Die Denkwürdigkeiten der Markgräfin Friederike Sophie Wilhelmine von Bayreuth und die englisch-preußische Heiratsverhandlung von 1730 [Reprint 2023 ed.] 9783111405391, 9783111041933

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Die Denkwürdigkeiten der Markgräfin Friederike Sophie Wilhelmine von Bayreuth und die englisch-preußische Heiratsverhandlung von 1730 [Reprint 2023 ed.]
 9783111405391, 9783111041933

Table of contents :
Vorwort
Aueklen
Berichtigung
Inhalt
I. Die Denkwürdigkeiten der Markgräfin Friederike Sophie Wilhelmine von Bayreuth
II. Erste Heiratsträume
III. Friedrich Wilhelms Heiratsbesprechung mit Sir Charles Hotham
IV. Der englische Antrag auf Doppelheirat
V. Aus der Zeit der Vermählung und der ersten Jahre in Bayreuth
VI. Ans der Zeit der Verbitterung.

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Gießener Studien auf dein

Gebiet der Geschichte. VI.

Die Denkwürdigkeiten der Markgräfin

JriederiKe Sophie Wilhelmine von Wayreuth und die

englisch-preußische Heirotsverhoudlnug von 1730 von

Dr. Karl

Wernbeck.

Mit einem Vorwort von Wilhelm Oncken.

Gießen. I. Ricker 'sche Buchhandlung. 1894.

Die Denkwürdigkeiten der Markgräfin

IriederiKe Sophie Wilhelmine von Wayreuth und die

tngllsch-pmtßischt Heiratsverhandlnug von 1730 1)011

Dr. Karl Wernbeck. Mit einem Vorwort von Wilhelm Duden.

Gießen. I. Ricker'sche Buchhandlung. 1894.

Worwort. Die nachfolgende Erstlingsschrift ist veranlaßt durch die Beobach-

tung, daß die Forschungen von Ranke Vertrauen auf die Denkwürdigkeiten

Wilhelmine von Bayreuth

und Droysen,

durch

welche das

der Markgräfiu Friederike Sophie

erschüttert, beziehungsweise vernichtet worden

ist, auf die öffentliche Meinung

der Nation den Eindruck nicht gemacht

haben, der ihnen zu wiinschen gewesen wäre.

Eben jetzt wird in neunter

Auflage ein Neudruck jener Denkwürdigkeiten verbreitet,

dessen Leser in

der Vorrede von der kritischen That dieser beiden Meister deutscher Ge­ schichtsforschung kein Wort vernehmen.

Sie erfahren wohl, daß der Ver­

fasserin „Pietätlosigkeit" gegen ihre nächsten Angehörigen und auch „manche

Unrichtigkeit"

vorgeworfen,

aber

sie

daß

nicht,

erfahren

ihr

ein

erschreckender Mangel an Sachkenntnis nnd Wahrheitssinn, ja ein unüberwindlicher Hang zn Entstellungen nnd Übertreibungen, zu Erdich­ tungen und Textfälschungen nachgewiesen worden ist, dergestalt,

daß

ihr

eine Angabe, die nicht durch objektive Zeugnisse bestätigt wird, kaum ge­

glaubt werden kann, außer, wenn sie sich selbst dadurch belastet.

Ursprünglich hatte der Verfasser nur

vor,

durch

historisch-kritische

Vergleichung der uns erhaltenen gedruckten und ungedrucktcn Texte dieser Denkwürdigkeiten

sowie

der

einschlagenden Briese

der Verfasserin, die

kritische Arbeit Droysens weiterzuführen, und zn diesem Zweck hat er die

auf dem König!. Hausarchiv und der König!. Bibliothek zu Berlin be­ findlichen Handschriften worfen.

einer erneuten Durchsicht und Prüfung unter­

Auf diesen Hauptteil

seiner Arbeit

habe

ich

keinerlei Einfluß

geübt. Dagegen ist es auf meine Veranlassung geschehen, daß der Verfasser

das wichtigste nnd folgenreichste der von der Markgräfin erwähnten Er­ eignisse, nämlich die englisch-preußische Heiratsverhandlung von 1730, zum

Gegenstand einer eingehenderen Untersuchung gemacht hat. Ich selbst war bei erneutem Studium dieser Epoche zu der Ueber­ zeugung gekommen, daß der englische Hof in

und durch unredlich verfahren ist,

daß

er

dieser

weder

ganzen Sache durch

die

einfache

noch die

IV gewollt,

Heirat

doppelte

sondern

eine

durch

bloße

Scheinver­

deren angeblicher Zweck gar nicht gelingen sollte,

handlung,

lediglich

beabsichtigt hat, den preußischen Hof vom Kaiser losznreißen, in London

des

die Abberufung

preußischen Residenten Reichenbach,

Entlassung des Ministers u. Grumbkow dnrchzusetzen,

Einfluß

des

kaiserlichen Gesandten v. Seckendorfs

;,n

in Berlin die

durch

beides

brechen

und

den den

König Friedrich Wilhelm der englischen Politik für immer zu unterwerfen. Ich riet dem Verfasser,

und Koser

die durch Raumer und Carlyle, Ranke, Droysen

überlieferten urkundlichen Angaben über den Gang der Ver­

handlung Hothams,

einmal abgelöst von

allen Zuthaten späterer Beur­

teiler, ausschließlich unter diesem Gesichtspunkt zu bearbeiten und zu sehen,

ob sich derselbe geeignet und zureichend erweisen würde, alles das aufzu­ an dem Thatsachenverlauf bisher der Aufklärung

klären,

was

schien.

Der Verfasser

bedürftig

überzeugte sich von der Richtigkeit dieses Gesichts­

punktes und gewann so den Boden für eine von der bisherigen wesentlich abweichende Auffassung und Darstellung.

Ich

ferner auf zwei

machte

Umstände

aufmerksam,

deren Nicht­

beachtung in der Beurteilung der Sache sehr viel Verwirrung angerichtet

hat, erstens den,

daß

der Vorschlag einer Statthalterschaft in Hannover sondern nur von der englischen Partei am

nicht von Friedrich Wilhelm,

Hofe ausgegangen sein kann und zweitens, daß der Gegenvorschlag Eng­ lands, nicht den Kronprinzen von Preußen zuin Statthalter, sondern die

Prinzessin Amalie zur Statthalterin zu ernennen,

so recht geeignet war,

diesen ganzen Gedanken für Friedrich Wilhelm vollends unannehmbar zu machen.

Endlich wies ich auf

ein

ganz grobe Selbstwidersprüche

paar

in diesem Teil ihrer Denkwürdigkeiten be­

hin, die der Markgräfin auch

gegnet, und die seltsamerweise noch von niemand bemerkt worden sind.

Den Vorschlag,

gelinge,

sie,

wenn

es

mit dem Prinzen von Wales nicht

mit dem Erbprinzen von Bayreuth,

zu verloben

und

dadurch

ein Ende zu machen, Borcke zurück, auch ihr Vater,

deu

dem

führt

ihre

sie

ganzen

auf

einen

guten Einfall des Generals

eigene Mutter mit Freuden ausgenommen, dem

der König,

Verhandlung mit Hvtham

zugestinunt,

nur

als

sodaß

läßt

beider Eingehen auf die

ein „letzter Versucht mit dem alten

Traumbild einer englischen Heirat erscheint.

Versuch gescheitert ist,

ihrem nachherigen Gatten,

häuslichen Krieg um ihre Hand

Nachdem

aber dieser letzte

sie zwischen Vater und Mutter einen neuen

Kampf um ihre Hand ansbrechen, als ob jener Vorschlag noch gar nicht

gemacht, jene Vereinbarung noch gar nicht geschlossen wäre und läßt die Königin gegen den Erbprinzen von Bayreuth

in

einer Weise ankämpfen

und auftreten, die alles über den Haufen stößt, Episode über ihr Verhalten erzählt worden ist,

was

vor das

und

der Hotham-

alles ohne ein

einziges Wort der Riickbeziehung, aus dein sich ergäbe, daß sie sich ihrer

eignen Erzählung

überhaupt

erinnert.

noch

Das ist der eine Selbst­

widerspruch, der andere ist womöglich noch stärker.

von

Nachdem sie

der Verhandlung

mit Hotham

eine Erzählung

gegeben hat, aus der der anderweitig nicht unterrichtete Leser, sie

selbst das mit dürren Worten

sagt,

ohne daß

jedem Schritt den Schluß

bei

ziehen muß, daß lediglich an dem Starrsinn ihres Vaters die heißersehnte Heirat mit dem Prinzen von Wales zu Schanden geworden sei, schließt sie die Geschichte ihrer Heiratskümpfe mit dem verblüffenden Geständ­ nis

ab,

Georg

sie

II.

selber

von

habe

England,

von

Anfang

nicht

an

getraut,

ihrem

er

Oheim,

habe

in

dem

König

Wahrheit

ihre

Heirat niemals haben wollen und die Verhandlung darüber jedesmal so einzurichten gewußt, daß sie nicht habe gelingen können.

Nach diesen leitenden Gesichtspunkten sind unter meiner Mitwirkung die Abschnitte III und IV mit Einschluß der ersten Seiten des Abschnitts V ausgearbeitet worden.

Doch war mit dieser Einzcluntersuchnng nicht mehr

beabsichtigt, als an diesem hervorragenden Beispiel eine objektive Grund­

lage zu gewinnen

für

die

sichere Prüfung der subjektiven Mitteilungen,

welche die Markgräfin darüber macht.

ganges wird erst dann zu entwerfen

Ein erschöpfendes Bild des Her­

sein,

wenn aus

den Archiven von

Berlin, Wien und Loudon die Akten selber vollständig vorliegen werden,

von denen bis jetzt gar Öffentlichkeit gelangt ist.

keine

oder

Gießen, 19. April 1894.

nur

unzulängliche

Kunde

in

Wilhelm Olicken.

die

Äu eklen. A) Handschriften:

I.

II.

Aus der Königlichen Bibliothek^ Hands chri ftena b t e i l u n g — zu Berlin: 1; Ms. Boruss. fol. 806: Originalhandschrift der Markgräfin von Bayreuth: -Les Memoires De Ma Vie«. 2) Ms. Boruss. fol. 805: „Vergleichung der dein Herrn von Cotta gehörigen Abschrift mit der Braunschweiger Ausgabe tfvrtgeführt bis S. 134 I. Teil) der Memoiren der Markgräfin von Bayreuth, durch Herrn Dr. Pfundr". Aus dem Königlichen H a u s a r ch i v zu Berlin. 3) K 395 B1 »Copie des Memoires de Mad. la Margrave de Bareith, soeur de Frederic 2.« 4) K 395 B 2: »Les Memoires de ma vie: de la princesse de Prusse Frederic Sophie Wilhelmine, qui epousa le Margrave de Bayreuth; ces memoires sont ecrit par eile meine«. 5) K 395 6 3: »Les Memoires de la vie de Son Altesse Loyale Madame la Margrave de Brandebourg Bayreuth nee Princesse de Prusse, ecrits par Elle meine : depuis Pan 1706 jusqu' a 1742.«

6) K 395 B4: mit demselben Titel wie die vorige Kopie. 7) K 395 B5: hat ebenso wie: 8) K 395 B6: die Aufschrift von K 395 B 3. B) Druckschriften. 9) »Memoires de Frederic Sophie Wilhelmine, Margrave de Bareith. soeur de Frederic le Grand, depuis Pannee 1706 jusquä 1742; ecrits de sa main«. Tome I et II. Brunswick, 1810. cliez Frederic Vieweg.

VIII 10) „Denkwürdigkeiten aus dem Leben der König!. Preußischen Prinzessinn Friederike Sophie Wilhelmine (Schwester Friedrichs des Großen) Markgräfinn von Bayreuth". Von ihr selbst in französischer Sprache geschrieben. Tübingen, in der I. G. Cottaschen Buchhandlung, 1810. 11) Memoiren der Königl. Preußischen Prinzessin Friederike

Sophie Wilhelmine von Bairenth; 1758. Leipzig 1887.

fortgeführt

bis zum Jahre

12) Meinoires de Frederique Sophie Wilhelmine de Prusse, Margrave de Bareith, soeur de Frederic le Grand. Paris 1811. 13) Meinoires de Frederique Sophie Wilhelmine, margrave de Bareith. Nouvelle edition, continuee jusqu'ä 1758. Leipzig 1888. 14) Correspondance de Frederic II., roi de Prusse, Tome XII; premiere parlie. Berlin, Imprimerie royale 1861. 15) Oeuvres de Frederic le Grand. Band 1; oeuv. hist. Bd. 1. Berlin 1846. 16) David Faßmann: Leben und Thaten des Allerdurchlauchtigsten und Großmächtigsten Königs von Preußen Frideriei Wilhelm!. Bis auf gegenwärtige Zeit aufrichtig geschrieben. Hamburg und Breslau 1735.

17) (La Martiniere): Histoire de la vie et du regne de Frederic-Guillaume I., roi de Prusse. A la Haye 1741. 18) Mauvillon: Histoire de Frederic-Guillaume I., roi de Prusse. Amsterdam und Leipzig 1741.

19) Meinoires pour servir a 1 histoire des quatre derniers souverains de la maison de Brandebourg-royale de Prusse. ecrits par Charles Louis, Baron de Poellnitz, Berlin 1791. 20) A. B. König: Versuch einer historischen Schilderung der Hauptveränderungen der Religion, Sitten, Gewohnheiten, Künste, Wissenschaften rc. der Residenzstadt Berlin seit den ältesten Zeiten

bis zum Jahre 1758. IV. Teil, Bd. 1. Berlin 1796. 21) F. C. Schlosser: Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts.

Bd. I. Heidelberg 1823. (5. Auflage 1864.) 22) Fr. Förster: Friedrich Wilhelm I., König von Preußen. 3 Bde. Potsdam 1834/35. 23) Derselbe: Urkundenbuch

zu

der

Lebensgeschichte

Friedrich

Wilhelms I. 2 Bde. Potsdam 1834 35. 24) Friedrich von Raumer: Beiträge zur neueren Geschichte aus

IX

dem britischen und französischen Reichsarchive. Dritter Theil, erster Band. Leipzig 1839. 25) Leopold von Ranke: a) Zur Kritik Preußischer Memoiren, S. W. Bd. 24. b) Zwölf Bücher Preußischer Geschichte, S. W. Bd. 27 '28. 26) Karl Pertz: „Über die Denkwürdigkeiten der Markgräfin von Baireuth". In den Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1850. 27) Thomas Carlyle: History of Friedrich II. of Prussia, called Frederick the Great. Leipzig 1858; nebst der Übersetzung

von I. Neuberg. Berlin 1863. 28) Georg Horn: Die Lieblingsschwester Friedrichs des Großen; Voltaire und die Markgräfin von Baireuth. Berlin 1865. 29) Joh. Gust. Dropsen: Geschichte der preußischen Politik 4, 111, Band 2 bis 4. Leipzig 1869. 30) K. Mathias: „Die Markgräfin von Baireuth"; in der Zeit­ schrift für preußische Geschichte VIII. Berlin 1871. 31) W. Ducken: Das Zeitalter Friedrichs des Großen; erster Band. Berlin 1881. 32) R. Koser: Friedrich der Große als Kronprinz. Stuttgart 1886. 33) Mrs. Bnrell: Thougts Cor enthusiasts at Bayreuth. don 1889.

34) keiten 35) Abt.

Lon­

I. Pierson: König Friedrich Wilhelm 1. in den Denkwürdig­ der Markgräfin Wilhelmine von Baireuth. Diss. Halle 1890. Ernst Berner: Geschichte des Preußischen Staates, 111. u. IV. München und Berlin 1891.

36) Ernest Lavisse: La jeunesse du Grand Frederic. Paris 1891.

Berichtign« g. S. 46 Z. 1K v. u. l. in Deutschliuid, zu nie ist it. s. ro.

Anhalt. Seite

I.

II. Hl. IV. V. VI.

Vorwort..................................................................................... III—V Quellen VII—IX Die Denkwürdigkeiten der Markgräfin Friederike Sophie Withelnrine von von Bayrenth 1 — 15 Erste Heiratsträume 16 — 33 Friedrich Wilhelms Heiratsbesprechung mit Sir Charles Hotham . . 34 — 44 Der englische Antrag auf Doppelheirat 15 — 62 Aus der Zeit der Vermählung mit) der ersten Jahre in Bayreuth . 63 — 75 Aus der Zeit der Verbitterung 76—104

I.

Die Denkwürdigkeiten der Markgräfin Friederike Sophie Wilhelmine von Bayreuth. Als im Juli des Jahres 1810 der damalige Inhaber der welt­ bekannten Tübinger Verlagsbuchhandlung, Dr. I. F. Cotta, die „Denk­ würdigkeiten aus dem Leben der Königl. Preuß. Prinzessinn Friederike Sophie Wilhelmine (Schwester Friedrichs des Großen) Markgrüfinn von Bayreuth vom Jahr 1709 bis 1733" auf den Büchermarkt brachte, erklärte er sich im Vorwort bereit, jedem, der mit den Schriftzügen der „geistreichen Fürstin" vertraut sei, das französische Original zur Ver­ fügung zu stellens, um hierdurch einem etwaigen Zweifel an der Echtheit der von ihin herausgegebenen Memoiren von vornherein die Spitze abznbrechen. Zugleich entschuldigte sich Dr. Cotta, daß infolge eines „un­ glücklichen Zufalls" ein Teil des Manuskriptes verschollen sei. Dieser unvollständigen Ausgabe folgte nur wenige Monate später eine zweite, in französischer Sprache abgefaßte Redaktion bei Friedrich Viewcg in Braunschweig, die bis zum Jahre 1742 anualistisch geführt ist und schon mit 1706 beginnt. In der Vorrede warnt der Verleger: »Qu'on ne les (memoires) confonde pas avec d'autres memoires de cette princesse, qui sont sur le point dc paroitre et dont nous possedons dejä une mediocre traduction allemande«2), wobei er natür­ lich den Tübinger Text im Auge hat. Im Gegensatz zu diesem sei die Braunschweiger Ausgabe die einzig zuverlässige, da sie der Abdruck des

Manuskriptes der Markgräfin wäre, das diese ihrem ersten Leibarzte, dem Geheimrat Daniel von Snpperville, vermacht habe; nach dessen Tod sei diese Handschrift an einen sehr achtbaren Freund des Verlegers über­

gegangen, der die Veröffentlichung der Denkwürdigkeiten gestattet hätte. Dieses wertvolle Autograph wurde im Oktober 1818 durch Karl Pertz für die Königliche Bibliothek zu Berlin aus dem Nachlaß des Prono­ tarius Blauet in Celle angekauft. *) Dasselbe war mir nicht zugänglich; nur dessen Kollation mit der Braun­ schweiger Ausgabe (fortgesührt bis Seite 134, T. I, durch Dr. Pfundt.) 2) Avant-propos IV.

2 Mauels Vorgänger im Besitz der Handschrift war der Oberappel­

lationsrat Dr. Ernst Spangenberg, der uns über die Schicksale des Manus­ kriptes in folgender Vorbemerkung den gewünschten Aufschluß giebt: „Dieses

zessin

ist

s e l b st,

die

eigenhändige Handschrift

welche sie ihrem Leibarzt Suppcrville

unter dessen Nachlaß anfgefunden ist.

der Prin­

geschenkt,

und

Aus ihr wurden diese Memoiren

durch den Oberst von Osten zu Braunschweig

1810 herausgegeben;

die Handschrift selbst war nach des Obersten von Osten Tode

in dessen

Nachlaß gefunden und als unnützes Papier betrachtet, aus welchem Nach­ lasse ich sie erstanden habe. Diese Handschrist, wenngleich solchergestalt schon

gedruckt, ist des­

halb noch immer sehr wichtig, weil sie viele ungcdruckteStellen enthält.

Namentlich schließt der Abdruck mit dem Jahre 1742; die Hand­

schrift geht aber bis 1754-, und

ist bei diesen letzter» Jahren ausdrück­

lich bemerkt: ccci ne doit pas etre iinprime.

Auch waren diese letzter»

Bogen versiegelt.

Noch unvollständiger ist die teutsche Uebersetzung, Tübingen 1810 bis 1811, denn diese umfaßt nur die Jahre

1709—1733;

wogegen die

Braunschweiger Originalausgabe die Jahre 1706—1742, die Handschrift aber die Jahre 1706—1754 enthält.

Celle, Januar 1825.

Spangenberg, Oberappellationsrath."

Diese Originalhaudschrift, die dem Braunschweiger Drucke zugrunde

liegt, außerdem aber noch das Tagebuch der italienischen Reise') umfaßt, ist im

allgemeinen sehr leserlich geschrieben, jedesmal

einem Fluß.

Die vielen Korrekturen und Zusätze

mehrere Bogen in

am Rand des Textes

und ans eingcklebten Zetteln rühren ans späterer Zeit und zwar zum größten Teil von der Markgräfin selbst her, während die Änderungen Snpperville's sich fast ansschließlich auf den Stil und die Rechtschreibung beziehen, um hierdurch das Manuskript druckreif zu machen.

*) Anrn. i Diese beginnt mit den Worten: »Je parti le 10 d'Oct. de Bareith et couchai le soir ä Streitberg . . Nach dem Satzei »J1ai vu plusieurs escalliers en L'air qui sont des Chefs d’Oeuvres pour la coupe des pierres«, steht auf der folgenden halben Seite, als Ueberschrift für den Schluß des Tagebuchs: »Voyage D’Italic«. Die nächste Seite fährt dann fort: »Nous partiment le 1 d’Avrill d’Avignon«. Das letzte Blatt schließt ab mit den Worten: »Michel a ete V Architecte de ce Monument«.

Außer diesem Originaltexte — Ms. boriiss. Fol. 806 der König­ lichen Bibliothek zu Berlin — befinden sich im Königlich Preußischen Hausarchiv noch sechs ungedruckte Kopien, die alle, wie Pertz nachgewiesen hat, echt sind, entstanden dadurch, daß die Verfasserin an dem ursprüng­ lichen Manuskripte mehrmals Umarbeitungen nach Inhalt und Form vor­ genommen hat: a) Die erste Kopie, K 395 BI1), ein Quartheft, aus der Bibliothek des Staatskanzlers Karl August, Fürsten von Hardenberg, trügt" den Titel: -> Copie des Memoires de Mad la Margrave de Bareith, soeur de Frederic 2«. Unter dieser Aufschrift steht das eingeklammerte Nota­ bene: „Abschrift von dem in Sigmaringen befindlichen Lord Cravenschen Exemplar." Diese Kopie^) ist von zwei Schreibern angefertigt; bis zum Schlüsse der neunten Lage geht die eine Hand, von da bis zum Ende (vierzehnte Lage) die zweite Hand. Die letzten Worte: »puisque ce nest pas ä moi, continua-t-il, de m’abaisser jusqiVä repondre ä un coquin comme Vous« stehen gleichlautend in der Braunschweiger Redaktion: I, 254. b) K 395 B2, in Folio, die zweite Abschrift. Der Titel: »Les Memoires de ma vie < ist von dem ehemaligen Besitzer, Fürsten Harden­ berg, im Glauben, daß diese Kopie die Originalhandschrift sei, durch den Zusatz erläutert: »de la princesse de Prusse Frederic Sophie Wilhel­ mine. qui epousa le Margrave de Bayreuth, ces memoires sont ecrit par eile meine«. Diese Abschrift besteht aus acht gebundenen Heften, von derselben Hand geschrieben. Sie ist vielfach mit Bleistift korrigiert, besonders im italienischen Reisetagebuch, wo außerdem sehr viel durchgestrichen ist. Sie ist eine Kopie des ganzen Originals^) (Ms. boruss. Fol. 806) ohne jedoch 0 Dies ist die richtige Signatur, nicht wie Pertz hat K 395 B 1. („Ueber die Denkw. der Markgräfin von Bayreuth", Berlin 1850.) 2) Sie ist die einzige Handschrift, in der die Seiten nicht numeriert sind; sie beginnt: »L/annee 1706 le Prince roial Spousa la Princesse cTHannovre . . Son education, confiee au Comte Dohna, avoit etc fort negligee«. 3) Deshalb lassen sich aus ihr die Lücken, die infolge der Unleserlichkeit des Autographs in der Braunschweiger Ausgabe entstanden sind, ergänzen: 1) Br. A. I, 30 durch Heft 1,32: (l’avoir lue): »L'annee 1717 finit par ces intriques, celle qui« (la suivit . . .) 2) Br. A. I, 31/32 durch Heft 1,34; (voir les) »pierreries pour Le convaincre de la faussete de 1’« (accusation . . .) 3) Br. A. I, 33 durch Heft 1,36: (demontat point) »et lui repondit avec la fermete qu’il etoit vrai qu’elles etoient« (de sa main . . .)

4

wortgetreu abgeschrieben zu fein. Denn abgesehen von manchen ortho­ graphischen Eigentümlichkeiten*) beginnt beispielsweise die Schilderung des Jahres 1741 in beiden Texten sachlich sehr verschieden: »Je retournai donc a Bareith le 12 de Jan vier de l’annee 1741, et j’y arrivai au beut de onze jours«* 2): Hierfür steht in dieser Kopie: »Je partis donc quinze jours apres le Boi, et j'arrivai le quinze de Janvier 1741 ä Bayreuth«3). c) K 395 B 3, in Quart, umfaßt 572 numerierte Seiten und trägt auf der Einbanddecke die Aufschrift: »Les Mernoires de la vie de Son Altesse Royale Madame la Margrave de Brandebourg Bayreuth nee Princesse de Prusse ecrits par Elle meine; depuis Fan 1705 jusqu'ä 1742«. Die Schrift dieser Kopie, die der Bibliothek des Prinzen Hein­ rich von Preußen entstammt, ist flüchtig, aber sehr leserlich. Die letzten Worte sind: »sa lettre etoit remplie d'invectives contre la cadette ä laquelle il donnoit sa malediction«. d) K 395 B 4, ein Foliotext mit 586 Seiten, hat denselben Titel und denselben Schluß wie die vorige. e) K 395 B 5. ebenfalls in Folio, ist mit verschiedener Tinte von mehreren Schreibern angefertigt. Am unteren Ende der Seiten sind die Lagen durch die Buchstaben A bis P bezeichnet; die einzelnen Lagen sind durch arabische Ziffern numeriert. Der frühere Besitzer dieser und der vorigen Kopie war General von Götze. Beide haben denselben Titel und endigen mit denselben Worten wie K 395 B 3. f) K 395 B 6, eine Foliomappe aus der Büchersammlung Sr. Majestät des Königs Friedrich Wilhelm III. mit dem Titel: »Les Memoires de la vie de Son Alt esse Royale Madame la Marggrave de Brandebourg-Bayreuth. nee Princesse de Prusse, ecrites par eile meine ; depuis Fan 1706 jusqu'ä 1742«. Die 15 Lagen führen die Buchstaben A bis P. Die vier letzten Kopien enthalten einen gemeinsamen Schluß, der aber irrtümlich zum Jahre 1742 erzählt wird, während K 395 B 2 diese ganze Stelle richtig in das Jahr 1740 verlegt, jedoch mit dem Unter­ schiede, daß hier hinter »malediction« noch »assurant . . .« steht, mit 4) Br. A. I, 335 durch Heft 5,7: (Donep) »pari demain mecontent« (Je ne fis . . .) *) „Kamecke" für „Äamcken", „Rockow" für „Rokoulc" rc. a) Br. A. II, 305. 3) H°ft 8,8.

dem Vermerk des Abschreibers: »NB. il manque ici quelque chose, qui a ete perdu»1); die 4 Handschriften K 395 B 3 bis 6 lassen dagegen >assurant . . . .« weg und schieben diese Episode an den Schluß der Denkwürdigkeiten (Juli 1742), wodurch sie den Anschein eines abge­ schlossenen Werkes erwecken; sie fahren also nach »remplie de ceremomonie et de complimens« folgendermaßen fort: »J'ai dejä dit quelque pari dans ces memoires que M11G. Caroline de Marwitz s'etoit promise de l’aveu de son pere avec le grand ecuyer, Comte de Schoenbourg. Le general Marwitz avoit donne son consentement ä cet engagement ä condition qu* il restat cache, le feu Boi mon pere ayant fait une loi que toute riebe Rentiere n'osät sc marier hors de son pays. Mr. de Marwitz avoit donc resolu de tächer de trouver des etablissemens pour ses deux filles ainees. esperant qu'ensuite il obtiendroit la permission de ce Prince de pouvoir marier la troisieme hors du pays. Les deux soeurs ainees ne trouvoient point leur compte dans ce projet: elles n’etoient ni Pune ni l autre dhumeur d'aller se confirmer dans une garnison ou ä la Campagne avec leur pere. Une raison particuliere les en empechoit encore, elles avoient des inclinations secrettes, ce que j’ignorois parfaitement dans ce tems la et tächoient d'animer leur pere contre leur soeur pour rompre son mariage et lui en faire contracter une autre dans les etats du Roi. esperant qu’alors elles seroient arbitres de leur sort. La soeur cadette remarqua leurs intriques; eile aimoit son amant, ils convinrent ensemble de se marier: pour cet esset eile pretexta une maladie et obtint le consentement de sa Tante pour aller au Carlsbad2). Elle s'y rendit en esset pour cacher son jeu, mais au Heu de retourner ä Bayreuth, le Comte la mena ä une de ses terres ou il Tepousa ä VinsQu de ses deux Tantes. Le Roi ne fut pas plutöt informe de cette nouvelle qu'il ecrivoit une lettre fulminante au general Marwitz lui ordonnant de rappeler ses deux filles ainees aupres de lui et de leur faire quitter mon Service. Le General ecrivit donc ä sa kille ainee, sa lettre etoit remplie d'invectives contre la cadette ä laquelle il donnoit sa malediction«. 9 In der Originalhandschrist steht diese Stelle in dem ehemals ver­ siegelten Teile; doch sind hier die orthographischen Mängel noch nicht beseitigt; (»re­ solu« und »maladie« sind z. B. mit „ll" geschrieben). Außerdem ist nach »au Carls­ bad« (im Original «Carlsbatt«) ein Satz begonnen: »L’arrivee du Roy . . .«, der aber mit diesen Worten abbricht. a) K 395 B 2 hat hier den Zusatz: »au moment de l’arrivee du Roi«.

6 Außer diesem

gleichlautenden Schlüsse stimmt der Text der vier

Kopien B 3 bis. 6 fast wörtlich überein, berechtigt ist, daß dieselben aus einer

so daß man zu

gemeinsamen Quelle

der Annahme

geflossen sind,

die ihrerseits wiederum, ebenso wie Bl und B 2 eine Umarbeitung

der

Originalhandschrift ist, noch ehe dieselbe bei Fr. Vieweg in Braunschweig

im Drucke erschien.

Aus diese Weise erhält mau folgende Tabelle'): I. Rezension bildet das Original für die Tübinger Ausgabe-).

II. Rezension hat folgende Entwickelungsphaseu: a) K 395 B1 (Abschrift

des Lord

Cravenschen Exemplars)

= M 1. b) K 395 B 3 bis 6 = M 3, M 4, M 5, M 6.

c) K 395 B = M 2.

d) Ms. boruss. Fol. 806)

(Origiualhandschrift und Text der

Braunschweiger Ausgabe"). Obiger Stammbaum ist nach

der Eutstehuugszeit aufgestellt.

Die

erste Redaktion ist sicher nach dem Tode GrumbkowS (Januar 1739)')

verfaßt und wahrscheinlich bevor die Frau von Blaspiel'') (Sommer 174-0)

durch Friedrich II. als Erzieherin seiner Schwester Ulrike") nach Berlin

berufen ward.

Dieser Rezension steht die erste Fassung der zweiten Redaktion (M 1) zeitlich am nächsten; dies zeigt die Stelle: »ces trois partis

France, l'Angleterre et la Pologne«, —

Ausgabe")

— während

in

ebenso

wie in

eloient la

der Tübinger

allen andern Handschriften die Könige von

Schweden, England, Rußland und Polen als

einstige Bewerber um die

Hand der Prinzessin Wilhelmine prophezeit werden. ') Vgl. Dropsen, Gesch. d. Preuß. Pol. 4, IV. 83. ") Im Nachstehenden mit »T. A.< bezeichnet. 3) Im Nachstehenden mit »B. A.« bezeichnet. Die lange Episode vom Besuch des Zaren in Berlin im Jahre 1718 steht in

sämtlichen Fassungen der zweiten, nicht dagegen in der ersten Rezension.

4) „Seitdem blieben sie (der Fürst von Anhalt und Grumbkow »ach dem lächer­ lichen Duell) geschworene Feinde, und ihr Haß hat sich nur mit Grnmbkows Leben geendigt".

(T. A. S. 61.)

6) Bei Droysen steht hierfür „Blaspeil" (a. a. O. S. 82 u. s. w.

”) (1718) „Frau von Blaspiel blieb ein ganzes Jahr in Spandau, und verließ es nur, um nach Cleve verwiesen zu werden, wo sie jetzt noch lebt" (T. A. S. 32 f.),

d. h. aber nur bis kurz nach der Thronbesteigung Friedrichs II. ’) S. 13.

Für die Abfassungszeit der übrigen Kopien läßt sich nur das Eine

sagen, daß sie nicht vor

1744 vollendet sein können: »Comme je le

decris dans Fetal oü il est ä present,

et

que j'ecris ceci Fannee

1744«1); ja selbst noch im Frühjahr 1747 muß die Markgräfiu an ihren Denkwürdigkeiten gearbeitet haben, wie Dropsen mit Recht aus einer Be­

merkung schließt, die in sämtlichen Kopien der zweiten Rezension steht:

»Depuis ce temps-lä ils ont toujours etc ennemis jur es« (Leopold von

Anhalt-Dessau und Grumbkow) »et leurs animosites par leur vie«2), d. h. erst Anhalt im April

Fassungen

der

des Jahres

zweiten

n'oiit cesse

que

nach dem Tode des Fürsten Leopold von 1747.

Rezension

Und

(M 2

vollends

und

das

die

beiden

letzten

Autograph) können

frühestens im Winter 1755 endgültig abgeschlossen sein, nachdem die Mark­ gräfin im Herbst dieses Jahres voll ihrer italienischen Reise zurückgekehrt ist und die Erlebnisse derselben den Memoiren einverleibt hat'^).

Auf welcher Grundlage sind nun alle diese Redaktionen entstanden? Die Möglichkeit, daß dieselben nach ciiicut sorgfältig geführten Tage­ buche bearbeitet worden seien, ist ganz ausgeschlossen,

vielen Anachronismen und

da sich sonst die

andere Ungenailigkeiten, denen

jeder Seite begegnen, nicht erklären ließen'), trotzdem

wir fast auf

die Fürstin über

»une memoire merveilleuse«5) verfügt haben soll. Nein, solch' eine, wenn auch rein subjektive, so doch verhältnismäßig

zuverlässige Quelle lag der Markgräfin bei ihrer! litterarischen Erzeug­

nissen nicht

vor.

Zusammenstellung

Vielmehr sind

von

ganz

sie eine durch und durch romanhafte

unsicheren

Erinnerungen

aus

längst

ver­

gangenen Zeiten. Die Geburtsstätte dieser Kompilation

ist das Lustschloß »Eremi­

tage«, nahe bei Bayreuth: c’est lä ou je suis encore occupee ä ecrire

B. A. II, 258, wofür in M 3 bis 6 steht: »comme j’ecris ceci l’annee 1744«. 2) B. A. I, 86. Vgl. S. 6 dieser Arbeit, Anink. 4. 3) I. G. Droysen: Gesch. d. Pr. Politik. 4, IV, 85. 4) Wenn Droysen schreibt: „Wenigstens hat die Markgräfin deren (Tagebuchaufzeichnungen) aus der Zeit vor ihrer Vermählung wohl schwerlich gehabt" (4, IV. 86), so läßt sich diese Vermutung auch auf die Schilderung der späteren Jahre über­ tragen, wenn man z. B. B. A. II, 140: »J1 (le prince hereditaire) partit le 30 de Septembre et fut de retour le 1 de Novembre« mit MB, S. 489 und M 4, S. 496 vergleicht: »J1 partit le 30 d’Octobre et fut de retour en peu de jours«. Weitere Abweichungen gehören in den Rahmen der Textkritik im Abschnitt VI. 5) Causeries du Lundi XII, 332.

8 ces memoires«1), und wenige Seiten später giebt uns die Fürstin den Grund an, der sie zur Abfassung der Memoiren bewogen habe: »j'ecris pour nie divertir«2); wenn sie aber unmittelbar darauf in einem Anflug von Bescheidenheit fortfährt: »et ne compte pas que ces memoires seront jamais imprimes ; peut-etre meine que j’en ferai un jour un sacrifice ä Vulcain . . ,«3),* so steht diese Stelle inhaltlich mit folgender im Widerspruch: »Je prie ceux qui pourront lire un joar ces memoires .. .«'*). Außerdem macht Joh. Gust. Droysen für die Annahme, daß die Markgräfin ihre Denkwürdigkeiten für den Druck bestimmt habe, mit Recht gerade den Umstand geltend, daß sie das Manuskript an denjenigen ihrer literarischen Freunde sandte (Dr. von Supperville), auf dessen Miß­ wollen gegen den König sie vielleicht am sichersten rechnen zu können meinte5). In der Öffentlichkeit haben die Memoiren sehr bald die weiteste Verbreitung gefunden, schon allein ihres fesselnden Stiles wegen. Aber entspricht diesem Vorzüge der Form auch in gleichem Maße die Unan­

fechtbarkeit des Inhalts? Lange genug hat man das geglaubt. Beim Erscheinen unserer Denkwürdigkeiten, hervorgegangen wie sie waren aus dem Nachlasse der Markgrüfin Friederike Sophie Wilhelmine von Bayreuth, hoffte man umsomehr, daß dieselben einen wertvollen Bei­ trag znr Geschichte der Zeit Friedrich Wilhelms I., Königs von Preußen"), bilden würden, als die Glaubwürdigkeit der seitherigen Litteratur, deren zeitgenössische Vertreter David Faßmann, Eleazar Mauvillon und Antoine Auguste de la Martiniere sind, schon allenthalben angezweifelt wurde; und mit Recht, denn Faßmann, aus dessen Werke: „Leben und Thaten des Allerdurchlauchtigsten und Großmächtigsten Königs von Preußen l'riderici Wilhelmi", sowohl Mauvillon wie Martiniere — zum Teil wörtlich — geschöpft haben, stand dem Berliner Hofleben zn fern, als daß dessen Zuverlässigkeit mit der Kühnheit seiner Darstellung hätte wett­ eifern können. -) B. A. II, 255. 2) Ebendas. II. 258. ’) Ebendas. II, 258. *) a. a. O. II, 301. •) Droysen a. a. O. 4, IV, 68 und K. Matthias: „Die Markgrüfin von Bay. reuth" in der Zeitschrift für preußische Geschichte VIII, 205. •) Der offizielle Titel bei der Krönung am 18. Jan. 1701 lautete allerdings: „König in Preußen". Selbst Friedrich II. nannte sich noch so, bis er im Jahre 1772 durch die erste Teilung Polens Herr von ganz Preußen wurde.

Wie ganz anders lag dagegen die Sache bei der geistreichen Königs­

wie man

die,

tochter,

allgemein annehmen

zu dürfen glaubte, mit dem

preußischen Hof- und Staatsleben aufs genaueste vertraut sein mußte. Deshalb begrüßte man die Veröffentlichung dieser Memoiren mit Freuden;

dachte man doch, in dieser ausführlichen Familienchronik eine unbedingt sichere Quelle für die Regierung Friedrich Wilhelms L gefunden zu haben.

So kann man sich nicht wundern, daß die Denkwürdigkeiten der Mark­ gräfin von Bayreuth die Fundgrube für eine Reihe von Historikern ge­ worden sind und einen sehr großen, fast entscheidenden Einfluß auf die

geschichtliche Darstellung jener Epoche ausgeübt haben. Wie groß dieser Einfluß

noch

heute ist, sieht

man z. B., wenn

man den deutschen Neudruck der Denkwürdigkeiten aufschlägt, der im Jahre 1887 zum ersten Riale und im Jahre 1892 in neunter Auflage er­

schienen ist. Er führt den Titel: „Memoiren der Königlich Preußischen Prin­ zessin Friederike Sophie Wilhelmine von Bayreuth, Schwester Friedrichs des Großen.

I—II.

Vom Jahre

Von ihr selbst geschrieben.

1709—1742.

Neunte Auflage, fortgeführt bis zum Jahr 1758; mit 1 Portrait.

Leipzig.

Verlag von H. Barsdorf.

1892."

In der mit »B.« unterzeichneten Vorrede lesen wir u. a.: „Es ist

der Markgräfin oft zum Vorwurf gemacht und kein Geringerer als der

berühmte Geschichtsschreiber Schlosser hat den ersten Stein auf sie ge­

worfen, daß sie in allzu rücksichtsloser Weise die Ihrigen bloß­ gestellt habe —".

Wir lesen da ferner auf der zweiten Seite: „Kann

man auch heutzutage, nachdem so viele historische Quellen eröffnet wurden, ihren Memoiren nicht mehr als für die historische Auffassung maßgebend,

einen ersten Platz eiuräumen, und hat man ihr auch manche Un­ richtigkeit nachgewiesen, so liegt es doch auf der Hand, daß dieselben

viel des Wahren und Interessanten enthalten und ein Spiegelbild deut­ scher Sitten und Zustände im 18. Jahrhundert bleiben werden."

Der

Herausgeber

kennt

hiernach

von

den Vorwürfen,

die dem

Werke bisher gemacht sind, nur zwei: es ist einmal der der L i e b l o s i gf eit im Urteilen und Mitteilen über die Ihrigen und

Unzuverlässigkeit in „manchen" sachlichen Angaben.

sodann der der

Wenn weiter nichts

vorläge, so würde das nicht allzuviel bedeuten, denn, was man „Lieb­ losigkeit"

nennt,

kann

einen sehr

achtbaren

Grund in einer sittlichen

Strenge der Lebensauffassung haben, die um der Wahrheit willen selbst

das eigene Fleisch und Blut nicht verschont, und vollends

„manche Un­

richtigkeit" kommt sogar in Werken angesehener Geschichtsschreiber von Berus

10

vor, wie viel leichter in den Aufzeichnungen einer Prinzessin, die keine

Gelehrte war, noch sein wollte, und, was sie schrieb, auch selber gar nicht in Druck gegeben hat.

So leichtwiegend sind aber die Anklagen nicht, die man entkräften

muß, wenn man diese Denkwürdigkeiten durch Veranstaltung

druckes der ganzen Lesewelt empfiehlt. von

den

grundlegenden

Arbeiten

Um das zn glauben,

von

Ranke

eines Neu­

muß man

und D r o y s e n keine

Ahnung haben.

Von Leopold von Ranke kommt in Betracht ein Anfsatz vom Jahr

1849, der überschrieben ist:

„Ueber die Glaubwürdigkeit der Memoiren

der Markgräfin von Bairenth"4).

Ranke weist zunächst ans die auffallende Verschiedenheit hin, welche

zwischen den einzelnen Texten dieser Denkwürdigkeiten besteht und kommt

zu dem Ergebnis: „Wenn man annehmen dürfte, daß diese verschiedenen

Redaktionen alle von der Prinzessin selbst stammen, so würde sich gleich­

sam eine Steigerung ihrer Phantasie uni) Neigung zur Afterrede wahr­ Das leuchtet ein, daß wir uns hier nicht auf

nehmen lassen, ....

dem Boden

ruhiger

oder

naiver Mittheilung, sondern

einer

ziemlich

schwankenden Erinnerung befinden, die bewußt oder unbewußt, der Carri-

katur zuneigt"'). Ranke weist ferner auf die Widersprüche hin,

welche sich ergeben,

wenn man die Denkwürdigkeiten mit den Briefen vergleicht,

welche die

Verfasserin über dieselben Dinge geschrieben hat, die nachher in den Denk­ würdigkeiten vorkommen; so bei diesem Beispiel: Als geradezu „unerträg­

lich"-') schildert die Markgräfin den Aufenthalt zu Himinelskron im Juni 1732; gleichsam gezwungen d’ in f o r tu n e».

sei

sie

hier

So in den Memoiren,

»pour

geblieben,

anders in

comble

einem Briefe,

wo

sie rühmend hervorhebt, kein Mittel habe man unversucht gelassen, um ihr den Aufenthalt so

angenehm wie nur irgend

möglich zu machen:

»L'on m’accable ici de caresses et le Margrave fait ce qu'il peut

pour m’obliger.

Si je voulais accepter tous les presens que l’on me

reut faire, je le ruinerois, lui et le pays«4).

„Aber davon", schreibt Ranke,

*) 2) 3) ‘)

Sämtliche Werke. Bd. XXIV. Ebendas. S. 62. Ebendas. S. 64. Bergt, a. a. O. S. 64.

„konnte in den Denkwürdigkeiten

nicht die Rede sein,

wo die Absicht war,

eine Laufbahn von Trübsalen

(m a carriere d ’ a d v e r s i t e s) zu vergegenwärtigen" *).

Andere Beispiele zeigen dieselbe Absicht.

Rankes

Schlußfolgerung

den Briefen erscheinen,

lautet demgemäß: „Wie die Sachen in

natürlich und lassen sich verstehen; wie sie in

sind sie

den Memoiren geschildert

werden, sind sie unerklärlich und abenteuerlich"-).

Aber auch einige grobe Verstöße gegen geschichtliche Thatsachen weist versichert, daß bei dem Aufenthalt

Ranke nach: „Sie (die Markgräfin)

ihres Großvaters

in Charlottenburg ein Vertrag zu Stande

gekommen

sei (12. Okt. 1723), worin man eine Dvppelheirath zwischen den Kindern

der beiden Häuser beschlossen habe.

Ich sah den Vertrag; er ist für die

damaligen Verhältnisse von großer Wichtigkeit, von der Heirath steht je­

doch kein Wort darin"'). Die Heiratsverhandlnngen mit England

bilden den Kernpunkt des

ersten Teils der Memoiren; doch fast in allen Entwicklungsstufen weicht die Verfasserin erheblich von der geschichtlichen Wahrheit ab.

Die Mark­

gräfin scheint nach Ranke „durch das Gefühl beherrscht zu sein, daß das Glück einmal den englischen Thron zu besteigen ihr nahe stand;

daß es

ihr nicht zu Theil geworden ist, giebt sie denen Schuld, die mit dieser Sache in Berührung

gekommen sind iuib h a t s i ch dadurch gerächt, daß

sic ihnen schlechtenRuf bei d e r N a ch w e l t gemacht (j a t"1).2 3 4 * *

Nach dieser Vorarbeit hat Joh. Gust. Dropsen 21 Jahre später dieselbe Frage mit umfassender Sachkenntnis und unerbittlich eindriugeuder Kritik behandelt"').

„Da sich die Erzählungen der Markgräfin",

beginnt Dropsen nach

einer kurzen Einleitung, „fast ausschließlich in der Sphäre des Familienund Hoflebens in den persönlichsten Verhältnissen bewegen, so ist es aller­

dings nur in einzelnen Fällen möglich, Materialien nachzugehen.

ihr an der Hand urkundlicher

Das Meiste und man darf sagen das Frappan­

teste . . . entzieht sich der Controle"').

Wohl ist diese aber möglich bei

solchen Thatsachen,

auswärtigen Beziehungen des Staates zusammenhängen"7).

Ebendas. Ebendas. Ebendas. Ebendas. Gesch. d. "i Ebendas. ’) Ebendas. ') 2) 3) 4)

S. 64 f. S. 66. S. 67. S. 69. Pr. Pol. 4, IV. 33-96. S. 34/5. S. 36.

„die mit den

12

An einer langen Reihe von hierhergehörigen Beispielen gelingt es Dropsen, die Unglaubwürdigkeit der Markgräfin schlagend nachzuwesen indem er deren Angaben mit den beglaubigten Thatsachen der Geschihte, die verschiedenen Texte der Denkwürdigkeiten unter sich vergleicht, liefe ihrerseits mit den Briefen der Markgräfin zusammenhält. Ein Anhang handelt über „die Handschriften der Memoiren der Markgräfin" *); vorher fixiert er das Ergebnis seiner Untersuchnngei in dem Satze: „Das; die Denkwürdigkeiten der Markgräfin sowohl in lern, was sie erzählen, wie in den Aktenstücken, die sie mittheilen, e n t st el l t nnd gefälscht, daß sie als Quelle für die preußische Geschichte wethlos sind, wird zur Genüge erwiesen fein"* 2).3 Also nicht Lieblosigkeit gegen Berwaudte, nicht Unrichtigkeiten infilge von Unkenntnis allein, sondern absichtliche Unwahrheiten, bewußte Ent­ stellungen, Erdichtungen und Fälschungen hat Dropsen den Denkwümgkeiten der Markgräfin nachgewiesen. Und Beiträge zur Bestätigung dieses Urteils unter Befolgung der von Ranke und Dropsen zuerst angewandten Methode zu geben, ist die Absicht unserer Untersuchnngen und Ausführungen.

Was zunächst die Episoden anlangt, in denen die Markgräfin Vas innerste Familienleben des Berliner Hofes vor die Öffentlichkeit zeht, wobei sie ihre giftdnrchtränkte Feder in erster Linie gegen ihren leiblihen Vaters richtet, so ist die Nachwelt, wenn sie die Prüfung ihrer Glmbwürdigkeit unternehmen will, von vornherein deshalb in einer üblen Ltge, weil über das Familienleben des Hauses Brandenburg in jener Zeit ü ben dieser durch und durch subjektiven Quelle keine ähnlich eingehende objekive zu Gebote steht, die Anspruch auf Vertrauen erheben könnte. ') Ebendas. S. 77 ff.

2) Ebendas. S. 76.

3) D. h. desjenigen Mannes,

über

dessen Stellung in der Geschichte krnst

Berner — offenbar unter dem Eindruck unserer Denkwürdigkeiten — das prägiante Urteil fällt: „Kein Monarch Preußens, kein Herrscher der Welt vielleicht ist schlinmer

verkannt, ist ärger verketzert worden als Friedrich Wilhelm I.

Indem man nie die

scharfen Kanten und die Härten seines Regimentes in Betracht zog, und indem nan

diese Härten fast lediglich nach

den Berichten

und Aufzeichnungen

von Persönlichkeiten, die dem Könige und seinem Staate waren, beurteilte . . . ."

mißgüistig

(Ernst Berner: Gesch. d. Preuß. Staates.

III, 157.)

Denn niemand hat ein Mittel in der Hand, der Markgräfin nach­ zuweisen, daß sie lügt, wenn sie ihrem Vater vorwirft, er hätte sich, trotzdem er seine Gattin „leidenschaftlich liebte", nicht enthalten können, diese zu mißhandeln: »Mais quoique le roi aimät passionnement cette princesse, il ne pouvoit s’empecher de la maltraiter« ft; oder wenn sie bei der Skizze des „traurigsten Lebens von der Welt", das sie während ihres Aufenthaltes in Potsdam (Frühjahr 1736) geführt haben will, be­ tont, daß man von der Abendmahlzeit, der ihr Vater beizuwohnen pflegte, „meistens hungrig wieder aufstand"ft. Diese Angaben leiden zwar im höchsten Grade an innerer Unwahr­ scheinlichkeit, aber einen Nachweis der Unrichtigkeit zu erbringen, sind wir ebensowenig in der Lage wie bei dem Berichte über die Szene, die sich gelegentlich einer Unterredung zwischen König und Königin unmittelbar nach dem mißlungenen Fluchtversuche des Kronprinzen abgespielt haben soll, bei der auch die Prinzessin Friederike Wilhelmine zugegen gewesen sein will; hierbei, so erzählt uns diese, wäre sie beinahe das Opfer der tyrannischen Behandlung ihres Vaters geworden, und nur durch einen glücklichen Zufall sei sie dem sicheren Tode entronnen: »Infame canaille, me dit-il, oses-tu te montrer devant moi ? va tenir Compagnie ä ton coquin de frere. En profcrant ces paroles il me saisit d une main, m’appliquant plusieurs coups de poing au visage, dont Pune me frappa si violcmment la tempe, que je tombai ä la renverse, et me serois fendu la tete contre la carne du lambris, si Mine, de Sonsfeld ne m'eüt garantie de la force du coup, en me retenant par la coiffure. Je restai ä terre sans sentiment. Le roi, ne se possedant plus, voulut redoubler ses coups et me fouler aux pieds«3). Dropsen führt in seiner „Geschichte der Prenß. Politik"3) mehrere hierher gehörige Beispiele an, von denen nur noch die Stelle, in der die Markgräfin die Begegnung ihres Vaters mit Fräulein Pannewitz be­ schreibt, einer Beleuchtung bedarf: Zunächst widerspricht sich die Vew fasserin selbst, wenn sie behauptet, ihr Vater habe genannte Dame auf­ gefordert, seine Maitresse zu werden. Denn einesteils heißt es in der Tübinger Ausgabe: „Der König liebte die Weiber nicht, und setzte seine Ehre darein, in diesem Punkte den Vorschriften des Evangeliums zu ') 2) ’) ‘)

B. A. i, 12. T. A. 65. B. A. I, 242. a. a. O. 4, IV, 35.

14

folgen"1), andernteils lesen wir iw Braunschweiger Drucke, Friedrich Wilhelm I. sei bei seinem Besuch in Dresden 1728 über das unsittliche Leben am sächsisch-polnischen Hofe so entrüstet gewesen, daß er Grnmbkow gegenüber erklärt hätte, er würde sofort abreisen, wenn nicht — wenigstens während seines Aufenthaltes — seinen Anschauungen in Bezug auf die Moral aufs strengste Rechnung getragen werden toüri)e2). Diese Charakteristik des Königs von Preußen wird durch eine Reihe von Zeugnissen in glänzender Weise bestätigt: Mauvillon gibt am Ende seines Werkes ein »Portrait de Frederic-Guillaume, Roi de Prusse... 11 etoit dune pudeur et dune retenue rare da ns un Souverain. J 1 cherissoit t en dr einen t la Reine son augusteEpouse, a lagi! eile i 1 a gar de une 1 i d e 1 i t e s c r u p u 1 e u s e ; et il n'avoit peut-etre pas de crime plus en horreur que l’adultere . .«3). Inhaltlich ähnlich lautet das Urteil Försters: „Der König be­ wahrte feiner S a 11 i n eine unverbrüchliche Treue und wie in jeder Beziehung, so kündigte er vor allen der französischen Universallüderlichkeit, von der die meisten deutschen Höfe, zumal der nachbarliche Hof des Königs von Polen in Dresden, zn Grunde gerichtet wurden, den Krieg dadurch an, daß er die Heiligkeit des Familienlebens, die Penaten des Hauses wieder herstellte und mit dem Beispiele guter Zucht und Sitte vvranging ..." Als Beleg für dieses Urteil führt Förster folgende Episode an: „Ans der Reise zu dem Kaiser im Jahre 1732 hatte der König in einem Dorfe sich mit einem muntern und flinken Bauernmädchen zu scherzen erlaubt. Der General Grumbkow glaubte als Reisemarschall sich gefällig erweisen zu müssen und erbot sich, dem Mädchen Anträge zu machen. Allein der König verwies ihm dergleichen sehr st r e n g mit dem Bedeuten, daß er seinem „Fiekchen", so nannte er die Königin gewöhnlich, niemals untren werden mürbe“1). Das treffendste Zeugnis aber ist wohl das Friedrichs des Großen selbst, der in den kernigen Worten: »vrai dans ses promesses, aus-

*) T. A. 15; int frz. Text dieser Ausgabe nach Psundts Collatiou: »Le roi n’avoit aucun penchant pour Famour; et se faisoit un point cThonneur de suivie en cela les preceptes de Fevangile«. 2) B. A. I, 104. 3) Mauvillon: Histoire de Freden'c-Guillaume I, roi de Prusse. Tome II, 438 jf. 4) Friede. Förster: Fr. Wilh. I., König v. Preußen.

I, 166.

ter e da ns s es moeurs, rigoureux sur celles des autres«*) feinem Vater ein unvergängliches Denkmal gesetzt hat. Der ganze Geist der Urteile, welche die Markgräfin, wie wir sehen werden, über ihren Vater fällt, ist so einseitig, so gehässig, so voll ab­ sichtlicher Lästerung, daß, wenn sie einmal aus der Rolle fällt, d. h. über ihren Vater günstig urteilt, dies uubediugt glaubwürdig ist, als eine un­ willkürliche Huldigung, welche die Prinzessin der sonst absichtlich ver­ leugneten oder verdunkelten Wahrheit darbringt. Dies gilt insbesondere von dem allgemeinen Urteil, welches wir aus der Tübinger Ausgabe nnd K 395 Bl angeführt haben, das dem Braunschweiger Texte (und allen übrigen Handschriften) schnurstracks zuwiderläuft. Wenn der König wirk­ lich, wie Wilhelmine, in Uebereinstimmung mit allen übrigen Zeugen angibt, die Weiber nicht liebte und seine Ehre darein eiusetzte, sich von Ehe­ bruch unbedingt fern zu halten, so kann die Angabe, daß er Fräulein von Pannewitz zu seiner Maitresse hätte machen wollen, nichts sein als ein verleumderischer Klatsch. i) Frederic le Grand: Memoires pour servir ä. l’hist. de la maison de Brandebourg. oeuv. hist. 1, 267.

II.

Erste Heiratsträllme. Nach den Denkwürdigkeiten der Markgräfin von Bayreuth taucht der Gedanke einer doppelten Familienverbindung der Häuser Brandenburg-

Braunschweig zum ersten Male bereits im Jahre 1712 auf.

nnS die Verfasserin, daß sie, obgleich kaum

drei Jahre

Hier erzählt

alt, von ihrem

ersten') Liebhaber, dem damals fünfjährigen Sohn des Kurprinzen von Hannover-) Geschenke erhalten habe, nachdem die beiden Mütter die einstige

Vermählung ihrer Kinder vereinbart hätten"). Aber es ist keine Urkunde vorhanden, auf die sich diese Behauptung stützen könnte.

Auch die Markgräfin hat sich

erst in späteren Jahren

dieser Neuigkeit entsonnen, denn in der ersten Ausgabe ihres Werkes —

und das ist gerade das Merkwürdige Worte einer derartigen Verabredung



thut sie mit keinem

Erwähnung.

Ebenso

einzigen

weiß Baron

von Poellnitz, der diese Zeit ausführlich behaudelt. von einer im Jahre 1712 geplanten preußisch-englischen Familienverbindnng nichts zu berichten. Mit dieser Episode stellt die Markgräfin gleichsam das Programm

für den ersten Teil der Denkwürdigkeiten auf, der mit ihrer Vermählung endigt.

Die Schilderung der verschiedenen Heiratspläne und der Gründe,

weshalb dieselben — ohne ihr Verschulden — gescheitert seien,

Hauptinhalt des ersten Teils.

ist der

Im zweiten Teile (1731 bis 1742) führt

sie uns in grellen Farben die traurigen Folgen vor Augen, die aus der

Mißheirat mit dem Erbprinzeu von Bayreuth für sie entsprungen seien.

*) In dem Kapitel: »Of Princess Wilhelmina’s Four Kings and other ineffectual Suitors« gibt Carlyle (»History of Friedrich II of Prussia«. III., 117 bis 12*2) eine kurze Charakteristik der in den Denkwürdigkeiten als Bewerber um die Hand der ältesten preußischen Prinzessin angeführten Könige bezw. Thronfolger. 2) Diesen Titel führte Prinz Georg — als König Georg II. — bis zur Thron­ besteigung seines Vaters 1714; von da ab war er als Kronprinz von England der „Prinz von Wallis", sein im Jahr 1707 geborener Sohn Friedrich der „Herzog von Glocester"; von diesem ist hier die Rede. 3) B. A. I, 8.

Aber bevor die Prinzessin in den Ehestand eintritt, den sie uns als hat sie eine ganze Reihe von Be­

den schlimmsten Wehestand schildert,

werbern abgewiesen; wenigstens in ihren Memoiren, ans denen man den Eindruck erhält, daß sie sich für die Europa hielt.

begehrenswerteste Partie von

ganz

Schon als Kind von sechs Jahren sei sie vom Schweden­

könige Karl XII. als Gattin ansersehcn worden, der den Grafen Poniatowski nach Berlin gesandt hätte, um einen Sondervertrag

mit Preußen

abzuschließen, und zwar »si cache«, daß die Prinzessin nur zwei Artikel hätte erfahren können,

von denen der

gegen eine sehr bedeutende avec le

Schwedisch - Pommern ab­

>-etoit la conclusion

treten solle; der andere aber:

daß Karl XII.

erstere bestimme,

Geldentschädignng

de mon mariese

Zu diesem Zwecke sollte sie int zwölften

monarque Suedois«.

Lebensjahre nach Schweden gebracht werden, wo ihre Erziehnng vollendet werden würde.

Das erzählt die Markgräfin als eine Geschichte ans

Lebenszeit.

ihrer eigenen

Wir wissen aber, obwohl wir dieser Epoche ferner stehen, die

Sache besser, d. h. daß diese ganze Erzählung von Anfang bis zu Ende erfunden ist.

Hätte sich Friederike Wilhelmine die

damalige politische

Lage ihres Vaterlandes, wenn auch nur in ihreit Grundzügen, vergegen­ wärtigt, so würde sie wohl eine solche Erdichtung verinieden haben,

um

sich nicht vor dem Richterstuhle der Politik in ihrer ganzen Unwissenheit

bloszustellen.

Ein Vertrag mit Schweden zu Beginn des Jahres 1716 nitdeitkbar, da Friedrich Wilhelm int Mai des dem

schwedischen

gesprochenen

Ruhestörer

Vorsatz,

den

Krieg

ist

ganz

vvrangegangenen Jahres

erklärt

hatte,

mit

die Waffen nicht eher niederzulegen,

beut

aus­

als bis

er

Karl XII. zum Frieden und hierdurch zur Anerkennung seiner berechtigten Ansprüche auf Pommern gezwungen hätte.

Die Preußen eröffneten die

Feindseligkeiten durch die Eroberung Usedoms und die Belagerung Stral­ sunds, die vom 19. Oktober bis 22. Dezember 1715 dauerte^.

gar int Jahre 1716, als bereits Alliierten begannen,

die Zwistigkeiten unter den

verspürte Karl XII.

Und erst nordischen

noch nicht die geringste Lust,

sich auf Bedingungen des Königs von Preußen einzulassen, wodurch seine

Monarchie die Großmachtstellung verloren hätte, die hauptsächlich durch die Besitzungen auf deutschem Boden, durch Pommern und Stettin, be­ dingt war. *) A. B. König: Versuch einer hist. Schilderung . . .

u. Berner a. a. O. III, 264.

Teil IV, Bd. 1, 45 f.

18

Ebenso wie dieser Vertrag ist auch die angebliche Verabredung vom Jahre 1717 zwischen Friedrich Wilhelm I. und

Georg I. betreffs der

»double mariage« aus ähnlichen politischen Gründen unmöglich. Politische Gründe sind es ja, die bei Heiraten von Mitgliedern fürstlicher Familien den Ausschlag geben und allzeit gegeben haben; be­ sonders in dem vorliegenden Falle, wo die Vermählung einer preußischen Prinzessin mit dem englischen Thronfolger, die einer englischen Prinzessin, Amalie, mit dem preußischen Kronprinzen — nach unsern Denkwürdig­

keiten im Jahre 1717 — geplant worden sein soll, nnd zwar deshalb, weil Georg I. wünschte: »qu'un double mariage put serrer encore plus etroitement les noeuds de leur amitie«1). Bestand aber im Jahre 1717 diese amitie zwischen Preußen und

England-Hannover, oder ist die Annahme einer solchen nach den unmittel­ bar vorangegangenen Ereignissen geradezu widersinnig?

Wir müssen uns

ohne Bedenken für das Letztere entscheiden, da wir genau wissen,

daß

Georg I. im höchsten Grade über seinen Schwiegersohn erbittert war, der ihm auf seine Einladung nach der Görde eine abschlägige Antwort gegeben hatte, während er kurz darauf, Ende November (1716), zu einer Zusammenkunft mit dem Zaren nach Havelberg ging. Hier garantierte Peter I. dem Könige von Preußen in einer Deklaration den Besitz von

Stettin, doch schon im Frühjahr 1717 „glaubte man in Berlin die Be­ weise zu haben, daß englischer Seits in Stockholm die Rückgabe

Stettins

angeboten sei,

wenn Schweden auf Bremen und

Verden zu

Gunsten Hannovers verzichten woöe"2).3 Unter diesen Umständen war Friedrich Wilhelm in seinem guten Rechte, wenn er auf einen Bericht seines Ministers Cnyphausen aus Amsterdam folgendes Marginal setzte: „Gut, mit dem Zaaren zusammen

Frieden. England will ich mit dem größten Plaisir und wenn ich auch etwas Schaden dabei haben sollte, im Stich lassen"^, woraus also erhellt, daß man im Frühjahr 1717 wohl von einem Bruch zwischen England und Preußen reden kann, keinesfalls aber ernstlich der Ansicht sein, daß Georg I. in dieser Zeit die Absicht gehabt hätte, durch eine Doppelheirat „die Bande der Freundschaft noch fester zu knüpfen".

Vielmehr kam, soweit wir die Akten über diese Angelegenheit ver­

folgen können, die Doppelvermählung zum erstenMale im Jahre 17 2 3 1) B. A. I, 22. 2) Droysen, a. a. O. 4, II,. 206 f. 3) Ebendas. 207, Anmk. 1.

zur Sprache. Als Ergebnis der englisch-preußischen Konferenzen zu Charlottenburg (vom 10. Oktober 1723) giebt die Markgräfin den „Abschluß eines Allianzvertrages und der Doppelheirat an"1).2 3 Doch ist die letztere Angabe aus der Luft gegriffen, da sich aus den Urkunden nachweisen läßt, daß der Vertrag — nicht einmal in den Ge­ heimartikeln — auch nur ein einziges Wort von dem HeiratsPlane auf­ weist^). Deshalb vermissen wir diesen Passus mit gutem Grunde bei Mauvillonb). Der beste Gewährsmann in dieser Frage ist der Historiker A. B. König, dem das gesamte Handschriftenmaterial über die Verhandlungen jener Zeit zu Gebote stand; im Jahre 1723, so schreibt er, hätte Fried­ rich Wilhelm I. eine Reise nach Herrenhausen gemacht, wo er mit Georg I. von England zusammengetroffen sei. Währenddessen hätte sich Sophie Dorothee bemüht, „eine Heirath zwischen ihrem Sohn, dem Kronprinzen, und der englischen Prinzessin Amalie zu stände zu bringen, von welcher sie sich viel Gutes versprach. So viel Hoffnungen sich äußerten, selbige zu ihrem Vergnügen befördern zu können; so vereitelte dennoch das Be­ nehmen des Königs George des I. diese Unterhandlungen und brach sie unerwartet a6"4). Die Markgräfin von Bayreuth verlegt das erste Zusammentreffen der beiden Könige im Jahre 1723 nach Hannover, eine Verwechslung, die bei der großen Nähe der beiden Orte (Herrenhausen und Hannover) leicht möglich und verzeihlich ist. »Le roi, mon pere, qui n’avoit alors en vue que mon mariage avec le duc de Gl o cestre, se rendit peu apres l’arrivee de ce prince (roi d’ Angleterre) ä Hannovre«5). Nach den Denkwürdigkeiten reist aber Sophie Dorothee erst nach der Rückkehr ihres Gemahls (nach Berlin) zu ihrem Vater ab, und zwar: »Chargee d’instructions secretes pour le roi son pere, et de conclure une alliance offensive et defensive entre ces deux monarques dont le sceau devoit etre le mariage de mon frere et le mien. Elle ne trouva point les heureuses dispositions dont eile s'etoit flattee. Le roi d’Angleterre acquiesqa ä

*) 2) 3) 4) 6)

B. A. I, 80. „Von dem Berlöbniß enthielt der Vertrag nichts". (Droysen, a. n. O. 4, II, 355) a. a. O. II, 79. A. B. König: „Versuch einer histor. Schilderung . .", IV. Teil, Vd. I, S. 115. B. A. I, 73 und T. A., 51.

20 toutes les propositions hors ä celle de mon, mariage, s’excusant sur ce qu’il ne pouvoit entrer en aucun engagement sans avoir consulte les inclinations du prince, son petit-fils, et sans savoir si nos humeurs et nos caracteres se conviendroient«1). Es folgt der Grund, weshalb der König von England die Heirats­ verhandlungen zur „Verzweiflung" seiner Tochter abgebrochen haben soll: Elle (d. h. die Herzogin von Kendall, die sich im Gefolge Georgs I. be­ fand) avoua ä. la reine que l’eloignement du roi pour mon mariage provenoit des impressions malignes qu’on lui avoit donnees sur mon sujet; que la Letti (Erzieherin der Prinzessin Wilhelmine) avoit fait un portrait de moi tel qu’il le falloit pour degoüter tout homme de se marier; qu’elle m’avoit depeinte d’une laideur, et d’une difformite extreme que les eloges qu’elle avoit faits de mon caractere s'accordoient parfaitement avec ceux de ma figure; qu’elle m’avoit representee si mechante et si colerique, que cela me causoit le mal caduc plusieurs fois par jour de pure rage IJn second voyage que le Roi et la Reine firent en 1717 ä Hannovre donna lieu de parier d’un double mariage«: Diese Angabe erscheint höchst glaub­ würdig, nicht dagegen die Lesart der späteren Texte: »Le roi et la reine firent un second voyage ä Hannovre . . .* (Jetzt wird erwähnt, daß Karl XII. von einer Verheiratung mit der Prinzeß Wilhelmine abgestan­ den sei, weil das Alter zu ungleich wäre, eine Bemerkung, die in T. A. fehlt.) ». . . Gehn (roi) de Prasse se proposa de renouer celle qui avoit dejä eie sur le tapis avec le Duc de Glocestre«. (Auch diese Stelle findet sich noch nicht in T. A.) »Le roi George I. d Angleterre, se preta avec joie ä ces desseins, mais il souhaita, qu’un double mariage put serrer encore plus etroitement les noeuds de leur amilie . . . Gelte double alliance tut conclue . . . Getto p rin c esse (la reine de Prasse) nous porta les bagues de p r o in e s s e , ä mon f r e r e et ä moi«2). Während also nach den beiden ältesten Texten (T. A. und M 1) die Doppelheirat nur ganz beiläufig zur Sprache gekommen ist, spricht die Verfasserin in den späteren Redaktionen von einem Vertrage (-Gelte double alliance fut conclue«). der durch das Überreichen der Verlobungs­ ringe besiegelt worden sei. Die für uns unbedeutende Abweichung, daß in T. A. fälschlich die Ehe des Kaisers Constantin mit Placidia als ein dem Paare Blaspiel analoges Verhältnis angeführt wirb3), während in B. A. dieser Fehler verbessert ist1), haben Pertz und Droyseu'O zur Genüge beleuchtet"). 0 T. A. 21. 2) B. A. I, 22 f. 3) T. A. 24. 4) B. A. L 28. 5) Pertz, st. st. O. 133 und Droysen, 4-, IV, 86 f. °) In dieselbe Kategorie historischer Schnitzer gehört die Stelle, wo die Mark> gräfin die Reliquien der Kirche zu Bamberg aufzählt, z. B.: >le cräne de l’Empereur Frederic et de rJmperatrice Cunigonde, patrons de Bamberg et fondateurs du chapitre« (B. A. II, 240). Dies ist natürlich unrichtig, denn nicht Kaiser Fried­ rich, sondern Heinrich II. gründete im Jahre 1007 die Kathedrale zu Bamberg, wo­ für er und seine Gemahlin den Beinamen der Heiligen erhielten.

Kurz darauf lesen wir: »Celte princesse (reine de Prusse) aimoit le jeu. et y avoit fait des pertes considerables. ce qui l'avoit engagee d’emprunter secretement un Capital de 30.000 ecus«1). Jedenfalls erinnert sich die Tochter dessen erst später, da diese Worte in der ersten Ausgabe fehlen. Ebenso fehlt in der ersten Rezension die umfangreiche Erzählung vom Besuche des Zaren Peter in Berlin — im Jahre 1718 —, die in sämtlichen anderen Handschriften enthalten ist2). Wie sehr die scharfzüngige Dialektik der Verfasserin einzelne Epi­ soden in den jüngeren Texten übertreibt, ersieht man aus der Stelle, wo sie von den Mißhandlungen der Letti spricht: In T. A.: „Schläge und Schimpfreden wurden auch nicht gespart"). Unsere Verwun­ derung steigert sich noch, wenn wir zum Vergleiche die übrigen Redak­ tionen nachschlagen: »Les coups de poing et de pied etoient inon pain quotidien«4). Als sich dann aber die Erzieherin sogar soweit vergaß, ihre Schutz­ befohlene darüber zur Rede zu stellen, daß sie die Königin, ihre Mutter, u ne g ran de an esse« genannt hätte, so hatte diese »excellente morale« zur Folge, daß Wilhelmine von der Gelbsucht befallen wurde. Nach der Darstellung in der Cotta'schen Ausgabe hatte die Prinzessin augenscheinlich durchaus nichts dagegen, daß sie mit denr bloßen Schrecken davon gekommen ist; in einer Bemerknng der späteren Redaktionen jedoch, die aber im Tübinger Texte fehlt, will sie den Leser von dem Gegenteile überzeugen: »Pint au ciel« (in M 4: .Plut ä Dieu ) >qu'on m'eüt laisse quitter en paix le munde, j aurois ete bien heureuse. Mais j etois reservee ä endurer un tissu de fatalites. comme le prophele Suedois me l’avoit pronostique«5). Sehr bezeichnend für die Schriftstellerin ist die Skala ihrer Schil­ derung von der grausamen Behandlung der Letti vor der Abreise nach Wusterhausen im Jahre 1720: In T. A.: „Dieses Leben dauerte über drei Monate"); in B. A. entsprechen diesem „über" weitere drei Monate: »Je menai cette vie pendant six mois« ’) B A. I, 31. *) Ebendas. 40 ff. ’) T. A. 38: >Ses coups et ses injures n'avoient pas etc epargnes« (frz. Original). 4) B. A. I, 54. 5) B. A. I, 55. ”) T. A. 42: im frz. Texte hierzu: »Je menai cette vie plus de Irois mois- (52,15. ’) B. A. I, 59.

82 Auffallend ist es, daß die Verfasserin in den späteren Ausgaben das Entlassungsgesuch der Letti anführt, und zwar wörtlich, während der ältere Text dieses Schreibens entbehrt. In diesem Briefe an die Königin setzt allerdings die Prinzessin der gemeinen Gesinnung ihrer Gouvernante ein neues Denkmal, was sie durch das Einschieben dieses fragwürdigen Schriftstückes') zweifelsohne nur bezwecken will. Nur einige Worte sollen hier folgen: »Je la (reine de Prusse) supplie de m'accorder ma demission. Je vais quitter un pays barbare, oti je n'ai trouve ni esprit ni bon sens, pour finir mes jours dans un cliinat heureux, oü le merite est recompense . . ,«*2).* Ende 1721 übernahm Fräulein von Sonsfeld als Nachfolgerin der Letti die Erziehung der Prinzessin Wilhelmine. Den Anfang des Jahres 1722 beginnt die Fürstin in den ver­ schiedenen Ausgaben sehr verschieden; im Tübinger französischen Texte2): »Tonte cette annee et la moitie de la suivante qui fut l'annee 1722. il n’y arriva rien qui merite d'etre insere ici sinon que la Reine accoueha d un Prince qui fut nomine Auguste Guillaume« ; anders in B. A.: «... je passe ä l'annee 1722. Elle commencol< für »cou«. 4) Selbst Georg Horn (a. a. O. 10) kann „die bittere und animose Art, wie Wilhelmine sich über ihre königlichen Eltern äußert, nicht rechtfertigen, wohl aber be­ greifen. „Unsere Zeit", so fährt er fort, „jucht uach dem Einklang zwischen Geist und Gemüt; in jenen Tagen war man allein von dem Streben bewegt, nur Geist zu zeigen, selbst auf Kosten der heiligsten Gefühle. Um einen feinen Witz, ein überraschendes Bonmot kannte man keine Schonung, selbst gegen die nächsten Ver­ wandten nicht . . . Wilhelmine litt an diesem Übel ihrer Zeit!" 5) B. A. I, 149; in M 1 ist zwischen »mourir« und »dites«: »comme je le souhaile« eingeschoben. M 2, 2,76 f. M 3, 169 f.; in den Kopien U 4 bis 6 eben­ so ; doch fehlt hier die sich an diese Bemerkung anschließende Stelle; »Dites-lui. que je le supplie« bis »dans l etal oü je suis«. 6) B. A. 1, 153. 7) Ebendas. 155.

Sehr richtig! Die schlechte Behandlung während des Potsdamer Aufenthaltes nimmt in den Augen der Markgräfin immer mehr zu. Dies geht aus verschiedenen Texterweiterungen der späteren Redaktionen hervor, die teils spezieller Art sind, wie die Stellen, in denen sie von ihrer erbärmlichen Nahrung spricht^), teils allgemeinen Inhalt haben, wie die resignierte Selbstprophezeinng ihrer traurigen Zukunft: »Mais ma Carriere n’etoit point encore finie, et j'etois reservee pour endurer toutes les adversites qu’on verra dans la suite de ces inemoires«. Derartige Raisonnements, mit denen uns die Verfasserin in der ersten Ausgabe ziemlich verschont, werden in den jüngeren Texten häufiger. Von Potsdam begab sich die Königliche Familie 1729 nach Wuster­ hausen, wo die Mißhandlungen von feiten des Königs sich noch gesteigert haben sollen. Gelegentlich dieses Aufenthaltes, so erzählt Wilhelmine, habe ihr der Vater kaum das Notwendigste zukommen lassen, und sie und ihren Bruder hätte von „früh bis abends der Hunger geplagt"-). Wie häßlich und gemein aber lautet die entsprechende Stelle in der Braunschweiger Ausgabe: »Le roi nous laissoit mourir de faim ... et quaud par hazard il res teil quelque chose dans un plat. il crachoit dedans pour nous empecher den manger«3). Die Unzuverlässigkeit der Markgräfin zeigt sich weiterhin in der Ungenauigkeit von Mitteilungen aus eingeschobenen Briefen, wie wir bereits öfter zu beobachten Gelegenheit hatten. Nach der älteren Lesart steht in dem Schreiben des Kronprinzen, worin er sich über die schmähliche Be­ handlung seines Vaters beklagt, der Schlußsatz: „erlange er nicht bald von Seiten Englands das Ende seiner Leiden, so würde er gezwungen seyn, andere, entschiedne Wege einzuschlagen "4). In dem französischen Texte drückt sich Friedrich anders aus, er­ scheint auf die englische Hilfe nicht mehr zu hoffen: ». . . j"ai trop d’honneur pour endurer de pareils traitemens, et je suis resolu d y mettre fin d'une ou d’autre maniere«5). Die Fürstin giebt uns sodann den Brief des Königs vom Januar 1730 an den Grafen Finkenstein3), den dieser in Gegenwart der Gene*) ß. A. I, 151; M 2, 2,79; M 3, 171; M 4, 174; M 5 und 6, Ft. 2) T. A. 109. 3) B. A. 156; M 2, 2,84; M 3, 176 ; M 4, 180 ; M 5 und 6, F«. 4) T. A. 112. 5) B. A. I, 160. *) Nur der Tübinger Druck schreibt richtig „Finkenstein" für den falschen Namen „Finck" (in B. A., M 1, M 4) bezw. „Fink" (in M 3, M 5, M 6).

88 rase

Borcke

und

Grumbkow

öffnen fülle, in den einzelnen Texten in

sehr verschiedener Fassung. Da aber Droysen diese Stelle sehr eingehend kritisiert hat'), so ge­ nügt es, dieser Untersuchung noch hinzuzufügen, daß von der drohenden Beilage?) zu diesem Schriftstücke: .-.II lui etoit en meine temps defendu.

sous peine de la vie de ne point faire mention ä personne ni de l'une ni de lautre«, auch bei Pöllnitz^) sich nicht ein einziges Wort findet, ebensowenig wie in der deutschen Ausgabe. Merkwürdigerweise citiert die Markgräsin den zweiten Brief, den ihr Bruder an die Königin von England senden soll, um die Heirat zu beschleunigen, im späteren Texte wörtlich''), während sie in dem ersten

Drucke nur den Inhalt ongiebt5*).2 * 4 Die Antwort hierauf verlangte, wie immer, als erste Vorbedingung für die Heirat des Prinzen von Wales, die Vermählung des preußischen Thronfolgers mit der Prinzessin Amalie. Der König, der darüber natür­ lich sehr ungehalten war, sandte Eversmann zu der Königin und der Prinzessin Wilhelmine, um letztere zu bitten, doch endlich durch Aufgeben des erfolglosen Heiratsplanes den Frieden in der Familie wieder herzu­ stellen. Zum Zeichen, daß sie hierzu bereit sei, solle sie ihm (Eversmann) einen Brief au den Vater mitgeben. Aber dies that die eigensinnige Tochter nicht, sondern: »Je nie contentaiso schreibt sie, »de lui dire dun air fort froid, que je connoissois trop bien le hon eoeur du roi, pour croire qu il voulut me rendre nialheureuse . . .«"). Sie erbietet sich, »ä faire toutes les soumissions imaginables pour regagner sa bienveillance«. Diese Stellen finden sich, wenn auch mit kleinen Abänderungen,

so doch inhaltlich conform, in allen Fassungen; aber einen sehr wesent­ lichen Satz des Cotta'schen Druckes hat die Markgräfin in den späteren Redaktionen ausgelassen: „Ich bin auch bereit, mit jedem Eid, den mir der König vvrlegen wird, zu versichern, daß ich nie den Prinzen von Wallis heirathen will, wenn er mich nur mit den zwei Menschen" d. h. dem Herzoge von Weißenfels und dem Markgrafen von Schwedt

') Droyfen, a. a. O. 4, IV, 2) B. A. I, 163; M 2, 3,1; ’) a. a. O. II, 187. 4) B. A. I. 167. 5) T. A. 118. ®) B. A. I, 173; die Worte graph über den durchstrichenen »Je

42 ff. M 3, 184 f.; M 4, 188 f.

»Je me contentai de lui dire< stehen im Auto­ Lui Repondis donc