Die Brüder des Marquis Posa: Schiller und der Geheimbund der Illuminaten [Reprint 2012 ed.] 9783110965889, 9783484107281

The book investigates the traces left in Schiller's biography, works and thinking by Adam Weishaupt's order of

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German Pages 252 [256] Year 1996

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Die Brüder des Marquis Posa: Schiller und der Geheimbund der Illuminaten [Reprint 2012 ed.]
 9783110965889, 9783484107281

Table of contents :
Inhalt
I. Kontroversen um Posa. Die vergessenen Illuminaten
II. Stuttgart. Jakob Friedrich Abels Illuminatenzirkel
III. Kurpfalz. Wilhelmsbader Konvent, Offensive der Illuminaten, Querelen
IV. Mannheim. Werber, Emissäre, Chefs
V. Rechte der Menschheit. Die Stunde des Marquis Posa
VI. Weimar. Im Kreis Johann Joachim Christoph Bodes
VII. Despotismus der Aufklärung. Illuminatendebatte und »Briefe über Don Karlos«
VIII. Erneuerter Ordensgeist. Der Prinz von Augustenburg, Jens Baggesen und der »Phoenix«
IX. Epilog. Ästhetischer Staat
Nachweis der Abbildungen
Literaturverzeichnis
Personenregister

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Schings · Die Brüder des Marquis Posa

Hans-Jürgen Schings

Die Brüder des Marquis Posa Schiller und der Geheimbund der Illuminaten

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1996

Abdruck des Schiller-Porträts mit freundlicher Genehmigung des Freien Deutschen Hochstifts aus: Katalog der Gemälde. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 1982. Fotografin: Ursula Edelmann. - Die Silhouetten sind Umgestaltungen von Illustrationsvorlagen aus Erhardt D. Stiebner/ Dieter Urban (Hg.): Illustrationsvorlagen = Picture sourcebook. München: Bruckmann 1985.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schings, Hans-Jürgen: Die Brüder des Marquis Posa : Schiller und der Geheimbund der Illuminaten / Hans-Jürgen Schings. - Tübingen : Niemeyer, 1996 ISBN 3-484-10728-6 © Max Niemeyer G m b H & Co. KG, Tübingen 1996 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Ubersetzung, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

I Kontroversen um Posa. Die vergessenen Illuminaten

1

II Stuttgart. Jakob Friedrich Abels Illuminatenzirkel

23

III Kurpfalz. Wilhelmsbader Konvent, Offensive der Illuminaten, Querelen

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IV Mannheim. Werber, Emissäre, Chefs V Rechte der Menschheit. Die Stunde des Marquis Posa VI Weimar. Im Kreis Johann Joachim Christoph Bodes VII Despotismus der Aufklärung. Illuminatendebatte und »Briefe über Don Karlos«

74 101 130 163

VIII Erneuerter Ordensgeist. Der Prinz von Augustenburg, Jens Baggesen und der »Phoenix« I X Epilog. Ästhetischer Staat

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Nachweis der Abbildungen Literaturverzeichnis

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Personenregister

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I. Kontroversen um Posa. Die vergessenen Illuminaten

Ein sehr zeitgemäßes Pathos des Aufbruchs befeuert den » D o n Karlos«. Was Schiller bei seinem spanischen Prinzen und dessen Freund zu finden vorgibt, macht in Wahrheit die Signatur seiner eigenen Zeit aus. »Alles fand ich mir, wie durch einen dienstbaren Geist, dabei in die Hände gearbeitet; Freiheitssinn mit Despotismus im Kampfe, die Fesseln der Dummheit zerbrochen, tausendjährige Vorurteile erschüttert, eine Nation, die ihre Menschenrechte wieder fodert, republikanische Tugenden in Ausübung gebracht, hellere Begriffe im Umlauf, die Köpfe in Gärung, die Gemüter von einem begeisterten Interesse gehoben« 1 - kein Zweifel, Schiller beschreibt hier, optimistisch genug, die geistige Situation der achtziger Jahre des 18. Jahrhunderts, das vorrevolutionäre Jahrzehnt. Die historische Forschung hat seine Befunde bestätigt. AntiDespotismus, Kampf gegen Vorurteile, Einforderung der Menschenrechte, Republikanismus, tätige Aufklärung, allgemeine Gärung, das Bewußtsein, bereits an einer Revolution teilzuhaben - so lauten allenthalben die Parolen der aufgeklärten Eliten in Deutschland. 2 In der Figur des Marquis Posa hat diese Zeit- und Stimmungslage einen literarischen Sprecher ohnegleichen gefunden. Mühelos überspringt seine mitreißende Rhetorik den historischen Abstand auch heute noch. U m so erkältender, ja bestürzender muß die Kritik wirken, die Schiller selbst an seinem enthusiastischen Idol geübt hat, nachträglich, in den »Briefen über D o n Karlos«. Tatsächlich (mit Ausnahme des neunten) >Briefe über Marquis Posas sorgen sie noch immer für Verwirrung. Denn nur vordergründig handelt es sich dabei um das dramaturgische Problem der »sogenannte[n] Einheit des Stückes«. 3 Heikleres steht auf dem Spiel: die moralische Integrität des Marquis Posa. Sucht etwa der Kritiker die ästhetische Qualität seines Stückes zu retten, indem er den Marquis preisgibt? 4 Muß man es hinnehmen, daß der Autor mit sei-

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Briefe über D o n Karlos, Achter Brief; Friedrich Schiller, Werke. Nationalausgabe ( N A ) 22, S. 162. Nahezu gleichlautend die Stichworte bei Rudolf Vierhaus, Politisches Bewußtsein in Deutschland vor 1789, in: Der Staat 6, 1967, S. 175-196. Vgl. auch R. Vierhaus, Deutschland im 18. Jahrhundert. Politische Verfassung, soziales Gefüge, geistige Bewegungen, Göttingen 1987. Briefe über D o n Karlos, Achter Brief, N A 22, S. 161. Eine eher umgekehrte Strategie vermutet Körner in seiner Reaktion auf den ersten Teil der Briefe: » D u giebst Dein Kunstwerk Preis, und willst nur Deine Ideale retten, in die D u verliebt bist.« Körner an Schiller, 11. August 1788, N A 33/1, S.216.

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ner F i g u r n o c h n i c h t f e r t i g g e w o r d e n ist, d a ß er sie k r i t i s c h >weiterdichtet< 5 u n d s i c h d a b e i z u d e n b e f r e m d l i c h s t e n A t t a c k e n v e r s t e i g t ? W i e ist d a s z u b e g r e i f e n ? D i e A p o l o g i e b i r g t , p a r a d o x g e n u g , Z ü n d s t o f f . Sie hat d e n n a u c h d i e F o r s c h u n g i m Streit u m d e n M a r q u i s P o s a z u n e h m e n d e n t z w e i t . Z u s p i t z u n g e n s i n d an d e r T a g e s o r d n u n g . U n d stets l a s s e n s i c h d i e F r o n t e n a u c h d a r a n e r k e n n e n , o b u n d in w e l c h e m M a ß e m a n d e n » B r i e f e n « ein M i t s p r a c h e r e c h t z u g e s t e h t . D a s i n d , auf d e r e i n e n Seite, d i e » B e w u n d e r e r « u n d » V e r e h r e r « , d i e s i c h d e n k o s m o p o l i t i s c h e n M a r q u i s u n d seine B o t s c h a f t nicht r u i n i e r e n l a s s e n m ö c h t e n , a u c h n i c h t v o m A u t o r s e l b s t . 6 » I n D e f e n s e o f M a r q u i s P o s a « heißt ihre L o s u n g , die S c h i l l e r g e g e n s i c h s e l b s t in S c h u t z z u n e h m e n m e i n t . 7 D i e » B r i e f e « e r s c h e i n e n d a n n als p e i n l i c h e r M i ß g r i f f , d e n m a n a m b e s t e n auf s i c h b e r u h e n läßt. B l e i b t f r e i l i c h die F r a g e : w a s ist in d e n A u t o r g e f a h r e n , d a ß er s e i n e n s t r a h l e n d e n H e l d e n d e r a r t d e s a v o u i e r t ? K e i n e s w e g s s c h a f f t m a n ja die » B r i e f e « a u s d e r Welt, i n d e m m a n i h r e B e d e u t u n g f ü r d a s D r a m a h e r u n t e r s p i e l t o d e r einfachhin leugnet. A u f d e r a n d e r e n Seite hält m a n Schillers P o s a - A n a l y s e , d e r e n B r i l l a n z nicht z u ü b e r s e h e n ist, 8 nicht n u r f ü r w e r k - u n d s a c h g e r e c h t , m a n s c h r e i b t ihr d a r ü b e r h i n a u s eine g e r a d e z u p r o p h e t i s c h e K r a f t z u , d i e n i c h t s an A k t u a l i t ä t e i n g e b ü ß t h a b e . I m M a r -

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So Wolfgang Kayser, Schiller als Dichter und Deuter der Größe, Göttingen 1960, S. 18. Schon zu Beginn des IV. Briefs erklärt Schiller, nachdem er die »Unterordnung der Freundschaft« unter den kosmopolitischen Zweck dargelegt hat: » U m einen großen Teil seiner Bewunderer dürfte ihn dieses Geständnis bringen, aber er wird sich mit dem kleinen Teil der neuen Verehrer trösten, die es ihm zuwendet, und zum allgemeinen Beifall überhaupt konnte sich ein Charakter, wie der seinige, niemals H o f f n u n g machen.« N A 22, S. 151. Was sollen die alten (empfindsamen) »Bewunderer« und die neuen (politischen) »Verehrer« erst nach den Befunden der letzten Briefe sagen? Charakteristisch die Irritation von Hermann Hettner. Zunächst Enthusiasmus: »Lediglich in Marquis Posa liegt die unsterbliche Größe und Hoheit dieser Dichtung. Marquis Posa ist die Poesie des politischen Idealismus. [...] Welcher deutsche Jüngling erlebt nicht eine Zeit, in welcher ihm Marquis Posa ein Höchstes ist.« Dann ärgerliche Aburteilung des Stücks und der »Briefe«: » D i e gewaltsame und psychologisch völlig unmögliche Art, wie Marquis Posa mit dem Schicksal seines Freundes Carlos sein waghalsiges Spiel treibt und zuletzt wie ein bankerotter Spieler selbst seinen Tod sucht, ist, soviel sich auch Schillers Briefe über >Don Carlos« abmühen, sie zu erklären und zu verteidigen, nur das Armutszeugnis eines Dichters, der seine Personen nicht von der Bühne zu bringen weiß, weil das ganze Stück von Hause aus falsch angelegt ist.« H.Hettner, Literaturgeschichte der Goethezeit, hrsg. von Johann Anderegg, München 1970, S.271f. Frances Ebstein, In Defense of Marquis Posa, in: the Germanic Review 36,1961, S. 205-220. Jetzt am prononciertesten: Wilfried Malsch, Moral und Politik in Schillers >Don KarlosBriefe über D o n Karlos< von Schiller, in: The Age of Goethe Today. Critical Re-examination and Literary Reflection, hrsg. v. Gertrud Bauer, Sabine Cramer, München 1990, S. 69-103. Hier eine sorgfältige und erhellende Diskussion der gegensätzlichen Standpunkte. Emil Staiger, Friedrich Schiller, Zürich 1967, S.278: » D i e Seelengemälde, welche die >Briefe< von den Hauptgestalten des >Don Carlos< entwerfen, sind die subtilsten und reichsten in seinem ganzen Werk, Glanzstücke einer zum Teil zwar klügelnden, aber doch auch von tiefer Kenntnis des menschlichen Herzens zeugenden Kunst der Selbstinterpretation.« 2

quis k o m m t dann eine scharfsichtig entworfene Warnfigur zu Gesicht, ein »Robespierre [...] ante portas«, 9 der P r o t o t y p des utopischen Idealisten, des Ideologen, des Fanatikers, des »despot of the idea«. 1 0 Ein solches Bild, daran k o m m t man nicht vorbei, zeichnen die »Briefe« in der Tat, gleichgültig, ob man es nun auch auf das Stück selbst überträgt oder nicht, ob man an Robespierre denkt oder an einen >zeitlosen< Typus. Die »Briefe« mit ihrem erstaunlichen Standpunkt stellen eine dringliche und im höchsten Maße erklärungsbedürftige Herausforderung dar. 11 Hier liegen die Versäumnisse der Forschung. Sie hat die »Briefe« als Interpretationsvehikel für das Stück hin und her gewendet, sie verworfen oder z u m Richtmaß der Auslegung erhoben, ohne Aufmerksamkeit dafür, daß sie womöglich mehr als Dramaturgie im Sinn haben, eine Krise bezeichnen, eine Entwicklung resümieren, die v o m unbezweifelbaren Enthusiasmus der ursprünglichen Posa-Konzeption zur

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So pointiert Dieter Borchmeyer, Rhetorische und ästhetische Revolutionskritik: Edmund Burke und Schiller, in: Karl Richter-Jörg Schönert (Hrsg.), Klassik und Moderne. Die Weimarer Klassik als historisches Ereignis und Herausforderung im kulturgeschichtlichen Prozeß. Walter Müller-Seidel zum 65. Geburtstag, Stuttgart 1983, S. 65 - freilich mit der Kautele, »daß der Marquis Posa der Briefe ein anderer ist als im Schauspiel«. Wilfried Malsch, Robespierre ad Portas?, hat die negative Deutungsgeschichte Posas im Zeichen der Französischen Revolution genauer verfolgt. An deren Spitze steht, im Gegenzug gegen die liberale Posa-Begeisterung, Julian Schmidt: »Posa ist eine Schöpfung von 1786; das Gemeingefühl der Welt krystallisirte sich mit all seinen Widersprüchen in dieser Figur. - 1789 trat sie in die wirkliche Geschichte ein, mit den nämlichen Widersprüchen, den nämlichen Illusionen, der nämliche Einseitigkeit; prophetisch hatten die >kritischen Briefe« 1788 auseinandergesetzt, wozu das Ideal führen müsse.« J. Schmidt, Schiller und seine Zeitgenossen. Eine Gabe für den 10. November 1859, Leipzig 1859, S. 103.

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So André von Gronicka in der wohl unerbittlichsten Abrechnung mit Posa: Friedrich Schiller's Marquis Posa, in: the Germanic Review 26, 1951, S. 196-214. Zur »Gronicka-Schule« (W. Malsch) gehören, ob bewußt oder nicht, vor allem Gerhard Storz, Der Dichter Friedrich Schiller, 3. Aufl., Stuttgart 1963, S. 144ff. (»Der Fanatiker und sein Opfer«); Oskar Seidlin, Schillers »Don Carlos« - nach 200 Jahren, in: J D S G 27,1983, S. 477-492 (S. 490: »Nein. Marquis Posa ist kein Robespierre, aber es ist die philosophisch-poetische Größe seines Schöpfers, daß er uns eine Ahnung der tragischen Konfliktsituation vermittelt, zu der ein starres Eingeschworensein auf die kompromißlose Vision eines sozialen und politischen Paradieses so leicht führen kann.«); Karl Konrad Polheim, Von der Einheit des >Don KarlosDon Carlos«, in: Wolfgang Wittkowski (Hrsg.), Verantwortung und Utopie, S. 238-251 (mit Diskussion S. 251-255); Ulrich Karthaus, Schiller und die französische Revolution, in: J D S G 33,1989, S. 210-239 (»In der Grundstruktur ist damit die Gestalt Robespierres bezeichnet [...]»). Die Gegensätze des gegenwärtigen Forschungsstandes repräsentieren am besten die Arbeiten von K.K. Polheim und W. Malsch.

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v. Gronicka traut dem Dichter kein volles Bewußtsein über den - nach seiner Meinung ja durchaus sinistren - Charakter der eigenen Figur zu und betont deshalb: »that Schiller - far from being inconsistent and crude in his delineation of the Marquis - has created in this character with uncommon psychological penetration and considerable skill the timeless paradigm of the ideologue, the >despot of the idea« - without claiming, of course, that this was done by Schiller through conscious calculation and deliberate design« (Schiller's Marquis Posa, S. 199, ähnlich S. 210). Sollte dem so sein, dann erhebt sich doch um so nachdrücklicher die Frage nach der unzweifelhaft mit vollem Bewußtsein abgegebenen Stellungnahme der »Briefe«. 3

Skepsis und zu den unnachsichtigen Urteilen des XI. Briefes führt. Daß eine solche Entwicklung stattgefunden, daß Posa einmal die ganze »Gunst« seines Autors besessen hat, 12 daß diesem das kritische Gericht alles andere als leicht gefallen ist, daran lassen die »Briefe« keinen Zweifel. Gesteht Schiller doch: »dieser Charakter ging mir nahe, aber, was ich für Wahrheit hielt, ging mir näher«. 13 Was ist das für eine »Wahrheit«? Nicht beachtet hat man auch jenen merkwürdigen Satz, der auf den besonderen Realitäts- und Erfahrungsgehalt der Posa-Diagnose pocht: »Und hier, deucht mir, treffe ich mit einer nicht unmerkwürdigen Erfahrung aus der moralischen Welt zusammen, die keinem, der sich nur einigermaßen Zeit genommen hat, um sich herum zu schauen oder dem Gang seiner eigenen Empfindungen zuzusehen, ganz fremd sein kann.« 14 Gleichfalls auf besondere Erfahrung zielt doch auch die rätselhafte Äußerung gegenüber Körner vom 20. August 1788, als die Briefe V-XII, der zweite Teil der »Briefe«, konzipiert werden: »Zugleich gebrauchte ich diese Briefe zu einem Vehikel, allerlei zu sagen, was sich mir da und dort aufgedrungen hat, und zu wenig ist, um in eigener Form behandelt zu werden.« 15 Was hat sich ihm »da und dort aufgedrungen«? Man hat es unterlassen, »um sich herum zu schauen«, nach Erklärungsmöglichkeiten in Schillers Umfeld zu suchen, das zeitgeschichtliche Ambiente zu durchmustern. Und dies, obwohl Schiller selbst Spuren gelegt hat, die auf ein zeitgenössisches Phänomen ersten Ranges hinweisen. Mit dem »Vehikel« der »Briefe über Don Karlos« nimmt er an einer Debatte teil, die just in den Jahren 1787 und 1788 die Gemüter erregt, nicht zuletzt in Weimar. Das einschlägige Schlüsselwort fällt im X. Brief: »Ich bin weder Illuminât noch Maurer, aber wenn beide Verbrüderungen einen moralischen Zweck miteinander gemein haben, und wenn dieser Zweck für die menschliche Gesellschaft der wichtigste ist, so muß er mit demjenigen, den Marquis Posa sich vorsetzte, wenigstens sehr nahe verwandt sein.«16 Die Illuminatensache ist im Spiel. Die Illuminaten hat Schiller im Auge, wenn er an seinen Marquis denkt (die »Maurer« fallen demgegenüber nicht sonderlich ins Gewicht). Wohl setzt er ein deutliches Zeichen der Distanz, was 1788 durchaus angebracht war, um doch im gleichen Atemzug zu erklären, daß der Marquis Posa dem IIluminatismus - zumindest dessen »Zweck« - »sehr nahe verwandt« sei. Ein erstaunliches Bekenntnis. Jetzt leuchtet ein, worum es sich handelt, wenn ebenfalls der Brief an Körner vom 20. August 1788 ominös eine »schlimme Sache« andeutet: »hier hatte ich 12 13 14

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Briefe über Don Karlos, Erster Brief, N A 22, S. 138. Briefe über Don Karlos, Elfter Brief, N A 22, S. 170. Briefe über Don Karlos, Elfter Brief, N A 22, S. 171. Vgl. S. 172 auch die Rede von der »allgemeinen Erfahrung« und einer »nie genug zu beherzigendefn] Erfahrung«. Schiller an Körner, 20. August 1788, N A 25, S. 97. Natürlich ist damit »Schillers sehr grundsätzlich geführte Auseinandersetzung mit dem jetzt als rein theoretisch, künstlich und egozentrisch verstandenen Idealismus des Marquis Posa im elften Brief gemeint« - eine Erklärung für Anlaß und Hintergrund dieser Wende gibt freilich der Kommentar von Eberhard Haufe nicht (NA 25, S.531). Briefe über Don Karlos, Zehnter Brief, N A 22, S. 168. In der ursprünglichen Fassung hieß es noch: »Ich bin weder I- noch M-« (Der Ternsche Merkur, No. 12, December 1788, S. 250; vgl. N A 22, S. 390). Jedermann wußte seinerzeit offenbar sofort, was gemeint war.

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eine schlimme Sache zu verfechten aber ich glaube mich mit Feinheit daraus gezogen zu haben.« 1 7 N o c h einmal: da ist mehr gemeint als ein dramaturgisches Problem. A n illuminatiseli tingiertem Vokabular, an Anspielungen und Reminiszenzen, die den Zeitgenossen nicht entgehen konnten, fehlt es auch zuvor in den »Briefen« nicht. O h n e Mühe lassen sich die Katarakte von Idealen, mit denen Schiller seinen Posa ausstattet, die vielfachen Variationen von »Menschenrepublik, allgemeiner Duldung und Gewissensfreiheit«, auch unter illuminatischen Vorzeichen lesen - wie Schiller es im X . »Karlos«-Brief vorschlägt. D a ß diese kühnen Ideale nun ausgerechnet »in der Nähe Philipps II. und seiner Inquisition« »zur Welt geboren werden«, 1 8 daß unter Druck (»im Kerker«) die Freiheitsträume blühen, legt dem informierten Publikum sogleich den Gedanken an den Ursprung der Illuminaten in Bayern und die Situation ihres Ingolstädter Stifters nahe - nur so darf Schiller überhaupt auf Glaubwürdigkeit seines Arguments hoffen. »Gärung der Köpfe« - das Bild, das uns schon begegnet ist, gehört zu den Lieblingsmetaphern auch der Illuminaten. 1 9 Selbst das »Geheimnis«, unter dem die neuen Ideen »von Freiheit und Menschenadel« dem jungen, »empfängliche[n]» Posa mitgeteilt werden, das Ordensprinzip par excellence also, verwebt Schiller jetzt in die Fabel von Posas Bildung, wie sie der II. Brief erzählt. Dessen Seele, so heißt es da weiter, fühle sich »gleichsam wie in einer neuen und schönen Region, die mit allem ihrem blendenden Licht auf sie wirkt« - das Spiel mit der Metaphorik des Ordensnamens, auch bei anderen Autoren im Schwange, ist schwerlich ein Z u fall. 20 D e r »kosmopolitische Gang«, das immer erneut eingeschärfte Weltbürgertum

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N A 25, S. 97. Briefe über Don Karlos, Zweiter Brief, NA 22, S. 141. Im Jahr 1783 schreibt der Karlsschulprofessor und Illuminât Friedrich Ferdinand Drück: »In tausend Dingen der Aufklärung haben wir kaum erst angefangen, in tausend andern sind wir erst halbwegs vorgerückt, und nur sehr wenig ist, worinn wir es zu einem Grade der Vollkommenheit gebracht haben. Wir haben also noch nicht den vollen Zweck erreicht, zu dem wir hier schon bestimmt sind. Überdies sind gerade jetzt solche Gärungen unter den Menschen, die, wenn mich nicht alles trügt, ein allgemeineres Wohl hervorbringen werden, als bisher noch nicht über die Erde verbreitet war.« (Zit. nach Julius Hartmann, Schillers Jugendfreunde, Stuttgart u. Berlin 1904, S. 129f.) - Herder, ebenfalls (lauer) Illuminât, führt solche »Gärung« ausdrücklich auf die Tätigkeit geheimer Gesellschaften zurück: »Die große Anzahl geheimer Gesellschaften, die meistens nur deswegen geheim sind, weil sie sich ans Licht hervorzutreten nicht wagen, zeigen auch in ihren Mißbräuchen und Verderbnissen, daß eine Gärung da sei, deren Wirkung man nur dadurch zuvorkommt, daß man die Gemüter der Menschen öffentlich auf allgemeine, bessere Endzwecke leitet« (Idee zum ersten patriotischen Institut für den Allgemeingeist Deutschlands, 1787, in: Johann Gottfried Herder, Sämmtliche Werke, hrsg. von Bernhard Suphan, Bd. 16, S. 602). - Der Freiherr von Knigge, für einige Jahre einer der Chefs der Illuminaten, setzt diese Gärung - und auch das ist ein Topos der Publizistik der Zeit - zu den Schriftstellern in Beziehung: »Wenn aber in allen guten Köpfen gewisse kühne Wahrheiten schon gähren; dann pflegen die Schriftsteller zu Hülfe zu kommen, und wohl etwa Gedanken zur Reife zu bringen, die jedoch auch ohne ihr Zuthun, obgleich nicht so früh, allgemein geworden seyn [...]« ([Adolph Frhr. von Knigge], Rückblick auf den, wenn Gott will, für Teutschland nun bald geendigten Krieg. Nebst einigen Erläuterungen, die Propaganda Jacobiner und Illuminaten betreffend, Copenhagen 1795, S.34f.). N A 22, S. 140. Nur ein weiteres Beispiel aus Herders »Idee zum ersten patriotischen Institut

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P o s a s , g e h ö r t z u d e n b e s o n d e r e n M a r k e n z e i c h e n d e r I l l u m i n a t e n . U n d w e n n Schiller ihn a u s d r ü c k l i c h z u m O r d e n s - , z u m M a l t e s e r r i t t e r e r h e b t , k ö n n e n a s s o z i i e r e n d e B e i k l ä n g e gar n i c h t a u s b l e i b e n , z u m a l d i e M a l t e s e r in B a y e r n als R i v a l e n d e r J e s u i t e n galten u n d d e n I l l u m i n a t e n a u s d r ü c k l i c h v o r g e w o r f e n w u r d e , sie s e i e n » d i e T r i e b f e d e r n v o n der E i n f ü h r u n g des M a l t h e s e r - O r d e n s « gewesen.21 N i c h t einmal k a u m versteckte S p i t z e n g e g e n die I l l u m i n a t e n f ü h r e r v e r s a g t Schiller sich. » B e g e i s t e r n d e W a h r h e i ten u n d eine s e e l e n e r h e b e n d e P h i l o s o p h i e m ü ß t e n , d e u c h t mir, in einer H e l d e n s e e l e z u e t w a s g a n z a n d e r m w e r d e n als in d e m G e h i r n eines S c h u l g e l e h r t e n o d e r in d e m a b g e n ü t z t e n H e r z e n eines w e i c h l i c h e n W e l t m a n n s « . W e r s i c h a u s k a n n t e , m ü n z t e d i e a b w e r t e n d e n C h a r a k t e r i s t i k a auf A d a m W e i s h a u p t , d e m m a n s t u b e n h o c k e r i s c h e Weltf r e m d h e i t v o r z u h a l t e n p f l e g t e , u n d auf J o h a n n J o a c h i m C h r i s t o p h B o d e , m i t d e s s e n w e l t m ä n n i s c h e m W e s e n Schiller seine e i g e n e n E r f a h r u n g e n m a c h t e . 2 2 G a r n i c h t a b z u w e i s e n ist s o d e r E i n d r u c k , d a ß Schiller s e i n e n M a r q u i s g e r a d e z u z u e i n e m I l l u m i n a ten a v a n t la lettre stilisiert, z u e i n e m I d e a l - I l l u m i n a t e n o b e n d r e i n , d e n er g e g e n d a s Versagen der O r d e n s f ü h r e r , das gerade p u b l i k g e w o r d e n war, ausspielt.

für den Allgemeingeist Deutschlands«: »Es ist also wohl kein Zweifel, daß je mehr Licht in diesen ungeheuren Wald menschlicher Bemühungen kommt, je mehrere helle K ö p f e und thätige Hände sich zu dem Einen großen Endzweck, der National-Wohlfahrt, verstehen und verbinden lernen: desto mehrere Vestigkeit, Ordnung und Gesetzmäßige Freiheit muß der Staat [...] gewinnen. [...] N a c h unsrer Deutschen Verf aßung sind also alle Bemühungen Ruhmwürdig, die nicht nur Licht zu verbreiten, sondern auch Licht zu vereinigen suchen [...].« Die Formel »helle K ö p f e « werden wir auch bei Karl Leonhard Reinhold und Schiller antreffen. Die Kombination »helle K ö p f e und thätige Hände« geht durchaus über eine allgemeine Anspielung auf die Aufklärung hinaus, zielt auf die Illuminaten - ebenso wie der folgende Hinweis auf die unaufgeklärten Provinzen mit ihren besonderen Illuminationen (Bayern!): »In alle Provinzen von Deutschland sind Stralen dieses Lichts gedrungen: selbst wo man sie mit Gewalt zu verdrängen sucht, machen sie sich Bahn und glänzen in verborgenen Winkeln vielleicht desto stiller und reiner.« (Herder, Sämmtliche Werke, Bd. 16, S. 601f.) 21

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Bemerkungen über einige Originalschriften des Illuminatenordens, welche bey Zwack durch vorgenommene Hausvisitation zu Landshut den 11. und 12. O k t o b . 1786 sollen gefunden [...] worden seyn, Frankfurt u. Leipzig 1787, S.4. Dagegen dann: Anhang zu den Originalschriften des Illuminatenordens, welche auf höchsten Churfürstlichen Befehl zum Druck befördert sind [hrsg. von Franz Xaver von Zwack], Frankfurt u. Leipzig 1787, S. 11, Anm.: »So weiß man z.B. in ganz Baiern, daß die Jesuiten nicht durch die Illuminaten, sondern durch die Einführung des Maltheser-Ordens um ihre Schulen gekommen.« Zu Weishaupt die Schilderung des Freiherrn von Knigge: »Von der andern Seite aber war er damals noch ohne alle practische Menschen-Kenntniß. Die mehrsten seiner Ideen von dem, was sich in der Welt nützlich thun liesse, waren aus Büchern entlehnt, in welchen er freylich mit seltenem Scharfsinne Wahrheit und Weisheit von Vorurtheil, Declamation und Gewäsche zu sichten verstand, sich aber doch nicht enthalten konnte, so richtig er auch aus sich selbst dachte, seine Briefe mit dem S. p. d., den Motto's und den unerträglich gehäuften Citationen aus alten und neuen Büchern auf eine so pedantische Weise auszuschmücken, daß diese Floskeln, dieser Professoren-Ton, den Eindruck schwächten, den sonst seine warme Beredsamkeit machen musste.« (Philo's endliche Erklärung und Antwort, auf verschiedene Anforderungen und Fragen, die an ihn ergangen, seine Verbindung mit dem Orden der Illuminaten betreffend, Hannover 1788, S.60) - Zu Bode, den Schiller als Mittfünfziger kennenlernt, die persönlichen Eindrücke Schillers unten S. 137ff. 6

Mit Händen zu greifen ist schließlich der illuminatische Hintergrund des umstrittenen XI. Briefes. Hätte man ihn erkannt, die Forschung wäre um manche Verlegenheit und Ratlosigkeit ärmer. Die kritische Härte, mit der Schiller Posa jetzt angeht, beruft sich nämlich auf ein leicht zu entschlüsselndes Beispiel: »Nennen Sie mir, lieber Freund - um aus unzähligen Beispielen nur eins auszuwählen - nennen Sie mir den Ordensstifter oder auch die Ordensverbrüderung selbst, die sich - bei den reinsten Zwecken und bei den edelsten Trieben - von Willkürlichkeit in der Anwendung, von Gewalttätigkeit gegen fremde Freiheit, von dem Geiste der Heimlichkeit und der Herrschsucht immer rein erhalten hätte?«23 Nicht ein einziger Kommentar unserer Schiller-Ausgaben nennt uns den »Ordensstifter« und die »Ordensverbrüderung«, die hier gemeint sind. Selbstverständlich handelt es sich um Adam Weishaupt und seinen Illuminatenorden. Die Irrwege und Verderbnisse, die Schiller aufzählt, entsprechen Zug um Zug den Urteilen, die sich Weishaupt gefallen lassen mußte, in einer mit aller Schärfe geführten öffentlichen Debatte, die nach dem Verbot des Ordens durch den bayerischen Kurfürsten Karl Theodor 1784/85, der sich anschließenden Illuminatenverfolgung in Bayern und der Flucht Weishaupts in die Obhut Emsts II. von Sachsen-Gotha mit der Veröffentlichung von illuminatischen Originalschriften 1787 einen Höhepunkt erreicht hatte.24 »Weishaupt ist jezt sehr das Gespräch der Welt«, meldet Schiller am 10. September 1787 aus Weimar dem Freund Körner. 25 Er war im Bilde. Bestimmte Weimarer und Jenaer Zirkel, die Schiller nach seiner Ankunft in Weimar rasch kennenlernte, hatten nur zu sehr Grund für solches Gespräch. Ganz offenkundig modelliert Schiller die Posa-Kritik der »Briefe über Don Karlos« nach Einsichten und Erfahrungen, die er in der Auseinandersetzung mit der »schlimmen Sache« der Illuminaten gewonnen hat. Wie der II. Brief den Aufstieg Posas mit den Ingredienzien eines enthusiastischen Ideal-Illuminatismus schmückt, wie der X . Brief seinen »Zweck« dem des Ordens annähert, so begründet der XI. Brief den Fall des Marquis mit jenen moralischen Gebrechen, die durch die zeitgenössische Illuminaten-Debatte zu Tage gefördert werden. Sind das Erkenntnisse, die Schiller erst nach dem Eklat von 1787 gekommen sind? Die er dann 1788 seinem Stück und seinem Helden nachträglich aufpfropft, um Ungereimtheiten in Handlungsführung und Charakteranlage zu überspielen und zurechtzubiegen? Sollte er solchermaßen, mutwillig geradezu, die »schlimme Sache« der Illu23 24

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N A 22, S. 171. Einige Originalschriften des Illuminatenordens, welche bey dem gewesenen Regierungsrath Zwack durch vorgenommene Hausvisitiation zu Landshut den 11. und 12. Oktob. etc. 1786 vorgefunden worden. Auf höchsten Befehl Seiner Churfürstlichen Durchleucht zum Druck befördert, München 1787; Nachtrag von weitern Originalschriften, welche die Illuminatensekte überhaupt, sonderbar aber den Stifter derselben Adam Weishaupt, gewesenen Professor zu Ingolstadt betreffen, und bey der auf dem Baron Bassusischen Schloß zu Sandersdorf, einem bekannten Illuminaten-Neste, vorgenommenen Visitation entdeckt, sofort auf Churfürstlich höchsten Befehl gedruckt, und zum geheimen Archiv genommen worden sind, um solche jedermann auf Verlangen zur Einsicht vorlegen zu lassen. Z w o Abtheilungen, München 1787. N A 24, S. 153.

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minaten im nachhinein mit seinem Schauspiel verquickt haben? Schiller will es durchaus anders. Keineswegs handle es sich um eine Rückprojektion, erklärt er, vielmehr habe er Posa gezielt die frappierende moralische Katastrophe eingeschrieben: »Es lag in meinem Plan, daß er sich in dieser Schlinge [in Despotismus] verstricken sollte, die allen gelegt ist, die sich auf einerlei Wege mit ihm befinden.« 26 Wieder ist der Fingerzeig deutlich genug - über jene >Weggefährten< braucht nicht gerätselt zu werden. 27 Nicht nur der große »Zweck«, »für die menschliche Gesellschaft der wichtigste«, auch die Verstrickung, die »Schlinge« eines despotisch gewordenen Idealismus verbindet Posa mit den Illuminaten. Das Interesse, das die »Briefe« von 1788 an den Illuminaten nehmen, ist also nicht neu. Es reicht weiter zurück. Liegt hier womöglich der Schlüssel für die merkwürdige, nie ganz aufgeklärte Genese des »Don Karlos«, für den Umbau des Stückes, für die »[n]euen Ideen«, die die »frühern« »verdrängten«, für den Platztausch der Helden, für die Eroberung der Hauptrolle durch den Marquis Posa? 28 Sollte es hiermit eine Bewandtnis haben, die man nicht wahrnehmen (oder wahrhaben) konnte, weil der Kontext, die Geschichte der Illuminaten, aus dem Blickfeld und in Vergessenheit geraten war? Und wie steht es denn mit dem Erfinder Posas, wie mit seiner Erklärung »Ich bin weder Illuminât noch Maurer«? Gewiß, an ihrem Wahrheitsgehalt ist nicht zu rütteln. Warum aber läßt Schiller sich überhaupt auf sie ein? Zeigt sie nicht ebenso Nähe wie Distanz an? Die »Briefe über Don Karlos« legen die Spur, der diese Studie folgen möchte. In der Tat gibt es Kontakte Schillers mit dem Illuminatenorden, die bis in die Stuttgarter Zeit zurückgehen. Und sie fügen sich zu einer regelrechten Geschichte, die Schiller während seiner Krisen- und Wanderjahre begleitet, bis nach Weimar, einer Geschichte, die insonderheit den Dichter des »Don Karlos« prägt - einer geheimen, bislang so gut wie unbekannten Geschichte. Verwunderlich ist das nicht. Auffällig ist ja schon die äußere Koinzidenz der Ereignisse: der Zeitraum von Schillers Lehr- und Wanderjahren, die Zeit also von 17821787/88, identisch mit der Geschichte des »Don Karlos«-Komplexes, deckt sich ziemlich genau mit der Erfolgs- und Verfallsgeschichte des Illuminatenordens, mit der Zeit seiner größten Wirkung. Nach den bescheidenen bayerischen Anfängen der Jahre 1776-1779 erlebt der Orden Weishaupts mit der Eroberung des Freiherrn von Knigge im Jahr 1780 und den großen Werbekampagnen und Acquisitionen der Jahre 1782 und 1783 seine kurze Blütezeit, eine »letzte, hybride Phase des Aufstiegs«, 29 be26 27

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N A 22, S. 172. So möchte Wilfried Malsch (Robespierre ad Portas?) die Warnung auf Personen wie den Rezensenten der »Allgemeinen Literaturzeitung« beziehen, auf die »soziale Schicht meist bürgerlicher, aber auch aristokratischer Intellektueller zwischen den Ständen«, auf den »bürgerliche[n] Idealist[en] am Schreibtisch«, dem mit Hilfe des »Lehrbildfes]« Marquis Posa »die Politikfremdheit der bürgerlichen Aufklärung«, ein »Stück Aufklärung über politisches Handeln« beigebracht werden solle. Briefe über Don Karlos, Erster Brief, N A 22, S. 138. Ludwig Hammermayer, Zur Geschichte der europäischen Freimaurerei und der Geheimge8

Adam Weishaupt (1748-1830)

vor dann 1784 die Serie von Rückschlägen, internen Streitigkeiten und Verboten einsetzt, die den Fall herbeiführt. In kürzester Zeit ist der Orden zur größten Geheimgesellschaft neben der Strikten Observanz herangewachsen. Man schätzt zwischen 600/ 700 und 3000 Mitgliedern - die richtige Zahl dürfte etwa in der Mitte liegen. 30 In Stuttgart wie selbstverständlich in Mannheim, das zum kurpfälzisch-bayerischen Territorium gehört, weniger in Kursachsen, vor allem aber dann in den thüringischen Herzogtümern, namentlich in Weimar, Jena, Erfurt, Gotha, auch Rudolstadt, nahezu an allen wichtigeren Stationen also auf Schillers Weg von Stuttgart nach Weimar, war der Orden tätig, hatte die »Kerntruppe der Aufklärung« 3 1 ihre Niederlassungen, »Pflanzschulen«, »Minervalkirchen« (d.h. Kirchen der Minerva, der Vernunft), ihre Agenten, Werber und Mitglieder aller Grade. Eine neue Jugendbewegung, diesmal im Zeichen aufgeklärter Ideale, griff da um sich und zog just die Generation der um 1760 Geborenen in ihren Bann. Ein »jugendliches Unternehmen« nennt sie treffend Goethes Jarno, der auch, wie Adam Weishaupt, über die Faszinationskraft des Geheimnisses Bescheid weiß: »Die Neigung der Jugend zum Geheimnis, zu Zeremonien und großen Worten ist außerordentlich, und oft ein Zeichen einer gewissen Tiefe des Charakters. Man will in diesen Jahren sein ganzes Wesen, wenn auch nur dunkel und unbestimmt, ergriffen und berührt fühlen.« 3 2 Der Enthusiasmus war außerordentlich. Julie von Zerzog weiß über den Minister Montgelas zu berichten: »Ich werde nie vergessen, mit welcher Wärme Graf Montgelas bei Gelegenheit der Nachricht von dem am 18. November 1830 zu Gotha im 83-sten Jahr erfolgten Tode Weishaupts, also 45 Jahre nach der Aufhebung des Illuminaten-Ordens, von diesen Träumen seiner Jugend sprach. - >Der Minervalgrad des Illuminaten-Ordens< - sagte er unter anderem - >war der Inbegriff der menschlichen Tugend! Es gibt nicht Edleres, nicht Erhabeneres, als das was man da von den Menschen verlangte^« 3 3 Einen besonders faßlichen Eindruck von den Aktivitäten der Jung-Illuminaten und ihrer Oberen verschafft ein anderer bayerischer Ex-Illuminat, der Staatsrat Clemens von Neumayr, in seiner 1828 geschriebenen Autobiographie. Uber die Wirkung des Ordens heißt es da: »Manche glauben, der Illuminaten-Orden habe zu wenige Ausdehnung, und Consistenz gehabt, als daß er je für bedeutend, und ebendarum für gefährlich hätte gehalten werden können; indessen hierin möchten sie sich wohl irren. [...] Der eigentliche Kern des Instituts waren aber seine Zöglinge, der Nachwuchs in den letzten Jahren: man kann annehmen, daß damahls, ohne besonde-

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sellschaften im 18. Jahrhundert. Genese - Historiographie - Forschungsprobleme, in: Eva H . Balázs u.a. (Hrsg.), Beförderung der Aufklärung in Mittel- und Osteuropa: Freimaurer, Gesellschaften, Clubs, Berlin 1979, S.9-68, hier S. 14. D a z u unten Anm. 56. Der Ausdruck von Max Braubach, Der Bonner Professor Oberthür und die Aufklärung in Köln, in: Annalen des Hist. Vereins für den Niederrhein 126,1935, S. 108-157, hier S. 140. Wilhelm Meisters Lehrjahre, hrsg. von Hans-Jürgen Schings, München 1988 (Münchner Ausgabe, Bd. 5), S. 550. Vgl. A d a m Weishaupt, Pythagoras oder Betrachtungen über geheime Welt- und Regierungskunst, Frankfurt u. Leipzig 1790, S.493ff. Zitiert nach Eberhard Weis, Montgelas 1759-1799. Zwischen Revolution und Reform, München 1971, S.40.

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re Zufälle, und Verhältnisse, kaum ein junger Kopf diesen Menschenfahern entgangen ist.« 34 Die Bemerkung geht durchaus über die bayerischen Verhältnisse hinaus. Kaum vorstellbar, daß sich jene >Menschenfaher< den rebellischen Feuerkopf Schiller entgehen ließen. Sie taten es nicht. Gleich mehrere Werbungsversuche, denen die illuminatische Provenienz anzusehen ist, lassen sich in Schillers Briefwechsel nachweisen. Dutzende von Illuminaten, die man eindeutig als solche identifizieren kann, sind ihm persönlich begegnet, ob aus Zufall oder mit Auftrag und Absicht, steht natürlich im Einzelfall durchaus dahin. Darunter befinden sich hochkarätige Ordensmänner, zwei sogar aus der obersten Führungstrias. Auch aus der Schillerschen Biographie gut bekannte Persönlichkeiten entpuppen sich bei näherem Zusehen als Illuminaten. Und selbstverständlich ist bei solchen Recherchen mit einer Dunkelziffer zu rechnen. Das Schweige- und Geheimnisgebot des Ordens sorgt nicht gerade für Transparenz in diesen Angelegenheiten. Es galt nicht nur gegenüber Dritten, Profanen, sondern auch für die Kandidaten und Mitglieder untereinander. So wird der Kandidat dazu angehalten, »gegen Niemand, auch vermeynte Mitglieder, von [Ordens-] Sachen zu sprechen«. 35 Keiner »offenbaret [...] dem andern, wie lang er in dem Orden sei, wer ihn aufgenommen und so weiter.« Man »offenbaret sich nur, insofern man gleich ist«, gleichen Grades also. Das Schweigen soll den Orden vor Verrat schützen, dient aber auch der Festigung der Ordenshierarchie, die ihre Kommandowege von oben nach unten nicht durch Durchsichtigkeit der Strukturen, durch Einblicke von unten nach oben, gestört sehen will. Zwar »müssen [...] den Höhern allzeit die Mindern bekannt sein. Hinauf aber geht diese Einsicht nicht, sondern da kennen sie, die über ihnen sind, nur als ihresgleichen.« 36 Unverblümt lautet die Begründung auch so: »Damit die obern verborgenen Glieder die unteren umso besser beobachten mögen.« 37 Der »Sicherheit der Oberen« gelten zudem besondere Verfahrensregeln für die Korrespondenz. So wird beschlossen, »dass kein Untergebener von seinen Obern nur ein Zeile von [Ordens-] Sachen in Händen habe. Briefe der Obern müssen alsogleich mit der Antwort zurückgesandt werden.« Allenfalls Exzerpte sind erlaubt. 38 Der Revers de silentio, der bei der Aufnahme zu unterschreiben war, faßt die geheimnisbewahrenden Maßnahmen zusammen. Der folgende Text wurde am 11. Februar 1783 eigenhändig von Goethe geschrieben und unterzeichnet: »Ich endes unterschriebner, verpflichte mich bey meiner Ehre und gutem Nahmen, mit Verzicht auf allen geheimen Vorbehalt, von denen mir durch den H. Hof- und Legationsrath Bode

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Hans Schmidt (Hrsg.), Ein bayerisches Beamtenleben zwischen Aufklärung und Romantik. Die Autobiographie des Staatsrats Clemens von Neumayr, in: Zs f. bayerische Landesgeschichte 35, 1972, S. 591-690, hier S.630f. Reform der Statuten der ersten Klasse (1778), in: Originalschriften, S. 30. In den Ordensschriften wird der Illuminatenorden durchweg mit der Chiffre Θ bezeichnet, die hier wie alle anderen stets aufgelöst wird. Statuten der Illuminaten (1776/1778), in: Originalschriften, S. 19. Originalschriften, S.40. Reform der Statuten der ersten Klasse, in: Originalschriften, S.32.

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anvertrauten Sachen, meine Aufnahme in eine geheime Gesellschafft betr. gegen niemanden, auch nicht gegen die vertrautesten Freunde und Verwandte, auf keine irgend mögliche Weise, weder durch Worte, Zeichen noch Blicke, oder sonst niemals nicht das geringste zu offenbaaren, es mag nun diese meine Aufnahme zu Stande kommen oder nicht. Dies um so mehr, da man mich versichert, daß in dieser Gesellschafft nichts gegen den Staat, Religion und gute Sitten unternommen werde. Auch verspreche ich die mir desfalls mitzutheilenden Schrifften und zu erhaltenden Briefe, nach vorher gemachten, außer mir niemand verständlichen, nötigen Auszügen sogleich zurückzugeben. Und wenn ich künftig Ordens Schrifften in meine Gewahrsam bekommen sollte, dieselben besonders verschliesen und mit einer Adresse an ein belehrtes rechtschaffnes Ordensglied versehen will, damit dieselben auf meinen unvorhergesehnen Todtesfall auf keine Weise, Art und Weege in fremde Hände gerathen könne. Dies alles verspreche ich ohne geheimen Vorbehalt und erkläre: daß ich keine Verbindlichkeit von einer andern Gesellschafft auf mir habe, Geheimniße, welche man mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut, andern mitzutheilen, so wahr ich ein ehrlicher Mann bin und seyn will.« 39 Nicht immer und überall mag man sich an die Vorschriften so streng wie Goethe gehalten haben. Immerhin, unter solch konspirativen Umständen blieb vielen lange sogar verborgen, daß der Ingolstädter Professor Weishaupt das Oberhaupt des Ordens war. Und gut kann man sich vorstellen, welche Furcht unter den Ordensmitgliedern um sich griff, als die »Originalschriften« mit brisanten Interna an die Öffentlichkeit kamen. Mit umfänglichen Vernichtungen belastender Dokumente und Korrespondenzen muß gerechnet werden. Wie das Geheimnisprinzip sich bis in unsere unmittelbare Gegenwart auswirken konnte, zeigt wohl am schlagendsten das Schicksal der sog. >SchwedenkisteSchwedenkiste< - in die Obhut der Gothaer Loge »Ernst zum Kompaß« zurück. Neu geordnet, aber weiterhin streng sekretiert, können die Akten nur von wenigen Forschern eingesehen und benutzt werden. Von der Gestapo beschlagnahmt, nach Schlesien ausgelagert, von der Roten Armee nach Moskau verbracht, in den 50er Jahren an das Zentrale Staatsarchiv der DDR in Merseburg zurückgegeben, wieder für Jahrzehnte unter Verschluß gehalten, wurde die >Schwedenkiste< erst Mitte der 80er Jahre wieder für - eine Handvoll - Forscher zugänglich. Inzwischen befindet sie sich, im Gewahrsam der »Großen National-Mutterloge >Zu den drei WeltkugelnSchwedenkiste< enthält, so weit ich sehen konnte, keine Zeugnisse von ihm selbst - ein Beweis mehr dafür, daß er dem Orden tatsächlich nicht angehörte. Doch taucht sein Name in Tagebuchnotizen Bodes auf, die immerhin zeigen, daß er Bode bereits in Mannheim kennengelernt hat. Andere illuminatische Quellen, die unmittelbar ihn betreffen, sind bislang aus seinem Umfeld in Stuttgart, in der Pfalz, in Sachsen und Thüringen nicht aufgetaucht, jedenfalls keine >offiziellen< Ordensdokumente. Angewiesen sind wir deshalb in der Hauptsache auf Spuren, die sich in Schillers Korrespondenz finden. Wer unter solchen Bedingungen recherchiert, findet sich wohl oder übel in die oftmals pedantische Rolle eines Detektivs gedrängt. N u r selten lassen die Quellen lückenlos bündige Beweisführungen zu, da die Belege nicht offen sprechen. Oft muß man sich mit Andeutungen begnügen, Indizien auswerten, Mosaiksteinchen sammeln, in der Hoffnung, daß ihr Ensemble sich doch zu einem Bild zusammenfügt. Im allgemeinen, im großen und ganzen, sind wir über die Illuminaten inzwischen nicht schlecht unterrichtet. Je näher man freilich an den einzelnen Fall und an die Details heranrückt, desto heikler wird die Beweislage. Kommt hinzu, daß die Forschung für Schiller so gut wie keine Hilfe bereitstellt. Eine Sonderrolle nimmt, kaum mehr beachtet allerdings, die ältere masonische 42

Die Entdeckerin Renate Endler bereitet über den Inhalt des X. Bandes einen Bericht f ü r das Jahrbuch »Quatuor coronati« vor. Vgl. D. Kemper, »... die Vorteile meiner Aufnahme«, S.319, A n m . 24.

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Forschung ein. Ihr parteiliches Interesse war darauf aus, Schiller wenigstens so dicht wie möglich an die Freimaurerei heranzuführen, wenn schon die Mitgliedschaft selbst nicht nachzuweisen war. So schreiben Ludwig Keller und Gotthold Deile Schiller ein regelrechtes Wilhelm Meister-Schicksal auf den Leib - zum höheren Ruhme der Maurerei: »Freilich scheint dem Dichter kaum zum Bewusstsein gekommen zu sein, wie eine Reihe von Vorgängen, die sich wie zufällig um ihn abspielten, auf einen bewußten Plan von Männern zurückgingen, die sich zu hohen Zwecken verbunden hatten [ . . . ] - Welche unsichtbaren, aber mächtigen Hände haben unseren Dichter in den entscheidenden Perioden seines Lebens begleitet und geleitet? - Es sind Freimaurer, die ihre schützende Hand unablässig über Schiller gehalten haben.« 43 Der scharfe Blick der Kenner entdeckt nun in der Tat eine beachtliche Reihe von >Maurern< auf Schillers Wegen, mag man auch daran zweifeln, daß alle jene »unsichtbaren, aber mächtigen Hände« nach Plan ins Spiel gekommen sein sollen. Schwerer wiegt ein anderer Mangel, der die Unternehmungen von Keller und Deile gründlich untergräbt und in fast allen Punkten revisionsbedürftig macht: sie sind blind für die Illuminaten und ihre Sonderrolle. Alle Aktionen, vermeintliche und wirkliche, werden umstandsund unterscheidungslos auf das Konto des Maurerbundes verbucht. Das aber heißt eine verwickelte Gemenge- und Spannungslage bis zur Unkenntlichkeit verzerren und die historischen Verhältnisse auf den Kopf stellen. Spätestens seit dem Wilhelmsbader Freimaurerkonvent vom Sommer 1782, auf dem die Illuminaten den rationalistisch-aufgeklärten Flügel der Maurer für sich gewinnen, übernehmen sie die führende Rolle, werden sie im größten Stil zu subversiven Erben, zu Unterwanderern und Okkupanten der Strikten Observanz. Im Bewußtsein ihrer Überlegenheit bestehen sie, bei geschickter Anpassung im Äußerlichen, doch auf scharfer Abgrenzung gegen die Maurerei, was ihnen wiederum von dort offene Feindschaft eintrug. Schon die Verhandlungen in Wilhelmsbad zeigen, daß mit den Illuminaten ein neuer Ton, eine neue ideologische Qualität in das Geheimbundwesen der Zeit eindringt. Fehleinschätzungen sind unvermeidlich, stellt man diese Umstände nicht in Rechnung - zumal Schiller sie in Mannheim zu spüren bekam. Welche Monstrositäten umgekehrt die freimaurerfeindliche Verschwörungstheorie aushecken konnte, zeigt das Schauermärchen vom »Freimaurermord« an Schiller, das insbesondere der Ludendorff-Kreis kolportierte. Das Lexikon von LennhoffPosner teilt die grelle Geschichte in Kurzfassung mit: »Schiller war Mitglied des Illuminatenordens, ebenso Joh. Heinrich Voß, Goethe, Königin Luise, Prinz Louis Ferdinand u.a. Durch die starke Betonung des germanischen Gedankens der persönlichen 43

Gotthold Deile, Freimaurerlieder als Quellen zu Schillers »An die Freude«. Wortgetreue Neudrucke bisher noch unbekannter Quellen mit einer Einleitung »Ueber das Verhältnis der Freimaurer zu Schiller«, Leipzig 1907, S. 5f. Deiles Einleitung bezieht sich in der Hauptsache auf die weiter ausholende Studie von Ludwig Keller, Schillers Stellung in der Entwicklungsgeschichte des Humanismus, Berlin 1905. Scharfen Einspruch gegen die benevolente Rolle, die Keller und Deile den >Maurern< zuerkennen, erhebt hingegen Julius Schwering, Schiller und die Loge, in: J. Schwering, Literarische Streifzüge und Lebensbilder, Münster i.W. 1930, S.217-232.

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F r e i h e i t m a c h t e Schiller s i c h bei d e n O r d e n s o b e r e n m i ß l i e b i g . B e s o n d e r e n A n s t o ß err e g t e d e r >Geisterseher< w e g e n V e r r a t s d e r O r d e n s g e h e i m n i s s e . Schiller w u r d e e r n s t h a f t v e r w a r n t , s c h r i e b a b e r d e n e b e n s o a n s t ö ß i g e n > W i l h e l m Teil«. A l s n u n d e r >Ord e n s s p i o n < V o ß e r f u h r , d a ß d e r D i c h t e r a m >Demetrius< a r b e i t e , b e s c h l o ß d e r O r d e n , Schiller z u t ö t e n . G o e t h e w u ß t e d a r u m , d u r f t e a b e r m i t R ü c k s i c h t auf sein e i g e n e s L e b e n d e n F r e u n d nicht w a r n e n . E r w e i n t e eines N a c h t s l a n g e v o r d e s F r e u n d e s H a u s e , k o n n t e ihn a b e r nicht retten. D i e E r m o r d u n g g e s c h a h a m 9. M a i . S. w u r d e in u n w ü r digster F o r m im K a s s e n g e w ö l b e beigesetzt, n o c h 1826 widersetzte sich der O r d e n d e r U b e r f ü h r u n g in die F ü r s t e n g r u f t . « 4 4 D i e E r r e g u n g , die n a m e n t l i c h M a t h i l d e L u d e n d o r f f s M a c h w e r k » D e r u n g e s ü h n t e F r e v e l an L u t h e r , L e s s i n g , M o z a r t , S c h i l l e r « ( 1 9 2 8 u . ö . ) h e r v o r r i e f , 4 5 v e r s e t z t e o f f e n b a r a u c h d i e S c h i l l e r - F o r s c h u n g in L ä h m u n g . D a s T h e m a w a r >unehrlich< g e w o r d e n u n d erledigt, die I l l u m i n a t e n g e r i e t e n v o l l e n d s ins A b s e i t s . Z w a r g a b es d e n a u s d r ü c k l i c h e n F i n g e r z e i g d e s X . » K a r l o s « - B r i e f s , d e n m a n nicht g a n z ü b e r l e s e n k o n n t e , e b e n s o einen B r i e f an K ö r n e r ü b e r W e i s h a u p t u n d die I l l u m i n a t e n s a c h e . A n l a ß z u w e i t e r g e h e n d e n N a c h f o r s c h u n g e n w u r d e d a s nicht. D e r k n a p p e f r ü h e A u f s a t z v o n D a n i e l J a c o b y b l i e b ein S o l i t ä r . 4 6 D i e A r b e i t e n v o n H a n s S c h u l z , d i e z u m i n d e s t in d i e N ä h e d e r I l l u m i n a t e n g e l a n g t e n , f a n d e n k e i n e R e s o n a n z . 4 7 D a s S t i c h w o r t >Illuminat< b l i e b m a r g i n a l , b i s es schließlich a u s d e r SchillerLiteratur verschwand.48 Selbst die großen » K a r l o s « - K o m m e n t a r e der N a t i o n a l a u s g a 44

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Eugen Lennhoff - O s k a r Posner, Internationales Freimaurerlexikon, Zürich-Leipzig-Wien 1932, Sp. 1392. Vgl. dazu die bestürzende Dokumentation in: Bernhard Zeller u.a. (Hrsg.), Klassiker in finsteren Zeiten 1933-1945. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs im Schiller-Nationalmuseum Marbach am Neckar, 2 Bde., Marbach 1983, hier Bd. 1, S. 228ff. Sie schließt mit einer Anweisung des Propagandaministeriums an die Presse (wohl von 1936, als die Erbitterung der Goethe-Gegner ihren Höhepunkt erreicht hatte): »Erörterungen über Schillers Tod sind verboten; alle Literatur darüber ist beschlagnahmt worden.« Daniel Jacoby, Der Stifter des Illuminatenordens und eine Briefstelle Schillers an Körner, in: Euphorion 19, 1903, S.91-98. Siehe das Literaturverzeichnis. Beispiele: Georg Gottfried Gervinus, Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen, 5. Theil, Leipzig 1842, S. 144: »Sehen wir den angefochtenen Posa in Parallele mit unserer Freiheitsjugend jener Jahre, sehen wir ihn mit Schiller im Verhältnisse zu den Zwecken der Freimaurer und Illuminaten im vorigen Jahrhundert [...], so scheint es überall, als ob sich der Dichter nicht so mit Unrecht für die Rechtfertigung seines Charakters und seines Opfertodes ereifert hätte.« - Emil Palleske, Schiller's Leben und Werke, 5. Aufl., Bd. 2, Berlin 1872 (zuerst 1859), S. 70: »Freimaurer und Illuminaten suchten die Menschlichkeit künstlich und im Geheimen zu pflanzen.« - Von Hermann Hettner hätte man am ehesten Genaueres erwarten dürfen, enthält seine Literaturgeschichte doch ein aus den Quellen gearbeitetes Kapitel über die Illuminaten (Literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts, 2. Aufl., Braunschweig 1872, Tl. III, Buch 2, S. 333-355). Die »Karlos«-Besprechung freilich (vgl. Anm. 6) macht davon keinen Gebrauch mehr. - Erstaunliches hingegen liest man bei Franz Mehring, der freilich Schillers Illuminaten-Spur nur rhetorisch aufgreift, um sie nicht der Aufmerksamkeit, sondern der Verachtung zu empfehlen: »der Freimaurer- wie der Illuminatenorden waren ohnmächtige Anläufe seichter Aufklärung gegen die in ihrer Art großartige Organisation des Jesuitenordens.« »Marquis Posa tritt nun zwar als Ritter des Malteserordens auf, handelt und spricht aber wie ein Ritter des Illuminatenordens. [...] und dabei sehen wir nur, wie Posa 15

be (1985), des Klassiker-Verlags (1989) und der Berliner Schiller-Ausgabe (1987) schleppen es lediglich als Randnotiz mit. Lediglich zwei neuere Arbeiten v o n Rosemarie Nicolai-Haas und Marion Beaujean lassen wieder erkennen, daß der Illuminatenorden w o h l nicht ohne Belang f ü r den » D o n Karlos« ist. 49 Sie nutzen bereits die neue Forschungslage, f ü r die Richard van Dülmen mit seiner Wiederentdeckung der Illuminaten gesorgt hat. 5 0 In der Geschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts hat der O r d e n seitdem Konjunktur. 5 1 Schwer behindert durch die

seine Hand auf den Hebel der politischen Gewalt legen will, sei es nun im Infanten oder im Könige.« »Als Typ des damaligen Freimaurer- und Illuminatenwesens ist Posa vortrefflich herausgekommen, aber als Held des Dichters macht er eine desto miserablere Figur. Doch ist dies Interesse für eine überaus leere Aufklärung nur eine vorübergehende Phase der inneren Revolution gewesen, die sich in Schiller vollzog, als er den Carlos schuf, [...] so ist er auch schon allzuhart dadurch gestraft worden, daß ihm sein sonderbarer Schwärmer« sein schönes Gedicht zerrütet hat.« (Franz Mehring, Schiller. Ein Lebensbild für deutsche Arbeiter, bearb. u. hrsg. von Walter Heist, Berlin 1948 [zuerst 1905], S. 81ff.) - Eine Forschungstradition konnte sich unter diesen Umständen nicht ausbilden. Kein Wunder, daß die Illuminaten schon in den großen Monographien von Jacob Minor (1890) oder Karl Berger (1904) nicht mehr vorkommen, erst recht nicht in den neueren Gesamtdarstellungen von Reinhard Buchwald (4. Aufl., 1959), Benno von Wiese (1959), Gerhard Storz (1959) und Emil Staiger (1967). 49

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Marion Beaujean, Zweimal Prinzenerziehung: >Don Carlos« und >GeisterseherSchwedenkisteSchwedenkiste< benutzen); Adolf Rossberg, Freimaurerei und Politik im Zeitalter der Französischen Revolution, Berlin 1942. - Wichtige Arbeiten zur Bedeutung des Ordens im historischen Kontext: Ernst Manheim, Aufklärung und öffentliche Meinung. Studien zur Soziologie der Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert. Hrsg. u. eingeleitet von N o r bert Schindler, Stuttgart-Bad Cannstatt 1979 (zuerst 1933); Fritz Valjavec, Die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland 1770-1815, München 1951; Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, Frankfurt/M. 1973, zuerst 1959; Klaus Epstein, Die Ursprünge des Konservatismus in Deutschland, Frankfurt/M.Berlin-Wien 1973.

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Vgl. Reinhard Lauth, Nouvelles Recherches sur Reinhold et l'Aufklärung, in: Archives de Philosophie 42, 1979, S. 593-629 (deutsche Fassung in: R. Lauth, Transzendentale Entwicklungslinien von Descartes bis zu Marx und Dostojewski, H a m b u r g 1989, S. 73-110); Hermann Schüttler, Karl Leonhard Reinhold und die Illuminaten im Vorfeld der Französischen Revolution, in: Manfred Buhr, Peter Burg, Jacques d ' H o n d t u.a., Deutscher Idealismus und Französische Revolution, Trier 1988, S. 49-75; Gerhard W. Fuchs, Karl Leonhard Reinhold -

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ohne seine Führungsposition im O r d e n zu würdigen, versteht sich eigentlich von selbst. Doch erst der großen Monographie v o n Pierre-André Bois ist es gelungen, das konventionelle Bild Knigges neu zu kolorieren und die überragende Bedeutung seines illuminatischen Engagements ins Licht zu rücken. 5 4 Eine besonders eklatante Lücke füllen jetzt die Arbeiten Hermann Schüttlers über den Weimarer Ordenschef Bode, insbesondere die gründlich kommentierte Edition des Tagebuchs, das Bode auf seiner Pariser Reise im Jahr 1 7 8 7 anglegt hat. Sie bietet als Einleitung die erste umfassende Monographie zu Bodes Ordensaktivitäten. 5 5 Noch immer hingegen fehlt eine Darstellung des Ordensstifters A d a m Weishaupt. Dringend geboten sind weitere Quelleneditionen, an der Spitze die Erschließung der >SchwedenkisteSchwedenkiste< (allerdings ohne Band X ) auswerten konnte, ist es Schüttler gelungen, weit über 1 2 0 0 Mitglieder auszumachen, durchweg mit bürgerlichem und mit Ordensnamen. 5 6 Darunter befinden sich die besten Adres-

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Illuminat und Philosoph. Eine Studie über den Zusammenhang seines Engagements als Freimaurer und Illuminât mit seinem Leben und philosophischen Wirken, Frankfurt/M. 1994. Fundament für die neuere Forschung ist die gründlich kommentierte Briefausgabe, die besonders den illuminatischen Konnexionen Reinholds nachgeht. Reinhard Lauth, Eberhard Heller u. Kurt Hiller (Hrsg.), Karl Leonhard Reinhold, Korrespondenz 1773-1788, Suttgart-Bad Cannstatt 1983 (Korrenspondenzausgabe, Bd. 1). Hier fehlen allerdings noch die neun Briefe Reinholds an Bode, die sich in der >Schwedenkiste< befinden (Bd. 6, Nr. 206214). Pierre-André Bois, Adolph Freiherr Knigge (1752-1796). De la »nouvelle religion« aux Droits de l'Homme. L'itinéraire politique d'un aristocrate allemand franc-maçon à la fin du dix-huitième siècle, Wiesbaden 1990. Uberholt ist damit die ähnlich angelegte, doch quellenferne Studie von Marino Freschi, Dall'Occultismo alla Politica. L'Itinerario Illuministico di Knigge (1752-1796), Napoli 1979. Johann Joachim Christoph Bode, Journal von einer Reise von Weimar nach Frankreich. Im Jahr 1787. Hrsg. sowie mit einer Einleitung, Anmerkungen, einem Register und einem dokumentarischen Anhang versehen von Hermann Schüttler, München 1994. Vgl. auch H. Schüttler, Johann Christoph Bodes Reise nach Paris im Jahre 1787 und die Loge »Les Amis Réunis«, in: Quatuor coronati Jahrbuch 27, 1990, S. 37-48; ders., Freimaurerei in Weimar. Zum 200. Todestag von Johann Joachim Christoph Bode, in: Ettersburger Hefte 3, Weimar 1995, S. 7-29. H. Schüttler, Die Mitglieder des Illuminatenordens 1776-1787/93, München 1991. Eine nicht sonderlich faire, weithin politisch-ideologische Besprechung liefert W. Daniel Wilson, Zur Politik und Sozialstruktur des Illuminatenordens. Anläßlich einer Neuerscheinung von Hermann Schüttler, in: IASL 19,1994, S. 141-175. - Sehr nützlich auch die »Liste derjenigen Illuminaten im Ober- und Niederrheinischen Kreiße welche in den Jahren 1781 et 1782 angeworben worden«, die Wilhelm Kreutz mitgeteilt und kommentiert hat. W. Kreutz, Die Illuminaten des rheinisch-pfälzischen Raums und anderer außerbayerischer Territorien. Eine >wiederentdeckte< Quelle zur Ausbreitung des radikal aufklärerischen Geheimordens in den 18

sen der Zeit. Kompakt steht damit mehr denn je die Herausforderung vor Augen, die der Orden für die Forschung darstellt. Das Fortschreiten unserer Kenntnisse nötigt dazu, die übervorsichtigen Einschätzungen, die noch van Dülmen zur quantitativen und qualitativen Bedeutung des Ordens abgab, zu revidieren. Die Illuminaten haben die intellektuelle Signatur des vorrevolutionären Jahrzehnts und damit der deutschen Spätaufklärung in einem Maße geprägt, das erst allmählich zu Gesicht kommt. Dabei zählt nicht so sehr die institutionelle Verfassung und das politische Potential des Bundes, die zu einem guten Teil nur auf dem Papier standen, wohl aber die Aufrüstung der Geister, die entschiedene, polemische, organisierte Parteinahme für die Ideale der Aufklärung, die eine durchweg jugendliche Elite, die auch zahlenmäßig nicht zu unterschätzen ist, zu ihrer Sache machte. Daß Aufklärung zu geschehen habe, daß sie zu Tat und Praxis werden müsse, vom einzelnen angefangen bis in die Institutionen des Staates - damit gewinnt die Ideenund Mentalitätsgeschichte der Aufklärung eine neue Qualität, die geeignet ist, die gern wiederholte Floskel von der deutschen Misere schal erscheinen zu lassen. Es herrscht, wir erinnern uns an Schillers Befund, »allgemeine Gärung der Köpfe«, und das ist nicht zuletzt das Verdienst der Illuminaten. N u r zögernd freilich hat das literaturwissenschaftliche Interesse die Illuminaten für sich entdeckt. U n d dies, obwohl feindselige zeitgenössische Stimmen glauben machen wollten, der Illuminatismus habe im großen Stil von Publizistik und schöner Literatur Besitz ergriffen. Insbesondere Friedrich Nicolai traut man nach seinem Beitritt zum Orden »Gewalt und Herrschaft über die Meynungen« zu: »Die ganze große Aufklärungsparthei in Deutschland, der ganze Anhang, den Nicolai in derselben an Mitarbeitern an der allgemeinen deutschen Bibliothek und an deren Lesern hatte, war nun gewonnen. Die hungrigen oder demüthigen Gelehrtlinge, die dem großen Bücherdespoten ihre Geistesgeburthen verkauften, und nach Zeitungslob ängstlich haschten, die Zeitungscomtoire, die Journalfabriken, die Censurtribunäle, die Buchhändler Buden, die Lesebibliotheken und Lesegesellschaften - kurz alles was nur den Anstrich von Erudition vertragen konnte, alles war nun vom Geiste des Illuminatismus imprägniert, demselben von ferne und von nahem affiliirt, und in das Interesse und die Absichten desselben, für manchen unmerkbar, hineingezogen. Daraus erklärt sich nun von selbst der Gang der Wendung, welche die deutsche Litteratur von

J a h r e n 1781 u n d 1782, in: Francia 18, 1991, S. 1 1 5 - 1 4 9 . - E i n e wichtige, in ihrer P r o v e n i e n z , Zuverlässigkeit u n d F u n k t i o n n o c h nicht hinreichend e r f o r s c h t e Q u e l l e stellt d a s s o g . » H e i d e l o f i s c h e Verzeichniß der Illuminaten der M a i n z e r K l u b b s im G e f ä n g n i ß g e s c h r i e b e n « dar, d a s E r i c h H u b b e r t z im N a c h l a ß des E x - I l l u m i n a t e n u n d späteren I l l u m i n a t e n - G e g n e r s L u d w i g A d o l f C h r i s t i a n v o n G r o l m a n n a u f g e f u n d e n u n d transkribiert hat. Ich d a n k e H e r r n Friedrich J o h n Böttner, H a m b u r g , der mir freundlicherweise eine K o p i e z u r V e r f ü g u n g stellte. - D e r Illuminât J a k o b A n t o n Hertel hatte bei seiner A u s s a g e v o m M a i 1787 die Zahl der Mitglieder auf etwa 3 0 0 0 beziffert, Weishaupts S o h n s p r a c h 1830 v o n 2000. R e n é L e F o r e stier, der diese A n g a b e n mitteilt, rechnet mit ca. 2 5 0 0 ( L e s Illuminés, S. 399), R i c h a r d van D ü l men lediglich mit 6 0 0 - 7 0 0 , H e r m a n n Schüttler jetzt mit über 2000 Mitgliedern. D a m i t d ü r f ten sich die S c h ä t z u n g e n auf die richtige Zahl eingependelt haben.

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nun an mit Riesenschritten nahm.« 5 7 Der Parteigeist der Verschwörungstheorie wittert hier überall den Feind. Literaturpolitik aber war dem Orden keineswegs fremd. Organisierte Lektüre, Leselisten, Lesegesellschaften gehörten von Anfang an zu seinen pädagogischen Instrumenten. Und in den Ordenspapieren finden sich merkwürdige Anweisungen, so die folgende, die Weishaupt und Knigge zugeschrieben wird: » D a in der Literatur mehrentheils zu einer Zeit gewisse Grundsätze allgemein Mode und von den schwächeren Köpfen nachgelallt werden, so daß zuweilen religiöse Schwärmereyen, dann unschuldiger Schäferton, dann Ritterwerk, dann Heldenlied, dann Geniewesen u.s.f. das ganze Publikum überschwemmen; so soll man besorgt seyn, unsere auf allgemeines Wohl der Menschheit gehenden Grundsätze auch zur Mode zu machen, damit junge Schriftsteller dergleichen unter das Volk ausbreiten und uns, ohne daß sie es wissen, dienen.« 5 8 Wieland war peinlich berührt, als er mehrere seiner Werke im Lektüreprogramm der Illuminaten wiederfand. Schiller mußte mit ansehen, daß die »Deutsche Union«, eine umstrittene Nachfolgeorganisation der Illuminaten, den » D o n Karlos« auf ihren Kanon setzte. 59 An Reinholds RezensionsPolitik ließe sich studieren, wie solche Lenkung vonstatten ging. Die Vorstöße von Hans Grassi, die schon vor der neu einsetzenden IlluminatenForschung einen Eindruck von der literarischen Ausstrahlung des Illuminatismus vermitteln konnten, blieben gleichwohl die Ausnahme. 6 0 Lediglich die Gattung des Geheimbundromans lenkte wiederholt auch germanistische Aufmerksamkeit auf die Illuminaten. 61 57

[Ludwig Adolf Christian von Grolmann,] Endliches Schicksal des Freymaurer-Ordens in einer Schlußrede gesprochen von B r . " vormals Redner der L o g e zu * * * [Glessen] am Tage ihrer Auflösung, 8.1794, in: [Leopold Alois Hoffmann], Fragmente zur Biographie des verstorbenen Geheimen Raths B o d e in Weimar. Mit zuverlässigen Urkunden. R o m [Wien], auf K o sten der Propaganda, 1795, S.91-109, hier S. 100.

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Die neuesten Arbeiten des Spartacus und Philo in dem Illuminaten-Orden; jetzt zum erstenmal gedruckt und zur Beherzigung bey gegenwärtigen Zeitläuften hrsg. [von Ludwig Adolf Christian v. Grolmann] [Frankfurt/M.] 1793, S. 103. X.Y.Z. oder N e u e Aufschlüsse über die Deutsche Union und Schottische Maurerei. Ein Blick in den innern Gang geheimer Gesellschaften, Berlin 1789, S. 65. Hans Grassi, Aufbruch zur Romantik. Bayerns Beitrag zur deutschen Geistesgeschichte 1765-1785, München 1968; ders., Hölderlin und die Illuminaten, in: Sprache und Bekenntnis - Hermann Kunisch zum 70. Geburtstag, Berlin 1972, S. 13 7-160; ders., Tragende Ideen der illuminatisch-jakobinischen Propaganda und ihre Nachwirkungen in der deutschen Literatur, in: P.Chr. L u d z (Hrsg.), Geheime Gesellschaften, S. 335-366. Rosemarie Nicolai-Haas, Die Turmgesellschaft in Wilhelm Meisters Lehrjahren, Frankfurt/ M. 1975; Michael Voges, Aufklärung und Geheimnis. Untersuchungen zur Vermittlung von Literatur- und Sozialgeschichte am Beispiel der Aneignung des Geheimbundmaterials im Roman des späten 18. Jahrhunderts, Tübingen 1987; Michael Neumann, Die Macht über das Schicksal. Z u m Geheimbundroman des augehenden 18. Jahrhunderts, in: Lit.-wiss. Jahrbuch, N.F. 28, 1987, S. 49-84. Goethes Turmgesellschaft bedürfte aufgrund der neuen Q u e l lenlage noch einmal einer gründlichen Untersuchung. - Thomas Mann bewies jedenfalls einen guten Instinkt, als er in seinem Bildungsroman, der das Geheimbund-Motiv auf seine Weise aufgreift, N a p h t a auch den »Gründer des Illuminatenordens«, Adam Weishaupt, anführen läßt.

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Eine neue Situation ist erst durch die Studie von W. Daniel Wilson zu den Weimarer Illuminaten um Herzog Karl August und Goethe entstanden. 62 Wilson ist der erste Literaturwissenschafter überhaupt, der die wieder zugänglichen Bestände der >Schwedenkiste< sichten und für seine Zwecke auswerten konnte. Dank der vorbildlichen Erschließung einer Vielzahl von bislang unbekannten Dokumenten (keineswegs aller, die einschlägig sind) erhalten wir zum erstenmal einen Einblick in Tätigkeit, Verhandlungen, Diskussionen der obersächsischen Ordensprovinz. Doch nicht um eine Rekonstruktion der Geschichte der Weimarer und Gothaer Illuminaten geht es Wilson, sondern um eine Abrechnung mit den Weimarer Mitgliedern Karl August und Goethe. Der philologische Aufwand geht also eine wenig glückliche Liaison mit einer entlarvenden, ja denunziatorischen Absicht ein, die inzwischen auch den Weg ins Feuilleton gefunden hat. Von Anfang an steht für Wilson fest: Goethe und der Herzog traten dem Bund lediglich bei, um ihn und damit die »Intelligenz« zu überwachen, zu unterdrücken, zu bespitzeln. Daß die Äußerungen Goethes, die Wilson für die Phase des Beitritts heranzieht, der Brief an Lavater vom 22. Juni 1781 oder der an Kayser vom 15. März 1783, für diesen Soupçon nichts hergeben und durchaus anders gelesen werden müssen, wenn man den Kontext kennt, daß die Rückprojektion der späteren Absage an Geheimgesellschaften kein ernsthaftes Beweismittel für die Anfänge darstellt, daß laue Ordenstätigkeit nicht mit Bespitzelung gleichzusetzen ist, ändert am Vorurteil nichts. So sollen wir glauben, daß Goethe den Orden politisch fürchtete, obwohl dieser doch, wie Wilson darzulegen versucht, lediglich eine Variante des aufgeklärten Absolutismus darstellt. Und gegen wen sollten sich die Bespitzelungsaktionen (von denen man nicht das geringste erfährt) eigentlich richten? Wollten Goethe und der Herzog sich selbst unterwandern, den Herzog von Gotha, Bode? Wilson präsentiert, mit welchen Kautelen auch immer, auch dort Antworten, w o er nichts weiß. 6 3 Es scheint ihm entgangen zu sein, daß er, der erbitterte Feind aller r e a k t i o n ä r e r >Verschwörungstheoretiker< (es müßte wohl heißen: Anhänger der Verschwörungstheorie), selbst einer neuen Verschwörungstheorie huldigt. Knapp streift die Arbeit von Wilson auch Schillers Illuminatenkontakte. 6 4 Er macht damit erneut auf einen Sachverhalt aufmerksam, den man seit Hans Schulz vergessen hatte. Es gibt nicht nur eine Illuminatengeschichte um Schiller, die, bis in die Stuttgarter Zeit zurückreichend, um den Komplex des »Don Karlos« kreist. Wir haben es auch mit einer Nachgeschichte zu tun. Mit Jens Baggesen und dem Prinzen Friedrich Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg treten noch einmal begeisterte Illuminatenfreunde an Schiller heran - mit dem bekannten Stipen62

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W. Daniel Wilson, Geheimräte gegen Geheimbünde. Ein unbekanntes Kapitel der klassischromantischen Geschichte Weimars, Stuttgart 1991. Anerkennung der quellenerschließenden Leistung und Ablehnung des spekulativen Uberbaus kennzeichnen auch das Echo der Rezensenten. Vgl. Dirk Kemper in: Aurora 53, 1993, S. 1 9 5 - 2 0 1 ; Ernst-Otto Fehn in: Arbitrium 1993, S. 1 9 3 - 1 9 5 ; Manfred Agethen in: Das 18. Jahrhundert 1 7 , 1 9 9 3 , S.215f.; Michael Holtermann in: Zs. f. dt. Philologie 1 1 2 , 1 9 9 3 , S . 2 9 3 301; Hartmut Reinhardt in: IASL 19, 1994, S. 1 7 6 - 1 8 0 . W. D. Wilson, Geheimräte gegen Geheimbünde, S. 163ff.

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dium, aber auch mit sonderbaren Ordensplänen. U n d das bleibt nicht ohne Folgen für die Briefe an den Augustenburger und das Konzept der ästhetischen Erziehung. So zeichnet sich der doch erstaunliche Umstand ab, daß Fernwirkungen des Illuminatenwesens sowohl »Wilhelm Meisters Lehrjahre« wie die Briefe »Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen« noch erreichen - verwischte und vergessene Spuren.

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II. Stuttgart. Jakob Friedrich Abels Illuminatenzirkel

N i c h t sonderlich viel verraten die bislang zugänglichen Ordensdokumente über die Illuminatenprovinz Schwaben (»Pannonien«), Das kann nicht verwundern, führt doch selbst der Ordensstifter »Spartacus«, A d a m Weishaupt also, heftige Klage darüber, daß sein zuständiger Provinzial, »Mahomet«, »aus seiner Provinz, welche die elendeste von allen ist, allzeit ein Mysterium gemacht« habe. 1 » D a höre ich gar nichts; am allerwenigsten aber von Mahomet, den weiß ich gar nicht einmal, w o er in der Welt existiert [...].« 2 D e r Ordensname »Mahomet«, so viel läßt sich inzwischen mit Sicherheit feststellen, gehört dem Freiherrn Friedrich R o t h von Schrö(e)ckenstein ( 1 7 5 3 - 1 8 0 8 ) , einem Eichstättischen geheimen Rat, der schon 1779 zum Mitglied des höchsten Illuminatengremiums, des »Areopags«, aufsteigt, sich freilich, wohl A n fang 1782, aus Gesundheitsgründen auf seine Herrschaft Immendingen zurückzieht. 3

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Weishaupt an Zwack [1783], Originalschriften, S.384. Weishaupt an Zwack, Nachtrag von weitern Originalschriften I, S. 40. Kritik an »Mahomet« auch S. 72, 78, 96. Vgl. Johann Jacob Gradmann, Das gelehrte Schwaben oder Lexicon der jetzt lebenden schwäbischen Schriftsteller, Ravensburg 1802 (Nachdruck Hildesheim - New York 1979), S.523525. Demnach war Roth von Schreckenstein »churkölnischer Kammerherr, fürstl. Eichstättischer geheimer Rath und fürstl. Kemptischer Erbtruchses, Herr zu Immendingen und Bilafingen«. Aus einem Brief Weishaupts geht hervor, daß »Mahomet« Anfang 1782 nicht mehr in »Erzerum« (Eichstätt) ist (Nachtrag von weitern Originalschriften I, S. 37). Sein Bericht vom 5. Juli 1782 kommt aus »Imendingen«. Uber die Identität »Mahomets« herrscht in der Literatur gelegentlich Verwirrung. So nennt M. Agethen (Geheimbund und Utopie, S.212, Anm. 225) einen Heinr. Carl Frhr. Roth von Schröckenstein, geistlicher Rat und Domkapitular in Konstanz und Freising (den R. van Dülmen, Geheimbund der Illuminaten, S.450, wiederum als »Propertius« führt). Die Illuminaten-Matrikel des renommierten Freimaurer-Forschers Georg Kloss, die man in solchen Fragen mit Gewinn (aber nicht kritiklos) konsultiert, schafft neue Verwirrung dadurch, daß sie noch einen anderen »Mahomet« kennt, Goethes Schwager Johann Georg Schlosser in Emmendingen, und diesen, der tatsächlich Illuminât war, wohl in Verwechslung von »Imendingen« und Emmendingen, als »Provincial in Schwaben« notiert (Georg Kloss, Matrikel des Illuminaten-Ordens, Ms., Archiv des Grand Orient Den Haag, 192. A. 6; Kloss MS 526, S. 26). Schüttler (Mitglieder, S. 140 u. 231 ) übernimmt diese Version und macht dafür Schreckenstein zum Provinzial von Franken (»Illyrica«). Dabei kann kein Zweifel daran bestehen, daß Schreckenstein nach Schwaben gehört. Vgl. etwa den Bericht Jakob Anton Hertels bei van Dülmen, S. 406. Zu Schreckensteins Stuhlmeisterschaft in der Eichstätter Illuminaten-Loge »Pallas zu den 3 Lichtern« vgl. Bernhard Beyer, Freimaurerei in München und Altbaiern. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts, Hamburg 1973, S. 107, S.213f. - Gradmanns Lexikon-Artikel zeichnet mit Sympathie, ohne die Illuminaten zu nennen, das Bild eines Aufklärers: »Er wirkte nicht nur als Rechtsgelehr-

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Lediglich zwei Provinzialberichte »Mahomets« aus dem Jahr 1782 findet man im »Nachtrag von weitern Originalschriften, welche die Illuminatensekte überhaupt, sonderbar aber den Stifter derselben Adam Weishaupt, gewesenen Professor zu Ingolstadt betreffen«. Uber Stuttgart (»Damiata«) erfahren wir da: »1.) Phirro ist noch immer der thätige herrliche Mann, den ich nicht genug loben kann. Sein Q[uibus] L[icet] liegt sub Nr. 3. 2.) Die Academie wird durch seine Verwendung ganz eine Pflanzschule für uns. Pythagoras ist Oberer einer Versammlung aus den edelsten Jünglingen, aber ein unbekannter Oberer, denn selbst einer dieser Jünglinge führt und bildet sie. Sie stellen weder Revers noch sonst etwas aus, sondern werden blos mit der Hoffnung genährt, daß bey ihrem Austritt sie, wenn sie folgsam sind, in eine Verbindung der beßten Menschen kommen sollen.« Ferner habe »Epimenides« »den Sougouverneur des jüngsten Prinzen v. - Th.— B . - « angeworben. 4 Der zweite Bericht, datiert vom 5. Juli [1782] aus Im[m]endingen, meldet Beförderungen: »In Damiata hat Phirro den Pithagoras und H u s die 3 Maurergrade, und den Illuminatus minor mitgetheilt. Der nächste Monatbericht wird nun von ihrer Thätigkeit zeigen.« Folgt die Anfrage, ob neben dem verdienten »Phirro« auch »Ptolomaeus Lagus« mit derartigen Aufnahmen betraut werden solle. 5 Das ist schon beinahe alles. Weitere Mosaiksteinchen fügt lediglich jener Brief Weishaupts an Franz Xaver von Zwack (»Cato«) hinzu, dem wir schon den Zorn über »Mahomet« entnommen haben. » W - (Pirho) ist nicht mehr in Stuttgard, sondern zu Wien.« 6 René Le Forestier, dem noch die Mitgliederlisten des lange verschollenen X . Bandes der >Schwedenkiste< vorlagen, gab den Fingerzeig, der wenigstens das Rätsel »Pirrho« löst, trotz einer kleinen Entstellung: »professeur Werther« (sie). 7 Aus der Autobiographie Jakob Friedrich Abels, die uns natürlich noch beschäftigen muß, kommt die Bestätigung. Der »thätige herrliche« »Phirro« ist Friedrich August Clemens Werthes, der 1783 seine Professur an der Stuttgarter Akademie aufgeben muß und nach Wien geht. 8 U n d kein Zweifel kann daran sein, daß es sich bei »Pythagoras«, der als »unbekannter Oberer« so erfreulich in die Akademie hineinwirkt, um keinen anderen als Abel selbst, den Lieblingslehrer Schillers also, handelt. Der Orden hätte nicht besser wählen können. Er verfügt 1782 über einen Stützpunkt in Stuttgart mit einem Brückenkopf an der Hohen Karls-Schule und hat mit Jakob Friedrich Abel

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ter, sondern auch als Mann von gesundem Verstände, als Kenner und Beurtheiler auch anderer Wissenschaften, der es verstand, darauf es anzulegen, durch Gesetze, politische Verfassung und zweckmäßige Anstalten durch alle Fache einer weisen Staatsverfassung die Menschen zufrieden, gut und glücklich zu machen.« Als Herr zu Immendingen habe er besonders »zur Aufmunterung junger Genies« beigetragen (S.523f.). Nachtrag von weitern Originalschriften I, S. 161. Nachtrag von weitern Originalschriften I, S. 163. Originalschriften, S.384. R. Le Forestier, Les Illuminés, S. 346, Anm. 3. - Die Skepsis, die R. van Dülmen (Der Geheimbund der Illuminaten, S. 63) anmeldet, geht fehl, weil sie die falschen Namen zusammenbringt: » O b dieser Phirro allerdings identisch war mit dem Lehrer Schillers Professor Abel, steht keinesfalls fest.« Vgl. jetzt auch Schüttler, Mitglieder, S. 164. Zu Werthes unten S. 32f. und 45f.

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einen Mann gewonnen, den Ansehen, Beliebtheit und Geistesstatur förmlich für die Rolle des Oberen prädestinieren. Die Bearbeitung der Stuttgarter Akademie, die 1782 zur Universität erhoben wird, war für die Illuminaten geradezu Pflicht. So wollten es die Direktiven, die Weishaupt und Knigge ausgegeben hatten: »Militair-Schulen, Academien, Buchdruckereyen, Buchläden, Dom-Capitel, und alles, was Einfluß auf Bildung und Regierung hat, muß nie aus den Augen gelassen werden, und die Regenten [des Ordens natürlich!] sollen unaufhörlich Plane entwerffen, wie man es anfangen könne, über dieselben G e walt zu bekommen.« 9 An der Entwicklung des Ausdrucks »Bildung« zu einem der Schlüsselwörter der Epoche sind, so scheint es, die Illuminaten maßgeblich beteiligt. Das Wort ist in ihren Texten allgegenwärtig. Bildung - geheimbündlerisch aber, und das hieß »Gewalt« über die Bildungsanstalten (so wie über die Beamtenschaft in der Umgebung der Fürsten). Die H o h e Karls-Schule bot einen Nährboden, wie er günstiger nicht sein konnte: Militärische Disziplin auf der einen Seite, strikteste Reglementierung, im Dienste der wohlmeinenden Absichten des herzoglichen Erziehungs-Despoten, und zugleich, andererseits, eine Unterrichtspraxis, die sich für alle Tendenzen der Aufklärung öffnet, auch dies mit Billigung des Herzogs. So konnten auch in diesem »Kerker« die »schönsten Träume von Freiheit« geträumt werden. 1 0 Das Beispiel Schiller zeigt es. Die Illuminaten wissen es zu nutzen. Als Kristallisationskern der Neuerungen und Anreger von hohen Graden kennen wir den Philosophen Abel. 1772 auf die Solitude berufen, wird er alsbald zur treibenden Kraft und beflügelt die jungen Geister. Gründlich unterrichtet die Schillerforschung über seine Lehrplanreform zugunsten der Philosophie, über seine Vorliebe für die westeuropäische, die empiristische und sensualistische Aufklärung, die selbst die Nähe zum französischen Materialismus nicht scheut, über die Widerstände gegen sein gefährliches Philosophieren, das den »Eindruck der Freigeisterei«, des »Libertinismus sentiendi« hervorruft. 1 1 In dieser intellektuellen Atmosphäre, zu der neben wissenschaftlichen auch politische Gespräche mit dem Lehrer gehören, 1 2 keimt »Frei-

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Die neuesten Arbeiten des Spartacus und Philo in dem Illuminaten-Orden; jetzt zum erstenmal gedruckt und zur Beherzigung bey gegenwärtigen Zeitläuften hrsg. [von Ludwig Adolf Christian v. Grolmann], Frankfurt 1794 (zitiert nach van Dülmen, S. 199). Vgl. auch N a c h trag von weitern Originalschriften II, S. 25ff.

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Briefe über D o n Karlos, N A 22, S. 141.

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Vgl. Reinhard Buchwald, Schiller. Leben und Werk, 4., neu bearb. Aufl., Wiesbaden 1959, S. 154ff.; Kenneth Dewhurst, Nigel Reeves, Friedrich Schiller. Medicine, Psychology and Literature, Oxford 1978; Wolfgang Riedel, Die Anthropologie des jungen Schiller. Zur Ideengeschichte der medizinischen Schriften und der »Philosophischen Briefe«, Würzburg 1985. Vgl. jetzt: Jacob Friedrich Abel. Eine Quellenedition..., hrsg. von Wolfgang Riedel, W ü r z burg 1995.

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So Abels handschriftliche Aufzeichnungen zu Schiller, abgedruckt bei Richard Weltrich, Friedrich Schiller. Geschichte seines Lebens und Charakteristik seiner Werke. Unter kritischem Nachweis der biographischen Quellen, Bd. 1, Stuttgart 1899, S. 8 3 7 - 8 4 4 , hier S. 838.

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heitssinn«. 1 3 Was die Eleven darüber hinaus an Abel fesselt, ist die moderne Wissenschaft par excellence, die er betreibt, die neue Anthropologie - jene physiologisch interessierte Psychologie, eine Mischung aus »Seelenlehre, Menschen- und Naturforschung«, 1 4 die empirische Menschenbeobachtung auf ihre Fahne schreibt und zur pragmatischen Menschenkenntnis anleitet. Sie zieht, wie Johann Wilhelm Petersen berichtet, Schiller zum Medizinstudium. 1 5 »Menschenkenntniß« ist denn auch der Gegenstand vieler Gespräche mit Abel. 1 6 Es trifft sich gut, daß dieses Stichwort auch bei den Illuminaten einen hohen Rang besitzt. Und dies von Anfang an. Denn nicht ohne Überraschung hören wir von Adam Weishaupt, daß just die neue Anthropologie an der Wiege seines Ordens stand. In ihrem Zeichen erfolgte der Aufbruch des Ingolstädter Professors, jene radikale »Veränderung« seiner »ganzen Denkungsart«, die ihn zum Ordensstifter werden ließ. E r datiert sie auf das Jahr 1775 und beschreibt sie als Erwachen aus metaphysischer Schwärmerei - ganz nach dem Muster von Wielands »Agathon«, der nicht von ungefähr an der Spitze illuminatischer Lektürelisten zu finden ist. »Ich hatte vorher der spekulativen Philosophie mit Leib und Seele angehangen und mich in metaphysischen Betrachtungen und Grübeleien so sehr verloren, daß ich mich beinahe ausschließender Weise mit der Metaphysik beschäftigt hatte. Zu meinem großen Glück ward ich um diese Zeit, wider meinen Willen, aus diesem Taumel gerissen und aus der übersinnlichen Welt wieder auf die Erde unter Menschen versetzt, deren nähere Kenntnis durch meine neu erhaltene Stelle mir zur Pflicht und Notwendigkeit gemacht wurde.« Die Initialzündung geht von Johann Georg Heinrich Feders Lehrbuch der praktischen Philosophie aus, über das er zu lesen hat. 1 7 Das antimetaphysische Kennwort heißt »Studium des Menschen«: »Von dieser Zeit fängt sich mein Studium des Menschen und meine praktische Denkungsart an«. 1 8 Was mit »praktischer Denkungsart« gemeint ist, liegt auf der Hand. Die Anthropologie bewirkt nicht nur die Konversion des Metaphysikers zur Aufklärung. Sie gibt dem Ordensstifter zugleich die Rezepte für die innere Organisation einer geheimen Gesellschaft an die Hand. N u r ein Jahr später, am 1. Mai 1776, wird der Orden der »Perfektibilisten« - so der erste Name - aus der Taufe gehoben.

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So Johann Wilhelm Petersen, Schillers Jugendgeschichte. Umrisse, abgedruckt bei Julius Hartmann, Schillers Jugendfreunde, Stuttgart u. Berlin 1904, S. 1 9 2 - 2 0 6 , hier S. 199.

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J. W. Petersen, Schillers Jugendgeschichte, S. 200.

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Ebd. J. F. Abel, Aufzeichnungen, S. 838f. Es erfüllte Weishaupt mit besonderer Genugtuung, daß Feder zu den berühmten Göttinger Professoren zählte, die der Orden für sich gewinnen konnte. Dazu unten S.44. Das Bonner Verbot des Federschen Lehrbuchs, von dem Georg Forster berichtet, dürfte wohl auch mit seiner Rolle als Standardwerk der Illuminaten zu tun haben (vgl. G. Forster, Ansichten vom Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich im April, Mai und J u nius 1790, bearb. von Gerhard Steiner, Berlin 1958 [Werke, hrsg. von der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Bd.9], S.31).

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Adam Weishaupt, Pythagoras oder Betrachtungen über die geheime Welt- und Regierungskunst, Bd. 1, Frankfurt u. Leipzig 1790, zitiert nach Rachold, S.358.

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Ordensregie durch pragmatische Anthropologie, durch Menschenkunde, »Studium des Menschen« - der Plan erwies sich als tragfähig. Mit der ihm eigenen pedantischen Energie baute Weishaupt seine Idee aus. N e b e n dem Geheimnis wurde »Menschenkenntnis« zur Stütze der Ordensdisziplin. 1781 erklärt der Münchner »Areopag«: »Man ist mit Spartacus verstanden, dass Menschen Kenntniss eines der besten Mittel seye, um den vorgesetzten Hauptzweck zu erreichen, auch dass sich davon die Erhaltung einer geheimen Gesellschaft am sichersten versprechen lasse [,..].« 1 9 M e n schenbeobachtung, im großen Stil systematisiert und immer erneut angemahnt, soll sowohl die Bildung wie die Kontrolle der Ordensangehörigen garantieren. D o c h schon bald kehrt das »Mittel« seine bedenklichen Seiten hervor. Unverblümt stellen es die Oberen in den Dienst ihrer Macht. D a ist die Rede von Erlernung der »Kunst [...], sich zu verstellen, andere zu beobachten und auszuforschen«. 2 0 Weishaupt läßt sich gar zu der Äußerung hinreißen, er wolle »jeden zum Spion des andern, und aller« machen. D e r Zweck heiligt das unfreundliche Mittel, lautet er doch »Erkenntniß und Ausreitung der Vorurtheile«. Eine merkwürdige Säkularisierung findet statt: wie das Vorurteil an die Stelle der Sünde, so tritt die illuminatische Gemütsspionage an die Stelle der jesuitischen Beichtpraxis. 2 1 Die Folge war ein gewaltiger Schriftverkehr, unter dessen Last die »Regenten« zu seufzen begannen. Monatlich hatte man ihnen die sog. Quibus licet-Zettel einzureichen. Umfänglichste Fragebögen mit ausgeklügelten Schemata waren von den Mitgliedern zu beantworten. Lebensläufe mußten geschrieben werden. Nicht nur in der Phantasie Weishaupts entstand solchermaßen ein perfektes Uberwachungssystem. Unablässig korrespondierend, glaubte Weishaupt den Orden vom Schreibpult aus regieren zu können, bis in die letzten Verästelungen dank der Materialien zur »Menschenkenntnis«, die ihm von allenthalben zuflössen. N o c h im Jahr 1794 veröffentlicht er, längst im Gothaer Asyl, aber den alten Ideen weiter verhaftet, eine Arbeit »Ueber die Selbstkenntnis, ihre Hindernisse und Vortheile«, die freilich auch bei ihm sehr gewogenen Lesern Kopfschütteln, ja Gelächter auslöst. 2 2 Mehr Erfolg hatte der Freiherr von Knigge (»Philo«), der nach seinem Beitritt im Jahr 1780 rasch zum zweiten Mann des Ordens aufgestiegen war. Kein Wunder, daß

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»Gemeinschaftlicher Schluss des Areopagus über den Zweck, die Mittel und Einrichtung der Gesellschaft.« Aus Franz Xaver v. Zwacks Nachlaß, abgedruckt bei Leopold Engel, Geschichte des Illuminaten-Ordens. Ein Beitrag zur Geschichte Bayerns, Berlin 1906, S. 108— 113, hier S.109.

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Originalschriften, S.40.

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Weishaupt an Zwack, 10. März 1778, Originalschriften, S. 216. Zum Komplex der illuminatischen Menschenführung eingehend: M. Agethen, Geheimbund und Utopie, S. 192ff.

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Vgl. die Briefe Friedrich Christians von Schleswig-Holstein an Jens Baggesen v o m 23. O k t o ber und 5. Dezember 1793, in: Hans Schulz (Hrsg.), Timoleon und Immanuel. Dokumente einer Freundschaft. Briefwechsel zwischen Friedrich Christian zu Schleswig Holstein und Jens Baggesen, Leipzig 1910, S.201 u. 204. Gleichwohl gibt es einen kuriosen Neudruck dieser Schrift: U b e r die Selbstkenntnis, ihre Hindernisse und Vorteile. N a c h dem Originale von 1794 im Auftrage des Illuminaten-Ordens neu hrsg. von Leopold Engel, Dresden 1902. Der Herausgeber, dem auch eine quellennahe Monographie zu den Illuminaten zu verdanken ist, bezeichnet sich dabei als »Custos des Ordens«.

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auch er nach dem verunglückten Illuminatenexperiment als erklärter Menschenkundler hervortritt. Der »Umgang mit Menschen«, der 1788 zum erstenmal erscheint, ist ohne die illuminatische Praxis der Menschenbeobachtung gar nicht zu denken. 2 3 Wie man zu verfahren pflegte, erläutert Knigge selbst in seiner Rechtfertigungsschrift aus dem gleichen Jahr. Sie zeichnet zugleich den Weg von der Arbeit der Illuminaten zur Menschenkunde und Seelen-Semiotik des »Umgangs«-Buches nach. Es versteht sich, daß Knigge dabei die harschen Seiten der Gemütsspionage herunterspielt: »Indem man sich beschäftigt, Andre zu beobachten und zu bilden; so macht man natürlicher Weise Fortschritte in Kenntniß der Menschen überhaupt und in Erkenntniß seiner Selbst insbesondre. Es schien aber wichtig, dies Studium zu der Arbeit eines eigenen Grades des Ordens zu machen, und das geschah in dem großen Illuminaten-Grade, oder schottischen Noviziate. Hier wurden einige tausend Fragen aufgeworfen, nach welchen man den innern und äussern Character des Menschen erforschen sollte. Aus der Vergleichung aller dieser Züge, selbst der kleinsten, unbedeutend scheinenden, liessen sich in der Folge die herrlichsten allgemeinen Resultate für die Menschenkunde ziehn, und nach und nach eine sichre Semiotic der Seele ausarbeiten.« Man erfährt dann aber doch, daß die »großen« die »kleinen« Illuminaten bis in deren »kleinste Herzens-Falten« auszuspähen hatten. Den Nutzen, so will »Philo« glauben machen, hätten die Regierungen davon getragen. Erfahren in der Prüfung der Köpfe, wollten ihnen die Illuminaten mit ihrer Protektion nur die Fähigsten zuspielen. »Da wir nun hier die treuesten Gemälde von allen äussern und innern Eigenschaften der Mitglieder des Ordens vor uns liegen hatten; so wussten wir, wozu Jeder im Staate taugte. Wir hätten also [...] nur die Würdigsten empfohlen, folglich die Pflichten treuer Bürger erfüllt, Jeden an seinen Platz gestellt, und geleistet, was kein Monarch leisten kann.« 2 4 Kaum verschleiert begegnet das illuminatische Erbe selbst noch in »Wilhelm Meisters Lehrjahren«, bewahrt doch die Turmgesellschaft ebenfalls »ein Archiv unserer Weltkenntnis«, bestehend aus den vielen Konfessionen, »die wir teils selbst schrieben, teils wozu wir andere veranlaßten, und aus denen nachher die Lehrjahre zusammengesetzt wurden«. 2 5 Wenn jemand für Menschenkunde nach Art der Illuminaten zuständig war, dann der Stuttgarter »Pythagoras«, Jakob Friedrich Abel. Selbst Pionier der neuen Anthropologie, konnte er sich auf ureigenem Gebiet bewegen. Und lange bevor Weishaupt die Erleuchtung kam, hatte man an der Militär-Akademie schon mit schriftlichen Selbst- und Fremdbeobachtungen experimentiert - auf Befehl des Herzogs. Wir ken-

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Erstaunlich, daß selbst neueste Darstellungen sich diesen Zusammenhang entgehen lassen, so Thomas Pittrof, Knigges Aufklärung über den Umgang mit Menschen, München 1989, oder das Nachwort von Karl-Heinz Göttert zur Reclam-Edition des »Umgang mit Menschen«, Stuttgart 1991, S. 4 5 5 - 4 7 7 . [Adolph Frhr. von Knigge,] Philo's endliche Erklärung und Antwort, auf verschiedene A n forderungen und Fragen, die an ihn ergangen, seine Verbindung mit dem Orden der Illuminaten betreffend, Hannover 1788 (A. Frhr. Knigge, Sämtliche Werke, hrsg. von Paul Raabe, Nendeln 1978, Bd. 12), S. 93-95. M A , Bd. 5, S. 550.

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nen aus dem J a h r 1774 Schillers »Bericht an H e r z o g Karl Eugen über die Mitschüler und sich selbst«, ebenso die R a p p o r t e der Mitschüler. 2 6 N i c h t ausgeschlossen, daß die Anregung von A b e l stammt. D e r Ex-Illuminat Petersen freilich will von jesuitischen Vorbildern wissen. 2 7 D e r Vorwurf, sich jesuitischer M e t h o d e n bedient zu haben, traf später auch Weishaupt. A u c h das Geheimnis hatte in Stuttgart längst F u ß gefaßt, bevor die Illuminaten kamen. Wieder fällt die Parallele zwischen Ingolstadt und Stuttgart ins Auge. M i t einer Handvoll Schüler beginnt Weishaupt sein Werk. Freimaurerische Anregungen sind ebenso im Spiel wie die Kunde von Studentenorden an protestantischen Universitäten. »Von diesen ist der U b e r g a n g zu geheimen Verbindungen, zur Freimaurerei etc. etc. sehr erleichtert«, stellt Weishaupt fest. 2 8 In ihren Anfängen waren die »Perfektibilisten« kaum mehr als ein solcher Studentenbund. G a n z ähnlich ging es aber auch in Stuttgart zu. A u c h dort gibt es einen Geheimzirkel von Professoren und Schülern, der den Illuminaten den Weg bereitet. E r unterscheidet sich durchaus von den Freundschaftsbünden und der poetischen Assoziation, die aus Schillers Akademiezeit bekannt sind. Abels handschriftliche Aufzeichnungen über Schiller berichten: »Schon frühe entstand sogar eine A r t geheimer Verbindung zwischen einigen wenigen Lehrern und mehreren der bessern Zöglinge, die keinen andern Z w e c k hatte, als die Bildung der Zöglinge theils durch die, auf diese Weise verstärckte Einwirkung der L e h r e r auf ihre jungen Freunde theils durch wohlthätigen, unter Leitung jener L e h rer stehenden Einfluß der Zöglinge aufeinander zu befördern. [...] Diese Verbindung war bald m e h r bald minder ausgebreitet und wirksam, aber ganz hat sie, wenigstens so lange ich n o c h Glied der Akademie war u. als solches K e n n t n i ß davon haben k o n n te, nicht aufgehört.« Ausdrücklich bezeugt A b e l die Mitgliedschaft Schillers. » A u c h Schüller] hatte an allem diesem Antheil. E r lebte mit einigen, o b w o h l wenigen L e h rern in inniger Freundschaft er war Vertrauter vieler vortreflicher Jünglinge und besonders auch Glied jener engeren Verbindung u[nd] durch all dieses ward sfeine] M o ralität nicht wenig befördert, E r verließ die Akademie als ein junger M a n n , der nichts höheres kennt als Moralität f...].« 2 9 « M a h o m e t « , so sehen wir jetzt, war gut unterrichtet. Zwanglos reimt sich Schrekkensteins Bericht über den »Pythagoras« an der Akademie auf Abels Mitteilungen. D i e Illuminaten hatten in Stuttgart offenkundig leichtes Spiel; die Infrastruktur war bereits vorhanden. U m so merkwürdiger, daß Abel die Illuminaten an dieser Stelle mit keinem W o r t erwähnt. G e w i ß , sie passen nicht gut in den R a h m e n von A u f z e i c h nungen, die Schillers moralische Bildung im Auge haben. U n d Schiller verließ die Akademie ja bereits im D e z e m b e r 1780, als von Illuminaten in Stuttgart n o c h keine R e d e sein konnte. Wenn aber jene »geheime Verbindung« zumindest bis zu Abels Wechsel nach T ü b i n g e n im J a h r 1790 bestehen blieb, k o m m t man nicht an der A n n a h -

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NA 22, S. 3-16. J. W. Petersen, Schillers Jugendgeschichte, S. 198f. Pythagoras, zitiert nach Rachold, S.355. J. F. Abel, Aufzeichnungen, S.841.

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me vorbei, daß sie seit 1 7 8 1 / 8 2 in die Regie der Illuminateli geriet, und dies unter dem maßgeblichen Einfluß Abels. Erst in der freilich nur handschriftlich überlieferten Lebensbeschreibung bricht Abel sein Schweigen, meldet sich nach Jahrzehnten der ehemalige Stuttgarter Illuminatenchef zu Wort, läßt er Vorgänge und Personen, die beteiligt waren, Revue passieren. Abels Konfession stellt das wichtigste D o k u m e n t zur Stuttgarter Illuminatengruppe dar, das uns bis jetzt zugänglich ist. Ganz unbekannt war es der Forschung nicht. D o c h begnügte man sich sonderbarerweise mit dem knappen Referat in Julius Hartmanns verdienstvollem Werk über Schillers Jugendfreunde, dessen Verkürzungen zwangsläufig zu Fehleinschätzungen und Mißverständnissen führten. 3 0 Die Stelle soll deshalb hier in ihrem authentischen Wortlaut - sie umfaßt in der Handschrift neun Seiten - mitgeteilt werden. 3 1 »Ein wichtiges Mittel war die Rolle, die ich in der Gesellschaft

der Illuminaten

spielte.

Als ich einst mit Hofrath Werthes nach Heidelberg kam u[nd] in dem Hause des jezt zum ersten Male von mir gesehenen Kirchenraths Mieg wohnte, auch mit diesem sehr feinen Mann vertraut wurde, gab mir derselbe zum erstenmale Nachricht von einer geheimen Gesellschaft, welche die Absicht habe, Aufklärung u[nd]alles Gute besfonders] in katholischen Ländern zu verbreiten u[nd] zu befördern, dieses Zwecks auch die Mittel in Händen habe. Zugleich beschrieb er alle ihm bekannten Glieder, von denen er einige mit Namen nannte, als vortreffliche Männer, deren einziger Zweck sey, Gutes in der Welt zu befördern. Endlich ver-

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Vgl. J. Hartmann, Schillers Jugendfreunde, S. 116. Hartmann nennt nicht alle Namen und tut die Sache möglichst rasch ab. Fortan wurden seine Auskünfte unbesehen (oder verzerrt) weitergereicht. Vgl. L. Keller, Schillers Stellung in der Entwicklungsgeschichte, S. 13; G. Deile, Freimaurerlieder, S. 7 (hier werden aus den Illuminaten samt und sonders Freimaurer); Konrad Stetter, Geschichte der Freimaurerei in Württemberg. Erster Teil: Von den Anfängen bis zum Jahre 1835, Berlin 1919, S.66f.; A. Rossberg, Freimaurerei und Politik, S.68f.; R. van Dülmen, Der Geheimbund der Illuminaten, S. 63 (mit Zweifeln, ob Abel Illuminât gewesen sei). Auf Stetter und Rossberg beruft sich jetzt auch H. Schüttler bei seiner Rekonstruktion der Stuttgarter Gruppe (Mitglieder, S. 225). Darüber hinaus nennt er vier weitere Namen (Ayrer, Cotta, Mandelsloh, Wächter), die bei Abel nicht vorkommen. Der Regierungsrat Ayrer ist nicht näher bekannt. Von Christoph Friedrich Cotta heißt es bei Rossberg (Freimaurerei und Politik, S. 69f.) aber nur, die Illuminaten hätten an ihm einen »stolzen Bundesgenossen« gehabt. Karl Eberhard Freiherr von Wächter, hochrangiger Freimaurer der Strikten Observanz, Teilnehmer am Wilhelmsbader Konvent, hoher Diplomat in verschiedenen Diensten, der Mitte 1783 Illuminât geworden ist, paßt jedenfalls nicht recht zur Abelschen Gruppe. Ulrich Lebrecht Graf von Mandelsloh (»Aratus«) dagegen, dessen Mitgliedschaft Schüttler (Mitglieder, S.99) aus der >Schwedenkiste< belegt, war von 1773-1784 Karlsschüler und gehörte 1776 und 1777 zu den Respondenten bzw. Opponenten seines Lehrers Abel (vgl. die Aufstellung der Abel-Schüler bei W. Riedel [Anm. 11]). Warum Abel ihn nicht aufführt, muß offenbleiben. - Die Liste der in den Jahren 1781 und 1782 angeworbenen Illuminaten, die Wilhelm Kreutz veröffentlicht hat, führt für Stuttgart lediglich die Namen Abel, Petersen, Drück und Werter (sie) auf (Die Illuminaten des rheinisch-pfälzischen Raums, S. 144). Lebensbeschreibung des Profeßors, zulezt Prälaten Jakob Friedrich Abel. Von ihm geschrieben. I. Von seiner Jugend bis zu seinem Abgang von der CarlsHohenSchule als Profeßor nach Tübingen. 1751 bis 1790, Ms., Bl. 171-175 (Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Cod. hist. 4° 436, Fasz. I). 30

sprach er mir Schriften zuzusenden, aus denen ich den ganzen Geist der Gesellschaft u[nd] nach denen auch ich selbst m[eine] Handlungsweise einrichten könnte.

einsehen

Voll jugendlichen Eifers u[nd] voll Achtung u[nd] Liehe für Mieg u[nd] für Werthes der bereits Glied der Gesellschaft war, willigte ich ein, behielt mir aber vor, keinen Schritt zu thun, den Pflicht u[nd] Klugheit nicht gestatten. Nach der Zurückkunft nach Stuttgart] nahmen ich u[nd] Werthes bloss uns[ere] vertrautesten Freunde, die zugleich als rechtschaffene Männer sich längst erprobt hatten, auf - Hopff, Regßerungsrat] v. Oetinger, die schon vorher dabey waren, die Prozessoren] Drück, Hochstetter, Offterdinger- Petersen, Fuchs, Hoffmann, nachher Geb[eim]ratb, D[oktor]Flatt nahmen auch theil. H[er]r Oetinger ward Oberer, ufnd] als dieser zum Kammergerichtsass[essor] befördert worden, wurde Werthes, u[nd] als dieser nach Pest als Prof[essor] abgieng, ich zum Obern gewählt. Baron Schrekenstein Eichstädt war unserer Oberer, mit dem wir correspondirten, unter uns standen mehrere Logen zB in Oetingen, selbst einige Mönche in kath[olischen] Klöstern waren uns untergeben. Nun machten wir einen Plan, der ganz k[einen] Zweck hatte, als Verbreit[un]g der Aufklär[un]g u[nd] der Moralitaet. Diese suchte ich durch jedes Mittel bey den mir förmlich Untergebenen herrschend zu machen. Beschwerden über die Regierung reizten, die Verbind]ün]g auch dazu zu gebrauchen, diese zu heben, indem wir sie mittelst unserer Freunde der Welt bekannt machen u]nd] dadurch den Regenten abschrecken wollten. Allein da wir unsere Obern, durch deren [sie] wir uns hätten bedienen müssen, nicht persönlich kannten, so vertrauten wir ihnen nicht u]nd] alle solche Versuche wurden aufgegeben. Was wir von ihnen hörten, war ebensowenig geeignet das Vertrauen zu vermehren. U]nd] endl[ich] thaten uns auch die Schriften, die wir von der Gesellschaft erhielten, u]nd] ihre Geseze immer weniger Genüge. Ich erklärte endlich dem K[irckenrat] Mieg offen, daß ich u]nd] mfeine] hiesige Freunde dieselbe als ein Gemische von ächt moralischen, stoischen, freymäurerischen Säzen ansehen, die einem denckenden Mann keineswegs Genüge leisten könnten. Mieg antwortete, daß da diese Schriften die Bestimmung haben, auch solche besonders unter den Katholfiken] u[nd] den Vornehmen anzulocken, für welche gerade solche Sätze den grösten Reiz besizen, so verdiene es Entschuldigung, ob er wohl zugestehe, daß bereits gebildeten Männern manches anstößig seyn könne. Ich gab M[ieg] einstweilen beruhigende Antwort. Allein der Vorsaz, nichts, wo man nicht ganz hinaus sehe, zu thun, ward desto fester. Uberhaupt wurden wir, so viel man uns auch von der grossen u[nd] nüzlichen Thätigkeit des Ordens vorsagte, doch immer zweifelhafter. U]nd] wirklich zeigte es sich immer mehr, daß die Herrscher weder ganz aufgeklärte, einen jenem Zweck angemessenen Plan zu entwerfen fähige, noch ganz rechtschaffene Männer seyen; besonders vermochten mehrere den Regungen des Ehrgeizes nicht zu widerstehen. Daher sie die Gewalt, die ihnen der Orden gab, zw[ecks] politischer Unternehm]un]g u]nd] zur Befriedigung der Herrschsucht misbrauchten. Auch zog dieses bald Uneinigkeiten unter den Herrschern nach sich. Indessen hieng freylich das meiste vorzüglich von den Obern ab, u[nd] daher war es nicht an allen Orten gleich. Die schlechtesten Logen waren in der Hauptstadt Bayerns. Förmlichkeiten führten wir nie ein. Auf einmal brach die Verfolgung der Illuminaten in Bayern aus - ihre Schriften wurden bekannt gemacht, Weishaupt, der Stifter, muste entfliehen. Wir waren in grosser Angst, dass in den gedruckten Illuminaten Schriften auch der Stuttgarter Loge u[nd] unserer Namen gedacht werden möchte; allein glücklicherweise kam nichts vor, u[nd] wir kamen mit der Angst davon. Nun hoben auch wir die Correspondenz auf, 31

u[nd] ob wir wohl als Freunde in engster Verbindung blieben, so war desh[alb] doch die Ges[ellschaft] aufgehoben. Überdencke ich die Folgen, so war der Nuzen nicht ganz unbedeutend. Wir noch Verbundene verbanden uns zur engsten Freundschaft, die durch das ganze Leben blieb, einige vorher nicht verbunden gewesene, Hoffmann, O etinger wurden Verbundene. Auch mit einigen Auswärtigen, Meiners u[nd] Spittler, ward die Verbindung, wenigstens mit mir, enger -. Die Verbindung mit unsem Obern hatte keinen Vortheil, denn offenbar waren wir ihnen an Einsicht überlegen. Dagegen vermehrte sich doch unsere Weltkenntniß u[nd] unser Nachdencken über solche Gegenstände erhöhte unsere Aufklär[un]g darüber. Die Lebensbeschreibfunjg Andreae war es. Endlich wirkteich doch dadurch bey andern einiges Gute; so gelang es mir zB. durch den Obervogt in Oetingen das kath[olische] erweit[erte][?] Gesangbuch in der kath[olischen] Kirche daselbst zu befördern. Die Beschäftigung mit dieser Art von Gegenständen, das Bey spiel eines Valentins Andreae u[nd] d[er]g[leichen] hatten in mir so grossen Eifer für die Welt wirksam zu werden, hervorgebracht, daß ich meinte, ich müsse überall einwirken, u[nd] daß ich eine Art von Gewißensvorwurf fühlte, wenn etwas Schlimmes geschah, als ob ich verbunden gewesen wäre, dieses zu hindern.« Leider verzichtet Abel, inzwischen Prälat und Generalsuperintendent, der seine Memoiren im späten Alter niederschreibt, auf eine genauere Chronologie der Ereignisse, die insbesondere für die Aufhellung der Anfänge sehr erwünscht wäre. Angewiesen sind wir deshalb auf die bekannten Daten aus der Biographie v o n Friedrich August Clemens Werthes, der offenbar die Rolle des Initiators (»Phirro«) bei der Gründung der Stuttgarter Illuminatengruppe spielt. Ende 1781 übernimmt Werthes die Professur für italienische Literatur an der Akademie, bereits im Frühjahr 1783 wird er entlassen, nachdem er den Unwillen des H e r z o g s erregt hat. Sein Weg führt ihn, mit Empfehlungen seines alten Lehrers Wieland, 3 2 aber auch solchen der Illuminaten, 33 über Wien nach Pest, w o ihn der Kaiser am 13. Oktober 1784 z u m Professor der schönen Wissenschaften ernennt. Wahrscheinlich aus politischen Gründen verliert er nach dem Tod Josephs II. 1791 erneut seine Stelle, kehrt nach Württemberg zurück, privatisiert, erhält dann als Redakteur des Regierungsblattes den Titel eines Hofrats (mit dem ihn Abel einführt). 3 4 Demnach wird Abel 1783 z u m Chef der Stuttgarter Illuminaten gewählt. D i e Reise z u m Heidelberger Mieg, die Werthes natürlich gezielt einge32

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Zum Besuch Werthes' in Weimar am 29./30. Juni 1783 vgl. Thomas C. Starnes, Christoph Martin Wieland. Leben und Werk. Aus zeitgenössischen Quellen chronologisch dargestellt, 3 Bde., Sigmaringen 1987, Bd. 1, S.740. Der Präsident der böhmisch-österreichischen Hofkanzlei, Tobias Philipp Frhr. von Gebler, an den Wieland Werthes empfiehlt, gehörte möglicherweise dem Orden an (vgl. Schüttler, Mitglieder, S.59). Vom Umgang mit dem »Bruder Werthes« in Wien berichtet der weitgereiste Illuminât Friedrich Münter. Ojvind Andreasen (Hrsg.), Aus den Tagebüchern Friedrich Münters. Wander- und Lehrjahre eines dänischen Gelehrten, 3 Bde., Kopenhagen und Leipzig 1937, Bd. 1, S.71 u. 120. Vgl. ADB, Bd. 42 (1897), S. 132f.; Gradmann, Das gelehrte Schwaben, S. 771. Schüttler (Mitglieder, S. 164) datiert Werthes' Eintritt in den Orden auf Anfang 1782. Zur kurzen Karlsschulzeit sehr knapp: Robert Uhland, Geschichte der Hohen Karlsschule in Stuttgart, Stuttgart 1953, S. 162. 32

fädelt hat, muß 1781 oder 1782 stattgefunden haben. »Mahomets« Provinzialbericht vom September 1782 vermeldet bereits die illuminatische Tätigkeit von »Phirro« und »Pythagoras«. Der Freiherr Roth von Schreckenstein erscheint richtig als der Provinzialobere von Schwaben und Mittelsmann zur bayerischen Ordensspitze. Nach Knigges »National-Directions-Tabelle von Teutschland« gehören zur Provinzial-Direktion von Schwaben auch »Oeningen, Fürstenberg, Abteyen, Reichsstädte«. 3 5 So kommt die Oberhoheit der Stuttgarter über Oettingen, w o Schreckenstein die W ü r de eines kaiserlichen Subdelegations-Commissarius bekleidete, 36 und über die Mönchs-Illuminaten zustande. Die Ordensniederlassung in Oettingen (»Tybur«), schon 1780 gegründet, zählt zu ihren acht Mitgliedern zwei Geistliche. 37 Da jedoch die Beziehungen zu den bayerischen »Herrschern« von Anfang an nicht recht in Gang kommen, was ja seinerseits auch Weishaupt beklagt, halten sich die Stuttgarter an den ihnen persönlich bekannten Kirchenrat Mieg. Nachdem Abel dessen propagandistische Fähigkeiten am eigenen Leibe gespürt hat, bleibt Mieg der ideologische Ratgeber, bestehen die persönlichen Kontakte fort. Johann Friedrich Mieg (1744-1811) 3 8 ist nicht von ungefähr Provinzialoberer der Rheinpfalz (»Epictet«). Er muß zu den agilsten Werbern des Ordens gezählt werden. Wie sehr man ihn schätzt, zeigt ein Brief Weishaupts von Anfang 1782: »Er ist beynahe unser beßter Mann: nur ist er oft ein wenig zu hitzig, sonst unverbesserlich: hat schier die ganze Pfalz unter das Commando des [Ordenjs gebracht. In jedem Landstädtchen sind ein oder zwey: in Thessalonien selbst aber fängt er erst an zu arbeiten.« 3 9 »Thessalonien« ist Mannheim. Wir beginnen zu ahnen, warum Mieg auch Schillers Wege kreuzen wird. Zu denken ist dabei nicht nur an die vermittelnde Rolle Abels. Auch Schillers enger Freund Johann Wilhelm Petersen (1758-1815), den Abel zu seinen Illuminaten zählt, kommt in Betracht, wenn man erfährt, daß dessen Bruder Karl Ludwig Petersen (1746-1827), der als Syndikus in Speyer eine bedeutende illuminatische Aktivität entfalten wird (»Belisarius«), schon in den 70er Jahren mit Mieg Freundschaft ge-

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Nachtrag von weitern Originalschriften II, S. 160f. Vgl. Schüttler, Mitglieder, S.248f. Gradmann, Das gelehrte Schwaben, S.524. Schüttler, Mitglieder, S.221. Nach Oettingen gehört der Mönchs-Illuminat Franz Xaver Bronner, der in seiner Autobiographie ausführlich seine Illuminaten-Erlebnisse (aus Eichstätt) beschreibt (F.X. Bronner, Ein Mönchsleben aus der empfindsamen Zeit. Von ihm selbst erzählt, 2 Bde., Stuttgart o. J., Bd. 1, S.263ff. - freundlicher Hinweis von Richard van Dülmen). Nicht identisch mit dem Johann Friedrich Mieg der A D B (Bd. 21, S. 71 Iff.), wie van Dülmen (Der Geheimbund der Illuminaten, S.447) und der Kommentar N A 23, S. 335 annehmen. Vgl. G. Chr. Hamberger, J. G. Meusel, Das gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller, 5. Aufl., 1797, Bd.5, S.239f.; Schüttler, Mitglieder, S. 105. Nachtrag von weitern Originalschriften I, S. 66. Vgl. auch A . Rossberg, Freimaurerei und Politik, S. 68; R. van Dülmen, Der Geheimbund der Illuminaten, S. 64; M. Agethen, Geheimbund und Utopie, S. 178f.; W. Kreutz, Die Illuminaten des rheinisch-pfälzischen Raums, S. 120f. Uberliefert ist ein detaillierter Provinzialbericht Miegs vom September 1782 (Nachtrag von weitern Originalschriften I, S. 172f.).

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schlossen hat. Beide hielten sich in Wien auf, Petersen im Dienst des H e r z o g s Ernst II. von Sachsen-Gotha, Mieg als holländischer Gesandtschaftsprediger. Beide stießen schon in Wien zu den Freimaurern. 4 0 Kann es da überraschen, daß Mieg sich für den Bruder des Freundes einsetzt, als die Mannheimer »Kurfürstliche teutsche Gesellschaft« 1784 einen Preis zu vergeben hat? Verblüffend aber doch, daß Miegs Partner in dieser Angelegenheit Schiller sein wird. 4 1 D o c h kehren wir zu Abels Illuminatenliste zurück. A u c h Philipp

Heinrich

Hopfff] ( 1 7 4 7 - 1 8 0 4 ) , seit 1783 Professor, später Rektor des Stuttgarter Gymnasium illustre, mag als Hofmeister in Wien bereits auf Mieg gestoßen sein. 4 2 Wie Werthes und H o p f gehört auch der (spätere) Regierungsrat von Oetinger bereits zu den Illuminaten, als die Stuttgarter ihre Arbeiten beginnen. F ü r kurze Zeit erhebt man ihn zum Oberen. 4 3 Die Reihe der Karlsschul-Professoren, die Abel aufzählt, ist aus der Forschung gut bekannt. Friedrich Ferdinand D r ü c k ( 1 7 5 4 - 1 8 0 7 ) lehrt seit 1779 an der Akademie alte Sprachen und Altertümer, mit großer Resonanz. 4 4 Johann Heinrich Hochstetter ( 1 7 5 1 - 1 7 9 6 ) ist dort seit 1776 ordentlicher Professor der Rechte, wird 1787 Syndikus in Frankfurt/M. und 1793 Württembergischer Landschaftskonsulent in Stuttgart. 4 5 Philipp August Offterdinger ( 1 7 4 9 - 1 7 9 2 ) , 1772 als Lehrer für Geographie, Geschichte und Latein an die Karlsschule berufen, wird 1779 an das Stuttgarter Gymnasium versetzt. 4 6 Wilhelm Petersen, seit seiner Entlassung aus der Akademie im Jahr 1779 Unterbibliothekar, avanciert 1788 zusammen mit Drück zum Bibliothekar und wird

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Vgl. Adolf Petersen, Chronik der Familie Petersen, 2 Tie., München 1895/1898, I, S. 12; W. Kreutz, Die Illuminaten des rheinisch-pfälzischen Rauras, S. 120. Vgl. Schillers Brief an Petersen vom 1. Juli 1784, NA 23, S. 150ff. - Noch am 28. März 1792 richtet Mieg eine »freündschaftliche Empfehlung« zugunsten eines jungen Pfälzers an Schiller und schließt mit dem Wunsch: »Gott Erhalte und stärke Ewer Wolgeboren theüre gesundheit, und lasse noch vielen edlen Jünglingen ihnen das Glück ihrer ausbildung und politischen Veredlung verdancken!« (NA 34/1, S. 145). Gradmann, Das gelehrte Schwaben, S.248f. Die Identifikation kommt zu keinem ganz sicheren Ergebnis. Der Name taucht 1777 auf der Liste der Loge »Zu den drei Zedern« auf. Vgl. L. Keller, Schillers Stellung in der Entwicklungsgeschichte des Humanismus, S. 17; Konrad Stetter, Geschichte der Freimaurerei in Württemberg, S. 66. Ein v. Oetinger (Ordensname »a Sede curuli«) nimmt als Beobachter an den Wilhelmsbader Verhandlungen von 1782 teil (Reinhold Taute, Der Wilhelmsbader Konvent und der Zusammenbruch der Strikten Observanz, Berlin o.J., S. 55). Uber ihn ausführlich: J. Hartmann, Schillers Jugendfreunde, S. 123-142; ferner R. Uhland, Geschichte der Hohen Karlsschule, S. 159 u. 341. Auf Drucks Vorlesungen führt man Schillers Interesse an Plutarch und Vergil zurück. Vgl. R. Weltrich, Friedrich Schiller, S. 245f. Gradmann, Das gelehrte Schwaben, S.239f.; R. Uhland, Geschichte der Hohen Karlsschule, S. 143 und 337. In seiner Dissertation »De praescriptione consuetudinis« gab Hochstetter der Demokratie den Vorzug vor der Monarchie. Abel hat den Freund in einem (handschriftlichen) Nachruf ausführlich gewürdigt (Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Cod. hist 4° 436, Fasz. XII). R. Uhland, Geschichte der Hohen Karlsschule, S.92. 34

J a k o b F r i e d r i c h A b e l (1751-1829)

1790 Professor für Diplomatik und Heraldik. 47 Der gelehrte Stiftsdiakonus George Daniel Fuchs (173?-1783), den Nicolai in seiner Stuttgarter Beschreibung gleich nach Abel anführt, 48 dürfte der Ordensbruder sein. Der nächste auf Abels Liste ist Johann Daniel Hoffmann (1740-1824), von 1767 bis 1790 Professor für Staatsrecht und Reichsgeschichte in Tübingen, in Stuttgart dann württembergischer geheimer Rat mit vielen Funktionen. 49 Johann Heinrich Flatt (1759-1821) wird 1782 Repetent, 1785 außerordentlicher Professor der Philosophie in Tübingen, nach dem Erwerb des theologischen Doktorgrades 1792 auch außerordentlicher Professor der Theologie, Superintendent, Stadtpfarrer, Frühprediger. 50 Die Stuttgarter »Loge« oder »Minervalkirche« umfaßt also, wenn Abel sich richtig erinnert, auch Mitglieder aus Tübingen. Darüber hinaus erwähnt Abels sparsamer Rapport zwei berühmte auswärtige O r densmitglieder, die Göttinger Professoren Ludwig Timotheus Spittler und Christoph Meiners. Nicht länger kann man daran zweifeln, wie es geschehen ist, 51 daß beide sich zu den Illuminaten bekannt haben. Die enge, durch den Orden befestigte (Spittler) oder erst eingeleitete Verbindung (Meiners) trug denn auch Früchte. Der Philosoph Meiners (»Dicearch«) war Initiator der beiden Göttinger Rufe, die Abel 1785 und 1788 erreichen. 52 Von dem Historiker Spittler (»Bayle«) wird noch die Rede sein. Die Klammer der Stuttgarter Illuminatengruppe bilden längst eingewurzelte und dann lang anhaltende Freundschaften unter Gleichgesinnten. Auffällig viele Mitglieder haben das Tübinger Stift durchlaufen (Abel, Drück, Flatt, Hopf, Hochstetter, Offterdinger). Beseelt vom Willen zur Wirksamkeit, verschreiben sich diese jungen Intellektuellen jenem »intimen Aktivismus«, 53 jener tätig werdenden Aufklärung, wie sie der Illuminatenorden im großen Stil verheißt und zu organisieren verspricht. Verbreitung von Aufklärung und Moralität lautet auch in Stuttgart die Parole. Sie klingt nicht nur von fern an das »Sittenregiment« Weishaupts an. 54 Eher verhalten erinnert 47

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Vgl. A. Petersen, Chronik der Familie Petersen, II, S. 7ff.; J. Hartmann, Schillers Jugendfreunde, S. 186-213; Reinhard Buchwald, Wilhelm Petersen. Bibliothekar und Schriftsteller. 17581815, in: Schwäbische Lebensbilder, hrsg. von der Württembergischen Kommission für Landesgeschichte, Bd. 4, Stuttgart 1948, S. 187-195. Johann Georg Meusel, Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 Verstorbenen teutschen Schriftsteller, Bd. 3, Leipzig 1804, S.559, Vgl. Friedrich Nicolai, Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz, im Jahre 1781, 12 Bde., Berlin, Stettin 1783-1796, Bd. 10 (1795), S. 82. Gradmann, Das gelehrte Schwaben, S.245; ADB, Bd. 12 (1880), S.593. Hoffmann ist Mitglied der Stuttgarter Loge »Zu den drei Zedern«. Vgl. Winfried Dotzauer, Freimaurergesellschaften am Rhein. Aufgeklärte Sozietäten auf dem linken Rheinufer vom Ausgang des Ancien régime bis zum Ende der napoleonischen Herrschaft, Wiesbaden 1977, S. 39. Balthasar Haug, Das gelehrte Wirtenberg, 1790; Gradmann, Das gelehrte Schwaben, S. 149f.; ADB, Bd. 7 (1877), S. 103. R. van Dülmen, Der Geheimbund der Illuminaten, S.63f. J. Hartmann, Schillers Jugendfreunde, S. 116f. So die treffende Formel von Ernst Manheim, Aufklärung und öffentliche Meinung, S. 107ff. Vgl. R. van Dülmen, Der Geheimbund der Illuminaten, S. 115ff.

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sich Abel an politische Absichten und Opposition gegen den Herzog, gar nicht hingegen an die orthodoxiefeindlichen Seiten des Illuminatismus. Leicht kann man sich denken, wie Abel den großen Zweck zu erreichen gewillt war - mit Hilfe jener Menschenkunde und Menschenkenntnis, die, längst sein bevorzugtes Gebiet in Lehre und Forschung, nun auch als Instrument der Ordensdisziplin und der illuminatischen Erziehung zur Moralität eingeschärft wurde. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Berufung auf Johann Valentin Andreae. Mit ihr stellt sich Abel in eine zugleich schwäbische wie reformerisch-utopische Tradition, die freilich wegen ihrer rosenkreuzerischen Konnotationen umstritten war. Daß es mit Abels Angaben seine Richtigkeit hat, zeigt die längere Abhandlung über das »Leben Johann Valentin Andreä's«, die Petersen 1782 vorlegt, im »Wirtembergischen Repertorium der Litteratur«, das er gemeinsam mit Abel, Schiller und Atzel herausgibt. 5 5 Im Lichte von Abels Konfession liest sich der Text nicht länger als antiquarischer Streifzug. In der verdeckten Schreibweise des Historiographen kommt vielmehr ein Vorläufer und Eideshelfer der Stuttgarter Illuminaten zu Gesicht, an dem sich ihr Selbstverständnis formiert. Petersens Andreae-Biographie ist durchsetzt mit illuminatischer Semantik und Konterbande. Auch hier wird das 16. Jahrhundert als Vorstufe der Aufklärung gefaßt. »Neugebohrnes Licht gerieth mit der tausendjährigen Finsterniß in einen kühnen Streit«. 5 6 Das leuchtende Ziel, das sich ankündigt, heißt »sittliche Weltverbesserung«. 5 7 Das Mittel, das Andreae in seiner Lage in Anschlag zu bringen gezwungen ist, besteht in der Gründung einer geheimen Gesellschaft, zunächst in Form eines Freundschaftsbundes. » E r betrat daher beinahe mit aller seiner Anstrengung den andern Weg, die Menschheit durch Darstellung ihrer Mängel zu erleuchten, und durch Freu[n]de und

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[Johann Wilhelm Petersen,] Leben Johann Valentin Andreä's, in: Wirtembergisches Repertorium der Litteratur. Eine Vierteljahr-Schrift. Zweites Stück (1782), S. 2 7 4 - 3 8 5 . Petersen greift damit in eine Debatte über die Herleitung der Freimaurerei von den Rosenkreuzern ein, die im selben Jahr Nicolai und Herder ausgetragen haben. Vgl. Friedrich Nicolai, Versuch über die Beschuldigungen, welche dem Tempelherrenorden gemacht worden, und über dessen Geheimniß; Nebst einem Anhange über das Entstehen der Freymaurergesellschaft, 2 Bde., Berlin, Stettin 1782; Johann Gottfried Herder, Historische Zweifel über das Buch: Versuch über die Beschuldigungen ... nebst einem Anhange über das Entstehen der Freimäuerergesellschaft, Teutscher Merkur, März 1782, S. 2 2 4 - 2 5 5 , April 1782, S. 4 6 - 8 3 , Juni 1782, S. 2 3 2 - 2 5 2 (J.G. Herder, Sämmtliche Werke, hrsg. v. Bernhard Suphan, Bd. 15, S . 5 7 - 1 2 1 ) . Dazu: H o r s t Möller, Aufklärung in Preußen. Der Verleger, Publizist und Geschichtsschreiber Friedrich Nicolai, Berlin 1974, S.41ff. Nicolai besaß eine Spezialbibliothek über Andreae und erwirbt 1783 den gesamten handschriftlichen Nachlaß. Wieweit Nicolai, der 1 7 8 1 / 8 2 Illuminât geworden ist (dazu unten S. 41ff.), illuminatische Hintergedanken verfolgt, muß hier offenbleiben. Bei Petersen, der Nicolais genealogische These übernimmt, kann daran kein Zweifel sein. Herder nennt Petersens Biographie später ein »Denkmal«, »das ihm [Andreae] von der biedern Hand eines seiner patriotischen Landsleute im Wirtembergischen Repertorium ist gesetzt worden« (Joh. Val. Andreaes Dichtungen zur Beherzigung unseres Zeitalters, 1786 [Sämmtl. Werke, Bd. 16, S.594]).

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Leben Johann Valentin Andreä's, S.274f. Leben Johann Valentin Andreä's, S.275f.

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Verbindungen Gutes zu verbreiten. Große Gedanken und Entwürfe lagen schon lang in ihm. Die wenigen Mittel zu wirken, welche einem Privatmanne überlassen sind, der ohne Macht und Erhabenheit im Staate lebt, aber voll des edelsten Dranges ist; und der reizende Gedanke durch Kräfte, im Verborgenen vereinigt, der Welt eine schönere Gestalt zu geben, und aus einer heiligen Finsterniß ein großes Ganze zum Guten lenken zu können, scheinen seine Seele oft beschäftigt zu haben.« 5 8 Verklausuliert beschreibt Petersen solchermaßen zugleich, was die Stuttgarter Illuminaten umtreibt. Kein Wunder, daß er gegen Herders Votum 5 9 darauf besteht, daß es Andreae »mit Errichtung einer geheimen Gesellschaft ernstlich« meinte, auch wenn er mit ansehen mußte, wie »Goldmacher, Schwärmer und mancherlei Arten von Wundernarren« den Bund alsbald korrumpierten. Der Hieb richtet sich gegen die gegenwärtigen neuen Rosenkreuzer. Mit der Devise »ohne Aufklärung kann wahre Tugend und daurendes Glück nicht in der Welt gepflanzt werden« 6 0 kämpft Andreae gegen die zum »Unfug« verkommene »Rosenkreuzerei«, gegen ihre Schwärmereien. Nie aber verläßt ihn der Gedanke »an die Stiftung eines geheimen Bundes« zur »Einsezung alles Guten« - »so tief lag der Hang dazu in ihm, so stark war sein Eifer die Welt zu verbessern!« 6 1 So kommt ein neuer Bund zustande, scheint in mehreren Ländern verbreitet gewesen zu sein, erklärt die mannigfachen Reisen und Bekanntschaften Andreaes, 6 2 der hoffen konnte, »mindestens hier und da Männer zu erwecken, oder anzuflammen, welche durch Weisheit und Wohlthätigkeit in jenen fürchterlichen Zeiten unnennbares Gute in ihrem Kreise stiften könnten«. 6 3 Dergestalt wird der »erleuchtete Mann« 6 4 zu einer Leitfigur, die dem neuen Stuttgarter Bund den Rücken stärkt. Es muß Petersen und die Eingeweihten mit nicht geringer Genugtuung erfüllt haben, daß sie im »Repertorium« eine Propagandaschrift in eigener, geheimer Sache unterbringen konnten. 65 Wußte auch Schiller, der Mitherausgeber, worum es da ging?

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Leben Johann Valentin Andreä's, S. 289. Sämmtl. Werke, Bd. 15, S.59ff. Leben Johann Valentin Andreä's, S. 301. Leben Johann Valentin Andreä's, S.312. Leben Johann Valentin Andreä's, S.314f. Leben Johann Valentin Andreä's, S. 336. Andreae, so heißt es dort weiter, habe »vielleicht im Stillen seine göttlichen Absichten« erreicht; »aber nur in Nürnberg und in Wirtemberg war der Bund in seiner wahren Gestalt ausgebreitet«. Petersen führt dann eine Liste der Mitglieder an und beschließt den Passus so: »Daß der Bund noch lange nach Andreä's Tode fortdauerte, braucht keines weitern Beweises« (S. 337, Anm.). Leben Johann Valentin Andreä's, S. 330. Der illuminatische Beiklang des Wortes »erleuchtet« mag schon hier im Spiel sein. Tatsächlich wird die Metapher zu einem Synonym f ü r »Illuminaten«. Vgl. dazu J. d'Hondt, Verborgene Quellen des Hegeischen Denkens, S.62f. Auch Nicolai nennt Andreae »einen der trefflichsten, hellsten und wohldenkendsten Gelehrten seiner Zeit« (Versuch über die Beschuldigungen, I, Anhang, S. 167, zit. nach H. Möller, Aufklärung in Preußen, S.414). In einer von den Illuminaten-Oberen in Auftrag gegebenen Schrift hatte auch Knigge, unter der Maske eines Jesuiten, scharf die »wahren Rosencreutzer« gegen die »heutige AfterGesellschaft« abgesetzt und ihre Programme diskutiert, ohne dabei freilich den Urheber, Andreae, zu erwähnen. Ueber Jesuiten, Freymaurer und deutsche Rosencreutzer, hrsg. von Joseph

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Zeugnisse aus der illuminatischen »Correspondenz«, die man auch in Stuttgart pflegte, und zwar bis 1787, bis zum Erscheinen der »Originalschriften«, sind bislang nicht aufgetaucht. Verwunderlich ist das nicht. Angesichts der »grossen Angst«, die die Stuttgarter bei der Veröffentlichung der Illuminatendokumente befällt, wird es zu einer gründlichen Beseitigung aller verfänglichen Papiere gekommen sein. 66 Man blieb freilich unbehelligt, konnte doch nicht einmal die moderne Forschung sonderlich viel mit den Angaben über »Damiata« anfangen. Merkwürdigerweise verlautet über die Hohe Karlsschule bei Abel nichts. Zöglinge der Akademie fehlen auf seiner Liste. Kaum vorstellbar aber doch, daß herausragende Professoren wie Abel, Drück und Hochstetter nicht im Sinne des Ordens auf ihre Schüler eingewirkt haben sollten, womöglich als »unbekannte Obere«. Die »geheime Verbindung« bot sich ja förmlich an. Wir werden jedenfalls zwei Absolventen der Karlsschule kennenlernen, die sich ihrem ehemaligen Mitzögling Schiller gegenüber mehr oder weniger deutlich als Illuminaten offenbaren. Gut möglich, daß die starke Mißstimmung und die Spannungen, die sich just 1782 in einer ersten kleinen Revolte gegen die rigide Karlsschul-Disziplin entladen, 67 mit der untergründigen Wirkung des Ordens zu tun haben. Der Intendant Seeger beklagt sich 1784 über kuriose »Freyheitsideen«, die seit zwei Jahren grassierten. 68 Offen flammt der »Freiheitssinn« dann angesichts der Revolution in Frankreich auf. Karlsschüler reisen nach Straßburg, um mit den Jakobinern anzuknüpfen, gründen einen politischen Klub, der mit den Straßburgern korrespondiert, finden sich zu nächtlichen Feiern des 14. Juli zusammen. 69 Ahnliches ist an anderen ehemaligen Illuminatenzentren zu beobachten, so vor allem natürlich in Mainz. Eindeutig widerlegen Abels Papiere im übrigen die Fehleinschätzungen der Freimaurerforschung. Obwohl Abel von »Logen« spricht, waren die Stuttgarter Illuminaten keineswegs genuine Maurer. Wohl nur für Hoffmann und Oetinger, der vermutlich deshalb als erster die Funktion des Oberen übernimmt, ist Mitgliedschaft in der Stuttgarter Loge »Zu den drei Zedern« anzunehmen. Offenkundig praktiziert man

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Aloisius Maier, der Gesellschaft Jesu ehemaligen Mitgliede, Leipzig 1781 (Knigge, Sämtliche Werke, Bd. 12, S.93ff.). - Nebenbei bemerkt: man darf vermuten, daß die rätselhaften fragmentarischen »Geheimnisse« des Illuminaten Goethe mit der illuminatischen Diskussion um Andreae und die »wahren« Rosenkreuzer zu tun haben. Ohne Kenntnis dieser Zusammenhänge geraten Wilsons Vermutungen über Goethes Fragment zu unhaltbaren Spekulationen (Geheimräte gegen Geheimbünde, S. 155ff.). Das von Wolfgang Riedel erstellte Verzeichnis von Abels Nachlaß weist, außer 5 Briefen an Friedrich Nicolai aus den Jahren 1786-1791, keine weitere Korrespondenz aus der Illuminatenzeit nach. Der einzige erhaltene Brief an den ehemaligen Illuminaten Franz Oberthür stammt aus dem Jahre 1802. In der >Schwedenkiste< findet sich lediglich ein Brief Abels, wohl an J. J. Chr. Bode gerichtet, undatiert, mit dem Ordensnamen »Pythagoras« unterzeichnet (Schwedenkiste, Bd. 3, Nr. 1). Vgl. R. Uhland, Geschichte der Hohen Karlsschule, S.210f. R. Uhland, Geschichte der Hohen Karlsschule, S.210. Dazu jetzt: Axel Kuhn u.a., Die Revolutionsbegeisterung an der Hohen Carlsschule, Stuttgart 1989.

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die Tarnungs- und Unterwanderungsmethoden der Illuminaten gegenüber der Freimaurerei. Auf einem gesonderten Blatt seiner Aufzeichnungen gesteht Abel dies offen ein. Klipp und klar erklärt er, daß er selbst nie eine Loge besucht habe, daß der O r den ihm dennoch die Machtbefugnis erteilte, Freimaurerlogen einzurichten, was auch geschah. 7 0 Welcher Geist die Stuttgarter Gruppe befeuert, zeigen die wenigen Aufzeichnungen aus Drücks »Schwarzem Buch - Verstand und Unverstand«, die Julius Hartmann mitteilt. Da heißt es, im Jahr 1783: »Überdies sind gerade jetzt solche Gärungen unter den Menschen, die, wenn mich nicht alles trügt, ein allgemeineres Wohl hervorbringen werden, als bisher noch nicht über die Erde verbreitet war. Man fängt an, duldsamer gegen unschuldige Meinungen anderer zu werden, die Frömmigkeit wird reiner und aufgeklärter, die Menschheit lernt nach und nach ihre Würde fühlen, man wagt es laut von Tyrannen zu sagen, daß sie Tyrannen sind, und je lauter das Geschrei wird, desto mehr werden sich diese Herren fürchten, Tyrannen zu sein. Die Rechte des einzelnen Menschen werden ganzen Gesellschaften heiliger, auch der einzelne kann nicht mehr widerrechtlich, wie ehemals, unterdrückt werden, ohne daß es das Publikum erfährt.« 7 1 Die Sätze sind ganz auf den Illuminatenton gestimmt. Temperamentvoll spricht Drück aus, was Abel abmildert oder ausspart. Die illuminatischen »Gärungen« und Hoffnungen werden spürbar. Aufklärung, Toleranz, Reinigung der Religion von Vorurteilen, Menschenwürde, Antidespotismus, Menschenrechte - nur noch der heiße Atem fehlt zum Marquis Posa. Nicht länger läßt sich jetzt die Frage zurückdrängen, die dem Leser von Abels Enthüllungen auf den Lippen liegt. Warum fehlt Schiller? Nichts spricht für die Annahme, daß Abel den Namen zurückhält. Nein, ausgerechnet der Autor der »Räuber«, der wie kein anderer der Rebellion seine Stimme gab, war nicht dabei. Traute man dem ungebärdigen Regimentsmedikus nicht, galt das Genie mit seinen Eskapaden als Sicherheitsrisiko? Standen seine Rechtschaffenheit, seine »Moralität«, seine Verschwiegenheit in Frage? O d e r lehnte er ab, als man ihn aufforderte? Vielleicht muß man sich mit der schlichteren Erklärung begnügen, daß die zeitlichen Verhältnisse seiner Teilnahme am innersten Zirkel im Wege standen. In der Nacht vom 22. auf den 23. September 1782 flieht Schiller aus Stuttgart. Seit dem zweiten Besuch in Mannheim (25.-29. Mai 1782), der Arreststrafe (28. Juni bis 11. Juli 1782) und der Graubündener Affaire steht Schiller unter verschärfter Beobachtung, erwägt er Fluchtpläne. Günstige Umstände für eine konspirative Tätigkeit waren das nicht. Just um diese Zeit aber muß sich die Stuttgarter Illuminatengruppe zusammengefunden haben, dar-

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Vgl. J. F. Abel, Lebensbeschreibung, Bl. 170: »Die Illuminaten behaupteten, auch über die Freymaurei Macht zu besitzen, ich habe in mfeinem] Leben k[eine] Loge besucht u[nd] dennoch wurde mir Macht sogar zur Aufrichtung neuer Logen zu errichten, u[nd] als Cons[ulent] v. Schaden in Augspfurg] von mir Vollmacht begehrte, eine solche zu stiften, so ertheile ich sie ihm vermöge der mir ertheilten Macht.« Joseph von Schaden (geb. 1756) war fürstlich Oettingisch-Wallersteinischer H o f - und Regierungsrat zu Oettingen, bevor er C o n sulent in Augsburg wurde (Gradmann, Das gelehrte Schwaben, S.542).

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J. Hartmann, Schillers Jugendfreunde, S. 130.

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unter sein Lieblingslehrer und einer seiner engsten Freunde. Aber: Konnte ihm entgehen, was da in seiner nächsten Umgebung geschah? Wußte er nicht zumindest Bescheid? Sicher ist jedenfalls, daß Werthes, Abel und Petersen Schiller nach Kräften gefördert haben. Freundschaft mag sich dabei zwanglos mit illuminatischen Hintergedanken verbunden haben. Die Illuminaten übten ihre weitgespannte Wirkung ja vornehmlich mit Hilfe eines Geflechts persönlicher Verbindungen aus, das sie in den Dienst einer entschlossenen Protektionspolitik stellten. Schiller wurde in dieses N e t z einbezogen. Niemand bedurfte dessen mehr als ein angehender Emigrant. Auch schon bekannte Fakten nehmen sich durchaus anders aus, wenn man illuminatische Verbindungslinien in Anschlag bringt. Abel jedenfalls ließ seinen Schüler auch nach dessen Entlassung aus der Akademie nicht aus dem Auge, wobei ihm »einer seiner besten Freunde u. häufigsten Gesellschafter«, Petersen zweifellos, behilflich war. 72 E r unterstützt Schiller, aber auch Petersen und Hopff, mit beträchtlichen Geldsummen, beteiligt sich an publizistischen und literarischen Projekten Schillers, so am »Wirtembergischen Repertorium« und an der »Anthologie«, zeigt letztere und die Mannheimer Ausgabe der »Räuber« in den »Gothaischen Gelehrten Zeitungen« an. 7 3 Wie schon die Entstehung der »Räuber« so verfolgt er auch die Anfänge des »Fiesko« mit Aufmerksamkeit. Seltsam mutet angesichts der uns inzwischen bekannten Umstände die Anekdote an, die Abel selbst überliefert: Schiller stürzt in das Zimmer eines Freundes (wieder dürfte Petersen gemeint sein) und deklamiert »mit Begeisterung und frohem Selbstgefühl« ausgerechnet jene Szene (II, 17), in welcher Fiesko mit dem Maler Romano auch Verrina und die Mitverschworenen beschämt. 7 4 Beachtet sein will in diesem Zusammenhang doch auch der Umstand, daß Schiller die Mannheimer Erstausgabe seines Verschwörerdramas (1783) »Dem Herrn Professor Abel zu Stuttgardt gewiedmet« hat. 7 5 Ferner ist Abel darum bemüht, gezielt Kontakte zu auswärtigen Besuchern zu vermitteln. Zumindest zwei Fälle sind greifbar. Und beide Male geht es um (spätere) Illuminaten. Vom 20. bis zum 22. Juli 1781 hält sich der bekannte Berliner Buchhändler Friedrich Nicolai in Stuttgart und Umgebung auf, um, mit dem Notizbuch in der Hand, »Gelehrsamkeit, Industrie, Religion und Sitten«, so der Untertitel seiner Reisebeschreibung, zu mustern. Auch Schiller kommt ihm dabei zu Gesicht, »der zwar von Leuten, welche einsehen konnten, was von einem so treflichen Kopfe noch zu erwarten seyn möchte, etwas gerühmt ward; aber doch sehr unterdrückt war«. 7 6 Schiller schreibt dem Besucher ins Stammbuch: »Ein edles Herz und die Musen verbrüdern auch die entlegensten Geister. Dieses erlaubt mir mich Ihrer werthesten Freund72

J. F. Abel, Aufzeichnungen, S. 844.

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J. Hartmann, Schillers Jugendfreunde, S. 11 Off.

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J. F. Abel, Aufzeichnungen, S.843.

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N A 4, S.7.

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F. Nicolai, Beschreibung einer Reise, Bd. 10 (1795), S. 82. Nicolai zitiert auch Schillers Kritik an der Karlsschule (S.57, Anm.).

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schafft zu empfehlen.« 77 Nicolai selbst berichtet, daß er ein Empfehlungsschreiben an Petersen »von einem seiner Herren Brüder« mitgebracht habe (vom Speyerer »Belisarius« vielleicht?), was ihm die Begleitung Petersens einträgt. 78 Den eigentlichen Führer Nicolais in Stuttgart, auf der Reise nach Ludwigsburg und nach Tübingen aber macht Abel, den Nicolai immerhin an die Spitze der Stuttgarter Gelehrtenliste stellt und besonders rühmt. 79 Auf seiner Reise ist Nicolai aber auch einem »Mann von Verdiensten« begegnet, der ihm bislang »bloß als Schriftsteller bekannt war« dem Freiherrn von Knigge nämlich, der ihn sogleich für ein »neues System« zu erwärmen sucht, das man errichtet hat, »um den vielen Aberglauben und die Schwärmereyen, wodurch ingeheim so viel Mißbrauch gestiftet würde, zu verdrängen, und den für das menschliche Geschlecht feindseligen Einfluß der Jesuiten zu mindern, wo nicht ganz zu hemmen«. Seit langem eifriger, erfahrener, aber auch kritischer Freimaurer, 80 nimmt Nicolai die Beziehung zum Illuminatenorden auf, korrespondiert mit Knigge, unterschreibt im April 1782 auch den Revers (Ordensname »Lucian«) 81 · Schon am 15. Januar 1782 meldet Weishaupt den ungewöhnlichen Erfolg: »Nicolai ist nun auch beim [Orden] et quidem contentissimus.« 82 Später, nach der Veröffentlichung der »Originalschriften«, wo man dies nachlesen konnte, verfaßt Nicolai eine gut 170 Seiten starke »öffentliche Erklärung über seine geheime Verbindung mit dem Illuminatenorden«. Um namentlich den kecken Satz Weishaupts zu entkräften, beteuert er, daß Weishaupt seinem Wunschdenken erlegen sei, daß er, Nicolai, nie aktives, nur passives Ordensmitglied gewesen sei, daß er nie Quibus licet eingesandt, nie Propaganda betrieben habe. Das gleiche schreibt er an Knigge, den einstigen Werber, der sich inzwischen längst vom Orden distanziert hat. 83 Dem widerspricht die umfangreiche,

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N A 1, S.28 (dazu Ν Α 2/II A, S.37f.). F. Nicolai, Beschreibung einer Reise, Bd. 10, S.51. F. Nicolai, Beschreibung einer Reise, Bd. 10 (1795), S. 82. Abel und Petersen als Reisebegleiter nach Ludwigsburg und Hohen-Asperg: S. 137. Abel als Begleiter nach Tübingen: S. 172 und 189f. Dazu H. Möller, Aufklärung in Preußen, S.238ff. Friedrich Nicolai, öffentliche Erklärung über seine geheime Verbindung mit dem Illuminatenorden; Nebst beyläufigen Digressionen betreffend Hrn. Johann August Stark und Hrn. Johann Kaspar Lavater. Ernsthaft, mit unter auch ein wenig lustig zu lesen, Berlin, Stettin 1788, S. 33ff. (das Zitat S. 33f.). Für die nicht ganz durchsichtigen Einzelheiten der Mitgliedschaft Nicolais mußte sich die Forschung (R. Le Forestier, Les Illuminés, S.403ff.; M. Agethen, Geheimbund und Utopie, S. 281 ff.) bislang auf dessen eigene - apologetisch gefärbte - Angaben stützen. Nachtrag von weitern Originalschriften I, S.28. F. Nicolai, öffentliche Erklärung, bes. S.50ff. Nicolai an Knigge, 21. Januar 1788, in: Adolf Freiherr von Knigge, Aus einer alten Kiste. Originalbriefe, Handschriften und Dokumente aus dem Nachlasse eines bekannten Mannes, Leipzig 1853, Scriptor Reprint 1979, S. 79. Noch 1795, in der Vorrede des neunten Bandes seiner Reisebeschreibung, sieht sich Nicolai zu einer grob zuschlagenden Verteidigung gegen L. A. Chr. v. Grolmann, Leopold Aloys Hoffmann u. a. genötigt, die den Vorwurf der Revolutionsurheberschaft gleichermaßen gegen die »Berlinische Aufklärungssynagoge« wie gegen die Illuminaten in Stellung gebracht hatten (Nicolai, Beschreibung einer Reise, Bd. 9 [1795], S. VI ff.).

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noch nicht ausgewertete Ordenskorrespondenz mit B o d e . 8 4 U n d der mächtige Literaturpolitiker gebot über subtilere publizistische Lenkungsmethoden. N i c h t geringe Hoffnungen setzt Schiller denn auch auf Nicolai, als er im N o v e m b e r 1782, in verzweifelter Lage, Reisepläne schmiedet. »Sobald ich in Berlin bin, kann ich in der ersten W o c h e auf festes Einkommen rechnen, weil ich vollgültige Empfehlungen an N i colai habe, der dort gleichsam der Souverain der Litteratur ist, alle Leute von K o p f sorgfältig anzieht, mich schon im Voraus schäzt, und einen ungeheuren Einfluß hat, beinah im ganzen teutschen Reich der Gelehrsamkeit.« 8 5 Gab allein die kurze Stuttgarter Bekanntschaft Anlaß zu solchen Erwartungen? Die »vollgültigen Empfehlungen« können ebenso v o m Buchhändler Schwan wie von den Stuttgartern stammen. Spielte Abel seine neuen Konnexionen aus? N o c h aus der Zeit von 1786 bis 1791 sind einige Briefe Abels an Nicolai erhalten. 8 6 Wenig erfreulich verlief hingegen, nach dem Zeugnis Petersens, das Zusammentreffen mit dem Göttinger Historiker Ludwig Timotheus Spittler, das Abel für Schiller und Petersen arrangierte, 1781 oder 1782. Spittler behandelt die jungen Leute von oben herab, wie Schüler. 8 7 D a ß er, aus Stuttgart stammend, eng mit Abel verbundener Illuminât ist, wissen wir aus dessen Aufzeichnungen. Erst im Dezember 1782 freilich Schloß sich Spittler der Göttinger L o g e »Augusta zu den drei Flammen« an, die sich just zu dieser Zeit, nach dem Wilhelmsbader Freimaurer-Konvent, wie viele andere auch von der Strikten Observanz ab- und dem Eklektischen Bund bzw. dem Illuminatenorden zuwendet. Dies geschieht unter der Führung des Stuhlmeisters, des Theologieprofessorsjohann Benjamin Koppe, der noch als Gothaer, dann Hannoveraner Su-

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Vgl. H. Schüttler, Karl Leonhard Reinhold, S. 66, Anm. 45 - mit Hinweis auf die regelmäßigen Provinzialberichte und die Korrespondenz in Bd. 15 bzw. 6 der >Schwedenkisteverdächtigen< Anhaltspunkte. 3 Ebensowenig läßt sich die Vermutung erhärten, die, suggestiv genug, Schillers Zuflucht bei Frau von Wolzogen in Bauerbach der helfenden H a n d der Maurer zuschreiben möchte. 4 Unzweideutige Anzeichen für das Eingreifen der

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NA 23, S. 105 Vgl. die Briefe an Dalberg vom Juni 1781 und 4. Juni 1782 (NA 23, S. 18 und 36). Welche Vorsicht im Umgang mit den von H. Schüttler entschlüsselten und aufgelisteten Ordensnamen immer noch geboten ist, zeigt das Beispiel des Mannheimers »Crito«. Im Verzeichnis der bürgerlichen Namen führt Schüttler ihn als den Freiherrn Franz Albert von Oberndorff (1720-1799), seit 1778 kurpfälzischer Statthalter in Mannheim, und suggeriert durch einen Verweis auf die »Nationalausgabe« dessen Beziehung zu Schiller (H. Schüttler, Mitglieder, S. 112). Tatsächlich geht es lediglich darum, daß der Schauspieler Wilhelm Christian Dietrich Meyer beim Sekretär (!) des Ministers von Oberndorf(f) anfragen soll, ob der geheimnisvolle Stuttgarter Offizier, der Schiller sucht, »in Aufträgen an das Gouvernement hier gewesen sei« (Streichers Bericht, NA 42, S.54f.). Noch größer ist die Verwunderung, wenn Schüttler in der Mannheimer Ordensliste »Crito«-Oberndorff als »Mautner« ausgibt. Was nun freilich viel besser als das Ministeramt zu den Allerweltsmitteilungen über »Crito« in Miegs Provinzialbericht vom September 1782 paßt (Nachtrag von weitern Originalschriften I, S. 175). So L. Keller, Schillers Stellung in der Entwicklungsgeschichte, S. 55ff. - Zumindest eine Begegnung während der Bauerbacher Zeit könnte auch einen illuminatischen Hintergrund haben: »Gestern habe ich Herrn von Bibra (ich meine den Oberhofmeister) kennen gelernt. Er gefällt mir nicht übel. Er hat sehr verbindlich meine Freundschaft gesucht, und mich ernstlich zu sich gebeten, wo er mir auch Göthes Trauerspiel lesen wird. Mit diesem scheint er sehr

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Maurer-Illuminaten finden sich erst, nachdem Schiller Ende Juli 1783 nach Mannheim zurückgekehrt ist - nur wenige Wochen nach der illuminatischen Eroberung der Mannheimer Loge durch den Freiherrn von Knigge und den Kirchenrat Mieg. »Die nächste Woche will ich in Gesellschaft nach Heidelberg und Schwezingen fahren.« Schon am 11. August kündigt Schiller einen Abstecher nach Heidelberg an,5 dem, ebensowenig erläutert, weitere folgen werden. Am 11. September meldet er regen Besuch von Fremden und Einheimischen sowie »neue Bekanntschaften von Stande«.6 Dazu gehört der »reisende Maurer« mit der merkwürdigen Aura, von dem er am 12. September erzählt.7 Am 1. November ist von »Geschäftefn] und neuefn] Bekanntschaften die außerhalb Mannheims meiner warteten«, die Rede. 8 Am 13. November vom Schauspieler Boeck: »Bök, der beste an Kopf und Herz, und ein wirklich solider Mann, ist derjenige [unter den Schauspielern] mit dem ich am vertrautesten umgehe.« Es hat schon seine Richtigkeit, wenn Schiller »Bök« schreibt und nicht »Bek«, wie ihn seine Editoren und Biographen korrigieren wollen.9 Der gleiche Brief gibt Auskunft über zwei Reisen nach Speyer, zu Sophie Laroche, und über einen bedeutenden Freund, den Schiller dabei gewinnt, den Herrn v. Hohenfeld, den prominenten Illuminaten »Newton«. 10 Am 13. und 14. November empfängt Schiller, völlig überrascht, den Besuch Professor Abels, des Stuttgarter »Pythagoras«.11 Während dieser Monate muß auch der umtriebige Leuchsenring (»Leveller«) wiederum bei Schiller erschienen sein.12 Anfang 1784 wird Schiller in die Deutsche Gesellschaft aufgenommen, wofür er sich bei dem Hauptpromoter, deren Sekretär Anton von Klein, bedankt: »Sehr angenehm war mir die Nachricht von meiner Aufnahme in die Kurfürstliche deutsche Gesellschaft, welche ein so schöner Beweis Ihrer thätigen Freundschaft für mich ist.« 13 Mitglied der Gesellschaft ist auch Johann Friedrich Mieg, der Heidelberger »Epictet« also. Schillers Brief vom 1. Juli 1784 an Johann Wilhelm Petersen zeigt Mieg in enger Zusammenarbeit mit Schiller, zugunsten des Stuttgarter Freundes und Illuminaten.14 Noch Charlotte von Schiller weiß von Besuchen, die

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genau bekannt zu seyn. Wielanden kennt er auch [...]« (an Reinwald, 15. Juni 1783, N A 23, S.95). Ludwig Karl von Bibra (1749-1795), den Goethe im April 1782 besucht hatte, wird zur Meininger Illuminatengruppe gehören, auf die W. D. Wilson (Geheimräte gegen Geheimbünde, S.71f., Anm. 6; vgl. auch H. Schüttler, Mitglieder, S.215) aufmerksam gemacht hat. Die brieflichen Dokumente dazu stammen freilich erst aus dem Jahr 1784. NA 23, S. 106. NA 23, S. 111. N A 23, S.112f. N A 23, S. 116. N A 23, S. 119. Die Rechtfertigung für die eigenmächtige Konjektur, die der Kommentar gibt (S.317), hält nicht stand, da die Kommentatoren von Boecks Geheimbundrolle nichts wissen. N A 23, S. 119f. N A 23, S. 120f. N A 42, S. 62f. N A 23, S. 126. NA 23, S. 150ff.

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dem Kirchrat Mieg in Heidelberg galten. 15 Im April hat Albrecht Friedrich Lempp den alten Gefährten aus akademischen Zeiten mit eindeutigen Werbungen bestürmt sie haben uns auf die Spuren der maurerisch-illuminatischen Verwicklungen in der Pfalz geführt. Ein Brief vom 15. Juli zeigt, daß Lempp, inzwischen wieder in Stuttgart (und doch wohl von dort beauftragt), nicht locker läßt: »Ich wünschte wohl zu wissen, ob Du in Ansehung des bekannten Gegenstandes noch auf eben dem Punkt stündest wie vorher.« 16 Selbst der Matador im Heidelberger Hintergrund, »Philo« also, hat ein paar Spuren hinterlassen, die man in das Mosaik illuminatischer Indizien einfügen darf. Erhalten hat sich wenigstens ein kurzes Schreiben Schillers, das die Beziehung dokumentiert, eine Einladung an Knigge und - ausdrücklich - dessen »Freunde« zur Mannheimer Premiere von »Kabale und Liebe« am 15. April: »Sehen Sie es als schriftstellerische Eitelkeit an, daß ich Sie nunmehr beim Worte faße, und Sie zu Kabale und Liebe einlade. Wenn mir nicht an einigen angenehmen Augenbliken, die ich bei dieser Gelegenheit in Ihrer Gesellschaft gewinne, zuviel gelegen wäre, so würde ich mir diese Freiheit niemals erlaubt haben.« 17 Es hat also bereits andere Begegnungen gegeben; zumindest eine weitere, aus Anlaß des Besuchs der Schwester Christophine und ihres Verlobten Reinwald, ist auch bezeugt. 18 Schillers Abstecher nach Heidelberg fänden so eine plausible Erklärung. Sollte Knigge im Verkehr mit dem Schriftstellerkollegen den »Philo« gänzlich unterdrückt haben? Als Mittelsmann zwischen Schiller und Knigge muß man zudem den Theaterdirektor Gustav Friedrich Wilhelm Großmann betrachten, der schon die Bonner Uraufführung des »Fiesko« (am 20. Juli 1783) veranstaltet hat, das Stück auch in Frankfurt (am 8. Oktober 1783) auf die Bühne bringt und am 13. April 1784für die Erstaufführung von »Kabale und Liebe« in Frankfurt sorgt. Seit Februar 1784 steht Schiller mit ihm in Korrespondenz. Anfang März weilt Großmann in Mannheim, Ende April/Anfang Mai besucht Schiller Großmann und dessen Truppe in Frankfurt, wo Großmann ihn unter anderem auch mit »Kabale und Liebe« »bewirthete«. 19 Der Theatermann, der sich so rührig für Schiller einsetzt, ist nicht nur ein enger Freund Knigges, sondern auch - was sich dann beinahe von selbst

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»Er besuchte Frau von La Roche in Speier, den Kirchenrat Mieg in Heidelberg.« Schillers Gespräche, hrsg. von Frhr. von Biedermann, München o.J., S. 101. N A 33/1, S. 34. Lempps Brief vom 30. November 1784, der den Briefwechsel vorerst beendet, enthält nichts mehr von Illuminatendingen (NA 33/1, S.45f.). N A 23, S. 133. Vgl. J. Minor, Schiller, Bd. 2, S. 306. Minor denkt beim Besuch des »reisenden Maurers« ebenfalls an Knigge: »Von dieser Seite scheint dem Dichter des Geistersehers (!) [...] auch der betriebsame, aber haltlose Knigge, der Recensent seiner ersten Dramen in Nicolais Bibliothek, nähergetreten zu sein, welcher damals als Aufklärer und Agitator für den Illuminatenorden in Heidelberg wirkte und von dort aus oft Fußreisen nach Mannheim machte« (ebd., S.319f.). - Der Besuch Reinwalds mit Schillers Schwester Christophine erfolgte Ende Juli 1784. Noch in seinem Brief vom 2. Dezember 1784 bittet Reinwald Schiller, den Herrn von Knigge herzlich zu grüßen (NA 33/1, S.46). Schiller an Reinwald, 5. Mai 1784, N A 23, S. 137. Zu den Einzelheiten vgl. J. Minor, Schiller, Bd.2, S.217ff.

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versteht - Ordensmitglied. 2 0 D a n k eines glücklichen Quellenfundes von Hermann Schüttler wissen wir jetzt auch, daß der Weimarer Bode auf einer illuminatischen Reise durch die Kurpfalz und die Rheinlande im Juni 1784 zweimal mit Schiller zusammengetroffen ist. 21 Zu erinnern ist ferner noch einmal an den Brief Grubs vom 1. N o vember mit der Angabe illuminatischer Verbindungslinien in Süddeutschland und Italien. U n d schließlich ist da die sehr erfolgreiche Vorlesung des I. Aktes des » D o n Karlos«, die Schiller am 26. Dezember 1784 vor dem Darmstädter H o f und dessen Gast, dem Weimarer Herzog, geben durfte. N o c h nie hat man sich vor Augen gehalten, daß sie einem Adressaten galt, der hochrangiger Angehöriger (»Regent«) des Illuminatenbundes war. Angesichts des spärlichen Rinnsals der Quellen ist das keine schlechte Ausbeute. Mehr kann man kaum erwarten. Von den Stuttgartern Abel und Lempp über die Mannheimer Boeck und Klein bis zu den Heidelberger Chefs Mieg und Knigge - alle wichtigen Personen, die in Frage kommen, sind auch im Spiel. Darüber hinaus auch so eindrucksvolle Gestalten wie der geheimnisvolle Reisende, der edle Freiherr von Hohenfeld, der agile Leuchsenring, der obersächsische Illuminatenchef Bode, endlich der Weimarer Herzog. O b sie alle gleichermaßen >im Spiel< waren, ist freilich eine andere Frage - obwohl die Beobachtung des illuminatischen Informations- und K o m munikationsnetzes dazu angetan ist, den Glauben an den Zufall in derlei Angelegenheiten dahinschwinden zu lassen. Ebenso auffällig wie angebracht ist Schillers Schweigen »in Ansehung des bekannten Gegenstandes«. Selbst die Möglichkeit, daß er nicht wußte, was da mit ihm gespielt wurde und wer das Spiel lenkte, ist nicht einfach von der Hand zu weisen. Die Annäherungen des Ordens reichten von unverfänglichen Begegnungen bis zu gezielten Werbeaktionen, von fördernder »thätiger Freundschaft« bis zum fürstlichen Mäzenatentum, von schriftstellerischen und akademischen Kontakten bis zu geselligen Zirkeln im Salon und bei Freunden. Daran aber kann, objektiv besehen, kein Zweifel sein: der Illuminatenorden umkreiste Schiller. Auch in Mannheim bleibt es indes, trotz aller Anstrengungen, bei der für den Bund mißlichen Pointe: gewinnen konnte er Schiller nicht. Es gilt nunmehr, das in raschen Zügen entworfene Bild zu erweitern und zu schärfen. Die Daten aus Schillers Biographie beginnen zu sprechen, wenn man sie mit der Geschichte der Illuminaten in Verbindung setzt. Zu Gesicht kommt ein frappierendes Geflecht von Beziehungen. Für das Rätsel des »reisenden Maurers« mit »der ausgebreitetsten Kenntniß und einem grosen verborgenen Einflus« bieten sich gleich mehrere Lösungsmöglichkeiten an. Man könnte an Leuchsenring denken, der sich ja, nach Streichers Zeugnis, bei Schiller aufgehalten hat. O d e r an Bode, der nach dem Wilhelmsbader Konvent mit Knigge in Mannheim weilte, an der Verlagerung des Provinzdirektoriums nach Hei-

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H . Schüttler, Mitglieder, S.64.

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H . Schüttler, Einleitung zu Bode, Journal von einer Reise, S. 84. Die Quelle: J. J. Chr. Bode, Protocol, über die Sache mit Philo, Schwedenkiste, Bd. 17, Nr. 135. Dazu unten S.94.

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delberg beteiligt war, anhaltend gute Kontakte zu Mieg pflegte, 22 mit Knigge in Heidelberg verhandelte - ein »Fac totum« nicht nur der Strikten Observanz, sondern, seit 1783, auch für den Illuminatenorden; sein eigentliches Arbeitsfeld bildeten allerdings die ober- und niedersächsischen Ordensprovinzen. Knigge, seit 1783 in Heidelberg ansässig, kommt als »reisender Maurer« schwerlich in Betracht, wohl aber als Hintermann, dem natürlich die »verschiedenen Freimäurerlisten« - es kann sich nur um solche aus Mannheim und Heidelberg handeln - gut bekannt waren. Die größte Wahrscheinlichkeit spricht für den Marquis de Costanzo (»Diomedes«). Er besitzt, wir haben es gesehen, ausgezeichnete Beziehungen zu Mannheim, zu seiner dortigen Illuminatengründung und zur Loge. Darüber hinaus verkörpert Costanzo wie kein anderer den Prototyp des reisenden und missionierenden Illuminaten. Eine Aura des Ungewöhnlichen, Charismatischen, Abenteuerlichen umgibt ihn. So gerät er, immer wieder mit Ordensaufträgen unterwegs, unter Spionageverdacht, wird in einer aufsehenerregenden Aktion kraft Ordre Friedrichs II. aus Berlin und den preußischen Landen ausgewiesen. 23 Der Münchener Rosenkreuzer-Chef brandmarkt ihn als allgegenwärtigen Proselytenmacher und »Emissarius«, »der gutwillige, leichtgläubige Mitverwandte unserer geheiligten Verbrüderung zum Beytritt in besagte Aftergesellschaft zu bereden, folglich zu verführen suche«. Mit Schärfe antwortet der Stuhlmeister von »St. Theodor vom guten Rate«, der Illuminât Baader (»Celsus«): »Welche ausgeschämte Grobheiten, einen Cavalier und Maurer, der in Geschäften von Freunden und mehreren Logen reiset, mit den erniedrigenden Name Emissarius zu entehren.« 24 Heinrich Zschokke bezeichnet Costanzo kurzerhand als »fahrenden welschen Ritter«. 25 Ein neuerer Forscher hält ihn für »die dunkelste und undurchsichtigste« Figur in der Führungsgarnitur der Illuminaten. 26 Von seiner Tatkraft und dem hervorragenden Ruf, den er bei den Ordensmitgliedern besitzt, war schon die Rede. 27 Nicht ohne Halt deshalb die Vermutung, dieser Mann sei der Werber bei Schiller gewesen, und nicht ohne Reiz der Gedanke, der illuminatische Marquis habe das Seine zu Schillers literarischem Marquis beigesteuert. Das Zeug dazu jedenfalls hatte er. Posa-Assoziationen verbinden sich auch mit dem Freiherrn von Hohenfeld, den Schiller in Speyer kennenlernt. Sie sind besser gesichert und der älteren Schillerbiographik nicht unbekannt. 28 Hohenfeld und seine seinerzeit berühmte Geschichte rufen sogleich Schillers rückhaltlose Bewunderung hervor: »Bei ihr [Frau von Laroche] 22

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In der >Schwedenkiste< befinden sich 30 Briefe Miegs an Bode und Rudolf Zacharias Becker vornehmlich aus den Jahren 1784 und 1785 (Bd. 5, Nr. 40-69). Noch auf seiner berühmten Reise nach Paris im Sommer 1787 macht Bode bei Mieg in Heidelberg Station (Bode, Journal von einer Reise, S.217ff.). Dazu B. Beyer, Freimauererei in München, S.94ff. Wortlaut nach B. Beyer, Freimaurerei in München, S. 152f. Zit. nach B. Beyer, Freimaurerei in München, S. 181. B. Beyer, Freimaurerei in München, S. 100. Siehe oben S.60f. Vgl. J. Minor, Schiller, Bd. 2, S.325; Rudolf Asmus, G.M. De La Roche. Ein Beitrag zur Geschichte der Aufklärung, Karlsruhe 1899, S. 143. 78

habe ich eine mir eben so schäzbare Bekanntschaft gemacht. H e r r Baron v. H o h e n feld, Domherr zu Speier, der mit Herrn von La R o c h e in Diensten des Curfiirsten von Trier war, und welcher, da der erstere wegen gewiser Umstände die ihm Ehre machen, mit Ungnade seine Dimission bekam, seinem Freunde das Opfer brachte, seine Entlaßung zugleich begehrte, und die ihm angebotene lebenslängliche Pension unter der Bedingung ausschlug, daß sie Herrn v. La Roche gegeben würde - Dieser Herr v. H o henfeld, der jetzt die ganze la Rochische Familie in seinem Hauß bei sich hat, worinn er nur ein Zimmer und eine Kammer für sich behielt, ist der edelste Mann den ich kennen lernte, und mein Freund. Ein solcher Mann kann mich mit dem ganzen menschlichen Geschlecht aussöhnen, wenn ich auch um ihn herum 1000 Schurken wieder begegnen muß.« 2 9 Christoph Philipp Willibald Freiherr von Hohenfeld (1743-1822), ein natürlicher Sohn des kurmainzischen Ministers Graf Friedrich von Stadion, bildete mit dem Kanzler Laroche und dem Freiherrn von Hornstein jenes Koblenzer >TriumviratSchwedenkiste< finden sich 30 Briefe »Epictets« an Bode in Weimar und Rudolf Zacharias Becker in Gotha, in der Hauptsache aus den Jahren 1784/85. 55 »Epictet« ist Bodes wichtigster Gesprächspartner, als dieser sich 1784 und dann noch einmal 1787 in Heidelberg aufhält. 56 A m 23. September 1789 schreibt Wilhelm von Humboldt, von Johann Erich 47

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Wilhelm Kreutz (Die Illuminateli des rheinisch-pfälzischen Raums, S. 120f.) stellt jetzt erfreulicherweise eine ausführliche Darstellung in Aussicht: Johann Friedrich Mieg ( 1 7 4 4 1819). Leben und Werk eines unbekannten pfälzischen Aufklärers im Zeitalter Maria Theresias, Karl Theodors und der Französischen Revolution. Nachtrag von weitern Originalschriften I, S. 66. Nachtrag von weitern Originalschriften I, S. 73. Nachtrag von weitern Originalschriften I, S. 131. Die Gründung zumindest der Heidelberger »Minervalkirche« muß man also, anders als H. Schüttler (Mitglieder, S.208), schon auf das Jahr 1781 ansetzen. Nachtrag von weitern Originalschriften I, S. 79. A u s Weishaupts Briefen geht übrigens auch hervor, daß »Epictet« besonders gute Beziehungen zu »Diomedes«, also zum Marquis von Costanzo, unterhält (Nachtrag von weitern Originalschriften I, S. 14 und 20). Nach dem Bericht von Jakob A n t o n Hertel (»Marius«) aus dem Jahr 1787, abgedruckt bei R. van Dülmen, Der Geheimbund der Illuminaten, S.406. Goethe an J. K. Lavater, 29. Juli 1782 (WA IV, 6, S.21). A . Rossberg, Freimaurerei und Politik, S. 68; M. Agethen, Geheimbund und Utopie, S. 178. Zu Pestalozzis Kaiserslauterner Mitgliedschaft R. Le Forestier, Les Illuminés, S. 349, Anm. 4. Als Mitbegründer der Züricher Ordensfiliale (1783) führt ihn H. Schüttler, Mitglieder, S. 117. Siehe Anm. 22. J. J. Chr. Bode, Protocol, über die Sache mit Philo, Schwedenkiste, Bd. 17, Nr. 135 (es handelt sich hier um Aufzeichnungen vom 8. Juni bis zum 5. Juli 1784); ders., Journal von einer Reise, S . 2 1 7 f f . (vgl. auch S.356).

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Biester an Mieg »adressirt«, aus Heidelberg an Georg Forster: »Mieg hat einen sehr v o r t e i l h a f t e n Eindruck auf mich gemacht. E r scheint so offen und gerade, sein Verstand so hell und durchdringend, und dabei hat er soviel Eifer für Freiheit und Rechte der Menschheit. Selbst in seiner Art sich auszudrukken liegt eine gewisse Einfalt und Kraft.« 5 7 1791 soll ein Offiziant von der pfalz-bayerischen Regierung per Dekret beauftragt worden sein, den Kirchenrat Mieg als besonders gefährliche Persönlichkeit unter ständiger Aufsicht zu halten. 5 8 Im Jahr 1796 findet der junge Schelling Mieg in der Gesellschaft des >Jakobiners< Wedekind. 5 9 Schon diese Streiflichter sind aussagekräftig genug. Einen guten Einblick in das muntere Heidelberger Ordensleben, das sich in Miegs Domizil abspielt, gewährt Miegs Neujahrsbrief vom 1. Januar 1783 an Knigge: »Wenn ihnen seit einigen Abenden die Ohren nicht gegället, so sind wir keine Schuld daran; so muß sogar der Hessenluft selbst über ihre empfindsame Ohren eine Härte gezogen haben, deren sonst ihre ganze Natur unempfänglich ist. Tacitus ist bey uns, reiset ehestens als Hofmeister nach Cölln; hat seine Vicarstelle des Plinius Bruder zugeschoben, und da haben Raphael [Wundt], Diodor, Plinius und wir alle uns tausendmal, und tausenderley Lagen Ihrer erinnert. [...] Gestern erzählte Raphael, wie ihm C eröffnet, Sie würden vielleicht einmal am Zweybrücker H o f Minister werden. Wie diese Vermuthung entstanden, wußte ich wohl, und machte uns königliche Freude. [...] Gestern unterhielt sich Raphael weit und breit mit dem jungen W - , hielt ihm einen guten Spiegel vor, und da gabs wiederum neue Freuden. So beschlossen wir mit einem brüderlich frugalen Souper unser altes Jahr unter stetem Andenken an Ihnen, mein Beßter! herrlich, lachend und in Freuden [.,.].« 6 0 In diesem Hause erhielten Werthes und Abel die Instruktionen für die Stuttgarter Ordensniederlassung. In diesem Kreis, vermehrt um Knigge, haben wir uns Schiller bei seinen Heidelberger Besuchen vorzustellen. Knigge stattet seinen Dank für die Heidelberger Gastfreundschaft im »Roman meines Lebens« ab, der auch sonst mit Reminiszenzen an Illuminaten-Freunde gespickt ist. » O liebes, herrliches Heidelberg! Hier mögte ich leben und sterben, und besonders an der Seite des göttlichen Mannes, der uns auf Ihre Empfehlung so liebevoll aufgenommen hat. Sein freyer, seelenvoller Blick, sein edler Anstand, seine lieblichen G e spräche, voll warmes Feuers für alles Gute, voll Weisheit, Feinheit, Gelehrsamkeit und Scharfsinn - Kurz! der ganze herzliche, thätige Mann, zu gut für den Platz auf dem er steht, zu gut vielleicht für die Welt voll Schurken, in der er lebt, und seine theu-

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Georg Forster, Werke, Bd. 18, S. 350. O b Forster dem Orden angehörte, ist umstritten. Dazu unten S. 155ff. Biester war Mitglied. Vgl. H . Schüttler, Mitglieder, S.24. L. Keller, Schillers Stellung in der Entwicklungsgeschichte, S.61, Anm. 1.

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So J. d'Hondt, Verborgene Quellen des Hegeischen Denkens, S.61.

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Nachtrag von weitern Originalschriften I, S. 1 3 1 - 1 3 3 . Die Anspielung auf den H o f von Zweibrücken wird uns noch beschäftigen. Die Ordensnamen sind dank H . Schüttlers Verzeichnis jetzt leicht zu entschlüsseln: »Tacitus« ist der Theologiekandidat Daniel Bachelle, »Plinius« ein gewisser Johann Martin Roedinger, nur für »Diodor« fehlt der bürgerliche N a m e (vgl. H . Schüttler, Mitglieder, S.17, 127, 191).

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re Familie, so sehr Seiner würdig! - Sie haben unser aller Herzen entwendet.« 61 Was sich hier andeutet, ist 1783 bereits geschehen: Knigge verlegt seinen Wohnsitz nach Heidelberg. Das Gespann »Philo«-»Epictet« machte Heidelberg zu einem Illuminatenzentrum ersten Ranges - für kurze Zeit freilich nur. Denn schon bald sollte die so enthusiastisch gefeierte Ordensfreundschaft in die Brüche gehen. Abgesehen von der Tatsache, daß Schiller Mieg in Heidelberg besucht hat, wissen wir noch, daß er gemeinsam mit Mieg für eine merkwürdige Aktion der Kurfürstlichen deutschen Gesellschaft verantwortlich war. Übrigens tagte die Gesellschaft, mit Ausnahme der sommerlichen Ferienzeit, wöchentlich - die Mitglieder Mieg und Schiller hatten also hinreichend Gelegenheit, sich kennenzulernen. Beide sehen wir denn auch, neben dem Hofkaplan Sambuga, in einem Ausschuß, der über die Vergabe eines Preises der Gesellschaft zu befinden hat. Zur Auswahl stehen die Abhandlungen des Züricher Professors Leonhard Meister und des Schiller-Freundes und Stuttgarter Illuminaten Johann Wilhelm Petersen. Verständlich, daß man schwankt. Doch selbst Schiller gibt schließlich dem Züricher den Vorzug, des »gefälligefn] Stil[s]« wegen. Allerdings findet er einen Kompromiß, der den Freund entschädigen soll: »Uberzeugt aber, daß die Deinige [die Abhandlung also] fürtreflich, und (im Falle die andre nicht eingelaufen) untadelhaft wäre, drang ich mit allem Einfluß den ich allenfalls habe, und allen Gründen, die ich aufrufen konnte, darauf, den Preiß zu theilen, und Dir 25, dem anderen 50 Dukaten zuzuerkennen. Ohne die geringste Verabredung war auch Mieg ganz einer Meinung mit mir [...].« 62 Ob da alles mit rechten Dingen zugegangen ist, wie es Schillers treuherzig-redlicher Brief will? Natürlich kannte auch Mieg Petersen, wußte er, daß er einen Ordensbruder vor sich hatte, hielt er seinen allenthalben regen Protektionsinstinkt nicht zurück. So jedenfalls hat Knigge den Fall angesehen. Sein satirisches Rollengedicht »Die Bitte« bezieht sich unzweifelhaft auf das Mannheimer Preisausschreiben, nimmt sowohl den Preisträger mit dem schlechten Stil wie den interessierten Unterstützer aufs Korn: Mein Freund! Hier schick' ich Dir ein Werk Von mir, zur Einsicht; A b e r merk: Es ist gar schön, und handelt nur Vom wahren Geist und der Natur der edlen deutschen Muttersprache; Allein ich bin kein Orthographe, Auch nicht sehr stark im deutschen Styl; Drum hör, warum ich bitten will: Sieh doch einmal, ob hie und da Nicht gegen die Grammatica Darinn peccirt - Zwar hat dies Buch, Zum Lobe und zur Ehre g'nug, Der deutschen Gesellschaft Preis davon getragen; Die Herren nehmen es nicht so genau. 61 62

[A. Frhr. v. Knigge], Der Roman meines Lebens, Tl. IV, 31. Brief, S.293. A n Petersen, 1. Juli 1784, N A 23, S. 151.

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Du aber bist's mein Freund! auf den ich bau'. Schreibst Du auch mal ein kleines Werk so über Etwas, wovon Du nichts verstehst, mein Lieber! So schick mir's gütigst - Jederzeit Bin ich zum Gegendienst bereit. 63 Die stachligen Verse stehen neben anderen post- und antiilluminatischen Stücken Knigges. D e r Hieb soll Mieg treffen. Das vielversprechende Bündnis zwischen »Philo« und »Epictet« ist zerfallen. A u c h Schillers Kontakte zu Knigge, ja nicht eben sehr deutlich oder gar eingehend bezeugt, hat die Schillerforschung marginal und als blindes Motiv behandelt. 6 4 Ganz anders läßt sich ein ahnungsvoller Freimaurerforscher des vorigen Jahrhunderts vernehmen: »Schiller war 1784 auch mit den Illuminaten durch deren Führer Knigge in nähere Beziehungen getreten, und der Einfluß, der durch Knigge auf den Dichter geübt ist, scheint ein ziemlich bedeutender gewesen zu sein.« 6 5 Mit der schönen Sicherheit eines solchen Aperçus ist es freilich noch nicht getan, obwohl es die Wahrscheinlichkeit ganz auf seiner Seite hat. Nicht leicht zu erbringen sind die triftigen Nachweise. Denn auch die Knigge-Biographen lassen uns im Stich. Knigges Heidelberger Jahre ( 1 7 8 3 - 8 7 ) , vier glückliche Jahre im »Paradies vonTeutschland«, wie er mehrfach erklärt, 6 6 liegen noch weithin im Dunkel. 6 7 Dabei müssen es Jahre geballter Aktivität gewesen sein, die freilich in kürzester Frist dem Gipfel auch schon das Ende der Ordenskarriere folgen ließen. Blickt man auf den Mann, so verdichtet sich rasch der Eindruck eines Magnetfeldes, dem man sich schwerlich entziehen konnte. A u c h im Falle Schillers ist es schlechterdings nicht vorstellbar, daß sich Knigge mit schriftstellerischer Fachsimpelei sollte begnügt haben, obwohl seine Kritiken der »Räuber« und des »Fiesco« natürlich auch dazu Anlaß gaben. 6 8 63

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Gesammlete poetische und prosaische kleinere Schriften, Tl. 2, Frankfurt/M. 1785, S. 14 (Sämtliche Werke, Bd. 16, S. 138). Bei J. Minor (vgl. Anm. 18) finden sich immerhin noch Vermutungen, die in die richtige Richtung gehen. Karl Berger (Schiller. Sein Leben und seine Werke, 2 Bde., 9. Aufl., München 1917-18, hier Bd. 1, S. 346) repetiert nur noch die Angaben Charlotte von Schillers, Reinhard Buchwald (Schiller, Leben und Werk, 4. Aufl., Wiesbaden 1959) oder Benno von Wiese (Friedrich Schiller, 3. Aufl., Stuttgart 1963) erwähnen Knigge mit keinem Wort. Nur bei Rosemarie Nicolai-Haas (Die Anfänge des deutschen Geheimbundromans, S. 274) fällt, bei einem Seitenblick auf den »Don Karlos«, auch der Name Knigge. Br. Schröder, Marquis Posa, in: Asträa. Taschenbuch für Freimaurer auf das Jahr 1897, N F 16, Leipzig 1897, S. 139-156, hier S. 147. Der Roman meines Lebens, Tl. IV, 23. Brief, S.211; Uber den Umgang mit Menschen, hrsg. von Gert Ueding, Frankfurt/M. 1977, S.274. Nicht aus den Quellen belegt sind die Angaben in den populären Darstellungen von Reinhold Grabe, Das Geheimnis des Adolph Freiherrn von Knigge. Die Wege eines Menschenkenners, Hamburg 1936, und Peter Kaeding, Adolph von Knigge. Begegnungen mit einem freien Herrn, Berlin 1991. - Abhilfe verspricht die Studie, die Wilhelm Kreutz (Die Illuminaten des rheinisch-pfälzischen Raums, S. 121, Anm. 35) jetzt angekündigt hat: Aus Friedrich Münters Tagebüchern. Eine unbekannte Quelle zu Adolph Freiherr von Knigges Heidelberger Jahren und zur Geschichte des Illuminatenordens. Zu Knigges dramaturgischen Maßstäben mit Natürlichkeitsgebot und Greuelverbot vgl. 85

A d o l f F r e i h e r r von Knigge (1752-1796)

Wohl niemanden hatte das Feuer des Illuminatismus, vom Marquis Costanzo entzündet, derart in Flammen gesetzt wie den Freiherrn von Knigge. Die große Sache macht ungeahnte, bislang brachliegende oder vertändelte Energien frei. Hunderte von Mitgliedern hat der Dreißigjährige, reisend und korrespondierend, in kürzester Zeit für den Orden mobilisiert - er selbst nennt wiederholt die Zahl 500. 69 Auf einer Reise nach Bayern lernt er Weishaupt auch persönlich kennen. Panegyrisch beschreibt der »Roman meines Lebens« den »großen Mann«, »der wie ein vergrabener Edelgestein, nur von Wenigen würdig genug geschätzt aus dieser Dunkelheit gezogen zu werden, aber auch von diesen Wenigen so innigst verehrt, so ganz als eines der edelsten Wesen gekannt, werth Ländern und Völkern eine andre Wendung zu geben, und Licht auf den Erdboden zu verbreiten, daß dieser Mann, einer von denen, dessen nächtliche Lampe die Welt erleuchtet, den ersten Platz verdient, brauche ich wohl nicht zu sagen«. 7 0 Im Rückblick noch wird der Enthusiasmus spürbar, der da um sich griff: »Ich theilte Allen den Geist mit, den mir Spartacus eingehaucht hatte; Auf sein Ehrenwort gestützt, verpfändete ich das meinige für die Größe und Güte der Sache; Schrieb er mit Wärme vom Orden; so schrieb ich mit dem heissesten Enthusiasmus, Verhieß er ein Elisium; so versprach ich, meinem Temperamente gemäß, ein Paradies.« 7 1 Denn das hatte Weishaupt versprochen: »einen neuen Himmel, eine neue Erde; ein Welt und Menschen umschaffendes System [...]; Ein Bündnis der Edelsten; eine heilige Legion unüberwindlicher Streiter für Weisheit und Tugend«. 7 2 Der Orden sollte einst »die Welt kommandieren«. 7 3 Wie sehr Knigge an solche Parolen glaubte, zeigen seine Werbeschreiben. »Ein großer ungeheurer Plan, und doch die sichersten Anstalten; für die ganze Menschheit unendlich interessant; ein Welt und Menschen umschaffendes System, die feinste Einrichtung und doch heiligste Probität, jesuitische Klugheit und christliche Einfalt, unentweihete Auswahl; feste beruhigende Systeme, nicht Speculationen von müßigen Köpfen ersonnen, nein! Das Resultat besonderer Ueberlieferungen und lange geprüfter und geläuterter Sätze.« 7 4 Lavater überfällt er mit der Frage, warum denn ausgerechnet »die abscheuligsten aller Menschen, die Jesuiten, alles aus den Menschen zu machen verstanden«, und warum denn die römischen Kirche derartige Macht über die halbe Welt besäße. »Wenn das angeht; warum sollte man denn nicht der einzig glücklich, ruhig, selig und weise machenden Religion und Tugend diesselbe Uebergewicht verschaffen, unsre Leute mit

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auch dessen Skizze »Ueber die deutsche Schaubühne« von 1784/1785 (Sämtliche Werke, Bd. 16). Vgl. Nachtrag von weitern Originalschriften I, S. 101, auch S.69 (Weishaupts Skepsis gegenüber dieser Zahl). Dazu R. Le Forestier, Les Illuminés, S. 220, Anm. 2. Der Roman meines Lebens, Tl. IV, S. 275f. Vgl. auch Philo's endliche Erklärung. S. 59ff. - mit einem immer noch respektvollen und treffenden »Spartacus«-Portrait. Philo's endliche Erklärung, S.42. Philo's endliche Erklärung, S.38f. Zit. nach A . Rossberg, Freimaurerei und Politik, S. 68. Wortlaut nach R. van Dülmen, Der Geheimbund der Illuminaten, S.280. 87

Enthusiasmus dafür erfüllen können?« 7 5 Der Illuminatismus gibt sich unumwunden als neue Religion zu erkennen. Und »Philo« ist ihr Apostel, während Weishaupt die Rolle des Messias für sich reserviert. 76 Zum missionarischen gesellt sich der programmatische Eifer. Knigge ist nicht nur Praktiker und Organisator. Er arbeitet das Gradsystem aus. Er prägt das theoretische Manifest des Ordens, die »Anrede an die Illuminatos dirigentes«. Kein Uberschwang ist ihm fremd, wenn es um seine Ideale geht. Nicht selten führt ihm das Herzblut die Feder: »Es ist so süß, Menschen lieben zu können, und von Menschen geliebt zu werden; sich aller Creatur zu erbarmen; der Tugend zu huldigen, und dem Laster muthig in den Weg zu treten. Es ist so süß, den Leidenden zu trösten, und dem Unglücklichen eine brüderliche Thräne zu weinen. Es ist so süß, sich des Bedrängten anzunehmen, das verfolgte Verdienst zu beschützen, und das gedrückte Talent aus dem Staube hervorzuziehn. Es ist so süß, dem verkannten Redlichen Gerechtigkeit zu verschaffen, für den Verlaßnen zu arbeiten, den Schwachen zu ertragen, von dem Weisen zu lernen, über den Thoren zu lächeln, ohne ihn zu hassen, und dem angebetheten Schurken auf dem Throne, dem sclavischen Tyrannen, und dem niedrigen Fürstenknechte den Spiegel vorzuhalten. Es ist so süß, in der Stille Gutes zu wirken [...]«. 7 7 Nüchterner faßt ein späterer Brief im Rückblick die illuminatische Tätigkeit zusammen: »Bildung der Jugend, Beförderung dieser Zöglinge zu Civil-Aemtern, der selige Traum, die Menschen von allerlei Joch zu befreien, Aufklärung in Wissenschaft und Religion, und die Absicht, hiezu durch ein mystisches Kleid mehr Macht zu bekommen - das ist kürzlich der Plan, mit grosser Feinheit und in der Theorie mit Probität ausgeführt.« 7 8 Regiert werden der heißblütige Enthusiasmus wie die kühlen Planungen von den »großen Wörtern«, die das neue Illuminaten-Evangelium verkünden: »Glück der Welt, Freiheit, Gleichheit, Rechte der Menschheit, Kultur, allgemeine Aufklärung, Bildung, Weltbürgergeist«. 7 9 Der Apostel der »Weltreformation« verkörpert wie kaum ein anderer den Typus des Schwärmers für die Aufklärung, den der Illuminatismus hervorgebracht hat. Und niemand hat diesen Typus treffender beschrieben als Schiller - aus eigener Anschauung, wie man ohne Kühnheit behaupten darf, wenn man sich den Heidelberger Knig75

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Wortlaut nach R. van Dülmen, Der Geheimbund der Illuminaten, S.314f. Die eindrucksvolle Absage, die Lavater solchen Weltreformationsplänen »als Christ und Psycholog« erteilt, enthalten seine Briefe an Knigge vom 19. Februar und 13. Juni 1783 (A. Frhr. von Knigge, A u s einer alten Kiste, S.43ff.). Vgl. Philo's endliche Erklärung, S.75. Der Roman meines Lebens, Tl. IV, S. III f. Wortlaut nach C. C. F. W. von Nettelbladt, Geschichte Freimaurerischer Systeme, S. 751, Anm. 521. Vgl. Über den Umgang mit Menschen, S. 126. Hier freilich schon mit scharfer Kritik an den »Aposteln« der »großen Wörter«, die »auf politische, halb phantastische, halb jesuitische Pläne und auf Weltreformation hinausgehen«, und mit der Empfehlung, ihre Begriffe »für nichts anders als f ü r Lockspeisen oder höchstens f ü r gutgemeinte leere Worte zu nehmen, mit denen diese Leute spielen wie die Schulknaben mit den oratorischen Figuren und Tropen«. 88

ge vor Augen hält. Auch Knigge verfügt über die Statur zum Marquis Posa. Das Portrait des Marquis, das die »Briefe über Don Karlos« entwerfen, pocht doch nur deshalb auf den Realitätsgehalt der Figur, die »fast durchgängig für zu idealisch gehalten worden«, 80 weil Schiller diesen Typus kennt. So kann er alle »Einwendungen, welche gegen die Natürlichkeit dieses Charakters gemacht werden«, rasch abfertigen, beruhen sie doch auf der Fehleinschätzung, »daß Gedanken dieser Art [die »Gesinnungen, die der Marquis äußert, die Philosophie, die ihn leitet, die Lieblingsgefühle, die ihn beseelen«] nicht so leicht, wie hier geschieht, in den Willen und in die Tat übergehen, - und daß eine idealische Schwärmerei nicht mehr mit solcher Konsequenz realisiert, nicht von solcher Energie im Handeln begleitet zu werden pflege«.81 Schiller wußte es besser. Die intellektuelle Bildungsgeschichte, die Schiller für seinen Posa (nachträglich) >erdichtetSchwedenkiste< S.285ff.). W. D. Wilson, Geheimräte gegen Geheimbünde, S. 86. Vgl. den Wortlaut des Protokolls bei W. D. Wilson, Geheimräte gegen Geheimbünde, S.287ff. Dazu W. D. Wilson, Geheimräte gegen Geheimbünde, S. 87f., mit dem Bemühen, Goethes und Karl Augusts Rolle in dieser Angelegenheit möglichst herunterzuspielen (gegen H . Schüttler, Karl Leonhard Reinhold, S. 68).

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Weimar bestens im Bilde; in Goethes Haus hat Knigge am Abend des 13. Februar noch einmal seine Verteidigung vorgetragen. Auch ein neuerliches Hilfsgesuch Knigges vom April bleibt freilich ohne Erfolg. Bode fertigt für Herzog Ernst II. und den Nationaloberen Graf von Stolberg-Rossla ein Gutachten und erhält daraufhin den Auftrag, Knigge aufzusuchen, »die kräftigsten Maasregeln zu fassen, um dies so ärgerliche Scandalum zu heben und zu vernichten«, die Ordenspapiere zu beschlagnahmen und »durch Drohungen sowohl als durch Versprechungen« Stillschweigen zu erzwingen. 9 8 U n d so geschah es. Knigge mußte den Orden am 1. Juli 1784 verlassen. Welche Erbitterung auf beiden Seiten der Front da um sich griff, zeigt ein Brief »Epictets« an Bode vom 30. April 1784. Mieg bricht den Stab über den alten Freund; die Ordenssache geht vor: »Der Mann, der in einer ordentlichen u[nd] regelmäßig angebauten praefectur, aus caprice oder etwas ärgerem profane gegen und ohne revers aufnimmt [...], alle unsere Ordensbrüder in dieser Stadt ohne den geringsten nutzen bei profanen mit namen nennet, unseren [Orden] der gefährlichkeit u[nd] des jesuitismus beschuldigt, sich alles gegen uns erlaubt, ist uns kein philo, kein [Ordensjbruder, sondern ein pseudophilo, ein afterbruder; mit dem wollen wir in keiner ferneren G e meinschaft stehen, noch ihm das geringste Zutrauen beweisen [ . . . ] « . " Gut möglich, daß auch Schiller zu jenen »Profanen« gehörte, vor denen Knigge Ordensdinge ausbreitete, die er sogar in seine Zweifel und Vorbehalte gegenüber dem Orden einweihte. Jesuitismus - das ist das schlimmstmögliche Reizwort, das alle Verdachtsmomente und Einwände Knigges bündelt. Es verbindet den Jesuitenverdacht gegen den Orden mit der Kritik an dem >jesuitischenfalsche ToleranzInquisitionInquisition< nun aber just im Zuge des Illuminatenverbots und der rasch einsetzenden bayerischen Illuminatenverfolgungen. Weishaupt selbst, der sich nach einem peinlichen Verfahren durch Flucht in Sicherheit gebracht hatte, berichtet darüber, führt Verhörprotokolle an, spricht von »Inquisition«, »Inquisitionssache«, »Inquisitionssessionen«, »Inquisitionsberichten« und resümiert mit Anspielung auf ein »Autodafé«: » O b dieses gleich ohne San Benito und Scheiterhaufen gehalten wurde, so hätte es dem ohnerachtet selbst

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F. Nicolai, Beschreibung einer Reise, Bd. 6, 1785, S. 684-692. Vgl. H . Schüttler, Mitglieder, S. 169. Zitiert nach dem Abdruck in Friedrich Nicolais »Allgemeiner deutscher Bibliothek«, Bd. 35, Berlin u. Stettin 1778, 1. Stück, S. 156f. Vgl. insbesondere Louis Sébastien Merciers »Précis historique«, die Einleitung zum »Portrait de Philippe II, roi d'Espagne« (Amsterdam 1785), die Schiller übertragen und im 2. Heft der »Thalia« 1786 abgedruckt hat (Friedrich Schiller, Sämtliche Werke, hrsg. von Gerhard Fricke und Herbert G. Göpfert in Verbindung mit Herbert Stubenrauch, Bd. 4,2. Aufl., München 1960, S. 7-24).

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dem grossen Torrequemada unsterbliche Ehre gemacht.« 1 4 Der juristische Terminus >Inquisition< wird gezielt mit der spanischen Inquisition, also mit dem Inbegriff von »Gedankenknechtschaft«, 1 5 der Vernichtung von Gewissens- und Gedankenfreiheit, in Verbindung gesetzt. Die Illuminatenprozesse erscheinen mithin als neue Ketzerprozesse. Gut möglich, daß Schiller von Weishaupts Apologie Kenntnis erhielt, wenn nicht unmittelbar, dann durch Vermittlung der Journale. Ausführlich widmet sich Rudolf Zacharias Beckers »Deutsche Zeitung für die Jugend und ihre Freunde« schon 1786 der Illuminatensache. »Eine der wichtigsten und für die Menschheit traurigsten Begebenheiten, welche sich, seitdem diese Zeitung im Gange ist, in Deutschland ereignet haben, ist ohne Zweifel das Schicksal der so genannten Illuminaten«, so beginnt Becker, selbst Illuminât, seine parteiische Berichterstattung. 16 Auch die Jenaische »Allgemeine Literatur-Zeitung« bringt im August 1786 eine eingehende Besprechung von Weishaupts Verteidigungsschriften, der regelmäßig einschlägige Rezensionen folgen werden. Wiederum ist der Tenor entschieden illuminatenfreundlich. Kein Wunder, der Autor, vermutlich Gottlieb Hufeland, gehört ebenfalls dem Orden an. 17 Hufeland wie Becker werden wir später in der Nähe Schillers wieder antreffen. Beispielhafte Geschichten von der Verfolgung prominenter Illuminaten macht Wekhrlins »Graues Ungeheuer« publik, so die »Geschichte und Apologie des Freiherrn von Meggenhoffen, ein Beitrag zur Illuminatengeschichte«, der uns noch beschäftigen wird. 1 8 Die Resonanz ist groß, die Beispiele ließen sich vermehren. Bereits 1786 stellt ein Anonymus zum Stand der Illuminatendebatte fest, daß »alle Journale Deutschlands bis zum Ekel damit angefüllt sind«. 1 9 Der Autor des » D o n Karlos« hatte Anlaß genug, nicht achtlos daran vorbeizusehen. In der Nähe von Philipps Inquisition, so sagen die »Karlos«-Briefe, haben die Ideale von »Menschenrepublik, allgemeiner Duldung und Gewissensfreiheit« ihren Ursprung. 2 0 So zieht auch in der Entstehungsgeschichte des » D o n Karlos« das Inquisitionsmotiv die Gedankenfreiheit und damit die Menschenrechtsphilosophie nach 14

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[Adam Weishaupt], Vollständige Geschichte der Verfolgung der Illuminaten in Bayern. Erster Band nebst Beylagen und Materialien für den folgenden Band, Frankfurt und Leipzig 1786, S.254ff.; das Zitat auf S.295. Schillers Formulierung in der Vorrede zu Niethammers Bearbeitung der Geschichte des Malteserordens von Vertot: Schiller, Sämtliche Werke. Säkular-Ausgabe, Bd. 13, Stuttgart, Berlin [1904], S.277. Deutsche Zeitung, 4. Quartal 1786, 42. Stück, S. 329-333; 43. Stück, S. 339-344; 44. Stück, S. 355-359. Das Zitat auf S. 329. Die Illuminatenmitgliedschaft Beckers ist in der »Schwedenkiste« reichlich belegt. D a z u unten S. 148ff. Allgemeine Literatur-Zeitung (ALZ), Nr. 193-194, 14.-15. August 1786, Sp.299-312. Er erscheint als »Beilage« im Anhang von Bd. 6,1786. In Bd. 7,1786, S. 113ff. folgt ein weiteres Exempel mit dem bezeichnenden Titel: »Geschichte eines Martirers des Illuminatismus, als Pendant zur Geschichte Herrn Weishaubts, Herrn Dellings, Freiherrn von Meggenhofen etc.«. Gedanken über die Verfolgung der Illuminaten in Bayern, [Frankfurt] 1786, S. 7. Vgl. dazu R. Le Forestier, Les Illuminés, S. 493ff. sowie die Bibliographien bei R. van Dülmen, Geheimbund der Illuminaten, S.423ff. und J. Rachold, Die Illuminaten, S. 371ff. N A 22, S. 141.

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sich. D a s sind die » n e u e n I d e e n « - u n d sie v e r b i n d e n sich u n t r e n n b a r mit P o s a , der n u n m e h r z u i h r e m A n w a l t u n d d a m i t z u r n e u e n H a u p t f i g u r d e s S t ü c k e s heranw ä c h s t . » D e r Z e i t p u n k t , w o r i n er auftrat, w a r g e r a d e derjenige, w o r i n stärker als je v o n M e n s c h e n r e c h t e n u n d G e w i s s e n s f r e i h e i t die R e d e w a r « 2 1 - w a s Schiller a n a c h r o nistisch f ü r d a s Zeitalter P o s a s in A n s c h l a g bringt, gilt natürlich viel eher f ü r seine eigene Zeit, die E p o c h e der » G ä r u n g e n « . E i n e n » L i e b l i n g s g e g e n s t a n d u n s e r e s J a h r z e h n t s « nennt er d e s h a l b d e n » Z w e c k « , d e r P o s a mit d e n » V e r b r ü d e r u n g e n « der M a u rer u n d I l l u m i n a t e n vereint. 2 2 M a n tut d o c h w o h l gut d a r a n , d e n E r l ä u t e r u n g e n der » K a r l o s « - B r i e f e G l a u b e n z u s c h e n k e n , statt sie achtlos z u ü b e r g e h e n o d e r z u v e r w e r f e n . D i e seltsame D i s k u s s i o n ü b e r d a s » F a m i l i e n g e m ä l d e in e i n e m f ü r s t l i c h e n H a u ß e « , die d e n M a r q u i s als s c h w ä r m e r i s c h e n S t ü r m e r u n d D r ä n g e r in d e n H i n t e r g r u n d k o m p l i m e n t i e r e n u n d die politische W e n d e des S t ü c k e s nicht länger w a h r h a b e n wollte, w ä r e d a n n u n t e r b l i e b e n . 2 3 A u c h der ü b e r a u s s o r g f ä l t i g e K o m m e n t a r , d e n Paul B ö c k m a n n u n d G e r h a r d K l u ge in der N a t i o n a l a u s g a b e v o r g e l e g t haben, v e r k e n n t d e n h i s t o r i s c h e n u n d intellektuellen L e b e n s r a u m P o s a s . D a stellt sich die S a c h e s o dar, als s c h ö p f e der M a r q u i s u m s t a n d s l o s aus seinen L e h r m e i s t e r n R o u s s e a u o d e r a u c h M o n t e s q u i e u , m e h r n o c h : als h a b e » d i e G e s t a l t P o s a s ihr volles G e w i c h t erst in d e m A u g e n b l i c k erhalten [...], als Schiller sich entschloß, sie z u m A n w a l t der I d e e n w e l t des >Contrat social· z u m a c h e n u n d d a s Schicksal R o u s s e a u s in ihr z u s p i e g e l n « . 2 4 A u c h hier zeigt sich, w i e i m Streit

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N A 22, S. 141. N A , 22, S. 161. Ausgelöst wurde sie von Helmut Koopmann, D o n Karlos, in: Walter Hinderer (Hrsg.), Schillers Dramen. Neue Interpretationen, Stuttgart 1979, S. 87-108. Die Deutung gerät vor allem deshalb ins Abseits, weil sie dem Marquis Posa eine grundfalsche historische Plazierung zuschreibt: »Aber man darf zunächst einmal die Sturm-und-Drang-Wurzeln dieser Menschenphilosophie nicht übersehen. Posa schwärmt von einer besseren Welt, wie alle Stürmer und Dränger das getan haben; realen politischen Gehalt wird man diesen Vorstellungen schon deswegen nicht zusprechen können. Es kommt hinzu, daß alle diese Menschheitsträume von Posa nicht zufällig erst auf kommende Generationen hin projektiert sind - auch das ist ganz konform mit der Sturm-und-Drang-Dramatik« (S. 103f.). Vgl. auch H. Koopmann, SchillerForschung 1970-1980. Ein Bericht, Marbach am Neckar 1982, S.81ff. (mit Polemik gegen Paul Böckmann); ders., Schiller. Eine Einführung, München u. Zürich 1988, S.48ff. (mit vorsichtiger Zurücknahme der Position von 1979). Gegen Koopmann: Klaus-Detlef Müller, Die Aufhebung des bürgerlichen Trauerspiels in Schillers »Don Karlos«, in: Helmut Brandt (Hrsg.), Friedrich Schiller. Angebot und Diskurs. Zugänge, Dichtung, Zeitgenossenschaft, Berlin u. Weimar 1987, S. 218-234. - Die besondere Aufmerksamkeit für das »Familiengemälde in einem fürstlichen Hauße« hatte Paul Böckmann geweckt, der dabei freilich vor allem die Abkunft von Diderots Strukturprinzip des »tableau« ins Auge faßte und keinen Zweifel an der Verschränkung von familialer und politischer Sphäre ließ (P. Böckmann, Schillers Don Karlos. Edition der ursprünglichen Fassung und entstehungsgeschichtlicher Kommentar, Stuttgart 1974, S.379ff.). Böckmann, Schillers D o n Karlos, S. 500; so auch Ν Α 7/II, S. 327. Erstaunlich doch auch, daß Böckmann in seiner umfangreichen Darstellung der Entstehungsgeschichte des » D o n Karlos« (noch einmal im Kommentar 7/II, S. 71-108) keine historische bzw. biographische Erklärung für das neue Interesse findet, das Schiller nach eigenem Bekunden an der Figur des Mar106

über die Moralität Posas, daß die mangelnde Kenntnis der Illuminatengeschichte der Schiller-Forschung nicht gut bekommen ist. In der Dresdener Zeit kommt das Anschauungsmaterial aus Mannheim und Heidelberg zur Reife, gewinnt Posa sein charakterliches und geistiges Profil. Das Gespräch mit dem König kannte die Thalia-Fassung noch nicht. Erst die Endphase der Arbeit entwickelt Posas »politische Philosophie«, 25 bringt sie logisch und rhetorisch so in Form, daß die Audienzszene als glänzender politischer Traktat im Drama gelten kann. 26 Noch bis Ende Mai 1787 wandern Manuskriptsendungen für die Buchausgabe zu Göschen. 27 Die geschäftsmäßigen Fakten überblicken wir einigermaßen. Über alles andere, insbesondere die Produktionsgeheimnisse des Posa-Komplexes, schweigen die überlieferten Zeugnisse zur Entstehungsgeschichte sich aus. Erst die »Briefe über Don Karlos« brechen das Schweigen. Unter diesen Umständen kommt die folgende Äußerung Körners nicht ungelegen. Am 20. April 1787 schreibt er an Schiller, der sich zur Arbeit am »Karlos« nach Tharandt zurückgezogen hat: »Gestern war ich mit Hubern ein Paar Stunden bey Sala, Englisch Bier zu trinken. Wir sprachen anfangs viel von Illuminaten und geheimen Gesellschaften und endigten mit unserer eignen werthen Person und mit der Deinigen. Ich hatte viel für Euch beyde auf dem Herzen.« 28 Huber bestätigt die Eskapade: »Sales Ale, der mächtige Herzensschließer, verfehlte auch bei ihm [Körner] seine Wirkung nicht, und haben geschwazt, daß die Engel im Himmel sich darüber freuen mußten.« 29 Auch wenn man nicht zu viel in dieses Gespräch hineinlesen möchte, daran läßt der Gestus von Körners Brief keinen Zweifel: über die Illuminaten, die Geheimgesellschaft par excellence, wurde nicht zum erstenmal unter den Freunden, Schiller natürlich eingeschlossen, gesprochen - und sie waren kein beiläufiges Sujet. Eine weitere Folgerung legen die Daten zwingend nahe: Körner und Huber erhitzen sich über den ersten Band der illuminatischen »Originalschriften«, der ihnen just zu Gesicht gekommen sein muß. Die bayerische Regierung hat ihn im März, einen Monat zuvor, herausgebracht; er schlägt auch sonst, namentlich in Illuminatenkreisen, wie eine Bombe ein. 30 Der Wiener Illuminât Gottlieb Leon schreibt am 28. April, eine Woche

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quis Posa nimmt. Von den Illuminaten ist in der dreibändigen »Karlos«-Edition der Nationalausgabe lediglich in einer Anmerkung zur Rolle des Domingo die Rede, mit Verweis auf die »Machtkämpfe zwischen Illuminaten und Katholiken«, »die 1784 zu einem Verbot der Illuminaten in Mannheim (!) führten« ( Ν Α 7/II, S.365). Der Ausdruck stammt von Körner: an Schiller, 19. Februar 1789, N A 33/1, S.306. Vgl. Ν Α 7/II, S. 97ff. Vgl. Schiller an Göschen, 21. Mai 1787, N A 24, S.96ff. N A 33/1, S. 122. Huber an Schiller, 22. April 1787, N A 33/1, S. 122. Vgl. R. le Forestier, Les Illuminés, S.499ff. Bode erhält die »Originalschriften« Anfang Mai in Fulda, zu Beginn seiner Reise nach Paris. Sein Kommentar: »Dieses Buch ist höchst schädlich und gerät zu großes Licht a) über die Neuheit des Instituts, b) Ueber die Absicht des Stifters c) Ueber seinen Charakter, aa) er wollte herrschen, bb) sich eine Schutzwall bauen um zu glänzen und zu trotzen. Es wird schwer halten, nach dieser Publication regelmäßig fortzuar-

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später also als Körner, an den Ordensbruder Reinhold in Weimar: »Hast du übrigens, Brüderchen, die ziemlich dicken Originalschriften des Illuminatenordens etc., welche auf des Churfürsten von Bayern Befehl u. höchst eigener Veranstaltung in z w e y en Buchhandlungen zu München gedruckt, erschienen, schon zu Gesichte bekommen? Hier machen sie auserordentlich viel Sensation, und ich habe sie eben unter meiner Lektüre. [...] O lies doch diese für jeden Ordensgenossen äußerst merkwürdige Schrift, u. sage mir dann dein Urtheil darüber.« 31 Schließlich fällt auf, daß Körners Mitteilung für Schiller nicht unvorbereitet daherkommt. Nur deshalb bedarf doch die Erwähnung der Illuminaten keiner weiteren Erklärung. A m 19. April treffen sich die Dresdener Freunde beim Englischen Bier. Zwei Tage zuvor erst haben sie Schiller nach Tharandt gebracht. Die sensationelle Neuerscheinung kann ihm also ebenfalls nicht verborgen geblieben sein - so sehr ihn in diesen Tagen auch die Affaire mit Henriette von Arnim (derentwegen man ihn nach Tharandt schickt) in Anspruch genommen hat. Die abschließende Arbeit am »Don Karlos« erfolgt nun auch mit Kenntnis der »Originalschriften«. 3 2 Der Glücksfall der Uberlieferung, der uns Körners unscheinbare Briefäußerung zuspielt, bestätigt das Interesse des »Karlos«-Dichters und seiner Freunde an den Illuminaten. Er bestätigt zugleich, gegen eine hilflose, weil unaufmerksame Forschung, die Auskünfte der »Karlos«-Briefe über die illuminatische Affinität des Marquis Posa. Der Pfälzer Anschauungsunterricht, polemisches und apologetisches Schrifttum, das Gespräch mit den Dresdener Freunden, endlich gar der erste Band der »Originalschriften« - das alles stand der konzeptionellen Phantasie zur Verfügung. Nicht nachweisen lassen sich hingegen für Schillers Dresdener Zeit illuminatische Kontakte, wie sie in den Jahren zuvor an der Tagesordnung waren. Immerhin scheint Körner für Begegnungen mit Maurern gesorgt zu haben. 33 Seine eigene masonische Karriere hatte ihn, lange vor der Bekanntschaft mit Schiller, in dubiose Gefilde geführt, wovon wir

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beiten! Schade!« (Bode, Journal von einer Reise, S. 160 u. 165.) Schon am 23. April 1787 rezensiert die in Neuwied erscheinende »Freymaurer-Zeitung« das Buch, natürlich in apologetischer Absicht (ebd., S. 160, Anm. 414). K. L. Reinhold Korrespondenz, Bd. 1, S.222. Ende März hatte Göschen den Anfang des 3. Aktes erhalten (NA 24, S. 86), noch Ende April ist Schiller damit beschäftigt ( N A 24, S.94). Bis Ende Mai hatte Schiller immer noch Zeit, neueste Anregungen in seinen Text einzuarbeiten. Daß damit zu rechnen ist, zeigt die freilich ein wenig kryptische Äußerung im Brief an Körner vom 22. April 1787 (!) aus Tharandt: »Meine bisherigen Arbeiten foderten auch diese feinere Stimmung nicht. Es war mehr O r d nen von Bruchstücken und Uebersetzung meiner Prosa in Jamben. Eine einzige schöne Frühlingswoche muß nun alles thun. Uebrigens siehst Du ein, daß ich viele glückliche Ideen, manche Foderungen meines beßeren Gefühls wegen der erstaunlichen Eile abweisen muß — und auch gut daß es so ist. Der Carlos ist bereits schön überladen und diese andere Keime sollen mir schrecklich aufgehen in der Zeiten reifender Vollendung« ( N A 24, S. 93). P. Böckmanns Vermutung, »daß die große Gesprächsszene des Königs mit Posa (III, 10) als eigentliches Ergebnis der mühsamen Sommermonate 1786 abgeschlossen vorlag« ( N A 7/II, S. 97), steht keineswegs auf gesichertem Boden. Vgl. die eher vagen Angaben bei L. Keller, Schillers Stellung in der Entwicklungsgeschichte des Humanismus, S. 68ff.

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später noch hören werden. Wie sie seit Schillers Ankunft verläuft, liegt freilich ganz im dunklen. Allerdings hat man zeigen können, daß diese Sphäre ihre Spuren im Lied »An die Freude« hinterlassen hat. E s ist offenkundig nach dem Muster eines Tafellogenliedes gearbeitet. 3 4 So gut wie nichts ist jedenfalls von den Illuminaten zu sehen. Weiter verwunderlich ist das nicht, haben sie doch in Kursachsen nie recht Fuß gefaßt. Im Mai 1786 meldet Schiller, ohne jede weitere Erläuterung, die Anwesenheit Christian Gotthelf Salzmanns in Dresden. 3 5 Salzmann zählt zu den Gothaer Illuminaten; illuminatiseli geprägt ist das bekannte Erziehungsinstitut in Schnepfenthal bei Gotha, das er 1784 mit Beistand auch der Weimarer Illuminaten gründet. 3 6 Illuminât und nachmals einer der bedeutendsten Reform-Freimaurer der Zeit ist auch Friedrich Ludwig Schröder, seit 1785 Theaterdirektor in Hamburg, der Schiller ebenfalls nach H a m b u r g ziehen m ö c h te und sich lebhaft für den » D o n Karlos« interessiert. 3 7 Ganz am Rande, im Zusammenhang mit Göschens Verlagsgeschäften, taucht der N a m e Rudolf Zacharias Bekkers auf. Becker, seit 1782 entschiedener und ranghoher Illuminât, spielt auch seine sehr erfolgreiche publizistische Rolle für die Ziele des Ordens aus. 3 8 Persönlich wird

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Vgl. G. Deile, Freimaurerlieder als Quellen zu Schillers Lied »An die Freude«. Wortgetreue Neudrucke bisher noch unbekannter Quellen mit einer Einleitung »Ueber das Verhältnis der Freimaurer zu Schiller«. Ein Beitrag zur Erklärung des Liedes »An die Freude«, Leipzig 1907. Vorher schon: Hans Vaihinger, Ein Freimaurerlied als Quelle des Liedes an die Freude?, in: H. Vaihinger - Bruno Bauch (Hrsg.), Schiller als Philosoph und seine Beziehungen zu Kant. Festgabe der »Kantstudien«, Berlin 1905, S. 138-141. An Huber, 1. Mai 1786, NA 24, S.52: »Salzmann ist jezo hier, Du wirst ihn bald in Leipzig sprechen, und vielleicht einen Kauf mit ihm schließen können.« Zu Salzmanns Illuminatentum ausführlich: Gudrun Burggraf, Christian Gotthilf Salzmann im Vorfeld der Französischen Revolution, Germering 1966, S.66ff. Vgl. auch M. Agethen, Geheimbund und Utopie, S. 172f.; H. Schüttler, Mitglieder, S. 131; A. Rossberg, Freimauererei und Politik, S. 105. Über Schröder, der »Die Räuber« und »Fiesco« noch auf das schärfste kritisiert hatte, und sein Werben um Schiller: P. Böckmann, Schillers Don Karlos, S.400f.; N A 7/11, S.482f. - Zu Schröders Mitgliedschaft im Illuminatenorden, die während seiner Wiener Zeit (1781-85) zustandegekommen sein muß, H. Schüttler, K.L. Reinhold, S.50, Anm. 4; ders., Mitglieder, S. 140. Nach Schüttler gehörte Schröder seit 1782 zu den Illuminaten, mit dem Ordensnamen »Roscius«. Die enge Verbindung Schröders mit Knigge dokumentieren Briefe aus der Zeit von 1775 bis 1795, die Klencke in der »alten Kiste« gefunden hat: [A. Frhr. v. Knigge], Aus einer alten Kiste, S. 177ff. Zu Schröders hochbedeutsamer Rolle in der Freimaurerei: LennhoffPosner, Internationales Freimaurerlexikon, Sp. 1417-1419. Schiller an Göschen, 29. November 1785, NA 24, S.29: »Das Beckerische Project hat meinen und aller wärmsten Beifall, die kompetente Richter in dieser Sache sind. Ich erwarte sehr viel davon, und ganz gewiß reüssirt der Plan. Auch ich, liebster Freund, kann Ihnen binnen einigen Monaten Pränumeranten anweisen.« Es handelt sich um das »Noth- und Hülfsbüchlein für Bauersleute oder lehrreiche Freuden- und Trauer-Geschichte des Dorfs Mildheim«, das 1788 bei Göschen erscheint und mit einer Auflage von ca. einer Millionen (bis 1811) zum Bestseller der Zeit wird. Viele Illuminaten unterstützen durch Subskription und Distribution das »Beckersche Project«. Dazu wie zum Illuminaten Becker: M. Agethen, Geheimbund und Utopie, S. 179ff.

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ihn Schiller allerdings erst drei J a h r später in R u d o l s t a d t k e n n e n l e r n e n . 3 9 Von einer neuerlichen gezielten E i n w i r k u n g der Illuminaten auf Schiller, wie sie d a n n in Weim a r gleich w i e d e r einsetzen w i r d , k a n n in D r e s d e n o f f e n b a r nicht die R e d e sein. F ü r die K o n z e p t i o n Posas ist das freilich o h n e Belang. A u c h in einem anderen Fall gibt es keinen d u r c h s c h l a g e n d e n G r u n d , d e n A n g a b e n der »Karlos«-Briefe z u m i ß t r a u e n . I m X. Brief findet sich nicht n u r der o m i n ö s e H i n weis auf die » V e r b r ü d e r u n g e n « der Illuminaten u n d Maurer, hier fällt auch der N a m e M o n t e s q u i e u , steht der W i n k f ü r »den redlichen Finder«, »den es vielleicht nicht u n a n g e n e h m ü b e r r a s c h e n w i r d , B e m e r k u n g e n , deren er sich aus seinem M o n t e s quieu erinnert, in einem Trauerspiel a n g e w a n d t u n d bestätigt z u sehen.« 4 0 M a n hat beträchtliche A n s t r e n g u n g e n u n t e r n o m m e n , u m diese A u s k u n f t z u e n t k r ä f t e n , d u r c h aus z u U n r e c h t . 4 1 Schon in Leipzig u n d D r e s d e n w u r d e M o n t e s q u i e u diskutiert. H u bers Brief v o m 3. O k t o b e r 1785 gibt d a v o n einen guten E i n d r u c k : » M o n t e s q u i e u hat m i c h diese Zeit h e r auf die angenehmste A r t beschäftigt. Es ist ein grosses W e r k , u n d ich habe s c h o n o f t die F r e u d e v o r a u s e m p f u n d e n , die wir z u s a m m e n daran h a b e n w e r den. D i e stille, ernste G r ö s s e dieses M a n n e s m a c h t mir w ü r k l i c h viele sonst b e w u n derte Schriftsteller kleiner. D i e Tiefe des Bliks, das Licht in d e n Ideen, o h n e Verzierungen, o h n e G e p r ä n g e v o n D e k l a m a t i o n e n , v o n e r z w u n g n e r Originalität sezt ihn sogar ü b e r die E r s t e n seiner N a t i o n . N u r seine Ideen v o m D e s p o t i s m u s solltest D u lesen, u m d e n ganz eignen, t r o k n e n , aber desto t r e f f e n d e r e n T o n zu f ü h l e n den die Wahrheit in seinem M u n d e n i m m t . A b e r er ist schwer, u n d das M a r k seiner Ideen ist u n e r schöpflich.« 4 2 Ein A u t o r , der sich gerade mit P r o b l e m e n des D e s p o t i s m u s h e r u m schlägt, w i r d schwerlich auf eine solche L e k t ü r e e m p f e h l u n g des F r e u n d e s verzichtet haben. Ebenfalls z u M o n t e s q u i e u f ü h r t eine andere Lektüre, die Schiller selbst mit E n t h u siasmus bezeugt. G e m e i n t ist T h o m a s A b b t s Traktat »Vom Verdienste«, d e n er energisch gegen E i n w ä n d e K ö r n e r s in Schutz n i m m t : »Mir ligt w a h r e s ächtes G o l d des G e nies d a r i n n n o c h mehr, ich glaube, w e r in die Ideen des Verfaßers hineingienge u n d gew i ß e h i n g e w o r f e n e G e d a n k e n verarbeiten wollte, w ü r d e eine g r o ß e P r o v i n z in der speculativen-Praktischen Psychologie aufklären. Vorzüglich D e i n e u n d meine LieblingsMaterien v o n d e n Q u e l l e n d e r H a n d l u n g e n , v o n der M e n s c h e n s c h ä z z u n g u n d P r ü f u n g der Moralischen E r s c h e i n u n g e n , vorzüglich diese h a b e n mich n a c h d e n k e n gemacht. Ich w ü n s c h t e daß w i r beide das B u c h miteinander läsen.« Eine ganz b e s o n -

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Dazu unten S. 148ff. N A 22, S. 168. Das gilt namentlich für P. Böckmann, Schillers Don Karlos, S. 501 ff. Böckmann setzt deshalb auch in seinem »Kommentar zur Akt- und Szenenfolge« ausschließlich auf Rousseau, insonderheit den »Contrat social« (ΝΑ 7/II, S. 326-336), während Gerhard Kluge im Stellenkommentar der Nationalausgabe doch auch Montesquieu zu seinem Recht kommen läßt (NA 7/II, S. 426-437). Schon früh hatte ein französischer Forscher seinen deutschen Kollegen die gänzliche Vernachlässigung Montesquieus vorgehalten: Roger Ayrault, Schiller et Montesquieu: Sur la genèse du »Don Carlos«, in: Études Germaniques 1948, S. 233-240. N A 33/1, S.78f. 110

dere Verwandtschaft mit Abbts Methode glaubt Schiller zu spüren, beobachtet er doch auch an sich selbst die »Mischung ohngefähr von Speculation und Feuer, Phantasie und Ingenium, Kälte und Wärme«. Dann folgt noch einmal die Aufmunterung zur produktiven Rezeption: »Unendlich viel anziehendes hat diese Gattung von Philosophie. Ich glaube wenn Du und ich Muße hätten zu brüten und unsere Ideen gleichsam zu droguieren, so wäre eine solche Materie die schönste gemeinschaftliche Beschäftigung. Untersuchungen über die Klaßification der Menschen, Abwägung der Größen und Tugenden - welcher schöne Stoff für uns beide!« 43 Ganz zufällig, so scheint es, hat Schiller Abbts Schrift bei Körner gefunden. Seltsam mutet da immerhin der Umstand an, daß sie auch im Lektürekanon der Illuminaten einen hervorragenden Platz einnimmt. »Vom Verdienste« erscheint an der Spitze einer Liste von Büchern für Kandidaten und Minervalen, »die Begierden entstehen machen, sich zu bessern, zu unterscheiden, groß zu werden«.44 Die eigentümliche Mischung von Anthropologie, aufgeklärter Moralität und Anstachelung zur Größe machte Abbt für die illuminatische Erziehung sehr attraktiv. »Vieler, sehr vieler Menschen zeitliche und ewige Wohlfahrt befördern; ihr Leben und Wandel durch Vorschriften so einrichten, daß sie immer glückseliger, immer vollkommener werden, die Veranstaltung treffen, daß ihnen dergleichen Regeln eben so geläufig als beliebt seyn; solche Lagen aussinnen, darinn sie sich, aller Widerspänstigkeit ohnerachtet, zu einem gemeinschaftlichen Guten müssen hinführen lassen [...]; sich an die Arbeit machen, wenn noch niemand sie nur als möglich ansieht, Jahre lang arbeiten manchmal ohne Frucht [...]: O ! wo ist der Mensch, der diß thut?« 45 Weishaupt glaubte ein solcher Mensch zu sein - die eben angeführte Stelle gehört zu seinen Lieblingszitaten.46 Auch Schiller fand, wonach er suchte - Anregungen für seinen Marquis, »Speculation und Feuer« für dessen »politische Philosophie«, verbunden dies alles mit dem erneuten Hinweis auf Montesquieu. Wie gut sich Abbts Überlegungen zum Weiterspinnen eigneten, zeigen insbesondere" die lockeren Gedankenexperimente, mit denen die Abhandlung schließt. Ausdrücklich begibt sich Abbt hier auf ein neues »ansehnliches Feld der Politik«, indem er sich anheischig macht, noch einige Probleme zu bearbeiten, »die der unsterbliche Präsident übrig gelassen habe«. Gemeint ist der Zusammenhang zwischen »verdienstlichen Thaten« und der Staatsverfassung, der »Einrichtung der bürgerlichen Gesellschaften«.47 Abbt verknüpft also sein Sujet mit Montesquieus Lehre von den Regierungsformen. In Monarchien, so nimmt er an, sind Handlungen von Verdienst ausschließlich dem Monarchen selbst und dem »ersten Adel« vorbehalten: Despotien bie43 44

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Schiller an Körner, 15. April 1786, N A 24, S.44. Instruction für Provincialen, Nachtrag von weitern Originalschriften II, S.37. Vgl. auch die Lektüreliste in der »Reform der Statuten der lten Klasse« (Originalschriften, S.32f.). Thomas Abbt, Vom Verdienste, 3. Aufl., Berlin u. Stettin 1772 (Th. Abbt, Vermischte Werke, Tl. I), S.192Í. Adam Weishaupt, Pythagoras oder Betrachtungen über die geheime Welt- und RegierungsKunst, Frankfurt u. Leipzig 1790, S.666. Th. Abbt, Vom Verdienste, S.303f.

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ten keinerlei Sicherheit, um verdienstvolle Unternehmungen überhaupt erst anzufangen; Aristokratien wiederum reservieren große Aktionen nur für die Optimaten. Bleibt der »Freystaat«, der als einziger allen »die hohen und großen Verdienste« ermöglicht. 48 Wie sich zeigen wird, übten die spekulativen Möglichkeiten, die Montesquieu mit seiner Anatomie der Regierungen gab, auch auf Schiller ihren Reiz aus. Desgleichen dürfte Abbt sein Interesse mit der Frage geweckt haben, wie es sich denn in den verschiedenen Staatsformen mit den Verdiensten »vermittelst des Denkens, Redens und Schreibens« verhalte - mit der Gedankenfreiheit also oder, wie Abbt sich ausdrückt, mit Untersuchung der Gesetze, Prüfung der Religion, Schätzung der »Rechte des Menschen«. 49 Wir sind also vollauf berechtigt, die Analyse von Posas »politischer Philosophie« mit Montesquieu einsetzen zu lassen.

Auch Posa hat die Schule Montesquieus durchlaufen, hat, worauf die »Briefe« deutlich genug anspielen, den » Geist der Völker [...] studiert, ihre Kräfte, ihre Hülfsmittel abgewogen, ihre Verfassungen geprüft«. 50 Die Regeln, nach denen er seine Theorie konstruiert, beruhen auf Montesquieus Verfassungslehre, insbesondere auf der Lehre von den »principes«, auf jener politischen Psychologie, die Montesquieu den verschiedenen Staatsformen unterlegt. 51 So ordnet er der Monarchie das Prinzip der Ehre (»honneur«) zu, der Despotie das Prinzip Furcht (»crainte«), der Demokratie die Tugend (»vertu«), Posas gesamte Argumentation umkreist den Gegensatz der Prinzipien Ehre und Tugend. Was er dem König mit der Macht seiner Rhetorik ansinnt, ist eine Revolution von oben, die mit einem Schlag die beiden Regierungsprinzipien austauscht - »Ein Federzug von dieser Hand, und neu / erschaffen wird die Erde« (3860f.). Ehre soll gegen Tugend ausgewechselt werden. Was bei Montesquieu »Ehre« heißt, besetzt Schiller mit allen Zügen der Heteronomie. Montesquieus Begriff der »Tugend«, ausdrücklich beschränkt auf die alte »vertu politique«, wird in Schillers Hand umgemünzt zum Inbegriff der Menschenrechte, der Autonomie also auch. Das »Maschinenglück« der Monarchie (3561) steht somit gegen das »Bürgerglück« des neuen Staates (3792), gegen »Menschenglück« (3843) und »Glück der Völker« (3886). Wie Posa verfährt, zeigt bereits seine erste große These, die er mit allem Aufwand 48 49

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Th. Abbt, Vom Verdienste, S.304ff. Th. Abbt, Vom Verdienste, S. 307. Auch hier findet Abbt zu einem deutlichen Votum für die Demokratie: »Ganz sicher aber dürfte man es der Demokratie zueignen, daß sie vorzüglich vor allen andern [Regierungsformen] und wohl ausschließungsweise, eine neue Quelle der Verdienste, nämlich die Beredsamkeit, eröfne, welche gerade zu in den Strom der höchsten Verdienste um den Staat sich ergießt.« N A 22, S. 146. Vgl. De l'esprit des lois III: Des principes des trois gouvernements, in: Montesquieu, Œuvres complètes, Bd. 2, hrsg. von Roger Caillois, Paris 1951, S.250ff. Auf die grundlegende Bedeutung dieser Prinzipien-Lehre für den »Don Karlos« verweist schon R. Ayrault, Schiller et Montesquieu, S. 34ff.

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an Scharfsinn, »mit diesem Spiele / des Witzes, diesen künstlichen Sophismen«, wie der König sagt (361 lf.), entfaltet: »Ich kann nicht Fürstendiener sein« (3548, 3610). Weit mehr stellt der Satz dar als eine pure Willensbekundung. Er besteht auf der logischen Unmöglichkeit, die sich zwangsläufig aus dem Zusammenstoß von monarchischer Ordnung und autonomer Subjektivität ergibt. Posa spricht als »Freier«, als »Philosoph« (582f.), der über sich, über sein prinzipielles Verhältnis zur Monarchie »gedacht« hat (3665). Was es mit der Monarchie auf sich hat, faßt bereits der Höfling Domingo in die prägnante Formel: »Der Wille des Monarchen / verleiht die Tugend wie das Glück« (3195f.). Ahnliches war bei Montesquieu über die Ehre zu lesen. »La nature de l'honneur est de demander des préférences et des distinctions.« 52 Es gehört zu den Auszeichnungen Posas, daß er über diese Ehre erhaben ist, daß er die Triebfeder »honneur« nicht mehr kennt und damit die Sezession von der Monarchie besiegelt hat. Karlos wie der König bedienen sich des Terminus. Karlos: »Geitzest du / nach Ehre? Schon als Jüngling hattest du / ihr Maß erschöpft - du hast sie ausgeschlagen« (1126ff.). Der König: »Besaß' er Habsucht oder Ehrbegierde, / er wäre längst vor meinem Thron erschienen« (3339f.). Schon die Verweigerung des Ehrprinzips gibt Posa als neuen Menschen eines neuen Staatswesens zu erkennen. 53 In der Monarchie teilt der Souverän Ehre zu, anerkennt Vorzüge, verschafft Auszeichnungen und sorgt solchermaßen für die Funktionstüchtigkeit der Monarchie. Tugend ist dabei nicht erforderlich, wie Montesquieu nicht ohne Ironie bemerkt. Die monarchische Maschine wirkt elegant, mit dem geringstmöglichen Aufwand: »comme, dans les plus belles machines, l'art emploie aussi peu de mouvements, de forces et de roues qu'il est possible.« 54 Gute Bürger (»citoyens«) wird man deshalb in einer wohlgeordneten Monarchie durchaus finden, selten aber - er wäre systemwidrig - einen guten Menschen (»homme de bien«): »car, pour être homme de bien, il faut avoir intention de l'être, et aimer l'État moins pour soi que pour lui même.« 55 Diese Wendung Montesquieus erscheint nahezu wörtlich am Ende der ersten Redesequenz Posas. Aber auch die anderen Lehrstücke zur Monarchie sind präsent: Wenn Sie mich anzustellen würdigen, so wollen Sie nur die vorgewog'ne That. Sie wollen nur meinen Arm und meinen Muth im Felde, nur meinen Kopf im Rathe. Was ich leiste, gehört dem Thron. Die Schönheit meines Werks, das Selbstgefühl, die Wollust des Erfinders fließt in den königlichen Schatz. Von diesem werd' ich besoldet mit Maschinenglück 52

53 54 55

Vgl. De l'esprit des lois III, 7, S. 257. Vgl. dazu Harald Weinrich, Die fast vergessene Ehre, in: H . Weinrich, Literatur für Leser. Essays und Aufsätze zur Literaturwissenschaft, Stuttgart 1971, S. 164-180. Vgl. De l'esprit des lois III, 7, S.257: »L'ambition est pernicieuse dans une république.« De l'esprit des lois III, 5, S. 255. De l'esprit des lois III, 6, S.257.

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und, wie Maschienen brauchen, unterhalten. Nicht meine Thaten - ihr Empfang am Throne soll meiner Thaten Endzweck sein. Mir aber, mir hat die Tugend eignen Werth. Das Glück, das der Monarch mit meinen Händen pflanzte, erschüf' ich selbst, und Freude wäre mir und eigne Wahl, was mir nur Pflicht sein sollte. Ich würde schwelgen von dem Königsrecht der innern Geistesbilligung - mein Amt rebellisch übertreffen, und, gesättigt von dem Bewußtsein meiner That, sogar das Wohlgefallen meines Herrn entbehren. Und das ist Ihre Meinung? Können Sie in Ihrer Schöpfung fremde Schöpfer dulden? Ich aber soll zum Meißel mich erniedern, wo ich der Künstler könnte sein? — Ich liebe die Menschheit, und in Monarchieen darf ich niemand lieben als mich selbst. (3553ff.) Die beiden Begriffsparteien, die Posa gegeneinander führt, sind in ihrer Abkunft n o c h deutlich z u erkennen. A u f der einen Seite, d e m K o m p l e x »honneur« entstammend, erscheinen die Trabanten monarchischer F r e m d b e s t i m m u n g : die

»vorge-

w o g ' n e That«, der »königliche Schatz«, das »Maschinenglück«, der » E m p f a n g am T h r o n e « , das »Wohlgefallen meines H e r r n « , die Erniedrigung z u m »Meißel«. D a g e gen macht, auf der anderen Seite, die »Tugend« mit ihrem Gefolge F r o n t . »Mir aber, / mir hat die Tugend eignen W e r t h « (3564f.). D a ß hier n o c h Montesquieus »vertu politique« im Spiel ist, zeigen die »Briefe«, die P o s a ausdrücklich z u m H e r o s dieser Tugend erheben: »Alle Grundsätze und Lieblingsgefühle des Marquis drehen sich u m republikanische

Tugend. Selbst seine Aufopferung für seinen F r e u n d beweist dieses,

denn Aufopferungsfähigkeit ist der Inbegriff aller republikanischen T u g e n d . « 5 6 A u c h dies weiß Schiller aus dem »Esprit des lois«. 5 7 Posas Tugend sprengt freilich die G r e n -

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N A 22, S. 141. Vgl. auchS. 162: »eine Nation, die ihre Menschenrechte wieder fodert, republikanische Tugenden in Ausübung gebracht, hellere Begriffe im Umlauf [...]«. De l'esprit des lois III, 5, S. 255: »l'amour pour la patrie«, »désir de la vraie gloire«, »renoncement à soi-même«, »sacrifice de ses plus chers intérêts«, »toutes ces vertus héroïques que nous trouvons dans les anciens«. IV, 5, S. 267: »mais la vertu politique est un renoncement à soi-même, qui est toujours une chose très pénible.« - Auch der Kommentar N A 7/II, S.428f. leitet Posas Tugendbegriff (3563ff.) von Montesquieus politischer Tugend her und verweist auf die entsprechende Tönung des Begriffs in den Versen 3906ff., 4711,5303,5345. - Kritik an Montesquieus Zuordnung von Republik (im Sinne von >DemokratieGedankenfreiheitUnterwerfung< der Welt zu entkernen, indem man sie ganz willkürlich auf eine - keineswegs einschlägige - Stelle aus den Briefen »Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen« bezieht (so Gerhard Kluge, ΝΑ 7/II, S.436).

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NA 22, S. 141. Posa übersetzt den ominösen Ausdruck mit »geheimer Verhaftsbefehl« (4645f.). Das Reizwort spielt, merkwürdig genug, auch bei den Illuminaten-Verfolgungen eine Rolle; die Illuminaten brandmarken damit ihre Gegner. So zitiert die Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung aus Weishaupts »Apologie der Illuminaten« (1786): »Der Magistrat des Orts [Regensburgs] wurde ersucht, ihn [Weishaupt] aus der Stadt zu schaffen; und als dieses nicht gelang, so bewirkte man, wie es sicher verlauten will, Lettres de Cachet, ihn insgeheim aufzuheben, sobald er den Bayerischen Boden betreten würde« (Allgemeine Literatur-Zeitung Nr. 193,

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sehen Handlungsführung des IV. Aktes, die ruhige Reflexion kaum zuläßt, verdeckt werden. Erst recht verschüttet sie das Pathos der Aufopferung im V. Akt, der zudem Zorn und Entsetzen des Betrachters in ganz andere Richtungen lenkt. Dennoch ist es kein nachträglich erdachtes Urteil, das die »Briefe« über den Marquis fällen. Die Ungeduld der Aufklärung ist zum D e s p o t i s m u s der Aufklärung< geworden. Die Hellsicht Schillers kann man nur mit Verblüffung wahrnehmen. 6 9 Für die Abfassung der »Briefe über D o n Karlos« standen Schiller sämtliche »Originalschriften« der Illuminaten zur Verfügung, kannte er die Debatte über ihre Entgleisungen und den Schaden, den sie der Sache der Aufklärung beigebracht hatten. Die Mannheimer und Heidelberger Illuminatenkontakte machen es freilich wahrscheinlich, daß Schiller schon früher die Witterung aufgenommen hat. Mit der Figur des kosmopolitischen Marquis spielten die Illuminaten ihm gleich auch die Kritik zu. Der Umgang mit Knigge und Mieg bot hinreichend Gelegenheit, daß da auch etwas von den schweren Querelen im Orden durchsickerte. Die Kenntnis dieser Vorgänge schärft jedenfalls den Blick für die heiklen Verirrungen, in die Schiller seinen Marquis geraten läßt.

Bleibt die Frage, ob die »politische Philosophie« des Malteserritters mit derjenigen des Illuminatenordens in Zusammenhang gebracht werden kann. Wenn dazu Weishaupts »Anrede an die Illuminatos dirigentes«, die seit 1782 in Ordenskreisen zirkulierte, herangezogen wird, dann weniger als Quelle, die Schiller für den » D o n Karlos« schon hätte nutzen können (obwohl auch diese Möglichkeit besteht), sondern als Sammelbecken illuminatischer Theorien, das die verschiedenen Werber Schiller schwerlich vorenthalten haben (so sehr man mit unterschiedlichen Graden des Eingeweihtseins auch bei ihnen rechnen muß). Zieht man, wie Schiller selbst es im X . » D o n Karlos«-Brief tut, die Begründung und Funktionsbestimmung geheimer Gesellschaften ab, die in der »Anrede« selbstverständlich breiten Raum einnimmt, dann tritt der gemeinsame Nenner klar zutage. »Handhabung der Rechte der Menschheit«, um noch einmal die Formulierung Christian Gottlob Neefes aufzunehmen, Durchsetzung der Menschenrechte gegen weltlichen und geistlichen Despotismus - so lautet der »moralische Zweck«, den Posa und die »Anrede« »miteinander gemein haben«. 7 0 Mit welcher Verve die führenden Illuminaten für Freiheit und Gleichheit fochten, war schon auf dem Wilhelmsbader Konvent zu beobachten. Die »Rechte derMensch-

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14. August 1786, Sp.300; vgl. auch Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 194, 15. August 1786, Sp. 310). Zur kontroversen Forschungsdiskussion oben S. 2ff. N A 22, S. 168. Immerhin besteht die Möglichkeit, daß Schiller die »Anrede« auch schon in gedruckter Form zu Gesicht bekommen hat. Sie wird schon in Weishaupts »Vollständiger Geschichte der Verfolgung der Illuminaten in Bayern« (Bd. 1, nebst Beyl. und Materialien für den folgenden Band, Frankfurt und Leipzig 1786) mitgeteilt. Die Allgemeine Literatur-Zeitung bringt dazu im August 1786 eine ausführliche Rezension (Nr. 193, 14. August 1786, Sp.299-304, Nr. 194, 15. August 1794, Sp.305-312).

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heit« sind dann auch in der »Anrede« der Hebel, mit dem sie die Weltgeschichte in Bewegung und auf ihre Seite bringen. Rousseau lenkt die Argumentation. Gleichheit und Freiheit gelten als »die beyden vorzüglichsten Güter« des Menschen, die er im Naturzustand »in voller Fülle« genossen, dann verloren hat. 7 1 »Die Menschen untersuchen ihre ursprünglichen Rechte, und greifen endlich zu den so lang verkannten Mitteln [...], auf diese Art die bevorstehende Revolution des menschlichen Geistes zu befördern, sich vor den Rückfall zu sichern, und über ihre bisherige Unterdrücker einen ewigen Sieg zu erfechten.« So charakterisiert Weishaupt das aktuelle Stadium der Aufklärung. 7 2 Auch er sucht ihr Mut einzuimpfen, Mut zur Mündigkeit und zur »Würde« des Menschen - »oder sind wir schon gar zu tief unter unsre Würde gesunken, daß wir unsere Ketten nicht mehr fühlen, sie küssen, und sogar die ärgste Erniedrigung ertragen [,..]?« 7 3 N o c h schärfer spricht Posa die gleiche Sorge aus: Die Menschen [...] haben freiwillig Ihres Adels sich begeben, freiwillig sich auf diese niedre Stufe herabgestellt. Erschrocken fliehen sie vor dem Gespenste ihrer innern Größe, gefallen sich in ihrer Armuth, schmücken mit feiger Weisheit ihre Ketten aus, und Tugend nennt man, sie mit Anstand tragen. (3700ff.)

Deshalb heißt die Parole (die Posa auf seine Weise auch dem König vorhält): »Denkt von der menschlichen Natur würdiger, geht muthig an das Werk«. 7 4 D e r esprit de corps sorgt dabei für Brüderlichkeits-, ja Freundschaftspathos - »weil hier Freund an der Seite des Freundes fest aneinander geschlossen, streitet, und die Rechte der Menschheit, der ursprünglichen Freyheit, und Unabhängigkeit vertheidigt«. 7 5 Selbst die christliche Lehre habe keinen anderen Sinn, als »den Menschen ihre ursprüngliche Freyheit und Gleichheit wieder zu geben, und ihnen den Weg dazu zu bahnen«. 7 6 Heraufgeführt wird solchermaßen, vermittels Vernunft, Moral, Sittenlehre, Aufklärung, die eine Menschen-»Familie«, »das Reich der Gerechten und Tugendhaften«. 7 7 Auch hier rückt die Moral, das Sittenregiment, an die Stelle von Montesquieus »vertu«. 71

Anrede an die neu aufzunehmenden Illfuminatos] dirigentes]. Von der Handschrift des Spartacus, Nachtrag von weitern Originalschriften II, S. 4 4 - 1 2 1 , hier S.54f. Zu den rousseauistischen Zügen vgl. Lothar Sonntag, Der Einfluß des jungen Rousseau auf Adam Weishaupt und die Politik des Illuminatenordens. Ein Beitrag zur Rezeption'der Rousseauschen Geschichtsphilosophie in der deutschen Aufklärung, in: Wissenschaftl. Zeitschrift der H u m boldt-Universität, Ges.-Sprachw. R. 2 8 , 1 9 7 9 , S. 7 9 5 - 8 0 0 . Leider fehlen bislang quellenanalytische Kommentare zu Weishaupts »Anrede«. Vgl. unten S. 166ff.

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Anrede, S.79f.

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Anrede, S.84f.

74

Anrede, S.96. Anrede, S.97.

75 76

Anrede, S. 106.

77

Anrede, S. 113.

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Hauptfeind ist der Despotismus in beiderlei Gestalt. Ausführlich beschäftigt sich die »Anrede« mit dem Unterwerfungsvertrag (»freywillige Unterwerfung«), mit dem sich die Schwächeren zu ihrem Nutzen unter den Schutz des Stärkeren begaben das Einfallstor für Despotismus, Nationalismus, Patriotismus, »Localismus«, Egoismus, Entzweiung und Verfall. In der Korruption der Sitten gehen die ursprünglichen Rechte und die Bedingungen des Vertrags unter. »Statt des Gesetzes trat die Willkühr der Fürsten ein: sie selbsten machten sich zum Zweck: die Nation war blos Mittel, um die Phantasie des Fürsten zu befriedigen. Nunmehr war die Gewalt dieser nicht mehr vom Volk, die Gewalt Menschen zu mishandeln, wurde unmittelbar von Gott abgeleitet [...]. Nun war die Furcht die einzige Triebfeder menschlicher Handlungen [...].« 7 8 Auch hier werden die Schleier vor den Geheimnissen der Majestät weggezogen, wird der Widersinn eines Vertragsverhältnisses beschworen, das Unterwerfung in Sklaverei ummünzt und geliehene Legitimität in willkürliche erbliche Gewalt verwandelt. Ohnehin verlieren Herrschaftsverhältnisse mit der Mündigkeit des Menschen jede Rechtsgrundlage - »väterliche Gewalt geht mit der Unvermögenheit des Kindes zu Ende«. 7 9 Eine Absurdität, wenn sich nun ausgerechnet die dekadenten Erben an die überlieferte Macht klammern. »Wer hat den Menschen, den beßten, klügsten, aufgeklärtesten Menschen zur ewigen Knechtschaft verdammt? und den einzigen praedestinirten Knecht der Natur oft den Schwächsten einer ganzen Nation zur ewigen Herrschaft berufen? [...] warum, wenn der Grund aller Herrschaft hinwegfällt, soll die unselige Folge stehen bleiben? warum soll es unmöglich seyn, daß das menschliche Geschlecht zur höchsten Vollkommenheit, zur Fähigkeit, sich selbst zu leiten, gelangen könne?« 8 0 So verfällt Fürstenherrschaft überhaupt der reductio ad absurdum, werden die Zeichen auf einen Universalstaat gestellt, der keine Fürsten und keine Nationen mehr kennt. 81 Den Zug ins Universale läßt auch Posa sich nicht entgehen. Der illuminatischen >Weltbürgerrepublik< setzt er die Universalmonarchie zur Seite (»dann ist / es Ihre Pflicht, die Welt zu unterwerfen«). 8 2 Die Verständigung über den geistlichen Despotismus ist, bei Weishaupts Herkunft kein Wunder, rasch abgetan. Dieser Despotismus zielt auf das Zentrum der Menschenrechte, auf die (nicht beim Wort genannte) Gedankenfreiheit, er usurpiert 78 79 80 81

82

Anrede, S.72. Anrede, S.58. Anrede, S.82f. Der utopische Kern der »Anrede« (S. 80f.): »Fürsten und Nationen werden ohne Gewaltthätigkeit von der Erde verschwinden, das Menschen Geschlecht wird dereinst eine Familie, und die Welt der Aufenthalt vernünftiger Menschen werden. Die Moral allein wird diese Veränderungen unmerkbar herbeyführen.« Nicht unbekannt dürfte Schiller das polemische Werk geblieben sein, das, ebenfalls schon im Jahr 1786, zu einer großen Attacke auf die illuminatische (in Wahrheit jesuitische!) Weltherrschaft ausholt: Ernst August A n t o n von Göchhausens »Enthüllung des Systems der Weltbürger· Republik. In Briefen aus der Verlassenschaft eines Freymaurers« (Rom [=Leipzig] 1786). Dazu unten S. 169ff. Scharf weist übrigens Weishaupt selbst später das Konzept einer »Universalmonarchie« zurück. Vgl. A . Weishaupt, Pythagoras oder Betrachtungen über die geheime Welt-und Regierungskunst, Rachold, S. 328ff.

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das D e n k e n selbst. »Diese neue Gewalt, und U n t e r d r ü c k u n g war u m so schrecklicher, als sie sich sogar auf M e y n u n g e n und G e d a n k e n erstreckte. Bisher hatten die M e n s c h e n nicht wie sie wollten, handeln können. N u n durften sie auch nicht denken, wie sie wollten.« 8 3 D a s Bewußtsein, Agenten eines geschichtsphilosophischen, von der N a t u r garantierten Prozesses zu sein, beflügelt die Illuminaten in ganz besonderem Maße. A u c h P o s a kennt dieses Bewußtsein, hält sich für ein Werkzeug oder doch einen Günstling der »Vorsehung« (3489ff.), weiß sich im Bündnis mit dem »Rade des Weltverhängnisses, das unaufhaltsam / in vollem Laufe rollt« (3807ff.). Bei aller Ungeduld rechnet er immerhin mit Jahrhunderten, w o m i t er in Schillers Gegenwart gelangt (»Ich lebe / ein B ü r g e r derer, welche k o m m e n werden«). A u c h die Illuminaten verschreiben sich einen langen A t e m , sind sie doch sicher, daß der » F u n k e « (der geheimen Verbindungen) unter der A s c h e glimmt, daß der »Saame zu einer neuen Welt« ausgeworfen ist und Wurzel geschlagen hat: »Alles, was noch geschehen kann, ist, daß die Zeit der Erndte n o c h länger hinaus gesetzt wird. Vielleicht vergehen Jahrtausende oder hunderttausende darüber: aber früher oder später m u ß die N a t u r doch ihr Tagwerk vollenden, und unser Geschlecht zu der im ersten Anfang schon vorbestimmten W ü r d e erhöhen.« 8 4 D i e illuminatische »Anrede« kann sich, in manchmal ungelenker Sprachgebung, mit einem >preaching to the saved< begnügen. Schillers Malteser hingegen setzt zur >Konversion< des despotieverdächtigen absoluten Souveräns an, mit ebenso viel Scharfsinn wie rhetorisch-dialogischer Brillanz. B e i allen Unterschieden in Anlage, Akzentuierungen, M e t h o d i k ist die gemeinsame Stoßrichtung doch nicht zu verkennen. D e r konspirative wie der poetische Text will die Restitution der Menschenrechte, der eine mit Hilfe der geheimbündlerischen Eliten, die »vor allzeit die Archive der Natur, und der menschlichen R e c h t e « gewesen sind, 8 5 der andere mit der Figur des Einzelgängers, des »Sonderlings« Posa ( 3 3 4 1 , 4076f.), der den K ö n i g s s o h n und die Königin, dann sogar den K ö n i g selbst für jene R e c h t e zu entzünden sucht. In einer seiner zahlreichen Verteidigungsschriften hat sich A d a m Weishaupt wenigstens zu diesem Ziel seines O r d e n s unzweideutig bekannt; er spricht dabei von den Verdiensten der Freimaurerei insgesamt: »Soviel ist gewiß, daß der G e d a n k e von F r e i heit und Gleichheit der Menschen durch diese Gesellschaft stärker in U m l a u f g e k o m men ist; daß seit dieser Zeit die Untersuchungen über die Menschenrechte häufiger geworden sind [...]. D i e Freimaurerei hat sich dadurch große Verdienste u m das ganze Menschengeschlecht erworben; sie hat durch diese in U m l a u f gebrachte Ideen sehr viele mächtige Vorurteile geschwächt und die Hindernisse einer höhern K u l t u r und Aufklärung in etwas entfernt.« 8 6 D i e Aufnahme der Menschenrechte in die »Declara-

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Anrede, S. 110. Anrede, S. 118. Anrede, S.80. A. Weishaupt, Phythagoras oder Betrachtungen über die geheime Welt- und RegierungsKunst, zitiert nach Rachold, S.323. 125

tion of Independence« von 1776 gehört ebenso in diesen Zusammenhang wie die »Déclaration des droits de l'homme et du citoyen« vom 13. September 1791.87 Man darf aber auch sagen, daß Schiller auf diesem Wege, über die Illuminaten, an seine U n t e r suchungen über die Menschenrechte< geraten ist. Im Schillerschen Werk kennt jedenfalls erst Posa ihren Begriff und ihre Philosophie. »Und wär's / auch eine Feuerflocke Wahrheit nur, / in des Despoten Seele kühn geworfen - / Wie fruchtbar in der Vorsicht Hand« (3492ff.). Wahrheit steckt an, setzt in Brand. Einmal erkannt, zeugt sie sich fort, selbst im Despoten. Posa praktiziert Aufklärung als Psychagogie. »In diesem einzigen Subjekt macht er die Ideenreihe und Empfindungsart herrschend, woraus jene wohltätige Wirkung als notwendige Folge fließen muß«, so heißt es in den »Briefen«. 88 Auch diese Psychologie der Aufklärung teilt Posa mit den Illuminaten. Die Maximen von Vernunft und Tugend zu Triebfedern, zum Interesse und Bedürfnis der Menschen zu machen, darin besteht der Kern von Weishaupts »Sittenregiment«, den er immer wieder einschärft. 89 Die Macht der Aufklärung entsteht in den Köpfen, die ihre ureigenen Interessen erkennen. Ausdrücklich nimmt Weishaupt den Vorwurf der Naivität in Kauf: »Die Illuminaten hatten sogar so viel Vertrauen auf Tugend und Wahrheit, auf das Uebergewicht, das diese beyde dereinst erhalten sollen und müssen, daß sie glaubten, was vielen Thorheit scheinen und Gelächter verursachen muß, daß ieder Mann von Einsicht und Herz fähig wäre, wenn er anders die Sache gehörig angriffe, die Welt umzustimmen und höhere Sittlichkeit zu verbreiten«. 90 An diesem naiven Optimismus scheitert auch Posa. »Ich kann nicht Fürstendiener sein«. Auch die Devise, die Posas Philosophie in Bewegung setzt, führt zur Geschichte der Illuminaten, zu Schiller gut bekannten Ereignissen und Personen. Er selbst hatte sich ja den Satz zueigen machen müssen, bis »sein« Herzog ihn eines besseren belehrte. Hochgemut heißt es in der »Ankündigung« der »Rheinischen Thalia«, die er im Oktober und November 1784 verschickt: »Ich schreibe als Weltbürger, der keinem Fürsten dient.« 91 Aber hatte nicht schon der Freiherr von Hohenfeld (»Newton«) Posas Grundsatz beispielhaft in die Tat umgesetzt? Und war nicht auch Knigge konsequent auf seine völlige Unabhängigkeit bedacht? Im Zuge der Illuminaten-Verfolgung wurde ein weiteres leuchtendes Exempel bekannt - der Fall des jugendlichen Freiherrn von Meggenhofen (»Sulla«), Ferdinand von Meggenhofen, schon seit 1778 Illuminât, dann Superior der Minervalkirche in Burghausen, galt geradezu als Musterilluminat. »Ein Mann, wie Meggenhofen, ist mir in meinem ganzen Leben nicht wieder vorgekommen«, erklärt der spätere Staatsrat Clemens von Neumayr, in seiner Jugend ein glühender Anhänger »Sullas«.92 1785 wird der Fünfundzwanzigjährige der »Inquisition« durch die bayerische 87 88 89 90 91 92

Vgl. Lennhoff-Posner, Internationales Freimaurerlexikon, Sp. 1024f. N A 22, S. 168; vgl. auch S. 164. Anrede, S.52ff, 90ff. [A. Weishaupt], Apologie der Illuminaten, Frankfurt u. Leipzig 1786, S. 128. N A 22, S. 93. H. Schmidt (Hrsg.), Die Autobiographie des Staatsrats Clemens von Neumayr, S.635. Mit gleicher Emphase schreibt der Wiener Illuminât Gottlieb Leon an Reinhold in Weimar (am

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Regierung unterzogen und sogar in den »geistlichen Verhaft« eines Münchener Klosters genommen, um seine Rechtgläubigkeit zu prüfen. Aus Protest quittiert »Sulla« den Dienst und verläßt das Vaterland. Die Illuminaten hatten einen Märtyrer. Seine gedruckte Apologie gibt die eindrucksvolle Begründung. D a heißt es: »Allein, meiner Ueberzeugung nach müßte ich die Nation, meine Eltern, meine Freunde, mein Regiment minder geschätzt haben, um diesen Entschluß nicht zu fassen. Auf immer würde ich mich derselben unwürdig gehalten haben, und mit allem Recht hätten sie mir schändliche Täuschung zur Last legen können und müssen, wenn ich wegen eigennützigen Vortheilen auch meinen Tribut zur Verletzung bürgerlicher Freyheit und der Unterthansrechte beygetragen, und nicht einen Beweis von meinem Glauben abgelegt hätte, daß der Unterthan nicht schuldig sey, sich bey seiner Unschuld unterdrükken zu lassen, sondern ein Recht habe, zu fodern, daß man mit ihm nach Gerechtigkeit und nach den Gesetzen verfahre.« Die eigentliche Pointe aber setzt Meggenhofen mit seinem Bekenntnis zu den Menschenrechten: »Und endlich meine Pflicht gegen G o t t und die Natur! Ich hatte keine Vollmacht, die Rechte der Menschheit für eine Stelle und einen Gehalt zu veräussern; im Gegentheil rief mir alles, was mich umgab, vernehmbar zu: Daß ich, um glücklicher zu werden, nicht, um meine Natur zerstören zu lassen, lebe; daß ich nicht blos eine Eigenschaft seye, sondern eigenthümliche Kräfte, eine besondere Persönlichkeit habe, und nie befugt werden könnte, in die Veräusserung derselben zu willigen; dahingegen auch niemand nicht nur kein Recht, sondern auch keine Macht haben werde, mir dieselben zu nehmen.« 9 3 Autonomie der Person und Menschenrechte rücken zusammen und begründen sich wechselseitig. Das ist der Geist, an dem auch Posa teilhat. Sein Disput mit dem König, wir haben es gesehen, schöpft seine Energie aus diesem Argument.

28. April 1787): »Was den Illuminatengesichtspunkt angeht, aus dem man manche Menschen in einem so vortrefflichen Lichte zu betrachten gewohnt ist, so muß ich dir gleichwohl gestehen, daß ich hier ein sowohl wegen seines Geistes als Herzens merkwürdiges Glied dieses O r dens an dem dir vielleicht schon aus unserm Fr[ey] Maurerjournal rühmlich bekannten Frhrn. v. Meggenhofen angetroffen habe. Einen so talentvollen vielumfassenden Geist, u. doch dabey ein so edles u. schuldloses H e r z hab' ich sobald nicht so vest vereinigt angetroffen, als in diesem überaus liebenswürdigen Menschen« (K. L. Reinhold, Korrespondenz, Bd. 1, S. 220f.). Zu Meggenhofen: M. Agethen, Geheimbund und Utopie, S. 143; H . Schüttler, Mitglieder, S. 102. 93

Geschichte und Apologie des Freiherrn von Meggenhofen. Beilage zum Grauen Ungeheuer, Bd. 6 , 1 7 8 6 , S.30f. Von dieser Schrift weiß Neumayr: »Diese Druckschrift gewann ihm [Meggenhofen] die Theilnahme, und Achtung von ganz Deutschland; mehrere Auflagen hatten statt; Buchhändler boten ihm für jeden Bogen, den er, über was immer, unter seinem Namen drucken lassen wollte, mehrere Louisdors H o n o r a r an. Aber es lag nicht in seinem Charakter, ein solches Anerbieten anzunehmen« (H. Schmidt [Hrsg.], die Autobiographie des Staatsrats Clemens von Neumayr, S. 636). Die Apologie Meggenhofens ist auch selbständig erschienen (o.O. 1786). Einen eigenen Abdruck unternimmt das Wiener »Journal für Freymaurer«, 3. Jahrg., 2. Quartal 1786, S. 1 8 3 - 2 5 5 mit dem Titel »Inquisitions-Geschichte des Freyherrn von Meggenhofen von ihm selbst geschrieben« (vgl. K. L. Reinhold, Korrespondenz, Bd. 1, S.220, Anm. 14).

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Es verwundert nicht, daß illuminatische Geister Gefallen am »Don Karlos« fanden. Schröder veranstaltet die Hamburger Uraufführung des Stücks (am 29. August 1787), noch immer in der Hoffnung, Schiller nach Hamburg holen zu können. In Mannheim (Erstaufführung am 6. April 1788) spielt ausgerechnet Johann Michael Boeck (vormals »Sophokles«) den Marquis Posa, und zwar »gut vorzüglich gut«; Dalbergs Inszenierung läßt sogar - gegen Schillers Manuskript - den Domingo als Jesuiten auftreten und beschwört so das Bild des Pater Frank herauf, des Illuminatenfeindes par excellence.94 Großmann, der sich als einer der ersten für Schillers neues Stück interessiert, aber das Honorar nicht aufbringen kann, inszeniert es seit 1790 in Hannover. 95 Knigge stellt den »Don Karlos« neben Klopstocks »Messias«, als Beispiel für einen Genius, dessen »Feuer nicht aus der Champagnerflasche ist gezogen worden«. 96 Die »Deutsche Union« Karl Friedrich Bahrdts setzt das Freiheits-Drama auf ihre Lektüreliste. 97 Geradezu einen Kult mit dem »Don Karlos« veranstaltet dann ein später Freund und Anhänger der Illuminaten, Prinz Friedrich Christian von Schleswig-HolsteinSonderburg-Augustenburg, Schillers Mäzen. Im Zeichen des »Don Karlos« entwikkelt sich die Freundschaft zwischen dem Prinzen und Jens Baggesen. Die Lektüre des Stücks läßt die anfänglichen Vorbehalte gegen Schiller in rückhaltlose Anhängerschaft umschlagen. 98 Schiller selbst geht auf diesen Kult ein, als er dem Prinzen die ersten der neugefaßten Briefe »Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen« zuschickt: »Aber ich habe in dem Charakter des Don Karlos und Posas mein Herz reden laßen, und was ich dort nur als Dichter träumte, das spreche ich hier als der Zeitgenoße Friedrich Christians mit der gegründeten Ahndung aus, daß alles das Gute, was nur immer die Umstände möglich machen, durch Sie und in Ihrer Sphäre realisiert werden wird.« 99 Insbesondere der Marquis Posa entzündet gleichgestimmte Gemüter und setzt Identifikationsmöglichkeiten frei. Jens Baggesen hat Posa vor Augen, wenn er an Lafayette denkt, den er für »den größten Mann der neueren Geschichte« hält. Im Juli 1792 schreibt er an seinen Prinzen: »Ohne Zweifel brütet diese wunderbrave Mann über einen wahren Posa-Plan - die Braut seiner Freiheits Idee ist sicherlich Europa. Er gieng hin in die Nationalversammlung, nicht um mit den Jacobinern und den feullans, sondern um mit den Weltbürgern unsres Welttheils zu sprechen; nicht um den Repräsentanten des französischen Volks, sondern um Repräsentanten der edleren Menschheit seine Meinung zu sagen.« 100 Derselbe Vergleich beflügelt einen Unbekannten, der sich Ende Oktober 1794 an Schiller wendet und ihn stürmisch, »im Namen der Menschheit«, an sein Werk erin94 95 96 97 98 99 100

Schiller an Körner, 25. April 1788, N A 25, S.49. Vgl. Ν Α 7/II, S.490f. Uber den Umgang mit Menschen, S. 347. Vgl. oben S.20. H . Schulz, Friedrich Christian, S. 123f. Vgl. Timoleon und Immanuel, S.21, 144, 146. N A 27, S. 124. Timoleon und Immanuel, S.98.

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nert: »nehmen Sie sich die Zeit Ihren eignen D o n Carlos recht bedächtlich durchzulesen, und wenn die Begeistung über Sie kommt, in der Sie Ihren - kein Beywort! - Ihren Posa darstellten, dann, aber nur dann lesen Sie meinen Brief weiter, und hören Sie meine Bitte.« Die Bitte zielt auf eine Fürsprache Schillers für den Marquis de Lafayette, der sich in österreichischer H a f t befindet. D i e Begründung ist schlagend: » D e r unglückliche L a Fayette ist, so weit ich ihn kenne (und ich habe mich gewiß viel mit dem Studium seines Characters beschäftigt) das lebende Ebenbild Ihres P o s a . « 1 0 1 Als den Schreiber dieses Briefes hat man, mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit, den Züricher K a u f m a n n und Bankier J o h a n n Kaspar Schweizer ausgemacht. 1 0 2 Seit 1786 lebt er in Paris, von Beginn an ein tatkräftiger Anhänger der Revolution. E r ist ein alter Freund Pestalozzis und war wie dieser Mitbegründer einer Züricher Illuminatenloge· 1 0 3 E s gab freilich nicht nur Verehrer Posas. A m Münchener Hoftheater und in Wien, in den einstigen H o c h b u r g e n der Illuminaten also, durfte der » D o n Karlos« nicht gespielt werden. 1 0 4 Ebensowenig in Kopenhagen. D i e dortige Theaterleitung hielt den Marquis für »einen geriebenen Aufwiegler, der durch seine glatte Philosophie gefährlicher sei als Robespierre und Marat«. 1 0 5 Lafayette, Robespierre, Marat - schon die Zeitgenossen haben den Marquis Posa in die Reihe der großen Revolutionäre eingemeindet.

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N A 35, S. 83. Vgl. den Kommentar N A 35, S.472f. M. Agethen, Geheimbund und Utopie, S. 179; H. Schüttler, Mitglieder, S. 142. Vgl. ΝΑ 7/II, S.493 u. 501. Nach L. Bobé, Schiller und Dänemark, S. 166. 129

VI. Weimar. Im Kreis Johann Joachim Christoph Bodes

Man kann es nur mit Verwunderung wahrnehmen: kaum ist Schiller am 21. Juli 1787 in Weimar eingetroffen, zu einem längeren Besuch, gewissermaßen auf der Durchreise nach Hamburg, da holt ihn auch schon wieder die Geschichte der Illuminaten ein, gerät er an bedeutende Mitglieder des Ordens, ja an dessen neuen Chef, sieht er sich neuerlichen Werbungen ausgesetzt. Noch einmal tritt die Herausforderung des Illuminatismus an ihn heran. Ort und Zeitpunkt waren dafür denkbar gut geeignet. In Weimar, Gotha, Jena, Erfurt, Rudolstadt existieren ζ. T. besonders mitgliederstarke Illuminatengruppen, die nach dem bayerischen Ordensverbot vom 2. März und 16. August 1785 keineswegs resigniert hatten. Im Gegenteil. Im Verein mit Herzog Ernst II. von Gotha, der seit 1785 als neuer >National< des Ordens in Deutschland fungiert, hatte es Joachim Christoph Bode verstanden, die Führung der verbliebenen Ordensniederlassungen an sich zu ziehen, entschiedene Reformen ins Werk zu setzen, ja wieder auf Expansionskurs zu gehen. 1 Noch keineswegs zureichend erforscht, finden diese Aktivitäten in Bodes berüchtigter Pariser Reise vom Sommer 1787 ihren bedeutendsten und umstrittensten Ausdruck. Nach Hermann Schüttlers neuesten Funden kann man schwerlich daran zweifeln, daß es Bode gelang, in der Pariser Loge »Les Amis Réunis« eine regelrechte Dépendance des Illuminatenordens zu stiften. 2 Den beachtlichen Erfolgen standen nun freilich auch krasse Unglücksfälle gegenüber - so die kompromittierende Veröffentlichung der zweibändigen »Originalschriften«, ebenfalls in den Frühjahrs- und Sommermonaten 1787, so die überstürzte Flucht Weishaupts von Regensburg, seinem ersten Asyl, nach Gotha, in die Obhut Emsts II., im August, gut einen Monat nach Schillers Ankunft in Weimar. 3 An allen diesen Vorgängen nimmt der Weimarer Neuankömmling sogleich teil, nolens volens, doch aus nächster Nähe und, wie man sich denken kann, mit der größten Aufmerksamkeit. Ob irgendeine Ordensregie Schiller nach Weimar gelenkt hat? Natürlich spielte die Hoffnung auf den Herzog für den »Weimarischen Rath« 4 eine Rolle. Und selbstverständlich reizten, neben dem Interesse an Charlotte von Kalb, die er in Weimar 1 2

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Vgl. R. Le Forestier, Les Illuminés, S.543ff. H. Schüttler, Johann Christoph Bodes Reise nach Paris im Jahre 1787 und die Loge »Les Amis Réunis«, in: Quatuor Coronati, Jahrbuch 1990, S. 37—47; ders., Einleitung zu Bode, Journal von einer Reise, S. 11 Iff. Die näheren Umstände bei R. Le Forestier, Les Illuminés, S.512ff.; L. Engel, Geschichte des Illuminaten-Ordens, S . 2 2 1 f f . Schiller an Körner, 28.-31. Juli 1787, N A 24, S. 118.

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treffen würde, die »Weimarischen Götter und Götzendiener«, 5 an denen der Autor mit dem wachsenden, wenn auch nicht ganz gesicherten Ruhm Maß zu nehmen wünschte, wie in einer Schule des Selbstbewußtseins. Der »Don Karlos«, gerade frisch erschienen, dient als Entréebillett. Wieland und Herder gelten die ersten Visiten, wobei man über »politische Philosophie«, über »politische und philosophische Materien« spricht. 6 Der Herzog freilich ist außer Landes. Auch andere Personen werden vermißt: »Göthe ist noch in Italien, Bode in Paris, Bertuch ist auch abwesend, Rheinhold ist schon in Jena.« 7 Auffällig doch, daß Bode und Reinhold von Anfang an auf dem Besuchsprogramm stehen. Immerhin war Bode ja ein Bekannter schon aus der Mannheimer Zeit. Es wird indes noch ein paar Wochen dauern, bis Schiller die beiden Illuminaten zu Gesicht bekommt, dann aber besonders gründlich. Umgekehrt wünscht auch Reinhold die Bekanntschaft Schillers zu machen. Neben Reinhold rechnet Schiller in Jena mit Gottlieb Hufeland. »Auch ein gewisser Hufland wird mir dort [in Jena] sehr gerühmt.« 8 Sechs Tage weilt Schiller schon Ende August in Jena und genießt die Gastfreundschaft des Hauses Reinhold. Ausführlich erstattet er Körner Bericht, über Reinholds ökonomische Umstände, seine publizistische Tätigkeit, die beginnende Universitätslaufbahn, den Enthusiasmus für Kant, die seltsame Biographie des Ex-Jesuiten, der sich jetzt zum Protestantismus bekennt und »den Catholizismus so herzlich [haßt] als nur ein Philosoph«. 9 Solche Konfessionen zeigen, daß man sich nahe gekommen ist. Reinhold nennt Schiller sogleich »den Meinigen«. 1 0 Dieser hingegen möchte von Freundschaft keineswegs sprechen: »Reinhold kann nie mein Freund werden, ich nie der seinige, ob er es gleich zu ahnden glaubt. Wir sind sehr entgegengesetzte Wesen. Er hat einen kalten klar sehenden tiefen Verstand, den ich nicht habe und nicht würdigen kann; aber seine Phantasie ist arm und enge und sein Geist begränzter als der meinige. Die lebhafte Empfindung, die er im Umgang über alle Gegenstände des Schönen und Sittlichen ergiebig und verschwenderisch verbreitet, ist aus einem fast vertrokneten ausgesognen Kopfe und Herzen unnatürlich hervorgepreßt. Er ermüdet mit Gefühlen, die er suchen und zusammenscharren muß. Das Reich der Phantasie ist ihm eine fremde Zone, worinn er sich nicht wohl zu orientieren weiß. Seine Moral ist ängstlicher als die meinige, und seine Weichheit sieht nicht selten der Schlappheit, der Feigheit ähnlich. Er wird sich nie zu kühnen Tugenden oder Verbrechen, weder im Ideal, noch in der Wirklichkeit, erheben, und das ist schlimm. Ich kann keines Menschen Freund seyn, der nicht Fähigkeit zu einem dieser beiden, oder zu beiden hat.« 1 1 Das ist ein geradezu abstoßendes Portrait. Diktiert wird es von der Selbstbehauptung 5 6 7 8 9 10 11

An Körner, 23. Juli 1787, NA 24, S. 106f. An Körner, 25. Juli 1787, N A 24, S. 108 und 110. An Körner, 23. Juli 1787, N A 24, S. 107. An Körner, 18. August 1787, NA 24, S. 134. An Körner, 29. August 1787, NA 24, S. 143. Reinhold an G. J. Göschen, 23. August 1787, Korrespondenz, Bd. 1, S.254. Schiller an Körner, 29. August 1787, NA 24, S. 144.

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des Poeten gegenüber dem professionellen Philosophen, von Abwehr und doch auch Abneigung. Diplomatischer verfährt der Dankesbrief an Reinhold selbst, ohne die Differenzen zu verschweigen: »Wenn die Harmonie, die wir fühlen, in unseren Seelen wirklich vorhanden ist, so ist unser Verhältniß für die ganze Zukunft bestimmt [...]. Verschieden zwar ist der Weg, auf dem wir die Wahrheit die Glückseligkeit, und laßen Sie mich hinzusetzen - die Unsterblichkeit suchen, aber entgegengesetzt, denke ich, soll er nie seyn und aus der Ferne wenigstens wollen wir uns freundlich zuwinken. So liebster Freund, denke ich von unserm Leben.« 1 2 Vieles muß in Jena zur Sprache gekommen sein, darunter Lebensentwürfe im großen Stil. Reinhold scheint der Werbende gewesen zu sein; er macht sich sogar anheischig, Schiller hätte er denn »einen Plan nach Jena«, sogleich einen Ruf dahin zu verschaffen. 1 3 Knapp, doch mit ungetrübter Sympathie beschreibt Schiller Gottlieb Hufeland, der neben Schütz die »Allgemeine Literatur-Zeitung« redigiert: »[...] ein vortrefflicher Kopf in welchem vielleicht ein großer Mann schlummert. Ein stiller denkender Geist voll Salz und tiefer Forschung - und er ist noch jünger als wir beide. Auch mit diesem bin ich recht gut bekannt geworden.« 1 4 Bald wird Schiller mit dem Redakteur Hufeland eng zusammenarbeiten. Haben Reinhold und Hufeland vor einem Gleichgesinnten wie Schiller ihr G e heimnis verschwiegen? Sollte von Ordensdingen nicht gesprochen worden sein? Karl Leonhard Reinhold (»Decius«), der besondere Protégé Ignaz von Borns, des Wiener Illuminaten-Präfekten, und Gottlieb Hufeland (»Oldendorp«), ein Göttinger Schüler Spittlers, sind aktive Illuminaten, auch noch, als Schiller sie besucht. Die seltene Gunst der Quellenlage läßt sogar erkennen, daß ihnen just in jenen Augusttagen die Illuminatensache auf den Nägeln brannte. Das Schicksal des Ordens stand auf dem Spiel. «Decius« hat »Oldendorp« in der Führung der Jenenser Illuminatengruppe abgelöst. 1 5 Beide gehören zu den engsten Gefolgsleuten Bodes. Zur Geburtstagsfeier am 16. Januar 1787 verzeichnet Bode als besonders vertraute abendliche Gäste Voigt, Reinhold und Hufeland, letzteren mit seinem Ordensnamen »Oldendorp«. 1 6 Daß auch der Weimarer Hofrat Christian Gottlob Voigt (»Atticus«) zugegen ist, spricht für die Vermutung, daß Voigt, im Unterschied zu anderen Weimarer Illuminaten, der illuminatischen Sache besonders zugetan ist. 1 7 Übrigens zählt er, wohl nicht ganz zufällig, zu den Weimarer »Geschäftsmännern«, die sogleich Schillers Vertrauen suchen

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An Reinhold, 29. August 1787, N A 24, S. 151. Schiller an Körner, 29. August 1787, N A 24, S. 148.

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An Körner, 29. August 1787, N A 24, S. 148.

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Vgl. H . Schüttler, Mitglieder, S.210. Zu Reinholds Illuminatenrolle: Reinhold, Korrespondenz, Bd. 1, passim; H . Schüttler, Karl Leonhard Reinhold und die Illuminaten; G. W. Fuchs, Karl Leonhard Reinhold. Zu Hufeland: W. D. Wilson, Geheimräte gegen Geheimbünde, S.225ff. Bode, Tagebuch, S.4. Vgl. W. D. Wilson, Geheimräte gegen Geheimbünde, S. 148f.

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Karl Leonhard Reinhold (1757-1823)

und gewinnen. 1 8 Für den November 1787 und den März 1788 notiert Bodes Tagebuch weitere Zusammenkünfte und Beratungen mit den beiden Jenensern. 1 9 Reinhold war auch schon an den Vorbereitungen von Bodes Pariser Reise beteiligt; Bode legt ihm seine »Deduktion über den historischen Ursprung, Zweck, die Hieroglyphen etc. der F M Y [Freimaurerei] in französischer Sprache« vor, die er für den (zweiten) Pariser Philalethen-Konvent ausgearbeitet hatte. 20 Reinholds Brief an den befreundeten Oldenburger Illuminaten Gerhard Anton von Halem, dem diese Mitteilung entstammt, enthält einen ausführlichen Rapport über den Stand der Ordensangelegenheiten. Datiert ist er auf den 20. August 1787 nur einen Tag später trifft Schiller in Jena ein. Neben Bodes Reise ist es vor allem die von den bayerischen Illuminaten heraufbeschworene Krise, die die Jenenser umtreibt. Es geht um das Erscheinen der »Originalschriften« des Ordens. Den ersten Band hat man noch mit einiger Gelassenheit aufgenommen und in der Allgemeinen Literatur-Zeitung mit unverhohlenem Wohlwollen rezensiert. Bestürzung dagegen ruft der »Nachtrag von weitern Originalschriften« hervor, der mit Extrapost am 18. August angelangt ist. Reinhold sieht die Illuminatensache durch die Bayern aufs schwerste kompromittiert. So schreibt er: »Als die Neuste Neuigkeit kan ich Ihnen berichten, daß die Litt. Zeit, nächstens durch neue Data genöthiget seyn wird von der Person des Stifters und Consorten, wo nicht von der Sache selbst ihr voriges Urtheil zurückzunehmen. Wenn der Zweyte Band der Originalschriften welcher Papiere die auf dem Schlosse eines gewissen Baron Bassus gefunden worden, und auf Churfürstl befehl gedruckt sind, enthält, authentisch ist - So hat Spartacus seine moralische Existenz auf immer verwirkt. Es kommen in dieser Sammlung hinkende Bothen nach die mit seiner eigenen Handschrift nichts geringeres besagen, als er habe das Kind das er seiner Schwägerinn gemacht hat abtreiben, und seine medicinischen Brüder dazu brauchen wollen, in den geheimen Instruktionen habe sich ein Artikel befunden der die Archive zu bestehlen befiehlt - unter die Zwecke der Verbrüderung gehöre auch die Ausarbeitung und Einführung einer neuen Volksreligion u.s.w. - Kurz: die Illumination in Bayern war, wie mirs immer deutlicher wird von Irrwischen auf Sümpfen betrieben.« 21 Wir werden sehen, daß Schiller dies rigorose Urteil über Weishaupt nicht unbekannt geblieben ist.

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Schiller an Körner, 12.-13. August 1787, N A 24, S. 132: »Ich hatte solang ich hier bin, ein heftiges Bedürfniß eines Vertrauten Freundes. Voigt kann dieser Freund f ü r mich werden. Außerdem ist er einer der angesehensten Geschäftsmänner, von großen und kleinen Geistern geschäzt, mit den besten liiert und ein Orakel f ü r den Herzog.« Bode, Tagebuch, S. 11, 18. November 1787: »den beyden Brüdern Decio und Oldendorp mündlich die Sätze meines Plans gesagt; den sie beyde im Ganzen gebilligt, und sich dabey zur Mithülfe am Detail erboten haben.« Ebd., S. 18, 25. März 1788. »Hufeland aus Jena bey mir. Einen vergnügten Abend mit disem edlen, verständigen jungen Mann zugebracht.« Ebd., 26. März: »Decius.« Reinhold an Gerhard A n t o n von Halem, 20. August 1787, Korrespondenz, Bd. 1. S.248f. Ebd., S. 2 4 9 - 2 5 1 .

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Reinhold läßt den Ordensstifter und die Bayern fallen, um desto heller die Integrität der beiden sächsischen Ordensprovinzen herausstreichen zu können. Deutliches Licht fällt dabei auf die Reformbestrebungen Bodes (»Aemilius«) und Emsts II. von Gotha (»Timoleon«): »In eben diesen Zweyten Bande der Originalschriften werden Sie einen Dialog zwischen Philo und Amelius sollte heissen Aemilius (unser B.) finden, der Sie überzeugen wird, daß, wenn sich auch in der Bayrischen Quelle Unreinigkeiten befanden, dieselben durch den Kanal aus welchem wir ich spreche von Jonien und AEolien geschöpft haben, durchgängig geläutert worden sind. Sie werden diesen Kanal noch einmal so lieb gewinnen. Da aber der Name I. durch die Verbreitung des eröh[r]te[r]ten Zweyten Bandes stinkend werden muß, und billig zu besorgen ist, daß auch in den beyden genannten Provinzen bey weniger unterrichteten Mistrauen entstehen wird, so dürfte wohl die Sache vor der Hand ganz eingehen. Der Inspektor oder Nationaldirektor [der Graf zu Stolberg-Rossla] hat ohnehin ich weiß nicht ob geradezu den O. aufgehoben, aber doch wenigstens suspendirt. Die Distrikte und Kirchen die unter AEmil, standen sahen das für eine gute Gelegenheit an den O: zu reformiren, und ihn unter keinem andern als dem den Brüdern in höhern Grade bekannten Obern dessen Redlichkeit und höchstvortreflichen Charakter wir alle kennen und verehren fortzusetzen. So giengen die Arbeiten in meiner Prov. bis itzt noch immer mit gutem Erfolge fort. Allein, wie gesagt seit der Erscheinung des II. B. der Originalien [...] muß sich alles ändern - und ich bin selbst sehr neugierig darauf was die Br. Br. beschliessen werden. Ich vermuthe eine gänzliche Umschmelzung - denn aufgegeben kan weder der Zweck noch die wesentlichen Mittel desselben nie von Männer werden die das Eine was dem Menschen noth ist, mehr als vom blossen Hören sagen kennen. - Wie, die Theosophen, Rosenkr. Jesuiten, etc. sollten besser davon kommen als die gute Sache.« 22 Ob man diesen Gesprächsstoff, der den Ordensbrüdern so zu schaffen machte, einem Gast wie Schiller, der immerhin eigene Erfahrungen mit Ordensmitgliedern hatte, vorenthielt? Wahrscheinlich ist das nicht, zumal jedermann die Stellungnahmen der Jenenser zur Illuminatenfrage in der »Allgemeinen Literatur-Zeitung« nachlesen konnte. Sie nehmen kein Blatt vor den Mund. Im Juli waren Hufelands Rezensionen zum ersten Band der »Originalschriften« erschienen. Am 18. August war der »Nachtrag« eingetroffen. Mit Datum vom 30. August, wenige Tage nach Schillers Besuch, liefert Hufeland die Besprechung des neuen Bandes. Mit seiner Wertschätzung hält »Oldendorp« nicht hinter den Berg. Zu den »Originalschriften« heißt es: »Diese Schriften enthalten, unserm Urteil nach, vieles vortrefliche, das dem Orden unendlich viel Ehre bringt, und seine Mitglieder, vorzüglich seinen Stifter, schätzens- und liebenswürdig macht, ferner aber einiges bedenkliche und etwas schändliches.« 23 Oder: »Genug, dass das Ganze viel mehr Beweise für als wider die III. enthält, und dass also die Regierung, weit entfernt ihnen durch die Herausgabe dieser Schriften zu schaden, vielmehr ihnen beym Publicum dadurch genützt haben 22 23

Ebd., S. 251-253. Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 161, 6. Juli 1787, Sp.43.

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muss [...]«. 2 4 Der Rezensent spricht, natürlich ohne dies zu verraten, in eigener Sache. So auch in folgendem Votum zu einer Schrift Weishaupts: »Was nun aber das ganze Gebäude anbetrifft, so glauben wir nicht bloss, dass die völlige Unschuld, die gute Sache und die reinen Absichten dieses verfolgten und verläumdeten Ordens unwidersprechlich daraus erhelle, sondern wir bewundern auch wirklich die ganze Einrichtung und zweifeln kaum, dass sie nicht manchen guten Erfolg gehabt habe.« 2 5 Nachdem sich Hufeland so weit vorgewagt hat, fällt es ihm nicht eben leicht, mit dem Schock des zweiten Bandes der »Originalschriften« fertigzuwerden. Noch einmal baut er Verteidigungslinien auf, die wenigstens das große Ganze, das System und die guten Absichten, in Schutz nehmen. Nicht mehr zu retuschieren indes sind die »ziemlich dunkeln Schatten«, die jetzt auf einzelne Mitglieder, insonderheit den Stifter, fallen. Es folgen die Tatbestände, die schon Reinhold in seinem Brief an v. Halem aufgeführt hat. Auch Hufeland kommt an dem »schwärzesten Flecken in dieser Schrift« nicht vorbei: dem Plan einer Abtreibung, den Weishaupt Ärzten im Orden vorlegt, als die Beziehung zu seiner Schwägerin eine Schwangerschaft zur Folge hat. 26 Die Herausgeber des »Nachtrags« hatten wohlgezielt darauf angespielt: »Ein schöner Ordensstifter, welcher sein saubers Werk mit einer Blutschande und attentierter Kindesabtreibung geziert hat.« 2 7 Man spürt die Enttäuschung, wenn Hufeland sich zu der Erklärung durchringt: »dass ein Orden, der Tugend predigen und ausbreiten sollte, bey einem Stifter und Regierer, der noch schwach genug zu solchen Vorsätzen war, und bey Obern, denen er auch nur einen solchen Antrag zu thun wagen durfte, immer in einer Gefahr war, misgeleitet und gemisbraucht zu werden. Vielleicht ist es daher immer als eine heilsame Schickung der Vorsicht anzusehen, dass dieser O., so gewiss wir auch die Idee, selbst die Ausführung im ganzen, noch immer billigen, und so wenig wir uns noch immer von den bösen Absichten der Stifter und Obern auch nur bis zur Wahrscheinlichkeit überzeugen können, für jetzt wenigstens in seinen Grundfesten erschüttert, und vielleicht gar, trotz seiner Ausbreitung, von der diese Schriften viele Beweise liefern, zerstört worden ist.« 28 Die Rede von der Erschütterung und Zerstörung ist für die Öffentlichkeit bestimmt. Reinholds Konzept einer

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Ebd., Sp.48. Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 170, 17. Juli 1787, Sp.142. Der »vortrefliche Grundsatz des Ordens« sei es, so heißt es da (Sp. 143), »Freyheit im Denken und Untersuchen auf alle Weise zu befördern«. Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr.208, 30. August 1787, S p . 5 4 5 - 5 5 1 , hier Sp.550f. Vgl. Nachtrag von weitern Originalschriften I, S. 14 - 1 7 (dort der belastende Brief Weishaupts). Die unglücklichen Einzelheiten des Falls hat Weishaupt selbst sogleich dargelegt: Kurze Rechtfertigung meiner Absichten. Zur Beleuchtung der neuesten Originalschriften, Frankfurt u. Leipzig 1787 (vgl. den Auszug bei J. Rachold, Die Illuminaten, S. 223ff.). Die Rezension dazu: Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr.208, 30. August 1787, Sp.551f. Nachtrag von weitern Originalschriften I, S. 15f., Fußnote. Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr.208, 30. August 1787, Sp.551. Wie sehr »Oldendorp« nach wie vor zur Ordenssache steht, zeigt ein Reformentwurf (»Allgemeine Ideen von der Einrichtung des künftigen [Ordens]«, den er mit Datum vom 12. Aban 1 1 5 7 (= 12. November 1787) Bode vorlegt (Schwedenkiste, Bd. 16, Nr. 47).

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»gänzlichen Umschmelzung« des Ordens, die auf jede weitere Mitwirkung des kompromittierenden Ordensstifters verzichtet, trifft die Bestrebungen in Weimar, Gotha und Jena zweifellos besser. Die sechs Tage, die Schiller bei Reinhold in Jena verbrachte, waren jedenfalls eine gute Vorbereitung für die Begegnung mit Joachim Christoph Bode, die wenige Tage später zustande kam. Daß Schiller über die illuminatische Identität Reinholds im Bilde war, zeigt der merkwürdige Verweis, den die »Sendung Moses« (1790) auf die Schrift »Ueber die ältesten hebräischen Mysterien von Br. Decius« gibt, »welche einen berühmten und verdienstvollen Schriftsteller zum Verfasser hat«, Reinhold natürlich. 29 Die Schrift war 1787 erschienen. 30 Wie sehr zumindest Wieland eine Geistesverwandtschaft zwischen Schiller und seinem Schwiegersohn Reinhold annahm, deutet die unverblümte Art und Weise an, wie er diesem die »Merkur«-Rezension des » D o n Karlos« zuschieben möchte: »Göthens Schriften will ich selbst anzeigen: aber von D o n Carlos kann ich, nach meiner Vorstellungsart unmöglich eine günstige Anzeige machen; und eine solche wünschet doch der gute Göschen? Also, Mein Bester, wird wohl kein ander Mittel seyn als daß Sie selbst sich dazu entschließen. Ich gebe Ihnen Vollmacht, dieses sonderbare opus so günstig zu recensiren, als Sie es, nach Ihrer eigenen Empfindung und Vorstellung, ohne alle Rüksicht auf die meinige, mit gutem Gewissen nur immer thun können; denn ich möchte Göschen gerne geholfen und Schillers geschont wissen.« 3 1 Seltsame Koinzidenz der Ereignisse. A m 26. August beendet Schiller seinen Besuch in Jena. A m 27. August kehrt Bode von seiner Pariser Reise zurück, befindet sich allerdings nicht ganz wohl, so daß Schiller ihn nicht sogleich aufsuchen kann. 3 2 A m 30. August erreicht der flüchtige Weishaupt mit knapper Müh und N o t sein Asyl in Gotha, w o er sich, da der Herzog abwesend ist, zunächst drei Tage in einem Kamin versteckt haben soll. A m 3. September schreibt Schiller nach Dresden: »Ich lebe noch und liebe Euch herzlich, aber der Kopf ist mir ganz abscheulich von einem kleinen Rausche verwüstet, den ich mir gestern Nacht in einem tête-à-tête mit Bode geholt habe. Laßt mir's also noch, bis ich nüchtern bin. Heute hab' ich gethan, was ich konnte.« 3 3 Erst zum nächsten Posttag geht wieder einer der ausführlichen Berichte aus Weimar an Körner. Diesmal, am 10. September, stehen Bode, Weishaupt und die Illuminaten im Mittelpunkt. Denn wieder ist es zu einer ausdrücklichen Werbung gekommen, 29 30

N A 17, S.397. D e r vollständige Titel von Reinholds A b h a n d l u n g , die auf A u f s ä t z e im Wiener »Journal für F r e y m a u r e r « zurückgeht: D i e Hebräischen Mysterien oder die älteste religiöse Freymaurerey. In z w e y Vorlesungen gehalten in der [ L o g e ] zu * * * * v o n Br. Decius, L e i p z i g 1788 (recte 1787). D a z u die Allgemeine Literatur-Zeitung, 25.10. 1787, Sp.231f.

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Wieland an Reinhold, Mitte September, K . L . Reinhold, K o r r e s p o n d e n z , B d . 1, S.264. Tatsächlich hat aber dann doch Wieland die - ziemlich matte - Rezension geschrieben (Anzeiger des Teutschen Merkur, September 1787, S. C X X I I I - C X X V ; abgedruckt in Ν Α 7/II, S. 518f.). Schon 1785 hatte er sich in einem Gutachten an H e r z o g Karl A u g u s t wenig günstig über den ersten A k t des » D o n K a r l o s « (in der »Thalia«) geäußert ( N A 7 f i l , S. 502-507).

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Schiller an Körner, 29. A u g u s t 1787, N A 24, S. 150. Schiller an Körner, 3. September 1787, N A 24, S. 151.

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und der Werber ist der neue Illuminatenchef selbst. Folgerichtigkeit kann man dem Vorgang nicht absprechen. »Bode hat mich sondiert ob ich nicht Maurer werden wolle. Hier hält man ihn für einen der wichtigsten Menschen im ganzen Orden. Was weißt Du von ihm?« 34 Bevor Schillers Brief zu dieser Mitteilung vorstößt, gibt er die Erzählungen Bodes von seiner Pariser Reise wieder. Deren maurerischen (illuminatischen) Hintergrund scheint Bode nicht verschwiegen zu haben, wiewohl Schillers Auskunft dunkel bleibt: »Bode sagt mir daß er in Betref der Maurerei aus Paris etwas erhebliches mitgebracht habe.« 35 Auch mit zwei anderen Steckenpferden macht er den Weimarer Neuling sogleich bekannt, der Furcht vor einer Jesuitenverschwörung gegen die Aufklärung und dem Interesse am animalen Magnetismus. Der alte Kämpfer gegen den Jesuitismus unterstützt selbstverständlich die Kampagne der Berliner: »Er ist sehr mit den Berlinern über die drohende Gefahr des Catholizismus einig [...]. Die Jezige Anarchie der Aufklärung meynt er wäre hauptsächlich der Jesuiten Werk.« 36 Bodes Tagebuch läßt erkennen, daß die Ordenskontakte zu Nicolai (»Lucian«) und Biester in Kraft sind. 37 Auch die Beschäftigung mit dem Magnetismus ist regelmäßig bezeugt. Weit mehr bewegt Schiller freilich der Fall des Ordensstifters Adam Weishaupt. Wir erhalten einen Eindruck von den Debatten, die in Weimar und Jena geführt werden: »Weishaupt ist jezt sehr das Gespräch der Welt. Seine ausgefundene Briefe wirst Du gelesen haben, so wie auch die Recension des ersten Bandes in der Litteratur Zeitung, welche von Hufland und nach meinem Urtheil vortreflich ist. Was denkst Du denn von seinem Unglücklichen Verbrechen? - Alle Maurer die ich noch gehört habe, brechen den Stab über ihn und wollen ihn ohne Gnade bürgerlich vernichtet haben. Aber der Orden bleibe ehrwürdig, auch nachdem Weishaupt ein schlechter Kerl sei. Es läßt sich vielerlei darüber sagen, und ich muß gestehen, daß mir diese moralische declamationes dieser Herren etwas verdächtig sind. Ein Kind abtreiben ist unstreitig eine lasterhafte That - für jeden. Aber eines machen ist für einen Chef de parti unverzeihlicher.« 38 Wir kennen bereits die Urteile, die Reinhold und - milder - Gottlieb Hufeland über ihr einstiges Idol fällten. Auch Bode hat seine »moralischen declamationes« im Tagebuch festgehalten. Vom 4. bis zum 6. September sehen wir ihn mit der Lektüre des »Nachtrags von weitern Originalschriften« beschäftigt. Uber Weishaupts Verfehlung befindet er mit jener Unerbittlichkeit, die Schiller nicht wenig verdächtig vorkommt: »Der dritte Brief pag. 16 von Spartacus ist sehr bös! Nicht sowohl das Kinder34

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N A 24, S. 153. Kennzeichnend f ü r die mangelnde Aufmerksamkeit der Schiller-Forschung: eine neuere Ausgabe bricht die Wiedergabe des Briefes vom 10. September just vor der Sequenz über Bode, Weishaupt und den Werbungsversuch ab. Klaus L. Berghahn (Hrsg.), Briefwechsel zwischen Schiller und Körner, München 1973, S.61. N A 24, S. 152. N A 24, S. 153. Bode, Tagebuch, S. 1 1 , 2 2 (hier wird Nicolai sogar mit seinem Ordensnamen »Lucian« aufgeführt), 25. N A 24, S. 153.

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Johann Joachim Christoph Bode (1730-1793)

zeugen, in seiner damaligen Lage, als der Vorsatz des Kindermords. Der letzte läßt sich nicht entschuldigen, geschweige denn rechtfertigen. Höchstens wegen seines gewaltigen Ehrgeizes, für sich selbst und die Person mildestens entschuldigen. Diesen Umstand in Weishaupts Lebensgeschichte wußte ich 1783 nicht, sonst möchte ich vielleicht damals nicht so gut wie jetzt, die Sache von der Person unterschieden haben. Er hätte mich vielleicht, und wahrscheinlich bestimmt, mit dem ganzen System mich nicht weiter zu befassen, worin ich danach von der Zeit her, nicht ohne Nutzen gearbeitet habe. - Es erhellet hieraus aufs stärkste, daß ein Mensch, der auf die Verbesserung der Menschen wirken will, für die Unbescholtenheit seines Characters aufs äusserste zu sorgen verpflichtet ist. Diese Pflicht erfüllet er aber am sichersten durch Seyn. - Weishaupt mag jetzt gebessert seyn wie er will, ich mag keine Gemeinschaft ferner mit ihm haben.« 39 Bodes Aufzeichnung bestätigt den Eindruck, den Schiller im Gespräch gewann: die sächsischen Reform-Illuminaten gaben den Ordensstifter preis, um die Ordensidee zu retten. In die gleiche Richtung gehen die Vermutungen Körners, der in seinem Brief vom 18. September Punkt für Punkt auf Schillers Bericht antwortet. Uber masonische Angelegenheiten ist er gut informiert, besonders gut über die Pariser Verhältnisse. In Paris, so mutmaßt er richtig, habe Bode wohl vor allem mit Savalette de Langes Umgang gepflogen, dem Chef der Pariser Philalethen aus der Loge »Les Amis Réunis« und Initiator der beiden Philalethen-Kongresse von 1785 und 1787. Der Bescheid, den er dann über Bode gibt, mit auf den ersten Blick verblüffender Kenntnis von Bodes Illuminaten-Karriere, mündet unvermutet in eine prinzipielle Kritik am Illuminatismus: »Er [Bode] hat im Orden eine wichtige Rolle gespielt, als das Hundische System in den vereinigten Logen eingeführt wurde. Seit einigen Jahren besonders seit dem Wilhelmsbader Convente ist er als Bestreiter des Jesuitismus im Orden bekannt. Wenn er Dich zum Proselyten machen will, so ist es für die Illuminaten, welche einige Freymaurer Logen in Besitz genommen haben. Wenn er aber wider Anarchie der Aufklärung eifert, so möchte man ihn fragen, ob denn durch Despotismus der Aufklärung viel mehr gewonnen seyn würde. Der edelste Zweck in den Händen einer Gesellschaft, die durch Subordination verknüpft ist, kann nie vor einem Misbrauche gesichert werden, der den Vortheil weit überwiegt.« 40

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Bode, Tagebuch, S. 7, 4. September 1787. Am 5. September (S. 9) gibt Bode folgende Konklusion: »Nachdem ich dieses Büchlein zweimal durchgelesen, so ist mein aufrichtiges Bekenntniß dazu, dieses 1. Es macht den Personen, die diese Stücke mit List und Gewalt zusammentrieben und herausgegeben haten, keine sonderliche Ehre, und rechtfertigt ohne eingängige Recherchen Verfolgungen der Illuminaten, nach meiner Ueberzeugung, gar nicht. 2. Es wird mich nicht wundern, wenn viele Brüder, nach Lesung dieser Schriften, lau werden und sich der Verbindung entziehen. 3. Ich für meines Theils aber bleibe, so lange ich Mitgehülfen finde, bey der Erklärung, die ich voriges Jahr schon, an den Provinzial von Jonien, über die Fortsetzung des Instituts, in der bestmöglich zu besorgenden Reinigung der Hefte, gethan habe.« Der Provinzial von Jonien (Obersachsen) ist Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha (»Timoleon«). N A 33/1, S. 145f.

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Es besteht nun freilich kein Anlaß, solche Erkenntnisse einer intimen Verbindung Körners mit dem Illuminatenorden zuzuschreiben. Die Auskünfte über Bodes Rolle seit dem Wilhelmsbader Konvent konnte er ebenso den »Originalschriften« entnehmen wie die kritische Konklusion, die ihm die treffende Formel vom »Despotismus der Aufklärung« in die Hände spielt - mit Folgen, wie wir sehen werden, auch für Schiller. Was Körner über Weishaupt weiß, stammt aus dem »Nachtrag von weitern Originalschriften«. Immerhin hat er auch schon von Weishaupts Flucht nach Gotha gehört: »Weishaupts Geschichte ist mir noch nicht weiter bekannt, als aus dem was wir in den Illuminatenpapieren gefunden haben, die die Münchner Regierung hat drucken lassen. Den Illuminaten mag es wohl ärgerlich seyn, daß er ihren Verfolgern eine solche Blöße gegeben hat. Ihr Eifer gegen ihn soll vermuthlich ihre eigene Moralität verbürgen. Ist denn Weishaupt noch in Gotha? Was hast D u denn sonst von ihm erfahren?« 4 1 Ein Sympathisant, gar ein ehemaliges Mitglied der Illuminaten würde schwerlich so sprechen. Spürbar ist deutliche Distanz. Die Gründe dafür liegen nicht zuletzt in Körners eigener Freimaurerlaufbahn, insbesondere in Pariser Erfahrungen, die ein sehr seltsames Licht auf die Interessen des späteren Kant-Adepten werfen. Abzulesen sind sie dem Briefwechsel des jungen Körner mit Lavater und dem Grafen Schönburg-Glauchau aus den Jahren 1780-81, den Joseph P. Bauke entdeckt und zugänglich gemacht hat. 42 Körner begleitet den Grafen auf einer großen Reise durch Westeuropa. Die enthusiastische Suche nach den letzten Wahrheiten führt immer wieder zu maurerischen Kontakten. In London begegnet Körner dem Freimaurer und Rosenkreuzer Johann Friedrich Schiller, einem entfernten Verwandten des Dichters - der später, als »Sprachmeister«, auf der Heideloffschen Liste der Mainzer Illuminaten erscheinen wird. 4 3 In Zürich schließt er sich eng an Lavater an, der, wohl über seinen Bruder, die Aufnahme in die Züricher Loge »Modestia cum Libertate« vermittelt. 44 Von Zürich führt der Weg

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N A 33/1, S. 146. Joseph P. Bauke, Der Heiland aus Paris. Ein unveröffentlichter Briefwechsel zwischen C . G. Körner, Karl Graf Schönburg-Glauchau und J. C. Lavater, in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 10,1967, S. 11-57. Körner an Lavater, 6. November 1780 (Bauke, S. 19); vgl. auch Körner an Gallisch, 26.10. 1779 (Karl Goedeke [Hrsg.], Geschäftsbriefe Schillers, Leipzig 1875, S.347). - Z u dem »Vetter aus Engelland« vgl. Schillers Briefe an Reinwald vom 10. und 22. Juli 1783 ( N A 23, S. 97f.) und den Kommentar N A 23, S.308f. N a c h eben diesem »Herrn Vetter Schiller« fragt dann Schiller in einem Brief vom 29. November 1790 Huber in Mainz ( N A 26, S. 60). Seit 1784 lebt Johann Friedrich Schiller (1737-1814) in Mainz, gründet eine Buchdruckerei und wirkt als Lehrer der englischen Sprache ( N A 26, S. 468). Keine Frage, das ist der Mann, der sich als Nr. 111 im Heidelofschen Verzeichnis findet. Die Vermutung, mit dem »Sprachmeister« sei der Dichter gemeint (Friedrich John Böttner, Schillers H y m n e an die Freude. Georg Heinrich Sieveking - Das Revolutionsfest H a m b u r g 1790, in: Q u a t u o r Coronati Jahrbuch 26, 1989, S. 35-64, hier S. 50, Anm. 7), geht also fehl. J. P. Bauke, Der Heiland aus Paris, S. 13.

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nach Lyon, ins Zentrum der Martinisten. Körner, ein begeisterter Leser von SaintMartins »Des Erreurs et de la Vérité«, dürfte dort Jean-Baptiste Willermoz aufgesucht haben, den Chef der Chevaliers Bienfaisants de la Cité Sainte, dem wir als Protagonisten auf dem Wihlemsbader Konvent bereits begegnet sind. 45 In Paris gewinnt er die Freundschaft des Savalette de Langes und wird zum Mitglied der »Amis Réunis«. 46 Was ihn aber vor allem in den Bann schlägt, zum Entsetzen des Grafen Schönburg-Glauchau und Lavaters, ist das Treiben des Touzai Duchanteau, eines der exquisitesten Theosophen und Alchimisten der Zeit. In einem Brief an Goethe vom 31. März 1781 schildert Lavater den Wundermann: »Ein Mann von rasender metaphysisch theosophisch spizbübisch religiöser Genialität - der neben vier göttlich wahren Gedanken immer 3 abominable fallen ließ - bald die Sprache der Inspiration, bald die des Teüfels spricht - Ein Pythagoräer, Anachoret, Mystiker, Hochchrist, Antichrist in einer Person - Catholik von Gebührt, durch Schwärmerey ein beschnittener durch Wahrheitsliebe ein Pythagoräer - izt ein hocherleüchteter Narr und also - nahe verwandt mit einem Lump«.47 Duchanteau macht sich anheischig, in vierzigtägigem Fasten, wobei ihm lediglich der eigene Urin als Nahrung dient, den Stein der Weisen hervorzubringen; ein Versuch dieser Art endete schließlich letal. Körner hat solche Urinexperimente miterlebt. Seine Briefe spiegeln geradezu einen Zustand der Verhexung. Von Duchanteau erwarte er das Heil der letzten Wahrheit. Sogar eine gemeinsame Reise nach Asien wird geplant. 48 Nur mit Mühe kann er sich von dem Mann losmachen, der ihn bis nach Frankfurt verfolgt. Das war eine peinliche Episode. Sie macht es verständlich, warum Körner so entschieden nach dem Therapeutikum der Kantschen Philosophie greifen wird. Schiller wußte übrigens Bescheid. Die »Avanturen des neuen Telemachs«, Schillers und Hubers Bilderbuch zum 30. Geburtstag des Freundes am 2. Juli 1786, nehmen die schwärmerische Verirrung witzig aufs Korn, insbesondere das Projekt der ägyptischen Reise mit Duchanteau. 49 Immerhin enthält noch Körners Brief vom 18. September 1787 die Anfrage, ob Bode in Paris auch etwas von Duchanteau gehört habe. 50 Keine Frage, Körner hatte es mit dem alchimistisch-theosophischen Flügel der Maurerei gehalten. »Die Vernunft hat ihre Epochen« 51 - eingedenk der eigenen Abwege war Körner auch später nicht dazu bereit, über die Schwärmerei herzufallen. Mehrfach kündigt er seinen Aufsatz »Ueber die Ausartung der Strenge gegen Schwärmerei« an, der freilich nicht zustande kommt. 52

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J. P. Bauke, Der Heiland aus Paris, S. 13f. J. P. Bauke, Der Heiland aus Paris, S. 15ff. Heinrich Funck (Hrsg.), Goethe und Lavater, Weimar 1901, S. 167f. Vgl. den Brief von Schönburg-Glauchau an Lavater, 1. Februar 1781, Bauke, S.40. Schiller, Avanturen des neuen Telemachs, hrsg. von Karl Riha, Frankfurt/M. 1987, S. 18f. und 22f. N A 33/1, S. 145. So der Eingangssatz von Schillers »Philosophischen Briefen« (NA 20, S. 107). An Schiller, 19. März 1789, N A 33/1, S.320. Vgl. auch Körners Briefe vom 22. Mai 1789 (NA

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Schwerlich waren Körners Auskünfte und Urteile dazu angetan, Schiller in die Arme Bodes zu treiben. Leider fehlen in Schillers Briefen weitere direkte Äußerungen zu Bodes Werbung. Gleichwohl ist zu beobachten, wie sich Schiller zunehmend dem Einfluß des Ordensmannes entzieht. Immer wieder, meist in der »Mittwochsgesellschaft« oder im »Clubb«, treffen wir Schiller während der ersten Weimarer Monate in der Gesellschaft Bodes an. Regelmäßig dabei sind ferner Voigt, der Prinzenerzieher Ridel und der Mediziner Hufeland lauter Illuminaten, die in Bodes Pläne eingeweiht sein dürften. 53 Aus Bodes Tagebuch geht hervor, wie er zur gleichen Zeit, im September, Oktober, November 1787, sein Reformprojekt, die »Umschmelzung« des Ordens vorantreibt. Besuche der Brüder in Gotha, Erfurt und Jena stehen ebenso auf der Tagesordnung wie Treffen mit auswärtigen Gästen, etwa mit Biester aus Berlin oder Blumauer aus Wien. 5 4 A m 25. September kommt es auch, was man bisher nicht wußte, zur ersten persönlichen Begegnung mit Weishaupt in Gotha. Sie scheint frostig verlaufen zu sein. Bode notiert: »Mein Entschluß bleibt noch: mit ihm nicht im Orden zu arbeiten.« 5 5 Bei einem neuerlichen Zusammentreffen im Februar 1788 versteht man sich besser, doch bleibt Weishaupt auf dem Abstellgleis. Bodes Eintrag lautet, nachdem er sich noch einmal unverdrossen zum Reformplan aufgerufen hat: »Spartacus hat mir diesmal mehr gefallen, als das erste Mal. Dennoch muß ich ihn von aller Theilnahme an der Reform ausschließen. Auch habe ich ihm dieses, um ganz ehrlich zu seyn, deutlich werden lassen, indem ich zu ihm sagte: Wenn auch Brüder jemals wieder Hand anlegten, das Illuminaten System unter irgendeinem Namen, und unter allerley Veränderungen neu zu beleben, es besser wäre, er wisse nichts davon; wäre es auch nur um in einem unerwarteten aber möglichen Falle mit guten Gewissen schwören zu können, er wisse nichts davon.« 5 6

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33/1, S.351) und vom 1. Juli 1791 (NA 34/1, S.74). Schon die »Philosophischen Briefe« Schillers, an denen sich Körner in der Rolle des Raphael beteiligt, kann man als ein solches Unternehmen betrachten. Vgl. etwa die Briefe Schillers an Huber vom 14. September 1787 (NA 24, S. 156) und an Körner vom 14. Oktober 1787 (NA 24, S. 165). Zu Christoph Wilhelm Friedrich Hufeland vgl. H. Schüttler, Mitglieder, S.77; zu Cornelius Johann Rudolph Ridel H. Schüttler, Mitglieder, S. 125f. Ridel (»Rhetz«) wurde nach den Angaben von Kloss' Matrikel 1783 in Hamburg Illuminât. Er hält sich seit 1787 in Weimar auf und erklärt sich bereit, Schiller an seine Hamburger Freunde zu vermitteln (an Schiller, 4. August 1788, NA 33/1, S.211). Bode, Tagebuch, S. 11, 1. Oktober 1787: »Mittags mit Biester, Professor Blumauer und Professor Vogel aus Göttingen bey v.d. Lühe [...]. Abends empfingen uns die Brüder in Erfurth zum Super im Schlender.« Joachim Friedrich Ernst von der Lühe, Prinzenerzieher in Gotha, ist Illuminât (»Cato Uticensis«). Vgl. H. Schüttler, Mitglieder, S. 97f. - Bode, Tagebuch, S. 15. 21.-27. Februar 1788, Gotha: »Hier wie gewöhnlich viel mit Brüdern gesprochen und manchen Zug in der Geschichte des menschlichen Herzens mehr kennen gelernt.- Wer für das Beßte der Menschheit wirken will, thue es ja so heimlich, als möglich. Was hätte ich hier nicht aufzunehmen, wenn ich die sich kreuzenden Urtheile und einen gewissen Reformationsplan anmerken wollte! Aber ich muß mich durch nichts abschrecken lassen, Meinen Schritt bis ans Ziel unverdrossen fortzusetzen, und dann abwarten, ob ihn der genehmigt, ohne dessen Willen nichts in der Welt geschieht.« Bode, Tagebuch S. 10. Bode, Tagebuch S. 15, 21.-27. Februar. 143

Schiller wird von Bode angezogen, kann sein Mißtrauen aber nicht überwinden. Schon am 14. September 1787 meldet ein Brief an Huber Unbehagen: »Nächst ihm [Bertuch] gefällt mir Bode noch ziemlich, aber ich traue ihm eben so wenig.«57 Dabei scheint es geblieben zu sein. »Mit Boden kann man nicht genau Freund sein«, heißt es am 2. Mai 178 8. 58 Die maurerisch-illuminatische Werbung ist offensichtlich fehlgeschlagen. Wieder ein Jahr später, im April 1789, zeigt schon der launige Ton, wie sehr Bode inzwischen im Kurs gefallen ist - und mit ihm seine »Maçoniquen Ideen«. Schiller kündigt Körner den Besuch Bodes an: »Du wirst gegen Ende Mays einen Besuch von Boden erhalten, der Dich ein Paar Bouteillen Rheinwein kosten wird. Bode ist der Verfasser des Buchs: Mehr Noten als Text. Aber er will es verschwiegen halten. Seine Maçoniquen Ideen werden Dich nicht mehr intereßieren, und er selbst vielleicht auch nicht, aber da Du doch allerley von ihm reden hörst so ists gut, daß Du ihn von Person kennst [...]. Er ist eine gute Posaune, die man doch immer gerne schont.« 59 Deutlich wird aber auch, daß Schiller über Bodes Ruf und Aktivitäten nach wie vor gut unterrichtet ist, so auch über das Pamphlet, mit dem Bode der Deutschen Union des berüchtigten Karl Friedrich Bahrdt, einer konkurrierenden Nachfolgeorganisation der Illuminaten, den Garaus machte. 60 Der »Don Karlos«, davon war schon die Rede, stand auf deren Lektürekanon. Nicht wenig mußte es Schiller verwundern, daß Körner wider Erwarten auf Bodes Pläne eingeht: »Seine Bekanntschaft ist mir wichtiger, als Du vielleicht glaubst, durch die Rolle, die er in der Maurerei spielt. Wir sind sehr vertraut geworden, und er hat mir eine Sache, von der ich längst zurückgekommen war, wieder interessant gemacht.«61 Bode hat einen Mitstreiter im »Bunde der deutschen Freimaurer« gewonnen - so lautet inzwischen der Name für das Reformunternehmen. Körners umfangreicher Brief an Bode vom 28. April 1790, den Hermann Schüttler in der >Schwedenkiste< entdeckt hat, 62 dokumentiert das neu erwachte Interesse - an der alten »Sache« der Maurerei, schwerlich an der des Illuminatismus. Körner entwikkelt, in der ihm eigenen umständlichen Gewissenhaftigkeit, Reformvorschläge, erklärt seine Bereitschaft zur Teilnahme an dem »guten Werke«, besteht allerdings ebenso auf der Verabschiedung vermeintlich »höherer Kenntnisse«, »höherer Manuskripte« und »Geheimnisse« wie auf der Abkehr vom Prinzip der »Subordination« im Aufbau des Ordens: »Um den O. selbst und dessen Mitglieder von der Ausartung zu bewahren, scheint mir die Subordination ein zu gefährliches Mittel und beynahe schlim-

57

N A 24, S. 156.

58

A n Schwan, 2. Mai 1788, N A 25, S.52. An Körner, 2. oder 6. April 1789, N A 25, S.241.

59 60

Vgl. dazu: Günter Mühlpfordt, Europarepublik im Duodezformat. Die internationale Geheimgesellschaft »Union« - ein radikalaufklärerischer Bund der Intelligenz (1786 - 1796), in: H . Reinalter (Hrsg.), Freimaurer und Geheimbünde, S. 3 1 9 - 3 6 4 ; Helmut Reinalter, Bahrdt und die geheimen Gesellschaften, in: Gerhard Sauder, Christoph Weiß (Hrsg.), Carl Friedrich Bahrdt (1740 - 1792), St. Ingbert 1992, S. 2 5 8 - 2 7 4 .

61

Körner an Schiller, 22. Mai 1789, N A 33/1, S.350. H . Schüttler, Mitglieder, S.86f.

62

144

mer als die Krankheit selbst [...]. Möglichste Gleichheit der Mitglieder und Freyheit der Kritik dürften vielleicht wirksame Mittel seyn, um eingerissene Mängel [...] abzuschaffen [,..].« 63 Körner hat weder seine theosophische Vergangenheit noch sein unerbittliches Urteil über das Grundübel der Illuminaten vergessen. Wohl redet er Bode als »theuerster Ober« an, doch bleibt durchaus fraglich, ob man ihn als genuinen Nachfahren der Illuminaten betrachten darf. Aber schon früher, noch in der Zeit, als er heftig umworben wurde, läßt Schiller grundsätzliche Vorbehalte erkennen. Geradezu sarkastisch antwortet er auf einen neuen »Brief an Julius«, den ihm Körner überraschend zusendet, um das Zwiegespräch der »Philosophischen Briefe« fortzusetzen. Es gebe ihm »wenig Trost [...], daß, wie Du hier annimst, eine gewiße Philosophie in einer gewissen Epoche für unsern Julius gut seyn soll und doch nicht die wahre seyn soll, daß man hier, wie in euren maurerischen Orden im ersten und zweiten Grade Dinge glauben darf oder gar soll, die im dritten und vierten wie unnütze Schaalen ausgezogen werden.« 64 Der unvermutete Seitenhieb gegen das Gradsystem verdankt seine Aktualität den Illuminaten. Namentlich die »Originalschriften« boten hinreichend Gelegenheit, um Anstoß zu nehmen. Es mußte Schiller irritieren, daß ausgerechnet ein Autor wie Helvétius, dem sein besonderer Widerwille galt, was die Briefe des Julius gerade noch einmal bekundet haben, der verborgenen Weisheit letzten Schluß darstellen sollte.65 Noch 1787 hatte Weishaupt »Das verbesserte System der Illuminaten, mit allen seinen Einrichtungen und Graden« herausgebracht.66

63

Schwedenkiste, Bd. 18. Nr. 169, Bl. 3v.

64

An Körner, 15. [14.?] April 1788, N A 25, S . 4 0 . Körners »Brief an Julius«: N A 21, S. 1 5 6 - 1 6 0 .

65

D a z u die Rezension Gottlieb Hufelands: Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 170, 17. Juli 1787, Sp. 1 4 0 - 1 4 3 und Nr. 171 b, 18. Juli 1787, Sp. 1 5 3 - 1 5 5 . Hufelands Urteil drückt wiederum kaum umwundene Zustimmung aus: »Dies merkwürdige Buch, das gewiss von allen Liebhabern und Anhängern geheimer Gesellschaften, von allen, welche an den neuesten politischen Vorfallenheiten Theil nehmen, ja selbst, wie wir hoffen, von mehrern unsrer philosophischen Köpfe mit Begierde in die Hand genommen, und freylich mit sehr ungleichen E m p findungen, allem Vermuthen nach aber von der grösseren Zahl mit Zufriedenheit und Beruhigung aus der Hand gelegt werden wird [...].«

66

Vgl. Weishaupt an Z w a c k , 5. M ä r z 1778 (Originalschriften, S . 2 1 0 ) : »Mit Staats- und Religionsbüchern müßen wir bey Anfängern behutsam seyn. Ich habe solche in meinem Plan für die höheren Grade aufbehalten; dermalen offenbart man keine andere als Moralisten und raisonierende Geschichtsschreiber. Die Moral vor allen muß der Hauptgegenstand seyn. R o b i net, Mirabaud, Systeme Social, Politique naturelle, Philosophie de la Nature und dergleichen sind weiter bestimmt, und dermalen sorgfältig zu verbergen. So wie auch besonders Helvetius de l'homme. H a t ihn schon einer, so rühmt man und schilt ihn nicht. Reden sie auch nichts von dergleichen Materien zu den Initiierten; denn man weiß nicht, wie sie aufgenommen werden, weil auch die Leute noch nicht gehörig praepariert sind: und dieses soll erst in den untern Klassen geschehen, die sie durchlaufen haben. A u c h nicht einmal von Erziehung und P o litic h ö r ich gern, daß man mit diesen Leuten rede.« Vgl. auch den Brief Knigges an Zwack vom 20. Januar 1783 (Nachtrag von weitern Originalschriften, I, S. 105f.): » D a nun hier die Leute sehen, daß wir die einzigen ächten wahren Christen sind, so dürfen wir dagegen ein Wort mehr gegen Pfaffen und Fürsten reden [...]. (In den höheren Mysterien sollte man dann a) diese piam fraudem entdecken, und b) aus allen Schriften den Ursprung aller religiösen L ü -

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Das Illuminatenwesen läßt Schiller nicht im Stich, als er sich im Frühjahr 1788 in die Arbeits-Idylle von Volkstädt und Rudolstadt zurückzieht. Vier »sehr schäzbäre Menschen« erwartet er dort, »von sehr viel Bildung und dem edelsten Gefühl«. Es handelt sich um die Damen des Hauses Lengefeld und Friedrich Wilhelm Ludwig von Beulwitz, der (noch) mit Caroline von Lengefeld verheiratet ist. »Alles was Lecture und guter Ton einer glücklichen Geistesanlage und einem empfänglichen Herzen zu setzen kann, finde ich da in vollem Maase«. 6 7 Beulwitz und die Lengefelds hatte Schiller flüchtig schon in Mannheim kennengelernt. Sie taten alles, um Schillers Hoffnungen zu erfüllen. Die >Schwedenkiste< läßt nun aber erkennen, daß Beulwitz, Hof-, Legations- und Konsistorialrat in schwarzburg-rudolstädtischen Diensten, auch schon Mitglied der Weimarer Loge »Amalia«, seit 1784 Chef einer starken und besonders eifrigen illuminatischen Minervalkirche war, die Bode in Rudolstadt (»Aquinum«) gegründet hatte. 6 8 Aus dem Zeitraum von 1 7 8 4 - 1 7 8 6 liegen über 40 Sitzungsprotokolle vor, in den meisten Fällen von Beulwitz selbst (»Claudius Fleury«) gefertigt. Dazu kommen einige Briefe von Beulwitz aus den Jahren 1786-1787, die am Ordens-Enthusiasmus des »Claudius Fleury« wie an seiner Verehrung des »Aemilius« keinen Zweifel lassen. 69 N o c h im Februar 1787 hatte Beulwitz gemeinsam mit Bode an der Einweihung der Erfurter Illuminaten-Loge »Carl zu den 3 Rädern« teilgenommen. 70 Auch den Rudolstädter Damen war Bode natürlich kein Unbekannter. Wie hoch sie ihn schätzen, zeigt selbst noch der Brief vom 7. Dezember 1789, in dem Charlotte

gen, und deren Zusammenhang entwickeln, c) D i e Geschichte des [Ordens] erzählen).« Claude Adrien Helvétius hatte Schiller schon auf der Karlsschule durch Abel kennengelernt und seine Lehren dem Franz M o o r in den Mund gelegt. Vgl. vom Verf.: Schillers »Räuber«: Ein Experiment des Universalhasses, in: Wolfgang Wittkowski (Hrsg.) Friedrich Schiller: Kunst, Humanität und Politik in der späten Aufklärung. Ein Symposium, Tübingen 1982, S. 1 - 2 1 , bes. S. 16ff.; W. Riedel, D i e Anthropologie des jungen Schiller, S. 178ff. - In der »Theosophie des Julius« heißt es im zentralen Lehrstück »Liebe«: »Die Philosophie unsrer Zeiten - ich fürchte es - widerspricht dieser Lehre. Viele unsrer denkenden Köpfe haben es sich angelegen sein lassen, diesen himmlischen Trieb aus der menschlichen Seele hinweg zu spotten [...]. I m Knechtsgefühle ihrer eignen Entwürdigung haben sie sich mit dem gefährlichen Feinde des Wohlwollens, dem Eigennuz abgefunden, ein Phänomen zu erklären, das ihrem begränzten H e r z e n zu göttlich war. Aus einem dürftigen Egoismus haben sie ihre trostlose Lehre gesponnen [...], Swift selbst konnte der menschlichen Natur keine so tödliche W u n de schlagen als diese gefährlichen Denker, die mit allem Aufwande des Scharfsinns und des Genies den Eigennuz ausschmüken, und zu einem Systeme veredeln« ( N A 20, S. 121f.). Die Empörung ist auch hier deutlich auf Helvétius und dessen D o k t r i n von der interessegeleiteten Moral gemünzt. 67

A n Körner, 25. April 1788, N A 25, S . 4 7 .

68

H . Schüttler, Mitglieder, S . 2 3 . R . Le Forestier, Les Illuminés, S. 396, beziffert die Mitgliederzahl auf siebzehn. Die Protokolle: Schwedenkiste, Bd. 15, N r . 6 1 - 6 2 , 1 1 5 - 1 2 5 , 1 6 7 - 1 7 5 , 1 8 5 - 2 0 8 . Beulwitz' Briefe an Bode: Schwedenkiste, Bd. 3, Nr. 1 0 3 - 1 0 7 .

69

70

Gotthold Deile, Die Erfurter L o g e unter Dalberg und D o m i n i k u s und ihre Beziehungen zur Erfurter Akademie, in: J b . d. königlichen Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu E r furt, N.F. 34, 1908, S. 6 9 - 9 8 , hier S . 7 8 f .

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von Lengefeld ihre Bewunderung widerruft: »Hättest du wohl gestern Abend Dir gedacht daß wir Boden in unserm Haus [in Weimar] hätten? und noch dazu haben einladen laßen; dem Beulwiz einen Spaß zu machen ließen wir ihn noch ganz spät bitten, und er kam; und schien mir gar nicht mehr so klug wie sonst [...]. Ohne partheisch zu sein lieber, ich erstaune, daß ich Bode jemals für ein großes Licht gehalten habe, und ich hatte einmal großen tiefen Respekt für seinen Kopf; er ist doch ein ganz gewöhnlicher Mensch, und gar platt, kommt es mir vor.« 7 1 Wieder also, auch in Rudolstadt, finden wir Schiller in einer Atmosphäre, die von illuminatischem Geist durchtränkt ist. Spuren davon kann man ausmachen, obwohl bald Herzensangelegenheiten ganz in den Vordergrund rücken sollten. Von Büchern und »Lecture« ist häufig die Rede in den Briefen, die Schiller mit den Schwestern wechselt. So erfahren wir, daß zwischen Beulwitz und Schiller Johann Christoph Harrenbergs »Pragmatische Geschichte der Jesuiten« (1760) hin und her wandert, die Quelle für den Merkur-Aufsatz »Jesuitenregierung in Paraguay«, mit dem Schiller Bodes Kampf gegen die Jesuiten seine Reverenz erweist/ 2 Auch vor politisch brisanter Literatur schreckt man in diesem Kreis nicht zurück, wie das Interesse an Mirabeaus »Histoire secrète de la C o u r de Berlin« (1789) mit ihren »scandalosen« Enthüllungen auch über den Weimarer Herzog beweisen wird. 7 3 U n d selbstverständlich, so darf man im Hinblick auf Beulwitz sagen, ist illuminatische Literatur zur Hand. Eine eher beiläufige Bemerkung Charlotte von Lengefelds liefert den Beleg: »Recht schönen guten Tag! wie geht es Ihnen? wohl, wünsche ich, gar herzlich. Hier sind die Bücher wieder, außer den Illuminaten hat meine Schwester noch behalten.« 7 4 Was da im einzelnen gemeint ist, wissen wir nicht, wohl aber, wofür die Illuminatenschriften Verwendung finden - für die »Briefe über D o n Karlos«, an denen Schiller im Volkstädter Sommer arbeitet. Das Juli-Heft des Teutschen Merkur bringt den ersten Teil, die Briefe I-IV; Anfang Dezember folgen die Briefe V-XII. Kein Wunder also, daß Caroline von Beulwitz mit ihrer Schwester und der Freundin Caroline von Dacheröden den Sturm auf die Bastille feiern wird, daß, wie sie berichtet, »diese Zertrümmerung eines Monumentes finsterer Despotie unserem jugendlichen Sinne als ein Vorbote der Freiheit über die Tyrannei erschien«, 75 daß Charlotte von Lengefeld ihrem angehenden Bräutigam im September 1789 schreibt: »Ich

71 72 73

74 75

N A 33/1, S.433. Schiller an Charlotte von Lengefeld, 30. Mai 1788, N A 25, S.64. Vgl. Schiller an Caroline von Beulwitz, 25. Februar 1789, N A 25, S.209; an Körner, 5. März 1789, N A 25, S.218; Caroline von Beulwitz an Schiller, 15. April 1789, N A 33/1, S.338f. Dank seiner engen Verbindung mit dem Kasseler Illuminaten-Präfekten Jakob Mauvillon (»Agesilaos«) geriet später auch Mirabeau in den Verdacht, dem Orden angehört zu haben, ohne daß sich allerdings beweiskräftige Belege dafür gefunden haben. Vgl. R. Le Forestier, Les Illuminés, S. 664, Anm. 3; H . Schüttler, Karl Leonhard Reinhold, S. 70f.; ders., Johann Christoph Bodes Reise nach Paris, S.42f.; ders., Mitglieder, S. 106. A n Schiller, 27. (?) Juni 1788, N A 33/1, S. 199. Karoline von Wolzogen, Schillers Leben. Verfaßt aus Erinnerungen der Familie, seinen eigenen Briefen und den Erinnerungen seines Freundes Körner, Stuttgart u. Berlin 1921, S. 170.

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habe jezt meine Freude an den Auftritten in Frankreich und nun ists mir klar geworden, wie es zusammen hängt«. 7 6

Rudolf Zacharias Becker (1752-1822) Illuminatische Konnexionen spielen in die Rudolstädter Geselligkeit des Sommer 1788 hinein. In einem - durchaus hochkarätigen - Fall können wir sie beobachten. »Meine Lengenfeldts hier sind ihm sehr gewogen«, teilt Schiller am 5. Juli 1788 Körner mit. 7 7 Gemeint ist Rudolf Zacharias Becker aus Gotha. E r war Hauslehrer bei der befreundeten Familie Dacheröden in Erfurt gewesen. 1786 wurde er zum fürstlich schwarzburgischen Rat ernannt. 7 8 Der Verleger, Zeitungsherausgeber und Volksaufklärer, der mit seinem gerade erschienenen » N o t h - und Hülfs-Büchlein für Bauersleu-

76

N A 33/1, S. 381. Vgl. auch den Brief vom 12. und 13. N o v e m b e r 1789, der den Bericht Beulwitzens über Pariser Greueltaten nicht wahrhaben möchte ( N A 33/1, S. 411).

77

N A 25, S. 76. Lieselotte Blumenthal, Der erste Empfänger des ersten Horen-Stücks. Zu einem unbekannten Brief Schillers, in: Fritz Martini (Hrsg.), Probleme des Erzählens in der Weltliteratur, Stuttgart 1971, S. 8 7 - 1 0 0 , hier S.92f.

78

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te« den größten Bucherfolg der Zeit erzielen wird, - Göschen hatte mit Schiller über das Projekt korrespondiert - , gehört seit 1782 dem Illuminatenbund an. Er muß als einer seiner feurigsten Aktivisten gelten.79 Bis in die 90er Jahre ist »Henricus Stephanus« für den Orden tätig. 1790 bringt er es als Redner der Gothaer Loge zum Eklat, als er sich unverblümt für die revolutionären Ereignisse in Frankreich erklärt und Folgerungen verlangt.80 Im August 1788 weilt Becker für einige Tage zu Besuch im Hause Beulwitz. »Man schäzt ihn da sehr«, weiß Schiller81 - man hat nicht nur literarische Gründe dafür. Beim Abschied stimmt die Gesellschaft das Lied »An die Freude« an, wie der Erbprinz von Schwarzburg-Rudolstadt berichtet.82 Becker erzählt Schiller, daß man die Hymne in Körners Vertonung in Gotha häufig singe83 - in der Loge, versteht sich. Kaum vorstellbar, daß Schiller die maurerisch-illuminatische Identität des Gastes entgangen sein sollte. Mit seiner Sympathie jedenfalls hält er nicht zurück, als er den Besuch für Körner resümiert: »[...] und ich muß gestehen, daß ich auch eine sehr gute Meinung von ihm habe, so sehr auch meine Art zu empfinden und zu denken von der seinigen mag verschieden seyn. Er ist ein stiller denkender und dabey edler Mensch; und, wie ich ihn beurtheile, sehr von Vorurtheilen frey.«84 Frei von Vorurteilen - das klingt beinahe wie eine Chiffre. Faszination und doch Differenz. Wieder ist es Körner, der Schillers Verhältnis zu dem resoluten Kosmopoliten - auch dies ein Kennwort - auf den Begriff bringt. Er hat inzwischen Becker ebenfalls persönlich erlebt und schreibt: »Becker hat mir besser gefallen, als ich dachte. Doch wundert michs höchlich, daß ihr einander so behagt habt. Und Du hast noch immer mehr Interesse für seine kosmopolitischen Plane, als er für Deinen Gehalt als Künstler. Von dieser Seite war gar nicht mit ihm zu reden. Bey seinem politischen Enthusiasmus aber hat er einige deutliche Ideen mehr als ich ihm zugetraut habe, und er würde vielleicht hier etwas vorzügliches leisten, wenn ihn das Zeitungsschreibergeschäft nicht abstimmte.«85 Becker hat offenbar mit Körner anders gesprochen als mit Schiller. Jedenfalls trifft Körner wohl den Nagel auf den Kopf, wenn er rücksichtslos die Alternative bezeichnet, die Schiller angesichts der illuminatischen Matadore immer wieder entgegentritt: »kosmopolitische Plane« und »politischer Enthusiasmus« hier - die Selbstbehauptung, der »Gehalt als Künstler« dort. Die Beziehung zwischen Schiller und Becker ist nicht sehr gut dokumentiert; einen durchgängig erfreulichen Verlauf nimmt sie offenbar nicht. So ist es nicht beson-

79 80 81 82 83 84 85

R. Le Forestier, Les Illuminés, S. 547: »un des plus ardents adeptes de Pllluminisme«. R. Le Forestier, Les Illuminés, S. 547f. An Körner, 1. September 1788, N A 25, S. 101. Frhr. von Biedermann (Hrsg.), Schillers Gespräche, München o. J., S. 151. Schiller an Körner, 1. September 1788, N A 25, S. 102. N A 25, S. 101. A n Schiller, 28. September 1788, N A 33/1, S.232f. Charlotte von Lengefeld (an Schiller, 17. November 1788, N A 33/1, S.250) und Caroline von Beulwitz (an Schiller, 18. November 1788, N A 33/1, S.251f.) machen sich Körners Urteil dann zu eigen.

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ders schmeichelhaft, wenn Schiller ein Jahr später Becker an die Seite Gottfried A u gust Bürgers stellt. Plattheit und der »Karakter von Popularität« - mit diesen Verdikten hält er sich beide, den volkstümlichen Dichter und den Volksaufklärer, vom Leibe. 86 Anders Becker, der bei einem erneuten Besuch in Rudolstadt mit Anteilnahme und Liebe von Schiller spricht. 87 Als Schiller mit einem »Memoire« in den Prozeß gegen Ludwig XVI. eingreifen will, denkt er an Becker als den zuverlässigsten und diskretesten Ubersetzer. Im Xenienstreit stellt sich dann wieder Becker - wie manche andere ehemalige Illuminaten - gegen die Weimarer, was ihm Schiller sehr verübelt. Großherzig wird sich Becker nach Schillers Tod um dessen Familie kümmern. 8 8 In die Revue der Illuminaten, die nach Schillers Ankunft in Sachsen-Weimar Verbindung mit ihm aufnehmen, gehört schließlich noch eine Persönlichkeit von ganz besonderem Kaliber, Karl Theodor von Dalberg - der Koadjutor, wie er seit seiner Wahl zum Nachfolger des Mainzer Kurfürsten kurzerhand genannt wird. Katholischer Kirchenfürst und bedeutender Reichspolitiker, Freund der Weimarer Größen und C o a d jutor der deutschen Literatur^ Schöngeist und dilettierender Autor, Aufklärer und deshalb Illuminât aus Uberzeugung - Dalberg vereint viele Amter und Eigenschaften in seiner Person. 89 Für Schiller verkörpert er eine Hoffnung, ein Versprechen, das mit einem Schlage und auf Dauer seine Existenz auf das großzügigste sichern würde. Es hieße freilich zu kurz greifen, wollte man die Beziehung zwischen Dalberg und Schiller, die auf beiden Seiten bald zur respektvollen Freundschaft wurde, lediglich auf Ordensregie und illuminatische Interessen zurückführen. Die Verbindung wurde vom Rudolstädter Kreis geknüpft. Die Familie Lengefeld ist mit der Familie Dacheröden in Erfurt befreundet und diese wiederum mit dem Erfurter Statthalter Dalberg. Als Schillers Heiratspläne Gestalt annehmen und die Fra86

87

88 89

Schiller an Körner, 30. April 1789, N A 25, S. 252f. und an Caroline von Beulwitz und Charlotte von Lengefeld, 30. April 1789, N A 25, S.251. Vgl. die Briefe von Charlotte von Lengefeld und Caroline von Beulwitz vom 14. (oder 15.) Mai 1789, N A 33/1, S.348f. Harmonisierend verfährt denn auch Karoline von Wolzogen in ihrer späteren Darstellung des Verhältnisses zwischen Schiller und Becker: »Auch Zacharias Becker lernte Schiller in unserm Hause kennen. Dieser merkwürdige Mensch, dessen Name von allen Deutschen mit Achtung und Liebe genannt zu werden verdient, faßt eine herzliche Zuneigung für Schiller, die er noch nach dessen Tode der trauernden Familie durch die thätigste Teilnahme bewies. Verwandt hinsichtlich der starken Seite ihrer Seelen, durch ein höheres gemeinsames Interesse an der Menschheit, durch echte Freiheitsliebe wurden sie sich gegenseitig wert, und ihre Gemüter begegneten sich im Enthusiasmus f ü r die Ausbildung des Nationalsinns, den jeder auf seine Weise zu fördern suchte. Becker verbreitete unter dem Schutz des trefflichen Herzogs Ernst von Gotha seine Volksschriften, die wahre Volksbildung bezweckten [...], und Schiller löste die deutsche Muse aus den Fesseln des gallischen Geschmacks« (Schillers Leben, S. 118). L. Blumenthal, Der erste Empfänger des ersten Horen-Stücks, S. 94ff. Wichtige Monographien: Karl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Karl von Dalberg und seine Zeit. Zur Biographie und Charakteristik des Fürsten Primas, 2 Bde., Weimar 1879; Antje Freyh, Karl Theodor von Dalberg. Ein Beitrag zum Verhältnis von politischer Theorie und Regierungspraxis in der Endphase des Aufgeklärten Absolutismus, Frankfurt/M. 1978; Klaus Rob, Karl Theodor von Dalberg ( 1 7 4 4 - 1 8 1 7 ) . Eine politische Biographie f ü r die Jahre 1 7 4 4 - 1 8 0 6 , Frankfurt/M. 1984.

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ge nach der Versorgung, nach der angemessenen bürgerlichen Etablierung brennend wird, greift der Koadjutor ein. A m 3. November 1789 kann deshalb Schiller Karoline von Beulwitz ankündigen: »An den Coadjutor will ich nächstens auch schreiben, und ihn geradezu mit meinem Wunsch bekannt machen, in eine bessere Sphaere versetzt zu werden, w o mein Geist von elenden Rücksichten des Gewinns unabhängig wirken kann.« 9 0 Ohne Umschweife erklärt Dalberg schon am 11. November den Wunsch Schillers zu seinem eigenen: »Sie würden hier oder in M a y n z so angestellt, daß Ihr Geist nach eignem Trieb sich seinem Flug überlassen könnte.« Die Generosität hat nur einen Pferdefuß: noch ist der Mainzer Erzbischof und Kurfürst, Karl Joseph von Erthal, im Amt. So möge sich Schiller doch an diesen selbst wenden, wie es Müller, Forster, Heinse und andere schon getan hätten. 91 Ein Gehalt von 4000 Florin dachte Dalberg Schiller zu, ohne jede feste Verpflichtung. 92 Dagegen nahmen sich die 200 Taler, die endlich der Weimarer Herzog dem Jenenser Geschichtsprofessor bewilligte, sehr bescheiden aus. So richtete man sich in seinen Träumen bereits in der schönen Zukunft ein, die greifbar nahe zu liegen schien. Karoline von Wolzogen erzählt: »Schwerlich hat je ein so schönes Leben existiert, als es unsre Phantasie dichtete« - nur Dalberg, politisch ahnungsvoll, wollte an das Glück nicht so recht glauben. 93 »Der Würgengel wird sein Amt bald verrichten müssen«, so dachte man zunächst. 94 Doch erst 1802 konnte Dalberg die Mainzer Nachfolge antreten. Und da sorgten die neuen politischen Verhältnisse im Reich dafür, daß die alten Versprechungen nicht mehr eingehalten werden konnten. So kennt man die Geschichte eines großherzigen Mäzenatentums ohne glückliches Ende, bis hin zu der Widmung des »Teil«, die Dalberg aus Bescheidenheit ablehnt, bis hin zu seinem letzten Dankesbrief, den Schiller nicht mehr lesen kann. Bedarf sie irgendwelcher Hintergedanken? Und doch möchte man stutzig werden, wenn man auf ihre Anfänge zurückblickt. Die Rolle Dalbergs im Illuminatenorden ist noch keineswegs hinreichend erforscht. 1783 soll er von Bode angeworben worden sein. Er wird zum Präfekten der Erfurter Minervalkirche und rangiert an der Spitze der umfangreichen Liste Mainzer Illuminaten. 95 Man diskutiert über ein hohes Ordensamt für ihn. 96 Den flüchtigen 90

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N A , S. 316. Vgl. auch den Brief an Caroline von Beulwitz und Charlotte von Lengefeld vom 10. November 1789: »Meine einzige Hofnung ist auf den Coadjutor gesetzt« (NA 25, S. 321). Schillers Brief an Dalberg ist nicht überliefert. N A 33/1, S. 409. K. v. Wolzogen, Schillers Leben, S. 181. Ebd., S. 184. Caroline von Beulwitz an Schiller, 5. Dezember 1789, N A 33/1, S.431. H. Schüttler, Mitglieder, S.38; J. Hansen, Quellen zur Geschichte des Rheinlandes, B d . l , S.49; Heidelofsches Verzeichnis, Nr. 1. Die knappen Darlegungen der älteren Literatur zu Dalbergs Illuminatentum sind inzwischen überholt. Dazu W. D. Wilson, Geheimräte gegen Geheimbünde, S. 18f., Anm. 2. Hartnäckig hat sich übrigens in der Literatur die Fehlannahme eingenistet, der Erfurter Statthalter sei 1781 Stuhlmeister der Wormser Loge »Johannes zur brüderlichen Liebe« geworden (vgl. Lennhoff-Posner, Internationales Freimaurerlexikon, Sp. 315). Hier wird Karl Theodor mit seinem Bruder Heribert von Dalberg verwechselt. Für das Freimaurertum des Koadjutors gibt es deshalb keinen eindeutigen Beleg.

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Weishaupt unterstützt er finanziell 97 und durch Suche nach einer neuen Anstellung. 9 8 Er fördert die Stiftung der Erfurter Illuminaten-Loge, die, von Bode 1787 eingeweiht, zu Ehren Dalbergs den Namen »Carl zu den 3 Rädern« trägt. 99 Dem Mainzer Kurfürsten gegenüber erklärt er zwar salvatorisch, er sei aus politischen Rücksichten auf die Erfurt benachbarten H ö f e von Weimar und Gotha zu den Illuminaten gestoßen, 100 doch verteidigt er den Orden offen gegen die Anwürfe Erthals. 1 0 1 Mit Recht rühmt ihn Weishaupt selbst als »großen Gönner und wahrhaften Freund«. 1 0 2 Allen Anfeindungen zum Trotz und auch in gefährlicher Lage scheut sich der Koadjutor nicht, dem Ordensstifter beizustehen und ihn in Gotha aufzusuchen. Das war im Sommer 1793. Ein Brief Weishaupts an den Prinzen Friedrich Christian schildert die bedrohliche Situation, die durch Verrat und Kabalen der österreichischen und bayerischen Regierung entstanden ist. Man hat »Die neuesten Arbeiten des Spartacus und Philo in dem Illuminaten-Orden« und eine Liste der ehemaligen Illuminaten veröffentlicht. Weishaupt fühlt sich unmittelbar gefährdet und erwägt die Flucht nach Amerika. Tatsächlich aber, so glaubt er, ziele die Aktion auf den »Edlen Coadjutor«: »Man weiß, daß dieser einzige Mann Illuminât war, man kennt seine gemäßigte Gesinnungen, Man hat die Erfahrung gemacht, daß er für die Obscuranten Partei auf keine Art zu gewinnen ist; Man sieht vorher, daß, wenn er zur Chur gelangen sollte, durch ihn der ganze Plan scheitern würde, indem alle Gelehrte ihm anhangen, und der 111 O sich unter seiner Fahne, wie man befürchtet, aufs neue auferstehen würde, woran weder er noch ich jemals gedacht haben und denken werden. Er ist daher gefürchtet und verabscheut, und der ganze Plan geht dahin, ihn von der Chur zu verdrängen, und wenn dieses nicht gelingen sollte, noch weiter zu gehen. Ich habe dies von ihm selbst, denn er war dieser Tage hier.« 103 Der Brief vermittelt einen kräftigen Eindruck von der Bedeutung, die man dem Illuminatismus Dalbergs zumaß. In die gleiche Kerbe schlägt das Projekt des Illuminaten Philipp Joseph Brunner (»Pico Mirandola«), das die »Eudämonia«, ein Organ der Gegenrevolution, an den Tag bringt. Brunner spekuliert über die Organisation

96 97 98 99 100

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Vgl. W. D . Wilson, Geheimräte gegen Geheimbünde, S.270 (Dokumente, Nr. 2). R. Le Forestier, Les Illuminés, S. 512. W. D. Wilson, Geheimräte gegen Geheimbünde, S. 320 (Dokumente, Nr. 36). G . Deile, Die Erfurter Loge, S.78f. Alle dort genannten Stifter der Loge sind Illuminaten. N a c h dem Bericht des Kopenhagener Illuminaten Frederik Münter, der sich 1791 zu Besuch bei Ordensfreunden und Gleichgesinnten aufhält. Vgl. Ojvind Andreasen u. Helmut Mathy (Hrsg.), Frederik Münters Reise nach Mainz (1791), in: Mainzer Zeitschrift 62, 1967, S . 5 6 80, hier S.63. Andreasen-Mathy (Hrsg.) F. Münters Reise, S. 62: »Der Kurfürst hat einmal bey Tafel sehr gegen die Illfuminaten] losgezogen. Dalberg hat darauf erklärt, er sey selbst Illuminât gewesen und habe sich, aber aus andern Ursachen, zurückgezogen; der Kurffürst] thue ihnen aber Unrecht.« A d a m Weishaupt an Friedrich Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, 10. September 1793, H . Schulz (Hrsg.), Aus dem Briefwechsel, S. 117f. A d a m Weishaupt an Friedrich Christian, 7. August 1793, H. Schulz (Hrsg.), Aus dem Briefwechsel, S. 117f.

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Karl T h e o d o r von Dalberg (1744-1817)

einer »Aufklärungs-Anstalt«, die das Erbe des Illuminatenordens übernehmen solle, und dies unter dem Deckmantel einer »allgemeinen Akademie der Wissenschaften im katholischen Deutschland«. Als Mäzen dieser Akademie ist Dalberg ausersehen: »Wenn Dalberg einmal an die Regierung kömmt, so taugte freilich kein Fürst besser für uns, als Er; man würde ihm vielleicht unsern ganzen Plan vorlegen, und das Centrum der Akademie nach Mainz verlegen dürfen.« 104 Noch 1798 wird eine Berufung Weishaupts nach Mainz ins Auge gefaßt. 105 Wir dürfen also wohl aufhorchen, wenn wir, zu Schiller zurückkehrend, sehen, daß schon ein Jahr vor den Rudolstädtern Schillers Freund Ludwig Ferdinand Huber versucht, eine Verbindung zwischen dem Mainzer Koadjutor und Schiller einzuleiten. Huber tritt im Frühjahr 1788 den Posten eines Sekretärs an der kursächsischen Gesandtschaft in Mainz an. Auf dem Weg dorthin trifft er sich flüchtig mit Schiller. Er habe Huber nur wenig genießen können, schreibt Schiller an Körner, »und, wenn Dir das deutlich ist, mein Senkbley ist bei ihm nicht ganz auf den Grund gekommen.« Ironisch wählt Schiller die masonische Metapher, 106 um dem Freund sogleich vorzuhalten, was ihn offenbar sehr überrascht hat: »Du hast mir nicht geschrieben, daß er Maçon ist«. 107 Schiller ist über die Mystifikation beider Freunde verstimmt. Deshalb die gleich folgende spitze Bemerkung über das maurerische Gradsystem mit seiner gestaffelten Enthüllung der Wahrheit, die uns schon bekannt ist. Der Briefwechsel mit Huber gerät ins Stocken. Die Enttäuschung über den Freund, der sich einst als »Rodrigo« aufgespielt hatte, ist spürbar. 108 Natürlich wird das heikle Thema nicht wieder berührt. So bleibt uns verborgen, welche Spielart von Maçon Schillers Freund verkörpert. Im Juli berichtet Huber von einem seltsamen Zusammentreffen mit dem Postsekretär Ludwig Friedrich Grub in Bonn. Er erkennt in ihm einen Freund Schillers aus Akademiezeiten, der sogar »bei Euerm engeren Ausschuße auf der Academie gewesen war«, also in dem (vor-illuminatischen) Geheimzirkel der Karlsschule. Wir sind Grub schon beim Mannheimer Schiller begegnet und wissen, daß er Illuminât war. O b es da in Bonn nicht auch noch eine andere Erkennung gab? »Wir waren die besten Freunde« - so jedenfalls trennt man sich. Als feste Adresse gibt Huber Frankfurt an, »bey Herrn Johann Ludwig Willemer, Banquier«. 109 Auch Johann Jakob Willemer, der Chef des Frankfurter Bankhauses, gehörte (mit dem Decknamen »Rous-

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Zit. nach R. van Dülmen, Der Geheimbund der Illuminaten, S.414f. J. Hansen, Quellen zur Geschichte des Rheinlandes, Bd. 4, S.890 u. 951. 106 Vgl. Lennhoff-Posner, Internationales Freimaurerlexikon, Sp. 1451f. 107 Schiller an Körner, 15. [14.?] April 1788, N A 25, S.39f. 108 Vgl. Hubers Brief vom 11. Oktober 1785: »Mein Karlos! - Ich glaube, Du bedarfst eines Rodrigo der zuweilen »Deinen grossen Genius bei seinem Namen ruft.Einen treueren Leibarzt kann er nicht bekommen, als mich.«« ( N A 42, S. 141).

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Umsturz der Verfassung herbeiführte. Immerhin gab es auch dann noch den Plan, den Kurfürsten zur Renunziation zu zwingen und durch den Koadjutor zu ersetzen. 135 Manche Schwarmgeister wollten sogar den Koadjutor von Dalberg »zum Maire erwählen«. 136 Schiller fand sich mit der Lage ab: »Die Maynzischen Aspecten werden sehr zweifelhaft für mich, aber in Gottes Nahmen.« 1 3 7 Mit seiner Kritik an den Mainzer Protagonisten hielt er allerdings nicht zurück: »Forsters Betragen wird gewiß von jedem gemißbilligt werden; und ich sehe voraus, daß er sich mit Schande und Reue aus dieser Sache ziehen wird. Für die Mainzer kann ich mich gar nicht interessiren; denn alle ihre Schritte zeugen mehr von einer lächerlichen Sucht sich zu signalisiren, als von gesunden Grundsätzen, mit denen sich ihr Betragen gegen die Andersdenkenden gar nicht reimt.« 138 Da schlägt eine ältere Gedankenfigur wieder durch. Mit Schillers Sympathie für die Revolution, sollte es sie je gegeben haben, war es vorbei.

Blickt man, wie es unsere Streifzüge versucht haben, hinter die Kulissen von Schillers neuem Umfeld in Sachsen-Weimar, nimmt sich vieles anders aus, als wir es aus den Schilderungen der Schiller-Biographien kennen. Wohl gibt es da, wenn auch der wichtigste, Goethe, zunächst noch abwesend ist, die »Weimarischen Götter und Götzendiener«. Zu ihnen aber gesellen sich von Anfang an die Männer mit der zweiten, geheimbündlerischen Identität, die >HelldenkendenSchwedenkiste< hat ihre systematische Erschließung noch vor sich. Doch sind wir auch nicht mehr genötigt, in Dunkelzonen vorzudringen und über Schillers Verhalten und Motive zu rätseln. Mit der Publikation der »Originalschriften« des Ordens im Sommer 1787 hatte sich die Sachlage für alle Beteiligten grundlegend verändert. Das Ordensgeheimnis wurde zunichte gemacht, im ganzen wie in vielen (oft freilich undurchschaubaren) Details. Die Ordenssache wurde öffentlich. »Weishaupt ist jetzt das Gespräch der Welt [...].« Schiller erfaßte die neue Situation sofort. Auch er nahm öffentlich Stellung, doch wohl auch, um alle Spekulationen abzuwehren, die sich mit dem Dichter des »Don Karlos« verbinden mochten. Der dichterischen Praxis, die den Marquis Posa hervorgebracht hatte, folgt jetzt Schillers Wort zur Sache der Illuminaten, die »Briefe über Don Karlos«. Auch Schiller mußten angesichts der »Originalschriften« die Augen auf- und übergegangen sein. Hatte er doch manches, was da enthüllt wurde, am eigenen Leibe erlebt; fand er hier doch die wichtigsten Ordensmatadore wieder, die ihm in Mannheim und Heidelberg begegnet waren. So stellen die »Briefe über Don Karlos« nicht etwa nur dramaturgische Exerzitien zur Widerlegung scharfsinniger Rezensenten dar. Sie geraten unter der Hand - und die Rudolstädter Umgebung mag das Ihre dazu beigesteuert haben - , zu einer Reflexion über den Orden, über den Ordensgeist und seine Anhänger. Schiller gibt sogar eine Erklärung in eigener Sache ab. »Ich bin weder Illuminât noch Maurer [...]« - damit pocht der Autor auf seine persönliche Unabhängigkeit, um doch im gleichen Atemzug die Nähe seiner Figur zu den beiden »Verbrüderungen« (die hier in Wirklichkeit nur eine sind), die Verwandtschaft der Ideale und Zwecke (auch seiner eigenen) zu bekräftigen. Schillers Versicherung hebt ja geradezu die Affinität ins Bewußtsein. Kein Zweifel, das ist »die schlimme Sache«, die er in den »Briefen« »mit Feinheit« verfochten haben will. »Zugleich gebrauchte ich diese Briefe zu einem Vehikel, allerlei zu sagen, was sich mir da und dort aufgedrungen hat, und 160

zu wenig ist, um in eigener Form behandelt zu werden.« 140 Wir sind in der Lage, solche Andeutungen jetzt nach ihrem ganzen Gewicht einzuschätzen. Nichts eignete sich natürlich besser zu einer verdeckten, gleichwohl unmißverständlichen Auseinandersetzung mit dem Illuminatenwesen als eine Rezension des Marquis Posa. Zwanglos konnten sich hier die Argumentationsgänge des Kritikers mit ganz anders gearteten Befunden verbünden. Die mancherlei Allusionen auf den Illuminatenorden, von denen die »Briefe« durchsetzt sind, haben uns schon verschiedentlich beschäftigt.141 Sie reichen bis zu kleinen kritischen Streiflichtern, die auf die Ordensführer Weishaupt (das »Gehirn eines Schulgelehrten«) und Bode (das »abgenützte Herz eines weichlichen Weltmanns«) fallen.142 Daß die »Briefe« »viel Sensation gemacht haben«, 143 verdanken sie nicht zuletzt diesem Subtext, den gut informierte Leser leicht wahrnehmen konnten. So verwundert es auch nicht, daß Ludwig Ferdinand Huber seine Irritation gesteht, obwohl nicht ganz deutlich wird, welche Lesart des Textes er dabei im Auge hat: »Ich wünschte von Dir zu hören, warum Du die Briefe über den Carlos geschrieben hast? Ich hätte es aus Stolz unterlaßen, auch finden Viele daß Du Dir damit vergiebst. Doch Du wirst mirs erklären können.« 144 Schiller blieb die Erklärung schuldig. Was hätte Huber erst zum zweiten Teil der »Briefe« gesagt? Vor allem der XI. Brief verläßt das dramaturgische Terrain, um zu einer grundsätzlichen Kritik am idealistischen Enthusiasmus auszuholen, die in ihrer Schärfe seit jeher heftige Reaktionen ausgelöst und die Posa-Interpreten entzweit hat. Schiller geht auf Distanz zu seinem Helden: »dieser Charakter ging mir nahe, aber, was ich für Wahrheit hielt, ging mir näher.«145 Die »Wahrheit« über Posa ist nun aber zugleich die Wahrheit über den Illuminatismus. Verirrung des Willens zur Freiheit in den Despotismus - so lautet in beiden Fällen der Befund. Um die Psychologie dieser Verirrung ist es Schiller jetzt zu tun, um die Zwangsläufigkeit der Verfehlung. Dabei besteht der Psychologe und Moralist auf dem Realitätsgehalt seines Räsonnements, auf einer »nicht unmerkwürdigefn] Erfahrung aus der moralischen Welt«. Und er nennt diese Erfahrung gleich auch näherhin beim Namen, indem er auf das Beispiel des »Ordensstifters« und der »Ordensverbrüderung« verweist, die sich in jener »Schlinge« verstrickt haben. 146 Mit anderen Worten: Schiller erklärt jetzt auch die moralischen Defekte Posas aus den Gebrechen des Illuminatenordens - so wie er schon dessen Ideale und Zwecke mit denen des Ordens gleichgesetzt hatte. Wir dürfen sagen, daß er dazu allen Grund hatte. Der Illuminaten-Exkurs des XI. Briefs steht nun freilich nicht für sich allein. Mit ihm beteiligt sich Schiller auf seine Weise an jenem »Gespräch der Welt« über Weis140 141 142 143 144 145 146

An Körner, 20. August 1788, N A 25, S.97. Siehe oben S.4ff. und 89f. Zweiter Brief, N A 22, S. 141. An Körner, 14. November 1788, N A 25, S. 134. Huber an Schiller, 26. August 1788, N A 33/1, S.223. Elfter Brief, N A 22, S.170. Elfter Brief, NA 22, S.171f.

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haupt und seinen Orden, das spätestens seit dem Erscheinen der »Originalschriften« an der Tagesordnung ist. Nicht nur um die sensationelle Aufdeckung der Interna eines Geheimbundes geht es dabei. Die Debatte über die Illuminaten richtet sich bald auf die Aufklärung überhaupt, die der Orden so entschieden für sich beansprucht hatte. Zu Gesicht kommt ein Lehrstück über den Status der deutschen Aufklärung am Vorabend der Revolution.

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VII. Despotismus der Aufklärung. Illuminatendebatte und »Briefe über Don Karlos«

Was ist Aufklärung? Als diese Frage in den achtziger Jahren des aufgeklärten Jahrhunderts virulent wird und, angeregt von der Berliner Mittwochsgesellschaft und der Berlinischen Monatsschrift, die Runde macht, 1 ist sie Ausdruck einer doppelten Krise. Zur Bedrohung von außen gesellen sich interne Verwerfungen. In einem Maße, das die Aufklärungsforschung noch nicht recht zur Kenntnis genommen hat, beleuchtet die Illuminatensache beide Gefahrenquellen, einmal aufgrund des bayerischen O r densverbots, dann infolge der öffentlichen Aufdeckung der Ordensverhältnisse. Gegen die äußeren Feinde der Aufklärung tritt das alte Kampfvokabular in Kraft, mit dessen Hilfe man die Fronten nach >rechts< und nach >links< abzustecken pflegt. Auf der einen Seite erheben Aberglauben und Schwärmerei immer noch oder aufs neue das Haupt, an der anderen Flanke lauert, weit schwächer eingeschätzt, der U n glaube. D i e Ursachenforschung muß alarmiert feststellen, daß die Aufklärung selbst durch ihren durchschlagenden Erfolg oder auch durch Uberanstrengung ihr Gegenteil hervorgerufen hat. Das Andere der Vernunft kehrt in einer Vielzahl von Schwärmereien wieder, in einer regelrechten Schwärmerwelle mit ihren Propheten: Gaßner, Schrepfer, Schuppach, Mesmer, Saint-Germain, Cagliostro, Saint-Martin, Lavater. 2 Was aber dieser Wiederkehr des Verdrängten, scheinbar Besiegten, die besondere Brisanz verleiht, was die Berliner, an ihrer Spitze Nicolai, am heftigsten (und unglücklichsten) umtreibt, ist die Furcht vor einer universalen verborgenen Verschwörung gegen das Projekt der Aufklärung. Dafür kam nur der verbotene Jesuitenorden in Fra-

1

Dazu die Textsammlung: Was ist Aufklärung? Beiträge aus der Berlinischen Monatsschrift, in Zusammenarbeit mit Michael Albrecht ausgew., eingel. und mit Anm. versehen von N o r bert Hinske, 4. Aufl., Darmstadt 1990. Ferner: Ehrhard Bahr (Hrsg.), Was ist Aufklärung? Thesen und Definitionen, Stuttgart 1974; Raffaele Ciafardone, Die Philosophie der deutschen Aufklärung. Texte und Darstellung. Deutsche Bearb. von Norbert Hinske und Rainer Specht, Stuttgart 1990, S.319ff. Neuere zusammenfassende Darstellung: Hans-Dietrich Dahnke, »Was ist Aufklärung?«, in: H . - D . Dahnke u. Bernd Leistner (Hrsg.), Debatten und Kontroversen. Literarische Auseinandersetzungen in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, 2 Bde., Berlin u. Weimar 1989, Bd. 1, S. 3 9 - 1 3 4 .

2

Vgl. Hans-Jürgen Schings, Melancholie und Aufklärung. Melancholiker und ihre Kritiker in Erfahrungsseelenkunde und Literatur des 18. Jahrhunderts, Stuttgart 1977, S. 143ff.; N o r b e r t Hinske (Hrsg.), Die Aufklärung und die Schwärmer, in: Aufklärung 3 , 1 9 8 8 , H . 1. Vgl. die umfassende Bibliographie bei Manfred Engel, Die Rehabilitation des Schwärmers. Theorie und Darstellung des Schwärmers in Spätaufklärung und früher Goethezeit, in: H . J. Schings (Hrsg.), Der ganze Mensch. Anthropologie und Literatur im 18. Jahrhundert, Stuttgart-Weimar 1994 ( = Germanistische Symposien, Bd. 15), S. 4 6 9 - 4 9 8 .

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ge. Er wird zum Objekt der ersten großen Verschwörungstheorie des vorrevolutionären Zeitalters. Deren vornehmste Propagandisten sind die Illuminaten Bode und Nicolai.3 Im Zuge der hin und her wogenden, oft verwirrenden (und bisweilen verwirrten) Auseinandersetzungen betreten zwei neue Begriffe den Kampfplatz, die der Beunruhigung eine andere Richtung geben. Es handelt sich um die - uns schon bekannte Opposition von »Anarchie« und »Despotismus« der Aufklärung. Das neue Begriffspaar schiebt sich vor die älteren Koordinaten Schwärmerei/Aberglaube-Unglaube und richtet das Augenmerk nun, von den Ereignissen dazu gezwungen, auf Defizienzen der Aufklärung selbst. Schon Mendelssohn war auf die Formel von der »Anarchie« gestoßen. Er leitete sie aus dem »Mißbrauch der Aufklärung« her und verband sie mit »Hartsinn, Egoismus. Irreligion«.4 Schwerlich konnte er ahnen, welche paranoide Pointe man ihr durch Verknüpfung mit der Verschwörungsthese abgewinnen würde. Das war Bodes Obsession, die er Schiller sogleich vorgetragen hatte: »Die Jezige Anarchie der Aufklärung meynt er wäre hauptsächlich der Jesuiten Werk.«5 Die Konterpointe lieferte Körner: »Wenn er aber wider Anarchie der Aufklärung eifert, so möchte man ihn fragen, ob denn durch Despotismus der Aufklärung viel mehr gewonnen seyn würde.«6 Was für Bodes »Anarchie« die Jesuiten, sind für Körners »Despotismus« die Illuminaten. Keine Frage, die fatale Parole vom »Despotismus der Aufklärung« verdankt sich dem Illuminatenbund. Mit ihr aber gewinnt die Selbstreflexion der Aufklärung eine ganz neue Qualität.7 Im Streit um die Illuminaten entdecken die Zeitgenossen selbst die >Dialektik der Aufklärungenthüllten< Weltherrschaftspläne. 103 Entschieden grenzt Wieland ab. Die wahren Kosmopoliten, so seine Argumentationslinie, bedürfen des Instrumentariums der Orden nicht. Sie verzichten auf Mittel, die einen Staat im Staate bilden, auf Geheimnis, Rituale, Subordinationsprinzip, Gradsysteme, unbekannte Obere, auf die geheimen Pläne zur Weltreformation. Nichts liegt ihnen ferner, »als die Welt nach ihrem Sinne reformiren und vermittelst einer künstlich ausgedachten Maschinerie, die eine unaufhörliche Aufsicht und Nachhilfe erfordert, nach jesuitischer Art und Kunst regieren zu wollen.« 104 Da ist sie wieder, die Rede von der jesuitischen Maschine. Jedermann wußte, wer gemeint war. Die Absage an konspirative Mittel jeder Art zeigt, daß auch Wieland das gescheiterte Illuminatenprojekt als Lektion über die Aufklärung begreift. In der schlechten Herrschaft der Mittel über den Zweck kommt auch für ihn das Grundübel zu Gesicht, die Korruption des Zwecks durch die Mittel. Die Folgerung liegt auf der Hand, und Wieland schärft sie als unaufgebbares »Grundgesetz« der wahren Kosmopoliten ein: »nichts Gutes durch gewaltsame oder hinterlistige oder zweideutige, geschweige schändliche Mittel bewirken zu wollen.« 105 Evolution lautet demgegenüber das gewaltlose Rezept, die Losung der nicht-fanatischen Vernunft - wie in der physischen so auch »in der moralischen Ordnung der Dinge«. Denn alle »plötzlichen Störungen des Gleichgewichts der Kräfte«, alle »gewaltsame Mittel«, alle »tumultuarische Wirkungen«, »wenn sie auch am Ende etwas Gutes hervorbringen sollten, zerstören zu gleicher Zeit so viel Gutes und richten, indem sie großen Uebeln steuern wollen, selbst so großes Uebel an, daß nur ein Gott fähig ist, zu entscheiden, ob das Gute oder

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ist eben so lächerlich als eitel« (Das graue Ungeheur, Bd. 3, 1784, S.259f.). - Analysen von Wielands Aufsatz: R. Koselleck, Kritik und Krise, S.80f. u. 1 9 4 f F . Martini, Wieland, Napoleon und die Illuminaten, S. 87ff.; M. Voges, Aufklärung und Geheimnis, S. 402ff. Das Geheimniß des Kosmopoliten-Ordens, S. 127. Das Geheimniß des Kosmopoliten-Ordens, S. 127: »Da der Erfolg, ungeachtet der glänzenden Aussichten, die den Menächmen der Kosmopoliten nichts Geringeres als das Imperium Orbis zu verheißen scheinen, ihren sanguinischen Hoffnungen nicht besser entsprach, als es jene (ohne ihre Feinde zu sein oder nur einen Finger gegen sie zu rühren) vorausgesehen hatten, so wäre es ohne allen Nutzen, uns deutlicher über diesen Hergang zu erklären.« Das Geheimniß des Kosmopoliten-Ordens, S. 135f. Das Geheimniß des Kosmopoliten-Ordens, S. 137.

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Böse, das auf diese A r t gewirkt wird, das Uebergewicht habe.« 1 0 6 Deutlich zeichnen sich die Grundsätze einer spezifisch Weimarer Philosophie ab, die an der Natur, die keine Sprünge macht, keine Willkür kennt, ihr Muster hat. 1 0 7 Gerade weil Wieland den »gegenwärtigen Zustand von Europa« reif sieht für »eine wohlthätige Revolution«, weil er eine »Revolution« prognostiziert, »die durch die sanfte, überzeugende und zuletzt unwiderstehliche Uebermacht der Vernunft bewirkt werden wird«, 1 0 8 kündigt er schon hier die Weimarer Revolutionsgegnerschaft an. Mit Eleganz bewältigt Wieland ein heikles Geschäft. Als Unbeteiligter, doch nicht Ahnungsloser umschifft er die Klippen, die ihm die Rücksicht auf die Weimarer Illuminaten in den Weg stellt, um die neue Weimarer Generallinie nachzuzeichnen. 1 0 9 Mochte B o d e in Jena, G o t h a oder Erfurt seine Reformprojekte betreiben, den Rückhalt der Weimarer Größen besaß er nicht mehr. Mit deren illuminatischen Aktivitäten war es 1 7 8 7 / 8 8 vorbei - auch dies eine Auswirkung der »Originalschriften«. Schroff macht jetzt Goethe, dessen Cagliostro-Trauma sich in Sizilien befestigt hatte, F r o n t gegen das Geheimbundwesen schlechthin, als Bertuch, Gottlieb Hufeland und B o d e Jena mit einer L o g e »bedrohen«. A u c h sein Leitwort heißt jetzt »Publizität«: » U n d so ist es gut, daß man öffentlich Feindschaft setze zwischen sich und den Narren und Schelmen. Die rechtlichen Leute gewinnen alle durch Publicität.« 1 1 0 Gemeint ist da-

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Das Geheimniß des Kosmopoliten-Ordens, S. 141. Die gezielte Berufung auf die anti-revolutionäre Instanz der Natur, die Wieland seinen Uberlegungen zugrunde legt, erinnert nicht von ungefähr an Goethe. Nicht weiter nachgegangen werden kann hier der - begründeten - Vermutung, daß sich auch Wieland der Weimarer Spinoza-Rezeption anschließt, wie sie gerade in Herders Gesprächen über Spinoza mit dem Titel »Gott: Einige Gespräche«, Gotha (1787) ihre wichtigste Fassung erhalten hat. Auch Schiller ist Herders Buch natürlich bekannt. Das Geheimniß des Kosmopoliten-Ordens, S. 145. Gut erkennbar wird Wielands Haltung in dem Bericht des jungen Illuminaten Clemens Neumayr, der Wieland 1789 besucht hat: »Auch er [Wieland] fieng bald von der Illuminaten-Sache zu sprechen an. Er sagte uns, daß der Eindruck, und Fortgang, den dieser Orden in Bayern gemacht hat, für die Energie der Bayern beweise [...]. Das Verfahren der Regierung in der Form der Untersuchung, und Bestrafung einzelner Mitglieder mißbilligte er; aber den Untergang des Ordens selbst hielt er für Gewinst. - Von geheimen Gesellschaften Überhaupts schien er eine schlimme Meinung zu haben. Er glaubte an keine geheime Weisheit: das Licht unter dem Metzen haßte er, und das willkührliche Spenden und Zumessen der Erleuchteten von diesem Lichte an ihre lichtbedürftigen Brüder galt ihm für eine ebenso sträfliche, als lächerliche Anmassung« (H. Schmidt [Hrsg.], Autobiographie des Staatsrats Clemens'von Neumayr, S. 651 f.). - In seiner Antwort auf die Anwürfe des St. James Chronicle (vgl. Anm. 100) hat Wieland noch 1800 seine Ablehnung der Geheimbünde zusammengefaßt und noch einmal die Steine des Anstoßes genannt: »Ich bin nicht nur niemals weder Freimaurer noch Rosenkreuzer noch Illuminât noch Mitglied irgend einer andern geheimen Gesellschaft, wie sie auch Namen haben möge, gewesen, sondern ich habe mich sogar bei jeder Gelegenheit öffentlich und nachdrücklich gegen alle geheime Gesellschaften und Orden erklärt und, insofern sie sich zu einem undurchdringlichen Geheimniß und blinden Gehorsam gegen sichtbare oder unsichtbare Obern verbunden haben, ihre Unzulässigkeit behauptet« (Werke, T. 34, S. 372). An den Herzog Carl August, 6. April 1789, WA IV, 9, S. 101. Merkwürdig genug und bezeichnend für eine unbeirrbare Voreingenommenheit ist der Umstand, daß W. D. Wilson in seiner Zitation des Briefes just den letzten Satz ausläßt - um so das Motiv der »Unterdrückung« her183

mit eine von Goethe veranlaßte »Bekanntmachung«, die das Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung am 18. April 1789 abdruckt. Man will alle ungewünschten Werbeversuche unentgeltlich publizieren. »Diese Publicität halten wir für das wirksamste Mittel, dessen wir mächtig sind, gegen die unterirdischen Gänge der neuern activen und passiven Mysteriensucht, deren die Wissenschaften zu unsern Zeiten nicht mehr bedürfen, und hoffen mit Zuversicht, daß unsere Erklärung dem aufgeklärteren und unbefangenen Theile unsrer Nation nicht mißfallen werde.« 111 Wielands Aufsatz erscheint im August- und Novemberheft des Teutschen Merkur von 1788. Schiller, schon mit den ersten Stücken des »Abfalls der Niederlande« und mit den »Göttern Griechenlands« Merkur-Autor, piaziert seine »Karlos«-Briefe in der Juli-und Dezembernummer. Schon die publizistische Nachbarschaft deutet auf Gemeinsamkeiten in der Sache hin. Tatsächlich hat denn auch Wieland die »Critischen Briefe«, im Unterschied zum »Don Karlos«, »sehr bewundert«. 112 Auch Schiller begibt sich auf das Terrain, das der Diskurs über die Illuminaten aufgewühlt hat. Seine Ansichten versteckt er deutlich genug in der Psychologie einer Figurenanalyse. Was der XI. Brief über den Marquis Posa zu sagen hat, greift in die zeitgenössische Kontroverse ein, die wir gemustert haben. Die Zusammenhänge liegen auf der Hand. Da ist also der fatale Befund: das »gewalttätige und fehlerhafte Betragen des Maltesers«, dergestalt, »daß der uneigennützigste, reinste und edelste Mensch aus enthusiastischer Anhänglichkeit an seine Vorstellung von Tugend und hervorzubringendem Glück sehr oft ausgesetzt ist, ebenso willkürlich mit den Individuen zu schalten, als nur immer der selbstsüchtigste Despot«; daß der »ganz über jede selbstsüchtige Begierde erhabene Charakter« sich auf dem Weg zur »Hervorbringung eines allgemeinen Freiheitsgenusses« in »Despotismus« verirrt; daß »bei den reinsten Zwecken und bei den edelsten Trieben« doch »Willkürlichkeit in der Anwendung«, »Gewalttätigkeit gegen fremde Freiheit« und der »Geist der Heimlichkeit und der Herrschsucht« hervortreten. 113 Und dies nicht etwa aus Zufall oder Schwäche, sondern mit Notwendigkeit. Despotismus aus »Lauterkeit«, Despotismus des Ideals. So lautet die paradoxe Problemlage. Das Beispiel des »Ordensstifters« und der »Ordensverbrüderung«, das den Fall Posas beleuchtet, brauchen wir nicht mehr zu erläutern. ausstreichen zu können, von dem dann umstandslos zurückgeschlossen wird auf entsprechende Absichten, die Goethe und der H e r z o g schon beim Eintritt in den Orden verfolgt haben sollen (Geheimräte gegen Geheimbünde, S. 144). 111

Nr. 52, Sp. 425f. Den Anlaß geben die Werbelisten der »Zweyundzwanziger« oder der »Deutschen Union«, die durch Bodes Schrift »Mehr N o t e n als Text« (dazu oben S. 144) bekanntgeworden waren und sogleich den Protest einiger Beteiligter hervorgerufen hatten (abgedruckt im Intelligenzblatt, Nr. 46 u. 51 v o m 8. bzw. 18. April 1789; auch der Heidelberger Mieg meldet sich dabei wieder).

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Schiller an Körner, 20. August 1788, N A 25, S.97. - Wohl nicht von ungefähr läßt Wieland eine Anspielung auf Schillers spanisch-niederländisches Sujet einfließen: »So konnte z.B. in den niederländischen Unruhen unter Philipp dem Zweiten und seinem teuflischen Werkzeuge, dem H e r z o g von Alba, kein Kosmopolit anders als Partei gegen diese Unmenschen nehmen« (Das Geheimniß des Kosmopoliten-Ordens, S. 142).

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N A 22, S. 169f., 172, 171.

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Fern von aller moralischen Entrüstung sucht Schiller nach einer Erklärung. Er findet sie in der Psychologie des Ideals, in der psychologischen Dynamik, die sich des Idealisten bemächtigt. Ins Zentrum seiner Überlegungen stellt Schiller den Begriff des >IdealsAufklärung< oder >Vernunft< einnehmen, und läßt diese Abkunft deutlich erkennen. Was nämlich das Ideal auszeichnet, sind Allgemeinheit oder Universalität, Abstraktion und Künstlichkeit. Damit gerät es in Opposition zum Individuum oder zur Individualität, zum Natürlichen, zum Herzen, zum Gefühl. Als kehre der alte Gegensatz von Kopf und Herz wieder zurück, steht mit dem Ideal die »theoretische Vernunft« gegen das »Menschenherz«, die »Eingebung des Herzens«, das »individuelle Gefühl«, das »natürliche praktische Gefühl«. 114 Die Katastrophe kommt dann zustande, wenn sich die abstrakte Vernunft anschickt, »ihren Weg abzukürzen«, wenn sie der Versuchung erliegt, »Individualitäten, die sie zerstreuen und verwirren, in Allgemeinheiten zu verwandeln«. An diesem Punkt kommt Gewalt ins Spiel, die »allgemeine Hinneigung unsers Gemüts zur Herrschbegierde«, 115 kurzum: Despotismus. Gewalt des Abstrakt-Allgemeinen gegen das Individuell-Konkrete - nach diesem Modell war schon die Despotismus-Analyse verfahren, die Schiller für Philipp II. entwickelt hatte. Posa selbst durchschaut diese Struktur, wenn er dem König vorhält: Auch er [der gekrönte Sterbliche] war Mensch - er mußte wie wir andern durch den Behelf des Aehnlichen und Einen das reiche All der üppigen Natur dem schwachen Sinne künstlich zubereiten, und im Geschlecht das Einzelne vertilgen. 116

Der »Abfall der Niederlande« übersetzt den dunklen Passus noch einmal: »Allgemeine Glückseligkeit mit der höchsten Freiheit des Individuums zu paaren, gehört für den unendlichen Geist [...]. Der Mensch kömmt durch Klassifikation seiner Beschränkung zu Hülfe, gleich dem Naturforscher setzt er Kennzeichen und eine Regel fest, die seinem schwankenden Blick die Uebersicht erleichtert, und wozu sich alle Individuen bekennen müssen; dieses leistet ihm die Religion. Sie findet Hofnung und Furcht in jede Menschenbrust gesäet; indem sie sich dieser Triebe bemächtigt, diese Triebe Einem Gegenstande unterjocht, hat sie Millionen selbstständiger Wesen in ein einförmiges Abstrakt verwandelt. [...] Das gemeinschaftliche Ziel des Despotismus und des Priesterthums ist Einförmigkeit, und Einförmigkeit ist ein nothwendiges Hülfsmittel der menschlichen Armuth und Beschränkung.« 117

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N A 22, S.171Í. N A 22, S. 172. Don Karlos III, 10, V. 3649ff. Geschichte des Abfalls der Vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung, Buch I, Einleitung, N A 17, S.55. 185

Die Psychologie des Ideals nimmt die Strukturhomologie auf. Auch hier bedeutet Despotismus Abstraktion, Gleichschaltung der Individuen, Gewalttätigkeit der Vernunft - diesmal aus den besten, lautersten, edelsten Motiven. Schillers Entlarvung ist rücksichtslos und kennt keinen Pardon. Sie zielt durchaus über den Marquis Posa hinaus - auf alle, »die sich auf einerlei Wege mit ihm befinden«. So mündet sie in die »nie genug zu beherzigende Erfahrung«, »daß man sich in moralischen Dingen nicht ohne Gefahr von dem natürlichen praktischen Gefühl entfernt, um sich zu allgemeinen Abstraktionen zu erheben, daß sich der Mensch weit sicherer den Eingebungen seines Herzens oder dem schon gegenwärtigen und individuellen Gefühle von Recht und Unrecht vertraut als der gefährlichen Leitung universeller Vernunftideen, die er sich künstlich erschaffen hat - denn nichts führt zum Guten, was nicht natürlich ist.« 118 Man hat diese Schlußwendung mit ihrer Rückkehr zur moral grace der schottischen Moralphilosophie so gelesen, als probe sie schon den späteren Aufstand gegen den Rigorismus Kants. 119 Doch nicht Kant hat Schiller im Visier oder Subtilitäten der Moral, sondern ganz anders geartete, >helldenkende< Köpfe und ihren Despotismus. Die Einsichten, zu denen sie ihn führen, blieben in Kraft. Alle Bemühungen um eine ästhetische Erziehung sind Variationen über das Thema, das der XI. »Karlos«-Brief angeschlagen hat. »Freiheit zu geben durch Freiheit«: erst in diesem »Grundgesetz« des »ästhetischen Staats« findet jede Form der »Alleinherrschaft«, des Despotismus also, ihr Ende.

118 119

N A 22, S. 172. Vgl. den Kommentar N A 22, S. 394. 186

VIII. Erneuerter Ordensgeist. Der Prinz von Augustenburg, Jens Baggesen und der »Phoenix«

N u r einmal noch, wenn ich recht sehe, hat sich Schiller unmittelbar zu den Illuminaten geäußert. Der späte, sonderbare Reflex auf die Uluminaten-Kritik von 1788 findet sich ausgerechnet in der Schrift »lieber Anmuth und Würde«, die Schiller dem Koadjutor Dalberg widmet. Jetzt wird Kant zum Maß, an dem die Moralität des Ordens gemessen und verworfen wird. Schiller piaziert seine Attacke dort, wo er die »Härte« der Kantischen Moralphilosophie »aus den Zeitumständen« zu erklären sucht, gegen die Kant Front zu machen genötigt sei. Es handelt sich um zwei Moralsysteme. D a ist einmal der »grobe Materialismus«, »den die unwürdige Gefälligkeit der Philosophen dem schlaffen Zeitcharakter zum Kopfkißen untergelegt hatte«. Wie sonst auch meint Schiller damit die Lehre des Claude Adrien Helvétius, die er seit der Karlsschulzeit, seit der Konzeption des Franz Moor unnachsichtig bekämpft. 1 Zum anderen nennt er einen »nicht weniger bedenkliche[n] Perfektionsgrundsatz, der, um eine abstrakte Idee von allgemeiner Weltvollkommenheit zu realisiren, über die Wahl der Mittel nicht sehr verlegen war«. Tritt im ersten Fall die Sinnlichkeit »mit frecher Stirn« gegen die Sittlichkeit an, so wählt sie im zweiten Fall die »imposante Hülle moralischlöblicher Zwecke, worein besonders ein gewisser enthusiastischer Ordensgeist sie zu verstecken weiß«. 2 Natürlich ist es der »Ordensgeist« der Illuminaten, den Schiller aufs Korn nimmt, ihr perfektibilistisches Credo, ihre Weltreformationspläne, ihre Bereitschaft, die bedenklichen Mittel hinter den imponierenden Zwecken verschwinden zu lassen. Der unvermutete Hieb erregte Anstoß. 3 U n d dies um so mehr, als der Erklärungswert für Kant kaum einleuchtet.

1 2 3

D a z u oben S. 145. N A 20, S.285. Vgl. den langen, enttäuschten Brief Wilhelm Heinrich Karl von Gleichen-Rußwurms vom Juni 1794, in dem es heißt: »Diese Stelle enthält einen doppelten Tadel geheimer Verbindungen; denn einmal mißbilligen Sie die moralischen Zwecke, die geheime Verbindungen zur Richtschnur ihrer Arbeiten erheben, und dann erwähnen Sie des enthusiastischen OrdensGeistes, und sprechen ihm (auf eine Art) dadurch das Verdammungsurtheil. Ich will keineswegs den geheimen Verbindungen im Allgemeinen das Wort reden [...]; allein Ihr Tadel trift das vorzüglichste Gute, was ich an ihnen fand, und sie in dieser Rücksicht zu vertheidigen glaube ich Ihnen und mir schuldig zu sein. Wenn ich als Mitglied einer geheimen Verbindung bisher thätig und eifrig in dem Geiste derselben arbeitete, so war mein Zweck Menschenglück zu befördern, (mich und andere vollkommener zu machen) und vorzüglich mich und andere mit jenen Enthusiasmus für Menschenwohl, Tugend, und Wahrheit, zu erfüllen, den alle Zeitalter, für das mächtigste Triebrad jeder edlen und heroischen That erkannten. U n d

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Was immer Schiller zu seinem Ausfall gebracht haben mag, am ehesten erschließt sich seine Äußerung, wenn man sie dem Ideenreservoir für die geplante »Maltheser«Tragödie zuordnet. Auch dieser Plan führt zurück ins Jahr 1788, wurde in Rudolstadt >ausgeheckt K o n k u r r e n t e n reagierte, zeigt ein Billett der Caroline von Beulwitz an

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Zutun, in die Nachfolgegeschichte des Illuminatenordens. Die überreichliche Schiller-Forschung ist daran achtlos vorbeigegangen. Schiller reagiert auf die Schenkung mit den Briefen an den Augustenburger, dem Entwurf einer »ästhetischen Erziehung«, die angesichts der Depravation des Zeitalters und damit auch der Revolution einen ambitionierten Sonderweg jenseits und vor aller Politik einschlägt. Man hat keine Mühe gescheut, um die logischen, semantischen, formalen Interna dieser klassischen Texte zu durchleuchten. U m ihren Empfänger indes kümmerte man sich nicht. D a ß es mit ihm eine besondere Bewandtnis hatte, daß Schiller sie womöglich in Rechnung stellte, daß er höchst eigenwillig mit den Hoffnungen umgeht, die sein Mäzen in ihn setzt, dafür fehlte der Blick. D e m Augustenburger steht das Idealbild des »Karlos«-Dichters vor Augen, der Schöpfer Posas, die politische Rhetorik des Marquis. Schiller unterläuft solche Erwartungen, er durchkreuzt sie geradezu. Er schreibt just die Posa-Kritik der »KarloseBriefe fort, jetzt vor dem Hintergrund der Revolution, mit dem reichen Instrumentarium einer kulturgeschichtlich erweiterten ästhetischen Theorie. Dies alles geschieht in Kenntnis der intellektuellen Statur des Augustenburgers und seines Abgesandten Baggesen. N o c h einmal schreibt Schiller, mit anderen Worten, auch gegen die Illuminaten-Ideale an. Will man die Briefe an den Augustenburger richtig einschätzen, sollte man ihren Empfänger kennen. 8 Den verwickelten Zusammenhängen, die sich hier auftun, war vor vielen Dezennien schon Hans Schulz auf der Spur. Sonderliche Resonanz oder gar Nachfolger fand er nicht. 9 So muß man, über eine lange Periode des Vergessens hinweg, an seine Forschungen zur Biographie Friedrich Christians, an seine Quellenfunde und Materialerschließungen anknüpfen und die Folgerungen ziehen, die sich im Lichte der neu-

Schiller (vom 23. Januar 1792): »Schreib doch dem Schatz [Dalberg] einmal liebster Schiller. Ueber die Pension hat er mir kein W o r t gesagt. Eine A r t von Schmerz, es nicht selbst haben thun können, scheint mir in ihm - es ist natürlich und fein« ( N A 34/1, S. 130). Vgl. auch die Briefe Dalbergs vom 31. Januar 1792 ( N A 34/1, S. 133f.) und Carolines v o m 15. März 1792 ( N A 34/1, S. 141). 8

»[...] es wäre durchaus verfehlt, den herzoglichen Empfänger dieser Briefe ausschließlich als formalen Adressaten zu verstehen«, heißt es bei Hans Mayer, der nun freilich diesen Adressaten sehr verkennt, wenn er die Briefe »Uber die ästhetische Erziehung« einen »Fürstenspiegel« nennt, der sich kritisch an den Augustenburger und die »Geisteshaltung der in Deutschland herrschenden Fürsten« wendet ( H . Mayer, Das unglückliche Bewußtsein. Zur deutschen Literaturgeschichte von Lessing bis Heine, Frankfurt/M. 1986, S. 310). Von einem »Fürstenspiegel« spricht auch Klaus L. Berghahn, Ästhetische Reflexion als Utopie des Ä s thetischen, in: K. L. Berghahn, Schiller. Ansichten eines Idealisten, Frankfurt/M. 1986, S. 125— 155, hier S. 130: »Die Briefe sind also [...] auch ein Appell an den Prinzen, der als >Liberaler Weltbürgen tituliert wird, einen besseren Staat aufzubauen.« Politische Belehrungen in F o r m eines Fürstenspiegels benötigte just dieser Prinz keineswegs.

9

Auch die neuere Illuminatenforschung behandelt den Augustenburger nur am Rande. Vgl. R. Lauth, Reinhold, S. 624f.; M. Agethen, Geheimbund und Utopie, S. 113; H . Schüttler, Karl Leonhard Reinhold, S.56. Etwas ausführlicher jetzt W. D. Wilson, Geheimräte gegen Geheimbünde, S. 164ff.

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en Forschungslage aufdrängen. Zu Gesicht kommt dann, überraschend genug, ein letztes Kapitel von Schillers geheimer Geschichte mit den Illuminaten.

»Zwey Freunde, durch Weltbürgersinn mit einander verbunden, erlassen dieses Schreiben an Sie, edler Mann!« So beginnt der berühmte Brief vom 27. November 1791, mit dem Friedrich Christian und der Minister Graf Ernst von Schimmelmann Schiller ihr Stipendium anbieten - nachdem Jens Baggesen die Weichen gestellt hat. Die Stifter sind Leser Schillers: »Sie finden in diesen Werken die Denkart, den Sinn, den Enthusiasmus, der das Band ihrer Freundschaft knüpfte, und gewöhnten sich bey ihrer Lesung an die Idee den Verfasser derselben als Mitglied ihres freundschaftlichen Bundes anzusehen.« Zum Kosmopolitismus und zur freundschaftsstiftenden Gleichheit von »Denkart«, »Sinn« und »Enthusiasmus« - natürlich ist der »Don Karlos« gemeint - gesellt sich ein menschheitlicher Republikanismus, der von Titeln und Standesunterschieden nichts wissen will: »Wir kennen keinen Stolz, als nur den, Menschen zu seyn, Bürger in der grosen Republik, deren Grenzen mehr als das Leben einzelner Generationen, mehr als die Grenzen eines Erdbals umfassen. Sie haben hier nur Menschen, Ihre Brüder vor sich, nicht eitle Grose.« 10 Der Brief eröffnet gleich auch noch, ohne jede Bedingung, die Aussicht auf Anstellung im dänischen Staatsdienst und schließt mit dem hochgemuten Satz: »Der Menschheit wünschen wir einen ihrer Lehrer zu erhalten, und diesem Wunsche muß jede andre Betrachtung nachstehen.«11 Baggesen spricht gar vom »Heil der Menschheit«. 12 Das ist ein weltbürgerliches Vokabular, das uns inzwischen vertraut ist. Handelt es sich hier um einen vom bürgerlichen Weltgeist bewirkten »Strukturwandel des Mäzenats«, der die fürstlichen Mäzene zu einer »Neubestimmung ihrer Rolle« »zwingt«?13 Oder um einen 10

N A 34/1, S.113Í.

11

N A 34/1, S. 115. An Schiller, 29. November 1791, N A 34/1, S. 115.

12 13

So Christa Bürger, Der Ursprung der bürgerlichen Institution Kunst im höfischen Weimar, Frankfurt/M. 1977, S.46. Wie bequem sich das Vorurteil die Verhältnisse zurechtlegt, zeigt der folgende Passus: »Daß die fürstlichen Mäzene so ganz interessenlos freilich nicht sind, geht aus Schillers Briefwechsel hervor. Nicht nur greift er auf die Praxis des Dedizierens zurück, indem er seine Gedanken über die ästhetische Erziehung des Menschen >in Briefen an den Prinzen von Augustenburg< darlegt, um auf diese Weise »einen öffentlichen Beweis von Aufmerksamkeit zu geben. Zu fragen ist auch, ob seine Kritik an der »Unduldsamkeit unserer philosophischen Weltverbesserer - gemeint sind wohl die radikaldemokratischen Wortführer der französischen Revolution und die deutschen Jakobiner - nicht doch auch provoziert worden ist dadurch, daß seine fürstlichen Mäzene >Besorgnis< darüber geäußert hatten, auch Schiller könnte dergleichen Weltverbesserungsideen haben.« (Ebd., S. 48.) - Der ideologische Soupçon geht in beiden Fällen fehl. Im Brief des Prinzen an Baggesen vom 22. Juli 1793 ist nachzulesen, daß sich Friedrich Christian ausdrücklich gegen eine Dedikation Schillers sträubte (so wie er - vergeblich - darauf gedrungen hatte, daß das Stipendium für Schiller nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollte): »Suchen Sie aber, lieber Immanuel, die Dedikation des Buchs, welches er [Schiller] herauszugeben denkt, abzuwehren. Sie wissen, daß ich die Dedikationen nicht liebe, da sie immer auf L o b hinaus gehen, und mein melancholisches

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neuen »Primat des Lesers v o r dem M ä z e n « ? 1 4 R ä s o n n e m e n t s dieser A r t ergehen sich in einem eigentümlich leeren R a u m und verkennen so die Pointen, die das dänische Mäzenat

flankieren.

G e w i ß , an der makellosen N o b l e s s e des Angebots, an seiner »Delicatesse und F e i n heit«, wie Schiller sich ausdrückt, 1 5 ist nicht zu zweifeln. A b e r der Schenkungsbrief, den der Prinz allein abgefaßt hat, läßt doch auch erkennen, daß man einen Gleichgesinnten auszuzeichnen gedenkt - einen Hoffnungsträger und Parteigänger der A u f klärung. U n d Schiller war da kein Einzelfall. L e h r e r der Menschheit und Erzieher des Menschengeschlechts, die auf seine H i l f e rechnen konnten, waren für den Augustenburger auch der Ordensstifter A d a m Weishaupt und der Philosoph Karl Leonhard Reinhold. Schon im M ä r z 1791 plant man, R e i n h o l d mit einem stattlichen Salär nach D ä n e m a r k zu ziehen; Baggesen macht Schiller ausdrücklich darauf aufmerksam. 1 6 Seit 1789 wiederholen sich Versuche, Weishaupt nach Kopenhagen zu berufen. I m J a h r 1793 erhält R e i n h o l d endlich den ersehnten R u f an die Universität Kiel. W o h l zerschlagen sich die Berufungspläne für Weishaupt. Stattdessen läßt Friedrich Christian dem Illuminatengriinder beträchtliche Summen z u k o m m e n , die weit über dem Stipendium für Schiller liegen, in Permanenz von 1791 bis 1813. U n d der Prinz wußte, was er tat, wem er seine Förderung z u k o m m e n ließ. In allen drei Fällen, auch in dem Schillers, folgte er der gleichen Strategie. U m es vorwegzunehmen: der Mäzen und sein Berater Baggesen denken und handeln nach alter Illuminatenweise. D i e Vorgeschichte dieses Mäzenatentums ist geprägt von einer ganz persönlichen Renaissance des Illuminatismus. D i e späte Illuminatenkarriere des jugendlichen Prinzen beginnt im J a h r 1787 mit der Lektüre der »Originalschriften« und der Verteidigungsschriften Weishaupts. So-

Temperament öffentliches Lob nicht gut tragen kann« (Timoleon und Immanuel, S. 182). Auch die Verwandlung der »philosophischen Weltverbesserer« in revolutionäre Radikale und Jakobiner verdankt sich der wohlfeil freien Assoziation. Friedrich Christians Brief vom März 1793 läßt keinen Zweifel daran, daß er (und in seiner Antwort auch Schiller) gewisse Adepten Kants meint: »Manches seiner [Kants] Resultate scheint mir überspannt; ich habe überhaupt kein sonderliches Zutrauen zu großen, alles erschütternden Revolutionen; vielleicht hat mich der übertriebene und unduldsame Eifer vieler unter seinen Verehrern aus meiner Bekanntschaft, die, indem sie mit verächtlicher Herabwürdigung alles nichtkantische oder antikantische behandelten, doch zugleich durch ein undeutliches unbestimmtes Geschwäz [...] einen Beweis ablegten, daß sie selbst noch unausgebildete Schüler, und also nicht im Stande waren ein entschiedenes Urtheil über den Wehrt philosophischer Systeme zu fällen - vielleicht hat dieser unduldsame Eifer auch etwas Einfluß auf meine Abneigung gegen das ernstliche Studium von Kants Schriften gehabt [...]« (NA 34/1, S.247f.). - Die Rede von der angeblichen »Besorgnis« der fürstlichen Mäzene über Schillers »Weltverbesserungsideen« stellt die Verhältnisse geradezu auf den Kopf. 14

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So Klaus-Detlef Müller, Schiller und das Mäzenat. Zu den Entstehungsbedingungen der >Briefe über die ästhetische Erziehung des MenschenSchwedenkisteGötter Griechenlands< vor. Wir legten einander unser Glaubensbekenntniß ab. E r A - ich th- durch Glauben.« 8 8 Wie ist zu lesen? »Atheist« und »theistisch«? 8 9 Schon am 16. Juli aber schleicht sich ein Stichwort ein, das erst neuerdings W. Daniel Wilson in der Handschrift entdeckt hat: »III.« 9 0 Es wurde also mit »Enceladus« über die Illuminaten gesprochen. Anfang August treffen sich Schiller und Baggesen noch einmal in Nürnberg - Schiller auf der Reise nach Schwaben, Baggesen auf dem Weg in die Schweiz. Man verbringt einige Tage miteinander, in der Gesellschaft des Arztes und Philosophen Johann Benjamin Erhard, eines Reinhold-Schülers, der im Jahr zuvor Kant in Königsberg und dann Kopenhagen besucht hat. Nach einem gemeinsamen Mittagessen, so Baggesen an den Freund Reinhold, »verschwand ich aber des Phönix wegen, wovon ich Dir a parte schreiben werde«. 9 1 Auch hier wird Bodes Anweisung befolgt. Beide Ehepaare reisen dann noch zusammen bis Feuchtwangen, bevor sich ihre Wege trennen. Viel haben wir damit nicht an der Hand, hinreichend Indizien aber doch für die Annahme, daß Baggesen den Auftrag seines Prinzen befolgte und bei Schiller sondierte. Zurückhaltung war Baggesens Sache nie. »Er ist aber unendlich mehr als Carlos« wir wissen, wie er Friedrich Christian gegenüber Reinhold zu rühmen weiß. Schiller selbst läßt erkennen, in welches Licht der dänische Herold den Augustenburger gerückt hat: »Baggesen, der gegenwärtig noch hier ist, verschaft mir sehr angenehme Stunden, und die schönsten darunter sind immer diejenigen, wo er uns das Bild eines

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Wortlaut nach H . Schulz, Schillers Gönner und die Orden, S. 89f. Vgl. W. D. Wilson, Geheimräte gegen Geheimbünde, S. 166. N a c h T. C. Starnes, Wieland, Bd. 3, S.475. W. D. Wilson, Geheimräte gegen Geheimbünde, S. 166. L. Bobé, Schiller und Dänemark, S. 158; N A 42, S. 162. Vgl. den Kommentar N A 42, S. 539, der für Schillers » A - « »Antik oder eine Ableitung von diesem Wort« vorschlägt. W. D. Wilson, Geheimräte gegen Geheimbünde, S. 165. Baggesen an Reinhold, 20. August 1793, Baggesens Briefwechsel, Bd. 1, S.281. Knappe Bemerkungen zur Nürnberger Loge bei H . Schüttler, Mitglieder, S. 220f.

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Prinzen zeichnet, der seinem Herzen der unerschöpflichste Gegenstand ist f...]«. 9 2 Der programmatische Brief vom 13. Juli, während Baggesens Aufenthalt in Jena abgefaßt, reagiert auf dessen Intervention. Man verspielt Erkenntnismöglichkeiten, wenn man die Bedingungen, unter denen er zustande kommt, ignoriert und gar von »genetischem Fehlschluß« spricht. 93 Der Brief vom 13. Juli bringt das ursprünglich geplante Unternehmen in eine ganz neue Richtung. Er ist schuld an den strategischen (und logischen) Verwerfungen, die noch die endgültige Fassung - »Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reyhe von Briefen« - beibehalten wird.

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A n Friedrich Christian von Augustenburg, 13. Juli 1793, N A 26, S. 268. Ein Jahr zuvor hatte Schiller in Dresden das große Ölgemälde kennengelernt, auf dem Anton Graff im Juli 1791 den Prinzen in voller Gestalt gemalt hatte. So Elizabeth M. Wilkinson und L. A . Willoughby, Schillers Ästhetische Erziehung des Menschen. Eine Einführung, München 1977, S.48ff. O b die genetisch-analytische Zerstückelung dem Schillerschen Text gerecht wird, ist in der Tat die Frage. Andererseits kann man schwerlich zureichend über »Die politische Situation: Anlässe und Erwartungen« handeln (ebd., S. 19ff.), wenn man sich nicht die Statur des Augustenburgers vor Augen führt (dazu nur ein Satz auf S.21) und Jens Baggesen gänzlich mit Schweigen übergeht.

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IX. Epilog. Ästhetischer Staat

Die »Reihe von Briefen«, die Schiller dem Augustenburger Prinzen schreibt, bevor er sie der Öffentlichkeit vorlegen will, soll ursprünglich einen Kurs steuern, der sich unmittelbar aus der Arbeit an der Elementarästhetik der »Kallias«-Briefe ergibt. Die Ankündigung vom 9. Februar 1793, von besorgten Anfragen aus Dänemark hervorgerufen, 1 hat ihren Platz inmitten der »Kallias«-Abhandlungen an Körner, chronologisch wie sachlich. Was Schiller in der Folge des Kant-Studiums auf den Nägeln brennt, ist die Legitimation der Kunst und des Ästhetischen. Von »Revolution« ist allerdings die Rede, doch nicht von der politischen, sondern von der »Revolution in der philosophischen Welt«. 2 Sie, die Schiller am Beispiel Reinholds aus nächster Nähe miterlebt, 3 übt einen Legitimationsdruck aus, dem nur eine »neue Kunsttheorie«, eine »Kunstphilosophie« standhalten kann, die sich in den »Rang einer philosophischen Wissenschaft« erhoben hat. Das »Gefühl des Schönen und Großen« »ein bloßes subjecktives Spiel der Empfindungskraft«? 4 Die Rangminderung, die solchermaßen das ästhetische Urteil in Kants System erfährt, will Schiller nicht hinnehmen. »Auch die Schönheit, dünckt mir, muß wie die Wahrheit und das Recht auf ewigen Fundamenten ruhn, und die ursprünglichen Gesetze der Vernunft müssen auch die Gesetze des Geschmacks seyn.« 5 Erkenntnis aus Prinzipien - so lautet im Horizont der Kantschen Philosophie die Devise. Wie vermittelt man eine Ableitung a priori mit dem unhintergehbar empiri-

1

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Vgl. die Briefe des Prinzen und Baggesens an Reinhold vom 1. und 3. Januar 1793 im K o m mentar N A 26, S. 674. Reinhold erhält sie am 6. Februar und läßt Schiller über einen Mittelsmann davon wissen. Schiller reagiert also sofort. N A 26, S. 184. Die Rede von der philosophischen Revolution läßt sich natürlich auf Kant zurückführen (Kritik der reinen Vernunft, Β X I I I f., Β X X I I ; nicht einschlägig die Stelle aus der »Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft«, die der Kommentar N A 26, S. 675 heranzieht). In Frage kommt aber auch Reinhold, der bereits die Parallele zwischen philosophischer und politischer Revolution herstellt, die dann Karriere machen wird. So heißt es in der Abhandlung »Ueber den Geist unseres Zeitalters in Teutschland« (Der neue Teutsche Merkur 3, 1790, S. 232): »Teutschland ist unter allen übrigen europäischen Staaten am meisten zu Revolutionen des Geistes, am wenigsten zu politischen aufgelegt« (zit. nach G. W. Fuchs, Karl Leonhard Reinhold, S. 119). - Wie nicht nur an dieser Stelle sichtbar wird, stellt eine Studie zum Verhältnis von Schiller und Reinhold ein dringendes Desiderat dar. N A 26, S. 185. Mit wörtlichem Bezug auf den Brief an Körner vom 25. Januar 1793, N A 26, S. 175. N A 26, S. 185.

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sehen Gefühl des Schönen? D a s ist der » K n o t e n « , den Kant hinterlassen hat. Schiller glaubt ihn auflösen zu können. So will es die »Kallias«-Entdeckung, die er schon am 21. D e z e m b e r 1792 Körner verkündet: » U e b e r die N a t u r des Schönen ist mir viel Licht aufgegangen [...]. D e n objectiven Begriff des Schönen, der sich eo ipso auch zu einem objectiven G r u n d s a t z des Geschmacks qualificirt, und an welchem Kant verzweifelt, glaube ich gefunden zu haben.« 6 Derselbe Brief spricht G e o r g Forster in Mainz das Urteil und erwägt ein » M e m o i r e « zugunsten des französischen K ö n i g s (das Rudolf Zacharias Becker übersetzen sollte). 7 D o c h miteinander hat das alles nichts zu tun. N o c h liegen Welten zwischen »Kallias« und der politischen Realität. Was Schiller dann im Februar darauf dem Prinzen von Augustenburg in Aussicht stellt, ist nichts anderes als das mit Körner geplante und begonnene »Kallias«-Projekt - eine Grundlegung der A u t o n o m i e des Schönen und der Kunst, eine Legitimierung auch des Künstlers aus Prinzipien. A m 20. und 23. Juni 1793, unmittelbar nach dem ersten Besuch Baggesens (der natürlich die Verpflichtungen gegenüber dem Prinzen angemahnt hat), spricht Schiller noch immer von einer »Zergliederung des Schönen«, von der »Schrift über das Schöne«, die er liefern wolle. 8 D e r Brief v o m 13. Juli hingegen zeigt, daß sich die Ausgangslage mit einem Schlag gründlich verändert hat. Was jetzt mit unvermuteter Sprengkraft in das Unternehmen einbricht, ist die politische Aktualität. Nirgends sonst, weder vorher noch nachher, hat sich Schiller derart einläßlich und entschieden über die Französische Revolution geäußert. D a s von Baggesen gezeichnete Bild des Prinzen tut seine Wirkung. Nicht weniger der Revolutions-Enthusiasmus, der den Abgesandten des Prinzen beseelt. Schillers E m p ö r u n g über die Hinrichtung L u d w i g s X V I . , sein Ekel über die »elenden Schindersknechte« war keineswegs verflogen. 9 Als Anwalt der Revolution hingegen war Baggesen schwerlich zu überbieten. 1 0 D i e Jenaer Gespräche dürften

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N A 26, S. 170. N A 26, S. 171f. Dazu oben S. 150. An Körner, 20. Juni 1793, N A 26, S.246; an Göschen, 23. Juni 1793, N A 26, S.248. Schiller an Körner, 8. Februar 1793, N A 26, S. 183. Im ersten Entsetzen bezeichnet auch Baggesen die Hinrichtung als »Triumph der Hölle in Sodoma-Paris« und erklärt: »[...] so gewiß ich sie [die Revolution] schwellenden Sturm in die Segel der Menschheit glaube, so glaube ich doch, daß die weitaussehendste, und noch dazu, wenn es möglich wäre, ausgemachteste Salus publica nicht die Vergießung eines einzigen Tropfens unschuldigen Blutes entschuldigen, geschweige denn rechtfertigen könne. [...] Nun halte ich aber die Hinrichtung des armen Ludwigs für himmelschreiendes Unrecht« (an Reinhold, 20. Februar 1793, Baggesens Briefwechsel, Bd. 1, S.252). Reinhold entgegnet: »Diese Begebenheit hat mir die ganze Revolution abscheulich gemacht, und mich folglich um einen großen Theil der besseren Freude meines Lebens gebracht.« Das französische Volk, zur Hälfte mitschuldig, sei »eine Nation von Ungeheuern«. Die Konklusion: »Weg mit allen Revolutionen, die durch Gewalt und Leidenschaften durchgesetzt werden müssen! Man lasse uns noch eine Zeit lang den leidlichen Despotismus, und er wird durch Cultur des Geistes und Herzens, die er bisher eher befördert, als aufgehalten hat, immer leidlicher werden, bis er endlich einer Aristokratie der Einverstandenen, Weisen und Guten Raum läßt, die durch Begriffe und Gefühle leiten und durch Gewalt herrschen werden.« »Es ist ein scheusliches Schauspiel, die Anarchie im Kampfe mit dem Despotismus. Allein der letztere, durch 211

also nicht ohne Spannungen verlaufen sein. Schiller mußte die Herausforderung annehmen. N i c h t mehr nur Philosophie und Wissenschaft verlangen eine Rechtfertigung der Kunst. Diese Forderung ergeht jetzt v o m Tribunal der Politik. Was kann noch bestehen vor dem »politischen Schöpfungswerk«, dem »großen Rechtshandel« der Vernunft, dem »Versuch des französischen Volks, sich in seine heiligen Menschenrechte einzusetzen«? 1 1 Neutralität ist nicht erlaubt, schon gar nicht dem Dichter des » D o n Karlos«. Stellung beziehen soll er als politischer Philosoph nach dem Muster Posas, 1 2

Cultur und Sitten beschränkt, ist doch zugleich weniger verderblich, als die Erste, bei einem Volke, das kurz vorher den höchsten Grad der durch Luxus erkünstelten Verfeinerung des eigennützigen Triebes erreicht hat« (an Baggesen, 18. März 1793, Baggesens Briefwechsel, Bd. 1, S.258f.). Berührungspunkte mit Schiller sind da unverkennbar, sowohl in der Beurteilung der Revolutionswirklichkeit wie im Vertrauen auf eine »Cultur des Geistes und des Herzens«. Allerdings setzt Reinhold auf die alte Geheimbundidee, die »Aristokratie der Einverstandenen«. »Moralischer Bund der Einverstandenen« - so lautet denn auch der Name für die Nachfolgeorganisation des Illuminatenordens, für das Erbe Bodes, das Reinhold 1795 zusammen mit Baggesen in Kiel zu organisieren sucht (vgl. G.W. Fuchs, Karl Leonhard Reinhold, S. 138). In seiner Antwort vom 30. März hat Baggesen sein Urteil bereits revidiert und Skrupel niedergekämpft. Er widerspricht Reinhold: »Eine vorübergehende Anarchie scheint mir weniger schrecklich für die Menschheit, als eine unaufhörliche Sklaverei.« »Ich mag lieber eine entsetzliche Wunde, als die Schwindsucht. Frankreich blutet; aber .... schwindet dahin. Ich mag lieber die chirurgischen Fälle der Republiken, als die medicinischen der ...Archien. In jenen wird man freilich bisweilen entleibt-, aber in diesen werden Alle mehr oder weniger entseelt.« »In der Republik, zumal wenn sie geboren wird [...], stirbt man wol; aber in den Monarchien schläft man - und ich will lieber sterben, als schlafen.« Es müßte natürlich heißen: sterben lassen (Baggesens Briefwechsel, Bd. 1, S. 261f.). Kraß tritt hier jener Despotismus des Idealisten hervor, mit dem Schiller schon in den »Karlos«-Briefen abgerechnet hatte. Baggesen war in solcher >Dialektik< geübt. Ähnliche Selbstdisziplierungen im Zeichen eines blutigen Fortschritts hatte er auch 1792 angesichts der Tuilerien-Gemetzel und der September-Morde an sich exekutiert, wobei der Enthusiast zu kaltblütiger Ideologenmanier bereit war. Vgl. die Briefe an Friedrich Christian vom 24. August (»Ich kann nicht schreiben, die zitternde Feder fällt mir aus der Hand«) und vom 7., 18., 22.-28. September 1792 (Timoleon und Immanuel, S. 96ff.). Besonders pikant - für unseren Zusammenhang - der Brief vom 16. Oktober 1792. Nachdem Baggesen zehn Tage zuvor seine vollkommene Verzweiflung über den Gang der französischen Ereignisse bekundet hat - »A présent - j'ai totalement desesperé de La France« (Timoleon und Immanuel, S. 142), zitiert er jetzt den Marquis Posa, um »die voreilige, vorschnelle, blasphemische Feder, womit ich meinen vorlezten Brief schrieb«, zu widerrufen: »Er- der Freiheit / Entzückende Erscheinung nicht zu stören - / Er läßt des Übels grauenvolles Heer / In Seinem Weltall lieber toben - Ihn / Den Künstler wird man jezt gewahr! -« (Timoleon und Immanuel, S. 144). Das Zitat aus Posas Disput mit dem König (III, 10, V. 3869ff.; N A 6, S. 192) ist nichts anderes als eine sophistische Erpressung von Schillers Text, die den ursprünglichen Zusammenhang zerreißt und auch die eigenmächtigste Entstellung nicht scheut. Bei Schiller heißt es: »ihn, / den Künstler, wird man nicht gewahr«! 11 12

N A 26, S.260 u. 262. So heißt es in Baggesens Bericht über den vermeintlichen Tod Schillers und die Totenfeier in Hellebaek: »Wie hatte ich mich darauf gefreut, die neuern Revolutionen von Schiller gemalt zu sehen!« (An Reinhold, Juni 1791, Baggesens Briefwechsel, Bd. 1, S.49.) - Ähnlich Sophie Baggesen an Charlotte Schiller, 19. Oktober 1792 (nach den Septembermorden, der Abschaf-

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als »Enceladus« womöglich. Schiller selbst spricht aus, was man von ihm erwartet: »Was konnte also wohl, vorteflicher Prinz, anziehender und interessanter für mich seyn, als mich in das Innere dieses großen Gegenstandes mit einem eben so geistreichen Dencker als humanen Weltbürger einzulassen, der mit schönem Enthousiasmus das große Ganze der Menschheit umreicht, dessen heller und vorurtheil freyer Sinn die Vernunft rein und unverstellt wiederstrahlt!« 1 3 Wie man sieht, hat Baggesen den Prinzen und seine Interessen gut portraitiert. Und Schiller kommt seinem Adressaten so weit wie irgend möglich entgegen, rhetorisch zumindest, wenn er sich zu der Versicherung hinreißen läßt, er wolle »auf ewig von den Musen Abschied nehmen, und dem herrlichsten aller Kunstwerke, der Monarchie der Vernunft, alle meine Thätigkeit widmen«. 1 4 Das gewagte Bekenntnis besteht allerdings auf einer Bedingung, die nicht gegeben ist: daß die Revolution der Franzosen tatsächlich als naturrechtlicher »Rechtshandel« v o r d e m »Richterstuhl reiner Vernunft«, als »Versuch einer Staatsverfassung aus Prinzipien« vonstatten gehe, 15 daß also die Vernunft nicht nur Gegenstand, sondern auch Herrin des Verfahrens sei. Nicht von ungefähr fließen Schiller Metaphern aus der Sphäre der Kunst in die Feder: »politisches Schöpfungswerk«, »herrlichstes aller Kunstwerke«. In seiner Vorstellung von Revolution - den N a m e n selbst vermeidet er - hat Gewalt keine Stelle. Schon der Marquis Posa hatte sich den (revolutionären) Austausch der Staatsprinzipien als vernunftgeleitete Rückkehr zu den Menschenrechten ausgemalt, die mehr oder weniger selbsttätigen Evidenzen folgt. Sehr viel hat sich an Schillers politischen Wunschbildern nicht geändert. N u r die Hoffnung auf die Erfüllung solcher Wünsche ist dahin - zumindest rückt sie in weite Ferne. U n d so gewinnt die Kunst, was die Revolution verliert. Auf Jahrhunderte noch muß die »Regeneration im Politischen« vertagt werden - und mit ihr die Verabschiedung der Musen. Vorerst setzt die verdorbene Revolution sie in alle ihre Rechte wieder ein. Mehr denn je gerechtfertigt und gestärkt gehen Kunst und Ästhetik aus der existenzbedrohenden Marginalisierung durch die Politik hervor. Das ist die verwege-

fung des Königtums, der Kanonade von Valmy und den Siegen der Revolutionsarmee): »Was sagen Sie zu Frankreich? Welch ein Triumph der Freiheit und der herannahenden Vernunft! Wie müssen die Könige vor ihnen sinken! Man spricht nichts und hört nichts als Frankreich; es ist auch das Edelste, was so allgemein gedacht worden ist. Wie wird der Autor von D o n Carlos sich freuen!« (Ludwig Urlichs [Hrsg.], Charlotte von Schiller und ihre Freunde, 3 Bde., Stuttgart 1860-1865, Bd. 2, S. 450.) - Auch Friedrich Christian bleibt dabei, Schiller vor allem als Autor des » D o n Karlos« zu betrachten (an Schiller, 4. April 1794, N A 34/1, S. 356). 13 14 15

N A 26, S.261. N A 26, S.262. N A 26, S.264. Zum naturrechtlichen Charakter von Schillers Überlegungen: Dieter Borchmeyer, Tragödie und Öffentlichkeit, München 1973, S.96ff. Wahrscheinlich sind Anregungen von Fichtes »Beitrag zur Berichtigung der Urtheile des Publicums über die französische Revolution« von 1793. D a z u Elisabeth Winkelmann, Schiller und Fichte, in: Zeitschr. f. Gesch. d. Erz. u. d. Unterrichts 25, 1934, S. 177-248, hier S.200f.; Wolfgang Düsing, Friedrich Schiller. Uber die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. Text, Materialien, Kommentar, München 1981, S. 150f.

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ne Wendung, auf die es der ganze Brief abgesehen hat. Was an der Zeit ist, ist Ästhetik und nicht politische Philosophie, Ästhetik als Wegbereiterin der Politik. Die neue, weitläufige Allianz von Ästhetik und Politik fordert freilich ihren Preis: das Autonomie-Prinzip des »Kallias«-Vorhabens gerät in Schieflage. Bevor Schiller zu seiner Pointe vorstößt, legt er eine Diagnose des Zeitalters vor, die um den Begriff der Aufklärung kreist. Die scheiternde Revolution ist eine Folge der gescheiterten Aufklärung. Auch hier macht sich Schiller ein Lieblingsthema des Prinzen zu eigen. Er gibt ihm freilich eine verblüffende Stoßrichtung, die den Prinzen nicht wenig irritieren mußte. Als erstes fallen nämlich die Illusionen der Perfektibilitätstheorien, auch und gerade der illuminatischen. Sie sind nicht zu verkennen, wenn Schiller den vorrevolutionären »lieblichen Wahn« abfertigt, der »theoretische Kultur«, sprich Aufklärung, als Garanten des Fortschritts verstehen wollte - so »daß der unmerkliche aber ununterbrochene Einfluß denckender Köpfe, die seit Jahrhunderten ausgestreuten Keime der Wahrheit, der aufgehäufte Schatz von Erfahrung die Gemüther allmählich zum Empfang des Beßern gestimmt, und so eine Epoche vorbereitet haben müßten, wo die Philosophie den moralischen Weltbau übernehmen, und das Licht über die Finsterniß siegen könnte«. Es folgen gleich auch die Parolen vom Wanken des »Aberglaubens« und von der Erschütterung »tausendjähriger Vorurtheile«. 1 6 Die Topoi der illuminatischen Geschichtsphilosophie sind da versammelt. Den masonischen Hintergrund läßt die Rede vom »moralischen Weltbau« noch besonders deutlich erkennen. 17 Der Prinz verstand, was gemeint war. Sein Antwortbrief wird hier ansetzen. Die Revolution gerät aus den Fugen, weil die Aufklärung zu schwach ist, um die Depravationen des Zeitalters in Schach zu halten. Diese beschreibt Schiller als Extreme, die sich gegen die versagende Mitte ausbilden. Sie heißen auf der einen Seite, bei den »niederen Klassen«, »Verwilderung«, »Despotismus der Triebe«, »Barbarei«, »Rohheit«, auf der anderen, bei den »civilisierten Klassen« und »höheren Ständen«, »Erschlaffung«, »Epikureism«, »Passivität«, »Kraftlosigkeit«, »Verzärtelung«. Für die Exzesse der Revolution macht Schiller unmittelbar nur die erste Gruppe haftbar. Die zweite Reihe, von Rousseau inspiriert, bleibt eigentümlich beziehungslos. 1 8 N u r 16 17

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N A 26, S.262. Vgl. Lennhoff-Posner, Internationales Freimaurerlexikon, S. 134f. (Art. >Baumeister, Der Allmächtige, aller WeltenAnteil< des Augustenburgers und Baggesens an dieser Umorientierung, die

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mopoliten können also einen Teilerfolg verbuchen, einen zweifelhaften allerdings. Wohl schwenkt Schiller auf ihre Linie ein, was die Ziele angeht. D o c h rückt er diese skeptisch in die fernste Zukunft. U n d in der Wahl der Mittel verfolgt er unbeirrt seinen eigenwilligen Sonderweg. Konnte man sich damit in Augustenburg und Kopenhagen zufrieden geben? Es k o m m t zu Spannungen. Baggesens Berichte an »Timoleon« während der bewegten Wochen in Jena sind leider verloren. D e r Prinz schreibt Schiller am 2. September. D e r geplanten Kunstphilosophie erweist er verbindlich und knapp seine Reverenz. Weit mehr beschäftigt ihn die Zeitdiagnose und die Stellung der Aufklärung in ihr. E r sucht nach Ubereinstimmungen. A u c h er glaubt inzwischen, daß die Zeit und die Menschen für das »Reich der politischen Freiheit« noch nicht reif seien. Den Weg Schillers über die ästhetische Kultur berührt er allerdings mit keinem Wort. E r hält an seiner Lieblingsidee fest: »Die edlern Menschen, die bessern Köpfe müssen daher, nach wie vor (!), mit großmüthiger Entsagung des selbsteigenen Genusses, sich begnügen Saamen auszustreuen [»Keime« hieß das bei Schiller], vorzubereiten, einzelne in das lichtvolle Reich der Vernunft und Freyheit einzuführen, dessen Bürger sie sind, und dem keine Verfolgungen, kein Despotismus sie entreisen kann. E s wird noch lange dauern, bis Staaten und Völker in dieses Himmelreich eingehen werden.« 2 9 D e r Prinz scheut sich nicht, Schiller zu widersprechen. E r hält die Fahne der Aufklärung hoch und mit ihr die Pläne helldenkender Eliten - also das, was Schiller als »lieblichen Wahn« bezeichnet hatte. Einspruch erhebt er deshalb auch gegen den Befund, die theoretische Kultur habe sich trotz ihrer Fortschritte als machtlos erwiesen. » N u r bey einer Stelle Ihres Briefes treflicher Mann habe ich etwas zu erinnern. Ich

wohl als erster Körner deutlich erkannt hat (an Schiller, 7. November 1794, NA 35, S.87). Die Idee der Erziehung, die das ursprüngliche Projekt in ganz neue Bahnen lenken sollte, lag freilich schon bereit. Zu denken ist an Schillers Interesse an August Wilhelm Rehbergs »Prüfung der Erziehungskunst« (Leipzig 1792) und vor allem an Mirabeaus »Travail sur l'éducation publique« (1791). Zu Rehberg vgl. den Brief an Körner vom 10. Juni 1792 (NA 26, S. 144) und Körners kritische Beurteilung im Brief vom 7. Juli 1792 (NA 34/1, S. 169). Zu Mirabeau: Caroline von Beulwitz an Schiller, Ende Februar 1792 (NA 34/1, S. 139) und Schillers sehr zustimmende Stellungnahme vom 15. Oktober 1792 (an Körner, NA 26, S. 160). Allerdings führt kein direkter Weg von Mirabeaus »éducation publique« zu Schillers »ästhetischer Erziehung«. So will es Otto W. Johnston, Mirabeau and Schiller on Education to Freedom, in: Monatshefte 76, 1984, S. 58-72. Was Johnston an Gemeinsamkeiten vorzuführen sucht, ist entweder an den Haaren herbeigezogen oder unspezifisch allgemein. Die Differenzen, die er namhaft macht, wiegen (gegen seinen Willen) viel schwerer. Statt die Gegensätze zu verwischen, wäre es nützlicher gewesen, sie zu profilieren. 29

NA 34/1, S.308. Vgl. auch das Konzept eines Briefes an Friedrich Nicolai vom 17. Januar 1795, in dem Friedrich Christian trotz aller Besorgnis - »Ich glaube daher an ein boulversement de tout et partout« - erklärt: »Allein ein Stillstand und vielleicht auch ein Zurückgehen der Cultur im ganzen genommen ist nicht unmöglich. Und diese Möglichkeit ist wohl Antrieb genug, bey Zeiten alles vorzukehren, was sie entfernen kann. Solte es nicht dazu Mittel geben? Sölten nicht unter andern eigene Verbindungen unter den aufgeklärtem, gebildetem, auch moralisch gebildetem und also bessern Menschen zu gemeinschaftlicher harmonischer Thätigkeit dazu gestiftet oder benuzt werden können?« (Aus dem Briefwechsel, S. 144.)

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glaube daß es unsern Zeitgenossen auch an theoretischer Cultur, daß es ihrem Verstände eben so wohl an Licht als ihrem Herzen an Wärme fehlt.« 30 Den Reaktionen in Dänemark fehlt es deutlich an Uberschwang; von Anfang an werden Divergenzen sichtbar. Zwar läßt sich der Prinz von Knud Lyhne Rahbek nun auch ins Fach der Ästhetik einweihen. 31 Doch mit Erziehung verbindet er andere Vorstellungen, in die immer wieder die Hoffnungen auf den »Phoenix« hineinspielen. 32 Fichtes »Beitrag zur Berichtigung der Urtheile des Publicums über die französische Revolution« bewegt ihn, wie es scheint, weitaus mehr als Schillers Briefe. 33 In die ihm zugedachte Rolle ist »Enceladus« jedenfalls nicht hineingewachsen. Nach Erhalt der beiden Schillerschen Briefe vom 11. November 1793, die noch einmal das Problem der theoretischen Kultur aufnehmen, um ihr das Kantsche »sapere aude« einzuimpfen, und - so der umfangreiche »Einschluß« - gegen die Gebrechen von »Verwilderung« und »Erschlaffung« die schmelzende Wirkung des Schönen und die »Federwirkung« des Erhabenen aufbieten, schreibt der Prinz an seine Schwester: »Der erste Brief [der Einschluß] gefält mir nicht so gut, er ist sehr spekulativ und in den Grundsäzen sowohl als Resultaten weiche ich von ihm sehr ab.« 34 Es sind just die ästhetischen Exerzitien Schillers, die auf wenig Gegenliebe stoßen. Nicht anders ergeht es später dann der »Horen«-Fassung. Im Begleitschreiben zu der ersten Sendung, die die neun >politischen< Briefe enthält, beruft Schiller sogar noch einmal den Dichtertraum des »Don Karlos« und legt ihn in die Hände des gerade zum Herzog gewordenen Augustenburgers. 35 Friedrich Christian hingegen schreibt seiner Schwester: »Der gute Schiller ist doch eigentlich nicht zum Philosophen geschaffen. Er bedarf einen Uebersetzer, der das poetisch schön gesagte mit Philosophischer Precision entwickelt, der ihn aus dem Poetischen in die Philosophische

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N A 34/1, S.309. Vgl. H. Schulz, Friedrich Christian, S. 170. Über Friedrich Christians pädagogische Memoranden und Reden für die Universitäts- und Schulkommission, deren Vorsitzender er war: H. Schulz, Friedrich Christian, S. 168ff. Schulz' Befund: »ein näherer Zusammenhang mit Schillers Briefen ist aber nicht vorhanden« (S. 170). Von wem sich der Prinz Hilfe erhofft, teilt er am 23. Oktober 1793 Baggesen mit: »Ich habe hierüber nach mehreren Orten hingeschrieben, bey mehreren Gelehrten Rath gesucht. Auch an Sie wende ich mich, und durch Sie an den Phönix. Vereinigt er nicht alle Talente, Einsichten, Kentnisse seiner Verehrer in eine Masse, aus welcher da, wo es noth ist, geschöpft werden kann? Sein Antecessor befriedigte diesen Wunsch, und ist er das, was sie mir zu verstehen gegeben, so müßte er hierin dem Beyspiel seines Antecessors folgen. Ich erwarte mit Ungeduld Ihre Antwort« (Timoleon und Immanuel, S.200f.). Ebd., S.201f.: »Vor einigen Tagen habe ich ein Buch gelesen, welches mir ungemein gefallen, und dessen Verfasser ich zu kennen wünschte [...]. Sein Werk ist eines der merkwürdigsten Produkte dieses Jahres.« Vgl. auch die Briefe vom 5. und 10. Dezember (Timoleon und Immanuel, S.204 und 208). Zit. nach H . Schulz, Friedrich Christian und Schiller, S.353. N A 27, S. 124. N u r wenige Monate zuvor (an Körner, 4. September 1794, N A 27, 37) hatte sich Schiller denkbar bitter über sein Stück geäußert: »ein Machwerk wie der Carlos eckelte mich nunmehr an, wie sehr gern ich es auch jener Epoche meines Geistes zu verzeyhen geneigt bin«. Gemeint ist freilich hier die ästhetische Qualität - nur sie?

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Sprache übersetzt.« 3 6 Dieser Typus der Kritik wird sich einbürgern; man greift die (schöne) Form, die Schreibart an und meint doch zugleich und zuvörderst den ästhetischen Gegenstand. 3 7 Auch Schiller selbst gegenüber beklagt der Herzog unumwunden »manche Dunkelheiten«, die er auf die ihm wenig sympathische »kritische Philosophie« schiebt. Immerhin gesteht er Ubereinstimmung darin zu, »was der Menschheit Noth ist« - er verwendet Reinholds Formel! Im Blick auf die Methode gibt er sich konziliant: »Die Verbesserung des Zustandes der Menschheit muß vom inren Menschen ausgehn.« Der Dissens über die ästhetische Erziehung, Schillers Pointe, bleibt indes in Kraft: »Es komt beynahe nicht auf die Form, es komt auf den Geist an durch welchen die Form Leben erhält. Ist dieser Geist, der Geist der Humanität, dann wird die gewünschte Verbesserung erfolgen, die Form mag beschaffen seyn wie sie will.« 3 8 Schiller meinte es ein wenig anders. Der Brief vom 19. März 1795 ist der letzte Brief seines Mäzens an ihn, der sich erhalten hat. Wenig später glaubt sogar Friedrich Nicolai mit seiner ungeschlachten Polemik gegen die »Hören« bei Friedrich Christian Gehör finden zu können. 3 9 Auch der einstige Vermittler Jens Baggesen, im März 1795 erneut in Weimar und Jena zu Besuch, hält jetzt mit seiner Enttäuschung nicht zurück - der Enttäuschung über Schillers Kälte angesichts der politischen Forderungen des Tages, die ihn nach wie vor umtreiben. A m 22. März 1795 schreibt er an Reinhold: »Schiller fängt an, als Schriftsteller bei mir zu fallen. Seine Horenankündigung hat mir in höchstem Grade misfallen. Der Mensch Schiller soll aber liebenswürdiger und liebenswürdiger werden, sagt man.« 4 0 Die Ankündigung der »Hören« gibt ja in der Tat Schillers Programm die wohl provozierendste Fassung. Wenige Tage später, in Nürnberg, ist sich 36

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A m 21. Februar 1795; zit. nach H. Schulz, Friedrich Christian und Schiller, S.256. Ähnlich der Augustenburger Hofprediger Christian Jessen an Friedrich Christian (27. Februar 1795, Aus dem Briefwechsel Friedrich Christians, S. 145). Dies gilt insonderheit für Friedrich Nicolai, der mit Invektiven gegen »dunkle Schulterminologieen«, »leere Schulspitzfindigkeiten«, »unverständliche Wendungen und Zusammenfügungen« beginnt, dann das Gemisch aus »Abstraktionen formaler Philosophie« und »Ausgüssen blühender Einbildungskraft« geißelt und schließlich den Kern der Sache, das Konzept der ästhetischen »Perfektibilität«, angreift: »So spielt der Traum der ästhetischen Erziehung mit Menschen und Staaten, und bildet beiden ein e falsche Perfektibilität vor; die sie nie erlangen können, indem er sie von der wahren Perfektibilität abwendet, welche erfordert, daß man Menschen und Staaten erst aus Erfahrung und von mehreren Seiten kennen lerne, ehe man darauf ausgeht, sie zu verbessern« (Beschreibung einer Reise, Bd. 11, 1796, S.240, 278, 281). Zu den Kombattanten des »Horen«-Streits: Regine Otto, Die Auseinandersetzungen um Schillers »Hören«, in: H.-D. Dahnke u. B. Leistner (Hrsg.), Debatten und Kontroversen, Bd. 1, S. 385-450. N A 35, S. 173f. Nicolai an Friedrich Christian, 30. Juni 1795, Aus dem Briefwechsel Friedrich Christians, S. 146ff. Baggesens Briefwechsel, Bd. 2, S. 18. Im Brief vom 4. September 1794 teilt Baggesen Reinhold einen Tagebuchauszug vom 19. Dezember 1793 mit, der schon für diese Zeit ein einigermaßen getrübtes Verhältnis zu Schiller bezeugt: »Von Schiller, daß ich glaubte, er würde sich entweder eine Kugel durch den Kopf brennen, oder durch irgend eine Revolution, die ihn eigentliche Leiden des Herzens kennen lehrte, z.B. beim Vaterwerden, oder, wenn dies zu spät

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Baggesen mit Erhard einig: » Ü b e r die Hören, ihr Vielversprechen und (bisher wenigstens) Wenighalten sind wir auch einer Meinung«. 4 1 Milder beurteilt er den Schlußteil der ästhetischen Briefe im sechsten Stück der » H ö r e n « - nicht zuletzt weil er glaubt, Schiller habe hier Reinhold ausgeschrieben. 4 2 D e r Bruch jedenfalls ist unverkennbar. Als Parteigänger k o m m t Schiller in der Tat nicht mehr in Frage. Von Humboldt wissen wir, daß auch Schiller Baggesen, »wie wohl zu denken ist, nicht liebt«, daß er sich den unerwünschten Besucher gar v o m Leibe zu halten sucht. 4 3 Schon eine kleine epigrammatische Stichelei Baggesens gegen (den verhaßten) Goethe reichte denn auch für eine Abfuhr in den »Xenien« aus: »Wäre N a t u r und Genie von allen Menschen verehret, / Sag, was bliebe, Phantast, denn für ein Publikum dir?« 4 4 D e r »Xenien«-Streit besiegelt die Entzweiung. »In Coppenhagen ist man auf die Xenien ganz grimmig«, weiß Schiller zu berichten. 4 5 Baggesen hält sie für eine »production toute monstrueuse«. 4 6 Friedrich Christian äußert schneidende Mißbilligung:

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sei, beim Verlust seines Sohnes, oder endlich, wenn dies auch nicht hinreichte, beim Verlust seiner Frau, gerettet werden« (Bd. 1, S.373)! An Reinhold, 30. März 1795, Baggesens Briefwechsel, Bd. 2, S.24. Am 26. Oktober 1794 hatte Schiller an Erhard geschrieben: »Im ersten Stück dieses Journals [der »Hören«] werden Sie einen Aufsatz von mir über die aesthetische Erziehung des Menschen finden, wo neben verschiedenen kleinen Ausfällen auf die Herren Politiker (auf der PhilosophenBank) auch einiges ist, was ich meinem Freund Erhard ans Herz lege« (NA 27, S. 73)! Schon vorher hatte Schiller Erhard zur Mitarbeit an den »Hören« aufgefordert, nicht ohne den Rat: »und lassen Sie vor der Hand die arme unwürdige und unreife Menschheit für sich selbst sorgen« (an Erhard, 28. Mai 1794, NA 27, 4). Uber die kosmopolitischen Interessen Erhards war Schiller gut informiert.

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An Reinhold, 19. Juli 1795, Baggesens Briefwechsel, Bd. 2, S.46. NA 42, S. 204. Es kam auch nur zu einer flüchtigen Begegnung. - Vernichtend das Urteil, das der Baggesen zunächst wohlwollend gegenüberstehende Wieland im Sommer 1795 abgibt: »daß er ein eitler, hoffärtiger, in sich selbst verliebter und seine eigene Wichtigkeit übertreibender, schwachherziger, unzuverlässiger nur gleich den Wahnsinnigen und Febricitanten in heftigen Paroxysmen eine momentane überspannte Stärke exorcierender, im Grunde aber äußerst kraftloser Mensch sei, den jedes Lüftchen wie ein Rohr hin und her wehen möge, und dessen wahrer Charakter sei, keinen Charakter zu haben« (zit. nach Otto Ernst Hesse, Jens Baggesen und die deutsche Philosophie, Leipzig 1914, S.22f.). NA 1, S. 343. Vgl. den Kommentar ΝΑ 2/II A, S. 552f. Gegen Baggesen richten sich auch die nachgelassenen Verse »Ueber der Kammerthüre manches Berühmten« (NA 2/1, S. 71). An Goethe, 18. November 1796, NA 29, S. 8. Die Nachricht stammt von der Gräfin Schimmelmann, die eher die Ausnahme darstellt. In ihrem Brief vom l.(?) und 8. November heißt es: »ach lieber Schiller Sie sollten nicht so scheint es mir sich an der Spitze der kriegführenden stellen, nicht im nahmen der musen die Geißel schwingen - verzeihen Sie meine aufrichtigkeit ich hörte schon so manches urtheil so manche giftige anmerkung - auch aufrichtige klagen der gutgesinnten [...]« (NA 36/1, S.366). Charlotte von Schimmelmann hatte sogar geglaubt, die Franzosen würden sich von Schillers ästhetischer Erziehung anstecken lassen: »-sollten die Franken nicht bald im hohen Flug den unsterblichen Geist fassen können noch sind sie zu weltlich, zu sehr im Sprudel der That hingerissen; aber auch sie haben die Ahnung und haschen nach dem Bilde der Menschheit im Schiller'schen Sinn; sie ahnen ihre nahe Gegenwart und kennen sie nicht« (an Sophie Baggesen, Ende März 1795, NA 35, S. 605).

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Charlotte von Schimmelmann an Luise Stolberg, 7. November 1796: »Baggesen en avoit par-

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»Schiller hat wirklich beynahe meine ganze Achtung durch seine Xenien verlohren. Nikolai wird diese Xenien beantworten [...]. D a s wird denn wohl nun eben nicht sehr fein werden. Die empfindlichste Strafe für Schillern wäre wohl ein gänzliches Stilschweigen aller von ihm Angegriffenen. Wäre eine solche Verabredung nur m ö g lich!« 4 7 Baggesen wie der H e r z o g praktizieren jenen »Parteigeist«, wie ihn die » H o ren«-Ankündigung perhorresziert - gegen einen Abweichler, einen verlorenen Verbündeten. Nicolais umständliche Verteidigung - der »Anhang zu Friedrich Schillers Musen-Almanach für das Jahr 1797« (1797) - findet allerdings auch keinen Beifall. Der H e r z o g : » N i k o l a i hat mir gestern seine Vertheidigung gegen Schiller geschickt. Sie ist noch gröber und unedler als der Angriff war, denn sie ist hämisch.« 4 8 Prinzessin Luise, die Schwester: »Wie herzlich wünschte ich, daß die für wahre Verehrer wahrer Aufklärung so betrübende, u[nd] für Spötter der Aufklärung so erfreunde ungesitteten Federkriege aufhörten - Wahrlich es ist äußerst traurig, wenn sonst talentvolle Männer Ihr Talent dazu misbrauchen, u m im Fischweiberton zu streiten -«, 4 9 D i e Prinzessin hat ein gutes G e s p ü r dafür, was geschehen ist. Schiller ist aus der Front der Aufklärungspartei, als deren Wortführer man ihn seit dem » D o n K a r l o s « betrachtet und umworben hat, ausgeschert. Man mag Nicolais grobe Manier nicht sonderlich, der Sache nach aber steht man auf seiner Seite. Ein Marquis Posa, der sich in die Gefilde der ästhetischen Kultur zurückzieht? Schillers Weg zu dem, » w a s der Menschheit N o t h ist«, der Weg über die Schönheit als »Vermittlerin der Wahrheit«, hat bei den dänischen K o s m o p o l i t e n wenig Aussicht auf Verständnis oder gar Billigung. Von einer »der herrlichsten Sonnen der A u f k l ä r u n g « 5 0 hatte man anderes erwartet. Wohl nichts könnte die Entfremdung drastischer vor Augen führen als die Parodie, mit der Baggesen ausgerechnet Schillers »Künstler« konterkarierte. Programmatisch hatte Schiller hier, 1789, das Bündnis von Wahrheit, Sittlichkeit und Schönheit, von K u n s t und Aufklärung gefeiert. D i e Eröffnungsverse stimmen den Triumph an:

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lé dans son spleen exageré comme d'une production toute monstrueuse. C'est de la persécution partout« ( N A 36/11, S.387). An die Schwester, Ende Januar 1797, zit. nach H. Schulz, Friedrich Christian und Schiller, S. 361. Antwort der Prinzessin Luise vom 4. Februar (ebd.): »Auch mit mir hat Schiller es durch seine Xenien ganz verdorben. [...] Ich fürchte Göthe hat Ihn verdorben. Wohl hast D u Recht daß es Schillern die empfindlichste Strafe seyn würde wenn Niemand seine schöne Sudeley der Aufmerksamkeit [würdigte] allein leider haben nicht alle so gedacht - Nicolais Antwort wird nicht fein werden.« Vgl. auch H . Schulz, Friedrich Christian, S. 209f. Noch am 23. November 1796 hatte Schiller die letzte Geldsendung seines Mäzens empfangen - das Stipendium war um zwei Jahre verlängert worden. H . Schulz, Friedrich Christian und Schiller, S.362. In seinem Brief an den Herzog vom 13. März 1797 (ebd., S. 362f.) scheut sich Nicolai nicht, Schiller auch moralisch anzuschwärzen: »wie denn Schiller durch Egoismus u. Eigensinn zu einer Lebensart gekommen ist, die nothwendig auf seine Schrifften einen nachtheiligen Einfluß haben muß«! H . Schulz, Friedrich Christian und Schiller, S. 362. - Zum Kampf um die »Xenien«: Bernd Leistner, Der Xenien-Streit, in: H.-D. Dahnke u. B. Leistner (Hrsg.), Debatten und Kontroversen, Bd. 1, S.451-539, zu Nicolais Rolle S.SOlff. So Baggesen an Schiller, 29. März 1792, N A 34/1, S. 149.

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Wie schön, o Mensch, mit deinem Palmenzweige stehst du an des Jahrhunderts Neige, in edler stolzer Männlichkeit, mit aufgeschloßnem Sinn, mit Geistesfülle, voll milden Emsts, in thatenreicher Stille der reifste Sohn der Zeit, frey durch Vernunft, stark durch Gesetze [...]5< F r ü h e r e V a r i a n t e n des G e d i c h t s f ü g t e Schiller in die Briefe an d e n A u g u s t e n b u r g e r P r i n z e n ein, schrieb er a u c h Baggesen ins S t a m m b u c h . 5 2 Baggesens K o n t r a f a k t u r h e i ß t »Die Krieger« u n d erscheint 1795 in P a u l u s U s t e r i s »Beiträgen z u r G e s c h i c h t e der französischen Revolution«, a n o n y m , mit d e m Zusatz »Parodisch«. Von G r u n d auf w i r d die A t m o s p h ä r e des F r i e d e n s , die Schillers Verse d u r c h z i e h t , z e r s t ö r t . D e r E i n g a n g lautet hier: Wie scheußlich Mensch, mit deinem Bajonette, Stehst du in der geschloßnen Mörderkette, Mit eingefuchtelter Vermessenheit; Mit feigem Sinn, mit wüthiger Geberde, Taktmäßig stampfend auf der fremden Erde; auf deines Treibers Wink bereit, In gleichgeformten willenlosen Horden Zehntausend gegen dich Geprügelte zu morden, Mit mehr als thierischer Unmenschlichkeit; Voll Rache gegen nie geseh'ne Brüder Wie scheußlich stehst du da, nicht Held, nein! Hyder Am Ende deiner Greuelzeit, Getrieben reif zur Höllenewigkeit. - 5 3 W ä h r e n d Baggesen sein A n t i - K r i e g s - G e d i c h t d a n n d o c h u m m ü n z t in ein P r o p a g a n d a g e d i c h t gegen die D e s p o t e n d e r K o a l i t i o n u n d i h r e A r m e e n , die z u m » g r o ß e n F r a n k e n b r u d e r m o r d e « a u s h o l e n , v e r s u c h t Schiller - Baggesens e r r e g t e Verse zeigen es im K o n t r a s t - das schier U n m ö g l i c h e , s u c h t er z u r e t t e n , w a s n o c h z u r e t t e n ist. D a s p r e k ä r e G e b i l d e , das er a u f b i e t e t , u m d e n »politischen J a m m e r « , 5 4 d e n » K a m p f politi-

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N A 1.S.201. Vgl. die Briefe an Friedrich Christian vom 13. Juli (NA 26, S.266) und 11. November 1793 (Einschluß, N A 26, S. 313f.), ferner den Stammbucheintrag für Baggesen vom 9. August 1790 (NA 1, S.217). Hier zitiert nach dem Abdruck N A 37/11, S.248. Karl Rahlenbeck hatte Schiller in einem Brief vom 7. Dezember 1797 auf das Gedicht aufmerksam gemacht - er hielt es für eine Arbeit des Gothaer Bibliothekars Reichard (NA 37/1, S. 186). O b Schiller die Parodie schon früher kennenlernte, ist nicht auszumachen. Vgl. Jens Baggesen, Poetische Werke in deutscher Sprache. Hrsg. von den Söhnen des Verfassers, Carl und August Baggesen, 5 Tie., Leipzig 1836, Tl. 2, S. 264-268. An Goethe, 20. Oktober 1794, N A 27, S.67. 222

scher Meinungen und Interessen«, den »unreinen Parteigeist«55 zu unterlaufen, heißt »ästhetischer Staat«. Schon die Statuierung eines Staates, dessen Element der Schein ist, läßt sich an Kühnheit schwerlich überbieten. Die politischen Staatsmodelle werden einfach beiseite geschoben; vom »politischen Schöpfungswerk« ist nicht mehr die Rede; wie sich der »ästhetische Staat« dazu verhält, bleibt jedenfalls völlig offen. Und was ist das für ein Konstrukt, das seine Existenz einer Metapher verdankt? Denn als metaphorischer Einfall, ganz nebenher, war der »ästhetische Staat« schon in den »Kallias«-Briefen zur Welt gekommen. Schon hier werden die Theoreme der »Freiheit in der Erscheinung«, der »Avtonomie der Erscheinung« in eine »aesthetische Welt« überführt, »die eine ganz andre ist als die vollkommenste Platonische Republik«. Die Opposition zur »Platonischen Republik« ist die Keimzelle des »ästhetischen Staats«, in der Form wie in der Sache. Denn hier regieren Freiheit und Gleichheit gemeinsam - so daß in der »aesthetischen Welt« niemand »nicht einmal um des Ganzen willen darf gezwungen werden sondern zu allem schlechterdings consentiren muß«. 56 Der Schluß der Ästhetischen Briefe knüpft an diese Stelle an: »In dem ästhetischen Staate ist alles - auch das dienende Werkzeug ein freyer Bürger, der mit dem edelsten gleiche Rechte hat«. Geschmack und guter Ton, also das gesellig-gesellschaftlich praktizierte Ästhetische, verwirklichen schon jetzt (und nicht etwa in utopischer Ferne), in ihrem Element, die Ideale von Freiheit und Gleichheit, welche »der Schwärmer so gern auch dem Wesen nach realisiert sehen möchte«. 57 Dem Wesen nach - mithin in der politischen und bürgerlichen Wirklichkeit, mit den bekannten Folgen. Auch für seinen Staat bedarf Schiller einer Revolution - »einer totalen Revolution« in der »ganzen Empfindungsart«.58 Auch für seinen Staat verspricht er eine eigene »Constitution«, die es bislang nicht gäbe.59 Er wird sie nicht mehr liefern. Das Fundamentalgesetz indes hat er eindeutig ausgesprochen. »Freyheit zu geben durch Freyheit ist das Grundgesetz dieses Reichs.« 60 So lautet seine Wunschformel - der Kern seines »politischen Glaubensbekenntnisses«.61 Ihre volle Bedeutung gewinnt sie aus der Gegenformel, auf die sie antwortet. Freiheit durch Zwang, durch Despotismus das war Schiller seit langem bekannt. Am Beispiel Posas hatte er diese Formel gleichsam am eigenen Leibe durchexerziert. Als sie in der Französischen Revolution ungeahnte Aktualität gewann, war er gegen ihre Verführungskraft gefeit. Die Fußnote, mit der die »Horen«-Fassung der Ästhetischen Briefe endet - erst die »Kleineren prosaischen Schriften« von 1801 versetzen sie in den Haupttext - , enthält eine weitere verdeckte Provokation. Ihr, wie es scheint, unverfänglicher Wortlaut: »Existiert aber auch ein solcher Staat des schönen Scheins, und wo ist er zu fin55 56 57 58 59 60 61

Ankündigung der »Hören«, N A 22, S. 106. An Körner, 23. Februar 1793, N A 26, S.212. N A 20, S.412. N A 20, S.405. N A 21, S.247, Lesarten (nur in der »Horen«-Fassung). N A 20, S.410. An Garve, 25. Januar 1795, N A 27, S. 125.

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den? Dem Bedürfniß nach existiert er in jeder feingestimmten Seele, der That nach möchte man ihn w o h l nur, wie die reine Kirche und die reine Republik in einigen wenigen auserlesenen Zirkeln finden [. ..].« 62 Das Kompliment geht natürlich in erster Linie nach Dänemark. D o r t w a r man allerdings auch in der Lage, seine Zweischneidigkeit zu erkennen. Sie tritt zutage, sobald sich die Aufmerksamkeit auf den Vergleich mit der »reinen Kirche« und der »reinen Republik« richtet. Denn Schiller spart einen Vergleichsgegenstand aus, der nahe genug liegt. Neben dem pietistisch-separatistischen (»reine Kirche«) und dem Motiv aus der Tradition der Staatsutopien (»reine Republik«) fehlt das nicht weniger einschlägige masonisch-geheimbündlerische. Hatte nicht der Prinz v o n Augustenburg v o n »Kränzgen« gesprochen, w e n n er mit Baggesen über die Illuminaten verhandelte? Das muß Schiller nicht gewußt haben. Wohl aber konnte er wissen, daß die Rede v o n der »unsichtbaren Kirche« seit Lessing und Herder mit maurerischen Assoziationen aufgeladen war. 6 3 U n d ist nicht der »ästhetische Staat« ganz ähnlich konstruiert wie Lessings Gesellschaft der wahren »Freimäurer« oder deren Nachfolgerin bei Herder, die »Gesellschaft aller denkenden Menschen« - bilden sie alle doch ein »opus supererogatum«, einen Staat im Staate, strikt darauf bedacht, sich nicht auf die Übel einzulassen, die sie v o n G r u n d auf heilen w o l len, hoffend also, daß Distanz zur Wirklichkeit wirklichkeitsverändernd wirken könnte? 6 4 Daß Fichte umgekehrt den Lessingschen Vorgaben Momente aus Schillers ästhetischer Erziehung zum ganzen Menschen zuführen wird, um den Zweck der Freimaurer-Gesellschaft zu bestimmen, bekräftigt solche Zusammenhänge. 6 5 O b ge-

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N A 20, S.412; vgl. N A 21, S.277. Lessing, Ernst und Falk. Gespräche für Freimäurer, II; G. E. Lessing, Werke, hrsg. von Herbert G. Göpfert, 8 Bde., München 1970-1979, hier Bd. 8, hrsg. von Helmut Göbel, München 1979, S.465. Herder, Gespräch über eine unsichtbar-sichtbare Gesellschaft, in: Briefe zu Beförderung der Humanität II, Riga 1793; Sämmtl. Werke, Bd. 17, S. 128. Zum Topos der »unsichtbaren Kirche« auch J. d'Hondt, Verborgene Quellen des Hegeischen Denkens, S. 227f. und 274ff. Vgl. dazu die Ehrenrettung der ästhetischen Erziehung Schillers als »Revolutionierung der Verständigungsverhältnisse« durch Jürgen Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen, Frankfurt/M. 1988 (zuerst 1985), S. 59ff. Gegen schnellfertige Verächter der Schillerschen Ästhetik zuletzt besonders prägnant: Bernd Bräutigam, Konstitution und Destruktion ästhetischer Autonomie im Zeichen des Kompensationsverdachts, in: Wolfgang Wittkowski (Hrsg.), Revolution und Autonomie. Deutsche Autonomieästhetik im Zeitalter der Französischen Revolution. Ein Symposium, Tübingen 1990, S. 244-259. Johann Gottlieb Fichte, Vorlesungen über die Freimaurerei (Titel von den Herausgebern), in: J. G. Fichte, Ausgewählte Politische Schriften, hrsg. von Zwi Batscha und Richard Saage, Frankfurt/M. 1977 (zuerst: Briefe an Konstant, in: Eleusinien des 19. Jahrhunderts. Oder Resultate vereinigter Denker über Philosophie und Geschichte der Freimaurerei, Bd. 1 u. 2, Berlin 1802 u. 1803), S. 171ff., hier S. 180f.: »Es ist uns nun ein Zweck gegeben, den die größere menschliche Gesellschaft gar nicht beabsichtigen kann, indem er über sie hinaus liegt und durch die Existenz der Gesellschaft erst aufgestellt wird, ein Zweck, der nur durch Ausgehen von der Gesellschaft und Absonderung von ihr erreicht werden kann, der Zweck: die Nachteile der Bildungsweise in der größeren Gesellschaft wieder aufzuheben und die einseitige Bildung für den besonderen Stand in die gemein menschliche Bildung, in die allseitige des ganzen Menschen, als Menschen zu verschmelzen. [...] Dies oder keiner ist der Zweck der Frei224

wollt oder nicht, objektiv gesehen nimmt Schillers »ästhetischer Staat« die Stelle der »Kränzgen« ein, von denen man in Kopenhagen träumt, besetzt er den Platz der geheimbündlerischen Eliten, die das Reich der Vernunft heraufführen wollten. Es gab Leser, denen diese implizite Konkurrenz nicht entgehen und schon gar nicht gefallen konnte. Der Schlußpassus der Ästhetischen Briefe bildet zugleich einen hochironischen Abschluß der Geschichte von Schillers Begegnungen mit den Illuminaten und ihren Nachfahren. Schiller konnte auch deutlicher werden. Die Verse »An einen Weltverbesserer«, ebenfalls 1795 in den »Hören« erschienen, sprechen seine Haltung zur kosmopolitischen Grandiosität ganz unverblümt aus: Alles, sagst du mir, opfert' ich hin, der Menschheit zu helfen, Eitel war der Erfolg, Haß und Verfolgung der Lohn. Soll ich dir sagen, Freund, wie Ich mit den Menschen es halte? Traue dem Spruche! N o c h nie hat mich der Führer getäuscht. Von der Menschheit

- du kannst von ihr nie groß genug denken

Wie du im Busen sie trägst, prägst du in Thaten sie aus. Auch dem Menschen,

der dir im engen Leben begegnet,

Reich' ihm, wenn er sie mag, freundlich die helfende Hand. Nur für Regen und Thau und fürs Wohl der

Menschengeschlechter

Lass du das liebe Geschick walten wie gestern so heut. 6 6

Mag sein, daß Fichte der inspirierende Adressat ist. 67 Doch reichen die Anspielungen weiter. Albrecht Friedrich Lempp, der Freund aus Karlsschulzeiten, den wir als illuminatischen Werber in Mannheim kennengelernt haben, erkannte sich und seine Geheimbundlaufbahn in Schillers Gedicht wieder.68 Und just Johann Benjamin Erhard, dem Freund Reinholds und Baggesens, dem Genossen ihrer Ordenspläne, schickt Schiller die prosaische Fassung seiner Lehre: »Nach und nach, denke ich mir, sollen Sie Sich ganz und gar von dem Feld des praktischen Cosmopolitism zurükziehen, um mit Ihrem Herzen sich in den engeren Kreis der Ihnen zunächst liegenden Menschheit einzuschließen, indem Sie mit Ihrem Geist in der Welt des Ideals leben. Glüend für die Idee der Menschheit, gütig und menschlich gegen den einzelnen Menschen, und gleichgültig gegen das ganze Geschlecht, wie es wirklich vorhanden ist - das ist mein Wahlspruch.«69 Die Maxime kommt einer Rücknahme des Marquis Posa gleich. Maurer-Gesellschaft, so gewiß Weise und Tugendhafte sich mit derselben befassen. - Der Maurer, der als Mensch geboren ward, und durch die Bildung seines Standes, durch den Staat und durch die übrigen gesellschaftlichen Verhältnisse hindurchging, soll auf diesem Boden wieder ganz und durchaus zum Menschen gebildet werden.« - Gut bekannt sind demgegenüber die (kritischen) Anleihen, die schon Fichtes Schrift »Ueber Geist und Buchstab in der Philosophie« (1795) bei Schillers ästhetischer Erziehung aufgenommen hat, und Schillers scharfe Reaktion darauf. Vgl. E. Winkelmann, Schiller und Fichte, S.224ff.; W. Düsing, Uber die ästhetische Erziehung des Menschen, S. 173ff. 66 67 68 69

N A 1, S.259. So Wilhelm von Humboldt in dem Brief vom 18. August 1795, N A 35, S.291. Dazu Kap. III, Anm. 2. Schiller an Erhard, 5. Mai 1795, N A 27, S. 181.

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N o c h einmal verabschiedet Schiller den »Ordensgeist«. N o c h einmal findet er zu der Humanitätsformel der konkreten, natürlichen Nähe, die er als Korrektiv schon Jahre zuvor dem »praktischen Cosmopolitism« seines Helden entgegengehalten hatte.

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Nachweis der Abbildungen

Adam Weishaupt. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: Porträtsammlung 1/14344.1 Jakob Friedrich Abel. Landesbildstelle Württemberg Adolf Freiherr von Knigge. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: Porträtsammlung A 11167 Karl Leonhard Reinhold. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: Porträtsammlung A 17447 Johann Joachim Christoph Bode. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: Porträtsammlung 1/1228 Rudolf Zacharias Becker. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: Porträtsammlung A 1162 Karl Theodor von Dalberg. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: Porträtsammlung A 4299 Friedrich Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg. Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin Jens Baggesen. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: Porträtsammlung 1/536

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Literaturverzeichnis

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