Apostel des Friedens: Die Korrespondenz zwischen Wilhelmine von Bayreuth und Voltaire [1 ed.] 9783428587032, 9783428187034

Zwar mutet die Anzahl der nur 46 überlieferten Briefe, die Voltaire und Wilhelmine von 1742–1758 austauschen, nicht eben

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Apostel des Friedens: Die Korrespondenz zwischen Wilhelmine von Bayreuth und Voltaire [1 ed.]
 9783428587032, 9783428187034

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Apostel des Friedens

Apostel des Friedens Die Korrespondenz zwischen Wilhelmine von Bayreuth und Voltaire

Herausgegeben von

Günter Berger

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlag: Links: Bildnis Voltaires, Pastell, um 1745/50 (unbekannter Maler) (© Bayerische Schlösserverwaltung, Maria Custodis, München) Rechts: Markgräfin Wilhelmine in Pilgertracht (Antoine Pesne, ca. 1750) (© Haus Hohenzollern, SKH Georg Friedrich Prinz von Preußen, ehemals Hohenzollernmuseum, SPSG/Fotograf: Roland Handrick) Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI Books GmbH, Leck Printed in Germany ISBN 978-3-428-18703-4 (Print) ISBN 978-3-428-58703-2 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhalt Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Briefe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Bibliographie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Personenverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

Einleitung „Ich hoffe, dass unsere Korrespondenz nicht so mager sein wird, wie wir beide es sind“ Ganz mager war  – entgegen Wilhelmines Befürchtung  – das Briefkorpus zwischen der Bayreuther Markgräfin und dem französischen Aufklärer nicht, doch es war auch nicht gerade korpulent, wenn man es mit ähnlichen Briefwechseln des so schreibfreudigen Voltaire vergleicht, etwa mit dem Briefaustausch, den er mit der Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg (1710–1767) pflegte: Insgesamt 238 Briefe aus den Jahren 1751–1767 sind uns da erhalten,1 während Wilhelmine und Voltaire über einen fast gleich langen Zeitraum einander wesentlich weniger oft schrieben. Nicht mehr als 46 Schreiben der beiden von September 1742 bis September 1758 sind uns überliefert. Hinzu kommen noch etwa 12–14 Briefe, deren Existenz sich erschließen lässt. Überdies ist dieses leichtgewichtige Korpus höchst ungleichgewichtig über diese 16 Jahre verteilt. Den Auftakt bilden sechs Briefe aus den Jahren 1741/42, von denen lediglich derjenige auf uns gekommen ist, den Voltaire, von dem offenbar die Initiative zu dieser Korrespondenz ausgegangen ist, seiner neuen Briefpartnerin am 16. September 1742 aus Brüssel schrieb. Der Brief blieb ohne Antwort, und die Korrespondenz schlief für ganze acht Jahre ein,2 obwohl der Aufklärer aktiv an den Bayreuther

1  Zu diesem Briefwechsel vgl. Berger/Raschke, Luise Dorothea, S. 145–158, hier S. 146. 2  Von Wilhelmines Seite wurde sie zunächst wohl auch eher lustlos geführt: Es gab nur einen einzigen Brief von ihr von etwa Ende März 1741, der sich aus einer recht herablassenden Äußerung über den Aufklärer in einem Brief an Friedrich II. vom 1.4.1741 erschließen lässt, vgl.

8 Einleitung

Festivitäten teilnahm, welche die Markgräfin zu Ehren ihres königlichen Bruders im September 1743 veranstaltete.3 Während mithin diese Begegnung für ihren schriftlichen Austausch folgenlos blieb, gab es offensichtlich während des viermonatigen Besuchs der Markgräfin in Berlin und Potsdam im Sommer und Herbst 1750 nicht nur reichlich Gelegenheiten zur mündlichen Kommunikation, sondern diese ausgedehnte Periode der Versöhnung zwischen den Geschwistern war zugleich der Startschuss für die nun erfolgreiche Wiederaufnahme der schriftlichen Kommunikation, den wiederum Voltaire abgab. Diese zweite und mit 24 überlieferten und weiteren vier erschlossenen Briefen höchst intensive Phase endete abrupt im November 1752, als die Auseinandersetzungen zwischen dem streitlustigen Aufklärer und dem machtbewussten preußischen Monarchen ­ auf  ihren Höhepunkt zusteuerten, den sie dann mit der Flucht Voltaires aus Potsdam am 25. März 1753 erreichten. Dass die ­ Schwester des Königs auf die vier Bitt- und Rechtfertigungsbriefe des aus dem Machtbereich Friedrich  II. Entflohenen nicht antwortete, ist mehr als verständlich.4 Und noch mehr als vier Jahre später ließ Wilhelmine weitere 18 Monate verstreichen, bevor sie nach mehreren vergeblichen Anläufen Voltaires in den letzten Abschnitt ihrer Korrespondenz eintrat, der mit 17 erhaltenen und vier bis fünf erschlossenen Briefen in zweieinhalb Jahren wiederum von intensivem Austausch geprägt war. Voltaire also war es, der immer wieder die Initiative ergriff, um mit der Markgräfin briefliche Kommunikation zu pflegen. Worum aber ging es hierbei? Um welche gemeinsamen Interessen drehte es sich? Denn dass es gemeinsamer Interessen bedurfVolz (Hrsg.), Friedrich der Große und Wilhelmine von Baireuth, Bd. II, S. 37. 3  Hierzu Berger, Wilhelmine von Bayreuth, S. 98 f. 4  Zumal Friedrich in seinem Brief an die Schwester vom 12.[4.1753] sie eindringlich aufforderte, „ihm (also Voltaire) nicht eigenhändig zu schreiben“, vgl. Volz (Hrsg.), Friedrich der Große und Wilhelmine von Baireuth, Bd. II, S. 254 f.

Einleitung9

te, um eine solche Korrespondenz am Leben zu halten, zeigt schon das erwähnte rasche Scheitern des ersten von Voltaire gestarteten Anlaufs. Korrespondenz als Interessengemeinschaft Eindeutig zeigt die nicht zustande gekommene kontinuierliche Korrespondenz, zeigt der einseitige Versuch Voltaires, eine solche Korrespondenz anzubahnen, dass zu Beginn der vierziger  Jahre kein beiden gemeinsames Motiv zu einem Gedankenaustausch bestand  – und das trotz des erwähnten längeren Besuchs des Aufklärers in Bayreuth im Jahr 1743. Erst mit dem zweiten Anlauf gelingt somit ein stabiler Briefaustausch über mehr als zwei Jahre von September/Oktober 1750 bis Anfang November 1752. Im Zentrum der übereinstimmenden Ziele der beiden Briefpartner stehen das Aufspüren und die Vermittlung einer geeigneten Persönlichkeit, um die konversationell-kulturelle Leere des Bayreuther Hofes zu füllen und der Markgräfin eine ihr adäquat gebildete und insbesondere auch nach außen vorzeigbare Repräsentationsfigur zu verschaffen. Da laut Voltaire das zunächst ins Auge gefasste Ziel von Wilhelmines Begierde, die seiner Ansicht nach freilich zu alte und kränkliche Madame de Graffigny, keinerlei Drang verspürte, Paris zu Gunsten der fränkischen Provinz zu verlassen,5 wurde vom König der Vermittler ein hochgebildeter Militär, der Marquis d’Adhémar, ins Spiel gebracht,6 der nach mühsamen, quälend langen Verhandlungen, die sich am Ende über zwei Jahre hinzogen, für den Bayreuther Hof als Oberkammerherr gewonnen werden konnte. Genauso einseitig und damit natürlich fruchtlos blieb der ­ orstoß des bei König Friedrich  II. in Ungnade gefallenen und V aus Preußen geflüchteten Literaten, über die Vermittlung der Schwester ein Mindestmaß an Rehabilitierung zu erlangen. Be5  Françoise d’Issembourg d’Happoncourt de Graffigny (1695–1758) hatte mit ihrem  – natürlich auch Wilhelmine bekannten  – Briefroman Lettres péruviennes (1747) europaweit Furore gemacht. 6  Zu Antoine Honneste, Marquis d’Adhémar (1710–1785) und seiner Korrespondenz vgl. Mass (Hrsg.), Le Marquis d’Adhémar.

10 Einleitung

rechtigte Furcht vor dem Zorn des übermächtigen Herrschers veranlasste die Markgräfin, die inständigen Bitten, mit denen Voltaire sie vom Juni 1753 bis Januar 1754 um Fürsprache anflehte, unbeantwortet zu lassen. Krieg und Frieden sind das beherrschende Thema der letzten Phase dieser Korrespondenz zwischen Mitte Februar 1756 und Ende September 1758, also der unmittelbaren Vorkriegszeit bis zu einem der Höhepunkte des Siebenjährigen Krieges, als Friedrich  II. mächtiger Dritter im Hintergrund auch dann bleibt, als er mit der vorübergehenden Einbuße seines Nimbus als Feldherr nach der Niederlage bei Kolin mit der Androhung seines Selbstmords auch seine Schwester zu Suizidgedanken treibt. Insgesamt scheint paradoxerweise die Markgräfin in diesen auch für ihren eigenen Staat so kritischen Momenten briefstrategisch im Vergleich zu ihrem Partner, den sie einmal gar provokativ in die Rolle des dem Kriegsgeschehen fernstehenden Unwissenden steckt,7 in einer überlegenen Position zu sein, da sie als Fürstin eines, wenngleich mindermächtigen, Staates über spezifisches Herrschaftswissen verfügt – ganz zu schweigen von ihrem privilegierten Zugang zum übermächtigen Spieler im Hintergrund. Besonders manifest stellt sie dieses Herrschaftswissen als Kriegsberichterstatterin aus, in einer Rolle, die sie dank Herrschern exklusiv vorbehaltenen Informationen zu bekleiden vermag und die sie nicht ohne einen gewissen selbstzufriedenen Stolz herauskehrt.8 Wenn es allerdings um Friedensbemühungen geht, dann tritt Voltaire durchaus als Ebenbürtiger auf, der nicht allein interessante Details über den zukünftigen Außenminister, den Kardinal Bernis,9 sondern vor allem auch mit dem Pfund seiner langjährigen Beziehungen zu dem Kriegshelden Marschall Richelieu als möglichem Mittler zu wuchern versteht.10 Dagegen nimmt sich 7  Vgl.

ihren Brief vom 28.10.1757. in ihren Briefen vom 18.10., 23. und 30.11.1757. 9  François-Joachim de Pierre de Bernis (1715–1794), vgl. Voltaires Brief vom 8.2.1757. 10  Louis François Armand de Vignerot du Plessis, duc de Richelieu (1696–1788). 8  Besonders

Einleitung11

Wilhelmines Rückgriff auf den Cardinal de Tencin, mit dem sie schon inoffizielle Sondierungsgespräche im Herbst 1754 in Lyon während ihrer Frankreich- und Italienreise geführt hatte, vergleichsweise bescheiden aus, zumal der Stern dieses Mitglieds des Conseil du Roi schon merklich gesunken war.11 Freilich  – und das kann nicht oft genug betont werden  – besaß sie einen privilegierten Zugang zum Preußenkönig,12 der neben anderen Kanälen auch den guten Draht seiner Schwester zu Voltaire nutzte, um Versuchsballons in Richtung Frankreich zu schicken, um einen möglichen Separatfrieden zu erreichen und damit die Alliierten zu spalten – ein Spiel, das auf der anderen Rheinseite allerdings durchschaut und durchkreuzt wurde.13 Damit war auch das Spiel der beiden Friedensapostel ausgespielt, zumal es sich nach dem preußischen Sieg über die Franzosen bei Rossbach am 5. November 1757 für Friedrich II. ohnehin erledigt hatte. In jedem Fall war dieses Spiel von vornherein eines mit gezinkten Karten, bei dem alle Mitspieler ihre eigenen egoistischen Ziele verfolgten und Aufrichtigkeit, Selbstlosigkeit oder Unerfahrenheit in der Politik lediglich vorgaben, um diese Ziele zu verdecken und sie so umso besser zu erreichen. Briefe waren zu jener Zeit ohnehin keine intimen Herzensergüsse, keine selbstlosen Offenbarungen geheimster Gedanken; sie waren die Fortsetzung der mündlichen höfischen Konversation über die Distanz von Zeit und Raum. Und war schon jene immer auch ein Spiel um Macht, Einfluss und Vorteil, in dem 11  Pierre Guérin de Tencin (1680–1758), vgl. Wilhelmines Briefe vom 23.11.1757, 27.12.1757 und Februar 1758. 12  Friedrich  II. informierte sie z. B. am 17.9.1757, vgl. Volz (Hrsg)., Friedrich der Große und Wilhelmine von Baireuth, Bd. II, S. 379, über sein Schreiben an Richelieu vom 6.9.1757, in dem er den Marschall aufforderte, sich für einen Frieden zwischen Frankreich und Preußen einzusetzen, vgl. Politische Correspondenz, Bd. 16, S. 336 f. 13  Am 13.10.1757 informiert sein Geheimer Staatsrat Friedrich Wilhelm von Eickstedt-Peterswald (1703–1772) den König über die abschlägige Haltung seitens Ludwig  XV. (1710–1774) zu einem Separatfrieden, die ihm Richelieu mündlich mitgeteilt habe, vgl. Politische Correspondenz, Bd. 16, S. 429.

12 Einleitung

alle gesellschaftsfähigen Tricks der Kommunikation erlaubt und angezeigt waren, so galt dies umso mehr für die schriftliche Kommunikation mit ihren ungleich größeren Möglichkeiten zur Irreführung und Täuschung durch bessere Planbarkeit und leichtere Verdeckung der Wahrheit.14 Legendär sind in dieser Hinsicht Voltaires Vortäuschungen von Krankheiten, die ihn vorgeblich an Besuchen, zeitnahen Antworten und versprochenen Hilfen hinderten.15 Bei Wilhelmine ist es das verdeckte eigenständige politische Handeln, das sie als Rollenverstoß zum Schein hinterfragt,16 das sie jedoch systematisch  – auch zum Unwillen ihres königlichen Bruders  – ganz intensiv betreibt.17 Dagegen mutet ein Rollenverstoß wie das sich Einlassen der Markgräfin auf eine ernsthafte philosophische Diskussion mit dem Aufklärer über den Menschen als moralisches Wesen, die sie in ihrem Brief vom 1.11.1752 als Reaktion auf dessen im Poëme sur la loi naturelle vertretene Position anzettelte, eher harmlos an. Dennoch kann sie nicht umhin, diese Überschreitung der Rollenkonven­tion von vornherein zu thematisieren und zu bagatellisieren.18 „Brief der Panduren an den Bruder in der Schweiz“ Letztlich sind Wilhelmines Entschuldigungen für ihre Ausflüge und Vorstöße in die Reiche der Politik und Philosophie nur die Spitze des Eisbergs, welche die grundsätzliche Problematik eines solchen Briefwechsel zwischen einer Herrscherin und einem Literaten schlaglichtartig aufscheinen lässt. Wie europaweit 14  Ein

Paradebeispiel dafür ist Wilhelmines Brief vom 19.8.1757.

15  Vgl. seine Briefe vom September/Oktober 1750, 30.1.1751, 1.3.1751,

28.3.1752, 10.4.1752. 16  Vgl. ihren Brief vom 23.11.1757. 17  Höhepunkt dieser in diesem Fall auch Friedrichs Interessen diametral entgegengesetzten politischen Aktionen war der geradezu als Verrat an Preußen zu wertende im Frühjahr 1757 mit Frankreich abgeschlossene Subsidienvertrag, vgl. dazu Berger, Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth contra König Friedrich II. von Preußen? 18  Vgl. hierzu Gipper, „Je ne me suis jamais piquée d’être philosophe“. 

Einleitung13

berühmt und vor Selbstgewissheit um die eigene Bedeutung strotzend ein Voltaire auch sein mochte, so war dennoch eine Überbrückung der sozialen Ungleichheit im Verhältnis gerade zu einer auf ihren Rang so bedachten Fürstin wie Wilhelmine unabdingbar. Um diese Brücke zu bauen, waren Rollenspiele von sozusagen tragender Bedeutung, dienten sie ihr doch zur Entlastung von ihrer Rolle als Herrscherin, die sie sonst als schwer erträgliche Bürde in die Briefkommunikation hätte hineintragen müssen. Eine weitere wichtige Brücke war der vorherrschende scherzhafte Ton ihrer Korrespondenz, der den „badinage“ als Grundton höfischer Konversation in die schriftliche Kommunikation überführte.19 Die Initiative zu einem Rollenspiel, das die Suspendierung der Herrscherrolle für den Briefaustausch zwischen Ungleichen möglich machte, musste zwangsläufig von der Ranghöheren ausgehen. Und eben diese Initiative ergriff die Fürstin am 25.12.1750, indem sie in ihrem Brief an den Literaten sich selbst als „Schwester Guillemette“ und ihn als „Bruder Voltaire“ inszenierte. Nicht zufällig spielte sich diese Inszenierung erst nach ihrer Rückkehr nach Bayreuth im Dezember 1750 ab, nachdem die Briefpartner über mehrere Monate in Berlin und Potsdam die Gelegenheit zu intensivem persönlichem Austausch hatten, der unter der Aufsicht und Regie des Königs, des „Abtes von Potsdam“, im Kreis seiner „Mönche“ stattfand. Ebenso wenig zufällig fällt diese pseudo-religiöse Rolleninszenierung, welche die Markgräfin hier veranstaltet, auf den 1. Weihnachtstag des Jahres 1750. Selbstverständlich nimmt Voltaire in seinem Antwortbrief vom 6. Januar 1751 den Faden dieses Spiels sofort dankbar auf. Dieses Rollenspiel endet abrupt mit Voltaires Flucht aus Potsdam und seiner Verhaftung in Frankfurt, von wo er seinen Bittbrief an die Markgräfin vom 20.  Juni 1753 lediglich noch in nostalgischer Rückschau mit „einstmals Bruder Voltaire“ zu unterzeichnen wagt, damit aber zugleich geschickt an die frühere Nähe und Vertrautheit appelliert. Während Voltaire ab Anfang 1754 beharrlich wieder in die Rolle als „Bruder“ zu schlüpfen versucht, reagiert 19  Vgl.

Ortner-Buchberger, Zwischen Badinage und Érudition.

14 Einleitung

Wilhelmine erst am 19.  August 1757 auf dessen Trostbrief zum Tod ihrer Mutter mit der eine gewisse Nähe signalisierenden Selbstbezeichnung als „Freundin“. Doch dabei belässt sie es und kehrt  – gewiss auch im Zeichen der nunmehr kriegsbedingten Ernsthaftigkeit der Korrespondenz  – nicht mehr zur luftigen Leichtigkeit des einstigen Rollenspiels zurück. Es gibt allerdings eine scheinbare Ausnahme, die ebenfalls kriegsbedingt ist und hinter gespielter Leichtigkeit geheime politische Botschaften versteckt: die Selbstinszenierung als Pandurin in ihrem Brief vom 28. Februar 1758, zugleich ihr letzter Brief an Voltaire, von dem wir Kenntnis haben. Dr. Andreas Beck danke ich für die spontane Bereitschaft, diesen Briefwechsel in das Verlagsprogramm aufzunehmen, Dr.  Florian Simon für seine Zustimmung zu diesem Vorhaben und Heike Frank für die wie immer angenehme Zusammenarbeit bei der Betreuung des Projekts. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zentralbibliothek der Universitätsbibliothek Bayreuth schulde ich Dank für die schon so oft bewährte Unterstützung bei der Literaturbeschaffung. Dass diese Briefedition in ungewöhnlich kurzer Zeit publiziert werden konnte, verdanke ich der noch ungewöhnlicheren Schnelligkeit, mit der sich Florian Prosch als Geschäftsführender Vorstand der Rainer Markgraf Stiftung und Gabriele Röhler als Leiterin des Kulturamts der Stadt Bayreuth zu ihrer Förderung entschlossen haben. Bernd Saupe, der 1. Vorsitzende der Markgräfin Wilhelmine Gesellschaft, hat dankenswerterweise die Anträge auf Förderung gestellt. Meiner Übersetzung liegt die Edition des Briefwechsels in der Originalsprache durch Theodore Besterman für die Voltaire Foundation zu Grunde.

Briefe

1 Voltaire an Wilhelmine, Brüssel, den 26. September 1742 [D 2663] Sie waren auf Minervas Fersen, Als mich traf des Schicksals Last, Und der Verlust von sechzig Versen, Die ich um Ihre Gunst verfasst. Murmelt ein Mensch in seiner Muße, Ins Gebet versunken, mit weiten Händen Ein frostig Loblied dem Altar zu Fuße – Erscheint der Teufel, vereitelt die Buße, Und die Gebete können’s nicht wenden. Eure Königliche Hoheit soll hiermit mein Schicksal im Zusammenhang mit Ihnen erfahren: Ich habe vor ungefähr einem Jahr ein sehr nettes Päckchen von Ihnen mit einem Brief des Philosophen M. de Superville erhalten.1 Ich war dabei, nach Paris abzureisen, gerade in dem Augenblick, als ich diesen Beweis Ihrer Güte erhielt. Ich rufe Apollo, die Neun Musen und die große Göttin der Dankbarkeit als Zeugen dafür auf, dass ich unterwegs eine ganz beträchtliche Menge schlechter Verse machte, denen ich bei der Ankunft in Paris vier Seiten Prosa hinzufügte. Ich brachte das enorme Paket selbst zur großen Poststa­tion in Paris, und ich empfahl es mit solchem Nachdruck, dass man offenbar glaubte, dass es große Geheimnisse enthielte. Die Neugierigen waren bestimmt enttäuscht, doch Madame, ich bin es von dem, was mir heute passiert: Ich erfahre, dass Eure Königliche Hoheit weder Prosa noch Verse erhalten hat und dass Sie mich mit Recht für einen ungehobelten, faulen Kerl

1  Daniel de Superville (1696–1773), Arzt der Markgräfin und 1743 erster Kanzler der Universität Erlangen.

18 Briefe

halten, der von seinen vornehmsten Pflichten keinerlei Ahnung hat. Lassen Sie mir Gerechtigkeit widerfahren, Madame, bedenken Sie, wie unmöglich es ist, Ihre Güte zu vergessen, und glauben Sie mir, dass ich nicht nur die Ehre hatte, Eurer Königlichen Hoheit zu schreiben, sondern dass ich in Ihren Staat gekommen wäre, um Ihnen zu danken, wenn mein Schicksal es gestattet hätte, diese angenehme Reise zu unternehmen. Nein, Madame, ich werde niemals die philosophische Prinzessin, die Förderin der Künste, die vollkommene Musikerin, das Vorbild an höfischen Umgangsformen und Leutseligkeit vergessen.2 Der König, Ihr höchst erhabener und höchst unterhaltsamer Bruder, trug mir vor nicht allzu langer Zeit auf, ihm in Aachen meine Aufwartung zu machen.3 Ich sah ihn, Madame, gesund wie ein Held, wie er sich über die Ärzte lustig machte und zu seinem Vergnügen kurte. Ich fand an ihm keine Veränderung, außer an seinem Gesicht, das ich vor zwei Jahren ein wenig schmal vom Wechselfieber fand und das rund geworden ist, was sehr gut zu einer Lorbeerkrone passt: Zwei weitere Siege haben es weder weniger menschlich noch weniger leutselig gemacht.4 Ich werde nicht aufhören, Madame, mich nach den Tagen zurückzusehnen, wo ich die Ehre hatte, Eurer Königlichen Hoheit und Seiner Majestät in dem Rückzugsort Rheinsberg meine Aufwartung zu machen. Die Güte, mit der mich Seine Durchlaucht der Markgraf beehrte, wird mir immer vor Augen sein, und alles, was ich wünsche, ist, wenigstens noch einmal in meinem Leben in den Genuss derselben Ehre zu kommen.

2  Voltaire hatte Friedrich II. und seine Schwester im November 1740 in Rheinsberg getroffen. 3  Der König hatte Voltaire im August 1742 zu einer Kur nach A ­ achen eingeladen. 4  Gemeint sind die preußischen Siege über die Österreicher am 10.4.1741 bei Mollwitz und am 17.5.1741 bei Chotusitz; darüber schickt Friedrich noch am Tag der Schlacht eine triumphale Nachricht an Wilhelmine, vgl. Berger/Wassermann, Bagatellen, S. 106.

Briefe19

Ich bin mit der vollkommensten Ehrerbietung, Madame, Eurer Königlichen Hoheit untertänigster und gehorsamster Diener. Voltaire 2 Voltaire an Wilhelmine, September/Oktober 1750 [D 4230] Madame, Eure Königliche Hoheit möge auf Madame de Graffigny verzichten: Sie ist alt, sie ist krank. „Aber Sie sind krank und alt,“ wird mir Eure Königliche Hoheit sagen. „Ja, Madame, aber ich habe die Leidenschaften eines jungen Mannes, und Ihr Bruder, der König, verjüngt mich.“ Mit einem Wort, Madame de Graf­ figny will Paris auf keinen Fall verlassen, und ich, ich will Friedrich den Großen auf keinen Fall verlassen. Jeder auf dieser Welt wird von seinem Geschmack beherrscht. Ich werde für Sie eine diensteifrige, weder junge noch alte Frau mit Esprit ausgraben, die keinerlei Scherereien macht, eine ehrenwerte Frau, eine Frau von Stand; und Sie werden sie als Neujahrsgeschenk bekommen, genauso wie einen kleinen Verrückten namens Hurtaut,5 den Monsieur de Montperny sich gesichert hat.6 Er rührt zu Tränen in der Tragödie und lässt einen im komischen Genre in Gelächter ausbrechen. Heute kein Rome sauvée; Sie sollen den König ganz nach Lust und Laune für sich haben.7 Cicero hat übrigens seine höllischen

5  Louis Hurtaut (auch Heurteaux), genannt Dancourt (1725–1801), Schauspieler, Librettist und Dramatiker aus Paris, findet sich in den Listen der französischen Schauspieltruppe des Bayreuther Hofes für die Jahre 1751/1752; er geht 1755 nach Berlin. 6  Théodore Camille, marquis de Montperny (1711–1754) war seit 1746 Direktor der französischen Komödie in Bayreuth, vgl. Berger, Wilhelmine von Bayreuth, S. 99 f. 7  Wilhelmine war seit Anfang August 1750 auf Einladung des Bruders in Berlin.

20 Briefe

Leibschmerzen, die ihn daran hindern, Ihnen seine Aufwartung zu machen und in Komödienstiefeln zu glänzen.8 Ich werfe mich Eurer Königlichen Hoheit zu Füßen. Voltaire 3 Voltaire an Wilhelmine, Potsdam, den 9. Dezember 1750 [D 4291] Madame, große Leidenschaften führen recht weit, und ich hätte die Ehre gehabt, der eines Helden würdigen Schwester nach Bayreuth zu folgen,9 wenn der Vorzug, bei diesem Helden zu leben, mich nicht weiter zu seinen Füßen zurückgehalten hätte. Eure Königliche Hoheit weiß, dass ich am 15.  Dezember nach Frankreich abreisen sollte. Doch kann man ein anderes Vaterland haben als dasjenige Friedrichs des Großen? Man hat hier nur einen einzigen Kummer: den, Eure Königliche Hoheit nicht mehr hier zu sehen. Man tröstet sich wenigstens mit den Nachrichten von Ihrer Gesundheit. Man sagt, dass sie sich recht kräftigt und dass Sie die Strapazen der Reise gut ausgehalten haben. Wenn es Eurer Königlichen Hoheit gelingen kann, einen Ihrer Seele ebenbürtigen Körper zu besitzen und eine Ihrer Schönheit gleichende Gesundheit, welcher Wunsch bliebe Ihnen dann noch auf dieser Welt? Vielleicht, Madame, verspüren Sie das Bedürfnis, weitere Menschen glücklich zu machen, indem Sie sich noch mit einigen Leuten aus guter Gesellschaft umgeben, die es wert sind, Sie zu 8  Voltaire spielt in seiner Tragödie den Cicero; sie wird seit Ende September in den Appartements von Wilhelmines Schwester Amalie (1723– 1787) gespielt. Laut Besterman, Voltaire, S. 259 wurde das Stück vor Abreise des Autors nach Berlin Ende Juni 1750 in Sceaux aufgeführt. 9  Wilhelmine war am 3.12.1750 von ihrem viermonatigen Berlinaufenthalt nach Bayreuth zurückgekehrt, vgl. Thiel, Wilhelmine von Bayreuth, S. 262.

Briefe21

sehen und zu hören. Da ich nicht so bald nach Paris fahren kann, habe ich meine Nichte beauftragt,10 nach einer Frau von Stand zu suchen, einer Witwe, die Esprit besitzt, belesen ist und Konversation beherrscht. Vielleicht wird der Wille, Ihren Befehlen Folge zu leisten, sie dazu bringen, das zu finden, was Eure Königliche Hoheit braucht. Jedenfalls garantiere ich Ihnen, Madame, dass sie hierfür alle Anstrengungen unternimmt und dass Eure Königliche Hoheit aus ihrer Hand die Person akzeptieren kann, die sie präsentieren wird. Ich denke immer noch, dass der schon an Ihrem Hof bekannte Marquis d’Adhémar ein recht passender Mann wäre. Ich garantiere zuversichtlich für seine Weisheit, seinen Esprit und seine Tapferkeit. Ich glaube nicht, dass Seine Durchlaucht der Markgraf jemals eine bessere Wahl treffen könnte. Ich erwarte dazu Ihre Befehle. Ich bin mir der guten Erwerbung, die Ihr Hof machen würde, sicherer als der derzeitigen Bereitschaft des Marquis d’Adhémar. Da er jedoch das Glück gehabt hat, mit Eurer Königlichen Hoheit Umgang gehabt zu haben, kann es da einen Zweifel geben, dass er auf Dauer in Ihren Dienst treten will? Wenn ich schon des Glücks beraubt bin, mein Leben zu Ihren Füßen und denen Seiner Durchlaucht des Markgrafen zu verbringen, wäre ich glücklich, meinen Freund dort zu wissen. Sie wissen bestimmt, Madame, dass der König Arnaud befohlen hat, binnen 24 Stunden abzureisen.11 Er ist in Dresden, wo er sich seiner galanten Abenteuer am Hof von Berlin rühmt. Ich bin mit tiefster Ehrerbietung Eurer Königlichen Hoheit ergebenster und untertänigster Diener. Voltaire

10  Marie-Louise

Denis (1712–1790), Voltaires Nichte und Geliebte. de Baculard d’Arnaud (1718–1805), lange Zeit von Voltaire protegiert, war seit 1750, provoziert durch König Friedrich  II., mit ihm zerstritten, vgl. Besterman, Voltaire, S. 259, 267 und Mervaud, Voltaire et Frédéric II, S. 186–192. 11  François-Thomas-Marie

22 Briefe

4 Wilhelmine an Voltaire, 10. Dezember [1750] [D 4292] Ich habe Ihnen versprochen, Monsieur, Ihnen zu schreiben, und ich halte Wort. Ich hoffe, dass unsere Korrespondenz nicht so mager sein wird, wie wir beide es sind und dass Sie mir oft Grund dazu geben, Ihnen zu antworten. Ich werde Ihnen nicht von meinen Sehnsüchten erzählen: Das hieße, sie wiederaufleben zu lassen. Ich versetze mich andauernd in Ihre Abtei, und sie wissen genau, dass derjenige, der ihr Abt ist, mich immer beschäftigt. Ich habe dem Markgrafen Ihre Aufträge ausgerichtet. Er gibt mir den Auftrag, Ihnen seine Freundschaft zu versichern, und bittet Sie, die Sache mit dem Marquis d’Adhémar zum Abschluss zu bringen. Er wird ihn mit Freuden als Oberkammerherr in seine Dienste aufnehmen und ihm Bedingungen bieten, mit denen er zufrieden sein kann. Obwohl Ihre Empfehlung dem Markgrafen genügt, wäre es dennoch notwendig, um den Marquis bewilligt zu bekommen, entweder von M. de Puisieux12 oder von M. d’Argenson13 eine Empfehlung zu erhalten, die er dem Hof vorweisen könnte. Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie ihn dazu bringen könnten, bald hierher zu kommen, wo wir großen Bedarf an Unterstützung haben, um die Leere unserer Konversation zu füllen. Unsere Unterhaltungen kommen mir wie die chinesische Musik vor, wo es lange Pausen gibt, die in Misstönen enden. Ich fürchte, dass man das meinem Brief anmerkt. Umso besser für Sie, Monsieur: Es braucht Momente der Langeweile im Leben, um diejenigen, die Vergnügen bereiten, umso mehr zur Geltung zu bringen. Nach der Lektüre dieses Briefes werden Ihnen die kleinen Soupers viel 12  Louis-Philogène de Puisieux (1702–1770), zu dieser Zeit französischer Außenminister. 13  Marc-Pierre, comte d’Argenson (1696–1764), seit 1742 Kriegsminister, war mit Voltaire befreundet. Er hatte 1744 D’Adhémars Antrag auf Demission abgelehnt, vgl. Mass (Hrsg.), Le Marquis d’Adhémar, S. 71.

Briefe23

erfreulicher vorkommen. Denken Sie dabei bitte gelegentlich an mich und seien Sie von meiner vollkommenen Wertschätzung überzeugt. Wilhelmine 5 Voltaire an Wilhelmine, [ca. 12. Dezember 1750] [D 4295] Madame, Eure Königliche Hoheit hat völlig recht: Man soll es sich gut gehen lassen.14 Auch Fürsten und Mönche haben auf dieser Welt nur dieses eine Leben. Nicht Regimenter machen glücklich, sondern die 24 Stunden des Tages in aller Ruhe zu vollbringen – und das ist schwerer, als man denkt. Der Sultan langweilt sich in Konstantinopel, das doch eine schöne Stadt ist. Die Lage von Bayreuth ist nicht so lieblich, doch Esprit und Anmut verschönern alles. Nun denn, Madame, um es rundheraus zu sagen, was wollen Sie mit Ihrem Esprit und Ihrer Anmut anfangen, wenn Eure Königliche Hoheit nicht ein halbes Dutzend Leute von Verdienst hat, um den Ihren zu empfinden? Das ist eine recht vernünftige Idee, ein paar Stimmen mehr in Ihr Konzert zu bringen. Ich habe noch zweimal an den Marquis d’Adhémar geschrieben. Immer noch keine Antwort. Er muss bei irgendeiner Armida verzaubert sein.15 Ich habe meiner Nichte einen fulminanten Brief geschrieben; sie soll ihre Autorität einsetzen und Adhémar aus der Verzauberung erlösen, um ihn noch verzauberter zu

14  Der Brief Wilhelmines, auf den Voltaire hier antwortet, ist nicht erhalten. 15  Anspielung auf die Zauberin Armida, die in Tassos Gerusalemme liberata (1581) den Helden Rinaldo auf ihrer Insel gefangen hält. Der beliebte Opernstoff war insofern hochaktuell, als Carl Heinrich Graun (1704/05–1759) ihn 1751 bearbeitete

24 Briefe

I­hren Füßen zu schicken.16 Doch, Madame, es bräuchte zwei d’Adhémars, zwei Graffignys, Zuwachs an Vergnügungen. Ich schwöre Ihnen bei meiner aufrichtigen Verbundenheit mit Euren Königlichen Hoheiten, dass ich, wenn ich nach Paris hätte fahren können, Ihnen Zuwachs mitgebracht hätte, keine Grünschnäbel, keine dämlichen Schmiede schwülstiger Verse, sondern gute Gesellschaft, Leute, die es wert sind, Ihnen ihre Aufwartung zu machen. Ach, Madame, manchmal gehen mir Wunschträume durch den Kopf. Ich sage mir dann, wenn man während der Monate November, Dezember, Januar, wo der König genug Leute hat, seiner göttlichen Schwester seine Aufwartung machen könnte, wenn, während ich von Osten dahin käme, meine Nichte von Westen dahin käme! Und dann Opern, neue Tragödien. Taugte das nicht mehr, als nach Italien zu reisen? Madame, ich würde Sie Sankt Peter, Rom, den Katakomben, dem Papst vorziehen. Ist das unmöglich? Ich weiß es nicht.17 Ich lebe von einem Tag zum anderen; ich arbeite am Siècle de Louis  XIV von morgens bis abends;18 ich schaffe ein großes Bild von der Umwälzung des menschlichen Geistes in diesem Jahrhundert, wo man von den Alpen bis zu den Karpaten zu denken begonnen hat. Damit könnte sich Eure Königliche Hoheit in Ihrer freien Zeit amüsieren. Doch ich will mir mein Bayreuther Luftschloss aus dem Kopf schlagen, denn zu träumen, man habe einen Schatz, und mit leeren Händen aufzuwachen, das ist allzu traurig. Ich schreibe das alles beim Schall von Trommel und Trompeten und tausend Gewehrschüssen, die meine friedfertigen Ohren betäuben. So etwas ist gut für Friedrich den Großen. Er braucht 16  Falls Voltaire seinen Brief vom 22.8.1750 [D 4193] an Madame Denis meint, so war der Ton nicht gerade fulminant, schrieb er doch nur, „dass es in Friedenszeiten nichts Besseres gibt, als sich an den Bayreuther Hof zu begeben.“ 17  Glaubwürdiger schreibt Voltaire am 13.10.1750 [D 4240] an seine Geliebte Madame Denis, dass er ihr zuliebe auf „den Hl. Vater und die Katakomben“, also seine Italienreise, verzichte. 18  Voltaire verfasste seinen Siècle de Louis XIV zum Teil in Berlin, wo er auch 1751 erschien.

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morgens Armeen und nachmittags Apollo. Er hat alles: Er stellt Bataillone und Perioden im Karree auf. Im Übrigen steckt jeder Bruder friedlich in seiner Zelle; Herr von Rothenburg ist immer noch krank,19 Maupertuis auch,20 Bruder Pöllnitz ein bisschen traurig,21 ich immer noch kränklich, immer noch arbeitsam, immer noch voller Lust darauf, Euren Königlichen Hoheiten meine Aufwartung zu machen. Darf ich mir erlauben, Sie ergebenst an M. de Montperny zu erinnern? Das Papier geht mir aus, kein Platz mehr für meine tiefste Ehrerbietung. Was soll’s? V. 6 Voltaire an Wilhelmine, Berlin, den 19. Dezember 1750 [D 4302] Madame, Die Befehle Eurer Königlichen Hoheit haben meine Ehrerbietungen gekreuzt, und ich war dabei, mich Ihnen zu Füßen zu werfen, als Sie mir zu schreiben geruhten.22 Ich habe es dem Marquis d’Adhémar et Spata und, ich wage zu sagen, Euren Königlichen Hoheiten gewünscht, dass er an Ihrem Hof wäre. Erlauben Sie mir, Madame, die Ehre zu haben, Ihnen zu sagen, dass es überaus schwierig ist, ihm vorzuschlagen, Empfehlungsbriefe in der Tasche mitzubringen. Er wäre jemand, von dem wenig bekannte Leute welche annähmen, um sich vorzustellen. Er ist der Sohn des Großmarschalls von König Stanislaus, und er wäre, 19  Friedrich Rudolf Graf von Rothenburg (1710–1751), seit 1745 Generalleutnant. 20  Pierre-Louis de Maupertuis (1698–1759), der mit Voltaire verfeindete Mathematiker und von Friedrich  II. hochgeschätzte Präsident der Berliner Akademie der Wissenschaften. 21  Karl Ludwig Wilhelm, Freiherr von Pöllnitz (1692–1775), ein Vertrauter des Königs. 22  Wilhelmines Brief vom 10.12.1750 [D 4292].

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wenn er gewollt hätte, Oberkammerherr dieses Hofes geworden, mit allen Annehmlichkeiten, die seine Geburt und sein Verdienst einbringen können.23 Seine Neigung zum Krieg hat ihn daran gehindert. Er ist einer der besten Offiziere, die der König von Frankreich besitzt; er war Rittmeister der Kavallerie; man hatte ihm ein Regiment versprochen; man hat nicht Wort gehalten. Er sollte Botschafter des Königs in Brüssel werden; man hat ihn nochmals im Stich gelassen. So sieht seine Lage aus. Ich hatte mir gedacht, dass der Kummer, unnütz zu sein, und die Vorstellung, die er von Eurer Königlichen Hoheit hat, ihn dazu bringen könnten, sich Ihrem Hof anzuschließen. Ich bitte Eure Königliche Hoheit zunächst um die Gunst, es zuzulassen, dass ich erst dann mit M. d’Adhémar spreche, wenn Sie über sein Verdienst Bescheid wissen; es wird kein Problem sein, den Bevollmächtigten des Königs damit zu beauftragen, sich in Paris über ihn zu erkundigen.24 Madame kann weiterhin Herrn von Ammon, den Oberkammerherrn des Königs, der wegen eines Handelsvertrags nach Frankreich reist, damit beauftragen lassen, ihr über M. d’Adhémar Rechenschaft abzulegen und mit den Ministern über ihn zu sprechen, ohne den Verdacht aufkommen zu lassen, dass M. d’Adhémar Frankreich verlassen wolle.25 Sonst würde man leicht erkennen, dass ich an dieser Entführung beteiligt bin, und man würde den Vorwürfen, die man mir schon gemacht hat, mein Land zu verlassen, den hinzufügen, auch noch Deserteure anzuwerben. Geruhen Sie insbesondere, Madame, sich daran zu erinnern, dass ich den Marquis d’Adhémar keineswegs versprochen habe, dass ich Eurer Königlichen Hoheit lediglich gesagt habe, ich würde mein Möglichstes tun, um ihn zu bekommen. Ich beharre 23  Honneste d’Adhémar de Monteil de Brunier, comte de Marsanne (1670–1758) war nicht Großmarschall, sondern Haushofmeister bei Stanislaus Leszczynski (1677–1766) in Lunéville, vgl. Mass (Hrsg.), Le Marquis d’Adhémar, S. 19 f. 24  Jean de Chambrier (1686–1751) war zu dieser Zeit Bevollmächtigter Minister Preußens in Paris. 25  Christoph Heinrich von Ammon (1713–1783), 1751 als Außerordentlicher Minister in Paris aktiv.

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immer noch auf dieser Absicht, Ihnen meinen Diensteifer zu beweisen, weil ich weiß, dass M. d’Adhémar zu einer festen Bindung fähig ist und dass er kein Mann ist, der einen reizenden Hof verlässt, um nach Monaco zu gehen. Ich erwarte hierzu die Befehle Eurer Königlichen Hoheiten. Ich bleibe noch etwa drei Monate in dieser Abtei, wo man Sie jeden Tag vermisst. Ich bin immer noch Mönch, in Berlin wie in Potsdam, und kenne nur meine Zelle und den Ehrwürdigen Pater Abt, bei dem ich leben und sterben will und der mein einziger Trost dafür ist, meine Tage nicht bei Eurer Königlichen Hoheit zu verbringen. Ihre Abtei und die seine sind die einzigen, wo eine Seele wie die meine ihr Heil finden kann. Ich habe den Gottesdienst der Hl. Semiramis von Bruder ­ ori, dem Kaplan der Oper, in Verse oder so etwas Ähnliches C geschmiedet gesehen.26 Dennoch lassen sich in der Dichtung des Bruders Cori Funken des göttlichen Feuers finden, das die er­ habene Wilhelmine belebt. Wir hatten gestern hier den Phaëton, und um den Brand, den dieser Tollkühne einstmals verursacht hatte, besser darzustellen, hat das Feuer auf die Dekorationen übergegriffen.27 Der König war ein wenig indisponiert und hat die Oper nicht gesehen. Die kleine Truppe seiner Durchlaucht Prinz Heinrich wird Zaïre spielen; doch während wir uns erfreuen, rafft der Tod das Vieh hinweg; die Pferde haben die Pest in England und in Polen an den Grenzen zur Walachei die Menschen.28

26  Angelo Cori (? – ?) war seit 1749 als Inspektor der Garderobe am Theater des Königs beschäftigt; wahrscheinlich meint aber Voltaire hier sich selbst. Zu Cori vgl. Oleskiewicz, The Court of Brandenburg-Prussia, S.  96 f. 27  1683 in Paris uraufgeführte Oper von Jean-Baptiste Lully (1632– 1687). 28  Diese Tragödie Voltaires wurde 1732 in Paris uraufgeführt. Voltaire inszenierte das Stück, das am 5.1.1751 im Theater der Prinzessin Amalie auf die Bühne kam, mit Wilhelmines Schwester in der Titelrolle, vgl. Rainer, Die Hauptrollen an Frauen, S. 54 f.

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Leben Sie glücklich, Madame, geben Sie Acht auf eine so kostbare Gesundheit; seien Sie so gnädig, mir Ihre Güte und die Seiner Durchlaucht des Markgrafen zu bewahren. Ich habe Ihre Befehle ausgeführt. Ich versichere Euren Königlichen Hoheiten von neuem meine tiefe Ehrerbietung. Bruder Voltaire 7 Wilhelmine an Voltaire, [25. Dezember 1750] [D 4306] Schwester Guillemette grüßt Bruder Voltaire, denn ich zähle mich zu den glücklichen Bewohnern Ihrer Abtei, wenngleich ich nicht mehr dort bin, und ich zähle ganz fest darauf, wenn Gott mir ein gutes langes Leben schenkt, dorthin zu gehen, um eines Tages meinen Platz wieder einzunehmen.29 Ich habe Ihren Trostbrief erhalten.30 Ich gebe Ihnen mein unheiliges Ehrenwort, dass er mich unendlich mehr erbaut hat als  der des Heiligen Paulus an die Auserwählte Herrin.31 Wie ­Opium übte dieser Brief auf mich eine gewisse einschläfernde Wirkung aus und hinderte mich daran, seine Schönheiten zu bemerken; der Ihre hat ein gegenteilige Wirkung hervorgerufen: Er hat mich aus meiner Trägheit erweckt und meine Lebensgeister wieder in Gang gesetzt. Schicken Sie uns, ich beschwöre Sie, so schnell wie möglich den Marquis d’Adhémar. Er ist auch ohne Empfehlungen will­ kommen,32 und wir werden versuchen, dafür zu sorgen, dass er seine Entscheidung auf keinen Fall bereut. Auch wenn Sie Ihre Reise nach Paris verschoben haben, hoffe ich, dass Sie mir Wort 29  Anspielung auf den Besuch Wilhelmines und ihres Gemahls in Potsdam im Sommer/Herbst 1750, wo sie Zugang zu dem intimen Kreis der Tafelrunde („Abtei“) um Friedrich II., dem „Abt“, und dem „Bruder“ Voltaire hatte. 30  Den Brief vom 12.12.1750 [D 4295]. 31  In Wirklichkeit handelt es sich um den 2. Brief des Johannes, 1. 32  Vgl. Voltaire an Wilhelmine vom 19.12.1750 (D 4302].

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halten und mich hier besuchen kommen. Apollo kam einst, um sich unter die Sterblichen zu mischen, und hielt es nicht für unter seiner Würde, sich zum Hirten zu machen, um sie zu unterrichten.33 Tun Sie es ihm gleich, Monsieur, einem besseren Vorbild können Sie nicht folgen! Was sagen Sie zur Ankunft des Messias in Dresden?34 Können Sie danach noch Wunder in Zweifel ziehen? Wenn ich der Kronprinz von Sachsen wäre, hätte ich dem Heiligen Geist die ganze Ehre gelassen. Aber er denkt wie Karl VI.: Als die Kaiserin den Erzherzog gebar,35 schrie man, dass es Nepomuk gewesen sei, dem man das verdanke.36 „Gott bewahre“, sagte der Kaiser, „dann bin ich also ein Hahnrei.“ Doch lassen wir den Heiligen Geist und den Messias in Ruhe. Auch wenn heute sein Geburtstag ist, versichere ich Ihnen, hätte ich nicht an ihn gedacht ohne die wunderbare Geschichte in Sachsen. Ich denke lieber an die Schöngeister in der Stadt Potsdam, an ihren Abt und an ihre Mönche. Erinnern Sie sich dafür gelegentlich an die Abwesenden und zählen Sie immer auf mich als wahre Freundin. Wilhelmine Ich bitte Sie, die Brüder von mir zu grüßen und dem komischen Philosophen für den schönen Brief zu danken, den er mir geschrieben hat.37 Ich bin ihm zu großem Dank verpflichtet für die Mühe, die er sich gegeben hat, mir drei Seiten zu schreiben, 33  Anspielung auf den Apollo-Mythos, wonach der Gott dem thessalischen König Admetos als Hirte diente. 34  Gemeint ist die Geburt des Sohnes des Kurprinzen Friedrich Christian (1722–1763), Friedrich August III. (1750–1827). 35  Leopold Johann, Erzherzog von Österreich, verstarb noch im Jahr seiner Geburt 1716. Er war der nach achtjähriger Ehe zwischen Karl VI. (1685–1740) und Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel (1691–1750) lang ersehnte Thronfolger. 36  Der böhmische Nationalheilige Nepomuk (1320/30–1393). 37  Dieser Brief von Julien Offray de La Mettrie (1709–1751) ist nicht erhalten. Der Mediziner, der seine materialistische Philosophie in L’Homme machine (1747) entwickelt hatte, lebte seit 1748 am preußischen Hof und zählte zum innersten Zirkel um den König.

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und mehr noch für seinen Ernst. Der Markgraf grüßt Sie vielmals und wird Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie den Marquis d’Adhémar rasch dazu bringen könnten, hier seinen Dienst aufzunehmen. 8 Voltaire an Wilhelmine, Berlin, den 6. Januar 1751 [D 4340] Bruder Voltaire hat nur die Zelle gewechselt. Er lebt in Berlin wie in Potsdam: ganz zurückgezogen und ganz in Gedanken an Eure Königliche Hoheit. Er verspricht Ihnen auf Mönchsehre, Madame, zu kommen und Sie um Ihren Segen in Ihrer hoheitlichen Abtei zu bitten, auf seiner Rückkehr von dieser großen Stadt Paris, wo er wirklich Ordnung in seine weltlichen Angelegenheiten bringen muss, die er allzu lange zugunsten der geist­ lichen Angelegenheiten des ehrwürdigen Pater Abtes vernachlässigt hat. Aber ich bin ganz erstaunt, dass Euer Hochwürden nicht zwei Briefe anstelle von nur einem von meiner Nichtswürden erhalten hat. Ich hatte bestimmt die Ehre, Ihnen zweimal aus der Klosterkirche Potsdam zu schreiben. Es muss offenbar so sein, dass der Himmel dem Umgang zweier so lockerer Mönche, wie wir es sind, nicht seinen Segen gibt. Euer Hochwürden hat ganz heilbringende Überlegungen zu dem jüngsten Wunder angestellt.38 Sie wissen, wie notwendig Wunder manchmal sind. Wir in Frankreich brauchten dazu einstmals eine Jungfrau.39 Anderswo hat man das ganze Gegenteil gebraucht. O Signore, Signore, figlioli in ogni modo!40 Die Liebe war der Heilige Geist des Altertums. Sie

38  Im

Brief vom 25.12.1750 [D 4306]. Jungfrau von Orléans, über die sich Voltaire in seinem – Wilhelmine wohlbekannten – komischen Epos La Pucelle lustig macht. Begonnen hatte er das Werk wohl schon 1730; bis 1755 sollen 6.000 handschriftliche Kopien davon im Umlauf gewesen sein; die erste autorisierte Ausgabe stammt aus dem Jahr 1762, vgl. Besterman, Voltaire, S. 320 f. 39  Die

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war es, die sich 40um derlei Dinge kümmerte. Heutzutage sind es Mönche und Heilige. Unsere Mythologie ist erbärmlich; es gibt nichts so Plattes wie das, was man Katholizismus nennt. Kommen wir, Madame, auf die Aufträge zu sprechen, die Eure Königliche Hoheit mir zu dem Marquis d’Adhémar erteilt! Ich habe ihm geschrieben und werde die Ehre haben, Ihnen von seiner Antwort Mitteilung zu machen.41 Ich bin überzeugt, dass er sehr empfänglich für das Glück ist, von Ihrem Hof aufgenommen zu werden. Er hat eine Seele, die der Ihren würdig ist, und ich wage zu behaupten, dass er für Seine Durchlaucht, den Markgrafen, und Sie wie gemacht ist. Monsieur de Montperny wird in ihm höchst angenehme Gesellschaft finden. Im Übrigen hat er viel Geschmack, macht nette Verse, und über all das hinaus ist er der größte Mann von Ehre wie auch von Tapferkeit. Es ist traurig, gegenüber einem Mann solchen Formats von solchen Armseligkeiten, die man Gehalt und Geld nennt, sprechen zu müssen, und es heißt, Papier zu besudeln, wenn man Eure Königliche Hoheit mit derlei Armseligkeiten behelligt, die Schwester Guillemette so sehr verachtet; aber da diese Armseligkeiten in dieser Welt so absolut notwendig sind und Könige wie Köhler ohne Geld überhaupt nichts anfangen können, habe ich in meinem Brief an den Marquis d’Adhémar davon gesprochen. Ich glaube, dass Eure Hoheit mein Handeln nicht missbilligen wird. Ich habe also geschrieben, dass 1.500 Taler in etwa angemessen seien. Ich habe Ihre Börse geschont und Ihrer Freigiebigkeit Gewalt angetan, indem ich 1.500 Taler vorgeschlagen habe. Nur Sie, Madame, und Seine Durchlaucht, der Herr Markgraf, können mir böse sein, so wenig angeboten zu haben, aber mein Freund D’Adhémar wird mir deswegen nicht böse sein. Mit einem Wort: Er kann niemals an einem freigiebigeren Hof leben, und dieser Hof kann keine edlere Erwerbung machen. Ich wollte, er könnte mit meiner Nichte und mir abreisen, doch, meine 40  Oh Herr, oh Herr, Söhne auf Teufel komm raus! So beim ‚Wunder‘ der Geburt des österreichischen Thronfolgers in Wilhelmines Brief vom 25.12.1750 [D 4306]. 41  Ein solcher Brief ist nicht erhalten.

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anbetungswürdige Äbtissin, wenn wir alle drei in unserem Kloster wären, würden wir niemals wieder herauskommen. Bruder La Mettrie wird verrückt werden über die ehrenvolle und reizende Art, wie Sie ihn gnädig erwähnt haben.42 Alle anderen Brüder küssen den Saum Ihres heiligen Gewands. Ich weiß nicht, ob Monsieur de Montperny etwas Neues von diesem verrückten kleinen Schauspieler gehört hat, den ich ihm zur Ergänzung Ihrer Truppe besorgt habe.43 Ich würde gern wissen, wie man es anstellen soll, Monsieur de Montperny dazu zu bringen, sich meiner zu erinnern; man kann sich derlei Freiheiten nicht herausnehmen, indem man an Eure Königliche Hoheit schreibt. Ich werfe mich Eurer Königlichen Hoheit und Seiner Durchlaucht zu Füßen. Wir spielten gestern Zaïre; Seine Durchlaucht, Prinz Heinrich, übertraf sich selbst, Seine Durchlaucht, der Kronprinz, artikulierte sich sehr deutlich, Seine Durchlaucht, Prinz Ferdinand, sprach mit gedämpfter Stimme, Frau Prinzessin Amalie war liebevoll, und die Königinmutter war begeistert.44 Doch Bayreuth, Bayreuth, wann werde ich so glücklich sein, ­ ure Feste zu besuchen und vor allem diese erhabene Prinzessin, E der ich meine tiefste Ehrerbietung aus allzu großer Entfernung bekunde, zu bewundern, zu verehren, aus größerer Nähe zu schätzen wagen? V.

42  In

ihrem Brief vom 25.12.1750 [D 4306].

43  Hurtaut, vgl. Voltaires Brief vom September/Oktober 1750 [D 4230]. 44  Wilhelmines Geschwister Heinrich (1726–1802), August Wilhelm (1722–1758), Ferdinand (1730–1813) und Amalie sowie die Königinmutter Sophie Dorothea (1687–1757).

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9 Wilhelmine an Voltaire, den 6. Januar 1751 [D 4341] Ich nutze einen mir verbleibenden Moment, um Sie davon in Kenntnis zu setzen, Monsieur, dass der Herzog von Württemberg die Absicht hat, den Marquis d’Adhémar in seine Dienste zu nehmen. Er hat ihn in Paris kennengelernt,45 und ich habe von einem Kavalier aus dem Gefolge des Herzogs erfahren, dass der Marquis d’Adhémar vorhatte, dorthin zu kommen.46 Ich bitte Sie, ihm zuvorzukommen und ihn dazu zu bringen, sich bald an diesen Hof hier zu begeben. Ich wünsche Ihnen für den Lauf dieses Jahres vollkommene Gesundheit. Das ist das Einzige, was Ihnen fehlt, um Sie glücklich zu machen. Wir schauspielern hier so, wie Sie es in Berlin tun.47 Adieu, ich muss Sie verlassen, um meine Rolle nochmals durchzugehen. Seien Sie von meiner vollkommenen Wertschätzung überzeugt. Wilhelmine 10 Wilhelmine an Voltaire, den 23. Januar [1751] [D 4360] Ich muss mich wohl in meinem letzten Brief ganz unklar ausgedrückt haben, denn Sie haben seinen Sinn nicht verstanden.48 Vielleicht war ich in diesem Moment vom Heiligen Geist inspi45  Wilhelmines Schwiegersohn Karl Eugen von Württemberg (1728– 1793) war 1748 zum ersten Mal in Paris. 46  Wilhelmine dürfte dies während des Besuches ihrer Tochter und ihres Schwiegersohns Anfang Januar 1751 in Bayreuth erfahren haben. 47  Am 10.1.1751 berichtet Wilhelmine ihrer Schwester Amalie, dass sie den Philosophe marié von Philippe Néricault Destouches (1680– 1754) gespielt haben, vgl. GStPK BPH Rep.46, W 20, f. 59r–v. 48  Wilhelmines Brief vom 6.1.1751 [D 4341]. Voltaires Antwort ist nicht erhalten.

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riert. Weil Sie kein Apostel sind, haben Sie das, was ich für ganz klar hielt, ganz unverständlich gefunden. Ich komme zur Erklärung: Der Herzog von Württemberg hat mir geschrieben, dass er die Absicht habe, den Marquis d’Adhémar in seine Dienste zu nehmen. Ich habe befürchtet, dass er Ihnen zuvorkommt und Sie gebeten, dafür zu sorgen, dass der Marquis die Vorschläge ablehnt, die man ihm seitens des Herzogs machen wird. Der Markgraf wird ihm auf keinen Fall die 1.500 Taler Einkünfte verweigern, die Sie ihm angeboten haben. Ich bitte Sie, diese Angelegenheit zu beschleunigen und Monsieur d’Adhémar zu bewegen, sich bald hierher zu begeben. Es ist für ihn ein Hofamt über dem des Kammerherrn vorgesehen, und Sie können darauf zählen, dass der Markgraf ihm alle erdenklichen Aufmerksamkeiten erweisen wird. Ich glaube, dass Ihr Aufenthalt in Deutschland in allen Herzen den Wahn auslöst, Verse herzusagen. Der Württemberger Hof kommt extra noch einmal hierher, um mit uns zu schauspielern. Der sonst so vernünftige Uriot49 hat uns das meiner Ansicht nach verstechnisch erbärmlichste Theaterstück ausgesucht: ­Oreste et Pylade von La Motte.50 Ich wundere mich über die verschiedenen Denkweisen, die es auf der Welt gibt: Sie schließen aus Ihren Potsdamer Tragödien die Frauenrollen aus, und wir würden gern, wenn wir einen Voltaire hätten, die Männerrollen aus denen streichen, die wir hier spielen. Wäre es nicht möglich, dass Sie für uns eines Ihrer Stück anpassten und die beiden Hauptrollen darin an Frauen vergäben?51 Der Herzog 49  Joseph Uriot (1713–1788), der wichtigste französische Schauspieler in Bayreuth; er wurde nach der Auflösung der Bayreuther Truppe nach dem Tod des Markgrafen Professor für Geschichte und Bibliothekar in Stuttgart. 50  Das Stück ist nicht von Antoine Houdar de La Motte (1672–1731), sondern von Joseph de La Grange-Chancel (1677–1758); es wurde 1699 uraufgeführt und im Januar 1751 mit dem Württemberger Hof in Bayreuth gespielt; vgl. auch Wilhelmines Briefe an die Schwester Amalie vom 10. und 28.1.[1751], GStPK, BPH Rep. 46, W 20, f. 55r–v und 59r–60r. 51  Eine detaillierte Interpretation dieser Passage bei Rainer, Die Hauptrollen an Frauen, S. 52–61.

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und meine Tochter spielen ganz nett; aber das ist auch schon alles. Montperny ist noch zu kränklich, um eine große Rolle zu übernehmen, und der Rest verstümmelt nur Ihre Stücke. Ich habe es nicht gewagt, Sémiramis vorzuschlagen, da die Herzoginmutter dieses Stück bereits in Stuttgart hat aufführen lassen.52 Ich habe dieser Tage eine seltsame Persönlichkeit gesehen: einen päpstlichen Referendar, Kanonikus von Santa Maria Mag­ giore und trotzdem ein vernünftiger Mann, der über die Mönche herzieht, der über Vorurteile erhaben ist und von nichts als Toleranz spricht.53 Ihr kleiner Schauspieler ist eingetroffen.54 Da ich die ganze Zeit über sehr unpässlich war, habe ich ihn noch gar nicht gesehen; aber man erzählt sich viel Gutes über ihn. Kommen Sie uns bald in unserem Kloster besuchen; das ist alles, was wir uns wünschen. Der Markgraf grüßt Sie vielmals. Grüßen Sie alle Brüder, die sich noch an mich erinnern, und seien Sie gewiss, dass die Äbtissin von Bayreuth nichts so sehr wünscht, wie Bruder Voltaire von ihrer vollkommenen Wertschätzung überzeugen zu können. Wilhelmine 11 Voltaire an Wilhelmine, den 30. Januar [1751] [D 4364] Madame, Eure Königliche Hoheit hat mehr Konkurrenten, als Sie denken; aber ich glaube, dass der Marquis d’Adhémar Ihnen den Vorzug

52  Maria

Augusta von Thurn und Taxis (1706–1756). handelt sich mit einiger Sicherheit um Enea Silvio Piccolomini (1709–1768), 1748 zum päpstlichen Referendar ernannt und von 1748– 1750 Kanonikus von Santa Maria Maggiore, vgl. Weber, Die päpstlichen Referendare, Bd. III, S. 815. 54  Hurtaut, vgl. Voltaires Brief vom September/Oktober 1750 [D 4230]. 53  Es

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geben wird. Ich schreibe ihm nochmals nachdrücklich.55 Mein ganzer Wunsch ist es, im Frühjahr zu Ihren Füßen sein zu können. Doch welcher Mensch ist schon Herr seines Schicksals? Bruder Voltaire ist hier als Büßer. Er hat noch einen verdammten Prozess mit einem Juden am Hals, und nach den Gesetzen des Alten Testaments wird er noch dafür bezahlen müssen, bestohlen worden zu sein.56 Und zu allem Überfluss führte das zu einem schönen Zank, der in vier oder fünf kleine unterteilt einen ebenso lustigen Komödienstoff bilden könnte wie das Manifest der Zarin, die Europa zum Zeugen dafür aufruft, dass der Herr Gross nicht zum Abendessen eingeladen worden sei.57 Das könnte Eure Königliche Hoheit auf Ihrer Bayreuther Bühne amüsieren. Seine Durchlaucht, Prinz Heinrich, hat gestern den  Sidney zum Abschluss der Karnevalssaison gespielt.58 Mir kommt das so vor, als wenn man Trauerkleider an einem Festtag anzöge: ein wirklich seltsamer Komödienstoff für einen Prinzen von neunzehn Jahren. Ich würde mir genauso gern eine Beerdigung anschauen wie dieses Stück; aber Seine Durchlaucht, Prinz Heinrich, legt so viel Anmut in alles, was er rezitiert, und alles, was er tut, dass er mich vollkommen von der Geschmacklosigkeit und Tristesse dieses Werkes geheilt hat. 55  Ein

solcher Brief ist nicht erhalten. hatte sich in verbotene Spekulationen mit sächsischen Steuerscheinen mit dem Berliner Schutzjuden Abraham Hirschel eingelassen und war darüber mit diesem Ende 1750 in Streit geraten, was zu einem Prozess führte, den ihm Friedrich II. äußerst übelnahm, vgl. Mervaud, Voltaire et Frédéric II, S. 192–202. 57  Anspielung auf eine diplomatische Auseinandersetzung zwischen dem Preußenkönig und Zarin Elisabeth (1709–1762), die sich an der angeblich schlechten Behandlung des russischen Gesandten Heinrich von Gross (1713–1765) entzündete. Tatsächlich war die ganze Geschichte von beiden Herrschern inszeniert, und Voltaire hatte sich wieder einmal den Unwillen des Königs zugezogen, weil er sich ungebeten in diese diplomatische Affäre eingemischt hatte, vgl. Mervaud, Voltaire et Frédéric II, S. 192 mit Anm. 102. 58  Diese Komödie von Jean-Baptiste Gresset (1709–1777) wurde 1745 in Paris uraufgeführt. Wie der Untertitel „Drame“ schon verdeutlicht, handelt es sich nicht um eine Komödie. 56  Voltaire

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Madame, wenn wir in Potsdam ohne Frauenrollen spielen, dann ganz gegen unseren Willen, das schwöre ich Ihnen. Die Mönche bitten Gott um Frauen. Doch glauben Sie mir, versuchen Sie auf keinen Fall, in Bayreuth ohne Männerrollen auszukommen.59 Das Theater ist das Abbild menschlichen Lebens, und in diesem Leben müssen Männer und Frauen zusammen sein, wenn nicht, lebt man nur halb. Denken Sie an Ihre Gesundheit, Madame! Das ist der entscheidende Punkt. Wenn Verdienst sie verliehe, würde es Ihnen besser gehen als allen Fürstinnen dieser Welt. Aber leider befindet sich bei Ihnen das solideste Verdienst in einem ganz schwachen Körper. Sie sind zur Diät verdammt, während La Mettrie sich zweimal am Tag mit Absicht den Magen verdirbt und sich danach umso wohler fühlt.60 Eure Königliche Hoheit und Ihr Bruder, der König, sind die Herrscher auf Erden, die am besten mit Esprit und am schlechtesten mit Mägen ausgestattet sind. Alles muss ausgeglichen sein. Was mich armen Kerl angeht, so rechne ich damit, mich noch einen Monat oder sechs Wochen hier hinzuschleppen, um danach nach Paris zu fahren, um meine Angelegenheiten zu regeln. Ich glaube nicht, dass man nach Paris auf anderen Wegen als über Bayreuth gelangen kann, und mein Herz, das mich einzig leitet, sagt, dass ich diese Route nehmen muss. Ich werfe mich Eurer Hoheit zu Füßen und bringe Ihnen wie auch Seiner Durchlaucht meine tiefste Ehrerbietung dar. V.

59  Vgl.

Wilhelmines Brief vom 23.1.[1751] [D 4360]. mehr lange: Er starb im November 1751, nachdem er sich angeblich an einer Fasanenpastete überfressen hatte. 60  Nicht

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12 Wilhelmine an Voltaire, den 18. Februar 1751 [D 4387] Wenn Sie den starken Wunsch haben, mich wiederzusehen, dann ist das ganz meinerseits. Von daher ist Bruder Voltaire jederzeit willkommen, und wir werden versuchen, ihm unsere Abtei so angenehm wie möglich zu gestalten. Wundern Sie sich nicht über meine altertümliche Sprache. Sie ist ursprünglich, und wer ursprünglich sagt, meint ehrlich. Kurz, ich lese gerade die Memoiren von Sully.61 Und ich bin alle durchgegangen, die ich besitze, welche die Geschichte Frankreichs betreffen.62 Diese geheimen Memoiren bringen es unendlich viel besser auf den Punkt als die allgemeinen Geschichtswerke, wo die Autoren glänzende politische wie auch militärische Taten denen zuschreiben, die daran nur geringen Anteil gehabt haben. Ich habe daraus geschlossen, dass Sie sehr große Männer und sehr durchschnittliche Könige gehabt haben. Heinrich  IV. hätte vielleicht niemals regiert oder sich nie gehalten ohne einen Sully, und Ludwig XIV. hätte ohne einen Louvois, einen Colbert, einen Turenne niemals den Bei­ namen „der Große“ erlangt.63 So ist die Welt: Man huldigt der Größe und selten dem Verdienst. Sie senden mir recht seltsame Dinge: Apollo prozessiert mit einem Juden? Pfui, Monsieur, das ist abscheulich. Ich habe in der gesamten Mythologie nachgeschaut, und ich habe nicht den Schatten eines Plädoyers dieser Art auf dem Parnass gefunden. Wie komisch der Fall auch immer ist, ich will ihn keinesfalls auf der Bühne aufgeführt sehen. Große Männer dürfen dort nur in ihrem Glanz auftreten. Ich will Sie dort betrachten als Richter 61  Maximilien de Béthune, duc de Sully (1559–1641) war Minister unter Heinrich IV. (1553–1610) und schrieb seine erst 1745 publizierten Memoiren unter dem Titel Économies royales. 62  Und das waren Dutzende, wie ihr Bibliothekskatalog zeigt. 63  Unter Ludwig XIV. (1638–1715) waren François-Michel Le Tellier de Louvois (1639–1691) Kriegsminister, Jean-Baptiste Colbert (1619– 1683) Marineminister und Contrôleur général des finances, Henri de La Tour d’Auvergne, vicomte de Turenne (1611–1675) Feldherr.

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über Esprit, Talent und Wissenschaften, wie Sie über einen ­Racine und einen Corneille triumphieren und als Herrscher auf Lebenszeit über die Republik der Schönen Literatur.64 Ich hoffe, dass Ihr Israelit für seine Schurkerei bestraft wird und Sie sich keine Sorgen mehr machen müssen.65 Schicken Sie uns bald den Marquis d’Adhémar. Denken Sie an die Freude, verzichten Sie auf Buße, bleiben Sie gesund, denken Sie gelegentlich an mich und zählen Sie auf meine vollkommene Wertschätzung. Wilhelmine 13 Voltaire an Wilhelmine, den 1. März [1751] [D 4409] Madame, Bruder Voltaire hat gestern den Segen Eurer Königlichen Hochwürden erhalten.66 Der Stil der guten alten Zeit steht Ihnen ebenso gut wie der heutige. Sie beherrschen den guten Geschmack der einen wie die Ursprünglichkeit der anderen. Wenn der Herzog von Sully vorausgesehen hätte, dass sein Geschmiere über königlichen Haushalt und Politik eines Tages von der Frau Markgräfin von Bayreuth gelesen würde, wäre seine Eitelkeit doppelt so groß geworden. Ich glaube, Madame, dass Eure Königliche Hoheit die erste ist, die den Herzog von Sully über Heinrich IV. gestellt hat. Ich meinerseits bekenne als ganz schwacher Mensch, die Schwächen dieses guten Königs mehr zu lieben als die stren64  Jean Racine (1639–1699) und Pierre Corneille (1606–1684) galten auch noch im 18. Jahrhundert als die unumstrittenen Klassiker der französischen Tragödie. 65  Die Markgräfin hatte ihre Informanten in Berlin, die sie, wie etwa der Baron von Pöllnitz, über Voltaires Affäre mit Hirschel auf dem Laufenden hielten, vgl. den Brief von Pöllnitz an Wilhelmine vom 13.2.1751 (D 4377). 66  Wilhelmines Brief vom 18.2.1751 [D 4387].

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gen Tugenden seines Ministers.67 Ich glaube sogar, dass Heinrich der Große vom Regieren noch mehr verstand als der Herzog von Sully. Wir verdanken etliche schöne Manufakturen und vor allem die Einführung der Seidenraupen allein der aufgeklärten Standhaftigkeit dieses würdigen Königs, der den Sieg über den hartnäckigen blinden Widerstand seines Ministers davontrug.68 Im Übrigen führte der Herzog von Sully häufig Prozesse gegen Juden, die seine Armeen versorgten; von daher muss man es mir verzeihen, einen gegen einen alttestamentarischen Schurken gewonnen zu haben, den ich noch allzu großmütig behandelt habe, nachdem ich ihn habe verurteilen lassen. Diese Geschichte hat mir furchtbare Pein verursacht, denn, wie Eure Königliche Hoheit sagt, Literaten sind eigentlich zum Schreiben auf der Welt und dürfen auf keinen Fall Diamanten kaufen.69 Monsieur d’Adhémar macht mir tagtäglich Hoffnung, so glücklich zu sein, zu Eurer Hoheit zu kommen. Ich an seiner Stelle wäre schon längst aufgebrochen. Ich hoffe, dass der Kammerherr von Ammon, der bei mir in Paris wohnt und jeden Tag mit dem Marquis d’Adhémar soupiert, meine Verhandlungen nicht durchkreuzt.70 Was die Dame angeht, die Sie benötigen, so sieht es nicht danach aus, dass ich Eurer Königlichen Hoheit so bald eine beschaffe. Dafür gibt es zwei Gründe: Entweder sterbe ich hier an Brustleiden oder ich reise nach Italien, bevor ich Paris wiedersehe. Doch seien Sie ganz sicher, Madame, dass mein Herz insgeheim den Aufenthalt in Bayreuth Sankt Peter in Rom und dem Markusplatz vorzieht. Die Segnungen des Papstes und 67  Gemeint ist des Königs stark ausgeprägte Neigung zum weiblichen Geschlecht. 68  Der Import von Maulbeerbäumen zur Zucht von Seidenraupen begann in Frankreich schon 1536 unter Franz I. (1494–1547); Heinrich IV. förderte die Seidenindustrie dann weiter. 69  Diese lieferte Hirschel für die von Voltaire ausgehändigten Wechsel, vgl. Volz (Hrsg.), Friedrich der Große und Wilhelmine von Baireuth, Bd. II, S. 192, Anm. 1. 70  Zu von Ammon vgl. Voltaires Brief an Wilhelmine vom 19.12.1750 [D 4302].

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­venezianische Pantalonaden71 wiegen mit Sicherheit die Ehre, in Ihrer Nähe zu sein und Ihre Stimme zu hören, nicht auf. Ich werfe mich Seiner Durchlaucht, dem Markgrafen, zu Füßen und versichere Euren Königlichen Hoheiten nochmals meine ganz tiefe Ehrerbietung und die aufrichtige Verbundenheit des armen kranken Bruders Voltaire. Ihre Wohltaten für Monsieur de Montperny, derer er würdig ist, geben mir wohl das Recht, hier gute Wünsche für seine Gesundheit auszusprechen: Ein guter Mönch muss für all seine Brüder beten. 14 Wilhelmine an Voltaire, [ca. 20. März 1751] [D 4427] Ich war entzückt, Ihrem letzten Brief72 zu entnehmen, dass Sie über Ihren Gegner triumphiert haben  – der Schurkerei und der Intrige zum Trotz. Ich hoffe, dass Sie nach diesem Sieg ruhig in Ihrer Abtei leben und nichts Ihre Ruhe stört. Ich hoffe, dass Ihre Gesundheit wiederhergestellt ist, da Sie daran denken, wieder unter Leute zu gehen. Mir scheint, dass Sie auf die Reise nach Italien verzichtet hatten und entschlossen waren, den Abt, dessen Freude Sie waren, nicht mehr zu verlassen. Wie dem auch sei, Ihr Weg führt hier vorbei. Sie haben es mir versprochen,73 und Sie müssen Wort halten. Kein bisschen französische Leichtfertigkeit in dieser Sache! Ich bitte Sie darum, denn ich würde sie Ihnen nicht verzeihen. Wir warten mit großer Ungeduld auf eine positive Antwort des Marquis D. Ich will Ihnen gern im Vertrauen sagen, dass der Markgraf seinen Hof auf eine andere Ebene heben will, dass sich einige gute Untertanen vorgestellt haben, dass er aber in der 71  Nach der Kaufmannsfigur des Pantalone in der venezianischen Commedia dell’arte benannte Farcen. 72  In seinem Brief vom 30.1.1751 [D 4364]. 73  In demselben Brief.

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Absicht, einen ehrenvollen Posten dem Marquis zu geben, mit den anderen nichts abmachen kann, bis er von seiner Entscheidung informiert ist. Montperny hat dem Marquis dementsprechend geschrieben, und ich bitte Sie, daraufhin zu wirken, dass ich eine positive Antwort erhalte, denn wir können unmöglich noch länger so leben, wie wir es jetzt tun, ohne jegliche Gesellschaft und in unerträglicher Langeweile. Wenn er hier auch nichts findet, um seinen Ehrgeiz zu befriedigen, wird er dafür Freiheit finden, ein angenehmes und ruhiges Leben, einen Kreis von vernünftigen Leuten und solchen von Welt, das heißt, jenen, die wir noch erwerben werden, und Theateraufführungen. Sie haben mir selbst die Bedingungen vorgeschlagen, das heißt 1.500 Taler und Hoftafel.74 Wir werden Ihnen unendlich verbunden sein, wenn Sie diese Angelegenheit zu einem guten Ende bringen, und das so früh wie möglich. Ich habe zwei lange Episteln von d’Arnaud bekommen, wo er höchst reumütig auftritt.75 Ich hatte gehofft, Sémiramis im Monat Mai präsentieren zu können, doch alle möglichen Schicksalsschläge sind dazwischengekommen. Unser Sänger hat die Stimme verloren. Ich bin diesem Desaster beigekommen. Der berühmte Hasse, der die Musik komponiert, ist so krank geworden, dass er sie nicht vollenden kann. Wir müssen sie [Sémiramis] also auf den nächsten Winter verschieben.76

74  In Voltaires Brief vom 6.1.1751 [D 4340] war nur von 1.500 Talern, nicht aber von der Hoftafel die Rede. 75  Zur Auseinandersetzung zwischen D’Arnaud und Voltaire vgl. dessen Brief an Wilhelmine vom 9.12.1750 [D 4291]. 76  Johann Adolf Hasse (1689–1783), der für Wilhelmine anlässlich der Hochzeit ihrer Tochter 1748 einige Arien zur Oper Ezio vertont hatte, war an der am 24.1.1753 zum Geburtstag des Markgrafen aufgeführten Fassung nicht mehr beteiligt. Zu dem von Wilhelmine selbst hierfür verfassten Libretto vgl. Müller-Lindenberg, Wilhelmine von Bayreuth, S. 142–147 und Henze-Döhring, Markgräfin Wilhelmine, S. 104–109.

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15 Voltaire an Wilhelmine, Potsdam, 28. Mai [1751] [D 4479] Madame, Eure Königliche Hoheit hat Adhémar erwartet und Cothenius bekommen.77 Darf es sein, dass Sie statt der Vergnügungen, die Sie in Hülle und Fülle um sich herum haben müssten, nur Rosenwässer und Pillen bekommen? Muss man immer um eine so kostbare Gesundheit bangen? Wenn das lebhafte Interesse, das alle Leute hier an Ihrer Gesundheit haben, Eurer Königlichen Hoheit von einiger Hilfe sein könnte, wären Sie alsbald geheilt. Das Kloster von Potsdam verdoppelt für Sie, Madame, seine Fürbitten, und ich, unwürdiger Bruder dieses Klosters, bin nicht derjenige, dessen Wünsche am wenigsten glühen. Eure König­ liche Hoheit weiß, welche Gefühle ich für Sie hege; Sie kennen die Herrschaft, die Sie über die Herzen ausüben. Ich bin der Schwester wie dem Bruder gleichermaßen verpflichtet. Ich würde gern meine Frühmette in Potsdam und meine Vesper in Bayreuth singen. Wenn ich sicher wäre, dass dieser Brief Sie in einer Zeit besserer Gesundheit erreicht und ich mit Ihnen über den Marquis d’Adhémar sprechen würde, dann würde ich mit Ihnen über einen Adeligen aus Lothringen namens Liébault sprechen, der Offizier ist, der Literat ist, vernünftig, gebildet und für den man einstehen kann.78 Aber ich kann nur über die Gesundheit Eurer Königlichen Hoheit sprechen, über unsere Sorgen und über unseren Schmerz. Warum kann ich Herrn Cothenius nicht beglei-

77  Christian Andreas Cothenius (1708–1789). Über ihn schreibt Wilhelmine am 19.6.1751 an ihren Bruder Friedrich II.: „Dein letzter Brief hat stärker auf mich gewirkt als die ganze Apotheke von Cothenius.“ Zitiert nach Volz (Hrsg.), Friedrich der Große und Wilhelmine von Baireuth, Bd. II, S. 199. 78  Nicolas-Léopold Liébault (1723–1795) war Mitarbeiter der Ency­ clopédie von Diderot und D’Alembert.

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ten? Warum kann ich nicht kommen, um mich Ihnen und Seiner Durchlaucht zu Füßen zu werfen? Der König fährt nach Kleve;79 ich bleibe, um in meiner Zelle zu kritzeln; doch, Madame, ich vergesse meine Leiden, um nur an die Ihren zu denken; ich bin über die Natur entrüstet, weil ich nicht der einzige bin, der leidet. Warum muss eine so starke Seele wie die Ihre in einem so schwachen Körper wohnen? Wir haben 10.000 Kerle, die nicht zu denken vermögen und gerade 10.000 Gewehrschüsse an den Toren Potsdams abgeben. Ihnen geht es blendend, und die Frau Markgräfin von Bayreuth leidet! Und die Vorsehung? Wo ist sie denn? Ich werde nicht ihr Diener sein, wenn Sie nicht gesund sind, und ich will, wenn Cothenius zurückkommt, ein Te Deum singen. Bruder Voltaire 16 Voltaire an Wilhelmine, Berlin, den 28. März [1752] [D 4853] Bruder Kränklich, Bruder Menschenscheu, Bruder Papierkratzer wirft sich mehr denn je Eurer Königlichen Hoheit zu Füßen. Wenn er Ihnen ebenso oft schriebe, wie er an Sie denkt, hätte Eure Königliche Hoheit von ihm fünf- oder sechsmal täglich Briefe. Ich warte, Madame, auf die glückliche Zeit, wo ich gesund bin, um die Reise nach Bayreuth anzutreten. Ich denke, dass ich auf die nach Frankreich und Italien verzichte, aber ich wiege mich immer noch in der Hoffnung, Ihnen meine Aufwartung zu machen. Früher mussten die Virtuosen nach Neapel, Florenz

79  Friedrich II. hält sich vom 16.–21.6.1752 im damals zu Preußen gehörenden Herzogtum Kleve auf, wo er in Wesel mit dem preußischen Gesandten in Paris Jean de Chambrier zusammentrifft, vgl. Droysen (Hrsg.), Tageskalender Friedrichs des Großen, S. 127.

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und Ferrara gehen; heute ist es Bayreuth, wohin man gehen muss.80 Wenn Eure Königliche Hoheit Lust darauf hat, bei sich eine neue Oper aufführen zu lassen, dann greifen Sie nicht zu Orphée, den Ihr Bruder, der König, gerade hat spielen lassen. In der Musik von Graun gibt es immer schöne Stücke, aber diesmal hat der Dichter ihn unterjocht.81 Der König, der sich damit auskennt, hat zum Glück viel weggeschnitten. Ich sagte zu einem Militär, der neben mir gähnte und kein Wort Italienisch verstand: „Der Herr König ist wirklich der beste Herrscher auf Erden, er hat mehr denn je Mitleid mit seinem Volk.“ „Wie das,“ sagte er. „Ja,“ fügte ich hinzu, „er hat diese Oper um die Hälfte gekürzt.“ Ich hoffe, dass Eure Königliche Hoheit diesen Winter schöne Feste feiert und gesund ist. Doch, Madame, denken Sie vor allem an die Gesundheit. Das ist es, was man Ihnen wünschen muss; Schönheit, Größe, Esprit, die Gabe zu gefallen: Alles ist verloren, wenn man eine schlechte Verdauung hat. Der Magen ist es, der einen zum Glückskind macht. In der Tat, Madame, ich weiß mehr Neues über die Pucelle, als Eure Königliche Hoheit glaubt. Zwar hat die Frau Herzogin von Württemberg82 eine Nacht bei Ihnen damit verbracht, ein paar Fetzen davon abzuschreiben; doch was man in Wien an Beutestücken dieser Pucelle hat, stammt aus der Schlacht bei Soor; die Husaren, die sich damit vergnügten, den Tross des Königs zu 80  Beispiele dafür waren etwa Maddalena Gerardini (genannt La Sellarina), Stefano Leonardi, Maria Giustina Turcotti und Giacomo Zaghini, vgl. Henze-Döhring, Markgräfin Wilhelmine, S. 127 f., 140 f., 156 f., 160 f. 81  Die Oper L’Orfeo von Carl Heinrich Graun war am 27.3. aufgeführt worden, vgl. Henzel, Graun-Werkverzeichnis, Bd. I, B:I:25. Ihr Bruder schreibt am 28.3. an Wilhelmine, dass an der Oper noch einiges verändert werden müsse, vgl. Volz (Hrsg.), Friedrich der Große und Wilhelmine von Baireuth, Bd. II, S. 224. 82  Maria Augusta von Thurn und ­Taxis; davon hatte Friedrich II. in einem Brief vom 22.2.1747 [D 3175] Voltaire informiert, vgl. Vercruysse (Hrsg.), Voltaire, La Pucelle d’Orléans, S. 74.

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plündern, während er die regulären Truppen Österreichs schlug, stahlen Le Siècle de Louis XIV und das, was der König von der Pucelle besaß.83 Es besteht aus 700 oder 800 vom Gesamtwerk abgetrennten Versen: So ist Jeanne ein wenig missbraucht worden, hat aber ihre Jungfräulichkeit nicht gänzlich verloren. Diese Jeanne war dazu bestimmt, auf ewig Kriegsbeute zu sein. Ich habe vor einigen Monaten zwei neue Gesänge davon gemacht. Ich habe einen dicken Tirconel hineingestopft; aber mein Tirconel hat sie nicht weit gebracht.84 Pardon, Madame, mir bleibt kein bisschen Platz, um Euren Königlichen Hoheiten die tiefe Ergebenheit von Bruder V. auszudrücken. 17 Voltaire an Wilhelmine, Potsdam, den 10. April 1752 [D 4862] Madame, ich hatte seit einem Jahr keinerlei Nachrichten vom Marquis d’Adhémar, der so begierig darauf war, sich an Eure Königliche Hoheit zu binden, und den Sie, wie es schien, in Ihrem Haus zu haben wünschten. Er hat bis jetzt die Probleme nicht überwinden können, die ihm sein Vater machte, der, wie Eure Königliche Hoheit vielleicht weiß, Großmarschall des Königs Stanislaus in Lunéville ist.85 Endlich schreibt er mir, dass er die Hindernisse ausgeräumt hat, die man ihm in den Weg gelegt hat, und dass er 83  In dieser Schlacht des 2. Schlesischen Krieges am 30.9.1745 besiegte Friedrich II. die Österreicher. 84  Paul Tirconel, ein englischer Hauptmann, bei dessen Namen sich Voltaire an dem des französischen Botschafters in Berlin Richard Talbot, comte de Tyrconnell (?–1752) inspiriert hat: Voltaire nannte ihn in einem Brief an Richelieu vom 14.3.1752 „den zweitgrößten Vielfraß auf der Welt“ (nach La Mettrie). 85  D’Adhémar hatte Voltaire in seinem Brief vom 25.3.1752 aus Luné­ ville gebeten, für die Verzögerungen um Entschuldigung zu bitten, vgl. Mass (Hrsg.), Le Marquis d’Adhémar, S. 90 f.

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bereit ist zu kommen, um sich Eurer Königlichen Hoheit zu Füßen zu werfen. Ich weiß nicht, Madame, ob Sie immer noch derselben Ansicht sind. Da alle Posten Ihres Hauses besetzt sind, würde er den Titel eines Ehrenkavaliers beanspruchen. Das ist ein Amt, das meines Erachtens außerhalb Frankreichs kaum bekannt ist und das dem eines Ersten oder Oberstallmeisters entspricht; aber es ist nur einfach ein Titel, und es geht nur darum, nicht wie ein unnützer Mann dazustehen. Ich erinnere mich, dass Eure Königliche Hoheit damit gerechnet hatte, ihm 1.500  Taler Einkünfte zu geben. Das ist der Stand der Dinge in dieser kleinen Angelegenheit. Ich habe dem Marquis d’Adhémar geantwortet, dass ich auf Ihre Befehle warte, und ich habe Eure Königliche Hoheit zu nichts verpflichtet.86 Ich werde ihm, Madame, Ihre jüngsten Entschlüsse mitteilen und die Aufträge, mit denen Sie mich gnädigst beehren wollen. Alles, was ich weiß, ist, dass ich gern für einige Zeit mit ihm die Zahl Ihrer Höflinge vergrößern würde. Doch Bruder Voltaire weiß noch nicht, wann er die Nase aus seiner Zelle herausstecken wird. Er ist der beste Mönch auf der Welt und gewöhnt sich allzu sehr an das Leben in der Einsamkeit. Ich könnte mich wohl nach der Hochzeit Seiner Durchlaucht Prinz Heinrich aufraffen und Ihnen meine Aufwartung machen.87 Doch ich verbürge mich für nichts und verlasse mich vollkommen auf die Vorsehung. Ich hoffe, Madame, dass Ihre Gesundheit nicht mehr diese Gewitterstürme erleidet, die uns so sehr aufgeschreckt haben und dass sich damit keine Bitternis in die süße Sanftheit Ihres Lebens einmengt. Erlauben Sie mir, dass ich auf immer Eurer Königlichen Hoheit und Seiner Durchlaucht, dem Markgrafen, meine tiefste Ergebenheit und meine unverbrüchliche Verbundenheit versichere. Dürfte ich es wagen, hier etwas für M. de Montperny hineinzugeben? Doch wie sich diese Freiheit herausnehmen? V.

86  Dieser

Brief Voltaires ist nicht erhalten. Heinrich heiratet am 25.6.1752 Wilhelmine von HessenKassel (1726–1808). 87  Prinz

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18 Wilhelmine an Voltaire, den 20. April 1752 [D 4873] Die Buße, die Sie sich auferlegt haben, hat meinen Zorn schließlich besänftigt. Ich hatte Ihre Gleichgültigkeit nicht vergessen können. Es bräuchte zumindest eine Pilgerreise zu Unserer Lieben Frau von Bayreuth, um Sie von Ihrer Sünde reinzuwaschen. Bruder Voltaire wird nur um diesen Preis verziehen werden. Er wird hier willkommen sein und Freunde finden, die bemüht sind, ihm gefällig zu sein und ihm ihre Wertschätzung zu bezeigen. Ich zweifele noch immer an der Erfüllung Ihrer Versprechen. Hat das Klima in Deutschland in so kurzer Zeit die französische Leichtfertigkeit verändern können? Dass die Reisen nach Frankreich und Italien sich in Luft aufgelöst haben, lässt mich dasselbe für diese hier befürchten. Seien Sie also erzgermanisch in Ihren Entschlüssen und verschaffen mir das Vergnügen, Sie wiederzusehen. Obwohl Sie abwesend waren, hatten Sie es geschafft, mir Tränen zu entlocken: Ich habe gestern die Aufführung Ihres Faux Prophète gesehen.88 Die Schauspieler haben sich selbst übertroffen, und Sie hatten den Ruhm, unsere fränkischen Herzen zu rühren, die sonst eher den Felsen ziemlich ähneln, die sie bewohnen. Der Marquis d’Adhémar hat schon vor vier Wochen an Monsieur Folard schreiben lassen.89 Ich habe vergessen, Ihnen das in meinem letzten Brief mitzuteilen. Sie können sich wohl vorstellen, dass seine Angebote mit Freude aufgenommen worden sind. Montperny hat ihm entsprechend geschrieben. Ich hoffe, dass er mit den Bedingungen einverstanden ist; sie sind vorteilhafter als die von ihm gewünschten. Sie bestehen aus 4.000 Livres,90 Tafel 88  Das üblicherweise unter dem Titel Mahomet ou le fanatisme laufende Stück wurde erstmals 1742 in Paris aufgeführt. 89  Hubert de Folard (1709–1799) war französischer Gesandter beim Fränkischen Kreis. Ein solcher Brief von D’Adhémar an Folard ist nicht bekannt. 90  Die 4.000 Livres sind zwar etwas weniger als die zuvor angesprochenen 1.500 Taler, allerdings verspricht Wilhelmine nun erstmals auch Fourrage, also Pferdefutter.

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und Fourrage. Ich bitte Sie, Ihr Werk abzuschließen und dafür zu sorgen, dass es bald vollendet ist. Ich werde Ihnen unendlich dankbar dafür sein. Sie wissen, dass der Titel, den er beansprucht, in Deutschland überhaupt nicht gebräuchlich ist. Da er dem eines Oberkammerherrn entspricht, wird er diesen Titel bei mir führen. Zeitmangel hindert mich daran, Ihnen heute mehr dazu zu sagen. Seien Sie überzeugt, dass ich immer Ihre Freundin sein werde. Wilhelmine 19 Voltaire an Wilhelmine, [Mai 1752] [D 4891] Madame, Ich habe immer noch keine Antwort vom Marquis d’Adhémar. Ich schrieb ihm an demselben Tag, an dem ich die Befehle bekommen hatte, mit denen mich Eure Königliche Hoheit beehrte. Es kann sein, dass er sich an den Chevalier Folard gewandt oder die Ehre gehabt hat, Eurer Königlichen Hoheit zu schreiben. Vielleicht hat er schon das Glück, bei Ihnen zu sein, ohne dass ich in der tiefen, glücklichen Einsamkeit von Potsdam davon weiß. Vielleicht hat er noch gar keinen Entschluss fassen können. Nach dem, was ich sehe, ist es schwierig, Madame, D’Adhémars und Graffignys zu bekommen; es ist leichter, sich armer Voltaires zu bemächtigen, Leuten, die zu nichts taugen, die sich aber mit ganzem Herzen dem hingeben, was sie die Kühnheit haben zu lieben. Ich bin in Potsdam geblieben, als Ihr Bruder, der König, auf den Berliner Feldzügen Krieg gespielt hat. Sie wissen, dass er eine ziemlich lange und ziemlich heftige Gichtattacke gehabt hat. Wissen Sie, Madame, dass er während dieser Attacke seinen geschwollenen Fuß in einen Stiefel steckte und während des Re-

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gens Revuen abhalten ging.91 Ich bewundere ihn Tag für Tag, sowohl als König wie auch als Mensch. Seine Güte und seine Nachsicht in geselliger Runde machen den Reiz meines Lebens aus. Er hat ganz Recht, in einer seiner schönen Episteln zu sagen, er sei „ein strenger König und humaner Bürger“, aber er ist noch mehr humaner Bürger als strenger König.92 Seine Tugenden, seine Philosophie, seine Verachtung für den Aberglauben, seine Zurückgezogenheit, die Gleichförmigkeit seines Lebens, seine beständige Hingabe an Bildung wie an die Sorge für seinen Staat, durch all das fühle ich mich zu ihm ganz im Innern und auf immer hingezogen. Ich bin weit davon entfernt zu bereuen, alles für ihn aufgegeben zu haben. Eigentlich müssten Eure König­ liche Hoheit, Madame, ihn in einem Ihrer Briefe an ihn gehörig warnen, dass er mir den Kopf verdreht. Er erfüllt mich mit mehr Enthusiasmus als der Fanatismus die Frömmler. Doch ich sage nichts davon zu ihm, und er kennt nicht mein ganzes Geheimnis. Ich rede ein wenig freier mit Eurer Königlichen Hoheit über meine Verbundenheit mit Ihnen, über meine Lust, Ihnen meine Aufwartung in Bayreuth zu machen und so von einem Paradies in ein anderes zu gehen – doch wann? Ich habe überhaupt keine Ahnung. Mir geht es mit meinen Reisen wie Adhémar mit der Übersiedlung, ich kann mich nicht entscheiden. Alles, was ich weiß, ist, wenn man einmal in Bayreuth oder in Potsdam ist, dass man dann gar nicht mehr weg will. Sie werden, Madame, eine neue Schwägerin haben.93 Alles bereitet sich auf glänzende Feste vor, aber sie werden in meinen Augen nicht denen gleichkommen, die ich vor zwei Jahren gesehen habe;94 Sie verschönerten 91  Am 29.5.1752 schreibt Friedrich an Wilhelmine, dass sowohl die Gicht als auch die Revuen vorbei sind, vgl. Volz (Hrsg.), Friedrich der Große und Wilhelmine von Baireuth, Bd. II, S. 228. 92  Zitat aus Friedrichs Épître à mon esprit, vgl. auch Voltaires Brief an den König vom 8.10 1750 [D 4237 mit Anm. 2], wo er aus dieser Épître zitiert. 93  Wilhelmine von Hessen-Kassel, vgl. den Brief vom 10.4.1752 [D 4862]. 94  Anspielung auf die Festlichkeiten, die der König zu Ehren Wilhelmines im Sommer 1750 veranstaltet hatte.

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sie, und übrigens, sollte sich ein alter zurückgezogener Philosoph Neuverheirateten zeigen? Bin ich dafür gemacht, Brautjunge zu sein? Als guter Mönch verfasse ich Segenswünsche für die großen Erfolge Seiner Durchlaucht Prinz Heinrich.95 Der Freuden, Grazien und Amouren Leichtsinnstruppe Ums Bett des Prinzen tanzt vergnügt, Schon ewig lang seid ihr mir schnuppe – Und mehr als ihr bin ich betrübt. Ich übermittele meine tiefe Ehrerbietung und meine unverbrüchliche Ergebenheit Eurer Königlichen Hoheit und Seiner Durchlaucht dem Markgrafen. Hat Montperny Bruder Voltaire vergessen? 20 Voltaire an Wilhelmine, Potsdam, den 5. Juni [1752] [D 4903] Madame, Bruder Voltaire, der nicht mehr kann, Bruder Voltaire, der im Sterben liegt, unterbricht seinen Todeskampf, um Eurer König­ lichen Hoheit zu sagen, dass er annimmt, dass Monsieur d’Adhé­ mar jetzt in Ihren Diensten steht. Er wird wohl sein ganzes Glück empfinden. Was mich angeht, so tauge ich zu nichts mehr, und ich weiß nicht, wie Ihr Bruder, der König, die Güte haben kann, mich zu behalten. Man sagt, dass die Frau Markgräfin von Ansbach in Berlin ist.96 Es gibt eine Markgräfin, die ich gern hierhin zurückkommen sähe. Ich bilde mir ein, dass die Ehre, ihr meine Aufwartung 95  Wilhelmine war zur Hochzeit nicht eingeladen, wäre aber wohl gern dabei gewesen, wie einem undatierten Brief an ihre Schwester Amalie zu entnehmen ist, vgl. GStPK, BPH R 46, I W 20, f. 24r–v. 96  Ob dieser Besuch von Wilhelmines Schwester Friederike Louise von Ansbach (1714–1784) tatsächlich zu dieser Zeit stattfand, ist fraglich; jedenfalls wurde er in Ansbach für Mitte 1752 erwartet, vgl. Störkel, Friederike Louise, S. 244. Vgl. auch Voltaires Abrücken von dieser Nachricht am 17.6.1752 [D 4915].

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zu machen, mir meine Gesundheit wieder zurückbringen würde. Warum sollten Sie nicht hierherkommen, Madame? Man behauptet, dass in der Oberpfalz die Pest herrscht. Das stimmt vielleicht nicht. Gerüchte dringen nicht nach Potsdam, wenn der König nicht da ist. Man ist hier vom Menschengeschlecht abgesondert. In seiner Abwesenheit vergräbt sich alles. Wenn es wahr ist, dass die Pest in Ihren Gegenden herrscht, ist Potsdam eine wahre Insel der Rettung. Man wird gegen sie Abteilungen großer Grenadiere aussenden, und sie wird sich aus dem Staub machen wie die Österreicher. Der Marquis schreibt mir gerade, um mir zu sagen, dass er schon zu Füßen Eurer Königlichen Hoheit wäre ohne eine schlimme Krankheit, die er gehabt hat. Ich hoffe, es ist nicht die Pest. Bruder Voltaire wirft sich auf sein Krankenlager vor Eurer Königlichen Hoheit und vor Seiner Durchlaucht. 21 Wilhelmine an Voltaire, den 12. Juni [1752] [D 4910] Der Marquis d’Adhémar ist noch nicht hier eingetroffen, doch wir erwarten ihn jede Stunde. Er ist krank gewesen, was seine Abreise hinausgeschoben hat. Ich glaube, dass es viel leichter ist, einen Adhémar und eine Graffigny zu bekommen als einen Voltaire. Einzig der König hat das Recht, solche zu besitzen. Sie lassen mich das Los des Tantalus erdulden. Sie lassen mich immer hoffen, einen Abstecher hierher zu machen, und wenn ich dann erwarte, Sie zu sehen, entschwinden meine Hoffnungen. Wenn Sie tatsächlich große Lust darauf gehabt hätten, dann hätten sie die Abwesenheit des Königs nutzen können; doch Sie folgen der Maxime vieler großer Minister, die schönen Worten keine Taten folgen lassen.

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Ich habe dem König zu dem geschrieben, was Sie mir über ihn mitgeteilt haben.97 Es ist schwer, ihn zu kennen, ohne ihn zu lieben und ohne ihm verbunden zu sein. Er gehört zu jenen Phänomen, die höchstens einmal in einem Jahrhundert auftauchen. Sie kennen meine Empfindungen für diesen lieben Bruder, von daher kann ich mich kurz fassen. Wir führen derzeit ein ländliches Leben. Ich teile mein Leben in meinen Körper und meinen Geist auf: Es gilt schon, den einen zu stärken, um den anderen zu bewahren; denn ich merke mehr und mehr, dass wir nur je nach dem Zustand unserer Maschine denken und handeln.98 Sie scheinen mir ein richtiger Menschenfeind geworden zu sein: Sie bleiben in Potsdam, während der König in Berlin ist, und Sie bilden sich ein, dass ein Philosoph nicht auf eine Hochzeit gehört. Man erkennt gut, dass Sie es niemals mit einer Ehe versucht haben und nicht wissen, dass es einer der wichtigsten Punkte in diesem Stand ist, ein guter Philosoph zu sein, besonders in Deutschland. Die vier Verse, die Sie darüber gemacht haben, scheinen mir ein wenig epikureisch zu sein, und dieser Epikureismus ist mit Menschenfeindlichkeit unvereinbar. Sie brauchen bloß eine neue Urania, um sich von Ihren düsteren Gedanken zu befreien und wieder auf den Geschmack nach Vergnügungen zu kommen.99 Der Markgraf grüßt Sie sehr freundlich. Montperny zählt immer noch zu Ihren Freunden. Wir sprechen oft von Ihnen; aber er hat Verdauungsbeschwerden und ist im Übrigen mit Arbeit überlastet, er kann Ihnen nicht schreiben. Seine Schmerzen lassen nach, aber er hat sie noch jeden Tag für einige Stunden und 97  Am 2.6.1752, vgl. Volz (Hrsg.), Friedrich der Große und Wilhelmine von Baireuth, Bd. II, S. 228. 98  Zu dieser Überwindung der „Trennung zwischen Geist und Materie“ in Wilhelmines Denken vgl. Gipper, „Je ne me suis jamais piquée d’être philosophe“, S. 77. 99  In der griechischen Mythologie ist Urania nicht nur die Muse der Astronomie, sondern über ihren Sohn Hymenäos auch für Hochzeiten zuständig.

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lebt wie ein Mönch, um wieder auf die Beine zu kommen. Ich sehe ihn nur für einen Augenblick am Tag. Er war das beste Stück unserer kleinen Gesellschaft. Ich hoffe, dass Adhémar ihn ersetzen kann. Seien Sie überzeugt, dass ich nur nach Gelegenheiten suche, Sie von meiner vollkommenen Wertschätzung zu überzeugen. Wilhelmine Der König hat mir gesagt, als ich in Berlin war, dass er den Geist Bayles verfassen wolle. Wenn das Werk fertig ist und man es bekommen kann, bitte ich Sie, es mir zu beschaffen.100 Ich habe ein in England verfertigtes Supplement zu dem Wörterbuch bekommen. Meines Erachtens entspricht es seinem Original ganz schlecht.101 22 Voltaire an Wilhelmine, Potsdam, den 17. Juni 1752 [D 4915] Madame, Bruder Voltaire weiß nicht, was er sagen soll; er wird niemals das glauben, was er in seiner Zelle daherreden hört, wenn der Held des Ruhms nicht in Potsdam ist. Der arme Kerl mit seiner Nachricht von der Ankunft einer Markgräfin in Berlin und der Pest in Augsburg!102 Er bittet Eure Königliche Hoheit vielmals um Verzeihung. Alles, was er weiß, ist, dass der Marquis d’Adhémar schwört, sich Ihnen zu Füßen zu werfen, wenn er nicht schon da ist. Bruder Voltaire täte gut daran, niemals seine Zelle zu verlassen, außer um in Ihre Abtei zu kommen. Er setzt seine Wünsche und inständigen Bitten fort für die Gesundheit, das Wohlergehen 100  Der Extrait du dictionnaire historique et critique de Bayle erschien erst 1765 in Berlin. 101  Wilhelmine meint wohl The dictionary historical and critical of Mr. Peter Bayle, London 1734–1738. 102  Hiermit nimmt er seine entsprechende Nachricht vom 5.6.1752 [D 4903] zurück.

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und ein langes Leben Eurer Königlichen Hoheit und Seiner Durchlaucht – und auf keinen Fall für ein ewiges Leben. V. 23 Voltaire an Wilhelmine, [ca. 5. August 1752] [D 4972] Madame, Bruder Voltaire schreibt, wie Eure Königliche Hoheit sieht, nur von Gott: Schließlich lebt er in einem Kloster, wo man sein Heil erlangt. Es gäbe einen dickeren Band als die Summa des Heiligen Thomas über die Theologie zu schreiben, um die es geht. Er legt Ihnen die hier beigefügte These zu Füßen.103 Es ist an Euer Ehrwürden, darüber das Urteil zu sprechen. Es gibt in Frankreich Mönche aus Fontevrault, die blind einer Äbtissin gehorchen.104 Könnten Sie einen Vorleser mit unermüdlicher Lunge und unermüdlichem Esprit gebrauchen, einen Theologen, der nicht an Gott glaubt, gelehrt wie La Croze,105 genauso dick wie er, genauso ein Vielesser, sehr dienstfertig und gar nicht teuer?106 Ich könnte ihn Eurer Königlichen Hoheit verschaffen. Sie wissen, dass ich Ihnen keine schlechten Geschenke mache, und Sie können auf den Eifer zählen, den ich mein ganzes Leben lang zu Ihren Diensten haben werde.

103  Voltaire schickt also mit diesem Brief sein Poème de la religion naturelle an die Markgräfin. 104  Um 1100 von Robert d’Abrissel (1045–1117) gegründet, wurde das Kloster bis zur Revolution von Äbtissinnen geleitet. 105  Wilhelmines Geschichtslehrer Mathurin Veyssière de La Croze (1661–1739). 106  Laut Besterman, Anm. 3 zu D 4972 könnte es sich um Charles de Fieux, chevalier de Mouhy (1701–1784) handeln, der zeitweilig in Voltaires Diensten stand.

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Ich habe Ihre Befehle beim Baron von Pöllnitz ausgeführt. Das hilft ihm, wieder gesund zu werden. Es geht ihm schon wieder besser.107 Wenn ich sie habe, diese Gesundheit, die mir [Gott als] der Schöpfer der Naturreligion glatt verweigert,108 würde ich bestimmt nach Bayreuth kommen, um mich nach Ihnen zu erkundigen. Bayreuth ist die Kirche, zu der ich pilgern will, um dem Kult der Gottesverehrung zu opfern und mich der erhabenen Heiligen zu Füßen zu werfen, die ich mit der tiefsten Ehrerbietung anbete. Nimmt Seine Durchlaucht gnädigst meine Ehrerbietung entgegen und erlaubt Eure Königliche Hoheit gnädigst, dass ich in dieses Paket einen Brief an Monsieur d’Adhémar lege?109 V. Ich bin sehr betroffen von dem Gesundheitszustand von Monsieur de Montperny: Eure Königliche Hoheit würde mit ihm einen Diener verlieren, wie ihn Fürsten nur selten finden. 24 Voltaire an Wilhelmine, Potsdam, den 24. Oktober [1752] [D 5045] Madame, Bruder Voltaire, tot für die Gesellschaft, verliebt in seine Zelle und sein Kloster, das er seit acht Monaten nicht verlassen hat, bricht endlich sein Schweigen für Eure Königliche Hoheit. Seine Lossagung von den Belangen der Menschen lässt ihm noch eine Schwäche, und diese Schwäche, Madame, gilt ganz Ihnen. Er glaubt sogar, dass es gar keine ist und dass Gott ihm verzeihen wird, wenn er eine so vernünftige Verbundenheit mit einem seiner vollkommensten Geschöpfe bewahrt. 107  Der Brief Wilhelmines mit dem entsprechenden Auftrag ist nicht erhalten. 108  Laut Besterman, Anm. 4 zu D 4972 ist hier Gott gemeint, nicht Voltaire selbst als Autor seines Werks über die Religion naturelle. 109  Ein solcher Brief ist nicht erhalten.

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Ich nehme mir die Freiheit heraus, Ihnen ein kleines Werk der Andacht zu schicken, das ich für meinen Ehrwürdigsten Vater in Gott, den Philosophen von Sanssouci, gemacht habe.110 Ich bitte Eure Königliche Hochwürden dringend, nicht zu gestatten, dass man eine Kopie davon macht: Die Mysterien der Heiligen dürfen profanen Blicken nicht ausgesetzt sein. Dieses fromme Manuskript ist in ziemlich kleinen Buchstaben geschrieben, aber Sie können es sich von Monsieur Marquis d’Adhémar oder Monsieur Marquis Montperny, den Diakonen Ihrer Kirche, vorlesen lassen. Ich bin ziemlich bekümmert, dazu verurteilt zu sein, nur zu vermuten, dass Monsieur d’Adhémar sich bei Eurer Königlichen Hoheit befindet. Ich habe seit sechs Monaten keine Nachricht von ihm gehabt. Wenn er bei Ihnen ist, Madame, wundere ich mich nicht, dass er die übrige Menschheit vergisst. Ich hoffe immer noch, eine kleine Reise nach Italien zu unternehmen und die Katakomben zu sehen, bevor ich sterbe. Bevor ich jedoch das besichtigen gehe, was unter der Erde ist, zähle ich ganz darauf, dem meine Aufwartung zu machen, was auf der Erde das Anbetungswürdigste ist, und erneut Eurer Königlichen Hoheit und Seiner Durchlaucht die tiefste Ehrerbietung und glühende Verehrung von Bruder Voltaire auszusprechen. 25 Wilhelmine an Voltaire, Erlangen, den 1. November [1752] [D 5059] Es bräuchte mehr Esprit und Geschmack, als ich sie habe, um das Werk, das ich von Ihnen erhalten habe, gebührend zu loben. Bei Bruder Voltaire muss man auf alles gefasst sein. Was er an Schönem schafft, überrascht nicht mehr: Bewunderung hat schon seit langem die Überraschung abgelöst. Ihr Gedicht über das 110  Laut Besterman, Anm. 1 zu D 5045 handelt es sich vielleicht um einen Artikel seines Dictionnaire philosophique. Mervaud, Voltaire et Frédéric II, S. 551 verweist auf einen Brief Friedrichs an Voltaire vom September 1752 [D 5052], in dem er den Empfang des ersten Artikels des Dictionnaire philosophique bestätigt.

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Naturgesetz hat mich begeistert.111 Man findet alles darin: Neuheit des Themas, Erhabenheit der Gedanken und Schönheit in der Versbildung. Darf ich es auszusprechen wagen? Es fehlt da­ rin nur eine Sache, um es vollkommen zu machen: Das Thema verlangt mehr Ausführlichkeit, als Sie ihm zugestanden haben. Vor allem die erste Behauptung verlangt eine detaillierte Beweisführung. Erlauben Sie mir, dass ich mich erkläre und Ihnen meine Zweifel mitteile. Gott, sagen Sie, hat allen Menschen Gerechtigkeitsgefühl und Gewissen geschenkt, um sie zu warnen, genauso, wie er ihnen das für ihr Leben Notwendige geschenkt hat. Wenn Gott dem Menschen Gerechtigkeitsgefühl und Gewissen geschenkt hat, sind diese Tugenden dem Menschen eingeboren und werden zum Bestandteil seines Wesens. Daraus folgt mit aller Notwendigkeit, dass der Mensch dementsprechend handeln muss und dass er weder ungerecht noch gewissenlos sein kann, da er einen seinem Wesen anhaftenden Instinkt nicht zu unterdrücken vermag. Die Erfahrung beweist das Gegenteil: Wenn Gerechtigkeit ein Bestandteil unseres Wesens wäre, dann wäre Rechtsverdrehung ausgeschlossen; die Advokaten würden verhungern. Eure Parlamentsräte würden sich nicht damit befassen, wie sie es [jetzt] tun, Frankreich wegen eines gegebenen oder verweigerten Brotstücks in Aufruhr zu versetzen; Jesuiten und Jansenisten würden ihre Unwissenheit in christlicher Lehre bekennen.112

111  Hierzu und zu diesem Brief Wilhelmines vgl. Kulenkampff, P ­ oëme sur la Religion Naturelle, S. 63–71, hier besonders S. 66 f.; Gipper, „Je ne me suis jamais piquée d’être philosophe“, S. 85 sieht Wilhelmines Position hier den Moraltheorien der Enzyklopädisten und insbesondere derjenigen von Helvétius nahe. 112  Wilhelmine spielt hier auf die Auseinandersetzungen zwischen (jesuitischem) Klerus und dem jansenistisch geprägten Pariser obersten Gerichtshof während der 1750er Jahre an, die sich insbesondere daran entzündeten, dass die Kirche mit dem Erzbischof von Paris Christophe de Beaumont (1703–1781) an der Spitze Jansenisten die Sakramente, also auch die Kommunion, verweigerte.

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Die Tugenden sind nur Akzidenzien und hängen von der Gesellschaft ab. Eigenliebe hat die Justiz hervorgebracht. In der Frühzeit haben sich die Menschen wegen Nichtigkeiten zerfleischt – wie sie es noch heutzutage tun. Es gab weder Sicherheit der Wohnung noch Sicherheit des Lebens. Dein und mein, Unglück bringende Unterscheidungen  – die man heutzutage nur allzu oft macht  – schlossen jede Einigkeit aus. Der Mensch erkannte endlich, von Vernunft aufgeklärt und von Eigenliebe getrieben, dass die Gesellschaft ohne Ordnung nicht existieren konnte. Zwei Gefühle, die seinem Wesen anhaften und ihm eingeboren sind, brachten ihn dazu, gerecht zu werden. Das Ge­ wissen war lediglich eine Folge des Gerechtigkeitsgefühls. Die ­beiden Gefühle, die ich meine, sind die Abneigung gegenüber Leiden und die Zuneigung zum Vergnügen. Aufruhr kann nur Leiden zeugen, Ruhe ist die Mutter des Vergnügens. Ich habe mich besonders damit befasst, das Herz des Menschen zu ergründen. Ich schließe von dem, was ich sehe, auf das, was war. Doch ich versenke mich allzu sehr in diesen Gegenstand und könnte gut, wie Ikarus, aus den Höhen des Himmels abstürzen. Ich warte ungeduldig auf Ihre Entscheidungen; ich werde sie als Orakel betrachten. Führen sie mich auf den Pfad der Wahrheit und seien Sie überzeugt, dass es keine offensichtlichere gibt als meinen Wunsch, Ihnen zu beweisen, dass ich Ihre aufrichtige Freundin bin. Wilhelmine 26 Voltaire an Wilhelmine, Frankfurt, den 20. Juni [1753], 10 Uhr abends [D 5331] Madame, möge das Mitleid Eurer Königlichen Hoheit sich rühren lassen und Eure Güte uns beschützen! Madame Denis, meine Nichte, die nach Frankfurt gereist war, um mich trösten zu kommen, die darauf zählte, sich mit mir zu Ihren Füßen zu werfen, um Sie um Vermittlung anzuflehen, eine in Paris angesehene und

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geehrte Frau, ist soeben durch den Beamten von Herrn Freytag, dem Residenten Seiner Majestät des Königs, Ihres Bruders ins Gefängnis gebracht worden. Dieser Mensch hat sie im Namen des Königs mitten durch den Pöbel in dasselbe Gefängnis geschleppt, wohin man mich hat überführen lassen; man hat ihr ihre Kammerfrau und ihre Lakaien weggenommen; vier Soldaten stehen an ihrer Tür; der Beamte verbringt die Nacht in ihrem Zimmer.113 Das hier ist der Grund dafür: Als der Herr Freytag mich im Namen des Königs am 1. Juni verhaftete, händigte ich ihm sämtliche Briefe Seiner Majestät aus, die ich hatte aufbewahren können. Er verlangte von mir den Band mit Dichtungen des Königs. Er war in einer Kiste, die von Leipzig nach Hamburg abgehen sollte. Herr Freytag unterschrieb mir ein in folgenden Worten abgefasstes Schreiben: „Sobald der große Warenballen zurückgekommen und das poetische Werk, das der König zurückverlangt, mir ausgehändigt ist, können Sie reisen, wohin Sie wollen.“114 Das betreffende Buch kam am 17. abends an; ich wollte heute, am 20., abreisen, da ich meine Verpflichtungen erfüllt hatte. Man hat meinen Sekretär,115 meine Nichte und mich verhaftet. Wir haben zwölf Soldaten an den Türen unserer Zimmer. Meine Nichte hat zu der Stunde, da ich schreibe, Krämpfe. Wir sind überzeugt, dass der König diese grässliche Gewalt nicht gutheißt.

113  Franz Baron von Freytag (?–1759) war preußischer Resident in Frankfurt. Detailliert schildert Haupt, Voltaire in Frankfurt 1753 diese Affäre. 114  Es handelte sich um die Œuvres poétiques du Philosophe de Sanssouci, die Voltaire trotz des ausdrücklichen Verbots des Königs mitgenommen hatte. Angesichts der in diesem privat gedruckten Band enthaltenen satirischen Spitzen gegen zahlreiche gekrönte Häupter waren die ganz wenigen Besitzer des Buches vom Autor auf absolute Vertraulichkeit verpflichtet worden. 115  Cosimo Alessandro Collini (1727–1805) war von 1752–1756 Voltaires Sekretär.

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Seien Sie so gnädig, Madame, ihm diesen Brief zu schicken.116 Seien Sie so gnädig, ihm zu versichern, dass ich inmitten eines so unerhörten Unglücks von derselben Verehrung und derselben Verbundenheit mit ihm erfüllt sterben werde! Ich bitte ihn nochmals untertänigst um Verzeihung für meine Fehler. Ich hatte immer gedacht, er erweise mir die Gnade zu versuchen, mich gegen Maupertuis zu verteidigen;117 doch wenn ihm das missfällt, wird davon niemals mehr die Rede sein. Noch einmal, Madame, mein Herz hat niemals gegenüber dem König einen Fehler begangen, noch wird es einen begehen, und es wird immer für Eure Königliche Hoheit mit der tiefsten und liebevollsten Ehrerbietung erfüllt sein.

Ach, das war einstmals Bruder Voltaire 27 Voltaire an Wilhelmine, Frankfurt, den 29. Juni [1753] [D 5373]

Ich nehme mir die Freiheit heraus, Eure Königliche Hoheit inständig anzuflehen, Seiner Majestät wenigstens diese Bittschrift gnädigst zukommen zu lassen.118 Wir setzen unsere Hoffnung einzig auf seinen Schutz. Der grausame Zustand, in dem ich mich befinde, ist meine Entschuldigung dafür, dass ich nur diese wenigen mit meinen Tränen benetzten Zeilen schreiben kann. Ich werfe mich Ihnen zu Füßen. Voltaire

116  Wilhelmine erfüllt diese Bitte mit ihrem Brief an den Bruder vom 29.6.1753 [D 5377]. 117  Dass Friedrich  II. der totalen Demontage seines Akademiepräsidenten, die Voltaire mit seiner Diatribe du docteur Akakia betrieben hatte, nicht tatenlos zusehen konnte, war natürlich auch ihrem Verfasser klar. Insofern sind Voltaires Worte hier reine Heuchelei. 118  Dieser Bitte ist Wilhelmine wohl nicht nachgekommen.

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28 Voltaire an Wilhelmine, Straßburg, den 22. September [1753]119 [D 5523] Madame, ich würde mich Eurer Königlichen Hoheit gegenüber als schuldig erachten und meine kostbarsten Gefühle verraten, wenn ich Ihnen unter diesen Umständen nicht schriebe. Die Frau Herzogin von Gotha120 hat mich mit Erstaunen und Dankbarkeit erfüllt mit ihrer Mitteilung, dass sie Herrn von Gotter121 damit beauftragt hat, mit dem König, Ihrem Bruder, zu sprechen und bei Seiner Majestät inständig um Ihre Protektion zu meinen Gunsten nachzusuchen. Eure Königliche Hoheit weiß, dass ich niemals eine andere Protektion als die Ihre wollte. Ohne den fatalen Umstand und die unglückliche Reise meiner Nichte wäre ich von Leipzig nach Bayreuth gereist, um mich Ihnen zu Füßen zu werfen. Das Übel ist geschehen; doch gibt es keine Abhilfe? Die Philosophie des Königs, Ihre Menschlichkeit, 119  Voltaire war am 15. August in der Stadt eingetroffen, vgl. Pomeau/ Mervaud, Voltaire en son temps, Bd. 3, De la Cour au jardin, S. 185. 120  Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen-Gotha-Altenburg hatte dem vor dem König geflohenen Voltaire im Frühjahr 1753 sechs Wochen lang Asyl gewährt. 121  Gustav Adolf von Gotter (1692–1762) war als Diplomat in preußischen Diensten und Vertrauter der Herzogin in der Tat der ideale Vermittler, wenngleich Voltaire gegenüber Luise Dorothea am 22.9.[1753] bekannte, dass er ohne Mithilfe Wilhelmines wohl nicht viel ausrichten würde; vgl. hierzu auch Mervaud, Voltaire et Frédéric II, S. 255 f. Derselben Ansicht ist auch Jean-Baptiste de Boyer, marquis d’Argens (1704–1771), der am 18.1.1753 an D’Adhémar schreibt, dass „allein die Frau Markgräfin die Begnadigung von Herrn von Voltaire“ erreichen kann, vgl. Mass (Hrsg.), Le Marquis d’Adhémar, S. 123. Die beste Gelegenheit dazu bot ihr ein Aufenthalt beim Bruder, den sie ihm für den 4.10.1753 ankündigte; sie blieb dort bis zum 15.11., vgl. Volz (Hrsg.), Friedrich der Große und Wilhelmine von Baireuth, Bd. II, S. 260 mit Anm. 1. Zu derselben Zeit wie die Markgräfin war auch Gotter beim König in Potsdam, vgl. Droysen (Hrsg.), Tageskalender Friedrichs des Großen, S. 134.

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Ihre Ratschläge, Ihre Bitten, kann all das nichts ausrichten? Wer kann einem großen Mann die Wahrheit sagen, wenn nicht Sie, Madame? Ich gestehe, ich habe gesprochen, ich habe dem König geschrieben, und ich werde mein ganzes Leben lang eingestehen, dass ich Unrecht damit hatte, stur zu bleiben. Doch, Madame, ist das eine Staatsaffäre? Es handelt sich um ein kindisches Stück Literatur, es handelt sich um einen Streit in Algebra.122 Es handelt sich um eine Klitzekleinigkeit, und dafür war ich sechs Wochen lang in Frankfurt im Gefängnis, dafür habe ich während einer schlimmen Krankheit die Kursaison verpasst, dafür ist meine Nichte von Soldaten durch die Straßen von Frankfurt geschleppt worden, dafür hat ein Unseliger, der des Nachts mit ihr allein war und ihr die Diener weggenommen hat, ihr Gewalt antun wollen. Diese Gewalttaten sind von einem gewissen Freytag ausgeführt worden, der sich Botschafter des Königs nennt. Der König weiß überhaupt nicht, dass das ein Mann ist, der in Dresden dazu verurteilt worden ist, unter dem Galgen zu stehen und Schubkarren zu ziehen. All diese grässlichen Details sind an allen Höfen bekannt, und Seine Majestät kennt sie vielleicht nicht. Was mich angeht, Madame, wie ist mein Zustand? Ich bin alt und schwach; ich hatte dem König die letzten Jahre meines Lebens geopfert, nur für ihn allein habe ich drei Jahre lang gelebt. Meine gesamte Zeit war zwischen ihm und Arbeit aufgeteilt. Ich habe alles für ihn aufgegeben. Er weiß es. Wird er sich einzig an eine unglückliche Auseinandersetzung unter Literaten erinnern? Es gilt, Madame, Ihnen die Wahrheit zu sagen. Eure Königliche Hoheit verdient es, sie zu hören. Das ganze Übel rührt von dem Brief her, den der König gegen König und mich drucken ließ zu einer Zeit, als er über die Auseinandersetzungen nicht informiert war.123 Ich sage das nicht, um mein Unrecht kleiner zu machen. Ich werde immer zugeben, ein ganz großes Unrecht damit zu 122  Anspielung

auf seine Diatribe du Docteur Akakia. im November 1752 publizierte Lettre d’un Académicien de Berlin à un Académicien de Paris, vgl. Mervaud, Voltaire et Frédéric II, S. 222. Samuel König (1712–1757) war Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften. 123  Die

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haben, nicht geschwiegen zu haben und stur geblieben zu sein. Aber fünfzehn Jahre liebevollster Verbundenheit müssen doch bestimmt Gnade für einen Augenblick übler Laune erwirken. Ich wage es, Eure Königliche Hoheit zum Richter darüber zu machen. Ich frage Sie, ob es einem so großen Mann nicht zum Ruhm gereicht, einen Fehler zu vergessen und sich der erwiesenen Dienste zu erinnern. Muss es sein, dass der Nachwelt so viele denkwürdige Briefe, mit denen mich der König beehrt hat, und der Verehrung, die ich für ihn empfand, erhalten bleiben und dass die Nachwelt sagt, alles hat im Gefängnis geendet und mit der üblen Behandlung einer unschuldigen Frau? Ach, Madame, gibt es allein den Ruhm, eine gute Armee zu haben? Der König, Ihr Bruder, liebte den wahren Ruhm, und er verdient ihn. Er liebt Sie, er muss Ihnen glauben. Madame, es geht darum, die Größe Ihrer Seele zu zeigen und die seine zu rühren. Tun Sie alles, was Ihnen beliebt. Ich begebe mich völlig in Ihre verehrungswürdigen Hände. Ich erzähle Eurer Königlichen Hoheit gar nichts von alldem, was man in Versailles, in Wien, in Paris, in London sagt. Es ist allein Ihr Herz, auf das es zu hören gilt. Sprechen Sie einzig das Herz des Königs an. Sie werden es rühren, weil Sie es sind, die das unternommen hat. Das meine wird auf immer von der tiefsten und liebevollsten Ehrerbietung für Eure Königliche Hoheit durchdrungen sein. Erlauben Sie mir, dass ich mich Seiner Durchlaucht zu Füßen werfe? Einstmals Bruder Voltaire 29 Voltaire an Wilhelmine, Colmar, den 25. Januar 1754 [D 5635] Madame, Ich lege Eurer Königlichen Hoheit diese neue Huldigung, die ich Sie anzunehmen flehe, zu Füßen. Bruder Voltaire ist immer noch derselbe; er hat nur die Zelle gewechselt, er hat mitnichten das Gefühl gewechselt, und vielleicht wird eines Tages der höchst angesehene und höchst ehrwürdige Pater Prior erfahren, dass

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sein Mönch ihn niemals im Stich gelassen hat und seine Verbundenheit bis ins Grab hinein bewahren wird. Ich flehe Eure Königliche Hoheit an, gestatten zu wollen, dass ich über Ihre Hände, die alles verschönern, was sie berühren, dieses schwache Werk demjenigen reiche, der immer Gegenstand meines Denkens und meines Schreibens war und der wie Sie dessen bester Richter ist.124 Ich werde mein ganzes Leben lang mit der tiefsten Ehrerbietung und unverbrüchlichsten Verbundenheit, Madame, Eurer Königlichen Hoheit untertänigster und gehorsamster Diener sein. Voltaire Gestatten Sie, dass ich zwei Exemplare für Monsieur d’Adhémar und für Monsieur de Montperny in dieses Paket lege?125 30 Voltaire an Wilhelmine, Monrion bei Lausanne, den 17. Februar 1756 [D 6737] Madame, Sie gehören zu den Gottheiten, die nur dazu gemacht sind, Wohltaten zu verbreiten. Von Gott sagt man, dass er das Böse nicht schafft, dass er es aber zulässt. Die Frau Fürstin von Nassau-Saarbrücken hat ein gewisses Werk Über die natürliche Religion nach Paris geschickt, und ich kann Eurer Königlichen Hoheit schwören, dass ich allein Ihnen 124  Es handelt sich um die Annales de l’Empire, mit denen ihn die Herzogin Luise Dorothea von Gotha während seines dortigen Asyls im April/Mai 1753 beauftragt hatte, vgl. Berger/Raschke, Luise Dorothea, S. 147–149. 125  D’Adhémar bestätigt den Erhalt des Exemplars für den König, das die Markgräfin an diesen weitergeleitet habe, vgl. seinen Brief an Voltaire vom 6.3.1754 bei Mass (Hrsg.), Le Marquis d’Adhémar, S. 127 f.

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jemals eine Kopie davon gegeben hatte.126 Der König, Ihr Bruder, hat das Original nie aus der Hand gegeben. Es war ein sehr unfertiges Gedicht; ich habe es seither stark korrigiert, und es fängt wie folgt an: Fürstin, fern allen Prunks, Frau ohne Tadel, Die des Mannes Vernunft mit der Weisheit Adel Paart, die mir die liebsten sind, die mich verführt, Möge das Feuer, das den Reiz Ihrer Augen ziert, Würdig göttlichen Wirkens, Zeichen des Herrn, usw. Nach diesem kleinen Auftakt kann Eure Königliche Hoheit es nicht daran fehlen lassen, die Predigt und den Prediger unter Ihre Fittiche zu nehmen. Der König, Ihr Bruder, mehrt seinen Ruhm, der nicht mehr wachsen zu können schien: Er macht Verträge, die mehr sind als Siege,127 er entfernt Fremde aus seinem Vaterland, er stärkt den Thron der anderen und sichert den seinen. Das ist nicht alles: Er schickt mir meine Mérope, die er zur Oper gemacht hat.128 Das alles ist schön, doch er lässt es daran fehlen, mich zu lieben. Eure Königliche Hoheit möge sich gnädigst mit einer weiteren Predigt vergnügen, die ich die Ehre habe, Ihnen zu schicken: Sie mögen zwischen Pope und mir entscheiden.129 Ich wünsche, dass für Sie auf immer alles gut läuft. Ich werfe mich Seiner Durch126  Sophie Christiane von Erbach-Erbach, Fürstin von Nassau-Saarbrücken (1725–1797), war seit 1742 Gattin des Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken (1718–1768). Voltaire hatte Wilhelmine im August 1752 eine Kopie der ersten Fassung des Gedichts geschickt, vgl. D 4972. Aus einem Brief des Marquis d’Adhémar an Voltaire vom 17.3.1757 geht hervor, dass möglicherweise er unabsichtlich für die Verbreitung des ­Gedichts verantwortlich war, vgl. Mass (Hrsg.), Le Marquis d’Adhémar, S. 151–154. 127  Gemeint ist die am 16.1.1756 geschlossene Westminster-Konvention zwischen Großbritannien und Preußen. 128  Der König arbeitete daran von Ende 1755 bis Anfang 1756. Die Uraufführung fand anlässlich des Geburtstags der Königinmutter am 27.3.1756 statt, vgl. Henze-Döhring, Friedrich der Große, S. 93. 129  Anspielung auf sein Poème sur le désastre de Lisbonne, das erst im März 1756 erscheint, das er aber schon im Dezember 1756 an Vertraute

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laucht und Ihnen mit der tiefsten Ehrerbietung und ewigem Glaubenseifer zu Füßen. Bruder Voltaire 31 Voltaire an Wilhelmine, [ca. 13. Januar 1757] [D 7120] Madame, gestatten Sie, dass ich Ihnen meine guten Wünsche für die Gesundheit Eurer Königlichen Hoheit erneuere und Ihnen dafür danke, dass Sie die Güte hatten, mir über den Marquis d’Adhémar zu versichern, dass Sie mir weiterhin gewogen sind.130 Ich nehme mir die Freiheit heraus, Ihnen Nachrichten aus Paris zu schicken, die Ihnen außergewöhnlich vorkommen und Ihre Philosophie auf die Probe stellen werden.131 Ich weiß nicht, ob Eure Königliche Hoheit die Exemplare des Geschichtswerks erhalten hat, das ich Ihnen zu Füßen lege.132 Ich nehme an, dass der König, Ihr Bruder, weiterhin die schönsten Monumente der Zeitgeschichte liefern wird, aber es ist an Caesar, seine Kommentare dazu zu schreiben.133 schickt. Er wendet sich darin vehement gegen einen Optimismus, wie ihn Alexander Pope (1688–1744) in seinem Essay on man (1733) vertritt. 130  Ein solcher Brief ist nicht erhalten. 131  Voltaire meint das  – fehlgeschlagene – Attentat des Robert-François Damiens (1715–1757) auf Ludwig  XV. am 5.1.1757, wofür er am 28.3.1757 gevierteilt wurde. 132  Anspielung auf den Essai sur l’histoire générale depuis Charlemagne jusqu’à nos jours, den er etwa zu derselben Zeit auch an Luise ­Dorothea geschickt hat, wie sein Brief an die Herzogin vom 4.1.1757 zeigt. Dass Voltaire auch dem Preußenkönig ein Exemplar dieses Werkes geschickt hatte, geht aus einem Brief der Schwester an diesen vom 14.1.1757 hervor, vgl. Koser/Droysen (Hrsg.), Briefwechsel Friedrichs des Großen mit Voltaire, Bd. III, S. 23. 133  Anspielung auf die Commentarii de bello Gallico des C. Iulius Caesar (100–44 v. Chr.).

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Ich bin immer noch davon überzeugt, dass er sich daran erinnern wird, dass er mich aus meiner Heimat geholt hat, dass ich seinetwegen meinen König, mein Land, meine Ämter, meine Einkünfte,134 meine Familie verlassen habe. Ich würde mir die Freiheit herausnehmen, ihn zu bitten, mir Samen seiner Melonen zu schicken, und ich würde Eure Königliche Hoheit um Protektion bitten, wenn er in Berlin wäre. Aber er hat anderes zu tun, als meine Gemüsegärten mit Melonen zu beehren.135 Eure Königliche Hoheit und Seine Durchlaucht mögen immer geruhen, die tiefe Ehrerbietung und die Bitten von Bruder Voltaire entgegenzunehmen. 32 Voltaire an Wilhelmine, Monrion bei Lausanne, im Waadtland, 8. Februar [1757] [D 7151] Madame, ich glaube, dass die Fortsetzung der Nachrichten, die ich die Ehre hatte, Eurer Königlichen Hoheit zu schicken, Ihnen ebenso denkwürdig wie grässlich erscheinen und dass der König, Ihr Bruder, darüber erstaunt sein wird. Er hatte die Güte, mir einen Brief zu schreiben, in dem er mich seiner Gewogenheit zu versichern geruhte.136 Mein Herz hat ihn immer geliebt, mein Geist hat ihn immer bewundert, und ich glaube, dass ich ihn noch mehr bewundern werde.

134  Das waren insbesondere seine Einkünfte als Geschichtsschreiber des französischen Königs. 135  Zu Friedrichs Passion für Melonen vgl. Heilmeyer, Die Melonen der Monarchen, S. 71–78. 136  In seinem Brief an Luise Dorothea vom gleichen Tag [D 7150] präzisiert er, dass Friedrich II. ihm aus Dresden am 19. Januar geschrieben habe; vgl. hierzu Mervaud, Voltaire et Frédéric II, S. 269.

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Die Zarin von Russland bittet mich nach Petersburg, um die Geschichte Peter I. zu schreiben. Aber Peter I. ist nicht der größte Mann dieses Jahrhunderts, und ich werde auf keinen Fall in ein Land gehen, dessen Armee der König, Ihr Bruder, schlagen wird.137 Ich weiß nicht, ob die Nachricht vom Wechsel im Ministerium in Frankreich schon zu Eurer Königlichen Hoheit gelangt ist. Man glaubt, dass der Abbé de Bernis den größten Einfluss haben wird: Da sieht man, was es heißt, nette Verse gemacht zu haben.138 Madame, Madame, der König von Preußen ist ein großer Mann. Eure Königliche Hoheit möge gesund bleiben; Sie wie auch Seine Durchlaucht mögen so gnädig sein, mit Ihrer Protektion und mit Ihrer Güte diesen alten Schweizer zu beehren, der Ihnen liebevoll mit der tiefsten Ehrerbietung verbunden war, seit er die Ehre hatte, an Ihrem Hof zugelassen zu werden. Mögen Sie Bruder V. nicht vergessen … 33 Voltaire an Wilhelmine, Monrion, den 5. März 1757 [D 7184] Madame, möge Eure Königliche Hoheit mir Ihre Güte bewahren, möge Gott Sie von den Russen verschonen und mich armem Kerl vom Eis in Petersburg! Ich war eines schönen Sonnentages versucht, 137  In Wirklichkeit ist Voltaire der Bitte von Zarin Elisabeth nachgekommen: Seine Histoire de l’Empire de Russie sous Pierre le Grand erschien 1759. 138  François-Joachim de Pierre, cardinal de Bernis wurde im Juni 1757 in der Tat Außenminister, ein Aufstieg, den er Madame Pompadour zu verdanken hatte; der Kardinal hatte sich auch als Dichter in Vers und Prosa versucht. Zu den im Sommer 1757 über Wilhelmine laufenden Geheimverhandlungen mit Frankreich und den von ihr angenommenen günstigen Konstellationen im Zusammenhang mit Bernis, vgl. Dade, Madame de Pompadour, S. 144 f.

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im kommenden Sommer diese Hauptstadt eines neuen Reiches zu besuchen, dessen Geschichte ich schreiben soll.139 Ich sagte zu mir: „Ich werde nach Bayreuth gehen, um mich meiner Beschützerin zu Füßen zu werfen, ich werde Pässe des Königs, ihres Bruders, erhalten, die ich der Protektion seiner wohltätigen Schwester verdanke.“ Aber der Nordwind, mein Respekt vor den Husaren und der schöne Beistand, den ein Reisender in ­Polen findet,140 haben meine Wahnvorstellung zunichte gemacht, und ich habe mich damit begnügt, den guten Kerl Lusignan in Zaïre vor einer Versammlung gravitätischer Schweizer zu spielen.141 Unsere Truppe wäre es wirklich wert gewesen, vor Eurer Königlichen Hoheit aufzutreten. Es gibt in Genf ein intelligentes Mädchen, das fast so singt wie Fräulein Astrua142 und besonders in komischen Opern unnachahmlich ist. Es ist nicht so, dass man in Genf Opern aufführen würde: Man singt hier nur Psalmen. Ich hatte früher Eure Königliche Hoheit geneigt gesehen, eine Frau mit Esprit und Talent an sich zu binden. Dieses Fräulein von bester Herkunft wäre eher für den Bayreuther Hof als für Genf gemacht. Doch man soll nicht von Vergnügungen reden, wenn alles sich auf einen so ernsten Krieg vorbereitet. Der Hof von Paris hat gerade acht Marschälle von Frankreich geschaffen, und 50.000 Mann marschieren gerade nach Flandern auf. Zumindest sind die Quartiermeister schon unterwegs.143 Der König, Ihr Bruder, wird in der Lage sein, noch größere Taten zu tun, als er schon 139  Vgl.

oben den Brief vom 8.2.1757 [D 7151]. Positives wissen Reisende des 18. Jahrhunderts über polnische Straßen, Wege und Dörfer zu berichten, vgl. Orlowski, „Polnische Wirtschaft“, S. 319–323. 141  Voltaire spielte in der 1732 uraufgeführten Tragödie die Rolle des Lusignan, des Prinzen von Geblüt des Königs von Jerusalem, auf der Bühne von Lausanne gemeinsam mit anderen Laienschauspielern, vgl. Pomeau/Mervaud, De la Cour au jardin, S. 316. 142  Giovanna Astrua (1720–1757) war die Lieblingssängerin des Königs, vgl. Henze-Döhring, Friedrich der Große, S. 43–46. 143  Unübersetzbares Wortspiel mit maréchaux-Marschälle und maréchaux de logis-Quartiermeister. Dass diese Ansammlung hoher Herren 140  Wenig

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getan hat. Danach wird er zur Philosophie zurückkehren, für die er ebenso wie fürs Heldentum geboren ist, und sich eines Mannes erinnern, der für ihn sein Vaterland verlassen hat. Er weiß nicht, wie sehr ich ihm verbunden war. Ihr Oberkammerherr,144 Madame, der aus Italien zurückkommt, weiß, dass man an meinem kleinen Rückzugsort bei Genf namens Les Délices glücklich leben kann; aber er weiß auch, dass ein Mann, der Eurer Königlichen Hoheit seine Aufwartung gemacht hat, anderswo nicht glücklich leben kann. Gestatten Sie mir bitte, tausend gute Wünsche für Ihre Gesundheit auszusprechen, alles andere hat die Natur Ihnen geschenkt. Doch was nützen Schönheit, Größe, Esprit und Anmut, wenn der Körper leidet? Eure Königliche Hoheit und Seine Durchlaucht mögen die tiefe Ehrerbietung und die inständigen Gebete von Bruder V. entgegennehmen. 34 Voltaire an Wilhelmine, Les Délices nahe dem Genfer See, 15. Juli 1757 [D 7314] Madame, Bruder Voltaire wird Eurer Königlichen Hoheit immer verbunden sein. Sie werden mir gestatten, mich all denen anzuschließen, die den Tod der Königin, Ihrer Mutter, bedauern und die ihrer höchst würdigen Tochter ein ganz langes und ganz glückliches Leben wünschen.145 Glücklich zu sein, Madame, ist keine Kleinigkeit. Es ist noch leichter, große Taten zu vollbringen, als See-

bis hin zu den Prinzen von Geblüt für diesen Feldzug eher hinderlich war, betont Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. I, S. 391 f. 144  Louis-Alexandre de Riqueti, chevalier de Mirabeau (1724–1761), den Onkel des Revolutionärs, hatte Wilhelmine 1755 in Avignon kennengelernt, wo sie vor ihrer Weiterreise nach Italien überwinterte, vgl. Mass (Hrsg.), Le Marquis d’Adhémar, S. 140, Anm 5. 145  Die Königinmutter war am 28.6.1757 gestorben.

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lenfrieden zu haben, und der Ruhm, der so viel Leid kostet, ist seltener als das Glück. Eure Königliche Hoheit verliert eine Mutter; Sie sehen all ihre Brüder den größten Gefahren ausgesetzt; Sie sehen den Brand des Krieges in der Nähe Ihres Staates entfacht. Das waren ruhigere Tage, Madame, als Sie Roxane so gut auf der Bühne Ihres Palastes darstellten und ich die Ehre hatte, den Acomat zu stammeln; als ich mich als Chinese verkleidete; als ich Zeuge der schönen Feste war, die Sie für den König, Ihren Bruder, gaben.146 Ich war damals sehr glücklich. Ich war tagtäglich Eurer Königlichen Hoheit nahe, ich sah Sie, ich hörte Sie, ich bewunderte all Ihre Talente und all Ihre Anmut. Ich weiß nicht, Madame, was aus diesem ganzen grausamen Krieg wird, der Deutschland verwüstet. Aber ich weiß genau, dass es niemals etwas der Verehrung Würdigeres, etwas Liebenswerteres geben wird als die Frau Markgräfin von Bayreuth. Freunde, Feinde werden darin übereinstimmen; das zählt zu den Grundüberzeugungen, in denen sich alle Welt einig ist. Ich hoffe, dass Ihre Gesundheit gestärkt ist und dass Sie nunmehr das Klima der Provence und Italiens gar nicht vermissen.147 Bayreuth muss ein köstlicher Aufenthaltsort sein, sogar in der Nachbarschaft von Schlachten.148 Ihr reisender Oberkammerherr wird Ihnen vielleicht gesagt haben, wie sehr Sie in der kleinen Eremitage an den Ufern des Genfer Sees angebetet werden. Sie haben Altäre überall, wo es denkende Menschen gibt. Eure Königliche Hoheit und Seine Durchlaucht, der Markgraf, mögen mir gnädigst Ihre Güte bewahren. Vor einigen Mo146  Zu diesem Fest im September 1743, bei dem Wilhelmine und Voltaire als Roxane bzw. Acomat in der Tragödie Bajazet von Jean Racine auftraten, vgl. Berger, Wilhelmine von Bayreuth, S. 98 f. 147  Anspielung auf Wilhelmines zehnmonatige Reise nach Frankreich und Italien 1754/55, bei der sie Voltaire in Colmar und Lyon getroffen hatte. 148  Große Schlachten haben während des Siebenjährigen Krieges in unmittelbarer Nachbarschaft des Markgraftums Bayreuth nicht stattgefunden.

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naten hatte Seine Majestät der König, Ihr Bruder, die Güte, mir zu schreiben.149 Ich wage mir diese Freiheit ihm gegenüber nur unter Ihrem Schutz herauszunehmen. Eure Königliche Hoheit möge ihn Bruder Voltaire immer gewähren und seine tiefe Ehrerbietung gnädigst entgegennehmen. 35 Wilhelmine an Voltaire, 19. August [1757] [D 7350] Nur im Unglück erkennt man seine wahren Freunde. Der Brief, den Sie mir geschrieben haben, macht Ihrer Art zu denken alle Ehre. Ich vermag Ihnen nicht auszudrücken, wie empfänglich ich für Ihr Verhalten bin. Der König ist es ebenso sehr wie ich. Sie finden hier beigefügt ein Billet, das Ihnen auszuhändigen er mir aufgetragen hat. Dieser große Mann bleibt sich immer gleich. Er hält sein Unglück mit einem Mut und einer Standfestigkeit aus, die seiner würdig sind. Er hat den Brief, den er Ihnen geschrieben hatte, nicht nochmals niederschreiben können. Er begann mit Versen. Statt Sand darauf zu werfen, hat er das Tintenfass genommen, was die Ursache dafür ist, dass er abgeschnitten ist.150 149  Der König hatte nicht eigenhändig, sondern über den Abbé Jean Martin de Prades (1720–1782) sich beim Autor für die Übersendung des Essai sur l’histoire universelle bedankt, vgl. Voltaires Brief vom 8.2.1757 [D 7151]. 150  Diese Erklärung ist Wilhelmines Erfindung: In Wirklichkeit enthielt dieser Brief, mit dem Friedrich Voltaire  – über Wilhelmine  – am 12.8.1757 antwortete, ein wenig schmeichelhaftes Epigramm des Königs gegen Ludwig XV., das Voltaire in Schwierigkeiten als glaubhaften Vermittler hätte bringen können, wenn der Brief in die falschen Hände geriet. Von daher war Wilhelmines Griff zur Schere die einfachste Lösung, vgl. Mervaud, Voltaire et Frédéric II, S. 270 f. In seinem Schreiben an die Schwester vom 12.8.1757, dem der Brief an Voltaire beigelegt war, hatte Friedrich diese Selbstzensur schon vorgeschlagen, falls sie das „Epigramm zu stark finde“, vgl. Politische Correspondenz, Bd. XV, S. 298 f.

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Ich bin in einem furchtbaren Zustand und werde die Zerstörung meines Hauses und meiner Familie nicht überleben. Das ist der einzige Trost, der mir bleibt. Sie werden schöne Stoffe bekommen, um daraus Tragödien zu machen. O tempora, o mores. Sie werden vielleicht Tränen vergießen lassen bei einer täuschend echt wirkenden Aufführung, während man trockenen Auges dem Unglück eines ganzen Hauses zuschaut, gegen das man im Grunde keine wirkliche Klage vorbringen kann. Ich kann Ihnen nicht mehr dazu sagen. Meine Seele ist so verwirrt, dass ich nicht weiß, was ich tue; doch, was immer passieren mag, seien Sie überzeugt, dass ich mehr denn je Ihre Freundin bin. Wilhelmine 36 Voltaire an Wilhelmine, Les Délices, den 29. August 1757 [D 7359] Madame, ich war zu Tränen gerührt von dem Brief, mit dem Eure Königliche Hoheit mich beehrt hat.151 Ich würde Sie um die Erlaubnis bitten zu kommen, um mich zu Ihren Füßen werfen, wenn ich diese unglückliche und – ich wage es zu sagen – achtbare Nichte verlassen könnte, die mir in meinen Rückzugsort gefolgt ist und alles für mich aufgegeben hat. Doch in meiner Abgeschiedenheit habe ich nicht einen Augenblick Eure Königliche Hoheit und Ihr erhabenes Haus aus den Augen verloren. Ihr großmütiges Herz ist harten Prüfungen ausgesetzt. Was in Schweden passiert ist,152 was sich in Deutschland ereignet,153 stellt Ihr Mitgefühl auf die Probe. Es ist anzunehmen, dass sich das Gewitter nicht bis 151  Wilhelmines

Brief vom 19.8.1757 [D 7350]. Anspielung auf den von Friedrichs Schwester Ulrike (1724–1782), seit 1751 Königin von Schweden, im Jahr 1756 angestifteten, aber gescheiterten Staatsstreich. 153  Am 18.6.1757 war die Schlacht bei Kolin gegen die Österreicher verloren gegangen, und die Franzosen hatten die hannoverschen Truppen acht Tage später bei Hastenbeck geschlagen. 152  Wahrscheinlich

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zu Ihrem Staat ausdehnt; aber Ihre Seele verspürt alle seine Stürme, und es ist allein das Herz, das Sie unglücklich machen kann. Mögen diese so berechtigten Sorgen Ihre Gesundheit nicht beeinträchtigen! Das werden gewiss diejenigen, die Eurer König­ lichen Hoheit verbunden sind, Ihnen besser vor Augen führen als ich. Es ist Ihnen, Deutschland und Europa wirklich zu wünschen, dass ein guter auf alle früheren Verträge gegründeter Frieden dem vielen Aufruhr und Elend ein Ende bereitet.154 Doch es scheint mir nicht, dass dieser Frieden so nahe ist. Ist es mir, Madame, unter diesen Umständen gestattet, diesen Brief, den ich Seiner Majestät dem König, Ihrem Bruder, zu ­schreiben wage, unter Ihren Schutz zu stellen?155 Eure Königliche Hoheit wird ihn, wenn Sie ihn für angemessen halten, ihm aushändigen lassen. Er wird darin wenigstens meine Empfindungen sehen, und ich bin sicher, dass er sie gutheißen wird. Im Übrigen halte ich die Lage niemals für hoffnungslos, so lange der König eine Armee hat. Er hat oft gesiegt, er kann immer noch siegen. Wenn aber die Zeit und die Anzahl seiner Feinde ihm nur noch seinen Mut lassen, wird dieser Mut von Europa geachtet werden. Der König, Ihr Bruder, wird immer groß sein, und wenn er Unglücke durchmacht wie so viele andere Fürsten, wird er eine neue Form des Ruhms haben. Ich wünschte, er wäre von seinem persönlichen Verdienst überzeugt. Er ist an dem Punkt angekommen, wo viele Leute jeden Ranges ihn mehr als Menschen denn als König achten. Wer kann besser als Sie, Madame, nachfühlen, was es heißt, seiner Herkunft überlegen zu sein? Ich schriebe zu ausschweifend, wenn ich das sagte, was ich denke und was meine liebevolle Ehrerbietung mir alles eingibt. Haben Sie die Gnade, im Herzen von Bruder Voltaire zu lesen.

154  Voltaire meint damit das vor dem Siebenjährigen Krieg in Europa herrschende Machtgleichgewicht. 155  Dieser Brief ist nicht erhalten; der König antwortete darauf am 9.9.1757, vgl. Mervaud, Voltaire et Frédéric II, S. 272 mit Anm. 24.

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37 Wilhelmine an Voltaire, den 12. September [1757] [D 7380] Ihr Brief hat mich tief berührt. Derjenige, den Sie mir für den König mitgeschickt haben, hat auf ihn dieselbe Wirkung gehabt.156 Ich hoffe, dass Sie mit seiner Antwort zufrieden sind, was Sie betrifft. Aber Sie werden ebenso wenig wie ich mit seinen Entschlüssen zufrieden sein. Ich hatte gehofft, dass Ihre Überlegungen einen gewissen Eindruck auf sein Denken machen würden. Sie werden dem beigefügten Brief das Gegenteil entnehmen.157 Es bleibt mir nichts anderes übrig, als seinem Schicksal zu folgen, auch wenn es unglücklich ist. Ich habe mich nie damit gebrüstet, Philosophin zu sein. Ich habe mir Mühe gegeben, es zu werden. Die geringen Fortschritte, die ich darin gemacht habe, haben mich gelehrt, Herrlichkeiten und Reichtümer gering zu schätzen, aber ich habe in der Philosophie nichts gefunden, was die Wunden des Herzens heilen könnte, außer dem Mittel, sich von diesen Leiden zu befreien, indem man selbst zu leben aufhört. Der Zustand, in dem ich mich befinde, ist noch schlimmer als der Tod selbst. Ich sehe den größten Mann unserer Epoche, meinen Bruder, meinen Freund, in der schrecklichsten Not. Ich sehe meine gesamte Familie den schlimmsten Gefahren ausgesetzt, meine Heimat von erbarmungslosen Feinden zerrissen, das Land, in dem ich wohne, vielleicht von ähnlichem Unglück bedroht.158 Gebe der Himmel, dass ich allein die Leiden trüge, die ich Ihnen gerade schildere! Ich ertrüge sie, und zwar standhaft. Verzeihen Sie mir diese Ausführlichkeit! Ihre Anteilnahme 156  Voltaires

Trostbrief an Friedrich II. vom 29.8.1757 [D 7358]. seinem Brief an Voltaire vom 9.9.1757 [D 7373] hatte Friedrich II. angesichts der verzweifelten Lage Preußens nach der Niederlage gegen die Österreicher bei Kolin am 18.6.1757 und weiteren schweren Verlusten im Spätsommer dieses Jahres Selbstmordabsichten geäußert. 158  Dem hatten der Markgraf und sie durch einen geheimen mit Frankreich im März 1757 geschlossenen Subsidienvertrag abzuhelfen versucht, vgl. Berger, Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth contra König Friedrich II. von Preußen? 157  In

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an dem, was mir widerfährt, hat mich veranlasst, Ihnen mein Herz zu öffnen. Ach! Die Hoffnung hat es fast verlassen. Die launische Fortuna ist ebenso beständig in ihren Strafen wie in ihrer Gunst. Die Geschichte ist voller Beispiele dafür. Aber ich habe darin überhaupt noch keines gefunden, das dem unseren gleichkommt, noch einen so unmenschlichen, grausamen Krieg unter zivilisierten Völkern. Sie würden seufzen, wenn Sie die traurige Lage Deutschlands und Preußens kennen würden. Die Grausamkeiten, welche die Russen begehen, lassen die Natur erschauern.159 Wie glücklich sind Sie doch in Ihrer Eremitage, wo Sie sich auf Ihren Lorbeeren ausruhen und mit kühlem Kopf über die Verirrungen der Menschen philosophieren können! Dabei wünsche ich Ihnen alles erdenkliche Glück. Falls uns Fortuna dennoch gewogen ist, zählen Sie auf meine ganze Dankbarkeit und darauf, dass ich nie die Beweise der Verbundenheit vergessen werde, die Sie mir entgegengebracht haben. Mein empfindsames Herz ist Ihnen ein Garant dafür; ich bin niemals eine halbherzige Freundin und werde Bruder Voltaire immer eine wirkliche Freundin sein. Wilhelmine 38 Voltaire an Wilhelmine, [ca. 25. September 1757] [D 7401] Madame, mein Herz ist mehr als je zuvor von der Güte und dem Vertrauen berührt, die Sie die Gnade haben, mir zu bezeugen. Wie sollte ich da nicht über die Maßen gerührt sein? Ich erkenne, dass allein Ihre schöne Seele Sie unglücklich macht. Ich spüre, dass ich dazu geboren bin, in Bewunderung überlegenen empfindsamen Geistern verbunden zu sein, die so denken wie Sie. 159  Am 30.8.1757 hatten die Russen dem preußischen Heer bei GroßJägersdorf eine empfindliche Niederlage beigebracht.

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Sie wissen, wie sehr ich im Grunde Ihrem Bruder, dem König, immer verbunden war. Je ruhiger mein Alter ist, desto mehr habe ich auf alles verzichtet; je mehr ich mir aus meinem Ort des Rückzugs eine Heimat gemacht habe, desto ergebener bin ich diesem Philosophen-König. Ich schreibe ihm nichts, was ich nicht im Grunde meines Herzens denke, nichts, was ich nicht für vollkommen wahr halte, und wenn mein Brief Eurer König­ lichen Hoheit angemessen erscheint, dann bitte ich Sie, ihn wie die vorangehenden zu unterstützen.160 Eure Königliche Hoheit wird in diesem Brief Dinge finden, die an das anschließen, was Sie selbst denken. Wenngleich meine ersten Einlassungen für den Frieden nicht erfolgreich waren, bin ich überzeugt, dass sie am Ende Erfolg haben können. Erlauben Sie, dass ich Ihnen meine Ideen mitteile: Ich könnte mir denken, dass Marschall Richelieu sich geschmeichelt fühlte, wenn man sich an ihn wenden würde. Ich glaube, er denkt, dass es notwendig ist, ein Gleichgewicht zu halten, und dass er sehr froh wäre, wenn der Dienst für den König, seinen Herrn, in Übereinstimmung mit dem Interesse der Alliierten und Ihren Interessen wäre. Wenn Sie ihn bei Gelegenheit sondieren lassen wollen, wäre das nicht schwierig. Niemand wäre geeigneter, eine solche Aufgabe zu erfüllen, als Monsieur de Richelieu.161 Ich nehme mir, Madame, nur unter der Annahme, dass Ihr Bruder, der König, zu dieser Entscheidung gezwungen ist, die Freiheit heraus, darüber zu sprechen, und ich wage Ihnen zu sagen, dass er Ihnen in diesem Fall zu großem Dank verpflichtet wäre, selbst wenn die Umstände ihn dazu zwängen, Opfer zu bringen.162 Ich riskiere diese Idee nicht als einen Vorschlag, noch weniger als einen Ratschlag – es steht mir nicht zu, 160  Es handelt sich um Voltaires Brief an den König vom [25.9.1757], [D 7400]. 161  In diesem Sinn schreibt Voltaire an Richelieu am 27.9.1757 [D 7402] und schmeichelt ihm, er könne nach seinen militärischen Erfolgen als „General“ nunmehr die Rolle eines „Schiedsrichters“ einnehmen. 162  Am 5.11.1757 nimmt der Krieg mit dem preußischen Sieg über die Franzosen bei Rossbach für Friedrich II. eine so positive Wendung, dass Voltaires Überlegungen völlig obsolet wurden.

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es zu wagen, dergleichen zu erteilen  – sondern als einfachen Wunsch, der lediglich meinem Diensteifer entspringt. 39 Wilhelmine an Voltaire, 16. Oktober 1757 [D 7422] Niedergeschlagen an Geist und Körper von meinen Leiden, kann ich Ihnen nur einen kleinen Brief schreiben. Sie finden hier beigefügt einen, der Sie hundertfach für meine Kürze entschädigen wird.163 Unsere Lage ist immer noch dieselbe. Das Grab steht immer noch in unserem Blickpunkt. Obwohl alles verloren scheint, bleibt uns etwas, was man uns nicht wegnehmen kann: Das sind die Standhaftigkeit und die Gefühle des Herzens. Seien Sie überzeugt von unserer Dankbarkeit und alldem, was Sie durch Ihre Verbundenheit und Ihre eines wahren Philosophen würdige Denkart verdienen. Wilhelmine 40 Wilhelmine an Voltaire, den 28. Oktober [1757] [D 7438] Ihre Briefe haben mich alle wohlbehalten erreicht. Die Aufregung meines Geistes hat meinen Körper so niedergeschlagen, dass ich Ihnen nicht früher antworten konnte.164 Ich bin überrascht, dass Sie über unsere Verzweiflung erstaunt sind. In Ihre Kantone müssen recht selten Nachrichten gelangen, da Sie nicht wissen, was sich in der Welt ereignet. Ich hatte die Absicht, 163  Friedrichs Brief an Voltaire vom 8.10.1757 [D 7414] mit einem Gedicht an den Autor (Réponse au Sieur Voltaire), der mit dem berühmten Bekenntnis endet, er müsse „Als König denken, leben, sterben“, zit. nach Overhoff/Senarclens (Hrsg.), An meinen Geist, S. 239. 164  Ihren Kurzbrief an Voltaire vom 16.10.1757 [D 7422] betrachtet Wilhelmine offenbar nicht als Antwort auf dessen Schreiben vom 25.9.1757 [D 7401].

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I­ hnen einen ausführlichen Bericht von unserer Unglückskette zu geben. Meine Niedergeschlagenheit hat das verhindert. Ich gebe Ihnen nur einen sehr gekürzten Bericht. Die Schlacht von Kolin war schon gewonnen, und die Preußen waren Herren des Schlachtfelds auf der Anhöhe, auf der rechten Flanke der Feinde, als ein gewisser böser Geist, den Sie gar nicht mochten,165 den Einfall hatte, entgegen den ausdrücklichen Befehlen, die er vom König erhalten hatte, die österreichischen Haupttruppen anzugreifen, was einen großen Raum zwischen der siegreichen linken preußischen Flanke und dieser Truppe schuf. Das verhinderte auch, dass diese Flanke gehalten wurde. Der König füllte diesen Raum mit zwei Kavallerieregimentern. Eine Kartätschensalve ließ sie zurückweichen und fliehen. Die Österreicher, die Zeit gehabt hatten, sich zu sammeln, stürzten sich an der Flanke und im Rücken auf die Preußen. Trotz seiner Fähigkeit und seiner Anstrengungen konnte der König dem Durcheinander nicht abhelfen. Er war in Gefahr, gefangen genommen oder getötet zu werden. Das Erste Bataillon der Garde zu Fuß verschaffte ihm die Zeit zum Rückzug, indem es sich vor ihn warf. Er sah mit an, wie seine tapferen Leute massakriert wurden, die bis auf zweihundert alle umkamen, nachdem sie ein grausames Gemetzel unter den Feinden angerichtet hatten. Am folgenden Tag wurde die Belagerung von Prag aufgehoben.166 Der König formierte zwei Armeen. Er gab meinem Bruder von Preußen167 das Kommando über die eine und behielt dasjenige über die andere. Er bildete einen Kordon von Lissa bis Leitmeritz, wo er sein Lager aufschlug. Die Desertion hielt in seine Armee Einzug. Von fast 30.000 Sachsen blieben kaum

165  Moritz, Prinz von Anhalt-Dessau (1712–1760); nicht er, der spätere Generalfeldmarschall, sondern der König selbst war für die Niederlage bei Kolin verantwortlich; eine detaillierte Beschreibung der Schlacht bei Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. I, S. 335–346. 166  Am 20.6.1757. 167  August Wilhelm, Prinz von Preußen.

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2–3.000.168 Dem König stand die Armee von Nádasdy gegen­ über,169 meinem Bruder, der in Lissa war, diejenige von Daun.170 Mein Bruder bezog seine Vorräte aus Zittau, der König aus dem Magazin von Leitmeritz. Daun passierte die Elbe und marschierte unbemerkt vom Prinzen von Preußen. Er nahm Gabel ein, wo vier preußische Bataillone lagen, und marschierte nach Zittau. Der Prinz rückte aus, um der Stadt zu Hilfe zu kommen. Er verlor den Tross und die Pontons, da die Wagen zu breit und die schmalen Bergwege unpassierbar waren. Er kam rechtzeitig an, um die Garnison und einen Teil  des Magazins zu retten.171 Der König war gezwungen, nach Sachsen zurückzukehren. Die beiden vereinigten Armeen schlugen in Bautzen und Bernstadt ihre Lager auf, das der Österreicher war zwischen Görlitz und Schönau an einem unangreifbaren Posten. Am 17.  September marschierte der König gegen den Feind, um zu versuchen, sich Görlitz’ zu bemächtigen. Die beiden Armeen beschossen sich ohne Wirkung beim Aufeinandertreffen mit Kanonen; aber die Preußen erreichten ihr Ziel und nahmen Görlitz ein. Daraufhin schlugen sie von Bernstadt auf den Höhen von Javernig bis zur Neiße Lager auf, wo das Corps des Generals Winterfeldt begann, das sich bis nach Radmeritz erstreckte.172

168  Die Zahlen sind stark übertrieben. Dass viele sächsische von den Preußen zwangsrekrutierte Soldaten fahnenflüchtig wurden, ist sehr verständlich, vgl. Salisch, Treue Deserteure, S. 147, der von insgesamt 3.700 desertierten sächsischen Soldaten 1756/57 spricht, soweit es sich um ganze Verbände handelt; einzelne Überläufer sind hierbei nicht mitgezählt. 169  Franz Leopold, Graf von Nádasdy (1708–1783) befehligte die leichten Truppen Österreichs bei Kolin. 170  Josef Leopold, Graf von Daun (1705–1766), Feldmarschall Österreichs. 171  Wilhelmine verschweigt verständlicherweise, dass der König den Prinzen von Preußen am 30.7.1757 derart abkanzelte, dass dieser die Armee verließ, vgl. Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. I, S. 367 f. 172  Generalleutnant Hans Karl von Winterfeldt (1707–1757) starb an seinen bei der Schlacht von Moys am 7.9.1757 erlittenen Verletzungen.

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Die Armee des Prinzen von Soubise war,173 vereinigt mit der des Reichs, bis nach Erfurt vorgedrungen. Sie konnte den Weg zur Elbe abschneiden, wenn sie sich in Leipzig aufstellen würde, was die Position des Königs sehr gefährdet hätte. Er verließ also die Armee, übergab das Kommando dem Prinzen von Bevern174 und marschierte in größter Eile und Geheimhaltung auf Erfurt zu. Er hätte fast die Reichsarmee überrascht; aber diese furchtsamen Truppen flüchteten ohne Ordnung in die undurchdring­ lichen Pässe von Thüringen, hinter Eisenach. Der Prinz von Soubise, der zu schwach war, um sich den Preußen entgegenzustellen, hatte sich schon zurückgezogen. In Erfurt war es und dann in Naumburg, wo das Schicksal seine vergifteten Pfeile auf den König abschoss. Er erfuhr von dem würdelosen vom Herzog von Cumberland geschlossenen Vertrag,175 vom Marsch des Herzogs von Richelieu,176 vom Tod und der Niederlage von Winterfeldt, der von dem gesamten Corps von Nádasdy, das aus 24.000 Mann bestand, angegriffen wurde, während er nur 6.000 zu seiner Verteidigung hatte.177 Er erfuhr vom Einfall der Österreicher in Schlesien und dem der Schweden in der Uckermark,178 von wo aus sie den Weg nach Berlin einzuschlagen schienen. Nehmen Sie hinzu, dass Preußen von Memel bis Königsberg nur noch eine riesige Einöde war: Dann haben Sie eine Auswahl unserer Schicksalsschläge. 173  Charles de Rohan, prince de Soubise (1715–1787) hielt zu diesem Zeitpunkt gemeinsam mit Reichstruppen Teile der sächsisch-thüringischen Fürstentümer besetzt, vgl. Füssel, Der Siebenjährige Krieg, S. 42. 174  Ferdinand, Prinz von Bevern (1721–1792). 175  Der von Wilhelm August, Herzog von Cumberland (1721–1765) nach seiner Niederlage bei Hastenbeck am 10.9.1757 unterzeichnete Vertrag von Kloster Zevern. Zur Schlacht selbst vgl. Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. I, S. 425–444. 176  Dessen Truppen drohten sich mit denen von Soubise in Thüringen zu vereinigen, vgl. Kunisch, Friedrich der Große, S. 371. 177  S. o. Anm. 172. 178  Die Österreicher nahmen am 11.11.1757 Schweidnitz, am 22.11.1757 Dresden ein, während die Schweden Ende September 1757 Usedom besetzten, vgl. Füssel, Der Siebenjährige Krieg, S. 41, 43.

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Seitdem sind die Österreicher bis nach Breslau vorgedrungen. Das geschickte Verhalten des Prinzen von Bevern hat sie daran gehindert, es zu belagern. Sie sind derzeit mit der Belagerung von Schweidnitz beschäftigt. Eine ihrer Abteilungen von 4.000 Mann hat sogar von Berlin Kontributionen erhoben Das Eintreffen des Prinzen Moritz hat sie veranlasst, das Land des Königs zu räumen.179 In diesem Augenblick hat man mir gerade berichtet, dass Leipzig blockiert ist. Mein Bruder von Preußen ist dort sehr krank. Der König ist in Torgau. Stellen Sie sich meine Sorgen und meinen Kummer vor! Kaum bin ich in der Lage, diesen Brief zu beenden. Ich bange um den König und darum, dass er einen blutigen Entschluss fasst.180 Adieu, wünschen Sie mir den Tod: Das ist das größte Glück, das mir passieren kann. Wilhelmine 41 Wilhelmine an Voltaire, den 23. November [1757] [D 7477] Mein Körper war unter der Last der Erschütterungen meines Geistes zusammengebrochen, was mich daran gehindert hat, Ihnen zu antworten. Ich will sie heute mit wesentlich interessanteren Nachrichten unterhalten als mit denen über meine Person. Ich hatte Ihnen mitgeteilt, dass die Armee der Alliierten Leipzig blockierte.181 Ich setze meine Erzählung fort: Am 26. ging der König mit 179  Andreas Hadik, Graf von Futak (1711–1790) hatte am 16./ 17.10.1757 Berlin besetzt und zog nach der Zahlung von etwa 200.000 Talern wieder ab. Die Rolle des Prinzen Moritz schildert Wilhelmines Schwester Amalie in ihrem Brief an Caroline von Hessen-Darmstadt (1721–1774) vom 18.10.1757 in wesentlich ungünstigerem Licht  – und sie musste es als unmittelbar Betroffene besser wissen, vgl. Berger (Hrsg.), Ein Heiratsnetzwerk der Aufklärung, S. 80–82. 180  Anspielung auf die Selbstmordgedanken des Königs, die er in seinem Brief an Wilhelmine vom 28.9.1757 geäußert hatte, vgl. Bardong (Hrsg.), Friedrich der Große, 388–391. 181  In ihrem Brief von 28.10.1757 [D 7438].

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e­ inem Korps von 10.000 Mann auf die Stadt los; Marschall Keith war schon mit einer ähnlich großen Zahl an Truppen eingedrungen.182 Es gab ein heftiges Scharmützel zwischen den Österreichern, der Reichsarmee und den Preußen; letztere behielten vollständig die Oberhand und nahmen 500 Österreicher gefangen. Die alliierte Armee zog sich nach Merseburg zurück. Sie verbrannte die Brücke dieser Stadt und die von Weißenfels;183 die von Halle war schon zerstört. Es wird behauptet, dass dieser plötzliche Rückzug den heftigen Vorhaltungen der Königin von Polen zu verdanken war, die mit Recht die völlige Zerstörung Leipzigs vorhersah, wenn man es weiter belagern würde.184 Der Plan der Franzosen war, sich der Saale zu bemächtigen. Der König marschierte gegen Merseburg, wo er sich auf die französische Nachhut stürzte und sich der Stadt bemächtigte, wo er 500 französische Gefangene machte. Die bei dem Scharmützel vor Leipzig gefangengenommenen Österreicher waren in einem alten Schloss oberhalb der Stadtmauern eingesperrt gewesen. Sie waren gezwungen, ihr Nest den 500 Franzosen zu überlassen, weil es bequemer war, und man steckte sie in ein Zuchthaus. Um Ihnen die Achtung zu zeigen, die man für Ihre Nation hat, teile ich Ihnen diese Kleinigkeiten mit. Marschall Keith marschierte nach Halle, wo er die Brücke wiederherstellte. Weil der König keine Pontons hatte, benutzte er Gerüste, auf denen er Bretter festmachte, und richtete damit die beiden Brücken von Merseburg und Weißenfels wieder her. Das Korps, das er kommandierte, vereinigte sich mit dem von Marschall Keith in Branderoda. Letzterer hatte 8.000 an sich gezogen, die von Prinz Ferdinand von Braunschweig kommandiert wurden. Am 4. ging man daran, den auf der Höhe von Sankt Micheln lagernden Feind auszu-

182  James Edward Francis Keith (1696–1758); der Feldmarschall fiel in der Schlacht von Hochkirch am 14.10.1758, Wilhelmines Todestag. 183  Vgl. Kunisch, Friedrich der Große, S. 375. 184  Maria Josepha von Österreich (1699–1757), die 1719 Friedrich August II. von Sachsen geheiratet hatte, war seit 1734 nach der Krönung des sächsischen Kurfürsten zum polnischen König Königin von Polen. Sie starb wenige Tage nach der Schlacht von Rossbach.

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kundschaften.185 Da die Stellung nicht unangreifbar war, ließ der König das Lager in einer Ebene bei Rossbach aufschlagen. Er hatte einen Hügel im Rücken, dessen Neigung sehr sanft war. Am 5. kamen, während der König friedlich mit seinen Generälen dinierte, zwei Patrouillen, um ihn zu warnen, dass die Feinde sich zu ihrer Linken in Bewegung setzten. Der König erhob sich von der Tafel; man holte die Kavallerie zurück, die beim Futterholen war, und man verhielt sich ruhig im Glauben, dass der Feind noch gegen Freyburg marschiere, eine kleine Stadt, die sich in seinem Rücken befand.186 Aber man bemerkte, dass er auf die linke Flanke der Preußen loszog. Daraufhin hob der König das Lager auf und marschierte links auf diesen Hügel, was ganz schnell vor sich ging, sowohl seitens der Infanterie wie seitens der Kavallerie. Dieses Manöver war allem Anschein nach dazu bestimmt, die Franzosen zu täuschen. Augenblicklich war, wie durch einen Pfiff, diese ungeordnete Armee in Schlachtordnung auf einer Linie aufgestellt. Dann eröffnete die Artillerie ein so schreckliches Feuer, dass Franzosen, mit denen ich gesprochen habe, sagten, dass jeder Schuss acht oder neun Leute tötete oder verwundete. Das Musketenfeuer tat nicht weniger Wirkung. Die Franzosen rückten immer noch in Kolonne vor, um mit dem Bajonett anzugreifen. Sie waren nur noch hundert Schritt von den Preußen entfernt, als die preußische Kavallerie sich mit unglaublicher Wucht in einem Schwenk von der Flanke her auf ihre Flanke stürzte. Die Franzosen wurden zersprengt und in die Flucht gejagt. Die an der Flanke angegriffene, von den Kanonen heftig beschossene, von sechs Bataillonen und dem Gendarmerie-Regiment attackierte Infanterie wurde in Stücke gerissen und vollkommen aufgelöst. Prinz Heinrich, der die rechte Flanke des Königs kommandierte, hatte den größten Anteil an diesem Sieg, bei dem er eine 185  Bei Mücheln, vgl. Duffy, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, S. 202. 186  Ähnlich die Schilderung bei Duffy, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, S. 203 f. Eine detaillierte Beschreibung der Schlacht bei Waddington, La Guerre de Sept Ans, S. 619–630.

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leichte Verwundung davontrug. Die Verluste der Franzosen sind sehr hoch: Außer 5.000 Gefangenen und mehr als 300 gefangenen Offizieren haben sie fast die gesamte Artillerie in dieser Schlacht verloren.187 Im übrigen teile ich Ihnen das mit, was ich aus dem Mund von Geflohenen und aus einigen Berichten preußischer Offiziere erfahren habe. Der König hat nur die Zeit gehabt, mir seinen Sieg bekannt zu geben und mir keinen Bericht darüber schicken können. Der König behandelt und versorgt die französischen Offiziere so gut, wie er es mit seinen eigenen tun würde. Er hat die Verwundeten in seiner Gegenwart verbinden lassen und die genauesten Befehle gegeben, dass man es ihnen an nichts fehlen lasse. Nachdem er den Feind bis nach Spielberg verfolgt hatte, ist er nach Leipzig zurückgekehrt, von wo er am 10. wieder aufgebrochen ist, um nach Torgau zu marschieren. Der österreichische General Marschall drohte, mit 13.000 oder 14.000 Mann nach Brandenburg einzufallen; beim Nahen der Preußen trat dieses Korps den Rückmarsch nach Bautzen in der Lausitz an.188 Der König verfolgt es, um es, wenn möglich, anzugreifen. Es ist seine Absicht, daraufhin nach Schlesien vorzudringen. Leider haben wir heute die Übergabe von Schweidnitz erfahren, das sich am 13. nach der Erstürmung ergeben hat, was mich wieder in die schlimmsten Befürchtungen zurückfallen lässt. Um auf die Punkte Ihrer beiden Briefe zu antworten,189 sage ich Ihnen, dass Taubheit in Frankreich epidemisch wird. Wenn ich dürfte, würde ich Blindheit hinzufügen. Ich könnte Ihnen Etliches persönlich sagen, was ich der Feder nicht anvertrauen kann, wodurch Sie sich von den guten Absichten, die man hatte, überzeugen könnten. Man hat sie immer noch. Ich werde dem187  Wilhelmine verwechselt hier offensichtlich die Rolle des Prinzen Heinrich mit der des Reitergenerals Friedrich Wilhelm von Seydlitz (1721–1773), vgl. Duffy, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, S. 204– 207. 188  Ernst Dietrich Marschall (1692–1771), kaiserlicher Feldmarschall; eine genaue Schilderung des Rückzugs der Österreicher bei Duffy, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, S. 209. 189  Sie sind laut Besterman, Anm. 7 zu D 7477 nicht erhalten.

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nächst an den Kardinal schreiben.190 Versichern Sie ihn bitte meiner ganzen Wertschätzung und sagen Sie ihm, dass ich immer noch auf meinem System von Lyon beharre,191 dass ich aber sehr wünsche, dass viele Leute seine Denkart hätten; dass wir uns in diesem Fall rasch einigen würden. Ich bin wirklich verrückt, mich ins Politisieren einzumischen. Mein Kopf taugt nur noch dazu, ins Irrenhaus gesteckt zu werden. Sie veranlassen mich dazu, Geist und Körper anzustrengen, um einen so langen Brief zu schreiben. Ich kann Sie nur mit dem Vergnügen von Berichten versorgen. Ich muss schon davon profitieren, auch wenn ich Sie nicht mit größeren versorgen kann, wie sie meine Dankbarkeit sich wünscht. Viele Grüße an Madame Denis und zählen Sie darauf, dass Sie keine bessere Freundin haben als Wilhelmine. 42 Wilhelmine an Voltaire, 30. November [1757] [D 7483] Schweidnitz ist eingenommen und Prinz Karl geschlagen:192 So ist das Leben des Menschen  – eine Mischung aus Wohl und Übel. Die sächsischen Verräter haben durch ihren Aufstand die Übergabe der Festung verursacht, die allerdings einen Sturmangriff mitgemacht hat, bevor sie aufgab. Ich habe überhaupt noch keine detaillierten Nachrichten von der Schlacht von Breslau; ich weiß nur, dass Prinz Karl mit einer Armee von etwa 60.000 Mann 190  Kardinal Pierre Guérin de Tencin, siehe unten ihren Brief an Voltaire vom 27.12.1757 [D 7537]; sein Einfluss auf die französische Politik war zu dieser Zeit nur noch gering. 191  Was genau Wilhelmine mit dem Kardinal auf ihrem Treffen in Lyon im Oktober 1754 während ihrer Reise nach Frankreich und Italien besprochen hat, ist nicht bekannt. 192  Karl Alexander, Prinz von Lothringen (1712–1780), Oberkommandeur der österreichischen Truppen, hatte im Gegenteil Schweidnitz und Breslau Mitte November 1757 eingenommen, war aber nach der verlorenen Schlacht bei Leuthen vom 5.12.1757 von Maria Theresia abgesetzt worden, vgl. Stollberg-Rilinger, Maria Theresia, S. 426–428.

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den Prinzen von Bevern, der kaum die Hälfte hatte, angegriffen hat, und dass der letztere einen vollkommenen Sieg errungen hat. Der König war schon an den Grenzen zu Schlesien, als er von dieser glücklichen Nachricht erfuhr. Er setzt sich eilig in Marsch, um den Österreichern den Rückzug abzuschneiden. Ich zweifele daran, dass ihm das gelingt, weil er zu weit entfernt ist.193 Er hat sich all ihrer Magazine in der Lausitz bemächtigt, was das Korps von Marschall zum Rückzug gezwungen hat. Ich habe zwei Briefe von Ihnen mit Beilagen für den König erhalten, die ich ihm bei der nächsten Gelegenheit schicken werde.194 Ich habe mir die Freiheit erlaubt, eine Kopie davon zu machen. Adhémar hat, wie er mir sagt, Ihnen einen Bericht von der Schlacht gegeben, sonst hätte ich ihn Ihnen geschickt.195 Ich will dem König nicht dieses Vergnügen nehmen. Sie werden ihn aus seiner Hand erhalten; er wird ganz sicher mehr taugen als alle anderen. Ich hoffe, dass die Rückkehr des Kriegsglücks jeden schlimmen Gedanken aus seinem Kopf verbannt hat. Wenn der Marschall von Richelieu vorgerückt wäre, wäre es um sein Leben geschehen gewesen. Er hätte sich auf ihn gestürzt und wäre mit dem Schwert in der Hand gestorben. Ich kann Ihnen versichern, dass dies seine Absicht war, was ich Ihnen mit seinen Briefen beweisen kann. Ich wagte nicht, es Ihnen damals zu sagen, weil er es mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut hatte.196 Wir haben 4.000 Hasen oder Geflüchtete der Reichsarmee, die im Land lagern. Das ist gleichbedeutend mit ebenso vielen ausgehungerten Wölfen, die uns wohl ihren Hunger spüren lassen 193  Friedrich II. brach am 13.11.1757 von Leipzig in Richtung Schlesien auf, vgl. Duffy, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, S. 209. Zur Schlacht bei Breslau vgl. Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. I, S. 689–694, der von 35.000 Preußen und 80.000 Österreichern spricht. 194  Wahrscheinlich Voltaires Briefe an den König vom 13.11.1757 [D 7460] und 22.11.1757 [D 7475], vgl. Mervaud, Voltaire et Frédéric II, S. 285 mit Anm. 64. 195  Dieser (undatierte) Brief von D’Adhémar bei Mass (Hrsg.), Le Marquis d’Adhémar, S. 162–166. 196  Vgl. Friedrichs Brief an die Schwester vom 17.[9.1757], in: Politische Correspondenz, Bd. XV, S. 350.

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könnten. Diese armen Kerle waren eine Woche ohne Nahrung, tranken nur schlammiges Wasser und schliefen unter freiem Himmel: So hat man sie vorbereitet, um in den Kampf zu marschieren. Den Franzosen ging es etwas besser, aber auch ihnen fehlte es an Brot. Deutschland ist nichts für französische Armeen. Das hat man schon am Beispiel des letzten Krieges gesehen; so wird es sich in diesem wiederholen. Ich wünsche ihre Verluste und Leiden den Österreichern. Ich habe eine wirkliche Schwäche für sie, die mich daran hindert, ihnen etwas Schlimmes zu wünschen. Der König hat es ihnen nur widerwillig angetan. Er hat es wohl bewiesen: Er hätte sie vernichten können, wenn er sie hätte verfolgen wollen, wie es sich gehört hätte. Wie ist er doch zu bemitleiden! Er verbringt seine Zeit mit Blutvergießen und Gemetzel. Das ist das Schicksal von Helden, aber ein richtig trauriges Schicksal für einen Philosophen. Geben Sie mir weiter Nachrichten von Ihnen! Ihre Briefe sind meine einzige Erquickung. Seien Sie von meiner ganzen Wertschätzung überzeugt. Wilhelmine Freundliche Grüße an Madame Denis. 43 Wilhelmine an Voltaire, den 27. Dezember (1757] [D 7537] Wenn mein Körper den Eingebungen meines Geistes nachgeben wollte, würden Sie mit jeder Post Neuigkeiten von mir bekommen. „Ich sieche“, werden Sie sagen, „ebenso dahin wie Sie, und trotzdem schreibe ich.“ Darauf antworte ich Ihnen, dass es nur einen Voltaire auf der Welt gibt und dass er nicht nach seinem Maßstab über andere richten darf. Das ist ein rechtes Geschwätz! Ich verspüre Ihre Ungeduld, die Dinge, die Sie interessieren, zu erfahren: Eine gewonnene Schlacht, Breslau in der Hand des Königs, 33.000 Gefangene, 700 Offiziere und 14 Generäle gefangengenommen, über 150 Kanonen und 4.000 Wagen mit Nahrungsmitteln, Tross und Munition sind die Nachrichten, die ich Ihnen bieten kann. Ich bin noch nicht fertig: 4.000 Tote sind auf

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dem Schlachtfeld geblieben, 4.000  Verwundete befinden sich in Breslau, und man zählt 4.500 Deserteure. Sie können darauf zählen, dass das eine Tatsache ist, die nicht nur vom König und der ganzen Armee, sondern sogar von einer Menge österreichischer Deserteure, die hier waren, bestätigt wurde. Die Preußen haben 500 Tote und 3.000 Verwundete. Dieses Geschehen ist einzigartig und kommt einem wie ein Märchen vor. Die Österreicher waren 80.000  Mann stark. Die Preußen hatten nur 36.000. Der Sieg war umkämpft; doch die ganze Sache hat nur vier Stunden gedauert.197 Ich weiß vor Freude über diese Wendung des Schicksals nicht ein noch aus. Ich muss noch eine Anekdote hinzufügen: Das Korps, das der König befehligte, hatte in zwei Wochen 42 Meilen198 geschafft und nur einen Ruhetag gehabt, bevor es sich diese denkwürdige Schlacht lieferte. Der König kann wie Caesar sagen: Ich kam, ich sah, ich siegte. Er teilt mir mit, dass er derzeit nur das Problem hat, diese ungeheure Zahl von Gefangenen zu ernähren und unterzubringen. Der Brief, den Sie ihm geschrieben haben, wo Sie ihn nach einem Bericht über die Schlacht von Merseburg fragen, wurde mit dem meinen abgefangen. Zum Glück steht darin nichts, was Ihnen schaden könnte. Ich adressiere den beigefügten Brief für den Kardinalshutträger an Sie.199 Schurkereien enthält er keine, was Schmeicheleien angeht, so garantiere ich für nichts. Wir hatten hier vor drei Tagen vier Meilen von hier drei Erdstöße. Es heißt, dass der erste stark gewesen war und man unterirdische Geräusche gehört hat. Sie haben keinen Schaden angerichtet. Dergleichen hat es in diesem Land noch nie gegeben. Ich 197  Wilhelmines Angaben entsprechen nicht immer den Tatsachen: Die Truppenstärke der Österreicher betrug 65.000 Soldaten; die preußischen Verluste beliefen sich auf etwa 6.400 Mann, die österreichischen Gefangenen auf 12.000 nach der Schlacht bei Leuthen vom 5.12.1757; hinzukamen nochmals 17.000 Gefangene nach der Einnahme der Stadt Breslau, vgl. Duffy, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, S. 209–223. 198  Eine deutsche Meile entspricht etwa 7,5 km. 199  Gemeint ist Kardinal Tencin.

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überlasse es Ihnen, den Grund dafür zu finden.200 Viele Grüße an Madame Denis. Seien Sie von meiner ganzen Wertschätzung überzeugt. Wilhelmine 44 Wilhelmine an Voltaire, den 2. Januar 1758 [D 7549] Dank himmlischer Gnade haben wir das unheilvollste aller Jahre beendet. Sie sagen mir so viele verbindliche Dinge über das laufende Jahr, dass dies für mich ein weiterer Gegenstand der Dankbarkeit ist. Ich wünsche Ihnen alles, was Sie vollkommen glücklich machen kann. Was mich angeht, so überlasse ich mein Los dem Schicksal. Man formuliert oftmals Wünsche, die uns von Nachteil wären, wenn sie sich erfüllten; also spreche ich keine mehr aus. Wenn irgendetwas auf der Welt meine Wünsche zufriedenstellen kann, dann ist es der Frieden. Ich denke wie Sie über den Krieg. Wir haben einen Dritten,201 der bestimmt denkt wie wir. Doch kann man immer seiner Denkart folgen? Muss man sich nicht etlichen Vorurteilen beugen, die sich eingenistet haben, seit es die Welt gibt? Der Mensch läuft dem falschen Glanz des Prestiges nach. Ein jeder sucht es in seinem Metier und seinen Talenten; man will sich unsterblich machen. Muss man diesen wahnhaften Ruhm nicht in den ­wahren oder falschen Vorstellungen suchen, die sich der Mensch davon macht?202 Demokrit hatte wirklich Recht, über die menschliche Verrücktheit zu lachen.203 Ich sehe auf der einen Seite eine Heuchlerin, die bei Prozessionen mitläuft und die Heiligen anfleht, damit beschäftigt, ganz Europa zu entzweien und 200  Anspielung

auf Voltaires Poème sur le désastre de Lisbonne.

201  Friedrich II. 202  Diese Kritik an der Ruhmsucht lässt sich auf Friedrich  II. beziehen, der davon stark geprägt war, vgl. Luh, Der Große. 203  Der griechische Philosoph Demokrit (ca. 460–380/90 v. Chr.) wird schon in der Antike als lachender Philosoph dargestellt.

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es seiner Einwohner zu berauben.204 Ich sehe auf der anderen Seite einen Philosophen, der – wenngleich mit Bedauern – Ströme von Menschenblut vergießen lässt.205 Ich sehe ein habgieriges Volk, das sich dem Untergang der Sterblichen verschworen hat, um Reichtümer anzuhäufen.206 Doch Schluss damit! Ich könnte zu viel sehen, und das ist nicht notwendig. Ich muss Sie für dieses Mal mit meinem Wortschwall und meinen Überlegungen abspeisen, weil ich keinerlei Neuigkeit seit dem letzten Brief habe, den Sie von mir erhalten haben. Was Sie mir vorschlagen, ist ein wenig heikel: Ich spreche meine Meinung dazu in dem Brief aus, den ich an Sie adressiere.207 Ich komme auf meinen alten Spruch zurück, dass man in Ihrem Vaterland taub ist. Wenn ich mit Ihnen sprechen könnte, würden Sie vielleicht anders darüber urteilen, als Sie es jetzt tun. Der König ist in der Lage des Orpheus, wenn sein Kriegsglück ihn nicht aus der Affäre zieht. Er wünscht Frieden, aber es gibt viele Aber. Wenn er nicht vor dem Frühling geschlossen wird, ist ganz Deutschland zerstört und verwüstet. Schon der jetzige Zustand ist grauenhaft. Wie klug auch immer man sich verhält, man kann sich nicht vor Gewalt und Plünderung in Sicherheit bringen. Ich würde kein Ende finden, wenn ich Ihnen die Leiden, die es durchmacht, im Einzelnen schilderte. Es ist eine Schande, dass man in einem zivilisierten Jahrhundert mit einer solchen Grausamkeit vorgeht. Der König leidet nicht darunter, was auch immer man über ihn sagt: Das sächsische Volk liebt ihn, aber der Adel hasst ihn, weil er seiner Pensionen und Einkünfte beraubt ist, die er bezog. Man verbreitet über ihn grauenhafte, schreck­ liche Verleumdungen. Darf man ihnen Glauben schenken? Sie 204  Maria

Theresia galt als besonders fromm.

205  Friedrich II. 206  Die

Engländer. an Kardinal Tencin gerichtete Brief ist nicht erhalten, vgl. die Anm. 5 von Besterman zu diesem Brief Wilhelmines. Bernis machte sich über den Kardinal lustig, „der darüber erfreut gewesen sei, vor seinem Tod noch eine kleine Rolle zu spielen“, und gab Wilhelmine eine abschlägige Antwort auf ihre Vorschläge, die ihm der Kardinal weiterleitete, vgl. Masson (Hrsg.), Bernis: Mémoires, S. 403. 207  Dieser

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stammen von seinen Feinden. Neid hat alle großen Männer verfolgt, man muss dem noch Groll hinzufügen. Warum ist man nicht taub, wenn er seine Giftpfeile abschießt? … Nochmals: Ich muss aufhören, denn ich merke, dass ich zu viel daherrede. Seien Sie von meiner ganzen Wertschätzung überzeugt und davon, dass ich mein ganzes Leben lang die wahre Freundin des Schweizer Bruders sein werde. Wilhelmine 45 Wilhelmine an Voltaire, [Februar] 1758 [D 7586]208 Brief der Panduren209 an den Bruder in der Schweiz Warum nennen Sie uns schlecht? Zwar plündern wir, verwüsten wir und sind ausgemachte Diebe, das stimmt; aber sind wir deshalb verdammenswerter als diejenigen, welche die Welt regieren, als die Autoren, welche die Gedanken anderer stehlen, und als die Heiligen des Paradieses, die sich das Hab und Gut des Volkes und der Bürger aneignen, um damit Kirchen und Klöster zu gründen? Bestimmt nicht. Lassen Sie uns also mehr Gerechtigkeit widerfahren und wünschen, anstatt uns zu beschimpfen, dass die Herrscher Europas in Zukunft unserem Beispiel folgen, dass sie genauso begierig wie wir darauf sind, Ihre Schriften zu besitzen und dass sie durch ihre Lektüre lernen, zu Philosophen und Panduren der Tugend zu werden. Wenn wir jemals das Glück haben, Sie zu erwischen, werden wir versuchen, Ihren 208  Die Datierung nach den Recherchen von Mervaud, Voltaire et Frédéric II, S. 285 mit Anm. 66–70. 209  Das von Franz von der Trenck (1711–1749) 1741 gegründete und von Maria Theresia im Schlesischen Krieg gegen Preußen eingesetzte Panduren-Freikorps hatte einen äußerst schlechten Ruf. Wilhelmine hat wohl Kenntnis erhalten von einem Brief Voltaires an Luise Dorothea von Sachsen-Gotha vom 4.1.1758 [D 7554], in dem er „Panduren und Kroaten“ anfleht, diesen Brief an die Herzogin passieren zu lassen, vgl. den entsprechenden Hinweis von Mervaud, Voltaire et Frédéric II, S. 285, Anm. 67.

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Geist und Ihr Wissen zu plündern, um uns für Ihre Missachtung zu rächen. Dann werden sich unsere Rosinanten in Pegasusse verwandeln und wir werden Sie mit Hilfe einer gewissen Dame, die sich Vernunft nennt, daran zu hindern wissen, Novenen gegen uns abzuhalten.210 Ich habe alle Ihre Briefe erhalten und beantworte sie jetzt auf einmal.211 Die Rollenverteilung in der italienischen Komödie stimmt nicht so ganz, aber es stünde mir nicht gut zu Gesicht, Ihre Werke kritisieren zu wollen. Wenn ich eine derartige Anmaßung besäße, würde ich es vielleicht riskieren, Ihnen meine Gedanken mündlich mitzuteilen, niemals aber schriftlich. Die Schwester von Mezzetin212 wagt nur, sich in etwas einzumischen, was sie auch etwas angeht, und im Übrigen ist es sehr gefährlich, sich aufs Komödie-Spielen einzulassen, da man riskiert, von den Panduren entführt zu werden oder dass die Schauspieler abgefangen werden. Seit mehr als vier Wochen habe ich nun keinerlei Nachrichten mehr vom König erhalten. Es kann sein, dass er mir geschrieben hat, was ich ganz stark annehme, aber ich glaube, dass seine Briefe vielleicht Wege genommen haben, die nicht hierher führen. Es heißt, dass die Franzosen in Bremen eine kleine Nie­derlage einstecken mussten und es 7.000 Besiegte gab.213 Den Schweden ergeht es ganz schlimm in Pommern. Ihre Kavallerie hat sich auf die Insel Rügen zurückgezogen. Die Infanterie ist in Stralsund, wo man sie eingekesselt hat und wo man sie bombardieren wird. Das ist alles, was ich weiß. Mein preußischer Bruder hat mir den

210  Neuntägige Gebete, Fürbitten oder Trauerandachten in der römisch-katholischen Kirche. 211  Diese Briefe sind offensichtlich verloren gegangen. 212  Eine Dienerfigur der Commedia dell’arte. 213  Der Herzog von Bevern zwang die Franzosen im Februar 1757 zum Rückzug über die Weser, vgl. Duffy, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, S. 224.

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beiliegenden Brief an Sie geschickt. Sie können am Datum erkennen, wie regelmäßig die Briefe hier ankommen.214 Ich bedauere Ihre Verblendung, nur an Gott zu glauben und Jesus Christus zu leugnen. Wie wollen Sie es anstellen, Ihre Sache zu verteidigen? Wenn mich noch etwas amüsieren könnte, dann wäre es, Ihre Verteidigung zu sehen. Leben Sie wohl, lassen Sie bitte von sich hören und geben Sie mir vor allem von meinem Verehrer Nachricht.215 Wolle Gott, dass sie gut ist! Wilhelmine Ich habe vergessen, Ihnen zu sagen, dass ich die Pandurin bin: Ich habe versehentlich ein leeres Blatt Papier anstatt Ihres Briefes, den ich wiedergefunden habe, an den König gesandt.216 Ich habe ihn wieder auf die Reise geschickt. Wenn er wohlbehalten sein Ziel erreicht, werden Sie bald Antwort bekommen. 46 Voltaire an Wilhelmine, Les Délices, den 27. September [1758] [D 7878]217 Madame, Wenn dieses Briefchen Eure Königliche Hoheit in einem Moment der Gesundheit und der freien Zeit anträfe, würde ich Sie bitten, Ihrem Bruder, diesem großen Mann, diese Antwort des 214  Zu diesem Brief ihres Bruders Heinrich vgl. Voltaires Anspielung darauf am 23.2.1758 [D 7647] vgl. Mervaud, Voltaire et Frédéric II, S. 285, Anm. 70. 215  Gemeint ist Kardinal Tencin, von dem sich Wilhelmine immer noch eine Vermittlung zwischen Frankreich und Preußen erhofft, s. o. die Briefe Wilhelmines vom 23.11.1757 [D 7477] und 27.12.1757 [D 7537]. Tencin hatte am 2.2.1758 [D 7615] einen eher vagen – für die Markgräfin – sicherlich enttäuschenden Brief an sie geschrieben, den sie offensichtlich noch nicht erhalten hatte. 216  Voltaires Brief an Friedrich II. vom 22.11.1757 [D 7475]. 217  Dies ist der letzte Brief Voltaires an die Markgräfin, die am 14. Oktober 1758 stirbt.

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Schweizers zu schicken;218 aber meine dringendste Sorge ist es, Sie zu bitten, Tronchin genaue Einzelheiten zu Ihrer Krankheit zu senden.219 Sie hatten nie zuvor, Madame, so viel Grund, das Leben zu lieben. Sie ahnen nicht, wie sehr dieses Leben all denen lieb ist, die das Glück hatten, Eurer Königlichen Hoheit nahe zu sein. Zählen Sie darauf, wenn es jemanden auf der Welt gibt, der in der Lage ist, Ihnen Linderung zu verschaffen und ein so wertvolles Leben zu verlängern, dann ist es Tronchin. Im Namen aller denkenden Menschen, Madame, versäumen Sie nicht, ihn zu konsultieren! Und wenn es nötig wäre, dass er sich zu Ihnen begäbe, oder wenn er nicht dorthin kommen könnte und meinte, dass Sie die Reise [zu ihm] unternehmen könnten, gälte es keinen Augenblick zu verlieren. Es gilt zu leben, alles andere hat keine Bedeutung. Ich bin von Schmerz und Sorge erfüllt; diese Gefühle überwiegen noch die tiefe Ehrerbietung und liebevolle Verbundenheit des alten Schweizer Eremiten-Bruders. V. Ich hoffe, dass Seine Durchlaucht meiner Ansicht ist.

218  Dieser Brief ist nicht erhalten, vgl. Mervaud, Voltaire et Frédéric II, S. 286. 219  Théodore Tronchin (1709–1781), Genfer Arzt und Freund Voltaires, den aber Wilhelmine nicht konsultiert.

Bibliographie Archivalische Quellen Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, BPH Rep. 46, W 20: Briefe der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth an ihre Schwester, Prinzessin Amalie von Preußen.

Primärliteratur Bardong, Otto (Hrsg.), Friedrich der Große, Darmstadt 1982. Bayle, Pierre, The dictionary historical and critical of Mr. Peter Bayle, London (J. J. and P. Knapton) 1734–1738. Berger, Günter (Hrsg.), Ein Heiratsnetzwerk der Aufklärung. Briefwechsel der Großen Landgräfin von Hessen-Darmstadt mit Friedrich  II. und Amalie von Preußen, Berlin 2015. Berger, Günter/Wassermann, Julia (Hrsg.), Bagatellen aus Berlin. Briefe Friedrichs II. an Wilhelmine von Bayreuth, Berlin 2011. Besterman, Theodore (Hrsg.), Les Œuvres complètes de Voltaire/The complete works of Voltaire, Bd. 95, 96, 102  : Correspondence and related documents, Bd. XI, XII, XVIII, Genf 1970–1971. Droysen, Hans (Hrsg.), Tageskalender Friedrichs des Großen vom 1. Juni 1740 bis 31. März 1763, in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 29, 1916, 95–157. [Friedrich  II.], Extrait du dictionnaire historique et critique de Bayle, Berlin (Chrétien Frédéric Voss) 1765. Horn, Georg (Hrsg.), Voltaire und die Markgräfin von Baireuth, Berlin 1865. Koser, Reinhold/Droysen, Hans (Hrsg.), Briefwechsel Friedrichs des Großen mit Voltaire, Bd. 3, Briefwechsel König Friedrichs: 1753– 1778, Leipzig 1911. Mass, Edgar (Hrsg.), Le Marquis d’Adhémar  : La correspondance inédite d’un ami des philosophes à la cour de Bayreuth (Studies on Voltaire and the Eighteenth Century, Bd. 109), Banbury 1973.

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Personenverzeichnis*1 Abrissel, Robert d’ (1045–1117)  55 Adhémar, Antoine Honneste, marquis d‘ (1710–1785)  9, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 30, 31, 33, 34, 35, 39, 40, 41, 42, 43, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 54, 56, 57, 62, 65, 66, 67, 88 Adhémar, Honneste de Monteil de Brunier, comte de Marsanne (1670–1757)  26, 46 Alembert, Jean-Baptiste le Rond d’ (1717–1785)  43 Amalie von Preußen (1723–1787)  20, 27, 32, 33, 34, 51, 83 Ammon, Christoph Heinrich von (1713–1783)  26, 40 Argens, Jean-Baptiste de Boyer, marquis d’ (1704–1771)  62 Argenson, Marc-Pierre, comte d’ (1696–1764)  22 Astrua, Giovanna (1720–1757  )  70 August Wilhelm von Preußen (1722–1758)  32, 80, 81, 83 Baculard d’Arnaud, FrançoisThomas-Marie de (1718–1805)  21, 42

Beaumont, Christophe de (1703–1781)  58 Bernis, François-Joachim de Pierre de (1715–1794)  10, 69, 92 Caesar, C. Iulius (100–44 v. Chr.)  67, 90 Caroline, Landgräfin von Hessen-Darmstadt (1721– 1774)  83 Chambrier, Jean de (1686–1751)  26, 44 Colbert, Jean-Baptiste (1619– 1683)  38 Collini, Cosimo Alessandro (1727–1805)  60 Cori, Angelo (?–?)  27 Corneille, Pierre (1606–1684)  39 Cothenius, Christian Andreas (1708–1789)  43, 44 Damiens, Robert-François (1715–1757)  67 Daun, Josef Leopold, Graf von (1705–1766)  81 Demokrit (ca. 460–380/90 v. Chr.)  91

*  Nicht verzeichnet sind: Voltaire (1694–1778), Wilhelmine von Bayreuth (1709–1758), Friedrich II. (1712–1786) und Markgraf Friedrich III. von Bayreuth (1711–1763).

102 Personenverzeichnis

Denis, Marie-Louise (1712–1784)  21, 23, 24, 31, 59, 60, 62, 63, 64, 74, 87, 89, 91 Destouches, Philippe Néricault (1680–1772)  33 Diderot, Denis (1713–1784)  43 Eickstedt-Peterswald, Friedrich Wilhelm von (1703–1772)  11 Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel, Kaiserin (1691–1750)  29 Elisabeth Petrowna, Zarin (1709– 1762)  36, 69 Ferdinand, Prinz von Preußen (1730–1813)  32 Ferdinand, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern (1721–1792)  82, 83, 84, 88, 94 Folard, Hubert de (1709–1799)  48, 49 Franz I., König von Frankreich (1494–1547)  40 Freytag, Franz Baron von (?–1759)  60, 63 Friederike, Herzogin von Württemberg (1732–1780)  33, 35, 42 Friederike Louise, Markgräfin von Ansbach (1714–1784)  51 Friedrich August II., Kurfürst von Sachsen, König von Polen (1696–1763)  84 Friedrich August III., Kurfürst von Sachsen (1750–1827)  29 Friedrich Christian, Kurfürst von Sachsen (1722–1763)  29 Gerardini, Maddalena, genannt La Sellarina (?–?)  45

Gotter, Gustav Adolf von (1692–1762)  62 Graffigny, Françoise d’Issembourg d’Happoncourt de (1695–1758)  9, 19, 24, 49, 52 Graun, Carl Heinrich (1704/05– 1759)  23, 45 Gresset, Jean-Baptiste (1709– 1777)  36 Gross, Heinrich von (1713–1765)  36 Hadik, Andreas, Graf von Futak (1711–1790)  83 Hasse, Johann Adolf (1689– 1783)  42 Heinrich IV., König von Frankreich (1553–1610)  38, 39, 40 Heinrich, Prinz von Preußen (1726–1802)  27, 32, 36, 47, 51, 85, 86, 94, 95 Helvétius, Claude-Adrien (1715–1771)  58 Hirschel, Abraham (?–?)  36, 38, 39, 40, 41 Hurtaut, Louis, genannt Dancourt (1725–1801)  19, 32, 35 Jeanne d’Arc (ca. 1412–1431)  30 Karl VI., Kaiser (1685–1740)  29 Karl Alexander, Prinz von Lothringen (1712–1780)  87 Karl Eugen, Herzog von Württemberg (1728–1793)  33, 34 Keith, James Edward Francis (1696–1758)  84

Personenverzeichnis103

König, Samuel (1712–1757)  63 La Croze, Mathurin Veyssière de (1661–1739)  55 La Grange-Chancel, Joseph de (1677–1758)  34 La Mettrie, Julien Offray de (1709–1751)  29, 32, 37, 46 La Motte, Antoine Houdar de (1672–1731)  34 Leonardi, Stefano (?–?)  45 Leopold Johann, Erzherzog von Österreich (1716–1716)  29 Leszczynski, Stanislaus (1677– 1766)  25, 26, 46 Le Tellier, François-Michel de Louvois (1639–1691)  38 Liébault, Nicolas-Léopold (1723–1795)  43 Ludwig XIV., König von Frankreich (1638–1715)  38 Ludwig XV., König von Frank­ reich (1710–1774)  11, 26, 67, 73, 78 Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen-Gotha-Altenburg (1710–1767)  7, 62, 65, 67, 68, 93 Lully, Jean-Baptiste (1632–1687)  27 Maria Augusta von Thurn und Taxis, Herzogin von Württemberg (1706–1756)  35, 45 Maria Josepha von Österreich, Kurfürstin von Sachsen, Königin von Polen (1699– 1757)  84 Maria Theresia, Königin von Österreich (1717–1780)  87, 91, 92, 93

Marschall, Ernst Dietrich (1692–1771)  86, 88 Maupertuis, Pierre-Louis de (1698–1759)  25, 61 Mirabeau, Louis-Alexandre de Riqueti, chevalier de (1724– 1761)  71, 72 Montperny, Théodore Camille, marquis de (1711–1754)  19, 25, 31, 32, 35, 41, 42, 47, 48, 51, 53, 56, 57, 65 Moritz, Prinz von Anhalt-Dessau (1712–1760)  80, 83 Mouhy, Charles de Fieux, chevalier de (1701–1784)  55 Nádasdy, Franz Leopold, Graf von (1708–1783)  81, 82 Nepomuk (1320/30–1393)  29 Peter der Große, Zar (1672– 1725)  69 Piccolomini, Enea Silvio (1709–1768)  35 Pöllnitz, Karl Ludwig Wilhelm, Freiherr von (1692–1775)  25, 39, 56 Pompadour, Jeanne-Antoinette, marquise de (1722–1764)  69 Pope, Alexander (1688–1744)  66, 67 Prades, Jean Martin de (1720– 1782)  73 Puisieux, Louis-Philogène de (1702–1770)  22 Racine, Jean (1639–1699)  39, 72 Richelieu, Louis François Armand de Vignerot du Plessis, duc de (1696–1788)  10, 11, 46, 78, 82, 88

104 Personenverzeichnis

Rothenburg, Friedrich Rudolf, Graf von (1710–1751)  25 Seydlitz, Friedrich Wilhelm von (1721–1773)  86 Sophie Christiane von ErbachErbach, Fürstin von NassauSaarbrücken (1725–1797)  65, 66 Sophie Dorothea, Königin in Preußen (1687–1757)  14, 32, 66, 71, 72 Soubise, Charles de Rohan, prince de (1715–1787)  82 Sully, Maximilien de Béthune, duc de (1559–1641)  38, 39, 40 Superville, Daniel de (1696–1773)  17 Tasso, Torquato (1544–1595)  23 Tencin, Pierre Guérin de (1680–1758)  11, 87, 90, 92, 95 Thomas von Aquin (1225–1274)  55 Trenck, Franz von der (1711– 1749)  93

Tronchin, Théodore (1709–1781)  96 Turcotti, Maria Giustina (?–?)  45 Turenne, Henri de La Tour d’Auvergne, vicomte de (1611–1675)  38 Tyrconnell, Richard Talbot, comte de (?–1752)  46 Ulrike, Königin von Schweden (1724–1782)  74 Uriot, Joseph (1713–1788)  34 Wilhelm August, Herzog von Cumberland (1721–1765)  82 Wilhelm Heinrich, Fürst von Nassau-Saarbrücken (1718– 1768)  66 Wilhelmine von Hessen-Kassel (1726–1808)  47, 50 Winterfeldt, Hans Karl von (1707–1757)  81, 82 Zaghini, Giacomo (?–?)  45