoftheater 194, 201 Kammervermögen siehe Domänen Kassentrennung 186 Kassenverwaltung 185, 186 Landesherr oder Staatsoberhaupt 158 Luther’sche Denkschrift 177 Primogeniturordnung 160 Restitutionsfragen nach der Wiedervereinigung 202 Revolution 1918 199 – Vermögensauseinandersetzung 200 Stellung des Herzogs – als Familienoberhaupt 160 – nach dem Grundgesetz von 1829 158, 209 – nach den Hausgesetzen 159 Steuerbewilligungsrecht 183, 185

Personen- und Sachverzeichnis – – – –

Subsidiaritätsklausel 152, 184 Verfassungskonzeption 1824 150 Verfassungskonzeption 1829 155, 208 Verhältnis Staatsrecht und Privatfürstenrecht 161 – Zivilliste 170 Sachsen-Weimar-Eisenach – Agnatischer Konsens – und Domänen 127 – und Verfassungsgebung 121 – Ausgabenbewilligungsrecht 138, 139, 140, 142, 212 – Domänen 122, 210 – als Patrimonialeigentum 122, 125 – als Staatsvermögen 130 – agnatischer Protest 1852 131 – agnatischer Protest 1854 134 – Veräußerung 123 – Domänenerträge 137, 212 – Domänenjahresrente 131, 134, 136 – Domänenstreit 1848/49 126 – Domänenstreit 1853/54 131 – Domänenvermögen, Aufstellung über die Substanz 136 – Domänenverordnung von 1854 134 – Enteignungen in der SBZ 145 – Familiengewalt des Großherzogs 120 – Finanzgesetz – über das Kammervermögen 1821 123, 139, 124 – über die Steuerverfassung 1821 123 – geschichtliche Entwicklung 114 – Großherzog als Träger der Landeshoheit 121 – Grundgesetz von 1816 – Entstehungsgeschichte 115 – Grundrechte 116 – Grundgesetz, revidiertes 1850 130, 140 – Haushaltsverfassung 138 – Kammerprozesse 126 – Kammervermögen siehe Domänen – Kassentrennung 123, 124, 139

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– Kassenvereinigung 127, 140 – Pläne 124 – keine staatsrechtliche Ausgestaltung 135 – Kronfideikommiss 137 – moralische Person 128, 221 – Nationaltheater Weimar 145, 148 – Primogeniturordnung 119 – Privatzivilliste 129 – Reservefonds 143 – Restitutionsfragen nach der Wiedervereinigung 146 – Revolution 1918 143 – Vermögensauseinandersetzung 1921 145 – Staatszivilliste 129 – Stellung des Großherzogs 118, 209 – nach den Hausgesetzen 119 – Steuerbewilligungsrecht 138 – Verabschiedungen, gesetzesgleiche 118 – Verfassung von 1809 114 – Verfassungskonzeption 117, 207 – Verhältnis von Privatfürstenrecht und Staatsrecht 120 – Vermögensvereinigung 129 – Zivilliste 129 Sammlungen, fürstliche, Öffnung 52 Seydel, Max von 69 Souveränität – geschichtliche Entwicklung 21 – Innere 47 – Staatsouveränität 27 Staatsrecht – Ablösung vom Privatrecht 34 – Begriff im 18. Jahrhundert 25 – Begriff im 20. Jahrhundert 25 Steuerbeschluss – Bedingungsfeindlichkeit 72 – rechtliche Qualifizierung 72 Steuerbewilligungsrecht – Bindung an Ausgabenansätze 77 – Streit über notwendige Ausgaben 76 Steuerverwaltung 73

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Personen- und Sachverzeichnis

Steuerwesen – Bede 65 – geschichtliche Entwicklung 63, 68 Subsidiarität der Besteuerung 65 Theater, Öffnung 52 Verfassungen, landständische – Budgetrecht 70 – Deutsche Bundesakte 36 – Steuerbewilligungsrecht 72 – Verfassungskonzeptionen 36, 38 – Wiener Schlussakte 37 Watzdorf, Bernhard von 130, 132, 136 Wiener Schlussakte siehe Verfassungen, landständische Wilhelm II., Deutscher Kaiser 162 Wilhelm IV., König von Hannover 47

Württemberg – Ausgabenbewilligungsrecht 75 – Domänen 57 – Staatsoberhaupt 40 – Zivilliste 69 Wydenbrugk, Oskar von 126 Zachariae, Carl Salomo 104, 107 Zivilliste – als Abfindung 45 – Baden 70 – Bayern 69 – Preußen 70 – Privatzivilliste 70 – Radizierung 70, 94 – Staatszivilliste 69 – Württemberg 69 Zoepfl, Heinrich 30