Die Bordbetriebsverfassung nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG unter Berücksichtigung europa- und verfassungsrechtlicher Vorgaben [1 ed.] 9783428539819, 9783428139811

Das Betriebsverfassungsgesetz klammert die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer aus seinem Geltungsbereich aus und

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Die Bordbetriebsverfassung nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG unter Berücksichtigung europa- und verfassungsrechtlicher Vorgaben [1 ed.]
 9783428539819, 9783428139811

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 315

Die Bordbetriebsverfassung nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG unter Berücksichtigung europa- und verfassungsrechtlicher Vorgaben

Von

Alexis Darányi

Duncker & Humblot · Berlin

ALEXIS DARÁNYI

Die Bordbetriebsverfassung nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG unter Berücksichtigung europa- und verfassungsrechtlicher Vorgaben

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Matthias Jacobs, Hamburg Prof. Dr. Rüdiger Krause, Göttingen Prof. Dr. Sebastian Krebber, Freiburg Prof. Dr. Thomas Lobinger, Heidelberg Prof. Dr. Markus Stoffels, Heidelberg Prof. Dr. Raimund Waltermann, Bonn

Band 315

Die Bordbetriebsverfassung nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG unter Berücksichtigung europa- und verfassungsrechtlicher Vorgaben

Von

Alexis Darányi

Duncker & Humblot · Berlin

Die Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-13981-1 (Print) ISBN 978-3-428-53981-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-83981-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Promotionsausschuss der Bucerius Law School, Hochschule für Rechtswissenschaft, Hamburg, im Frühjahrstrimester 2012 als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung erfolgte am 26. Juni 2012. Das Manuskript wurde im Herbst 2011 abgeschlossen. Bis 31. August 2012 veröffentlichte Literatur wurde nachgetragen. Meinem hoch geschätzten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Matthias Jacobs, gilt mein besonderer Dank für seine stete Ansprechbarkeit, Unterstützung und nicht zuletzt sein hohes Maß an Empathie für alle Sorgen und Nöte eines Doktoranden. Ebenso gilt mein Dank Herrn Professor Dr. Rüdiger Krause, GeorgAugust-Universität, Göttingen, für die Erstellung des Zweitgutachtens und seine äußerst hilfreichen Anmerkungen. Den Herren Dr. Sebastian Naber, Jan Wildhirt und Michael Knott sei herzlich für das Korrekturlesen gedankt. Mein größter Dank gilt jedoch meiner Familie, insbesondere auch meinem Stiefvater, Herrn Professor Dr. Wulf von Schimmelmann, durch deren Rückhalt und Unterstützung diese Arbeit erst ermöglicht wurde. Hamburg, im Oktober 2012

Alexis Darányi

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Praxisbeispiele für Bordbetriebsverfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Tarifpartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Erscheinungsformen der Tarifverträge Personalvertretung . . . . . . . . . . . . . . C. Struktur und inhaltliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. TV PV Deutsche Lufthansa Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Organe der Bordverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gruppenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeitsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechte und Pflichten der Personalvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitbestimmungsrechte im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mitwirkung in personellen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitwirkung in sozialen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . 4. Straf-, Zwangsgeld- und Bußvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. TV PV für das Cockpitpersonal der Air Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Organe der Bordverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechte und Pflichten der Personalvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitbestimmungsrechte im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mitwirkung in personellen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitwirkung in sozialen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . 4. Straf-, Zwangsgeld- und Bußvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. TV PV für das Kabinenpersonal der Contact Air . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Organe der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechte und Pflichten der Personalvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitbestimmungsrechte im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mitwirkung in personellen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitwirkung in sozialen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . 4. Straf-, Zwangsgeld- und Bußvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. TV PV für das Kabinenpersonal der Eurowings Luftverkehrs AG . . . .

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Inhaltsverzeichnis 1. Organe der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechte und Pflichten der Personalvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitbestimmungsrechte im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mitwirkung in sozialen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . 4. Straf-, Zwangsgeld- und Bußvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 3 Entstehungsgeschichte und Tatbestand der Bereichsausnahme für das Bordpersonal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Tatbestandliche Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auslegung des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff des Luftfahrtunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Persönlicher Anwendungsbereich des § 117 Abs. 2 BetrVG . . . . . . . . . 1. Im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Flugkapitän als leitender Angestellter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anwendbarkeit personalvertretungsrechtlicher Tarifverträge auf Arbeitsverhältnisse mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tarifvertragsstatut versus Betriebsverfassungsstatut . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmung des Betriebsverfassungsstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendung auf den Flugbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen der tarifvertraglichen Normsetzung im Bereich des Betriebsverfassungsrechts . . . . . . A. Tarifautonomie als Teil der Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dogmatische Herleitung der Rechtsetzungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Delegationstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Autonomietheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbefehlslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bewertung der unterschiedlichen Erklärungsmodelle . . . . . . . . . . . . II. Normsetzungsbefugnis als Bestandteil der Koalitionsfreiheit . . . . . . . . B. Tarifvertragliche Betriebsverfassungsnormen als Gegenstand koalitionsspezifischer Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Betriebsverfassung als Teil der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen i. S. d. Art. 9 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Normative Kraft von tarifvertraglichem Betriebsverfassungsrecht als leistungsrechtlicher Teil der Koalitionsfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erstreckung von betriebsverfassungsrechtlichen Tarifnormen auf Außenseiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vereinbarkeit mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip . . . . . . a) Legitimationsbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis b) Erfüllung der Legitimationsanforderungen durch § 3 Abs. 2 TVG i.V. m. § 117 Abs. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit mit der negativen Koalitionsfreiheit der Außenseiterarbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Einfachgesetzliche Grundlagen für tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tarifvertragsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Betriebsverfassungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verhältnis von Tarifvertragsgesetz und Betriebsverfassungsgesetz . . . . 1. Gestaltungsspielraum allein im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebsverfassungsgesetz als zwingendes Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . 3. Betriebsverfassungsgesetz als dispositives Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bewertung der verschiedenen Erklärungsmodelle: Einschränkung der tarifvertraglichen Regelungsbefugnis allein durch zwingenden Charakter des BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5 Bereichsausnahme des § 117 BetrVG als Verstoß gegen höherrangiges Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Europarechtskonformität des § 117 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Richtlinienkonformität des § 117 Abs. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Europarechtskonforme Auslegung und Rechtsfortbildung des § 117 Abs. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anspruch auf Abschluss eines Tarifvertrages nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europarechtskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Europarechtskonforme Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verfassungsmäßigkeit des § 117 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verstoß gegen das allgemeine Gleichheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung . . . a) Festlegung des Prüfungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Nicht ortsgebundene Art der Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zwang zur fortwährenden Ausübung der fliegerischen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Arbeitszeiten des fliegenden Personals . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (1) Bereichsausnahme im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Konkrete Ausgestaltung durch die Tarifvertragsparteien . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungskonforme Auslegung und Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Subsidiäre Geltung des BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungskonforme Begrenzung des Gestaltungsspielraums . 2. Verfassungskonforme Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Folgeprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völliger Ausfall der personalvertretungsrechtlichen Vertretung für das Bordpersonal? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsequenz der verfassungskonformen Auslegung für die Zulässigkeit der Geltungserstreckung auf Außenseiter . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eingriff in die Koalitionsfreiheit durch die verfassungskonforme Auslegung des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 6 Inhalt und Grenzen der Regelungsbefugnis der Tarifpartner . . . . . . . . . . . A. Abweichungen aufgrund der Besonderheiten des Flugbetriebs . . . . . . . . . . B. Einbindung von Gerichten und Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gruppenbildung und Stimmparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gruppenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ordnungskriterien der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berücksichtigung der Ordnungskriterien bei tarifautonomen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundlage des Mandats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einheit von Mandat und Legitimation als Prinzip der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorgaben aus der Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Straf-, Zwangsgeld- und Bußvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ordnungsgeld und Zwangsgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Straftatbestände, Straf- und Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Errichtung einer auf bestimmte Mitarbeitergruppen beschränkten Personalvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 7 Tarifrechtliche Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Anmerkung zur Methodik: Eingeschränkte Übertragbarkeit der im Rahmen des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG entwickelten Lösungen . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtliches Gebot gewerkschaftlicher Kooperation bei Gewerkschaftspluralität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gewerkschaftspluralität im Rahmen des § 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . II. Gewerkschaftspluralität im Rahmen des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG . . .

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III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Tarifkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tarifkonkurrenz bei Organisationstarifverträgen nach § 3 BetrVG . . . . 1. Spezialitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Günstigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mehrheitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unwirksamkeit sich widersprechender Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . 5. Modifiziertes Prioritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vorrang der stärkeren Regelungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Vorrang der größeren Sachnähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tarifkonkurrenz bei der Bordbetriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Nachwirkung personalvertretungsrechtlicher Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . I. Zweck der Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG im Allgemeinen . . . 1. Schaffung von Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestandsschutzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ordnungs- und Überbrückungsfunktion der Nachwirkung? . . . . . . . II. Nachwirkung betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen? . . . . . . . . . . 1. Zweckwidrigkeit der Nachwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Perpetuierung der nachwirkenden Tarifnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendung auf nach Ablauf des Tarifvertrags begründete Arbeitsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Erzwingbarkeit des Tarifabschlusses durch Arbeitskampf . . . . . . . . . . . . . . . I. Erstreikbarkeit eines Organisationstarifvertrags im Rahmen des § 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erstreikbarkeit eines Tarifvertrages nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 8 Gerichtliche Kontrolle der Tarifverträge nach § 117 Abs. 1 S. 2 BetrVG . A. Möglichkeiten der gerichtlichen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wahlanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfahren nach § 9 TVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Inzidentkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Umfang der Überprüfbarkeit durch die Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fehlerfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

187 187 188 188 188 190 194 195 195 195 197 197 198 200

§ 9 Exkurs: Kooperationstarifverträge nach § 117 Abs. 2 S. 2 BetrVG . . . . . . 203 § 10 Bordbetriebsverfassung de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

12

Inhaltsverzeichnis A. Defizite der gegenwärtigen Gesetzeslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anforderungen an die Ausgestaltung durch den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . I. Sonderregelungen durch Tarifvertrag, Gesetz oder Rechtsverordnung II. Inhalt der Rechtsverordnung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Organe der Bordbetriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Integration der Vertretung des Bordpersonals in die Mitbestimmungsorgane der Bodenbetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mitbestimmungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kündigungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ordnungs- und Zwangsgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

206 208 208 211 211 212 214 214 215 215

§ 11 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Anhang: Entwurf einer Rechtsverordnung über die Betriebsverfassung des fliegenden Personals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

220

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

§ 1 Einleitung A. Einführung Ein vom allgemeinen Arbeitsrecht losgelöstes „besonderes Arbeitsrecht“ für Besatzungsmitglieder von Luftfahrzeugen gibt es nicht. Gleichwohl ist es nicht zu bestreiten, dass das Arbeitsverhältnis des Bordpersonals im Luftverkehr von besonderen Umständen geprägt ist, unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist, insbesondere hinsichtlich Art, Ort und Zeit. Diese Besonderheit schlägt sich in einer Vielzahl von sonder- und spezialgesetzlichen Regelungen nieder. Nicht zuletzt deshalb wurde das Arbeitsrecht für das Bordpersonal als „terra incognita“ bezeichnet1. Dies gilt insbesondere auch für das Betriebsverfassungsrecht, das in den Luftfahrtunternehmen traditionell Personalvertretungsrecht genannt wird2. Nun ist die Sonderstellung des Bordpersonals im Betriebsverfassungsrecht keine Neuerung. Die Besonderheit der betrieblichen Mitbestimmung des sogenannten fliegenden Personals3 besteht in rechtstechnischer Hinsicht darin, dass es sich seit jeher um ausschließlich auf Tarifverträgen beruhendes Betriebsverfassungsrecht handelt, also um ein „Betriebsverfassungsrecht ohne Betriebsverfassungsgesetz“ 4. Während das übrige Betriebsverfassungsrecht seit dem Betriebsrätegesetz vom 20. Februar 1920 Gegenstand eines formellen Gesetzes ist, existiert für das fliegende Personal eine Bereichsausnahme: Der mit dem Betriebsverfassungsgesetz von 1972 eingeführte § 117 Abs. 2 BetrVG verweist auf die Möglichkeit, einen entsprechenden Tarifvertrag abzuschließen. Diese einzigartige Sonderregelung im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts der Bundesrepublik Deutschland war von Anfang an umstritten und problematisch. Dies liegt zum einen an der Einschätzung, dass das Betriebsverfassungsrecht für das fliegende Personal nicht nur anders, sondern auch weit ungünstiger geregelt ist als für das Bodenpersonal und die Arbeitnehmer der gesamten übrigen Wirtschaft5. Zum an1

Schmid/Roßmann, Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder, Rn. 1. Die Bezeichnung Personalvertretung entstand in Anlehnung an die Personalräte im öffentlichen Dienst (vgl. hierzu Lufthansa, Betriebsverfassung des Bordpersonals, S. 7). 3 Der Begriff „fliegendes Personal“ bezieht sich auf die Besatzungsmitglieder von Flugzeugen und wird auch in der Gesetzesbegründung verwendet (vgl. BegrRegE, BTDrucks. VI/1786, S. 58). In der vorliegenden Arbeit ist er als Synonym für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu verstehen und umschreibt insofern lediglich den personellen Anwendungsbereich des § 117 Abs. 2 BetrVG. 4 So bereits Mußgnug, in: FS Duden, S. 335 ff. 5 Vgl. hierzu § 5 B.1. 2

14

§ 1 Einleitung

deren folgen Probleme daraus, dass die Ermächtigungsnorm des § 117 Abs. 2 BetrVG keinerlei Vorgaben hinsichtlich der Ausgestaltung des tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts macht, sodass sich der Inhalt und die Grenzen der Gestaltungsbefugnis der Tarifpartner nur schwer bestimmen lassen. Insbesondere der letztgenannte Umstand gewinnt vor dem Hintergrund einer anderen viel diskutierten kollektivrechtlichen Fragestellung an Relevanz. Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag wird in der Arbeitsrechtswissenschaft und Rechtsprechung schon seit Längerem erörtert6, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Ende Juli 2001 ist das Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsrechts mit dem Ziel in Kraft getreten, das System der Betriebsverfassung flexibler zu gestalten7. Ein entscheidendes Element dieser Reform war die Neufassung des § 3 BetrVG, durch den der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit eröffnete, das gesetzliche Modell der Betriebsverfassung durch Vereinbarung weitreichend umzugestalten. Darüber hinaus wurde der Staat aus seiner Rolle als „Hüter der Betriebsverfassung“ 8 entlassen, indem das bisher in § 3 Abs. 2 BetrVG a. F. geregelte staatliche Zustimmungserfordernis gestrichen wurde. Diese Neuregelung ist Gegenstand zahlreicher Arbeiten und Abhandlungen9. Die kontroverse Diskussion kreist unter anderen um den schon lange schwelenden Streit um die Legitimation der Tarifvertragsparteien zur Normsetzung auch gegenüber nicht oder anders organisierten Arbeitnehmern. Die viel weiter reichenden Gestaltungsmöglichkeiten der Tarifvertragsparteien im Rahmen des § 117 Abs. 2 BetrVG werden in diesem Zusammenhang, wenn überhaupt, nur am Rande und mit Verweis auf die Argumentation im Rahmen des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG diskutiert. Dies wird den Besonderheiten der rechtlichen und tatsächlichen Situation der im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer nicht gerecht. Aktualität gewinnen die Fragestellungen rund um die Betriebsverfassung für das fliegende Personal von Luftfahrtunternehmen zudem durch eine bedeutende neuere Entwicklung in der Gewerkschaftslandschaft, die „Renaissance“ der Berufsgewerkschaften10. Nicht zuletzt der von den Medien und der Öffentlichkeit

6 Vgl. zu der Rechtslage vor dem BetrVerfReformgesetz: Bakopoulos, Zuständigkeitsverteilung; Spilger, Tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht; Spinner, Vereinbarte Betriebsverfassung. 7 BegrRegE, BT-Drucks. XIV/5741, S. 26. 8 Vgl. Annuß, NZA 2002, 290. 9 Vgl. zu der Rechtslage nach dem BetrVerfReformgesetz: Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit; Rolf, Betriebsratsstruktur; Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag; Spinner, Vereinbarte Betriebsverfassung; Sobotta, autonome Organisation; Teusch, Die Organisation; Utermark, Organisation der Betriebsverfassung; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung. 10 Vgl. zu diesem Phänomen Deinert, NZA 2009, 1176 ff.; Müller/Wilke, Industrielle Beziehungen 2009, 377–401.

A. Einführung

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mit großem Interesse verfolgte Arbeitskampf der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL)11 zeigte, welche große Herausforderung dieses Thema für die Arbeitsrechtsordnung mit sich bringt. Mit dem Aufkommen von Berufsgewerkschaften und der damit einhergehenden Gewerkschaftspluralität auch bei verschiedenen Fluggesellschaften ist die Problematik im Luftverkehr ebenfalls akut geworden. Konkret gibt es dort mit der Vereinigung Cockpit (VC) und der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (UFO) zwei Berufsgewerkschaften sowie die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) als Branchengewerkschaft. Das Nebeneinander dieser Organisationen wirft die Frage auf, wie die Arbeitsrechtsordnung auf den Regelungsanspruch dieser zum Teil antagonistisch agierenden Gewerkschaften hinsichtlich der tarifvertraglichen Betriebsverfassung reagiert. Es gilt also unter anderem zu klären, ob allein eine einheitliche tarifvertragliche Bordbetriebsverfassung zulässig bzw. gar eine einheitliche Verhandlungsführung aller tarifzuständigen Gewerkschaften erforderlich ist oder ob gerade umgekehrt partikulare Personalvertretungen, also auf bestimmte Mitarbeitergruppen beschränkte Personalvertretungen auf tarifvertraglicher Basis, gestattet sind12. Die rechtliche Brisanz wurde zuletzt im Sommer 2008 augenfällig, als die VC im Rahmen einer Tarifauseinandersetzung mit der Lufthansa neben Entgelterhöhungen eine konzernweite Personalvertretung exklusiv für Piloten neben der bisher bestehenden personalvertretungsrechtlichen Struktur forderte13. Im Falle der Zulässigkeit einer derartigen Personalvertretung stellt sich eine Fülle an tarifrechtlichen Problemen. Dazu zählt etwa die Frage, wie im Falle einer Kollision solcher tariflicher Regelungswerke die Tarifkonkurrenz schlüssig aufgelöst werden kann. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass die Ausgangssituation der im Flugbetrieb Beschäftigten eine grundsätzlich andere ist als bei Organisationstarifverträgen nach § 3 BetrVG: Im Gegensatz zu den übrigen Arbeitnehmern verharren die im Flugbetrieb Beschäftigten ohne einen Tarifvertrag gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG in einem vertretungslosen Zustand, da sie vom Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen sind14. Vor diesem Hintergrund ist es einleuchtend, dass die diskutierten Lösungsansätze im Rahmen des § 3 BetrVG nur eingeschränkt auf das tarifvertragliche Betriebsverfassungsrecht gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG übertragen werden können. Die vorliegende Arbeit möchte einen Beitrag zur Klärung der zahlreichen verfassungsrechtlichen, betriebsverfassungsrechtlichen und tarifrechtlichen Probleme im Zusammenhang mit der tarifvertraglichen Bordbetriebsverfassung nach 11 Vgl. beispielhaft Schwenn, Tarif-Mikado und Barrikadenkampf, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15.11.2007. 12 Hierzu Krause, in: FS Buchner, S. 493 ff., der den Begriff der partikularen Personalvertretung verwendet, der auch der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt. 13 Vgl. Remmert, Und täglich grüßt ein Streikposten, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10.8.2008. 14 Vgl. Krause, in: FS Buchner, S. 493, 502.

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§ 1 Einleitung

§ 117 Abs. 2 BetrVG leisten. Darüber hinaus soll versucht werden, den Gestaltungsspielraum der Tarifpartner inhaltlich zu konkretisieren. Hierzu wird die einzigartige Sonderregelung des § 117 Abs. 2 BetrVG umfassend und in allen Aspekten beleuchtet und vor allem in den Gesamtkontext der Diskussion um die Möglichkeit tarifvertraglicher Gestaltung der Betriebsverfassung integriert. Dies ist bisher nur in unzureichendem Maße geschehen. Die rechtlichen Zweifelsfragen sollen auf Grundlage einer Analyse von Beispielen aus der Tarifpraxis beantwortet werden, um eine praxisgerechte Problemlösung zu gewährleisten. Schließlich hat es sich diese Arbeit auch zur Aufgabe gemacht, die gewonnenen Erkenntnisse in einen Vorschlag zur Reform der Bordbetriebsverfassung zu inkorporieren.

B. Gang der Untersuchung In einem ersten Teil sollen zunächst die Erscheinungsformen der Tarifverträge nach § 117 Abs. 2 BetrVG in der Praxis untersucht werden (§ 2). Im Anschluss wird die Entstehungsgeschichte der Bereichsausnahme für das Bordpersonal dargestellt und näher auf tatbestandliche Probleme des § 117 Abs. 2 BetrVG eingegangen (§ 3). Danach werden die verfassungsrechtlichen sowie einfachgesetzlichen Grundlagen der Rechtsetzungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien im Bereich des Betriebsverfassungsrechts behandelt (§ 4). Im Zentrum dieses Kapitels stehen drei Problemkreise: Auf welchen einfachgesetzlichen Normen können betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen beruhen? Umfasst der grundrechtliche Schutz der Tarifautonomie auch die Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen? Welche Bedeutung kommt der Frage nach der Legitimation der normativen Wirkung von tarifvertraglichem Betriebsverfassungsrecht gegenüber AußenseiterArbeitnehmern zu? Die Vereinbarkeit der Bereichsausnahme für das fliegende Personal mit höherrangigem Recht ist Gegenstand von § 5. Dabei ist in europarechtlicher Hinsicht zu prüfen, ob ein Verstoß gegen die Richtlinie 2002/14/EG über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer vorliegt (§ 5 A.). In verfassungsrechtlicher Hinsicht geht es um einen möglichen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG (§ 5 B.). Die Klärung dieser verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Fragen erlaubt es in einem nächsten Schritt, den Inhalt und vor allem auch die Grenzen der Regelungsbefugnis der Tarifpartner im Rahmen des § 117 Abs. 2 BetrVG näher zu bestimmen (§ 6). Sie bildet darüber hinaus auch die Grundlage für die Erörterung zahlreicher tarifrechtlicher Probleme (§ 7). Nach der Absteckung des Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien muss auf den Umfang der gerichtlichen Kontrolle und mögliche Fehlerfolgen eingegangen werden (§ 8). Ein Exkurs in § 9 wendet sich den Kooperationstarifverträgen nach § 117 Abs. 2 S. 2 BetrVG zu, welche die Zusammenarbeit zwischen der Vertretung des

B. Gang der Untersuchung

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fliegenden Personals und den Bodenbetriebsräten regeln. Im Anschluss wird die Bordbetriebsverfassung de lege ferenda behandelt (§ 10), um Lösungsmöglichkeiten für die herausgearbeiteten Defizite der gegenwärtigen Gesetzeslage aufzuzeigen. § 11 fasst die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit noch einmal kurz zusammen. Im Anhang findet sich ein detaillierter Formulierungsvorschlag für eine zu verabschiedende Rechtsverordnung.

§ 2 Praxisbeispiele für Bordbetriebsverfassungen A. Tarifpartner Im Bereich der Bordtarifverträge fungierten auf der Arbeitnehmerseite traditionell die Gewerkschaften Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) als Tarifpartner. Während die ÖTV ihren Schwerpunkt bei der Kabinenbesatzung hatte, war die DAG die angestammte Gewerkschaft des Cockpitpersonals. Diese Tatsache ging auf eine jahrzehntelange Kooperation zwischen der DAG und der Vereinigung Cockpit e.V. (VC) als dem Berufsverband der Cockpitberufe zurück. Bis zum Jahr 2000 sorgte eine Tarifgemeinschaft beider Organisationen dafür, dass die DAG die Tarife für die in der Vereinigung Cockpit organisierten Piloten verhandelte1. Ende 1997 begann die Entwicklung hin zu einer einheitlichen Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die die traditionelle Tariflandschaft auf Arbeitnehmerseite in Bewegung bringen sollte. Den Auftakt bildete eine „Gemeinsame Erklärung“ der Vorsitzenden der DAG, Deutschen Postgewerkschaft (DPG), Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), Industriegewerkschaft Medien – Druck und Papier, Publizistik und Kunst (IG Medien), ÖTV und Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), in der sie sich für einen Prozess der Neustrukturierung gewerkschaftlicher Interessenvertretung aussprachen2. Auf einem Kongress in Berlin stimmten die Mitglieder der genannten Gewerkschaften und der Go-ver.di im März 2001 mit deutlicher Mehrheit für den Zusammenschluss. Hinsichtlich der Gestaltung der Gewerkschaftsfusion hatte man sich auf eine Verschmelzung durch Aufnahme gemäß § 2 Nr. 1 Umwandlungsgesetz geeinigt3. Hierzu hatten sich die Gründungsgewerkschaften zunächst in das Vereinsregister eintragen lassen, und es war eine aufnehmende Gesellschaft in Form des Gover.di e.V. gegründet worden. Mit der Eintragung in das Vereinsregister im Juli 2001 trat ver.di die rechtliche Nachfolge der Gründungsorganisation Go-ver.di an, wodurch die Gewerkschaftsfusion abgeschlossen wurde. Die Verschmelzung durch Aufnahme stellte sicher, dass sämtliche Vermögensgegenstände und Vertragsbeziehungen der Gründungsgewerkschaften – einschließlich der geltenden Tarifverträge – im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 1 2 3

Schmitt, Handbuch BV, S. 131. Vgl. Koopmann, Gewerkschaftsfusion, S. 48. Vgl. hierzu den Gemeinsamen Verschmelzungsbericht der Vorstände.

A. Tarifpartner

19

UmwG auf die neu geschaffene ver.di übergingen4. Aus diesem Grund haben auch die von den Vorgängerorganisationen abgeschlossenen Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung weiterhin Bestand. Ferner gewährleistete die Verschmelzung nach dem Umwandlungsgesetz den „nahtlosen“ Übergang der Mitglieder der Gründungsgewerkschaften in die ver.di. Nachdem die DAG in der Gewerkschaft ver.di aufgegangen war, wurde die VC tarifpolitisch selbstständig. Sie ist seit Beginn des Jahres 2000 auch in gewerkschaftlicher Funktion tätig5. Eine ähnliche Entwicklung nahm die 1992 als Kabinenberufsverband ins Leben gerufene Unabhängige Flugbegleiter Organisation e.V. (UFO). Die Gewerkschaft UFO hatte sich gegründet, weil sich viele Flugbegleiter jahrelang von DAG und ÖTV nicht ausreichend betreut und vertreten fühlten. Inspirieren ließen sich die UFO-Gründer nicht zuletzt von der überaus erfolgreichen VC. Ursprünglich diente die UFO lediglich dem Ziel, den in den damaligen Gewerkschaften ÖTV und DAG organisierten Flugbegleitern eine gemeinsame Plattform zu bieten. Im Jahr 1999 entschloss sie sich jedoch, künftig selbst als Gewerkschaft aufzutreten, und änderte ihre Satzung am 25. Oktober 1999 entsprechend. Seit dem Jahr 2000 hat die UFO schon eine Reihe von Tarifverträgen abgeschlossen6. Dass der VC der Status einer Gewerkschaft zukommt, ist angesichts des hohen Organisationsgrades und der damit einhergehenden Mächtigkeit unstreitig7. Der Gewerkschaftsstatus der UFO war hingegen zunächst kontrovers, ist jedoch inzwischen höchstrichterlich geklärt8. Somit besteht für den Bereich des fliegenden Personals das bereits angesprochene Nebeneinander von zwei Berufsgewerkschaften (VC und UFO) und einer Branchengewerkschaft (ver.di). Es scheint, als habe sich der Trend zur Spezialisierung und Zersplitterung bei den arbeitnehmerseitigen Tarifpartnern zu Beginn des Jahrtausends stabilisiert. Im Moment zeichnen sich keine Gewerkschaftsneugründungen für den Bereich des Bordpersonals von Luftfahrtunternehmen ab9. Angesichts der Entwicklung der Gewerkschaftslandschaft im Bereich der Luftfahrtunternehmen kann von einer Partikularisierung sowie einer gewissen Gegensätzlichkeit zwischen den einzelnen Gewerkschaften gesprochen werden.

4

Ausführlich zu dieser Thematik Koopmann, Gewerkschaftsfusion. Vereinigung Cockpit e.V., Geschichte des Vereins, http://www.vcockpit.de/. 6 Eine Krise der Organisation führte im Dezember 2004 zur Gründung eines weiteren Berufsverbandes von Kabinenmitarbeitern, der Vereinigung KabineKlar. Einer gemeinsamen Erklärung der Vorstände von UFO und KabineKlar vom März 2008 zufolge sollen beide Organisationen zukünftig in allen Betrieben gemeinsam auftreten und darüber hinaus auch so bald wie möglich vereint werden (hierzu Dietz, Flugbegleiter-Verband in Turbulenzen, in: Frankfurter Rundschau vom 13.6.2006). 7 Vgl. hierzu Löwisch/Rieble, TVG, a. F., § 2 Rn. 127, die in diesem Zusammenhang von einem sensationellen Organisationsgrad sprechen. 8 Vgl. hierzu BAG NZA 2005, 697 ff. 9 So auch die Einschätzung von Krause, in: FS Buchner, S. 493, 494. 5

20

§ 2 Praxisbeispiele für Bordbetriebsverfassungen

Auf Arbeitgeberseite treten im Regelfall die einzelnen Fluggesellschaften als Tarifpartner auf. Tarifverträge der Deutschen Lufthansa (DLH) wurden traditionell über die Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e.V. (AVH) abgeschlossen, der dabei regelmäßig jedoch lediglich eine formale Rolle zufällt. Konzipiert und verhandelt werden diese Tarifverträge durch einen dem Konzern-Personalvorstand direkt unterstellten Stabsbereich in Zusammenarbeit mit dem betroffenen Fachbereich in den Lufthansaunternehmen10. Seit Januar 2010 hat der Arbeitgeberverband Luftverkehr (AGVL) seine Arbeit aufgenommen, dessen Aufgabe es unter anderem ist, Tarifverhandlungen zu organisieren, verantwortlich zu führen bzw. bei den Mitgliedsunternehmen tarifpolitisch zu begleiten11.

B. Erscheinungsformen der Tarifverträge Personalvertretung Die Tarifpartner haben von der Möglichkeit, die Vertretungs- und Mitbestimmungsregelungen auszugestalten, seit jeher regen Gebrauch gemacht. Bereits 1957, also vor Kodifizierung des § 117 BetrVG, wurde für das wichtigste deutsche Luftfahrtunternehmen, die Deutsche Lufthansa AG, auf der Grundlage des § 1 TVG eine Personalvertretung für das Bordpersonal durch einen besonderen Tarifvertrag errichtet12. Diese tariflich vereinbarte betriebliche Mitbestimmung überstand über mehr als 15 Jahre alle Schwierigkeiten und Zweifel, bis sie 1972 schließlich ausdrücklich gesetzlich legitimiert wurde13. Nach der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes wurde am 1. Dezember 1972 auch eine neue tarifliche Regelung der Bordbetriebsverfassung getroffen, um das Bordpersonal an der Erweiterung der Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte durch die Reform teilhaben zu lassen14. Andere in und aus der Bundesrepublik operierende Luftverkehrsgesellschaften sowie deren ausländische Konkurrenten mit größeren Niederlassungen im Inland folgten überwiegend mit mehrjährigem Abstand und schlossen ebenfalls entsprechende Tarifverträge für das fliegende Personal ab15.

10

Schmitt, Handbuch BV, S. 132. Vgl. die Internetpräsenz des AGVL unter http://www.agvl.de. 12 „Tarifvertrag Betriebsvertretung für das Bordpersonal der DLH“ zwischen der ÖTV und der AVH vom 25.1.1957. 13 Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 205; hierzu ausführlich § 3 A. 14 „Tarifvertrag Personalvertretung für das Bordpersonal“ zwischen den Gewerkschaften DAG und ÖTV sowie der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. als Arbeitgeberverband vom 15.11.1972. 15 Schmitt, Handbuch BV, S. 131; im Einzelnen waren dies in chronologischer Reihenfolge am 9.8.1973 die LTU-Lufttransport-Untern. GmbH (DAG), am 1.11.1975 die Hapag Lloyd Flugdienst GmbH (DAG) und am 10.3.1983 die Aero Lloyd Flugreisen GmbH & Co. KG (DAG), um nur einige Beispiele zu nennen; vgl. hierzu die ausführliche Liste bei Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 207. 11

B. Erscheinungsformen der Tarifverträge Personalvertretung

21

Der allgemein angenommene weite Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien16 und die Gewerkschaftspluralität im Bereich der Luftfahrtunternehmen führen zu einem äußerst heterogenen Erscheinungsbild der Tarifverträge Personalvertretung (TV PV). Die Tarifverträge lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien sinnvoll klassifizieren. Zunächst kann man aufgrund der Regelungsdichte der jeweiligen Tarifverträge differenzieren. In einigen älteren Tarifverträgen findet sich lediglich ein Generalverweis auf die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes17. Dieses Modell war nur als Überbrückung gedacht18 und findet sich bei neueren TV PV nicht mehr. Andere Tarifverträge treffen ausformulierte und mehr oder weniger von den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes abweichende Regelungen19. Eine Mittelstellung nehmen die Tarifverträge ein, in denen das Betriebsverfassungsgesetz für anwendbar erklärt wird, sofern der Tarifvertrag keine abweichenden Regelungen trifft20. Man kann allerdings auch nach den Parteien des Tarifvertrages unterscheiden. Es finden sich unter anderem sogenannte mehrgliedrige Tarifverträge, bei denen mehrere Gewerkschaften am Vertragsschluss beteiligt sind21. Beispielsweise wurde der TV PV DLH als erster Tarifvertrag seiner Art auf Arbeitnehmerseite durch die Gewerkschaften ÖTV und DAG abgeschlossen. Diese Form der Vereinbarung ist jedoch die Ausnahme und kann wohl als älteres Modell bezeichnet 16 BAG AP Nr. 4 zu § 117 BetrVG 1972 (Bl. 3 R); Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 7; Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 13; Hess, in: H/S/W/G, BetrVG, § 117 Rn. 12; Kania, in: ErfK, § 117 BetrVG Rn. 2; Koch, in: Schaub, ArbR-Hdb, § 211 Rn. 24; Kraus, in: FS Buchner, S. 500; Natter, in: AR-Blattei, Rn. 175; Schmid/Roßmann, Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder, Rn. 520; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 117 Rn. 13; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 64. 17 Vgl. „Vereinbarung über die Errichtung einer Personalvertretung für das Bordpersonal“ zwischen der AERO-LLOYD Flugreise GmbH & Co. Luftverkehrs KG und der DAG vom 10.3.1983/31.1.1985 sowie Tarifvertrag Personalvertretung zwischen DLTLuftverkehrsgesellschaft mbH (jetzt: LH City Line) und der DAG vom 19.2.1976. 18 Vgl. etwa § 3 des „Nr. 1 Tarifvertrag Personalvertretung“ zwischen der DLT-Luftverkehrsgesellschaft mbH (jetzt: LH City Line) und der DAG vom 19.2.1976: „Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass das Betriebsverfassungsgesetz [. . .] nur bedingt auf die Luftverkehrsbetriebe [. . .] anwendbar ist. Aus diesem Grund werden die Parteien alsbald prüfen, ob der Abschluss eines ausformulierten Tarifvertrages über die Personalvertretung erforderlich und sinnvoll ist. Deshalb gilt die Bestimmung der Ziff. 1 [Anwendbarkeit des BetrVG] zunächst als Überbrückung.“ 19 Vgl. zum Beispiel „Tarifvertrag Personalvertretung für das Cockpitpersonal der Contact Air“ zwischen der Contact Air Flugdienst GmbH & Co und der VC vom 30.4.2004 und „Tarifvertrag Personalvertretung Condor“ zwischen der AVH und der DAG vom 31.8.1992. 20 Vgl. zum Beispiel „Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 1“ zwischen der Eurowings Luftverkehrs AG und der ver.di vom 31.10.2007. 21 „Tarifvertrag Personalvertretung für das Bordpersonal“ der DLH, abgeschlossen zwischen der AVH und ÖTV/DAG vom 15.11.1972/25.6.1976/29.10.1980; „Tarifvertrag Personalvertretung für das fliegende Personal der dba“ zwischen der dba Luftfahrtgesellschaft mbH, ver.di und VC vom 18.12.2006.

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§ 2 Praxisbeispiele für Bordbetriebsverfassungen

werden. In der Mehrzahl der neueren Tarifverträge werden auf bestimmte Mitarbeitergruppen beschränkte, also partikulare Personalvertretungen entweder für das Cockpit- oder das Kabinenpersonal errichtet22. Schließlich können Tarifverträge auch nach der Struktur der Personalvertretung unterteilt werden. Viele Tarifverträge sehen eine mehr oder weniger ausdifferenzierte Gruppenstruktur der Personalvertretungsorgane vor. Das Spektrum reicht hier von der Unterscheidung zwischen Cockpit- und Kabinenpersonal23 bis zu einer Aufgliederung in einzelne Gruppenvertretungen für Kapitäne, Kopiloten, Fluglehrer, Flugingenieure, Purseretten/Purser und Stewardessen/Stewards24. Die Integration dieser verschiedenen Gruppen im Sinne einer alle Vertretenen umfassenden Willensbildung findet dann in Form einer Gesamtvertretung statt. Im Ergebnis lässt sich also eine erhebliche Heterogenität der Ausgestaltungsformen durch die Tarifparteien feststellen. Angesichts der Konkurrenz zwischen der im Flugbetrieb vertretenen Branchengewerkschaft ver.di und den beiden Berufsgewerkschaften VC und UFO ist es nicht verwunderlich, dass alle neueren Tarifverträge eine partikulare Personalvertretung errichten, die sich entweder auf das Cockpit- oder das Kabinenpersonal beschränkt.

C. Struktur und inhaltliche Ausgestaltung Im Folgenden sollen die Struktur und die inhaltliche Ausgestaltung einiger Tarifverträge Personalvertretung anhand von Beispielen aus der Praxis analysiert werden. Die Auswahl der Beispiele orientiert sich daran, möglichst das gesamte Spektrum der von Tarifparteien vereinbarten Varianten abzubilden. Der Schwerpunkt in der Darstellung liegt auf den Besonderheiten, welche die jeweiligen TV PV im Vergleich zu der Ausgestaltung der betrieblichen Mitbestimmung durch den Gesetzgeber in Form des Betriebsverfassungsgesetzes aufweisen.

I. TV PV Deutsche Lufthansa Aktiengesellschaft Der Tarifvertrag Personalvertretung für das Bordpersonal vom 15. November 1972 (TV PV DLH) ist der älteste und aufgrund der Größe des Lufthansa-Konzerns wohl auch der wichtigste Tarifvertrag seiner Art in Deutschland. Er wurde 22 Vgl. zum Beispiel „Tarifvertrag Personalvertretung für das Cockpitpersonal der Air Berlin“ zwischen der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG und der VC vom 8.2.2008 sowie „Tarifvertrag Personalvertretung Kabine Nr. 1 für die Beschäftigten des Kabinenpersonals der Contact Air“ zwischen der Contact Air Flugdienst GmbH & Co und der UFO vom 1.10.2005. 23 Vgl. etwa „Tarifvertrag Nr. 2 für das Bordpersonal“ zwischen der Hapag Lloyd Fluggesellschaft mbH und der DAG vom 3.6.1993. 24 „Tarifvertrag Personalvertretung für das Bordpersonal“ der DLH zwischen der AVH und der ÖTV/DAG vom 15.11.1972/25.6.1976/29.10.1980.

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zuletzt am 26. Juni 1976 und 29. Oktober 1980 geändert und schließlich Ende der Achtzigerjahre gewerkschaftsseitig gekündigt25. Er wird mit dem Verweis auf die Nachwirkung von Tarifverträgen gemäß § 4 Abs. 5 TVG weiterhin angewandt26. Der TV PV DLH gilt nach der Restrukturierung des Lufthansa-Konzerns Anfang der Neunzigerjahre ausschließlich für die Passage Airline27. Er wurde seinerzeit zwischen der ÖTV und DAG auf Arbeitnehmerseite und der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. auf Arbeitgeberseite abgeschlossen. 1. Organe der Bordverfassung a) Gruppenstruktur In ihrer Grundstruktur entspricht die betriebliche Mitbestimmung für das Bordpersonal in der DLH der Ausgestaltung durch das Betriebsverfassungsgesetz. Als Betriebspartner fungieren Arbeitgeber und Mitarbeitervertretungen sowie Personalversammlung28. Im Detail weichen die tariflichen Regelungen jedoch erheblich von den gesetzlichen Regelungen ab. Anstelle eines allumfassenden, alle Berufsgruppen integrierenden Vertretungsgremiums wählen Kapitäne, Kopiloten, Fluglehrer, Flugingenieure, Purseretten/Purser und Flugbegleiter jeweils eine eigene Gruppenvertretung29. Die Wahl der Gruppenvertretung erfolgt jeweils getrennt und nach den Grundsätzen der Persönlichkeitswahl30. Aus den Vorsitzenden der Gruppenvertretungen sowie denjenigen ihrer Mitglieder, die bei der Gruppenwahl die jeweils höchsten Stimmzahlen erhalten haben, wird dann eine Gesamtvertretung gebildet31. Dabei ist die Verteilung der Sitze auf die Gruppen vorgegeben32. Die Gesamtvertretung besteht aus vier Kapitänen, vier Kopiloten, vier Flugingenieuren, einem Fluglehrer, drei Purseretten/Pursern und neun Flugbegleitern, also insgesamt 24 Mitgliedern. Aus dieser Konstruktion er25

Fischer, TranspR 2005, 103, 104; Schmitt, Handbuch BV, S. 131. Vgl. zum Problem der Nachwirkung unten unter § 7 D. Da die Nachwirkung nach h. M. nur für bereits bestehende Arbeitsverhältnisse gilt, ist jedenfalls die Anwendung auf neu ins Unternehmen eintretende Mitarbeiter fraglich (speziell hierzu unter § 7 D.II.3). 27 Passage Airline ist die konzerninterne Bezeichnung für die größte der Fluggesellschaften der Deutsche Lufthansa AG, die unter der Marke Lufthansa operiert. Daneben existieren die drei Tochtergesellschaften Lufthansa CityLine GmbH, Lufthansa Italia und Lufthansa Cargo AG. Die beiden Ersteren bilden zusammen mit der Passage Airline die Passage Airlines. 28 Eine Jugendvertretung ist obsolet, da bereits die Aufnahme der Schulung Volljährigkeit voraussetzt. 29 § 5 Abs. 1 TV PV DLH. 30 §§ 6–14 TV PV DLH und die Wahlordnung. 31 § 30 Abs. 1–3 TV PV DLH. 32 Vgl. zu den rechtlichen Problemen der Gruppenbildung unter dem Gesichtspunkt der Stimmparität unter § 6 C. 26

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gibt sich, dass die Mitglieder der Gesamtvertretung sowohl durch eine Urwahl der Vertretenen als auch durch eine Wahl der Gruppenvertreter (Wahl zum Gruppenvorsitzenden) bestimmt werden33. Eine derartige Mandatsbasis ist im Betriebsverfassungsgesetz nicht vorgesehen. Die Gruppenstruktur setzt sich in der Personalversammlung in Form von Gruppen- und Gesamtversammlungen fort34. Die nach § 42 TV PV DLH vorgesehene Bildung einer Konzernvertretung für die DLH und die Condor Flugdienst GmbH (CFG) läuft gegenwärtig ins Leere, da der TV PV DLH im Rahmen eines Flottenwechsels für das Bordpersonal der CFG außer Kraft gesetzt und durch einen anders strukturierten Tarifvertrag35 ersetzt wurde, der inzwischen für das gesamte Bordpersonal der CFG gilt. Eine gemeinsame Vertretung für die vielen Flugbetriebe im Lufthansa-Konzern existiert nicht. Sie ist für das Kabinenpersonal auch nicht bedeutsam, da ein Austausch von Kabinenpersonal zwischen den einzelnen Flugbetrieben im Konzern nicht mehr stattfindet36. Dies trifft jedoch nicht auf das Cockpitpersonal der Flugbetriebe der DLH, der CFG, der Lufthansa Cargo Aktiengesellschaft (LCAG), der Condor Berlin GmbH (CIB), der Lufthansa Flight Training GmbH (LFT) und der Germanwings GmbH (GWI) zu. Für diese Angestellten regelt der Tarifvertrag Wechsel und Förderung37 (TV WeFö) über die verschiedenen Flugbetriebe des Konzerns hinweg auf Grundlage des Senioritätsprinzips neben der Förderung zum Kapitän auch den Wechsel zwischen den verschiedenen Flugzeugmustern. Für den Bereich des Wechsels und der Förderung übt das „gemeinsame paritätische Gremium“ 38 gemäß § 12 TV WeFö die betriebliche Mitbestimmung aus. b) Zuständigkeitsverteilung Die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Gruppenvertretungen und der Gesamtvertretung ist nicht mit derjenigen zwischen Betriebsräten und Gesamtbetriebsräten nach dem Betriebsverfassungsgesetz zu vergleichen. Nach der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes ist der Gesamtbetriebsrat nur zuständig, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und deren Regelung auf Unternehmensebene erforderlich ist (vgl. § 50 Abs. 1 BetrVG). Die Zuständigkeit des Betriebsrats wird 33

Schmitt, Handbuch BV, S. 138. §§ 52–54 TV PV DLH. 35 „Tarifvertrag Personalvertretung Condor“ zwischen der AVH und der DAG vom 31.8.1992. 36 Schmitt, Handbuch BV, S. 138. 37 „Tarifvertrag über Wechsel und Förderung Nr. 3“ zwischen der AVH und der VC vom 18.12.2006. 38 Die Bezeichnung dieses Mitbestimmungsorgans ist auf den Umstand zurückzuführen, dass die verschiedenen Flugbetriebe des Konzerns bei seiner Besetzung paritätisch berücksichtigt werden. 34

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also nicht berührt, soweit es um Aufgaben geht, die sich ausschließlich auf den Einzelbetrieb beziehen. § 20 Abs. 1 TV PV DLH sieht vor, dass „jede Gruppenvertretung ihre [. . .] Angelegenheiten selbstständig [behandelt], soweit nicht die Zuständigkeit einer anderen Vertretung gegeben ist“. § 35 Abs. 2 TV PV DLH räumt der Gesamtvertretung eine gewillkürte Kompetenz qua Mehrheitsbeschluss ein. Zusammen führen diese beiden Regelungen zu einem stark eingeschränkten Aufgabenbereich der Gruppenvertretungen. Hat die Gesamtvertretung nämlich erst einmal die Übernahme einer Materie in ihre Kompetenz beschlossen, ist die betroffene Gruppenvertretung nicht mehr berechtigt, Beschlüsse oder sonstige Maßnahmen in dieser Angelegenheit zu treffen. Die Zuständigkeit der Gesamtvertretung gemäß § 35 Abs. 1 TV PV DLH für Angelegenheiten, die alle oder mehrere Gruppenvertretungen betreffen, ist hingegen lediglich das Pendant zur überbetrieblichen Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats. In der Praxis haben diese Zuständigkeitsregelungen zur Folge, dass der Schwerpunkt der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Personalvertretung auf der Ebene der Gesamtvertretung liegt39, die deshalb auch das eigentlich politisch relevante Mitbestimmungsgremium darstellt40. 2. Rechte und Pflichten der Personalvertreter Die rechtliche Stellung der Personalvertreter ist im Wesentlichen mit derjenigen der Betriebsräte vergleichbar. Eine Besonderheit ergibt sich daraus, dass die Kontinuität der Aufgabenwahrnehmung durch die gewählten Personalvertreter nicht durch „permanente“ Präsenz gesichert wird41. Der Grund für diese Abweichung von der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes sind die nicht ortsgebundene Tätigkeit des fliegenden Personals sowie insbesondere die gesetzlichen Lizenzvorschriften42, die vor allem beim Cockpitpersonal eine nahezu ständige Ausübung der fliegerischen Tätigkeit voraussetzen43. Darüber hinaus gingen die Tarifvertragsparteien davon aus, dass die Personalvertreter nur dann in der Lage sind, die Mitarbeiterinteressen sinnvoll wahrzunehmen, wenn sie die tatsächlichen Einsatzbedingungen und Arbeitsabläufe aus eigener Anschauung kennen44. Aus diesen Gründen fehlt eine dem § 38 BetrVG entsprechende Freistellungsregelung. § 57 TV PV DLH sieht lediglich eine tageweise Freistellung auf Anforderung zur Wahrnehmung der Personalvertretungsaufgaben und für die regelmäßi39

Schmitt, Handbuch BV, S. 139. Fischer, TranspR 2005, 103, 105. 41 Schmitt, Handbuch BV, S. 142. 42 Vgl. unter § 5 B.I.2.b) zu den Besonderheiten des Einsatzspektrums des fliegenden Personals und den sonder- und spezialgesetzlichen Regelungen, deren Erfüllung die Tätigkeit an Bord einer Verkehrsmaschine voraussetzt. 43 Schmid/Roßmann, Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder, Rn. 517. 44 Vgl. Schmitt, Handbuch BV, S. 142. 40

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gen Sitzungen der Gremien sowie einen Freizeitausgleich für die Aufgabenwahrnehmung an sonst einsatzfreien Tagen vor45. Die Bedingungen des Flugeinsatzes erschweren die Aufgabenwahrnehmung durch die Personalvertreter ungemein. Als Ansprechpartner für den Arbeitgeber und die Arbeitskollegen sind sie nur während ihrer Anwesenheit am Standort der Personalvertretung oder in den lokalen Personalvertretungsbüros erreichbar; ansonsten ist ihre Ansprechbarkeit unterwegs im Einsatz an Bord auf die restliche Crew bzw. an den Layover-Orten auf die dort durchreisenden Crews begrenzt46. Der persönliche Kontakt mit einem größeren Kreis von Kolleginnen und Kollegen beschränkt sich auf die Personalversammlung, bei der aber auch nur ein kleiner Teil des vertretenen Personals anwesend ist. Die unregelmäßige Anwesenheit vor Ort macht auch die Kommunikation der Personalvertreter untereinander schwierig. Zudem leidet auch der administrative Teil der Aufgaben eines Personalvertreters unter der arbeitsbedingten Abwesenheit. Diese Erschwernisse der Mandatsausübung der Personalvertreter werden insbesondere durch zwei Regelungselemente gemildert. § 61 TV PV DLH sieht die Bestellung einer hauptamtlichen Geschäftsführung durch den Arbeitgeber im Einvernehmen mit der Gesamtvertretung vor, welche die mangelnde Präsenz der Personalvertretung ausgleichen und eine gewisse administrative Kontinuität gewährleisten soll. Die Mitglieder der Geschäftsführung müssen nicht aus den Reihen des fliegenden Personals bestimmt werden. Mangels eines personalvertretungsrechtlichen Mandats ist die Geschäftsführung kein Organ der Betriebsverfassung; Mitglieder der Geschäftsführung können demnach nicht in dem Bereich tätig werden, der unter die klassische Mandatsausübung fällt. Die aus einem Geschäftsführer, einem Stellvertreter und Büropersonal bestehende Geschäftsführung soll sich gemäß § 62 Abs. 1 TV PV DLH insbesondere um die „laufenden Geschäfte“ kümmern. Zu den wichtigsten Aufgaben gehören die Veranlassung und Kontrolle der tageweisen Freistellungen, die Entgegennahme und unverzügliche Weiterleitung der Erklärungen des Arbeitgebers an die Personalvertreter und die Förderung der Kommunikation zwischen den Personalvertretern47. Das zweite Element stellt die mögliche Einberufung von Dringlichkeitsausschüssen gemäß §§ 22 und 37 TV PV DLH dar, die in Eilfällen Entscheidungen treffen. Die Dringlichkeitsausschüsse sind neben der Geschäftsführung erforderlich, da Letztere wie erwähnt kein personalvertretungsrechtliches Mandat hat und unvorhersehbare und unbeeinflussbare Einwirkungen auf den Flugbetrieb, wie zum Beispiel Wetterlagen, Streiks oder technische Störungen, oft eine schnelle Reaktion des Flugunternehmens fordern. 45 Die Vorsitzenden der Mitbestimmungsgremien und deren Stellvertreter werden allerdings gemäß § 57 Abs. 4 TV PV DLH pauschal ein bis drei Tage pro Monat freigestellt, weil ihre Aufgaben zeitintensiver sind. 46 Schmitt, Handbuch BV, S. 143. 47 § 63 Abs. 3 TV PV DLH legt enumerativ die Aufgaben der Geschäftsführung fest.

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Die Personalversammlungen entsprechen weitgehend den Betriebsversammlungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Abweichungen ergeben sich aufgrund der Gruppenstruktur der Personalvertretung, die sich in der Existenz von Gruppen- und Gesamtversammlungen widerspiegelt48. Im Mittelpunkt dieser Zusammenkünfte stehen jedoch genau wie nach der gesetzlichen Konzeption der Tätigkeitsbericht der jeweiligen Vertretung und die Diskussion über die Themen der Tagesordnung. Die inhaltlichen Vorgaben korrespondieren mit denen des § 45 BetrVG, enthalten jedoch die Einschränkung, dass es sich um Themen handeln muss, „die den Flugbetrieb oder das Bordpersonal unmittelbar betreffen“ 49. Die Gruppenversammlungen erfüllen de facto die Funktion von Abteilungsversammlungen nach § 42 Abs. 2 BetrVG50, die der Gesetzgeber vorgesehen hat, „wenn dies für die Erörterung der besonderen Belange der Arbeitnehmer erforderlich ist“. Eine Teilnahme an Personalversammlungen kann aus bereits erörterten Gründen grundsätzlich nur außerhalb der Arbeitszeit stattfinden, wofür ein zusätzlicher freier Tag gewährt wird51. 3. Mitbestimmungsrechte im Einzelnen Erhebliche Abweichungen von der gesetzlichen Ausgestaltung der Mitbestimmungsrechte ergeben sich vor allem für den Bereich der personellen Angelegenheiten. Dies beruht im Wesentlichen auf den langen Vorlaufzeiten für den Erwerb der beruflichen Qualifikation des Cockpitpersonals, auf dem Senioritätssystem, das sich als bestimmender Faktor für eine Fülle von Arbeitsbedingungen des fliegenden Personals durch die Gesamtheit der tariflichen Vorschriften zieht, und schließlich auf der Existenz des gemeinsamen paritätischen Gremiums, das die Mitbestimmungsrechte für den Bereich des Wechsels52 und der Förderung53 ausübt. a) Mitwirkung in personellen Angelegenheiten Die Aufstellung von Richtlinien für die Personalauswahl bedarf der Zustimmung der Gesamtvertretung54. Auffallend ist, dass die Mitbestimmungszustän48

§§ 52 und 53 TV PV DLH. § 56 Abs. 1 TV PV DLH. 50 Schmitt, Handbuch BV, S. 146. 51 §§ 54 Abs. 1 und 2 TV PV DLH. 52 Unter Wechsel sind gemäß § 7 Abs. 2 TV WeFö Personalveränderungen zu verstehen, die im Zuge der Umschulung von einem Ausbildungsmuster (Flugzeugtyp) auf ein Wechselmuster in derselben Funktion (Kapitän, Kopilot, Flugingenieur) entstehen. 53 Unter Förderung ist gemäß § 7 Abs. 1 TV WeFö die Umschulung zum Kapitän zu verstehen. 54 Vgl. § 84 TV PV DLH, der von der Zuständigkeit der inzwischen nicht mehr existenten Konzernvertretung spricht. Schmitt geht überzeugend davon aus, dass die 49

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digkeit für Versetzungs- und Umgruppierungsrichtlinien auf erkennbare praktische Bedürfnisse beschränkt wurde55. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die Ausbildungsstandards für das gesamte Cockpitpersonal und in geringerem Umfang auch für das Kabinenpersonal bereits durch staatliche Vorschriften vorgegeben sind. Zudem sind die Einzelmaßnahmen der Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung durch tarifvertragliche Förderungsmechanismen überlagert bzw. in ihrer Mitwirkungssubstanz eingeschränkt56. Dies führt unter anderem auch dazu, dass für den Bereich der Auswahlrichtlinien im Cockpitbereich eine Parallelkompetenz zwischen dem gemeinsamen paritätischen Gremium und den einzelnen Personalvertretungen besteht57. Die Mitbestimmung bei der Einstellung ist gemäß § 88 Abs. 1 TV PV DLH der Gruppenvertretung vorbehalten. Die Geschäftsleitung muss vor jeder Einstellung die zuständige Gruppenvertretung unterrichten und deren Zustimmung einholen. Der Umfang der dabei zu beachtenden Pflichten auf Arbeitgeberseite und der Rechte auf der Vertretungsseite entspricht im Wesentlichen den gesetzlichen Vorschriften58. Hinsichtlich der Eingruppierung ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber der gesetzlichen Mitbestimmung. Der TV PV DLH geht von einem weiten Begriff der Versetzung aus, der den Ortswechsel, den konzerninternen Gesellschaftswechsel, den Wechsel der Beschäftigungsgruppe und die erhebliche Änderung der Aufgaben und des Arbeitsbereichs umfasst59. Da die Personalvertretungen nicht ortsbezogen organisiert sind, fallen beim normalen Ortswechsel zwischen zwei Flughäfen die abgebende und die aufnehmende in einer einzigen zuständigen Personalvertretung zusammen. Der dauerhafte Einsatz bei einem anderen Arbeitgeber innerhalb des Konzerns ist dem Wechsel zwischen zwei konzernfremden Arbeitgebern gleichgestellt, sodass es lediglich der Zustimmung der aufnehmenden Personalvertretung bedarf 60. Abweichungen ergeben sich allerdings beim Arbeitgeberwechsel innerhalb des Konzerns im Rahmen der Förderung des Cockpitpersonals, die durch den TV WeFö auf der Basis des Senioritätsprinzips geregelt ist. Die Mitbestimmungsrechte in diesen Angelegenheiten werden ausschließlich von dem gemeinMitbestimmungsrechte auf das nächstliegende Gremium, also die Gesamtvertretung, übergegangen sind, Schmitt, Handbuch BV, S. 148. 55 § 84 Abs. 3 TV PV DLH. 56 Vgl. hierzu sogleich unten. 57 Vgl. § 7 Abs. 5 WeFö. 58 Eine Ausnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber die Auswahlrichtlinien bereits beim Abschluss des mitbestimmungsfreien Schulungsvertrages berücksichtigen muss. Im Hinblick auf die lange Ausbildungsdauer stellt § 88 Abs. 7 TV PV DLH insofern sicher, dass die Beachtung zur Zeit des Abschlusses des Schulungsvertrages ausreicht und eine spätere Änderung nicht zur Zustimmungsverweigerung berechtigt. 59 § 88 Abs. 3a und b und Abs. 4 TV PV DLH. 60 Vgl. Schmitt, Handbuch BV, S. 151.

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samen paritätischen Gremium wahrgenommen61, sodass gegenüber der jeweiligen Gruppenvertretung nur die Unterrichtungspflicht bestehen bleibt62. Gleiches gilt auch für die grundsätzlich zustimmungsbedürftige Umgruppierung, die in aller Regel nicht nur das Aufgabenfeld verändert, sondern meist mit der Zuordnung zu einer neuen Flotte und einem anderen Arbeitsteam einhergeht und sich insofern auch als Versetzung darstellt63. Ob eine zustimmungspflichtige erhebliche Änderung des Aufgabenfeldes vorliegt, muss anhand der Tätigkeitsmerkmale jeder einzelnen Beschäftigungsgruppe des Bordpersonals festgestellt werden, die in den jeweiligen Anlagen I der manteltariflichen Regelungen für das Cockpitund das Kabinenpersonal64 definiert worden sind. Hierdurch ist der zustimmungsfreie Spielraum des Direktionsrechts eingeschränkt. Die Höhergruppierung als Ausdruck des beruflichen Aufstiegs wird für das Cockpitpersonal durch den TV WeFö und für das Kabinenpersonal durch den Tarifvertrag Förderungsaufstieg (TV FöA) geregelt. Für das Erstere übt das gemeinsame paritätische Gremium die Mitbestimmungsrechte in Form eines Einspruchsrechts aus, für das Letztere die Gesamtvertretung65. Die Vergabe freier Stellen erfolgt hier wie da nach einer Senioritätsliste, die für das Cockpitpersonal konzernweit und für das Kabinenpersonal lediglich für den Bereich Lufthansa Passage geführt wird66. Die Entlassung des Bordpersonals weist gegenüber der gesetzlichen Ausgestaltung in § 102 BetrVG keine Besonderheiten auf67. Den besonderen Kündigungsschutz für Betriebsräte haben die Tarifpartner in § 59 TV PV DLH übernommen. b) Mitwirkung in sozialen Angelegenheiten Im Bereich der sozialen Angelegenheiten nehmen allein die Regelungen zur Mitbestimmung in Bezug auf die Arbeitszeit eine besondere Stellung gegenüber 61

§ 12 Abs. 5 WeFö. § 88 Abs. 4 TV PV DLH. 63 Bei der Versetzung/Umgruppierung ist die Zustimmung der Gruppenvertretung jedoch nicht erforderlich, falls diese sich als Folge einer internen Stellenbewerbung darstellt, da insofern das Senioritätsprinzip den beruflichen Aufstieg regelt. 64 Vgl. Anlage I zum „Manteltarifvertrag Nr. 5a für das Cockpitpersonal der DLH AG“ zwischen der AVH und der VC vom 8.6.2001 und Anlage I zum „Manteltarifvertrag Nr. 1a für das Kabinenpersonal“ zwischen der AVH und der UFO vom 8.5.2005. 65 § 5 Abs. 3 und 5 TV FöA; § 5 Abs. 2 WeFö Nr. 3. 66 Vgl. ausführlich zur Funktionsweise des Senioritätssystems im Lufthansakonzern Schmitt, Handbuch BV, S. 155 ff., der darlegt, dass sich außerhalb der Flugverkehrsbetriebe kein für den innerbetrieblichen beruflichen Aufstieg auch nur annähernd gleichartiges System einer am „Dienstalter“ orientierten Mitarbeiterförderung finde. Das Senioritätsprinzip werde dadurch gerechtfertigt, dass für den Luftverkehr nur die erworbenen Qualifikationen und deren permanente Aufrechterhaltung maßgebend sein könne. 67 § 90 TV PV DLH; einen Sonderfall stellt lediglich der Fall der Flugdienstuntauglichkeit dar, der jedoch hier nicht eingehender behandelt werden soll. 62

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der gesetzlichen Ausgestaltung im Betriebsverfassungsgesetz ein. § 77 Abs. 1 Nr. 1 TV PV DLH sieht die „Regelung von Arbeitszeitfragen entsprechend den Bestimmungen des Tarifvertrages Bordpersonal“ vor. Der Verweis gilt den §§ 4 ff. der Manteltarifverträge (MTV) für das Cockpit-68 und Kabinenpersonal69, die den Begriff Arbeitszeit definieren. Die Arbeitszeitregelungen für das fliegende Personal sind kompliziert, weil die Elemente Arbeitszeiten, Ruhezeiten und Freizeitregelungen durch eine Vielzahl von gesetzlichen Bestimmungen70 und Tarifverträgen geordnet werden, sodass der Spielraum für die betriebliche Mitbestimmung begrenzt ist. Eine zentrale Rolle spielt das Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung der Umlaufpläne gemäß § 4 Abschnitt 8 MTV Nr. 5a für das Cockpitpersonal und gemäß § 4 Abschnitt 8 MTV Nr. 1a für das Kabinenpersonal, das im Kern dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Aufstellung von Schichtplänen entspricht. Im Gegensatz zu den Mitbestimmungsrechten nach dem Betriebsverfassungsgesetz bei der Gestaltung der Dienstpläne ist die Einteilung der einzelnen Crewmitglieder zu den Umlaufeinsätzen nicht mehr Teil der betrieblichen Mitbestimmung der Personalvertreter71. Mitbestimmungsvorschriften entsprechend § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG (Fragen der betrieblichen Lohngestaltung) und § 11 BetrVG (Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze) fehlen gänzlich. c) Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten Die Einrichtung eines Wirtschaftsausschusses ist nicht vorgesehen72. Die Gründe hierfür lassen sich Abschnitt D der Protokollnotiz zum TV PV DLH entnehmen: Die Tarifparteien erwarteten den baldigen Abschluss eines Tarifvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Boden- und Bordpersonal gemäß § 51 TV PV DLH. In diesem Zusammenhang wird auch die Integration des Bordpersonals in den Wirtschaftsausschuss auf Unternehmensebene anvisiert. Die Vorgaben bei Betriebsänderungen zeigen wenige Abweichungen gegenüber der gesetzlichen Ausgestaltung. § 94 TV PV DLH enthält eine Definition der Betriebsänderung, die spezifisch auf den Flugbetrieb abgestimmt ist. 4. Straf-, Zwangsgeld- und Bußvorschriften Das Betriebsverfassungsgesetz kennt zahlreiche Regelungen, nach denen der Arbeitgeber zur Beachtung bzw. Durchsetzung von Mitwirkungs- und Mitbestim68 „Manteltarifvertrag Nr. 5a für das Cockpitpersonal der DLH AG“ zwischen der AVH und der VC vom 8.6.2001. 69 „Manteltarifvertrag Nr. 1a für das Kabinenpersonal“ zwischen der AVH und der UFO vom 8.5.2005. 70 Vgl. 2. DV LuftBO. 71 Vgl. hierzu Schmitt, Handbuch BV, S. 160. 72 Dies ist insbesondere auch aufgrund der Vorgaben der Richtlinie 2002/14 EG problematisch, vgl. hierzu unter § 5 A.

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mungsrechten mit Ordnungs- bzw. Zwangsgeld durch das Arbeitsgericht belegt werden kann: § 23 Abs. 3 (Missachtung der Rechte des Betriebsrates), § 98 Abs. 5 (Unterlassung der Bestellung bzw. Abberufung eines bestellten Beauftragten für die betriebliche Berufsbildung), § 101 (Nichtaufhebung einer gerichtlich angeordneten personellen Maßnahme) und § 104 (gerichtliche Anordnung einer dem Arbeitgeber aufgegebenen, aber nicht durchgeführten Entlassung). Parallelvorschriften hierzu sind im TV PV DLH nicht vorgesehen. Auch fehlen Entsprechungen zu den im sechsten Teil des BetrVG normierten Straf- und Bußgeldvorschriften der §§ 119, 120 und 121. Diese Vorschriften sollen vor allem die Tätigkeit der im BetrVG vorgesehenen Vertretungen der Arbeitnehmer und ihrer Mitglieder schützen (§ 119), die Verletzung der im Hinblick auf die weitreichende Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers (Unternehmers) besonders wichtigen Geheimhaltungspflicht mit Strafe (§ 120) bedrohen und die Verletzung bestimmter Aufklärungs- und Auskunftspflichten durch den Arbeitgeber als Ordnungswidrigkeit (§ 121) ahnden73. Das Fehlen dieser Vorschriften ist konsequent, da den Tarifpartnern die Kompetenz zum Erlass solcher Normen fehlt74.

II. TV PV für das Cockpitpersonal der Air Berlin Der Tarifvertrag Personalvertretung für das Cockpitpersonal der Air Berlin (TV PV AB) vom 8. Februar 2008 wurde zwischen der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG und der VC abgeschlossen75. Es handelt sich um eine partikulare Personalvertretung nur für das Cockpitpersonal. 1. Organe der Bordverfassung Analog zum Betriebsverfassungsgesetz bestehen die Organe der Bordverfassung aus der Personalvertretung und der Personalversammlung76. Für die Wahl der Personalvertretung werden Regionalkreise gebildet, denen die verschieden Stationen bzw. bases zugeordnet werden77. Die jeweiligen Regionalgruppen werden bei der Zusammensetzung der Personalvertretung gleichmäßig berücksich73

Annuß, in: Richardi, BetrVG, Vorbemerkung zum sechsten Teil Rn. 1. Vgl. zu dieser Problematik unter § 6 D. 75 Vgl. auch „Tarifvertrag Personalvertretung für das Kabinenpersonal der Air Berlin PLC & Co. Cabin Service KG“, abgeschlossen zwischen der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG und der ver.di vom 4.6.2008, der fast identisch ausgestaltet ist. Es sind lediglich zwei Abweichungen auszumachen: Die Regelungen über den hauptamtlichen Geschäftsführer und die Teilnahme am Wirtschaftsausschuss der Air Berlin wurden gestrichen. 76 Eine Jugendvertretung ist obsolet, da bereits die Aufnahme der Schulung Volljährigkeit voraussetzt. 77 § 6 Abs. 2 TV PV AB. 74

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tigt78. Die Personalvertretung besteht aus 9 Mitgliedern und wird bei Zunahme der Anzahl des Cockpitpersonals auf bis zu 15 Mitglieder erweitert79. Die Ausgestaltung und Organisation der Personalversammlung entspricht weitgehend den gesetzlichen Regelungen zur Betriebsversammlung. Eine Ausnahme bildet der Umstand, dass das Cockpitpersonal nur außerhalb der persönlichen Arbeitszeit an der Personalversammlung teilnehmen kann80. Dies ist dem Erfordernis der Aufrechterhaltung des Flugverkehrs geschuldet. Ein weiterer Unterschied ergibt sich daraus, dass die Personalversammlung in Form von Teilversammlungen in den jeweiligen Regionalkreisen stattfindet81. Für einigungsstellenfähige Sachverhalte kann als Vorschaltstufe im Sinne von § 76 Abs. 8 BetrVG eine Clearingstelle eingesetzt werden82. 2. Rechte und Pflichten der Personalvertreter Die Vertragsparteien des TV PV AB haben sich gegen eine durchgehende Präsenz der gewählten Personalvertreter entschieden. Eine generelle Freistellung der Personalvertreter erfolgt nicht, vielmehr kommt eine Freistellung nur in Betracht, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Flugbetriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist83. Zum Ausgleich für die Personalvertretungstätigkeit, die außerhalb der Arbeitszeit stattfindet, hat der Personalvertreter Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts84. Wie auch beim TV PV DHL wird ein hauptamtlicher Geschäftsführer bestellt, der nicht dem Cockpitpersonal angehört oder angehört haben muss85. Der Geschäftsführer ist berechtigt und verpflichtet, Erklärungen des Arbeitgebers für die Personalvertretung entgegenzunehmen86. Darüber hinaus ist der Geschäftsführer insbesondere für die Führung der laufenden Geschäfte und die Beantragung der Freistellungen für die Sitzungen der Personalvertretung zuständig. Daneben gewährleistet er die Kommunikation zwischen dem Arbeitgeber und der Personalvertretung87. Der Vorsitzende und sein Stellvertreter bilden zusammen mit einem dritten Personalvertreter den geschäftsführenden Ausschuss, der die laufenden Geschäfte führt, soweit diese nicht vom Geschäftsfüh-

78 79 80 81 82 83 84 85 86 87

§ 7 Abs. 4 TV PV AB. § 7 Abs. 2 TV PV AB. § 34 Abs. 1 TV PV AB. § 33 Abs. 2 TV PV AB. § 39a TV PV AB. § 29 Abs. 2 TV PV AB. § 29 Abs. 3 TV PV AB. § 19a Abs. 1 TV PV AB. § 19b Abs. 2 TV PV AB. § 19c Abs. 2 TV PV AB.

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rer zu erledigen sind88. Per Beschluss kann die Personalvertretung dem Ausschuss Aufgaben zur selbstständigen Erledigung übertragen89. Neben einem Dringlichkeits- und einem Personalausschuss, die zwingend geschaffen werden müssen, ist die Bildung weiterer Ausschüsse möglich90. 3. Mitbestimmungsrechte im Einzelnen a) Mitwirkung in personellen Angelegenheiten Die Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten entspricht weitgehend derjenigen des Betriebsverfassungsgesetzes. Der TV PV AB sieht jedoch kein dem § 97 BetrVG vergleichbares Mitbestimmungsrecht über die Einrichtungen und Maßnahmen der Berufsbildung vor. Außerdem ist das Mitbestimmungsrecht bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung nicht einigungsstellenbewehrt91. Darüber hinaus enthält § 58 Abs. 1 TV PV AB im Gegensatz zu § 95 Abs. 2 BetrVG keinen Anspruch der Personalvertretung auf Aufstellung von Auswahlrichtlinien. Vorübergehende, kurzfristige Ad-hoc-Einsätze von Mitarbeitern im Tagesgeschäft sind von der Mitbestimmung ausgenommen92. Schließlich ist eine Versetzung nicht mitbestimmungspflichtig, wenn sie sich als unmittelbare Folge einer Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme ergibt93. b) Mitwirkung in sozialen Angelegenheiten Die Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten weichen erheblich von der gesetzlichen Ausgestaltung ab. Die Vorschriften des § 87 Abs. 1 Ziff. 4 (Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte) sowie Ziff. 8 bis 13 (Sozialeinrichtungen, Wohnraum, betriebliche Lohngestaltung, Akkord- und Prämiensätze, Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen, Gruppenarbeit) fehlen in der entsprechenden Regelung des Tarifvertrages94. Die meisten dieser Normen hätten allerdings im Unternehmen wohl auch keinen Anwendungsbereich. Anders geregelt ist auch das Mitbestimmungsrecht über die Arbeitszeit95, was auf das besondere Einsatzspektrum des fliegenden Personals zurückzuführen ist. Ähnlich wie beim TV PV DHL bezieht sich das Mitbestimmungsrecht auf die Aufstellung der Umlaufpläne, nicht jedoch auf die Dienstpläne, die auf Grundlage der Umlauf88 89 90 91 92 93 94 95

§§ 21a Abs. 1 u. 2 TV PV AB. § 21a Abs. 2 TV PV AB. § 21b Abs. 1, 3 u. 4 TV PV AB. § 61 TV PV AB. § 62 Abs. 5 TV PV AB. § 62 Abs. 6 TV PV AB. § 50 Abs. 1 TV PV AB. § 50 Abs. 1 Ziff. 2 TV PV AB.

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§ 2 Praxisbeispiele für Bordbetriebsverfassungen

pläne erstellt werden und die konkrete Einteilung zu den Einsätzen enthalten. Im Unterschied zu den §§ 88 f. BetrVG gibt es im TV PV AB keine Regelungen für den und betrieblichen Umweltschutz96, da dieser Bereich in Bezug auf den Flugbetrieb bereits strenger staatlicher Reglementierung unterliegt. c) Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten Auch der TV PV AB sieht keinen eigenen Wirtschaftsausschuss für das Cockpitpersonal vor. Es wird lediglich statuiert, Air Berlin werde sich dafür einsetzen, dass einem Vertreter der Personalvertretung ein Teilnahmerecht eingeräumt oder die Teilnahme im Rahmen der Hinzuziehung eines sachkundigen Arbeitnehmers nach § 108 Abs. 2 BetrVG gewährleistet wird97. Falls dies nicht möglich sein sollte, wird der Arbeitgeber die Personalvertretung über die Sitzungen informieren. Ansonsten entspricht die Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten im Wesentlichen der gesetzlichen Betriebsverfassung. Die Regelungen über Betriebsänderungen, Interessenausgleich, Sozialplan und Nachteilsausgleich sind mit geringfügigen Änderungen übernommen worden98. 4. Straf-, Zwangsgeld- und Bußvorschriften Zum Teil wurden Parallelvorschriften zu den gesetzlichen Ordnungs- und Zwangsgeldvorschriften in den TV PV AB integriert99, lediglich eine dem § 98 Abs. 5 BetrVG (Unterlassung der Bestellung bzw. Abberufung eines bestellten Beauftragten für die betriebliche Bildung) vergleichbare Regelung fehlt. Allerdings sehen die einschlägigen Vorschriften des Tarifvertrags lediglich einen gerichtlich durchsetzbaren Unterlassensanspruch vor, während eine ausdrückliche Sonderregelung der Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Verhängung von Ordnungs- und Zwangsgeld nur in § 74 TV PV (Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer) vorgesehen ist. Der TV PV AB erklärt §§ 119 und 121 BetrVG für entsprechend anwendbar100. § 82 TV PV AB übernimmt den in Details für den Flugbetrieb modifizierten gesetzlichen Straftatbestand des § 120 BetrVG.

III. TV PV für das Kabinenpersonal der Contact Air Der Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 1 für die Beschäftigten des Kabinenpersonals der Contact Air vom 1. Oktober 2005 (TV PV CA) wurde zwischen der Contact Air Flugdienst GmbH & Co. und der UFO abgeschlossen. Im Gegen96

§§ 51, 52 TV PV AB. § 68a Abs. 1 TV PV AB. 98 §§ 69–72 TV PV AB. 99 §§ 17 Abs. 3, 64, 67 TV PV AB. 100 §§ 73 und 75 TV PV AB. 97

C. Struktur und inhaltliche Ausgestaltung

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satz zu den bisher vorgestellten Fluggesellschaften handelt es sich bei der Contact Air um ein eher kleines Unternehmen mit einem überschaubaren Flugbetrieb101. Der TV PV CA ist recht kurz formuliert worden und weist gegenüber der gesetzlichen Betriebsverfassung erhebliche Lücken auf. 1. Organe der Betriebsverfassung Wie auch sonst oft üblich fehlt der Wirtschaftsausschuss102. Darüber hinaus wurden aber auch keine näheren Regelungen über eine Personalversammlung getroffen, was wohl auch der relativ geringen Größe des Flugbetriebes bei der Contact Air geschuldet ist. Der TV PV CA stellt lediglich fest, dass Personalversammlungen im gegenseitigen Einvernehmen der Betriebspartner mindestens einmal jährlich durchgeführt werden103. Die Personalvertretung besteht aus nur drei Mitgliedern104. Die Personalvertretung wählt aus ihrer Mitte den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter105. 2. Rechte und Pflichten der Personalvertreter Auch der TV PV CA sieht keine Dauerfreistellung für Personalvertreter vor106. Für Sitzungen und Büroarbeit wird jedes Mitglied der Personalversammlung grundsätzlich jeweils für einen Tag freigestellt107. 3. Mitbestimmungsrechte im Einzelnen Der Tarifvertrag enthält keine Regelung über die Errichtung einer Einigungsstelle, erklärt den Arbeitgeber jedoch für verpflichtet, der Personalvertretung in bestimmten Angelegenheiten ein zwingendes Mitspracherecht einzuräumen108. a) Mitwirkung in personellen Angelegenheiten Das Fehlen einer Einigungsstelle wirkt sich auf die Ausgestaltung der Mitwirkungsrechte aus. Zwar muss sich der Arbeitgeber mit der Personalvertretung über 101 Laut eigenen Angaben des Unternehmens sind etwa 330 Mitarbeiter für Contact Air tätig (vgl. Internetpräsenz unter http://www.contactair.de). 102 Eine Jugendvertretung ist ohnehin obsolet, da bereits die Aufnahme der Schulung Volljährigkeit voraussetzt. 103 § 19 Abs. 3 TV PV CA. 104 § 4 Abs. 1 der Wahlordnung gemäß § 1 des TV PV CA. 105 § 4 Abs. 1 TV PV CA. 106 § 11 Abs. 1 TV PV CA. 107 § 11 Abs. 2 TV PV CA. 108 Vgl. etwa § 25 TV PV CA.

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§ 2 Praxisbeispiele für Bordbetriebsverfassungen

Auswahlrichtlinien beraten109, ihre Aufstellung ist aber entgegen § 95 BetrVG nicht zustimmungspflichtig. Bestimmungen über die Berufsbildung gemäß §§ 96 bis 98 BetrVG fehlen im Tarifvertrag. Die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen und vorläufigen personellen Einzelmaßnahmen entspricht hingegen der gesetzlichen Konzeption110. Hinsichtlich der Mitbestimmung bei der Kündigung wurde auf die Regelung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG verzichtet. b) Mitwirkung in sozialen Angelegenheiten Die Mitwirkungsrechte in sozialen Angelegenheiten weichen von der gesetzlichen Betriebsverfassung ab. Anstelle eines einigungsstellenbewehrten Mitbestimmungsrechts nach § 87 BetrVG ist lediglich von der Verpflichtung des Arbeitgebers die Rede, der Personalvertretung ein zwingendes Mitspracherecht einzuräumen, ohne dass dieses Recht näher geregelt wird. Hinsichtlich der thematischen Reichweite findet die Arbeitszeitregelung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG in dem Mitspracherecht bei den Besatzungsumläufen ihre Entsprechung. Des Weiteren wurde insbesondere auf eine Regelung hinsichtlich der Aufstellung von Urlaubsgrundsätzen, der Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, der Zuweisung und Kündigung von Wohnraum, der Festsetzung von Akkordsätzen und der Durchführung von Gruppenarbeit verzichtet, wobei die letztgenannten drei Themenkomplexe für den Flugbetrieb ohnehin irrelevant sind. Auch im TV PV CA sind aus den bereits genannten Gründen keine den §§ 88 f. BetrVG vergleichbare Regelungen über den Arbeits- und betrieblichen Umweltschutz enthalten111. c) Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten Erhebliche Abweichungen ergeben sich für den Bereich der wirtschaftlichen Angelegenheiten. Das Fehlen eines Wirtschaftsausschusses wurde bereits genannt. Die Konzeption der Unterrichtungs- und Beratungsrechte im Falle einer Flugbetriebsänderung entspricht zunächst der gesetzlichen Ausgestaltung112. Allerdings existieren überhaupt keine Regelungen über einen Interessenausgleich, den Sozialplan oder einen Nachteilsausgleich. 4. Straf-, Zwangsgeld- und Bußvorschriften Der Tarifvertrag sieht eine § 120 BetrVG nachgezeichnete Strafregelung vor113. Das Arbeitsgericht soll einen Mitarbeiter auf Antrag des Arbeitgebers we109 110 111 112 113

§ § § § §

31 TV PV CA. 32 TV PV CA. 88 und 89 TV PV CA. 36 TV PV CA. 38 TV PV CA.

C. Struktur und inhaltliche Ausgestaltung

37

gen Geheimnisverrats zur Zahlung eines Geldbetrages verurteilen können. Die Verhängung von Zwangs- und Ordnungsgeldern ist nicht vorgesehen.

IV. TV PV für das Kabinenpersonal der Eurowings Luftverkehrs AG Der Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 1 vom 1. Juli 2010 (TV PV EW) wurde zwischen der Eurowings Luftverkehrs AG und der ver.di für das Kabinenpersonal abgeschlossen. Der Tarifvertrag erklärt das Betriebsverfassungsgesetz für anwendbar, sofern der TV PV EW keine abweichenden Regelungen enthält114. 1. Organe der Betriebsverfassung Entsprechend der gesetzlichen Ausgestaltung bestehen die Organe der Bordverfassung aus einem Vertretungsorgan und einer Versammlung der vertretenen Arbeitnehmer. Die Personalvertretung setzt sich aus fünf Mitgliedern zusammen115. Die Personalversammlung findet in Abweichung von den §§ 42 ff. BetrVG einmal jährlich statt, und zwar an vier von der Personalvertretung jeweils bestimmten Stationen116. Für einigungsstellenfähige Sachverhalte sieht der TV PV EW eine tarifliche Clearingstelle als Vorschaltstufe zur Anrufung der Einigungsstelle vor117. 2. Rechte und Pflichten der Personalvertreter Personalvertreter werden auch gemäß TV PV EW nicht dauerhaft freigestellt. Der Vorsitzende teilt der Personalleitung die erforderlichen Freistellungen mit und berücksichtigt dabei die betrieblichen Notwendigkeiten118. Die fliegerischen Einsätze sind so zu planen, dass die vereinbarten Mindestruhezeiten vor und nach einer Personalvertretungssitzung eingehalten werden können119. Obwohl es insgesamt nur wenige Personalvertreter gibt, schreibt der TV PV EW abweichend von § 27 BetrVG die Bildung eines Betriebsausschusses vor, der entsprechend der gesetzlichen Konzeption die laufenden Geschäfte wahrnimmt und dem durch Mehrheitsbeschluss Aufgaben zur selbstständigen Erledigung übertragen werden 114

§ 1 Abs. 3 TV PV EW. § 4 Abs. 3 TV PV EW. 116 § 10 TV PV EW, wobei mit Stationen die Standorte der Abfertigung und des Ticketservice gemeint sind. 117 § 13 TV PV EW. 118 § 5 Abs. 4 a) TV PV EW. 119 § 5 Abs. 4 c) TV PV EW. 115

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§ 2 Praxisbeispiele für Bordbetriebsverfassungen

können120. Jedes Mitglied der Personalvertretung erhält für einen Freistellungstag einen Verdienstausgleich121. 3. Mitbestimmungsrechte im Einzelnen Die im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Mitbestimmungsrechte werden im TV PV EW nur für den Bereich der sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten modifiziert. a) Mitwirkung in sozialen Angelegenheiten Die Mitbestimmungsrechte des § 87 Abs. 1 Nrn. 9, 11 und 13 BetrVG (Zuweisung und Kündigung von Wohnraum, Festsetzung der Akkordsätze und Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit) sind mangels Anwendungsbereich nicht in die korrespondierende tarifvertragliche Regelung122 aufgenommen worden. Allerdings hat die Arbeitszeit gegenüber § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG eine eigenständige, detaillierte Regelung erfahren123. Aus der Mitte der Personalvertretung werden zwei Dienstplanreferenten benannt, welche die Mitbestimmungsrechte bei der Planung und Festlegung der Dienstpläne wahrnehmen124. Die auf der Basis der Besatzungsumläufe erstellten Dienstpläne bedürfen der Zustimmung dieser Dienstplanreferenten125. Bei Verstößen gegen gesetzliche Bestimmungen, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Regelungsabsprachen kann die Zustimmung verweigert werden. In diesen Fällen entscheidet ein Spruch der Einigungsstelle, wobei die Wirksamkeit der Dienstpläne nicht berührt wird, wenn dringende betriebliche Erfordernisse eine kurzfristige Änderung nicht zulassen. Im Ergebnis gehen die diesbezüglichen Mitwirkungsrechte im TV PV EW also erheblich weiter als beispielsweise bei der Lufthansa, bei der sich die Mitbestimmung auf die Planung der Umläufe beschränkt. b) Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten Lediglich die Regelung über Betriebsänderungen weicht von der gesetzlichen Betriebsverfassung ab126. Hauptsächlich werden die einschlägigen Definitionen der Betriebsänderung § 111 S. 3 BetrVG an den Flugbetrieb angepasst. Demnach

120 121 122 123 124 125 126

§ 6 Abs. 1 und 2 TV PV EW. § 7 TV PV EW. § 11 TV PV EW. § 11a TV PV EW. § 11a lit. a TV PV EW. § 11a lit. b TV PV EW. § 12 TV PV EW.

C. Struktur und inhaltliche Ausgestaltung

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gilt eine Einheit dann als wesentlicher Betriebsteil, wenn mindestens 5 % des Kabinenpersonals dort tätig sind127. Eine Einschränkung von wesentlichen Teilen des Flugbetriebs liegt dann vor, wenn der Betriebszweck zwar weiter verfolgt wird, es jedoch zur Entlassung oder anderweitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses von mehr als 25 Mitarbeitern des dort beschäftigten Kabinenpersonals kommt128. 4. Straf-, Zwangsgeld- und Bußvorschriften Der TV PV EW trifft hinsichtlich der Straf-, Zwangsgeld- und Bußvorschriften keine Regelung, so dass gemäß § 1 Abs. 3 TV PV EW die entsprechenden Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes entsprechend Anwendung finden sollen129.

V. Ergebnis Die Analyse der Beispiele hat gezeigt, dass sich die Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung in unterschiedlichem Ausmaß an der gesetzlichen Ausgestaltung der Betriebsverfassung orientieren. In einzelnen Bereichen sind durchaus signifikante Abweichungen festzustellen130. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die Erfordernisse des Flugverkehrs, die einen durchgehenden Einsatz der Arbeitnehmer verlangen und dadurch die Mandatsausübung der Personalvertreter erschweren131. Deshalb sehen fast alle Tarifverträge Personalvertretung einen Verzicht auf dauerhafte Freistellungen und die Einrichtung einer hauptamtlichen Geschäftsführung vor. Erhebliche Abweichungen der tariflichen von den gesetzlichen Regelungen ergeben sich daneben vor allem für den Bereich der wirtschaftlichen Angelegenheiten. Hier fehlt meist die Einrichtung eines Wirtschaftsausschusses. Der Grund dafür ist wohl oft darin zu sehen, dass die Tarifvertragsparteien es für vorzugswürdig halten, das fliegende Personal in den Wirtschaftsausschuss der Landbetriebe zu integrieren132. Eine solche Integration hat jedoch meist nicht stattgefunden, zumindest nicht in Form des Abschlusses eines Kooperationstarifvertrages133. Die Mitwirkungsrechte für personelle Angelegenheiten entsprechen häufig weitgehend der gesetzlichen Ausge-

127

§ 12 Nr. 1 TV PV EW. § 12 Nr. 1 TV PV EW. 129 Vgl. zu dieser Problematik § 6 D. 130 Die Frage der Zulässigkeit der Abweichungen vom gesetzlichen Modell wird unter § 6 behandelt. 131 Vgl. hierzu unten § 5 B.I.2.b). 132 Vgl. zum Beispiel Abschnitt D der Protokollnotiz zum TV PV DLH. 133 Vgl. hierzu unten § 9. 128

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§ 2 Praxisbeispiele für Bordbetriebsverfassungen

staltung134. Was den Bereich der sozialen Angelegenheiten angeht, wurde insbesondere das Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Arbeitszeit abweichend geregelt. Hierbei ist zwischen Umlaufplänen und den einzelnen Dienstplänen zu differenzieren. Manche Tarifverträge Personalvertretung räumen ein Mitbestimmungsrecht lediglich hinsichtlich der Umlaufpläne, nicht aber in Bezug auf die Dienstpläne ein, was der Regelung in § 87 BetrVG entsprechen würde. Die Einrichtung einer Einigungsstelle ist hingegen im ganz überwiegenden Teil der Tarifverträge vorgesehen. Ihre Funktion, Zuständigkeit und Arbeitsweise entsprechen auch meist weitgehend der gesetzlichen Ausgestaltung. Eine Besonderheit stellt die Gruppenstruktur dar, die insbesondere den TV PV DHL prägt. Sie findet sich in den neueren Tarifverträgen nicht mehr, da diese partikulare Personalvertretungen für das Cockpit- und das Kabinenpersonal errichten. Die sich hieraus ergebenden Fragestellungen sind dennoch relevant, da der TV PV DHL aufgrund der Größe des Lufthansakonzerns eine erhebliche Anzahl des Bordpersonals betrifft135. Schließlich fällt auf, dass einige TV PV Straf-, Zwangsgeldund Bußvorschriften enthalten bzw. die entsprechenden Vorschriften des BetrVG für anwendbar erklären. Es stellt sich die Frage nach der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien, auf die noch eingegangen werden soll136.

134 Die Besonderheiten bei der DLH ergeben sich aus der Konzernstruktur und dem TV WeFö mit seiner starken Betonung des Senioritätsprinzips. 135 Vgl. zur Problematik der Gruppenstruktur § 6 C. 136 Vgl. hierzu § 6 D.

§ 3 Entstehungsgeschichte und Tatbestand der Bereichsausnahme für das Bordpersonal A. Gesetzgebungsgeschichte Es ist zunächst erstaunlich, dass bei der Suche nach den ersten Ansätzen einer betrieblichen Vertretung des Personals an Bord von Luftfahrzeugen greifbare Anfänge erst nach 1945 sichtbar werden, hat der Luftverkehr doch seit den 1920erJahren eine stürmische Entwicklung erfahren1. Dies mag sicherlich auch daran liegen, dass die Luftfahrt in ihren Anfangsjahren eine waghalsige, unfallträchtige und noch weit von der Zuverlässigkeit der Seefahrt entfernte Unternehmung war. Angesichts dieser Unsicherheiten blieb für die Mitwirkung einer Arbeitervertretung im Betrieb wenig Raum. Das Verhältnis sowohl zwischen Kommandanten und Besatzung wie auch des gesamten Personals zur Unternehmensführung war vielmehr durch einen Pioniergeist geprägt, der sich in in klaren hierarchischen Strukturen und einem starken Gefühl der Zusammengehörigkeit niederschlug2. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges konzentrierte sich die Luftfahrt auf den militärischen Bereich; dadurch wurde die zu diesem Zeitpunkt gerade erst einsetzende Entwicklung eines auf die „Handelsluftschifffahrt“ ausgerichteten zivilen Luftverkehrs zurückgeworfen. Auch nach Ende des Ersten Weltkriegs waren die Aussichten der zivilen Luftfahrt allerdings kaum besser. Bereits das Waffenstillstandsabkommen vom 11. November 1918 sah die Übergabe der gesamten deutschen Luftstreitkräfte vor3. Der Versailler Friedensvertrag statuierte, dass noch nicht übergebenes Gerät zerstört werden müsse, und verbot für ein halbes Jahr jedwede Erzeugung oder Einfuhr sowie den Vertrieb von Flugzeugen samt Zubehörs4. Angesichts dieser Rahmenbedingungen ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920 in § 4 zwar die Betriebe der Seeschifffahrt von seinem Geltungsbereich ausnahm, die Luftfahrt aber nicht einmal erwähnte. Ein Grund dafür war möglicherweise die politische Brisanz des Themas, weil Deutschland zu diesem Zeitpunkt die Lufthoheit von den drei Alliier1

Vgl. Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 196. Vgl. Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 197. 3 Vgl. Waffenstillstandsbedingungen der Alliierten, Compiègne, 11.11.1918 unter Art. IV und XXVII. 4 Vgl. Friedensvertrag von Versailles vom 28.6.1919, Art. 198–202. Dieses Verbot zielte nicht mehr auf rein militärische Aspekte ab. 2

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§ 3 Entstehungsgeschichte und Tatbestand

ten noch vorenthalten wurde. Es spricht aber auch einiges dafür, dass sich der Gesetzgeber außerdem nicht imstande sah, die Notwendigkeit und inhaltliche Zweckmäßigkeit von betrieblichen Mitwirkungsregelungen für das Bordpersonal zu beurteilen5. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde das Betriebsrätegesetz aufgehoben und durch das „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ vom 20. Januar 1934 ersetzt. In diesem Gesetz wurde der Luftverkehr erstmals im betriebsverfassungsrechtlichen Zusammenhang erwähnt6. Gemäß § 4 Abs. 3 des Gesetzes waren nunmehr nicht nur die Seeschifffahrt, sondern auch die Luftfahrt von seinem Geltungsbereich ausgenommen7. Darüber hinaus wurde die Lufthansa AG im Rahmen des „Gesetzes zur Ordnung der Arbeit in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben“ vom 23. März 1934 enger an die Zentralgewalt gebunden, um auch in diesem Bereich die Vorstellungen des Regimes von einer Betriebsgemeinschaft im Sinne einer nationalsozialistischen Weltanschauung zu verwirklichen8. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hoben die Siegermächte mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 1 das gesamte nationalsozialistische Recht ersatzlos auf, soweit es inhaltlich weltanschaulich ausgerichtet war9. Das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit wurde jedoch erst durch das Kontrollratsgesetz Nr. 40 aufgehoben10. Das Kontrollratsgesetz Nr. 2211 knüpfte als Rahmengesetz an die Entwicklung vor 1933 an, indem es die Wiedererrichtung von Betriebsräten für Arbeiter und Angestellte gestattete. Das Rahmengesetz überließ die nähere Ausgestaltung der Betriebsverfassung den unmittelbar im Betrieb Beteiligten12. Die meisten Länder erließen Landesbetriebsrätegesetze, um der dadurch entstehenden Rechtsunsicherheit abzuhelfen13. Die Luftfahrt blieb in diesen Regelungswerken verständlicherweise unberücksichtigt14, da die Lufthoheit bis zu der Ratifizierung der Pariser Verträge vom 5. Mai 1955 ohnehin allein bei den vier Siegermächten verblieb15. Das Tarifvertragsgesetz vom 9. April 1949 (TVG), das auf dem Kon5 Vgl. Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 199, der darüber hinaus darauf hinweist, dass angesichts der prekären Lage der deutschen zivilen Luftfahrt nach dem Ende des Ersten Weltkrieges der Wunsch, die bestehenden Hindernisse zu überwinden, einigend auf die involvierten Personengruppen wirkte und alle anderen Anliegen in den Hintergrund treten ließ. 6 Vgl. Lufthansa, Betriebsverfassung des Bordpersonals, S. 1. 7 Schaper, Probleme bei der Luftfahrt, S. 71. 8 Vgl. ausführlich hierzu Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 202. 9 Kontrollratsgesetz Nr. 1 vom 20.9.1945 (Amtsblatt Nr. 1 vom 29.10.1945, S. 6). 10 Kontrollratsgesetz Nr. 40 vom 30.11.1946 (Amtsblatt vom 30.11.1946, S. 229). 11 Kontrollratsgesetz Nr. 22 vom 10.4.1946 (Amtsblatt vom 10.4.1946, S. 133). 12 Schaper, Probleme bei der Luftfahrt, S. 71. 13 Vgl. hierzu Reichold, Betriebsverfassung als Sozialprivatrecht, S. 360 ff. 14 Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 203. 15 Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 203.

A. Gesetzgebungsgeschichte

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trollratsgesetz Nr. 22 aufbaute, sah neben der Wiederherstellung der Tarifautonomie in § 1 TVG auch eine Regelungskompetenz der Tarifvertragspartner für den Bereich der Betriebsverfassung vor. 1952 wurde auf Bundesebene ein Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG 1952) erlassen. Das Gesetz beseitigte das bunte Bild der durch die Ländergesetze geschaffenen Betriebsverfassungen und gewährleistete insoweit die vom Grundgesetz garantierte Vorgabe der Gleichheit vor dem Gesetz und der Gleichbehandlung nach arbeitsrechtlichen Grundvorstellungen für das System der kollektivrechtlichen betrieblichen Arbeitnehmervertretung16. Obwohl der Weg zu einer deutschen Lufthoheit noch weit war, fand sich im BetrVG 1952 eine interessante Bestimmung: Aufgrund der seinerzeitigen Überzeugung, dass die Verhältnisse an Bord der Luftfahrzeuge und der Seeschiffe einerseits vergleichbar, andererseits von den Verhältnissen in die Bodenbetrieben grundverschieden seien, statuierte § 88 Abs. 3 BetrVG 1952 eine erneute Sonderbehandlung auch der Luftfahrt17: Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Betriebe der Seeschiffahrt und Luftfahrt. Die Regelungen für diesen Bereich bleiben einem besonderen Gesetz vorbehalten.

Wohl in Kenntnis der Absichten und Bemühungen der Bundesregierung, zur Vorbereitung auf den Luftvehrkehr alsbald eine Vorbereitungsgesellschaft in Form einer Bodenorganisation zu gründen18, fand sich in Absatz 4 lediglich eine Regelung zu den Landbetrieben: Bis zum Inkrafttreten des in Abs. 3 vorgesehenen Gesetzes gelten für die Landbetriebe der Seeschiffahrt und Luftfahrt die Vorschriften dieses Gesetzes.

Jedoch wurde das angekündigte Gesetzgebungsvorhaben nie realisiert. Nachdem im Jahre 1955 bereits die ersten tariflichen Regelungen unter anderem über die Vergütung, die Arbeitszeit und den Urlaub in Kraft getreten waren, beschlossen die Tarifpartner 1957, nicht länger auf den Gesetzgeber zu warten. Sie errichteten auf der Grundlage des § 1 TVG eine Betriebsvertretung für das Bordpersonal der Lufthansa durch einen besonderen Tarifvertrag19. So entstand am 25. Januar 1957 die erste tarifliche Mitwirkungsregelung für das fliegende Personal in der Bundesrepublik, der „Tarifvertrag Betriebsvertretung für das Bordpersonal der DLH“ 20, der zwischen der ÖTV und der AVH abgeschlossen wurde. Diese tarifvertragliche Betriebsverfassung bestand über mehr als 15 Jahre, ehe sie vom Gesetzgeber 1972 grundsätzlich bestätigt wurde21. Ende 1961 wurde dieser Ta16

Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 204. Lufthansa, Betriebsverfassung des Bordpersonals, S. 1. 18 Vgl. Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 204 sowie den Beschluss des Bundeskabinetts vom 25.9.1952; Gründung der „Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf“ (LUFTAG) am 6.1.1953 in Köln. 19 Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 205. 20 Vgl. hierzu Lufthansa, Betriebsverfassung des Bordpersonals, S. 5. 21 Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 205. 17

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§ 3 Entstehungsgeschichte und Tatbestand

rifvertrag angesichts der unternehmerischen Fortschritte der Lufthansa überarbeitet. In dem am 1. November 1961 abgeschlossenen Tarifvertrag war nun nicht mehr von „Betriebsvertretung“, sondern in Anlehnung an die Personalräte im öffentlichen Dienst von „Personalvertretung“ die Rede22. Diese Personalvertretung bestand auch nicht mehr nur aus einem Gremium, sondern setzte sich aus nach Berufsgruppen getrennten Gruppenvertretungen und dem gemeinsamen Gremium der Gesamtvertretung zusammen. Zur Unterstützung ihrer Arbeit erhielt die Personalvertretung einen hauptamtlichen Geschäftsführer. In der Folgezeit wurde lediglich die Mitgliederzahl der Gesamtvertretung verdoppelt und die Anzahl der Gruppen von vier auf sieben erhöht23. Anfang der Siebzigerjahre wurden unter der Kanzlerschaft von Willy Brandt veränderte wirtschafts- und sozialpolitische Zielvorstellungen formuliert und eine umfassende Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes von 1952 in Angriff genommen. Dabei stellte sich die Frage, ob man es bei der Bereichsausnahme für die Luftfahrt und damit bei tarifvertraglichen Lösungen belassen oder ob der Versuch einer abschließenden Kodifizierung unternommen werden sollte, wie sie für die Seeschifffahrt angestrebt und schließlich auch realisiert wurde. Nach Anhörung aller Beteiligten und auf Grundlage der von allen drei im Bundestag vertretenen Fraktionen einmütig geteilten Auffassung, der sich auch der DGB anschloss, sollte den Tarifpartnern die Möglichkeit belassen werden, die betriebliche Vertretung des fliegenden Personals eigenständig einzurichten24. Lediglich die DAG schlug vor, die Luftfahrt grundsätzlich in das allgemeine Gesetz einzubeziehen und durch Öffnungsklauseln abweichende Regelungen durch Tarifvertrag zuzulassen25. Die Mehrheitsmeinung beruhte vor allem auf der Beurteilung, dass das tarifvertraglich gefundene System sich wegen der besseren Sachnähe zur komplexen Materie gut bewährt habe, und auf den positiven Erfahrungen mit der tarifvertraglich errichteten Personalvertretung bei DLH und später auch bei der Condor Flugdienst GmbH26. Darüber hinaus war man der Ansicht, dass die tarifvertragliche Vertretungsstruktur auch ermöglichte, das Zusammenwirken zwischen den gesetzlichen Betriebsräten der Landbetriebe und den Personalvertretungen des Bordpersonals zu regeln27. Anders als zur Zeit der erstmaligen Kodifizierung einer bundeseinheitlichen Betriebsverfassung war man sich inzwischen nicht nur über die Eigenheiten des neuen Verkehrszweiges im Klaren, sondern man erkannte auch zwei Gefahren, die mit einer generellen Einbeziehung des fliegenden Personals in eine allgemeine gesetzliche Regelung verbun-

22 23 24 25 26 27

Lufthansa, Betriebsverfassung des Bordpersonals, S. 7. Fitting, Festvortrag, unter II. C. Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 205. Fitting, Festvortrag, unter II. C. Lufthansa, Betriebsverfassung des Bordpersonals, S. 9. Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 205.

B. Tatbestandliche Probleme

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den waren: Zum einen drohte eine Majorisierung des Bordpersonals durch die zahlenmäßig größere Bodenbelegschaft, was unter Sicherheitsaspekten bedenklich erschien, zum anderen sollte eine Lähmung der Tätigkeit der Bodenvertretungen vermieden werden28. All dies führte nun dazu, dass im Betriebsverfassungsgesetz von 1972 die Handlungsbefugnis der Tarifvertragsparteien eine Bestätigung erfuhr: Für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer kann gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG eine Vertretung durch Tarifvertrag errichtet werden, während für die Landbetriebe der Luftfahrtunternehmen das Betriebsverfassungsgesetz gemäß § 117 Abs. 1 BetrVG unmittelbar und uneingeschränkt gilt. Begründet wird diese Differenzierung mit „der besonderen, nicht ortsgebundenen Art der Tätigkeit“ des „fliegenden Personals“ 29. Schließlich gestattet § 117 Abs. 2 S. 2 BetrVG den Tarifparteien, in einem Tarifvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Bordvertretung und den Betriebsräten des Bodenpersonals vom Gesetz abweichende Regelungen vorzusehen. Mit dem Tarifvertrag vom 11. Oktober 1972 vollzogen die AVH, die ÖTV und die DAG die vom Gesetzgeber durch das Betriebsverfassungsgesetz 1972 vorgenommenen Änderungen im „Tarifvertrag Personalvertretung für das Bordpersonal der DLH“ nach, der mit kleineren Modifikationen bis heute die betriebliche Mitbestimmung des fliegenden Personals der Lufthansa regelt. Zugleich wurde dieser Tarifvertrag mehr oder weniger Vorlage für zahlreiche nach 1972 entstandene Tarifverträge über die Mitbestimmung des Bordpersonals bei anderen Luftverkehrsgesellschaften30. § 117 BetrVG wurde zuletzt durch das Reformgesetz zum Betriebsverfassungsgesetz von 2001 geändert. Es handelte sich lediglich um eine Folgeänderung der Neuregelung des § 3 BetrVG31, die zu dem Wegfall des Erfordernisses der staatlichen Zustimmung führte32, welches sich ausschließlich auf die Kooperationstarifverträge nach § 117 Abs. 2 S. 2 BetrVG bezog.

B. Tatbestandliche Probleme I. Auslegung des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG Nach allgemeiner Meinung33 ist das Betriebsverfassungsgesetz nicht auf das sogenannte Flugpersonal, also die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer 28

Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 205. BegrRegE, BT-Drucks. VI/1786, S. 58. 30 Lufthansa, Betriebsverfassung des Bordpersonals, S. 9. 31 BegrRegE, BT-Drucks. XIV/5741, S. 53. 32 Vgl. hierzu bereits § 1 A. 33 Vgl. BAG AP Nr. 6 zu § 117 BetrVG 1972; Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 1, der allerdings verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung anführt; Düwell, BetrVG, § 117 Rn. 2; Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 1; Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 29

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§ 3 Entstehungsgeschichte und Tatbestand

von Luftfahrtunternehmen, anzuwenden. Der Gesetzeswortlaut ist insofern nicht ganz eindeutig. Die Formulierung des § 117 Abs. 1 BetrVG, „auf Landbetriebe von Luftfahrtunternehmen ist dieses Gesetz anzuwenden“, postuliert unter der allumfassenden Generalklausel des § 1 BetrVG kaum mehr als Selbstverständliches. Dieser Gesetzeswortlaut rechtfertigt sich bestenfalls aus dem Bemühen, im Rückgriff auf historische Vorbilder34 die Tradition des Gedankens der betrieblichen Mitbestimmung neu zu beleben35. Die Norm genügt freilich nicht den Anforderungen, die an die Klarheit von gewollten Ausnahmen vom Geltungsbereich des Gesetzes zu stellen sind. Dem Gesetzgeber ist auch die nachfolgende Ermächtigung an die Tarifpartner in Absatz 2 misslungen: „Für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen kann durch Tarifvertrag eine Vertretung errichtet werden.“ Auch diese Formulierung lässt auf den ersten Blick den Schluss auf eine zwingende Bereichsausnahme für das fliegende Personal nicht unbedingt zu. Als alternative Deutungsmöglichkeit wird teilweise die Herausnahme aus dem Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes nur dann angenommen, wenn ein Tarifvertrag nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG tatsächlich abgeschlossen wurde36. Anlass für diese Auslegung sind Bedenken hinsichtlich der Europarechts- und Verfassungskonformität einer generellen Bereichsausnahme37. Doch bereits eine genaue Auslegung des Wortlauts der Regelung spricht dafür, dass das Betriebsverfassungsgesetz für das fliegende Personal nicht gilt: In § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist von der „Errichtung“ einer Mitarbeitervertretung die Rede, was nichts anderes bedeutet, als dass eine solche im Betrieb überhaupt erst eingerichtet werden muss38. Die Unanwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes ergibt sich aber auch aus einer Zusammenschau der beiden Regelungen. Ist nach ausdrücklicher Anordnung in § 1 das Betriebsverfassungsgesetz auf das Bodenpersonal der Luftfahrtunternehmen anwendbar, wird im Umkehrschluss das Bodenpersonal von dem Geltungsbereich ausgenommen39. Aus der Systematik des Betriebsverfassungsgesetzes lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten. Vielmehr enthält es in seinem fünften Teil sogar explizit Einschränkungen bis zum völligen Ausschluss seiner Anwendbarkeit im Bereich der Seeschifffahrt

Rn. 1; Hess, in: H/S/W/G, BetrVG, § 117 Rn. 3; Natter, in: AR-Blattei, Rn. 170; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 117 Rn. 1. 34 Vgl. § 1 Betr.RäteG 1920 (Ausnahmen in §§ 4 und 5); § 1 BetrVG 1952 (Ausnahmen in §§ 81 und 88). 35 Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 208. 36 Vgl. Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 6a, der davon ausgeht, dass der Wortlaut insofern nicht zwingend sei, sondern die Bereichsausnahme sich erst aus dem Gesamtzusammenhang der Absätze 1 und 2 ergebe. 37 Vgl. hierzu § 5 A. und § 5 B. 38 So überzeugend Bayreuther, NZA 2010, 262, 263. 39 So ausdrücklich Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 6a; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 26; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 64.

B. Tatbestandliche Probleme

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und für Tendenzbetriebe und Religionsgemeinschaften40. Dieses Auslegungsergebnis deckt sich mit der Gesetzesbegründung, die ausführt, dass „das sogenannte ,fliegende Personal‘ [. . .] wie bisher aus seinem Geltungsbereich ausgenommen“ 41 ist. Letztlich können also keine Zweifel an der Nichtgeltung des Betriebsverfassungsgesetzes für das fliegende Personal bestehen, wenngleich sowohl die Regelungstechnik als auch die Formulierung des § 117 BetrVG als missglückt bezeichnet werden müssen. Eine einfache Auslegung des § 117 BetrVG dahin gehend, dass die Bereichsausnahme nur greift, wenn ein entsprechender Tarifvertrag die Errichtung einer Arbeitnehmervertretung vorsieht, ist somit nicht möglich. Zugleich hat § 117 Abs. 2 BetrVG der alten Streitfrage wieder Auftrieb gegeben, ob und inwieweit der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien durch § 1 TVG weiterhin eine unveränderte und durch das Betriebsverfassungsgesetz uneingeschränkte Regelungsbefugnis zugesteht42.

II. Begriff des Luftfahrtunternehmens Das Gesetz definiert den Begriff des Luftfahrtunternehmens nicht. Früher wurde die Definition des § 20 Abs. 1 S. 1 LuftVG i. d. F. der Bekanntmachung vom 14. Januar 1981 herangezogen43. Demnach waren Luftfahrtunternehmen Unternehmen, die Personen oder Sachen durch Luftfahrzeuge gewerbsmäßig befördern. Eine Beförderung ist gewerbsmäßig, wenn sie Erwerbszwecken dient, also auf Gewinnerzielung gerichtet ist44. Diese Definition des Adressatenkreises führte dazu, dass größere Unternehmen, die ihren Geschäftsreiseverkehr mithilfe eigener Flugzeuge abwickeln, nicht von § 117 BetrVG erfasst wurden45. Für das Bordpersonal solcher Unternehmen galt das Betriebsverfassungsgesetz also uneingeschränkt. Ebenfalls nicht als Luftfahrtunternehmen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes wird etwa die Hansa Luftbild AG angesehen, die eine Reihe von Piloten nicht nur im Inland, sondern auch häufiger im Ausland über Monate hinweg zum Zwecke der Landvermessung und für die Herstellung von Luftbildern und Landkarten „ortsungebunden“ einsetzt46. Dies ist ein recht eigentümliches Ergebnis, da die arbeitstechnische Organisation des Einsatzes des fliegenden Personals dieser Firmen nach der Vorstellung des Gesetzgebers wohl ebenfalls 40 LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.10.2009 – 6 TaBVGa 2284/09 (BeckRS 2009, 74383). 41 BegrRegE, BT-Drucks. VI/1786, S. 58. 42 Vgl. hierzu § 4 C.III. 43 So noch BAG AP Nr. 5 zu § 117 BetrVG 1972; weiterhin Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 117 Rn. 4; Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 3. 44 Schmid/Roßmann, Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder, Rn. 505. 45 Vgl. Mußgnug, Rechtsgutachten, 6; Schmitt, Handbuch BV, S. 133; Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 209. 46 Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 209.

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die Ausklammerung aus der Bodenbetriebsverfassung gerechtfertigt hätte. Die Voraussetzungen der Genehmigung als Luftfahrtunternehmen wurden durch die Verordnung EWG Nr. 2407/92 vom 23. Juli 1992 und im Anschluss durch die Verordnung EG Nr. 1008/2008 neu geregelt, die unmittelbar geltendes Bundesrecht ist. Entsprechend der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 3 der Verordnung ist ein (Luftfahrt-)Unternehmen im Sinne dieser Verordnung „jede natürliche oder juristische Person mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht [. . .]“. Der Gewerbsmäßigkeit als Tatbestandsvoraussetzung ist also selbst dann die Grundlage entzogen, wenn man den Begriff des Luftfahrtunternehmens unter Rückgriff auf luftfahrtrechtliche Vorschriften bestimmen möchte. Das Bundesarbeitsgericht verwendet inzwischen zu Recht eine von der ratio legis des § 117 BetrVG ausgehende Definition47. Diese Ausnahmevorschrift trage den Besonderheiten der arbeitstechnischen Zwecksetzung des Flugbetriebs von Luftfahrtunternehmen Rechnung, die es den im Flugbetrieb eingesetzten Arbeitnehmern wegen einer typischerweise fehlenden Ortsgebundenheit und der damit einhergehenden wechselnden Aufenthalte an unterschiedlichen Flughäfen im In- und Ausland besonders schwierig mache, zusammen mit den Arbeitnehmern des Landbetriebs eine Interessenvertretung nach den Grundsätzen des Betriebsverfassungsgesetzes zu organisieren und sich an dieser aktiv zu beteiligen. Entscheidend sei insofern nicht, ob ein Unternehmen einer Betriebserlaubnis nach luftverkehrsrechtlichen Vorschriften bedürfe, sondern vielmehr, ob aufgrund des Unternehmenszwecks ein darauf gerichteter Flugbetrieb eingerichtet sei, dessen arbeitstechnische Organisation den Ausschluss rechtfertige48. Dagegen führten kurzfristige Ortsabwesenheiten zu keinen besonderen Problemen bei der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation49. Eine solche zweckorientierte Auslegung des Begriffs des Luftfahrtunternehmens verdient im Grundsatz Zustimmung. Allerdings ist die Definition des Bundesarbeitsgerichts gemessen am Regelungszweck des § 117 BetrVG immer noch zu eng. Es kann nämlich nicht ausschlaggebend sein, ob der Flugbetrieb unmittelbar dem Geschäftszweck des Personen-, Fracht- oder Posttransports auf dem Luftweg dient. Stattdessen kommt es ausschließlich darauf an, ob der Flugbetrieb in dem betreffenden Unternehmen arbeitstechnisch so organisiert ist, dass ein Ausschluss der gesetzlichen Betriebsverfassung gerechtfertigt ist. Nach dieser Definition würden auch die eingangs genannten Unternehmen erfasst, die etwa eine firmeneigene Flugzeugflotte zur Durchführung des eigenen Geschäftsverkehrs betreiben. Das Bordpersonal dieser Unternehmen sieht sich nämlich bei der Organisation der betrieblichen Mitbestimmung mit denselben Problemen konfrontiert wie das Bordpersonal der kommerziellen Fluggesellschaften. Im Ge47

BAG AP Nr. 6 zu § 117 BetrVG 1972. BAG AP Nr. 6 zu § 117 BetrVG 1972. 49 Nach diesen Grundsätzen kam das Bundesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, dass ein Luftrettungsdienst, der von verschiedenen Stützpunkten aus Hubschrauber jeweils ortsnah einsetzt, kein Luftfahrtunternehmen i. S. d. Betriebsverfassungsgesetzes sei. 48

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gensatz hierzu ist die Anwendung auf Unternehmen, die beispielsweise Rundflüge anbieten, mit denen keine Beförderung von Personen, Post oder Fracht zwischen verschiedenen Flughäfen oder anderen genehmigten Landepunkten verbunden ist, nicht geboten. In diesem Fall ist die lediglich kurzfristige Ortsungebundenheit nicht mit der arbeitstechnischen Organisation des Personaleinsatzes bei den vorher beschriebenen Luftfahrtunternehmen vergleichbar50. Für die Definition des Luftfahrzeugs kann auf § 1 Abs. 2 LuftVG zurückgegriffen werden. Hiernach sind Luftfahrzeuge Flugzeuge, Drehflügler, Luftschiffe, Segelflugzeuge, Motorsegler, Frei- und Fesselballone, Drachen, Rettungsfallschirme, Flugmodelle, Luftsportgeräte und sonstige für die Benutzung des Luftraums bestimmte Geräte, sofern sie in Höhen von mehr als dreißig Metern über Grund oder Wasser betrieben werden können51. Auch nach dem neuen Verständnis des Begriffes eines Luftfahrtunternehmens hat sich nichts daran geändert, dass sowohl das Bundespersonalvertretungsgesetz als auch die Personalvertretungsgesetze der Länder für die Betriebe der Luftschifffahrt, die von den in den Gesetzen genannten Verwaltungen geführt werden, keine Bereichsausnahme vorsieht52.

III. Persönlicher Anwendungsbereich des § 117 Abs. 2 BetrVG 1. Im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer Die Bereichsausnahme gilt gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG für die „im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer“. Der Flugbetrieb ist derjenige Teil eines Luftfahrtunternehmens, dessen arbeitstechnischer Zweck unmittelbar darauf gerichtet ist, die Beförderung von Personen oder Gütern durch Luftfahrzeuge tatsächlich auszuführen53. Im Flugbetrieb beschäftigt sind daher solche Arbeitnehmer, die unmittelbar eine Beförderungstätigkeit ausüben, indem sie das Flugzeug führen bzw. dabei mitwirken oder Personen bzw. Güter während der Beförderung betreuen und die mit der Beförderung verbundenen Dienstleistungen erbringen54. Arbeitnehmer, die nicht an dieser Beförderungsleistung beteiligt sind, gehören nicht zu den im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmern, auch wenn ihre Tätigkeit von ihnen ganz oder teilweise im Flugzeug selbst und während eines Fluges erbracht wird. Das trifft beispielsweise auf Personen zu, die zu Kontroll- und Prüfungszwecken mitfliegen, wie etwa die Mitarbeiter des technischen Wartungs50 51 52 53 54

Fitting, BetrVG § 117 Rn. 2; Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 3. Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 4. Vgl. Schaper, Probleme bei der Luftfahrt, S. 72 f. Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 7. BAG AP Nr. 5 zu § 117 BetrVG 1972.

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dienstes55. Dass diese Mitarbeiter nicht zu den im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmern zählen, ist konsequent, weil sie weder unter die Bestimmungen über die Fluglizenzen fallen56, die eine beinahe durchgehende Ausübung der fliegerischen Tätigkeit verlangen, noch den besonderen Vorgaben über die Arbeitszeiten des Bordpersonals entsprechen müssen57. Auf den zeitlichen Umfang der unmittelbaren Tätigkeit bei der Beförderung von Personen oder Gütern in Flugzeugen kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, ob die fliegende Tätigkeit der Gesamttätigkeit das Gepräge gibt58. Die Tätigkeit eines Flugzeugführers, eines Flugingenieurs oder eines Flugbegleiters ist typischer Teil der Ausführung einer Transportleistung. Folglich ist dieser Personenkreis vom persönlichen Anwendungsbereich des § 117 Abs. 2 BetrVG erfasst. Allerdings gilt das nur insofern, als der Schwerpunkt der Tätigkeit im fliegenden Einsatz liegt59. Gelegentliche Flüge, die zum Beispiel Ausbildungs- und Kontrollmaßnahmen dienen, sind lediglich als „Zusammenhangstätigkeit“ anzusehen; sie geben einer Tätigkeit somit nicht das entscheidende Gepräge. Unter das fliegende Personal fallen jedenfalls Flugkapitäne, Kopiloten, Flugingenieure, Purser und Purseretten sowie Stewards und Stewardessen60. 2. Flugkapitän als leitender Angestellter Die Frage, ob der Flugkapitän leitender Angestellter ist, wurde bisher kaum problematisiert61. Die Fragestellung ist insofern bedeutsam, als der Gesetzgeber die leitenden Angestellten vom Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen und für sie im Sprecherausschussgesetz (SprAuG) eine eigene Vertretung vorgesehen hat (vgl. § 5 Abs. 3 BetrVG i.V. m. § 1 Abs. 1 SprAuG). Die Tarifvertragsparteien können also leitende Angestellte nicht in eine Regelung über die Bordbetriebsverfassung einbeziehen. Ein Blick auf die Tarifvertragspraxis zeigt zunächst, dass die Tarifparteien den Flugkapitän nicht den leitenden Angestellten zuordnen, da die jeweiligen Tarifverträge Personalvertretung für Flugkapitäne nicht nur keine Ausnahme vom Anwendungsbereich vorsehen, sondern ihnen vielmehr eine herausragende Stellung zuordnen. Soweit

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BAG AP Nr. 5 zu § 117 BetrVG 1972; ebenfalls Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 4. Vgl. hierzu § 5 B.I.2.b)(2). 57 Vgl. hierzu § 5 B.I.2.b)(3). 58 BAG AP Nr. 5 zu § 117 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 4; Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 8; Grabherr, NZA 1988, 532; kritisch Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 8. 59 Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 117 Rn. 8. 60 Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 8. 61 Lediglich Schaper, Probleme bei der Luftfahrt, S. 91 ff., und Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 27 f. sprechen diese Frage an. 56

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ersichtlich, wurde diese Tarifvertragspraxis in der Rechtsprechung bisher nicht thematisiert. Zwar ist der Kapitän eines Schiffes nach der Legaldefinition in § 114 Abs. 6 S. 2 BetrVG leitender Angestellter. Diese Regelung für die Schifffahrt lässt aber nicht den Rückschluss zu, dass der Gesetzgeber den Flugkapitän auf keinen Fall als leitenden Angestellten ansieht. Für den Luftverkehr ist angesichts des Fehlens einer entsprechenden Regel vielmehr davon auszugehen, dass die allgemeinen Grenzen des Arbeitnehmerbegriffs gelten. Der Flugkapitän ist weder zur Einstellung und Entlassung von im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt (vgl. § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG) noch besitzt er Generalvollmacht oder Prokura (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG). Unter Heranziehung der üblichen Abgrenzungsmerkmale kann sich seine Stellung als leitender Angestellter demnach allein aus der Wahrnehmung von Aufgaben ergeben, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst (vgl. § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG). Von besonderen Erfahrungen und Kenntnissen kann man angesichts der umfangreichen und anspruchsvollen Ausbildung von Piloten durchaus sprechen. Auch ist der Aufgabenbereich, nämlich die sichere Durchführung der Flüge, für den Bestand und die Entwicklung von Luftfahrtunternehmen von zentraler Bedeutung. Fraglich ist daher im Wesentlichen die Weisungsfreiheit des Piloten, also das Vorhandensein eines eigenen Entscheidungsspielraums. Ein solcher Ermessensspielraum kommt dem Flugkapitän im Einzelfall zu. Allerdings ist dieser Bereich weitestgehend durch öffentlich-rechtliche Anforderungen konkretisiert. Die Entscheidungs- und Anweisungsbefugnisse der verantwortlichen Flugkapitäne bleiben hinter dem Grad an Eigenständigkeit zurück, der die innerbetriebliche Stellung des leitenden Angestellten kennzeichnet. Das Recht zu eigenverantwortlichen Entscheidungen über Flugzeug, Passagiere und Besatzung fällt den Kapitänen allein in Gefahrensituationen zu. Ansonsten sind sie an minutiöse Flugpläne sowie an detaillierte Betriebs- und Sicherheitsvorschriften gebunden; der ihnen verbleibende geringe Spielraum für ein freies, von Weisungen unabhängiges Handeln rechtfertigt es nicht, sie als leitende Angestellte einzuordnen62. Auch das gehobene Jahresgehalt eines Piloten bei Fluglinien wie der Lufthansa ändert nichts an dieser Einschätzung, da die Regelung des § 5 Abs. 4 Nr. 3 BetrVG, die zur Einordnung von Mitarbeitern als leitende Angestellte auf das Jahresarbeitsentgelt abstellt, nur anzuwenden ist, wenn erhebliche rechtliche Zweifel bei der Anwendung und Auslegung des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG bestehen63. 62 Ebenso Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 27 f.; Schaper, Probleme bei der Luftfahrt, S. 102. 63 Fitting, BetrVG, § 5 Rn. 416; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 5 Rn. 23.

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Dass Flugkapitäne mithin nicht als leitende Angestellte zu qualifizieren sind, entspricht im Übrigen auch der Rechtslage im Kündigungsschutz. Die Position des leitenden Angestellten im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG setzt unter anderem voraus, dass die entsprechende Person zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist64, was auf Flugkapitäne nicht zutrifft. Anderes gilt hingegen für die Chefpiloten, die neben der Führung von Flugzeugen auch Fach- und Führungsaufgaben in der Organisation des Flugbetriebs übernehmen. Aus diesem Grund hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Chefpilot ein leitender Angestellten sei, da er die sichere und effektive Durchführung des Flugbetriebes des Luftfahrtunternehmens sicherzustellen, den arbeitstechnischen Ablauf des Flugbetriebs zu organisieren und das fliegende Personal hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit zu überwachen, anzuleiten und gegebenenfalls Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Entlassung zu ergreifen habe65.

IV. Anwendbarkeit personalvertretungsrechtlicher Tarifverträge auf Arbeitsverhältnisse mit Auslandsbezug „Die Frage nach dem internationalen Standort des Betriebsverfassungsrechts ist wohl die zweifelhafteste des ganzen Arbeitsverweisungsrechts“ 66, schrieb Gamillscheg in den 1950er Jahren. Diese Aussage bewahrheitet sich einmal mehr auch hinsichtlich des tariflichen Betriebsverfassungsrechts für das fliegende Personal nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG. Auslandsbezüge weisen ersichtlich auch Arbeitsverhältnisse auf, die zwischen Luftfahrtunternehmen und dem in den Flugzeugen eingesetzten Personal bestehen67. Es geht zum einen um den Einsatz des fliegenden Personals deutscher Luftfahrtunternehmen auf ausländischen Strecken und zum anderen um den Einsatz des Bordpersonals ausländischer Flugunternehmen auf innerdeutschen Strecken, deren Arbeitsverhältnisse zum Teil aufgrund einer entsprechenden Rechtswahl ausländischem Recht unterliegen. Das Betriebsverfassungsgesetz trifft insofern keine eigenständige Regelung, sondern lässt lediglich eine tarifliche Betriebsverfassung zu. Über deren Reichweite im Einzelnen, beispielsweise darüber, inwieweit auch die Niederlassungen ausländischer Fluggesellschaften in Deutschland und Stützpunkte z. B. der Lufthansa im Ausland erfasst sind, ergibt sich aus dem Wortlaut des Betriebsverfassungsgesetzes nichts. Im Gegensatz zum Betriebsverfassungsrecht der Seeschifffahrt, dessen Anwendung in doppelter Hinsicht begrenzt ist, und zwar auf See64 Diese Voraussetzung bezieht sich nach h. M. nicht nur auf „ähnliche leitende Angestellte“ i. S. d. § 14 Abs. 2 KSchG. Vgl. BAG AP Nr. 39 zu § 9 KSchG 1969; BAG AP Nr. 6 zu § 14 KSchG 1969; Kiel, in: ErfK, KSchG, § 14 Rn. 12. 65 Vgl. BAG NZA 1990, 820, 821. 66 Gamillscheg, Internationales Arbeitsrecht, S. 366. 67 Däubler, Betriebsverfassung, S. 22.

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schifffahrtsunternehmen mit Sitz in Deutschland (§ 114 Abs. 1, 2 BetrVG) und auf Schiffe, die nach dem Flaggenrechtsgesetz die deutsche Flagge führen (§ 114 Abs. 3, 4 BetrVG), hat der Gesetzgeber in Bezug auf die Luftfahrt keine ausdrückliche Regelung getroffen. Soweit ersichtlich, ist eine systematische Bearbeitung dieser kollisionsrechtlichen Fragestellung für den Bereich des tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts noch nicht erfolgt. 1. Tarifvertragsstatut versus Betriebsverfassungsstatut Die Problematik dieses Themenbereichs ergibt sich daraus, dass die Tarifverträge nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG eine Sonderstellung einnehmen: Es handelt sich um Tarifverträge, die von der Rechtsprechung nur auf Arbeitsverhältnisse angewandt werden, die deutschem Recht unterliegen68. Allerdings haben diese Tarifverträge die Errichtung eines Systems der betrieblichen Mitbestimmung zum Gegenstand, was wiederum die Anwendung des Betriebsverfassungsstatuts nahelegt. Zudem sind kollisionsrechtliche Fragestellungen sowohl für den einen als auch für den anderen Fall problematisch und umstritten. Ohne das Problem näher zu thematisieren, geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass bei betriebsverfassungsrechtlichen Tarifnormen das Betriebsverfassungsstatut Anwendung findet69. Im Ergebnis ist die Herangehensweise des Bundesarbeitsgerichts durchaus sachgerecht und findet auch Zustimmung seitens der Literatur70. Zum einen zeigt § 3 Abs. 2 TVG, dass für tarifliche Betriebsverfassungsnormen der Betrieb der gesetzliche Anknüpfungspunkt für den Geltungsbereich des Tarifvertrages ist. Diesen Anknüpfungspunkt haben Tarifnormen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen also mit der gesetzlichen Betriebsverfassung gemeinsam. Darüber hinaus mag man auch das Argument gelten lassen, dass eine tarifliche Regelung, die von einer Ermächtigungsnorm des staatlichen Betriebsverfassungsrechts Gebrauch macht, genauso Betriebsverfassungsrecht darstellt wie die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes selbst71. Der Gleichlauf von Arbeitsvertragsstatut und Tarifvertragsstatut vermag bei dem „klassischen“ Gegenstand eines Tarifvertrags zu überzeugen, nämlich bei der Regelung der Arbeitsbedingungen, die unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis Einfluss nehmen und es näher ausgestalten. Bei tarifvertraglichem Betriebsverfassungsrecht überwiegt jedoch der über das einzelne Arbeitsverhältnis hinausgehende Aspekt. Anknüpfungspunkt ist in diesem Fall der Betrieb bzw. die betriebliche Gemeinschaft und nicht 68 Vgl. BAG NZA 2003, 1424 Os.; BAG NZA 2004, 1295 Os.; Thüsing/Müller, BB 2004, 1333. 69 BAG AP Nr. 3 zu § 117 BetrVG 1972. 70 Bayreuther, NZA 2010, 262, 265; Beitzke, Anm. z. BAG AP Nr. 3 zu § 117 BetrVG 1972; Birk, in: FS Beitzke, S. 858; Franzen, in: AR-Blattei, 920 Rn. 334; Junker, Arbeitsrecht im Konzern, S. 443. 71 Bayreuther, NZA 2010, 262, 265.

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das individuelle Arbeitsverhältnis72. Im Ergebnis ist es daher für die vorliegende Fragestellung gleichgültig, welches Individualrecht auf das betreffende Arbeitsverhältnis Anwendung findet73. 2. Bestimmung des Betriebsverfassungsstatuts Zunächst ist festzustellen, dass das Betriebsverfassungsgesetz keine ausdrückliche Kollisionsregelung statuiert74. Das Meinungsspektrum, wie das Betriebsverfassungsstatut zu bestimmen sei, lässt sich um drei Bezugspunkte ordnen75: Man könnte zunächst daran denken, die Betriebsverfassung als Teil des Arbeitsvertragsstatuts anzusehen, also der allgemeinen arbeitsrechtlichen Anknüpfung zu unterstellen. Des Weiteren ist eine Sonderanknüpfung möglich, welche die Anwendbarkeit der Betriebsverfassung vom Gesetz her erschließen will. Schließlich wird eine besondere Anknüpfung vertreten, welche den Standort des Betriebs als Kriterium fruchtbar machen will. Es besteht weitgehend Einigkeit in Rechtsprechung76 und Lehre77, dass eine Einbeziehung der Betriebsverfassung in das Arbeitsvertragsstatut nicht in Betracht kommt. Dies ergibt sich zum einen aus der rechtskonstruktiven Überlegung, dass die Rechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz nicht „aus dem Arbeitsverhältnis“ abzuleiten sind, sondern hauptsächlich die Rechtsbeziehungen zwischen der die Gesamtbelegschaft repräsentierenden Interessenvertretung und dem Arbeitgeber betreffen. Darüber hinaus führt die Einbeziehung der Betriebsverfassung in das Arbeitsvertragsstatut auch zu der Anwendung des Günstigkeitsprinzips gemäß Art. 8 Abs. 1 S. 2 der Rom-I-Verordnung, was die Einbeziehungslösung unpraktikabel macht: Einzelne Regelungen oder Normenkomplexe

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Thüsing, in: Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 84. Interessant ist in diesen Zusammenhang, dass Art. 8 Abs. 2 der Rom-I-Verordnung festlegt, dass für Arbeitnehmer, die gewöhnlich nicht an ein und demselben Beschäftigungsort tätig sind, das Recht des Staates gilt, „von dem aus [sie] in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich [ihre] Arbeit verrichte[n]“. Insoweit geht die Bestimmung weit über den Wortlaut des Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB hinaus. Folglich dürfte bei der Bestimmung des Arbeitsvertragsstatuts weitaus häufiger an die base anzuknüpfen sein, vgl. hierzu das obiter dictum des LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.10.2009 – 6 TaBVGa 2284/09 (erhältlich bei BeckRS 2009, 74383). 74 Aus den Sonderregelungen der Seeschifffahrt in § 114 BetrVG und des Personalvertretungsrechts in § 91 BPersVG lassen sich keine Schlüsse auf das internationale Betriebsverfassungsrecht ziehen. 75 Junker, Arbeitsrecht im Konzern, S. 359. 76 BAG AP Nr. 16 und 27 zu Internationales Privatrecht Arbeitsrecht. 77 Birk, in: FS Schnorr von Carolsfeld, S. 70; Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 16; Junker, Arbeitsrecht im Konzern, S. 363; Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 67; Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 1 Rn. 23; Wimmer, Gestaltung internationaler Arbeitsverhältnisse, S. 191. 73

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herauszubrechen und zu vergleichen, ist bei der Betriebsverfassung kaum möglich78. Das Bundesarbeitsgericht bestimmt die Anwendbarkeit der deutschen Betriebsverfassung in ständiger Rechtsprechung vom Gesetz her. Es differenziert einen räumlichen und einen persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes. Der räumliche Anwendungsbereich richtet sich nach dem Territorialitätsprinzip 79. Danach gilt das Betriebsverfassungsgesetz ausschließlich für sämtliche inländischen Betriebe. Den persönlichen Anwendungsbereich definiert es hingegen unter Zuhilfenahme des aus dem Sozialversicherungsrecht bekannten Konzepts der Ausstrahlung, welches es rechtfertigt, die Auslandsarbeit der im Inland entfalteten Betriebstätigkeit zuzurechnen80. Der Bezug auf das Territorialitätsprinzip hatte zunächst historische Gründe, da die Betriebsverfassung in der Weimarer Zeit als Teil des öffentlichen Rechts angesehen wurde, welches von vornherein nur auf dem eigenen Staatsgebiet gelten konnte81. Diesem Ausgangspunkt ist mittlerweile die Grundlage entzogen, da das Betriebsverfassungsrecht generell dem Privatrecht zugerechnet wird82. Das Bundesarbeitsgericht ist jedoch bei der Berufung auf das Territorialitätsprinzip kraft Rechtsnatur nicht stehen geblieben, sondern leitet die Anwendbarkeit des deutschen Betriebsverfassungsgesetzes nunmehr aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes her, der die Territorialität kraft Selbstbeschränkung fordere83: Die Betriebsverfassung sei so eng mit der deutschen Wirtschaftsverfassung verknüpft, dass sich ihre gesetzliche Regelung auf das Inland beschränken müsse84. Schließlich verbleibt noch die Anknüpfung der Betriebsverfassung nach den herkömmlichen Regeln des Verweisungsrechts. Hierfür muss aber eine eigene Verweisungsnorm für die Betriebsverfassung entwickelt werden, sodass nach dem objektiven Schwerpunkt der Betriebsverfassung zu fragen ist85. Da die Arbeit an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit geleistet wird, ist die dabei bestehende „Umwelt“ die für die Beteiligten wichtigste Größe: welche Ar78

Vgl. Junker, Arbeitsrecht im Konzern, S. 366, noch zu Art. 30 EGBGB. BAG AP Nr. 27 zu Internationales Privatrecht Arbeitsrecht; BAG AP Nr. 15 zu § 12 SchwbG (Bl. 2 R); BAG AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung (Bl. 4); BAG NZA 1997, 493. 80 Junker, Arbeitnehmereinsatz, S. 32. 81 Däubler, Betriebsverfassung, S. 24. 82 Vgl. hierzu BAG AP Nr. 17 zu § 19 BetrVG 1972, Bl. 2; Däubler, in: D/K/K, BetrVG, Einleitung Rn. 69; Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 262; Reichold, Betriebsverfassung, S. 399 ff.; Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 130 ff.; Rose, in: H/S/W/G, BetrVG, Einleitung Rn. 83 f.; Wiese, in: GK-BetrVG, Einleitung Rn. 88 ff.; a. A. wohl Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 101 ff. 83 BAG AP Nr. 22 zu Internationales Privatrecht Arbeitsrecht. 84 BAG AP Nr. 16 zu Internationales Privatrecht Arbeitsrecht (Bl. 2); BAG AP Nr. 22 zu Internationales Privatrecht Arbeitsrecht. 85 Junker, Arbeitsrecht im Konzern, S. 374. 79

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beitszeiten zulässig sind, nach welchen Sicherheitsvorkehrungen sie stattfinden muss, wie die Arbeitsteilung und die Organisation der Arbeit beschaffen sein kann – das alles muss sich vernünftigerweise nach dem Recht des Arbeitsortes richten86. Zunächst scheint diese besondere Anknüpfung der Betriebsverfassung an den Betriebssitz zu denselben Ergebnissen wie die Sonderanknüpfung der Rechtsprechung zu führen. Dies mag in den meisten, jedoch nicht in allen Fällen zutreffen. Nach der besonderen Anknüpfung beurteilt sich die Anwendbarkeit der deutschen Betriebsverfassung allein danach, ob der Betrieb, um dessen Verfassung es geht, im Inland oder im Ausland liegt. Dies hat zum einen zur Folge, dass die Rechtsfigur der Ausstrahlung obsolet wird, da sich die Betriebszugehörigkeit sowohl bei den Inlandsmitarbeitern als auch bei Auslandsmitarbeitern nach den gleichen Kriterien richtet. Zum anderen gehören alle über die Feststellung der betrieblichen Einheit bzw. die Betriebszugehörigkeit hinausgehenden Fragen zum internen Sachrecht87. Der Unterschied wird deutlich, wenn man bedenkt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Tätigkeit der Organe der Betriebsverfassung aufgrund des Territorialitätsprinzips grundsätzlich auf das Inland beschränkt ist88, während diese Frage nach der besonderen Anknüpfung an den Standort des Betriebs allein nach den Sachnormen des Betriebsverfassungsgesetzes zu beurteilen ist. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ist zum Beispiel eine Abteilungsversammlung eines unselbstständigen Betriebsteils im Ausland aufgrund des Territorialitätsprinzips unzulässig89. Nach hier vertretener Ansicht stehen einer solchen Versammlung hingegen keine grundsätzlichen Bedenken entgegen, wenn die Zugehörigkeit des Betriebsteils zu einem inländischen Betrieb festgestellt ist und der ausländische Staat eine solche Versammlung nicht verbietet90. Im Ergebnis ist daher bei Sachverhalten mit Auslandsbezug die Betriebszugehörigkeit das allein entscheidende Kriterium. 3. Anwendung auf den Flugbetrieb Um die Reichweite der Begriffe des Betriebs und der Betriebszugehörigkeit näher zu bestimmen, kann auf den gängigen Betriebsbegriff des Betriebsverfas86

Däubler, Betriebsverfassung, S. 26. Junker, Arbeitsrecht im Konzern, S. 381, spricht davon, dass der Ansatz des Bundesarbeitsgerichts die Trennung von Kollisionsrecht und Sachnorm verschütte. 88 Vgl. etwa BAG AP Nr. 17 zu Internationales Privatrecht Arbeitsrecht. 89 BAG AP Nr. 16 zu Internationales Privatrecht Arbeitsrecht; bestätigt durch BAG AP Nr. 17 zu Internationales Privatrecht Arbeitsrecht. 90 Däubler, Betriebsverfassung, S. 44; Junker, Arbeitsrecht im Konzern, S. 388, der ausführt, dass eventuell Normen des Betriebsverfassungsgesetzes entsprechend ausgelegt werden müssen, um den Besonderheiten der Auslandstätigkeit Rechnung zu tragen (z. B. Pflicht des Arbeitgebers gemäß § 44 BetrVG, Fahrtkosten und Verdienstausfall zu tragen). 87

B. Tatbestandliche Probleme

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sungsrechts abgestellt werden. Hiernach ist also die organisatorische Einheit entscheidend, innerhalb derer ein Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mithilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt91. Das Bundesarbeitsgericht geht in einer Entscheidung implizit davon aus, dass der Flugbetrieb einen eigenen Betrieb im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne darstellt92, während es in einer anderen Entscheidung ausführt, dass der Flugbetrieb im Sinne des § 117 Abs. 2 BetrVG möglicherweise kein eigenständiger Betrieb oder Betriebsteil im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes sei93. Der Gebrauch des Ausdrucks Flugbetrieb erweist sich in diesem Zusammenhang als unglücklich, da er nichts anderes als das Betreiben von Luftfahrzeugen bezeichnet. Er ist keinesfalls mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff gleichzusetzen94. § 117 BetrVG nimmt die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer lediglich aus dem Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes heraus, schafft jedoch für das fliegende Personal keinen neuen Betrieb95. Dies bedeutet, dass sich die Betriebszugehörigkeit des fliegenden Personals nach den allgemeinen Grundsätzen richtet. Der Betrieb als Basis der Betriebsverfassung ist weniger durch eine räumliche Einheit, sondern vielmehr durch eine einheitliche technische Leitung und einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck definiert96. Das räumliche Kriterium kann beim fliegenden Personal kraft Natur der Sache keine Rolle spielen, sodass die ausschlaggebende Frage ist, wo die Arbeit im Sinne einer einheitlichen Leitung gesteuert wird. Die einheitliche Leitung kann dort lokalisiert werden, wo die mitbestimmungsrelevanten Entscheidungen getroffen werden. Im Falle des fliegenden Personals ist darunter unter anderem die Aufstellung der Umlaufpläne und der darauf basierenden Dienstpläne zu verstehen. Es kann in diesem Zusammenhang also keinen Unterschied machen, ob das Bordpersonal allein auf innerdeutschen oder ausländischen Strecken eingesetzt wird. Das Bundesarbeitsgericht hat sich bisher einmal zu der Geltung von Tarifverträgen gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG geäußert97. Streitig war, ob der Einsatz 91 St. Rspr. BAG AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 65 zu § 111 BetrVG 1972; BAG NZA-RR 2009, 255, 256; Etzel, in: KassArbR, 9.1 Rn. 1; Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 64; Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 28; Gaul, in: H/W/K, BetrVG § 1 Rn. 7; Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 16 ff.; Rose, in: H/S/W/G, BetrVG, § 1 Rn. 9; Wedde, in: D/K/K, BetrVG, Einleitung Rn. 112. 92 BAG AP Nr. 3 zu § 117 BetrVG 1972 (unter B.IV.1.b)). 93 BAG AP Nr. 5 zu § 117 BetrVG 1972 (unter B.II.3.a)). 94 Vgl. zur Bedeutung des Betriebsbegriffs i. S. d. Betriebsverfassungsgesetzes für den Flugbetrieb unter § 6 C.I. 95 So ausdrücklich Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 7; Franzen, in: GKBetrVG, § 117 Rn. 10. 96 Junker, Arbeitsrecht im Konzern, S. 384. 97 BAG AP Nr. 3 zu § 117 BetrVG (unter B.IV.1.b)); vgl. hierzu auch Grabherr, NZA 1988, 532, 535.

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§ 3 Entstehungsgeschichte und Tatbestand

von Bordpersonal amerikanischer Unternehmen auf der Flugstrecke der Fluggesellschaft LTU zwischen San Francisco und Los Angeles der Zustimmung der Personalvertretung bedarf. Nach dem zugrunde liegenden Tarifvertrag erstreckten sich die Befugnisse der Personalvertretung auf „den Bereich der BR Deutschland“ und die von der LTU „betriebenen“ Flugzeuge. Im Gegensatz zum Landesarbeitsgericht Düsseldorf sah das Bundesarbeitsgericht in dieser Bestimmung keine Regelung des fachlichen, sondern des personellen Geltungsbereichs. Damit werde die typische „Ausstrahlungswirkung“ des deutschen Betriebsverfassungsgesetzes beschrieben, die nur dann nicht greife, wenn im Ausland eine eigene feste und dauerhafte betriebliche Organisation bestehe, der die Arbeitnehmer sachlich und organisatorisch zugeordnet seien. Im vorliegenden Fall ging das Gericht ohne Weiteres davon aus, dass die betreffenden Arbeitnehmer zum Flugbetrieb gehören, da die Eigenart eines Luftfahrtunternehmens es mit sich bringe, dass die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer weltweit eingesetzt würden. Die Betriebszugehörigkeit könne also nicht davon abhängen, ob und in welcher Häufigkeit sie zum Sitz des Unternehmens zurückkehren. Ob im vorliegenden Fall ein Mitbestimmungsrecht aufgrund einer Einstellung einschlägig ist, konnte der Senat indes nicht abschließend entscheiden, da nicht eindeutig beurteilt werden konnte, ob das Bordpersonal des amerikanischen Luftfahrtunternehmens als Leiharbeitnehmer oder aufgrund eines Werkvertrages zwischen den Unternehmen eingesetzt wurde. Die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts überzeugen nur zum Teil. Richtig ist zunächst, dass es weder darauf ankommt, welches nationale Arbeitsrecht im Einzelfall Anwendung findet, noch für welche Flugstrecke die Arbeiternehmer eingesetzt werden. Entscheidend für die Anwendbarkeit des entsprechenden Tarifvertrages ist allein die Betriebszugehörigkeit der betreffenden Mitarbeiter. Der Senat ging davon aus, dass diese Mitarbeiter dem Flugbetrieb angehören, ohne konkret zu prüfen, wo die Leitungsmacht zu lokalisieren ist. Hätte der Arbeitgeber eigene Arbeitnehmer für die Dienstleistungen im Flugbetrieb auf der Teilstrecke San Francisco – Los Angeles eingestellt, wäre die Personalvertretung auch für die personellen Angelegenheiten dieser Arbeitnehmer zuständig – so das Argument des Bundesarbeitsgerichts. Dies ist jedoch keinesfalls eindeutig, da auch dann im Einzelall zu klären wäre, ob der Flugeinsatz des Personals nicht durch eine betriebliche Organisation vor Ort geplant und koordiniert wird, sodass die in Rede stehenden Arbeitnehmer keinem inländischen Betrieb zuzurechnen wären.

§ 4 Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen der tarifvertraglichen Normsetzung im Bereich des Betriebsverfassungsrechts Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag wirft eine Reihe verfassungsrechtlicher Fragen auf, die in ihrer Bedeutung über das in der vorliegenden Arbeit behandelte Thema hinausreichen. Die Fragestellungen lassen sich im Wesentlichen zwei Problemkreisen zuordnen. Zum einen stellt sich die Frage nach der verfassungsrechtlichen Grundlage von tarifvertraglichem Betriebsverfassungsrecht. Es geht also darum, ob dieses Betätigungsfeld der Tarifvertragsparteien dem Schutz der Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG unterfällt1. Der zweite Problemkreis kann mit dem Schlagwort Legitimationsdefizit umschrieben werden2. Die normative Wirkung von Tarifverträgen wird durch die Verbandsmitgliedschaft der Arbeitnehmer legitimiert. Nun weisen Normen über die Errichtung einer betrieblichen Interessenvertretung die Eigenheit auf, dass sie nur betriebseinheitlich gelten können3, sodass der Gesetzgeber die Geltung solcher betriebsverfassungsrechtlichen Normen gemäß §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 S. 2 TVG allein von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers abhängig gemacht hat. Dies hat zur Folge, dass auch Nicht- oder Andersorganisierte, sogenannte Außenseiter, von der normativen Wirkung der entsprechenden tariflichen Regelungen erfasst werden. Inwiefern eine derartige Einbeziehung von Außenseitern zulässig ist, bleibt nach wie vor stark umstritten4. Die Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen auch für Außenseiter ist unter zwei Gesichtspunkten problematisch. Zunächst stellt sich die Frage nach den Anforderungen, die das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips an die Außenseiterbindung stellt. Außerdem ist die Außenseiterbindung wegen der fehlenden mitgliedschaftlichen Legitimation auch unter dem Aspekt der negativen Koalitionsfreiheit zweifelhaft. Von der Klärung dieser verfassungsrechtlichen Fragestellungen hängt es ab, ob ein 1 Vgl. Kreiling, Erstreckung, S. 74 f.; Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 40 ff.; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 49 ff.; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 23 ff. 2 Vgl. Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 47 ff., der den Begriff der Legitimation in diesem Zusammenhang maßgeblich geprägt hat. 3 Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung für den Betrieb; Krause, in: FS Buchner, S. 493, 495; Kreiling, Erstreckung, S. 45 f. 4 Bejahend Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 1; Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 10; Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 69; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 14; verneinend Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 333 f.

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System der betrieblichen Mitbestimmung, das allein in den Händen der Tarifpartner liegt, überhaupt zulässig ist. Im Falle der Zulässigkeit haben die aufgeworfenen Legitimationsaspekte möglicherweise Auswirkungen auf die Ausgestaltungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien.

A. Tarifautonomie als Teil der Koalitionsfreiheit I. Dogmatische Herleitung der Rechtsetzungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien Um die Reichweite und den Umfang der Rechtsetzungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien auf dem Gebiet des Betriebsverfassungsrechts bestimmen zu können, muss zunächst deren dogmatische Herleitung zumindest in Grundzügen dargestellt werden. Der Ursprung der normativen Wirkung tarifvertraglicher Regelungen zählt nach wie vor zu „den ungeklärten Fragen der Arbeitsrechtswissenschaft“ 5 und entzieht sich weiterhin einer einheitlichen Meinungsbildung sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung. Die Frage nach der Grundlage der Rechtsetzungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien ist nicht nur rein akademischer Natur. So ist im Fall ihres staatlichen Ursprungs von der Grundrechtsgeltung auszugehen, welche gemäß Art. 1 Abs. 3 GG nur für staatlich gesetztes Recht gilt6. Außerdem müssen Rechtsnormen, mit denen der Staat seine Rechtsetzungsbefugnisse an die Tarifvertragsparteien überträgt, andere Anforderungen erfüllen als die rein private Normsetzung der Tarifvertragsparteien7. Die Frage nach dem Geltungsgrund der Normen, die durch die Tarifvertragsparteien gesetzt werden, wird in Literatur und Rechtsprechung im Wesentlichen mit drei konkurrierenden Erklärungsmodellen beantwortet. Während die Autonomietheorie eine originäre Normsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien annimmt, geht die Delegationstheorie davon aus, dass der Staat seine Normsetzungsbefugnisse an die Tarifvertragsparteien übertragen hat8. Schließlich nimmt die Geltungsbe5 Friese, Kollektive Koalitionsfreiheit und Betriebsverfassung, S. 247; vgl. auch Kühnast Regelungsbefugnis, S. 51. 6 Vgl. Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 144 f.; Kreiling, Erstreckung, S. 196 ff. 7 Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 144. 8 Nur der Vollständigkeit halber soll auf zwei weitere Theorien hingewiesen werden. Die rechtsgeschäftlichen Theorien leugnen den Normcharakter der Tarifvertragsregelungen. Angesichts des Tarifvertragsgesetzes, das die Geltung von Tarifverträgen als „Rechtsnorm“ und „die unmittelbare und zwingende Wirkung“ ausdrücklich festsetzt (§ 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1, 2 TVG), sind diese Theorien jedoch allenfalls noch unter rechtshistorischen Aspekten von Bedeutung. Vgl. zu den schuldrechtlichen Theorien Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts; Ramm, Die Parteien des Tarifvertrages, S. 84 ff. Auch die sogenannte vorstaatliche Autonomietheorie kann keinen Bestand haben, da ein vorstaatlich und quasi naturrechtlicher Autonomiebereich im Verfassungskontext nicht denkbar ist. Vgl. zu dieser Theorie Bogs, in: FS Gierke, S. 39, 51.

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fehlslehre eine Position zwischen den genannten Ansichten ein. Freilich haben sich innerhalb der verschiedenen Erklärungsmodelle unterschiedliche Spielarten herausgebildet, was wohl nicht zuletzt auf einer uneinheitlichen Begriffsbildung beruht9. Die zentrale Ausgangsfrage lautet, ob es sich bei der tarifvertraglichen Normsetzung um staatlich autorisierte oder privatautonom legitimierte Rechtsetzung handelt. Die Außenseiterproblematik soll hierbei zunächst ausgeblendet werden, da diese insbesondere für die Geltung von betriebsverfassungsrechtlichen Normen bedeutsam ist und deshalb in diesem Zusammenhang erörtert werden soll10. 1. Delegationstheorien Den Delegationstheorien zufolge kann die Normsetzungsbefugnis auf einen staatlichen Übertragungsakt zurückgeführt werden. Der Staat gebe im Wege einer gesetzgeberischen Ermächtigung einen Teil seiner Rechtsetzungsbefugnisse an die Tarifparteien ab. Diesen Ansatz vertrat das Bundesarbeitsgericht seit der Grundsatzentscheidung des Ersten Senats vom 15. Januar 1955 in ständiger Rechtsprechung11. Das Bundesarbeitsgericht erläuterte dies wie folgt: „Die Tarifvertragsparteien leiten ihre Befugnis zur Rechtsetzung aus der Ermächtigung des Tarifvertragsgesetzes her.“ 12 Als entsprechende Delegationsnormen seien die §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG anzusehen. Aus der Tatsache, dass die Normsetzung durch den Gesetzgeber nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden ist, folgert das Gericht, dass auch die vom Gesetzgeber an die Tarifvertragsparteien delegierte Normsetzung dieser Bindung unterliegt. Allerdings geht der Siebte Senat – und ihm folgend der Dritte und Vierte Senat – in Abkehr von dieser jahrzehntelangen Rechtsprechung nunmehr davon aus, dass die normative Wirkung der Tarifverträge durch den Verbandsbeitritt der Mitglieder legitimiert wird13. Die Rechtsnatur von Tarifvertragsnormen ist auch unter den Vertretern der Delegationstheorie strittig. Für einen Teil ergibt sich aus der Annahme, dass der Staat einen Teil seiner Regelungsbefugnisse an die Tarifvertragsparteien abtrete, die öffentlich-rechtliche Natur der Rechtsetzung14. Gegenüber dieser öffentlichrechtlichen Delegationstheorie betonen die privatrechtlichen Delegationstheorien den Umstand, dass der Tarifvertrag zwar materielle Gesetzesqualität hat, aber 9

Vgl. Ricken, Autonomie und tarifliche Rechtsetzung, S. 109. Vgl. hierzu § 4 B.III. 11 BAGE 1, 258, 262 ff.; bestätigt durch BAGE 4, 133, 140; 4, 240, 250 ff.; 20, 175, 225; 59, 217, 221. 12 BAGE 4, 240, 251. 13 Vgl. hierzu die Autonomietheorie unter § 4 A.I.2. 14 Vgl. zur öffentlich-rechtlichen Delegationstheorie: Bakopoulos, Zuständigkeitsverteilung, S. 33 ff.; Hertwig, RdA 1985, 282, 286; Hinz, Tarifhoheit, S. 106 f.; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 431 ff.; Nikisch, Arbeitsrecht, S. 216 ff., 237; Säcker, Koalitionsfreiheit, S. 73 ff. 10

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dennoch zwischen zwei privatrechtlichen Berufsverbänden geschlossen wird15. Hieraus leiten sie den privatrechtlichen Charakter von Tarifverträgen ab. Auch die sogenannte Integrationstheorie, die vor allem in der Literatur vertreten wird, geht von einem Delegationsakt aus. Freilich wird hier die Grundlage der Normsetzungsmacht direkt in der Verfassung verortet, nämlich in Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG16. Der Unterschied zu anderen delegationstheoretischen Ansätzen liegt also darin, dass es nach der Integrationstheorie der Verfassungsgeber selbst war, der den Koalitionen Rechtsetzungsmacht übertrug. Dogmatisch weniger weitgehend sehen andere in Art. 9 Abs. 3 GG eine Vorschrift, aufgrund derer der Staat verpflichtet ist, für die normative Wirkung des Tarifvertrages zu sorgen17. Nach herkömmlicher verfassungsrechtlicher Terminologie ist damit die leistungsrechtliche Dimension der Koalitionsfreiheit angesprochen18. Demnach haben die Grundrechtsberechtigten einen Anspruch gegen den Staat auf Sicherstellung der normativen Wirkung der Tarifverträge. Teilweise wird die Koalitionsfreiheit als Institutsgarantie verstanden, in der die staatliche Garantie tariflicher Rechtsetzungsmacht angelegt sei19. 2. Autonomietheorie Im klaren Widerspruch zum Delegationsansatz, der den Staat als Ursprung der Befugnis zur Tarifnormsetzung sieht, geht die Autonomietheorie von einer eigenständigen und originären Rechtsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien aus. Zur Begründung bedient sie sich eines verbandsrechtlichen Erklärungsmodells, freilich in unterschiedlichen Ausprägungen. Die Autonomietheorie knüpft an die genossenschaftliche Theorie Otto von Gierkes20 an, wonach ein privater Verband für seine Mitglieder Recht setzen kann. Dementsprechend erklärt die Lehre von der mitgliedschaftlichen Legitimation die Rechtswirkung des Tarifvertrages privatrechtlich21. Die unabdingbare und zwingende Wirkung des Tarifvertrages ent15 Vgl. zur privatrechtlichen Delegationstheorie: Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 557 ff.; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, S. 339 ff.; Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 102 ff. 16 Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 102 ff.; Galperin, in: FS Molitor, S. 143, 155 ff.; Herschel, in: FS Bogs, S. 125, 127 ff.; May, Bindung von Außenseitern, S. 37 f.; Säcker, Koalitionsfreiheit, S. 32; Schnorr, JR 1966, 327, 329 ff.; Singer, ZfA 1995, 611, 619; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 31 ff.; vgl. auch BVerfGE 55, 7, 23: „ihre aus Art. 9 Abs. 3 GG abgeleitete Normsetzungsbefugnis“. 17 Friese, Kollektive Koalitionsfreiheit, S. 208 ff.; Kreiling, Erstreckung, S. 91 ff. 18 Vgl. hierzu § 4 B.II. 19 Vgl. Kemper, Koalitionsfreiheit, S. 67 ff., 115 ff. 20 v. Gierke, Deutsches Privatrecht, S. 119 ff., 142 ff., 150 f. 21 Vgl. Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 18 ff.; Bruhn, Tariffähigkeit, S. 118 ff.; Picker, NZA 2002, 761, 768; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 209 ff.; Richardi, in: MünchArbR, § 152 Rn. 17 ff.; ders., Kollektivgewalt, S. 164; Rieble, ZfA 2004, 1, 40; Anton Wiedemann, Tarifnormen, S. 75 ff.

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spreche dabei dem Willen der beteiligten Tarifparteien und – vermittelt über die Satzung und den Beitritt zur Organisation – auch dem Willen der in ihnen vereinigten Mitglieder. Insofern basiere die Rechtsetzung durch Tarifvertrag nicht auf Hoheitsgewalt, sondern sei ausschließlich privatautonom legitimiert. Wie bereits erwähnt, haben sich inzwischen auch mehrere Senate des Bundesarbeitsgerichts diesem verbandsrechtlichen Erklärungsmodell angeschlossen und ausgeführt, dass Tarifnormen auf kollektiv ausgeübter Privatautonomie basieren22. Die Tarifnormgeltung beruht nach Ansicht des Siebten Senats „auf dem privatautonomen Verbandsbeitritt ihrer Mitglieder. Mit der Wahrnehmung ihres Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG unterwerfen sie sich bestehendem und künftigem Tarifrecht“ 23. Auch wenn der Verbandsbeitritt der einzelnen Mitglieder und die Tarifautonomie der Koalitionen durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt sind, wird nicht die verfassungsrechtliche Verankerung dieser Rechte, sondern die Privatautonomie als primärer Geltungsgrund der Tarifnormen genannt24. Offen bleibt, in welchem Verhältnis das an der Verbandsautonomie orientierte Erklärungsmodell zu den im Tarifvertragsgesetz statuierten gesetzlichen Rahmenbedingungen der Tarifnormsetzung steht25. 3. Geltungsbefehlslehre Die Geltungsbefehlslehre lässt sich weder der Delegationstheorie noch der Autonomietheorie eindeutig zurechnen, da auch sie in verschiedenen Spielarten vertreten wird26. Die auf Kirchhof zurückgehende Lehre entwirft ein Modell der privaten Normsetzung, das unterscheidet zwischen der Frage nach der Herkunft der Aufgabe und der Frage nach der Herkunft der Befugnis, objektives Recht zu setzen. Kirchhof beschreibt die Tarifnormen als privatrechtliche Regelungen, die aus der privatautonomen Rechtsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien folgten, aber der Anerkennung durch einen staatlichen Geltungsbefehl bedürften27, da 22 BAG AP Nr. 11 und 12 zu § 1 TVG Tarifverträge: Luftfahrt; BAG AP Nr. 8 zu § 59 BAT; BAG AP Nr. 25 zu § 4 TVG Geltungsbereich; bestätigt durch BAG ZTR 2001, 512, 513 und BAG RdA 2002, 306, 307. 23 BAG AP Nr. 8 zu § 59 BAT. 24 Vgl. Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 160. 25 Vgl. Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 159 ff., der darauf hinweist, dass aus den kurzen Ausführungen des 7. Senats nicht deutlich wird, ob das Gericht auf flankierendes Gesetzesrecht zurückgreifen will oder nicht. 26 Vgl. Belling, ZfA 1999, 547, 582 ff.; Hartmann, Gleichbehandlung, S. 65; Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 133 ff., 181 ff.; Waltermann, in: FS Söllner, S. 1251, 1258 ff. 27 Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 133 ff., 181 ff.; vgl. auch Waltermann, in: FS Söllner, S. 1251, 1264 ff., der weniger auf die Privatautonomie, sondern stärker auf die Tarifautonomie als Ausgangspunkt der Regelungsbefugnis abstellt. Die eigentliche Normsetzungsbefugnis führt er jedoch wie Kirchhof auf den notwendigen staatlichen Anerkennungsakt zurück.

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zwar kein staatliches Normsetzungsmonopol, wohl aber ein Normanerkennungsmonopol bestehe. Insofern kann davon gesprochen werden, dass der staatliche Anerkennungsakt die Ausübung der Privatautonomie lediglich flankiert28. Die Wirkung der §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG wird also nicht in einer Delegation staatlicher Befugnis, sondern in der Normqualifikation bzw. dem Geltungsbefehl durch den Gesetzgeber gesehen. Der private Rechtsetzer bestimmt privatautonom den Inhalt der von ihm gesetzten privaten Normen, während der Staat diese Normen als Bestandteil der Rechtsordnung anerkennt und somit den staatlichen Geltungsbefehl erteilt. Nach Ansicht Kirchhofs gelingt es auf diese Weise, die sowohl auf privaten als auch auf staatlichen Rechtsquellen beruhende Rechtsordnung zu „einer einheitlichen und eindeutigen Gesamtrechtsordnung zusammenzufügen“ 29. 4. Bewertung der unterschiedlichen Erklärungsmodelle Die Kontroverse um die Normsetzungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien entsteht vor dem Hintergrund unterschiedlicher Auffassungen über die Rolle des Staates in diesem Normsetzungsprozess. Während die Lehre von der mitgliedschaftlichen Legitimation einen an der Privatautonomie orientierten Lösungsansatz verfolgt und damit die Rolle des Staates in den Hintergrund rückt, betont die Delegationstheorie die Rolle des Staates, indem sie von einem staatlichen Übertragung der Rechtsetzungsbefugnis ausgeht. Allerdings werden diese verschiedenen Ansätze insbesondere in der Rechtsprechung nicht stringent getrennt, sondern durchaus vermischt30. Mit Rücksicht auf den Untersuchungsgegenstand kann es nicht Aufgabe der vorliegenden Arbeit sein, die Ideengeschichte zur Normsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien umfassend zu rezipieren und zu diskutieren. Es soll vielmehr ein gangbarer Ansatz herausgearbeitet werden, mit dessen Hilfe sich das Phänomen der Tarifnormsetzung erklären lässt und auf dessen Grundlage die Fragen beantwortet werden können, die durch die Schaffung tarifvertraglicher Betriebsverfassungsnormen aufgeworfen werden. Im Ergebnis führen sowohl die Delegations- als auch die Autonomietheorie nicht zu einer widerspruchsfreien Lösung, da sie in der eindeutigen Zurechnung der tarifvertrag28

Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 169. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 129. 30 Vgl. für die Literatur Kreiling, Erstreckung, S. 109. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wurde bereits angesprochen. Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht eindeutig. Einigen Entscheidungen scheint die Vorstellung eines delegatorischen Modells zugrundezuliegen (BVerfGE 18, 18, 26, 28; 20, 312, 317; 28, 295, 304; 38, 281, 306.) Andere Entscheidungen sprechen von einer von der Verfassung intendierten Ordnung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch autonome Rechtsetzung (BVerfGE 4, 96, 106 f.) Schließlich ist auch von Rechtsregeln kraft Anerkennung durch die staatliche Gewalt die Rede (BVerfGE 34, 307, 317; vgl. auch BVerfGE 44, 322, 346). 29

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lichen Normsetzung entweder zur staatlichen Sphäre oder zur Privatautonomie zu einseitig sind. Sämtliche Spielarten der Delegationstheorie sehen sich bereits in ihrem dogmatischen Ausgangspunkt erheblichen Bedenken ausgesetzt. Der Theorie der einfachgesetzlichen Delegation zufolge geht die Normsetzungsbefugnis aus der staatlichen Sphäre auf die Tarifpartner als „Parteien zur gesamten Hand“ über. Dies impliziert, dass die Regelung der Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen ursprünglich nicht in der Befugnis der Tarifvertragsparteien lag, sondern dem Staat zuzurechnen ist. Ein Blick in das Grundgesetz verdeutlicht jedoch, dass der Verfassungsgeber die Aufgabe der Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gemäß Art. 9 Abs. 3 GG durchaus den Koalitionen zugedacht hat31. Nur am Rande sei die Frage aufgeworfen, inwiefern sich der Delegationsgedanke damit vereinbaren lässt, dass die Überlassung staatlicher Befugnisse an private Dritte mit der Verpflichtung einhergeht, die Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit durch Kontrolle bzw. eine Staatsaufsicht sicherzustellen, eine solche Aufsicht im Bereich der Tarifnormsetzung aber gerade fehlt32. Schließlich ist es befremdlich, dass dem freiwilligen Verbandsbeitritt der durch §§ 1 Abs. 1 Hs. 2, 4 Abs. 1 TVG Normgebundenen keine eigenständige Bedeutung zukommt, da die Mitglieder in Ausübung ihres Grundrechtes aus Art. 9 Abs. 3 GG den Koalitionen beitreten und dies gerade in der Erwartung tun, dass der jeweilige Verband für sie Bedingungen aushandelt, unter denen Arbeit geleistet wird.33. Zwar setzt sich die Integrationstheorie nicht dem Vorwurf aus, dass der Gedanke der Delegation mit der grundrechtlichen Garantie der Koalitionsfreiheit unvereinbar sei, weil sie die Normsetzungsbefugnisse der Tarifparteien direkt aus der Verfassung ableitet, nämlich aus Art. 9 Abs. 3 GG. Dennoch vermag auch dieser delegationstheoretische Ansatz nicht zu überzeugen. Die Integrationstheorie verkennt, dass Art. 9 Abs. 3 GG nicht den Anforderungen genügt, die an die Bestimmtheit einer Norm als Grundlage für eine tarifliche Normsetzungskompetenz zu stellen sind34. Die programmatische Offenheit der Koalitionsfreiheit bedarf vielmehr der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Skeptisch muss auch der Umstand machen, dass das Rechtsetzungsverfahren in den Art. 70 ff. GG nach Zuständigkeitsbereich, Verfahren und Form detailliert behandelt wird, während sich Art. 9 Abs. 3 GG als Grundrecht hierzu jeglicher inhaltlichen Aussage enthält35. Als wesentlich ergiebiger erweist sich hingegen die Lehre der mitgliedschaftlichen Legitimation, welche die Privatautonomie der einzelnen Verbandsmitglie31 Kühnast, Regelungsbefugnis, S. 60; Ricken, Autonomie und tarifliche Rechtsetzung, S. 111; Waltermann, Rechtsetzung, S. 116 f. 32 Vgl. hierzu Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 174 f. 33 Vgl. Bayreuther, Tarifautonomie, S. 197. 34 Vgl. Kemper, Koalitionsfreiheit, S. 80; Koop, Das Tarifvertragssystem, S. 242; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 208. 35 Koop, Das Tarifvertragssystem, S. 242.

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der zum dogmatischen Ausgangspunkt nimmt. Ihren Kritikern ist allerdings zuzugestehen, dass sich das Phänomen der normativen Wirkung des Tarifvertrags mit den gängigen dogmatischen Konstruktionen des Zivilrechts nur schwer erfassen lässt36. Das Hauptaugenmerk der Anhänger des mandatarischen Ansatzes richtet sich auf die Satzungsgewalt des Vereins. Der Verein als Grundtyp der Körperschaft ist eine juristische Person. Die Satzungsgewalt des Vereins ist insofern interessant, als nach der herrschenden modifizierten Normentheorie die Aufstellung der Satzung mit rechtsgeschäftlichen Mitteln geschieht, während die fertige Satzung wie objektives Recht behandelt wird und unabhängig vom Mitgliederwillen gilt37. Die Befugnis zur Setzung objektiven Rechts wird auch in diesem Zusammenhang auf die legitimierende Wirkung des privatautonomen Verbandsbeitritts der Mitglieder zurückgeführt. Freilich bestehen erhebliche Unterschiede zwischen der Satzungsgewalt eines Vereins und der Rechtsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien. Zunächst handelt es sich bei der Erstellung bzw. der Veränderung einer Satzung gerade nicht um ein kontradiktorisches Verfahren zwischen unterschiedlichen Rechtssubjekten38. Darüber hinaus soll nicht verkannt werden, dass die Vereinssatzung nur die innere Verfassung des Vereins regelt und sich somit grundsätzlich auf den durch den Verbandszweck und die Mitgliedschaft eng umgrenzten Lebenssachverhalt beschränkt39. Der Einfluss der Tarifpartner auf die Arbeits- und Berufsgestaltung der Mitglieder in den jeweiligen Koalitionen ist bei Weitem größer. Darüber hinaus kann der vereinsrechtliche Verbandszweck privatautonome Austauschverhältnisse der Mitglieder nicht erfassen. Nicht stichhaltig ist hingegen der Einwand, dass sich kaum ein Mitglied beim Eintritt in den Verband konkrete Gedanken darüber mache, mit wem und mit welchem Inhalt der Verband später Tarifverträge abschließen werde; die Legitimationswir36 Vgl. Bayreuther, Tarifautonomie, S. 179 ff., der schlüssig darlegt, dass sowohl die klassisch privatrechtlich dominierten Erklärungsansätze (Vertrag zugunsten Dritter, Heranziehung des Rechtsgedankens des § 317 BGB, Durchbrechung der Relativität des Schuldverhältnisses in den §§ 546a, 566, 571, 573c Abs. 2, 613a BGB) als auch die Grundtypen privatrechtlicher Normenverträge nicht ausreichen, um die Normwirkung von Tarifverträgen zu beschreiben. 37 RGZ 165, 143, 144; BGHZ 21, 370, 373 ff.; 47, 172, 179 f.; 49, 396, 398; 105, 306; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 77 f.; Weick, in: Staudinger, § 25 Rn. 15 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 160 ff. 38 Vgl. hierzu Giesen, Tarifvertragliche Rechtsetzung, S.170 f., der ausführt, die Annahme der Tarifnormsetzung aufgrund verbandsrechtlicher Prinzipien lasse sich darauf stützen, dass ein Vertrag zwischen Verbänden zwar prinzipiell nicht Norm ist, aber durch verbandsinterne Umsetzung in Form einer Satzungsregelung zur Norm gemacht werden könne. Dieser Hinweis hilft allerdings nicht über die Tatsache hinweg, dass hierdurch keine Bindung der Mitglieder gegenüber Dritten erfolgt, wie dies beim Abschluss von Tarifverträgen der Fall ist; die Mitglieder können jederzeit eine Änderung vornehmen, ohne dass ein Dritter sie daran hindern könnte; vgl. Bayreuther, Tarifautonomie, S. 194 f. 39 An diesem grundsätzlichen Einwand ändert sich auch nichts, wenn man die eng begrenzten Möglichkeiten der Außenwirkung von Satzungsregelungen anführt. Vgl. hierzu Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 285 ff.

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kung des Verbandsbeitritts entspringe also reiner „juristischer Romantik [. . .] fern von der sozialen Wirklichkeit“ 40. Da der Sinn und Zweck der Betätigung der Koalitionen hauptsächlich im Abschluss von Tarifverträgen liegt, ist vielmehr davon auszugehen, dass in den meisten Fällen gerade darin die Motivation des Beitritts liegt41. Ein wichtiges Gegenargument ist hingegen, dass der Verbandsbeitritt grundsätzlich die Entstehung des Tarifvertrags zu erklären vermag, nicht aber die Tarifnormwirkung in der derzeitigen Ausgestaltung des Tarifvertragsgesetzes. Insbesondere die tarifrechtlichen Phänomene der Fortgeltung gemäß § 3 Abs. 3 TVG, der Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG sowie der individualrechtlichen Transformation gemäß § 613a Abs. 1 S. 1 und 2 BGB lassen das rein verbandsrechtliche Erklärungsmodell schnell an seine Grenzen stoßen42. Das Rechtswirkungs- bzw. Geltungsdefizit des mandatarischen Begründungsmodells sollte jedoch keineswegs dazu verleiten, seinen dogmatisch richtigen Ausgangspunkt zu verwerfen. Dieser lässt sich vielmehr durch die Heranziehung der Geltungsbefehlslehre fruchtbar machen. Bedeutsam ist, dass diese Theorie eine Unterscheidung trifft zwischen der Herkunft der Aufgabe und der Herkunft der Befugnis, objektives Recht zu setzen. Für die erste Frage kann auf das mandatarische Erklärungsmodell zurückgegriffen werden. Die Legitimationsbasis der Kreation des Norminhalts ist der Verbandsbeitritt und insofern eine Art kollektiv ausgeübter Privatautonomie, während der Geltungsbefehl, der die private Normsetzung als Bestandteil der Rechtsordnung anerkennt und ihr so zur Durchsetzung verhilft, aus der staatlichen Sphäre stammt. Dadurch verlieren die Tarifnormen jedoch nicht ihren privatautonomen Ursprung. Der staatliche Geltungsbefehl für privates Recht erhebt die Regelung zur Rechtsnorm, ohne sie in staatlichen Normkontext zu inkorporieren43. Erst durch diese Abgrenzung von funktioneller Regelungsund normativer Rechtsetzungskompetenz gelingt es, das Phänomen der tarifvertraglichen Rechtsetzung widerspruchsfrei zu erfassen.

II. Normsetzungsbefugnis als Bestandteil der Koalitionsfreiheit Der Herleitung der Normsetzungsbefugnisse direkt aus der Koalitionsfreiheit wurde aufgrund mangelnder Bestimmtheit des Art. 9 Abs. 3 GG eine Absage erteilt44. Freilich ist hiermit noch keine Aussage darüber getroffen, inwiefern der 40

Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 565. Bayreuther, Tarifautonomie, S. 196 ff., der im Übrigen zu Recht darauf hinweist, nicht einmal im Stellvertretungsrecht des BGB werde verlangt, dass der Vertreter die Vorstellungen des Vertretenen umsetzt, solange er nur im Rahmen seiner Vertretungsmacht handle. Müssten die Mitglieder jedes konkrete Verhandlungsergebnis absegnen, käme den Koalitionen lediglich eine Art Botenfunktion zu. 42 Vgl. Koop, Tarifvertragssystem, S. 242 f. 43 Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 157. 44 Vgl. hierzu § 4 A.I.4. 41

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§ 4 Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen

Schutzbereich dieses Grundrechts die normative Ausgestaltung des Tarifvertragssystems gewährleistet. Es geht also darum, ob der Gesetzgeber aufgrund des leistungsrechtlichen Gehalts der Koalitionsfreiheit verpflichtet ist, die Tarifverträge mithilfe eines staatlichen Geltungsbefehls mit einer Normwirkung zu versehen. Auf die Frage, ob die gegenständliche Reichweite dieser Normsetzungsbefugnis auch betriebsverfassungsrechtliche Fragen umfasst, soll hingegen später eingegangen werden45. Die Koalitionsfreiheit schützt nach herrschender Meinung46 neben ihrem individualrechtlichen Teil auch „die Koalition selber in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihrer Betätigung, soweit diese gerade in der Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen besteht“ 47. Diese kollektive Dimension von Art. 9 Abs. 3 GG macht die Koalitionsfreiheit zu einem sogenannten Doppelgrundrecht48. Der Abschluss von Tarifverträgen stellt nach allgemeiner Ansicht einen besonders wichtigen Bestandteil der Koalitionsbetätigungsgarantie dar49. Die Tarifautonomie ist insofern das Recht zur eigenverantwortlichen Ordnung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Gesamtvereinbarung der Koalitionen50. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass die Tarifautonomie zu einem gewissen Grad normativ ausgestaltet werden muss, damit die Koalitionen in die Lage versetzt werden, den Regelungsauftrag des Grundgesetzes wahrnehmen zu können. Das einfache Recht stellt also eine notwendige Vorbedingung der Inanspruchnahme des grundrechtlichen Schutzes dar. Damit ist nicht mehr die abwehrrechtliche Dimension, sondern der leistungsrechtliche Aspekt der Koalitionsfreiheit angesprochen. Freilich spricht der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der ihm durch das Grundgesetz eingeräumt wird, gegen ein Optimierungsgebot bei der normativen Ausge-

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Vgl. hierzu § 4 B.II. BVerfGE 4, 96, 101 f.; 50, 290, 367; 84, 212, 224; 88, 103, 114; 92, 26, 38; 92, 365, 393; 93, 352, 357; 94, 268, 282 f.; BVerfG NJW 1999, 2657; BVerfG NZA 1999, 992, 993; BAGE 20, 175; Däubler, TVG, Einleitung Rn. 68 f.; Dietrich, in: ErfK, GG, Art. 9 Rn. 39; Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 150; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 37; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 9 Rn. 23; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn. 73; Wiedemann, TVG, Einleitung Rn. 91 ff. 47 BVerfGE 84, 212, 224; vgl. auch BVerfGE 4, 96, 101 f. 48 Vgl. statt vieler Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 181 f. m.w. N.; nach einer teilweise im Schrifttum vertretenen Mindermeinung soll sich der Status der Koalitionen als Grundrechtssubjekt aus Art. 19 Abs. 3 GG ergeben; vgl. hierzu Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 135 ff., 283; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 23, 170, 239; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 9 Rn. 66. 49 St. Rspr. des BVerfG seit BVerfGE 4, 96, 106 ff.; 18, 18, 28; 20, 312, 317; 50, 290, 369; 103, 293, 304; Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 102; Lambrich, Tarif- und Betriebsautonomie, S. 157 f.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn. 101; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 299; Wiedemann, TVG, Einleitung Rn. 92. 50 BVerfGE 18, 18, 28. 46

A. Tarifautonomie als Teil der Koalitionsfreiheit

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staltung51. Vielmehr verpflichtet die leistungsrechtliche Komponente den Gesetzgeber lediglich dazu, die Bedingungen für eine funktionierende Wahrnehmung der Tarifautonomie zu schaffen52. Somit steht bereits fest, dass die Gewährleistung der Tarifautonomie keinesfalls „die besondere Ausprägung [umfasst], die das Tarifvertragssystem in dem zur Zeit des Inkrafttretens des Grundgesetzes geltenden Tarifvertragsgesetz erhalten hat“ 53. Die Frage lautet demnach, ob die Normwirkung von tariflichen Regelungen für eine effektive Koalitionsbetätigung erforderlich ist. Das Bundesverfassungsgericht bejaht diese Frage und führte hierzu mehrfach aus, dass Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG den Koalitionen das Recht garantiere, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen eigenverantwortlich in Form von unabdingbaren Gesamtvereinbarungen zu regeln54. Der überwiegende Teil der Literatur schließt sich dieser Ansicht an55. Für die Notwendigkeit einer normativen Wirkung spricht, dass der Koalitionsbetätigung in Form des Abschlusses von Tarifverträgen bei alleiniger Bindung der Tarifvertragsparteien eine individualvertragliche Aushöhlung droht56. Auch die Geschichte des deutschen Tarifrechts belegt, dass das Kräfteverhältnis zwischen den Tarifvertragsparteien nur dann ausgewogen war, wenn die Verhandlungsergebnisse normativ und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse der Tarifgebundenen wirkten57. Die Erfahrung der Ineffektivität schuldrechtlicher Verträge hat zur Schaffung eines normativ wirkenden Tarifvertrages in der Tarifvertragsordnung vom 23. November 1918 geführt. An diese Tradition knüpft das Tarifvertragsgesetz nach dem Ende des Dritten Reiches wieder an58. Dies ist insofern von Interesse, als auch das Bundesverfassungsgericht die besondere Bedeutung der historischen Auslegung für die Bestimmung des Schutzbereiches der Koalitionsfreiheit hervorhebt59. Die normative Wirkung von Tarifverträgen ist folglich ein zentraler Bestandteil der deutschen Arbeitsrechtsordnung60. Es kann hierbei offenbleiben, ob die normative Ausgestaltung des Tarifvertragssystems Bestandteil einer Institutsgarantie im 51

Vgl. Krause, in: FS Buchner, S. 493, 496. So BVerfGE 4, 96, 106; 50, 290, 369; 58, 233, 248. 53 BVerfGE 20, 312, 317 f. 54 BVerfGE 44, 322, 340 f.; vgl. auch bereits BVerfGE 4, 96, 106. 55 Bayreuther, Tarifautonomie, S. 169 ff.; Däubler, TVG, Einleitung Rn. 100; Dieterich, RdA 2002, 1, 12; Friese, Kollektive Koalitionsfreiheit, S. 246 ff.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 791; Heinze, NZA 1995, 5, 6; Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, Grundlagen Rn. 149; Kühnast, Regelungsbefugnis, S. 67 ff.; Maschmann, Tarifautonomie, S. 174 ff.; Schmiege, S. 40 ff.; Schwarze, Betriebsrat, S. 73 ff.; Wiedemann, TVG, Einleitung Rn. 82 ff.; a. A.: Burkiczak, Grundgesetz und Deregulierung, S. 152 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 151 ff.; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 300. 56 Vgl. hierzu Kühnast, Regelungsbefugnis, S. 68 f.; Schwarze, Betriebsrat, S. 78 ff. 57 Vgl. Krummel, Unabdingbarkeitsgrundsatz, S. 202. 58 Schwarze, Betriebsrat, S. 80. 59 Vgl. BVerfGE 4, 96, 106; 19, 303, 314. 60 Bayreuther, Tarifautonomie, S. 173. 52

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§ 4 Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen

Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG ist oder nicht61. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass die zwingende Wirkung von Tarifverträgen dem Schutz der Tarifautonomie unterfällt und insofern grundsätzlich dem Zugriff des Gesetzgebers entzogen ist.

B. Tarifvertragliche Betriebsverfassungsnormen als Gegenstand koalitionsspezifischer Betätigung Nachdem nun die Grundlagen der Rechtsetzungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien erarbeitet wurden und festgestellt wurde, dass diese zumindest im Grundsatz in Form der Tarifautonomie durch Koalitionsfreiheit geschützt ist, soll nun die gegenständliche Reichweite des Schutzbereiches geklärt werden. Es geht namentlich darum, ob die Betriebsverfassung, insbesondere ihre Organisation, Teil der tarifvertraglichen Betätigungsgarantie der Koalitionen ist62. Desweiteren stellt sich die Frage, inwiefern die normative Wirkung von tarifvertraglichen Regelungen über betriebsverfassungsrechtliche Frage von der Koalitionsfreiheit garantiert wird63. Schließlich soll auch die damit verbundene Legitimationsproblematik gegenüber Außenseiter-Arbeitnehmer erörtert werden64. Erst durch die Beantwortung dieser Fragestellungen lässt sich zum einen der Gestaltungsfreiraum der Tarifvertragsparteien näher konkretisieren und zum anderen § 117 Abs. 2 BetrVG vor dem Hintergrund der bisher herausgearbeiteten Ergebnisse dogmatisch einordnen. Während weitgehend Einigkeit darüber herrscht, dass die Koalitionsfreiheit neben dem individualrechtlichen Teil auch eine kollektive Dimension in der Form der Bestands- und Betätigungsgarantie der Koalitionen besitzt, ist deren gegenständlicher Reichweite unklar. Dies ist nicht zuletzt auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückzuführen, welche auf eine für Art. 9 Abs. 3 GG spezifische Bereichsdogmatik hinauslief. Nach dieser sogenannten „Kernbereichsformel“ 65 war die Koalitionsbetätigungsfreiheit auf einen Kernbereich begrenzt. Zur Bestimmung dieses Kernbereichs wurde darauf abgestellt, ob die fragliche Betätigung zur Erhaltung und Sicherung der Existenz der Koalition unerlässlich sei66. Darüber hinaus wurde die Grenzziehung davon abhängig gemacht, ob und inwieweit der jeweiligen Koalitionsbetätigung zum Schutz von 61 Dafür: Kühnast, Regelungsbefugnis, S. 67 ff.; Schwarze, Betriebsrat, S. 84 ff.; dagegen: Bayreuther, Tarifautonomie, S. 175 ff.; Ricken, Autonomie und tarifliche Rechtsetzung, S. 123 ff. 62 Hierzu unter § 4 B.I. 63 Hierzu unter § 4 B.II. 64 Hierzu unter § 4 B.III. 65 BVerfGE 4, 96, 106; 17, 319, 333 f.; 19, 303, 321; 28, 295, 304; 38, 281, 305. 66 Vgl. zur sog. „Unerlässlichkeitsformel“: BVerfGE 17, 319, 333 f.; 28, 295, 304; 38, 281, 305; 57, 220, 245 f.

B. Tarifvertragliche Betriebsverfassungsnormen

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Rechten Dritter Schranken gesetzt seien67. Wohl nicht zuletzt wegen zunehmender Kritik aus dem Schrifttum68 sah sich das Bundesverfassungsgericht in seinen neueren Entscheidungen zu einer Klarstellung veranlasst. Demnach war die bisherige Rechtsprechung nicht dahin gehend zu verstehen, dass der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit von vornherein auf den Bereich des Unerlässlichen beschränkt sei69. Diese neuere Rechtsprechung, die bereits in weiteren Entscheidungen bestätigt wurde70, läuft de facto auf eine Aufgabe der Kernbereichslehre hinaus71. Daher umfasst die Koalitionsfreiheit alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen. Dies gilt insbesondere auch für die Tarifautonomie als spezifische Ausprägung der Betätigungsfreiheit72.

I. Betriebsverfassung als Teil der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen i. S. d. Art. 9 Abs. 3 GG Die Frage, inwiefern die Betriebsverfassung bzw. die Organisation der Betriebsverfassung dem Schutz der Koalitionsfreiheit unterfällt, ist nicht abschließend geklärt. Ausgangspunkt muss der Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 GG sein, der die Koalitionsbetätigung mit dem Ziel der „Wahrung und Förderung der Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen“ schützt. Zu Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zählen jedenfalls alle diejenigen Umstände, die sich unmittelbar auf die Arbeitsverhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beziehen, also insbesondere Arbeitslohn und Arbeitszeit. Die Betriebsverfassung fällt nicht in diesen offensichtlich geschützten Bereich, da sie nicht unmittelbar auf die Arbeitsbedingungen einwirkt; sie betrifft vielmehr die Ausgestaltung der betrieblichen Mitbestimmung, die sich wiederum lediglich mittelbar auf das Arbeitsverhältnis auswirkt. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich keine eindeutige Aussage darüber entnehmen, ob die Betätigungsgarantie auch die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag umfasst73. Was unter Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu verstehen ist, hängt wesentlich davon ab, wie das Verhältnis der beiden Begriffe zueinander bestimmt 67

Vgl. zur sog. „Abwägungsformel“: BVerfGE 28, 295, 306; 50, 290, 368. Vgl. Hanau, AuR 1983, 257 f.; Herschel, AuR 1981, 265, 267 f.; ders., Anm. zu BAG vom 23.2.1979, AuR 1982, 294, 295, 296; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 9 Rn. 71 ff. 69 BVerfGE 93, 352. 70 BVerfGE 94, 268, 283; 100, 214, 222; 100, 271, 282; 103, 293, 304. 71 Ebenso Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 50 ff.; Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 51 f. 72 BVerfGE 94, 268, 284. 73 So auch Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 51 f.; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 50 ff.; Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 43. 68

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§ 4 Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen

wird. Es bieten sich hierbei im Wesentlichen drei Verständnismöglichkeiten an. Zunächst kann man die Begriffe als alternative Zweckbestimmungen auffassen, die unabhängig nebeneinanderstehen74. Des Weiteren kann man das Begriffspaar auch als eine Art funktionelle Einheit verstehen, sodass sich die Begriffe bei der Auslegung gegenseitig beeinflussen75. Schließlich kann man auch annehmen, dass die Begriffe keine jeweils eigenständige Bedeutung haben, sondern gewissermaßen nur zwei Seiten derselben Medaille bezeichnen, dass also die Arbeitsbedingungen aus Sicht des Unternehmers auch Wirtschaftsbedingungen sind76. Nach diesem letztgenannten Interpretationsansatz wäre die Betriebsverfassung aufgrund ihres lediglich mittelbaren Einflusses auf die Arbeitsbedingungen wohl nicht vom gegenständlichen Bereich der Tarifautonomie umfasst. Allerdings überzeugt dieses Verständnis in Anbetracht des klaren Wortlauts nicht77. Die beiden anderen Auslegungsmöglichkeiten führen hingegen zu einer Einbeziehung der Betriebsverfassung in den Schutzbereich. Durch die inhaltliche Unterscheidung zwischen den Begriffen Arbeitsbedingungen auf der einen und Wirtschaftsbedingungen auf der anderen Seite sind unter Wirtschaftsbedingungen „alle im Produktionsprozess fallenden Entscheidungen“ 78 zu verstehen. Diese weite Definition schließt Tarifverträge zur Steuerung unternehmerischen Handelns ebenso ein wie Regelungen über die Betriebsverfassung. Nach vorherrschender Ansicht im Schrifttum ist deshalb das Begriffspaar kumulativ im Sinne einer funktionalen Einheit zu verstehen79. Dies bedeutet, dass einerseits die Erwähnung der „Wirtschaftsbedingungen“ eine Erweiterung gegenüber der exklusiven Nennung der „Arbeitsbedingungen“ darstellt und dass andererseits der Begriff der Wirtschaftsbedingungen derart eingeschränkt wird, dass diese einen engen Bezug zum Ar-

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Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 187. So auch die herrschende Meinung im Schrifttum: Beuthien, ZfA 1984, 1, 11 f.; Dieterich, in: ErfK, GG, Art. 9 Rn. 23; Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, Grundlagen Rn. 105; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn. 87 ff.; Löwisch/Rieble, in: MünchArbR, § 155 Rn. 22 ff.; dies., TVG, Grundlagen Rn. 18 f.; Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 50 ff.; Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 46; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 256; Söllner, NZA 1996, 897 f.; Waltermann, NZA 1991, 754, 757 f.; Herbert Wiedemann, in: FS Riesenfeld, S. 301, 302; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 95. 76 Vgl. Forsthoff, BB 1965, 381, 385; Werner Weber, Koalitionsfreiheit, S. 22 ff. 77 Vgl. Meik, Kernbereich, S. 77, der darauf hinweist, der Verfassungsgeber habe nicht von „einerseits–andererseits“ gesprochen, sondern durch das Wort „und“ etwas Gemeinsames, Verbindendes ausgedrückt. 78 Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 187. 79 Beuthien, ZfA 1984, 1, 11 f.; Dieterich, in: ErfK, GG, Art. 9 Rn. 23; Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, Grundlagen Rn. 105; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn. 87 ff.; Löwisch/Rieble, in: MünchArbR, § 155 Rn. 22 ff.; dies., TVG, Grundlagen Rn. 18 f.; Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 50 ff.; Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 46; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 256; Söllner, NZA 1996, 897 f.; Waltermann, NZA 1991, 754, 757 f.; Herbert Wiedemann, in: FS Riesenfeld, S. 301, 302. 75

B. Tarifvertragliche Betriebsverfassungsnormen

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beitsverhältnis haben müssen80. Ausgehend von diesem kumulativen Verständnis des Begriffspaares werden zu den Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen alle Bedingungen gezählt, unter denen abhängige Arbeit geleistet wird81. Hierzu gehört sicherlich auch die Betriebsverfassung. Es lässt sich also festhalten, dass der Wortlaut nicht gegen die Einbeziehung der Betriebsverfassung in den Schutzbereich Betätigungsgarantie für Koalitionen spricht. Eine systematische Auslegung im Verfassungskontext vermag das bisherige Ergebnis zu stützen. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 und 12 GG überträgt dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz unter anderem für die Bereiche „Recht der Wirtschaft“ und „Arbeitsrecht“. In diesem Zusammenhang haben die Begriffe „Arbeit“ und „Wirtschaft“ erkennbar jeweils eine eigenständige Bedeutung82. Freilich handelt es sich um eine Norm, welche die Gesetzgebungskompetenz innerhalb des föderalen Systems zuordnen soll, und nicht um die Festlegung des Gewährleistungsbereiches eines Grundrechtes. Es ist dennoch nicht einleuchtend, weshalb Art. 74 GG eine Gesetzgebungskompetenz eigens für das „Recht der Wirtschaft“ vorsieht, wenn unter „Wirtschaftsbedingungen“ in Art. 9 Abs. 3 GG lediglich die „Kehrseite der Arbeitsbedingungen“ zu verstehen sein sollten. Insofern spricht auch die verfassungssystematische Auslegung dafür, dass der Schutzbereich über die Gestaltung der reinen Arbeitsbedingungen hinausgeht83. Weitere Anhaltspunkte liefert der historische Kontext, dem vom Bundesverfassungsgericht für die Interpretation der Koalitionsfreiheit besondere Bedeutung beigemessen wird84. Hierbei ist die Entstehungsgeschichte des Art. 9 Abs. 3 GG selbst wenig ergiebig. Interessant hingegen ist, dass auf den Wortlaut des nahezu identischen Art. 159 WRV Bezug genommen wurde85. In der Weimarer Reichsverfassung wurde bewusst das Begriffspaar „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ gewählt. Diese Formulierung stellte eine Abkehr von der engen Fassung des § 152 GewO dar, in dem lediglich von „Lohn- und Arbeitsbedingungen“ die Rede gewesen war. Darüber hinaus war die Regelungszuständigkeit der Tarifvertragsparteien für die Betriebsverfassung in der Weimarer Zeit bereits anerkannt. Die Tatsache, dass sich die Verfassungsväter auf die Weimarer Reichsverfassung bezogen, spricht somit deutlich für eine Einbeziehung der Betriebsverfassung in den gegenständlich-sachlichen Schutzbereich der Koalitionsfreiheit.

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Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 42. Vgl. etwa Hergenröder, in: H/W/K, GG, Art. 9 Rn. 40. 82 Vgl. hierzu ausführlich Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 57; auch Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 28 f. 83 Ebenso Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 53 f.; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 29. 84 Vgl. Vgl. BVerfGE 4, 96, 106; 19, 303, 314. 85 Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 56 ff.; Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 47. 81

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§ 4 Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen

Schließlich vermag ein funktionales Verständnis der Koalitionsfreiheit die vorliegende Problemstellung zu erhellen. Die Verfassung erwartet von den Koalitionen die Erfüllung sozialstaatlicher Funktionen, nämlich „den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, in dem von der staatlichen Rechtsetzung freigelassenen Raum das Arbeitsleben im Einzelnen durch Tarifverträge sinnvoll zu ordnen, insb. die Höhe der Arbeitsvergütung für die verschiedenen Berufstätigkeiten festzulegen, und so letztlich die Gemeinschaft sozial zu befrieden“ 86. Dieser anspruchsvollen Aufgabe können die Tarifvertragsparteien nur gerecht werden, wenn sie ein über das Individualrecht hinausgehendes Mandat wahrnehmen können. Der Verfassungsauftrag kann folglich nur dahin gehend verstanden werden, dass alle Bedingungen erfasst werden, unter denen der Arbeitnehmer abhängige Arbeit leistet. Die Betriebsverfassung bildet die „Verfassung“ des sozialen Gebildes Betrieb, indem sie das Zusammenspiel zwischen Arbeitgeber und Belegschaft im Betrieb organisiert und ihm einen verbindlichen Rahmen gibt. Die betriebliche Mitbestimmung in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten hat erhebliche Auswirkungen auf die Umstände, unter denen der einzelne Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt. Es ist Teil der Koalitionsfreiheit, auch solche Mitgliederinteressen kollektiv zu formulieren, die sich sinnvoll und effektiv nur durch betriebsverfassungsrechtliche Strukturen verwirklichen lassen, da es um die Einflussnahme auf konkrete Entscheidungen der Arbeitgeber zur arbeitstechnischen Umsetzung unternehmerischer Ziele geht87. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die Betriebsverfassung einschließlich ihrer Organisation zu den „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG gehört. Hierfür sprechen sowohl der Wortlaut als auch systematische, historische und teleologische Erwägungen.

II. Normative Kraft von tarifvertraglichem Betriebsverfassungsrecht als leistungsrechtlicher Teil der Koalitionsfreiheit? Im Anschluss stellt sich nun die Frage, inwiefern die Koalitionsfreiheit den Gesetzgeber verpflichtet, Tarifverträge über betriebsverfassungsrechtliche Themen mit normativer Wirkung zu versehen, ob also Art. 9 Abs. 3 GG auch Normsetzungsbefugnisse der Tarifparteien in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen fordert. Die Diskrepanz zwischen notwendiger betriebsweiter Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen einerseits und auf die Verbandsmitglieder beschränkter Normsetzungsbefugnis andererseits führt zu einer bis auf Zöllner88, 86 BVerfGE 18, 18, 28; vgl. auch BVerfGE 4, 96, 107; 20, 312, 318; 44, 322, 342; 50, 290, 371. 87 Krause, in: FS Buchner, S. 492, 498. 88 Zöllner, RdA 1962, 453, 458 f.

B. Tarifvertragliche Betriebsverfassungsnormen

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Biedenkopf 89 und Buchner90 zurückgehenden Linie im Schrifttum, die die Ansicht vertritt, dass die Koalitionsfreiheit keine Grundlage für Tarifverträge über betriebsverfassungsrechtliche Normen liefere91. Andere Literaturmeinungen sehen gerade aufgrund der Notwendigkeit einer betriebseinheitlichen Geltung in Art. 9 Abs. 3 GG eine Grundlage für derartige Tarifnormen92. Der Schwachpunkt der einen wie der anderen Argumentation ist, dass rechtliche und tatsächliche Erwägungen verquickt werden93. Beide Ansichten schließen von einer notwendig einheitlichen Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Regelungen auf eine notwendige Geltung gegenüber Tarifaußenseitern. Diese Schlussfolgerung ist jedoch nicht zwingend, da sie die Möglichkeit einer einheitlichen, jedoch ausschließlich Koalitionsmitglieder betreffenden Regelung vernachlässigt94. Aus dem Umstand, dass in der Praxis betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen aufgrund des Organisationsgrades der Gewerkschaften, der nur in den seltensten Fällen alle Arbeitnehmer eines Betriebes erreicht, in aller Regel auch für Außenseiter gelten, lässt sich keine rechtliche Notwendigkeit einer Außenseitergeltung begründen. Eine rein mitgliedschaftliche Legitimation betriebsverfassungsrechtlicher Regelungen ist also durchaus denkbar, sodass sich ein genereller Ausschluss der Betriebsverfassung aus dem Schutzbereich der Tarifautonomie nicht begründen lässt. Schließlich krankt die Diskussion um die personelle Reichweite betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen an einem Missverständnis, das auf der Gleichsetzung von Tarifautonomie und Normsetzungsbefugnis beruht. Die Normsetzungsbefugnis ist keine notwendige Bedingung der Tarifautonomie, sondern lediglich eine mögliche Erscheinungsform95. Die sachlich-gegenständliche Reichweite der Tarifautonomie kann also nicht von der Wirkung der in ihrem Rahmen getroffenen Vereinbarungen auf Außenseiter abhängen, sondern vielmehr muss unter Umständen die Wirkung beschränkt werden. Somit lässt sich aus der Beschränkung der Legitimation tariflicher Normsetzung auf die Mitglieder lediglich die Schlussfolgerung ziehen, dass Tarifnormen gegenüber Außenseitern ohne zusätzlichen Legitimationsgrund keine Geltung beanspruchen können. Die inhaltliche Reichweite der Tarifautonomie bleibt hingegen gegenüber den Mitgliedern unverändert. Folglich kann der Gesichtspunkt der notwendig betriebseinheitlichen Geltung zunächst unberücksichtigt bleiben, wenn es um die Beantwortung der

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Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 298 ff. Buchner, Tarifvertragsgesetz, S. 55 ff. 91 So Krause, in: FS Buchner, S. 492, 498. 92 Herschel, AcP 170, 556, 558; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 31 f.; Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 78 ff.; Schwarze, Betriebsrat, S. 90 ff.; Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 21 ff.; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 23 ff. 93 Vgl. Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 61. 94 Vgl. hierzu ausführlich Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 61 f. 95 Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 61 f. 90

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§ 4 Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen

Frage geht, ob sich aus der Koalitionsfreiheit eine an den Gesetzgeber adressierte Pflicht ergibt, Tarifverträge über betriebsverfassungsrechtliche Fragen mit normativer Kraft zu versehen. Sollte der Grundrechtsschutz dieser Rechtsposition bejaht werden, kommt eine Einschränkung durch kollidierende Verfassungspositionen der Außenseiter in Betracht, die sich namentlich aus den Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips an jedwede Normsetzung ergeben96. Im Kern handelt es sich also bei der Diskussion um die Konsequenzen aus der Notwendigkeit der betriebseinheitlichen Geltung von betriebsverfassungsrechtlichen Normen um eine Frage der Grundrechtskollision, die fälschlicherweise bereits in die Auseinandersetzung über die Reichweite des Schutzbereiches der Koalitionsfreiheit bzw. Tarifautonomie projiziert wird. Somit beschränkt sich die Fragestellung zunächst darauf, ob die normative Wirkung tariflicher Regelungen gegenüber Koalitionsmitgliedern auch für den Bereich der Betriebsverfassung dem grundrechtlichen Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG unterfällt. Wie bereits dargelegt wurde, handelt es sich hierbei um den leistungsrechtlichen Aspekt der Koalitionsfreiheit. Des Weiteren wurde bereits im Grundsatz bejaht, dass die normative Wirkung von Tarifverträgen durch die Koalitionsfreiheit geschützt ist. Nunmehr geht es nur noch um die Bestimmung der sachlich-gegenständlichen Reichweite des Schutzbereiches. Bei der Bestimmung dieses Bereiches muss berücksichtigt werden, dass der Gesetzgeber bei der normativen Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit lediglich die zur Zweckverfolgung notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen muss97. In diesem Sinne ist auch das Bundesverfassungsgericht zu verstehen, nach dem, soweit die Verfolgung des Vereinigungszwecks von dem Einsatz bestimmter Mittel abhänge, auch diese vom Schutz des Grundrechts umfaßt würden98. Ob Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG Normsetzungsbefugnisse der Tarifparteien in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen in dem Sinne garantiert, dass der Gesetzgeber zur Schaffung einer entsprechenden Regelungskompetenz verpflichtet ist, bestimmt sich nach der Bedeutung der Materie für die Funktionsfähigkeit des Tarifvertragssystems99. Die historische Entwicklung spricht zunächst eher für eine einschränkende Sichtweise, da die Normsetzungsbefugnisse der Tarifpartner unter Geltung der Tarifvertragsordnung von 1920 noch auf Arbeitsbedingungen begrenzt waren und die tarifvertragliche Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Themen somit nur mit schuldrechtlicher Wirkung möglich war100. Es greift jedoch zu kurz, al-

96

Hierzu sogleich unter § 4 B.III. Vgl. Friese, Kollektive Koalitionsfreiheit, 223 ff.; Kreiling, Erstreckung, S. 91 f.; Otto, in: FS Zeuner, S. 121, 128. 98 BVerfGE 84, 212, 224 ff.; vgl. auch BVerfGE 50, 290, 368; 58, 233, 247. 99 Friese, Kollektive Koalitionsfreiheit, 258. 100 Vgl. Krause, in: FS Buchner, S. 492, 497. 97

B. Tarifvertragliche Betriebsverfassungsnormen

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lein auf diesen rechtshistorischen Umstand abzustellen101. Angesichts der Bedeutung der betrieblichen Mitbestimmung für die Arbeitnehmer wäre es zudem auch befremdlich, allein die unmittelbaren Arbeitsvertragsbedingungen zum Zentralbereich der Tarifautonomie zu zählen102. Diese Einschätzung beruht wohl auch darauf, dass der Gestaltungsfreiraum der Tarifvertragsparteien aufgrund der Sperrwirkung der gesetzlichen Betriebsverfassung beschränkt ist. Dies ist jedoch eine Frage des Verhältnisses zwischen legislativer und tariflicher Regelungsbefugnisse für diesen Bereich103 und kann die Bedeutsamkeit der Betriebsverfassung für die Koalitionsbetätigung im Grundsatz nicht mindern. Gerade für die Arbeitnehmer, die nicht in den Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes fallen, kann die betriebliche Mitbestimmung allein durch Tarifnormen realisiert werden, da Mitbestimmungsstrukturen nicht mit dem einzelnen Arbeitnehmer jeweils gesondert vereinbart werden können. Versteht man unter dem Begriffspaar „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ wie bereits dargelegt richtigerweise alle Bedingungen, unter denen der Arbeitnehmer abhängige Arbeit leistet, so müssen neben den unmittelbaren Arbeitsvertragsbedingungen auch solche Mitgliederinteressen als zentral angesehen werden, die sich sinnvoll nur durch betriebsverfassungsrechtliche Strukturen verwirklichen lassen, weil es um die Einflussnahme auf konkrete Entscheidungen der Arbeitgeberseite zur arbeitstechnischen Umsetzung unternehmerischer Zielvorgaben geht104. Die Mitgliederinteressen sind nämlich bei Konkretisierung des jeweiligen Arbeitsverhältnisses durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht weniger schutzbedürftig als bei der Festlegung der allgemeinen Arbeitsvertragsbedingungen durch tarifliche Inhaltsnormen. Die Arbeitsbedingungen der Mitglieder werden sowohl durch die Festlegungen im Arbeitsvertrag als auch durch Entscheidungen des Arbeitgebers im Alltag geprägt. Art. 9 Abs. 3 GG enthält daher eine Garantie tariflicher Normsetzungsbefugnisse auch in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen.

III. Erstreckung von betriebsverfassungsrechtlichen Tarifnormen auf Außenseiter Normen, welche die Errichtung sowie die Rechte und Pflichten einer betrieblichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer zum Gegenstand haben, weisen die Eigenheit auf, dass sie nur betriebseinheitlich gelten und insbesondere nicht nach 101 Vgl. hierzu Schwarze, Betriebsrat, S. 94 f., der darlegt, dass auch die historische Erfahrung die Notwendigkeit der Normativität betriebsverfassungsrechtlicher Regelungen belegt. 102 So aber Friese, Kollektive Koalitionsfreiheit, 246 ff. 103 Vgl. zu dieser Fragestellung ausführlich Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 40 ff. 104 Vgl. Krause, in: FS Buchner, S. 492, 497; im Ergebnis ebenso Heither, in: FS Schaub, S. 308 f.

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§ 4 Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen

gewerkschaftlicher Organisationszugehörigkeit unterscheiden können105. Konsequenterweise gelten betriebsverfassungsrechtliche Normen gemäß §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 S. 2 TVG für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist, sodass auch die sogenannten Außenseiter, also Nicht- oder Andersorganisierte, von der normativen Wirkung der tariflichen Regelungen erfasst werden. Wie bereits festgestellt, ist die Normsetzungsbefugnis der Koalitionen durch den Beitritt ihrer Mitglieder legitimiert. Die Widersprüchlichkeit zwischen notwendiger betriebsweiter Geltung einerseits und auf die Verbandsmitglieder beschränkter Normsetzungsbefugnis andererseits führt nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht dazu, dass die Koalitionsfreiheit keine Grundlage für Tarifverträge über betriebsverfassungsrechtliche Normen sein kann106. Die Diskussion über diese Fragestellung wird unter den Schlagworten „personelle Reichweite der Tarifautonomie“ 107 bzw. Legitimationslehre108 geführt. Die Inkonsequenz dieser Literaturmeinung besteht in der Verquickung rechtlicher und tatsächlicher Erwägungen. Richtig ist indes der Ausgangspunkt der Legitimationslehre: Die Tarifvertragsparteien sind zur Setzung objektiven Rechts nur gegenüber ihren Mitgliedern befugt, da die tarifvertragliche Rechtsetzung ihren dogmatischen Ursprung in dem Verbandsbeitritt ihrer Mitglieder hat und insofern als kollektiv ausgeübte Privatautonomie anzusehen ist109. Hieraus lässt sich jedoch nicht der Schluss ziehen, dass Tarifnormen gegenüber Außenseitern keine Geltung beanspruchen können. Vielmehr steht lediglich fest, dass die Wirkung der Tarifnormen gegenüber Außenseitern nicht denselben Geltungsgrund haben kann wie gegenüber Koalitionsmitgliedern. In Ermangelung einer mitgliedschaftlichen Legitimation ist also eine andere Rechtfertigung erforderlich. Die Koalitionen haben kein allgemeines, über ihre Mitglieder hinausreichendes Mandat. Alle dahin gehenden Erklärungsversuche110 sind vor dem Hintergrund der dogmatischen Grundlage der Rechtsetzungsbefugnisse der Koalitionen und der verfassungsrechtlichen Grundlagen der Tarifautonomie nicht haltbar. In diesem Sinne ist auch das Bundesverfassungsgericht zu verstehen, wenn es feststellt, dass die Tarifvertragsparteien gegenüber den Au105 Löwisch/Rieble, in: MünchArbR, § 172 Rn. 15 ff. u. 28; Meik, Kernbereich, S. 163 f.; Picker, RdA 2001, 259, 282; Richardi, Kollektivgewalt, S. 240; Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 142 f. 106 Vgl. hierzu bereits § 4 B.II. 107 Vgl. Kreiling, Erstreckung, S. 113 ff.; Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 50 ff.; Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 50 ff. 108 Vgl. hierzu bereits Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 289 ff.; Buchner, Tarifvertragsgesetz, S. 55 f.; Kraft, ZfA 1973, 243, 249 f.; Reuter, in: FS Schaub, S. 613 ff.; Zöllner, RdA 1962, 453, 458 f. 109 Vgl. hierzu § 4 A.I. 110 Vgl. ausführlich hierzu Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 192 ff.; Kreiling, Erstreckung, S. 135 ff.; insbesondere vermag weder die Ordnungsfunktion noch die Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages die Außenseiterwirkung der Tarifnormsetzung zu legitimieren, da diese beide Aspekte sich gerade daraus ergeben, dass die Koalitionen die Interessen ihrer Mitglieder wahrnehmen.

B. Tarifvertragliche Betriebsverfassungsnormen

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ßenseitern keine demokratische oder mitgliedschaftliche Legitimation besäßen und für diese auch nicht verantwortlich seien111. Die Legitimation der Wirkung von Tarifverträgen auch gegenüber den Anders- und Nichtorganisierten kann sich folgerichtig lediglich aufgrund einer staatlichen Geltungserstreckung ergeben112. Diese Geltungserstreckung hat der Gesetzgeber durch die §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 S. 2 TVG realisiert. Es stellt sich die Frage, ob die Geltungserstreckung auf anders und nicht organisierte Arbeitnehmer mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes sowie mit der negativen Koalitionsfreiheit der Außenseiter vereinbar ist. 1. Vereinbarkeit mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip Gemäß dem Demokratieverständnis des Grundgesetzes, wie es in Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG niedergelegt ist, geht alle Staatsgewalt vom Volke aus und wird durch dasselbe legitimiert. Dies bedeutet, dass jeglicher Akt der Staatsgewalt sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen muss. Eine individuelle Grundrechtsverletzung kann sich in Verbindung mit der Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ergeben. Die Handlungsfreiheit ist aufgrund ihrer tatbestandlichen Weite durch jede Regelungstätigkeit des Gesetzgebers berührt. Entscheidend ist, ob sich die Gesetzgebung im Rahmen der Schranke der „verfassungsmäßigen Ordnung“ (Art. 2 Abs. 1 Hs. 2 GG) hält. Im Ergebnis steht die allgemeine Handlungsfreiheit unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt. Die einschränkende Regelung muss jedoch im Einklang mit der Verfassung stehen, also auch mit dem hier relevanten Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip. Art. 20 GG lassen sich keine konkreten Kriterien für dieses Legitimationserfordernis entnehmen. Zunächst ist festzustellen, dass § 3 Abs. 2 TVG durch den parlamentarischen Gesetzgeber erlassen wurde und folglich ein Gesetz im formellen Sinne darstellt. Die Geltungserstreckung ist somit grundsätzlich mittelbar demokratisch legitimiert und erfüllt die Erfordernisse des allgemeinen Gesetzesvorbehalts. Das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip113 fordert jedoch darüber hinaus, dass der Parlamentsgesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst trifft114. Art. 80 GG begrenzt die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen an die Exekutive in 111

BVerfGE 44, 322, 342 f.; vgl. ferner BVerfGE 17, 319, 333; 18, 18, 26. Ebenso Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 189 ff.; Kreiling, Erstreckung, S. 157 ff.; Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 81 ff.; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 88 ff. 113 Es handelt sich bei dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) grundsätzlich um zwei inhaltlich unterschiedliche Staatsgrundsätze, die jedoch derart inhaltlich miteinander verwoben sind, dass sie zumeist als Einheit behandelt werden; vgl. hierzu ausführlich Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 206 f. 114 Vgl. zur sogenannten Wesentlichkeitslehre BVerfGE 83, 130, 152; 95, 267; 307; 98, 218, 251. 112

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Form der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen entsprechend. Nach Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG muss die Ermächtigung in dem die Delegation regelnden Gesetz nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt sein. Nun ist Art. 80 GG auf die tarifvertraglichen Normsetzungsbefugnisse nicht anwendbar115. Ginge man von einer abschließenden Regelung der Übertragung von Rechtsetzungsmacht auf Bundesebene aus, wäre folglich eine Übertragung staatlicher Rechtsetzungsmacht auf Private innerhalb des Verfassungssystems des Grundgesetzes ausgeschlossen116. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in mehreren Entscheidungen die grundsätzliche Zulässigkeit der Übertragung von Normsetzungsbefugnissen auf außerstaatliche Normgeber bejaht, wobei zwei dieser Entscheidungen die Zulässigkeit der Außenseitererfassung durch Tarifverträge betreffen117. Es leuchtet ein, dass die Übertragung von Normsetzungsbefugnissen auf Private nicht voraussetzungslos zulässig sein kann. Weil der Rechtsgedanke der rechtsstaatlich-demokratischen Legitimation in allen Bereichen der Gesetzgebung Geltung beansprucht, wäre es widersprüchlich, wenn die Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf zumindest mittelbar demokratisch legitimierte Organe des Exekutive nur unter den Beschränkungen des Art. 80 Abs. 1 GG zulässig wäre, während Rechtsnormen privaten Ursprungs in beliebigem Umfang zum Gegenstand staatlicher Gesetze gemacht werden könnten118. In der sogenannten Heimarbeitsausschussentscheidung119 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die tarifvertragliche Außenseitererfassung aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 5 Abs. 1 TVG verfassungskonform sei. Die Außenseitererfassung bedürfe einer zusätzlichen Rechtfertigung, die in der Allgemeinverbindlicherklärung durch eine staatliche Stelle zu sehen sein. Die demokratische Legitimation werde durch die Letztverantwortlichkeit des behördlichen Verfahrens gewahrt. Mahnend führte das Bundesverfassungsgericht hierzu aus, dass der Staat seine Normsetzungsbefugnis nicht in beliebigem Umfange außerstaatlichen Stellen überlassen und den Bürger nicht schrankenlos der normsetzenden Gewalt außerstaatlicher Stellen ausliefern dürfe, die ihm gegenüber weder mitgliedschaftlich noch demokratisch legitimiert seien. Gegenstand des Bergmannversorgungsschein-Beschlusses120 war ein staatliches Gesetz, das eine dynamische Verweisung auf tarifliche Vorschriften enthielt. 115

BVerfGE 44, 322, 349. Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 207. 117 Vgl. BVerfGE 44, 322 ff. (Heimarbeitsausschussentscheidung); BVerfGE 64, 208 ff. (Bergmannversorgungsschein-Beschluss). BVerfGE 33, 125 ff. (Facharzt-Beschluss) ist zwar auch einschlägig, hinsichtlich der Legitimation möglicher Tarifregelungen in Bezug auf Außenseiter jedoch nicht ergiebig, da es inhaltlich um die Regelung eigener Angelegenheiten durch Berufsverbände aufgrund ihrer Satzungsautonomie geht. 118 Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 92 f. 119 Vgl. BVerfGE 44, 322 ff. 116

B. Tarifvertragliche Betriebsverfassungsnormen

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Das Bundesverfassungsgericht hielt eine solche Regelung grundsätzlich für zulässig. Unter Bezugnahme auf die Heimarbeitsausschussentscheidung führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass sich die Normunterwerfung des Bürgers aus Gründen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips auf die vom Volk bestellten Gesetzgebungsorgane zurückführen lassen müsse. Deshalb entspreche die Verweisung auf Tarifnormen durch das staatliche Gesetz nur dann diesen Anforderungen, wenn „der Inhalt der tarifvertraglichen Regelung, auf die staatliche Rechtsnormen verweisen, im Wesentlichen feststeht“ 121. Entscheidendes Kriterium ist mithin die inhaltliche Bestimmtheit der Regelung. Die genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben durch das Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsrechts im Jahre 2001 nochmals deutlich an Gewicht gewonnen. Durch die inhaltliche Neufassung des § 3 BetrVG, die den Tarifvertragsparteien weitgehende Möglichkeiten zur tarifvertraglichen Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation einräumt und gleichzeitig auf das Erfordernis der Zustimmung durch die staatliche Aufsichtsbehörde verzichtet, sind vermehrt Zweifel an dessen Verfassungsmäßigkeit geäußert worden122. Im Rahmen dieser Gesetzesnovelle wurde auch das Genehmigungserfordernis für Kooperationstarifverträge gemäß § 117 Abs. 2 Hs. 2 BetrVG a. F. gestrichen, welches von einigen Literaturstimmen aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung über den Wortlaut hinaus auf alle Tarifverträge nach § 117 Abs. 2 BetrVG angewendet wurde123. Das Bundesarbeitsgericht hatte inzwischen Gelegenheit, sich zu der Neuregelung des § 3 BetrVG zu äußern124. Es kam zu dem Ergebnis, dass die durch die § 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 BetrVG bewirkte Delegation der Normsetzung durch den Gesetzgeber auf die Tarifvertragsparteien den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht würde, da der Inhalt der tarifvertraglichen Regelungen trotz der Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen im Wesentlichen feststünde. Das Bundesarbeitsgericht ließ jedoch ausdrücklich offen, ob die vom Bundesverfassungsgericht festgeschriebenen Grundsätze auf betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen übertragen werden können.

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Vgl. BVerfGE 64, 208 ff. BVerfGE 64, 208, 215. 122 Vgl. hierzu Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 307 ff.; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 16 ff.; Klein, Minderheitsgewerkschaften, S. 235 ff.; Sobotta, Autonome Organisation, S. 304 ff.; Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 182 ff.; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 93 ff.; Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 28 ff. 123 Vgl. Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 327 f.; Klein, Minderheitsgewerkschaften, S. 476 f.; Rieble, RdA 1993, 140, 142; Spinner, Vereinbarte Betriebsverfassung, S. 150 f. 124 BAG NZA 2009, 1424 ff. 121

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§ 4 Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen

a) Legitimationsbedürfnis Vereinzelt wird angezweifelt, dass tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht einer Legitimation bedarf, oder zumindest die Übertragbarkeit der entsprechenden Kriterien aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Frage gestellt. Dabei werden im Wesentlichen zwei Ansätze vertreten. Zum einen wird nach der Lehre vom betrieblichen Rechtsverhältnis bereits die Normwirkung auf das Arbeitsverhältnis bestritten125. Zum anderen wird zwar nicht der Normcharakter, jedoch der Eingriffscharakter tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts verneint126. Die in Rede stehenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hatten alle sogenannte Inhaltsnormen zum Gegenstand, die unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis einwirken. Hierin wird zum Teil der wesentliche Unterschied zu Tarifnormen über die betriebliche Mitbestimmung gesehen. Die Einwirkung auf den Autonomiebereich der Außenseiter gehe erst von der Tätigkeit der betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentationsorgane aus127, sodass allenfalls eine mittelbare Beeinflussung vorliege. Auf diese Bedenken geht auch das Bundesarbeitsgericht ein, indem es die Frage aufwirft, „ob diese vom Bundesverfassungsgericht für Inhaltsnormen festgeschriebenen Grundsätze auf betriebsverfassungsrechtliche Normen über die Organisation der Betriebsverfassung gleichermaßen zu übertragen sind oder für diese wegen der nur mittelbaren rechtlichen Betroffenheit der Arbeitnehmer weniger strenge Grundsätze gelten“ 128. Wie erwähnt, konnte die Frage in der zitierten Entscheidung offenbleiben, da das Bundesarbeitsgericht die Kriterien durch § 3 BetrVG als erfüllt ansah. Nach der Lehre vom betrieblichen Rechtsverhältnis ist zwischen individualvertraglichem und kollektivem, betrieblichem Rechtsverhältnis zu differenzieren. Nach dieser Ansicht gestalten betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen lediglich das „betriebliche Rechtsverhältnis“, dessen Partner einerseits der Arbeitgeber und andererseits die Belegschaft seien. Ausgangspunkt dieses Ansatzes ist die Annahme, dass betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen lediglich den Arbeitgeber in Fragen der Betriebsgestaltung binden129. Durch die Anerkennung dieses betrieblichen Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Belegschaft soll eine normative Bindung des einzelnen Arbeitnehmers nicht stattfinden. Dieser Ansatz ist aus mehreren Gründen problematisch. Zunächst setzt er voraus, dass die Belegschaft selbstständiger Rechtsträger ist, was nach überwie125 Vgl. hierzu ausführlich Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 298 f. m.w. N. 126 Friese, ZfA 2003, 248 ff.; Krause, in: FS Buchner, S. 492, 500; ders., in: JKO, Tarifvertragsrecht, § 4 Rn. 66; Thüsing, in: Tarifautonomie im Wandel, S. 289; ders., ZIP 2003, 693, 695. 127 Friese, ZfA 2003, 237, 248. 128 BAG NZA 2009, 1424, 1426. 129 Kreiling, Erstreckung, S. 138.

B. Tarifvertragliche Betriebsverfassungsnormen

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gender Ansicht nicht der Fall ist130. Darüber hinaus ist ein solches Rechtsverhältnis weder im Tarifvertragsgesetz noch im Betriebsverfassungsgesetz angelegt131. Im Übrigen widerspricht diese Konstruktion auch dem ausdrücklichen Wortlaut der §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 S. 2 TVG, die eine normative Wirkung auf das Einzelarbeitsverhältnis vorsehen. Damit kann an der normativen Wirkung von betriebsverfassungsrechtlichen Tarifverträgen im Grundsatz kein Zweifel bestehen. Insbesondere Friese unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen rechtlicher Betroffenheit, die von ihr nicht in Abrede gestellt wird, und materieller Fremdbestimmung. Das Legitimationserfordernis für Außenseiter sei kein Selbstzweck, sondern diene vielmehr dazu, Fremdbestimmung zu verhindern. Sei die Normerstreckung jedoch nicht als Fremdbestimmung zu qualifizieren, so erübrige sich auch die Forderung nach einer sachlich-inhaltlichen Legitimation. Die Einwirkung auf den Autonomiebereich der Außenseiter gehe nicht direkt von den Organisationstarifverträgen, sondern von den betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentationsorganen aus132, sodass allenfalls von einer mittelbaren Beeinflussung gesprochen werden könne. Zudem wird darauf verwiesen, dass die Wahl der Betriebsräte durch die gesamte Belegschaft als Legitimationsbasis für die Aufgabenwahrnehmung dienen könne. Speziell für den Abschluss von organisationsrechtlichen Tarifverträgen wird auch der Umstand hervorgehoben, dass die von den Mitbestimmungsrechten der Betriebsräte für den einzelnen Arbeitnehmer möglicherweise hervorgerufenen Belastungen ihre Grundlage in der gesetzlichen Ausgestaltung der Betriebsverfassung und nicht in den jeweiligen Organisationstarifverträgen hätten133. Insofern läge kein zusätzlicher, von der staatlichen Regelung unabhängiger Eingriff in die Rechtsstellung der Belegschaftsmitglieder vor134. Dieser legitimatorische Rückgriff auf das Betriebsverfassungsgesetz ist für Tarifverträge nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG allerdings nicht möglich. Der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien im Rahmen des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist erheblich weiter, da die betriebliche Mitbestimmung des fliegenden Personals nicht gesetzlich geregelt ist. Tarifverträge über die Personalvertretung ändern also nicht lediglich den organisatorischen Rahmen, sondern schaffen erst die Grundlage für die Personalvertretung und damit für die betriebliche Mitbestimmung. Durch die entsprechenden Tarifverträge Personalvertretung werden sowohl das Organisationsrecht als auch die Ausgestaltung und Reichweite der Mitbestimmungsrechte geregelt. Die dargestellte Argumentation trifft also auf diese grundsätzlich andere Ausgangs-

130 Vgl. nur Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 88 ff.; Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 86 ff. m.w. N. 131 Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 447; Kreiling, Erstreckung, S. 140. 132 Friese, ZfA 2003, 237, 248. 133 Thüsing, ZIP 2003, 693, 695. 134 Thüsing, in: Tarifautonomie im Wandel, S. 289.

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lage nicht zu, vermag aber auch im Übrigen nicht zu überzeugen. Die Wahl der Mitglieder der Vertretungsorgane hat in der Tat eine legitimatorische Wirkung. Diese Legitimation bezieht sich aber nicht auf das Organ und dessen Mitbestimmungsrechte, denn die Arbeitnehmer im Betrieb sind im Gegensatz zu den Koalitionsmitgliedern nicht kraft autonomer Unterwerfung Angehörige der betreffenden Gemeinschaft. Insofern ist die Belegschaft ein Zwangsverband, der nicht auf einer Beitrittserklärung durch Arbeitsvertrag beruht135. Die Regelungsbefugnisse der Organe in diesem Zwangsverband haben ihren Geltungsgrund niemals im Willen der betroffenen Verbandsmitglieder, sondern in der gesetzlichen bzw. im Falle des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG in der tarifvertraglichen Übertragung der Regelungsbefugnis. Die Wahl legitimiert folglich die einzelnen Mandatsträger, aber gerade nicht das Vertretungsorgan als solches136. Es verbleibt freilich das Argument, dass das Einzelarbeitsverhältnis erst durch die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung vereinbarte Regelung betroffen werde137. Es stellt sich also die Frage, ob schon allein die Schaffung einer Grundlage für die betriebliche Mitbestimmung im Wege eines Tarifvertrags in die Rechtsstellung der nicht organisierten Arbeitnehmer eingreift. Die Fragestellung trifft jedoch nicht den Kern der Problematik. Beim Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip geht es nicht um die subjektive Rechtsbetroffenheit, sondern vielmehr darum, dass sich jede Ordnung eines Lebensbereiches durch Sätze objektiven Rechts auf eine Willensentschließung der gewählten Gesetzgebungsorgane zurückführen lassen muss138. Ein Tarifvertrag über die Errichtung einer Personalvertretung unterwirft das Individualarbeitsverhältnis der Einwirkungsmöglichkeit der Betriebsparteien139. So beschränkt bereits die Einsetzung einer Personalvertretung bzw. eines betrieblichen Mitbestimmungsorgans die Freiheit des Einzelnen. Es sei nur auf die herrschende Theorie der notwendigen Mitbestimmung im Rahmen des § 87 BetrVG hingewiesen, nach der eine Maßnahme des Arbeitgebers unwirksam ist, die der notwendigen Mitbestimmung entbehrt140. Daraus folgt auch eine Einschränkung der Vertragsfreiheit des Arbeitnehmers. Eine Stärkung der kollektiv-demokratischen Struktur der Betriebsverfassung bedingt demnach zugleich die Einschränkung des Freiraums für individualvertragliche Regelungen141. Die Unterordnung individueller Interessen einzelner Arbeitnehmer ist 135

Rolf, Betriebsratsstruktur, S.194 f. Rolf, Betriebsratsstruktur, S. 195. 137 Der eingesetzte Betriebsrat greift unstreitig in das Arbeitsverhältnis ein, und zwar entweder in die Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG oder die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG; vgl. Dieterich, in: FS Däubler, S. 456 f.; Rolf, Betriebsratsstruktur, S. 192; Schwarze, Betriebsrat, S. 133. 138 Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 185. 139 Schwarze, Betriebsrat, S. 140. 140 Vgl. nur Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 Rn. 98 ff. m.w. N. 141 Vgl. Wiese, in: GK-BetrVG, Einleitung Rn. 81. 136

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der Preis für die Teilhabe an der Gestaltung genereller Tatbestände142. Diese Einschränkungen ergeben sich jedoch gleichermaßen unter der Geltung tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts. Die Schaffung eines tariflichen Rahmens für die betriebliche Mitbestimmung ist ebenso freiheitsrelevant wie die Kodifizierung des Betriebsverfassungsgesetzes durch den Gesetzgeber. Im Ergebnis kann das Legitimationsbedürfnis tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts gegenüber den nicht organisierten Arbeitnehmern nicht in Abrede gestellt werden. Im Rahmen des § 117 Abs. 2 BetrVG gilt dies umso mehr, als aufgrund dieser Tarifverträge ein System der betrieblichen Mitbestimmung erst geschaffen wird und nicht lediglich eine organisatorische Modifikation der gesetzlichen Mitbestimmung bzw. eine Errichtung von Hilfsgremien und -vertretungen ermöglicht wird, wie dies im Rahmen des § 3 BetrVG der Fall ist. b) Erfüllung der Legitimationsanforderungen durch § 3 Abs. 2 TVG i.V. m. § 117 Abs. 2 BetrVG Die Geltungserstreckung auf Außenseiterarbeitnehmer kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch ohne ein staatliches Zustimmungserfordernis den Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips gerecht werden. Die Geltungserstreckung des § 3 Abs. 2 TVG bezieht sich auf „alle Rechtsnormen des Tarifvertrages über [. . .] betriebsverfassungsrechtliche Fragen“. Fraglich ist, ob diese thematische Eingrenzung den Anforderungen genügt, die vom Bundesverfassungsgericht im Bergmannversorgungsschein-Beschluss aufgestellt wurden. Giesen hat überzeugend dargelegt, dass eine Auslegung des Begriffs „betriebsverfassungsrechtlich“ im Sinne des Tarifvertragsgesetzes zu keinen greifbaren Ergebnissen führen kann143. § 3 Abs. 2 TVG lässt eine materiell-inhaltliche Konkretisierung der noch zu schaffenden betriebsverfassungsrechtlichen Tarifnormen nicht zu. Dies entspricht auch durchaus der Intention des Gesetzgebers, der den Tarifvertragsparteien möglichst viel Gestaltungsspielraum lassen wollte. Der wesentliche Inhalt der tariflichen Regelung sollte gerade nicht festgelegt werden144. Damit ist die Geltungserstreckung betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen auf nicht organisierte Arbeitnehmer jedoch noch nicht verfassungswidrig145. Der Gesetzgeber hat sich nicht auf die 142

Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 Rn. 113. Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 334 ff.; ihm folgend Friese, ZfA 2003, 237, 240; Rolf, Betriebsratsstruktur, S. 196; Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 68 f.; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 93 ff.; Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 59; a. A.: Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 17 ff. 144 Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 94. 145 Gegen die Vorschrift des § 3 Abs. 2 TVG werden schon seit Längerem verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht. Diese Kritik hat durch die Abschaffung des 143

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§ 4 Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen

allgemeine Regelung des § 3 Abs. 2 TVG beschränkt, sondern den Begriff der betriebsverfassungsrechtlichen Fragen in zahlreichen Öffnungsklauseln des Betriebsverfassungsgesetzes näher bestimmt146. Um die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Geltungserstreckung auf Außenseiter zu erfüllen, bedarf es also eines Rückgriffs auf die ausdrücklich im Betriebsverfassungsgesetz genannten Tarifvertragsregelungen. Von diesem Ansatz scheint auch das Bundesarbeitsgericht auszugehen, indem es die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG prüft147. Im Falle des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG hilft dieser Lösungsansatz zunächst nicht weiter, denn dort wird lediglich stipuliert, dass „durch Tarifvertrag eine Vertretung errichtet werden [kann]“. Diese Formulierung ist im Gegensatz zu § 3 BetrVG inhaltlich kaum fassbarer als § 3 Abs. 2 TVG, was auf die Intention des Gesetzgebers zurückzuführen ist, den Tarifpartnern bei der Ausgestaltung nicht nur der Mitwirkungsrechte, sondern auch der Organisation der Betriebsverfassung weitgehende Gestaltungsfreiheit einzuräumen. Die fehlende inhaltliche Konkretisierung ist allerdings gerade angesichts des im Vergleich zu § 3 BetrVG viel weiteren Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien umso gravierender. Aus diesem Grund wird im neueren Schrifttum auch vermehrt die Ansicht vertreten, dass § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG mangels hinreichender rechtsstaatlich-demokratischer Legitimation gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip verstößt148. Diese Schlussfolgerung ist indes vorschnell, da unbestimmte Rechtsbegriffe durch die Auslegung mit herkömmlichen Methoden präzisiert werden können, sodass sie den Anforderungen der Bestimmtheit gerecht werden. Eine Ermächtigung ist demzufolge nicht schon dann unbestimmt, wenn sie vage formuliert ist und zu Auslegungsschwierigkeiten führt. Vielmehr ist sie mit allen hermeneutischen Mitteln zu konkretisieren149, zu denen auch die verfassungskonforme Auslegung gehört150. Auf die Frage, inwiefern durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 117 BetrVG den Erfordernissen des Bestimmtheitsgebots Genüge getan wird, soll im Zusammenhang mit der Prüfung der Vereinbarkeit des § 117 BetrVG mit dem Allgemeinen Gleichheitssatz zurückgekommen werden151.

staatlichen Genehmigungserfordernisses neue Nahrung erhalten. Eine ausführliche Darstellung des Meinungsbildes zu § 3 Abs. 2 TVG findet sich bei Klein, Minderheitsgewerkschaften, S. 245 ff. 146 Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 94. 147 BAG NZA 2009, 1424, 1426. 148 So Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 325 ff.; Klein, Minderheitsgewerkschaften, S. 476 ff.; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 98 ff.; a. A.: Krause, in: FS Buchner, S. 493, 500. 149 Vgl. hierzu Wallrabenstein, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 80 Rn. 40. 150 BVerfGE 8, 274, 324. 151 Vgl. hierzu § 5 B.IV.2.

B. Tarifvertragliche Betriebsverfassungsnormen

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2. Vereinbarkeit mit der negativen Koalitionsfreiheit der Außenseiterarbeitnehmer Wenn betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen für Arbeitnehmer unabhängig von deren Mitgliedschaft in der entsprechenden Koalition gelten, wird die Frage nach der Vereinbarkeit mit der negativen Koalitionsfreiheit aufgeworfen. Die Koalitionsfreiheit umfasst nämlich nicht nur die positive Freiheit, einer Koalition beizutreten, sondern nach ganz überwiegender Ansicht in Literatur152 und Rechtsprechung153 auch die Freiheit, derselben fernzubleiben154. Dieser Meinung ist beizupflichten, da ein umfassender grundrechtlicher Schutz nur gewährleistet ist, wenn es dem Arbeitnehmer freisteht, den Koalitionen nicht beizutreten und sich jeglicher koalitionsspezifischer Betätigung zu enthalten. Es entspräche einem sehr engen Freiheitsbegriff, wenn lediglich eine bestimmte Betätigung geschützt wäre, nicht jedoch deren Unterlassung. Der Staat könnte dann alle Handlungsalternativen verbieten, ohne das Grundrecht anzutasten155. Nach der ständigen Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts156 als auch des Bundesarbeitsgerichts157 ist die negative Koalitionsfreiheit sachlich als Fernbleiberecht zu verstehen. Ein Großteil des Schrifttums folgt der Rechtsprechung158. Die Gegenansicht will den Schutz hingegen auf die Nichterfassung von tarifvertraglicher Normsetzung ausdehnen159. Dieser Ansatz vermag nicht zu 152 Kemper, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 9 Rn. 136 f.; Dieterich, in: ErfK, GG, Art. 9 Rn. 32 m.w. N.; Höfling, in: Sachs, GG Art. 9 Rn. 65; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 36; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn. 100; ablehnend gegenüber einer negativen Koalitionsfreiheit insbesondere Gamillscheg, NZA 2005, 146 ff.; Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, Grundlagen Rn. 166 ff.; Schüren, RdA 1988, 138 ff. 153 Vgl. hierzu die grundlegende Entscheidung des großen Senats BAG AP Nr. 13 zu Art. 9 GG; st. Rspr. BVerfGE 50, 290, 367; 55, 7, 21 f.; 64, 208, 231 f.; BVerfG NZA 2000, 948. 154 Allerdings ist die Verankerung der negativen Koalitionsfreiheit innerhalb der Literatur nach wie vor umstritten. Als Grundlage der negativen Koalitionsfreiheit werden Art. 9 Abs. 3 GG, Art. 9 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Abs. 1 GG genannt. Ein aktueller Überblick über den Meinungsstand findet sich bei Bietmann, Differenzierungsklauseln, S. 58 ff. 155 Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 79. 156 BVerfGE 50, 290, 367; 55, 7, 21; 64, 208, 213; 73, 261, 270. 157 BAG AP Nr. 1 zu § 3 TVG Betriebsnormen; BAG AP Nr. 47 zu Art. 9 GG; BAG AP Nr. 46 zu Art. 9 GG; BAGE 20, 175, 213 ff. 158 Dieterich, in: FS Däubler, S. 451, 456; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 9 Rn. 65; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 36; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein, GG, Art. 9 Rn. 23; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn. 100; Löwisch/ Rieble, TVG, Grundl. Rn. 85; dies., in: MünchArbR, § 156 Rn. 24 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 789; Söllner/Waltermann, Grundriss, Rn. 191. 159 Buchner, Tarifvertragsgesetz, S. 60; Schleusener, ZTR 1998, 100, 101; Schüren, RdA 1988, 138, 139, 142; Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 230 ff.; Schwarze, Betriebsrat, S. 195; Wagenitz, Grenzen der Tarifmacht, S. 44; Zöllner, RdA 1962, 453, 458.

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§ 4 Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen

überzeugen. Die negative Koalitionsfreiheit stellt das „Spiegelbild“ der positiven Koalitionsfreiheit dar160. Demnach muss sich die Bestimmung ihrer inhaltlichen Reichweite auch an der Letzteren ausrichten. Da jedoch keinesfalls das einzelne Koalitionsmitglied, sondern einzig und allein die Verbände als Träger der Tarifautonomie in Betracht kommen, kann es umgekehrt auch kein Recht des Einzelnen geben, keine Tarifnormen erlassen zu wollen und von fremdgeschaffenen Tarifnormen nicht erfasst zu werden161. Dies ist vielmehr eine Frage der demokratisch-rechtsstaatlichen Anforderungen an die tarifliche Normsetzung gegenüber Außenseitern162. Folglich ist die entscheidende Frage, ob durch die Erstreckung der betriebsverfassungsrechtlichen Normen auf Außenseiter gemäß § 3 Abs. 2 TVG Druck oder Zwang auf diese ausgeübt wird, einer Koalition beizutreten. Im vorliegenden Fall kommt allein eine mittelbare Zwangswirkung in Betracht, da diese Regelung weder eine Mitgliedschaft kraft Gesetzes vorsieht noch einen Koalitionsbeitritt anordnet. Gegen eine mittelbare Zwangswirkung spricht bereits der Umstand, dass § 3 Abs. 2 TVG gerade die Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen unabhängig von der Mitgliedschaft anordnet und einen Gewerkschaftsbeitritt folglich entbehrlich macht. Das Bundesarbeitsgericht hat vor dem Hintergrund dieser Argumentation eine Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit verneint163. Die Rechtsprechung des Gerichts hinsichtlich der Zulässigkeit tariflicher Differenzierungsklauseln zeigt vielmehr, dass gerade eine Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern bei der Vereinbarung von Tarifnormen aus verfassungsrechtlicher Sicht einer besonderen Rechtfertigung bedarf164. Allerdings soll nicht verkannt werden, dass Mitglieder durch koalitionsspezifische Mitwirkungsrechte auf die Gestaltung von Tarifnormen Einfluss nehmen können. Von der Tatsache, dass diese Möglichkeit für Außenseiter nicht besteht, kann durchaus eine Art mittelbaren Zwangs zu einem Verbandsbeitritt ausgehen165. Freilich ist zu bedenken, dass bei lediglich mittelbaren Beeinträchtigungen eine gewisse Eingriffsintensität vonnöten ist, um eine verfassungsrechtlich relevante Grundrechtsbeschränkung zu bejahen. Gerade betriebsverfassungsrechtliche Fragen gehören im Allgemeinen nicht zu den zentralen Interessen der Arbeitnehmer, im Gegensatz zu Fragen des Lohns und der sonstigen materiellen Arbeitsbedingungen. Insofern überschreitet ein solcher möglicher Beitrittsdruck wohl nicht die Erheblichkeitsschwelle. Für diese Einschätzung sprechen auch die 160

Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 81. Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 82. 162 Vgl. hierzu oben § 4 B.III.1. 163 BAG AP Nr. 46 zu § 2 KSchG 1969. 164 Vgl. BAG (GS) AP Nr. 13 zu Art. 9 GG und jüngst BAG NJW 2010, 170 ff., wo der 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts die Zulässigkeit einfacher Differenzierungsklauseln im Grundsatz bejahte, dies jedoch auch nur innerhalb bestimmter Grenzen. 165 Vgl. BVerfG NZA 2000, 948, 949; BVerfGE 55, 7, 22; 64, 208, 213 f. 161

C. Einfachgesetzliche Grundlagen

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Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Allgemeinverbindlicherklärung und zur dynamischen Verweisung auf Tarifverträge, in denen es ebenfalls um die Geltungserstreckung auf Außenseiter ging. Das Bundesverfassungsgericht nahm an, dass eine mögliche Zwangswirkung auf jeden Fall zumindest unterhalb der Intensitätsschwelle liege, die für eine Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit erforderlich sei166. Somit wird die negative Koalitionsfreiheit durch die betriebseinheitliche Geltung von Tarifnormen gemäß § 3 Abs. 2 TVG nicht verletzt. Dies überzeugt im Ergebnis auch vor dem Hintergrund, dass zumindest nach der hier vertretenen Ansicht die Geltungserstreckung von tariflichen Normen, auch betriebsverfassungsrechtlicher Art, einer Rückanbindung an Vorgaben des Gesetzgebers voraussetzt. In diesen Konstellationen sind den Ausgestaltungsbefugnissen der Tarifvertragsparteien ohnehin von vornherein Grenzen gesetzt.

IV. Ergebnis Die Betriebsverfassung ist Gegenstand der verfassungsrechtlich geschützten Betätigungsgarantie der Koalitionen. Die Tarifautonomie gewährleistet auch für diesen Bereich die normative Wirkung der tariflichen Regelungen. Dies gilt allerdings nur gegenüber Mitgliedern. Gegenüber Außenseitern kann sich die Legitimation allein aufgrund einer legislativen Geltungserstreckung ergeben, die rechtsstaatlich-demokratischen Anforderungen genügen muss. § 3 Abs. 2 TVG i.V. m. § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG wird dem Bestimmtheitserfordernis nach Anwendung der üblichen Auslegungskriterien nicht gerecht. Jedoch kommt möglicherweise eine Konkretisierung durch eine verfassungskonforme Auslegung anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes in Betracht. Die Geltungserstreckung auf Anders- oder Nichtmitglieder verstößt nicht gegen deren negative Koalitionsfreiheit.

C. Einfachgesetzliche Grundlagen für tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht Die einfachgesetzlichen Grundlagen zur Schaffung tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts sind sowohl im Betriebsverfassungsgesetz als auch im Tarifvertragsgesetz zu finden. Folglich ist das Verhältnis dieser beiden Gesetze zueinander zu klären, um den einfachgesetzlichen Rahmen tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts und damit die Einordnung der § 117 Abs. 2 S. 1 und 2 BetrVG in das System der Betriebsverfassung verstehen zu können. Zuvor werden die beiden Gesetze jedoch jeweils kurz vorgestellt.

166 Vgl. BVerfGE 64, 208, 213 f. bzgl. der dynamischen Verweisung; BVerfGE 55, 7, 22 bzgl. der Allgemeinverbindlichkeitserklärung.

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I. Tarifvertragsgesetz Im Tarifvertragsgesetz finden sich mehrere Normen, die „betriebsverfassungsrechtliche Fragen“ zum Gegenstand haben. Zunächst behandelt § 1 Abs. 1 TVG den möglichen Inhalt eines Tarifvertrages. Hierzu gehören neben den schuldrechtlichen Vereinbarungen und den Inhalts-, Abschluss- sowie Beendigungsnormen auch Rechtsnomen, die „betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können“. § 4 Abs. 1 S. 1 TVG ordnet die normative Wirkung von Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen an. Nach § 4 Abs. 1 S. 2 TVG gilt diese unmittelbare und zwingende Wirkung entsprechend für Regelungen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen. Schließlich gelten gemäß § 3 Abs. 2 TVG Rechtsnormen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen „für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist“. Dies bedeutet im Ergebnis, dass Tarifnormen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen für alle Arbeitnehmer des Betriebs unabhängig von einer bestehenden Gewerkschaftszugehörigkeit gelten167. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass zumindest nach den Regelungen des Tarifvertragsgesetzes Normen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen zum normativen Teil eines Tarifvertrages gehören, somit unmittelbare und zwingende Wirkung haben und schließlich für alle Arbeitnehmer von Betrieben gelten, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist. Eine Definition des Begriffs „betriebsverfassungsrechtliche Fragen“ kann dem Gesetz dagegen nicht entnommen werden.

II. Betriebsverfassungsgesetz Das Betriebsverfassungsgesetz gestaltet die Verfassung des Betriebs und räumt den Arbeitnehmern bzw. dem Betriebsrat als ihrem Repräsentanten Mitwirkungsund Mitbestimmungsrechte an Entscheidungen der Betriebs- und Unternehmensleitung ein168. Es beinhaltet keine Regelung über die Befugnis der Tarifvertragsparteien, betriebsverfassungsrechtliche Normen zu schaffen, wie sie im Tarifvertragsgesetz vorgesehen sind. Allerdings lässt es in zahlreichen Einzelvorschriften ausdrücklich vom Gesetz abweichende Regelungen durch Tarifvertrag zu169. Zu diesen Zulassungsklauseln zählen auch die für diese Arbeit maßgeblichen Normen § 3 BetrVG und § 117 BetrVG. § 3 BetrVG ist die maßgebliche Grundlage für eine abweichende tarifvertragliche Regelung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisationsstruktur innerhalb

167 Vgl. zur dogmatischen Einordnung von § 3 Abs. 2 TVG Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 24. 168 Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 1. 169 Vgl. für einen umfassenden Überblick über die einzelnen Tatbestände Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 307 ff.

C. Einfachgesetzliche Grundlagen

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des Betriebsverfassungsgesetzes170. § 3 Abs. 1 BetrVG erlaubt den Tarifpartnern die Zusammenfassung von einzelnen Betrieben oder allen Betrieben in einem unternehmenseinheitlichen Betriebsrat (Nr. 1 lit. a und b), die Bildung von Spartenbetriebsräten (Nr. 2), anderen Arbeitnehmervertretungsstrukturen (Nr. 3) sowie zusätzlichen betriebsverfassungsrechtlichen Vertretungen (Nr. 4 und 5). Subsidiär können die Betriebspartner (Abs. 2) bzw. die Betriebsbelegschaft (Abs. 3) von einigen dieser Möglichkeiten Gebrauch machen. Die so geschaffenen abweichenden Organisationseinheiten gelten als Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (Abs. 5). § 117 BetrVG erklärt das Betriebsverfassungsgesetz für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer für unanwendbar171 und lässt den Tarifvertragsparteien – zumindest nach seinem Wortlaut – beträchtliche Gestaltungsfreiheit, die weit über die Möglichkeiten des § 3 BetrVG hinausgehen. Diese Regelung ermöglicht also nicht lediglich eine Modifikation der gesetzlichen Betriebsverfassung für das fliegende Personal, sondern stellt vielmehr die Grundlage für die Einrichtung der betrieblichen Mitbestimmung aufgrund eines Tarifvertrages dar172. § 117 Abs. 2 S. 2 BetrVG betrifft den Abschluss eines sogenannten Kooperationstarifvertrages, der die Zusammenarbeit zwischen den Betriebsräten der Landbetriebe und der Personalvertretung des fliegenden Personals zum Gegenstand hat. Im Gegensatz zum Tarifvertragsgesetz werden Wirkung und personelle Reichweite von Tarifverträgen nach § 117 Abs. 2 S. 1 u. 2 BetrVG durch das Betriebsverfassungsgesetz nicht gesondert geregelt173.

III. Verhältnis von Tarifvertragsgesetz und Betriebsverfassungsgesetz Sowohl das Betriebsverfassungsgesetz als auch das Tarifvertragsgesetz enthalten Vorschriften über die Schaffung tarifvertraglicher Vereinbarungen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen, sodass das Verhältnis der beiden Gesetze zueinander geklärt werden muss. Während das Tarifvertragsgesetz keinen Bezug auf die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes nimmt, regelt das Betriebsverfassungsgesetz zwar inhaltliche Anforderungen an Tarifnormen, trifft aber keine Aussage zur Wirkung tarifvertraglichen Regelungen. Somit ist klar, dass diese beiden Gesetze in Bezug zeinander gesetzt werden müssen. Das Verhältnis zwischen Betriebsverfassungsgesetz und Tarifvertragsgesetz ist nicht ausdrücklich geregelt, sodass allein die Auslegung der beiden Gesetze Anhaltspunkte lie170 Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 85; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 65. 171 Vgl. zur Auslegung des § 117 Abs. 1 und 2 BetrVG oben § 3 B.I. 172 Schmitt, Handbuch BV, S. 133. 173 Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 27.

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fern kann174. Erst dann kann eine Aussage über den einfachgesetzlichen Rahmen des tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts getroffen werden. Gerade die Kodifizierung der Ermächtigungsnorm des § 117 Abs. 2 BetrVG ist vor dem Hintergrund der alten Streitfrage zu sehen, ob und inwiefern den Tarifvertragsparteien durch § 1 TVG weiterhin eine unveränderte und nur durch den Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes eingeschränkte Regelungsbefugnis zusteht175. Es sei daran erinnert, dass der Gesetzgeber die ausdrückliche Ermächtigung in § 117 Abs. 2 BetrVG in Kenntnis der Tatsache formulierte, dass bei der DLH auf Grundlage des § 1 TVG bereits ein Tarifvertrag über eine Personalvertretung für das fliegende Personal abgeschlossen worden war. Die maßgeblichen politischen Kräfte waren zu der übereinstimmenden Auffassung gelangt, dass sich die tarifvertragliche Gestaltung der Betriebsverfassung für das Bordpersonal bewährt habe176. Insofern könnte man in der Verabschiedung des § 117 Abs. 2 BetrVG eine Bekräftigung der weiter bestehenden Regelungsbefugnis der Tarifpartner für diesen Bereich sehen177. 1. Gestaltungsspielraum allein im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes Nach einer Mindermeinung bestimmt sich der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien allein nach dem Betriebsverfassungsgesetz, sodass dem Tarifvertragsgesetz somit keine eigenständige Bedeutung für die Vereinbarung tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts zukommt178. Dieses Ergebnis wird auf unterschiedliche Weise begründet. Zum einen wird eine historisch-teleologische Argumentation herangezogen179: Zur Zeit des Erlasses des Tarifvertragsgesetzes habe es noch keine einheitliche gesetzliche Grundlage der Betriebsverfassung gegeben, sodass die normative Wirkung von betriebsverfassungsrechtlichen Tarifnormen dieses Defizit habe ausgleichen sollen. Bereits seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes, welches die hoheitliche Gewalt allein dem Staat zuordne und dem Individuum weitgehenden Schutz durch die Grundrechte gewähre, sei diese Ermächtigung der Tarifvertragsparteien jedoch hinfällig. Spätestens mit Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes als abschließender Regelung in der Folgezeit sei die tarifvertragliche Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen aufgrund des Tarifvertragsgesetzes hinfällig. Die Regelungsmöglichkeiten der Koa174

So auch Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 32. Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 210. 176 Vgl. hierzu § 3 A. 177 So ausdrücklich Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 211. 178 Vgl. Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 360 f.; Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 143; ders., Kollektivgewalt, S. 242 ff.; ebenso im Ergebnis Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 66 ff. 179 Richardi, Kollektivgewalt, S. 242 ff. 175

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litionen seien seither auf die besonderen Ermächtigungen im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes beschränkt. Auch Giesen sieht allein in den ausdrücklich im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Tarifnormen solche über betriebsverfassungsrechtliche Fragen im Sinne des § 1 TVG180. Weil sich die Formulierung „betriebsverfassungsrechtliche Fragen“ einer inhaltlichen Bestimmbarkeit entziehe, könne nur eine solche einschränkende Auslegung den Anforderungen des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips genügen181. 2. Betriebsverfassungsgesetz als zwingendes Gesetz Die Rechtsprechung und die überwiegende Literatur verstehen demgegenüber das Tarifvertragsgesetz als selbstständige Grundlage für tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht, die auch nach Kodifizierung des Betriebsverfassungsgesetzes fortbestehe. Die Tarifvertragsparteien könnten daher grundsätzlich nicht nur im Rahmen der Zulassungsklauseln des Betriebsverfassungsgesetzes betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen vereinbaren. Unter Rechtsnormen zu „betriebsverfassungsrechtlichen Fragen“ im Sinne des § 1 TVG seien dabei alle Regelungen über die Rechtsstellung der Arbeitnehmerschaft und ihrer Organe im Betrieb zu verstehen182. Die grundsätzlich uneingeschränkte Regelungsbefugnis werde allerdings durch den zwingenden Charakter des Betriebsverfassungsgesetzes eingeschränkt. Hierbei wird nach der Regelungsmaterie differenziert: Die Organisation der Betriebsverfassung gilt grundsätzlich als zweiseitig zwingend183, während die Beteiligungsrechte des Betriebsrats lediglich als einseitig zwingend angesehen werden, sodass eine tarifvertragliche Erweiterung dieser Rechte möglich wäre184. Der zweiseitig zwingende Charakter der Organisationsnormen wird 180

Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 360 f. Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 360; vgl. zu dieser verfassungsrechtlichen Frage unter § 4 B.III.1. 182 Vgl. BAG AP Nr. 46 zu § 2 KSchG 1969; BAG AP Nr. 17 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen; Treber, in: Schaub, ArbR-Hdb, § 202 Rn. 61 ff.; Schwarze, Betriebsrat, S. 50; Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 23; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 578; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 29. 183 BAG AP Nr. 4 zu 3 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 66 zu § 40 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 53 zu § 99 BetrVG 1972; v. Hoyningen-Huene, in: MünchArbR, § 210 Rn. 21 ff.; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 1; Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 69; Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 134 ff., 143; ders., in: MünchArbR, § 153 Rn. 13; Rolf, Betriebsratsstruktur, S. 14; Rose, in: H/S/W/G, BetrVG, Einleitung Rn. 251; Säcker/ Oetker, Tarifautonomie, S. 197; Thüsing, in: Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 763; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 52. 184 BAG AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 53 zu § 99 BetrVG 1972; vgl. auch BAG AP Nr. 56 zu § 118 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 255; Heither, in: FS Schaub, S. 308; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 451; Thüsing, in: Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 765; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 Rn. 11. 181

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zum einen im Umkehrschluss aus der Existenz einzelner Zulassungsnormen gefolgert. Darüber hinaus wird auf die Notwendigkeit einer einheitlichen Struktur der Betriebsverfassung sowie auf den Willen des historischen Gesetzgebers verwiesen185. Dagegen werden die Beteiligungsrechte des Betriebsrats als gesetzlicher Mindeststandard angesehen, der durch die Tarifvertragsparteien nicht eingeschränkt werden kann, einer tarifvertraglichen Erweiterung jedoch zugänglich ist. Im Ergebnis kommt diese Ansicht in zwei Themenbereichen zu anderen Ergebnissen als die Meinung, die dem Tarifvertragsgesetz keine eigenständige Bedeutung beimisst. Zunächst können die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte grundsätzlich erweitert werden, da den Tarifvertragsparteien eine originäre Regelungskompetenz zugeschrieben wird und insofern die Sperrwirkung des Betriebsverfassungsgesetzes nicht greift. Des Weiteren sind Tarifnormen über die Organisation der Betriebsverfassung außerhalb des Anwendungsbereiches des Betriebsverfassungsgesetzes grundsätzlich möglich, also unter anderem für Kleinbetriebe und Tendenzbetriebe. Im Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ist eine tarifvertragliche Modifikation hingegen nach beiden Ansichten ausschließlich im Rahmen der Zulassungsnormen möglich. 3. Betriebsverfassungsgesetz als dispositives Recht Nach einer neueren Ansicht in der Literatur kommt dem Betriebsverfassungsgesetz keine umfassende zwingende Wirkung zu186. Ausgehend von einer umfassenden Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien aufgrund des Tarifvertragsgesetzes wird eine grundsätzliche Sperrwirkung des Betriebsverfassungsgesetzes abgelehnt. Nur ausnahmsweise seien der Gestaltungsbefugnis Grenzen gesetzt, nämlich sobald „politische Grundentscheidungen“ tangiert seien. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass § 1 Abs. 1 TVG auch nach Einführung des Betriebsverfassungsgesetzes nicht geändert worden sei und dieser ja gerade keine Einschränkung in Bezug auf die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes enthalte. Im Übrigen wird auf die §§ 3, 97 BPersVG verwiesen, die im Gegensatz zum Betriebsverfassungsgesetz ein ausdrückliches Verbot tarifvertraglicher Gestaltungen beinhalten. Auch lasse § 2 Abs. 3 BetrVG die Aufgaben der Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen ausdrücklich unberührt.

185

Vgl. Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 30. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 595 f., S. 607; ders., in: FS Molitor, S. 133, 137 ff.; Pauli, AuR 2000, 411; Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 21 ff.; ders., in: JbArbR, Bd. 36 (1999), S. 59 ff. 186

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4. Bewertung der verschiedenen Erklärungsmodelle: Einschränkung der tarifvertraglichen Regelungsbefugnis allein durch zwingenden Charakter des BetrVG Der Wortlaut des Tarifvertragsgesetzes lässt keine Einschränkungen erkennen und stützt insofern die Annahme einer umfänglichen Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 und 4 Abs. 1 S. 2 TVG sprechen von „betriebsverfassungsrechtlichen Fragen“. Insofern scheint der Wortlaut unmittelbar an das Betriebsverfassungsgesetz anzuknüpfen. Jedoch bestand das Tarifvertragsgesetz bereits vor Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes von 1952, sodass diese gesetzliche Regelung kein notwendiger Bestandteil des Begriffs der „betriebsverfassungsrechtlichen Fragen“ im Tarifvertragsgesetz sein kann187. Richtig ist allerdings auch, dass bereits zuvor in Form des Betriebsrätegesetzes 1920 und für die Nachkriegszeit in Form des Kontrollratsgesetzes Nr. 22 vom 7. April 1946 und den daraufhin verabschiedeten Ländergesetzen einige Kodifikationen bezüglich der betrieblichen Mitbestimmung bestanden. Jedoch wollte der Gesetzgeber gerade aufgrund der heterogenen und unvollständigen Regelungen nicht an diese Kodifikationen anknüpfen188. Insofern ist es nicht einleuchtend, die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien auf die im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Tarifnormen zu reduzieren. Vielmehr bestimmen sich die „betriebsverfassungsrechtlichen Fragen“ nach einem materiellen Anknüpfungspunkt, nämlich der kollektiven Rechtsstellung der Arbeitnehmer innerhalb der Betriebsorganisation189. Zu dieser Materie gehört nach allgemeinem Verständnis die Gesamtheit der Regeln über die Rechtsstellung der Arbeitnehmerschaft im Betrieb, einschließlich ihrer Organe, ihrer Rechte und Pflichten und ihrer Stellung gegenüber dem Arbeitgeber190. Die Regelungsermächtigung in § 1 TVG ist auch weiterhin aktuell. Durch die Einfügung der Koalitionsfreiheit in das Grundgesetz, die den Tarifpartnern die Regelung der „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ ermöglicht, hat der Verfassungsgeber die Legitimation der gesetzlichen Ermächtigungen zur Regelung dieser Bedingungen verstärkt. Richtig ist zwar, dass der Bedarf nach tarifvertraglichem Betriebsverfassungsrecht durch die weitreichenden Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes stark reduziert ist. Allerdings haben die §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 und 4 Abs. 1 S. 2 TVG weiterhin ihre Berechtigung. Zunächst sah das Betriebsverfassungsgesetz bereits in der ursprünglichen Fassung in einzelnen Vor-

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Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 32. Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 33 f.; vgl. hierzu bereits § 3 A. 189 Vgl. BAG AP Nr. 46 zu § 2 KSchG 1969; BAG AP Nr. 17 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen; Schwarze, Betriebsrat, S. 50; Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 23; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 578; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 29. 190 So bereits Hueck, BB 1949, 530, 531. 188

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§ 4 Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen

schriften die Möglichkeit von tarifvertraglichen Abweichungen vor, regelte aber nicht das Zustandekommen, die Wirkung und die Reichweite derartiger Tarifverträge. Ein Rückgriff auf das Tarifvertragsgesetz ist und war notwendig. Obschon dem Gesetzgeber durchaus bewusst war, dass sich die Normsetzungsbefugnisse aufgrund des Tarifvertragsgesetzes auch auf die Regelungsgegenstände Betriebsund Personalverfassung beziehen, wie die §§ 3, 97 BPersVG zeigen191, wurde § 1 TVG weder durch das Betriebsverfassungsgesetz 1952 noch durch das Betriebsverfassungsgesetz 1972 ausdrücklich geändert oder begrenzt. Die §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 und 4 Abs. 1 S. 2 TVG gehören also auch bezüglich der Normsetzungsbefugnis in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen immer noch zum geltenden Gesetzesrecht. Zu klären ist insofern lediglich noch, inwiefern diese Regelungsbefugnis durch das Betriebsverfassungsgesetz eine Einschränkung erfahren hat. Auch dem Betriebsverfassungsgesetz lässt sich keine ausdrückliche Regelung über die Normsetzungsbefugnisse in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen entnehmen. Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 BetrVG, nach der „die Aufgaben der Gewerkschaften und der Vereinigungen der Arbeitgeber, insbesondere die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder, durch dieses Gesetz nicht berührt“ werden, führt nicht weiter. Selbst wenn man den Abschluss von Tarifverträgen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen zu den Aufgaben im Sinne des § 2 Abs. 3 BetrVG zählt, ist noch nichts darüber gesagt, ob die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes zwingend sind192. Hingegen lohnt ein Blick auf die Systematik, insbesondere auf das Verhältnis zwischen den gesetzlichen Organisationsnormen und den Öffnungsklauseln. Im Betriebsverfassungsgesetz wird die Organisation der betrieblichen Mitbestimmung systematisch geschlossen und abgestimmt kodifiziert, tarifvertragliche Modifikationen werden lediglich in Einzelregelungen zugelassen. Diese Gesetzgebungstechnik lässt den Umkehrschluss auf den grundsätzlich zwingenden Charakter der gesetzlichen Betriebsverfassung zu, da die Einfügung von Öffnungsklauseln obsolet wäre, wenn das gesamte Gesetzeswerk zur Disposition der Tarifpartner stünde. Für den möglicherweise lediglich deklaratorischen Charakter dieser Normen finden sich keinerlei Anhaltspunkte. Der Verzicht auf ein ausdrückliches Verbot tarifvertraglicher Modifikation, wie es das Personalvertretungsrecht in §§ 3, 97 BPersVG kennt, widerspricht diesem Auslegungsergebnis nicht. Der Gesetzgeber hat nämlich durch die zahlreichen Zulassungsklauseln hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass das Betriebsverfassungsgesetz im Übrigen zwingend ist. Dies geht auch bereits aus der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 3 BetrVG 1972 hervor193. An diesem Grundsatz hat sich auch durch das Betriebsverfassungs-Reformgesetz 2001 nichts geändert194. 191

Friese, Kollektive Koalitionsfreiheit, S. 264. Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 36. 193 Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. VI/1786, S. 36, wo es heißt: „Die organisatorischen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes sind ihrer Natur nach zwingend. Der Ge192

C. Einfachgesetzliche Grundlagen

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IV. Ergebnis Die Regelungsbefugnis der Tarifpartner hinsichtlich „betriebsverfassungsrechtlicher Fragen“ nach § 1 Abs. 1 TVG hat auch nach der Kodifizierung des Betriebsverfassungsgesetzes weiterhin Gültigkeit. Das Betriebsverfassungsgesetz schränkt jedoch diese Gestaltungsmöglichkeit aufgrund seiner grundsätzlich zwingenden Wirkung ein. Im Anwendungsbereich dieses Gesetzes haben die Tarifpartner nur im Rahmen der einzelnen Öffnungsklauseln die Möglichkeit, die gesetzlichen Regelungen zu modifizieren. § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG nimmt gegenüber den sonstigen Öffnungsklauseln eine Sonderstellung ein. Es handelt sich um eine Bereichsausnahme für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Dieses Ergebnis wird auch durch die Gesetzgebungsgeschichte der Bereichsausnahme gestützt. Der Gesetzgeber wollte die tarifliche Praxis bestätigen, die bereits vor der Kodifizierung des § 117 Abs. 2 BetrVG aufgrund des § 1 Abs. 1 TVG eine Personalvertretung für das Bordpersonal errichtet hatte195. Anders liegen die Dinge hinsichtlich des § 117 Abs. 2 S. 2 BetrVG. Hierbei handelt es sich um eine klassische Öffnungsklausel, die Modifikationen der Organisationsstruktur der Mitbestimmungsorgane der Bodenbetriebe zulässt, um eine Integration der Personalvertretung(en) des fliegenden Personals in die Mitbestimmungsorgane der Bodenbetriebe bzw. in gemeinsame Gremien zu ermöglichen.

setzgeber hat es jedoch in der Hand, im Hinblick auf notwendige Anpassungen an besondere Verhältnisse Abweichungsmöglichkeiten zuzulassen [. . .].“ 194 Vgl. hierzu Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 38 f., der darauf hinweist, dass der Vorschlag des DGB, die Betriebsverfassung generell tarifdispositiv auszugestalten, vom Gesetzgeber gerade nicht aufgegriffen worden sei. 195 Vgl. hierzu bereits oben unter § 3 A.

§ 5 Bereichsausnahme des § 117 BetrVG als Verstoß gegen höherrangiges Recht Es ist bereits seit längerer Zeit umstritten, ob die Bereichsausnahme für das Bordpersonal von Luftfahrtunternehmen gegen höherrangiges Recht verstößt. Die Frage stellt sich sowohl aus europarechtlicher als auch aus verfassungsrechtlicher Sicht. Hinsichtlich der Europarechtswidrigkeit der Bereichsausnahme geht es im Kern um die Umsetzung von Richtlinien, die in bestimmten Situationen eine Anhörung der Arbeitnehmervertretungen vorsehen, also das Bestehen einer solchen Vertretung implizit voraussetzen1. Die Verfassungsmäßigkeit des § 117 BetrVG ist wegen eines möglichen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG fraglich2. Ob die Erstreckung von betriebsverfassungsrechtlichen Tarifnormen auf Außenseiter mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip vereinbar ist, wurde bereits an anderer Stelle erörtert3.

A. Europarechtskonformität des § 117 BetrVG Die Regelung des § 117 BetrVG ist unter europarechtlichen Gesichtspunkten problematisch. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage der Umsetzung von Richtlinien, die eine Anhörung der Arbeitnehmervertretungen vorsehen4. Während die Richtlinien über Massenentlassungen und den Betriebsübergang das „europäische Betriebsverfassungsrecht“ lediglich mittelbar ansprechen, regelt die Richtlinie 2002/14/EG den Rahmen für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar5. Die Richtlinie 98/59/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen sieht in Art. 2 eine Informations- und Konsultationspflicht des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmervertretern vor, wenn er beabsichtigt, Massenentlassungen vorzunehmen. Gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. b) sind unter Arbeitnehmervertretern im Sinne der Richtlinie Arbeitnehmer-

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Vgl. hierzu sogleich unter § 5 A. Vgl. hierzu unter § 5 B. 3 Vgl. hierzu unter § 4 B.III. 4 Richtlinie 98/59/EG vom 20.7.1998 (Massenentlassungsrichtlinie), Richtlinie 2001/23/EG vom 12.3.2001 (Betriebsübergangsrichtlinie) und Richtlinie 2002/14/EG vom 11.3.2002 (Mitwirkungsrichtlinie). 5 Fischer, TranspR 2005, 103. 2

A. Europarechtskonformität des § 117 BetrVG

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vertreter nach den Rechtsvorschriften oder der Praxis der Mitgliedstaaten zu verstehen. Die Richtlinie gilt aber uneingeschränkt auch für den Bereich der Luftfahrtunternehmen. Sie findet lediglich auf Seeschiffe keine Anwendung. Die Richtlinie 2001/23/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen normiert in Art. 7 die Informations- und Konsultationspflichten des Veräußerers und des Erwerbers gegenüber den Vertretern der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer. Die Definition der Arbeitnehmervertreter knüpft wie bei der Massenentlassungsrichtlinie an die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten an (Art. 2 Abs. 1 lit. c). Eine Bereichsausnahme findet sich auch hier lediglich für Besatzungen von Seeschiffen (Art. 1 Abs. 3). Die Richtlinie 2002/14/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft regelt im Gegensatz zu den bisher genannten Richtlinien erstmals autonom die Vorgaben für die Ausgestaltung von Arbeitnehmervertretungen6. Kern der Richtlinie ist die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Information und Anhörung der Arbeitnehmer über die wirtschaftliche Entwicklung, die Beschäftigungssituation sowie über Entscheidungen, die wesentliche Veränderungen der Arbeitsorganisation oder der Arbeitsverträge mit sich bringen können, einschließlich solcher, die Gegenstand der in den Richtlinien 98/59/EG und 2001/23/EG vorgesehenen spezifischen Informations- und Konsultationsverfahren sind (Art. 4), sicherzustellen7. Die Richtlinie betrifft die Unterrichtung in wirtschaftlichen Angelegenheiten und damit diejenige Materie, die im Betriebsverfassungsgesetz in den §§ 106 ff. geregelt ist8. Neben diesem „materiellen Teil“ bestimmt Art. 9 Abs. 3, dass die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Unterrichtungs-, Anhörungs- und Mitbestimmungsrechte unberührt bleiben. Art. 9 Abs. 4 stipuliert, dass die Durchführung der Richtlinie nicht als Rechtfertigung für einen Rückschritt hinter den bereits in den einzelnen Mitgliedstaaten erreichten Stand des allgemeinen Niveaus des Arbeitnehmerschutzes in den von ihr abgedeckten Bereichen benutzt werden darf. Schließlich sieht Art. 8 eine Sanktionsregelung vor. Es müssen geeignete Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zur Durchsetzung der Richtlinie eingerichtet werden. Schließlich müssen auch Sanktionen vorgesehen sein, die im Falle der Nichtbeachtung der Vorgaben der Richtlinie durch den Arbeitgeber oder die Arbeitnehmervertretung verhängt werden. Abgesehen von den Ausnahmeregelungen in Art. 3 Abs. 2 für Tendenzbetriebe, Religionsgemeinschaften und kirchliche Einrichtungen sowie der Ausnah6 7 8

Die Richtlinie musste bis 23.3.2005 umgesetzt werden. Vgl. Bonin, AuR 2004, 321. Vgl. Fischer, TranspR 2005, 103.

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§ 5 Bereichsausnahme des § 117 BetrVG

mebestimmung in Art. 3 Abs. 1 für die Hochseeschifffahrt (Art. 3 Abs. 1) gilt die Richtlinie für alle Arbeitnehmer und daher auch für das Bordpersonal der deutschen Luftfahrtunternehmen. Es stellt sich also zunächst die Frage, ob die rigorose Herausnahme des fliegenden Personals aus dem persönlichen Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes richtlinienkonform ist. Falls dies nicht der Fall sein sollte, kommt noch die Möglichkeit einer europarechtskonformen Auslegung des § 117 Abs. 2 BetrVG in Betracht9.

I. Richtlinienkonformität des § 117 Abs. 2 BetrVG Für die Richtlinienkonformität der Bereichsausnahme des § 117 Abs. 2 BetrVG ist zunächst entscheidend, ob die Richtlinie die Errichtung von Arbeitnehmervertretungen zwingend vorschreibt. Sollte dies der Fall sein, stellt sich die Anschlussfrage, ob die Errichtung einer derartigen Vertretung den Tarifpartnern überlassen werden kann bzw. ob eine derartige Gestaltung den Anforderungen der Richtlinie gerecht wird. Die Richtlinie 2002/14/EG setzt das Bestehen einer Arbeitnehmervertretung voraus. Für den Fall, dass eine solche nicht existiert, wird ihre Errichtung zumindest nicht ausdrücklich angeordnet. Die Frage ist also, inwiefern aus der Pflicht, die Arbeitnehmervertreter zu unterrichten und anzuhören, mittelbar auch die europarechtliche Verpflichtung folgt, Arbeitnehmervertretungen zu errichten. Dagegen spricht zunächst, dass Art. 137 Abs. 2 EGV a. F. als Kompetenznorm für den Erlass der Richtlinie gewählt wurde. Diese Norm enthält eine Ermächtigungsgrundlage zum Richtlinienerlass für die in Art. 137 Abs. 1 EGV a. F. genannten Gebiete, darunter „Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer“ (3. Spiegelstrich)10. Eine Richtlinie über die „Vertretung und kollektive Interessenwahrnehmung der Arbeitnehmer, einschließlich der Mitbestimmung“ hätte hingegen einstimmig gemäß Art. 137 Abs. 3 EGV a. F. beschlossen werden müssen11. In der Tat ist die Abgrenzung zwischen den beiden genannten Gebieten schwierig12. Als Ausgangspunkt ist jedenfalls festzuhalten, dass die Ebene der Unterrichtung und Anhörung ebenso wie ihre institutionelle Einbettung offenbleibt13. Letztlich überzeugt der Ansatz, wonach im Rahmen des Art. 137 Abs. 1 3. Spiegelstrich EGV a. F. nicht nur existierende Arbeitnehmervertretungen in Anspruch genom9

Vgl. hierzu Bayreuther, NZA 2010, 262. Gemäß Art. 153 Abs. 2 S. 2 AEUV sind diesbezügliche Regelungen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV zu erlassen. 11 Bonin, AuR 2004, 321, 323. Nach Art. 153 Abs. 2 S. 3 AEUV sind Regelungen betreffend die Vertretung und kollektive Wahrnehmung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen einstimmig gemäß dem besonderen Gesetzgebungsverfahren zu erlassen. 12 Bonin, AuR 2004, 321, 323; Steinmeyer, in: Hanau/Steinmeyer/Wank, § 12 Rn. 72. 13 Zu der Neufassung Krebber, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 137 Rn. 25. 10

A. Europarechtskonformität des § 117 BetrVG

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men werden können, sondern auch eine mittelbare Errichtungspflicht statuiert werden darf – solange diese eben im Zusammenhang mit der Regelung von Unterrichtungs- und Anhörungspflichten steht und solange kein allgemeines System der Arbeitnehmervertretung errichtet wird14. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Grundsatz einer möglichst effektiven Umsetzung der Richtlinie (effet utile): Ein anderes Verständnis würde dazu führen, dass es die Mitgliedstaaten in der Hand hätten, durch Vorschriften über die Bildung von Arbeitnehmervertretungen denjenigen Richtlinien den Anwendungsbereich zu nehmen, die aus Praktikabilitätsgründen auf die Existenz solcher Vertretungen abstellen15. In diesem Sinne ist auch eine „Gemeinsame Erklärung“ des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vom 17. Dezember 200116 zu verstehen, die aus einer schlichten Verweisung auf die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 8. Juni 1994 besteht17. Der Europäische Gerichtshof stellte damals in gleichlautenden Leitsätzen sowohl zur Betriebsübergangsrichtlinie 77/187/EWG als auch zur Massenentlassungsrichtlinie 75/129/EWG gegenüber dem Vereinigten Königreich fest, dass trotz der Beschränkung der angestrebten Harmonisierung eine nationale Bestimmung, die kein Verfahren zur Bestellung der Arbeitnehmervertreter in einem Unternehmen für den Fall vorgesehen hat, dass der Arbeitgeber solche Vertreter nicht freiwillig anerkennt, nicht richtlinienkonform sei18. Ansonsten wäre es dem Arbeitgeber mühelos möglich, die Informations- und Konsultationspflichten zu umgehen19. Der Generalanwalt van Geerven führte in seinen Schlussanträgen aus, dass weder eine teilweise Harmonisierung nationaler Regelungen noch die Einführung eines allgemeinen Systems als Reaktion auf die Richtlinie vonnöten seien20. Allerdings dürfe die Beteiligung von Arbeitnehmervertretern nicht vollständig der freiwilligen Anerkennung durch den Arbeitgeber anheimgestellt werden21. Es sei jedoch ausreichend, wenn es den betroffenen Arbeitnehmern ermöglicht werde, in den durch die Richtlinie vorgesehenen Fällen Ad-hoc-Vertreter zu bestellen22. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass im Anwendungsbereich der Richtlinie eine Arbeitnehmervertretung institutionell gewährleistet sein muss, sei es auch nur in der Form von sogenannten Ad-hoc-Vertretern. Somit stellt sich die Anschluss14

Bonin, AuR 2004, 321, 323. Vgl. Bonin, AuR 2004, 321, 323. 16 Arbeitsdokument für die Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 17.12.2001, C5/2001/687, Anhang. 17 EuGH, Slg. 1994, I-2435 bzw. Slg. 1994, I-2479 (Kommission ./. Vereinigtes Königreich). 18 Reichold, NZA 2003, 289, 294 f. 19 EuGH, Slg. 1994, I-2436 bzw. I-2480, Ls. 1. 20 Schlussanträge Rs. C-382 und 383/92, Slg. 1994, I-2438, 2444, Tz. 9. 21 Schlussanträge Rs. C-382 und 383/92, Slg. 1994, I-2438, 2444, Tz. 9. 22 Schlussanträge Rs. C-382 und 383/92, Slg. 1994, I-2449, Tz. 14. 15

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§ 5 Bereichsausnahme des § 117 BetrVG

frage, ob die in § 117 Abs. 2 BetrVG vorgesehene Vereinbarungslösung den Anforderungen der Richtlinie gerecht wird. Gemäß Art. 5 der Richtlinie 2002/14/ EG können es die Mitgliedstaaten den Sozialpartnern überlassen, im Wege einer ausgehandelten Vereinbarung die Modalitäten für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer festzulegen. Dies spricht zunächst für die Richtlinienkonformität des § 117 Abs. 2 BetrVG23. Allerdings folgt daraus lediglich, dass der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit eröffnen kann, zweckmäßige Vertretungsstrukturen und -verfahren einzurichten. Es bleibt jedoch beim soeben dargestellten Grundsatz, dass die von der Richtlinie eingeräumten Mitwirkungsrechte von den Arbeitnehmern auch tatsächlich wahrgenommen werden können müssen24. Folglich darf die Mitbestimmung nicht alleine davon abhängig gemacht werden, dass es den Gewerkschaften auch tatsächlich gelingt, einen Tarifvertrag über die Errichtung einer Personalvertretung gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen25. Hierfür spricht auch Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie, der hinsichtlich der Umsetzung durch die Tarifpartner ausführt: Die Mitgliedstaaten [. . .] stellen sicher, dass die Sozialpartner bis zu diesem Zeitpunkt mittels Vereinbarungen die erforderlichen Bestimmungen einführen; dabei haben die Mitgliedstaaten alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisse erreicht werden.

Dies bedeutet, dass die Umsetzung der Richtlinie durch die Sozialpartner zwar grundsätzlich richtlinienkonform sein kann, allerdings nur, wenn gleichzeitig sichergestellt ist, dass entsprechende Tarifverträge für alle Arbeitnehmer abgeschlossen werden, die von der Richtlinie erfasst werden, also auch für alle Arbeitnehmer in Flugunternehmen26. Angesichts dieses Ergebnisses ist es erstaunlich, dass es um diese Regelung verhältnismäßig lange ruhig geblieben ist. Ein Grund hierfür dürfte darin liegen, dass „etablierte“ Fluggesellschaften in aller Regel Tarifverträge nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG abgeschlossen haben, auf deren Grundlage eine Personalvertretung errichtet wurde27. Insbesondere für low-

23 So aber Bauckhage-Hoffer/Umnuß, EWR 2010, 269, 272, die insofern zunächst stimmig auf den breiten Ausgestaltungsspielraum der Mietgliedsstaaten verweisen, dann aber verkennen, dass es in Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie gerade nicht heißt, dass die Mitgliedsstaaten nur sicherstellen müssen, dass die Sozialpartner entsprechende Vereinbarungen schließen können (vgl. Weber/Gräf, ZESAR 2011, 355, 357). Die Rede ist vielmehr davon, dass die Mitgliedsstaaten dies sicherzustellen haben. 24 Weber/Gräf, ZESAR 2011, 355, 356 sprechen in diesem Zusammenhang davon, dass lediglich Abweichungen hinsichtlich des „Wie“, aber nicht hinsichtlich des „Ob“ zulässig sind. 25 Bayreuther, NZA 2010, 262, 263; Bonin, AuR 2004, 321, 323; Reichold, NZA 2003, 289, 292; Weber/Gräf, ZESAR 2011, 355, ff. 26 Vgl. LAG Hessen AuR 2007, 226 ff., folgerichtig für den Fall, dass ein Tarifvertrag über die Errichtung einer Personalvertretung abgeschlossen wurde. 27 Bayreuther, NZA 2010, 262, 263.

A. Europarechtskonformität des § 117 BetrVG

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cost carrier ist das hingegen nicht der Fall, wie das Beispiel der easyJet Airline Company PLC aus der jüngeren Vergangenheit zeigt28.

II. Europarechtskonforme Auslegung und Rechtsfortbildung des § 117 Abs. 2 BetrVG Nachdem nun festgestellt wurde, dass die Vereinbarungslösung des Gesetzgebers für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen nicht ohne Weiteres richtlinienkonform ist, da sie keine flächendeckende Umsetzung in Form von Tarifverträgen über Personalvertretungen gewährleisten kann, stellt sich die Frage nach der Möglichkeit einer europarechtskonformen Auslegung der Bestimmung. 1. Anspruch auf Abschluss eines Tarifvertrages nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG? Möglicherweise könnte § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG so ausgelegt werden, dass den im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften ein Anspruch auf Abschluss eines Tarifvertrages über die Errichtung einer Arbeitnehmervertretung zur Wahrnehmung des Rechts auf Unterrichtung und Anhörung zu mindestens den in der Richtlinie aufgeführten Inhalten eingeräumt wird29. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht bisher bereits einen Anspruch gegen den tariflichen Gegenspieler auch nur auf die Führung von Tarifverhandlungen abgelehnt30. Es kann jedoch offenbleiben, ob eine derartige Auslegung möglich ist, da auch sie nicht zu einem richtlinienkonformen Ergebnis führt31. Nach dem Grundsatz des effet utile müssen die Mitgliedstaaten die europäischen Vorgaben so umsetzen, dass ihre Wirksamkeit gesichert ist. Es geht also darum, dass die von der Richtlinie erfassten Arbeitnehmer in den dafür vorgesehenen Fällen auch tatsächlich ihre Unterrichtungs- und Anhörungsrechte wahrnehmen können. Dieser Anforderung kann durch ein Recht der betroffenen Arbeitnehmer genüge getan werden, Ad-hocVertreter zu bestellen. Der entscheidende Punkt ist insofern, dass die Bildung einer Vertretung allein von dem Willen der Belegschaft abhängig gemacht werden darf. Auch ein Anspruch der Gewerkschaften auf Abschluss eines Tarifvertrages nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG wird deshalb dieser Anforderung nicht gerecht, da Anspruchsinhaber nicht die Belegschaft ist32. Es sind durchaus Fälle 28

Vgl. hierzu sogleich unter § 5 A.II.2. So LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.10.2009 – 6 TaBVGa 2284/09 (erhältlich bei BeckRS 2009, 74383). 30 BAG AP Nr. 52 zu Art. 9 GG (unter III. 4 d. der Gründe). 31 Ebenso Weber/Gräf, ZESAR 2011, 355, 356. 32 Ähnlich Weber/Gräf, ZESAR 2011, 355, 356, die auf den Ermessensspielraum der Gewerkschaften abstellen. 29

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§ 5 Bereichsausnahme des § 117 BetrVG

denkbar, in denen Gewerkschaften mangels Repräsentation im betreffenden Flugbetrieb keine ausreichende Motivation zum Abschluss eines Tarifvertrages über die Errichtung eines Vertretungsorgans haben. Der Anspruch wäre zudem auch nur auf die Errichtung einer Arbeitnehmervertretung zur Wahrnehmung des Rechts auf Unterrichtung und Anhörung zu den in der Richtlinie aufgeführten Inhalten gerichtet. Die überwiegende Mehrheit der Organisations- und Mitwirkungsrechte, die üblicherweise in einem Tarifvertrag über die Errichtung einer Personalvertretung vorgesehen sind, ist europarechtlich nicht geboten33. 2. Europarechtskonforme Auslegung Unter Umständen kann § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG auf andere Weise europarechtskonform ausgelegt werden. In der Kommentarliteratur wird vereinzelt eine Auslegung dahin gehend vertreten, dass die Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes nur bei Abschluss eines Tarifvertrages nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG ausgeschlossen sei34. Auch in der Rechtsprechung findet sich diese Auffassung. Das Arbeitsgericht Cottbus35 und im Anschluss das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg36 mussten sich mit dem Versuch der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auseinandersetzen, am Schönefelder Standort der Fluggesellschaft easyJet von allen Beschäftigten einen Betriebsrat wählen zu lassen. Für das fliegende Personal bestand kein Tarifvertrag gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG. Das von easyJet angerufene Arbeitsgericht Cottbus ließ die Betriebsratswahl zu, obwohl diese auch für das fliegende Personal stattfinden sollte, das vom Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen ist. Das Arbeitsgericht führte aus, dass die Bestimmung nicht zwingend so verstanden werden müsse, dass die betroffenen Arbeitnehmer aus dem Geltungsbereich ausgenommen seien. Nach diesem Verständnis von § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG unterfiele das fliegende Personal nur bei Bestehen eines entsprechenden Tarifvertrages nicht dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes37. Entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts Cottbus ist eine derartige Auslegung nicht mehr von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck der Regelung gedeckt38, so dass auch die europarechtskonforme Auslegung zu keinem anderen 33 Vgl. Bayreuther, NZA 2010, 262, 264, allerdings bezüglich der Vorschriften des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts. 34 Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 10 f.; Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 6; vgl. zur Möglichkeit einer derartigen Auslegung bereits § 3 B.I. 35 ArbG Cottbus, Beschl. v. 24.9.2009 – 1 BVGa 7/09 (erhältlich bei BeckRS 2009, 73918). 36 LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.10.2009 – 6 TaBVGa 2284/09 (erhältlich bei BeckRS 2009, 74383). 37 Vgl. Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 6. 38 Vgl. hierzu bereits oben unter § 3 B.I., ebenso Bayreuther, NZA 2010, 262, 263; Bauckhage-Hoffer/Umnuß, EWS 2010, 269, 272; Weber/Gräf, ZESAR 2011, 355, 359 f.

A. Europarechtskonformität des § 117 BetrVG

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Ergebnis führen kann. Insofern ist es konsequent, dass das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg der Auffassung war, die Fortsetzung des Wahlverfahrens könne mit Rücksicht auf die Bereichsausnahme des § 117 Abs. 2 BetrVG nur in eine nichtige Betriebsratswahl münden. Es untersagte deswegen dem bereits gebildeten Wahlvorstand, die Betriebsratswahl fortzusetzen. Hinsichtlich einer europarechtskonformen Auslegung verwies es auf die Möglichkeit, den im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften einen Anspruch auf Abschluss eines Tarifvertrages über die Errichtung einer Personalvertretung einzuräumen. 3. Europarechtskonforme Reduktion Wie dargestellt, kann das Defizit bei der Umsetzung der Richtlinie 2002/14/ EG für das fliegende Personal nicht durch eine einfache europarechtskonforme Auslegung des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG beseitigt werden. Demnach verbleibt nur noch die Möglichkeit einer europarechtskonformen Reduktion. Der von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes geprägte Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als die bloße Auslegung im engeren Sinne39. Er fordert darüber hinaus, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung ihrer Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel übereinstimmt40. Zu dem den nationalen Gerichten zur Verfügung stehenden Instrumentarium gehört auch die Rechtsfortbildung41. Zwar hat der Europäische Gerichtshof darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen dürfe42. Der Begriff des Contra-legemJudizierens ist in diesem Zusammenhang jedoch funktionell zu verstehen und umfasst den Bereich, in dem eine richterliche Rechtsfindung nach nationalen Methoden unzulässig ist43. Hieraus folgt, dass das nationale Recht auch durch eine teleologische Reduktion richtlinienkonform fortgebildet werden kann bzw. muss. Im vorliegenden Fall käme in Betracht, § 117 Abs. 2 BetrVG unter Beachtung der Mitwirkungsrichtlinie dahin gehend zu reduzieren, dass die Wahl eines Betriebsrates durch bzw. für das fliegende Personal auf der Grundlage des Be-

39

EuGH NJW 2006, 2465, 2467 f. BGH NJW 2009, 427, 428. 41 EuGH EWS 2004, 521 ff.; so auch ausdrücklich Bauckhage-Hoffer/Umnuß, EWS 2010, 269, 271. 42 EuGH NJW 2006, 2465, 2467. 43 Vgl. hierzu BGH NJW 2009, 427, 428 f. und BAG NZA 2009, 538, 544. 40

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§ 5 Bereichsausnahme des § 117 BetrVG

triebsverfassungsgesetzes zulässig sein muss, solange eine tarifvertragliche Regelung im Sinne dieser Vorschrift nicht besteht. Zwar handelt es sich dabei nicht um eine teleologische Reduktion im „klassischen“ Sinne, die dazu dient, den Anwendungsbereich einer Norm einzuschränken, wenn deren Wortlaut, gemessen an ihrem eigenen Zweck, zu weit geraten ist – eine Konstellation, die auf eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung augenscheinlich nicht zutrifft. Die teleologische Reduktion hat jedoch zusätzlich die Funktion, anderen Zwecken, die ihre Grundlage außerhalb der betreffenden Norm haben, zum Durchbruch zu verhelfen44. Dieser Gedanke lässt sich für den vorliegenden Fall fruchtbar machen. Zunächst muss jedoch die Grenze einer richterlichen Rechtsfortbildung bestimmt werden. Sie wird durch ein funktionelles Verständnis des Contra-legem-Judizierens abgesteckt, welches eine Überschreitung des möglichen Wortsinns durchaus ermöglicht, jedoch keinesfalls gegen den Wortlaut und den Zweck des Gesetzes verstoßen darf45. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus der Abgrenzung der Funktionen von Gesetzgebung auf der einen und Rechtsprechung auf der anderen Seite. Unzulässig ist eine richterliche Rechtsfindung also insbesondere dann, wenn sie eine eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen ändern will46. In diesem Sinne sind auch die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes zu verstehen, die eine richtlinienkonforme Rechtsfindung von den Gerichten nur im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und nach Maßgabe des „Beurteilungsspielraums“ fordern, den ihnen das nationale Recht lässt47. Eine europarechtskonforme Reduktion setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus. Bezugspunkt für die Feststellung eines Regelungsdefizits ist nach richtigem Verständnis die Gesamtrechtsordnung, die neben dem national erlassenen Recht auch die normativen Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts auf die nationale Rechtsordnung umfasst48. Dass eine Regelungslücke für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen hinsichtlich der Vorgaben der Richtlinie besteht, wurde bereits dargestellt, sodass die Feststellung der Planwidrigkeit in das Zentrum des Interesses rückt49. Die Rechtsprechung hat sich mit dieser Problematik insbesondere in zwei Urteilen befasst. Der Bundesgerichtshof hat in der sogenannten Quelle-Entscheidung die europarechtskonforme Reduktion der §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 1 Halbs. 2 BGB damit 44

Canaris, in: FS Bydlinski, S. 90. Bauckhage-Hoffer/Umnuß, EWS 2010, 269, 271. 46 Bayreuther, NZA 2010, 262, 264; Weber/Gräf, ZESAR 2011, 355, 360 f. 47 EuGH vom 10.4.1984 – Rs 14/83 – Slg 1984, I-1891, 1909 (von Colson und Kamann); vom 10.4.1984 – Rs 79/83 – Slg 1984, I-1921, 1942 (Harz). 48 Vgl. zum „weiten“ Lückenbegriff Canaris, in: FS Bydlinski, S. 82 ff.; Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 412 ff.; Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 3 Rn. 40 ff.; Herresthal, Rechtsfortbildung, S. 224 f.; vgl. zum „engen“ Lückenbegriff Larenz, Methodenlehre, S. 368, 375 ff., 426 f. 49 So auch Bauckhage-Hoffer/Umnuß, EWS 2010, 269, 271. 45

A. Europarechtskonformität des § 117 BetrVG

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begründet, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu § 439 BGB seine Absicht bekundet hat, unter anderem mit dieser Regelung das Kaufrecht an die Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie anpassen zu wollen. Wenn aber der in § 439 BGB enthaltene Verweis die richtlinienwidrige Verpflichtung des Käufers statuiere, für die Nutzung der mangelhaften Sache Wertersatz zu leisten, sei die Regelung planwidrig unvollständig bzw. planwidrig überschießend und insofern durch eine teleologische Reduktion zu korrigieren50. Das Bundesarbeitsgericht geht in Bezug auf die Vorschriften des deutschen Urlaubsrechts sogar noch deutlich weiter51. Der Europäische Gerichtshof hatte in seiner Entscheidung Schultz-Hoff festgestellt, dass Art. 7 Abs. 1 der sogenannten Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) im Fall einer Langzeiterkrankung einem Erlöschen des Urlaubsanspruchs zum Jahresende bzw. zum Ablauf des Übertragungszeitraums entgegenstehe und der betroffene Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abgeltung für den Urlaub verlangen könne, selbst wenn die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses angedauert habe52. Diese Entscheidung stand im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Urlaubsabgeltung bei Langzeiterkrankungen. In Ansehung der neuen Rechtsprechung bediente sich das Bundesarbeitsgericht einer richtlinienkonformen Auslegung und teleologischen Reduktion der Vorschriften des deutschen Urlaubsrechts. Das Gericht verwies hierzu auf die Einfügung des § 7 Abs. 1 S. 2 BUrlG, der in keinerlei Zusammenhang mit § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG stand, welcher in europarechtswidriger Weise die Möglichkeit der Übertragung eines Urlaubsanspruchs auf das Folgejahr zeitlich begrenzt. Die Einfügung dieser Regelung habe jedoch den generellen gesundheitspolitischen Ansatz des Gesetzgebers unterstrichen, der sich mit einem der Ziele des europäischen Richtliniengebers decke, sodass sich aus der Gesetzesgeschichte keine Anhaltspunkte für eine den Richtlinienzielen widersprechende Zielsetzung des Gesetzgebers entnehmen ließen53. Aus diesem Grund handele es sich nicht um eine unzulässige Gesetzesauslegung contra legem. Die Planwidrigkeit der Regelungslücke kann sich demnach aus einem Umsetzungswillen in Bezug auf die Vorgaben einer Richtlinie ergeben. Dieser Wille kann sich insbesondere dadurch manifestieren, dass der Gesetzgeber die Vorgaben einer Richtlinie ausweislich der Gesetzesbegründung zwar umsetzen wollte, dies aber nur in einer unvollständigen Art und Weise getan hat. Das Betriebsverfassungsreformgesetz 2001 hatte jedoch nicht die Umsetzung der Vorgaben aus der genannten Richtlinie zum Gegenstand. Der Gesetzgeber ging vielmehr davon 50

BGH NJW 2009, 427, 429. Vgl. hierzu Bayreuther, NZA 2010, 262, 264, der sich kritisch zum Begründungsansatz des Bundesarbeitsgerichts äußert. 52 EuGH NJW 2009, 495 ff. 53 BAG NZA 2009, 538, 544 f. 51

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aus, dass die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes über den Regelungsgehalt der Richtlinie 2002/14/EG hinausgehen und verzichtete dementsprechend auf eine gesonderte Umsetzung der Richtline54. Dieser Umstand wird insbesondere dadurch belegt, dass die Richtlinie 2002/14/EG in den Materialien zur letzten großen BetrVG-Reform aus den Jahren 2001/2002 nicht erwähnt wird55. Allerdings ist eine richtlinienkonforme Auslegung nicht nur bei Umsetzungsnormen möglich56. Dennoch reicht ein generell formulierter Umsetzungswille für die Annahme eines „Vorbehalts der Richtlinienkonformität“ nicht aus57. Insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber die drohende Richtlinienwidrigkeit einer Umsetzungsnorm nicht erkannt hat, bleibt nämlich offen, ob er für diesen Fall den Gehorsam verweigert oder eine richtlinienkonforme Regelung erlassen hätte58. Stellt man hingegen auf einen völlig abstrahierten Umsetzungswillen ab, so liesse sich mehr oder weniger das gesamte nationale Recht europarechtskonform umdeuten, da sich im Umfeld fast aller Normen Bestimmungen finden, die durch europäische Vorgaben beeinflusst sind worden sind, so dass sich wohl fast immer behaupten lässt, dass der Gesetzgeber den Regelungskomplex an sich nach den Maßgaben des Eurparechts habe ausgestalten wollen59. Insofern stellt sich die Einbeziehung des fliegenden Personals in den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes als eine Auslegung contra legem dar. Darüber hinaus würde eine europarechtskonforme Reduktion des § 117 BetrVG und eine grundsätzliche Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes zu einer völlig überschießenden Umsetzung der Richtlinie führen, da die überwiegende Mehrheit der Organisations- und Mitbestimmungsrechte aus europarechtlicher Sicht nicht geboten ist60. Eine teleologische Reduktion würde der Bereichsausnahme ihren kompletten Anwendungsbereich nehmen und insofern auf den Systemzusammenhang in diesen Bereich einwirken und ihn umfassend abändern. Daraus folgt notwendigerweise, dass sich die richtlinienwidrigen Defizite des § 117 BetrVG nicht im Wege einer richtlinienkonformen Reduktion durch die Rechtsprechung beseitigen lassen, sondern nur durch ein Eingreifen des Gesetzgebers behoben werden können.

54

Bauckhage-Hoffer/Umnuß, EWS 2010, 269, 273; Blanke/Rose, RdA 2008, 65, 75. Wendeling-Schröder/Welkoborsky, NZA 2002, 1370, 1372 machen deutlich, dass dies keine zeitliche Komponente hat, da der Richtlinientext schon deutlich vor der BetrVG-Novelle bekannt war. 56 Vgl. Bauckhage-Hoffer/Umnuß, EWS 2010, 269, 272; Kroll-Ludwigs/Ludwigs, ZJS 2009, 7, 9; Riesenhuber/Domröse, RIW 2005, 47, 50. 57 Kroll-Ludwigs/Ludwigs, ZJS, 2009, 7, 127. 58 Kroll-Ludwigs/Ludwigs, ZJS, 2009, 7, 127. 59 Bayreuther, NZA 2010, 262, 264. 60 Bayreuther, NZA 2010, 262, 264; vgl. Bauckhage-Hoffer/Umnuß, EWS 2010, 269, 271 zur grundsätzlichen Unzulässigkeit einer richtlinienüberschießenden Auslegung. 55

B. Verfassungsmäßigkeit des § 117 BetrVG

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III. Ergebnis Die Bereichsausnahme für das fliegende Personal gemäß § 117 BetrVG verstößt gegen die Richtlinie 2002/14 EG. Die Europarechtswidrigkeit lässt sich weder im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung noch durch eine richtlinienkonforme Reduktion beseitigen. Aufgrund der fehlenden Anpassbarkeit der Regelung ist diese vorerst weiterhin anwendbar und der Gesetzgeber ist aufgefordert, eine Änderung vorzunehmen.

B. Verfassungsmäßigkeit des § 117 BetrVG I. Verstoß gegen das allgemeine Gleichheitsgebot Seit der Kodifizierung des § 117 Abs. 2 BetrVG wird die Verfassungskonformität der Norm im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz bezweifelt61. Die Diskussion muss sicherlich vor dem Hintergrund gesehen werden, dass von einigen Stimmen in der Literatur die Herausnahme des Bordpersonals aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes als kontinuierliches Ärgernis, ja als rechtspolitischer Skandal empfunden wird62. Im Ergebnis folgt die Literatur63 weitgehend der höchstrichterlichen Rechtsprechung, welche die Regelung für verfassungsgemäß erklärt hat64. In seiner einschlägigen Entscheidung stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass „der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehalten [war], den Tarifvertragsparteien Auflagen hinsichtlich der näheren Ausgestaltung der Regelung zu machen und etwa einen Mindeststandard von Beteiligungsrechten für die Betriebsverfassung des fliegenden Personals vorzuschreiben“ 65. Dieser Hinweis geht allerdings am Kern des Problems vorbei. Infrage steht nicht, wie das vom Bundesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang zitierte Urteil des Bundesverfassungsgerichts66 glauben lässt, ob der Gesetzgeber aufgrund des Sozialstaatsprinzips oder gewisser Grundrechte der 61

Schmitt, Handbuch BV, S. 133. Vgl. Fischer, TranspR 2003, 103; ebenfalls skeptisch Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 4 ff.; Klein, Minderheitsgewerkschaften, S. 473 ff.; Mußgnug, in: FS Duden, S. 335, 338; Roßmann, TranspR 2003, 57 ff.; Schmid/Sarbinowski, NZA-RR 2003, 113, 121. 63 Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 5; Hess, in: H/S/W/G, BetrVG, § 117 Rn. 8 f.; Kania, in: ErfK, § 117 BetrVG Rn. 1; Koch, in: Schaub, ArbR-Hdb, § 211 Rn. 24; Schmid/Roßmann, Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder, Rn. 509 ff.; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 117 Rn. 2; Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 9; a. A.: Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 4 ff.; Grabherr, NZA 1988, 532 ff.; Mußgnug, in: FS für Duden, S. 342 ff.; Roßmann, TranspR 2003, 57, 58 f. 64 BAG AP Nr. 4 zu § 117 BetrVG 1972. 65 BAG AP Nr. 4 zu § 117 BetrVG 1972. 66 BVerfGE 52, 283, 298. 62

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Arbeitnehmer ein Minimum an Betriebsverfassung einführen muss, sondern vielmehr, ob der Gesetzgeber nach Kodifizierung des Betriebsverfassungsgesetzes als ein für Arbeitnehmer günstiges Regelwerk bestimmte Arbeitnehmergruppen vom Geltungsbereich ausschließen durfte67. Sollte eine derartige gesetzliche Gestaltung grundsätzlich zulässig sein, muss im Anschluss geklärt werden, ob hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung der tarifvertraglichen Betriebsverfassung Vorgaben durch den Gleichheitssatz zu beachten sind. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist unter zwei im Folgenden näher behandelten Aspekten problematisch: Zum einen berücksichtigt das Bundesarbeitsgericht die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nicht, und zum anderen übersieht das Gericht, dass der Gesetzgeber auch innerhalb der Gruppe nicht ortsgebundener Arbeitnehmer differenziert. 1. Verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG setzt zunächst die Feststellung voraus, dass Gleiches ungleich oder Ungleiches gleich behandelt wird. Zur Feststellung einer Ungleichbehandlung muss zunächst ein Bezugspunkt, das sogenannte tertium comparationis68, festgelegt werden. Der Gesetzgeber behandelt das fliegende Personal anders und vor allem schlechter als alle anderen Arbeitnehmer der privaten Wirtschaft. Er zwingt das Bordpersonal, sich seinen Anteil an der betrieblichen Mitbestimmung durch Verhandlungen seiner Verbände mit dem Arbeitgeber bzw. dem zuständigen Arbeitgeberverband zu erstreiten69. Alle übrigen Arbeitnehmer, einschließlich des Bodenpersonals der Luftfahrt, brauchen über ihre Mitbestimmungsrechte hingegen nicht zu verhandeln, da der Gesetzgeber sie ihnen kraft Gesetzes garantiert hat. Die Bordbetriebsverfassung ist hingegen Bestandteil der Verhandlungsmasse zwischen den Tarifvertragsparteien. Auch innerhalb der Belegschaft der Luftfahrtunternehmen differenziert der Gesetzgeber. Das in den Bodenbetrieben beschäftigte Personal genießt die gesetzliche Mitbestimmung vorbehaltlos. Nun begründet der Gesetzgeber die Herausnahme des „fliegenden Personals“ aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes mit „der besonderen, nicht ortsgebundenen Art der Tätigkeit“ 70. In der Tat ist es zunächst nicht von der Hand zu weisen, dass die Mobilität des fliegenden Personals die Bildung von gesetzlichen Betriebsräten erschwert71 und dass sich das fliegende und das Bodenpersonal bei der Aus67

Grabherr, NZA 1988, 532, 533. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 463. 69 Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 5. 70 BegrRegE, BT-Drucks. VI/1786, S. 58. 71 Vgl. Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 2; Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 9; Hess, in: H/S/W/G, BetrVG, § 117 Rn. 9; Kania, in: ErfK, BetrVG, § 117 Rn. 1; Thüsing, in: 68

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übung seiner Mitbestimmungsrechte gegenseitig behindern würde72. Zudem hat § 117 Abs. 2 BetrVG eine Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe des fliegenden Personals herbeigeführt. Diese Gruppe wird nämlich nicht in Gänze aus dem Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausgeschlossen. Bei Unternehmen, die Flugzeuge nur für ihren eigenen Bedarf unterhalten, ohne sie regelmäßig gegen Entgelt im Linien- oder Charterverkehr einzusetzen, gilt die gesetzliche Betriebsverfassung vielmehr auch für die zur Bedienung der Flugzeuge angestellten Piloten73, da solche Unternehmen nicht als Luftfahrtunternehmen im Sinne des § 117 Abs. 2 S. 1 gelten74. Schließlich und nicht zuletzt benachteiligt § 117 Abs. 2 BetrVG das fliegende Personal der Luftfahrtunternehmen jedoch auch gegenüber den übrigen Arbeitnehmern ohne Bindung an einen festen Arbeitsplatz. Während für das seefahrende Personal in den §§ 114 bis 116 BetrVG ausführliche Sonderregelungen statuiert werden, stellt es der Gesetzgeber bei § 117 Abs. 2 BetrVG dem freien Ermessen der Tarifvertragsparteien anheim, Sonderregelungen für das Bordpersonal der gewerblichen Luftfahrt zu vereinbaren. Die sonstigen mobil tätigen Arbeitnehmer wie Monteure, Handlungsreisende, Mitarbeiter in Werbekolonnen, Fernfahrer und Binnenschiffer unterfallen gar ohne Einschränkung dem Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes. In aller Regel dauern ihre Reisen sogar erheblich länger als die des fliegenden Personals, die sehr viel regelmäßiger auf ihren Heimatflughäfen Station machen als Binnenschiffer und Fernfahrer75. Wo Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG vorliegen, wird die gesetzliche Ungleichbehandlung zwischen dem fliegenden Personal der Luftfahrtunternehmen und der gesamten übrigen Arbeitnehmerschaft in ihren konkreten Folgen gemildert76. Dennoch führen auch derartige Tarifverträge nur dann zu einer vollwertigen Gleichbehandlung des fliegenden Personals und der übrigen Arbeitnehmer, wenn die Isolation des Bordpersonals gegenüber der betrieblichen Mitbestimmung des Bodenpersonals überwunden wird bzw. Integration der Personalvertretung(en) des fliegenden Personals in die Mitbestimmungsorgane der Bodenbetriebe gewährleistet wird und die tarifvertraglich gewährte Mitbestimmung dem Bestand der gesetzlich garantierten Rechte entspricht. Dies bedeutet in concreto, dass die Mitarbeit der Personalvertreter in Organen gewährleistet sein muss, die wie der WirtschaftsausRichardi, BetrVG, § 117 Rn. 1 f.; Schmid/Sarbinowski, NZA-RR 03, 113, 120 f.; Schmitt, Handbuch BV, S. 135. 72 Mußgnug, in: FS Duden, S. 341; Schmid/Roßmann, Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder, Rn. 509 ff.; Spinner, Vereinbarte Betriebsverfassung, S. 149 f.; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 64 f. 73 Vgl. hierzu bereits § 3 B.II. 74 § 3 B.II. 75 Mußgnug, in: FS Duden, S. 339. 76 Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 7.

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schuss oder der Gesamtbetriebsrat für überbetriebliche Fragestellungen zuständig sind. Fast alle Tarifverträge nach § 117 Abs. 2 BetrVG weisen in dieser Hinsicht empfindliche Lücken auf. Darüber hinaus ist festzustellen, dass eine nur tarifvertraglich gewährte Mitbestimmung hinter den Mitbestimmungsrechten der Betriebsräte auf der Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes erheblich zurücksteht77. Tarifverträge können seitens des Arbeitgebers nach Ablauf der vereinbarten Frist aufgekündigt werden. Welche Risiken das für die Arbeitnehmerseite in der Situation eines eventuellen Arbeitskampfes heraufbeschwört, braucht nicht näher dargelegt zu werden. Nach alldem ist eine Ungleichbehandlung gegenüber allen relevanten Vergleichsgruppen festzustellen. 2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung Differenzierungen zwischen ähnlich gelagerten Sachverhalten, wie sie § 117 BetrVG herbeiführt, sind freilich nicht per se verfassungswidrig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist Art. 3 Abs. 1 GG dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen den beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten78. Dieser Rechtfertigungsmaßstab stellt jedoch keine starre Vorgabe dar. Vielmehr ist das jeweilige Gewicht der Ungleichbehandlung einerseits und der notwendigen Rechtfertigungsgründe andererseits miteinander in Beziehung zu setzen. Im Ergebnis nähert das Bundesverfassungsgericht die Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung somit an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an: Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. [. . .] [D]er Gesetzgeber [unterliegt] bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung. Diese Bindung ist umso enger, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähern und je größer deshalb die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt. [. . .] Kommt als Maßstab nur das Willkürverbot in Betracht, so kann ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nur festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist. Dagegen prüft das Bundesverfassungsgericht bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, im Einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können79. 77 78 79

Vgl. hierzu die Beispiele aus der Praxis unter § 2 C. BVerfGE 55, 72, 88; 82, 60, 86; 95, 39, 45. BVerfGE 88, 87, 96 f.

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Das Bundesverfassungsgericht legt bei der Prüfung eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz also unterschiedliche Maßstäbe zugrunde, die vom Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen können. Bei unmittelbaren und mittelbaren Ungleichbehandlungen von Personengruppen, bei verhaltensbezogenen Differenzierungen, die auf Normen beruhen, deren tatbestandliche Verwirklichung nur schwer beeinflusst werden kann, und bei Differenzierungen, die sich nachteilig auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten oder anderer Verfassungsvorschriften auswirken können, kommt die Anwendung des strengen Maßstabs in Betracht, der die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung von Gründen von solcher Art und solchem Gewicht abhängig macht, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Bei sachverhaltsbezogenen Ungleichbehandlungen hingegen ist das Willkürverbot der Kontrollmaßstab. Dies gilt ebenso bei verhaltensbezogenen Ungleichbehandlungen, soweit es den einzelnen Betroffenen ohne Schwierigkeiten möglich ist, durch ihr Verhalten den Eintritt der für sie negativen Folge der differenzierenden Regelung zu beeinflussen. Die Festlegung des Kontrollmaßstabs kann dabei nicht mit arithmetischer Genauigkeit erfolgen; vielmehr handelt es sich dabei um einen wertenden Vorgang80. a) Festlegung des Prüfungsmaßstabs Der Bereichsausnahme des § 117 Abs. 2 BetrVG liegt eine Differenzierung zwischen den im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmern der Flugunternehmen und den übrigen Arbeitnehmern, die dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes unterfallen, zugrunde. Wie bereits festgestellt, unterscheidet der Gesetzgeber im BetrVG darüber hinaus auch innerhalb der Gruppe der nicht ortsgebundenen Arbeitnehmer, für die die gesetzlichen Regelungen der Betriebsverfassung uneingeschränkt oder zumindest modifiziert gelten. Der Gesetzgeber differenziert also zwischen verschiedenen Personengruppen81. Diese Ungleichbehandlung unterliegt nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts einer strengen Prüfung unterliegt, weil sie an Merkmale anknüpft, die von den Betroffenen nicht beeinflusst werden können. Anders formuliert, die Benachteiligten können den begünstigten Sachverhalt in ihrer Person nicht oder nur schwer erfüllen82 bzw. sind nicht in der Lage, „durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird“ 83. Die gesetzliche Betriebsverfassung wird als Ausprägung der Grund-

80

Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 15. So auch ausdrücklich Klein, Minderheitsgewerkschaften, S. 474. 82 BVerfGE 55, 72, 89; 60, 329, 346; 88, 5, 12. 83 BVerfGE 88, 87, 96; vgl. auch BVerfGE 97, 169, 181; 99, 367, 388; 111, 160, 169 f. 81

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rechte des Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG und des Sozialstaatsprinzips verstanden84. Insofern tangiert die Bereichsausnahme diese grundgesetzliche Bestimmung und verschärft den Prüfungsmaßstab, insbesondere da durch die Überlassung der Regelungsbefugnis an die Tarifparteien eine flächendeckende Errichtung von Personalvertretungen offensichtlich nicht gewährleistet werden kann85. Im Übrigen ist der strenge Prüfungsmaßstab sowohl vor dem Hintergrund der überragenden Bedeutung, welche die deutsche Arbeitsrechtsordnung der Interessenvertretung der Arbeitnehmer einräumt, als auch wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit gerade der nicht ortsgebundenen Arbeitnehmer gerechtfertigt86. Es stellt sich jedoch die Frage, inwiefern der Verweis auf die Komplexität der Materie und die fehlenden Erfahrungswerte des Gesetzgebers sich auf den Prüfungsmaßstab auszuwirken vermag. Das Bundesverfassungsgericht sieht nämlich von einer strengen Prüfung ab, wenn es um die Regelung komplexer Sachverhalte geht, insbesondere wenn noch Erfahrungen gesammelt werden müssen87. Es wurde ja bereits dargestellt, dass die Bereichsausnahme für das fliegende Personal bereits älter als das Betriebsverfassungsgesetz selbst ist und sich der Gesetzgeber seinerzeit außerstande sah, die Notwendigkeit und inhaltliche Zweckmäßigkeit von betrieblichen Mitwirkungsregelungen für das Bordpersonal zu beurteilen88. Anders als zur Zeit der erstmaligen Kodifizierung einer bundeseinheitlichen Betriebsverfassung war man sich bei der Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 inzwischen nicht nur der Besonderheiten des neuen Verkehrszweiges im bewusst, sondern man war auch der Überzeugung, dass sich das tarifvertraglich gefundene System wegen der besseren Sachnähe zur komplexen Materie gut bewährt habe. Insofern kann der Gesetzgeber inzwischen nicht mehr für sich geltend machen, es lägen noch keine Erfahrungswerte vor. Damit kann sich aus diesem Gesichtspunkt auch keine Verschiebung des Prüfungsmaßstabes ergeben. Insgesamt sprechen die Umstände also aufgrund der Differenzierung zwischen Personengruppen und der Bedeutung der Betriebsverfassung für die Wahrnehmung von Grundrechten sowie die Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips für eine strenge Prüfung89. Dies verkennt das Bundesarbeitsgericht, indem es ledig-

84

BVerfGE 28, 314, 323; 51, 43, 58. Vgl. hierzu bereits § 5 A.I. 86 Die besondere Schutzbedürftigkeit kommt zum Beispiel in § 48 Abs. 1 a ArbGG zum Ausdruck, der einen besonderen Gerichtsstand für Arbeitnehmer normiert, die ihre Arbeitsleistung nicht am Sitz oder einer Niederlassung des Arbeitgebers erbringen. 87 BVerfGE 70, 1, 34; 75, 108, 162; 78, 249, 288. 88 Vgl. hierzu § 3 A. 89 BVerfGE 91, 346, 364; 99, 367, 390. 85

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lich eine Willkürprüfung durchführt und einen einleuchtenden Grund genügen lässt90. b) Rechtfertigungsgründe Das Arbeitsverhältnis des Bordpersonals im Luftverkehr ist von spezifischen Umständen geprägt, unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist; sie betreffen vor allem Art, Ort und Zeit der Tätigkeiten. Die Rechtfertigungsgründe sind daher innerhalb dieser Besonderheiten des Flugbetriebs zu suchen. (1) Nicht ortsgebundene Art der Tätigkeit Der Regierungsentwurf des Betriebsverfassungsgesetzes nennt als einzigen Grund für die Sonderbehandlung des fliegenden Personals die „nicht ortsgebundene Art seiner Tätigkeit“ 91. Dies allein vermag die Sonderregelung für das Bordpersonal allerdings kaum zu rechtfertigen, da es auch außerhalb der Luftfahrt eine große Zahl an Arbeitnehmern ohne Bindung an einen festen Ort als Arbeitsplatz gibt. Zu denken wäre an Binnenschiffer, Fernfahrer, Monteure, Handlungsreisende und andere vorzugsweise im Außendienst tätige Berufszweige. Zum Teil bleiben sie der Zentrale des Arbeitgebers sogar erheblich länger fern als das fliegende Personal der Luftfahrt. Für diese Berufszweige sieht das Betriebsverfassungsgesetz allenfalls die Möglichkeit vor, durch Organisationstarifverträge nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG den Eigenarten der Betriebsstruktur besser Rechnung zu tragen. Im Grundsatz bleibt es jedoch bei der uneingeschränkten Anwendbarkeit der gesetzlichen Regelungen. Neben der Mobilität der Tätigkeit bedarf es also zusätzlicher Gründe, um die Sonderstellung des fliegenden Personals zu rechtfertigen. (2) Zwang zur fortwährenden Ausübung der fliegerischen Tätigkeit Solche zusätzlichen Gründe lassen sich zumindest für das Cockpitpersonal in der Tat in den zahlreichen staatlichen Vorschriften finden, die den Flugbetrieb und die Ausübung einer Tätigkeit in einem Flugzeug reglementieren, namentlich in den Bestimmungen über die Lizenzierung von Piloten (JAR-FCL 1) und den für die gewerbsmäßige Beförderung in Flugzeugen geltenden gemeinsamen technischen Vorschriften Verwaltungsverfahren (JAR-OPS 1)92. Nach diesen Regel90

Ebenso Grabherr, NZA 1988, 532, 533; Klein, Minderheitsgewerkschaften, S. 474. BegrRegE, BT-Drucks. VI/1786, S. 58. 92 Die Joint Aviation Requirements (JAR) wurden von den Joint Aviation Authorities (JAA), einem Zusammenschluss der Luftfahrtbehörden europäischer Länder, als umfangreiches Werk zur Regelung der Luftfahrt entworfen. Die Joint Aviation Requirements Flight Crew Licensing 1 (JAR-FCL 1) wurden durch eine Verweisung in § 20 LuftVZO in das deutsche Recht übernommen. Die Joint Aviation Requirements Com91

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werken sind die Erlaubnisse als Luftfahrer für eine Cockpittätigkeit in regelmäßiger, kurzfristiger Wiederkehr zu erneuern. So darf ein Pilot als verantwortlicher Pilot oder Kopilot auf Flugzeugen bei der Beförderung von Fluggästen nur tätig werden, wenn er innerhalb der vorangegangenen 90 Tage eine bestimmte Anzahl von Starts und Landungen auf einem Flugzeug desselben Musters durchgeführt hat93. Darüber hinaus muss der Pilot für die Verlängerung der Berechtigung, ein bestimmtes Flugzeugmuster führen oder bedienen zu dürfen (sog. Musterberechtigung), in den letzten drei Monaten vor Gültigkeitsablauf der Berechtigung eine Befähigungsprüfung auf dem entsprechenden Flugzeugmuster und mindestens zehn Streckenabschnitte als Pilot eines Flugzeugs des entsprechenden Musters bzw. der entsprechenden Klasse durchgeführt haben94. Ähnliches gilt für die Verlängerung der Instrumentalflugberechtigung 95, die für Verkehrsflugzeugführer in Luftfahrtunternehmen unbedingte Voraussetzung für die Berufsausübung ist96. Ein Luftfahrtunternehmen darf nach § 42 Abs. 3 LuftBO einen Luftfahrzeugführer nur einsetzen, wenn dieser vor Beginn seiner Tätigkeit und danach jeweils innerhalb von 12 Monaten zweimal auf ausreichende fliegerische Fähigkeiten überprüft worden ist. Darüber hinaus darf er nur dann als verantwortlicher Luftfahrzeugführer bestimmt werden, wenn er genügend Kenntnisse über die Flugstrecke und die zu benutzenden Flugpläne besitzt97. Schließlich darf der Unternehmer einen Flugzeugführer im Linien- oder linienähnlichen Verkehr nur dann erstmals als verantwortlichen Führer eines Flugzeugs einsetzen, das in der Lufttüchtigkeitsgruppe Verkehrsflugzeuge zugelassen ist, wenn der Flugzeugführer innerhalb der letzten 24 Monate eine Flugzeit von mindestens 300 Stunden als zweiter Flugzeugführer im Linien- oder linienähnlichen Verkehr aufweisen kann und davon 50 Stunden die Aufgaben des verantwortlichen Flugzeugführers unter dessen Aufsicht wahrgenommen hat98. Schließlich hat das Flugunternehmen eine fortlaufende Flugerfahrung der Piloten sicherzustellen, die an einer gewissen Zahl von Starts und Landungen in einem Zeitraum von 90 Tagen gemessen wird99. Kommt es zu längeren Tätigkeitsunterbrechungen, müssen sich Piloten erneuten Prüfungen unterziehen, die mit Ausfallzeiten und hohen Kosten verbunden sind, weil Schulungs- und Prüfungsflüge fällig werden100. Deshalb ist das mercial Air Transportation 1 (JAR-OPS 1) wurden als Anhang III in die Verordnung (EG) Nr. 1899/2006 vom 12.12.2006 aufgenommen, die zum 16.7.2008 in Kraft getreten ist. 93 JAR-FCL 1.026. 94 JAR-FCL 1.245. 95 Die Instrumentenflugberechtigung berechtigt zum Führen von Luftfahrzeugen nach Instrumentenflugregeln. 96 JAR-FCL 1.246. 97 § 42 Abs. 1 LuftBO. 98 § 42 Abs. 4 LuftBO. 99 JAR-OPS 1.970. 100 Mußgnug, in: FS Duden, S. 340.

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Cockpitpersonal dazu gezwungen, die fliegerische Tätigkeit nahezu ständig auszuüben101. (3) Arbeitszeiten des fliegenden Personals Eine weitere Besonderheit ergibt sich aus den im Flugbetrieb üblichen Arbeitszeiten, die das Kabinenpersonal wie das Cockpitpersonal gleichermaßen betreffen. Sie werden von den Notwendigkeiten des Flugbetriebs diktiert und weichen erheblich von den für das Bodenpersonal geltenden Arbeitszeitsystemen ab. Besatzungsmitglieder sind häufig auf einem sogenannten „Umlauf“ geplant, der mit einer mehrtätigen Abwesenheit nicht nur vom dienstlichen Wohnsitz, sondern erst recht vom Sitz des Unternehmens, an dem regelmäßig auch der Betriebsrat angesiedelt ist, einhergeht. Darüber hinaus werden Besatzungsmitglieder auch kurzfristig aus einem Bereitschaftsdienst gerufen102. Außerdem setzten sich die Arbeitszeiten aus Dienst- und Ruhezeiten zusammen, wie sie in der 2. Durchführungsverordnung LuftBO eingeteilt werden. Die jeweiligen Flugdienst- und Ruhezeitblöcke erstrecken sich in aller Regel über mehrere Tage. Während eines Flugdienstblocks und des ihm folgenden Ruheblocks steht die Besatzung für Bodentätigkeiten nicht zur Verfügung, und zwar auch dann nicht, wenn die Ruhezeit am Heimatort verbracht wird. Denn die Ruhezeit dient der Erholung, und die Flugsicherheit macht es erforderlich, sie von Arbeit frei zu halten103. Aufgrund dieser betrieblichen Notwendigkeiten ist es kaum möglich, Einsatzpläne aufzustellen, die zwischen der Flugdienst- und Ruhezeit für ständig gleichbleibende Wochentage Bodendienstzeiten vorsehen, sodass eine Abstimmung mit den Sitzungsterminen des Bodenbetriebsrats nur schwer gelingen könnte. (4) Zwischenergebnis Insgesamt lassen sich also durchaus gute Gründe dafür anführen, dass das fliegende Personal auch gegenüber den sonstigen Arbeitnehmern mit nicht ortsgebundener Tätigkeit eine Sonderstellung einnimmt104. Diese Sonderstellung ist auf die hohe Regulierungsdichte des Luftverkehrsrechts zurückzuführen, die wiederum auf dem Streben nach äußerst hohen Sicherheitsstandards beruht. Nirgendwo sonst herrscht ein vergleichbarer Zwang zur ununterbrochenen Ausübung der Berufstätigkeit wie beim Cockpitpersonal der Luftfahrt. Sowohl die vorgeschriebenen Mindestflugzeiten als auch die Einteilung der Arbeitszeiten, 101

Schmid/Roßmann, Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder, Rn. 516. Schmid/Roßmann, Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder, Rn. 517. 103 Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 13. 104 So auch Mußgnug, in: FS Duden, S. 340; Schmid/Roßmann, Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder, Rn. 512 ff. 102

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die das Kabinenpersonal ebenso betrifft wie das Cockpitpersonal105, erschweren es ungemein, die Dienstzeit des fliegenden Personals den regelmäßigen Sitzungsplänen des Betriebsrates anzugleichen, und mit Rücksicht auf die Erfordernisse des Flugbetriebs können Beratungen auch kaum kurzfristig anberaumt werden. Außerdem käme eine dauerhafte Freistellung gemäß § 38 BetrVG zur Wahrung der Kontinuität der Arbeit des Betriebsorgans nicht in Betracht. Schließlich würde eine gemeinsame Vertretung mit dem Bodenpersonal auch zu einer gegenseitigen Behinderung der beiden Beschäftigungsgruppen führen, da die Vertreter des Bodenpersonals permanent auf die Terminnot der Kollegen des Flugpersonals Rücksicht nehmen müssten106. Zwar gelten auch außerhalb der Luftfahrt bei einzelnen Unternehmen Arbeitszeiten, die eine reibungslose Eingliederung in die Tätigkeit des Betriebsrats verhindern, allerdings nicht mit der gleichen Vollständigkeit für den gesamten Bereich des entsprechenden Wirtschaftszweiges107. Seitens des Bordpersonals kämen nur diejenigen Arbeitnehmer für eine Betriebsratstätigkeit in Betracht, die im Kurzstreckenverkehr fliegen, der eine gleichförmigere Zeiteinteilung erlaubt als der Mittel- und Langstreckenverkehr, sodass in einem gemeinsamen Betriebsrat die besonderen Interessen des Mittel- und Langstreckenbetriebes zu kurz kämen108. c) Verhältnismäßigkeitsprüfung Da der Gesetzgeber im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit an einen strengen Prüfungsmaßstab gebunden ist, müssen Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung zwischen dem Flugpersonal und den übrigen Arbeitnehmern, die dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes unterfallen, insbesondere die sonstigen mobilen Arbeitnehmer, zu rechtfertigen vermögen. Es ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen, nach der die Ungleichbehandlung zunächst geeignet sein muss, das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen. (1) Bereichsausnahme im Allgemeinen Die Bereichsausnahme für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer beruht auf der Einschätzung des Gesetzgebers, dass aufgrund der besonderen, nicht ortsgebundenen Tätigkeit das gesetzliche Modell der betrieblichen Mitbestimmung für das fliegende Personal nicht passgenau ist109. Außerdem war er der 105 Ebenso Schmid/Roßmann, Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder, Rn. 517; a. A.: Roßmann, TranspR 2003, 57, 59. 106 Mußgnug, in: FS Duden, S. 341. 107 Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 14. 108 Mußgnug, in: FS Duden, S. 341. 109 BegrRegE, BT-Drucks. VI/1786, S. 58.

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Auffassung, dass das tarifvertraglich gefundene System sich wegen der besseren Sachnähe zur komplexen Materie gut bewährt habe110. Das Differenzierungsziel des Gesetzgebers ist daher darin zu sehen, die betriebliche Mitbestimmung für das fliegende Personal so zu gestalten, dass sie den Besonderheiten der Arbeitsumstände Rechnung trägt. Darin allein ist noch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen. Die Unterscheidung zwischen Boden- und Bordpersonal entspricht sogar dem als Kehrseite des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Anspruch ungleicher Gruppen auf eine sachgemäß differenzierende Regelung ihrer Rechtslage111. Die Übertragung der Befugnis zur Errichtung der Personalvertretung ermöglicht es den Tarifvertragsparteien, zweckdienliche Lösungen zu vereinbaren. Problematischer ist hingegen die Erforderlichkeit der Regelung, d. h., es darf keine weniger belastende Differenzierung zur Verfügung stehen112. Der verfolgte Zweck muss die Ungleichbehandlung also in ihrem gesamten Ausmaß legitimieren113. Der Gesetzgeber hat die besonderen Umstände der Tätigkeit des Flugpersonals, anders als bei den Seeleuten, nicht im Betriebsverfassungsgesetz selbst aufgegriffen, sondern er hat es stattdessen bei einer bloßen Ermächtigung an die Tarifpartner bewenden lassen. In dieser bloßen Ermächtigung liegt, wie bereits dargelegt, eine zusätzliche und anders geartete Differenzierung sowohl gegenüber dem Bodenpersonal als auch gegenüber den sonstigen mobil tätigen Arbeitnehmern. Hiergegen ist vor dem Hintergrund der komplexen Regelungsmaterie grundsätzlich nichts einzuwenden, insbesondere da dem Gesetzgeber ja durchaus das Recht zugestanden wird, Erfahrungen zu sammeln und erste Regelungsversuche zu unternehmen114. Allerdings kann sich der Gesetzgeber angesichts der mittlerweile langjährigen Geschichte des tarifvertraglichen Bordbetriebsverfassungsrechts nicht mehr auf mangelnde Erfahrungen berufen. Die Besonderheiten des Tätigkeitsprofils des fliegenden Personals können die sich aus § 117 Abs. 2 BetrVG ergebende Ungleichbehandlung nicht umfassend rechtfertigen. Wie das Beispiel der Arbeitnehmer der Seeschifffahrt, die Fernfahrer und andere Außendienstmitarbeiter zeigt, muss der Umstand der Ortsungebundenheit allein nicht automatisch zur Nichtgeltung des Betriebsverfassungsgesetzes führen. Vielmehr finden die organisatorischen Schwierigkeiten, die sich für diese Arbeitnehmer stellen, dadurch Berücksichtigung, dass in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG die Möglichkeit eröffnet wird, durch Tarifvertrag eine angepasste Organisationsstruktur zu schaffen115. Nur für die Arbeitnehmer der Seeschifffahrt werden Sonderregelun-

110 111 112 113 114 115

Schmitt, Handbuch BV, S. 130. Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 16. BVerfGE 91, 389, 403 f. BVerfGE 51, 1, 28. Mußgnug, in: FS Duden, S. 342. Grabherr, NZA 1988, 532, 533.

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gen getroffen, die aber die grundsätzliche Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes im Übrigen unberührt lassen. Daher besteht der wichtige Unterschied zu § 117 Abs. 2 BetrVG darin, dass bei Fehlen eines entsprechenden Tarifvertrages die gesetzliche Betriebsverfassung für diese anderen Arbeitnehmer gewährleistet ist, wohingegen für das Flugpersonal in diesem Fall keine betriebliche Mitbestimmung besteht116. Darüber hinaus können die arbeitsorganisatorischen Besonderheiten des Flugbetriebs keine beliebigen, sondern nur damit im Zusammenhang stehende Sonderregelungen rechtfertigen117. Ein Blick auf die anderen Personengruppen, die der Gesetzgeber vom Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen hat, vermag dies zu bestätigen. Der vollständige Ausschluss der leitenden Angestellten aus der gesetzlichen Betriebsverfassung wird dadurch gerechtfertigt, dass diese nicht gleichzeitig Unternehmer- und Arbeitnehmerinteressen wahrnehmen können118, und wird zudem dadurch abgemildert, dass nach dem SprAuG Sprecherausschüsse zu bilden sind. Bei Tendenzbetrieben beschränkt die Meinungsfreiheit den Anwendungsbereich der Betriebsverfassung, allerdings nur soweit „die Eigenart dieses Unternehmens oder des Betriebes dem [der Anwendung] entgegensteht“ 119. Die Regelungen für die Schifffahrt wurden bereits erwähnt. Dass Kleinstbetriebe mit weniger als fünf Beschäftigten nicht einbezogen sind, geht auf die Erwägung zurück, dass die persönlichen Beziehungen ausreichend Einwirkungsmöglichkeiten eröffnen und dass der Inhaber von den Lasten der Betriebsverfassung verschont bleiben soll120. Diese Beispiele verdeutlichen das verfassungsrechtliche Gebot, wonach Art und Gewicht des Unterschieds der Normadressaten eine Ungleichbehandlung rechtfertigen müssen. Die Bereichsausnahme für das fliegende Personal wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Auch der Verweis auf die Möglichkeit tarifvertraglicher Regelungen vermag den kompletten Ausschluss der gesetzlichen Betriebsverfassung nicht zu rechtfertigen. Die Tarifpraxis zeigt, dass die tarifvertragliche Betriebsverfassung für das fliegende Personal keinesfalls lückenlos ist121. Die Ermächtigung der Tarifvertragsparteien gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG ist also nur mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, solange und soweit der Gesetzgeber sicherstellt, dass die Tarifpartner die Rechtsstellung des fliegenden Personals auch tatsächlich innerhalb vertretbarer Fristen regeln122. Die rigorose Herausnahme des fliegenden Personals aus 116

Grabherr, NZA 1988, 532, 533. Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 5. 118 Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 5; Grabherr, NZA 1988, 532, 533. 119 Vgl. § 118 Abs. 1 S. 1 BetrVG. 120 Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 5. 121 Vgl. hierzu das Beispiel von easyjet unter § 5 A.I. 122 So im Ergebnis auch Mußgnug, in: FS Duden, S. 335, 343 der § 117 Abs. 2 BetrVG mit Art. 3 Abs. 1 GG für vereinbar hält, solange und soweit die Tarifpartner die Rechtsstellung des fliegenden Personals innerhalb vertretbarer Fristen so regeln, dass 117

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dem persönlichen Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes wäre demnach nur dann kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn der Gesetzgeber eine flächendeckende tarifliche Bordbetriebsverfassung garantieren könnte. Dies ist in der gegenwärtigen gesetzlichen Ausgestaltung nicht der Fall, da der Gesetzgeber es bei einer bloßen Ermächtigung belassen hat, die einer Untätigkeit der Tarifpartner Raum lässt, die zu einem verfassungswidrigen Zustand führt. Durch eine solche bloße Regelungsermächtigung der Tarifpartner wird die gegenwärtige Bereichsausnahme dem Gleichheitsgrundsatz demnach nicht gerecht123. (2) Konkrete Ausgestaltung durch die Tarifvertragsparteien Es wurde bereits dargelegt, dass der Abschluss von Tarifverträgen über die Errichtung einer Personalvertretung die gesetzliche Ungleichbehandlung abmildert. Allerdings muss der Gesetzgeber auch in diesem Zusammenhang sicherstellen, dass dem fliegenden Personal grundsätzlich ein der gesetzlichen Betriebsverfassung entsprechender Mitbestimmungsstandard zuteil wird. Die meisten Tarifverträge nach § 117 Abs. 2 BetrVG weisen jedoch erhebliche Mängel hinsichtlich der Mitarbeit des fliegenden Personals im Wirtschaftsausschuss und der erforderlichen Integration der Personalvertretungen in die Mitbestimmungsorgane der Bodenbetriebe auf. Zusätzlich ist meist auch der Umfang der Mitbestimmungsrechte geringer als in der gesetzlichen Betriebsverfassung. Die bereits zur grundsätzlichen Rechtfertigung des § 117 Abs. 2 BetrVG angeführten Gründe geben freilich für eine Rechtfertigung dieser speziellen Ungleichbehandlung zwischen fliegendem Personal und Bodenpersonal nichts her124. Sie zeigen lediglich, dass einer Mitarbeit des fliegenden Personals in den Bodenbetriebsräten gravierende Hindernisse entgegenstehen, denen durch verfahrensmäßige und organisatorische Abweichungen Rechnung getragen werden kann. Der Ausschluss des fliegenden Personals etwa von den Beratungen des Wirtschaftsausschusses oder dem Einsichtsrecht in die Unterlagen nach § 106 Abs. 2 BetrVG ist durch die Besondersie im Rahmen des Möglichen dem entsprechen, was das BetrVG von Gesetzes wegen allen übrigen Arbeitnehmern zugesteht; Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 19, der in diesem Zusammenhang von einem Regelungsauftrag an die Tarifpartner spricht. Über die Terminologie lässt sich angesichts des Gedankens der Tarifautonomie sicherlich streiten. Im Ergebnis ist dieser Ansatz richtig, da Mußgnug unter Auftrag keine durchsetzbare Pflicht der Tarifpartner versteht, sondern vielmehr die Letztverantwortlichkeit des Gesetzgebers beschreibt, weil dieser im Falle der Untätigkeit der Tarifpartner eine entsprechende Regelung treffen müsse. 123 Hierin ist jedoch entgegen Grabherr, NZA 1988, 532 f., kein gesetzesakzessorisches Unterlassen zu sehen, da der Gesetzgeber eine Bereichsausnahme in den Gesetzestext aufgenommen hat. Ein gesetzesakzessorisches Unterlassen wäre hingegen anzunehmen, wenn er den personellen Anwendungsbereich beispielsweise enumerativ festgelegt und dabei das fliegende Personal nicht genannt hätte. 124 Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 26.

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heiten des Flugverkehrs nicht zu rechtfertigen. Er verhindert den Zugang der Personalvertreter zu sämtlichen Informationen, die den Bodenbetriebsräten gemäß § 106 Abs. 1 BetrVG durch die von ihnen in den Wirtschaftsausschuss entsandten Vertreter vermittelt werden. Das Bordpersonal hat genauso wie das Bodenpersonal ein nachhaltiges Interesse an der wirtschaftlichen Lage seines Arbeitgebers. Zudem würden weder der Flugbetrieb noch die Arbeit der Personalvertreter einer ernsthaften Belastung ausgesetzt, wenn das fliegende Personal die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses mitwählen würde. Auch das Fehlen jeglicher Vorschriften über die Zusammenarbeit der Personalvertretungen mit den Bodenbetriebsräten stellt im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG eine relevante Benachteiligung dar, die mit beträchtlichen praktischen Konsequenzen verbunden ist. Denn es gibt zahlreiche Belange, die sowohl die Bordvertretungen als auch die Bodenbetriebsräte gemeinsam betreffen und die deshalb auch nur von ihnen gemeinsam wirksam vertreten werden können125. Die meisten Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung sehen jedoch keinen Konfliktlösungsmechanismus vor, wenn etwa Mitbestimmungsrechte der Bodenbetriebsräte und der Personalvertretungen konkurrieren. Derartige Systemdivergenzen zwischen der gesetzlichen Betriebsverfassung und der Bordbetriebsverfassung vermindern sowohl die Mitbestimmungsrechte des Bordpersonals als auch des Bodenpersonals. Die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung ergibt sich in diesem Zusammenhang im Vergleich mit den Arbeitnehmern, die Unternehmen arbeiten, die nicht von der Bereichsausnahme des § 117 Abs. 2 BetrVG erfasst werden. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die Besonderheiten, die das Flugpersonal von allen übrigen Arbeitnehmern unterscheiden, organisatorische und verfahrensmäßige Abweichungen durchaus zu rechtfertigen vermögen, jedoch eine materielle Verkürzung von Mitbestimmungsrechten nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Um eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung des fliegenden Personals auszuschließen, müssen die entsprechenden Tarifverträge daher einen der gesetzlichen Betriebsverfassung vergleichbaren Bestand an Mitbestimmungsrechten und darüber hinaus Regelungen über eine Beteiligung am Wirtschaftsausschuss und die Zusammenarbeit zwischen den Bodenbetriebsräten und den Personalvertretungen beinhalten.

125 Vgl. Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 29 f., der als Beispiel die Wartung der Flugzeuge nennt, welche sich auf den Einsatz der Maschinen und damit auf die Arbeitszeit des fliegenden Personals auswirkt. Auch bei personellen Einzelmaßnahmen könne es zu einem unkoordinierten Nebeneinander der verschiedenen Gremien kommen. Schließlich könnten auch bei der Versetzung von Mitgliedern des fliegenden Personals in den Bodenbetrieb aufgrund des Erreichens einer bestimmten Altersgrenze oder des Verlustes der Flugtauglichkeit manifeste Interessenkollisionen entstehen.

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3. Zwischenergebnis Entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist festzustellen, dass die Bereichsausnahme für das fliegende Personal gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt. Die völlige Herausnahme des Flugpersonals aus dem Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ist nicht durch die arbeitsorganisatorischen Besonderheiten des Flugbetriebs gerechtfertigt. Hätte der Gesetzgeber dem Flugpersonal Sondervorschriften gewidmet, wie er das in den §§ 114, 115 und 116 BetrVG für das seefahrende Personal getan hat, so wäre dagegen nichts Grundsätzliches einzuwenden. Darüber hinaus wäre auch denkbar, dass der Gesetzgeber den Tarifpartnern der Flugbranche über § 3 BetrVG hinaus Abweichungsmöglichkeiten von der gesetzlichen Betriebsverfassung einräumt. Eine generelle Bereichsausnahme führt jedoch zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung des fliegenden Personals, da weder eine flächendeckende Erfassung durch das tarifvertragliche Betriebsverfassungsrecht noch ein der gesetzlichen Betriebsverfassung entsprechender Standard an Mitwirkungsrechten gewährleistet ist.

II. Verfassungskonforme Auslegung und Rechtsfortbildung Vor der Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Norm gilt es, die Regelung durch eine verfassungskonforme Auslegung bzw. Rechtsfortbildung gleichsam zu retten. Das konservierende Element der verfassungskonformen Auslegung bzw. Rechtsfortbildung lässt sich mit dem verfassungsrechtlichen gebotenen Respekt der Rechtsprechung vor dem Gesetzgeber und dem Interesse an der Normerhaltung rechtfertigen126. Wie bereits dargestellt, ergibt sich der Gleichheitsverstoß aus zweierlei Aspekten, nämlich aus der Lückenhaftigkeit des tariflichen Betriebsverfassungsrechts sowie aus dem im Vergleich zum Betriebsverfassungsgesetz niedrigeren Standard an Mitbestimmungsrechten. Beiden Aspekten gilt es jeweils gesondert durch eine entsprechende Auslegung gerecht zu werden. Wie schon im Zusammenhang mit der Europarechtskonformität muss auch in Bezug auf die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zunächst der Versuch unternommen werden, die Verfassungskonformität durch eine einfache Gesetzesauslegung herzustellen. Erst beim Scheitern dieses Ansatzes ist auf eine Rechtsfortbildung im Sinne einer verfassungskonformen Reduktion zurückzugreifen.

126

Vgl. hierzu Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 146 ff.; Lüdemann, JuS 2004, 27, 29.

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1. Verfassungskonforme Auslegung a) Subsidiäre Geltung des BetrVG Zunächst wäre an eine Auslegung des § 117 BetrVG dahin gehend zu denken, dass das fliegende Personal nur bei Bestehen eines entsprechenden Tarifvertrages vom Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen wäre. Wie bereits im europarechtlichen Zusammenhang festgestellt wurde, kommt eine derartige Auslegung allerdings nicht in Betracht, weil sie die Wortlautgrenze überschreitet und auch Telos, Systematik und Entstehungsgeschichte eine derartige Interpretation nicht stützen127. b) Verfassungskonforme Begrenzung des Gestaltungsspielraums Hinsichtlich der Garantie eines der gesetzlichen Betriebsverfassung vergleichbaren Standards an Mitbestimmungsrechten könnte § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG möglicherweise so ausgelegt werden, dass die Norm lediglich solche Abweichungen vom gesetzlichen Modell der Betriebsverfassung zulässt, die durch die Spezifik des Flugbetriebs bedingt sind128. Die Frage nach dem Ausmaß der Gestaltungsfreiheit der Tarifpartner bei der Vereinbarung einer Bordbetriebsverfassung wird unterschiedlich beantwortet: Es wird sowohl die Ansicht vertreten, den Tarifpartnern komme eine umfassende Gestaltungsfreiheit zu129, als auch eine weitgehende Systemkongruenz der tariflichen mit der gesetzlichen Betriebsverfassung gefordert130, wobei die Befürworter des erstgenannten Ansatzes überwiegen. Einen großen Gestaltungsspielraum anzunehmen ist konsequent, wenn man die Regelung des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG mit dem überwiegenden Teil der Kommentarliteratur als mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ansieht. Nach der hier vertretenen Ansicht ist allerdings eine verfassungskonforme Auslegung methodisch geboten. Die verfassungskonforme Auslegung nimmt eine Sonderstellung gegenüber den übrigen Auslegungsmethoden ein, da sie diesen gegenüber absoluten Vorrang genießt131. Jedoch bildet der mögliche Wortsinn der Regelung auch in diesem Zusammenhang die Grenze der Interpretation132. Der Wortlaut 127

Vgl. hierzu § 3 B.I. So ausdrücklich Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 15. 129 BAG AP Nr. 4 zu § 117 BetrVG 1972 (Bl. 3 R); Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 7; Hess, in: H/S/W/G, BetrVG, § 117 Rn. 12; Kania, in: ErfK, § 117 BetrVG Rn. 2; Koch, in: Schaub, ArbR-Hdb, § 211 Rn. 24; Krause, in: FS Buchner, S. 500; Natter, in: ARBlattei, Rn. 175; Schmid/Roßmann, Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder, Rn. 520; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 117 Rn. 13; Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 13; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 64. 130 Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 12 ff.; Mußgnug, in: FS Duden, S. 343 ff.; Schmitt, Handbuch BV, S. 135 f.; Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 211 ff. 131 Vgl. hierzu Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 154; Lüdemann, JuS 2004, 27, 29. 132 Larenz, Methodenlehre, S. 322 f. 128

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des § 117 Abs. 1 S. 1 BetrVG macht keine näheren Vorgaben für die Ausgestaltung der Vertretung. Die Bereichsausnahme für das fliegende Personal und die Möglichkeit der Errichtung einer Personalvertretung durch Tarifvertrag sprechen zunächst für einen weiten Gestaltungsspielraum. Insofern lässt der Wortlaut gerade keine Beschränkung in Form einer Art Systemkongruenz von tariflichem und gesetzlicher Betriebsverfassung erkennen. Auch aus der Gesetzesbegründung lassen sich keine weiteren Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit ableiten. Allerdings spricht der Wortlaut auch nicht gegen ein solch einschränkendes Verständnis der Norm. Vielmehr ist der Ausgangspunkt der vorherrschenden Ansicht, dass die zugegebenermaßen recht offene Formulierung „eine Vertretung“ keinerlei Bezugnahme auf die gesetzliche Betriebsverfassung erkennen lasse, doch recht befremdlich. Zunächst hat der Gesetzgeber diese Formulierung innerhalb des Betriebsverfassungsgesetzes verwandt, sodass eine Auslegung dieses Begriffes ohne das gesetzliche Vorverständnis und die Regelungsgehalte der geltenden gesetzlichen Betriebsverfassung kaum möglich ist. Dass sich die in der Praxis getroffenen Regelungen meist in weiten Teilen an den gesetzlichen Vorgaben orientieren, bestätigen diese Bezüge. Eine Auslegung, die unter einer „Vertretung“ ein Organ der betrieblichen Mitbestimmung versteht, das zumindest vom Ausgangspunkt nach den Grundsätzen des Betriebsverfassungsgesetzes zu bilden ist, ist vom Wortlaut der Vorschrift durchaus gedeckt. Des Weiteren widerspricht auch der Zweck der Regelung einem ein derartigen Verständnis nicht. Der Herausnahme des fliegenden Personals aus dem Geltungsbereich der gesetzlichen Betriebsverfassung lag die Vorstellung zugrunde, dass diese der Arbeitswelt eines Bordbetriebes aufgrund der besonderen, nicht ortsgebundenen Art der Tätigkeit und der besonderen Regulierung dieser Tätigkeit nicht gerecht werden würde133. Die Regelung dieses Bereiches sollte den Tarifpartnern aufgrund ihrer größeren Sachnähe überlassen werden. Hiermit war jedoch nicht die Zielsetzung verbunden, den im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmern eine schwächere Interessenvertretung zuzugestehen. Der Gesetzgeber wollte also lediglich der Spezifik des Flugbetriebes Rechnung tragen. Insofern ist es durchaus mit dem Gesetzeszweck zu vereinbaren, § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG so auszulegen, dass die Tarifvertragsparteien sich grundsätzlich am Leitbild der gesetzlichen Betriebsverfassung zu orientieren haben, soweit Abweichungen nicht durch die Besonderheiten des Flugbetriebs gerechtfertigt sind134. Dies bedeutet freilich, dass die inhaltlichen Grenzen der Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien nicht abstrakt bestimmt werden können. Vielmehr muss jeweils im Einzelfall geprüft werden, wo die Grenze zwischen der Regelungsfreiheit, die Besonderheiten des Flugbetriebs durch abweichende Regelungen zu berücksichtigen, einerseits und den 133

BegrRegE, BT-Drucks. VI/1786; vgl. hierzu auch Schmitt, Handbuch BV, S. 135. Schmitt, Handbuch BV, S. 135 f.; Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 211 ff., die auch davon ausgehen, dass eine derartige Auslegung noch vom Wortlaut der Norm gedeckt ist. 134

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Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes andererseits verläuft135. Dies ist die Konsequenz daraus, dass eine Ungleichbehandlung des fliegenden Personals vorliegt, der Sachgrund der Spezifik des Bordbetriebs jedoch dessen generelle Schlechterstellung nicht zu rechtfertigen vermag. Vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichbehandlungsgebotes und nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit wäre es vorzugswürdig gewesen, wenn der Gesetzgeber wie in den §§ 114, 115 und 116 BetrVG nicht nur für das seefahrende Personal, sondern auch für das Flugpersonal Sondervorschriften geschaffen hätte136. 2. Verfassungskonforme Reduktion Eine grundsätzliche, wenn auch gegenüber bestehenden tariflichen Betriebsverfassungsnormen subsidiäre Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes ließe sich möglicherweise im Wege einer verfassungskonformen teleologischen Reduktion erreichen. Gegenüber der „klassischen“ teleologischen Reduktion besteht hier die Besonderheit darin, dass es nicht der Zweck der Norm selbst ist, der eine Reduktion erforderlich macht, sondern ein außerhalb der Norm, in diesem Fall auf der Ebene der Verfassung liegender Zweck137. Allerdings wurde bereits im Rahmen der Prüfung der Europarechtskonformität des § 117 BetrVG festgestellt, dass ein solches Verständnis der Norm gegen das Verbot des Contra-legem-Judizierens verstoßen und daher die Grenze der zulässigen Rechtsfortbildung überschreiten würde138. Nichts anderes kann für die verfassungskonforme Reduktion gelten, da diese sich aus methodischer Sicht lediglich dadurch von der europarechtskonformen Reduktion unterscheidet, dass der dahinterstehende Zweck der Verfassung und nicht dem europäischem Recht entstammt.

III. Ergebnis § 117 BetrVG verstößt insofern gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, als er das fliegende Personal generell aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes herausnimmt. Hierdurch ist nicht gewährleistet, dass für das gesamte im Flugbetrieb beschäftigte Personal tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht gilt. Zudem gehört die Betriebsverfassung für das fliegende Personal zur Verhandlungsmasse zwischen den Tarifvertragsparteien, während im Grundsatz für alle anderen Arbeitnehmer, auch solche in mobilen Arbeitsverhältnissen, eine gesetzliche Betriebsverfassung gilt. Hinsichtlich des abweichenden Standards an Mitbestimmungsrechten in der tariflichen Bordbe135 136 137 138

Schmitt, Handbuch BV, S. 135. Vgl. hierzu unten § 10 und § 12. Vgl. hierzu Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 157. Vgl. hierzu § 5 A.II.3.

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triebsverfassung ist § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG in verfassungskonformer Weise so auszulegen, dass die Tarifvertragsparteien grundsätzlich eine Vertretung zu errichten haben, die sich an den Grundsätzen der gesetzlichen Betriebsverfassung orientiert, und Abweichungen nur insoweit zulässig sind, als sie durch die Besonderheiten des Flugbetriebs gerechtfertigt sind139.

IV. Folgeprobleme 1. Völliger Ausfall der personalvertretungsrechtlichen Vertretung für das Bordpersonal? Gegen die Nichtigkeit des § 117 Abs. 2 BetrVG als eine verfassungswidrigen Vorschrift könnte unter rechtspraktischen Gesichtspunkten eingewandt werden, dass in der Konsequenz die Arbeitnehmer im Flugbetrieb überhaupt keine Vertretung in Mitbestimmungsangelegenheiten mehr erlangen könnten140. Diese Folge der Nichtigkeit des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist indessen unwahrscheinlich. Das Bundesverfassungsgericht sieht nämlich bei Verstößen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in gewissen Fallgruppen von der Nichtigkeitserklärung gemäß §§ 78 S. 1, 82 Abs. 1, 95 Abs. 3 BVerfGG ab und beschränkt sich auf die Unvereinbarerklärung gemäß §§ 31 Abs. 2 S. 2, 3 und § 79 Abs. 1 BVerfGG mit der Folge, dass die verfassungswidrige Norm bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber übergangsweise anwendbar bleibt. So verzichtet es auf die Nichtigkeitserklärung im Falle des gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses141. Der Grund dafür liegt darin, dass in diesen Konstellationen der verfassungswidrige Zustand zum einen durch die Abschaffung der Begünstigung für die eine Gruppe, zum anderen aber auch durch die Gewährung der Begünstigung für die andere Gruppe beseitigt werden kann142. Da dem Gesetzgeber insofern Gestaltungsfreiheit zukommt, würde eine Nichtigkeitserklärung durch das Gericht in den Zuständigkeitsbereich des Gesetzgebers übergreifen und dadurch das Prinzip der Gewaltenteilung verletzen143. Des Weiteren begründet das Bundesverfassungsgericht die Beschränkung auf eine Unvereinbarkeitserklärung damit, dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere aus solchen der Rechtssicherheit, geboten sein kann, die verfassungswidrige Vorschrift als Regelung für eine Übergangszeit bestehen zu lassen, wenn andern139 Vgl. zur Konkretisierung dieser Auslegung anhand einzelner tarifvertraglicher Regelungen unter § 6. 140 Klein, Minderheitsgewerkschaften, S. 478. 141 BVerfGE 67, 348, 349; 71, 1, 15; 71, 146; 72, 278, 295; 72, 330, 333; 73, 40, 101 f.; 79, 87, 105; 94, 241, 241 f.; 98, 365, 402. 142 Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 401 ff. 143 Schmidt, in: ErfK, GG, Art. 3 Rn. 52.

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falls ein Zustand einträte, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt sei als der bisherige144. Im Fall des § 117 BetrVG liegt der Gleichheitsverstoß darin, dass der Gesetzgeber das fliegende Personal aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes herausnimmt und auf die Möglichkeit der tarifvertraglichen Vereinbarung verweist. Würde § 117 BetrVG für nichtig erklärt, fände das Betriebsverfassungsgesetz auf die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer Anwendung, sodass die Nichtigkeitserklärung den Gleichheitsverstoß nicht perpetuieren würde. Wie bereits ausgeführt, darf der Gesetzgeber allerdings den Besonderheiten des Flugbetriebs durchaus Rechnung tragen. Ein Blick auf die §§ 3 Abs. 1, 114 ff., 118 BetrVG zeigt, dass dies sowohl im Wege ausführlicher Sonderregelungen als auch in Form einer grundsätzlichen Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes mit entsprechenden tariflichen Öffnungsklauseln geschehen kann, sodass der Gesetzgeber über mehrere Möglichkeit zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustands verfügt145. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht § 117 BetrVG zwar als mit der Verfassung unvereinbar, jedoch für interimistisch anwendbar erklären und gleichzeitig den Gesetzgeber verpflichten würde, den verfassungswidrigen Zustand innerhalb einer gewissen Frist zu beseitigen146. Der Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz durch die Bereichsausnahme führt im Ergebnis weder zum völligen Ausfall der Bordbetriebsverfassung noch zur unmittelbaren Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes auf das fliegende Personal. 2. Konsequenz der verfassungskonformen Auslegung für die Zulässigkeit der Geltungserstreckung auf Außenseiter Es wurde bereits dargestellt, dass die Geltungserstreckung von betriebsverfassungsrechtlichen Normen auf Außenseiter gemäß § 3 Abs. 2 TVG eine rechtsstaatlich-demokratische Legitimation erforderlich macht147. In der Geltungsanordnung von Normen, die nicht vom Staat, sondern von außerstaatlichen Stellen geschaffen werden, ist ein Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG zu sehen, da der Gesetzgeber seine Normsetzungsbefugnisse nicht in beliebigem Umfang außerstaatlichen Stellen überlassen und den Bürger schrankenlos der normsetzenden Gewalt der Tarifvertragsparteien ausliefern darf, die ihm gegenüber weder rechtsstaatlich-demokratisch noch mitgliedschaftlich legitimiert sind148. Das Bundesverfas144 BVerfGE 37, 217, 262 f.; 61, 319, 356 f.; 73, 40, 101 f.; 105, 73, 143 f.; 111, 191, 242 f. 145 Ebenso Grabherr, NZA 1988, 532, 535. 146 Ähnlich Däubler, in: D/K/K, BetrVG § 117 Rn. 6; Grabherr, NZA 1988, 532, 534; Klein, Minderheitsgewerkschaften, S. 478. 147 Vgl. hierzu § 4 B.III. 148 Vgl. BVerfGE 44, 322, 348; 64, 208, 214.

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sungsgericht verlangt, dass der Inhalt einer tarifvertraglichen Regelung, auf die staatliche Rechtsnormen verweisen, im Wesentlichen feststeht149. Den Bestimmtheitserfordernissen wird § 3 Abs. 2 TVG i.V. m. § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG, wonach „für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen [. . .] durch Tarifvertrag eine Vertretung errichtet werden [kann]“, auch unter Zuhilfenahme aller Auslegungskriterien nicht gerecht150. Die Bestimmtheit des § 3 Abs. 2 TVG i.V. m. § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG kann nun allerdings vor dem Hintergrund der verfassungskonformen Auslegung des § 117 Abs. 2 S. 1 GG neu eingeschätzt werden. Wo grundrechtliche Anforderungen die Regelung weitgehend determinieren, kann dies offen formulierten Ermächtigungen selbst bei grundrechtsrelevanten Materien zu hinreichender Bestimmtheit verhelfen151. Durch die verfassungskonforme Auslegung wird die Befugnis der Tarifvertragsparteien zur Errichtung der Bordbetriebsverfassung und einer „Vertretung“ entscheidend inhaltlich konkretisiert. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien wird dahin gehend eingeschränkt, dass die tarifliche Bordbetriebsverfassung im Grundsatz mit der gesetzlichen Betriebsverfassung systemkongruent sein muss. Abweichungen müssen durch die Besonderheiten des Flugbetriebs bedingt sein. Die Tarifvertragsparteien sind somit an die Grundwertungen des Gesetzgebers gebunden. Ihre Gestaltungsfreiheit ist dennoch nicht unerheblich, da auch durch eine verfassungskonforme Auslegung nicht genau vorgezeichnet ist, wie den Besonderheiten des Flugverkehrs Rechnung zu tragen ist. Es ist also durchaus denkbar, dass die Tarifvertragsparteien im Einzelfall unterschiedliche Lösungen finden, um den Schwierigkeiten des fliegenden Personals gerecht zu werden. Durch den beschriebenen Sachgrund, verbunden mit dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Gebotes der Gleichheit vor dem Gesetz, lässt sich auch hier die erforderliche Konkretisierung erreichen: Den Besonderheiten des Flugverkehrs kann nur durch sachgerechte Lösungen Rechnung getragen werden. Gesetzes- und Normzweck der gesetzlichen Betriebsverfassung ist nämlich der soziale Schutz der Arbeitnehmer durch die Gewährleistung und Sicherung von Beteiligungsrechten, die es den Arbeitnehmern ermöglichen sollen, das Direktionsrecht des Arbeitgebers angemessen zu beschränken und in Fragen der Begründung, Konkretisierung, Veränderung und Beendigung der arbeitsvertraglichen Pflichten mitbestimmen zu können152. Das Betriebsverfassungsrecht soll den Arbeitnehmern wirkungsvolle Einrichtungen zur Ausübung ihrer Beteili149

BVerfGE 64, 208, 215. Vgl. hierzu § 4 B.III.1.b). 151 Vgl. BVerfGE, 80, 1, 21 f. (zu einem Beispiel aus dem Prüfungsrecht); Wallrabenstein, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 80 Rn. 40. 152 Däubler, in: D/K/K, BetrVG, Einleitung Rn. 46 ff.; Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 1 ff. 150

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§ 5 Bereichsausnahme des § 117 BetrVG

gungs- und Mitbestimmungsrechte zur Verfügung stellen. Die Sachgerechtigkeit der Interessenwahrnehmung steht somit als bestimmendes Ordnungskriterium hinter dem Betriebsverfassungsgesetz153 und findet über die verfassungskonforme Auslegung anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes als tarifliche Normierungsvoraussetzung auch Eingang in den § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG154. Das Kriterium der Sachgerechtigkeit der Interessenvertretung wurde durch die Betriebsverfassungsreform nunmehr ausdrücklich als Voraussetzung der tarifvertraglichen Gestaltung der Betriebsverfassungsorganisation in § 3 Abs. 1 BetrVG aufgenommen155. Das Ziel des Gestaltungsfreiraums der Tarifpartner kommt hinreichend klar zum Ausdruck, nämlich Strukturen zu ermöglichen, mit denen die dem Betriebsverfassungsgesetz zugrunde liegenden Zwecke besser verfolgt werden können als durch die gesetzliche Betriebsverfassung. Es ergibt sich zwangsläufig aus der Vorgabe des allgemeinen Gleichheitssatzes, dass der verfolgte Zweck die Ungleichbehandlung in ihrem gesamten Ausmaß legitimieren muss156. Weitergedacht ergibt sich hieraus, dass im Grundsatz nur organisationsund verfahrensrechtliche Abweichungen aufgrund der Spezifik des Flugbetriebs erforderlich sind157. Eine materielle Verkürzung von Mitbestimmungsrechten hingegen wird nur ausnahmsweise zu rechtfertigen sein. Die Tarifpartner müssen sich also grundsätzlich an der Ausgestaltung der gesetzlichen Betriebsverfassung orientieren, und die Abweichungen müssen generell und in ihrer konkreten Ausgestaltung durch die Besonderheiten des Flugbetriebs gerechtfertigt sein. Hierdurch sind die zugelassenen Abweichungsmöglichkeiten inhaltlich im Wesentlichen vorgezeichnet. Die Tarifvertragsparteien sind in der Ausübung ihrer Regelungsbefugnis keineswegs frei, sondern vielmehr an die Grundwertungen des Gesetzgebers gebunden. Nur mit dieser Einschränkung ist davon auszugehen ist, dass § 3 Abs. 2 TVG i.V. m. § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes noch gerecht wird158. 153

Grundlegend hierzu Jordan, Sachgerechte Wahrnehmung, S. 15 ff. Vgl. zur Systemkongruenz mit der gesetzlichen Betriebsverfassung § 5 B.II.1.b). 155 Vgl. Jordan, Sachgerechte Wahrnehmung, S. 186 ff., der darauf hinweist, dass in § 3 Abs. 1 Nr. 1-3 BetrVG zwar leicht abweichende Formulierungen („sachgerechte Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer“, „sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats“ und „wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer“) gewählt worden seien, diese sprachliche Differenzierung jedoch wohl keine inhaltliche Verschiedenheit zur Folge habe. 156 BVerfGE 51, 1, 28. 157 So auch Schmitt, Handbuch BV, S. 135 f.; Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 211 ff. 158 Vgl. Mußgnug, in: FS Duden, S. 346, der interessanterweise davon ausgeht, dass eine Ermächtigung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, die erforderlichen Ergänzungen durch Rechtsverordnung vorzunehmen, den Anforderungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß gemäß Art. 80 Abs. 1 S. 2 gerecht werde, wenn sie die folgende Regelung enthielte: „Die Verordnung kann von den Vorschriften dieses Gesetzes abweichen, sofern ihrer Anwendung auf die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer besondere Schwierigkeiten entgegenstehen.“ 154

B. Verfassungsmäßigkeit des § 117 BetrVG

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Dies gilt umso mehr, als die Tarifpartner bei der Vereinbarung von Tarifverträgen nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG zumindest in Bezug auf ihre Mitglieder Gebrauch von ihrer verfassungsrechtlich garantierten Koalitionsfreiheit machen. Die Koalitionen können aufgrund der Notwendigkeit der betriebseinheitlichen Geltung von betriebsverfassungsrechtlichen Normen ihre Koalitionsfreiheit nur ausüben, wenn ihnen auch eine Regelungsbefugnis gegenüber Außenseitern eingeräumt wird. Dies bedeutet, dass hier die Erfordernisse des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips mit den verfassungsrechtlich geschützten tarifautonomen Normsetzungsbefugnissen in Konkurrenz treten159. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss zur Allgemeinverbindlicherklärung anerkannt, dass ein Ausgleich zwischen der Koalitionsfreiheit und dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip grundsätzlich möglich ist160. Dies spricht dafür, dass nach dem Bestimmtheitsgebot im vorliegenden Zusammenhang keine bis in die Einzelheiten gehende konkrete gesetzlich Regelung vorliegen muss161. 3. Eingriff in die Koalitionsfreiheit durch die verfassungskonforme Auslegung des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG ? Nach den bisherigen Ausführungen steht fest, dass nur durch die inhaltliche Anlehnung der tariflichen Regelungsermächtigung an die gesetzliche Betriebsverfassung den Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips genüge getan werden kann. Allerdings führt eine derartige Auslegung zugleich zu einer erheblichen Einschränkung des Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien. Dies ist unter dem Gesichtspunkt problematisch, dass tarifvertragliche Regelungen über die Betriebsverfassung in den Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG fallen162, sodass jede Verkürzung dieses Schutzbereiches durch staatliche Regelungen einen Eingriff darstellt. Die Koalitionsfreiheit ist dem Wortlaut in Art. 9 Abs. 3 GG zufolge ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht; Eingriffe in die Tarifautonomie können demnach verfassungsgemäß sein, wenn der Gesetzgeber mit ihnen Kollisionen mit anderen Grundrechten oder Verfassungsgütern (sogenanntes kollidierendes Verfassungsrecht) im Sinne praktischer Konkordanz ausgleicht163. Weil die gesetzliche Betriebsverfassung aufgrund ihres abschließenden Rechtscharakters ein Tätigwerden der Tarifvertragsparteien in ihrem Anwen-

159

Vgl. Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 217 ff. BVerfGE 44, 322, 347; vgl. hierzu auch Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 227. 161 So auch Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 95; a. A.: Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 223. 162 Vgl. hierzu § 4 B. 163 Vgl. Cornils, in: BeckOK, GG, Art. 9 Rn. 86; Dieterich, in: ErfK, GG, Art. 9 Rn. 87; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 50. 160

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§ 5 Bereichsausnahme des § 117 BetrVG

dungsbereich mit Ausnahme der Öffnungsklauseln ausschließt, stellt sie einen Eingriff in die Koalitionsfreiheit dar, der verbreitet mit dem Rückgriff auf den Schutz der Berufsfreiheit164 der Arbeitnehmer oder auch mit dem Sozialstaatsprinzip165 als kollidierende Verfassungsrechtsgüter gerechtfertigt wird. Die Vereinbarung betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen kann nur einheitlich erfolgen und nicht nach Mitgliedern und Außenseiterarbeitnehmern differenzieren166. Die Tarifvertragsparteien sind jedoch, wie bereits dargelegt, lediglich gegenüber ihren Mitgliedern zur Normsetzung legitimiert167. Da die Tarifvertragsparteien auf dem Gebiet der Betriebsverfassung von ihrer verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie aufgrund der Notwendigkeit der betriebseinheitlichen Regelung nur Gebrauch machen können, wenn die getroffenen Bestimmungen auch die Nichtmitglieder erfassen, besteht eine Kollisionslage mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip168. Die Begrenzung der Gestaltungsfreiheit der Tarifpartner stellt sich also als Versuch der Herstellung der praktischen Konkordanz zwischen der Koalitionsfreiheit und dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip dar. Nach der hier vertretenen verfassungskonformen Auslegung wird § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG den Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips gerecht169. Die dementsprechende Begrenzung der tarifautonomen Gestaltungsbefugnisse im Rahmen des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG bringt die beiden verfassungsrechtlichen Rechtspositionen im Sinne der praktischen Konkordanz zum Ausgleich. Die Einschränkung ist nämlich geeignet, die Vorgaben bei der Ausgestaltung so weit zu konkretisieren, dass demokratischen Prinzipien durch die Anbindung an den Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen wird. Die Regelung ist auch erforderlich, da ein milderes Mittel als eine einschränkende Auslegung des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG nicht ersichtlich ist170. Auch die Angemessenheit des Eingriffs in die Koalitionsfreiheit, also die Anforderung, dass der

164 Vgl. Friese, Kollektive Koalitionsfreiheit, S. 272 f.; Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 44; etwa Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 70 ff.; Waltermann, Rechtsetzung, S. 83, 86. 165 Hierzu ausführlich Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 40 ff.; Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag; Schwarze, Betriebsrat, S. 105; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 139; im Ergebnis ebenso Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 1 Rn. 4 ff.; vgl. auch Klein, Minderheitengewerkschaft, S. 231 ff., der hingegen von einer verhältnismäßigen Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit durch den Gesetzgeber ausgeht. 166 Vgl. hierzu § 4 B.III. 167 Vgl. hierzu § 4 A.I.4. 168 Vgl. hierzu § 4 B.III.1. 169 Hierzu soeben unter § 5 B.IV.2. 170 Vgl. zum Kriterium der Erforderlichkeit BVerfGE 53, 135, 145; 67, 157, 176; 68, 193, 218 f.; 92, 262, 273; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 85; Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 289 ff.; Sachs, GG, Art. 20 Rn. 152.

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Eingriff nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck steht171, ist zu bejahen. Die Schwere des Eingriffs kann zunächst angesichts des Umstands, dass das Betriebsverfassungsgesetz für weite Bereiche eine tarifvertragliche Regelung grundsätzlich ausschließt und dass die Betriebsverfassung wohl eher in den Randbereich der Tarifautonomie fällt172, als nicht allzu hoch veranschlagt werden. Zudem ist der Zweck, nämlich die hinreichende Konkretisierung der Ermächtigung, um dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip gerecht zu werden, besonders hoch zu gewichten. Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Ausgleich zwischen den unverzichtbaren Geboten des Demokratieprinzips und der Garantie des Betätigungsrechts der Koalitionen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

171 Vgl. zum Kriterium der Angemessenheit BVerfGE 50, 217, 227; 80, 103, 107; 99, 202, 212; Sachs, GG, Art. 20 Rn. 154. 172 Vgl. hierzu oben § 4 B.I.

§ 6 Inhalt und Grenzen der Regelungsbefugnis der Tarifpartner Eine Typologie der verschiedenen Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung wurde bereits vorgestellt1. Nach der Analyse der Tarifpraxis stellen sich einige Fragen hinsichtlich der Normsetzungsgrenzen der Tarifpartner. Inhaltliche Grenzen ergeben sich zunächst daraus, dass sich die Tarifpartner grundsätzlich an der Systemkongruenz zum Betriebsverfassungsgesetz messen lassen müssen und nur in gerechtfertigten Ausnahmen von den Vorgaben der gesetzlichen Ausgestaltung abweichen können2. Darüber hinaus können sich möglicherweise Einschränkungen aus der Grundrechtsbindung der Koalitionen bei der tarifvertraglichen Normsetzung ergeben. Schließlich steht außer Frage, dass den Tarifparteien in der Nachbildung der gesetzlichen Betriebsverfassung auch Grenzen gesetzt sind, die sich schlicht aus deren mangelnder demokratischer Legitimation ergeben. Vor dem Hintergrund dieser inhaltlichen Grenzen der Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien soll die Zulässigkeit der in der Praxis getroffenen Regelungen geprüft werden. Freilich kann angesichts der Vielfältigkeit der Tarifverträge nicht jede einzelne Bestimmung detailliert diskutiert werden. Aufgegriffen werden vielmehr diejenigen Tarifvertragsgestaltungen, die aufgrund ihrer Abweichung vom Betriebsverfassungsgesetz auffallen und für die Funktion der Betriebsverfassung besonders relevant sind. Neben der Errichtung von partikularen Personalvertretungen, also Mitbestimmungsorganen für eine bestimmte Beschäftigtengruppe, sind die Gruppenbildung und die damit einhergehende Frage nach Stimmparität von besonderem Interesse. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Tarifvertragsparteien die Arbeitsgerichte und Behörden in die Durchsetzung der verschiedenen Rechte und Pflichten der Mitarbeitervertretungen in ähnlicher Weise einbinden können, wie dies der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes vorgesehen hat. Augenfällig zweifelhaft sind die tarifvertraglichen Straf-, Zwangsgeld- und Bußvorschriften, welche die gesetzlichen Regelungen übernehmen bzw. leicht modifizieren.

1 2

Vgl. hierzu § 2 C. Vgl. hierzu § 5 B.II.1.b).

B. Einbindung von Gerichten und Behörden

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A. Abweichungen aufgrund der Besonderheiten des Flugbetriebs Die inhaltlichen Grenzen der Gestaltungsfreiheit der Tarifpartner bzw. das Ausmaß der Bindung an die Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes bei der Vereinbarung einer Bordbetriebsverfassung können nur dann bestimmt werden, wenn man sich erneut die Besonderheiten des Flugbetriebs vor Augen hält, welche die gesetzliche Ausnahmeregelung rechtfertigen3. Die Tätigkeit der im Flugbetrieb Beschäftigten ist durch ein hohes Maß an Mobilität gekennzeichnet. Die Bedingungen des Flugeinsatzes erschweren eine Mandatsausübung ungemein. Die Abwesenheit erlaubt die Wahrnehmung der Betriebsratstätigkeit nur in sehr eingeschränktem Maße. Das Cockpitpersonal kann aufgrund des Erfordernisses der Aufrechterhaltung seiner Lizenzen nicht auf eine durchgängige Flugpraxis verzichten. Hinzu kommen die spezifischen Arbeitszeiten, die sich aus Flugdienst- und Ruheblöcken zusammensetzen und sich über mehrere Tage erstrecken können. Sowohl die vorgeschriebenen Mindestflugzeiten als auch die Einteilung der Arbeitszeiten, die das Kabinen- und das Cockpitpersonal gleichermaßen betreffen, erschweren nicht nur die Mandatsausübung durch die einzelnen Personalvertreter, sondern auch die Koordinierung des Gesamtgremiums Betriebsrat. Bedingt durch die Charakteristika der Tätigkeit lassen sich die einzelnen Arbeitnehmer kaum einem bestimmten Betrieb zuordnen4. Schließlich ergibt sich eine weitere Besonderheit aus der Regelungstechnik des Gesetzgebers: Das fliegende Personal wird vom Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen, ohne dass eine neue organisatorische Einheit geschaffen wird, wie dies bei der Seeschifffahrt nach § 114 Abs. 3 BetrVG der Fall ist. Auch dieser Umstand spielt bei der Bestimmung des Inhalts und der Grenzen des tarifvertraglichen Gestaltungsspielraums eine Rolle.

B. Einbindung von Gerichten und Behörden Das Betriebsverfassungsgesetz normiert eine Reihe von Rechten und Pflichten der betrieblichen Mitbestimmungsorgane, Gewerkschaften und Arbeitgeber sowie Arbeitgeberverbände, deren Durchsetzung den Arbeitsgerichten auferlegt ist. In den Tarifverträgen über die Errichtung einer Personalvertretung finden sich viele Regelungen, die sich an der gesetzlichen Ausgestaltung orientieren und folglich diese Aufgabenzuweisung an die Gerichte übernehmen. Dies ist beispielsweise der Fall für die §§ 16 Abs. 1, 10 Abs. 3 und 16 Abs. 2, 97 Abs. 6, 87 Abs. 6, 89 Abs. 2 und 3 und 91 TV PV DLH, die den §§ 23 Abs. 1, 23 Abs. 2, 10 Abs. 3, 3 4

Vgl. hierzu ausführlich § 5 B.I.2.b). So auch Hess, in: H/S/W/G, BetrVG, § 117 Rn. 9.

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§ 6 Inhalt und Grenzen der Regelungsbefugnis

76 Abs. 5, 98 Abs. 5, 100 Abs. 2 und 3, 104 BetrVG entsprechen5. Das ist problematisch, da § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG eine ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für „Angelegenheiten aus dem BetrVG, soweit nicht für Maßnahmen nach seinen §§ 119 bis 121 die Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist“, statuiert und es den Tarifvertragsparteien nicht freisteht, den Arbeitsgerichten Aufgaben zuzuweisen6. Eine solche Zuweisung kann vielmehr allein durch den Gesetzgeber erfolgen. Das Bundesarbeitsgericht7 und auch die betriebsverfassungsrechtliche Kommentarliteratur 8 sind sich jedoch einig, dass es sich bei Streitigkeiten, die sich aus diesen Tarifnormen ergeben, um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne von § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG handelt. Nach dieser Vorschrift sei das Beschlussverfahren für alle Streitigkeiten eröffnet, die sich nicht nur aus dem Betriebsverfassungsgesetz selbst, sondern auch daraus ergeben können, dass Rechte betriebsverfassungsrechtlicher Organe in Rede stehen, die ihre Grundlage in einem Tarifvertrag haben. § 117 Abs. 2 BetrVG überlasse die Schaffung und Ausgestaltung der Betriebsverfassung für die Angehörigen des fliegenden Personals der Luftfahrtunternehmen einer tariflichen Regelung. Auch eine tarifvertragliche Betriebsverfassung und sich daraus ergebende Streitigkeiten seien daher Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne des § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Im Ergebnis ist dieser Ansicht zuzustimmen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass aufgrund der gesetzlichen Delegation, die in § 1 Abs. 1 TVG i.V. m. § 117 Abs. 2 BetrVG gegenüber den Außenseiterarbeitnehmern zu sehen ist, das tarifvertragliche Betriebsverfassungsrecht integrierter Bestandteil der gesetzlichen Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes ist und damit die rechtliche Grundlage und die innere sachliche Begründung für die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gefunden ist9. Dies gilt zumindest für die Tatbestände, die in voller Übereinstimmung mit dem Gesetzeswortlaut von den Tarifpartnern in die tarifvertragliche Bordbetriebsverfassung übernommen worden sind10. Falls man eine direkte Anwendung des § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG für nicht mehr vom Wortlaut der Regelung gedeckt hält, sprechen die oben genannten Gründe für eine zumindest analoge Anwendung.

5

Schmitt, Handbuch BV, S. 165; Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 255. Schmitt, Handbuch BV, S. 165; Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 255. 7 BAG AP Nr. 17 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG AP Nr. 4 zu § 117 BetrVG 1972; zuletzt bestätigt durch BAG NZA 2006, 389, 391. 8 Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgend Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 24; Düwell, BetrVG, § 117 Rn. 11; Etzel, in: KassArbR, 9.1 Rn. 1445; Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 13; Hess, in: H/S/W/G, BetrVG, § 117 Rn. 21 ff.; Natter, in: AR-Blattei, Rn. 179; Thüsing, in: Richardi, BetrVG § 117 Rn. 17; Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 21. 9 Schmitt, Handbuch BV, S. 165. 10 Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 255. 6

C. Gruppenbildung und Stimmparität

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C. Gruppenbildung und Stimmparität Viele Tarifverträge sehen eine mehr oder weniger ausdifferenzierte Gruppenstruktur der Personalvertretungsorgane vor11. Allen Gestaltungsvarianten ist gemeinsam, dass die jeweiligen Gruppen nicht entsprechend der Anzahl ihrer im Flugbetrieb beschäftigen Mitglieder vertreten sind; vielmehr wird den Beschäftigten im Cockpitbereich eine Überrepräsentation zugebilligt. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Legitimation des Mandats und dem Grundsatz der Stimmparität sehr problematisch. Angesichts dieser Überrepräsentation und der Vorschrift, dass in jedem Fall ein Flugkapitän Vorsitzender der Gesamtvertretung sein muss12, ist zu bezweifeln, dass sich derartige Organisationsvorschriften unverändert in einem Gesetz wiederfinden würden, sollte je eine gesetzliche Grundlage für die Bordbetriebsverfassung geschaffen werden13.

I. Gruppenstruktur Wie sich aus der Darstellung der Zuständigkeiten der Mitbestimmungsorgane anhand des Tarifvertrages Personalvertretung bei der Deutschen Lufthansa AG ergibt14, weicht die von den Tarifpartnern vorgegebene Organisation der Bordbetriebsverfassung erheblich von der Organisationsstruktur des Betriebsverfassungsgesetzes ab. Aufgrund des weiten Gestaltungsspielraums, den die Rechtsprechung und auch der Großteil der betriebsverfassungsrechtlichen Kommentarliteratur den Tarifpartnern einräumen, ist es nicht verwunderlich, dass diese Gruppenbildung, unter anderem für die Bereiche Cockpit und Kabine, kaum problematisiert wird. Nach der hier vertretenen Ansicht der verfassungskonformen Auslegung des § 117 Abs. 2 S. 1 ist der Gestaltungsspielraum der Tarifpartner jedoch keineswegs konturlos, sondern hat sich grundsätzlich an den Vorgaben der gesetzlichen Betriebsverfassung zu orientieren. Nun könnte man annehmen, dass sich die Entscheidung für eine Gruppenstruktur gegen das Ziel des Betriebsverfassungsgesetzes wendet, den Betriebsrat als ein alle Beschäftigtengruppen umfassendes Integrationsorgan der Belegschaft eines Betriebes einzurichten15. In der Tat ist dem Betriebsverfassungsgesetz eine Aufspaltung der Beschäftigten nach Beruf und Funktion fremd16. Allerdings hat diese Feststellung angesichts der Sonderstellung des fliegenden Personals im Betriebsverfassungsrecht nur begrenzten Erkenntniswert. Zunächst muss bedacht 11 12 13 14 15 16

Vgl. hierzu § 2 C. Hierzu unter § 6 C. Vgl. Fitting, Festvortrag, unter II. C. Luftfahrt. Vgl. hierzu unter § 2 C.I. So Schmitt, Handbuch BV, S. 139. Jordan, Sachgerechte Wahrnehmung, S. 42; Kort, ZfA 2000, 329, 356.

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§ 6 Inhalt und Grenzen der Regelungsbefugnis

werden, dass die Bereichsausnahme für das fliegende Personal an die Tätigkeit der im Flugbetrieb Beschäftigten anknüpft und es insofern gleichgültig ist, ob der Flugbetrieb insgesamt nach den allgemeinen Regeln als selbstständiger Betrieb anzusehen oder einzelne Teile einem oder mehreren Bodenbetrieben zuzuordnen sind17. Die Regelung schafft für das fliegende Personal auch keinen neuen Betrieb18, wie dies für die Seeschifffahrt in § 114 Abs. 3 BetrVG der Fall ist und wie dies durch § 24 Abs. 1 S. 2 KSchG für das fliegende Personal im Kündigungsrecht festgelegt worden ist. Insofern muss zunächst festgestellt werden, dass der Grundsatz der betriebsumfassenden Interessenintegration der gesetzlichen Betriebsverfassung auf die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres übertragen werden kann, da diese keine vergleichbare betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit bilden19. Vielmehr werden die Organisationseinheiten der Bordbetriebsverfassung erst durch die Tarifpartner vereinbart. Dennoch sind die Tarifvertragsparteien bei der Ausgestaltung der Organisation der Bordbetriebsverfassung nicht völlig frei. Die Frage nach der Zulässigkeit der beschäftigungsgruppenorientierten Organisation der tarifvertraglichen Betriebsverfassung nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist unter Rückgriff auf die Grundprinzipien des Betriebsverfassungsgesetzes, insbesondere auf die Ordnungskriterien, zu klären. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Bereichsausnahme gerade für verfahrensmäßige und organisatorische Abweichungen ihre Berechtigung hat, da die nicht ortsgebundene Tätigkeit des fliegenden Personals dessen Zuordnung zu einem Betrieb und dessen Vertretung oder Mitvertretung durch den Betriebsrat schwierig macht20. Dies bedeutet, dass die Tarifvertragsparteien bei der Ausgestaltung der Organisation der Bordbetriebsverfassung ein weit höheres Maß an Gestaltungsfreiheit in Anspruch nehmen können als bei der Regelung der materiellen Mitbestimmungsrechte21. 1. Ordnungskriterien der Betriebsverfassung Das auf dem Arbeitsvertrag gründende Weisungsrecht des Arbeitgebers führt im Rahmen der betrieblichen Arbeitsorganisation zu einer weitgehenden Fremdbestimmung. Die betriebliche Mitbestimmung soll diese Abhängigkeit abmildern und einen Ausgleich in der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer 17 Ebenso Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 10; Thüsing, in: Richardi, BetrVG § 117 Rn. 1. 18 So ausdrücklich Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 7; Franzen, in: GKBetrVG, § 117 Rn. 10. 19 Anders Schmitt, Handbuch BV, S. 139, der übersieht, dass der Flugbetrieb nicht zwingend einen Betrieb im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne bilden muss. 20 Vgl. BAG AP Nr. 4 zu § 117 BetrVG 1972 (unter II.2.); Hess, in: H/S/W/G, BetrVG, § 117 Rn. 9. 21 Vgl. hierzu bereits § 5 B.II.1.b).

C. Gruppenbildung und Stimmparität

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herstellen22. Die gesetzliche Betriebsverfassung dient also dem sozialen Schutz der Arbeitnehmer, indem das Direktionsrecht des Arbeitgebers aufgrund der normierten Beteiligungsrechte zugunsten der Selbstbestimmung der Arbeitnehmer beschränkt wird und den Arbeitnehmern wirkungsvolle Einrichtungen zur Ausübung dieser Rechte zur Verfügung gestellt werden. Die sachgerechte Wahrnehmung dieser Interessen steht somit als bestimmendes Ordnungskriterium hinter dem Betriebsverfassungsgesetz, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Beteiligungsrechte, sondern auch auf die Organisationsvorschriften. Vor diesem Hintergrund ist die Frage zu klären, nach welchen Kriterien die Arbeitnehmer den jeweiligen Vertretungsorganen zugeordnet werden und welche Vorgaben sich hieraus für die Gestaltung der gewillkürten Vertretungsorgane nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG ableiten lassen. In der Diskussion um das Betriebsverfassungsgesetz werden hierzu zwei gegensätzliche Meinungen vertreten: Zum einen wird für die Zuordnung der Arbeitnehmer zu ihrer Interessenvertretung auf die Leitungsmacht auf Arbeitgeberseite abgestellt (Leitungsmachtanbindung), zum anderen soll eine Zusammenfassung der Arbeitnehmer nach sozialen Verbundenheitskriterien erfolgen (Arbeitnehmernähe)23. Die Leitungsmachtanbindung stellt das dominierende Zuordnungsprinzip im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts24 und der herrschenden rechtswissenschaftlichen Literatur25 bildet der einheitliche Leitungsapparat in personellen und sozialen Angelegenheiten das dominierende betriebskonstituierende Element. Durch eine korrespondierende Gestaltung der Mitbestimmungsorgane wird sichergestellt, dass ihnen diejenigen maßgeblichen Gremien des Arbeitgebers als Verhandlungspartner gegenüberstehen, deren Entscheidungskompetenz der betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeit des Mitbestimmungsorgans entspricht26. Schließlich hat der Gesetzgeber selbst mit der Installation der Mitbestimmungsorgane entlang den klassischen Entscheidungs- bzw. Leitungsstellen des Arbeitgebers zum Ausdruck gebracht, dass das Prinzip der Entscheidungsnähe der Interessenvertretung der Betriebsverfassung zugrunde liegt27. Auch das Prinzip der Arbeitnehmernähe bzw. Belegschaftsnähe ergibt sich aus dem Erfordernis einer möglichst wirkungsvollen repräsentativen Interessenvertre22

Däubler, in: D/K/K, BetrVG, Einleitung Rn. 46 ff. Grundlegend hierzu Rancke, Betriebsverfassung, S. 253 ff.; vgl. auch Rolf, Betriebsratsstruktur, S. 37. 24 St. Rspr. zuletzt BAG AP Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969. 25 Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 71; Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 28; Rose, in: H/S/ W/G, BetrVG, § 1 Rn. 24; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 10; Plander, NZA 2002, 483; Preis, RdA 2000, 257, 278; Richardi, in: Richardi, BetrVG § 1 Rn. 27; Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 1 Rn. 78. 26 Vgl. Jordan, Sachgerechte Wahrnehmung, S. 17; Rolf, Betriebsratsstruktur, S. 38 ff. 27 Vgl. Jordan, Sachgerechte Wahrnehmung, S. 17. 23

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§ 6 Inhalt und Grenzen der Regelungsbefugnis

tung, da diese nur durch eine Rückkoppelung zwischen Vertretungsorgan und Vertretenen realisiert werden kann. Das Prinzip der Belegschaftsnähe kommt auch an mehreren Stellen des Betriebsverfassungsgesetzes zum Ausdruck. Zu denken ist insbesondere an die §§ 4 und 47 ff. BetrVG. § 4 BetrVG hält selbst Teileinheiten eines Betriebes unter bestimmten Voraussetzungen für betriebsratsfähig, wenn sie räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind oder wegen ihres Aufgabenbereichs oder ihrer Organisation eigenständig sind. Diese Kriterien typisieren nichts anderes als das Fehlen von Verbundenheit zwischen Mitbestimmungsorganen im Hauptbetrieb und den Arbeitnehmern im Betriebsteil28. Die §§ 47 ff. BetrVG gehen davon aus, dass in dezentralen Unternehmensorganisationen die Erstzuständigkeit beim Betriebsrat und nicht bei dem auf Unternehmensebene gebildeten Gesamtbetriebsrat liegt29. Mit dieser vorrangigen Anknüpfung auf betrieblicher Ebene bezweckt die Betriebsverfassung ebenfalls eine arbeitnehmernahe Repräsentation der Belegschaft30. Das Kriterium der Belegschaftsnähe soll gewährleisten, dass zwischen den Mitbestimmungsorganen und den Arbeitnehmern ein gewisses Näheverhältnis besteht und dass den Interessenvertretern die Arbeitsbedingungen der von ihnen vertretenen Arbeitnehmer bekannt sind31. Durch die Anbindung der Mitbestimmungsorgane an eine homogene Gruppe wird eine authentische Mitbestimmung aufgrund einer gemeinsamen Interessenlage ermöglicht. Wenngleich das Bundesarbeitsgericht in jüngerer Zeit die Abgrenzung selbstständiger Betriebe zunehmend auf das Merkmal des institutionell abgesicherten einheitlichen Leitungsapparats reduziert32, der den Kern der Arbeitgeberfunktionen im Bereich der personellen und sozialen Angelegenheiten wahrnimmt, so berücksichtigt es dennoch hilfsweise das Strukturprinzip der Belegschaftsnähe33. Aus diesem Grund kann dem Prinzip der Belegschaftsnähe die Eigenschaft als Ordnungsprinzip der Betriebsverfassung nicht abgesprochen werden. 2. Berücksichtigung der Ordnungskriterien bei tarifautonomen Regelungen Nachdem die entscheidungsnahe- und die belegschaftsnahe Anknüpfung als Ordnungskriterien der gesetzlichen Betriebsverfassung identifiziert wurden, ist nun nach dem Erkenntniswert für die tarifvertragliche Bordbetriebsverfassung zu fragen. Ausgangspunkt muss einmal mehr die in der Bereichsausnahme für das fliegende Personal zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers sein. 28

Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 274. Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 36. 30 Vgl. Jordan, Sachgerechte Wahrnehmung, S. 19. 31 Hierzu grundlegend BAG AP Nr. 5 zu § 3 BetrVG 1952. 32 Vgl. etwa BAG AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 4 zu § 4 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 1 zu § 7 BetrVG 1972. 33 Zuletzt BAG AP Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969. 29

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Der Gesetzgeber hat ohne Rücksicht auf die organisatorische Zuordnung des Flugbetriebs im Unternehmen das fliegende Personal aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes herausgenommen34, ohne jedoch eine Betriebsfiktion vergleichbar derjenigen für die Seeschifffahrt in § 114 Abs. 3 BetrVG zu statuieren. Dennoch lässt sich eine Parallele zwischen der betriebsverfassungsrechtlichen Situation in der Seeschifffahrt und beim fliegenden Personal ziehen: Für beide Bereiche nimmt der Gesetzgeber keine Rücksicht auf den unternehmensinternen Leitungsapparat. Sowohl die Seeschifffahrts- als auch die Luftfahrtunternehmen müssen sich also bei der Organisation des Leitungsapparates zumindest insofern anpassen, als dem legaldefinierten Betrieb bzw. der tarifvertraglich geschaffenen Organisationseinheit ein in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht entscheidungsbefugter Ansprechpartner zur Verfügung gestellt werden muss, um eine Funktionslosigkeit des jeweiligen Mitbestimmungsorgans zu verhindern. Hieraus lässt sich eine Erkenntnis für die tarifvertragliche Ausgestaltung der Betriebsverfassung für das fliegende Personal gewinnen: Die Leitungsmachtanbindung kann nicht das ausschlaggebende Kriterium bei der Bildung betriebsverfassungsrechtlicher Organisationseinheiten für das fliegende Personal sein. Denn würde sich der Flugbetrieb oder zumindest ein Teil des Flugbetriebs unter den gängigen betriebsverfassungsrechtlichen Kriterien als Teil eines Landbetriebs darstellen, würde die gesetzliche Bereichsausnahme für das fliegende Personal eine derartige Zuordnung verhindern. Somit gewinnt die Maxime der Belegschaftsnähe an Gewicht. Bestimmt wird dieses Näheverhältnis zum einen durch die Beziehung zwischen Vertreter und Vertretenen, zum anderen durch die Beziehung der Vertretenen untereinander, also die Abgrenzung der Repräsentativgemeinschaft selbst35. Für eine hinreichend enge Beziehung zwischen Interessenvertreter und Vertretenen können verschiedene Faktoren herangezogen werden. Die räumliche Verbundenheit, die oft als ein wesentliches Kriterium der Belegschaftsnähe genannt wird36, kann für das fliegende Personal aufgrund der nicht ortsgebundenen Art der Tätigkeit keine Relevanz haben. Als weitere Faktoren werden die Sachkunde des Betriebsrats37, d. h. die Kenntnis der Arbeitsumstände, und das Bestehen einer Interessengemeinschaft38 genannt. Die Sachkenntnis der Vertreter stellt sicher, dass sie der Ausübung der Mitbestimmungsrechte Über-

34 Ebenso Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 10; Thüsing, in: Richardi, BetrVG § 117 Rn. 1. 35 Jordan, Sachgerechte Wahrnehmung, S. 44. 36 Vgl. Jordan, Sachgerechte Wahrnehmung, S. 35; Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 241 ff.; Rolf, Betriebsratsstruktur, S. 49. 37 Vgl. Gamillscheg, AuR 2001, 411, 414; Jordan, Sachgerechte Wahrnehmung, S. 36. 38 Vgl. Gamillscheg, AuR 2001, 411, 413 ff.; Jordan, Sachgerechte Wahrnehmung, S. 38.

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legungen zugrunde legen, die von den tatsächlichen Arbeitsbedingungen ausgehen39. Dies wird dadurch gewährleistet, dass die Interessenvertreter dem Arbeitsumfeld der zu vertretenen Arbeitnehmergruppe entstammen. Hierdurch wird zudem eine Interessengemeinschaft zwischen Vertreter und Vertretenem erreicht, da der Vertreter die gleiche Motivationslage hat wie die Arbeitnehmer in der jeweiligen Repräsentationseinheit. Belegschaftsnähe wird jedoch nicht allein durch die Beziehung zwischen Interessenvertretung und Arbeitnehmern bestimmt, sondern nimmt auch Bezug auf die Beziehungen der Arbeitnehmer untereinander. Bereits aus dem Umstand, dass die Betriebsverfassung nicht von vornherein alle Arbeitnehmer eines Unternehmens zu einer Repräsentativgruppe zusammenfasst, ergibt sich, dass allein die einheitliche Unterworfenheit der Arbeitnehmer unter die Weisungshoheit ein und desselben Arbeitgebers nicht ausschlaggebend für die Abgrenzung einer Repräsentativgemeinschaft sein kann40. Eine möglichst homogene Arbeitnehmergruppe zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die Arbeitnehmer die gleichen oder zumindest ähnliche Arbeitsbedingungen haben und einen gemeinsamen Aufgabenbereich wahrnehmen41. Schließlich kann auch die betriebliche Abstimmung verschiedener Tätigkeiten aufeinander die Belegschaft zu einer Interessengemeinschaft zusammenschweißen42. Wendet man die herausgearbeiteten Kriterien auf die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer an, lässt so daraus der Schluss ziehen, dass das Prinzip der Belegschaftsnähe gegen eine einzige Vertretung für die gesamte Belegschaft spricht. Zunächst fällt die völlig unterschiedliche Gestaltung des Arbeitsumfeldes in Cockpit und Kabine auf43. Die Arbeitsabläufe in diesen jeweiligen Bereichen unterscheiden sich grundlegend. Die Aufspaltung in einen Cockpit- und einen Kabinenbereich ist also der Entstehung einer Interessengemeinschaft zwischen Vertreter und Vertretenem sehr förderlich. Zudem bilden diese beiden Beschäftigungsgruppen jeweils für sich aufgrund einer ähnlichen Ausbildung, gleicher Arbeitsbedingungen und der engen Abstimmung der jeweiligen Tätigkeiten eine homogene Arbeitnehmergruppe. Insbesondere was den sicherheitsrelevanten Bereich der Ausbildung, der Fortbildung und des Trainings betrifft, ist eine große Diskrepanz zwischen dem Cockpit- und dem Kabinenbereich festzustellen44. Damit lassen sich aber nicht alle existierenden Gruppen rechtfertigen45. Das Prinzip 39

So bereits Rancke, Betriebsverfassung, S. 255 f. Jordan, Sachgerechte Wahrnehmung, S. 39. 41 Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 241. 42 Vgl. Jordan, Sachgerechte Wahrnehmung, S. 43. 43 Schmitt, Handbuch BV, S. 140. 44 So auch Schmitt, Handbuch BV, S. 140. 45 Schmitt, Handbuch BV, S. 140; Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 217 ff.; kritisch auch Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 16. 40

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der Belegschaftsnähe fordert nämlich nicht, dass die vertretenen Arbeitnehmer im Einzelnen die gleiche Arbeit ausführen bzw. detailliert nach Beruf und Funktion in verschiedene Gruppen eingeteilt werden, wie dies etwa im TV PV DLH geschieht. So ist es auch nicht verwunderlich, dass dem Betriebsverfassungsgesetz eine derartige Aufspaltung fremd ist46. Es darf nicht verkannt werden, dass das Kriterium der Belegschaftsnähe der Verwirklichung einer effektiven und wirkungsvollen, also sachgerechten Arbeitnehmervertretung dienen soll und keinen Selbstzweck darstellt. Die Prinzipien der Entscheidungs- und Belegschaftsnähe stehen in einem kontradiktorischen Spannungsverhältnis zueinander, das meist einer Auflösung bedarf und nur in den wenigsten Fällen zu denselben Ergebnissen führt47. Eine einseitige Berücksichtigung des Prinzips der Belegschaftsnähe würde zu einer Atomisierung und Partikularisierung der betrieblichen Interessenvertretung führen, die dem übergeordneten Ziel einer sachgerechten Ordnung der Betriebsverfassung zuwiderlaufen würde. Immer dann, wenn die Authentizität der Interessenvertretung zu stark gewichtet wird, droht Zersplitterung, leidet die Homogenität der Interessenvertretung und damit die Effizienz der Interessendurchsetzung48. Aus den genannten Gründen ist eine Aufgliederung in sechs verschiedene Gruppen wie etwa im TV PV DLH wohl nicht mehr gerechtfertigt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bereits durch eine Aufteilung in einen Cockpit- und Kabinenbereich dem Prinzip der Belegschaftsnähe Rechnung getragen wird. Dieser Erkenntnis entspricht auch der Trend in der Tarifpraxis, sich auf eine Aufteilung in zwei Gruppen zu beschränken49. Für die Zulässigkeit der gruppenweisen Organisation der Bordbetriebsverfassung in der Weise des TV PV DLH spricht allerdings der Umstand, dass die Gruppeninteressen gemäß § 35 TV PV DLH in der Gesamtvertretung zusammengeführt werden, wenn in einer Angelegenheit mehrere Gruppen betroffen sind oder die Gesamtvertretung eine Angelegenheit an sich zieht50. Hierdurch wird das Prinzip der Belegschaftsnähe realisiert, während gleichzeitig im Sinne einer effektiven Arbeitnehmervertretung die Integration der Partikularinteressen in ein Gesamtvertretungsorgan gewährleistet wird. Diese Gestaltung ist auch nach dem hier vertretenen Verständnis des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG zulässig. 46 Vgl. hierzu Kort, ZfA 2000, 329, 356, der in diesem Zusammenhang auch auf die aufgegebene Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten hinweist. 47 So bereits Rancke, Betriebsverfassung, S. 256; ebenfalls Jordan, Sachgerechte Wahrnehmung, S. 195. 48 Jordan, Sachgerechte Wahrnehmung, S. 42. 49 Hierbei ist zu beobachten, dass sich die jeweiligen Gewerkschaften in den neusten TV PV darauf beschränken, jeweils eine Personalvertretung entweder für die Kabine oder das Cockpit zu vereinbaren (hierzu sogleich unter § 7 E.), während davor noch einige TV PV für das gesamte fliegende Personal vereinbart wurden, die jedoch im Unterschied zum TV PV DLH nur zwei Gruppen bilden. 50 Schmitt, Handbuch BV, S. 141.

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II. Grundlage des Mandats Nachdem die Zulässigkeit der Organisation der Bordbetriebsverfassung in einer Gruppenstruktur untersucht wurde, verlagert sich der Schwerpunkt der Prüfung auf die Frage der angemessenen Repräsentation der einzelnen Beschäftigungsgruppen in der Gesamtvertretung, die letztlich über das Schicksal von Gruppeninteressen entscheidet. Damit unmittelbar verbunden ist die Vorschrift über den Vorsitz in der Gesamtvertretung. Alle Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung, die eine solche Gruppenstruktur aufweisen, haben nämlich eins gemeinsam: Die einzelnen Beschäftigungsgruppen sind nicht entsprechend der Anzahl der repräsentierten Arbeitnehmer im Gesamtvertretungsgremium vertreten, wie dies in § 47 Abs. 7 BetrVG eigentlich vorgesehen ist, sondern nach einem bestimmten Quorum. Dies gilt im besonderen Maße für den TV PV DLH. Das Cockpitpersonal verfügt über insgesamt zwölf Stimmen, während das – zahlenmäßig überwiegende – Kabinenpersonal ebenfalls nur zwölf Stimmen besitzt. Anders als bei einem Gesamtbetriebsrat wird nach § 39 Abs. 2 des Tarifvertrages nicht nach der Zahl der repräsentierten Arbeitnehmer, sondern nach Köpfen abgestimmt. Dies führt im Ergebnis zu einer erheblichen Überrepräsentation des Cockpitpersonals. Däubler spricht in diesem Zusammenhang von einem 6-Klassen-Wahlrecht51, während die übrige Kommentarliteratur dieser tarifvertraglichen Ausgestaltung weitgehend unkritisch gegenübersteht52. In der Tat ist eine derartige Tarifvertragspraxis unter dem Gesichtspunkt des demokratischen Gebots der Einheit von Mandat und Legitimation problematisch53. Ein Blick auf die Ausgestaltung der Gesamtvertretung bei der Deutschen Lufthansa verdeutlicht das Problem: Sie kennt neben der Zuständigkeit in Angelegenheiten, die alle oder mehrere Gruppenvertretungen betreffen, auch eine gewillkürte Zuständigkeit54. Die Mitglieder der Gesamtvertretung entscheiden häufig in Angelegenheiten, die durch ihr aus der Gruppenwahl entstandenes Mandat nicht gedeckt sind55. Die Unzulässigkeit einer derartigen Regelung kann sich nun unter zwei Gesichtspunkten ergeben. Zunächst stellt sich die Frage, inwiefern das demokratisch legitimierte betriebsverfassungsrechtliche Mandat zu den unverzichtbaren Grundgedanken der Betriebsverfassung gehört. Darüber hinaus könnten sich Vorgaben hinsichtlich der Stimmgewichtung aus einer eventuell bestehenden Grundrechtsbindung der Tarifpartner ergeben. 51

Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 18. Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 8; Hess, in: H/S/W/G, BetrVG, § 117 Rn. 16; Natter, in: AR-Blattei, Rn. 175; Thüsing, in: Richardi, BetrVG § 117 Rn. 12 ff.; Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 14 f. 53 Vgl. Schmitt, Handbuch BV, S. 141. 54 Vgl. hierzu bereits § 2 C.I.1.b). 55 So bereits Schmitt, Handbuch BV, S. 141 f.; Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 220 f. 52

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1. Einheit von Mandat und Legitimation als Prinzip der Betriebsverfassung Die Debatte, ob die Betriebsverfassung durchgängig demokratischen Grundsätzen unterliegt, wirft die Grundsatzfrage nach der Rechtsnatur der Betriebsverfassung auf. Sie wird kontrovers diskutiert und ist noch weit von einer Klärung entfernt. Nach Konzeptionen aus jüngerer Zeit fußt die Betriebsverfassung im Privatrecht56. Diese Rechtsnatur soll aus der Vertragsrechtsakzessorietät der Betriebsverfassung folgen, das heißt, die Legitimation der Betriebsverfassung ergebe sich allein aus dem Arbeitsvertrag. Der Zweck der betrieblichen Mitbestimmung bestehe darin, die grundrechtlich geschützte Freiheit der Berufsausübung beider Arbeitsvertragsparteien im Betrieb zu einem schonenden Ausgleich zu bringen, und zwar indem diese Freiheit aufseiten des Arbeitnehmers ermöglicht und aufseiten des Arbeitgebers beschränkt werde57. Angesichts der Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitsvertrag und von der betrieblichen Organisation behielte die Beziehung der Vertragspartner den Charakter gegenseitig wahrgenommener Freiheit nur unter der Voraussetzung, dass die Abhängigkeit des Arbeitnehmers kompensiert werde58. Das Vertragsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sei nämlich durch ein strukturelles Ungleichgewicht zuungunsten des Arbeitnehmers charakterisiert. Deshalb stelle das Gesetz die „Kunstfigur Betriebsrat bereit, die (funktionell) nichts anderes als ,Vertragshelfer‘ zugunsten des Arbeitnehmers sein soll und sein kann“ 59. Unter anderem mit dem Instrument der Betriebsvereinbarung bewirke der Betriebsrat die angesichts der Abhängigkeit des Arbeitnehmers notwendige „Angemessenheitskontrolle“, und zwar in Bezug auf „die eher sozial-immateriellen Interessen der Belegschaft“ 60. Rieble hat diesen Ansatz Reicholds aufgegriffen und ihn noch zugespitzt, indem er nämlich den Betriebsrat gewissermaßen aus dem Lager der Arbeitnehmer in die Sphäre des Arbeitgebers verschiebt61: Im Unterschied zu den Gewerkschaften aggregiere der Betriebsrat nicht die Vertragskompetenzen der Arbeitnehmer, um sie zu stärken und eine Gegenmacht zur Arbeitgeberseite zu bilden; er sei vielmehr intern in die Willensbildung nur des Arbeitgebers eingeschaltet und beschränke dessen Vertragsautonomie kraft staatlichen Auftrags; Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Zusammenspiel mit der Theorie von der Wirksamkeitsvoraussetzung komme deshalb im Ergebnis dieselbe Funktion zu wie § 315 Abs. 3 BGB62. Wenn aber der Betriebsrat nur intern die Entscheidungsmacht des 56 Vgl. hierzu Reichold, Betriebsverfassung, und Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb. 57 Hänlein, RdA 2003, 26, 29. 58 Reichold, Betriebsverfassung, S. 493 f. 59 Reichold, Betriebsverfassung, S. 499. 60 Reichold, Betriebsverfassung, S. 509 f. 61 Hänlein, RdA 2003, 26, 29. 62 Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1422.

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Arbeitgebers begrenze und beeinflusse, entstehe im Verhältnis zu den Arbeitnehmern kein Legitimationsproblem; der Betriebsrat dürfe den Arbeitnehmer nur insoweit belasten, wie dies auch der Arbeitgeber könnte, sodass keine begründungsbedürftige Fremdbestimmung gegeben sei63. Dieser Ansatz vermag jedoch nicht vollständig zu überzeugen. Die Tätigkeit des Betriebsrats lässt sich nämlich nicht darauf reduzieren, dass er dem Arbeitgeber stets nur in den Arm fällt und ihn daran hindert, Dinge zu tun, die er kraft Arbeitsvertrag und Direktionsrecht ansonsten unkontrolliert durchsetzen könnte64. Die Mitwirkung des Betriebsrats kann vielmehr auch eigenständig belastenden Charakter haben65, sodass die Betriebsratstätigkeit nicht allein durch den Abschluss des Arbeitsvertrages legitimiert sein kann. Vielmehr bedarf es eines weiteren legitimatorischen Elements, das in Form der Wahl der Betriebsratsmitglieder durch die gesamte Belegschaft zum Greifen nahe liegt. Es verwundert umso mehr, dass für die so prononciert vorgetragenen neueren Ansätze dieser Akt repräsentativer Autonomie irrelevant sein soll. Auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat die Repräsentation der Belegschaft als legitimierendes Element seit jeher eine wichtige Rolle gespielt66. Die These, dass die Legitimation der Betriebsverfassung keinesfalls allein mit privatautonomen Erklärungsansätzen begründet werden kann, sondern eines Rückgriffes auch auf das demokratische Element der Betriebsratswahl bedarf, bestätigt auch ein Blick auf die Konzeption der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Einzelbetriebsräten und den Gesamt- sowie Konzernbetriebsräten in der gesetzlichen Betriebsverfassung. Sowohl der Gesamtbetriebsrat als auch der Konzernbetriebsrat sind keine gewählten Gremien, sondern aus entsandten Betriebsratsmitgliedern bestehende Organe. Nach der Errichtungsweise stellt sich der Gesamtbetriebsrat bzw. Konzernbetriebsrat als Arbeitsgemeinschaft von Betriebsratsmitgliedern dar67. Dies steht im erheblichen Widerspruch zum gesetzlichen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich dieser Gremien nach §§ 50 bzw. 58 BetrVG68.

63

Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1423. Hänlein, RdA 2003, 26, 30. 65 Vgl. hierzu Hänlein, RdA 2003, 26, 30, der unter anderem darauf verweist, dass der Rechtsschutz gegen eine Kündigung eingeschränkt wird, wenn der Arbeitnehmer in einem vom Betriebsrat mit dem Insolvenzverwalter vereinbarten Interessenausgleich als zu Kündigender bezeichnet wurde (§ 125 InsO), sowie darauf, dass die Betriebsvereinbarung nach § 95 BetrVG Auswahlrichtlinien enthält und die Chancen eines gekündigten Arbeitnehmers im Prozess ebenfalls verschlechtert. 66 Vgl. etwa BAGE 3, 1, 9; 60, 78, 83 ff.; BAG AP Nr. 65 zu § 77 BetrVG; BAG AP Nr. 5 zu § 50 BetrVG 1972. 67 Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 209. 68 Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 14 f.; vgl. Kreutz, in: GK-BetrVG, § 47 Rn. 57. 64

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Mit den Regelungen in §§ 47 Abs. 7 bzw. 55 Abs. 3 BetrVG über eine Differenzierung des Stimmgewichts der Mitglieder des Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrats soll daher der Umstand, dass jeder Betriebsrat ein oder zwei Mitglieder in das jeweilige Gremium delegiert, mit den tatsächlichen Belegschaftsstärken der einzelnen Betriebe zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden. Die gesetzliche Regelung der verbindlichen Errichtung des Gesamtbetriebsrats durch Entsendung von Betriebsräten stützt sich auf die Legitimation der vorherigen Betriebsratswahl, sodass aus diesem Grund eine zusätzliche Legitimation durch die Belegschaften entbehrlich ist69. Durch diese Regelung kommt nicht nur die legitimierende Wirkung der Betriebsratswahl zum Ausdruck, sondern auch der Grundsatz, dass die Stimmgewichtung der einzelnen Betriebsratsmitglieder den tatsächlichen Stärkeverhältnissen der repräsentierten Betriebe und damit der Einheit von Mandat und (kongruenter) Legitimation entsprechen muss. Hiergegen spricht auch nicht der Umstand, dass der Gesetzgeber durch das Betriebsverfassungsreformgesetz 2001 in § 50 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 BetrVG die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats auf Betriebe ohne Betriebsrat erstreckt hat. Er reagierte damit auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes70 und die bis dahin herrschende Lehre71, welche die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates jedenfalls für solche Betriebe ablehnten, die betriebsratsfähig sind, einen Betriebsrat aber nicht gebildet haben. Trotz aller Bedenken gegen diese systemwidrige Kompetenzerweiterung des Gesamtbetriebsrats72 reicht es aus legitimatorischer Sicht aus, dass die Arbeitnehmer betriebsratsloser Betriebe die Möglichkeit haben, ihrerseits einen Betriebsrat zu wählen, und dadurch im Gesamtbetriebsrat vertreten sein können73. Nach alldem ist festzustellen, dass das demokratisch legitimierte betriebsverfassungsrechtliche Mandat zu den unverzichtbaren Grundgedanken der Betriebsverfassung gehört74. Hieran müssen sich die Tarifvertragsparteien auch bei der Ausgestaltung der Bordbetriebsverfassung halten. Dies bedeutet, dass die Gruppenbildung, wie sie im TV PV DLH vorgesehen ist, aufgrund der Integration in 69

Kreutz, in: GK-BetrVG, § 50 Rn. 48. BAG AP Nr. 5 zu § 50 BetrVG 1972. 71 Vgl. hierzu Kreutz, in: GK-BetrVG, 6. Auflage, § 50 Rn. 41 m.w. N. 72 So Kreutz, in: GK-BetrVG, § 50 Rn. 48 f.; Fitting, BetrVG, § 50 Rn. 29; a. A.: Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 316. 73 Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 212. 74 Im Ergebnis ebenso Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 18; Schmitt, Handbuch BV, S. 141; Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 220 f. In der übrigen Kommentarliteratur wird diese Thema nicht weiter problematisiert, was wohl daran liegen dürfte, dass den Tarifvertragsparteien im Rahmen des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG eine sehr weite Ausgestaltungsbefugnis eingeräumt wird: Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 7; Hess, in: H/S/ W/G, BetrVG, § 117 Rn. 12; Kania, in: ErfK, § 117 BetrVG Rn. 2; Koch, in: Schaub, ArbR-Hdb, § 211 Rn. 24; Natter, in: AR-Blattei, Rn. 175; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 117 Rn. 13; Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 13. 70

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eine Gesamtvertretung zwar grundsätzlich zulässig ist, bei der Ausgestaltung jedoch eine Überrepräsentation einer Gruppe verhindert werden muss, sodass die Einheit zwischen Mandat und (kongruenter) Legitimation gewahrt bleibt. Hieraus ergibt sich, dass das System der Gruppenvertretungen und Gesamtvertretung, wie es etwa im TV PV DLH vorgesehen ist, den Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes nicht entspricht. Diese Abweichung ist auch nicht durch die Spezifik des Flugbetriebs gerechtfertigt. 2. Vorgaben aus der Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien Der Umstand, dass die Stimmen der verschiedenen Belegschaftsgruppen bei der Zusammensetzung der Gesamtvertretung einen unterschiedlichen Erfolgswert aufweisen ist auch unter dem Gesichtspunkt einer eventuell bestehenden Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien problematisch. Es stellt sich die Frage, ob die Überrepräsentation des Cockpitpersonals und die dementsprechende Unterrepräsentation des Kabinenpersonals mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist75. Zunächst gilt es jedoch zu klären, ob und in welchem Umfang die Tarifvertragsparteien überhaupt an die Grundrechte gebunden sind. Diese Grundrechtsbindung ist aufgrund der bereits darlegten Besonderheiten des Tarifvertrags76 umstritten: Einerseits handelt es sich um private Vereinbarungen, andererseits hat der Staat diesen Vereinbarungen Rechtsnormqualität zuerkannt77. Deshalb kommt der tarifvertraglichen Rechtsetzung eine Zwischenposition zwischen rein privater Regelung und staatlicher Rechtsetzung zu. In der Rechtsprechung wie auch in der Literatur besteht darum im Grunde Einigkeit darüber, dass die Parteien des Tarifvertrages bei der Setzung von Tarifnormen an die Grundrechte gebunden sind. Die Frage, ob es sich um eine unmittelbare oder eine mittelbare Grundrechtsbindung handelt, wird jedoch nicht einheitlich beantwortet78 Im Folgenden soll der Meinungsstreit über die Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien nicht in voller Breite nachgezeichnet werden79; stattdessen soll auf die Erkenntnisse über die Legitimation tarifvertraglicher Normsetzung zurückgegriffen werden80. Es wurde festgestellt, dass sich die Tarifautonomie gegenüber den 75

Kritisch hierzu insbesondere Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 18. Vgl. hierzu § 4. 77 Kreiling, Erstreckung, S. 196. Vgl. hierzu bereits § 4 A.I. 78 Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur ging früher von einer unmittelbaren Grundrechtsgeltung aus. Grundlegend für die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war die Entscheidung vom 15.1.1955 (BAG AP Nr. 4 zu Art. 3 GG), der sich weite Teile der Literatur anschlossen. Vgl. etwa Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 72 f. 79 Ausführlich hierzu Kreiling, Erstreckung, S. 196 ff. 80 Vgl. hierzu § 4 A. und § 4 B. 76

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Mitgliedern der Tarifpartner als kollektiv ausgeübte Privatautonomie darstellt, mithin privatautonomen Ursprungs ist. Gegenüber Außenseitern können tarifvertragliche Normen allein aufgrund einer staatlichen Geltungserstreckung legitimiert sein, wie dies in § 3 Abs. 2 TVG für Betriebsnormen vorgesehen ist, da die Koalitionen kein allgemeines, über ihre Mitglieder hinausreichendes Mandat haben. Aufgrund dieses unterschiedlichen Geltungsgrundes kann hinsichtlich der Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte auch keine allgemeingültige Aussage getroffen werden. Vielmehr ist zwischen Mitgliedern und Außenseiterarbeitnehmern zu differenzieren. Mit dieser Feststellung ist bereits eine wesentliche Weichenstellung zur Beantwortung der vorliegenden Fragestellung erfolgt. Gegenüber den Mitgliedern kommt aufgrund der privatautonomen Legitimation eine unmittelbare Grundrechtsbindung nicht in Betracht. Für die Begründung, warum die Tarifverträge dennoch zumindest einer mittelbaren Grundrechtsbindung unterliegen, gibt es verschiedene Ansätze. Zum Teil wird auf die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte abgestellt, die als objektive Wertentscheidungen auch im Zivilrecht zu beachten seien81. Des Weiteren wird auf die vom Bundesverfassungsgericht82 entwickelte Lehre vom Schutzauftrag der Grundrechte als Grundlage für eine mittelbare Grundrechtsgeltung verwiesen83. Dieser Ansicht hat sich inzwischen auch der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts angeschlossen84. Demgegenüber hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts einen differenzierenden Standpunkt eingenommen, indem er zwischen Freiheitsund Gleichheitsrechten differenziert85. Soweit den tarifvertraglichen Rechtsnormen auch gegenüber Außenseitern unmittelbare und zwingende Wirkung zukommt, wie dies bei Normen nach § 3 Abs. 2 TVG der Fall ist, stellt sich die Situation etwas anders dar. In diesem Bereich ist die tarifvertragliche Normsetzung nicht mehr durch die Freiwilligkeit des Verbandsbeitritts legitimiert, sondern allein durch den Geltungsbefehl des Gesetzgebers86. Ähnlich wie im Falle der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages wird durch einen staatlichen Rechtsetzungsakt der Kreis der tarif-

81

Hierzu allgemein BVerfGE 73, 261, 269 f. BVerfGE 81, 242, 254 ff.; 89, 214, 232 ff. 83 Vgl. hierzu Höfling, in: Sachs, GG, Art. 9 Rn. 93; Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 246 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 1 Rn. 42; Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, Grundlagen Rn. 212 ff.; Schiek, in: Däubler, TVG, Einleitung Rn. 204 ff. 84 BAGE 88, 118, 123 f.; 88, 162, 168 f. 85 BAG DB 2002, 1220 f.; der Dritte Senat geht hinsichtlich der Freiheitsrechte lediglich von einer mittelbaren, bei dem Gleichbehandlungsgebot und den Differenzierungsverboten hingegen von einer unmittelbaren Grundrechtsbindung aus. 86 Vgl. hierzu § 4 B.III. 82

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gebundenen Personen auf Außenseiter erstreckt, sodass eine unmittelbare Grundrechtsbindung anzunehmen ist87. Im Ergebnis führen diese Erkenntnisse nach der hier vertretenen Ansicht also zu einer unterschiedlichen Grundrechtsbindung im Hinblick auf Gewerkschaftsmitglieder und Außenseiterarbeitnehmer 88. Dies bedeutet, dass Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen lediglich einer mittelbaren Grundrechtsbindung unterliegen, da sie gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 S. 1 TVG nur gegenüber Mitgliedern gelten. Bei betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Tarifnormen ist hingegen eine unmittelbare Grundrechtsbindung zu beachten, da sie gemäß §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 S. 2 TVG auch gegenüber Außenseitern normative Geltung beanspruchen. Für die hier relevanten Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung ist also von einer unmittelbaren Grundrechtsgeltung auszugehen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Anforderungen, die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG für die Gestaltung des Wahlrechts bei allgemeinen politischen Wahlen ergeben, in zahlreichen Entscheidungen konkretisiert. Die auf diese Weise gewonnenen Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl gelten danach als ungeschriebenes Verfassungsrecht auch über den Anwendungsbereich der Art. 28 Abs. 1 S. 2, 38 Abs. 1 GG hinaus89. Das Bundesverfassungsgericht hat sie explizit auf dem Gebiet des Arbeits- und Sozialwesens auf die Wahlen zu den Selbstverwaltungsorganen der Sozialversicherung90, zu Personalvertretungen91 und zu den Vollversammlungen der Arbeitnehmerkammern im Land Bremen92 angewandt. In einer Rechtsprechungsänderung hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr zwar ausgeführt, dass im Anwendungsbereich der speziellen wahlrechtlichen Gleichheitsgrundsätze der Art. 28 Abs. 1 S. 2 und 38 Abs. 1 S. 1 GG nicht auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückgegriffen werden kann93. Die Entscheidung trifft jedoch keine Aussage für den vorliegenden Sachbereich, da dieser gerade nicht von den genannten spezielleren Vorschriften erfasst wird. Dies bedeutet, dass bei anderen Wahlen außerhalb des Anwendungsbereichs der genannten Normen die Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG zum Tragen kommen. Bei der Prüfung der Wahlrechtsgleichheit ist das Bundesverfassungs87 Vgl. hierzu BVerfGE 55, 7, 21; BAGE 74, 226, 234; Dieterich, in: ErfK, GG, Einleitung Rn. 22 f.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 887. Kreiling, Erstreckung, S. 159. 88 Soweit ersichtlich, wird diese Ansicht ausdrücklich nur von Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 231 ff., 255 f., 258 und Kreiling, Erstreckung, S. 214 vertreten. 89 BVerfGE 60, 162, 167. 90 BVerfGE 30, 227 ff. 91 BVerfGE 60, 162 ff. 92 BVerfGE 71, 81 ff. 93 BVerfG NJW 1999, 43 ff.

C. Gruppenbildung und Stimmparität

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gericht auch in diesen Fällen von einem streng formalen Gleichheitssatz ausgegangen, wenn auch unter großzügigerer Zulassung von Differenzierungen94. Lediglich bei den Wahlen zu Selbstverwaltungsorganen der Hochschulen und zu den nach dem Deutschen Richtergesetz vorgesehenen Präsidialräten hat das Bundesverfassungsgericht Abweichungen zugelassen, die sich jedoch daraus ergeben, dass es sich um Lebensbereiche handelt, die durch die Verfassung in spezifischer Weise vorstrukturiert sind95, nämlich im ersteren Fall durch die Wissenschaftsfreiheit und im zweiten Fall durch die Unabhängigkeit der Rechtspflege. Für die Wahlen der Vertretung der Beschäftigten einer Dienststelle der öffentlichen Verwaltung, die mit den Arbeitnehmervertretungen in den Betrieben der privaten Wirtschaft vergleichbar sind, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass sich aus der Natur des behandelten Sachbereichs, nämlich aus Sinn und Zweck dieser Personalvertretungswahlen, kein Kriterium ergebe, das eine Abweichung von den zu allgemeinen politischen Wahlen entwickelten Grundsätzen rechtfertige96. Nichts anderes kann für die Personalvertretung des fliegenden Personals gelten. Dieses ist in keinem Lebensbereich tätig, der durch grundrechtliche Wertungen in gewisser Weise vorstrukturiert ist97. Auch hängt die Funktionsfähigkeit der Personalvertretung nicht davon ab, dass eine bestimmte Beschäftigungsgruppe überrepräsentiert ist. Es liegt vielmehr nahe, dass diese Regelung aus Status- und Prestigegründen getroffen wurde, die bei der Beurteilung der Tarifnormen unter dem Aspekt der Wahlrechtsgleichheit jedoch keine Rolle spielen dürfen. Ebenso unvereinbar mit dem Gleichheitssatz sind die Regelungen, die für einen Wahlvorschlag die Unterschrift von mindestens einem Zehntel der wahlberechtigten Gruppenangehörigen verlangen98. Das Bundesverfassungsgericht hat im Zusammenhang mit Personalvertretungswahlen entschieden, dass ein ZehnProzent-Quorum im Regelfall zu hoch ist99. Auch sei es unverhältnismäßig, 50 Unterschriften zu verlangen, wenn eine ähnlich hohe Stimmenzahl bereits zu einem Sitz führe100. Da nach § 5 Abs. 2 TV PV DLH für jeweils angefangene 30 Angehörige einer Mitarbeitergruppe ein Mitglied zu wählen ist, ist diese Voraussetzung grundsätzlich erfüllt101.

94

BVerfG BeckRS 2008, 11157. Vgl. Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 18. 96 BVerfGE 60, 162, 169; in diesem Fall ging es um ein Unterschriftenquorum für gültige Wahlvorschläge, welches das Bundesverfassungsgericht mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar hielt. 97 Vgl. Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 18. 98 So in § 9 Abs. 4 TV PV DLH. 99 BVerfGE 67, 369, 378. 100 BVerfGE 67, 369, 379. 101 Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 19. 95

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§ 6 Inhalt und Grenzen der Regelungsbefugnis

Auch die Regelung, nach der nur ein Flugkapitän zum Vorsitzenden der Gesamtvertretung gewählt werden kann102, ist angesichts der beschriebenen einschlägigen Demokratiegrundsätze unwirksam103. Darüber hinaus kann eine solche Bestimmung auch eine mittelbare Geschlechtsdiskriminierung gemäß Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG darstellen104, da aufgrund der starken Unterrepräsentation der Frauen im Kapitänsrang die Chancen der Frauen auf den Gruppenvorsitz erheblich geringer sind als die der Männer. Eine mittelbare Diskriminierung ist anzunehmen, wenn die tarifvertragliche Regelung zwar neutral gefasst, ihre Anwendung jedoch tatsächlich prozentual erheblich mehr Frauen als Männer benachteiligt, sofern die unterschiedliche Behandlung nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben105. Das Landesarbeitsgericht Hessen sah in einer derartigen Regelung eine mittelbare Diskriminierung, da der Anteil der Flugkapitäninnen an der Gesamtbelegschaft nur 0,5 % betrug, während die Kapitäne zumindest einen Anteil an 21,66 % stellten. Eine sachliche Begründung dafür, dass der Gesamtvertretungsvorsitz einer Gruppe vorbehalten bleiben muss, gibt es nicht.

III. Ergebnis Eine Gruppenbildung, wie sie etwa im TV PV DLH vorgesehen ist, ist grundsätzlich zulässig. Dies gilt insbesondere für die Differenzierung zwischen Cockpit- und Kabinenbereich, da diese Unterteilung unter dem Aspekt der Belegschaftsnähe eine gewisse Homogenität der Organisationseinheiten gewährleistet und dadurch ein Näheverhältnis zwischen der Personalvertretung und den vertretenen Arbeitnehmern fördert. Eine weitergehende Gruppenbildung ist wohl noch als statthaft anzusehen, solange eine Integration der verschiedenen Gruppenvertretungen in eine Gesamtvertretung die Funktionsfähigkeit und Effektivität der betrieblichen Mitbestimmung als tragende Grundprinzipien der Betriebsverfassung garantiert. Allerdings ist bei der Konzeption des Verhältnisses der verschiedenen Vertretungsebenen zueinander darauf zu achten, dass der Einheit zwischen Mandat und (kongruenter) Legitimation bzw. dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit Genüge getan wird. Zur Einhaltung dieser Prinzipien sind die Tarif102 So in § 36 TV PV DLH und § 48 Abs. 1 „Tarifvertrag Personalvertretung für das Bordpersonal der Augsburg Airways“, abgeschlossen zwischen der Augsburg Airways GmbH & CO KG und der Vereinigung Cockpit e.V. vom 6./7.6.2002. 103 Schmitt, Handbuch BV, S. 142. 104 LAG Hessen, Beschl. vom 30.8.2007 – 9 TaBV 246/06 (erhältlich unter http:// www.lareda.hessenrecht.hessen.de, Download am 26.5.2011). Im vorliegenden Fall waren 3.900 Flugkapitäne und 100 Flugkapitäninnen bei der Fluggesellschaft beschäftigt. Das BAG hat den Beschluss in nächster Instanz insofern aufgehoben, da es nach Ansicht des Gerichts an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO fehlt, vgl. BAG, Beschl. vom 17.6.2009 – 7 ABR 96/07 (erhältlich unter http://www.bundesarbeitsgericht.de, Download am 26.5.2011). 105 BAG EzA Art. 141 EG Vertrag 1999 Nr. 13.

D. Straf-, Zwangsgeld- und Bußvorschriften

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partner aus zwei Gründen verpflichtet: Zum einen zählt das demokratisch legitimierte betriebsverfassungsrechtliche Mandat zu den unverzichtbaren Grundgedanken der Betriebsverfassung, welche die Tarifvertragsparteien aufgrund ihrer grundsätzlichen Bindung an die Vorgaben aus der Betriebsverfassung berücksichtigen müssen. Zum anderen ergibt sich die Verbindlichkeit des Grundsatzes der Wahlrechtsgleichheit aus der unmittelbaren Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte bei der Vereinbarung betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen, also auch an den hier einschlägigen Art. 3 Abs. 1 GG.

D. Straf-, Zwangsgeld- und Bußvorschriften I. Ordnungsgeld und Zwangsgeld Das Betriebsverfassungsgesetz beinhaltet mehrere Regelungen, nach denen der Arbeitgeber zur Beachtung bzw. Durchsetzung von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten durch das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren mit Ordnungsund Zwangsgeld belegt werden kann. Es handelt sich namentlich um die Regelungen in den §§ 23 Abs. 3 BetrVG (Missachtung der Rechte des Betriebsrates), 98 Abs. 5 BetrVG (Unterlassung der Bestellung bzw. Abberufung eines bestellten Beauftragten für die betriebliche Berufsausbildung), 101 BetrVG (Nichtaufhebung einer gerichtlich angeordneten vorläufigen personellen Maßnahme) und 104 BetrVG (Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer). Mehrere Tarifverträge Personalvertretung haben diese Regelungsinhalte wortgleich übernommen106, während sie bei anderen nicht zu finden sind, darunter beim TV PV DLH und beim TV PV CA. Es bestehen Zweifel, ob die genannten Regelungen der gesetzlichen Betriebsverfassung mit gleicher bindender Rechtswirkung in das Tarifrecht übertragbar sind107. Das Unbehagen über eine derartige tarifliche Regelung be106 Vgl. etwa den „Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 1“, abgeschlossen zwischen der Eurowings Luftverkehrs AG und der ver.di vom 31.10.2007, der das BetrVG, also auch die Bestimmungen über das Ordnungsgeld und Zwangsgeld, für anwendbar erklärt, soweit keine Modifikationen vorgesehen sind; vgl. auch den „Tarifvertrag Personalvertretung für das Kabinenpersonal der Germanwings GmbH“, abgeschlossen zwischen der Germanwings GmbH und der UFO vom 9.1.2003. 107 Ablehnend Schmitt, Handbuch BV, S. 165 f. und Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 256 f., die ohne Begründung davon ausgehen, dass Ordnungs- und Zwangsgeld mittelbare Formen der Freiheitsbeschränkung seien (Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG) und darüber hinaus auch einen enteignungsgleichen Eingriff darstellen würden, der gemäß Art. 14 Abs. 1 und 3 S. 1 und 2 GG eines förmlichen Gesetzes bedürfe. Inwiefern die Auferlegung eines Ordnungs- bzw. Zwangsgeldes eine Freiheitsbeschränkung i. S. d. Art. 2 Abs. 2 S. 3 darstellt, ist jedoch nicht ersichtlich, da nach heute einhelliger Ansicht nur die körperliche Bewegungsfreiheit geschützt ist (vgl. nur BVerfGE 105, 239, 247; 94, 166, 198), und auch das nur in einem engeren, grundsätzlichen Sinne (vgl. Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rn. 73). Ähnliches gilt für die Annahme eines enteignungsgleichen Eingriffs, da dieser stets einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff voraussetzt, der im Einzelfall festgestellt werden muss, d. h., die Verhängung eines Ordnungs-

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§ 6 Inhalt und Grenzen der Regelungsbefugnis

ruht auch auf dem Umstand, dass das Ordnungsgeld nach allgemein anerkannter Ansicht nicht lediglich ein Beugemittel ist, sondern auch auf Repression und Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten zielt108. Das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem Zusammenhang von strafrechtlichen Elementen, die eine Ahndung ohne Schuld des Täters rechtsstaatswidrig machen würden109. Um die Frage zu beantworten, ob tarifliche Normen diese gesetzlichen Bestimmungen nachzeichnen dürfen, muss ein Blick auf das System der Durchsetzung von betriebsverfassungsrechtlichen Rechtspositionen im Allgemeinen geworfen werden. Es soll dabei zunächst um die Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung von Ansprüchen gehen, die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergeben. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass nach § 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, §§ 80 ff. ArbGG bei Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber aus dem Betriebsverfassungsgesetz gegen diesen grundsätzlich im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren vorgegangen und nach Maßgabe des § 85 ArbGG die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann. Folglich kann das Gericht auf diesem Wege auch ein Ordnungs- bzw. Zwangsgeld nach den §§ 888, 890 ZPO verhängen. Hiermit steht lediglich die Möglichkeit der Vollstreckung fest; über das Bestehen von Ansprüchen, also von Rechtspositionen, aufgrund derer man von einer anderen Person ein Tun, Dulden oder Unterlassen verlangen kann (vgl. § 194 BGB), ist damit noch nichts gesagt. Im Betriebsverfassungsgesetz gibt es an vielen Stellen Ansprüche des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber, die auf einen unmittelbaren Erfüllungsanspruch gerichtet sind110 und die nach den allgemeinen Vorschriften des arbeitsgerichtlichen Verfahrens und dem Vollstreckungsrecht durchsetzbar sind. Es besteht Einigkeit, dass § 23 Abs. 3 BetrVG in dieser Hinsicht keine abschließende Regelung für materiell-rechtliche Ansprüche des Betriebsrats und der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft bei Pflichtverletzungen des Arbeitgebers enthält, soweit es sich um Erfüllungsansprüche handelt111. Schwieriger liegen die Dinge bei Unterlassungsansprüchen bei mitbestimmungswidrigem Verhalten seitens des Arbeitgebers112. Gerade die Vorschrift des § 23 Abs. 3 BetrVG steht in einem im Gesetz nicht aufgelösten Konflikt zu der Möglichkeit des Betriebsrats, die zu seinen oder Zwangsgeldes könnte allenfalls in concreto und nicht in abstracto einen derartigen Eingriff darstellen. 108 So die Formulierung in BVerfGE 20, 323, 331 zu § 890 Abs. 1 ZPO a. F. 109 BVerfGE 58, 159, 163. 110 Vgl. hierzu die Beispiele in Fitting, BetrVG, § 23 Rn. 97 und Trittin, in: D/K/K, BetrVG, § 23 Rn. 325. 111 Vgl. BAG AP Nr. 19 zu § 80 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, § 23 Rn. 107; Oetker, in: GK-BetrVG, § 23 Rn. 126 ff.; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 23 Rn. 76; Trittin, in: D/K/K, BetrVG, § 23 Rn. 325. 112 Eine Übersicht über den bisherigen Meinungsstand findet sich bei Oetker, in: GK-BetrVG, § 23 Rn. 126 ff.

D. Straf-, Zwangsgeld- und Bußvorschriften

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Gunsten im Betriebsverfassungsgesetz gewährten Ansprüche gerichtlich geltend zu machen und gegebenenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen113. Das Bundesarbeitsgericht hat seine frühere Rechtsprechung114 aufgegeben, wonach § 23 Abs. 3 BetrVG eine abschließende materielle Anspruchsgrundlage darstelle und daneben kein allgemeiner Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber bestehe, dass dieser mitbestimmungswidrige Handlungen unterlasse. Mittlerweile geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass für jeden Mitbestimmungstatbestand gesondert geprüft werden müsse, ob dieser dem Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch vermittle oder nicht115. Konsequenz dieser Rechtsprechung ist, dass in mehreren Konstellationen ein Unterlassungsanspruch besteht, der dann auch nach § 85 ArbGG im Wege des Zwangsgeldes gemäß § 888 ZPO vollstreckt werden kann, ohne dass auf § 23 Abs. 3 BetrVG zurückgegriffen werden muss116. Somit hat § 23 Abs. 3 BetrVG hauptsächlich die Funktion einer Prozessstandschaftsnorm, nach der materiell Nichtberechtigte gegen den Arbeitgeber vorgehen können117. Materiell Berechtigte können ihre Ansprüche nach § 85 ArbGG durchsetzen. Bei der Durchsetzung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs ist es deshalb nur konsequent, wenn sich nach der Rechtsprechung die Art und Höhe der Ordnungsmittel an der Regelung des § 23 Abs. 3 BetrVG zu orientieren haben, um einen Wertungswiderspruch zu vermeiden118. Schließlich schließt § 23 Abs. 3 BetrVG die Verhängung von Ordnungshaft aus und begrenzt die Höhe des Ordnungsgeldes bzw. Zwangsgeldes auf 10.000 Euro, obwohl die Anforderungen nach § 23 Abs. 3 BetrVG strenger sind als die beim allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats. Auch die §§ 98 Abs. 5, 101 und 104 BetrVG stellen Sondervorschriften gegenüber den §§ 888, 890 ZPO dar und beschränken diese insbesondere hinsichtlich der Art und Höhe der Ordnungsmittel119. 113

Oetker, in: GK-BetrVG, § 23 Rn. 126. BAG AP Nr. 2 zu § 23 BetrVG 1972 Bl. 3; zustimmend: Buchner, Die Betriebsänderung, S. 40 ff.; von Hoyningen-Huene, DB 1987, 1426, 1433 f.; Konzen, Leistungspflichten, S. 92 ff.; kritisch: Dütz, DB 1984, 115 ff.; Hanau, NZA 1985, Beil. Nr. 2, S. 12; Pahle, NZA 1990, 51, 52 ff.; Trittin, BB 1984, 1169 ff. 115 BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 Bl. 3. Dieses Urteil stieß auf breite Zustimmung: Derleder, AuR 1995, 13, 14; Fitting, BetrVG, § 23 Rn. 97 ff.; Lobinger, ZfA 2004, 101, 130 ff.; Prütting, RdA 1995, 257, 261 f.; Raab, ZfA 1997, 183, 186 ff.; Reichold, in: H/W/K, BetrVG, § 23 Rn. 29; Richardi, NZA 1995, 8, 9; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 23 Rn. 77; Trittin, in: D/K/K, BetrVG, § 23 Rn. 332 ff. 116 Vgl. etwa zu § 87 BetrVG BAG NZA 1995, 40. 117 So auch ausdrücklich Oetker, in: GK-BetrVG, § 23 Rn. 160; Trittin, in: D/K/K, BetrVG, § 23 Rn. 328; a. A.: Schlochauer, in: H/S/W/G, BetrVG, § 23 Rn. 83 ff. 118 Vgl. BAG AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Durchführung; BAG AP Nr. 124 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; ebenso Fitting, BetrVG, § 23 Rn. 110; Trittin, in: D/K/K, BetrVG, § 23 Rn. 363. 119 Vgl. zu § 98 Abs. 5 BetrVG: Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 98 Rn. 51; zu § 101 BetrVG: Raab, in: GK-BetrVG, § 101 Rn. 15; zu § 104 BetrVG: Raab, in: GKBetrVG, § 104 Rn. 19. 114

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§ 6 Inhalt und Grenzen der Regelungsbefugnis

Aus den bisherigen Ausführungen folgt, dass die §§ 23 Abs. 3, 98 Abs. 5, 101 und 104 BetrVG die Vollstreckungsmöglichkeiten der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten mittels der allgemeinen Regelungen der § 85 ArbGG i.V. m. §§ 888, 890 ZPO lediglich beschränken, wenn man von der Funktion des § 23 Abs. 3 BetrVG als Prozessstandschaftsnorm einmal absieht. Die Postulierung von Zwangs- oder Ordnungsgeldern ergibt sich mithin nicht erst aus den Tarifnormen, welche die §§ 23 Abs. 3, 98 Abs. 5, 101 und 104 BetrVG inhaltlich übernehmen, sondern vielmehr bereits daraus, dass die Rechtsprechung die auf Grundlage eines Tarifvertrages errichtete Personalvertretung zu Recht gemäß § 10 ArbGG als beteiligtenfähig ansieht und Streitigkeiten, die sich aus Tarifnormen eines Tarifvertrages Personalvertretung ergeben, zu Recht als eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne von § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG einordnet120. Folglich können sich die betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten auch aus einem Tarifvertrag ergeben121. Hinsichtlich der Einräumung einer Prozessstandschaft, die mit derjenigen in § 23 Abs. 3 BetrVG vergleichbar ist, kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Tarifvertragsparteien durch § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG zum Abschluss einer derartigen Tarifnorm ermächtigt hat. Nach richtigem Verständnis sollen die Tarifpartner in einem Tarifvertrag nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG ein System der betrieblichen Mitbestimmung errichten, das weitgehend der gesetzlichen Betriebsverfassung entspricht und nur aufgrund der Besonderheiten des Flugbetriebs davon abweicht. Ein so verstandener Regelungsauftrag spricht dafür, dass die Tarifvertragsparteien auch die Regelung des § 23 Abs. 3 BetrVG übernehmen können. Im Übrigen muss die Rechtsprechung vollstreckbare betriebsverfassungsrechtliche Pflichten im Rahmen eines TV PV, der sich weitgehend an die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes hält, in gleichem Maße bejahen wie bei den entsprechenden Regelungen der gesetzlichen Betriebsverfassung selbst.

II. Straftatbestände, Straf- und Bußgeldvorschriften Im sechsten Teil des Betriebsverfassungsgesetzes sind Straf- und Bußgeldvorschriften normiert. Die §§ 119 und 120 BetrVG sehen wegen Verletzung grundlegender Bestimmungen der Betriebsverfassung (z. B. Wahlbehinderung und -vereitelung; Behinderung und Störung des Mandatstätigkeit, Benachteiligung und Bevorzugung von Mandatsträgern sowie Bestechung und Geheimnisverrat von und durch Mandatsträger und in der Betriebsverfassung tätig gewordenen Drit120

Vgl. hierzu § 6 B. Vgl. hierzu Feudner, BB 2007, 266; Fitting, BetrVG, § 23 Rn. 60; Trittin, in: D/K/K, BetrVG, § 23 Rn. 197, die davon ausgehen, dass sich der Pflichtverstoß im Rahmen des § 23 Abs. 3 BetrVG auch aus einem Tarifvertrag ergeben kann. Dies bedeutet, dass vollstreckbare Ansprüche auf betriebsverfassungsrechtlichen Tarifnormen beruhen können. 121

E. Auf bestimmte Mitarbeitergruppen beschränkte Personalvertretung

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ten) sogar die Verhängung von Freiheitsstrafen vor, die nach § 103 Abs. 2 GG durch förmliches Gesetz vorher angedroht und bestimmt worden sein müssen122. Das Betriebsverfassungsgesetz gilt nicht für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer, sodass für die in einer tarifvertraglich errichteten Bordbetriebsverfassung Agierenden auch keine gesetzlich angedrohten Strafen bestehen123. Eine analoge Anwendung der Straf- und Bußgeldvorschriften des BetrVG ist aufgrund des Analogieverbots, das sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergibt, ausgeschlossen. Obwohl ein gleichwertiges Schutzniveau für die gesetzliche Betriebsverfassung und die Bordbetriebsverfassung sicherlich wünschenswert und sinnvoll wäre, ist es den Tarifpartnern rechtlich unmöglich Strafnormen zu erlassen. Abhilfe könnte allein der Gesetzgeber schaffen. Die gleichen rechtlichen Hindernisse bestehen für eine Übertragung der Androhung von Bußgeldern gemäß § 121 BetrVG (wegen Verstoßes gegen eine Reihe von Aufklärungs-, Informations- und Auskunftspflichten). Das Bestimmtheitsgebot gilt nämlich nach ganz herrschender Meinung sowohl für Kriminalstrafen als auch für Bußgeldvorschriften im Ordnungswidrigkeitenrecht. Nach den vorstehenden Ausführungen steht fest, dass eine tarifvertragliche Regelung von Straf- und Bußgeldvorschriften für die Tarifpartner rechtlich tabu ist. Umso erstaunlicher ist es, dass die entsprechenden Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes in einige Tarifverträge übernommen worden sind124. Diese Regelungen sind gegenstandslos und nichtig.

E. Errichtung einer auf bestimmte Mitarbeitergruppen beschränkten Personalvertretung Aufgrund des Bestehens zweier Berufsgewerkschaften und einer Branchengewerkschaft, die sich jedoch auf die Vertretung des Kabinenpersonals beschränkt, handelt es sich bei den neueren Tarifverträgen über die Errichtung einer Bordbetriebsverfassung um partikulare Personalvertretungen entweder für das Cockpitoder das Kabinenpersonal. Die Beantwortung der Frage, ob die Regelung einer derartigen Vertretungsstruktur im Rahmen eines Tarifvertrages zulässig ist, hängt davon ab, ob die Abweichung von Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes durch die Besonderheiten des Flugverkehrs gerechtfertigt ist. Bereits behandelt wurde die Konstellation, durch Tarifvertrag für das gesamte im Flugbetrieb beschäftigte Personal eine Personalvertretung zu schaffen und hierbei nach funktionell abgegrenzten Berufsgruppen zu trennen, die jeweils eigene Gruppenvertretungen bilden, aus denen dann eine Gesamtvertretung hervorgeht125. Weder das 122

Schmid/Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 102 Abs. 2 Rn. 178 ff. Schmitt, Handbuch BV, S. 166; Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 257. 124 Vgl. etwa TV PV AB vom 8.2.2008, hierzu bereits unter § 2 C.II.4. 125 Vgl. hierzu § 6 C; diese Fragestellung wird in der Literatur allein von Krause, in: FS Buchner, S. 493, 501 eingehend problematisiert. 123

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§ 6 Inhalt und Grenzen der Regelungsbefugnis

Bundesarbeitsgericht126 noch die herrschende Lehre127 haben gegenüber dieser prinzipiellen Möglichkeit Bedenken erkennen lassen. Fraglich ist jedoch, ob sich ein Tarifvertrag von vornherein auf eine Personalvertretung für eine bestimmte Personengruppe beschränken kann oder ob die Tarifmacht lediglich für eine das gesamte Bordpersonal erfassende Regelung besteht. Angesichts des weiten Gestaltungsspielraums, den das Bundesarbeitsgericht den Tarifparteien bei der Errichtung einer Personalvertretung einräumt, verwundert es nicht, dass das Gericht in mehreren Entscheidungen die Etablierung von jeweils einer Personalvertretungen für das Cockpitpersonal und das Kabinenpersonal aufgrund eines Tarifvertrages nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG ohne Weiteres akzeptiert hat128. In der Literatur wird diese Gestaltung der Personalvertretung ohne weitere Problematisierung als zulässig angesehen129. Nach dem Wortlaut des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG kann durch Tarifvertrag „eine Vertretung“ errichtet werden. Diese Formulierung könnte dafür sprechen, dass nur die Errichtung einer einheitlichen Personalvertretung für alle im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer zulässig ist. Indes ist diese Schlussfolgerung nicht zwingend. Zunächst ist anzumerken, dass die Tarifvertragsparteien bereits vor der Einfügung der Regelung des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG auf der Grundlage des § 1 TVG eine Betriebsvertretung für das Bordpersonal der Lufthansa abgeschlossen hatten. Dieser Tarifvertrag sah eine Gruppenbildung und ein Gesamtvertretungsgremium vor130, also eine Struktur, die aus mehreren Vertretungsorganen bestand. Diese tarifvertragliche Struktur war allen beteiligten Kräften im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens zur Neustrukturierung des BetrVG 1972 bekannt und es herrschte die Meinung vor, dass sich diese Regelung im Großen und Ganzen gut bewährt habe131. Der Gesetzgeber wollte die Tarifpartner also keineswegs auf die Errichtung eines einzelnen Vertretungsorgans beschränken. Zudem schließt die Formulierung „eine Vertretung“ die Schaffung mehrerer Vertretungen nicht per se aus. Sie kann vielmehr so verstanden werden, dass die Tarifvertragsparteien eine Vertretung im Sinne einer eigenen Vertretungsstruktur bzw. eines eigenen Systems der Vertretung errichten können. Auch aus dem Te-

126

Vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 117 BetrVG 197. Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 8; Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 14; a. A. nur Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 12 ff. 128 BAG AP Nr. 7 zu § 117 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 4 zu § 135 InsO; BAG NZA 2008, 1309 ff. 129 Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 12; Fitting, BetrVG § 117 Rn. 8; Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 14; Schmid/Roßmann, Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder, Rn. 527 ff.; eine Ausnahme bildet die Abhandlung von Krause, der sich als Erster ausführlicher mit diesem Problem auseinandergesetzt hat, vgl. Krause, in: FS Buchner, S. 493, 501 ff. 130 „Tarifvertrag Betriebsvertretung für das Bordpersonal der DLH“ vom 25.1.1957. 131 Vgl. hierzu § 3 A. 127

E. Auf bestimmte Mitarbeitergruppen beschränkte Personalvertretung

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los der Norm – Berücksichtigung der Besonderheiten des Flugverkehrs – lässt sich nicht auf ein Verbot der Errichtung mehrerer Vertretungen schließen. Der hier vertretenen Ansicht einer verfassungskonformen Auslegung von § 117 BetrVG folgend, ist das weitere Prüfungsprogramm vorgegeben. Dabei werden an dieser Stelle auch die Vorzüge gegenüber der vorherrschenden Meinung deutlich, die annimmt, dass die Tarifpartner einen nicht näher eingegrenzten Gestaltungsspielraum beanspruchen können und daher nicht darauf beschränkt sind, die organisationsrechtlichen Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes nachzuzeichnen: Dieser Ansicht fehlt es an konkreten Kriterien, um die aufgeworfenen rechtlichen Fragestellungen der Bordbetriebsverfassung überzeugend zu beantworten132. Ausgangspunkt für die Untersuchung ist zunächst § 1 BetrVG, wonach in jedem Betrieb genau ein Betriebsrat gebildet wird. Es wurde bereits dargelegt, dass der Betriebsbegriff für die Bordbetriebsverfassung nur einen sehr beschränkten Erkenntniswert hat133. Darüber hinaus hat Krause darauf hingewiesen, dass spätestens mit dem Betriebsverfassungsreformgesetz von 2001 und der hierdurch legalisierten Rechtsfigur des Spartenbetriebsrats das grundsätzliche Prinzip aufgegeben worden sei, dass in einem Betrieb nur ein Betriebsrat existieren kann134. Die vor diesem Hintergrund geführte Diskussion über die Vermeidung von Doppelstrukturen beziehe sich nur auf die von der herrschenden Meinung verneinte Frage, ob neben einem auf der Grundlage eines Tarifvertrages gebildeten Spartenbetriebsrat innerhalb seines Zuständigkeitsbereiches noch ein gesetzlicher Betriebsrat zu errichten sei. Davon getrennt zu sehen sei die für die grundsätzliche tarifvertragliche Regelbarkeit einer partikularen Personalvertretung allein maßgebende Frage, ob neben einem Spartenbetriebsrat außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches noch ein gesetzlicher Betriebsrat errichtet werden kann, was einhellig bejaht wurde135. Gegen die Zulässigkeit der tarifvertraglichen Errichtung partikularer Personalvertretungen spricht auch nicht die teilweise zu § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG vertretene Ansicht136, dass nur eine sämtliche Arbeitnehmer einbeziehende tarifliche Regelung einer anderen Arbeitnehmervertretungsstruktur möglich sei137. Zwar ist die genannte Vorschrift insofern mit der Bereichsausnahme für das fliegende 132 Dies zeigt sich besonders beim Beitrag Krauses, in: FS Buchner, S. 493 ff., der den Tarifvertragsparteien einen weiten Gestaltungsspielraum einräumt, dann aber bei konkreten Fragestellungen bezüglich der Ausgestaltungsbefugnisse wieder auf Argumentationsmuster aus der gesetzlichen Betriebsverfassung rekurrieren muss. 133 Vgl. hierzu oben unter § 6 C.I. 134 Vgl. Krause, in: FS Buchner, S. 493, 502. 135 Krause, in: FS Buchner, S. 493, 502 f. 136 Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 23. 137 Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 23.

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§ 6 Inhalt und Grenzen der Regelungsbefugnis

Personal in § 117 BetrVG vergleichbar, als sie eine von der gesetzlichen Konzeption abweichende Organisationsstruktur aufgrund Tarifvertrags ermöglicht. Allerdings bezieht sich die beschriebene Ansicht allein auf die Forderung, dass die aufgrund von § 3 BetrVG gebildete Arbeitnehmervertretung, der die dem Betriebsrat gesetzlich eingeräumten Beteiligungsrechte zugeordnet werden, durch alle Arbeitnehmer legitimiert sein muss, für die sie als Repräsentant gegenüber dem Arbeitgeber auftritt138. Deshalb soll nicht festgelegt werden können, dass allein die gewerkschaftlichen Vertrauensleute die betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmervertretungsstruktur bilden, also eine Vertretung nur für organisierte Arbeitnehmer errichten. Über den Zuschnitt der vereinbarten Organisationseinheit wird hierdurch jedoch keine Aussage getroffen. In diesem Sinne ist auch die Formulierung zu verstehen, die Tarifmacht für betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen sei den Tarifvertragsparteien nur unter der Bedingung gewährt, dass sie eine betriebseinheitliche Regelung schaffen139. Krause vermutet hinter diesen Ansichten die Vorstellung, dass es den Tarifvertragsparteien nicht freistehen soll, eine besondere Interessenvertretung nur für Teile der Belegschaft zu installieren140. Seiner Auffassung zufolge kann man der Übertragung dieses Gedankens auf den Fall des § 117 Abs. 2 BetrVG nicht schon die zu § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, der die tarifliche Bildung von Spartenbetriebsräten gestatte, praktisch einhellig vertretene Sichtweise entgegenhalten, dass auch dann ein Spartenbetriebsrat geschaffen werden könne, wenn die Sparte nur einen Teil des Betriebes erfasse141. In diesen Fällen bleibe es nämlich hinsichtlich des restlichen Betriebsteils bei der gesetzlichen Regelung, sodass die dort beschäftigten Arbeitnehmer nicht vertretungslos blieben. Dagegen verharrten die von einem Tarifvertrag nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG nicht erfassten Personengruppen in einem vertretungslosen Zustand. Krause sieht den entscheidenden Unterschied vielmehr darin, dass die Herausnahme der im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer bereits durch das Gesetz und nicht erst durch den Tarifvertrag erfolge142. Letzteres ist das ausschlaggebende Argument. Die Frage, ob die Tarifvertragsparteien im Rahmen des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG eine partikulare Personalvertretung vereinbaren können, bezieht sich nämlich allein darauf, ob sich die Tarifpartner bei der Ausgestaltung der Bordbetriebsverfassung an gewissen organisatorischen Trennungen innerhalb der Belegschaft zu orientieren haben. Diese Frage wurde entgegen der weitläufig vertretenen Meinung bejaht143. Mit der 138

Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 37. Löwisch/Rieble , TVG, a. F., § 1 Rn. 145. 140 Krause, in: FS Buchner, S. 493, 501. 141 Vgl. hierzu bereits ausführlich unter § 6 C. 142 Krause, in: FS Buchner, S. 493, 502; ebenso Jacobs/Krois, Gutachten zur Tarifkollision, S. 2. 143 Vgl. hierzu § 6 C.I.; Krause, in: FS Buchner, S. 493, 503, entwickelt ebenfalls Vorgaben für die Ausgestaltung, die jedoch mangels Anbindung an die Vorgaben der 139

E. Auf bestimmte Mitarbeitergruppen beschränkte Personalvertretung

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Feststellung, dass für den Flugbetrieb der herkömmliche Betriebsbegriff nicht ausschlaggebend ist144, gelingt die entscheidende Weichenstellung. Es wurde bereits dargelegt, dass für die Bordbetriebsverfassung unter dem Gesichtspunkt der Belegschaftsnähe der Cockpit- bzw. der Kabinenbereich die relevanten organisatorischen Einheiten darstellen. Folglich muss die tarifvertragliche Vereinbarung einer partikularen Personalvertretung in diesem Sinne zulässig sein. Problematisch ist insofern lediglich die Anschlussfrage, ob dies auch gilt, wenn die Regelungen für diese Bereiche in jeweils gesonderten Tarifverträgen getroffen werden. An dieser Stelle kommt das Argument Krauses ins Spiel: Der vertretungslose Zustand ist aufgrund der Bereichsausnahme sozusagen der Urzustand des fliegenden Personals, der auf einer Entscheidung des Gesetzgebers beruht. Nicht zu überzeugen vermag hingegen die Ansicht, dass die Unzulässigkeit partikularer Personalvertretungen auf eine Pflicht der Koalitionen hinauslaufe, auch für solche Arbeitnehmer tarifliche Normen zu schaffen, unter denen sie nicht vertreten sind und laut Satzung unter Umständen auch gar nicht vertreten sein möchten145. Die Konsequenz aus der Unzulässigkeit partikularer Personalvertretungen wäre im Gegenteil vielmehr, dass die Berufsgewerkschaften selbstständig keine Tarifverträge nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG abschließen könnten, sondern auf die Möglichkeit des Abschlusses eines mehrgliedrigen Tarifvertrags angewiesen wären146. Hierin ist keinesfalls eine systemwidrige Besonderheit zu sehen, sondern vielmehr der Regelfall, da Voraussetzung eines Tarifvertragsabschlusses die Tarifzuständigkeit der Gewerkschaft ist. Nichts anderes gilt beispielsweise für die Vereinbarung eines Spartenbetriebsrats, die ebenfalls nur bei Tarifzuständigkeit der Gewerkschaft möglich ist147. Dieses Ergebnis wäre also durchaus konsequent, käme man zu dem Schluss, dass die Errichtung partikularer Personalvertretungen durch Tarifvertrag unzulässig sei. Die Tarifpartner sind bei der Vereinbarung betriebsverfassungsrechtlicher Normen nämlich nicht so frei wie bei Inhaltsnormen. Dies ergibt sich allein aufgrund der Erstreckung ihrer Wirkung auf Außenseiter, die nach einer gesetzlichen Konkretisierung der tariflichen Regelungsmacht verlangt. Die Tarifvertragsparteien sind somit bei der Festlegung der relevanten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten sowohl nach § 3 BetrVG als auch nach § 117 Abs. 2 S. 1 gesetzlichen Betriebsverfassung recht vage bleiben und deren dogmatische Grundlage auch nicht ganz klar ist. 144 Vgl. hierzu § 6 C.I.2. 145 So aber Krause, in: FS Buchner, S. 493, 502. Nach dieser Argumentation wäre aber beispielsweise die Vereinigung Cockpit gezwungen, Tarifverträge Personalvertretung für das gesamte Bordpersonal abzuschließen. 146 Ebenso zu § 3 BetrVG Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 153. 147 Ausführlich zur Tarifzuständigkeit und den unterschiedlichen Ansätzen ihrer dogmatischen Begründung Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 43 ff.

162

§ 6 Inhalt und Grenzen der Regelungsbefugnis

BetrVG an verschiedene Kriterien gebunden, die allesamt dem Ziel der Verwirklichung einer wirkungsvollen betrieblichen Mitbestimmung dienen. Für das fliegende Personal stellen die Bereiche Cockpit und Kabine die relevanten Organisationseinheiten dar. Folglich wäre einer Gewerkschaft, deren Tarifzuständigkeit den relevanten Bereich nicht vollständig umfasst, der Abschluss eines Tarifvertrags Personalvertretung versperrt. Nach alldem ist also die tarifvertragliche Regelung einer auf bestimmte Mitarbeitergruppen beschränkten Personalvertretung zulässig. Dies gilt zumindest für die Bereiche Cockpit und Kabine. Ungeklärt sind jedoch weiterhin die Möglichkeiten der Ausgestaltung im Einzelnen. Fraglich ist insbesondere, wie weit die Partikularisierung gehen darf. Zwar handelt es sich dabei um ein eher akademisches Problem, da angesichts der im Luftverkehr bestehenden Gewerkschaftslandschaft und den momentanen Mehrheitsverhältnissen bei entsprechenden tarifpolitischen Zielsetzungen derzeit höchstens mit einer Personalvertretung für den Cockpit- und den Kabinenbereich zu rechnen ist. Dennoch soll die Frage auf Grundlage der bisherigen Erkenntnisse beantwortet werden, zumal die Erfahrungen der Vergangenheit gezeigt haben, dass die Tariflandschaft nicht statisch ist. Wären also nach den genannten Grundsätzen partikulare Personalvertretungen für Kapitäne, Kopiloten, Flugingenieure, Purseretten/Purser, Stewardessen/Stewards zulässig? Der Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen muss einmal mehr die Erkenntnis sein, dass sich die Tarifvertragsparteien grundsätzlich an den Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes zu orientieren haben und Abweichungen nur durch die Besonderheiten des Flugbetriebs gerechtfertigt sind. Der Zweck des Betriebsbegriffes des Betriebsverfassungsgesetzes besteht darin, solche Einheiten als Betrieb zu qualifizieren, innerhalb derer eine sinnvolle Ordnung der Betriebsverfassung und damit eine sachgerechte Betreuung der Arbeitnehmer durch einen Betriebsrat möglich ist148. Aus diesem Grund müssen sich auch die Koalitionen bei der Bildung partikularer Personalvertretungen an gewissen organisatorischen Einteilungen in der Belegschaft orientieren, damit nicht für eine einheitliche Gruppe von Arbeitnehmern ein Konglomerat von Betriebsverfassungen gilt149. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Personalvertretung des fliegenden Personals nicht in die Mitbestimmungsorgane des Bodenpersonals integriert ist150. Dies kann zu Friktionen zwischen den verschiedenen Bereichen eines Luftfahrtunternehmens führen. Die Aufteilung der Bereiche Cockpit und Kabine ist unter dem Gesichtspunkt der Belegschaftsnähe zulässig. Eine weitere Aufgliederung würde zu einer Atomisierung der Bordbetriebsverfassung führen. Es wurde bereits dargestellt, dass das Prinzip der Belegschaftsnähe keine Auf-

148 149 150

Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 43. Krause, in: FS Buchner, S. 493, 503. Zu Kooperationstarifverträgen nach § 117 Abs. 2 S. 2 BetrVG unter § 9.

E. Auf bestimmte Mitarbeitergruppen beschränkte Personalvertretung

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gliederung nach Berufsgruppen erforderlich macht151. Eine derartige Partikularisierung wurde dann für zulässig erachtet, wenn die separaten Vertretungen für das Cockpit- und das Kabinenpersonal in ein übergreifendes Gremium integriert wurden, welches das fliegende Personal insgesamt vertritt. Anders muss dies bei einer partikularen Personalvertretung für nur einen Teil des fliegenden Personals gesehen werden. Eine Aufspaltung in den Cockpit- und den Kabinenbereich wird allen relevanten Kriterien der Belegschaftsnähe gerecht152. Insbesondere bilden die Mitarbeiter der Kabine und des Cockpits jeweils eine homogene Arbeitnehmergruppe. Für den Kabinenbereich, also die Stewardessen/Stewards und Purseretten/Purser, ist dies ohne Weiteres ersichtlich, da die Ausübung der Tätigkeit des Pursers lediglich die Ausbildung als Flugbegleiter/in voraussetzt und insofern Teil desselben Berufsbildes ist153. Gleiches gilt für die Differenzierung zwischen der Tätigkeit des Flugkapitäns und des Kopiloten, die allein durch die unterschiedliche Dauer der beruflichen Erfahrung gerechtfertigt ist154. Sowohl die Tätigkeit der Flugkapitäne/Kopiloten als auch der Purser/Stewards ist durch den jeweiligen Arbeitsplatz, nämlich das Cockpit und die Kabine, und die entsprechende berufliche Ausbildung geprägt. Eine alleine am Ziel der Authentizität orientierte Interessenvertretung ist nicht effizient155. Gerade eine effiziente Gestaltung der betrieblichen Mitbestimmung ist aber Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung der Interessen der Mitarbeiter, welche als bestimmendes Ordnungskriterium der Betriebsverfassung herausgearbeitet wurde156. Die Gruppenstruktur etwa im Tarifvertrag Personalvertretung der DLH ist allein unter dem Gesichtspunkt der Integration der einzelnen Gruppenvertretungen in eine Gesamtvertretung für zulässig erachtet worden157. Gerade dies ist jedoch bei der vorliegend diskutierten Konstellation nicht der Fall. Folglich sind lediglich zwei partikulare Personalvertretungen zulässig, nämlich für die Bereiche Cockpit und Kabine.

151

Vgl. § 6 C.I.2. Vgl. hierzu § 6 C.I.1. 153 Vgl. hierzu etwa die Tätigkeitsbeschreibung der Bundesagentur für Arbeit unter http://berufenet.arbeitsagentur.de. 154 Gleiches gilt, wenn auch mit Abstrichen, für die Tätigkeit des Flugingenieurs. Ein Flugingenieur findet sich nur noch auf Verkehrsmaschinen älteren Typs. 155 Brors, Interessengemeinschaft, S. 21. 156 Vgl. hierzu § 6 C.I.1. 157 Vgl. hierzu § 6 C. 152

§ 7 Tarifrechtliche Probleme Tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht wirft eine Reihe tarifrechtlicher Probleme auf, die sich um die Themenkomplexe Tarifkonkurrenz, Gewerkschaftspluralität und Arbeitskampf drehen. Diese Probleme sind keineswegs neu, entziehen sich aber dennoch einem einheitlichen Meinungsbild. Ein Grund dafür mag nicht zuletzt daran liegen, dass diese Bereiche nicht durch den Gesetzgeber geregelt wurden und es daher weitgehend der Rechtsprechung und der Literatur überlassen blieb, Lösungsansätze zu entwickeln. Entsprechend diffus stellt sich das Spektrum der Auffassungen dar.

A. Anmerkung zur Methodik: Eingeschränkte Übertragbarkeit der im Rahmen des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG entwickelten Lösungen Durch das Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23. Juli 2001 hat der § 3 BetrVG eine völlig neue Fassung erhalten. Die Diskussion über den Problemkreis der vereinbarten Betriebsverfassung hat daraufhin erneuten Auftrieb erfahren, der sich in der Veröffentlichung etlicher Dissertationen und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den einschlägigen Fragestellungen widerspiegelt. Diese Diskussion ist auch für den Gegenstand der vorliegenden Arbeit relevant, da es sich bei der Bordbetriebsverfassung ebenfalls um tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht handelt. Dennoch darf nicht verkannt werden, dass die Ausgangslage für Tarifverträge nach § 117 BetrVG erheblich von derjenigen nach § 3 BetrVG abweicht. Die letztgenannten Vorschrift ermöglicht lediglich die Modifikation der Organisation des Betriebsvertrags durch die Tarifpartner. Damit wird zwar die Organisationseinheit Betrieb einer Änderung zugänglich gemacht, jedoch gelten die neu geschaffenen Einheiten gemäß § 3 Abs. 5 BetrVG als Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, auf die das gesamte gesetzliche Betriebsverfassungsrecht Anwendung findet. Insofern bleiben die Rechte und Pflichten der Betriebsparteien bzw. der einzelnen Arbeitnehmer unverändert. Ganz anders stellt sich die Situation bei Tarifverträgen über die Errichtung einer Personalvertretung nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG dar. Die in den Tarifverträgen Personalvertretung enthaltenen Regeln betreffen nicht nur die Organisation der Betriebsverfassung, sondern legen auch den Umfang der Rechte und Pflichten der Mitbestimmungsorgane bzw. der einzelnen Arbeitnehmer fest. Die-

B. Rechtliches Gebot gewerkschaftlicher Kooperation

165

se umfassende Regelungsbefugnis beruht darauf, dass § 117 BetrVG eine Bereichsausnahme statuiert und insofern die gesetzliche Betriebsverfassung für das fliegende Personal keine Anwendung findet. Das Bordpersonal befindet sich betriebsverfassungsrechtlich in einem ungeregelten Zustand. Dieser bedeutende Unterschied zu Arbeitnehmern, die von einem Organisationstarifvertrag nach § 3 BetrVG erfasst werden, muss sich auch in den Lösungsansätzen für die mit tariflichem Betriebsverfassungsrecht verbundenen tarifrechtlichen Probleme niederschlagen. Die Feststellung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Arten von Tarifverträgen führt zu der Erkenntnis, dass die für § 3 BetrVG entwickelten Lösungsansätze nicht ohne Weiteres auf die Bordbetriebsverfassung übertragen werden können, sondern im Hinblick auf ihre Passgenauigkeit hinterfragt werden müssen.

B. Rechtliches Gebot gewerkschaftlicher Kooperation bei Gewerkschaftspluralität? Wie bereits dargestellt, sind in unzähligen Fluggesellschaften mehrere Gewerkschaften vertreten. Es besteht also Gewerkschaftspluralität. Aufgrund des Umstands, dass betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen gemäß § 3 Abs. 2 TVG nur betriebseinheitlich gelten und kraft Natur der Sache auch nur betriebseinheitlich gelten können, stellt sich die Frage, wie vorgegangen werden soll, wenn mehrere Gewerkschaften ihre Zuständigkeit zum Abschluss eines Tarifvertrages über die Errichtung einer Personalvertretung geltend machen. In diesem Fall kann es natürlich ratsam sein, einen mehrgliedrigen Tarifvertrag unter Einbeziehung aller vertretenen Gewerkschaften abzuschließen, um Streitigkeiten vorzubeugen und Tarifkonkurrenzen zu vermeiden. Sind mehrere DGB-Gewerkschaften zuständig, kann ein Schiedsspruch gemäß § 16 DGB-Satzung angestrebt werden, der auch für die Arbeitgeberseite bindend ist1. Beharren die Gewerkschaften trotz dieser Lösungsmöglichkeiten auf einem autonomen Tarifabschluss, gilt es zu klären, ob sich die Gewerkschaften im Sinne einer sogenannten notwendigen Verhandlungsgenossenschaft koordinieren müssen2. Diese Frage wird im Zusammenhang mit § 117 BetrVG kaum diskutiert3 und das Bundesarbeitsgericht hat sie ausdrücklich offengelassen4. Allerdings ergibt sich aus Stellungnah1 Vgl. hierzu BAG AP Nr. 3 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit; BAG DB 1997, 731, 733; BAG DB 2000, 1669, 1670; Eich, in: FS Weinspach, S. 17, 22; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 195. 2 Vgl. hierzu auch Meyer, NZA 2009, 993 ff., der aus der Koalitionsfreiheit eine generelle Nebenpflicht der Gewerkschaften zur gegenseitigen Abstimmung ableitet. 3 Eine Ausnahme ist wiederum der Beitrag von Krause, in: FS Buchner, S. 493, 504 ff. Vgl. im Übrigen Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 12, der für diese Fragestellung eine Parallele zur Rechtslage bei § 3 BetrVG zieht. 4 Vgl. zur damaligen Gewerkschaftspluralität im Lufthansa-Konzern (ÖTV und DAG) BAG AP Nr. 52 zu Art. 9 GG (unter III.7).

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§ 7 Tarifrechtliche Probleme

men im Schrifttum zumindest implizit, dass eine Art Koordinierungspflicht abgelehnt wird, da von der Möglichkeit ausgegangen wird, dass Gewerkschaften unterschiedliche Tarifverträge abschließen können5. Diese Problematik wird im Rahmen der Organisationstarifverträge nach § 3 BetrVG nachfolgend ausführlicher diskutiert.

I. Gewerkschaftspluralität im Rahmen des § 3 BetrVG Einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zufolge ist § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG nicht dahin gehend auszulegen, dass ein derartiger Tarifvertrag nur von allen Gewerkschaften gemeinsam abgeschlossen werden kann, die für die in seinem Geltungsbereich erfassten betriebsverfassungsrechtlichen Einheiten tarifzuständig sind6. Diese Auslegung sei methodisch nicht begründbar und vermöge auch wegen der sich hieraus ergebenden praktischen Konsequenzen nicht zu überzeugen. Der Wortlaut des § 3 BetrVG lasse keine Einschränkung der Abschlussfreiheit erkennen. Für eine teleologische Reduktion fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Pflicht zur Einbeziehung einer weiteren Tarifvertragspartei bewirke die Bildung einer „Zwangstarifgemeinschaft“, was mit der kollektiven Koalitionsfreiheit nicht vereinbar sei. Diese Auffassung läuft darauf hinaus, dass jede einzelne Gewerkschaft unabhängig von der anderen ebenfalls tarifzuständigen Gewerkschaft befugt wäre, einen Organisationstarifvertrag abzuschließen. Die Ansicht der Rechtsprechung wird auch von einem Großteil der Literatur geteilt7. Die Gegenansicht geht von einer Koordinationspflicht der vertretenen Gewerkschaften aus8. Trete ein Arbeitgeber oder eine Gewerkschaft in Verhandlungen über einen Tarifvertrag nach § 3 BetrVG, müsse dies im Betrieb bzw. in den Betrieben bekannt gegeben werden. Falls daraufhin eine dort vertretene Gewerkschaft ebenfalls ihre Zuständigkeit geltend mache, könne der Tarifvertrag nur unter deren Einbeziehung geschlossen werden. Insofern bestehe ein Zwang zum Abschluss eines mehrgliedrigen Tarifvertrages. Der Arbeitgeber könne nur mit einer Gewerkschaft abschließen, wenn keine andere Gewerkschaft den Ab5 Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 12; Schmid/Roßmann, Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder, Rn. 526. 6 BAG NZA 2009, 1424, 1428 ff. 7 Plander, in: FS 25 Jahre ARGE Arbeitsrecht, S. 969, 972 ff.; Krause, in: FS Buchner, S. 493, 504; Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 18; im Ergebnis auch diejenigen, die eine Tarifkonkurrenz und somit unabhängig voneinander geschlossene Tarifverträge für möglich halten; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 58; Rolf, Betriebsratsstruktur, S. 149 f.; Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 155 ff.; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 174 ff.; Thüsing, ZIP 2003, 693, 699 f.; Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 185 ff. 8 Vgl. Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 16 ff.; Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 34; wohl auch Eich, in: FS Weinspach, S. 17, 22 f.

B. Rechtliches Gebot gewerkschaftlicher Kooperation

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schluss eines Organisationstarifvertrages nach § 3 BetrVG reklamiere. Ein nachfolgend mit einer anderen Gewerkschaft geschlossener Tarifvertrag sei dann unwirksam, insofern gelte ein modifiziertes Prioritätsprinzip9. Diesen Ansatz hat auch das Landesarbeitsgericht Nürnberg als Vorinstanz zu der bereits erwähnten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vertreten10. Darüber hinausgehend werden teilweise sämtliche konkurrierende Tarifverträge kurzerhand für unwirksam erklärt11. Zur Begründung wird im Wesentlichen auf die ansonsten unvermeidbaren und befriedigend nicht lösbaren Tarifkonkurrenzprobleme verwiesen.

II. Gewerkschaftspluralität im Rahmen des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG Die Problematik der Einbeziehung einer weiteren Gewerkschaft in Form einer Art „Zwangstarifgemeinschaft“ wird im Rahmen des § 117 BetrVG, wie bereits erwähnt, kaum eigens thematisiert. Das Bundesarbeitsgericht hat die Fragestellung in einer älteren Entscheidung ausdrücklich offengelassen12. Die Pflicht zur Einbeziehung anderer Gewerkschaften bzw. zur Bekanntgabe der Absicht des Tarifabschlusses wird rechtlich aus den unbestimmten Rechtsbegriffen in § 3 BetrVG hergeleitet: Die Tarifvertragsparteien würden ihrer Aufgabe, die Bildung von Betriebsräten zu erleichtern (Nr. 1), der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrates zu dienen (Nr. 2) oder eine wirksame und zweckmäßige Interessenvertretung zu installieren (Nr. 3), nur dann gerecht, wenn sie bereits im Vorfeld alles täten, um rechtlich schwer auflösbare Tarifkonkurrenzen zu vermeiden13. Diese rechtliche Begründung wirkt ein wenig konstruiert, wenn man bedenkt, dass sich das Problem der Tarifkonkurrenz mangels gesetzgeberischer Vorgaben seit jeher stellte und erst durch eine langjährige Rechtsprechung Kontur bekommen hat. Darüber hinaus ist dieser Erklärungsansatz im Falle des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG noch fragwürdiger, da dieser keine textlichen Anhaltspunkte erkennen lässt, aus denen sich eine derartige Verpflichtung ableiten ließe14. Allerdings 9 Insofern beinhaltet diese Lösung sowohl eine Koordinierungspflicht als auch eine Kollisionsregelung, welche eine Vorrangregelung für den auf diese Weise abgeschlossenen Tarifvertrag formuliert. Sie ist also auch unter dem Gesichtspunkt der Tarifkonkurrenz unter § 7 C. zu thematisieren. 10 LAGE BetrVG 2001 § 3 Nr. 1. 11 Annuß, NZA 2002, 290, 293; Eich, FS Weinspach, S. 17, 23; Rolf, Betriebsratsstruktur, S. 150. 12 Vgl. BAG AP Nr. 52 zu Art. 9 GG: „Darüber, ob ein solcher TV auf Arbeitnehmerseite nur von der ÖTV und der DAG gemeinsam abgeschlossen werden kann oder auch nur einer dieser Gewerkschaften, hatte der Senat im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.“ 13 Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 34. 14 Vgl. hierzu Krause, in: FS Buchner, S. 493, 505.

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§ 7 Tarifrechtliche Probleme

erhält § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG durch die hier vertretene verfassungskonforme Auslegung eine inhaltliche Bestimmtheit, die sich gegebenenfalls auch für diesen Ansatz fruchtbar machen ließe. Die Tarifvertragsparteien müssen ein System der betrieblichen Mitbestimmung errichten, das der gesetzlichen Betriebsverfassung entspricht und nur in denjenigen Punkten sachgerechte Abweichungen statuiert, die den Besonderheiten des Flugbetriebs geschuldet sind. Trotz dieser Parallele zu § 3 BetrVG ist die Annahme einer Koordinierungspflicht bereits im Ansatz verfehlt. Die Kriterien wie Sachgerechtigkeit und Zweckmäßigkeit beziehen sich nämlich allein auf die tarifvertragliche Organisationsstruktur und nicht auf das Verhältnis verschiedener Organisationstarifverträge zueinander. Dies gilt für § 3 BetrVG wie für § 117 BetrVG, die durch die Formulierungen „durch Tarifvertrag können bestimmt werden“ bzw. „kann durch Tarifvertrag errichtet werden“ jeweils auf das allgemeine Tarifrecht Bezug nehmen15, das an keiner Stelle eine solche Koordinierungspflicht statuiert. Das Bundesarbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber bereits vor der Änderung des § 3 BetrVG von der Möglichkeit konkurrierender Organisationstarifverträge ausgegangen sei und dennoch davon abgesehen habe, diesen Fall zu regeln16. Insofern fehle es bereits an einer offenen Regelungslücke, die Voraussetzung einer teleologischen Reduktion des Wortlauts der Norm sei. Eine Auslegung der Norm, wonach die Abschlussfreiheit der Tarifvertragsparteien wegen einer möglichen Tarifkonkurrenz und damit nur aus Zweckmäßigkeitserwägungen eingeschränkt werde, unterliege verfassungsrechtlichen Bedenken. Es wurde bereits festgestellt, dass die Tarifautonomie auch den Abschluss von Tarifverträgen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen schützt. Eine Beschränkung der Koalitionsfreiheit ist lediglich aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts, nicht aber aufgrund von Zweckmäßigkeitsüberlegungen zulässig. Der Versuch, die Problematik der Tarifkonkurrenz zu vermeiden, indem gleichsam vorgelagert eine Art notwendige Verhandlungsgenossenschaft angenommen wird, kann nach derzeitiger Rechtslage weder auf einfachrechtlicher noch auf verfassungsrechtlicher Ebene überzeugen.

III. Ergebnis Eine tarifzuständige Gewerkschaft kann einen Tarifvertrag nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG selbstständig abschließen, ohne weitere im Unternehmen vertretene Gewerkschaften miteinbeziehen zu müssen. Es besteht keine Pflicht zu einer derartigen Koordination.

15 16

Krause, in: FS Buchner, S. 493, 505. BAG NZA 2009, 1424, 1428 f.

C. Tarifkollision

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C. Tarifkollision Nach den bisherigen Ergebnissen der Untersuchung kann es dazu kommen, dass für eine Fluggesellschaft mehrere Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung durch verschiedene Gewerkschaften abgeschlossen werden17. Diese Fragestellung wurde für den neu gefassten § 3 BetrVG bereits intensiv diskutiert, weil sie durch die Streichung des staatlichen Zustimmungserfordernisses im Rahmen der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes an Praxisrelevanz gewonnen hat18. Mit dem Begriff Tarifkollision werden zwei Konstellationen bezeichnet, nämlich die Tarifkonkurrenz und die Tarifpluralität. Unter Tarifkonkurrenz versteht man, dass für dasselbe Rechtsverhältnis dieselbe Regelungsmaterie durch mehr als einen Tarifvertrag geregelt ist19. Tarifpluralität liegt hingegen vor, wenn innerhalb eines Betriebes mehrere Tarifverträge nebeneinander gelten, ohne dass ein Arbeitsverhältnis gleichzeitig von mehreren Tarifverträgen erfasst wird20. Hinsichtlich betriebsverfassungsrechtlicher Tarifverträge wird vielfach die Ansicht vertreten, dass allein die Konstellation der Tarifkonkurrenz relevant werden könne21. Diese Aussage klingt zunächst auch plausibel angesichts des § 3 Abs. 2 TVG, der die Anwendbarkeit von tariflichen Betriebsverfassungsnormen allein von der Tarifbindung des Arbeitgebers abhängig macht und in Konsequenz die Erfassung aller Arbeitsverhältnisse im Betrieb zur Folge hat. Jedoch können grundsätzlich auch Kollektivnormen nebeneinander im Betrieb gelten. Die Kollision im einzelnen Arbeitsverhältnis kann nämlich durch eine im Tarifvertrag enthaltene Beschränkung des personellen Geltungsbereichs verhindert werden, wie die partikularen Personalvertretungen jeweils für das Cockpit- und das Kabinenpersonal zeigen22. Dass für die Geltung beider Tarifverträge die Tarifbindung des Arbeitgebers ausreicht, besagt nur, dass es innerhalb des Geltungsbereichs der Kollektivnormen für deren Anwendbarkeit nicht auf die Organisationszugehörigkeit der Arbeitnehmer ankommt. Es spricht jedoch nicht dagegen, dass die Tarifverträge nebeneinander Geltung beanspruchen können, soweit ihre personellen 17

So auch Krause, in: FS Buchner, S. 493, 506. Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 185. 19 BAG AP Nr. 20, 21 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; Band, Tarifkonkurrenz, S. 19; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 753; Harwart, Tarifkollision, S. 10; Löwisch/ Rieble, TVG, § 4 Rn. 263; Jacobs, Tarifeinheit, S. 96; Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 150; Waas, Tarifkonkurrenz, S. 13. 20 BAG AP Nr. 19, 20, 22 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; Band, Tarifkonkurrenz, S. 20; Harwart, Tarifkollision, S. 13 ff.; Jacobs, Tarifeinheit, S. 99 f.; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 125; Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 151. 21 So zum Beispiel Jacobs, Tarifeinheit, S. 306 f.; Löwisch/Rieble, TVG, a. F., § 4 Rn. 151; Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 155; Waas, Tarifkonkurrenz, S. 110 f. 22 Vgl. hierzu Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 185. 18

170

§ 7 Tarifrechtliche Probleme

Geltungsbereiche sich nicht überlappen23. Das Bundesarbeitsgericht wandte bisher sowohl auf die Tarifkonkurrenz als auch auf die Tarifpluralität den Grundsatz der Tarifeinheit mit dem Ziel an, die Geltung nur eines Tarifvertrages in einem Betrieb sicherzustellen24. Während die Anwendung dieses Grundsatzes auf den Fall der Tarifkonkurrenz weitgehend Zustimmung erfuhr, wurde dies hinsichtlich der Tarifpluralität seitens der Literatur zum Teil scharf kritisiert25. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass das Bundesarbeitsgericht im Hinblick auf Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung das Problem der Tarifpluralität niemals thematisiert hat. Das Gericht ging vielmehr davon aus, dass mehrere Personalvertretungen in einem Flugunternehmen im Sinne des § 117 BetrVG bestehen können26, obwohl dies nicht nur eine Frage des Umfangs und der Grenzen der Gestaltungsfreiheit ist27, sondern möglicherweise auch das Aufeinandertreffen mehrerer Tarifverträge innerhalb eines Betriebes zur Folge hat. Diese Sicht des Bundesarbeitsgerichts ist im Ergebnis zu begrüßen, da der Flugbetrieb keinen Betrieb im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne darstellt, sodass der Grundsatz einer betriebseinheitlichen Lösung keine Anwendung findet28. Darüber hinaus ist die deutliche Kritik der Literatur berechtigt, da die Verdrängung eines geltenden Tarifvertrags weder mit den Regelungen des Tarifvertragsgesetzes noch mit der Koalitionsfreiheit vereinbar ist29. Das Bundesarbeitsgericht hat den über Jahrzehnte das Tarifrecht prägenden Rechtsgrundsatz der Tarifeinheit für den Fall der Tarifpluralität aufgegeben30, allerdings gilt die Entscheidung nur für Normen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, aber nicht für betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Normen. Angesichts der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur partikularen Personalvertretung im Flugbetrieb und der Feststellung, dass der Flugbetrieb keinen Betrieb im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne darstellt, ist der Fall der Tarifpluralität in tarifkollisionsrechtlicher Hinsicht unproblematisch. Dies gilt umso mehr, als bereits festgestellt 23

Krause, in: FS Buchner, S. 493, 507. Bisher st. Rspr., vgl. zuletzt BAG AP Nr. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz m.w. N. 25 Band, Tarifkonkurrenz, S. 145; Harwart, Tarifkollision, S. 124; Löwisch/Rieble, TVG, a. F. § 4 Rn. 132 ff.; Jacobs, Tarifeinheit, S. 246 f.; Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 156; Waas, Tarifkonkurrenz, S. 25 ff.; Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 277. 26 BAG AP Nr. 1 zu § 117 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 5 zu § 125 InsO. 27 Vgl. hierzu unter § 6. 28 Vgl. hierzu bereits § 6 E. 29 Vgl. hierzu ausführlich bereits Jacobs, Tarifeinheit, S. 334 ff., der ausführt, dass die für eine richterliche Rechtsfortbildung erforderliche ergänzungsbedürftige Regelungslücke fehlt. Darüber hinaus sieht Jacobs die Koalitionsfreiheit verletzt. So nun auch Band, Tarifkonkurrenz, S. 119 ff. 30 Die Entscheidung BAG NZA 2010, 1068 ff. ist nach einer Divergenzanfrage (BAG NZA 2010, 645 ff.) an den Zehnten Senat (BAG 2010, 778 ff.) ergangen. 24

C. Tarifkollision

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wurde, dass die Vereinbarung mehrerer Personalvertretungen für den Flugbetrieb sich auch im Rahmen der Gestaltungsfreiheit der Tarifpartner bewegt31. Aus diesem Grund wird im Folgenden ausschließlich auf den Fall der Tarifkonkurrenz eingegangen.

I. Tarifkonkurrenz bei Organisationstarifverträgen nach § 3 BetrVG Die Tarifkonkurrenz bei Organisationstarifverträgen nach § 3 BetrVG kann in vielerlei Konstellationen auftreten. Es ist ohne Weiteres möglich, dass mehrere Gewerkschaften für das gleiche Unternehmen tarifzuständig sind. Außerdem wird durch die Mitgliedschaft eines Arbeitgebers in einem Arbeitgeberverband dessen Tariffähigkeit nicht berührt32. Schließlich kann der Arbeitgeber sich mit einer anderen Gewerkschaft auf einen abweichenden Organisationstarifvertrag einigen. Dennoch berücksichtigt das Gesetz nicht, dass abweichende Tarifverträge für denselben Betrieb bzw. dasselbe Unternehmen abgeschlossen werden können, sodass es den Gerichten überlassen ist, eine praxisgerechte Lösung zu erarbeiten. Die Rechtsprechung hat zu dieser Fragestellung noch nicht eindeutig Stellung bezogen33. Obwohl hinsichtlich der Lösung des Problems in der Literatur kein Konsens besteht, ist man sich zumindest einig, dass mehrere konkurrierende Organisationstarifverträge nicht nebeneinander zur Anwendung kommen können, sondern auch in diesem Fall der Grundsatz der Tarifeinheit gelten muss34. Hierbei bestehen zahlreiche Ansätze zur Auflösung der Tarifkonkurrenz. 1. Spezialitätsprinzip Die für die Tarifkonkurrenz von Individualnormen übliche Auflösung nach dem Spezialitätsprinzip wird auf dem Gebiet der Betriebsverfassung mehrheitlich abgelehnt35. Dies liegt sicherlich daran, dass die Regel lex specialis derogat 31

Vgl. hierzu unter § 6 E. So die h. M. BAGE 16, 329, 334 ff.; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 112 m.w. N.; vgl. auch Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 155. 33 In BAG NZA 2009, 1424 ff. beschäftigt sich das Gericht lediglich mit der Frage, ob ein Tarifvertrag nach § 3 BetrVG nur von allen Gewerkschaften gemeinsam abgeschlossen werden könne, die für die von seinem Geltungsbereich erfassten betriebsverfassungsrechtlichen Einheiten tarifzuständig sind. Zur Auflösung einer bestehenden Tarifkonkurrenz wird hingegen nichts gesagt. 34 Vgl. Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 176. 35 Vgl. Annuß, NZA 2002, 290, 293; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 223; Rolf, Betriebsratsstruktur, S. 150; Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 189; vgl. auch Sobotta, Autonome Organisation, S. 255 f. m.w. N.; a. A.: Gistel, Betriebsverfassungsstruktur, S. 123; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 179 ff.; Thüsing, ZIP 2003, 693, 699. 32

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§ 7 Tarifrechtliche Probleme

legi generali sich nur mit Mühe auf Organisationstarifverträge anwenden lässt. Im Regelfall sind solche Tarifverträge auf das Unternehmen bezogene, maßgeschneiderte Lösungen, sodass sich eine Spezialität schlecht feststellen lässt36. Dies erklärt auch, warum die Vertreter dieser Ansicht sich zumeist darauf beschränken, sich für die Anwendung dieses Grundsatzes auszusprechen, ohne die dann relevanten Kriterien der betrieblichen, fachlichen, persönlichen und räumlichen Nähe in concreto zu erläutern37. Darüber hinaus ist das Spezialitätskriterium ein Ordnungsgrundsatz, der nach richtigem Verständnis nur bei Identität des Normgebers Anwendung finden kann38. Kollidierende Tarifverträge werden jedoch von verschiedenen Gewerkschaften abgeschlossen. 2. Günstigkeitsprinzip Ähnliche Vorbehalte bestehen gegen die Anwendung des Günstigkeitsprinzips39. Die Durchführung eines kollektiven Günstigkeitsvergleichs bei Organisationstarifverträgen ist praktisch kaum durchführbar, da es an gemeinsamen Bezugsgrößen fehlt, nach denen das günstigere Organisationsmodell ermittelt werden könnte40. Darüber hinaus ist das Günstigkeitsprinzip zur Auflösung von Konkurrenzen unter Normen unterschiedlichen Ranges gedacht, während es im vorliegenden Fall um die Konkurrenz zweier gleichrangiger Normkomplexe geht41. 3. Mehrheitsprinzip Der überwiegende Teil der Literatur zieht das Mehrheitsprinzip zur Auflösung der Normenkonkurrenz heran42. Hiernach setzt sich der Tarifvertrag der mitgliederstärksten Gewerkschaft durch. Diese Anknüpfung an die mitgliedschaftliche Legitimation der jeweiligen Gewerkschaft leuchtet zunächst ein. Allerdings muss

36

Rolf, Betriebsratsstruktur, S. 150. Vgl. Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 177. 38 Annuß, NZA 2002, 290, 293; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 223. 39 Friese, ZfA 2003, 237, 272 f.; Gistel, Betriebsverfassungsstruktur, S. 123; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 222; Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 188. 40 Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 223. 41 Gistel, Betriebsverfassungsstruktur, S. 123; Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 188. 42 Band, Tarifkonkurrenz, S. 213; Däubler, AuR 2001, 1, 3 und 285, 288; Friese, ZfA 2003, 237, 278; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 224 ff.; Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498, 2500 f.; Konzen, RdA 2001, 76, 86; Rieble/Klumpp, in: MünchArbR, § 186 Rn. 30; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 295 ff.; Plander, NZA 2002, 483, 486; Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 217 ff. 37

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sich diese Lösung den Vorwurf der Widersprüchlichkeit gefallen lassen, da § 3 Abs. 2 TVG allein auf die Tarifbindung des Arbeitgebers abstellt und insofern gerade auf eine mitgliedschaftliche Legitimation verzichtet. Schwierigkeiten bereitet auch die Festlegung des Bezugspunktes, da der Anwendungsbereich eines Organisationstarifvertrages in den seltensten Fällen mit den üblichen betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten zusammenfällt und innerhalb derselben die Repräsentation der jeweiligen Gewerkschaft auch variieren kann. Wahlweise werden der Geltungsbereich des Tarifvertrages43, sämtliche betroffene Betriebe jeweils einzeln44 oder auch das Unternehmen bzw. der Konzern als Bezugsgröße genannt45. Gegen das Mehrheitsprinzip spricht schließlich, dass ihm zufolge eine Veränderung des Organisationsgrades einer Gewerkschaft auch zur Anwendung eines anderen Organisationstarifvertrages führen würde46. Aus praktischer Sicht stellt sich zudem die Frage, wie die Repräsentativität verlässlich festgestellt werden kann, da die Arbeitnehmer ihre Mitgliedschaft nicht unbedingt offenlegen wollen47. 4. Unwirksamkeit sich widersprechender Tarifverträge Eine andere Auffassung hält miteinander kollidierende Tarifverträge nach § 3 BetrVG sämtlich für unwirksam48. Da sich dogmatisch ableitbare Entscheidungsparameter nicht finden ließen und eine mit entsprechender Gewalt ausgestattete Regelungsinstanz fehle, müsse von der Unwirksamkeit sich widersprechender Regelungen ausgegangen werden49. Offensichtlich problematisch an diesem Lösungsansatz ist, dass es der Arbeitgeber durch den Abschluss weiterer Tarifverträge in der Hand hätte, sich bestehender gültiger Tarifverträge zu entledigen, ohne dass diese durch das neue Tarifwerk ersetzt würden50. Außerdem widerspricht die Annahme der Unwirksamkeit sämtlicher konkurrierender Tarifverträge der gesetzlichen Intention, die Geltung jedes Tarifvertrages soweit wie möglich zu erhalten51.

43 Däubler, AuR 2001, 285, 288; Plander, NZA 2002, 483, 486; Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 219. 44 Rieble/Klumpp, in: MünchArbR, § 186 Rn. 30; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 298. 45 Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 225; Hohenstatt/ Dzida, DB 2001, 2498, 2500. 46 Sobotta, Autonome Organisation, S. 258. 47 Sobotta, Autonome Organisation, S. 258. 48 Annuß, NZA 2002, 290, 293; Eich, in: FS Weinspach, S. 17, 23; Rolf, Betriebsratsstruktur, S. 150. 49 Annuß, NZA 2002, 290, 293. 50 Friese, ZfA 2003, 237, 275. 51 Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 179.

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5. Modifiziertes Prioritätsprinzip Das modifizierte Prioritätsprinzip zeichnet sich gegenüber den anderen Lösungsansätzen dadurch aus, dass es zu klaren Ergebnissen führt und insbesondere für die Praxis handhabbar ist52. Danach unterliegen bei Abschluss eines Tarifvertrages nach § 3 BetrVG die abschließende Gewerkschaft und die Arbeitgeberseite einer Bekanntgabepflicht in den betroffenen Betrieben, womit es den anderen Gewerkschaften ermöglicht wird, ihre Tarifzuständigkeit geltend zu machen53. Melde sich eine weitere Gewerkschaft, könne der Tarifvertrag nur unter ihrer Einbeziehung geschlossen werden, und später abgeschlossene Tarifverträge seien unwirksam54. Dogmatisch sollen sich die Bekanntgabepflicht und die Anwendung des Prioritätsprinzips aus dem Gesetz ableiten lassen. Die Tarifvertragsparteien würden ihrer in § 3 BetrVG normierten Aufgabe, die Bildung von Betriebsräten zu erleichtern (Nr. 1), der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrates zu dienen (Nr. 2) oder eine wirksame und zweckmäßige Interessenvertretung der Arbeitsnehmer zu installieren (Nr. 3) nur dann gerecht, wenn sie bereits im Vorfeld alles unternähmen, um rechtlich schwer auflösbare Tarifkonkurrenzen zu vermeiden55. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings jüngst dieser Auffassung eine Absage erteilt, da sie methodisch nicht begründbar sei und auch wegen der sich hieraus ergebenden praktischen Konsequenzen nicht zu überzeugen vermöge56. § 3 BetrVG schränke die Abschlussfreiheit der Gewerkschaften nicht ein, und die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion lägen nicht vor. Zudem unterläge eine solche Auslegung verfassungsrechtlichen Bedenken. 6. Vorrang der stärkeren Regelungskompetenz Schließlich wird nach einer zunehmend vertretenen Ansicht nicht unmittelbar auf den Inhalt und den Geltungsbereich der konkurrierenden Tarifverträge, sondern darauf abgestellt, welcher Normgeber über die stärkere Regelungskompetenz verfügt57. Diese Auffassung führt wohl bei Organisationstarifverträgen häufig zu denselben Ergebnissen wie diejenigen Ansätze, die auf den Inhalt der jeweiligen Tarifverträge abstellen58. Sie bringt jedoch besser zum Ausdruck, dass 52 Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 16 ff.; Eich, in: FS Weinspach, S. 17, 23; Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 34. 53 Sobotta, Autonome Organisation, S. 256. 54 Vgl. Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 178. 55 Vgl. Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 34; Sobotta, Autonome Organisation, S. 258 ff. 56 BAG NZA 2009, 1424, 1428; allerdings hat sich das Bundesarbeitsgericht auch keiner anderen Auffassung zur Auflösung der Tarifkonkurrenz angeschlossen. 57 Friese, ZfA 2003, 237, 275 ff.; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 224 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 278; Krause, in: FS Buchner, S. 493, 509.

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es sich letztlich um eine Konkurrenz von Normgebern handelt, die ihre jeweiligen Ordnungsvorstellungen im Betrieb bzw. in den Arbeitsverhältnissen umsetzen wollen59. Über eine stärkere Normsetzungskompetenz soll diejenige Gewerkschaft verfügen, die eine größere Sachnähe aufweist, wobei die Höhe der Mitgliederzahl im jeweiligen Betrieb Bestandteil der Feststellung der größeren Sachnähe sein soll. Mangels anderer praktikabler Kriterien läuft dieser Ansatz darauf hinaus, allein auf die stärkere mitgliedschaftliche Repräsentation abzustellen60, was zu den bereits genannten Problemen bei der Auswahl der Bezugsgröße und der Ermittlung der Mitgliederanzahl führt. 7. Vorrang der größeren Sachnähe Diese Auffassung möchte im Grundsatz den Spezialitätsgrundsatz heranziehen, jedoch bei der dogmatischen Begründung und der Anwendung die Besonderheiten von Organisationstarifverträgen berücksichtigen61. Das Spezialitätsprinzip sei in diesem Zusammenhang als Ordnungsgrundsatz zu verstehen, der der darüber entscheide, welche Regelung sachnäher ist. Dieser Grundsatz könne dem Gesetz entnommen werden, da der Gesetzgeber mit § 3 BetrVG eine Effektivierung der Interessenvertretung der Arbeitnehmer und der Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrates anstrebe. Zur Feststellung der entsprechenden Sachnähe könne auf die betriebsverfassungsrechtlichen Kriterien wie Sachgerechtigkeit, Erleichterung der Betriebsratsbildung sowie wirksame und zweckmäßige Interessenvertretung rekurriert werden62. 8. Wahlrecht Nach einer auf Biedenkopf zurückgehenden Ansicht heben sich die Geltungsansprüche der konkurrierenden Tarifverträge mit der Folge auf, dass der Betriebsrat gemeinsam mit dem Arbeitgeber entscheiden könne, welcher Tarifvertrag zur Anwendung komme63. Allerdings ist es der deutschen Arbeitsrechtsordnung fremd, dass ein Tarifvertrag eine zusätzliche Legitimation durch ein Organ der betrieblichen Mitbestimmung benötigt64, sodass letztlich auch diese Auffassung kritisch zu sehen ist. 58

Vgl. hierzu § 7 C.I.1. Krause, in: FS Buchner, S. 493, 509. 60 Ebenso Friese, ZfA 2003, 237, 277 f.; Krause, in: FS Buchner, S. 493, 509. 61 Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 182 ff.; kritisch hierzu Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 158 f. 62 Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 184. 63 Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 317 f.; so auch Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1817. 64 Vgl. Krause, in: FS Buchner, S. 493, 507. 59

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II. Tarifkonkurrenz bei der Bordbetriebsverfassung Das Problem der Tarifkonkurrenz stellt sich bei Tarifverträgen nach § 3 BetrVG und § 117 Abs. 1 S. 2 BetrVG in gleichem Maße. Sie wird jedoch im Rahmen von § 117 BetrVG nicht eigenständig diskutiert65. Dies ist verwunderlich, da viele der Auffassungen spezifisch auf Organisationstarifverträge nach § 3 BetrVG zugeschnitten sind und sich nicht ohne Weiteres auf Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung übertragen lassen. Dies wird bei dem auf Biedenkopf zurückgehenden Lösungsansatz deutlich, nach dem sich die Geltungsansprüche der widersprechenden Tarifverträge mit der Folge aufheben, dass dem Betriebsrat gemeinsam mit dem Arbeitgeber ein Wahlrecht zusteht66. Eine solche Lösung scheidet für Tarifverträge nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG aus, da in diesen Fällen oft gerade (noch) gar keine Personalvertretung besteht, die dieses Wahlrecht ausüben könnte67. Neben diesem offensichtlichen Fall ist auch bei den übrigen Auffassungen fraglich, ob sie den Besonderheiten der Betriebsverfassung des fliegenden Personals ausreichend Rechnung tragen. Übernommen werden kann wohl die vorherrschende Einschätzung des Schrifttums, dass eine Auflösung der Tarifkonkurrenz über das Spezialitätsprinzip oder auch das Günstigkeitsprinzip bei kollidierenden Organisationstarifverträgen nicht möglich ist68. Für die vorliegende Fragestellung ist auch die Lösung nicht überzeugend, wonach die einander widersprechenden Tarifverträge sämtlich unwirksam sind. Zunächst bestünde die evidente Gefahr von rechtsmissbräuchlichen Tarifabschlüssen, die nur dem Zweck dienen würden, die Unwirksamkeit der kollidierenden Tarifverträge zu erreichen69. Dieses Argument wiegt bei Tarifverträgen nach § 117 BetrVG umso schwerer, da sie nicht allein einer Optimierung der Betriebsverfassung dienen, sondern erst die Voraussetzung für die betriebliche Mitbestimmung des fliegenden Personals schaffen. Die Auflösung der Tarifkonkurrenz nach diesem Grundsatz wäre also dazu geeignet, dem Bordpersonal eine Personalvertretung dauerhaft vorzuenthalten, was sicherlich nicht mit der Intention des Gesetzgebers zu vereinbaren ist. Ungeeignet sind auch das Prioritätsprinzip und das Abstellen auf die größere Sachnähe des entsprechenden Tarifvertrags. Neben den bereits geäußerten Bedenken liegt dies daran, dass beide Auffassungen an den tatbestandlichen Vorga65 Lediglich Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 12 und Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 11 verweisen in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen zu § 3 BetrVG; allein der Beitrag von Krause, in: FS Buchner, S. 493 ff. behandelt das Thema ausführlicher. 66 Vgl. § 7 C.I.8. 67 Krause, in: FS Buchner, S. 493, 508 f. 68 Vgl. hierzu § 7 C.I.1 und § 7 C.I.2. 69 Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 158.

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ben des § 3 BetrVG anknüpfen, sich § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG aber im Gegensatz zu § 3 BetrVG keinerlei Kriterien für die Errichtung einer Personalvertretung entnehmen lassen. Die besondere Sachnähe lässt sich daher schlicht nicht anhand der gesetzlichen Regelung konkretisieren. Auch die Anwendung des Prioritätsprinzips wird dogmatisch aus den unbestimmten Rechtsbegriffen der einzelnen Katalogtatbestände begründet70 und scheidet damit zur Auflösung der Tarifkonkurrenz für personalvertretungsrechtliche Tarifverträge aus. Somit verbleibt einzig das Mehrheitsprinzip, das am quantifizierbaren Kriterium der mitgliedschaftlichen Legitimation anknüpft. Auch die Auffassung, welche die stärkere Regelungskompetenz für ausschlaggebend hält, orientiert sich letztlich an diesem Prinzip71. Angesichts der Schwächen der alternativen Lösungsansätze ist es nicht überraschend, dass das Schrifttum diesen Ansatz überwiegend befürwortet. Der Vorwurf der Widersprüchlichkeit ist freilich nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Der Gesetzgeber hat in der Tat die Geltung von betriebsverfassungsrechtlichen Tarifnormen gemäß § 3 Abs. 2 TVG allein von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers abhängig gemacht. Daraus zu folgern, der Grad der mitgliedschaftlichen Legitimation spiele im Falle der Tarifkonkurrenz keine Rolle, ginge sicherlich zu weit. Der Abschluss sowohl eines Organisationstarifvertrages als auch eines personalvertretungsrechtlichen Tarifvertrages nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG muss nach richtigem Verständnis nämlich durch eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft erfolgen72. Dies bedeutet, dass die Gewerkschaft zumindest durch ein Mitglied im relevanten Organisationsbereich repräsentiert sein muss. Das Bundesarbeitsgericht hat überzeugend dargelegt, dass sich eine derartige Auslegung des § 3 BetrVG zwar nicht zwingend aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, die Entstehungsgeschichte, der Normzweck sowie die Gesetzessystematik jedoch dafür sprechen. Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, eine Flexibilisierung der Betriebsverfassung durch die Übertragung der Gestaltungsbefugnis auf die Beteiligten vor Ort zu erreichen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers können die Vertragsparteien die Sachgerechtigkeit unternehmensspezifischer Arbeitnehmerstrukturen besser beurteilen als staatliche Stellen73. Die Modifikation der gesetzlichen Organisation der Betriebsverfassung setze jedoch die Kenntnis der mitbestimmungsrechtlich relevanten Entscheidungsabläufe in den betroffenen Betriebsstätten voraus, die sich die Gewerkschaft nur durch die Kommunikation mit ihren in den betreffenden Organisationseinheiten beschäftigten Mitgliedern verschaffen könne. Darüber hinaus ist

70

Vgl. § 7 C.I.5. Vgl. § 7 C.I.6. 72 Hierzu BAG NZA 2009, 1424, 1427 f., wonach § 3 BetrVG so auszulegen ist, dass der Abschluss eines Organisationstarifvertrages nur durch eine „im Betrieb vertretene Gewerkschaft“ erfolgen könne. 73 BegrRegE, BT-Drucks. XIV/5741, S. 33. 71

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§ 7 Tarifrechtliche Probleme

nach der Konzeption des Gesetzes die Wahrnehmung der Rechte, die der Gewerkschaft zur Sicherung und Ausgestaltung der Betriebsverfassung zugewiesen sind, stets vom Vertretensein im Betrieb bzw. im Betriebsrat abhängig. Die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts ist ohne Abstriche auf Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung zu übertragen. Zwar ist die Gesetzesbegründung für § 117 BetrVG weniger ergiebig, da als Grund für die Herausnahme des fliegenden Personals aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes lediglich die besondere nicht ortsgebundene Art der Tätigkeit genannt wird74. Jedoch ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte und dem Telos der Regelung, dass der Gesetzgeber auch im Rahmen des § 117 BetrVG auf die größere Sachnähe der Tarifvertragsparteien vertraute, um passgenaue Regelungen für die Betriebsverfassung des Bordpersonals zu treffen. Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass die mitgliedschaftliche Legitimation für die vorliegende Fragestellung relevant ist. Dem steht nicht entgegen, dass es außerhalb der Konkurrenzproblematik bei § 3 Abs. 2 TVG allein auf die Tarifbindung des Arbeitgebers ankommt, obwohl darin gerade die Ursache des Konkurrenzproblems liegt75. § 3 Abs. 2 TVG macht eine Ausnahme davon, dass Tarifnormen nur für tarifgebundene Arbeitnehmer gelten, da eine einheitliche Geltung im Betrieb für Betriebsverfassungsrecht kraft Natur der Sache unverzichtbar ist. Kommt es nun aufgrund dieser Regelung zu einer Normkonkurrenz, spricht viel dafür, diese Konkurrenzsituation unter Rückgriff auf das Kriterium der mitgliedschaftlichen Legitimation zu lösen, welches ansonsten ja auch der Grund für die normative Wirkung von Tarifnormen ist. Der Umstand, dass kraft Natur der Sache auf eine Geltung nur für tarifgebundene Arbeitnehmer verzichtet werden musste, ist vielmehr ein Argument dafür, die Legitimation der Tarifnormen auf der Ebene der Tarifkonkurrenz wieder zu berücksichtigen. Dies entspricht auch der bereits dargelegten Intention des Gesetzgebers, es den Beteiligten vor Ort zu ermöglichen, ihre Sachkompetenz und -nähe einzubringen. Das quantitative Element der Mitgliederzahl der tarifschließenden Gewerkschaften im Betrieb bzw. im Unternehmen erlaubt insoweit einen Rückschluss auf die größere Sachnähe, da sich die Arbeitnehmer höchstwahrscheinlich dort organisieren, wo sie sich sachgerecht vertreten fühlen76. Damit ist nun noch nicht geklärt, worauf genau sich das quantitative Kriterium der mitgliedschaftlichen Legitimation bezieht. Im Rahmen des § 3 BetrVG wird teilweise je nach Regelungsgegenstand der Betrieb, das Unternehmen bzw. der Konzern als Bezugsgröße gewählt, teilweise aber auch der Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrages herangezogen77. Offensichtlich ist der konkrete Gel74 75 76 77

BegrRegE, BT-Drucks. VI/1786, S. 58. Friese, ZfA 2003, 237, 278. Friese, ZfA 2003, 237, 278. Vgl. hierzu § 7 C.I.

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tungsbereich als Bezugsgröße nur dann sinnvoll, wenn die Geltungsbereiche der beiden Tarifverträge deckungsgleich sind, da ansonsten die Situation eintreten könnte, dass jede Gewerkschaft für ihren Tarifvertrag repräsentativ ist78. Es bedarf also eines objektiven und einheitlichen Vergleichsmaßstabes. Anders als im Rahmen des § 3 BetrVG kann für personalvertretungsrechtliche Tarifverträge gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG nicht auf den Betrieb als Einheit abgestellt werden, da für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer diese betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit aufgrund der Bereichsausnahme keine Bedeutung hat. Vielmehr können die Tarifparteien bestimmte bestehende Einheiten als Bezugspunkte für die betriebliche Mitbestimmung auswählen, da § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG anders als § 3 BetrVG keine spezielle Ermächtigung der Tarifparteien statuiert, im Interesse der Gesamtbelegschaft unter klar definierten Voraussetzungen Abweichungen vom gesetzlichen Modell bzw. Ergänzungen dieses Modells zu errichten79. § 117 Abs. 2 BetrVG wiederholt letztlich nur das, was sich ohnehin aus Art. 9 Abs. 3 GG bzw. den §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 TVG ergibt, nämlich dass es Teil der Koalitionsfreiheit ist, in einem von der gesetzlichen Betriebsverfassung ausgeklammerten Bereich durch Tarifvertrag Organisationsstrukturen der betrieblichen Mitbestimmung zu errichten80. Diese Feststellung führt zu der Erkenntnis, dass das starre Abstellen auf den gesamten Flugbetrieb als Bezugsrahmen der Tarifautonomie als kollektiv ausgeübter Privatautonomie nicht genügend Freiraum lässt. Andererseits muss sich die Koalitionsfreiheit solche Beschränkungen gefallen lassen, die der Realisierung einer effektiven und funktionsfähigen betrieblichen Mitbestimmung dienen81. Eine völlige Zersplitterung durch eine Vielzahl von Tarifverträgen einzelner Berufsgewerkschaften über die Errichtung einer Personalvertretung würde dem widersprechen. Ein Mittelweg zwischen den beiden Extremen kann daher darin liegen, an betriebsorganisatorische Gegebenheiten anzuknüpfen und die Repräsentativität auf diese organisatorische Einheit zu beziehen82. Nachdem bereits die Zulässigkeit einer tarifvertraglich vereinbarten partikularen Personalvertretung für bestimmte Mitarbeitergruppen bejaht wurde, spricht viel dafür, auch auf der Ebene der Tarifkonkurrenz diese Bezugsgröße zur Ermittlung der mitgliedschaftlichen Legitimation heranzuziehen. Nach der hier vertretenen Auffassung bilden die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer keine betriebsverfassungsrechtliche Einheit, vielmehr entspricht es eher den Bedürfnissen der Arbeitnehmer

78

Krause, in: FS Buchner, S. 493, 509. Krause, in: FS Buchner, S. 493, 510. 80 Vergleichbar hierzu sind die Gestaltungsmöglichkeiten der Tarifvertragsparteien für Kleinbetriebe, die auch nicht in den Geltungsbereich der gesetzlichen Betriebsverfassung fallen. 81 Krause, in: FS Buchner, S. 493, 510. 82 Krause, in: FS Buchner, S. 493, 510. 79

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im Flugbetrieb, zwischen Cockpit- und Kabinenpersonal zu unterscheiden83. Ein Blick auf die zahlreichen Tarifverträge, die im Laufe der Zeit abgeschlossen wurden, belegt die Praktikabilität dieser Differenzierung. Die gesetzlichen Vorgaben bzw. Sicherheitsbestimmungen für das Cockpitpersonal sind erheblich umfangreicher und weichen beträchtlich von denen für das Kabinenpersonal ab, sodass die Umläufe und Dienstpläne nach jeweils unterschiedlichen Kriterien erstellt werden. Dies zeigt auch ein Blick auf die Tarifstruktur des wichtigsten deutschen Luftfahrtkonzerns, der Deutschen Lufthansa, die eine konsequente Aufteilung in Cockpit und Kabine aufweist. Dies ist auch hinsichtlich der sehr unterschiedlichen Möglichkeiten und Erfordernisse des Berufsaufstiegs sowie der Umschulung sinnvoll. Die Auflösung der Konkurrenz zwischen Tarifverträgen, welche den Cockpitbereich und/oder den Kabinenbereich erfassen, erfolgt also dergestalt, dass der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft Anwendung findet, welche im jeweiligen Bereich die stärkere mitgliedschaftliche Legitimation vorweisen kann.

III. Ergebnis Die Auflösung der Tarifkonkurrenz zwischen personalvertretungsrechtlichen Tarifverträgen nach § 117 Abs. 1 S. 1 BetrVG erfolgt nach dem Mehrheitsprinzip. Der relevante Bezugsrahmen ist entweder der gesamte Flugbetrieb oder jeweils der Kabinen- oder Cockpitbereich. Hiernach findet der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft Anwendung, die im jeweiligen Bereich die meisten Mitglieder vorweisen kann.

D. Nachwirkung personalvertretungsrechtlicher Tarifverträge Gemäß § 4 Abs. 5 TVG wirken die Rechtsnormen eines Tarifvertrages nach seinem Ablauf so lange weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. In der Nachwirkungsphase gelten die Tarifnormen zwar weiterhin unmittelbar, verlieren jedoch ihre zwingende Wirkung84. Der Wortlaut des § 4 Abs. 5 TVG scheint auf den ersten Blick eine Nachwirkung auch betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen nahezulegen85, zumal § 4 Abs. 1 S. 2 TVG für die Laufzeit des Tarifvertrages die unmittelbare Wirkung von Tarifnormen ausdrücklich auf „Rechtsnormen des Tarifvertrages [. . .] über betriebsverfassungsrechtliche 83

Krause, in: FS Buchner, S. 493, 510. BAGE 27, 22, 25 ff.; 37, 83, 91 f. 85 Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 202; Leitmeier, Nachwirkung, S. 232; Oetker, in: FS Schaub, S. 535, 538; Sobotta, Autonome Organisation, S. 270; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 192 ff. 84

D. Nachwirkung personalvertretungsrechtlicher Tarifverträge

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Fragen“ erstreckt86. Darüber hinaus spricht auch die Systematik für die Nachwirkung dieser Tarifnormen, da das Gesetz in § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 1 TVG präzise zwischen Rechtsnormen über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen einerseits und den sonstigen nach § 1 Abs. 1 TVG zulässigen Tarifnormen andererseits differenziert, eine vergleichbare Differenzierung in § 4 Abs. 5 TVG jedoch fehlt87. Die Frage der Nachwirkung betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen ist bislang höchstrichterlich nicht ausdrücklich entschieden worden88 und in der Literatur umstritten89. Da sich der Ausschluss einer solchen Nachwirkung weder dem Wortlaut noch der Gesetzessystematik entnehmen lässt, kann er allein teleologisch begründet werden90, was eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Zweck der Nachwirkung erforderlich macht. Der Gesetzgeber wollte bei der Schaffung des TVG an die Diskussion über die Nachwirkung in der Weimarer Zeit anknüpfen91. Diese Diskussion fand unter der Tarifvertragsordnung vom 23. Dezember 1918 (TVVO)92 statt, wenngleich eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlte93. Als Argument für die Nachwirkung wurden unter anderem die tatsächlichen Probleme angeführt, die dadurch entstünden, wenn tarifliche Ar-

86 Jacobs/Krois, ZTR 2011, 643; ebenso Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 202; Leitmeier, Nachwirkung, S. 232; Oetker, in: FS Schaub, S. 535, 538; Sobotta, Autonome Organisation, S. 270; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 192 ff. 87 Vgl. Oetker, in: FS Schaub, S. 538; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 203; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 193. 88 Soweit ersichtlich hat das BAG diese Frage nur ein einziges Mal am Rande gestreift, ohne sie ausdrücklich zu entscheiden: BAG AP Nr. 52 zu Art. 9 GG. In BAG AP Nr. 19 zu § 1 TVG Tarifverträge: Lufthansa wird von der Nachwirkung des TV PV DLH ausgegangen, ohne die Kündigung des Tarifvertrags zu problematisieren. Vgl. aber LAG Bremen v. 21.2.2001 – 2 TaBV 12 – 14/00 (n. v.), welches ausdrücklich eine Nachwirkung annimmt und sich hierbei u. a. auf die soeben genannte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bezieht. 89 Für eine Nachwirkung: Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 20; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 875; Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 526 f.; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 674 (auf ein Jahr befristete Nachwirkung); Oetker, in: FS Schaub, S. 535, 541; ders., in: JKO, Tarifvertragsrecht, § 8 Rn. 54; Otto, in: MünchArbR, § 286 Rn. 80; Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 344. Gegen eine Nachwirkung: Koch, in: ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 2, 9, 11; nur für Tarifverträge nach § 3 Abs. 1 Nr. 1–3 BetrVG Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 84; Rose, in: H/S/W/G, BetrVG, § 3 Rn. 109; Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498, 2502; Gaul, in: H/W/K, BetrVG, § 3 Rn. 25; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 65; ausdrücklich beschränkt auf Tarifverträge nach § 3 BetrVG Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 35; Thüsing, ZIP 2003, 693, 704. 90 Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 193. 91 Vgl. die Begründung zu § 4 Abs. 2 des Lemgoer Entwurfs (ZfA 1973, 132, 134) sowie Jacobs/Krois, ZTR 2011, 643, 644 f. und Herrschel, ZfA 1973, 183, 193. Der Lemgoer Entwurf ist ein Referentenentwurf des Zentralamts für Arbeit der britischen Zone einer Verordnung über den Tarifvertrag, der wohl vom März 1948 stammt. 92 Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten vom 23.12.1918, RGBl., S. 1456. 93 Nikisch, Arbeitsrecht, S. 389 m.w. N.

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beitsbedingungen in der Interimsphase zwischen Ablauf des alten Tarifvertrages und Neuabschluss eines Tarifvertrages ohne Weiteres endeten94. Auch das Reichsarbeitsgericht schloss sich zunächst dieser Sichtweise an und führte aus, dass „Einzelarbeitsverträge mit dem Wegfall des Tarifvertrages [nicht] plötzlich mehr oder weniger inhaltslos dastehen [können]“ 95; später verwarf es allerdings die Nachwirkung Tarifnormen aus dogmatischen Gründen96. Nachfolgend soll zunächst der Zweck der Nachwirkung im Allgemeinen herausgearbeitet werden97, um im Anschluss zu Überprüfen, ob die Nachwirkung betriebsverfassungsrechtlicher Normen mit der Gesetzesintention vereinbar ist98.

I. Zweck der Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG im Allgemeinen Vor dem Hintergrund der Entwicklung in der Weimarer Zeit regelte der Gesetzgeber die Nachwirkung von Tarifnormen im TVG ausdrücklich und knüpfte hierbei an die aus dieser Zeit stammenden Zweckmäßigkeitserwägungen an, ohne diese allerdings näher zu konkretisieren99. Aus diesem Grund ist wohl auch die Terminologie uneinheitlich und schwer überschaubar. 1. Schaffung von Rechtssicherheit Nach weit verbreitetem Verständnis dient die Nachwirkung dazu, einen tariflosen Zustand und ein sogenanntes inhaltsleeres Arbeitsverhältnis bzw. einen regelungslosen Zustand im Arbeitsverhältnis nach Ablauf der normativen Wirkung des Tarifvertrages zu verhindern100. Die Furcht vor einem inhaltsleeren Arbeits94 Vgl. hierzu Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, S. 210 f. Das zweite Hauptargument knüpfte an die verbreitete Ansicht an, dass die Regelungen des Tarifvertrages qua Gesetz, nämlich gemäß § 1 Abs. 1 TVVO zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden. Dieser Ansicht ist aufgrund der ausdrücklich gesetzlich angeordneten unmittelbaren Wirkung von Tarifnormen gemäß §§ 1 Abs. 1 Hs. 2, 4 Abs. 1 S. 1 TVG die Grundlage entzogen. 95 RGZ 114, 194, 195 (lediglich als obiter dictum). 96 RAG ARS 21, S. 3, 4. 97 § 7 D.I. 98 § 7 D.II. 99 Vgl. Jacobs/Krois, ZTR 2011, 643, 644 f., die sich auf die Begründung des sogenannten Lemgoer Entwurfs beziehen (ZfA 1973, 132, 134), in der es heißt: „Die neuere Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts hat unter Preisgabe der früheren Judikatur die Nachwirkung von Tarifnormen verneint. [. . .] Jedenfalls hat sich diese Auffassung in der Praxis als wenig sachdienlich erwiesen.“ 100 Vgl. hierzu die Rechtsprechung: BAG AP Nr. 22 zu § 4 TVG Nachwirkung; BAG AP Nr. 42 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen; BAG AP Nr. 13 zu § 3 TVG; BAG AP Nr. 57 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; BAG AP Nr. 34 zu § 4 TVG

D. Nachwirkung personalvertretungsrechtlicher Tarifverträge

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verhältnis ist jedoch nicht stichhaltig101, da die Erbringung von unselbstständigen Dienstleistungen gegen Entgelt nicht in einem rechtsleeren Raum in dem Sinne stattfindet, dass die Rechtsordnung an sie keinerlei Rechtsfolgen knüpfte102. Vielmehr finden die gesetzlichen Regelungen über den Arbeitsvertrag in den §§ 611 ff. BGB Anwendung, sodass von einer „Inhaltsleere“ keine Rede sein kann. Das Problem ist vielmehr darin zu sehen, dass die Anwendung der dispositiven Gesetzesbestimmungen, namentlich der §§ 315, 316 und 612 Abs. 2 BGB, aufgrund der darin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe erhebliche Rechtsunsicherheit hervorruft103. Mit anderen Worten würde ohne die Nachwirkung infolge des Wegfalls der tariflichen Regelungen also zwar kein regelungsloser, wohl aber ein unklarer und unsicherer Zustand eintreten. Es ist nämlich nicht von Hand zu weisen, dass die Anwendung der genannten gesetzlichen Regelungen keine praktikable Lösung darstellt. 2. Bestandsschutzfunktion Der Zweck der Nachwirkung erschöpft sich jedoch nicht allein in der Schaffung von Rechtssicherheit, sondern beinhaltet auch den individuellen Vertragsinhaltsschutz bzw. die Bestandsschutzfunktion104. Die Nachwirkung soll nämlich auch verhindern, dass sich das Arbeitsverhältnis aufgrund des Tarifentfalls und der Ergänzung durch dispositives Gesetzesrecht inhaltlich verändert, da dies regelmäßig zu einer Verschlechterung der materiellen Arbeitsbedingungen führen würde. Die Nachwirkung dient insofern auch dem Arbeitnehmerschutz105. Das Bundesarbeitsgericht spricht von „vereinbarungsoffenem Bestandsschutz“: „Sinn und Zweck der Nachwirkungsregelung des § 4 Abs. 5 TVG ist es zu vermeiden, dass sich der Inhalt von Arbeitsverhältnissen [. . .] nach Ablauf des Tarifvertrages nur noch nach gesetzlichen Regelungen richtet“ 106.

Tarifkonkurrenz. Vgl. aus der Literatur etwa: Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 35; Henssler, in: H/W/K, TVG, § 4 Rn. 5; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 659 f.; Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 327. 101 Ebenso Leitmeier, Nachwirkung, S. 62. 102 Jacobs/Krois, ZTR 2011, 643, 645. 103 Vgl. hierzu Jacobs/Krois, ZTR 2011, 643, 645, die sich insbesondere auf die entsprechende Argumentation von Nikisch, Arbeitsrecht, S. 391 beziehen. Ebenso Leitmeier, Nachwirkung, S. 62 ff., der vor allem auf die Regelung des § 612 Abs. 2 BGB verweist. 104 Bepler, in: Däubler, TVG, § 4 Rn. 822; Henssler, in: H/W/K, TVG, § 4 Rn. 5; Jacobs/Krois, ZTR 2011, 643, 645 f.; Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 533; Leitmeier, Nachwirkung, S. 37; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 660; Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 327. 105 Jacobs/Krois, ZTR 2011, 643, 645 f.; ebenso Leitmeier, Nachwirkung, S. 37. 106 BAG AP Nr. 46 zu § 4 TVG Nachwirkung.

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3. Ordnungs- und Überbrückungsfunktion der Nachwirkung? Schließlich wird im Zusammenhang mit dem Zweck der Nachwirkung oft die Ordnungs- und Überbrückungsfunktion genannt107. Darunter wird oft der oben bereits angesprochene Aspekt der Rechtssicherheit gefasst108, der gewährleistet, dass die tariflichen Ordnungen übergangslos aufeinander folgen. Darüber hinaus wird jedoch der Ordnungsfunktion eine über den Individualschutz hinausgehende Bedeutung als kollektive Ordnungsentscheidung beigelegt109. Aus diesem Grund sollen von der Nachwirkung auch Arbeitsverhältnisse erfasst sein, die erst im Nachwirkungsstadium abgeschlossen wurden110. Dies ist im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abzulehnen111. Wenn das Arbeitsverhältnis erstmals eingegangen wird, können alle Angelegenheiten im Arbeitsvertrag geregelt werden, sodass es demzufolge nichts zu überbrücken und inhaltlich nichts zu schützen gibt112. Außerdem kann die Nachwirkung für solche Arbeitsverhältnisse nicht aus dem Tarifvertrag selbst hergeleitet werden, da dessen Weitergeltung nach seinem Ablauf nicht mehr auf den Willen der Tarifpartner zurückzuführen ist113. Die Regelung des § 4 Abs. 5 TVG ist grundsätzlich auch auf Tarifverträge über betriebsverfassungsrechtliche Fragen im Sinne des § 3 Abs. 2 TVG anwendbar114. Im Hinblick auf Organisationstarifverträge nach § 3 BetrVG wird jedoch eine kontroverse Diskussion darüber geführt, ob diese Tarifnormen der Nachwirkung zugänglich sind. 107 Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 533; Oetker, in: JKO, Tarifvertragsrecht, § 8 Rn. 23; Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 329. 108 So etwa Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 198; Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 533; Leitmeier, Nachwirkung, S. 36; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 194. 109 So ausdrücklich Bepler, in: Däubler, TVG, § 4 Rn. 816. 110 Bepler, in: Däubler, TVG, § 4 Rn. 816; Henssler, in: H/W/K, TVG, § 4 Rn. 8; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 880; Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 330 ff. 111 Grundlegend BAP AP Nr. 1 zu § 3 TVG Nachwirkung; BAG AP Nr. 8 zu § 4 TVG Nachwirkung; BAG AP Nr. 11 zu § 3 TVG Verbandsaustritt; zuletzt BAG AP Nr. 31 zu § 3 TVG. Zustimmend Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 53; Jacobs, Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz, S. 139; Löwisch/Rieble, § Rn. 708 ff.; Nikisch, Arbeitsrecht, S. 391. 112 Leitmeier, Nachwirkung, S. 118. 113 So Jacobs/Krois, ZTR 2011, 643, 645. 114 BAG AP Nr. 4 zu § 4 BAT; BAG AP Nr. 52 zu Art. 9 GG (unter III.3); Behrens/ Hohenstatt, DB 1991, 1877, 1878; Bepler, in: Däubler, TVG, § 4 Rn. 864; Eich, in: FS Weinspach, S. 17, 30; Franzen, in: GK-BetrVG § 3 Rn. 35; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 875; Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 521 ff.; Hohenstatt/ Dzida, DB 2001, 2498, 2502; Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 554; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 698; Oetker, in: FS Schaub, S. 535, 547 ff.; Spinner, Vereinbarte Betriebsverfassung, S. 170; Wank, in: Wiedemann, TV, § 4 Rn. 344; a. A.: Gistel, Betriebsverfassungsstruktur, S. 36.

D. Nachwirkung personalvertretungsrechtlicher Tarifverträge

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II. Nachwirkung betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen? Während die Nachwirkung für betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen im Allgemeinen in Rechtsprechung und Literatur bejaht wird, verneint eine vorherrschende Literaturmeinung dies für Organisationstarifverträge nach § 3 BetrVG115. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Fragestellung speziell für Tarifverträge gemäß § 3 BetrVG liegt noch nicht vor. Vor dem Hintergrund des soeben dargestellten Zwecks der Nachwirkung116 gilt es nun zu klären, ob die Nachwirkung auch betriebsverfassungsrechtliche Normen erfasst, insbesondere solche nach § 117 Abs. 2 BetrVG. 1. Zweckwidrigkeit der Nachwirkung Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ist die Nachwirkung entbehrlich, da ein regelungsloser Übergangszeitraum aufgrund der gesetzlichen Betriebsverfassung nicht entsteht und daher die Überbrückungsfunktion für die vorliegende Konstellation gegenstandslos ist117. Gerade für die im Luftbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer trifft diese Prämisse nicht zu, da § 117 Abs. 2 BetrVG für diese Arbeitnehmer eine Bereichsausnahme statuiert. Hieraus könnte man schließen, dass die Überbrückungsfunktion gerade für das fliegende Personal einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Dieser Schluss ist indes vorschnell, da auch für sie das Gesetz eine rechtssichere, klare und verständliche Regelung vorsieht, nämlich dass im Flugbetrieb eine betriebliche Vertretung ohne eine Tarifvertrag nicht besteht118. Man mag diese Regelung unter rechtspolitischen und verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kritisieren, aber Rechtsunsicherheit besteht insofern nicht. Hiergegen kann auch nicht das Argument der größeren Sachnähe der tarifvertraglichen Regelungen gegenüber den gesetzlichen Regelungen angeführt werden119, da die tarifliche Regelung nur für die vereinbarte Laufzeit des Tarifvertrages die größere Sachnähe beanspruchen kann120. 115 Eich, in: FS Weinspach, S. 17, 31; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 2 u. 11; Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 84; Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 35; Gistel, Betriebsverfassungsstruktur, S. 29 ff.; Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498, 2502; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 65; Rolf, Betriebsratsstruktur, S. 155; Rose, in: H/S/W/G, BetrVG, § 3 Rn. 109; Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 176 ff.; Thüsing, ZIP 2003, 693, 704; Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 166; Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 196 ff. 116 Vgl. § 7 D.I.1. 117 So auch Behrens/Hohenstatt, DB 1991, 1877 f.; Eich, in: FS Weinspach, S. 17, 31; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 2; Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 84; Franzen, in: GKBetrVG, § 3 Rn. 35; Gaul, in: H/W/K, BetrVG, § 3 Rn. 25; Gistel, Betriebsverfassungsstruktur, S. 36; Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498, 2502; Jacobs/Krois, ZTR 2011, 643, 648; Rose, in: H/S/W/G, BetrVG, § 3 Rn. 109; Thüsing, ZIP 2003, 693, 704. 118 Jacobs/Krois, ZTR 2011, 643, 648. 119 So aber Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisation, S. 207; Oetker, in: FS Schaub, S. 535, 548.

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§ 7 Tarifrechtliche Probleme

Die Bestandsschutzfunktion rechtfertigt keine abweichende Beurteilung der Nachwirkung. Die Gefahr der Verschlechterung der materiellen Arbeitsbedingungen droht bei Tarifverträgen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen nicht, da das Bestehen bzw. der Wegfall einer betrieblichen Mitbestimmung keinen Einfluss auf das Niveau der materiellen Arbeitsbedingungen hat121. 2. Perpetuierung der nachwirkenden Tarifnormen Gegen eine Nachwirkung betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen wird angeführt, dass eine „Versteinerung“ 122 der nachwirkenden Tarifnormen bzw. möglicherweise sogar eine „ewige“ Verdrängung der gesetzlichen Betriebsverfassung123 für den Fall drohe, dass kein neuer Tarifvertrag abgeschlossen werde, da eine arbeitsvertragliche Vereinbarung ausscheide und auch eine abweichende Betriebsvereinbarung im Anwendungsbereich des § 3 BetrVG oft nicht in Betracht komme124. Dieses Argument gilt im besonderen Maße für Tarifverträge nach § 117 Abs. 2 BetrVG, da für diese einzig und allein ein Tarifvertrag als eine „andere Abmachung“ im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG in Frage kommt125. Kann der bestehende Tarifvertrag auch in der Nachwirkungsphase allein durch Abschluss eines neuen Tarifvertrages ersetzt werden, so bleibt de facto die zwingende Wirkung des Tarifvertrages auch nach Kündigung oder Zeitablauf bestehen. Diese Perpetuierung der tarifvertraglich vereinbarten Betriebsverfassung widerspricht der gesetzlichen Konzeption, die nach Wegfall der zwingenden Wirkung des Tarifvertrags die Regelung der entsprechenden Materie durch andere Regelungsmittel gerade freigibt126. Diese Problematik wird auch von den Vertretern der Nachwirkungslehre gesehen, die deswegen zu gesetzlich nicht vorgesehenen Korrekturen greifen, indem sie die Nachwirkung zeitlich eingrenzen127. Dabei muss sich eine fixe zeitliche Begrenzung den Vorwurf der Willkürlichkeit gefallen lassen128, während eine flexible Lösung, etwa im Sinne des Endes der 120

Jacobs/Krois, ZTR 2011, 643, 648. Jacobs/Krois, ZTR 2011, 643, 648 f. 122 Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 196 mit einem Verweis auf LAGE Nr. 4 zu § 4 TVG Nachwirkung. 123 Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 672 ff.; Oetker, in: FS Schaub, S. 535, 552. 124 Vgl. Behrens/Hohenstatt, DB 1991, 1877; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 196, der darauf hinweist, dass Regelungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 BetrVG durch Betriebsvereinbarungen nur unter den engen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 BetrVG erfolgen und Regelungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 gar nur durch Tarifvertrag getroffen werden könnten. 125 Vgl. Schmid/Roßmann, Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder, Rn. 530. 126 Jacobs/Krois, ZTR 2011, 643, 649. 127 Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 525, 527; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 210; Oetker, in: FS Schaub, S. 535, 552; Schmid/Roßmann, Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder, Rn. 531. 128 Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 210. 121

D. Nachwirkung personalvertretungsrechtlicher Tarifverträge

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Nachwirkung nach endgültigem Scheitern der Verhandlungen129, zu einer eklatanten Rechtsunsicherheit führt130. 3. Anwendung auf nach Ablauf des Tarifvertrags begründete Arbeitsverhältnisse Es wurde bereits dargestellt, dass Arbeitsverhältnisse, die nach Ablauf des Tarifvertrages begründet wurden, nicht von der Nachwirkung erfasst werden131. Die Nachwirkung von Tarifverträgen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen würde im Ergebnis also zu einer Aufspaltung der Belegschaft führen. Betriebsverfassungsrechtliche Fragen können jedoch nur betriebseinheitlich geregelt werden132. Die beschränkte personelle Reichweite der Nachwirkung ist ein gewichtiges Argument gegen ihre Anwendung, weil sie diese notwendige betriebseinheitliche Geltung nicht gewährleisten kann133. Somit ist die Nachwirkung betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen in jeglicher Hinsicht unpraktikabel134. 4. Zwischenergebnis Die Nachwirkung von Tarifnormen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen ist nicht mehr vom Telos des § 4 Abs. 5 TVG gedeckt, da sie weder unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit noch des Bestandsschutzes erforderlich ist und zudem dem gesetzgeberischen Anliegen widerspricht, die entsprechende Materie in der Nachwirkungsphase anderen Regelungsmitteln zu öffnen135. Ist wie im vorliegenden Fall der Wortlaut einer Norm gemessen an dem Gesetzeszweck zu weit, so spricht man von einer verdeckten Lücke, da das Gesetz scheinbar eine Regelung enthält, die jedoch aufgrund einer teleologischen Reduktion keine Anwendung findet136. 129

Vgl. zur Nachwirkung organisationsrechtlicher Verträge Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 166. 130 Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 178. 131 Vgl. hierzu § 7 D.I.3. 132 Vgl. § 4 B.III. 133 Gistel, Betriebsverfassungsstruktur, S. 37. 134 Jacobs/Krois, ZTR 2011, 643, 649. 135 So überzeugend Jacobs/Krois, ZTR 2011, 643, 649, die zudem ergänzend auch verfassungsrechtlich gegen eine Nachwirkung argumentieren: Sowohl dem Bundesarbeitsgericht als auch dem Bundesverfassungsgericht zufolge seien die negative Koalitionsfreiheit bzw. die Unternehmerfreiheit gemäß Art. 12 und 14 GG nicht verletzt, weil der Arbeitgeber die Möglichkeit habe, mit den bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern unter Einsatz seiner Verhandlungsmacht jederzeit eine andere Vereinbarung zu treffen. Diese Möglichkeit bestünde jedoch im Fall des betriebsverfassungsrechtlichen Normen gerade nicht. Zudem könnten die Schaffung von Rechtssicherheit und Bestandsschutz auch nicht zur Rechtfertigung der Grundrechtseingriffe herangezogen werden. 136 Vgl. nur Canaris, Feststellung von Lücken, 136 f.

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§ 7 Tarifrechtliche Probleme

III. Ergebnis Betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen, also auch Tarifverträge nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG, unterliegen nicht der Nachwirkung. § 4 Abs. 5 TVG ist entsprechend teleologisch zu reduzieren.

E. Erzwingbarkeit des Tarifabschlusses durch Arbeitskampf Im Anschluss soll nun der Frage nachgegangen werden, ob ein Tarifvertrag über die Errichtung einer Personalvertretung nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG mit Mitteln des Arbeitskampfes durchgesetzt, namentlich erstreikt werden kann. Zwar dürfte die Streikbereitschaft der Belegschaft für die Errichtung einer betrieblichen Mitbestimmung wesentlich geringer sein als bei Tarifforderungen, die sich unmittelbar auf zentrale Arbeitsbedingungen wie den Lohn beziehen137. Dennoch ist die Frage keineswegs rein akademischer Natur, wie der Versuch der Vereinigung Cockpit belegt, im Sommer 2008 ihre Mitglieder im Rahmen einer Tarifauseinandersetzung mit der Lufthansa zu einem Streik zu motivieren, um neben der bisher bestehenden personalvertretungsrechtlichen Struktur eine konzernweite Personalvertretung exklusiv für Piloten durchzusetzen138. Das Thema wird in der Literatur kaum behandelt. Die vorhandenen Stellungnahmen gehen überwiegend davon aus, dass Tarifverträge nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG mit arbeitskampfrechtlichen Mitteln erzwingbar sind139. Anders ist dies allerdings wiederum im Bezug auf den Regelungsbereich des § 3 BetrVG.

I. Erstreikbarkeit eines Organisationstarifvertrags im Rahmen des § 3 BetrVG Ausgehend von der Grundregel, dass Gegenstand eines Arbeitskampfes alles sein kann, was tariflich regelbar ist140, wird die Erzwingbarkeit des Tarifabschlusses nach verbreiteter Auffassung141 auch für Organisationstarifverträge 137

Ähnlich Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S.198. Hierzu bereits unter § 1 A. Letztlich kam es nicht zu einem Streik, da sich die Mitglieder in einer entsprechenden Urabstimmung dagegen aussprachen. 139 Däubler, in: D/K/K, BetrVG, § 117 Rn. 12; Fitting, BetrVG, § 117 Rn. 12; Grabherr, NZA 1988, 534; Schmid/Roßmann, Das Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder, Rn. 519; Schmitt, Handbuch BV, S. 134; Spinner, Vereinbarte Betriebsverfassung, S. 78; Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 12. 140 Vgl. etwa Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 564; Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 155. 141 Däubler, AuR 2001, 285, 288; Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 563 f.; Heinkel, Organisationseinheit, S. 239; Picker, RdA 2001, Sonderbeilage Heft 4, 138

E. Erzwingbarkeit des Tarifabschlusses durch Arbeitskampf

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bejaht. Sowohl § 1 Abs. 1 TVG als auch § 3 Abs. 1 BetrVG eröffne den Tarifpartnern eine Rechtsetzungskompetenz bezüglich betriebsverfassungsrechtlicher Normen142. Solange für Gegenstände, die im Tarifvertrags- und Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich der tarifvertraglichen Normierung zugänglich gemacht seien, keine ausdrückliche Friedenspflicht angeordnet sei, müsse daher von ihrer Erkämpfbarkeit ausgegangen werden143. Dieser Ansicht hat sich auch das Bundesarbeitsgericht angeschlossen144. Die Gegenauffassung hält einen Arbeitskampf für unzulässig, der auf den Abschluss eines Organisationstarifvertrages zielt145. Bereits die Ausgangsthese der Gegenansicht, dass alle tariflich regelbaren Gegenstände durch Arbeitskampf erzwungen werden können, sei „rechtsirrig“ 146. Es müsse vielmehr zwischen streikfähigen und nicht streikfähigen tariflichen Regelungszielen unterschieden werden147. Regelungen zur Organisation der Betriebsverfassung gehörten zu Letzteren, denn bei ihnen bewegten sich die Tarifpartner nicht mehr innerhalb ihrer tarifautonomen Zuständigkeit. Teilweise wird die strikte Freiwilligkeit einer tarifvertraglichen Vereinbarung mit Verweis auf die Arbeitgebergrundrechte gemäß Art. 2, 12, 14 GG für verfassungsrechtlich geboten erachtet, da es nicht um die Vereinbarung materieller Arbeitsbedingungen, sondern um spezifische Organisationsstrukturen gehe148. Des Weiteren wird auf die Gefahr einer Umgehung der betrieblichen Friedenspflicht gemäß § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG hingewiesen149. Tarifverträge über betriebsverfassungsrechtliche Fragen, die sowohl durch Tarifvertrag als auch durch Betriebsvereinbarung regelbar seien, deren Vereinbarung der Arbeitgeber aber verweigere, könnten ansonsten über Tarifvertrag im Streitwege durchgesetzt werden. Des Weiteren sei der Arbeitskampf zur Durchsetzung eines Organisationstarifvertrages nicht als ultima ratio anzusehen, da die gesetzliche Regelung des Betriebsverfassungsgesetzes subsidiär gelte150. Schließlich 257, 278; Konzen, RdA 2001, 76, 86; Plander, NZA 2002, 483, 488; Rieble, ZIP 2001, 133, 139; Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 159 ff.; Spinner, Vereinbarte Betriebsverfassung, S. 78; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 200 ff.; Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 153 ff.; Helmut Wißmann, AiB 2000, 321, 322. 142 Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 155. 143 Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 563 f. 144 BAG NZA 2009, 1424, 1429. 145 Buchner, NZA 2001, 633, 635; Rose, in: H/S/W/G, BetrVG, § 3 Rn. 20 ff.; Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498, 2501; Eich, in: FS Weinspach, S. 17, 23; Franzen, ZfA 2000, 285, 297; Kraft, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 31; Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 171 ff. 146 Buchner, NZA 2001, 633, 635; ebenso Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498, 2501. 147 Eich, in: FS Weinspach, S. 17, 24; Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498, 2501. 148 Vgl. Buchner, NZA 2001, 633, 635; Reichold, NZA 2001, 857, 859; Thüsing, ZIP 2003, 693, 701. 149 Vgl. Mayer-Maly, DB 1965, 32 f.; Wiedenfels, AuA 2000, 318, 321. 150 Richardi, BetrVG, § Rn. 59; vgl. auch Franzen, ZfA 2000, 285, 298.

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§ 7 Tarifrechtliche Probleme

wird gegen die Erkämpfbarkeit angeführt, der Gesetzgeber habe die autonome Regelung der betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentationseinheiten zum Zwecke der effektiven und sachgerechten Organisation der Betriebsverfassung überlassen, nicht aber zur einseitigen Interessenwahrnehmung der Mitglieder, sodass Arbeitskampfmittel in diesem Bereich fehl am Platze seien151.

II. Erstreikbarkeit eines Tarifvertrages nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG Auch ein Tarifvertrag über die Errichtung einer Personalvertretung regelt betriebsverfassungsrechtliche Fragen und damit zusammenhängend auch die Organisation. Dennoch ist die Ausgangssituation eine andere als bei Organisationstarifverträgen gemäß § 3 BetrVG, da aufgrund der Bereichsausnahme die gesetzliche Betriebsverfassung nicht subsidiär gilt. Aus diesem Grund kann in einem Streik zur Durchsetzung eines Tarifvertrages nach § 117 Abs. 2 BetrVG auch kein Verstoß gegen das Ultima-Ratio-Prinzip gesehen werden, da für das fliegende Personal erst durch einen solchen Tarifvertrag die betriebliche Mitbestimmung ermöglicht wird. Auch ein Rückgriff auf die betriebliche Friedenspflicht ist zunächst nicht möglich, da § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG aufgrund der Bereichsausnahme keine Anwendung findet. Es ließe sich allenfalls an eine Art mittelbare Geltung denken, da die Tarifvertragsparteien nach der hier vertretenen Auffassung an die Vorgaben der gesetzlichen Betriebsverfassung, also auch an § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG, gebunden sind. Allerdings würde auch in diesem Fall das Argument der Friedenspflicht nicht greifen. § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG gilt nämlich ausdrücklich nur für den Arbeitgeber in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Funktion und den Betriebsrat. Vom Arbeitskampfverbot ausgenommen sind hingegen „Arbeitskämpfe tariffähiger Parteien“. Diese Differenzierung ist auch folgerichtig, da die betriebliche Friedenspflicht den allgemeinen Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit ergänzt152, der im Interesse einer effektiven Kooperation der Betriebsparteien besteht. Streitfragen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sollen entsprechend dem gesetzlichen Verfahren entweder durch die Einigungsstelle oder vom Arbeitsgericht entschieden werden153. Die Vorschrift unterscheidet somit lediglich nach den Parteien, nicht jedoch nach dem Regelungsziel. § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist deshalb eine betriebsverfassungsrechtliche, nicht eine arbeitskampfrechtliche Vorschrift154. Die Argumentation, dass die Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen nicht in den tarifautonomen Zuständigkeitsbereich falle, wurde bereits an anderer 151 152 153 154

Friese, ZfA 2003, 237, 268 f. Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 202. BAG AP Nr. 52 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; Fitting, BetrVG, § 74 Rn. 11 f. Vgl. Fitting, BetrVG, § 74 Rn. 13.

E. Erzwingbarkeit des Tarifabschlusses durch Arbeitskampf

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Stelle behandelt155. Nach der hier vertretenen Ansicht stellt § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG eine Norm mit Mischcharakter dar, da eine Zulassungsnorm für tarifvertragliche Betriebsverfassungsstrukturen sowohl auf autonomer als auch auf delegierter Grundlage beruht156. Tarifverträge nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG werden somit auch auf tarifautonomer Grundlage abgeschlossen. Um die Konsequenzen für die Zulässigkeit von Arbeitskampfmitteln richtig einordnen zu können, bedarf es allerdings zunächst einiger Überlegungen zu den Grundzügen des Arbeitskampfrechts im Allgemeinen. Das Recht, den Abschluss eines Tarifvertrages mit Mitteln des Arbeitskampfes durchzusetzen, ist Teil der in Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Koalitionsfreiheit157. Dieses Grundrecht verpflichtet den Gesetzgeber dazu, den Koalitionen geeignete Mittel für ihre Betätigung zur Verfügung zu stellen158. Das Tarifvertragssystem bietet einen gesetzlichen Rahmen für die grundrechtliche Betätigung der Koalitionen. Die sinnvolle Ausgestaltung des Tarifvertragssystems verlangt jedoch zudem ein Verhandlungsgleichgewicht zwischen den Tarifpartnern, was wiederum Zwangsmittel in der Tarifauseinandersetzung voraussetzt. Diese Funktion hat das durch Richterrecht geschaffene Arbeitskampfrecht159. Aufgrund dieser funktionalen Verknüpfung zwischen Tarifautonomie und Arbeitskampfrecht nimmt eine Auffassung die Unzulässigkeit eines Arbeitskampfes zur Durchsetzung betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen an, da die Betriebsverfassung nicht vom Schutzbereich der Koalitionsfreiheit umfasst werde160. Diese Ansicht vermag nicht zu überzeugen, selbst wenn man von der Prämisse ausgeht, dass die Materie der Betriebsverfassung nicht der Koalitionsbetätigungsfreiheit unterfällt161. Sie ignoriert nämlich, dass die Gerichte bei der näheren Konkretisierung des Arbeitskampfrechts nicht darauf beschränkt sind, es nur für solche Materien anzuerkennen, deren normative Regelung der Gesetzgeber den Koalitionen nach Art. 9 Abs. 3 GG zwingend überlassen und ermöglichen muss162. Aus der Konnexität von Tarifautonomie und Arbeitskampfrecht lässt sich lediglich der Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber für den außerhalb der 155

Vgl. hierzu ausführlich § 4 B. So auch Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 161 zu § 3 BetrVG. 157 BVerfGE 84, 212, 224 f.; 88, 103, 114; BAG AP Nr. 163 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; Cornils, in: BeckOK, GG, Art. 9 Rn; 67; Dieterich, in: ErfK, GG, Art. 9 Rn. 102; Hergenröder, in: H/W/K, GG, Art. 9 Rn.149; Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, Grundl. Rn. 64; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 310; Wiedemann, TVG, Einleitung Rn. 39. 158 Vgl. hierzu bereits § 4 B.II. 159 Vgl. etwa Cornils, in: BeckOK, GG, Art. 9 Rn. 67. 160 So etwa Friese, ZfA 2003, 237, 268 ff.; Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498, 2501. 161 Vgl. hierzu oben unter § 4 B.I. 162 Friese, ZfA, 2003, 237, 268. 156

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§ 7 Tarifrechtliche Probleme

Tarifautonomie liegenden Bereich ein Arbeitskampfverbot erlassen könnte. Soweit der Gesetzgeber über das Minimum der von Art. 9 Abs. 3 GG geforderten Bereitstellung eines gesetzlichen Tarifvertragssystems hinausgeht, haben die Gerichte diese Entscheidung bei der Ausgestaltung des Arbeitskampfrechts nach dem Grundsatz zu akzeptieren, dass erkämpft werden kann, was tariflich regelbar ist163. Eine Einschränkung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt geboten, dass der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien die autonome Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen zum Zweck der effektiven und sachgerechten Organisation der Betriebsverfassung überlassen habe, nicht aber zur Interessenwahrnehmung der Mitglieder164. Eine derartige Auslegung erscheint bereits aufgrund des Umstands befremdlich, dass dem Gesetzgeber die seit Langem bestehende Rechtsprechung zum Umfang des Streikrechts bekannt war und er dennoch an keiner Stelle ein ausdrückliches Arbeitskampfverbot statuiert hat. Insofern kann von einem beredten Schweigen des Gesetzgebers gesprochen werden165. Darüber hinaus verkennt diese Argumentation die Funktion der Zulassungsklauseln im Betriebsverfassungsgesetz166. Sie gewährleisten, dass die Koalitionen sowohl dem Ziel der Optimierung ihrer Mitgliederinteressen als auch der sachgerechten Ordnung der Betriebsverfassung verpflichtet sind, indem beispielsweise in § 3 BetrVG Tatbestandsvoraussetzungen wie Sachgerechtigkeit und Zweckmäßigkeit normiert werden. Durch diese Rückkoppelung an den gesetzgeberischen Willen wird sowohl die Legitimation gegenüber den Außenseiterarbeitnehmern realisiert als auch eine Einschränkung der Gestaltungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien im Sinne einer Bindung an Kriterien, die dem Interesse der Gesamtbelegschaft verpflichtet sind167. Nicht anders liegen die Dinge bei § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG, wenn die Ermächtigungsnorm im hier vertretenen Sinne ausgelegt wird. Somit rechtfertigt auch dieser Gesichtspunkt keine Ausnahme vom Grundsatz, dass alles, was tariflich regelbar ist, auch erkämpft werden kann. Eine generelle Einschränkung des Arbeitskampfrechts für Tarifverträge über betriebsverfassungsrechtliche Fragen, insbesondere solche nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG, lässt sich auch nicht mit dem Verweis auf die Grundrechte des Arbeit163

In diesem Sinne BAG AP Nr. 106 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. So insbesondere Friese, ZfA 2003, 237, 268 f. zu § 3 BetrVG; darauf aufbauend Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 32, der aufgrund einer Auslegung zu dem Ergebnis kommt, dass das Arbeitskampfrecht ausgeschlossen sei, da § 3 BetrVG nicht der Optimierung der Mitgliederinteressen, sondern der sachgerechten Ordnung der Betriebsverfassung diene. 165 So BAG NZA 2009, 1424, 1429 zu § 3 BetrVG. 166 Vgl. zu den Zulassungsklauseln § 4 C.II. 167 Ähnlich BAG NZA 2009, 1424, 1429, welches hierzu ausführt: „Die Bindung an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 BetrVG bei der Durchsetzung der Mitgliederinteressen schließen ein Verbandsinteresse nicht aus, sondern begrenzen nur ihr Kampfziel.“ 164

E. Erzwingbarkeit des Tarifabschlusses durch Arbeitskampf

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gebers aus den Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG begründen168. Für diese Auffassung wird vorgebracht, dass die Organisation der Betriebsverfassung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Unternehmensstruktur stehe und bereits deshalb nicht zwangsweise durchgesetzt werden könne169. In der Tat bildet die Unternehmensorganisation einen Bestandteil der grundrechtlich geschützten Unternehmensautonomie. Mit dieser mittelbaren Zuordnung der Betriebsverfassung zur Unternehmensstruktur soll die betriebsverfassungsrechtliche Organisation in die Tabuzone tarifautonomer Betätigung fallen170. Es ist zwar im Grundsatz richtig, dass die betriebliche Mitbestimmung durch die für die Interessenvertretung der Arbeitnehmer geschaffenen Beteiligungsrechte und die dem Arbeitgeber unmittelbar und mittelbar auferlegten finanziellen Verpflichtungen in dessen unternehmerische Freiheit und seine Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG eingreifen171. Diese Eingriffe sind jedoch verfassungsgemäß und durch die Schutzpflicht des Staates für die Grundrechte der Arbeitnehmer sowie das Sozialstaatsprinzip legitimiert. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb dem Arbeitgeber durch die gesetzliche Betriebsverfassung in verfassungskonformer Weise eine Vertretungsstruktur vorgegeben werden kann, während in der zwangsweisen Durchsetzung einer entsprechenden tarifvertraglichen Regelung durch die Tarifvertragsparteien ein Verfassungsverstoß liegen soll172, insbesondere da es der Arbeitgeber durch den Abschluss des entsprechenden Tarifvertrages selbst in der Hand hat, eventuelle Streikschäden zu vermeiden. Diese Argumentation ist umso überzeugender, als sich nach hier vertretener Ansicht die nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG vereinbarten Tarifverträge grundsätzlich an die Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes zu halten haben. Folglich steht der Arbeitgeber nach einem freiwilligen Tarifvertragsabschluss nicht schlechter da als im Geltungsbereich der gesetzlichen Betriebsverfassung. Unabhängig vom Inhalt der angestrebten tariflichen Regelungen ist der Arbeitgeber außerdem durch das bei Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen zu beachtende Verhältnismäßigkeitsprinzip vor unzulässigen Beeinträchtigungen geschützt173. Insgesamt ergeben sich somit keine überzeugenden Argumente gegen die Erstreikbarkeit von Tarifverträgen über die Errichtung einer Personalvertretung. Vielmehr spricht die Bereichsausnahme für das fliegende Personal für die Zulässigkeit von Arbeitskampfmitteln zur Durchsetzung von tariflichen Vertretungsstrukturen. Ohne die subsidiäre Geltung einer gesetzlichen Betriebsverfassung ist das Bordpersonal umso stärker auf die gewerkschaftliche Durchsetzung einer be-

168 169 170 171 172 173

So auch BAG NZA 2009, 1424, 1429, jedoch ohne Begründung. So Buchner, NZA 2001, 633, 635 Fn. 9. Friese, ZfA 2003, 237, 260. Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 5. Vgl. Schmiege, Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag, S. 160. Vgl. Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 202.

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§ 7 Tarifrechtliche Probleme

trieblichen Mitbestimmung angewiesen. In der Tat wären Tarifvertragsverhandlungen ohne die Möglichkeit zum Streik wenig mehr als „kollektives Betteln“ 174. Aus alldem folgt, dass auch für Tarifverträge nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG der Grundsatz gilt, dass tariflich regelbare Materien auch zwangsweise mit Mitteln des Arbeitskampfes durchgesetzt werden können.

III. Ergebnis Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG sind nach den allgemeinen Regeln mit Mitteln des Arbeitskampfes durchsetzbar.

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Vgl. hierzu BAG AP Nr. 64 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.

§ 8 Gerichtliche Kontrolle der Tarifverträge nach § 117 Abs. 1 S. 2 BetrVG Fragen des Rechtsschutzes im Sinne der Reichweite der gerichtlichen Überprüfung der tarifvertraglichen Bordbetriebsverfassung werden im Rahmen des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG nicht thematisiert1. Dies ist angesichts des weiten Gestaltungsspielraums, der den Tarifvertragsparteien allgemein eingeräumt wird, nicht verwunderlich. Ausführlicher diskutiert wird dieses Thema wiederum im Zusammenhang mit Organisationstarifverträgen nach § 3 BetrVG2. Auf der Grundlage von § 3 BetrVG oder § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG tarifvertraglich vereinbarte betriebsverfassungsrechtliche Normen zeichnen sich gegenüber Inhaltsnormen dadurch aus, dass sie Grundlage für die Wahl und die Betätigung eines betrieblichen Mitbestimmungsorgans sind. Die gerichtliche Kontrolle kann also sowohl den Tarifvertrag als auch die Wahl der Personalvertretung betreffen. Zudem stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage der Auswirkungen von Fehlern auf der tarifvertraglichen Ebene auf die bestehenden Mitbestimmungsorgane und deren Handlungen.

A. Möglichkeiten der gerichtlichen Kontrolle I. Wahlanfechtung Alle Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung sehen eine dem § 19 BetrVG entsprechende Regelung vor3, wonach die Wahl zur Personalvertretung innerhalb von zwei Wochen angefochten werden kann, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist. Diese Tarifverträge bilden die Grundlage für die Durchführung einer Betriebsratswahl, sodass eine Überprüfung ihrer Wirksamkeit und ihres Inhalts durch Anfechtung der Wahl vor dem Arbeitsgericht nach der entsprechenden Tarifnorm veranlasst werden kann. Hierbei ist zwischen der Nichtigkeit 1 Vgl. zur Frage der Einbindung von Behörden § 6 B., wo es um die gerichtliche Klärung von Streitigkeiten über Mitwirkungsrechte geht, die allenfalls zu einer Inzidentkontrolle der einschlägigen tariflichen Regelungen führen können. 2 Vgl. Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, S. 321 ff.; Rolf, Betriebsratsstruktur, S. 71; Schmiege, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen, S. 128 ff.; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 205 ff.; Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 183. 3 Vgl. etwa § 12 TV PV DLH; § 13 TV PV AB; § 19 TV PV CA.

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§ 8 Gerichtliche Kontrolle der Tarifverträge

des gesamten Tarifvertrags und der Nichtigkeit lediglich einzelner Normen zu differenzieren. Eine Betriebsratswahl ist nicht nur dann nichtig, wenn gegen wesentliche Grundsätze des Wahlrechts in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl gewahrt wird4, sondern auch dann, wenn ein Betrieb nicht dem Betriebsverfassungsgesetz unterliegt, weil es dann an einer gesetzlichen Grundlage für eine Betriebsratswahl fehlt5. Dies ist der Fall bei einer Wahl eines Betriebsrates für das fliegende Personal eines Luftfahrtunternehmens ohne einen Tarifvertrag nach § 117 Abs. 2 BetrVG6. Gleiches muss auch für den Fall gelten, dass zwar ein Tarifvertrag abgeschlossen wurde, dieser aber in Gänze nichtig ist, da auch dies eine Wahl ohne rechtliche Grundlage ist. Die Nichtigkeit der Wahl kann von jedermann, jederzeit und in jeder Form durch Einleitung eines Beschlussverfahrens vor dem Arbeitsgericht festgestellt werden (§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V. m. §§ 80 ff. ArbGG), sofern ein rechtliches Interesse an dieser Feststellung besteht7. Die Wahlanfechtung ist daher für den Fall der Gesamtnichtigkeit eines Tarifvertrages nach § 117 Abs. 2 BetrVG nicht relevant, da diese ohne Bindung an bestimmte Fristen gerichtlich geltend gemacht werden kann. Sind einzelne Regelungen eines Tarifvertrages unwirksam, bleibt diese Unwirksamkeit regelmäßig auf die inkriminierten Vorschriften beschränkt8. Die Folgen der Teilnichtigkeit eines Tarifvertrages richten sich nicht nach dem für Rechtsgeschäfte geltenden Grundsatz des § 139 BGB, da wegen des Rechtsnormcharakters und den damit verbundenen Anforderungen an die Rechtssicherheit nicht auf den hypothetischen Willen der Tarifvertragsparteien abgestellt werden kann9. Die Unwirksamkeit einer einzelnen Bestimmung erfasst vielmehr nur dann weitere Teile des Tarifvertrages oder den gesamten Tarifvertrag, wenn die übrigen, rechtmäßigen Vorschriften keine selbstständige Bedeutung haben oder sämtliche Vorschriften ohne den nichtigen Teil ihren Sinn verlieren10. Ein Beispiel für eine auf eine einzelne Tarifnorm begrenzte Nichtigkeit ist die Wählbarkeitsregelung in § 36 TV PV DHL, nach der lediglich ein Flugkapitän Vorsitzender der Gesamtvertretung werden kann. Da diese Regelung unzulässig ist11, 4

BAG AP Nr. 8 zu § 19 BetrVG 1972. BAG AP Nr. 24 zu § 118 BetrVG 1972. 6 LAG Hessen DB 1973, 1512 ff.; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.10.2009 – 6 TaBVGa 2284/09 (erhältlich bei BeckRS 2009, 74383). 7 Vgl. BAG AP Nr. 6 zu § 19 BetrVG 1972. 8 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 503. 9 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 503; Thüsing, in: Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 332. 10 BAG AP Nr. 8 zu § 4 TVG Effektivklausel; BAG AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Vorschlagswesen; BAG AP Nr. 1 zu § 1 TVG Teilnichtigkeit; BAG AP Nr. 28 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung. 11 Vgl. hierzu bereits unter § 6 C.II.2. 5

A. Möglichkeiten der gerichtlichen Kontrolle

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würde das Arbeitsgericht allein sie für nichtig erklären. Für diese Fälle der Teilnichtigkeit kommt also eine Wahlanfechtung in Betracht, wenn die nichtige Vorschrift das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren betrifft.

II. Verfahren nach § 9 TVG § 9 TVG ermöglicht es den Tarifvertragsparteien, ein abstraktes Feststellungsverfahren über die Wirksamkeit und den Inhalt von Tarifnormen einzuleiten12. Gegenstand dieses Verfahrens können alle Arten von Tarifnormen sein, mithin auch Rechtsnormen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen. Über die Anträge entscheidet das zuständige Arbeitsgericht im Beschlussverfahren. § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 ArbGG sieht zwar für Rechtsstreitigkeiten aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen grundsätzlich das Urteilsverfahren vor. Soweit es jedoch um Tarifverträge zur Organisation der Betriebsverfassung und Festlegung der Mitbestimmungsrechte geht, handelt es sich zugleich um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit, für die nach der spezielleren Vorschrift des § 2a Abs. 1, 2 BetrVG das Beschlussverfahren statthaft ist13.

III. Inzidentkontrolle Die Wirksamkeit und der Inhalt eines Tarifvertrages Personalvertretung können in anderen Rechtsstreitigkeiten als entscheidungserhebliche Vorfragen eine Rolle spielen. Die möglichen Fallgestaltungen sind mannigfaltig. Alle Mitbestimmungsrechte der Personalvertretung beruhen auf Tarifverträgen nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG, sodass die Wirksamkeit der tariflichen Grundlage stets zu prüfen ist. Auch für die Beurteilung des Verhältnisses von auf tarifvertraglicher Grundlage errichteten Vertretungen zu anderen betriebsverfassungsrechtlichen Gremien kann es auf Wirksamkeit und Inhalt des entsprechenden Tarifvertrages ankommen14. Selbst in Verfahren ohne betriebsverfassungsrechtlichen Streitgegenstand kann sich die Notwendigkeit zur Überprüfung eines Tarifvertrags nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG ergeben, so etwa wenn sich in einem Kündigungsschutzprozess die Frage stellt, ob die Personalvertretung hätte angehört werden müssen oder ob ein Mitglied der Personalvertretung einem besonderen Kündigungsschutz unterliegt. 12 BAG AP Nr. 1 zu § 3 TVG Betriebsnormen; BAG AP Nr. 1 zu § 9 TVG 1969; Löwisch/Rieble, TVG, § 9 Rn. 1. 13 Vgl. hierzu bereits unter § 6 B. 14 Vgl. BAG AP Nr. 4 zu § 117 BetrVG 1972. In dieser Entscheidung ging es um die Entsendung von Mitgliedern der Personalvertretung in den Wirtschaftsausschuss. Der Gesamtbetriebsrat hatte selbstständig Mitglieder des fliegenden Personals zu Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses bestimmt, ohne die Personalvorschläge der Personalvertretung zu berücksichtigen. Hiergegen ging die Personalvertretung gerichtlich vor.

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§ 8 Gerichtliche Kontrolle der Tarifverträge

B. Umfang der Überprüfbarkeit durch die Gerichte Nach der hier vertretenen Ansicht ist die Gestaltungsbefugnis der Tarifvertragsparteien im Rahmen des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG eingeschränkt: Sie müssen ein System der betrieblichen Mitbestimmung errichten, das der gesetzlichen Betriebsverfassung entspricht, soweit nicht Besonderheiten der Tätigkeit des fliegenden Personals Abweichungen rechtfertigen. Diesen Besonderheiten müssen die Tarifparten weiterhin durch sachgerechte Regelungen Rechnung tragen. Wird ein Tarifvertrag Personalvertretung gerichtlich überprüft, stellt sich die Frage, wie weit diese Überprüfung gehen darf. Die Frage des Umfangs der Überprüfbarkeit wird in Literatur und Rechtsprechung nicht problematisiert, da den Tarifvertragsparteien nach der herrschenden Meinung ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt wird. Tarifverträge unterliegen im Allgemeinen einer vollen gerichtlichen Rechtskontrolle. Sie sind von den Arbeitsgerichten darauf zu überprüfen, ob sie gegen das Grundgesetz, zwingendes Gesetzesrecht oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechtes verstoßen15. Als Folge eines solchen Verstoßes ist der jeweilige Tarifvertrag nichtig und darf nicht angewendet werden16. Eine inhaltliche Kontrolle auf Angemessenheit, Sachgerechtigkeit und Zweckmäßigkeit wird hingegen allgemein als mit der Koalitionsfreiheit unvereinbare „Tarifzensur“ angesehen17. Nichts anderes gilt im Grundsatz auch für Organisationstarifverträge oder Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung. Aus diesem Grund wird auch zum Teil eine weitergehende inhaltliche Überprüfbarkeit der Organisationstarifverträge nach § 3 BetrVG abgelehnt18. Wie dargestellt, beruhen die auf Grundlage des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG geschaffenen Tarifverträge nicht vollumfänglich auf der Tarifautonomie. Vielmehr wird die Errichtung betrieblicher Mitbestimmungsorgane den Tarifvertragsparteien erst durch die Geltungserstreckung auf nicht organisierte Arbeitnehmer ermöglicht. In diesem Bereich sind also sowohl die Tarifautonomie der Gewerkschaft als auch die Einhaltung der rechtsstaatlich-demokratischen Grundsätze gegenüber den Außenseitern zu beachten. Die hier vertretene Auslegung, wonach die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien verfassungskonform zu beschränken ist19, trägt dieser Kollisionslage Rechnung. Eine derartige Auslegung verletzt nicht die Tarifautonomie. Die gerichtliche Kontrolle korrespondiert mit dieser zulässigen Beschränkung der Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien: Das 15 St. Rspr. BAG AP Nr. 36 zu § 611 BGB Kirchendienst; BAG EzA § 1 BetrAVG Ablösung Nr. 27; BAGE 79, 236, 242; BAG AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Besitzstand. 16 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 509; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 244; vgl. auch Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 23; Thüsing, ZIP 2003, 693, 700. 17 Vgl. BAG EzA § 1 BetrAVG Ablösung Nr. 27; BAG AP Nr. 3 zu § 9 TVG 1969; Löwisch/Rieble, in: MünchArbR, § 158 Rn. 15; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 227. 18 Vgl. Däubler, AiB 2001, 313, 315. 19 Vgl. hierzu § 5 B.II.1.b).

B. Umfang der Überprüfbarkeit durch die Gerichte

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Gericht überprüft lediglich die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG, wie sie durch die hier vertretene verfassungskonforme Auslegung konkretisiert wurden, also die Einhaltung der gesetzlichen Grenze der tarifvertraglichen Regelungsbefugnisse. Es geht demnach gerade nicht um eine allgemeine Sach- und Zweckmäßigkeitskontrolle, sondern um eine Normkontrolle am Maßstab des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG20. Greifen bereits die gesetzlichen Vorgaben nicht unzulässig in die Tarifautonomie ein, so kann nichts anderes für die gerichtliche Überprüfbarkeit dieser Vorgaben gelten. Folglich kann sich eine Einschränkung des gerichtlichen Kontrollumfangs lediglich aus der gesetzlichen Regelung selbst ergeben. Nach einer verbreiteten Ansicht sollen Organisationstarifverträge nach § 3 BetrVG nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar sein. Zur Begründung wird angeführt, dass den Tarifvertragsparteien ein (großer21) Beurteilungs- und Ermessensspielraum zustehe22. Das folge aus der Offenheit und Unbestimmtheit der gesetzlichen Tatbestände, deren Ausfüllung der Gesetzgeber bewusst den Tarifvertragsparteien überlassen habe. Die gerichtliche Kontrolle sei deshalb auf grobe Fehler bei der Beurteilung und Ermessensausübung seitens der Tarifvertragsparteien beschränkt. Teilweise wird sogar lediglich eine Missbrauchskontrolle befürwortet23. Die Annahme eines beschränkten Prüfungsumfangs der Gerichte vermag jedoch weder bei Organisationstarifverträgen nach § 3 BetrVG24 noch bei Tarifverträgen über die Errichtung einer Personalvertretung nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG zu überzeugen. Nach der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien für die Ausgestaltung der Bordbetriebsverfassung konkretisiert. Die Beachtung der so definierten Grenzen durch die Tarifpartner ist nach allgemeinen Grundsätzen in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe erweitert zwar zunächst den Handlungsspielraum der Tarifpartner, mindert jedoch keineswegs den Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Unbestimmte Rechtsbegriffe, also Rechtsbegriffe, deren Inhalt nicht durch einen klar definierten Sachverhalt ausgefüllt wird, sondern bei der Rechtsanwendung im Einzelfall der Konkretisierung bedarf, unterliegen grundsätzlich der un20 Vgl. zu § 3 BetrVG Friese, ZfA 2003, 237, 255; Schmiege, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen, S. 129; Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 211. 21 Trümner, in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 156; ebenso Koch, in: ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 1; Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 21. 22 Friese, ZfA 2003, 237, 257; Heinkel, Organisationseinheit, S. 326 f.; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 95; Schmiege, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen, S. 128 ff.; Sobotta, Autonome Organisation, S. 326; Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 184 f. 23 Rolf, Betriebsratsstruktur, S. 76 f. 24 Vgl. hierzu Teusch, Organisation der Betriebsverfassung, S. 208 ff.

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§ 8 Gerichtliche Kontrolle der Tarifverträge

eingeschränkten richterlichen Nachprüfung25. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, wieso für § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG etwas anderes gelten sollte. Im Gegenteil: Gerade weil § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG unbestimmt ist, besteht ein erhöhtes Kontrollbedürfnis. § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG soll es den Tarifvertragsparteien ermöglichen, für das fliegende Personal eine Vertretung zu errichten, die den Besonderheiten des Flugbetriebs Rechnung trägt. Die tarifvertragliche Bordbetriebsverfassung muss sich hinsichtlich der Ausgestaltung grundsätzlich an die Vorgaben der gesetzlichen Betriebsverfassung halten, soweit nicht Abweichungen durch die Spezifik des Flugbetriebs gerechtfertigt sind. Die Besonderheiten des Flugbetriebs sind wie andere unbestimmte Rechtsbegriffe der Konkretisierung durch die Rechtsprechung zugänglich. Die Geltungserstreckung auf nicht organisierte Arbeitnehmer macht die Letztverantwortlichkeit der Gerichte für die Gesetzesauslegung erforderlich. Die Grenzen der tarifvertraglichen Gestaltungsfreiheit sind durch verfassungsrechtliche Vorgaben bedingt, deren Einhaltung in vollem Umfang richterlicher Überprüfung unterliegt. Die Begrenzung der Kontrolle durch die Gerichte auf grobe oder offenkundige Fehler bzw. auf Missbrauch verbietet sich mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates gegenüber den Außenseiterarbeitnehmern. Dennoch soll nicht verkannt werden, dass im Einzelfall der Spezifik des Flugbetriebs durch unterschiedliche Regelungen Rechnung getragen werden kann. Die Tarifvertragsparteien können zwischen mehreren zulässigen Möglichkeiten frei wählen. Es ist daher nicht Aufgabe des Gerichts, den Tarifvertrag daraufhin zu überprüfen, ob er die aus Sicht des Gerichts effektivste Mitbestimmungsstruktur vorsieht, und damit im Ergebnis seine eigenen an die Stelle der Zweckmäßigkeitserwägungen der Parteien zu setzen26.

C. Fehlerfolgen Tarifnormen sind Teil der Rechtsordnung und dürfen deshalb nicht gegen vorrangiges Recht verstoßen27. Vorrangig ist zunächst jedes staatliche Recht, da ihm höherer Rang zukommt als den Tarifverträgen28. Staatliches Recht umfasst das Grundgesetz und die Länderverfassungen sowie Gesetze und Rechtsverordnungen. Verstößt der Tarifvertrag gegen vorrangiges Recht, ist er insoweit endgültig nichtig29. Auch in diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage nach der Gesamt- oder Teilnichtigkeit30. 25 St. Rspr. BVerfGE 103, 142, 156; BVerwGE 94, 307, 309; auch 106, 263, 266; vgl. auch jüngst BAG NZA-RR 2010, 271, 273. 26 Vgl. zu Organisationstarifverträgen Plander, NZA 2002, 483, 487; Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 185. 27 BAG AP Nr. 4 zu Art. 3 GG; BAG AP Nr. 49 zu § 611 Dienstordnungs-Angestellte. 28 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 509. 29 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 576; Thüsing, in: Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 330; Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 130.

C. Fehlerfolgen

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Im vorliegenden Zusammenhang ist vor allem die Nichteinhaltung der Voraussetzungen des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG von Interesse, wie sie durch die hier vertretene verfassungskonforme Auslegung konkretisiert wurden. Die inhaltliche Konkretisierung ist Bedingung und Grundlage der Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen durch die Tarifvertragsparteien für organisierte und nicht organisierte Arbeitnehmer gleichermaßen. Ein Tarifvertrag, der sich nicht an die Vorgaben des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG hält, entbehrt dieser Rückanbindung an den gesetzgeberischen Willen und ist aufgrund der fehlenden Legitimation nichtig. Im Hinblick auf das rechtliche Schicksal ist ein Tarifvertrag insofern mit einer Rechtsverordnung vergleichbar, die aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen wurde (Art. 80 Abs. 1 GG). Eine Rechtsverordnung, die die Grenzen der Ermächtigungsnorm nicht einhält, ist nichtig31. Für Tarifverträge ergibt sich die Unwirksamkeitsfolge nicht aus § 134 BGB (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot), sondern vielmehr daraus, dass den Tarifvertragsparteien bei Verstoß gegen die sie ermächtigende Vorschrift des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG die Legitimation zur Rechtsetzung fehlt32. Ist nach den oben genannten Grundsätzen von der Nichtigkeit des gesamten Tarifvertrages auszugehen, etwa weil durch den Wegfall der inkriminierten Vorschriften das Gesamtgefüge der betrieblichen Mitbestimmung nicht mehr funktionsfähig ist, führt dies grundsätzlich zum gänzlichen Wegfall der Bordbetriebsverfassung. Allerdings sieht das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich von Rechtsverordnungen ausnahmsweise von der Nichtigkeitsfolge ab und geht zur Vermeidung eines rechtslosen Zustands von der übergangsweisen Fortgeltung aus, wenn der sonst eintretende Zustand der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferner stehen würde als der bisherige33. Auch durch den ersatzlosen Wegfall eines Tarifvertrages über die Errichtung einer Personalvertretung würde ein derartiger Zustand eintreten, so dass auch in diesem Zusammenhang von einer übergangsweisen Fortgeltung des Tarifvertrags auszugehen ist. In diesem Zusammenhang zeigen sich erneut die Schwächen der gesetzlichen Konzeption, die für das fliegende Personal eine Bereichsausnahme statuiert und die konkrete Ausgestaltung den Tarifvertragsparteien überlässt. Die Folgen der Unwirksamkeit wiegen deutlich schwerer als bei Organisationstarifverträgen, bei denen die subsidiäre Geltung der gesetzlichen Organisationsnormen einen regelungslosen Zustand verhindert. Tarifliche Normen auf dem Gebiet der Betriebsverfassung sind nur für organisierte und nicht organisierte Arbeitnehmer gemeinsam möglich, sodass es für die Außenseiterarbeitnehmer einer Anbindung an Vorgaben des Gesetzgebers 30

Vgl. hierzu bereits § 8 A.1. BVerfGE 22, 330, 343 ff.; 48, 1, 19; 65, 248, 260 ff.; 101, 1, 30. 32 So auch Utermark, Organisation der Betriebsverfassung, S. 179 für § 3 BetrVG. 33 Vgl. hierzu BVerfGE 48, 29 (37 m.w. N.); 79, 245, 250 f.; vgl. auch BFH, NJW 1995, 550 ff.; vgl. zur ähnlichen Argumentation hinsichtlich gleichheitswidriger Gesetze § 5 B.IV.1. 31

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§ 8 Gerichtliche Kontrolle der Tarifverträge

bedarf. Es geht also um die Einhaltung des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips. Die Einhaltung dieser Vorgaben steht auch dann nicht zu Disposition, wenn sich der Wegfall der tarifvertraglichen Grundlage der Personalvertretung für das fliegende Personal ungünstiger darstellt als das Bestehenbleiben des Tarifvertrags, der nicht den Vorgaben des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG entspricht. In dieser Hinsicht ist das fliegende Personal im Vergleich zu den Arbeitnehmern, die vom Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes erfasst werden, schlechter gestellt. Lediglich der Gesetzgeber kann hier Abhilfe schaffen.

§ 9 Exkurs: Kooperationstarifverträge nach § 117 Abs. 2 S. 2 BetrVG Gemäß § 117 Abs. 2 S. 2 BetrVG kann ein Tarifvertrag über die Zusammenarbeit der Personalvertretung nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG mit den nach dem Betriebsverfassungsgesetz errichteten Betriebsräten der Landbetriebe des Luftfahrtunternehmens von diesem Gesetz abweichende Regelungen vorsehen1. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit für solche Kooperationstarifverträge geschaffen, um die notwendige Zusammenarbeit von Boden- und Bordvertretung im Unternehmen zu erleichtern2. Die fehlende Integration der Mitarbeitervertretungen des fliegenden und des Bodenpersonals ist sowohl aus Sicht des Arbeitgebers als auch aus Sicht des fliegenden Personals problematisch. Die rechtlichen Konfliktfälle und unter Umständen daraus resultierende konkurrierende Ergebnisse parallel laufender Einigungsstellenverfahren zum gleichen Sachgegenstand belasten den Arbeitgeber mehr als nötig. Diese Schwierigkeiten haben die Tarifpartner beim Abschluss des TV PV DLH bereits gesehen und daher in einer Protokollnotiz festgelegt, dass eine Entscheidung der Einigungsstelle für das Bordpersonal nur insoweit ergehen kann, als keine Überschneidung mit Mitbestimmungsrechten der Betriebsräte des Bodenpersonals vorliegt3. Darüber hinaus wird in mehreren Tarifwerken die Notwendigkeit einer Regelung der Zusammenarbeit zwischen den tarifvertraglichen Mitarbeitervertretungen und den Mitarbeitervertretungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz festgestellt4. Aber auch aus Sicht des fliegenden Personals ergeben sich Schwierigkeiten, und zwar insbesondere hinsichtlich solcher Mitbestimmungsorgane, deren Zuständigkeit sich auf das gesamte Unternehmen bezieht, wie es beispielsweise beim Wirtschaftsausschuss der Fall ist. Angesichts der Tatsache, dass sowohl der Gesetzgeber als auch die Tarifpartner5 eine Integration im Grundsatz für erforderlich halten, ist es erstaunlich, dass es bisher – mit Ausnahme eines Ergänzungstarifvertrags der British European Airways vom 21. Feb1 Durch das Betriebsverfassungs-Reformgesetz wurde der Verweis auf das Zustimmungserfordernis des § 3 BetrVG a. F. gestrichen, da auch der Organisationstarifvertrag nunmehr keiner staatlichen Zustimmung mehr bedarf. 2 Schmitt, Handbuch BV, S. 167. 3 Ziffer 6, Abschnitt A der Protokollnotiz zur TV PV DLH. 4 Vgl. etwa Abschnitt C der Protokollnotiz zur TV PV DLH; § 40 TV PV Condor; § 30 TV PV Hapag Lloyd. 5 So auch Lufthansa, Betriebsverfassung des Bordpersonals, S. 10.

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§ 9 Exkurs: Kooperationstarifverträge nach § 117 Abs. 2 S. 2 BetrVG

ruar 19746 – wenn überhaupt nur zu unvollständigen Regelungsversuchen gekommen ist7. Regelungen zur Bestellung, Zusammensetzung und Arbeitsweise des Wirtschafsausschusses enthalten beispielsweise die Tarifverträge zwischen der VC auf der einen und der Germanwings GmbH, Augsburg Airways GmbH & Co. KG, Contact Air Flugdienst GmbH & Co sowie Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG auf der anderen Seite8. Dies mag zum einen an der ausgesprochen schwierigen Gestaltung solcher Tarifverträge liegen. Zum anderen wird die Erforderlichkeit einer entsprechenden tarifvertraglichen Regelung wohl überschätzt. Die Praxis ermöglicht insbesondere die pragmatische Wahrnehmung von Informations- und Beratungsrechten der Personalvertretungen durch die freiwillige Beteiligung, etwa im Wirtschaftsausschuss9. Hinsichtlich stärkerer Mitbestimmungsrechte sind zwar divergierende Ansichten zwischen Bord- und Bodenvertretungen möglich, jedoch wurde dieses Problem durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entschärft, welches die mitbestimmungsrechtliche Zuständigkeit für einzelne Arbeitnehmer betreffende Fragestellungen nach dem Schwergewicht der Tätigkeit abgrenzt10. In diesem Zusammenhang ist auch die weitverbreitete Ansicht kritisch zu sehen, wonach die Tarifvertragsparteien bei der Ausgestaltung einen weiten Spielraum geltend machen können. Die Integration zweier grundsätzlich divergierender Systeme stellt nämlich die Tarifvertragsparteien bei der Vereinbarung eines Kooperationstarifvertrages vor größere Schwierigkeiten. Nach der hier vertretenen Auslegung des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist hingegen eine grundsätzliche Systemkongruenz gewährleistet, sodass eine Integration leichter zu bewerkstelligen ist11. Die Integration der Mitbestimmungsorgane des fliegenden Personals in das System der betrieblichen Mitbestimmung der Landbetriebe ist im Grundsatz auf drei verschiedene Arten möglich12. Zum einen ist an ein System von gegenseitigen Einspruchs- und Konsultationsrechten zu denken, das die Errichtung eines zusätzlichen gemeinsamen Gremiums entbehrlich machen würde. Zum anderen ist auch die Errichtung eines erweiterten Gesamtbetriebsrats unter Einbeziehung von Bord- und Bodenpersonalvertretern möglich. Entsprechend der gesetzlichen Regelung für die Seeschifffahrt gemäß § 114 Abs. 3 BetrVG könnte 6 Der Ergänzungstarifvertrag Nr. 1 über die Betriebsvertretung der Stewardessen der British European Airways in Deutschland zwischen BEA Deutschland und ÖTV vom 21.2.1974 sah vor, dass die aufgrund tarifvertraglicher Regelungen geschaffene Arbeitnehmervertretung der im innerdeutschen Flugverkehr beschäftigten Stewardessen bei der Bildung des Gesamtbetriebsrats als Betriebsrat im Sinne der §§ 47 ff. BetrVG galt. 7 Schmitt, Handbuch BV, S. 167. 8 Franzen, in: GK-BetrVG, § 117 Rn. 17. 9 Schmitt, Handbuch BV, S. 168. 10 Vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 117 BetrVG; BAG AP Nr. 5 zu § 117 BetrVG. 11 Zur Forderung der Systemkongruenz bereits Hartmut Weber, Handbuch BV, S. 211 ff. 12 Vgl. Schmitt, Handbuch BV, S. 168.

§ 9 Exkurs: Kooperationstarifverträge nach § 117 Abs. 2 S. 2 BetrVG

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man schließlich die jeweilige Personalvertretung als zusätzlichen Betriebsrat definieren, der dann im Gesamtbetriebsrat des Unternehmens vertreten wäre. Angesichts des Umstands, dass die Praxis trotz fehlender Kooperationstarifverträge zu handhabbaren Lösungen kommt, lässt sich an der Notwendigkeit solcher Regelungen sicherlich zweifeln. Jedoch ist zu bedenken, dass Mitbestimmungsrechte, die lediglich auf einer freiwilligen, informellen Absprache beruhen, nicht dem Schutzniveau durch eine gesetzliche oder tarifvertragliche Regelung entsprechen. Eine Schlechterbehandlung des fliegenden Personals ist auch in diesem Zusammenhang nicht gerechtfertigt. Zusätzliche Gremien würden Streitentscheidungsregelungen erforderlich machen, die bei divergierenden Ansichten zwischen Boden- und Bordgremien eine abschließende Entscheidung ermöglichen. Die Statuierung gegenseitiger Einspruchsrechte würde die betriebliche Mitbestimmung insgesamt nicht praktikabler machen. Dieses Dilemma der Tarifvertragsparteien bei der Vereinbarung eines Kooperationstarifvertrages zeigt erneut, wie problematisch und unzulänglich eine tarifvertragliche Bordbetriebsverfassung ist. Die Entscheidung des Gesetzgebers für die Herausnahme des fliegenden Personals aus dem Geltungsbereich der gesetzlichen Betriebsverfassung wurde bereits als Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 3 Abs. 1 GG qualifiziert13. Was die Bordbetriebsverfassung angeht, so ist festzustellen, dass die durch den Arbeitgeber gewährte freiwillige Beteiligung zu keiner Gleichstellung mit den Arbeitnehmern führt, die dem Betriebsverfassungsgesetz unterfallen. Erst die Integration des Bordpersonals in das Gesamtsystem der betrieblichen Mitbestimmung des Unternehmens wird den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG gerecht. Auch in diesem Zusammenhang gilt, dass eine bloße Regelungsermächtigung der Tarifvertragsparteien nicht ausreicht, sondern vielmehr der Gesetzgeber in der Verantwortung steht, den tatsächlichen Abschluss entsprechender tariflicher Regelungen sicherzustellen14.

13 14

Vgl. hierzu § 1 A.I. Vgl. hierzu bereits unter § 5 B.I.

§ 10 Bordbetriebsverfassung de lege ferenda Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass die gegenwärtige Bordbetriebsverfassung sowohl verfassungswidrig als auch europarechtswidrig ist. Zudem birgt das tarifvertragliche Betriebsverfassungsrecht eine Reihe tarifrechtlicher Probleme, die sich nur zum Teil befriedigend lösen lassen. Schließlich ist auch das beziehungslose Nebeneinander der gesetzlichen Betriebsverfassung und der Bordbetriebsverfassung problematisch. Angesichts dieser Befunde spricht einiges dafür, die Betriebsverfassung des fliegenden Personals auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen, die den Besonderheiten des Flugbetriebs Rechnung trägt, ähnlich wie dies für die in der Seeschifffahrt beschäftigten Arbeitnehmer geschehen ist. Ein solches gesetzgeberisches Unterfangen ist auch durchaus realisierbar. Die Tarifvertragsparteien verfügen über eine jahrzehntelange Praxis im Umgang mit den spezifischen Anforderungen und auch dem Gesetzgeber sind die Eigenheiten dieses Verkehrszweiges inzwischen gut bekannt. Die Bereichsausnahme stellt sich zunehmend als gesetzgeberisches Relikt dar, das sachlich nicht mehr gerechtfertigt ist. Im Folgenden sollen die bisherigen Erkenntnisse genutzt werden, um hieraus die Voraussetzungen für eine Eingliederung des fliegenden Personals in die gesetzliche Betriebsverfassung zu entwickeln. Im Anschluss wird ein Vorschlag für eine gesetzliche Regelung vorgelegt, die den bestehenden § 117 BetrVG ablösen könnte.

A. Defizite der gegenwärtigen Gesetzeslage Die tarifvertragliche Bordbetriebsverfassung gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG krankt an drei strukturellen Problemen. Zunächst kann sie keine flächendeckende betriebliche Mitbestimmung garantieren, wie es eine Gleichstellung mit den Arbeitnehmern erfordern würde, die in den Geltungsbereich der gesetzlichen Betriebsverfassung fallen. Des Weiteren kann sie den Organen bzw. den Personalvertretern keine den §§ 119 bis 121 BetrVG entsprechenden Schutzvorschriften bereitstellen. Schließlich fehlt es an einer Integration der betrieblichen Mitbestimmungsorgane des fliegenden Personals in die Betriebsverfassung des Bodenpersonals. So lassen die tarifvertraglichen Regelungen über wirtschaftliche Angelegenheiten entsprechende Bestimmungen über den Wirtschaftsausschuss vermissen. Das ist insofern verständlich, als die wirtschaftlichen Angelegenheiten eines Unternehmens nur für das gesamte Unternehmen einheitlich betrachtet werden können1. Aus 1

Vgl. Abschnitt D der Protokollnotiz zum TV PV DLH.

A. Defizite der gegenwärtigen Gesetzeslage

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diesem Grund ist es sinnvoll, in einem Unternehmen nur einen Wirtschaftsausschuss zu installieren. Des Weiteren kann die fehlende Einbeziehung der Personalvertretung des Flugbetriebs in die betriebsübergreifenden Gremien des Konzerns, wie Gesamt- oder Konzernbetriebsrat, zu Konflikten mit den Mitbestimmungsorganen der Bodenbetriebe führen2. Neben diesen grundsätzlichen strukturellen Problemen fällt auf, dass einzelne Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung einen geringeren Bestand an Mitbestimmungsrechten haben. Beispielsweise beschränkt sich die Mitbestimmung bezüglich der Dienstzeit nach der Bordbetriebsverfassung meist auf die Erstellung der entsprechenden Umlaufpläne, ohne eine Mitsprache bei den konkreten Dienstplänen zu ermöglichen. Darüber hinaus ist es auch problematisch, dass die Kontinuität der betrieblichen Mitbestimmung durch tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht nur unzureichend gewährleistet ist. Dies kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass sich die Nachwirkung von Tarifverträgen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur auf diejenigen Arbeitsverhältnisse bezieht, die bis zum Eintritt der Nachwirkung bereits begründet waren3. Soweit ersichtlich, wurde die mangelnde Geltung der Tarifverträge Personalvertretung von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis erst nach Eintritt der Nachwirkung begründet wurde, bisher nicht gerichtlich geltend gemacht. Dennoch ist dieser Zustand unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit alles andere als zufriedenstellend. Schließlich ergeben sich Probleme bei der Konkretisierung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG, wie sie sich nach der hier vertretenen verfassungskonformen Auslegung darstellen. Ähnlich ist die Situation bei den Organisationstarifverträgen nach § 3 BetrVG. Die Fülle an Literatur zu dieser Bestimmung ist ein Beleg dafür, wie unsicher sich die Praxis bei der Auslegung der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen ist. Dies ist in Bezug auf § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG umso unerfreulicher, als dass bei der Unwirksamkeit der vereinbarten Bordbetriebsverfassung anders als bei § 3 BetrVG eine subsidiäre Geltung der gesetzlichen Betriebsverfassung nicht in Betracht kommt, sodass das fliegende Personal in diesem Fall ohne jegliche betriebliche Mitbestimmung dasteht. Über den Sinn der Regelung von betriebsverfassungsrechtlichen Fragen durch die Tarifvertragsparteien ist bereits viel diskutiert worden. Es lässt sich für den vorliegenden Sachbereich feststellen, dass es verfassungsrechtlich bedenklich ist, wenn die Betriebsverfassung allein in den Händen der Tarifpartner liegt. Das gilt insbesondere mit Blick auf das allgemeine Gleichheitsgebot gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Dies mag anders zu beurteilen sein, wenn subsidiär die gesetzliche Betriebsverfassung gilt und die Tarifvertragsparteien lediglich aufgrund von Öffnungsklauseln abweichende Regelungen treffen können. Für das fliegende Personal 2 3

Vgl. hierzu § 9. Vgl. hierzu § 7 D.II.3.

208

§ 10 Bordbetriebsverfassung de lege ferenda

könnten aufgrund der genannten Probleme Sonderregelungen wie für die Seeschifffahrt in den §§ 114 ff. BetrVG getroffen werden. Zu denken wäre auch an tarifvertragliche Abweichungsmöglichkeiten. Im Folgenden sollen die Einzelheiten einer solchen Regelung herausgearbeitet und im Anhang ein detaillierter Formulierungsvorschlag vorgestellt werden.

B. Anforderungen an die Ausgestaltung durch den Gesetzgeber Nach alldem steht fest, dass der Gesetzgeber tätig werden muss, um die Bordbetriebsverfassung europarechts- und verfassungskonform auszugestalten und die gegenwärtigen Defizite der tarifvertraglichen Mitbestimmungsrechte des fliegenden Personals zu beseitigen. Hierzu muss eine Regelung getroffen werden, die den Besonderheiten des Flugverkehrs Rechnung trägt, gleichzeitig jedoch hinsichtlich der materiellen Mitbestimmungsrechte möglichst keine oder doch nur solche Abstriche macht, die unvermeidbar sind. Die gesetzliche Ausgestaltung sollte sowohl das Boden- und das Bordpersonal als auch die Mitglieder des Bordpersonals untereinander in optimaler Weise gleichbehandeln, etwa bei Fragen der Stimmgewichtung und des Umfangs mit den Mitbestimmungsrechten. Das für die Bordvertretung bestehende Defizit an Sanktionsrechten muss durch den Gesetzgeber ausgeglichen werden. Insgesamt sollte die Organisation der Bodenvertretungen in ihrer Grundstruktur unangetastet bleiben. Modifikationen sollten nur vorgesehen werden, soweit sie zur Integration des fliegenden Personals in die Mitbestimmungsstruktur des Gesamtunternehmens bzw. -konzerns unbedingt erforderlich sind.

I. Sonderregelungen durch Tarifvertrag, Gesetz oder Rechtsverordnung Angesichts der systemimmanenten Defizite einer tarifvertraglichen Bordbetriebsverfassung ist es angezeigt, die betriebliche Mitbestimmung des fliegenden Personals auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Hierdurch wäre nicht nur eine lückenlose Mitbestimmung auch für das Bordpersonal von Luftfahrtunternehmen gewährleistet, sondern es ließe sich vielmehr auch eine Integration der Bordbetriebsverfassung in das System der betrieblichen Mitbestimmung der Bodengremien erreichen. Dieses Unterfangen vermochten die Tarifvertragsparteien in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht überzeugend umzusetzen, Regelungsversuche in diese Richtung blieben bisher lediglich Stückwerk4. Aus diesem Grund obliegt es dem Gesetzgeber, den in § 117 Abs. 2 BetrVG unternommenen, 4

Vgl. hierzu unter § 9.

B. Anforderungen an die Ausgestaltung

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aber gescheiterten Regelungsversuch erneut aufzugreifen und selbst anzuordnen, was die Tarifpartner zu regeln versäumt haben5. Dies wäre auch ohne größere Schwierigkeiten möglich. Umfangreiche ergänzende Sonderregelungen des Betriebsverfassungsgesetzes, die das fliegende Personal mit ähnlich ausführlichen Vorschriften bedenken, wie sie der Gesetzgeber in den §§ 114 bis 116 BetrVG für die Seeschifffahrt vorgesehen hat, sind nicht erforderlich und in Anbetracht der politischen Brisanz jeglicher Änderung arbeitsrechtlicher Gesetze wohl auch nicht sachdienlich. Sinnvoller ist es, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales damit zu beauftragen, die erforderlichen Bestimmungen durch Rechtsverordnung zu erlassen6. Den sich aus Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG ergebenden Anforderungen an die Bestimmtheit einer solchen Ermächtigung im Hinblick auf ihren Inhalt, ihren Zweck und ihr Ausmaß ließe sich ohne Weiteres genügen7, wenn § 117 Abs. 2 BetrVG etwa wie folgt neu gefasst würde: (2) Über die Vertretung der im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer der Luftfahrtunternehmen trifft der Bundesminister für Arbeit und Soziales die näheren Bestimmungen durch Rechtsverordnung. Hierbei hat sich der Verordnungsgeber grundsätzlich an die Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes zu halten. Abweichungen von der gesetzlichen Ausgestaltung der Betriebsverfassung sind nur dann gerechtfertigt, wenn sie durch die Besonderheiten der Organisation des Flugbetriebs und der nicht ortsgebundenen Tätigkeit des fliegenden Personals bedingt sind. Die Rechtsverordnung hat nähere Regelungen über die Unterrichtung der Vertretung des fliegenden Personals über die in § 106 Abs. 1 bis 3 BetrVG genannten wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens sowie über ihre Zusammenarbeit mit den nach diesem Gesetz zu errichtenden Betriebsräten der Landbetriebe zu treffen. Insofern kann die Rechtsverordnung die Organisationsstruktur der Landbetriebe verändern, wenn dies der Integration der Vertretung des fliegenden Personals in die Bodenbetriebsverfassung dient. Die auf Grundlage dieser Rechtsverordnung gebildeten Vertretungsorgane und Mitglieder dieser Vertretungsorgane gelten im Rahmen der §§ 119 bis 121 BetrVG als Betriebsräte und die Mitglieder dieser Vertretungsorgane als Mitglieder eines Betriebsrats.

Weil der Bundesminister für Arbeit und Soziales nach dieser Regelung auch Bestimmungen über die Unterrichtung der Personalvertreter über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens und die Zusammenarbeit mit den Betriebsräten der Landbetriebe erlassen soll, würde die gesetzliche Betriebsverfassung insofern modifiziert. Der Minister wäre somit auch zum Erlass einer gesetzesändernden Rechtsverordnung ermächtigt. Der Vorrang des formellen Gesetzes steht solchen gesetzesändernden und gesetzesergänzenden Rechtsverordnungen 5

Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 35. So auch Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 36. 7 Auch die übrigen Anforderungen an die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung gemäß Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG wären im vorliegenden Fall erfüllt, da es sich beim Betriebsverfassungsgesetz um ein Gesetz im formellen Sinne handelt und der Bundesminister für Arbeit und Soziales zu den genannten Ermächtigungsadressaten („die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen“) zählt. 6

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§ 10 Bordbetriebsverfassung de lege ferenda

nicht entgegen, wenn die gesetzesverdrängende Wirkung auf einem ausdrücklich zugunsten der Rechtsverordnung reduzierten Geltungsanspruch des Gesetzes beruht und wenn dafür sachliche Gründe bestehen8. Die sachlichen Gründe lassen sich darin finden, dass eine Integration der Betriebsverfassung des fliegenden Personals in die gesetzliche Betriebsverfassung nur durch eine Modifikation letzterer möglich ist. Beim Vollzug des Regelungsauftrages zum Erlass der Rechtsverordnung kann auf die Erfahrungen der Tarifvertragsparteien in Form der zahlreichen Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung zurückgegriffen werden. Zu denken wäre in diesem Zusammenhang insbesondere an die Statuierung entsprechender Anhörungsvorbehalte zugunsten der entsprechenden Gewerkschaften9. Auf diese Weise könnte der Sachverstand der Gewerkschaften für die Verordnungserlass fruchtbar gemacht werden. Lediglich die Bestimmungen über die Eingliederung des fliegenden Personals in den Wirtschaftsausschuss des Bodenpersonals sowie die Kooperation zwischen den Bordvertretungen und den Bodenbetriebsräten, die meist in den Tarifverträgen fehlen, wären noch hinzuzufügen. Durch die Gleichstellung der Personalvertretung bzw. der Personalvertreter mit den Betriebsräten bzw. den Mitgliedern der Betriebsräte im Rahmen der Strafund Bußgeldvorschriften der §§ 119 bis 121 BetrVG wird zudem der Gleichlauf des Schutzes der Tätigkeit der betrieblichen Mitbestimmungsorgane der Bodenbetriebe und des Luftbetriebs gewährleistet10. Neben der Neufassung des Abs. 2 könnten § 117 BetrVG noch ein Abs. 3 und 4 hinzugefügt werden, welche eine gesetzliche Klarstellung über den Begriff des Luftfahrtunternehmens sowie der im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer beinhalten: (3) Ein Luftfahrtunternehmen im Sinne dieses Gesetzes ist jedes Unternehmen, 1. welches ein oder mehrere Luftfahrzeuge betreibt, 2. in dem Arbeitnehmer zum Betrieb dieser Luftfahrzeuge beschäftigt sind und 3. dessen arbeitsrechtliche Organisation des Flugbetriebs den Ausschluss dieses Gesetzes rechtfertigt. 8 Vgl. hierzu BVerfGE 2, 307, 313; 8, 155, 169 ff.; BVerfG NJW 1998, 669 ff.; Sinn, Änderung gesetzlicher Regelungen; Sendler, NJW 2001, 2859, 2861; Uhle, in: BeckOK, GG, Art. 80 Rn. 7; Wallrabenstein in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 80 Rn. 10. 9 Die Beteiligung Dritter an der Verordnungsgebung ist grundsätzlich zulässig, soweit sie unter der Schwelle eines Mitentscheidungsrechts bleibt, vgl. BVerfGE 28, 66, 84 und Uhle, in: BeckOK, GG, Art. 80 Rn. 33. 10 Eine derartige Konkretisierung durch eine Rechtsverordnung ist auch für Straftatbestände zulässig, wenn das Gesetz den Bereich des strafbaren Verhaltens hinreichend bestimmt bezeichnet; vgl. BVerfG NJW 1998, 669 ff. Dies ist im vorliegenden Fall zu bejahen, da die Ausgestaltung den Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes entsprechen muss und nur organisatorische Abweichungen aufgrund der Besonderheiten des Flugbetriebs möglich sind.

B. Anforderungen an die Ausgestaltung

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Der Ausschluss dieses Gesetzes ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn es dem Flugpersonal aufgrund der typischerweise fehlenden Ortsgebundenheit und der damit einhergehenden wechselnden Aufenthalte an unterschiedlichen Flughäfen im In- und Ausland nur unter erheblich erschwerten Bedingungen möglich ist, zusammen mit den Arbeitnehmern der Landbetriebe eine Interessenvertretung nach den Grundsätzen dieses Gesetzes zu organisieren und sich an dieser aktiv zu beteiligen. Als Luftfahrtunternehmen gelten insbesondere Unternehmen, die Flugverkehr zur Beförderung von Personen, Fracht oder Post zwischen zwei oder mehr Flughäfen gewerblich betreiben. (4) Im Flugbetrieb beschäftigt sind alle Mitglieder des Bordpersonals, bei denen der Schwerpunkt der arbeitsvertraglichen Tätigkeit auf dem fliegerischen Einsatz liegt bzw. die Bordtätigkeit der arbeitsvertraglich geschuldeten Gesamttätigkeit das Gepräge gibt.

II. Inhalt der Rechtsverordnung im Detail Ausgangspunkt einer Rechtsverordnung über die Personalvertretung des fliegenden Personals sollte der TV PV DLH sein. Die Bordbetriebsverfassung für das fliegende Personal der Deutschen Lufthansa AG zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass eine umfassende, integrative Regelung sowohl für das Bord- als auch das Kabinenpersonal geschaffen wurde. Zudem ist der Tarifvertrag in weiten Teilen der gesetzlichen Betriebsverfassung nachgebildet, was den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitsgebots an die Ausgestaltung der Rechtsverordnung am ehesten entspricht. Der Inhalt des TV PV DLH wurde bereits dargestellt11, sodass an dieser Stelle lediglich auf die Modifikationen eingegangen werden soll, die seine bisherigen Defizite unter anderem durch die Inkorporation von Regelungen aus anderen Tarifverträgen ausgleichen sollen. 1. Organe der Bordbetriebsverfassung Die Aufgliederung des Bordpersonals in Cockpit- und Kabinenmitarbeiter ist zulässig und unter dem Gesichtspunkt der Mitarbeiternähe auch wünschenswert. Außerdem entspricht sie auch den Bedürfnissen der Praxis, wie ein Blick auf die bisherigen Tarifverträge Personalvertretung zeigt. Nicht notwendig ist hingegen die Untergliederung in weitere Gruppen von Mitarbeitern, wie sie im TV PV DLH vorgesehen ist. Eine Partikularisierung ist in dieser Form auch in keinem anderen Tarifvertrag nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG zu finden, auch nicht innerhalb des Lufthansakonzerns12. Aus diesem Grund sollte die Rechtsverordnung lediglich zwei Gruppen vorsehen, nämlich Cockpit und Kabine13. 11

Vgl. hierzu unter § 2 C.I. Vgl. etwa den TV PV Condor zwischen der AVH und der DAG vom 31.8.1992, der lediglich eine zentrales Personalvertretungsorgan postuliert, das sich hälftig aus Cockpit und Kabine zusammensetzt. 12

212

§ 10 Bordbetriebsverfassung de lege ferenda

Die Überrepräsentation des Cockpitpersonals gegenüber dem Kabinenpersonal in der Gesamtvertretung ist unzulässig. Zwar haben die beiden Gruppen die gleiche Anzahl Vertreter; deren Stimmanzahl richtet sich aber nach der Anzahl wahlberechtigter Belegschaftsmitglieder im jeweiligen Bereich, ähnlich wie dies beim Gesamtbetriebsrat nach § 47 Abs. 7 BetrVG vorgesehen ist14. Die Rechtsverordnung kennt auch keine Verpflichtung, einen Kapitän zum Vorsitzenden zu machen15. Aufgrund von Öffnungsklauseln können die Mitgliederzahlen sowohl der Gruppenvertretungen als auch der Gesamtvertretung durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abweichend festgelegt werden, um der Größe des Flugbetriebs berücksichtigen zu können16. Die Gruppenvertretungen behandeln diejenigen Angelegenheiten selbstständig, die allein ihre Mitarbeitergruppe betreffen17. Als Regelbeispiele werden getrennt geplante Umläufe, Dienstpläne, Berufsbildung und personelle Einzelmaßnahmen genannt18. Die Gesamtvertretung ist nur zuständig für Angelegenheiten, die beide Gruppenvertretungen betreffen und die nicht von den einzelnen Gruppenvertretungen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches geregelt werden können19. Diese Zuständigkeitsregelung gleicht derjenigen zwischen Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat und soll das deutliche Übergewicht der Gesamtvertretung im TV PV DLH beseitigen sowie die subsidiäre Zuständigkeit der übergeordneten Vertretungsorgane begründen, wie sie die gesetzliche Betriebsverfassung kennt. Durch die Zuständigkeitsregelung ist dennoch gewährleistet, dass die Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigt ist, da die Gesamtvertretung jedenfalls dann zuständig ist, wenn die Teamarbeit zwischen Cockpit und Kabine betroffen ist, die für den Gesamtauftrag der Flugzeugbesatzung zur Flugdurchführung erforderlich ist. 2. Integration der Vertretung des Bordpersonals in die Mitbestimmungsorgane der Bodenbetriebe Die Integration der Vertretung des Bordpersonals in die Mitbestimmungsorgane der Bodenbetriebe erfolgt durch eine Entsendung der Vorsitzenden der Gruppenvertretungen in den Gesamtbetriebsrat20. Um die Teilnahme der Vertreter des fliegenden Personals trotz der Erschwernisse der Mandatsausübung aufgrund der nicht ortsgebundenen Art der Tätigkeit zu ermöglichen und gleichzeitig die Tätigkeit des Gesamtbetriebsrats durch die Terminschwierigkeiten nicht 13 14 15 16 17 18 19 20

§ § § § § § § §

5 der Rechtsverordnung. 41 Abs. 2 der Rechtsverordnung. 38 der Rechtsverordnung. 5 Abs. 3 und § 32 Abs. 4 der Rechtsverordnung. 20 Abs. 1 der Rechtsverordnung. 20 Abs. 1 S. 2 der Rechtsverordnung. 37 Abs. 1 der Rechtsverordnung. 44 Abs. 1 der Rechtsverordnung.

B. Anforderungen an die Ausgestaltung

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zu behindern, enthält § 44 Abs. 2 der Rechtsverordnung eine großzügige Vertretungsregel. Sie sieht die Entsendung zunächst des jeweiligen Stellvertreters und bei dessen Verhinderung die Entsendung desjenigen Mitglieds der Gruppenvertretung vor, das bei der Wahl die jeweils höchste Stimmzahl erhalten hat. Diese Regelung sollte eine Integration der Personalvertretung ohne Weiteres sicherstellen können, zumal moderne EDV-Systeme die Berücksichtigung der Belange der betrieblichen Mitbestimmung bei der Planung des Personaleinsatzes erlauben. Die Vertreter des Cockpit- und Kabinenpersonals haben entsprechend der Regelung in § 47 Abs. 7 BetrVG so viele Stimmen, wie im Cockpit- bzw. im Kabinenbereich wahlberechtigte Arbeitnehmer in die Wählerliste eingetragen sind21. Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats wird entsprechend auf die vom Flugunternehmen betriebenen Flugzeuge und die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer erstreckt, wenn Angelegenheiten behandelt werden, die das Gesamtunternehmen oder den Flugbetrieb sowie mindestens einen anderen Betrieb betreffen und die nicht durch die Personalvertretungen bzw. die einzelnen Betriebsräte geregelt werden können22. Um den Besonderheiten des Flugbetriebs Rechnung zu tragen und der Gefahr zu begegnen, dass das fliegende Personals durch die zahlreicheren Beschäftigten der Bodenbetriebe majorisiert wird, können die Vertreter des Bordpersonals die Aussetzung eines Beschlusses des Gesamtbetriebsrats verlangen, wenn dieser Beschluss ihres Erachtens wichtige Interessen der im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer erheblich beeinträchtigt oder spezifische Belange des Flugbetriebs unberücksichtigt lässt23. Die Aussetzung dauert einen Monat, jedoch längstens bis zur nächsten Sitzung, sodass die Vertreter des fliegenden Personals auf diese Weise den Gesamtbetriebsrat nicht dauerhaft blockieren können, jedoch ausreichend Gelegenheit haben, den besonderen Interessen des Bordpersonals Gehör zu verschaffen. Die Mitbestimmung der Vertreter des fliegenden Personals im Wirtschaftsausschuss wird dadurch sichergestellt, dass bei der Bestimmung der Mitglieder des Wirtschaftsausschusses ein Mitglied des fliegenden Personals zu berücksichtigen ist, welches von der Gesamtvertretung vorgeschlagen wird.24 Durch die Entsendung und Integration der Vertreter des fliegenden Personals in den Gesamtbetriebsrat sind Regelungen über einen eventuell zu bildenden Konzernbetriebsrat obsolet25, da die Personalberater als Mitglieder des Gesamtbetriebsrats bei der Bestimmung der zu entsendenden Gesamtbetriebsratsmitglieder stimmberechtigt sind und somit Einfluss auf die Zusammensetzung des Konzernbetriebsrats nehmen können. 21 22 23 24 25

Vgl. § 44 Abs. 3 der Rechtsverordnung. Vgl. § 44 Abs. 4 der Rechtsverordnung. Vgl. § 44 Abs. 5 der Rechtsverordnung. Vgl. § 88 der Rechtsverordnung. Vgl. §§ 42–50 TV PV DLH.

214

§ 10 Bordbetriebsverfassung de lege ferenda

3. Geschäftsführung Die Regelungen über einen Geschäftsführer zur Unterstützung einer ausreichenden Präsenz der Personalvertretung und zur Gewährleistung einer angemessenen administrativen Kontinuität haben sich für die Mitbestimmung des fliegenden Personals bewährt und sollen deshalb auch in die Rechtsverordnung übernommen werden26. Dennoch soll nicht verkannt werden, dass das Modell der hauptamtlichen Geschäftsführung für einige kleinere Flugbetriebe einen relativ großen Aufwand bedeuten kann. Aus diesem Grund beinhaltet die Rechtsverordnung auch an dieser Stelle eine Öffnungsklausel, sodass die Tarifvertrags- bzw. Betriebsparteien die Geschäftsführung auf die zu bildenden Betriebsausschüsse der jeweiligen Personalvertretungen übertragen können27. In diesem Fall entfällt dann die Stelle des Geschäftsführers und die Tarif- bzw. Betriebsparteien müssen die Aufgaben, die nach der Rechtsverordnung dem Geschäftsführer obliegen, einem anderen Personalvertreter übertragen. 4. Mitbestimmungsrechte Die Mitbestimmungsrechte entsprechen weitgehend denjenigen der gesetzlichen Betriebsverfassung. Eine ausführliche Sonderregelung erfährt lediglich die Aufstellung von Umlaufplänen und Dienstplänen. Die Mitbestimmung hinsichtlich der Umlaufpläne stellt hierbei keine Neuerung dar. Die Regelung zur Mitbestimmung bei der Aufstellung der Besatzungsumläufe auf der Grundlage der gesetzlichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen im Rahmen der flugbetrieblichen Notwendigkeiten der Verteilung von Einsätzen und Flugstunden einerseits und der freien Tage am dienstlichen Wohnsitz andererseits soll eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Arbeitslast innerhalb der Mitarbeitergruppen gewährleisten, die dieselbe Funktion ausüben28. Darüber hinaus ist jedoch die Aufnahme einer Regelung über die Aufstellung von Dienstplänen29 erforderlich, um eine Gleichwertigkeit der Mitbestimmungsrechte der Personalvertretungen in sozialen Angelegenheiten gegenüber der gesetzlichen Betriebsverfassung herzustellen. Die Mitbestimmung in diesem Bereich bewegt sich sicherlich in einem engen Rahmen, da eine Fülle an gesetzliche Vorgaben und tariflichen Bestimmungen die Arbeitszeiten des fliegenden Personals reglementieren, insbesondere das Verhältnis von Flugdienstzeiten und Ruhezeiten. Bei der Aufstellung der Umsatzpläne geht es also zum einen um die Überwachung der Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Normen und zum anderen um die möglichst gleichmäßige Verteilung der Dienste auf das Bordpersonal. 26 27 28 29

§§ 54 ff. der Rechtsverordnung. § 54 Abs. 4 der Rechtsverordnung. § 69 Abs. 1 Nr. 2 der Rechtsverordnung. § 70 der Rechtsverordnung.

B. Anforderungen an die Ausgestaltung

215

Hinsichtlich der Dienstpläne, die auf der Grundlage der Umlaufpläne erstellt werden, ist eine Regelung aufgenommen worden, wie sie auch einige andere Tarifverträge Personalvertretung vorsehen30. Hierzu werden von den Personalvertretungen jeweils zwei sogenannte Dienstplanreferenten benannt, denen die auf der Basis der Besatzungsumläufe erstellten Dienstpläne vorzulegen sind. Aufgrund der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Flugbetriebs müssen sich die Dienstplanreferenten innerhalb eines Kalendertages äußern. Verweigern Sie die Zustimmung, so hat die Einigungsstelle innerhalb von 14 Tagen verbindlich darüber zu entscheiden. Bis dahin bleibt die Wirksamkeit der betreffenden Dienstpläne unberührt, um die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Flugbetriebes zu gewährleisten. Zudem können Änderungsvorschläge der Dienstplanreferenten, denen der Arbeitgeber zustimmt, auch erst bei der Aufstellung der nächsten Dienstpläne berücksichtigt werden, wenn aufgrund dringender flugbetrieblicher Erfordernisse eine kurzfristige Änderung nicht mehr möglich ist31. 5. Kündigungsschutz Die Rechtsverordnung normiert, dass die außerordentliche Kündigung eines Mitglieds der Personalvertretung, des Wahlvorstands sowie von Wahlbewerbern entsprechend § 103 BetrVG der Zustimmung der zuständigen Gruppenvertretung bedarf 32. Darüber hinaus wird § 15 KSchG für entsprechend anwendbar erklärt. Dies ist notwendig, um den Gleichlauf des Kündigungsschutzes in der gesetzlichen Betriebsverfassung und der Bordbetriebsverfassung zu gewährleisten, da § 15 KSchG nicht unmittelbar auf die Mitglieder einer durch Tarifvertrag errichteten Vertretung anwendbar ist. 6. Ordnungs- und Zwangsgeld In die Rechtsverordnung wurden Parallelvorschriften zu den §§ 23 Abs. 333, 98 Abs. 534, 10135 und 10436 BetrVG eingefügt.

30 Vgl. etwa „Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 1 für das Kabinenpersonal“ zwischen der Eurowings Luftverkehrs AG und ver.di vom 1.7.2010. 31 § 70d der Rechtsverordnung. 32 § 52 der Rechtsverordnung. 33 § 16 Abs. 3 der Rechtsverordnung. 34 § 81 Abs. 5 der Rechtsverordnung. 35 § 84 der Rechtsverordnung. 36 § 86 der Rechtsverordnung.

§ 11 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse 1. In der Praxis hat sich kein einheitliches Modell eines Tarifvertrages über die Errichtung einer Personalvertretung herausgebildet. Die verschiedenen Vertragswerke unterscheiden sich sowohl hinsichtlich der Organisation der Betriebsverfassung als auch hinsichtlich des Umfangs an Mitbestimmungsrechten. Defizite gegenüber der gesetzlichen Betriebsverfassung sind vor allem hinsichtlich der Mitbestimmungsrechte in wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten bezüglich der Arbeitszeit festzustellen. Bei der Ausgestaltung der Rechte und Pflichten der Personalvertreter wird meist auf eine dauerhafte Freistellung verzichtet und eine hauptamtliche Geschäftsführung eingerichtet. Die Organisation basiert auf einer mehr oder weniger ausdifferenzierten Gruppenbildung der Mitarbeiter aus dem Cockpit- und dem Kabinenbereich. Alle neueren Tarifverträge Personalvertretung errichten eine partikulare Personalvertretung nur für die Cockpit- oder die Kabinenmitarbeiter. 2. Die Bereichsausnahme für das fliegende Personal geht bereits auf das BetrVG 1952 zurück, welches noch die Verabschiedung eines besonderen Gesetzes vorsah. Hierzu kam es jedoch nie, sodass die Tarifvertragsparteien bereits 1957 erstmals auf der Grundlage des § 1 TVG eine Betriebsvertretung für das Bordpersonal der Deutschen Lufthansa AG vereinbarten. Dieses Vorgehen wurde durch das BetrVG 1972 im Nachhinein legitimiert, indem § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG nunmehr ausdrücklich die Möglichkeit einer tariflichen Regelung vorsah. 3. Der Tatbestand des § 117 BetrVG ist in vielerlei Hinsicht missverständlich formuliert. Dennoch können letztlich keine Zweifel an der Nichtgeltung des Betriebsverfassungsgesetzes für das fliegende Personal bestehen. Sowohl der – wenn auch missglückte – Wortlaut als auch der Telos, die Entstehungsgeschichte der Bereichsausnahme sowie die Systematik des Gesetzes führen zu diesem Ergebnis. a) Bei der Auslegung des Begriffs des Luftfahrtunternehmens ist nicht entscheidend, ob ein Unternehmen eine Betriebserlaubnis nach dem Luftverkehrsgesetz benötigt, sondern ob die arbeitstechnische Organisation des Flugbetriebs den Ausschluss der Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes rechtfertigt. b) Ein Arbeitnehmer ist im Flugbetrieb beschäftigt, wenn er unmittelbar an der Beförderungstätigkeit mitwirkt. In zeitlicher Hinsicht ist erforderlich, dass die fliegende Tätigkeit der Gesamttätigkeit das Gepräge gibt. Der Flugzeugkommandant ist kein leitender Angestellter im Sinne des SprAuG. Er kann daher in die Bordbetriebsverfassung einbezogen werden.

§ 11 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

217

c) Die Anwendbarkeit personalvertretungsrechtlicher Tarifverträge auf Arbeitsverhältnisse mit Auslandsbezug richtet sich nach dem Betriebsverfassungsstatut. Hiernach ist der Standort des Betriebes ausschlaggebend, dem das Mitglied des fliegenden Personals nach herkömmlichen Kriterien zugerechnet werden kann. Die Anwendbarkeit eines Tarifvertrages Personalvertretung ist gegeben, wenn der Einsatz des entsprechenden im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmers von einem im Inland ansässigen Leitungsapparat geplant und koordiniert wird. 4. Die Tarifvertragsparteien können grundsätzlich auch nach der Kodifizierung des Betriebsverfassungsgesetzes auf der Grundlage des § 1 TVG betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen vereinbaren. Im Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ist die Gestaltungsbefugnis der Tarifpartner aufgrund seiner grundsätzlich zwingenden Wirkung ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG um eine Bereichsausnahme, während es sich bei § 117 Abs. 2 S. 2 BetrVG um eine Öffnungsklausel handelt. 5. Die Betriebsverfassung ist Gegenstand der verfassungsrechtlich geschützten Betätigungsgarantie der Koalitionen. Die Tarifautonomie gewährleistet auch für diesen Bereich die normative Wirkung tariflicher Regelungen, allerdings nur gegenüber Mitgliedern. Gegenüber Außenseitern kann sich die Legitimation wegen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips lediglich aufgrund einer legislativen Geltungserstreckung ergeben. 6. § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG verstößt gegen die Richtlinie 2002/14/EG. Die Europarechtswidrigkeit lässt sich weder im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung noch einer richtlinienkonformen Reduktion beseitigen. Allein der Gesetzgeber kann eine europarechtskonforme Rechtslage herbeiführen. 7. Die generelle Bereichsausnahme für das fliegenden Personal gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Handlungsermächtigung der Tarifpartner gewährleistet zum einen keine lückenlose Geltung des tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts, zum anderen garantiert sie auch keinen der gesetzlichen Betriebsverfassung entsprechenden Standard an Mitbestimmungsrechten. Damit wird das fliegende Personal gegenüber denjenigen Arbeitnehmern schlechter gestellt, die der gesetzlichen Betriebsverfassung unterliegen. Der Gleichheitsverstoß führt nicht zu einem völligen Ausfall der Bordbetriebsverfassung. 8. Durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG lässt sich ein Umfang an Mitbestimmungsrechten gewährleisten, welcher der gesetzlichen Betriebsverfassung entspricht. Demnach sind die Tarifpartner verpflichtet, eine Vertretung zu vereinbaren, die den Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes genügt, soweit Abweichungen nicht durch die Besonderheiten des Flugbetriebs gerechtfertigt sind. Durch diese inhaltliche Konkretisierung der Ge-

218

§ 11 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

staltungsbefugnis wird § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG den Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips gerecht. 9. Diese Konkretisierung erlaubt es, die inhaltlichen Grenzen der Regelungsbefugnis der Tarifpartner im Rahmen des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG näher zu bestimmen: a) Die Einbindung der Gerichte und Behörden durch die Tarifvertragsparteien ist im Rahmen der Anlehnung an die Ausgestaltung des Betriebsverfassungsgesetzes zulässig. b) Eine Gruppenbildung, wie sie etwa im TV PV DLH vorgesehen ist, realisiert das Prinzip der Belegschaftsnähe und ist grundsätzlich statthaft. Eine derartige Ausgestaltung muss jedoch die Einheit zwischen Mandat und Legitimation gewährleisten. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist nämlich sowohl aufgrund der Grundrechtsbindung als auch durch die Verbindlichkeit der Grundprinzipien der gesetzlichen Betriebsverfassung für die Tarifpartner im Rahmen des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG zwingend. c) Die Statuierung von Regelungen über Ordnungs- und Zwangsgeld, die den gesetzlichen Regelungen der Betriebsverfassung entsprechen, ist den Tarifvertragsparteien möglich. Die Normierung von Straftatbeständen und Bußgeldvorschriften ist jedoch aufgrund des Art. 103 Abs. 2 GG dem Gesetzgeber vorbehalten. d) Die Bildung partikularer Personalvertretungen für die Bereiche Cockpit und Kabine aufgrund § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist zulässig. 10. Im Rahmen des Abschlusses eines Tarifvertrages gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG kann eine Reihe tarifrechtlicher Probleme auftreten, die wie folgt zu lösen sind: a) Eine tarifzuständige Gewerkschaft kann einen Tarifvertrag Personalvertretung selbstständig abschließen, ohne eine weitere im Unternehmen vertretene Gewerkschaft miteinbeziehen zu müssen. Eine irgendwie geartete Koordinierungspflicht besteht nicht. b) Die Auflösung der Tarifkonkurrenz zwischen personalvertretungsrechtlichen Tarifverträgen nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG erfolgt nach dem Mehrheitsprinzip. Der relevante Bezugsrahmen ist entweder der gesamte Flugbetrieb oder jeweils der Cockpit- und Kabinenbereich. c) Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung wirken nicht gemäß § 4 Abs. 5 TVG nach. d) Tarifverträge nach § 117 Abs. 2 BetrVG sind nach den allgemeinen Regeln mit Mitteln des Arbeitskampfes durchsetzbar. 11. Der Umfang der gerichtlichen Überprüfbarkeit ist nicht eingeschränkt. Die Gerichte überprüfen die Einhaltung der tatbestandlichen Voraussetzungen des

§ 11 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

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§ 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG, wie sie durch die hier vertretene verfassungskonforme Auslegung konkretisiert werden. Bei einer solchen richterlichen Kontrolle handelt es sich nicht um Tarifzensur. Stehen Tarifnormen im Widerspruch zu den Voraussetzungen der Ermächtigungsnorm, so sind sie nichtig. Das rechtliche Schicksal des gesamten Tarifvertrages richtet sich dann nach den Grundsätzen der Teilnichtigkeit von Tarifverträgen. Es hängt demnach davon ab, ob der Tarifvertrag ohne die unwirksamen Bestimmungen noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung darstellt. 12. Die mangelnde Integration der Bordbetriebsverfassung in die betriebliche Mitbestimmung des Gesamtunternehmens ist sowohl unter rechtlichen als auch unter praktischen Erwägungen problematisch. Die Tarifpartner haben von der Befugnis zum Abschluss von Kooperationstarifverträgen gemäß § 117 Abs. 2 S. 2 BetrVG bisher kaum Gebrauch gemacht. 13. Angesichts der dargestellten Probleme der tarifvertraglichen Bordbetriebsverfassung sollte der Gesetzgeber Sonderregelungen treffen, die den Besonderheiten des Flugbetriebs Rechnung tragen. Die Umsetzung sollte nicht im Wege der Einfügung ausführlicher Sondervorschriften in das Betriebsverfassungsgesetz erfolgen. Vorzugswürdig ist vielmehr ein Auftrag an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die erforderlichen Bestimmungen durch Rechtsverordnung zu erlassen. Beim Vollzug eines solchen Regelungsauftrages könnte auf die Praxiserfahrungen der Tarifvertragsparteien in Form der zahlreichen Tarifverträge über die Errichtung einer Personalvertretung zurückgegriffen werden.

Anhang: Entwurf einer Rechtsverordnung über die Betriebsverfassung des fliegenden Personals Im Folgenden ist ein Formulierungsvorschlag für eine Rechtsverordnung über die Betriebsverfassung für das fliegende Personal abgedruckt. Er basiert auf dem TV PV DLH. Änderungen sind durch Unterstreichungen hervorgehoben. INHALTSÜBERSICHT

§

I.

ALLGEMEINE VORSCHRIFTEN

§§ 1–4

II.

PERSONALVERTRETUNGEN

§§ 5–44

1. Gruppenvertretung

§§ 5–31

A. Wahlvorschriften

§§ 5–14

B. Amtszeit

§§ 15–18

C. Geschäftsführung

§§ 19–31

2. Gesamtvertretung

§§ 32–43

3. Integration der Vertretung des Bordpersonals in den Gesamtbetriebsrat

§ 44

III.

PERSONALVERSAMMLUNGEN

§§ 45–49

IV.

RECHTSSTELLUNG DER PERSONALVERTRETER

§§ 50–53

V.

GESCHÄFTSFÜHRER

§§ 54–58

VI.

MITWIRKUNG UND MITBESTIMMUNG

§§ 59–92

1. Allgemeine Vorschriften

§§ 59–62

2. Individualrechte

§§ 63–68

3. Soziale Angelegenheiten

§§ 69–73

4. Personelle Angelegenheiten

§§ 74–87

5. Wirtschaftliche Angelegenheiten

§§ 88–91

6. Einigungsstelle

§ 92

Anhang

221

I. ALLGEMEINE VORSCHRIFTEN § 1 Errichtung von Personalvertretungen (1) Im Flugbetrieb von Luftfahrtunternehmen werden Personalvertretungen gewählt. (2) Aufgaben und Befugnisse dieser Personalvertretungen erstrecken sich auf den Bereich der Bundesrepublik Deutschland sowie auf die von den Luftfahrtunternehmen betriebenen Flugzeuge nach Maßgabe dieser Rechtsverordnung. § 2 Persönlicher Geltungsbereich (1) Diese Rechtsverordnung gilt für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer. (2) Diese Rechtsverordnung gilt nicht für Angehörige des Bordpersonals, die als leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG anzusehen sind. § 3 Stellung der Verbände (1) Arbeitgeber und Personalvertretungen arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Flugbetrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen. (2) Zur Wahrnehmung der in diesem Tarifvertrag genannten Aufgaben und Befugnisse der im Flugbetrieb vertretenen Gewerkschaften ist deren Beauftragten nach Unterrichtung des Arbeitgebers oder seines Vertreters Zugang zu Einrichtungen des Flugbetriebs zu gewähren, soweit dem nicht unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufes, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegenstehen. (3) Die Aufgaben der Gewerkschaften und der Vereinigungen der Arbeitgeber, insbesondere die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder, werden durch diesen Tarifvertrag nicht berührt. § 4 Definition „Personalvertretungen“, „Personalvertreter“ und „Flugbetrieb“ (1) Personalvertretungen im Sinne dieses Tarifvertrages sind die Gruppenvertretung Gesamtvertretung. (2) Mitglieder der Personalvertretungen nach Absatz 1 werden im folgenden Personalvertreter genannt. (3) Flugbetrieb ist die Gesamtheit der vom Luftfahrtunternehmen betriebenen Flugzeuge sowie der in § 2 definierte Personenkreis.

222

Anhang

II. PERSONALVERTRETUNGEN 1. GRUPPENVERTRETUNG A. WAHLVORSCHRIFTEN § 5 Errichtung (1) Folgende Mitarbeitergruppen wählen jeweils eine Gruppenvertretung: a) Cockpitpersonal (Kapitäne, Kopiloten, Fluglehrer, Flugingenieure) b) Kabinenpersonal (Purseretten/Purser, Stewardessen/Stewards). (2) Eine Gruppenvertretung besteht aus sieben Mitgliedern. (3) Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung kann die Mitgliederzahl der Gruppenvertretungen abweichend von Absatz 2 geregelt werden.

§ 6 Wahlberechtigung Wahlberechtigt sind alle Angehörigen des Bordpersonals.

§ 7 Wählbarkeit Wählbar sind alle Wahlberechtigten, bei denen die tarifvertraglich vereinbarte Probezeit abgelaufen ist.

§ 8 Zeitpunkt der Wahlen (1) Die regelmäßigen Gruppenvertretungswahlen finden alle drei Jahre in der Zeit vom 1. März bis 31. März und für alle Gruppenvertretungen gleichzeitig statt. (2) Außerhalb dieser Zeit ist die Gruppenvertretung zu wählen, wenn 1. mit Ablauf von 18 Monaten vom Tage der Wahl an gerechnet die Zahl der regelmäßig beschäftigten Wahlberechtigten einer Gruppe um die Hälfte, mindestens aber um fünfzig gestiegen oder gesunken ist, 2. die Gesamtzahl der Gruppenvertretungsmitglieder nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder unter die vorgeschriebene Zahl gesunken ist, 3. die Gruppenvertretung mit der Mehrheit ihrer Mitglieder ihren Rücktritt beschlossen hat, 4. die Gruppenvertretungswahl mit Erfolg angefochten worden ist, 5. die Gruppenvertretung durch eine gerichtliche Entscheidung aufgelöst ist. (3) Wenn zwischen einer Wahl nach Absatz 2 und der regelmäßigen Neuwahl nach Absatz 1 eine Amtszeit von weniger als einem Jahr liegt, ist die Gruppenvertretung erst im übernächsten Zeitraum der regelmäßigen Wahlen neu zu wählen.

Anhang

223

§ 9 Wahlvorschriften (1) Die Gruppenvertretung wird in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt. (2) Jede Mitarbeitergruppe (§ 5 Abs. 1) wählt ihre Vertreter in getrennter Wahl. (3) Die Wahl erfolgt nach den Grundsätzen der Persönlichkeitswahl (Mehrheitswahl). (4) Zur Wahl der Gruppenvertretung können die Wahlberechtigten Wahlvorschläge machen. Jeder Wahlvorschlag muss mindestens von einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Gruppenangehörigen, jedoch mindestens von drei Wahlberechtigten unterzeichnet sein. In jedem Falle genügt die Unterzeichnung durch fünfzig wahlberechtigte Gruppenangehörige.

§ 10 Wahlvorstand (1) Spätestens 3 Monate vor Ablauf ihrer regelmäßigen Amtszeit bzw. unverzüglich in den Fällen des § 8 Abs. 2 bestellt die Gesamtvertretung einen dreiköpfigen Wahlvorstand, der für alle Gruppenvertretungswahlen im Unternehmen zuständig ist. Die Gesamtvertretung kann die Zahl der Wahlvorstandsmitglieder erhöhen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist. Sie soll für jedes Mitglied des Wahlvorstands für den Fall seiner Verhinderung ein Ersatzmitglied bestellen. (2) Der Wahlvorstand besteht aus dem Geschäftsführer der Personalvertretungen und grundsätzlich zwei Wahlberechtigten; im Falle einer Erweiterung aus einer geraden Zahl von Wahlberechtigten, die nicht derselben Gruppe angehören sollen. Die Gesamtvertretung bestellt ein Mitglied des Wahlvorstandes zum Vorsitzenden. (3) Besteht sechs Wochen vor Ablauf der Amtszeit der Gesamtvertretung kein Wahlvorstand, bestellt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag von mindestens drei Wahlberechtigten oder einer im Flugbetrieb vertretenen Gewerkschaft. Absätze 1 und 2 gelten entsprechend. In dem Antrag können Vorschläge für die Zusammensetzung des Wahlvorstands gemacht werden. Das Arbeitsgericht kann auch Mitglieder einer im Flugbetrieb vertretenen Gewerkschaft, die nicht Angehörige des Bordpersonals sind, zu Mitgliedern des Wahlvorstands bestellen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist.

§ 11 Wahlgang (1) Der Wahlvorstand hat die Wahl unverzüglich einzuleiten, sie durchzuführen und das Wahlergebnis festzustellen. Kommt der Wahlvorstand dieser Verpflichtung nicht nach, ersetzt ihn das Arbeitsgericht. § 10 Abs. 3 gilt entsprechend. (2) Unverzüglich nach Abschluss der Wahl nimmt der Wahlvorstand öffentlich die Auszählung der Stimmen vor, stellt deren Ergebnis in einer Niederschrift fest und gibt es den Angehörigen des Bordpersonals bekannt. Die Bekanntgabe hat für die Wahlergebnisse aller Gruppenvertretungen gleichzeitig zu erfolgen. Dem Arbeitgeber und den im Flugbetrieb vertretenen Gewerkschaften ist eine Abschrift der Wahlniederschrift zu übersenden.

224

Anhang

§ 12 Wahlanfechtung (1) Die Wahl kann beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. (2) Zur Anfechtung berechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Flugbetrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber. Die Wahlanfechtung ist nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig.

§ 13 Wahlschutz und Wahlkosten (1) Niemand darf die Wahl behindern. Insbesondere darf kein Angehöriger des Bordpersonals in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechtes beschränkt werden. (2) Niemand darf die Wahl durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen. (3) Die Kosten der Wahl trägt der Arbeitgeber. Versäumnis von Arbeitszeit, die zur Ausübung des Wahlrechts oder der Betätigung im Wahlvorstand erforderlich ist, berechtigt den Arbeitgeber nicht zur Minderung des Arbeitsentgelts.

§ 14 Ergänzende Wahlvorschriften Ergänzend zu den vorstehenden Wahlvorschriften gilt die in der Anlage I zu dieser Rechtsverordnung festgelegte Wahlordnung.

B. AMTSZEIT § 15 Amtszeit (1) Die regelmäßige Amtszeit der Gruppenvertretung beträgt vier Jahre. (2) Die Amtszeit beginnt mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses oder, wenn zu diesem Zeitpunkt noch eine Gruppenvertretung besteht, mit Ablauf von deren Amtszeit. (3) Die Amtszeit endet spätestens am 31. Mai des Jahres, in dem nach § 8 Abs. 1 die regelmäßigen Wahlen stattfinden. In dem Fall des § 8 Abs. 3 endet die Amtszeit spätestens am 31. Mai des Jahres, in dem die Gruppenvertretung neu zu wählen ist. In den Fällen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 endet die Amtszeit mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses der neu gewählten Gruppenvertretung. (4) In den Fällen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 führt die Gruppenvertretung die Geschäfte weiter, bis die neue Gruppenvertretung gewählt und das Wahlergebnis bekanntgegeben ist.

Anhang

225

§ 16 Pflichtverletzungen (1) Mindestens ein Viertel der Wahlberechtigten einer Mitarbeitergruppe (§ 5 Abs. 1), der Arbeitgeber oder eine im Flugbetrieb vertretene Gewerkschaft können beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus der Gruppenvertretung oder die Auflösung der Gruppenvertretung wegen grober Verletzung der Pflichten nach diesem Tarifvertrag beantragen. Der Ausschluss eines Mitglieds kann auch von der Gruppenvertretung beantragt werden. (2) Wird die Gruppenvertretung aufgelöst, so setzt die Gesamtvertretung unverzüglich einen Wahlvorstand für die Neuwahl ein. Kommt die Gesamtvertretung dieser Verpflichtung nicht nach, gilt § 10 Abs. 3 entsprechend. (3) Die Personalvertretung oder eine im Flugbetrieb vertretene Gewerkschaft können bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dieser Rechtsverordnung beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Handelt der Arbeitgeber der ihm durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegten Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er auf Antrag vom Arbeitsgericht wegen einer jeden Zuwiderhandlung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen. Führt der Arbeitgeber die ihm durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegte Handlung nicht durch, so ist auf Antrag vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass er zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld anzuhalten ist. Antragsberechtigt sind die Personalvertretungen oder eine im Flugbetrieb vertretene Gewerkschaft. Das Höchstmaß des Ordnungsgeldes und Zwangsgeldes beträgt 10.000 Euro.

§ 17 Erlöschen der Mitgliedschaft (1) Die Mitgliedschaft in der Gruppenvertretung erlischt durch 1. Ablauf der Amtszeit, 2. Niederlegung des Mandats, 3. Beendigung des Arbeitsverhältnisses, 4. Verlust der Wählbarkeit, 5. Ausschluss aus der Personalvertretung oder Auflösung der Personalvertretung aufgrund gerichtlicher Entscheidung, 6. gerichtliche Entscheidung über die Feststellung der Nichtwählbarkeit nach Ablauf der in § 12 bezeichneten Frist, es sei denn, der Mangel liegt nicht mehr vor. (2) Mit Erlöschen der Mitgliedschaft in der Gruppenvertretung erlischt jede andere auf diese gegründete Mitgliedschaft in einem Vertretungsgremium als Personalvertreter.

226

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§ 18 Ersatzmitglieder Scheidet ein Mitglied der Gruppenvertretung aus, rückt der nicht gewählte Kandidat (Ersatzmitglied) mit der jeweils höchsten Wahlstimmenzahl nach. C. GESCHÄFTSFÜHRUNG § 19 Sitz Die Gruppenvertretungen haben ihren Sitz am Ort der zuständigen Flugbetriebsleitung. § 20 Zuständigkeit (1) Jede Gruppenvertretung behandelt diejenigen Angelegenheiten selbstständig, die allein ihre Mitarbeitergruppe betreffen. Angelegenheiten in diesem Sinne sind insbesondere getrennt geplante Umläufe, Dienstpläne, Berufsbildung und personelle Einzelmaßnahmen. (2) Die Gruppenvertretung kann beantragen, dass eine Gruppenangelegenheit von der Gesamtvertretung behandelt wird. Über den Antrag entscheidet die Gesamtvertretung unanfechtbar. § 21 Vorsitzender (1) Die Gruppenvertretung wählt aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden sowie einen Stellvertreter. (2) Der Vorsitzende – im Fall seiner Verhinderung dessen Stellvertreter – vertritt die Gruppenvertretung im Rahmen der von ihr gefassten Beschlüsse; er ist zur Entgegennahme von Erklärungen berechtigt, die gegenüber der Gruppenvertretung abzugeben sind. Im Fall der Verhinderung des Vorsitzenden ist sein Stellvertreter vertretungsberechtigt. § 22 Dringlichkeitsausschuss (1) Für die Entscheidung von Eilfällen ist ein jeweils zu bildender Ausschuss zuständig, der sich zusammensetzt aus dem Geschäftsführer und zwei Gruppenvertretungsmitgliedern. (2) Der Geschäftsführer ist verantwortlich, beim Eintreten eines Eilfalles den Ausschuss rechtzeitig in der vorgesehenen Besetzung zusammenzurufen. Näheres ist von der Gruppenvertretung durch Geschäftsordnung zu regeln. (3) Für die Beteiligung des Geschäftsführers gelten die Einschränkungen des § 56 Abs. 3. (4) Ein Eilfall liegt vor, wenn eine Beschlussfassung durch die Gruppenvertretung in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist und durch einen Aufschub der Sache das mit ihr verbundene Anliegen nicht mehr sinnvoll verwirklicht werden kann.

Anhang

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§ 23 Ausschüsse (1) Gruppenvertretungen können Ausschüsse bilden und ihnen bestimmte Aufgaben übertragen. (2) Mit der Mehrheit der Stimmen ihrer Mitglieder kann die Gruppenvertretung den Ausschüssen auch Aufgaben zur selbstständigen Erledigung übertragen, ausgenommen den Abschluss von Betriebsvereinbarungen; die Übertragung bedarf der Schriftform. Dies gilt entsprechend für den Widerruf der selbstständigen Erledigungsbefugnis. (3) Über die Einrichtung von Ausschüssen, die übertragenen Aufgaben und die selbstständige Erledigungsbefugnis sind der Arbeitgeber und die Gesamtvertretung zu unterrichten. (4) Gruppenvertretungen können abweichend von § 56 Abs. 2 b) die laufenden Geschäfte auf den Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter auch mit der Befugnis zur selbstständigen Erledigung übertragen; Absatz 2 und 3 gelten entsprechend.

§ 24 Einberufung der Sitzungen (1) Vor Ablauf einer Woche nach dem Wahltag hat der Wahlvorstand die Mitglieder der Personalvertretung zu der konstituierenden Sitzung einzuberufen. Der Vorsitzende des Wahlvorstands leitet die Sitzung, bis die Personalvertretung aus ihrer Mitte einen Wahlleiter bestellt hat. (2) Die weiteren Sitzungen beruft der Vorsitzende der Personalvertretung ein. Er setzt die Tagesordnung fest und leitet die Verhandlung. Der Vorsitzende hat die Mitglieder der Personalvertretung zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Kann ein Mitglied der Personalvertretung an der Sitzung nicht teilnehmen, so soll es dies unter Angabe der Gründe unverzüglich dem Vorsitzenden mitteilen. Der Vorsitzende hat für einen verhinderten Personalvertreter das Ersatzmitglied zu laden. (3) Der Vorsitzende hat eine Sitzung einzuberufen und den Gegenstand, dessen Beratung beantragt ist, auf die Tagesordnung zu setzen, wenn dies ein Viertel der Mitglieder der Personalvertretung oder der Arbeitgeber beantragt. (4) Der Arbeitgeber nimmt an den Sitzungen, die auf sein Verlangen anberaumt sind, und an den Sitzungen, zu denen er ausdrücklich eingeladen ist, teil. Er kann einen Vertreter der Vereinigung der Arbeitgeber, der er angehört, hinzuziehen. (5) Für Sitzungen werden tageweise Freistellungen eingeplant, soweit dringende Erfordernisse des Flugbetriebs nicht entgegenstehen. Sitzungstermine sollen in Abstimmung mit der Abteilung, die für den Besatzungseinsatz zuständig ist, so gelegt werden, dass allen Mitgliedern der Gruppenvertretung die Teilnahme möglich ist. (6) Die Sitzungen sind nicht öffentlich.

§ 25 Weitere Sitzungsteilnehmer (1) Der Vorsitzende der Gesamtvertretung oder sein Stellvertreter haben ein Teilnahmerecht an allen Sitzungen der Gruppenvertretungen.

228

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(2) Der Arbeitgeber nimmt an den Sitzungen teil, die auf sein Verlangen anberaumt sind oder zu denen er ausdrücklich eingeladen ist. Er kann einen Vertreter seiner Arbeitgebervereinigung hinzuziehen. (3) Auf Antrag von einem Viertel der Mitglieder der Gruppenvertretung kann ein Beauftragter einer im Flugbetrieb vertretenen Gewerkschaft an den Sitzungen beratend teilnehmen. In diesem Fall sind der Zeitpunkt der Sitzung und die Tagesordnung der Gewerkschaft rechtzeitig mitzuteilen.

§ 26 Beschlüsse (1) Die Beschlüsse der Gruppenvertretung und ihrer Ausschüsse werden, soweit nichts anders bestimmt ist, mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder gefasst. Bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt. (2) Die Gruppenvertretung ist nur beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt; Stellvertretung durch Ersatzmitglieder ist zulässig.

§ 27 Sitzungsniederschrift (1) Über jede Sitzung der Gruppenvertretung ist eine Niederschrift aufzunehmen, die mindestens den Wortlaut der Beschlüsse und die Stimmenmehrheit, mit der sie gefasst sind, enthält. Die Niederschrift ist von dem Vorsitzenden und einem weiteren Mitglied zu unterzeichnen. Der Niederschrift ist eine Anwesenheitsliste beizufügen, in die sich jeder Teilnehmer eigenhändig einzutragen hat. (2) Die Sitzungsniederschrift ist den Mitgliedern der Gruppenvertretung und dem Vorsitzenden der Gesamtvertretung zu übermitteln. Hat der Arbeitgeber oder ein Beauftragter einer Gewerkschaft an der Sitzung teilgenommen, so ist ihm der entsprechende Teil der Niederschrift abschriftlich auszuhändigen. Einwendungen gegen die Niederschrift sind unverzüglich schriftlich zu erheben; sie sind der Niederschrift beizufügen. (3) Die Mitglieder der Gruppenvertretung haben das Recht, die Unterlagen der Gruppenvertretung und ihrer Ausschüsse jederzeit einzusehen.

§ 28 Geschäftsordnung Die Gruppenvertretung kann sich eine schriftliche Geschäftsordnung geben, in der weitere Fragen der Geschäftsführung geregelt werden.

§ 29 Sprechstunden Die Personalvertretung kann einmal pro Vierteljahr Sprechstunden einrichten. Zeit und Ort sind mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Personalvertretung.

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§ 30 Kosten (1) Die durch die Tätigkeit der Gruppenvertretung entstehenden Kosten trägt der Arbeitgeber. (2) Für die Sitzungen und die laufende Geschäftsführung hat der Arbeitgeber die jeweils erforderlichen Räume und sachlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. § 31 Umlageverbot Die Erhebung und Leistung von Beiträgen der Angehörigen des Bordpersonals für Zwecke der Gruppenvertretung ist unzulässig. 2. GESAMTVERTRETUNG § 32 Zusammensetzung (1) Aus den Gruppenvertretungen wird eine Gesamtvertretung gebildet. (2) In der Gesamtvertretung sind die Gruppenvertretungen des Cockpitpersonals mit fünf und des Kabinenpersonals mit fünf Mitgliedern vertreten. (3) Mitglieder der Gesamtvertretung sind im Rahmen der Sitzzahlen nach Absatz 2 a) die Vorsitzenden der Gruppenvertretungen, b) diejenigen Mitglieder der Gruppenvertretungen, die bei der Wahl die jeweils höchste Stimmenzahl erhalten haben. (4) Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung kann die Mitgliederzahl der Gesamtvertretung abweichend von Absatz 2 geregelt werden. § 33 Amtszeit (1) Die Amtszeit der Gesamtvertretung beträgt 4 Jahre und läuft der regelmäßigen Amtszeit der Gruppenvertretungen parallel. (2) Wird eine Gruppenvertretung nach § 8 Abs. 2 vorzeitig neu gewählt, sind die Mitglieder dieser Gruppenvertretung in der Gesamtvertretung entsprechend zu ersetzen. Die Amtszeit der Gesamtvertretung ändert sich dadurch nicht. § 34 Ausschluss von Gesamtbetriebsratsmitgliedern Mindestens ein Viertel der Wahlberechtigten des Flugbetriebs, der Arbeitgeber, die Gesamtvertretung oder eine im Flugbetrieb vertretene Gewerkschaft können beim Arbeitsgericht beantragen, wegen grober Verletzung der Pflichten nach diesem Tarifvertrag ein Mitglied aus der Gesamtvertretung auszuschließen.

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§ 35 Erlöschen der Mitgliedschaft (1) Die Mitgliedschaft in der Gesamtvertretung erlischt 1. mit dem Erlöschen der Mitgliedschaft in der Gruppenvertretung, 2. durch Mandatsniederlegung, 3. durch gerichtliche Entscheidung. (2) Bei Mandatsniederlegung oder gerichtlicher Entscheidung (Abs. 1 Ziff. 2 und 3) erlischt zugleich die Mitgliedschaft in der Gruppenvertretung. Im Übrigen gilt § 17 Abs. 2.

§ 36 Nachfolgemitglieder und Sitzungsvertreter (1) Scheidet ein Gruppenvertretungsmitglied aus der Gesamtvertretung aus, rückt ein neues Mitglied aus derselben Gruppenvertretung nach. § 32 Abs. 3 gilt entsprechend. (2) Die Gruppenvertretungen können für die zeitweilige Verhinderung von Gesamtvertretungsmitgliedern ständige Sitzungsvertreter wählen.

§ 37 Zuständigkeit (1) Die Gesamtvertretung ist zuständig für Angelegenheiten, die beide Gruppenvertretungen betreffen und nicht von den einzelnen Gruppenvertretungen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches geregelt werden können, soweit nicht die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gemäß § 44 Abs. 4 gegeben ist. (2) Die Gruppenvertretungen können mit der Mehrheit der Stimmen ihrer Mitglieder den Gesamtbetriebsrat beauftragen, eine Angelegenheit für ihn zu behandeln. Die Gruppenvertretung kann sich dabei die Entscheidungsbefugnis vorbehalten.

§ 38 Vorsitz Die Gesamtvertretung wählt aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden sowie einen Stellvertreter. Vorsitzender und Stellvertreter sollen nicht beide im gleichen Bereich tätig sein (Cockpit/Kabine).

§ 39 Ausschüsse (1) Für die Entscheidung von Eilfällen ist ein jeweils zu bildender Dringlichkeitsausschuss zuständig, der sich aus dem Geschäftsführer der Personalvertretungen und wenigstens vier erreichbaren Gesamtvertretungsmitgliedern zusammensetzt, unter denen sich mindestens je ein Mitglied aus den Gruppenvertretungen des Cockpit- und Kabinenbereichs befinden muss. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des § 22 Abs. 2 bis 4 entsprechend. (2) Für die Bildung weiterer Ausschüsse gilt § 23 Abs. 1 bis 3 entsprechend.

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§ 40 Sitzungen (1) Spätestens einen Monat nach dem letzten Tag der Gruppenvertretungswahlen soll die konstituierende Sitzung der Gesamtvertretung stattfinden. Die Einladung erfolgt durch den Vorsitzenden des Wahlvorstandes, der die Sitzung bis zur Wahl des Vorsitzenden und dessen Stellvertreters leitet. (2) Im Übrigen gelten die Vorschriften der §§ 24 Abs. 3 bis 6, 25 Abs. 2 und 3 entsprechend. § 41 Beschlüsse (1) Die Beschlüsse der Gesamtvertretung werden, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Mehrheit der Stimmen der Anwesenden gefasst. Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt. (2) Die Vertreter des Cockpit- bzw. Kabinenpersonals haben so viele Stimmen, wie in dem Cockpitbereich bzw. Kabinenbereich, für den sie gewählt wurden, wahlberechtigte Arbeitnehmer in den Wählerlisten eingetragen sind. Die Stimmen stehen den Vertretern aus den jeweiligen Gruppenvertretungen anteilig zu. (3) Die Gesamtvertretung ist nur beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte ihrer Mitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt und die Teilnehmenden mindestens die Hälfte aller Stimmen vertreten. § 42 Aussetzung von Beschlüssen (1) Erachten die Mitglieder einer Gruppenvertretung in der Gesamtvertretung einstimmig einen Beschluss der Gesamtvertretung als eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen der durch sie vertretenen Gruppe, so ist auf ihren Antrag der Beschluss auf die Dauer von einem Monat vom Zeitpunkt der Beschlussfassung an, längstens jedoch bis zur nächsten Sitzung auszusetzen. (2) Während der Aussetzungsfrist soll eine Verständigung gegebenenfalls mithilfe von Beauftragten der im Flugbetrieb vertretenen Gewerkschaften versucht werden. (3) Vor Ablauf der Frist hat die Gesamtvertretung erneut zu beschließen. Eine nochmalige Aussetzung des Beschlusses kann nicht beantragt werden. § 43 Sonstige Bestimmungen Die Vorschriften § § § § § §

19 (Sitz) 27 (Niederschrift) 28 (Geschäftsordnung) 29 (Sprechstunden) 30 (Kosten) 31 (Umlageverbot)

sind auf die Gesamtvertretung entsprechend anzuwenden.

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3. Integration der Vertretung des Bordpersonals in den Gesamtbetriebsrat § 44 Entsendung in den Gesamtbetriebsrat (1) Die Gesamtvertretung entsendet die Vorsitzenden der Gruppenvertretungen in den Gesamtbetriebsrat. 2) Im Falle der Verhinderung des Vorsitzenden wird der jeweilige Stellvertreter entsandt. Im Falle von dessen Verhinderung werden diejenigen Mitglieder der Gruppenvertretungen entsandt, die bei der Wahl die jeweils höchste Stimmenzahl erhalten haben. (3) Die Vertreter des Cockpit- bzw. Kabinenpersonals haben so viele Stimmen, wie in dem Cockpitbereich bzw. Kabinenbereich, für den sie gewählt wurden, wahlberechtigte Arbeitnehmer in den Wählerlisten eingetragen sind. (4) Für die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gilt § 50 BetrVG mit der Maßgabe, dass sich die Zuständigkeit auch auf die vom Flugunternehmen betriebenen Flugzeuge und die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer gemäß § 2 erstreckt, wenn Angelegenheiten behandelt werden, die das Gesamtunternehmen oder den Flugbetrieb sowie mindestens einen anderen Betrieb betreffen und nicht durch die Gesamtvertretung bzw. die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. (5) Erachten beide Mitglieder der Gesamtvertretung in dem Gesamtbetriebsrat einen Beschluss des Gesamtbetriebsrats als eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen der im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer des Unternehmens oder sehen sie spezifische Belange des Flugbetriebs durch den Beschluss in erheblicher Weise unberücksichtigt, so ist auf ihren Antrag der Beschluss auf die Dauer von einem Monat vom Zeitpunkt der Beschlussfassung an, längstens jedoch bis zur nächsten Sitzung, auszusetzen. (6) Während der Aussetzungsfrist soll eine Verständigung gegebenenfalls mithilfe von Beauftragten der im Flugbetrieb vertretenen Gewerkschaften versucht werden. (7) Vor Ablauf der Frist hat die Gesamtvertretung erneut zu beschließen. Eine nochmalige Aussetzung des Beschlusses kann nicht beantragt werden.

III. PERSONALVERSAMMLUNGEN § 45 Gruppenversammlung (1) Die Gruppenversammlung besteht aus den Angehörigen derselben Gruppe und wird auf Beschluss der zuständigen Gruppenvertretung einberufen. Die Einberufung und Leitung der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden der Gruppenvertretung. (2) Mindestens einmal innerhalb von 12 Monaten ist eine Gruppenversammlung einzuberufen, in der die Gruppenvertretung einen Tätigkeitsbericht zu erstatten und der Arbeitgeber über das Personal- und Sozialwesen sowie die wirtschaftliche Lage und Entwicklung zu berichten hat, soweit dadurch nicht Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gefährdet werden. (3) Wenn seit der letzten Gruppenversammlung mehr als ein Jahr verstrichen ist, hat die Gruppenvertretung auf Antrag einer im Flugbetrieb vertretenen Gewerkschaft bin-

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nen einen Monats nach Eingang des Antrags eine Gruppenversammlung nach Absatz 2 einzuberufen. (4) Teilversammlungen können durchgeführt werden, um auch den im Einsatz befindlichen Angehörigen der Gruppe die Teilnahme zu ermöglichen. Werden Teilversammlungen durchgeführt muss eine Teilversammlung an einem ordentlichen Sitzungstag der Gruppenvertretung stattfinden. (5) Gruppenvertretungen können einvernehmlich beschließen, die Angehörigen beider Gruppen zu einer gemeinsamen Versammlung einzuberufen, die für die betroffenen Gruppen die Versammlung nach Absatz 2 ersetzt. Die gemeinsame Gruppenversammlung wird vom Vorsitzenden der Gesamtvertretung oder seinem Stellvertreter einberufen und geleitet. Absatz 4 gilt entsprechend. (6) Eine Gruppenversammlung ist auch dann einzuberufen, wenn der Arbeitgeber oder mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Gruppenangehörigen dies beantragen. (7) Der Arbeitgeber ist zu allen Personalversammlungen unter Mitteilung der Tagesordnung einzuladen. Er ist berechtigt, in den Versammlungen zu sprechen. (8) Die Versammlungen sind nicht öffentlich. § 46 Gesamtversammlung (1) Eine Versammlung des gesamten Bordpersonals im Unternehmen (Gesamtversammlung) soll einmal jährlich einberufen werden. Sie ist einzuberufen, wenn der Arbeitgeber oder mindestens ein Viertel der Wahlberechtigten dies beantragen. (2) Der Vorsitzende der Gesamtvertretung oder sein Stellvertreter hat zur Gesamtversammlung einzuladen, die beantragten Gegenstände auf die Tagesordnung zu setzen und die Versammlung zu leiten. (3) § 45 Abs. 4, 7 und 8 gelten entsprechend. § 47 Teilnahme (1) An einer Gruppen- oder Gesamtversammlung können die Angehörigen des Bordpersonals nur außerhalb der Arbeitszeit teilnehmen. (2) Als Ausgleich für die Teilnahme an je einer Versammlung nach § 45 und § 46 sowie für hierbei angefallene Wegezeiten und Fahrtkosten wird pauschal ein zusätzlicher freier Tag eingeplant, der innerhalb von zwei Monaten, spätestens aber binnen sechs Monaten nach der Sitzung zu gewähren ist. § 48 Verbände (1) An allen Personalversammlungen können Beauftragte der im Flugbetrieb vertretenen Gewerkschaften beratend teilnehmen. Zeitpunkt und Tagesordnung sind ihnen hierzu rechtzeitig schriftlich mitzuteilen. (2) Nimmt der Arbeitgeber an einer Versammlung teil, kann er einen Beauftragten seiner Arbeitgebervereinigung hinzuziehen.

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§ 49 Themen (1) Die Personalversammlungen können Angelegenheiten einschließlich solcher tarifpolitischer, sozialpolitischer und wirtschaftlicher Art behandeln, die den Flugbetrieb oder das Bordpersonal unmittelbar betreffen. Die Grundsätze des § 59 Abs. 2 finden Anwendung. (2) Die Personalversammlungen können der Gruppen- bzw. Gesamtvertretung Anträge unterbreiten und zu deren Beschlüssen Stellung nehmen. IV. RECHTSSTELLUNG DER PERSONALVERTRETER § 50 Ehrenamt, Arbeitsversäumnis (1) Die Personalvertreter führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. (2) Wegen der Besonderheiten des fliegerischen Berufs erfolgen keine Freistellungen auf Dauer für die Personalvertretungstätigkeit. (3) Über die Regelung in § 24 Abs. 5 hinaus erfolgen tageweise Freistellungen, wenn die Freistellung zur ordnungsgemäßen Durchführung der Personalvertretungsaufgaben erforderlich ist und dringende betriebliche Bedürfnisse nicht entgegenstehen. (4) Für folgende Personalvertreter werden unbeschadet der Regelungen in Absatz 3 und 5 grundsätzlich bei der Einsatzplanung tageweise Freistellungen pro Monat ohne Antrag wie folgt vorgesehen: Vorsitzende der Gesamt- und der Gruppenvertretung drei Tage, Stellvertretende Vorsitzende der Gesamt- und Gruppenvertretung zwei Tage. Fallen mehrere Funktionen in einer Person zusammen, so wird nur die jeweils höchste Zahl an freien Tagen gewährt. (5) Für die Teilnahme an einer Sitzung in Wahrnehmung von Personalvertretungstätigkeit während der Freizeit ist entsprechender tageweiser Freizeitausgleich einzuplanen. (6) Das Arbeitsentgelt eines Personalvertreters darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Mitarbeiter mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers. Soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, dürfen Personalvertreter einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten der in Satz 1 genannten Mitarbeiter gleichwertig sind. (7) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Die Personalvertretung hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Sie hat dem Arbeitgeber die Teilnahme und zeitliche Lage der Schulungsveranstaltung rechtzeitig, d.h. mindestens sechs Wochen vor Beginn der Veranstaltung, und jedenfalls bis spätestens zum 15. des Vormonats, in dem die Veranstaltung beginnt, bekannt zu geben. Die Beschlussfähigkeit der Personalvertretung und der Aus-

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schüsse ist auch während der Teilnahme an Schulungsveranstaltungen sicherzustellen. Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten nicht für ausreichend berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Personalvertretung. (8) Unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 7 hat jeder Personalvertreter während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt drei Wochen zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde des Landes nach Beratung mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände als geeignet anerkannt sind. Absatz 7 Sätze 2 bis 4 finden Anwendung. (9) Arbeitsversäumnis im Zusammenhang mit den vorstehenden Bestimmungen darf nicht zu einer Minderung des Arbeitsentgeltes führen. § 51 Schutzbestimmungen Die Personalvertreter, die Mitglieder einer Einigungsstelle, einer betrieblichen Beschwerdestelle sowie Auskunftspersonen dürfen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. § 52 Kündigungsschutz (1) Die außerordentliche Kündigung eines Personalvertreters, eines Mitglieds eines nach dieser Rechtsverordnung zu bildenden Wahlvorstands sowie eines Wahlbewerbers bedarf der Zustimmung der zuständigen Gruppenvertretung. Verweigert die Gruppenvertretung ihre Zustimmung, kann das Arbeitsgericht sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht ist der betroffene Mitarbeiter Beteiligter. (2) § 15 KSchG gilt für die Kündigung eines Personalvertreters, eines Mitglieds eines nach dieser Rechtsverordnung zu bildenden Wahlvorstands sowie eines Wahlbewerbers entsprechend mit der Maßgabe, dass die außerordentliche Kündigung der Zustimmung der zuständigen Gruppenvertretung bedarf. § 53 Geheimhaltung (1) Die Personalvertreter und deren Ersatzmitglieder sind verpflichtet, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Personalvertretung bekanntgeworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten. Die Verpflichtung gilt nicht gegenüber den anderen Personalvertretern, den Geschäftsführern, ferner nicht gegenüber den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat sowie im Verfahren vor der Einigungsstelle oder einer Beschwerdestelle. (2) Eine schuldhafte Verletzung der Geheimhaltungspflicht nach Absatz 1 gilt als grobe Pflichtverletzung i. S. d. § 16 Abs. 1 und § 34.

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(3) Absatz 1 gilt entsprechend für Mitglieder der Einigungsstelle, der betrieblichen Beschwerdestelle sowie für Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen. (4) Die Geheimhaltungspflicht gilt auch nach einem Ausscheiden aus dem Amt.

V. GESCHÄFTSFÜHRER § 54 Bestellung (1) Für alle Personalvertretungen des Unternehmens gemeinsam sind ein Geschäftsführer und ein stellvertretender Geschäftsführer hauptamtlich zu bestellen. Die Geschäftsführer müssen dem Bordpersonal weder angehören noch angehört haben. (2) Die Bestellung der Geschäftsführer erfolgt durch den Arbeitgeber im Einvernehmen mit der Gesamtvertretung. Für den stellvertretenden Geschäftsführer ist zusätzlich das Einvernehmen mit dem Geschäftsführer herzustellen. (3) Die Geschäftsführer werden auf unbestimmte Zeit und unabhängig von der Amtszeit der Personalvertretungen bestellt. Die Regelungen der §§ 56 bis 58 sind zum Inhalt des Dienstvertrages mit den Geschäftsführern zu machen. (4) Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung können abweichend von den Vorschriften dieses Abschnitts die dem Geschäftsführer obliegenden Aufgaben, insbesondere die Geschäftsführung der Personalvertretungen, auf jeweils einen Betriebsausschuss übertragen werden. Für die Betriebsausschüsse gilt im Übrigen § 23 Abs. 1 bis 3 entsprechend. Im Fall der Bildung von Betriebsausschüssen muss ein Personalvertreter bestimmt werden, der die in den §§ 10 Abs. 2, 22 Abs. 1, 2 und 3, 39 Abs. 1 genannten Funktionen des Geschäftsführers übernimmt.

§ 55 Geschäftsführung (1) Der Geschäftsführung sind für die laufenden Geschäfte und die ihr zugewiesenen Aufgaben in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel und Büropersonal zur Verfügung zu stellen. (2) Die Geschäftsführung ist berechtigt, Erklärungen des Arbeitgebers für die Personalvertretungen entgegenzunehmen. Näheres können die Personalvertretungen durch Geschäftsordnung regeln. Fristen nach diesem Tarifvertrag beginnen auch mit Zugang einer Erklärung bei der Geschäftsführung zu laufen. (3) Der Geschäftsführer ist gegenüber seinem Stellvertreter weisungsbefugt. Im Falle der Verhinderung des Geschäftsführers gehen dessen Aufgaben und Befugnisse auf den Stellvertreter über.

§ 56 Aufgaben (1) Der Geschäftsführer hat mit den Gruppenvertretungen und der Gesamtvertretung eng zusammenzuarbeiten. Er hat die Personalvertreter in allen Angelegenheiten nach diesem Tarifvertrag zu beraten und nach besten Kräften zu unterstützen.

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(2) Der Geschäftsführer hat insbesondere a) die Aufgaben wahrzunehmen, die ihm nach dieser Rechtsverordnung im Einzelnen übertragen sind; b) die laufenden Geschäfte der Gesamtvertretung und der Gruppenvertretungen nach Weisung der jeweiligen Vorsitzenden im Rahmen der gefassten Beschlüsse zu führen (§ 23 Abs. 4 bleibt unberührt); c) in Abstimmung mit den betroffenen Personalvertretern für die tageweisen Freistellungen nach § 50 zu sorgen und eine fortlaufende Übersicht über alle tageweisen Freistellungen zu führen; d) Erklärungen, Anfragen und sonstige Mitteilungen des Arbeitgebers entgegenzunehmen und unverzüglich an die zuständigen Personalvertreter weiterzuleiten, insbesondere in Eilfällen (§ 22 Abs. 4). Näheres können die Personalvertretungen durch Geschäftsordnung regeln. e) die Koordination zwischen den einzelnen Personalvertretungen zu fördern, insbesondere die Weiterleitung von Informationen sicherzustellen; f) im Rahmen der zumutbaren Arbeitsbelastung Einzelaufträge der Vorsitzenden der Gesamtvertretung und der Gruppenvertretungen auszuführen; g) die Geschäftsstelle organisatorisch und personell zu leiten. (3) Die Befugnis zu Entscheidungen in den materiellen Fragen der Mitwirkung und Mitbestimmung kann den Geschäftsführern nicht übertragen werden. (4) Der Geschäftsführer ist grundsätzlich berechtigt, an den Sitzungen der Personalvertretungen beratend teilzunehmen. Ein Stimmrecht steht ihm nicht zu. § 57 Verantwortlichkeit (1) Die Geschäftsführer erfüllen ihre Aufgaben nach diesem Tarifvertrag und im Rahmen der gefassten Beschlüsse nach Weisung der Vorsitzenden der Personalvertretungen selbstständig nach bestem Wissen und pflichtgemäßem Ermessen. (2) Die Wahrnehmung der Rechte aus dem Dienstvertrag mit den Geschäftsführern verbleibt, soweit dies mit deren Aufgabenstellung vereinbar ist, beim Arbeitgeber. § 58 Geheimhaltung Die Bestimmungen des § 53 Abs. 1 gelten für die Geschäftsführer entsprechend.

VI. MITWIRKUNG UND MITBESTIMMUNG 1. ALLGEMEINE VORSCHRIFTEN § 59 Grundsätze für die Zusammenarbeit (1) Arbeitgeber und Gesamt- bzw. Gruppenvertretung sollen einmal monatlich zu einer Besprechung zusammentreten. Arbeitgeber und Personalvertreter haben über strittige

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Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen. (2) Maßnahmen des Arbeitskampfes zwischen Arbeitgeber und Personalvertretern sind unzulässig; Arbeitskämpfe tariffähiger Parteien werden hierdurch nicht berührt. Arbeitgeber und Personalvertreter haben Betätigungen zu unterlassen, durch die der Arbeitsablauf oder der Frieden des Betriebs beeinträchtigt werden. Sie haben jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen; die Behandlung von Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer und wirtschaftlicher Art, die den Flugbetrieb oder seine Angehörigen unmittelbar betreffen, wird hierdurch nicht berührt. (3) Angehörige des Bordpersonals, die im Rahmen dieses Gesetzes Aufgaben übernehmen werden hierdurch in der Betätigung für ihre Gewerkschaft auch im Betrieb nicht beschränkt. § 60 Grundsätze für die Behandlung des Bordpersonals (1) Arbeitgeber und Personalvertreter haben darüber zu wachen, dass alle Angehörigen des Bordpersonals nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede unterschiedliche Behandlung von Personen wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts unterbleibt. (2) Sie haben darauf zu achten, dass Angehörige des Bordpersonals nicht wegen Überschreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt werden. § 61 Durchführung gemeinsamer Beschlüsse, Betriebsvereinbarungen (1) Vereinbarungen zwischen Personalvertretungen und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Die Personalvertreter dürfen nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Flugbetriebs eingreifen. (2) Betriebsvereinbarungen sind von Personalvertretung und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen in geeigneter Weise bekannt zu machen. (3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. (4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden den Angehörigen des Bordpersonals durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung der Personalvertretung zulässig, die die Betriebsvereinbarung abgeschlossen hat. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

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(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. (6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Personalvertretung ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. § 62 Allgemeine Aufgaben (1) Die Personalvertretungen haben folgende allgemeine Aufgaben: 1. darüber zu wachen, dass die zugunsten der Angehörigen des Bordpersonals geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden; 2. Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen; 3. Anregungen von Angehörigen des Bordpersonals entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinzuwirken; sie hat die betreffenden Angehörigen des Bordpersonals über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen zu unterrichten; 4. die Eingliederung besonders schutzbedürftiger Mitarbeiter zu fördern; 5. die Beschäftigung älterer Angehöriger des Bordpersonals zu fördern; 6. die Eingliederung ausländischer Angehöriger des Bordpersonals im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern. (2) Zur Durchführung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz sind die Personalvertretungen rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten. Ihnen sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen sind die Vorsitzenden der Personalvertretungen berechtigt, in die Listen über die Bruttogehälter Einblick zu nehmen. (3) Die Personalvertretungen können bei der Durchführung ihrer Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Für die Geheimhaltungspflicht des Sachverständigen gilt § 58 entsprechend.

2. INDIVIDUALRECHTE § 63 Unterrichtung (1) Der Arbeitgeber hat jeden Angehörigen des Bordpersonals vor Beginn der Beschäftigung und bei Veränderung des Arbeitsbereiches über Unfall- und Gesundheitsgefahren sowie über Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren zu belehren. (2) Über Veränderungen in seinem Arbeitsbereich ist der Mitarbeiter rechtzeitig zu unterrichten.

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(3) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die aufgrund einer Planung von technischen Anlagen, von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen oder der Arbeitsplätze vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkung auf seinen Arbeitsplatz, die Arbeitsumgebung sowie auf Inhalt und Art seiner Tätigkeit zu unterrichten. Sobald feststeht, dass sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers ändern wird und seine beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung seiner Aufgaben nicht ausreichen, hat der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer zu erörtern, wie dessen berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten den künftigen Anforderungen angepasst werden können. Der Arbeitnehmer kann bei der Erörterung ein Mitglied der Personalvertretung hinzuziehen. § 64 Anhörung und Erörterung (1) Jeder Angehörige des Bordpersonals hat das Recht, in betrieblichen Angelegenheiten, die seine Person betreffen, von den nach Maßgabe des organisatorischen Aufbaus des Betriebs hierfür zuständigen Personen gehört zu werden. Er ist berechtigt, zu Maßnahmen des Arbeitgebers, die ihn betreffen, Stellung zu nehmen sowie Vorschläge für die Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsablaufs zu machen. (2) Jeder Angehörige des Bordpersonals kann verlangen, dass ihm die Berechnung und Zusammensetzung seines Arbeitsentgeltes erläutert und dass mit ihm die Beurteilung seiner Leistungen sowie die Möglichkeiten seiner beruflichen Entwicklung im Betrieb erörtert werden. Er kann ein Mitglied der Gruppenvertretung hinzuziehen, das über den Inhalt dieser Verhandlungen Stillschweigen zu bewahren hat, soweit es vom Arbeitnehmer im Einzelfall nicht von dieser Verpflichtung entbunden wird. § 65 Einsicht in die Personal- und fliegerische Akte (1) Jeder Angehörige des Bordpersonals hat das Recht, in die über ihn geführten Personal- und fliegerischen Akten Einsicht zu nehmen. Er kann hierzu ein Mitglied der Gruppenvertretung hinzuziehen. Das Mitglied der Gruppenvertretung hat über den Akteninhalt Stillschweigen zu bewahren, soweit es vom Arbeitnehmer im Einzelfall nicht von dieser Verpflichtung entbunden wird. (2) Erklärungen des Arbeitnehmers zum Inhalt der Personal- und fliegerischen Akte sind diesen auf sein Verlangen beizufügen. § 66 Beschwerderecht (1) Jeder Angehörige des Bordpersonals hat das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren, wenn er sich vom Arbeitgeber oder von Arbeitnehmern des Betriebs benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt. Er kann ein Mitglied der Gruppenvertretung zur Unterstützung oder Vermittlung hinzuziehen. (2) Der Arbeitgeber hat den Beschwerdeführer über die Behandlung der Beschwerde zu bescheiden und, soweit er die Beschwerde für berechtigt erachtet, ihr abzuhelfen. (3) Wegen der Erhebung der Beschwerde dürfen dem Beschwerdeführer keine Nachteile entstehen.

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§ 67 Behandlung von Beschwerden durch die Gruppenvertretung (1) Die Gruppenvertretung hat Beschwerden von Angehörigen des Bordpersonals entgegenzunehmen und, falls sie sie für berechtigt erachtet, beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken. (2) Bestehen zwischen Gruppenvertretung und Arbeitgeber Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Beschwerde, so kann die Gruppenvertretung die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Gruppenvertretung. Dies gilt nicht, soweit Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch ist. (3) Der Arbeitgeber hat die Gruppenvertretung über die Behandlung der Beschwerde zu unterrichten. § 66 Abs. 2 bleibt unberührt. § 68 Ergänzende Vereinbarungen Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung können Einzelheiten des Beschwerdeverfahrens geregelt werden. Hierbei kann bestimmt werden, dass in den Fällen des § 67 Abs. 2 an die Stelle der Einigungsstelle eine betriebliche Beschwerdestelle tritt.

3. SOZIALE ANGELEGENHEITEN § 69 Mitbestimmungsrechte (1) Die Personalvertretungen haben, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: 1. Fragen der Ordnung des Flugbetriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Flugbetrieb; 2. Planung und Festlegung der Besatzungsumläufe für die jeweilige Flugplanperiode auf Grundlage der gesetzlichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen im Rahmen der flugbetrieblichen Notwendigkeiten der Verteilung von Einsätzen und Flugstunden einerseits und der freien Tage am dienstlichen Wohnsitz andererseits zur möglichst gleichmäßigen Verteilung auf die Mitglieder des Bordpersonals, die dieselbe Funktion ausüben. Bewirkt ein Umlauf trotz Einhaltung des gesetzlichen und tarifvertraglichen Rahmens im Ausnahmefall eine besondere Belastung, kann die Personalvertretung unter Berücksichtigung der flugbetrieblichen Möglichkeiten Änderungsvorschläge unterbreiten. Die Personalvertretung hat darauf hinzuwirken, dass die Vorschläge insgesamt kostenneutral und unter Berücksichtigung der konkreten Personalverfügbarkeit im Unternehmen realisierbar sind; 3. vorübergehender Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit; 4. Zeit, Art und Ort der Auszahlung der Arbeitsentgelte; 5. Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Angehörige des Bordpersonals, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Mitarbeitern kein Einverständnis erzielt wird;

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6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Angehörigen des Bordpersonals zu überwachen; 7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufs- und Tropenkrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften; 8. Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Flugbetrieb beschränkt ist; 9. Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Angehörigen des Bordpersonals mit Rücksicht auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen; 10. Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung; 11. Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen. (2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Personalvertretungen.

§ 70 Mitbestimmung bei der Festlegung der Dienstpläne Die Planung und Festlegung der Dienstpläne erfolgt nach folgendem Verfahren im Rahmen der flugbetrieblichen Möglichkeiten mit dem Ziel der gleichmäßigen Verteilung auf die Besatzungsmitglieder, die in derselben Funktion in demselben Flugzeugmusterpool von demselben dienstlichen Wohnsitz aus eingesetzt werden. a) Die Personalvertretungen benennen jeweils zwei ihrer Mitglieder, sogenannte Dienstplanreferenten. Die auf Basis der Besatzungsumläufe erstellten Dienstpläne sind den Dienstplanreferenten rechtzeitig im Voraus vorzulegen. Die Überprüfung darf einen Kalendertag nicht überschreiten. b) Die Dienstpläne bedürfen der Zustimmung der jeweiligen Dienstplanreferenten. Die Zustimmung kann bei planerischen oder tatsächlichen Verstößen gegen gesetzliche Bestimmungen, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Regelungsabsprachen verweigert werden. Änderungsvorschläge können hinsichtlich der Verteilung der Belastung auf die Mitarbeiter unterbreitet werden. Die Dienstplanreferenten sind verpflichtet, ihre Stellungnahme nach der Überprüfung der zuständigen Unternehmensstelle schriftlich spätestens am zweiten Tag mittags vor Inkrafttreten der Dienstpläne mitzuteilen. Widersprechen die Dienstplanreferenten nicht innerhalb dieser Frist, gilt die Zustimmung als erteilt. c) Dienstplanänderungen nach Inkrafttreten der Dienstpläne unterliegen nicht der Mitbestimmung der Personalvertretung. d) Verweigern die jeweiligen Dienstplanreferenten die Zustimmung zu einem Dienstplan und legen sie dazu Änderungsvorschläge vor, denen der Arbeitgeber zustimmt, und ist aus dringenden flugbetrieblichen Erfordernissen die kurzfristige Änderung nicht möglich, dann ist die Änderung beim nächsten Dienstplan vorzunehmen.

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e) Verweigern die jeweiligen Dienstplanreferenten die Zustimmung zu einem Dienstplan, so hat die Einigungsstelle innerhalb von 14 Tagen verbindlich darüber zu entscheiden. Die Anrufung der Einigungsstelle lässt die Wirksamkeit der Dienstpläne für 14 Tage unberührt. Sollte die Einigungsstelle aus Gründen, die der Arbeitgeber nicht zu verantworten hat, innerhalb von 14 Tagen nicht zusammentreten bzw. entscheiden, so gilt die Zustimmung der Dienstplanreferenten als erteilt. § 71 Freiwillige Betriebsvereinbarungen Durch Betriebsvereinbarungen können insbesondere geregelt werden 1. Zusätzliche Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Gesundheitsschädigungen; 2. die Errichtung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Flugbetrieb im Unternehmen oder Konzern beschränkt ist; 3. Maßnahmen zur Förderung der Vermögensbildung. § 72 Arbeitsschutz (1) Die Personalvertretungen haben bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen sowie sich für die Durchführung der Vorschriften über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb einzusetzen. (2) Der Arbeitgeber und die in Absatz 1 genannten Stellen sind verpflichtet, die Personalvertretungen oder die von ihnen bestimmten Personalvertreter bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen und bei Unfalluntersuchungen hinzuziehen. Der Arbeitgeber hat den Personalvertretungen unverzüglich die den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung betreffenden Auflagen und Anordnungen der in Absatz 1 genannten Stellen mitzuteilen. (3) An den Besprechungen des Arbeitgebers mit den Sicherheitsbeauftragten im Rahmen des § 22 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch nehmen von den Personalvertretungen beauftragte Personalvertreter teil. (4) Die Personalvertretungen erhalten die Niederschriften über Untersuchungen, Besichtigungen und Besprechungen, zu denen sie nach den Absätzen 2 und 3 hinzuzuziehen sind. (5) Der Arbeitgeber hat den Personalvertretungen eine Durchschrift der nach § 193 Abs. 5 Siebten Buches Sozialgesetzbuch von der Personalvertretung zu unterschreibenden Unfallanzeige auszuhändigen. § 73 Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung (1) Der Arbeitgeber hat die Personalvertretungen über die Planung 1. von Neu-, Um- und Erweiterungsbauten von Verwaltungs- und sonstigen betrieblichen Räumen des Flugbetriebs,

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2. von technischen Anlagen, 3. von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen oder 4. der Arbeitsplätze rechtzeitig zu unterrichten und die vorgesehenen Maßnahmen insbesondere im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Art der Arbeit und die Anforderungen an die Mitarbeiter mit ihnen zu beraten. Arbeitgeber und Personalvertretungen sollen dabei die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit berücksichtigen. (2) Werden die Mitarbeiter durch Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebungen, die den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen, in besonderer Weise belastet, so können die Personalvertretungen angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung verlangen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Personalvertretungen. 4. PERSONELLE ANGELEGENHEITEN § 74 Personalplanung (1) Der Arbeitgeber hat die Gesamtvertretung über die Personalplanung, insbesondere über den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf sowie über die sich daraus ergebenden personellen Maßnahmen und Maßnahmen der Berufsbildung, anhand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Er hat mit der Gesamtvertretung über Art und Umfang der erforderlichen Maßnahmen und über die Vermeidung von Härten zu beraten. (2) Die Personalvertretungen können dem Arbeitgeber Vorschläge für die Durchführung der Personalplanung machen. § 75 Beschäftigungssicherung (1) Die Personalvertretung kann dem Arbeitgeber Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung des Bordpersonals machen. Diese können insbesondere eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit, die Förderung von Teilzeitarbeit, neue Formen der Arbeitsorganisation, Änderung der Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe, die Qualifizierung des Bordpersonals, Alternativen zur Ausgliederung von Arbeit oder ihrer Vergabe an andere Unternehmen sowie Produktions- und Investitionsprogramm zum Gegenstand. (2) Der Arbeitgeber hat die Vorschläge mit der Personalvertretung zu beraten. Hält der Arbeitgeber die Vorschläge der Personalvertretung für ungeeignet, hat er dies schriftlich zu begründen. § 76 Ausschreibung (1) Die Gruppenvertretung kann verlangen, dass Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Arten von Tätigkeiten im Bordpersonal vor ihrer Be-

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setzung ausgeschrieben werden, sofern eine Ausschreibung nicht schon nach anderen tarifvertraglichen Vorschriften zu erfolgen hat. (2) Arbeitsplätze, vor deren Besetzung unmittelbar die Absolvierung einer Grundausbildung erforderlich ist, unterliegen nicht der Ausschreibung.

§ 77 Personalfragebögen und Beurteilungsgrundsätze (1) Personalfragebögen bedürfen der Zustimmung der Gesamtvertretung. Kommt eine Einigung über ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Gesamtvertretung. (2) Die Regelung des Absatzes 1 gilt entsprechend für persönliche Angaben in schriftlichen Arbeitsverträgen, die allgemein für den Flugbetrieb verwendet werden sollen, sowie für die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze.

§ 78 Auswahlrichtlinien (1) Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzung, Umgruppierung und Kündigungen bedürfen der Zustimmung der Gesamtvertretung. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle durch verbindlichen Spruch, der die Einigung zwischen Arbeitgeber und Gesamtvertretung ersetzt. (2) Die Gesamtvertretung kann vom Arbeitgeber die Aufstellung von Richtlichtlinien über die bei Maßnahmen des Absatzes 1 Satz 1 zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkte verlangen, wenn über die Fälle des Vollzugs der in anderen Tarifverträgen oder in Betriebsvereinbarungen enthaltenen Regelungen hinaus ein praktisches Bedürfnis zur Richtlinienbindung erkennbar wird. Kommt eine Einigung über das Bestehen eines praktischen Bedürfnisses oder über den Inhalt der Richtlinien nicht zustande, gilt Absatz 1 Satz 2 entsprechend.

§ 79 Förderung der Berufsbildung (1) Arbeitgeber und Personalvertretungen haben im Rahmen der betrieblichen Personalplanung und in Zusammenarbeit mit den für die Berufsbildung zuständigen Stellen die Berufsbildung der Angehörigen des Bordpersonals zu fördern. Der Arbeitgeber hat auf Verlangen der Personalvertretungen mit diesen Fragen der Berufsbildung der Angehörigen des Bordpersonals zu beraten. Hierzu können die Personalvertretungen Vorschlage machen. (2) Arbeitgeber und Personalvertretungen haben darauf zu achten, dass unter Berücksichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten den Angehörigen des Bordpersonals die Teilnahme an betrieblichen oder außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung ermöglicht wird. Sie haben dabei auch die Belange älterer Angehöriger des Bordpersonals, Teilzeitbeschäftigter und von Arbeitnehmern mit Familienpflichten zu berücksichtigen.

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§ 80 Einrichtung und Maßnahmen der Berufsbildung Der Arbeitgeber hat mit den Personalvertretungen über die Errichtung und Ausstattung von Einrichtungen des Flugbetriebs zur Berufsbildung, die Einführung inner-betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen und die Teilnahme an außerbetrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen, die der beruflichen Fortbildung des Bordpersonals dienen, zu beraten.

§ 81 Durchführung der Fortbildung (1) Die Personalvertretungen haben bei der Durchführung von innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Fortbildung der Angehörigen des Bordpersonals mitzubestimmen. (2) Die Gesamtvertretung kann der Bestellung einer mit der Durchführung der betrieblichen Fortbildung beauftragten Person widersprechen, wenn diese die persönliche oder fachliche, insbesondere die berufs- und arbeitspädagogische Eignung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes nicht besitzt oder ihre Aufgaben vernachlässigt. Die Gesamtvertretung kann aus den Gründen des Satzes 1 die Abberufung der beauftragten Person wirksam nur dann verlangen, wenn und soweit die Zustimmung zur Abberufung durch eine Mitarbeitervertretung des Bodenpersonals nicht erforderlich, durch die zuständige Vertretung erteilt oder eine verweigerte Zustimmung durch gerichtlichen Beschluss ersetzt worden ist. (3) Führt der Arbeitgeber inner- oder außerbetriebliche Maßnahmen der beruflichen Fortbildung im Bereiche des Bordpersonals durch, an denen teilzunehmen für den Angehörigen des Bordpersonals aufgrund tarifvertraglicher Vorschriften über den Förderungsaufstieg oder nach anderen kollektivrechtlichen Regelungen nicht ausgeschlossen ist, und trägt der Arbeitgeber die durch die Teilnahme dem Einzelnen entstehenden Kosten ganz oder teilweise, so können die Personalvertretungen Vorschläge für die Teilnahme von bestimmten Angehörigen des Bordpersonals an diesen Fortbildungsmaßnahmen machen. (4) Kommt im Fall des Absatzes 1 oder über die nach Absatz 3 von den Personalvertretungen vorgeschlagenen Teilnehmer eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle durch verbindlichen Spruch, der die fehlende Einigung ersetzt. (5) Kommt in den Fällen der Absätze 2 oder 3 eine Einigung nicht zustande, kann die zuständige Personalvertretung beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Bestellung zu unterlassen oder eine Abberufung durchzuführen. Führt der Arbeitgeber die Bestellung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zuwider durch, so ist er auf Antrag der Personalvertretung vom Arbeitsgericht wegen der Bestellung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen; das Höchstmaß des Ordnungsgeldes beträgt 10.000 Euro. Führt der Arbeitgeber die Abberufung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zuwider nicht durch, so ist auf Antrag der Personalvertretung vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass der Arbeitgeber zur Abberufung durch Zwangsgeld anzuhalten ist; das Höchstmaß des Zwangsgeldes beträgt für jeden Tag der Zuwiderhandlung 250 Euro. Die Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes über die Ordnung der Berufsbildung bleiben unberührt.

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§ 82 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen (1) Vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung hat der Arbeitgeber die Gruppenvertretung zu unterrichten, ihr die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat den Gruppenvertretung unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkung der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung der Gruppenvertretung zur geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 53 gilt entsprechend. Eine Eingruppierung, Umgruppierung oder Versetzung bedarf der Zustimmung der Gruppenvertretung dann nicht, wenn die personelle Maßnahme sich als unmittelbare Folge einer Förderung des Angehörigen des Bordpersonals aufgrund der tarifvertraglichen Vorschriften über den Förderungsaufstieg oder anderer kollektivrechtlicher Bestimmungen ergibt. (2) Die Gruppenvertretung kann die Zustimmung verweigern, wenn 1. die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde; 2. die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 78 verstoßen würde; 3. die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Flugbetrieb beschäftigte Angehörige des Bordpersonals gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; 4. der betroffene Angehörige des Bordpersonals durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in seiner Person liegenden Gründen gerechtfertigt ist; 5. eine nach § 76 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder 6. die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Betriebsangehörige oder betriebsfremde Bewerber den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 60 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze stören würde. (3) Verweigert die Gruppenvertretung ihre Zustimmung, so hat sie dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt die Gruppenvertretung dem Arbeitgeber die Verweigerung ihrer Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt. (4) Im Falle des Absatzes 2 Ziffer 2 kann die Verweigerung der Zustimmung nicht darauf gestützt werden, dass die in den Auswahlrichtlinien festgelegten Voraussetzungen durch den Bewerber im Zeitpunkt der Einstellung nicht mehr erfüllt werden, wenn die Richtlinien durch den Arbeitgeber im Zeitpunkt der Auswahl für die Eingehung eines Ausbildungsverhältnisses beachtet worden ist.

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(5) Ein vorübergehender, unvorhergesehener, kurzfristiger Ad-hoc-Einsatz im Tagesgeschäft von Mitarbeitern bedarf nicht der Zustimmung der Gruppenvertretung, ist der Gruppenvertretung aber unverzüglich nach dem jeweiligen Einsatz mitzuteilen. (6) Verweigert die Gruppenvertretung ihre Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen. § 83 Vorläufige personelle Maßnahmen (1) Der Arbeitgeber kann, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, eine personelle Maßnahme im Sinne des § 82 vorläufig durchführen, bevor die Gruppenvertretung sich geäußert oder wenn sie die Zustimmung verweigert hat. Der Arbeitgeber hat den betroffenen Angehörigen des Bordpersonals über die Sach- und Rechtslage aufzuklären. (2) Der Arbeitgeber hat die Gruppenvertretungen unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme zu unterrichten. Bestreitet die Gruppenvertretung, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, so hat sie dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. In diesem Falle darf der Arbeitgeber die vorläufige personelle Maßnahme nur aufrechterhalten, wenn er innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung und die Feststellung beantragt, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. (3) Lehnt das Gericht durch rechtskräftige Entscheidung die Ersetzung der Zustimmung der Gruppenvertretung ab oder stellt es rechtskräftig fest, dass offensichtlich die Maßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war, so endet die vorläufige personelle Maßnahme mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung. Von diesem Zeitpunkt an darf die personelle Maßnahme nicht aufrechterhalten werden. § 84 Zwangsgeld Führt der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 ohne Zustimmung der Gruppenvertretung durch oder hält er eine vorläufige personelle Maßnahme entgegen § 83 Abs. 2 Satz 3 oder Abs. 3 aufrecht, so kann die Gruppenvertretung beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die personelle Maßnahme aufzuheben. Hebt der Arbeitgeber entgegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung die personelle Maßnahme nicht auf, so ist auf Antrag der Gruppenvertretung vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass der Arbeitgeber zur Aufhebung der Maßnahme durch Zwangsgeld anzuhalten ist. Das Höchstmaß des Zwangsgeldes beträgt für jeden Tag der Zuwiderhandlung 250 Euro. § 85 Mitbestimmung bei Kündigungen (1) Die Gruppenvertretung ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihr die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung der Gruppenvertretung ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. (2) Hat die Gruppenvertretung gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat sie diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche

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schriftlich mitzuteilen. Hat die Gruppenvertretung gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat sie diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen schriftlich mitzuteilen. Die Gruppenvertretung soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor ihrer Stellungnahme den betroffenen Angehörigen des Bordpersonals hören. Äußert sich die Gruppenvertretung innerhalb der Frist nicht, gilt ihre Zustimmung zur Kündigung als erteilt. (3) Die Gruppenvertretung kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn 1. der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu Kündigenden soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; 2. die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 78 verstößt; 3. der zu kündigende Angehörige des Bordpersonals an einem anderen Arbeitsplatz im Flugbetrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann, erforderlichenfalls nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder unter geänderten Vertragsbedingungen und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat; 4. eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hierzu erklärt hat. (4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl die Gruppenvertretung nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Angehörigen des Bordpersonals mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme der Gruppenvertretung zuzuleiten. (5) Hat die Gruppenvertretung einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen und hat der Angehörige des Bordpersonals nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Angehörigen des Bordpersonals diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn 1. die Klage des Angehörigen des Bordpersonals keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder 2. die Weiterbeschäftigung des Angehörigen des Bordpersonals zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder 3. der Widerspruch der Gruppenvertretung offensichtlich unbegründet war. (6) Der Arbeitgeber und die Gruppenvertretung können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung der Gruppenvertretung bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet. § 86 Entfernung von Betriebsstörenden Hat ein Angehöriger des Bordpersonals durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 60 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze den Betriebsfrieden wieder-

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holt ernstlich gestört, so kann die Gruppen- oder Gesamtvertretung vom Arbeitgeber die Entlassung verlangen. Gibt das Arbeitsgericht einem Antrag der Personalvertretung statt, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Entlassung oder Versetzung durchzuführen, und führt der Arbeitgeber die Entlassung oder Versetzung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zuwider nicht durch, so ist auf Antrag der Personalvertretung vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass er zur Vornahme der Entlassung oder Versetzung durch Zwangsgeld anzuhalten ist. Das Höchstmaß des Zwangsgeldes beträgt für jeden Tag der Zuwiderhandlung 250 Euro. § 87 Leitende Angestellte Eine beabsichtige Einstellung oder personelle Veränderung eines leitenden Angestellten gemäß § 2 Abs. 2 ist der Personalvertretung rechtzeitig mitzuteilen.

5. WIRTSCHAFTLICHE ANGELEGENHEITEN § 88 Wirtschaftsausschuss Bei der Bestimmung der Mitglieder des Wirtschaftsausschusses durch den Gesamtbetriebsrat gemäß § 107 BetrVG ist ein Mitglied des fliegenden Personals des Unternehmens zu berücksichtigen, das durch die Gesamtvertretung vorgeschlagen wird. Für die Gesamtzahl der Mitglieder des Wirtschaftsausschusses bleibt die in § 107 Abs. 1 BetrVG festgelegte Anzahl maßgeblich. § 89 Betriebsänderungen Der Unternehmer hat die Personalvertretung über geplante Änderungen des Flugbetriebs, die wesentliche Nachteile für das Bordpersonal oder erhebliche Teile davon zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Änderungen mit ihr zu beraten. Als Änderungen des Flugbetriebs gelten 1. Einschränkung und Stilllegung des gesamten Flugbetriebs oder von einzelnen Flotten, 2. Zusammenschluss mit anderen Luftverkehrsbetrieben, 3. grundlegende Änderungen der Organisation des Flugbetriebs sowie der Flugzeugmuster, 4. Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden. § 90 Interessenausgleich, Sozialplan (1) Kommt zwischen Unternehmer und Personalvertretung ein Interessenausgleich über die geplante Änderung des Flugbetriebs zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und von beiden Teilen zu unterschreiben. Das Gleiche gilt für die Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Angehörigen des Bordpersonals infolge der geplanten Änderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan

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hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 61 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden. (2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Änderung des Flugbetriebs oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder die Personalvertretung den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen. Geschieht dies nicht oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder die Personalvertretung die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter des Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil. (3) Unternehmer und Personalvertretungen sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben. (4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Die Einigungsstelle hat dabei sowohl die sozialen Belange der betroffenen Angehörigen des Bordpersonals zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Personalvertretung. (5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen: 1. Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen. 2. Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit. 2a. Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen. 3. Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

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§ 91 Nachteilsausgleich (1) Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich über die geplante Änderung des Flugbetriebes ohne zwingenden Grund ab, so können Angehörige des Bordpersonals, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeitgeber zur Zahlung von Abfindungen zu verurteilen; die Regelung des § 10 Kündigungsschutzgesetz ist anzuwenden. (2) Erleiden Angehörige des Bordpersonals infolge einer Abweichung nach Absatz 1 andere wirtschaftliche Nachteile, so hat der Unternehmer diese Nachteile bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten auszugleichen. (3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn der Unternehmer eine geplante Änderung des Flugbetriebs nach § 89 durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit der Personalvertretung versucht zu haben und infolge der Maßnahme Angehörige des Bordpersonals entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden. 6. EINIGUNGSSTELLE § 92 Einigungsstelle (1) Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Gruppenvertretung oder Gesamtvertretung ist bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. Durch Betriebsvereinbarung kann eine ständige Einigungsstelle errichtet werden. (2) Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und der betroffenen Personalvertretung bestellt werden und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so bestellt ihn das Arbeitsgericht. Dieses entscheidet auch, wenn kein Einverständnis über die Zahl der Beisitzer erzielt wird. (3) Die Einigungsstelle hat unverzüglich tätig zu werden. Sie fasst ihre Beschlüsse nach mündlicher Beratung mit Stimmenmehrheit. Bei der Beschlussfassung hat sich der Vorsitzende zunächst der Stimme zu enthalten; kommt die Stimmenmehrheit nicht zustande, so nimmt der Vorsitzende nach weiterer Beratung an der erneuten Beschlussfassung teil. Die Beschlüsse der Einigungsstelle sind schriftlich niederzulegen, vom Vorsitzenden zu unterschreiben und Arbeitgeber und Personalvertretung zuzuleiten. (4) Durch Betriebsvereinbarung können weitere Einzelheiten des Verfahrens vor der Einigungsstelle geregelt werden. (5) In den Fällen in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Personalvertretung ersetzt, wird die Einigungsstelle auf Antrag einer Seite tätig. Benennt eine Seite keine Mitglieder oder bleiben die von einer Seite genannten Mitglieder trotz rechtzeitiger Einladung der Sitzung fern, so entscheiden der Vorsitzende und die erschienenen Mitglieder nach Maßgabe des Absatzes 3 allein. Die Einigungsstelle fasst ihre Beschlüsse unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Flugbetriebs und der betroffenen Angehörigen des Bordpersonals nach billigem Ermessen. Die Überschreitung der Grenzen des Ermessens kann durch den Arbeitgeber oder die Personalvertretung nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Zuleitung des Beschlusses an gerechnet, beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden.

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(6) Im Übrigen wird die Einigungsstelle nur tätig, wenn beide Seiten es beantragen oder mit ihrem Tätigwerden einverstanden sind. In diesen Fällen ersetzt ihr Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Personalvertretung nur, wenn beide Seiten sich dem Spruch im Voraus unterworfen oder ihn nachträglich angenommen haben. (7) Soweit nach anderen Vorschriften der Rechtsweg gegeben ist, wird er durch den Spruch der Einigungsstelle nicht ausgeschlossen. (8) Durch Tarifvertrag kann bestimmt werden, dass an die Stelle der in Absatz 1 bezeichneten Einigungsstelle eine tarifliche Schlichtungsstelle tritt.

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Sachwortverzeichnis Allgemeinverbindlicherklärung 80, 89, 131, 149 Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen 68 f., 71, 73 f., 77, 95 Arbeitskampf 15, 112, 164, 188 ff., 218 Arbeitskampfverbot 190, 192 Auslegung contra legem 105 ff., 126 Außenseiter-Arbeitnehmer 70, 85, 87, 132, 150, 192, 201 Ausstrahlungswirkung 58, 149 Auswahlrichtlinien 28, 33, 36 Autonomietheorie 62, 64 Belegschaftsnähe 139 f., 142 f., 161 ff., 218 Bereichsausnahme 13, 16, 41, 46 f., 49, 97 ff., 105, 108 ff., 114 ff., 116, 118, 120 ff., 128, 138, 140 f., 159, 161, 179, 185, 190, 193, 201, 206, 216 f. Bergmannversorgungsscheinbeschluss 80, 85 Besatzungsumläufe 36, 38, 214 f. Bestandsschutzfunktion 183, 186 Bestimmtheitsgebot 86, 130, 157 betriebliches Rechtsverhältnis 82 Betriebsbegriff 56 f., 159, 161 f. Betriebsratswahl 104 f., 146 f., 195 f. Betriebsverfassungsstatut 53 f. Betriebszugehörigkeit 56, 58 Bußgeldvorschriften 156 f., 210 Cockpitpersonal 18, 24 f., 27 ff., 115, 117 f., 135, 144, 148, 158, 180, 212 Delegationstheorie 60 ff. Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip 59, 76, 79, 81, 85, 131 ff., 217 f.

Dienstpläne 30, 33, 38, 40, 57, 180, 207, 212, 214 f. Dienstplanreferenten 38, 215 Dringlichkeitsausschuss 26 Einigungsstelle 35 ff., 40, 190, 203, 215 Europarechtskonformität 98, 100, 103 ff., 123, 126, 217 Flaggenrechtsgesetz 53 Flugbetrieb 45 f., 48 ff., 56 ff., 115, 117 f., 122 ff., 135, 137 f., 141 f. Flugkapitän 50 ff., 137, 152, 163, 196 Flugzeugmuster 116 Freistellung 25 f., 32, 35, 37 f., 39, 118, 216 Friedenspflicht 189 f. Geltungsbefehlslehre 63 Geltungserstreckung 79, 85 f., 89, 128, 149, 198, 200, 217 Gesamtbetriebsrat 24 f., 112, 140, 144, 146 f., 204 f., 212 f. Gesamtvertretung 22 ff., 44, 137, 143 f., 148, 152, 157, 196, 212 f. Geschäftsführung 26, 32, 39, 44, 214, 216 Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit 42 Gewerkschaftsfusion 18 Gewerkschaftspluralität 15, 21, 165 ff. Gleichheitssatz/Gleichheitsgebot 16, 86, 89, 109 f, 112, 121, 123, 126 f., 130, 148, 150 f., 207, 211 Grundrechtsbindung 134, 144, 148 ff., 218 Gruppenstruktur 22 ff., 27, 40, 137, 144

Sachwortverzeichnis Gruppenvertretung 22 ff., 28 f., 44, 144, 148, 163, 212, 215 Günstigkeitsprinzip 172, 176 Heimarbeitsausschussentscheidung 80 f. Instrumentalflugberechtigung 116 Interessenausgleich 34, 36 Kabinenpersonal 22, 24, 28 ff., 34, 37, 39 f., 117 f., 144, 148, 157 f., 163, 180, 211 ff. Kernbereichsformel 70 Koalitionsbetätigung 68 ff., 77, 191 Koalitionsfreiheit 59 ff., 65, 67 ff., 87 ff., 95, 131 f., 166, 168, 170, 179, 191, 198 – negative Koalitionsfreiheit 59, 79, 87 ff. – positive Koalitionsfreiheit 87 f. Kollisionsrecht 53 Kontrollratsgesetz 42, 95 Konzernbetriebsrat 146, 207, 213 Kooperationstarifvertrag 16, 39, 45, 81, 203 ff., 219 Koordinierungspflicht 166 ff. Kündigungsschutz 52, 215 Legitimationslehre 78 leitender Angestellter 50 ff., 216 Leitungsapparat 139 ff., 217 Leitungsmachtanbindung 139 Luftfahrtunternehmen 47, 49, 210 f. Luftfahrzeuge 49 Lufthoheit 41 ff. mehrgliedriger Tarifvertrag 21, 161, 165 f. Mehrheitsprinzip 172 f., 177, 180 Mitbestimmungsrechte 27 ff., 33, 35, 38, 83, 90, 99, 108, 110 ff., 122, 126, 130, 138, 141, 145, 197, 203, 207 f., 214, 216 f. Mitbestimmungsstandard 121

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Nachteilsausgleich 34, 36 Nachwirkung 23, 67, 180 ff., 207 Nichtigkeitserklärung 127 f., 201 Normsetzungsbefugnis 60 ff., 67 ff., 74 ff., 80, 96, 128, 131 Normsetzungsmonopol 64 Normwirkung 67 ff., 82 Öffnungsklausel 44, 86, 96 f., 128, 132, 212, 214, 217 Ordnungsgeld 37, 153 ff. Organisationstarifvertrag 83, 165 ff., 171 ff., 184 f., 188 f., 195, 198 ff., 207 partikulare Personalvertretung 15, 22, 40, 134, 157, 159 ff., 169 f., 179, 216, 218 Personalversammlung 23, 26 f., 31 f., 35, 37 Personalvertreter 25 f., 30, 32, 35, 37, 39, 122, 135, 204, 206, 209 f., 214, 216 praktische Konkordanz 131 f. Prioritätsprinzip 167, 174, 176 Prozessstandschaftsnorm 155 f. Quelle-Entscheidung 106 Rechtsfortbildung 103, 105 f., 123, 126 Rechtsverordnung 17, 80, 201, 208 ff., 219 Regelungsauftrag 156, 210, 219 Richtlinie 2002/14 EG 16, 99 f., 102, 105, 108 f., 217 sachgerechte Interessenwahrnehmung 139 Sachnähe 175 ff., 185 Schwerpunkt der Tätigkeit 50 Seeschifffahrt 42, 44, 46, 100, 119, 135, 138, 141, 204, 206, 209 Senioritätsprinzip 24, 27, 28 f. Sozialplan 34, 36

270

Sachwortverzeichnis

Sozialstaatsprinzip 109, 114, 132, 193 Spezialitätsprinzip 171 f., 175 f. Stimmparität 134, 137 Strafvorschriften 30 f., 34, 36, 39 f., 134, 153 ff., 210, 218 Systemkongruenz 124 f., 134, 204 Tarifautonomie 16, 60, 63, 68 ff., 75 ff., 89, 131 ff., 148, 168, 179, 191 f., 198 f., 217 Tarifeinheit 170 f. Tarifkollision 169 f. Tarifkonkurrenz 15, 164 ff., 176 ff. Tarifpluralität 169 f. Tarifvertragsstatut 53 Tarifzensur 198, 219 teleologische Reduktion 105 ff., 126, 166, 168, 169, 174, 187, 217

Überbrückungsfunktion 184 f. Umlaufpläne 30, 33, 40, 57, 207, 214 f. Ungleichbehandlung 110 ff., 118 ff., 126, 130 Unterlassungsanspruch 155 Verbandsautonomie 63 Verfassungskonformität 46, 123 Vertragsrechtsakzessorietät 145 Wahlanfechtung 195, 197 Wahlrechtsgleichheit 150 f., 153, 218 Wirtschaftsausschuss 30, 34 ff., 39, 111, 121 f., 203, 204, 206 f., 210, 213 Zwangsgeld 30 f., 34, 36, 39, 40, 134, 153 ff., 215, 218