Die Berücksichtigungsfähigkeit ausländischer Anlagengenehmigungen: Eine Analyse im Rahmen der grenzüberschreitenden Umwelthaftung nach der Rom II-Verordnung 9783161521669, 9783161519116

Ein wichtiges Instrument zum Ausgleich von Umweltschädigungen sind die Abwehr-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüc

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Die Berücksichtigungsfähigkeit ausländischer Anlagengenehmigungen: Eine Analyse im Rahmen der grenzüberschreitenden Umwelthaftung nach der Rom II-Verordnung
 9783161521669, 9783161519116

Table of contents :
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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Kapitel - Einleitung
I. Umweltschutzrecht und Rom II-Verordnung
1. Umweltschutzrecht
2. Zivilrechtliche Umwelthaftung
3. Rom II-Verordnung
II. Ziel der Arbeit und Gang der Darstellung
2. Kapitel - Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung
I. Einleitung
II. Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung
III. Definition der Umweltschädigung
1. Allgemeines
2. Völkerrecht
3. Europarecht
a) IVU-Richtlinie
b) Umwelthaftungsrichtlinie
c) Rom II-Verordnung
4. Zivilrechtliche Bedeutung einer „Umweltschädigung"
3. Kapitel - Anspruchsgrundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung
I. Einleitung
II. Unterlassungsanspruch
III. Anspruch auf Schutz Vorkehrungen
IV. Schadensersatz
1. Deliktischer, verschuldensabhängiger Schadensersatzanspruch
a) § 823 Abs. 1 BGB
b) § 823 Abs. 2 BGB
2. Aufopferungshaftung
3. Gefährdungshaftung
a) § 89 WHG
b) § 1 ff. UmweltHG
4. Kapitel - Autonomes Internationales Privatrecht
I. Einleitung
II. Kein einheitliches Kollisions- oder Sachrecht
III. Staatsverträge
IV. Autonomes Internationales Delikts- und Nachbarrecht
1. Deutschland
a) Keine Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen
b) Grundanknüpfung (Art. 40 Abs. 1 EGBGB)
c) Anknüpfung an die gemeinsame Rechtsumwelt (Art. 40 Abs. 2 EGBGB)
d) Korrekturanknüpfung (Art. 41 EGBGB)
e) Nachträgliche Rechtswahlmöglichkeit (Art. 42 EGBGB)
f) Nachbarrechtliche Immissionsabwehransprüche (Art. 44 EGBGB)
g) Art. 6 und 40 Abs. 3 EGBGB
2. Österreich
a) Internationales Deliktsrecht
b) Internationales Nachbarrecht
c) ordre public
3. Schweiz
a) Grundanknüpfungen und Sonderregeln
b) Sonderanknüpfung bei Umweltschädigungen
c) ordre public
V. Zusammenfassung
5. Kapitel - Die Rom II-Verordnung
I. Einleitung
II. Entstehung der Rom II-VO
III. Regelungen der Rom II-VO
1. Anwendungsbereich
2. Anknüpfungssystem der Rom II-Verordnung für Unerlaubte Handlungen
a) Grundanknüpfungen (Art. 4 Abs. 1 und 2 Rom II-VO)
b) Offensichtlich engere Verbindung (Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO)
c) Sonderanknüpfungen (Art. 5 bis 9 Rom II-VO)
3. Sonderanknüpfung für die Haftung für Umweltschädigungen
a) Allgemeines
b) Telos
c) Kritik an der Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen
aa) Notwendigkeit der Sonderanknüpfung
bb) Einführung des Ubiquitätsprinzips
4. Der Begriff der Umweltschädigung in der Rom II-Verordnung
5. Anknüpfung bei Umweltschädigungen
a) Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche
b) Grundanknüpfung an den Erfolgsort
c) Ubiquitätsprinzip und Wahlmöglichkeit zugunsten des Handlungsortsrechts
d) Streudelikte
6. Freie Rechtswahl
a) ex post
b) ex ante
c) Grenzen der Rechtswahl
d) Bedeutung für die Haftung für Umweltschäden
7. Gemeinsame und Sonstige Vorschriften der Rom II-Verordnung
a) Art. 16 Rom II-VO - Eingriffsnormen
aa) Allgemeines
bb) Bedeutung für die Frage nach den Auswirkungen von Anlagegenehmigungen
b) Art. 17 Rom II-VO - Sicherheits- und Verhaltensregeln
aa) Entwicklung und Telos der Vorschrift
bb) Sicherheits- und Verhaltensregeln des Handlungsortes
cc) „berücksichtigen"
dd) „faktisch" und „soweit angemessen"
ee) Zeitliche und räumliche Anwendung der Vorschrift
ff) Bedeutung für die zivilrechtliche Umwelthaftung
c) Art. 26 Rom II-VO
IV. Änderung des EGBGB
6. Kapitel - Die Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen - Problemstellung
I. Die privatrechtsgestaltenden Wirkungen des Umweltverwaltungsrechts
II. Entwicklung der Fragestellung
III. Bedeutung der Fragestellung
IV. Die Problemstellung
1. Praktische Relevanz
2. Fallgestaltungen
a) Einleitung
b) Fall 1: Forumstaat = Erfolg sort/lex causae = lex fori
c) Fall 2: Forumstaat = Erfolg sort/lex causae = Handlungsortsrecht
d) Fall 3: Forumstaat = Handlung sort/lex causae = lex fori
e) Fall 4: Forumstaat = Handlung sort/lex causae = Erfolgsortsrecht
f) Weitere Konstellationen
3. Genehmigungsarten
a) Bloße Unbedenklichkeitsbescheinigungen
b) Genehmigungen mit beschränktem Prüfungsgegenstand
c) Ausdrücklich privatrechtsgestaltende Genehmigungen
d) Umfänglicher Ausschluss zivilrechtlicher Ansprüche
e) Supranationale Genehmigungen
7. Kapitel - Bisherige Lösungsansätze - Internationales Verwaltungsrecht und Internationales Privatrecht
I. Einleitung
II. Wirkung ausländischer Verwaltungsakte im Inland
1. Allgemeines
2. Nichtbeachtung ausländischer Hoheitsakte nach dem Territorialitätsprinzip
3. Anerkennung ausländischer Hoheitsakte
a) Begrifflichkeiten
b) Anerkennung als Wirkungsgrund von ausländischen Hoheitsakten
4. Anerkennungspflichten
5. Formelle Anerkennung
6. Anerkennung im Rahmen des Zivilprozesses
a) Vorbemerkung
b) Vorfrage nach der ausländischen Genehmigung
c) Teilfrage nach den privatrechtsgestaltenden Wirkungen
d) Anerkennung der Genehmigung durch das erkennende Gericht
e) Kritik
7. EuGH zur Rechtsordnung des Euratom-Vertrages
8. Zusammenfassung
III. International-privatrechtliche Lösungsansätze
1. Einleitung
2. Individuelle Staats vertrage
3. Sonderanknüpfung der Rechtswidrigkeit
4. Völkerrechtliche Ansätze
a) Allgemeines
b) Prinzip der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität
c) Nichtbeachtung völkerrechtswidriger Hoheitsakte
d) Lehre von der Sonderanknüpfung ausländischer Eingriffsnormen
5. Tatbestandswirkung ausländischer Genehmigungen - Datumtheorie
6. Kollisionsrechtliche „Anerkennung" der Genehmigung
a) Vorbemerkung
b) Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung
c) Vergleichbare GenehmigungsVoraussetzungen
d) Umweltschutzrechtliches Niveau der beteiligten Staaten
e) ordre public
f) Kritik
7. Substitution
8. Lehre von der Sonderanknüpfung zwingenden Rechts
9. Privatrechtliche Qualifikation der Präklusions Vorschriften
10.Neuere Lösungsansätze auf Basis von Art. 17 Rom II-VO
8. Kapitel - Eigener Lösungsansatz - Rom II-Verordnung
I. Einleitung
II. Anwendbarkeit der Rom II-Verordnung
1. Allgemeines
2. Behandlung der Frage durch Art. 17 der Rom II-Verordnung
a) Anwendbarkeit der Vorschriften der Rom II-Verordnung
aa) Fragestellung
bb) Geltungsbereich des Deliktsstatuts und Regelungssystematik der Verordnung
cc) Weitere Argumente für die Behandlung durch das Gemeinschaftsrecht
dd) Art. 17 Rom II-VO
b) Anlagengenehmigungen als „Sicherheits- und Verhaltensregeln"?
aa) Art. 17 Rom II-VO
bb) Autonomes Recht
cc) Telos von Art. 17 Rom II-VO
dd) Umweltrechtliche Sicherheit- und Verhaltensregeln
ee) Genehmigungspflichtigkeit
ff) Zusammenfassung
3. „Berücksichtigung" nach Art. 17 Rom II-VO
a) Allgemeines
b) Berücksichtigung
c) Berücksichtigung als Recht oder als „Faktum"?
4. Zusammenfassung
9. Kapitel - Allgemeine Voraussetzungen einer Berücksichtigung
I. Einleitung
II. Vorhersehbarkeit
III. „soweit angemessen … zu berücksichtigen“
1. Vorbemerkung
2. Deklaratorischer Hinweis auf den ordre public-Vorbehalt?
3. Ausschluss gewisser Rechtsbereiche von der Vorschrift?
4. Richterlichen Ermessens
5. Einräumung eines „gelenkten" Ermessens
IV. Die Anerkennungsgrundsätze für ausländische Hoheitsakte
1. Vorbemerkung
2. Maßgeblicher Zeitpunkt
3. Verwaltungsrechtliche Fehlerlehre - fehlerhafte Verwaltungsakte
4. ordre public
5. Zusammenfassung
V. Die Anerkennungsgrundsätze des Internationalen Zivilverfahrensrechts
1. Übertragbarkeit der Anerkennungsgrundsätze
a) Einleitung
b) Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung
c) Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks
d) ordre public
2. Zusammenfassung
10. Kapitel - Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung
I. Einleitung
II. Allgemeines zur grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung
III. Umweltschutzrechtliche Übereinkommen der UNECE
1. Einleitung
2. Espoo-Konvention von 1991
a) Vorbemerkung
b) Regelungsgehalt der Espoo-Konvention - die grenzüberschreitende UVP
c) Europarechtliche Umsetzung der Espoo-Konvention in der UVP-Richtlinie
d) Nationale Umsetzung der Espoo-Konvention am Beispiel Deutschland
2. Aarhus-Konvention von 1998
a) Vorbemerkung
b) Regelungssystem der Aarhus-Konvention
c) Europarechtliche Umsetzung der Aarhus-Konvention
d) Nationale Umsetzung der Aarhus-Konvention am Beispiel Deutschland
3. Zusammenfassung
IV. Folgen des grenzüberschreitenden Öffentlichkeitsbeteiligungsstandards
11. Kapitel - Vergleichbarkeit und ordre public
I. Vergleichbarkeit der materiellen Genehmigungsvoraussetzungen
1. Allgemeines zum Vergleichbarkeitskriterium
2. Probleme eines Vergleichbarkeitskriteriums
3. Vorteile der Berücksichtigung ohne spezifisches Vergleichbarkeitskriterium
4. Existenz eines materiellen Grundstandards
5. Korrekturmöglichkeit durch den inländischen ordre public-Vorbehalt
6. Zusammenfassung
II. ordre public
III. Zusammenfassung der Voraussetzungen für eine Berücksichtigung
12. Kapitel - Genehmigungswirkungen und andere Konstellationen
I. Auswirkungen und Rechtsfolgen der Berücksichtigung
1. Problemstellung
2. Wirkungserstreckung
3. WirkungsVerleihung
4. Art. 15 bis 17 Rom II-VO
5. Zusammenfassung
II. Weitere Konstellationen
1. Fall 2: Gerichtsstand am Erfolgsort, Recht des Handlungsorts anwendbar
2. Gerichtsstand am Handlungsort
a) Fall 3: Recht des Handlungsorts anwendbar
b) Fall 4: Recht des Erfolgsorts anwendbar
3. Weitere Konstellationen
III. Drittstaatensachverhalte
13. Kapitel - Schlussteil - Zusammenfassung, Thesen und Ausblick
I. Zusammenfassung
1. Zivilrechtliche Umwelthaftung und Internationales Deliktsrecht
2. Rom II-Verordnung
a) Allgemeines
b) Umweltschädigungen
3. Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen
a) Bisherige Lösungsansätze
b) Eigener Lösungsansatz
II. Thesen
III. Ausblick
Literaturverzeichnis
Sachregister

Citation preview

Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 280 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Philipp Rüppell

Die Berücksichtigungsfähigkeit ausländischer Anlagengenehmigungen Eine Analyse im Rahmen der grenzüberschreitenden Umwelthaftung nach der Rom II-Verordnung

Mohr Siebeck

Philipp Rüppell, geboren 1978, Studium der Rechtswissenschaften in Passau, London und Würzburg; Referendariat beim Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg mit Stationen in New York und Brüssel; Rechtsanwalt für Prozessführung im Hamburger Büro einer US-amerikanischen Law Firm.

e-ISBN 978-3-16-152166-9 ISBN 978-3-16-151911-6 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2012 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Für Marén

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommer 2011 von der Bucerius Law School, Hamburg, als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung konnten bis Ende November 2011 berücksichtigt werden. Ich danke meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Karsten Thorn für die Unterstützung bei der Themensuche und die hervorragende Betreuung. Seine wertvollen Hinweise haben wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Frau Prof. Dr. Anne Röthel danke ich für die zügige Erstellung des Zweitvotums. Weiterhin danke ich dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, das mir Zugang zu umfassenden Recherchemöglichkeiten und einen exzellenten Arbeitsplatz in einer äußerst anregenden Umgebung geboten hat. Ganz herzlich danke ich schließlich meinen Eltern und meiner Frau Marén für ihre uneingeschränkte Unterstützung und ihren kontinuierlichen Zuspruch sowie das Korrekturlesen des Manuskripts. Hamburg, im Frühjahr 2012

Philipp Rüppell

Inhaltsübersicht Vorwort ................................................................................................ VII Inhaltsverzeichnis .................................................................................. XI Abkürzungsverzeichnis ........................................................................XXI 1. Kapitel – Einleitung ............................................................................. 1 2. Kapitel – Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung ................... 8 3. Kapitel – Anspruchsgrundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung.. 24 4. Kapitel – Autonomes Internationales Privatrecht................................ 42 5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung ...................................................... 57 6. Kapitel – Die Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen – Problemstellung .............................................................. 96 7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze – Internationales Verwaltungsrecht und Internationales Privatrecht............. 121 8. Kapitel – Eigener Lösungsansatz – Rom II-Verordnung ................... 160 9. Kapitel – Allgemeine Voraussetzungen einer Berücksichtigung ....... 181 10. Kapitel – Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung .................. 199 11. Kapitel – Vergleichbarkeit und ordre public .................................. 225 12. Kapitel – Genehmigungswirkungen und andere Konstellationen .... 243 13. Kapitel – Schlussteil – Zusammenfassung, Thesen und Ausblick ... 252 Literaturverzeichnis ............................................................................. 261 Sachregister ......................................................................................... 269

Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................ VII Inhaltsübersicht...................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis ........................................................................XXI

1. Kapitel – Einleitung I. Umweltschutzrecht und Rom II-Verordnung ..................................... 1 1. Umweltschutzrecht.................................................................... 1 2. Zivilrechtliche Umwelthaftung.................................................. 4 3. Rom II-Verordnung................................................................... 6 II. Ziel der Arbeit und Gang der Darstellung ........................................ 7

2. Kapitel – Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung I. Einleitung ......................................................................................... 8 II. Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung ............................ 10 III. Definition der Umweltschädigung ................................................ 14 1. Allgemeines ............................................................................ 14 2. Völkerrecht ............................................................................. 16 3. Europarecht............................................................................. 18 a) IVU-Richtlinie.................................................................... 19 b) Umwelthaftungsrichtlinie ................................................... 19 c) Rom II-Verordnung ............................................................ 21 4. Zivilrechtliche Bedeutung einer „Umweltschädigung“ ............ 22

XII

Inhaltsverzeichnis

3. Kapitel – Anspruchsgrundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung I. Einleitung ....................................................................................... 24 II. Unterlassungsanspruch................................................................... 25 III. Anspruch auf Schutzvorkehrungen ............................................... 30 IV. Schadensersatz ............................................................................. 31 1. Deliktischer, verschuldensabhängiger Schadensersatzanspruch ......................................................... 31 a) § 823 Abs. 1 BGB............................................................... 32 b) § 823 Abs. 2 BGB............................................................... 34 2. Aufopferungshaftung............................................................... 35 3. Gefährdungshaftung ................................................................ 37 a) § 89 WHG .......................................................................... 39 b) § 1 ff. UmweltHG ............................................................... 40

4. Kapitel – Autonomes Internationales Privatrecht I. Einleitung ....................................................................................... 42 II. Kein einheitliches Kollisions- oder Sachrecht ................................ 43 III. Staatsverträge ............................................................................... 43 IV. Autonomes Internationales Delikts- und Nachbarrecht ................. 44 1. Deutschland ............................................................................ 44 a) Keine Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen ............ 44 b) Grundanknüpfung (Art. 40 Abs. 1 EGBGB)........................ 45 c) Anknüpfung an die gemeinsame Rechtsumwelt (Art. 40 Abs. 2 EGBGB)..................................................... 46 d) Korrekturanknüpfung (Art. 41 EGBGB) ............................. 47 e) Nachträgliche Rechtswahlmöglichkeit (Art. 42 EGBGB) .... 47 f) Nachbarrechtliche Immissionsabwehransprüche (Art. 44 EGBGB)................................................................ 48 g) Art. 6 und 40 Abs. 3 EGBGB.............................................. 49 2. Österreich................................................................................ 50 a) Internationales Deliktsrecht ................................................ 50 b) Internationales Nachbarrecht............................................... 52 c) ordre public ........................................................................ 53 3. Schweiz................................................................................... 53 a) Grundanknüpfungen und Sonderregeln ............................... 53 b) Sonderanknüpfung bei Umweltschädigungen ...................... 54

Inhaltsverzeichnis

XIII

c) ordre public ........................................................................ 55 V. Zusammenfassung ......................................................................... 55

5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung I. Einleitung ....................................................................................... 57 II. Entstehung der Rom II-VO ............................................................ 59 III. Regelungen der Rom II-VO.......................................................... 63 1. Anwendungsbereich ................................................................ 63 2. Anknüpfungssystem der Rom II-Verordnung für Unerlaubte Handlungen............................................................................ 69 a) Grundanknüpfungen (Art. 4 Abs. 1 und 2 Rom II-VO) ....... 70 b) Offensichtlich engere Verbindung (Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO).................................................. 71 c) Sonderanknüpfungen (Art. 5 bis 9 Rom II-VO) .................. 72 3. Sonderanknüpfung für die Haftung für Umweltschädigungen.. 74 a) Allgemeines........................................................................ 74 b) Telos .................................................................................. 75 c) Kritik an der Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen . 76 aa) Notwendigkeit der Sonderanknüpfung ......................... 76 bb) Einführung des Ubiquitätsprinzips ............................... 77 4. Der Begriff der Umweltschädigung in der Rom II-Verordnung 78 5. Anknüpfung bei Umweltschädigungen .................................... 78 a) Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche......................... 79 b) Grundanknüpfung an den Erfolgsort ................................... 79 c) Ubiquitätsprinzip und Wahlmöglichkeit zugunsten des Handlungsortsrechts ........................................................... 79 d) Streudelikte ........................................................................ 80 6. Freie Rechtswahl..................................................................... 81 a) ex post ................................................................................ 81 b) ex ante ................................................................................ 82 c) Grenzen der Rechtswahl ..................................................... 83 d) Bedeutung für die Haftung für Umweltschäden................... 83 7. Gemeinsame und Sonstige Vorschriften der Rom II-Verordnung................................................................ 84 a) Art. 16 Rom II-VO – Eingriffsnormen ................................ 85 aa) Allgemeines................................................................. 85 bb) Bedeutung für die Frage nach den Auswirkungen von Anlagegenehmigungen.......................................... 86

XIV

Inhaltsverzeichnis

b) Art. 17 Rom II-VO – Sicherheits- und Verhaltensregeln ..... 86 aa) Entwicklung und Telos der Vorschrift.......................... 87 bb) Sicherheits- und Verhaltensregeln des Handlungsortes 88 cc) „berücksichtigen“ ........................................................ 89 dd) „faktisch“ und „soweit angemessen“............................ 90 ee) Zeitliche und räumliche Anwendung der Vorschrift ..... 91 ff) Bedeutung für die zivilrechtliche Umwelthaftung ........ 92 c) Art. 26 Rom II-VO ............................................................. 93 IV. Änderung des EGBGB ................................................................. 93

6. Kapitel – Die Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen – Problemstellung I. Die privatrechtsgestaltenden Wirkungen des Umweltverwaltungsrechts ............................................................ 96 II. Entwicklung der Fragestellung....................................................... 98 III. Bedeutung der Fragestellung ...................................................... 100 IV. Die Problemstellung ................................................................... 103 1. Praktische Relevanz .............................................................. 103 2. Fallgestaltungen .................................................................... 104 a) Einleitung ......................................................................... 104 b) Fall 1: Forumstaat = Erfolgsort/lex causae = lex fori......... 106 c) Fall 2: Forumstaat = Erfolgsort/lex causae = Handlungsortsrecht ........................................................... 107 d) Fall 3: Forumstaat = Handlungsort/lex causae = lex fori ... 108 e) Fall 4: Forumstaat = Handlungsort/lex causae = Erfolgsortsrecht ................................................................ 109 f) Weitere Konstellationen.................................................... 110 3. Genehmigungsarten............................................................... 111 a) Bloße Unbedenklichkeitsbescheinigungen ........................ 112 b) Genehmigungen mit beschränktem Prüfungsgegenstand ... 114 c) Ausdrücklich privatrechtsgestaltende Genehmigungen...... 114 d) Umfänglicher Ausschluss zivilrechtlicher Ansprüche........ 118 e) Supranationale Genehmigungen........................................ 119

Inhaltsverzeichnis

XV

7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze – Internationales Verwaltungsrecht und Internationales Privatrecht I. Einleitung ..................................................................................... 121 II. Wirkung ausländischer Verwaltungsakte im Inland...................... 122 1. Allgemeines .......................................................................... 122 2. Nichtbeachtung ausländischer Hoheitsakte nach dem Territorialitätsprinzip ........................................................... 124 3. Anerkennung ausländischer Hoheitsakte ............................... 127 a) Begrifflichkeiten............................................................... 127 b) Anerkennung als Wirkungsgrund von ausländischen Hoheitsakten..................................................................... 127 4. Anerkennungspflichten ......................................................... 129 5. Formelle Anerkennung.......................................................... 130 6. Anerkennung im Rahmen des Zivilprozesses......................... 131 a) Vorbemerkung.................................................................. 131 b) Vorfrage nach der ausländischen Genehmigung................ 132 c) Teilfrage nach den privatrechtsgestaltenden Wirkungen ... 132 d) Anerkennung der Genehmigung durch das erkennende Gericht ............................................................................. 133 e) Kritik................................................................................ 134 7. EuGH zur Rechtsordnung des Euratom-Vertrages ................. 135 8. Zusammenfassung................................................................. 137 III. International-privatrechtliche Lösungsansätze ............................ 138 1. Einleitung ............................................................................. 138 2. Individuelle Staatsverträge .................................................... 138 3. Sonderanknüpfung der Rechtswidrigkeit ............................... 140 4. Völkerrechtliche Ansätze ...................................................... 141 a) Allgemeines...................................................................... 141 b) Prinzip der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität .................................................................... 142 c) Nichtbeachtung völkerrechtswidriger Hoheitsakte ............ 144 d) Lehre von der Sonderanknüpfung ausländischer Eingriffsnormen................................................................ 145 5. Tatbestandswirkung ausländischer Genehmigungen – Datumtheorie ....................................................................... 146 6. Kollisionsrechtliche „Anerkennung“ der Genehmigung......... 151 a) Vorbemerkung.................................................................. 151 b) Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung .................... 151 c) Vergleichbare Genehmigungsvoraussetzungen ................. 152

XVI

Inhaltsverzeichnis

d) Umweltschutzrechtliches Niveau der beteiligten Staaten... 153 e) ordre public ...................................................................... 153 f) Kritik ................................................................................ 153 7. Substitution ........................................................................... 154 8. Lehre von der Sonderanknüpfung zwingenden Rechts ........... 156 9. Privatrechtliche Qualifikation der Präklusionsvorschriften .... 157 10.Neuere Lösungsansätze auf Basis von Art. 17 Rom II-VO.... 158

8. Kapitel – Eigener Lösungsansatz – Rom II-Verordnung I. Einleitung ..................................................................................... 160 II. Anwendbarkeit der Rom II-Verordnung ....................................... 162 1. Allgemeines .......................................................................... 162 2. Behandlung der Frage durch Art. 17 der Rom II-Verordnung 163 a) Anwendbarkeit der Vorschriften der Rom II-Verordnung . 163 aa) Fragestellung ............................................................. 163 bb) Geltungsbereich des Deliktsstatuts und Regelungssystematik der Verordnung ........................ 164 cc) Weitere Argumente für die Behandlung durch das Gemeinschaftsrecht.................................................... 165 dd) Art. 17 Rom II-VO .................................................... 168 b) Anlagengenehmigungen als „Sicherheits- und Verhaltensregeln“? ........................................................... 169 aa) Art. 17 Rom II-VO .................................................... 169 bb) Autonomes Recht....................................................... 170 cc) Telos von Art. 17 Rom II-VO .................................... 171 dd) Umweltrechtliche Sicherheit- und Verhaltensregeln... 173 ee) Genehmigungspflichtigkeit ........................................ 175 ff) Zusammenfassung ..................................................... 175 3. „Berücksichtigung“ nach Art. 17 Rom II-VO ........................ 176 a) Allgemeines...................................................................... 176 b) Berücksichtigung .............................................................. 177 c) Berücksichtigung als Recht oder als „Faktum“? ................ 177 4. Zusammenfassung ................................................................. 180

Inhaltsverzeichnis

XVII

9. Kapitel – Allgemeine Voraussetzungen einer Berücksichtigung I. Einleitung ..................................................................................... 181 II. Vorhersehbarkeit ......................................................................... 182 III. „soweit angemessen … zu berücksichtigen“ ............................... 185 1. Vorbemerkung ...................................................................... 185 2. Deklaratorischer Hinweis auf den ordre public-Vorbehalt? ... 187 3. Ausschluss gewisser Rechtsbereiche von der Vorschrift? ...... 188 4. Richterlichen Ermessens ....................................................... 188 5. Einräumung eines „gelenkten“ Ermessens ............................. 189 IV. Die Anerkennungsgrundsätze für ausländische Hoheitsakte........ 190 1. Vorbemerkung ...................................................................... 190 2. Maßgeblicher Zeitpunkt ........................................................ 191 3. Verwaltungsrechtliche Fehlerlehre – fehlerhafte Verwaltungsakte .................................................................. 192 4. ordre public........................................................................... 193 5. Zusammenfassung................................................................. 193 V. Die Anerkennungsgrundsätze des Internationalen Zivilverfahrensrechts ................................................................. 194 1. Übertragbarkeit der Anerkennungsgrundsätze ....................... 194 a) Einleitung ......................................................................... 194 b) Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung................... 196 c) Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ......... 196 d) ordre public ...................................................................... 197 2. Zusammenfassung................................................................. 198

10. Kapitel – Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung I. Einleitung ..................................................................................... 199 II. Allgemeines zur grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung.... 201 III. Umweltschutzrechtliche Übereinkommen der UNECE ............... 204 1. Einleitung ............................................................................. 204 2. Espoo-Konvention von 1991 ................................................. 206 a) Vorbemerkung.................................................................. 206 b) Regelungsgehalt der Espoo-Konvention – die grenzüberschreitende UVP.......................................... 207 c) Europarechtliche Umsetzung der Espoo-Konvention in der UVP-Richtlinie ....................................................... 210

XVIII

Inhaltsverzeichnis

d) Nationale Umsetzung der Espoo-Konvention am Beispiel Deutschland ........................................................ 212 2. Aarhus-Konvention von 1998................................................ 213 a) Vorbemerkung .................................................................. 213 b) Regelungssystem der Aarhus-Konvention ......................... 214 c) Europarechtliche Umsetzung der Aarhus-Konvention ....... 217 d) Nationale Umsetzung der Aarhus-Konvention am Beispiel Deutschland ........................................................ 218 3. Zusammenfassung ................................................................. 219 IV. Folgen des grenzüberschreitenden Öffentlichkeitsbeteiligungsstandards .......................................... 220 

11. Kapitel – Vergleichbarkeit und ordre public I. Vergleichbarkeit der materiellen Genehmigungsvoraussetzungen.. 225 1. Allgemeines zum Vergleichbarkeitskriterium ........................ 225 2. Probleme eines Vergleichbarkeitskriteriums.......................... 228 3. Vorteile der Berücksichtigung ohne spezifisches Vergleichbarkeitskriterium ................................................... 230 4. Existenz eines materiellen Grundstandards............................ 232 5. Korrekturmöglichkeit durch den inländischen ordre public-Vorbehalt ......................................................... 236 6. Zusammenfassung ................................................................. 237 II. ordre public ................................................................................. 238 III. Zusammenfassung der Voraussetzungen für eine Berücksichtigung ....................................................................... 240

12. Kapitel – Genehmigungswirkungen und andere Konstellationen I. Auswirkungen und Rechtsfolgen der Berücksichtigung ................. 243 1. Problemstellung .................................................................... 243 2. Wirkungserstreckung............................................................. 244 3. Wirkungsverleihung .............................................................. 245 4. Art. 15 bis 17 Rom II-VO...................................................... 245 5. Zusammenfassung ................................................................. 247 II. Weitere Konstellationen............................................................... 247 

Inhaltsverzeichnis

XIX

1. Fall 2: Gerichtsstand am Erfolgsort, Recht des Handlungsorts anwendbar .................................................... 247 2. Gerichtsstand am Handlungsort............................................. 248 a) Fall 3: Recht des Handlungsorts anwendbar...................... 248 b) Fall 4: Recht des Erfolgsorts anwendbar ........................... 249 3. Weitere Konstellationen ........................................................ 250 III. Drittstaatensachverhalte ............................................................. 250

13. Kapitel – Schlussteil – Zusammenfassung, Thesen und Ausblick I. Zusammenfassung......................................................................... 252 1. Zivilrechtliche Umwelthaftung und Internationales Deliktsrecht.......................................................................... 252 2. Rom II-Verordnung............................................................... 254 a) Allgemeines...................................................................... 254 b) Umweltschädigungen........................................................ 254 3. Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen ........... 255 a) Bisherige Lösungsansätze ................................................. 256 b) Eigener Lösungsansatz ..................................................... 256 II. Thesen ......................................................................................... 258 III. Ausblick..................................................................................... 259 Literaturverzeichnis ............................................................................. 261 Sachregister ......................................................................................... 269

Abkürzungsverzeichnis A. a.A. ABGB

ABl. EG ABl. EU aE AEUV

aF AfP AGB AKW Anm. AöR Art. AtG

BB BBergG BBodSchG BerGesDtVR BGB

BGBl. BGH BGHZ BImSchG

BImSchV

Auflage anderer Ansicht Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) vom 1. Januar 1812, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 1. August 2010 (BGBl. I Nr. 58/2010) Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union vom 25. März 1957, zuletzt geändert und neu gefasst durch den Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (BGBl. II 2008, S. 1038), in Kraft seit 1. Dezember 2009 (BGBl. II S. 1223) alte Fassung Archiv für Presserecht Allgemeine Geschäftsbedingungen Atomkraftwerk Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) vom 23. Dezember 1959, neu bekannt gemacht am 15. Juli 1985, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 31. Juli 2011 (BGBl. I S. 1704) Betriebs Berater Bundesberggesetz vom 13. August 1980, zuletzt geändert durch Art. 15a des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585) Bundesbodenschutzgesetz vom 17. März 1998, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214) Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896, neu bekannt gemacht am 2. Januar 2002, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 27. Juli 2011 (BGBl. I S. 1600) Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesimmissionsschutzgesetz vom 15. März 1974, neu bekannt gemacht am 26. September 2002, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 21. Juli 2011 (BGBl. I S. 1475) Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes

XXII BMU BR-Drucks. BT-Drucks. Bull.civ. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE C.C. ders. Diss. DVBl. ECOSOC EG EGBGB

Einl. EL endg. EP EU EuGH EuGVVO

EuLF EUV

EuZW EVÜ EWG f., ff. FamRZ Fn. FS FStrG

GBl. GenTG

Abkürzungsverzeichnis Bundesumweltministerium Drucksache des Deutschen Bundesrates Drucksache des Deutschen Bundestages Bulletin des arrêts de la Cour de cassation, Chambres civiles Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Code civil derselbe Dissertation Deutsches Verwaltungsblatt United Nations Economic and Social Council Europäische Gemeinschaft, Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18. August 1896, neu bekanntgemacht am 21. September 1994, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 27. Juli 2011 (BGBl. I S. 1600) Einleitung Ergänzungslieferung endgültig Europäisches Parlament Europäische Union, Vertrag über die Europäische Union Europäischer Gerichtshof Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I) vom 22. Dezember 2000, zuletzt geändert durch Verordnung Nr. 1103/2008 vom 22. Oktober 2008 European Legal Forum Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992, zuletzt geändert und neu gefasst durch den Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (BGBl. II 2008, S. 1038), in Kraft seit 1. Dezember 2009 (BGBl. II S. 1223) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäisches Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgend(e) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fußnote Festschrift Bundesfernstraßengesetz vom 6. August 1953, neu bekannt gemacht am 28. Juni 2007, zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585) Gesetzblatt Gesetz zur Reglung der Gentechnik (Gentechnikgesetz) vom 20. Juni 1990, neu bekannt gemacht am 16. Dezember 1993, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 9. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2066)

Abkürzungsverzeichnis GG

GMBl. GPR GRURInt HaftPflG

h.M. Hrsg. HS IAEO ILA ILA Rep. ILM IPR IPRax IPRG IPRspr. iVm IVU-RL

IZVR JBl. JuS JZ KOM KrW/AbfG

KSZE LG lit., litt. LQR LuftVG

LugÜ

m.E. mwN Neub. nF NJW NJW-RR

XXIII

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21. Juli 2010 (BGBl. I S. 944) Gemeinsames Ministerialblatt Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht – Internationaler Teil Haftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871, neu bekannt gemacht am 4. Januar 1978, zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 145) herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz Internationale Atomenergieorganisation International Law Association International Law Association Reports International Legal Materials Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Gesetz über das Internationale Privatrecht (Österreich und Schweiz) Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts in Verbindung mit Richtlinie 2008/1/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung (IVU-Richtlinie) vom 15. Januar 2008 Internationales Zivilverfahrensrecht Juristische Blätter (Österreich) Juristische Schulung Juristenzeitung Dokumente der Europäischen Kommission Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (KreislaufwirtschaftsAbfallsgesetz) vom 27. September 1994, zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 6. Oktober 2011 (BGBl. I S. 1986) Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Landgericht litera, literae The Law Quarterly Review Luftverkehrsgesetz vom 1. August 1922, neu bekannt gemacht am 10. Mai 2007, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 5. August 2010 (BGBl. I S. 1126) Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen) vom 16. September 1988 meines Erachtens mit weiteren Nachweisen Neubearbeitung neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report

XXIV NuR NVwZ OECD ÖJZ OGH OLG ÖstVGH PÜ RabelsZ RGBl. RGZ RIW RL Rn. Rom I-VO Rom II-VO Rs. S. Slg. StGB

SVR SZIER TA u.a. UIG UmweltHG UN UNECE UPR UTR UVP UVPG

VersR vgl. VO Vor VwSlg. VwVfG

Abkürzungsverzeichnis Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Organisation for Economic Co-operation and Development Österreichische Juristen-Zeitung Oberster Gerichtshof (Österreich) Oberlandesgericht Österreichischer Verwaltungsgerichtshof Übereinkommen über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie (Pariser Übereinkommen) vom 29. Juli 1960 Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft/Außenwirtschaftsdienst des Betriebs Beraters Richtlinie Randnummer Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) vom 17. Juni 2008 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) vom 11. Juli 2007 Rechtssache Seite Sammlung der der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes Strafgesetzbuch vom 15. Mai 1871, neu bekannt gemacht am 13. November 1998, zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 23. Juni 2011 (BGBl. I S. 1266) Straßenverkehrsrecht Schweizerische Zeitschrift für Internationales und Europäisches Recht Technische Anleitung unter anderem Umweltinformationsgesetz vom 22. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3704) Umwelthaftungsgesetz vom 10. Dezember 1990, zuletzt geändert durch Art. 9 Abs. 5 des Gesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631) United Nations United Nations Economic Commission for Europe Umwelt- und Planungsrecht Umwelt- und Technikrecht Umweltverträglichkeitsprüfung Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 12. Februar 1990, neu bekannt gemacht am 24. Februar 2010, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 6. Oktober 2011 (BGBl. I S. 1986) Versicherungsrecht vergleiche Verordnung Vorbemerkung Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs (Österreich) Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25. Mai 1976, neu bekannt gemacht am 23. Januar 2003, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2827)

Abkürzungsverzeichnis WHG

WRP Yearbook PIL ZEuP ZfRV ZPO

ZRP ZUR ZVglRWiss

XXV

Wasserhaushaltsgesetz, ursprüngliche Fassung vom 27. Juli 1957, Neufassung vom 31. Juli 2009, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 6. Oktober 2011 (BGBl. I S. 1986) Wettbewerb in Recht und Praxis Yearbook of Private International Law Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung (Österreich) Zivilprozessordnung vom 12. September 1950, neu bekannt gemacht am 5. Dezember 2005, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21. Oktober 2011 (BGBl. I S. 2082) Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Umweltrecht Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

1. Kapitel

Einleitung I. Umweltschutzrecht und Rom II-Verordnung Die zunehmende Bedrohung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen macht den Umweltschutz zum zentralen gesellschaftlichen Thema. Hierzu trägt freilich auch die Diskussion um den Klimawandel durch die Emission von Treibhausgasen und die wachsende Bedeutung der Umwelttechnologie gerade als Zukunftsindustrie bei. Die erhöhte Aufmerksamkeit, die der Umwelt entgegengebracht wird, hat einen deutlichen Niederschlag in nationalen Rechtsordnungen sowie im Europa- und Völkerrecht gefunden. 1. Umweltschutzrecht Der Umweltschutz umfasst alle notwendigen Maßnahmen zur Sicherung und Erhaltung eines gesunden Lebensraumes für den Menschen. Das bedeutet, den Boden, das Wasser, die Luft und die Tier- und Pflanzenwelt vor den nachteiligen Auswirkungen menschlichen Verhaltens zu schützen und die entstandenen Schäden und Nachteile zu beseitigen.1 Das Umweltschutzrecht versucht, diese Zwecke auf verschiedene Weise zu erreichen. Auf der einen Seite dient das Umweltverwaltungsrecht – hauptsächlich als Umweltordnungsrecht – der Durchführung von Umweltschutzaktivitäten, der Lenkung von umweltrelevantem Verhalten Privater und so auch der allgemeinen oder gezielten Prävention von Umweltbeeinträchtigungen. Auf der anderen Seite tritt das Umwelthaftungsrecht ergänzend hinzu.2 Mittelbar dient es der Verhaltenssteuerung und Prävention von Umweltschäden, seine unmittelbare Hauptfunktion ist indes die Wiederherstellung von umweltrelevanten Beschädigungen, deren Ausgleich und die Entschädigung der Betroffenen. Zur Verwirklichung dieser Funktionen sind verschiedene Lösungswege entwickelt worden, die zum Großteil schon in der Praxis durchgeführt wurden. 1

In diesem Sinne das Umweltprogramm der Bundesregierung 1971, BT-Drucks. VI/2710. 2 Überblick über die Instrumente des Umweltschutzrechts bei Lübbe-Wolff, NVwZ 2001, 481.

2

1. Kapitel – Einleitung

Zu diesen Instrumenten des Umweltschutzes gehört unter anderem die klassische, vor den Zivilgerichten geltend zu machende Umwelthaftung für Umweltbeeinträchtigungen, die sich in Schäden an Individualrechtsgütern niederschlagen. Diese wird neuerdings durch eine – zivilrechtlich anmutende – Haftung von Privaten gegenüber dem Staat ergänzt, die auch der Prävention und Sanierung von Schäden an Allgemeingütern, beispielsweise der Landschaft, dient. Hier ist insbesondere die Umwelthaftungsrichtlinie3 zu nennen, die eine Verantwortlichkeit der Verursacher von Umweltschäden gegenüber der Allgemeinheit konstituiert, welche durch die staatlichen Behörden geltend gemacht werden soll. Die Verpflichtung zum Schadensersatz selbst richtet sich nach zivilrechtlichen Regeln. Allerdings sind nur die Mitgliedstaaten selbst anspruchsberechtigt, was wiederum die Frage nach der Durchsetzung der Ansprüche – vor den ordentlichen Gerichten oder im Wege von Verwaltungsakten im Subordinationsverhältnis – nach sich zieht. Bislang mussten Schädiger von Umweltgütern, die eigentumsrechtlich nicht zugeordnet sind, nicht fürchten, die von ihnen verursachten Schäden kompensieren zu müssen. Denn sowohl das allgemeine Zivilrecht als auch spezialgesetzliche Regelungen knüpfen stets an einer Zuordnung des geschädigten Gutes zu einem Rechtsubjekt an. Zahlreiche Umweltgüter, namentlich das Gut der Artenvielfalt, sind aber regelmäßig keinen Rechtssubjekten zugeordnet, es handelt sich vielmehr um Gemeinschaftsgüter. Auch die Bezifferung von eventuellen Schäden wird sich in diesem Zusammenhang als problematisch erweisen.4 Ein weiterer Weg ist es, Entschädigungsfonds einzurichten, in die alle Emittenten und somit potentiellen Schädiger einzahlen und aus dem Geschädigte einfach und schnell kompensiert werden können. Derartige Umweltschadensfonds findet man unter anderem für bestimmte besonders umweltschädigungsanfällige Branchen.5 Interessant ist auch ein Ansatz, der von dem Ökonomen Ronald Coase zur Internalisierung externer negativer Umwelteffekte entwickelt wurde. 3

Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABl. EU L 143, 56 v. 30.4.2004. 4 Vgl. Führ/Lewin/Roller, NuR 2006, 67 mwN. – In Deutschland wurde die Umwelthaftungsrichtlinie durch das Umweltschadensgesetz v. 10.5.2007 (BGBl. I, S. 666) umgesetzt. 5 Umweltschadensfonds gibt es unter anderem in Form des Ölverschmutzungsfonds, der im Rahmen des MARPOL-Übereinkommens (Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe von 1973 mit Zusatzprotokoll von 1978) besteht. Im Einzelnen zu Umweltentschädigungsfonds: Hohloch, S. 22 ff. Kritisiert wird an den Fondslösungen, dass sie das Zurechnungsproblem im Umwelthaftungsrecht gerade nicht lösen könne, sondern dieses nur weiter nach vorne zur Auswahl der potentiellen Schädiger verschieben; Müller-Chen, SZIER 1997, 213 (238 f.).

I. Umweltschutzrecht und Rom II-Verordnung

3

Nach dem sogenannten Coase-Theorem sollen sich Schädiger und Geschädigter freiwillig auf eine Kompensation einigen. So beteiligt sich auch der Geschädigte, ebenfalls ein Nutzer des Gutes Umwelt, an den Kosten der Beseitigung der Verschmutzung. Das Coase-Theorem, das der Internalisierung negativer externer Effekte dienen soll, soll das Problem der umweltschädigenden Industrieproduktion lösen. Dadurch dass sich Schädiger und Geschädigter freiwillig einigen – wobei es keine Rolle spielt, wer sich an der Umwelt versündigt hat – wird das Verursacherprinzip außer Kraft gesetzt. Der Ansatz war großer Kritik ausgesetzt, da sich so auch der Geschädigte letzten Endes an den Kosten der Umweltverschmutzung beteiligt. Begründet wird dies damit, dass negative externe Umwelteffekte reziproker Natur sind. Sowohl Schädiger als auch Geschädigter beanspruchen das Gut Umwelt. So entsteht Knappheit an sauberer Umwelt und somit ein negativer externer Effekt. Die Parteien sollen so lange verhandeln, bis sie das Pareto-Optimum erreichen. An diesem Punkt kann sich ein Verhandlungspartner nicht mehr besserstellen, ohne dass der andere Nachteile erleidet.6 Hinzu kommen weitere Ansätze, die zwar nicht der konkreten Schadenskompensation dienen, aber auch als ökonomische Instrumente die Verhaltenssteuerung und die Prävention von Umweltschäden unterstützen. Hierzu gehören Umweltabgaben, die primär eine Lenkungsfunktion haben – so genannte Pigou-Steuern7 – und handelbare Umweltnutzungsrechte – wie zum Beispiel Emissionszertifikate.8 6 Folgendes Beispiel wird angeführt: Unternehmen A leitet seine Abwässer in einen Fluss, aus dem Unternehmen B Wasser für seine Produktion schöpft. Das verschmutzte Wasser beeinträchtigt diese Produktion. A könnte nun klassisch an B Entschädigungen zahlen. Ebenso könnte allerdings auch B an A zahlen, zum Beispiel damit A bessere Filter installiert. Siehe hierzu auch: MüKo-Wagner, 5.A. (2009), Vor § 823, Rn. 45 mwN. 7 Pigou-Steuern sind Lenkungsabgaben, die weniger einem fiskalischen Zweck als vielmehr der gezielten Verhaltenssteuerung dienen. Derartige Umweltabgaben beeinflussen umweltrelevantes Verhalten dadurch, dass sie die Benutzung der Umwelt verteuern. Ansatzpunkt ist hier der Preis, den der Staat für die jeweilige Umweltnutzung festlegt; siehe auch Lübbe-Wolf, NVwZ 2001, 481 (486 f.). Die deutsche Ökosteuer kann aufgrund ihrer Ausgestaltung nur eingeschränkt als Beispiel dienen, da Unternehmen, die sehr viel Energie verbrauchen, lediglich einen ermäßigten Satz zahlen. Da für diese Unternehmen der Anreiz zur Energieeinsparung sinkt, ist das Prinzip der Pigou-Steuer nicht vollständig durchgesetzt worden. 8 Der Handel mit Emissionszertifikaten hat das Ziel, Schadstoffemissionen mit möglichst geringen volkswirtschaftlichen Kosten zu verringern. Im Gegensatz zu den Umweltabgaben setzt dieser Ansatz bei der Menge der Emissionen an, die durch den Staat kontrolliert werden kann. Der Emissionsrechtehandel schafft einen effizienten Anreiz zur Emissionsvermeidung und ist dabei vermeidungskostensensibel. Auch eignet sich der Ansatz zu einer weitergehenden Einschränkung der Emissionen durch die direkte Kontrolle der zugelassenen Menge. Genau wie die Umweltabgaben eignen sich allerdings auch Emissionszertifikate nicht, um Umweltverschmutzung an besonderen Stellen (hot

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1. Kapitel – Einleitung

2. Zivilrechtliche Umwelthaftung9 Das in der Praxis wichtigste Instrument zum Ausgleich von Umweltschädigungen ist die zivilrechtliche Umwelthaftung.10 Ziel des Umwelthaftungsrechts ist es, durch Schadensausgleich die Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen zu schützen, soweit individual-privatrechtliche Ansprüche eines Geschädigten gegen einen Schädiger betroffen sind. Die Anspruchsgrundlagen, die im allgemeinen und speziellen Deliktsrecht sowie zum Teil auch im Nachbarrecht bereitstehen, lassen sich in Abwehransprüche, Ansprüche auf die Vornahme von Schutzmaßnahmen und Schadensersatzansprüche unterteilen.11 Im Vordergrund dieser Arbeit stehen grenzüberschreitende Sachverhalte, in denen die Betroffenen durch umweltrelevante Tätigkeiten Privater im Ausland Schäden erlitten haben oder solche drohen. Derartige Sachverhalte können sich aufgrund von Naturkatastrophen, Betriebsunfällen, aber auch durch den regulären Betrieb von Industrieanlagen ergeben. Gerade die Umweltbeeinträchtigungen durch den Normalbetrieb sind für diese Arbeit von Bedeutung. Bei Industrieunfällen – in der Regel einmalige Schadensereignisse – wird weder die Haftungssituation durch Genehmigungen beeinflusst, noch sind zukünftige Schäden durch die gleiche Tätigkeit wahrscheinlich, die durch ein Unterlassungsbegehren verhindert werden könnten.12 Dagegen können Immissionsschäden, die durch den Normalbetrieb von Industrieanlagen verursacht werden, durch Abwehransprüche unterbunden werden. Diese Ansprüche könnten dann wiederum aufgrund einer entsprechenden Betriebserlaubnis rechtlich nicht durchsetzbar sein. Das Umweltschutzrecht regelt durch verschiedene Spezialnormen die Zulassung des Betriebs von Industrieanlagen, die zwar grundsätzlich die Umwelt durch ihre Schadstoffemissionen beeinträchtigen, aber auch eine große wirtschaftliche und soziale Bedeutung haben. Das rechtliche Instrument hierfür ist das generelle öffentlich-rechtliche Verbot mit Erlaubnisvorspots) zu regulieren; Lübbe-Wolf, NVwZ 2001, 481 (486 f.). In der Europäischen Union wurde der EU-Emissionshandel für Kohlendioxidemission 2005 gesetzlich eingeführt; siehe auch Martini/Gebauer, ZUR 2007, 225. 9 Siehe auch Staudinger-Kohler, UmwelthaftungsR, Neub. (2010), Einl., Rn. 1 ff. 10 2. Kapitel. 11 3. Kapitel. 12 Allerdings haben Anlagengenehmigungen, die auch Sicherheitsaspekte einer Anlage mit umfassen, in der Regel eine starke Indizwirkung und lösen auch die entsprechenden Präklusionsvorschriften aus, wenn ein zivilrechtliches vorbeugendes Unterlassungsbegehren gegen eine Anlage wegen drohender Betriebsunfälle, die nicht dem Normalbetrieb zuzurechnen sind, geltend gemacht werden. Vgl. OGH, Urteil v. 4.4.2006, Az. 1 Ob 5/06a; sowie in EuGH, Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, Rn. 42, EuZW 2010, 26 (Erwähnung des anhängigen Verfahrens vor dem LG Linz im Sachverhalt).

I. Umweltschutzrecht und Rom II-Verordnung

5

behalt. Die prinzipiell schädliche industrielle Tätigkeit kann nach bestimmten Vorgaben durch eine Genehmigung erlaubt werden. Auf diese Weise können die Tätigkeiten reguliert und kontrolliert werden. Der Anlagenbetreiber erhält die notwendige Bestandsgarantie und Investitionssicherheit. Um diese Sicherheit für den Betreiber, der die umweltrechtlichen Vorgaben seiner Genehmigung einhält, umfassend zu gewähren, haben derartige Genehmigungen vielfach privatrechtsgestaltende Wirkungen. Diese modifizieren die privatrechtlichen Abwehr- und Kompensationsansprüche, um den Weiterbetrieb der Anlage sicherzustellen. Zum Teil werden diese Ansprüche auch vollkommen ausgeschlossen. Bei grenzüberschreitenden Fällen, in denen sich die emittierende Industrieanlage und die (potentiell) Geschädigten in unterschiedlichen Staaten befinden, ermöglichen das Internationale Privatrecht und das Internationale Zivilverfahrensrecht – durch die Bestimmung von anwendbarem Recht und der gerichtlichen Zuständigkeit – die internationale Geltendmachung von Abwehrund Ersatzansprüchen durch die Geschädigten. Auch in diesen Fällen spielen Anlagengenehmigungen mit privatrechtsgestaltender Wirkung eine wichtige Rolle. Die Genehmigungen entstammen allerdings dem Öffentlichen Recht13 und ergehen in der Regel als Verwaltungsakte und damit als hoheitliche Maßnahmen. Ihre grenzüberschreitende rechtliche Wirkung ist unter anderem deshalb äußerst umstritten. Wenn sie aber bei internationalen Sachverhalten nicht gelten, können sie auch unter Umständen ihre privatrechtsgestaltenden Wirkungen nicht entfalten. Dies hat zur Folge, dass entsprechende Ansprüche nicht modifiziert oder ausgeschlossen werden, wodurch die Genehmigungen einen Teil ihrer bestandsschützenden Funktion für den Betreiber verlieren. Dieser wäre trotz der hoheitlichen Genehmigung nicht vor Ansprüchen aus dem Ausland geschützt. Aus diesem Grund werden ausländische Gerichtsurteile, die eine Betriebseinstellung verfügen, von den zuständigen Gerichten am Standort der Industrieanlage – unter Berufung auf den inländischen ordre public – weder anerkannt noch vollstreckt.14 Für die Behandlung dieses bis dato unbefriedigenden Ergebnisses wurden verschiedene Lösungsansätze entwickelt,15 die allerdings teilweise praktisch kaum durchführbar sind oder an (verfassungs-) rechtlichen Hürden scheitern müssen.

13

Wie z.B. § 14 BImSchG. Siehe auch Peine, NJW 1990, 2442. Umfassende Darstellung des Problemfeldes im 6. Kapitel. 15 7. Kapitel. 14

6

1. Kapitel – Einleitung

3. Rom II-Verordnung16 Einen neuen Impuls erhält das internationale Umwelthaftungsrecht durch die jüngst in Kraft getretene EG-Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II-Verordnung“)17. Die Verordnung dient der Vereinheitlichung von Kollisionsregeln für außervertragliche Schuldverhältnisse und insbesondere für das Recht der unerlaubten Handlungen auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene. Im Gegensatz zu den meisten autonomen Kollisionsnormen für die Anknüpfung von unerlaubten Handlungen enthält die Rom II-Verordnung neben einer abgestuften allgemeinen Anknüpfungsregel auch besondere Kollisionsregeln für spezielle Bereiche des Deliktsrechts.18 Hierzu gehört auch eine Sonderanknüpfung für Umschädigungen. Diese spezielle Regelung bedeutet nicht nur die Aufwertung der zivilrechtlichen Haftung für Umweltschäden und die weitere Herausstellung der verschiedenen Funktionen der Umwelthaftung in der europäischen Rechts-, Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung.19 Die Aufnahme eines derartigen Sondertatbestandes in Verbindung mit anderen Vorschriften der Verordnung eignet sich auch als Ansatz für die Lösung des Problems der Wirkung von ausländischen Anlagengenehmigungen auf die zivilrechtlichen Abwehr- und Schadensersatzansprüche. In jedem Fall gibt sie einen Anreiz, sich mit diesem Problemfeld sowie der genauen Ausformung und Auswirkung der Sonderanknüpfung zu beschäftigen.20

16 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.6.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht; ABl. EU L 199/40 v. 31.7.2007. 17 5. Kapitel. 18 Auch das 1987 reformierte IPRG der Schweiz enthält vorrangige Sonderanknüpfungen für die wichtigsten Deliktsfallgruppen und ähnelt so in gewisser Weise dem Anknüpfungssystem von Kapitel III der Rom II-Verordnung; siehe unten 5. Kapitel, III.2.d. 19 Zur Entwicklung des Umwelthaftungsrechts in der EG siehe auch Wolfrum/Langenfeld, S. 137 ff. 20 Die Aktualität der Fragestellung auf europarechtlicher Ebene wird weiter auch durch ein neueres Urteil des EuGH (Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, EuZW 2010, 26) in Bezug auf die Beachtlichkeit einer tschechischen atomrechtlichen Genehmigung in einem österreichischen Zivilverfahren unterstrichen. Allerdings handelt es sich dabei um ein atomrechtliches Verfahren, für die grundsätzlich im IPR besondere staatsvertragliche Regeln gelten (dazu unten 4. Kapitel, III.) und die auch explizit vom Anwendungsbereich der Rom II-VO ausgenommen sind (Art. 1 Abs. 2 lit. f Rom II-VO). Im Einzelnen zu den für die Beachtlichkeit von Anlagengenehmigungen relevanten Aspekten des Urteils unten, 7. Kapitel, II.

II. Ziel der Arbeit und Gang der Darstellung

7

II. Ziel der Arbeit und Gang der Darstellung Ziel dieser Arbeit ist es – basierend auf den Regelungen der Rom IIVerordnung und den weiterentwickelten internationalen umweltrechtlichen Verfahrensstandards – einen neuen Lösungsansatz für die Frage nach der zivilrechtlichen Berücksichtigung ausländischer Anlagengenehmigungen zu entwickeln. Im Vordergrund stehen hierbei der effektive Rechtsschutz für die (potentiell) Geschädigten und eine ergebnisorientierte, praktische Herangehensweise. Zur Einführung und Illustration des Problemfeldes um die Beachtlichkeit von behördlichen Genehmigungen beginnt die vorliegende Arbeit – nach einem Überblick über die Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung im 2. Kapitel – mit der Darstellung des zivilrechtlichen Umwelthaftungssystems von Deutschland im 3. Kapitel. Als weiterer deskriptiver Teil folgt – in Anlehnung an die Sonderanknüpfung des Art. 7 Rom II-VO – im 4. Kapitel eine Zusammenfassung der autonomen Regelungssysteme Internationalen Privatrechts der Umweltschädigungen am Beispiel von Deutschland und der Schweiz. Im 5. Kapitel wird die neue Rom II-Verordnung – vorrangig unter dem Blickwinkel der zivilrechtlichen Umwelthaftung und der privatrechtsgestaltenden Wirkungen von Anlagengenehmigungen – vorgestellt. Die darauf folgenden Kapitel widmen sich der Einführung in die Fragestellung nach der zivilrechtlichen Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen (6. Kapitel) sowie der Darstellung der bisherigen Lösungsansätze aus dem Internationalen Verwaltungsrecht und dem Internationalen Privatrecht (7. Kapitel). Da der zu entwickelnde neue Lösungsansatz auf den nun europaweit einschlägigen Regeln der Rom IIVerordnung aufbaut, wird im Anschluss an die Einführung in die Problematik zunächst die Anwendbarkeit der Verordnung und ihrer einschlägigen Regelungen auf die Fragestellung geprüft (8. Kapitel). Das 9. Kapitel beschäftigt sich mit den allgemeinen Voraussetzungen, die für eine eventuelle Beachtlichkeit von ausländischen Anlagengenehmigungen erfüllt sein müssen. Einige wenige der in Frage kommenden Voraussetzungen – die grenzüberschreitende Beteiligung am Genehmigungsverfahren (10. Kapitel), die Vergleichbarkeit der Genehmigungsvoraussetzungen und der ordre public-Vorbehalt (11. Kapitel) – haben eine herausgehobene Stellung, so dass sie eingehend betrachtet und diskutiert werden. Schließlich werden im 12. Kapitel mögliche Auswirkungen einer Berücksichtigung ausländischer Genehmigungen nach diesem Lösungsansatz erörtert sowie weitere Fallkonstellationen besprochen.

2. Kapitel

Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung I. Einleitung Die zivilrechtliche Haftung für Umweltschäden ist nicht nur ein Instrument des Umweltschutzes und eines der Standbeine des Umweltschutzrechts, sondern vor allen Dingen eine Unterkategorie des Haftungsrechts. Als Teil des Deliktsrechts dient sie dem Ausgleich der Integritätsinteressen von Privatrechtssubjekten. Ziel des Umwelthaftungsrechts ist neben seiner umweltschutzpolitischen Lenkungsfunktion im Wesentlichen der Schutz von Individualrechtsgütern und -rechten sowie die Vermeidung bzw. der Ausgleich von Schäden.1 Der Begriff der zivilrechtlichen Umwelthaftung, der in dieser Arbeit durchgängig verwendet wird, erfasst definitorisch nur einen Teilbereich der hier zu erörternden Anspruchsgrundlagen. Als Unterbegriff des „Umweltprivatrechts“ gehören zur Haftung lediglich die Ansprüche, die eine pekuniäre oder eine andere Kompensation für Schäden zur Folge haben.2 Ansprüche, die auf die direkte Abwehr von Umweltschädigungen oder deren drohenden Eintritts gerichtet sind, wie zum Beispiel Unterlassungsansprüche oder Ansprüche auf Abwehrmaßnahmen, werden hiervon rein begrifflich zunächst nicht erfasst. Gerade in Bezug auf die Auswirkung von Anlagengenehmigungen, die nach Anspruchstypen und Eingriffs1

Die materiellen Schäden, die durch Umweltschädigungen entstehen, sind z.B. sämtliche Wiederherstellungskosten, messbare Gewinneinbußen sowie Aufwendungen für Schutzmaßnahmen. Aber auch immaterielle Schäden spielen im Rahmen der Umwelthaftung eine Rolle und sind ausgleichen, wenn die anwendbare Rechtsordnung dies zulässt. In Deutschland ist dies allerdings nach § 253 Abs. 1 BGB nur der Fall, wenn dies ausdrücklich gesetzlich angeordnet ist. Abgesehen von den durch § 253 Abs. 2 BGB erfassten Fällen der Verletzung von Menschen, die hier nur am Rande eine Rolle spielen, wird sonst kein immaterieller Schadensersatz im Umwelthaftungsrecht angeordnet. Nachteilige Veränderungen oder Zerstörungen der Landschaft oder auch extreme Geruchsimmissionen können allerdings kompensationsfähig sein, wenn sich diese Beeinträchtigungen in Wertminderungen des betroffenen Grundstücks niederschlagen. Vgl. zu den ersatzfähigen Schäden im Rahmen der Umwelthaftung MüKo-Wagner, 5.A. (2009), § 823, Rn. 677 f.; Staudinger-Kohler, Neub. (2010), UmwelthaftungsR, Einl., Rn. 57, 66 ff., 92, 101 ff., 144 f., 239. 2 Staudinger-Kohler, Neub. (2010), UmwelthaftungsR, Einl., Rn. 3.

I. Einleitung

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intensitäten differenzierte privatrechtsgestaltende Wirkungen haben können,3 ist es von großer Bedeutung, auch diese Anspruchsarten zu erfassen. Auch die Anfang 2009 in Kraft getretene Rom II-Verordnung4 bezieht Abwehransprüche auch gegen zukünftige Beeinträchtigungen mit in die erfassten Ansprüche aus unerlaubter Handlung ein.5 Dies gilt auch für die Sonderanknüpfung der außervertraglichen Schuldverhältnisse aus Umweltschädigungen.6 An dem Begriff der zivilrechtlichen Umwelthaftung soll trotz alledem – unter Einbeziehung dieser Abwehransprüche – festgehalten werden, da er sich als Oberbegriff zur Erfassung des Anspruchsverhältnisses zwischen Schädiger und Geschädigtem gut eignet. Der Begriff des Umweltprivatrechts ginge zu weit, da dieser zum einen auch vertragliche Ansprüche mit Bezug zu den Umweltmedien oder zu haftungsbegründenden Umweltbeeinträchtigungen sowie andere außervertragliche Ansprüche, wie zum Beispiel solche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, miteinschlösse. Zum anderen entsprechen die Rechtsfolgen eben dieser Abwehransprüche (Beseitigung und Unterlassung) denen der deliktischen Ansprüche in der Grundform des zivilrechtlichen Schadensersatzes, nämlich der Naturalrestitution. Unterschiede bestehen hier dann oft auf Ebene der Tatbestandsmerkmale, wie zum Beispiel bei den Verschuldensanforderungen. Die intensiv geführte Diskussion7 um die Anerkennung des sogenannten „ökologischen Schadens“ als ersatzfähigen Schaden im Rahmen der zivilrechtlichen Umwelthaftung ist wieder etwas abgeklungen. Beim ökologischen Schaden handelt es sich um Beeinträchtigungen eines Umweltsystems als solchem, ohne dass ein geschütztes Individualrechtsgut betroffen ist (zum Beispiel Klimaveränderungen, Beschädigung eines Ökosystems oder einer Landschaft). Eine zivilrechtliche Haftung für ökologische Schäden kommt im Moment noch nicht in Betracht. Denn die zivilrechtliche Umwelthaftung kann rein ökologische Schäden nicht erfassen, wenn diese sich nicht durch Beeinträchtigungen von Rechtsgütern äußern, die Individuen privatrechtlich zugeordnet sind.8 Die Umwelt, die Natur oder auch das Klima als solches sind keine anerkannten Rechtsgüter, die vom Deliktsrecht geschützt werden. Sie können weder als „sonstiges Recht“ 3

Vgl. unten 6. Kapitel, IV.3. Verordnung (EG) 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl. EU L 199 v. 31.7.2007, S.40. Dazu im Einzelnen im 5. Kapitel. 5 Art. 2 Abs. 2 Rom II-VO: „Diese Verordnung gilt auch für außervertragliche Schuldverhältnisse, deren Entstehen wahrscheinlich ist.“ 6 Art. 7 Rom II-VO. 7 Vgl. nur Rehbinder, NuR 1989, 149; Kadner Graziano, Ersatz ökologischer Schäden, S. 26 ff.; Staudinger-Kohler, Neub. (2010), UmwelthaftungsR, Einl., Rn. 7 ff.; MüKo-Wagner, 5.A. (2009), § 823, Rn. 678. 8 Statt vieler MüKo-Wagner, 5.A. (2009), § 823, Rn. 678 mwN. 4

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2. Kapitel – Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

noch unter dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht erfasst werden, da sie keine Ausschlussfunktion besitzen. Die Umweltmedien gehören grundsätzlich niemandem und enthalten keinen Zuweisungsgehalt.9 Ein ökologischer Schaden ist mehr durch eine negative Einwirkung auf ein Wirkungsgefüge zwischen Umweltmedien und auch Flora und Fauna gekennzeichnet als durch die direkte Beeinträchtigung einer Sache oder Person. Ein „ökologischer Schaden“, der in Form der Verletzung eines von der jeweiligen Haftungsnorm geschützten Rechtsgutes auftritt, ist dagegen grundsätzlich schadensersatzfähig. Dieser haftungs- und deliktsrechtlich einfach fassbare Teilbereich der ökologischen Schäden sind die hier angesprochenen Umweltschädigungen. Alle übrigen ökologischen Schäden können keine ersatzfähigen Schäden – es sei denn es bestehen Spezialtatbestände, die zum Beispiel Klimaschäden erfassen und einem Rechtsgutsträger zuordnen können – im Rahmen der zivilrechtlichen Umwelthaftung darstellen.10 Aus dem Blickwinkel eines möglichst effektiven Umweltschutzes wäre es zwar für zukünftige Generationen wünschenswert, dass der Schutz der Umwelt als solcher und die Prävention von reinen Umweltschädigungen das Primärziel der zivilrechtlichen Umwelthaftung oder zumindest ein erfasstes Schutzgut ist. Der Schutz der Umwelt als solcher ist jedoch nur ein Reflexvorteil der zivilrechtlichen Umwelthaftung, die sonst aufgrund des ausschließlichen Schutzes von Individualrechtsgütern anthropozentrisch bleibt. Nur wenn Beeinträchtigungen die Individualinteressen von Personen betreffen, kann das Zivilrecht sinnvoll eingreifen und zu dem Interessenausgleich führen, der sein vorrangiger Zweck ist.11

II. Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung Die zivilrechtliche Umwelthaftung ist kein geschlossenes Rechtsgebiet. Es handelt sich um die Zusammenfassung der zivilrechtlichen Ansprüche, die an eine Rechtsgüterbeeinträchtigung geknüpft sind, welche durch eine Umweltschädigung verursacht werden. Die entsprechenden Anspruchsgrundlagen finden sich in verschiedenen Gesetzen des Zivilrechts und des Öffentlichen Rechts. Es umfasst nach dem hier verwendeten Begriffsverständnis alle zivilrechtlichen Haftungsnormen zur Leistung von Schadensersatz für Umweltschädigungen, aber auch weitergehende Ansprüche wie 9

Bamberger/Roth-Spindler, 2.A. (2008), § 823, Rn. 568 mwN. Auch aus § 16 UmweltHG ergibt sich dahingehend nichts anderes, da dieser bei Schädigungen der Natur oder einer Landschaft lediglich die Begrenzungswirkung des § 251 Abs. 2 BGB entfallen lässt. 11 Zu den einzelnen Funktionen des Deliktsrechts auch in Bezug auf die Haftung für Umweltschäden siehe unten, I.1. 10

II. Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

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solche auf Unterlassung und Ansprüche auf die Errichtung von Schutzanlagen oder die Durchführung von Schutzmaßnahmen. Eine Schädigung der Umwelt in diesem Sinne wird über den so genannten Umweltpfad, das heißt über die Umweltmedien Boden, Luft oder Wasser, verursacht.12 Das Umwelthaftungsrecht ist also keine zivilrechtsdogmatische Kategorie, sondern vielmehr die Zusammenfassung spezifischer Lebenssachverhalte,13 die in Bezug zur Umwelt und den natürlichen Lebensgrundlagen stehen. Das Umwelthaftungsrecht umfasst Anspruchsgrundlagen aus dem allgemeinen Deliktsrecht, dem Nachbarrecht, das in einigen Rechtsordnungen eine Unterkategorie des Sachenrechts ist,14 aus einzelnen Normen des Umweltverwaltungsrechts sowie aus Spezialgesetzen, wie zum Beispiel dem Umwelthaftungsgesetz. Zu diesen Anspruchsgrundlagen gehören verschuldensabhängige Haftungstatbestände, Unterlassungs-, Beseitigungs- und andere Abwehransprüche sowie verschuldensunabhängige Tatbestände der Gefährdungs- und Aufopferungshaftung. Die Sonderhaftungstatbestände aus einzelnen Spezialgebieten des Umwelthaftungsrechts,15 die grundsätzlich den allgemeinen deliktsrechtlichen Regeln folgen, sind oft auf verschiedene Art und Weise modifiziert. So kann der anzulegende Verschuldensmaßstab verändert sein, Ersatzpflichten können nur für bestimmte Arten von Schäden bestehen oder der Schadensersatz ist auf solchen in Geld beschränkt und oft auch in seiner Höhe gedeckelt.16 Die Sonderhaftungstatbestände vereinfachen, ergänzen und komplettieren die Anspruchsgrundlagen des allgemeinen Deliktsrechts, sie verdrängen diese jedoch – im Gegensatz zu anders strukturierten Tatbeständen, beispielsweise der Aufopferungshaftung – nicht.17 Für den zivilrechtlichen Interessenausgleich und seine anthropozentrische Ausrichtung ist es – neben dem ausschließlichen Schutz von Individualrechtsgütern – bezeichnend, dass die Haftungsansprüche nur greifen, wenn sich die betreffenden Umweltschädigungen auf menschliches Verhalten zurückführen lassen.18 Dies gilt auch im Hinblick auf umweltrelevante Gefährdungshaftungstatbestände, wie es sie etwa im Bereich des Gewässerschutzes und bei der Haftung für Industrieanlagen gibt. Die Haftung

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MüKo-Wagner, 5.A. (2009), § 823, Rn. 677. Staudinger-Kohler, Neub. (2010), UmwelthaftungsR, Einl., Rn. 5 f. 14 Nicht aber in einigen Rechtsordnungen des romanischen Rechtskreises, wie z.B. im französischen Recht, wo der Ausgleich der nachbarlichen Interessen insbesondere bei Immissionen allein vom Deliktsrecht geleistet wird. 15 Z.B. Gewässerschutz, Bodenschutz, Immissionsschutz. 16 Vgl. z.B. § 15 UmweltHG. 17 Vgl. im Einzelnen 3. Kapitel. 18 MüKo-Wagner, 5.A. (2009), § 823 BGB, Rn. 677 mwN. 13

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2. Kapitel – Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

setzt dann zwar nur einen eingetretenen Schaden voraus, dieser muss jedoch durch ein zurechenbares Verhalten verursacht worden sein.19 Funktion des Zivilrechts ist es, die privaten Rechts- und Interessensphären gegeneinander abzugrenzen. Besonders für den Fall, dass die Grenzen zwischen diesen Sphären überschritten werden, stellt das Zivilrecht verschiedene Instrumente zur Wiederherstellung und Durchsetzung der Interessen des Verletzten zur Verfügung. Hierdurch kann jedoch, anders als durch die Verhaltensbefehle des Öffentlichen Rechts, das Verhalten des Einzelnen nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar gesteuert werden. Durch das Wissen um die Rechtsfolgen soll der Einzelne veranlasst werden, die Rechte des anderen zu beachten.20 Im Bereich der Umwelthaftung und mit Blick auf die Ziele des Umweltschutzes ist diese Steuerungsfunktion jedoch eher schwach. Die Betroffenheit des Einzelnen kann durch die Ausübung dieser Ansprüche beendet oder kompensiert werden, eine weitere Kontrolle des Schädigers gewährt das Zivilrecht dem Geschädigten oder dem Richter jedoch nicht. Ferner wirken sich auch die Klagebereitschaft der Betroffenen (unter anderem wegen des Prozesskostenrisikos und der komplexen, oft schwierigen Beweislage) und die Abdeckung von Schäden durch Versicherungen als begrenzende Faktoren aus.21 Neben diesen Funktionen des Zivilrechts spielen im Bereich der Haftung für Umweltschäden auch die speziellen Funktionen des Deliktrechts22 – Ausgleich und Kompensation, Prävention und Abschreckung, Strafe und Vergeltung – eine wichtige Rolle. Durch einen stärkeren Fokus der Haftung auf den Präventionsgedanken können eine Ausweitung dieser Haftung und auch ihre Sonderbehandlung durch Spezialnormen, wie unter anderem Art. 7 Rom II-VO, mit dem weiteren Zweck des Umweltschutzes gerechtfertigt werden. Traditionell war die Ausgleichsfunktion der primäre Zweck des Haftungsrechts. Die Haftung ist grundsätzlich auf Naturalrestitution ausgerichtet, im praktischen Regelfall zeigt sie sich aber als Schadensersatz bzw. Kompensation in Geld. Sie soll einen Ausgleich für den materiellen Schaden und die erlittene Unbill gewähren.23 Ziel des Umwelthaftungsrechts ist es, durch Schadensausgleich vermögenswerte und auch nicht-vermögenswerte Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen zu schützen, soweit sie individualprivatrechtliche Ansprüche eines Geschädigten gegen einen Schädiger betreffen. 19

Staudinger-Kohler, Neub. (2010), UmwelthaftungsR, Einl., Rn. 104 mwN. Müller-Chen, SZIER 1997, 213 (217); allgemein: MüKo-Wagner, 5.A. (2009), Vor § 823 BGB, Rn. 40 f. 21 So auch Staudinger-Kohler, Neub. (2010), UmwelthaftungsR, Einl., Rn. 41 ff. mwN. 22 Die sich teilweise mit den im Vorherigen beschriebenen Funktionen überschneiden. 23 Bamberger/Roth-Spindler, 2.A. (2008), § 823, Rn. 0.6; MüKo-Wagner, 5.A. (2009), Vor § 823, Rn. 38 f. 20

II. Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

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Während in der Vergangenheit die Präventionswirkung, die der Haftung innewohnte, als ein erwünschtes Nebenprodukt betrachtet wurde, ist sie spätestens seit der ökonomischen Analyse des Deliktsrechts als die zweite Hauptfunktion der Haftung anerkannt. Das Haftungsrecht kann dazu ermuntern, Möglichkeiten wahrzunehmen, im Interesse der Schadensvermeidung tätig zu werden.24 Obwohl das Umwelthaftungsrecht zunächst ein reagierendes Recht zum individuellen Interessenausgleich ist, kann es auch eine verhaltenssteuernde Funktion haben.25 Diese Steuerungsfunktion, die der Schadensprävention dienen soll, äußert sich auf dreifache Weise. Zunächst dienen negatorische und quasi-negatorische Unterlassungsansprüche des Umwelthaftungsrechts sowie Ansprüche auf die Vornahme von Schutzmaßnahmen direkt einer gewissen Verhaltenssteuerung. Allerdings sind es in der Regel diese Ansprüche, die durch privatrechtsgestaltende Wirkungen der entsprechenden Anlagengenehmigungen ausgeschlossen sind, um den Bestandsschutz für die Betreiber zu verwirklichen.26 Ferner lassen sich insbesondere Störfälle nicht durch Unterlassungsansprüche wirksam verhindern.27 Dann kann das Zivilrecht – losgelöst vom Deliktsrecht – zur Steuerung und Verbesserung des Umweltschutzes beitragen, indem es private Rechtspositionen einräumt. Durch die Aktivierung von zivilrechtlichen Sperrpositionen – vertraglich, dinglich28 oder rein tatsächlich29 – kann das Verhalten im Sinne des Umweltschutzes gesteuert werden.30 Schließlich steht aber vor allem die sogenannte ökonomische Prävention im Vordergrund. Ein mittelbarer Umweltschutzeffekt wird durch das mit Umweltschädigungen verbundene wirtschaftliche Kostenrisiko bewirkt, wenn diese Kosten nicht überwiegend an die Allgemeinheit externalisiert werden können. Im Rahmen der vom Zivilrecht begünstigten Selbstregulierung schafft das Risiko der Belastung mit Umweltschadenskosten einen betriebswirtschaftlichen Anreiz, Umweltschädigungen möglichst zu vermeiden. Ergänzend kommen bei dieser betriebswirtschaftlichen Abwägung noch zu erwartende Imageschäden für das umweltverschmutzende Unter-

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Erman-Schiemann, 12.A. (2008), Vor § 823, Rn. 15; Bamberger/Roth-Spindler, 2.A. (2008), § 823, Rn. 0.7; MüKo-Wagner, 5.A. (2009), Vor § 823, Rn. 40 f. 25 Staudinger-Kohler, Neub. (2010), UmwelthaftungsR, Einl., Rn. 34 ff. mwN. 26 6. Kapitel, IV.3.b. 27 Staudinger-Kohler, Neub. (2010), UmwelthaftungsR, Einl., Rn. 36. 28 Z.B. durch Grunddienstbarkeiten. 29 Z.B. durch Grundstückseigentum in planungsrelevanten Gegenden/Regionen. 30 Medicus, NuR 1990, 145 (150); Staudinger-Kohler, Neub. (2010), UmwelthaftungsR, Einl., Rn. 37.

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2. Kapitel – Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

nehmen sowie der nicht zu vernachlässigende Bearbeitungsaufwand hinzu.31 Allein eine eventuelle ehemalige Straffunktion des Deliktsrechts, soweit diese losgelöst von der Präventions- bzw. Abschreckungswirkung nur als Mittel der Vergeltung betrachtet wird, hat allgemein und besonders im Hinblick auf die Umwelthaftung keine nennenswerte Bedeutung.32

III. Definition der Umweltschädigung 1. Allgemeines Voraussetzung für das Eingreifen der speziellen Regelungen der zivilrechtlichen Umwelthaftung ist das Vorliegen eines Umweltschadens oder einer Umweltbeeinträchtigung. Obwohl die Materie sich zum Großteil auf allgemeine deliktische und nachbarrechtliche Haftungsregeln stützt und die Regelungen in Spezialnormen meistens an genau definierte Sachverhaltsmomente anknüpfen, bleibt die Umweltschädigung das zentrale Merkmal zur Unterscheidung der Umwelthaftung vom allgemeinen Haftungsrecht. Nicht nur die von der Rechtsprechung entwickelten Sonderregeln setzen eine Umweltschädigung voraus, sondern auch die neue internationalprivatrechtliche Sonderanknüpfung der Rom II-Verordnung bei Umweltschädigungen (Art. 7 Rom II-VO) greift nur, wenn eine solche vorliegt.33

31 Rehbinder, NuR 1989, 149 (151); Wolfrum/Langenfeld, S. 184 f.; StaudingerKohler, Neub. (2010), UmwelthaftungsR, Einl., Rn. 38. 32 Schon die Motive (Mot. II S. 17 f.) sprachen sich gegen „die Heranziehung moralisierender oder strafrechtlicher Gesichtspunkte“ für das Deliktsrecht aus. Der Vergeltungsgedanke wurde erst durch den BGH im Rahmen der Haftung für Persönlichkeitsrechtsverletzungen wiederbelebt und schwingt auch ein wenig in den Aussagen zum Schmerzensgeld in BGHZ (GS) 18, 149 (155) mit. Im Einzelnen MüKo-Wagner, 5.A. (2009), Vor § 823, Rn. 42 ff. 33 Für die Frage nach der Beachtlichkeit von ausländischen Anlagengenehmigungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten spielt die genaue Begriffsbestimmung dagegen nicht so eine große Rolle (6.-12. Kapitel). Die von den privatrechtsgestaltenden Präklusionsnormen des Umweltverwaltungsrechts erfassten Ansprüche richten sich in den meisten Fällen gegen Immissionen, die sowieso zum Kernbereich der auf dem Umweltpfad verursachten Umweltbeeinträchtigungen gehören. Für den hier zu entwickelnden Lösungsansatz auf Basis der Rom II-Verordnung spielt außerdem Art. 7 Rom II-VO, der eine „Umweltschädigung“ voraussetzt, nur eine untergeordnete Rolle (8.-12. Kapitel).

III. Definition der Umweltschädigung

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Die genaue Begriffsbestimmung der Umweltschädigung34 bereitet bei der zivilrechtlichen Umwelthaftung jedoch einige Schwierigkeiten. Grundsätzlich ist unter dem Schaden die Rechtsgutsverletzung zu verstehen, die Folge der schädlichen Umwelteinwirkung ist. Zu den geschützten Rechtsgütern gehören unter anderem die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen sowie das Eigentum. Die Umwelt als solche ist kein Rechtsgut, das unter die zivilrechtliche Umwelthaftung fällt.35 Dieser gut fassbare zivilrechtliche Schadensbegriff greift aber erst auf der Rechtsfolgenseite (im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität) ein. Bei der Feststellung, ob eine Schädigung oder Beeinträchtigung der Umwelt vorliegt, hilft er nicht weiter. Eine Umweltschädigung ist eine Umweltbeeinträchtigung, die zu einer Störung oder Schädigung führt oder in Folge einer solchen entsteht. Eine Umweltbeeinträchtigung wiederum ist eine negative Veränderung der Umwelt, also der Umweltmedien Luft, Wasser, Boden, aber auch der Lebewesen und der Wechselbeziehungen zwischen diesen oder zwischen diesen und den Umweltmedien.36 Beide Begriffe sind jedoch weitgehend austauschbar, da auch schon eine Umweltbeeinträchtigung begrifflich eine negative Folge nach sich ziehen muss. Für eine grundsätzliche und allgemeine Begriffsbestimmung bleibt deshalb festzuhalten, dass eine Umweltschädigung eine negative Veränderung der Umwelt durch Verschmutzung, Zerstörung oder sonstige Eingriffe in die oben genannten Objekte oder die Wechselbeziehung zwischen diesen ist. Diese weite Definition könnte theoretisch durch weitere Kriterien eingeschränkt werden, um die praktische Anwendung zu verbessern. So schlägt Asche vor, dass die Umweltschädigungen auf einen menschlichen Ursprung zurückzuführen sein sollten, um sie von „naturbedingten Umweltbeeinträchtigungen“ und Naturkatastrophen unterscheiden zu können. Danach zeichnen sich die nicht auf einen menschlichen Ursprung zurückzuführenden Umweltschädigungen dadurch aus, dass sie grundsätzlich nicht kontrollier- und beherrschbar sind und somit auch durch die größtmögliche Sorgfalt nicht vermeidbar sind.37 Dies trifft grundsätzlich aber auch auf die von Tatbeständen der Gefährdungshaftung erfassten Sachverhalte zu, die sehr wohl menschlichen Ursprungs sind und zu einer zivilrechtlichen Haftung führen können. 34

Art. 7 Rom II-VO verwendet den Begriff der Umweltschädigung. In der einschlägigen Literatur sind auch die Begriffe Umweltbeeinträchtigung, die sich noch in einem quantifizierbaren Schaden niedergeschlagen haben muss (insbesondere im Bereich der Immissionsabwehransprüche), und Umweltschaden (insbesondere bei deliktischen Schadensersatzansprüchen und im Umweltverwaltungsrecht) gebräuchlich. 35 „Ökologischer Schaden“. 36 Asche, S. 9. 37 Asche, S. 10 f.

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2. Kapitel – Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

Für den Zweck, den Begriff für die zivilrechtliche Haftung zu bestimmen, könnte die Beschränkung auf Umweltschädigungen menschlichen Ursprungs grundsätzlich sinnvoll sein. In diesem Fall könnten nicht auf menschliches Verhalten oder Verantwortlichkeit zurückzuführende Schädigungen auch keine Haftung nach sich ziehen. Allerdings wird diese Abgrenzung von den jeweiligen Kausalitäts- und Zurechnungskriterien der Haftungsnormen vorgenommen, die dafür zudem besser geeignet sind. Die entsprechenden Problemfelder – zum Beispiel bei Summationsschäden und der Zurückführung von Naturkatastrophen auf menschliches Verhalten – können durch die gesetzlichen und von der Rechtsprechung entwickelten Kausalitätskriterien besser erfasst werden. Gerade für die Sonderanknüpfung von Umweltschädigungen in der Rom II-Verordnung sowie für andere Spezialregelungen ist die Beschränkung auf menschliches Verhalten nicht notwendig. Sie behindert eher eine klare und einfache Subsumtion von Sachverhalten unter den Begriff der Umweltschädigung. Des Weiteren wird eine Eingrenzung des Begriffes der relevanten Umweltschädigung in der Form vorgeschlagen, dass diese erst ab einer gewissen Intensität erfasst werden soll.38 Auch dieses zusätzliche Kriterium erweist sich für die Definition als eher unnötig, da es sowohl Schwierigkeiten bei der Feststellung dieser „gewissen Intensität“ mit sich bringt, als auch diese Funktion besser durch spezielle Tatbestandsmerkmale, wie zum Beispiel die „Ortsüblichkeit“ und „Wesentlichkeit“, erfüllt werden kann. Aufgebaut werden kann hier zunächst auf den für das Internationale Umweltschutzrecht und für nationales Öffentliches Umweltrecht entwickelten Begriffen. Diese sind jedoch nur ein erster Ansatz, da beide Materien andere konkrete Zielsetzungen als die zivilrechtliche Umwelthaftung haben. Gerade im Öffentlichen Umweltschutzrecht sind die Schutzgüter und damit verbunden auch die eingesetzten rechtlichen Instrumente andere. Mit Blick auf die Definitionen von völkerrechtlichen Konventionen kommt zur unterschiedlichen Anwendung und Zielsetzung hinzu, dass diese Abkommen nur für Teilbereiche des Umweltschutzes anwendbar sind und so keine allgemeinen Definitionen enthalten. Auf internationaler Ebene bestehen verschiedene unverbindliche Begriffsbestimmungen, die von internationalen Organisationen allgemein für Umweltschädigungen aufgestellt worden sind. Diese werden für die Definition in dem oben genannten Sinne mit herangezogen. 2. Völkerrecht Die Erscheinungsformen von Umweltschädigungen bzw. Umweltbeeinträchtigungen sind derart vielfältig, dass es bislang keine allgemeinver38

Asche, S. 11 f.

III. Definition der Umweltschädigung

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bindliche völkerrechtliche Definition des Begriffes gibt. Die bestehenden internationalen Abkommen beziehen sich meistens nur auf einzelne Umweltmedien, Schädigungstypen oder Schutzgüter. Allerdings enthält eine Empfehlung der OECD von 1977 Ansätze für eine allgemeingültige Definition von grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen.39 Die Empfehlung definiert unter anderem pollution und transfrontier pollution im Zusammenhang mit der Anregung von zwischenstaatlichen Umweltschutzbemühungen. Die Umweltverschmutzung (pollution) wird dort sehr weit definiert.40 Sie umschließt jede auf menschlichem Verhalten41 beruhende Einleitung von Substanzen sowie Energie in die Umwelt, die selbst jedoch nicht weiter definiert wird. Zwar verlangt die Definition auch nach schädlichen Effekten auf bestimmte aufgezählte Schutzgüter, diese sind jedoch so weit gefasst, dass nahezu jeder negative Effekt, einschließlich der oben erwähnten ökologischen Schäden und Einbußen am Naturerlebnis/-vergnügen, erfasst wird. Zur Abgrenzung der grenzüberschreitenden Umweltverschmutzung von der domestic pollution werden die territorialen Anwendungsbereiche der Rechtsordnungen (Hoheitsgebiete) herangezogen, in denen die Verschmutzung erstens entstanden ist und zweitens sich ausgewirkt hat. Dieser weite Definitionsansatz wird auch von völkerrechtlichen Übereinkommen, die sich auf ein einzelnes Umweltmedium oder eine Art der Umweltschädigung beziehen, angepasst und übernommen. So definiert das Genfer Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung vom 13. November 197942 die Luftverunreinigung in diesem Sinne.43 Auch das UN-Seerechtsübereinkommen vom 10. Dezember 198244 39 Council Recommendation on Implementing a Regime of Equal Right of Access and Non-Discrimination in Relation to Transfrontier Pollution, OECD-Dokument C(77) 28 (final) v. 23.5.1977; abgedruckt in: ILM 1977, 977. 40 „’Pollution’ means any introduction by man, directly or indirectly, of substance or energy into the environment resulting in deleterious effects of such a nature as to endanger human health, harm living resources and eco-systems, impair amenities or interfere with other legitimate uses of the environment.” 41 Vgl. auch Asche, S. 10 f. 42 BGBl. 1982 II, S. 373. Das Übereinkommen ist das erste umweltschutzrechtliche Übereinkommen der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE); vgl. im Einzelnen zu dem Übereinkommen und auch seiner Entwicklungsgeschichte: http://www.unece.org/env/lrtap/welcome.html. 43 Art. 1 a) des Übereinkommens: „… bedeutet ‚Luftverunreinigung’ die unmittelbare oder mittelbare Zuführung von Stoffen oder Energie durch den Menschen in die Luft, aus der sich abträgliche Wirkungen wie eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit, eine Schädigung der lebenden Schätze und der Ökosysteme sowie von Sachwerten und eine Beeinträchtigung der Annehmlichkeiten der Umwelt oder sonstiger rechtmäßiger Nutzungen der Umwelt ergeben; …“. 44 BGBl. 1994 II S. 1798.

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2. Kapitel – Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

gebraucht eine entsprechend angepasste Definition für die „Verschmutzung der Meeresumwelt“.45 Nach der OECD-Definition ist allerdings kein konkreter Schaden für die Umweltbeeinträchtigung erforderlich. Das Institut de Droit International wählte in diesem Sinne eine Definition, bei der für eine (Wasser-)Verschmutzung auch noch der Eintritt eines Schadens erforderlich ist.46 Zwar ist ein Schaden – genauso wie das Überschreiten einer gewissen Erheblichkeitsschwelle durch die Umweltbeeinträchtigung47 – im Rahmen des Umwelthaftungsrechts ein wichtiges Merkmal der Haftungstatbestände, für die Begriffsbestimmung der Umweltbeeinträchtigung aber nicht zwingend erforderlich. Schon die International Law Association (ILA) hielt die Ergänzung eines Schadenserfordernisses für wenig zweckdienlich48 und entwickelte daraufhin eine Definition,49 die der der OECD recht ähnlich ist. 3. Europarecht Auch im Europarecht werden direkt weder der Begriff der Umwelt als solcher noch die Umweltschädigung oder -beeinträchtigung definiert. Der Begriff der Umwelt soll damit bewusst offen gehalten werden, um nicht schon im Vorhinein örtlichen oder sachlichen Einschränkungen ausgesetzt

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Art. 1 Abs. 1 Nr. 4 des Seerechtsübereinkommens: „... bedeutet ‚Verschmutzung der Meeresumwelt’ die unmittelbare oder mittelbare Zuführung von Stoffen oder Energie durch den Menschen in die Meeresumwelt einschließlich der Flussmündungen, aus der sich abträgliche Wirkungen wie eine Schädigung der lebenden Ressourcen sowie der Tier- und Pflanzenwelt des Meeres, eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit, eine Behinderung der maritimen Tätigkeiten einschließlich der Fischerei und der sonstigen rechtmäßigen Nutzung des Meeres, eine Beeinträchtigung des Gebrauchswerts des Meerwassers und eine Verringerung der Annehmlichkeiten der Umwelt ergeben oder ergeben können.“ 46 Resolution v. 12.9.1979 gegen die Belastung von Flüssen und Seen, Art. I: “Aux fins de la présente résolution, ou entend par „pollution“ tout altération physique, chimique ou biologique de la composition ou de la qualité des eaux resultant directement ou indirectement d’une action de l’homme qui porte atteinte aux utilisations légitimes de ces eaux et qui cause ainsi un dommage.” Der Text der Resolution ist abgedruckt bei: Bernhardt (Hrsg.), Umweltschutz, S. 173 f. 47 Vgl. hierzu Asche, S. 12. 48 “A definition of a term should be limited to a description rather than expanded to include legal incidents”; ILA Rep. 1966, S. 495. Siehe auch G. Bornheim, S. 28. 49 ILA-Definition in den Montreal-Regeln von 1982: „’Transfrontier pollution’ means pollution of which the physical origin is wholly or in part situated within the territory of one State and which has deleterious effects in the territory of another State”; ILA Rep. 1982, S. 157 ff. Allerdings wird die enge territoriale Eingrenzung dieser Definition kritisiert, vgl. G. Bornheim, S. 29 f.

III. Definition der Umweltschädigung

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zu sein.50 Ausnahmen davon sind die zum Teil recht weit gehaltenen Definitionen in Art. 2 Nr. 2 der IVU-Richtlinie, in Art. 2 Nr. 1 der Umwelthaftungsrichtlinie und in Erwägungsgrund 24 der Rom II-Verordnung. a) IVU-Richtlinie Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 96/61/EG,51 die auf die integrierte Vermeidung von Emissionen aus Industrieanlagen in Luft, Wasser und Boden gerichtet ist, enthält eine auf die Ziele der Richtlinie zugeschnittene Definition der Umweltverschmutzung. Die IVU-Richtlinie legt für bestehende und neu zu genehmigende Industrieanlagen52 mit hohem Verschmutzungspotential Anforderungen hinsichtlich der Verminderung von Emissionen in alle Umweltmedien fest. Dementsprechend umfasst der Begriff der Umweltverschmutzung auf menschliches Verhalten zurückzuführende Industrieemissionen, die geeignet sind, die von der Norm benannten Schutzgüter zu schädigen. Hierzu gehören die menschliche Gesundheit, Sachwerte, aber auch die Umweltqualität sowie „Annehmlichkeiten und andere legitime Nutzungen der Umwelt“. Diese Definition ähnelt der des deutschen Immissionsschutzrechts in § 3 Abs. 1 BImSchG, die sich allerdings nur auf Immissionen bezieht,53 während der gemeinschaftsrechtliche Begriff nicht nur weiter ist, sondern auch einen anderen Ansatzpunkt hat. Hier stehen potentiell gefährliche Emissionen im Vordergrund, die Schädigung selbst wird nicht direkt erfasst. Die IVU-Richtlinie setzt insoweit früher an und will bereits – basierend auf dem Verursacher- und dem Vorsorgeprinzip –54 die Emissionen selbst verhindern, die zu Umwelterschmutzungen führen können. Konkret-individuelle Schäden werden so nur indirekt verhindert. Die Richtlinie sieht in dieser Hinsicht auch keine Sanktionsmechanismen vor. b) Umwelthaftungsrichtlinie Die Umwelthaftungsrichtlinie,55 die entgegen ihrem Titel zunächst Gefahrenabwehr- und Sanierungspflichten vorsieht, an die sich eine eventuelle

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Calliess in: Hansmann/Sellner (Hrsg.), 2, Rn. 11. Richtlinie 96/61/EG des Rates v. 24.9.1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung, ABl. EU L 257 v. 10.10.1996, S. 26 (IVURichtlinie). 52 Vgl. Anhang I der Richtlinie. 53 Hansmann in: Hansmann/Sellner (Hrsg.), 6, Rn. 3. 54 Vgl. Erwägungsgrund 1 der IVU-Richtlinie. 55 Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABl. EU L 143 v. 30.4.2004, S. 56. 51

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2. Kapitel – Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

Haftung knüpft,56 enthält in Art. 2 Nr. 1 und 2 eine allgemeine Definition des Umweltschadens. Der Umweltschaden nach Art. 2 Nr. 1 Umwelthaftungsrichtlinie umfasst zum einen nachteilige Auswirkungen für die biologische Vielfalt nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie57 und nach der Vogelschutzrichtlinie58, zum anderen Schäden an Gewässern nach der Wasserrahmenrichtlinie59 sowie am Boden.60 Die Definition ist trotz ihrer dezidierten Verweisungstechnik recht umfassend und beinhaltet auch Schäden an immateriellen Gemeinschaftsgütern sowie teilweise auch ökologische Schäden. Der Schutz des Bodens ist allerdings auf Gefahren für die menschliche Gesundheit beschränkt. Von Bedeutung ist weiterhin, dass mit Blick auf die Umweltmedien Luftverschmutzungen nicht erfasst werden. Die Definition in der Umwelthaftungsrichtlinie wird durch verschiedene Zusatzdefinitionen detailliert, aber auch eingeengt. So wird der Ausgangszustand gesondert definiert. Insbesondere in Genehmigungen einbezogene nachteilige Auswirkungen auf Lebensräume und Arten fallen dagegen nicht unter den Schadensbegriff der Richtlinie.61 Die Begriffsbestimmung in der Richtlinie vereinigt zwar die Schutzgüter verschiedener bestehender Umweltschutzinstrumente des Gemeinschaftsrechts, als allgemeingültige Definition – gerade für die zivilrechtliche Umwelthaftung – eignet sie sich allerdings nicht. Sie erfasst nur Teilbereiche der vorkommenden Umweltbeeinträchtigungen, insbesondere wird die Luftverschmutzung vollkommen ausgeklammert und der Schutz der anderen Umweltmedien Boden und Gewässer nur punktuell durch bereits bestehende Spezialrichtlinien abgedeckt.62 Ferner erfasst die Definition in Art. 2 Nr. 1 Umwelthaftungsrichtlinie vor allen Dingen Schädigungen von Schutzgütern der Allgemeinheit, bzw. ökologische Schäden, während der Schutz von Individualrechtsgütern nur eine untergeordnete

56 Die Richtlinie ist eine Mischung aus öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Regelungen. Sie verleiht Individuen keine Rechte, sondern regelt lediglich die Verantwortlichkeit und Haftung der Privaten gegenüber dem Staat. Vgl. im Einzelnen Spindler, UTR 90 (2006), 147; Becker, NVwZ 2005, 371. 57 Richtlinie 92/43/EWG des Rates v. 21.5.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen, ABl. L 206 v. 22.7.1992, S. 7. 58 Richtlinie 79/409/EWG des Rates v. 2.4.1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten, ABl. L 103 v. 25.4.1979, S. 1. 59 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und der Rates v. 23.10.2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABl. EU L 327 v. 22.12.2000, S. 1. 60 Vgl. auch Landmann/Rohmer-Rehbinder, 61.EL (2011), Vor RL 2004/35/EG, Rn. 28 ff.; Becker, NVwZ 2005, 371 (372 f.). 61 Art. 2 Nr. 1 lit. a Umwelthaftungsrichtlinie. 62 Hager, UTR 81 (2004), 211 (214); auch die ökologischen Schäden werden nur ausschnittsweise erfasst; Wagner, UTR 81 (2004), 73 (80 f.).

III. Definition der Umweltschädigung

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Rolle spielt.63 Dieser steht allerdings bei der zivilrechtlichen Umwelthaftung im Mittelpunkt, Allgemeingüter werden von dieser nicht geschützt. Darüber hinaus ist diese Definition gerade für die Zwecke dieser Arbeit nicht adäquat, da sie explizit von Genehmigungen erfasste Schädigungen ausschließt. Diese wiederum müssen aber in diesem Zusammenhang zunächst erfasst werden, um überhaupt eine zivilrechtliche Haftung auslösen zu können. c) Rom II-Verordnung Für die Sonderanknüpfung in Art. 7 Rom II-Verordnung enthält Erwägungsgrund 24 der Verordnung eine Definition der „Umweltschadens“. Ursprünglich war eine Definition in der Verordnung nicht vorgesehen, da der Begriff als selbsterklärend angesehen wurde. Außerdem sollte der Anwendungsbereich – insbesondere aufgrund der unüberschaubar vielfältigen Arten von Umweltschädigungen – möglichst weit gehalten werden.64 Die jetzige Definition ist das Kompromissergebnis einer der vielen Kontroversen zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission wegen der einzelnen Regelungen der Rom II-Verordnung.65 Im ersten Kommissionsvorschlag bestand für die Sonderanknüpfung der Umweltschädigungen nur ein allgemeiner Erwägungsgrund, der die Ziele und Berechtigung der Sonderanknüpfung umriss.66 Nach einem Änderungsantrag des Parlaments zu diesem Vorschlag sollte die Sonderanknüpfung komplett gestrichen werden, da die allgemeinen Regeln grundsätzlich ausreichend seien und außerdem eine klare Definition der Umweltschädigung fehle. Mit einer verbindlichen Definition könne die Anknüpfung aber unter Umständen erhalten bleiben.67 Eine präzise Begriffsbestimmung wurde auch in der Literatur zum Kommissionsvorschlag gefordert.68 Im zweiten geänderten Kommissionsvorschlag für die Rom II-Verordnung vom 21. Februar 2006 hielt die Kommission an der Sonderanknüpfung fest, fügte dem damaligen Erwägungsgrund 14 aber als Regelbeispiele für Umweltschäden diejenigen hinzu, die von der Umwelthaftungsrichtlinie69 erfasst werden.70 Der Ge63

Vgl. auch Wagner, UTR 81 (2004), 73 (79) mwN. KOM(2003) 427 endg. S. 21 65 Zur Entwicklungsgeschichte der Verordnung und der Sonderanknüpfung siehe unten 5. Kapitel, II. 66 Erwägungsgrund 13 des ersten Kommissionsvorschlag; KOM(2003) 427 endg. 67 EP-Dokument A6-0211/2005 endg. S. 11 und 26. 68 Stone, EuLF 2004, 213 (228) 69 Richtlinie 35/2004/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden; ABl. EU L 143 v. 30.4.2004, S. 56. 70 KOM(2006) 83 endg. S. 7 und 12. 64

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2. Kapitel – Grundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

meinsame Standpunkt des Rates enthielt dieses Regelbeispiel jedoch nicht mehr,71 was zu einer erneuten Ablehnung der Sonderanknüpfung durch das Parlament führte. Es forderte weiterhin zumindest eine Definition der Umweltschädigung,72 die es in seinem Standpunkt vom 18. Januar 2007 wiederum anhand der Begriffsbestimmung der Umwelthaftungsrichtlinie als selbständigen Erwägungsgrund einbrachte.73 Die Kommission ging schließlich in ihrem Standpunkt vom 14. März 2007 grundsätzlich auf die Forderung nach einer Definition der Umweltschädigung ein, wies den Vorschlag des Parlaments aber als zu restriktiv zurück.74 Im folgenden Vermittlungsverfahren einigte man sich auf eine unabhängige Definition, die sich allein im jetzigen Erwägungsgrund 24 der Rom II-Verordnung findet. Erwägungsgrund 24 der Verordnung lautet: „ ‚Umweltschaden‘ sollte eine nachteilige Veränderung einer natürlichen Ressource, wie Wasser, Boden oder Luft, eine Beeinträchtigung einer Funktion, die eine natürliche Ressource zum Nutzen einer anderen natürlichen Ressource oder der Öffentlichkeit erfüllt, oder eine Beeinträchtigung der Variabilität unter lebenden Organismen umfassen.“

Diese Begriffsbestimmung ist so weit gehalten, dass sie im Prinzip alle Arten von Umweltbeeinträchtigungen der Umweltmedien erfasst. Sie ist ähnlich umfassend wie die weite Definition der OECD von 1977 und der ILA von 1982.75 Allerdings umfasst die Begriffsbestimmung neben reinen Beeinträchtigungen von Wasser, Luft, Boden, Ökosystemen und Arten insbesondere auch Schädigungen von Personen oder Sachen durch Umwelteinwirkungen. Entscheidend ist, dass der Schaden, der ersetzt bzw. verhindert werden soll, auf dem Umweltpfad, also mittels der Umweltmedien Luft, Wasser oder Boden, verursacht worden ist.76 4. Zivilrechtliche Bedeutung einer „Umweltschädigung“ Im öffentlichen Umweltschutzrecht wird als Umweltverschmutzung jede Veränderung der natürlichen physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften eines Umweltmediums als kausale Folge eines menschlichen Verhaltens verstanden.77 Dagegen ist der Begriff der Umweltschädigung im Zivilrecht – insbesondere vor dem Hintergrund des Ausgleichs von Integritätsinteressen – ein anderer. So steht bei den einschlägigen 71

Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 22/2006; ABl. EU 2006/C 289 E/04, vgl. Erwägungsgrund 22. 72 EP-Dokument A6-0481/2006 endg. S. 26. 73 EP-Dokument A6-0257/2007 endg. S. 9; Standpunkt des Europäischen Parlaments v. 18.1.2007; ABl. EU C 244 E/194 v. 18.1.2007. 74 KOM(2007) 126 endg. S. 4. 75 Vgl. oben. 76 Wagner, IPRax 2008, 1 (9); Heiss/Loacker, JBl. 2007, 613 (629 f.). 77 Müller-Chen, SZIER 1997, 213 (216).

III. Definition der Umweltschädigung

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Normen der zivilrechtlichen Umwelthaftung, wie zum Beispiel § 3 Abs. 1 UmweltHG oder auch Art. 7 Rom II-VO, der konkret-individuelle Schaden im Vordergrund. Diese Umweltschädigungen umfassen auch die Tier- und Pflanzenwelt, wenn diese einem der geschützten Individualrechtsgüter zugeordnet sind. In Verbindung mit einem Grundstück ist das für die Flora in den meisten Fällen gegeben, und in Bezug auf die Fauna bestehen zum Teil eigentums- oder besitzrechtliche Zuordnungen.78 Der Umweltbezug ergibt sich daraus, dass der Schaden durch eine Umwelteinwirkung vermittelt wurde.79 So wird auch der (ökologische) Schaden an der Umwelt selbst nicht oder nur reflexartig von der zivilrechtlichen Umwelthaftung erfasst. Entscheidend ist, dass die Einwirkung über den so genannten Umweltpfad passiert, was bedeutet, dass die Immission über ein Umweltmedium – Boden, Luft, Wasser – verursacht werden muss. Für die Auswirkungen von umweltrechtlichen Anlagengenehmigungen gelten allerdings noch weitere Voraussetzungen. Die privatrechtsgestaltenden Präklusionsnormen knüpfen in der Regel nicht an einen allgemein gehaltenen Begriff, wie beispielsweise den der Umweltschädigung, an, sondern gelten für die von der Genehmigung erfassten Auswirkungen bestimmter Tätigkeiten. Es ist in diesem Zusammenhang weder nötig noch möglich eine allgemeingültige Definition der Umweltschädigung bzw. -beeinträchtigung zu finden. Die jeweils erfassten Emissionen bzw. die daraus resultierenden Immissionen lassen sich für jede Anlage individuell anhand der Festsetzungen der Genehmigung selbst sowie den allgemeinen Bestimmungen der Ermächtigungsgrundlage bestimmen. So beziehen sich beispielsweise die in § 14 Satz 1 BImSchG erwähnten nachteiligen Auswirkungen auf die entsprechende Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 1 BImSchG sowie die Festlegungen der konkreten Genehmigung.80 Gleiches gilt für § 11 WHG81 und in Österreich für § 364a ABGB82.

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Z.B. Jagd- und Fischereirechte. Wagner, UTR 81 (2004), 73 (77). 80 Landmann/Rohmer-Rehbinder, 61.EL (2011), § 14 BImSchG, Rn. 23; Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 14, Rn. 7. 81 Landmann/Rohmer-Pape, 61.EL (2011), § 11 WHG, Rn. 5 und 8. 82 Schwimann-Oberhammer, ABGB, 3.A. (2005), § 364a, Rn. 2; Gimpel-Hinteregger, S. 123 ff. 79

3. Kapitel

Anspruchsgrundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung I. Einleitung Die Haftung für Umweltschäden ist zivilrechtlich sowohl durch spezielle Normen des Delikts- und Nachbarrechts als auch durch richterrechtliche Anpassungen der allgemeinen Haftungstatbestände geregelt. Den meisten Regelungssystemen liegen gemeinsame Grundsätze zugrunde, in deren Ausgestaltung jedoch zum Teil erhebliche Unterschiede bestehen. Gemeinsam ist den Systemen der zivilrechtlichen Umwelthaftung jedoch zum einen, dass die Grundtatbestände in der Regel im Bereich der verschuldensabhängigen Haftung angesiedelt sind, wohingegen Spezialmaterien oft mittels Sondertatbeständen der Gefährdungshaftung geregelt sind. Des Weiteren enthalten die meisten Rechtsordnungen öffentlich-rechtliche Regelungen für die Erteilung von Genehmigungen – zum Beispiel zur Errichtung und zum Betreiben von Industrieanlagen oder zur Einleitung von Abwässern in Gewässer. Die Genehmigungen haben oft zivilrechtsgestaltende Wirkungen, so dass mit ihnen Präklusionsvorschriften für die zivilrechtlichen Haftungsansprüche oder andere Anspruchsbeschränkungen verbunden sind. Im Folgenden wird überblicksartig das Instrumentarium des Umwelthaftungsprivatrechts anhand der verschiedenen Anspruchstypen für die Abwehr und den Ersatz von Umweltschäden am Beispiel des deutschen Rechts vorgestellt. Das deutsche Zivilrecht hält für die Umwelthaftung Anspruchsgrundlagen für Abwehransprüche (Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch), Ansprüche auf Schutzmaßnahmen und Schadensersatzansprüche bereit. Letztere lassen sich weiter in in die Tatbestände der verschuldensabhängigen Haftung, der sogenannten Aufopferungshaftung und der Gefährdungshaftung unterteilen.

II. Unterlassungsanspruch

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II. Unterlassungsanspruch Die negatorischen Ansprüche, die auf Unterlassung von umweltschädliche Immissionen verursachende Tätigkeiten oder auf Unterlassung der Fortsetzung des Betriebes von emittierenden Anlagen gerichtet sind, sind in der Regel die effektivsten und eingriffsintensivsten Instrumente der zivilrechtlichen Umwelthaftung. Sie verhindern auf unmittelbare Weise, dass die betreffenden Umweltschädigungen aktiv fortgesetzt werden, und greifen so am stärksten in den Geschäftsbetrieb und die freie wirtschaftliche Entfaltung des Schädigers ein. Der immissionsrechtliche, verschuldensunabhängige Störungsbeseitigungs- und Unterlassungsanspruch findet sich im deutschen Zivilrecht in § 1004 BGB. Unmittelbar gilt die Norm nur für negatorische Abwehransprüche bei Beeinträchtigungen des Eigentums.1 Von besonderer Bedeutung für die zivilrechtliche Umwelthaftung ist, dass dieser sachenrechtliche, auf das Eigentum bezogene negatorische Anspruch von der Rechtsprechung schon früh2 auf die anderen von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechte und Rechtsgüter3 erweitert wurde und so dessen quasi-negatorisches4 Anspruchspendant darstellt. Dogmatisch werden die quasi-negatorischen Ansprüche zwar aus den Grundlagen des deliktischen Schadensersatzrechts hergeleitet, sollen aber auch an dieser Stelle mitbehandelt werden, da sie den gleichen Anspruchsinhalt und auch die gleichen Anspruchsvoraussetzungen bezogen auf das jeweilige Rechtsgut haben. Durch den Anspruch aus § 1004 BGB lassen sich Immissionen nicht nur umfänglich, sondern auch schon im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes abwehren. 1 § 862 BGB gibt dem Besitzer eines Grundstücks die gleichen Ansprüche; MüKoJoost, 4.A. (2004), § 862, Rn. 2 ff. – bei den sonstigen beschränkt dinglichen Rechten wird zum Teil auf § 1004 BGB verwiesen (Grunddienstbarkeit, § 1027 BGB; Nießbrauch, § 1065 BGB; persönliche Dienstbarkeit, § 1090 Abs. 2 BGB; Pfandrecht § 1227 BGB). 2 RGZ 60, 6; MüKo-Wagner, 5.A. (2009), Vor § 823, Rn. 35 f.; Staudinger-Gursky, Neub. (2006), § 1004, Rn. 15 f. mwN. 3 Die geschützten Rechtsgüter sind: Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, besondere Persönlichkeitsrechte und allgemeines Persönlichkeitsrecht, Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb; MüKo-Medicus, 4.A. (2004), § 1004, Rn. 6. Aus dieser Übertragung folgt allerdings auch die problematische Fragestellung, ob sozusagen auf umgekehrtem Wege auch die Duldungspflicht aus §§ 1004 Abs. 2 in Verbindung mit 906 Abs. 2 Satz 2 BGB im Wegen der Analogie auf den Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB übertragen werden muss; vgl. BGHZ 92, 143 (149), im Einzelnen unten III.1.a.(1). 4 Bei den beschriebenen Ansprüchen aus § 1004 BGB wird unterschieden zwischen negatorischen, quasi-negatorischen und deliktischen Ansprüchen, da dies für den Anspruchsinhalt und seine Voraussetzungen jedoch nicht von Belang ist, unterbleibt hier eine Auseinandersetzung mit diesen Begriffen; siehe MüKo-Medicus, 4.A. (2004), § 1004, Rn. 10 mwN.

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3. Kapitel – Anspruchsgrundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

Der Beseitigungsanspruch hat bei Immissionen geringere Bedeutung als der Unterlassungsanspruch, da diese entweder bereits geschehen sind oder kurz bevorstehen. Der Anspruch ist nur auf die Beseitigung der konkreten Ursache der konkreten Beeinträchtigung, sprich der Immission gerichtet. Zwar kann in Zusammenhang mit der Beseitigung der konkreten Beeinträchtigungsquelle argumentiert werden, dass sich die Beseitigung auf die Verhinderung künftiger Beeinträchtigungen richtet. Bei Umweltimmissionen entspricht eine solche Beseitigung jedoch in den meisten Fällen einer Unterlassung der entsprechenden Emission und ist dann an die zusätzliche Voraussetzung des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gebunden (Unterlassungsanspruch). § 1004 BGB regelt in Verbindung mit § 906 BGB den nachbarrechtlichen Unterlassungsanspruch bei Grundstücksimmissionen. In diesem Zusammenhang erlangt die Duldungspflicht im Sinne von § 1004 Abs. 2 BGB besondere Bedeutung. Spätestens seit der Kupolofen-Entscheidung des BGH5 ist § 906 BGB die zentrale Norm der zivilrechtlichen Haftung für Umweltschäden.6 Die Vorschrift wird in vielen Fällen zur Bestimmung des inhaltlichen Maßstabes für die materiellen Voraussetzungen der verschiedenen Anspruchsgrundlagen herangezogen und gestaltet als eine der Inhaltsbestimmungen des Eigentums dessen Zuweisungsgehalt. In direkter Anwendung ist § 906 BGB jedoch auf den nachbarschaftlichen Bereich beschränkt, welcher aber, insbesondere bei grenzüberschreitenden Immissionen, Hauptfall der zivilrechtlichen Umwelthaftung ist. Der Anspruch aus §§ 1004, 906 BGB hat zwei Voraussetzungen – die Rechtsgutsbeeinträchtigung oder deren drohender Eintritt und die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung, welche wiederum entfällt, wenn der Betroffene zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist (§ 1004 Abs. 2 BGB). § 906 BGB regelt diese Duldungspflicht im nachbarrechtlichen Bereich7 und somit auch für die negatorischen Ansprüche der zivilrechtlichen Umwelthaftung. Erste Voraussetzung ist das Vorliegen einer Beeinträchtigung des Eigentums. Diese darf sich nicht in der Entziehung oder der Vorenthaltung des Besitzes erschöpfen. Sie muss sich auf ein menschliches Verhalten –

5

Urteil vom 18.9.1984, BGHZ 92, 143, in dem der BGH die Beweislast bei Schadensersatzansprüchen wegen Anlagenemissionen materiell an die Wertungen des § 906 BGB und mit Blick auf eine differenzierte Beweislastverteilung an die Grundsätze der Produzentenhaftung anlehnt. 6 Auch die speziellen nachbarrechtlichen Vorschriften der §§ 364, 364a ABGB im österreichischen Zivilrecht wurden Anfang des 20. Jahrhunderts unter anderem aus § 906 BGB rezipiert; Schwimann-Oberhammer, ABGB, 3.A. (2005), § 364a, Rn. 2. 7 Palandt-Bassenge, 70.A. (2011), § 1004, Rn. 38; Erman-Lorenz, 12.A. (2008), § 906, Rn. 3; Staudinger-Gursky, Neub. (2006), § 1004, Rn. 176.

II. Unterlassungsanspruch

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oder ein pflichtwidriges Unterlassen – zurückführen lassen8 und fortdauern.9 Bei Grundstücksimmissionen, dem Hauptfall der zivilrechtlichen Haftung für (grenzüberschreitende) Umweltschäden, passiert die Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB durch die Zuführung so genannter unwägbarer Stoffe (Immission). Dieses Erfordernis ergibt sich aus dem Begriff des Störers und der Beeinträchtigung des § 1004 BGB. Näher bestimmt und – wenn auch nicht abschließend – aufgezählt werden diese Imponderabilien in § 906 Abs. 1 BGB. Weiterhin müssen diese Immissionen rechtswidrig sein. Hauptsächlich bedeutet dies, dass dem (potentiell) Geschädigten keine Duldungspflicht nach § 1004 Abs. 2 BGB auferlegt sein darf. Im nachbarrechtlichen Bereich wird die Duldungspflicht im Wesentlichen von § 906 BGB bestimmt. § 906 Abs. 1 BGB begründet eine Duldungspflicht hinsichtlich „unwesentlicher“ Immissionen, welche teilweise definiert werden (Satz 2 und 3). Zur Feststellung der Wesentlichkeit wird das objektiv messbare Ausmaß der Immission in Verhältnis zum mutmaßlichen subjektiven Empfinden des Betroffenen10 gesetzt. Daran schließt sich eine umfassende Güterabwägung und Gesamtbetrachtung an, in die auf Schädigerseite insbesondere der gesellschaftliche Nutzen der der Immission zugrunde liegenden Tätigkeit einfließt.11 Besonderen, aber nicht absoluten Einfluss auf die Feststellung der Wesentlichkeit einer Immission haben die in öffentlich-rechtlichen Gesetzen, Verordnungen und andere untergesetzlichen Normen (z.B. TA Lärm12, TA Luft13) festgelegten Grenzwerte. Ihre Einhaltung begründet zwar nicht zwingend die Unwesentlichkeit der Immission, hat aber eine starke Indizwirkung.14 Außerdem müssen nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB auch wesentliche Immissionen geduldet werden, wenn diese „ortsüblich“ und mit vertretbaren Schutzvorkehrungen nicht vermeidbar15 sind. 8

Unter anderem BGH NJW-RR 2001, 232. Palandt-Bassenge, 70.A. (2011), § 1004, Rn. 27; MüKo-Baldus, 5.A. (2009), § 1004, Rn. 32. 10 Subjektiver, gebietsbezogener Maßstab: Prägung der Umgebung, tatsächliche Nutzung der dort belegenen Grundstücke. Parallelwertung der Wesentlichkeit mit der „schädlichen Umwelteinwirkung“ nach § 3 Abs. 1 BImSchG, vgl. BVerwGE 79, 254; BGH NJW 1990, 2465; NJW 1993, 925. 11 MüKo-Säcker, 5.A. (2011), § 906, Rn. 34 ff.; Staudinger-Roth, Neub. (2002), § 906, Rn. 177 ff. 12 Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BImSchG (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) v. 26.8.1998, GMBl. S. 503. 13 Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BImSchG (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) v. 24.7.2002, GMBl. S. 511. 14 So zum Bespiel der BGH in der Kupolofen-Entscheidung, BGHZ 92, 143 (151 f.). 15 MüKo-Wagner, 5.A. (2009), § 823, Rn. 680. Als Minus zum Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch bleibt dem Geschädigten in dem Fall, dass die wesentlichen 9

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3. Kapitel – Anspruchsgrundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

Im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch kommt noch eine weitere Anforderung hinzu. Gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB müssen „weitere Beeinträchtigungen zu besorgen“, das heißt zu befürchten, sein. Es muss also eine Wiederholungsgefahr bestehen. Trotz dieses Wortlauts reicht es aber für den Unterlassungsanspruch bereits aus, wenn die erste Beeinträchtigung kurz bevorsteht, da sonst die präventive Funktion des Unterlassungsanspruchs nicht erfüllt werden könnte.16 Adressat des Anspruches ist derjenige, dem die Beeinträchtigung zugerechnet wird. Das kann sowohl der Handlungs- als auch der Zustandsstörer sowie der mittelbare Störer17 sein.18 Die Rechtsfolgen des Anspruchs aus § 1004 BGB sind eindeutig, lassen wenig Ermessenspielraum und sind oft einschneidend für den Störer. Im Falle der Beseitigung der Beeinträchtigung ist ihre Abstellung für die Zukunft geschuldet. Die Kosten hierfür trägt der Störer.19 Im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch wird nicht nur die reine Unterlassung der jeweiligen Emission, also ein Untätigbleiben geschuldet, sondern unter Umständen auch ein aktives Einwirken, das den Eintritt der drohenden Beeinträchtigung verhindert. Hierzu müssen alle zumutbaren rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Mittel ausgeschöpft werden.20 Vom ökologischen Standpunkt aus sind die Unterlassungsansprüche in besonderem Maße wünschenswert, da sie nicht nur auf bereits eingetretene Beeinträchtigungen reagieren, sondern auch zukünftige verhindern können. Außerdem ist hier die mittelbar umweltschützende Reflexwirkung der zivilrechtlichen Umwelthaftung über den reinen Ersatz des Individualinteresses hinaus am größten. Allerdings sind die Unterlassungsansprüche so auch immer die ersten „Opfer“ von Präklusionsvorschriften, insbesondere

Immissionen durch Schutzmaßnahmen vermieden, bzw. verringert werden können, ein aus § 1004 BGB abgeleiteter Anspruch auf diese Maßnahmen, siehe unten II.1. Zur Bestimmung der Ortsüblichkeit: MüKo-Säcker, 4.A. (2004), § 906, Rn. 89 ff. mwN. 16 Palandt-Bassenge, 70.A. (2011), § 1004, Rn. 32; Staudinger-Gursky, Neub. (2006), § 1004, Rn. 214; MüKo-Baldus, 5.A. (2009), § 1004, Rn. 134 ff. Bereits eingetretene Beeinträchtigungen können dazu lediglich ein (starkes) Indiz für weitere Beeinträchtigungen sein. 17 Unter anderem BGHZ 106, 229 (235). 18 Störer im Sinne des § 1004 BGB ist jeder, der die Immission durch sein Handeln verursacht, soweit er nicht nur ein abhängig Beschäftigter ohne eigenen Entschließungsspielraum ist, und jeder der trotz einer sich aus einer Verkehrssicherungspflicht ergebenden Handlungsverpflichtung nicht zum Verhindern Immission tätig wird. Ausführlich zum Ganzen: Staudinger-Gursky, Neub. (2006), § 1004, Rn. 92 ff. mwN. 19 Erman-Ebbing, 12.A. (2008), § 1004, Rn. 68 ff.; MüKo-Baldus, 5.A. (2009), § 1004, Rn. 126 ff. 20 Palandt-Bassenge, 70.A. (2011), § 1004, Rn. 33.

II. Unterlassungsanspruch

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wenn diese in Verbindung mit Anlagengenehmigungen stehen.21 Dies liegt in der Ratio der Anlagengenehmigungen begründet, gerade bei großen Anlagen den Betreibern Rechts- und Investitionssicherheit zu verschaffen und somit die genehmigten Anlagen in ihrer Existenz zu schützen. Im deutschen Recht ziehen die meisten öffentlich-rechtlichen Genehmigungen und Bewilligungen eine Präklusion der Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach sich.22 23

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Vgl. nur §§ 14 Satz 2 BImSchG, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Ausnahmen bestehen nur dort, wo entweder der beschriebene Sinn und Zweck der Genehmigungen nicht von größerer Bedeutung ist (z.B. private Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser, die „im übrigen vorbehaltlich der Rechte Dritter“ ergehen, da die Investitionen hier in der Regel deutlich geringer als bei industriellen Anlagen sind und der soziale und wirtschaftliche Nutzen für die Allgemeinheit sich in Grenzen hält), oder wenn die von eventuellen Immissionen betroffenen/gefährdeten Allgemeingüter von deutlich größerer Bedeutung als die Interessen des Anlagenbetreibers und deren soziale Vorteile sind (z.B. die wasserrechtliche Erlaubnis nach § 7 WHG, die kein subjektives öffentliches Recht begründet und die einzige behördliche „Genehmigung“ ist, um Stoffe in Gewässer einzuleiten; hier ist die Sauberkeit der Gewässer und insbesondere des Grundwassers von überragender Bedeutung für die Allgemeinbelange der Versorgung und Gesundheit der Bevölkerung). 23 So auch das österreichische Zivil- und Nachbarrecht: § 364a ABGB präkludiert den Unterlassungsanspruch, wenn eine behördliche Genehmigung für die Industrieanlage, von der die schädliche Immission verursacht wird, besteht. Der Grundstückseigentümer erhält dafür, dass ihm das an sich bestehende Untersagungsrecht entzogen wird, einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch. Die Auswirkungen des § 364a ABGB auf zwischenstaatliche Sachverhalte war Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH (Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, EuZW 2010, 26). Dort wurde die Frage der Anwendbarkeit der Vorschrift auf ausländische atomrechtliche Genehmigungen erörtert. Siehe hierzu 7. Kapitel, II. Anders ist dies beispielsweise im polnischen Recht. Weder der spezielle verschuldensabhängige Abwehranspruch gemäß Art. 323 § 1 des Umweltgesetzes (Polnisches GBl. 2001/62/627; in Kraft getreten am 1.10.2001) noch andere Abwehransprüche oder Schadensersatzansprüche werden gemäß Art. 325 des Umweltgesetzes von einer eventuell bestehenden Anlagengenehmigung ausgeschlossen. Auch wenn sich die Tätigkeiten der Anlagenbetreiber eindeutig innerhalb der Vorgaben der entsprechenden Genehmigung halten, können diese keine privatrechtsgestaltenden Wirkungen entfalten. Vgl. Wajda in: Brodecki (Hrsg.), S. 575. Ebenso ist es im französischen Umwelthaftungsrecht. Behördliche Genehmigungen ergehen zwar grundsätzlich unbeschadet der Rechte Dritter, der nachbarrechtliche negatorische Abwehranspruch (cessation des troubles de voisinage) wird jedoch in ständiger Rechtsprechung unter Berufung auf den Gewaltenteilungsgrundsatz und ein Schulderfordernis (faute) nur zugesprochen, wenn dieser nicht einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung zuwiderläuft; Arrêt de la Cour de Cassation, chambre civil, 1ere Section civile, 18.4.1989, Bull.civ. I No. 158; U. Wolf, S. 76 f. mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 22

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3. Kapitel – Anspruchsgrundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

III. Anspruch auf Schutzvorkehrungen Ansprüche auf die Durchführung von Schutzmaßnahmen oder auf die Errichtung und den Einbau von Schutzvorkehrungen, wie zum Beispiel Filteranlagen, sind oft nicht in eigenen Anspruchsgrundlagen gefasst. Sie sind stattdessen als mildere Mittel zu einer vollständigen Betriebseinstellung, sozusagen als „Minus“ in den allgemeinen oder speziellen Unterlassungsansprüchen enthalten. Deshalb teilen sie im Hinblick auf die mit Anlagengenehmigungen verknüpften zivilrechtsgestaltenden Präklusionsvorschriften auch gelegentlich das Schicksal der ihnen zugrunde liegenden Unterlassungsansprüche.24 Zum Teil bleiben sie allerdings von der Präklusion verschont,25 da sie als ein Weniger zur vollständigen Betriebseinstellung einen Interessenausgleich unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks der jeweiligen Genehmigung ermöglichen können. Wird zum Beispiel durch § 14 BImSchG ein Anspruch auf Betriebseinstellung ausgeschlossen, so wandelt sich dieser in einen Anspruch auf die Durchführung von Schutzmaßnahmen gegen die betreffenden Grundstücksimmissionen um. Dieser abgeleitete Anspruch setzt zunächst das grundsätzliche Bestehen eines durchsetzbaren Abwehranspruches des Nachbarn voraus. Weiter müssen die entsprechenden Schutzmaßnahmen26 geeignet, das heißt effektiv, und insbesondere technisch durchführbar sein. Schließlich müssen die Maßnahmen oder Vorkehrungen wirtschaftlich vertretbar sein.27 Sie dürfen bei Zugrundelegung eines objektiven Maßstabes nicht zur Folge haben, dass es die Anlagenstilllegung für den Betreiber eine betriebswirtschaftliche Alternative ist. Die Schutzmaßnahmen müssen die Immission nur auf das allgemein zulässige Maß zurückdrängen, da der Anspruch nicht weiter gehen kann als seine zivilrechtliche Grundlage.

24 Z.B. § 11 WHG, der allerdings jegliche zivilrechtlichen Ansprüche bewilligte Anlagen ausschließt. Auch das österreichische Recht sieht in § 364a ABGB nur einen auf Schadensersatz gerichteten Ausgleichsanspruch vor. 25 Z.B. § 14 BImSchG, der den Anspruch in Satz 1, 2. Halbsatz anordnet. So auch die französische Rechtsprechung, wenn eine gerichtliche Unterlassungsanordnung wegen einer Genehmigung ausscheidet; Arrêt de la Cour de Cassation, chambre civil, 5.11.1963, Recueil Dalloz 1964, 178. 26 Hierfür kommen z.B. in Frage: Schalldämpfer, Filter, Schutzwände, Veränderung der Verfahrensweise oder der verwendeten Rohstoffe. 27 Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 14, Rn. 15.

IV. Schadensersatz

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IV. Schadensersatz Die zivilrechtliche Umwelthaftung im engeren Sinn betrifft die im Folgenden beschriebenen Schadensersatzansprüche, die als Rechtsfolge Naturalrestitution oder eine Kompensation in Geld vorsehen.28 Diese Ansprüche lassen sich in drei Kategorien unterteilen: die klassischen deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüche,29 die Aufopferungsansprüche,30 und die Ansprüche aus Gefährdungshaftung31. 1. Deliktischer, verschuldensabhängiger Schadensersatzanspruch Im Zentrum der Verschuldenshaftung steht § 823 BGB. Die verschuldensabhängige, deliktsrechtliche Haftung auf Schadensersatz unterliegt im Falle der Beeinträchtigung der Rechte und Rechtsgüter des § 823 Abs. 1 BGB oder bei einer Schutzgesetzverletzung im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB den allgemeinen Haftungsregeln. Obwohl die klassischen deliktischen Ansprüche in der Regel mehr Tatbestandsvoraussetzungen und insbesondere ein schärferes Verschuldenserfordernis im Vergleich zu den anderen hier vorgestellten Ansprüchen haben, haben sie aber auch einige Vorteile. Zunächst sind sie als allgemeine Regeln des Deliktsrechts universell einsetzbar. Die Ansprüche erfassen mehr Emittenten und potentiell Geschädigte als das Nachbarrecht, da sie handlungsadressiert anstatt belegenheitsadressiert sind. Die Verschuldenshaftung schützt mehr Rechte und Rechtsgüter als Ansprüche aus dem Bereich der Gefährdungshaftung, wie zum Beispiel das Umwelthaftungsgesetz. Durch die Rechtsprechung ist auch die für die Geschädigten oft schwierige Beweisführung im Hinblick auf die Kausalität und das Verschulden erleichtert worden.32 Ferner existieren nach den allgemeinen Deliktsregeln keine Anspruchsbegrenzungen wie zum Beispiel nach § 5 (Anspruchsbeschränkung bei Sachschäden) oder § 15 UmweltHG (Haftungshöchstgrenzen). Außerdem kann über den Ersatz des materiellen

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Grundsätzlich geht die Naturalrestitution vor, wobei der Geschädigte jedoch ein Wahlrecht hat. Im Falle der tatsächlichen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Unmöglichkeit der Naturalrestitution wandelt sich der Anspruch in einen Kompensationsanspruch in Geld (§ 251 BGB). 29 Diese setzen regelmäßig eine Form von Verschulden voraus. 30 Diese Ansprüche dienen der Kompensation der Nachteile, die Einzelnen durch die Duldungspflichten, die im Interesse der Allgemeinheit bestehen, entstehen. 31 Diese setzen kein Verschulden des Schädigers voraus, sondern knüpfen an die grundsätzliche Gefährlichkeit von Verhalten an, das nur erlaubt ist, weil es sozialadäquat ist. 32 BGHZ 92, 143 (Kupolofen-Entscheidung).

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3. Kapitel – Anspruchsgrundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

Schadens hinaus gemäß § 253 Abs. 2 BGB auch Ersatz des immateriellen Schadens – wie zum Beispiel ein Schmerzensgeld – verlangt werden. Mit Blick auf die Auswirkung von Anlagengenehmigungen sind die deliktsrechtlichen Verschuldenshaftungsansprüche nur in Ausnahmefällen vollständig präkludiert. Nur Genehmigungen, die umfassende privatrechtsgestaltende Präklusionswirkungen haben,33 schließen sämtliche zivilrechtlichen Ansprüche und so auch alle Schadensersatzansprüche aus. Enthalten die Genehmigungen jedoch konkrete Immissionsgrenzwerte, so kann sich die Einhaltung dieser Grenzwerte negativ auf mögliche Beweiserleichterungen im Bereich der Rechtswidrigkeit der Immissionen für den Geschädigten auswirken,34 der mangels Einblick in den Anlagenbetrieb in der Regel große Beweisschwierigkeiten hat. Die Haftung nach beiden Absätzen von § 823 BGB setzt ein menschliches Verhalten voraus, das sowohl rechtswidrig als auch schuldhaft war. Es wird zunächst kurz die Haftung für die Verletzung eines absoluten Rechts oder Rechtsguts nach § 823 Abs. 1 BGB dargestellt und dann die Haftung für die Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB.35, 36 a) § 823 Abs. 1 BGB § 823 Abs. 1 BGB vermittelt auch im Bereich der Umwelthaftung klassischen Rechtsgüterschutz und setzt die Verletzung eines absoluten Rechts oder eines Rechtsgutes voraus. Deren Umfang ist genauso wie in allen anderen Fällen, die an § 823 Abs. 1 BGB anknüpfen, zu bestimmen. Auf materieller Ebene ist das Vorliegen einer „Umweltschädigung“, das heißt einer Schadensverursachung auf dem Umweltpfad, nicht Voraussetzung. Schwierigkeiten in der Beweisführung des Geschädigten bereiten der Nachweis der Kausalität zwischen Immission bzw. Emission und der Rechtsgutsbeeinträchtigung sowie der Nachweis des Verschuldens. Die 33

Wie z.B. die wasserrechtliche Bewilligung nach §§ 8, 11 WHG. Zur Auswirkung der Genehmigungen auf die Rechtswidrigkeit: BGHZ 92, 142 (150); Hager, NJW 1986, S. 1961. 35 Als weitere Anspruchsgrundlagen des allgemeinen Deliktsrechts für die Haftung für Umweltschädigungen kommen §§ 826 (Haftung für vorsätzliche sittenwidrige Schädigung), 831 und 823, 31 (Haftung für Dritte) und 839 (Staatshaftung) in Betracht, auf die hier der Vollständigkeit halber hingewiesen sein soll. Zu diesen Anspruchsgrundlagen im Umwelthaftungsrecht, vgl. Staudinger-Kohler, Umwelthaftungsrecht, Neub. (2002), Einl., Rn. 77 ff. mwN. 36 Anders zum Beispiel die deliktischen Anspruchsgrundlagen im französischen Recht (Art. 1382 und 1383 Code Civil), die nur allgemein an einen jemandem entstandenen Schaden anknüpfen, nicht jedoch an bestimmte geschützte Rechte, Rechtsgüter oder Schutzgesetze. Erforderlich für den Schadensersatzanspruch ist dort allein ein haftungsbegründendes Verhalten (faute) und ein kausaler Individualschaden (dommage). 34

IV. Schadensersatz

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Rechtsprechung hat für den Nachweis des Kausalzusammenhangs, der Rechtswidrigkeit und des Verschuldens die Möglichkeit von Beweiserleichterungen entwickelt. Für die Anwendung dieser Spezialregeln im Fall von umweltbeeinträchtigenden Immissionen, die von Industrieanlagen verursacht wurden, müssen jedoch die dort entwickelten Voraussetzungen erfüllt sein, damit der Geschädigte in den Genuss dieser grundsätzlich vorteilhaften Reglungen kommen kann.37 Im Hinblick auf Umweltschädigungen stehen bei der Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB die Schutzgüter Leben, Körper, Gesundheit und Eigentum im Vordergrund. Andere geschützte Rechte, wie zum Beispiel das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, das in der Regel mangels eines betriebsbezogenen Eingriff ausscheidet, spielen keine große Rolle. Für den Geschädigten ist es ein großes Problem den Kausalzusammenhang zwischen einer Emission und seiner erlittenen Rechtsgutsverletzung nachzuweisen. Hier hat der BGH in der Kupolofen-Entscheidung Möglichkeiten für Beweiserleichterungen mit Blick auf die Grenzwerte in Verwaltungsvorschriften und Anlagengenehmigungen geschaffen. Grundsätzlich muss der geschädigte Kläger den Kausalzusammenhang beweisen; sind aber die in den entsprechenden Verwaltungsvorschriften festgelegten Immissionsgrenzwerte überschritten, sind Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr vorstellbar.38 Die Rechtswidrigkeit der Schutzgüterbeeinträchtigung lässt sich nach dem BGH, der dies in der Kupolofen-Entscheidung auch über das Grundeigentum hinaus auf die anderen Schutzgüter des § 823 Abs. 1 BGB ausdehnt, an die Wertungen des Nachbarrechts in § 906 BGB anlehnen. Dies hat zur Folge, dass rechtsgutsschädigende Immissionen nicht rechtswidrig sind, wenn sie entweder unwesentlich (§ 906 Abs. 1 BGB) oder wesentlich, aber ortüblich und mit zumutbaren Schutzvorkehrungen nicht ver37

Die Umwelthaftung nach § 823 Abs. 1 BGB ist entscheidend durch den BGH in der „Kupolofen-Entscheidung“ (VI ZR 223/82, Urteil vom 18.9.1984, BGHZ 92, 143 ff.) beeinflusst worden. Der BGH hat die bereits entwickelten Grundsätze der Produzentenhaftung entsprechend angewandt und den nachbarrechtlichen § 906 BGB und öffentlichrechtliche Emissionsgrenzwerte (TA Luft) auf die zivilrechtliche Umwelthaftung von Anlagenbetreibern übertragen. 38 BGHZ 92, 143 (146 f.). Der Entscheidung liegt ein eher banaler Sachverhalt zugrunde. Durch die Staubauswürfe einer Schmelzanlage (Kupolofen) sind die Autos von Arbeitnehmer eines Nachbarbetriebes auf dessen Betriebsparkplatz am Lack beschädigt worden. Die Geschädigten haben den Betreiber der Schmelzanlage unter anderem nach § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz für die Schädigung ihres Eigentums verklagt. Obwohl die haftungsbegründende Kausalität in diesem Fall feststand, nahm der BGH in einem obiter dictum Bezug auf das öffentlich-rechtliche technische Regelwerk der TA Luft. Der BGH führt weiter aus, dass auch die Maßstäbe des § 287 ZPO hier Bedeutung erlangen könnten.

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3. Kapitel – Anspruchsgrundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

meidbar (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB) sind.39 Weiterhin wird die Beweislastverteilung des § 906 BGB übernommen, so dass es nach dem Nachweis der Kausalität dem Anlagenbetreiber obliegt, Unwesentlichkeit oder Ortsüblichkeit der Immissionen darzulegen. Hier sind insbesondere Grenzwerte aus den Technischen Anleitungen oder aus einer behördlichen Genehmigung von Bedeutung. Weist der Anlagenbetreiber die Einhaltung der entsprechenden Grenzwerte nach, so liegt es wiederum beim Geschädigten, dazulegen, dass Rechtsgutbeeinträchtigungen Dritter trotzdem objektiv erkennbar waren und diese durch zumutbare Maßnahmen hätten verhindert werden können. Auf der anderen Seite indiziert eine Überschreitung der Immissionswerte zwar die Rechtswidrigkeit, dies kann aber im Einzelfall widerlegt werden, wenn nachgewiesen wird, dass mit Schäden Dritter nicht zu rechnen war.40 Das Verschulden im Rahmen von § 823 BGB setzt grundsätzlich die Zurechnungsfähigkeit des Schädigers und dessen Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus. Es reicht grundsätzlich einfache Fährlässigkeit41 aus, die sich aus der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht ergeben kann. b) § 823 Abs. 2 BGB § 823 Abs. 2 BGB knüpft die Schadensersatzhaftung an die Verletzung eines Schutzgesetzes. Im Bereich der Umwelthaftung kommen hier viele Normen aus Öffentlichen Umweltschutzrecht,42 aus Straf-43 und Ordnungswidrigkeitenrecht44 sowie aus dem Zivilrecht45 in Betracht. Ein Schutz-

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Kritisiert wird an der Kupolofen-Entscheidung, dass der BGH zwar die Rechtswidrigkeit von Immission im Sinne des § 906 BGB einschränkt, bei einer Schädigung von anderen Schutzgütern eine entsprechende Anwendung des Aufopferungsanspruchs, der direkt nur im Hinblick auf das Grundeigentum gegeben ist, jedoch ablehnt. So werde der Zusammenhang von Duldungspflicht und der damit verbundenen Aufopferungshaftung auseinandergerissen; MüKo-Wagner, 5.A. (2009), § 823, Rn. 680; Wolfrum/Langenfeld, S. 190. 40 BGHZ 92, 143 (150 ff.); diese Grundsätze der Beweislastverteilung werden an die für die Produzentenhaftung nach § 823 BGB entwickelten angelehnt, da auch bei Emissionen von Industrieanlagen der Geschädigte in der Regel keinen Einblick in die betriebsinternen Abläufe des Emittenten hat. 41 Im Einzelnen: MüKo-Wagner, 5.A. (2009), § 823, Rn. 36 ff. mwN. 42 Z.B. §§ 4 Abs. 1 iVm 12 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 22 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG; § 4 Abs. 1,2,3 und 6, § 7 Satz 1und 2 BBodSchG; § 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1-4 KrW/AbfG; §§ 8 Abs. 3 und 4, 18b, 19, 38, 39 WHG; umfassend hierzu StaudingerKohler, Umwelthaftungsrecht, Neub. (2010), Einl., Rn. 77 ff. und MüKo-Wagner, 5.A. (2009), § 823, Rn. 683, 685 ff., 694. 43 Z.B. §§ 324 ff. StGB. 44 Z.B. § 41 WHG. 45 Z.B. §§ 906 ff. BGB.

IV. Schadensersatz

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gesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB muss zum einen Normqualität46 gemäß Art. 2. EGBGB haben und zum anderen dazu bestimmt sein, dem Schutz von Individualinteressen zu dienen,47 wie es zum Beispiel bei den dritt-(nachbar-)schützenden Normen des Öffentlichen Rechts der Fall ist. 48 Neben der Schutzgesetzverletzung setzt § 823 Abs. 2 BGB einen Zurechnungszusammenhang zwischen Schaden und Gesetzesverletzung voraus. Das heißt, dass das Schutzgesetz gerade einen solchen Schaden verhindern bzw. das Risiko seines Eintritts vermindern wollen muss. Der Geschädigte muss in den persönlichen Schutzbereich, der Schaden in den sachlichen Schutzbereich des Schutzgesetzes fallen. Die Rechtswidrigkeit wird durch die Schutzgesetzverletzung indiziert. Ferner muss die Verletzung des Schutzgesetzes schuldhaft geschehen sein. Hierbei ist der Verschuldensmaßstab des Schutzgesetzes maßgeblich, zumindest muss einfache Fahrlässigkeit vorliegen (§ 823 Abs. 2 Satz 2 BGB). 2. Aufopferungshaftung Die Aufopferungshaftung ist weiter von der Verschuldenshaftung entfernt als die Gefährdungshaftung, da sie ihre Wurzeln im öffentlich-rechtlich geprägten Enteignungsrecht hat. Sie soll wegen der graduell höheren Haftungsvoraussetzungen im Vergleich mit der Gefährdungshaftung jedoch schon an dieser Stelle behandelt werden. Die Aufopferungshaftung gewährt ansatzweise einen Ausgleich für Eingriffe in Individualrechtsgüter, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit oder eines privaten Dritten ausdrücklich erlaubt sind. Das Prinzip entstammt dem Nachbarrecht und spielt im privaten Umwelthaftungsrecht eine große Rolle. Die Aufopferungshaftung ist eine Haftung für Schäden, die sowohl durch den (genehmigten) Normalbetrieb einer Anlage als auch durch Störfälle verursacht werden. Zur Kompensation von Nachteilen, die jemand erleidet, dem eine zivil- oder öffentlich-rechtliche Duldungspflicht auferlegt ist, geben die deutschen zivilrechtlichen Aufopferungsansprüche dem Geschädigten das Recht, diese Nachteile gegenüber dem Schädiger (Emittenten) geltend zu machen. Im Vergleich zur allgemeinen deliktsrechtlichen Haftung sind diese Ansprüche an geringere Tatbestandsvoraussetzungen gebunden, können jedoch im Umfang beschränkt sein. Die Aufopferungsansprüche aus dem Nachbarrecht (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB) und aus dem Immissionsschutzrecht (§ 14 Satz 2 BImSchG) glei46 MüKo-Wagner, 5.A. (2009), § 823, Rn. 332 ff. mwN; Staudinger-Hager, Neub. (2009), § 823, Rn. G9. 47 MüKo-Wagner, 5.A. (2009), § 823, Rn. 346 ff.; Staudinger-Hager, Neub. (2009), § 823, Rn. G16 ff.; Staudinger-Kohler, Umwelthaftungsrecht, Neub. (2010), Einl., Rn. 75. 48 Staudinger-Hager, Neub. (2009), § 823, Rn. G22; U. Wolf, S. 39.

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3. Kapitel – Anspruchsgrundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

chen nur grundstücksbezogene Schäden aus. Für andere Körper- und Sachschäden kommen § 823 BGB und §§ 1 ff. UmweltHG als Anspruchsgrundlagen in Betracht. Die beiden Aufopferungshaftungsansprüche schließen sich gegenseitig aus. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB greift ein bei wesentlichen, aber ortsüblichen Immissionen, die nicht durch zumutbare Maßnahmen abwehrbar sind. Sollten die Immissionen jedoch abwehrbar sein, so besteht zwar keine Duldungspflicht nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB für den Geschädigten, aufgrund einer immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung nach dem BImSchG sind jedoch die allgemeinen Abwehransprüche auf den Ausgleichsanspruch aus § 14 Satz 2 BImSchG beschränkt.49 Aufopferungshaftung und Verschuldenshaftung schließen sich wegen des fehlenden Schutzbereichsunrechtes gegenseitig aus. Als eigenständige Anspruchsgrundlage normiert § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB eine umweltrechtliche Aufopferungshaftung, die Parallelen mit der öffentlich-rechtlichen Haftung für enteignende Eingriffe aufweist. Die Aufopferungshandlung knüpft an legale Zustände und Handlungsweisen an,50 für die wegen ihrer gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Vorteile individuelle negative Folgen in Kauf genommen werden. Für die ihnen auferlegte Duldungspflicht werden die Geschädigten kompensiert. Der Anspruch ist verschuldensunabhängig und steht wegen der Bindung an das Grundeigentum nur dem Eigentümer oder dem Besitzer des betroffenen Grundstücks zu. Voraussetzung ist eine unzumutbare51, aber ortsübliche Beeinträchtigung des Grundstücks durch Immissionen, die die Benutzbarkeit oder den Ertrag einschränken. Der Anspruchsinhalt ist nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ein „angemessener Ausgleich in Geld“ und somit kein „echter“ Schadensersatzanspruch. Er ist grundsätzlich nach Enteignungsgrundsätzen zu bewerten.52 Es wird die Vermögenseinbußeausgeglichen, die durch das Überschreiten der Zumutbarkeitsgrenze eintritt. Ferner ist der Anspruch auf Schäden beschränkt, die in Bezug zu dem beeinträchtigten Grundstück stehen, da er sich aus dem Eigentum am Grundstück ableitet.53 Die Aufopferungshaftung gemäß § 14 Satz 2 BImSchG greift ein, wenn für den Betrieb der emittierenden Anlage eine Genehmigung nach § 4 ff. BImSchG besteht und wesentliche Immissionen weder ortsüblich noch 49

Hager, NJW 1986, S. 1961. Staudinger-Kohler, UmwelthaftungsR, Neub. (2010), Einl., Rn. 91 f. 51 Die Unzumutbarkeit entspricht der Wesentlichkeit aus § 906 Abs. 1 und 2 Satz 1 BGB, Palandt-Bassenge, 70.A. (2011), § 906, Rn. 26; Hager, NJW 1986, S. 1961. 52 BGHZ 147, 45 (53); BGH NJW 1999, S. 1029; BGH NJW-RR 1988, S. 1291. In der Literatur wird nun vermehrt die Ansicht vertreten, dass der Entschädigungsanspruch inzwischen einem regulären Schadensersatzanspruch entspricht, wenn die Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist; Palandt-Bassenge, 70.A. (2011), § 906, Rn. 27. 53 BGHZ 69, 105 (110); BGH JZ 1984, S. 1106. 50

IV. Schadensersatz

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durch zumutbare Maßnahmen abwehrbar sind.54 Die Anspruchsgrundlage begründet eine umweltrechtliche Aufopferungshaftung in Bezug auf immissionsschutzrechtliche Genehmigungen55 und setzt voraus, dass grundsätzlich ein Abwehranspruch gegen die genehmigte Anlage bestehen würde, aber durch § 14 Satz 1 BImSchG abgeschnitten ist. Der Anspruch ist verschuldensunabhängig. Auch die Rechtswidrigkeit der Immission ist keine Voraussetzung.56 Die Anlagengenehmigung muss unanfechtbar sein und der Betrieb der Anlagen sich in den Vorgaben der Genehmigung halten. Im Unterschied zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB sieht § 14 Satz 2 BImSchG einen „echten“ Schadensersatzanspruch vor, der sich direkt nach den allgemeinen Regeln der §§ 249 ff. BGB bemisst.57 Der Aufopferungshaftung aus § 14 Satz 2 BImSchG sind weitere Aufopferungsansprüche der Umwelthaftung nachgebildet, die sich in den Normen des Öffentlichen Rechts finden, die eine Genehmigung enthalten, die von ihrer zivilrechtsgestaltenden Wirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung entspricht. Hierzu zählen unter anderem die Haftung für Beeinträchtigungen durch genehmigte Kernkraftwerke,58 gentechnische Anlagen59 und Flugplätze.60 3. Gefährdungshaftung Die Gefährdungshaftung knüpft an eine besondere Gefahrenlage an, die durch ein spezielles menschliches Verhalten entsteht, das auch im Normalzustand durchaus gefährlich und nicht vollkommen kontrollierbar ist und folglich ein erhöhtes Risiko für Individualrechtsgüter birgt. Das jeweilige Verhalten ist aber wirtschaftlich und gesellschaftlich von großem Nutzen, 54

Vgl. § 906 Abs. 2 BGB. Zur Qualifikation der Anspruchsgrundlage als Tatbestand der Aufopferungshaftung siehe Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 14, Rn. 21; Peine, NJW 1990, 2442 (2447 f.). 56 Vgl. oben: Verkehrssicherungspflichten bei der Haftung nach § 823 BGB, III.1.a.; Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 14, Rn. 26; Staudinger-Kohler, UmwelthaftungsR, Neub. (2010), § 14 BImSchG, Rn. 1. 57 Palandt-Bassenge, 70.A. (2011), § 906, Rn. 32; Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 14, Rn. 27; Staudinger-Kohler, UmwelthaftungsR, Neub. (2010), § 14 BImSchG, Rn. 26. Die Grenzen des Anspruchs werden aber vom ursprünglichen Abwehranspruch gezogen – insbesondere Verjährung, Rechtsweg, Ersatzfähigkeit von Schäden, die auch ohne die Genehmigung nach allgemeinem Zivilrecht zu dulden wären; Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 14, Rn. 21, 29; Staudinger-Kohler, UmwelthaftungsR, Neub. (2010), § 14 BImSchG, Rn. 27 ff. 58 § 7 Abs. 6 AtG verweist „sinngemäß“ auf § 14 BImSchG. Die Haftung für Schäden durch Kernenergie fällt nicht in den Anwendungsbereich der Rom II-VO, siehe unten 5. Kapitel. 59 § 23 Satz 2 GenTG entspricht § 14 Satz 2 BImSchG. 60 § 11 LuftVG ordnet die „entsprechende“ Anwendung von § 14 BImSchG an. 55

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3. Kapitel – Anspruchsgrundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

wie zum Beispiel der Betrieb von Industrieanlagen, und somit als sozialadäquat erlaubt. Um dieses akzeptierte Schadensrisiko auszugleichen, sind für einige Bereiche der Umwelthaftung Gefährdungshaftungstatbestände eingeführt worden. Die Gefährdungshaftung setzt kein Verschulden und in der Regel auch keine Rechtswidrigkeit des Verhaltens, an das die Haftung anknüpft, voraus.61 Daher ist es für diese Haftung auch irrelevant, ob die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und Auflagen für den Betrieb einer Anlage eingehalten wurden. Allerdings sehen die Haftungstatbestände zum Teil Präklusionen oder Einschränkungen bei Vorliegen einer ordnungsgemäßen Betriebsgenehmigung vor. Derjenige, der eine Gefahrenquelle in Gang setzt, soll unbedingt und unproblematisch für etwaige Schäden aufkommen. Haftungsgrund ist die Kompensation von Rechtsgutsverletzungen, die nur wegen ihres hohen sozialen Nutzens nicht verhindert und verboten werden können. Für die Tatbestände der Gefährdungshaftung gilt streng das Enumerationsprinzip bezogen auf eine konkrete Gefahrenquelle.62 Dies führt zum Teil zu einer etwas willkürlichen Zuordnung von Sachverhalten zu verschiedenen Haftungstypen.63 Die Anspruchsgrundlagen eignen sich zur Bewältigung der nicht vermeidbaren Risiken und Ungewissheiten beim Betrieb von Industrieanlagen und dienen der Schaffung einer gewissen gesellschaftlichen Risikoakzeptanz.64 Umstritten ist, ob die Tatbestände der Gefährdungshaftung auch eine Präventionsfunktion wie die Verschuldenshaftung erfüllen.65. Trotz der fehlenden Exkulpationsmöglichkeiten und der unbedingten Haftung können auch reine Erfolgshaftungstatbestände zur Abschreckung und Anregung möglichst hoher Betriebsstandards eingesetzt werden. Genau wie bei der Verschuldenshaftung besteht ein Anreiz zum sorgfältigen Betrieb und einem gewissen Aufwand für die Betriebssicherheit und die Vermeidung von Unfällen. Dieses Risiko lässt sich durch verbesserte Sicherheitsmaßnahmen sowie 61 Z.B. das UmweltHG. Wolfrum/Langenfeld, S. 182, spricht von „echter“ Gefährdungshaftung. 62 Anders z.B. im französischen Zivilrecht. Hier hat die Rechtsprechung auf Grundlage des Art. 1384 Abs. 1, 2. Fall Code Civil eine objektive Sachhalterhaftung entwickelt. Ohne Rücksicht auf ein Verschulden haftet der gardien, also der Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt, für Schäden, die durch eine Sache verursacht werden; Arrêt de la Cour de Cassation, chambre civil, 16.6.1896, Recueil Dalloz 1897, 1, 433, m. Anm. Saleilles; Arrêt des chambres réunies de la Cour de Cassation, 13.2.1930, Recueil périodique et critique Dalloz 1930, 1, 57 m. Anm. Ripert. Auf die abstrakte Gefährlichkeit der Sache kommt es nicht an. Diese weit reichende Generalklausel hat bislang die Einführung spezieller Gefährdungshaftungstatbestände weitgehend erübrigt. 63 Dies gilt unter anderem für die Zuordnungen, die die Anlage 1 zum UmweltHG trifft; kritisch hierzu Soergel-Spickhoff, 13.A. (2005), Vor § 823, Rn. 67; MüKo-Wagner, 5.A. (2009), Vor § 823, Rn. 23 mwN. 64 Staudinger-Kohler, UmwelthaftungsR, Neub. (2010), Einl., Rn. 104 ff. 65 Staudinger-Kohler, UmwelthaftungsR, Neub. (2010), Einl., Rn. 44 mwN.

IV. Schadensersatz

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sorgfältigeres und besser geschultes Personal verringern. Wie bei der Verschuldenshaftung wird der Anlagenbetreiber die Kosten für Sicherheit und Sorgfalt in Relation zu den zu erwartenden Schadensersatzkosten (inklusive Imageschäden etc.) setzen und so einen entsprechend hohen Sicherheitsstandard durchsetzen.66 Das Niveau dieses Standards lässt sich präziser steuern als bei der deliktischen Verschuldenshaftung, da – neben der Möglichkeit von Haftungsobergrenzen oder einer Begrenzung der Haftungstypen – die Haftung nicht von der Bewertung des Verschuldens durch ein Gericht abhängig ist.67 a) § 89 WHG So begründet § 89 WHG (ex-§ 22 WHG) die praktisch bedeutsame Gefährdungshaftung für Gewässerbeeinträchtigungen.68 Die Norm enthält Tatbestände für eine Verhaltenshaftung (Abs. 1) und eine Anlagenhaftung (Abs. 2). Die Gefährdungshaftung nach dem WHG setzt ein rechtswidriges Verhalten voraus, wobei dieses in der Regel durch die Tatbestandsverwirklichung indiziert wird und auch nur wasserrechtliche Bewilligungen die Rechtswidrigkeit entfallen lassen können.69 Die Gefährdungshaftung für gewässerschädigendes Verhalten nach § 89 Abs. 1 WHG setzt voraus, dass die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit eines Gewässers durch das Einbringen oder Einleiten von Stoffen oder eine sonstige Einwirkung verändert wird. Weiterhin ist ein spezifischer Bezug des Verhaltens auf das betroffene Gewässer Voraussetzung des Anspruchs.70 Die Anlagenhaftung (§ 89 Abs. 2 WHG) hat – neben der Veränderung der Beschaffenheit eines Gewässers in Form eines negativen Abweichens der Wasserqualität – zur Voraussetzung, dass die Schadstoffe, die die Wasserqualitätsveränderung verursacht haben, beim Betrieb einer Anlage aber 66 MüKo-Wagner, 5.A. (2009), Vor § 823, Rn. 18, 51 f.; a.A. Medicus, NuR 1990, S. 145 ff., der davon ausgeht, dass sich die Anlagenbetreiber in ihr Schicksal einer selbst durch höchste Sorgfalt unkontrollierbaren Haftung ergeben und keine Bemühungen hinsichtlich von Schutzmaßnahmen oder höherer Betriebssicherheit unternehmen; auch Esser, S.69: die Gefährdungshaftung dient nach dieser Ansicht nur der Verteilungsgerechtigkeit; zum Ganzen mwN: MüKo-Wagner, 5.A. (2009), Vor § 823, Rn. 47 ff.; Staudinger-Kohler, UmwelthaftungsR, Neub. (2010), Einl., Rn. 38 ff. 67 MüKo-Wagner, 5.A. (2009), Vor § 823, Rn. 48. 68 Ähnliche Gefährdungshaftungsansprüche wie § 22 WHG sehen auch verschiedene weitere öffentlich-rechtliche Spezialgesetze, wie zum Beispiel § 25 AtG; § 32 GenTG; § 2 HaftPflG und § 114 BBergG, vor. Detailliert zu diesen Anspruchsgrundlagen: Staudinger-Kohler, UmwelthaftungsR, Neub. (2010). 69 Staudinger-Kohler, UmwelthaftungsR, Neub. (2010), § 89 WHG, Rn. 19 ff. mwN. 70 Nach der hM reicht hier jedoch eine objektive Finalität aus; Staudinger-Kohler, UmwelthaftungsR, Neub. (2010), § 89 WHG, Rn. 32 f.; Wolfrum/Langenfeld, S. 199, zu ex-§ 22 WHG.

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3. Kapitel – Anspruchsgrundlagen der zivilrechtlichen Umwelthaftung

ohne das Zutun eines Verantwortlichen in das beeinträchtigte Gewässer gelangt sind. Geschieht dies durch höhere Gewalt71, ist die Haftung nach § 89 Abs. 2 Satz 2 WHG ausgeschlossen. Adressaten der zivilrechtlichen Gefährdungshaftung sind im Rahmen der wasserrechtlichen Handlungshaftung die Personen, die einen Gewässerschaden zielgerichtet herbeigeführt haben, und im Rahmen der gewässerschutzrechtlichen Anlagenhaftung die Anlagenbetreiber. Inhaltlich richtet sich der Schadensersatzanspruch nach den allgemeinen Regeln der §§ 249 ff. BGB.72 b) § 1 ff. UmweltHG Das Umwelthaftungsgesetz begründet eine von Verschulden und Rechtswidrigkeit unabhängige Kausalhaftung für durch Umweltbeeinträchtigungen entstandene Rechtsgutsverletzungen. Die Schädigung muss nach § 3 UmweltHG auf dem Umweltpfad, also mittels Boden, Luft oder Wasser eingetreten sein. Der Schutzbereich dieser Gefährdungshaftung erfasst jedoch nur die in § 1 UmweltHG aufgelisteten Individualrechtsgüter.73 Weiterhin knüpft die Haftung nur an das Anlagebetriebsrisiko bestimmter im Anhang des UmweltHG enumerierter industrieller Großanlagen an. Der Haftungstatbestand schließt auch nicht vorhersehbare Entwicklungsrisiken mit ein. Weder die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt oder des Standes der Technik noch die Einhaltung von öffentlich-rechtlichen Auflagen oder der „rechtmäßige Normalbetrieb“ bewahren vor dem Eintritt der Haftung. Nach § 6 Abs. 1 UmweltHG wird widerlegbar die Kausalität des Anlagenbetriebes für die Rechtsgutsverletzung vermutet, soweit „die Anlage nach den Gegebenheiten des Einzelfalls dazu geeignet ist, den entstandenen Schaden zu verursachen“.74 Diese Ursachenvermutung kann jedoch entfallen, wenn die Anlage im Sinne von § 6 Abs. 2 UmweltHG bestimmungsge-

71 Höhere Gewalt ist ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen Dritter herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung nicht vorhersehbar war, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln und auch durch die äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden konnte; BGHZ 62, 354. 72 Zum Umfang der Ansprüche im Einzelnen vgl. Staudinger-Kohler, UmwelthaftungsR, Neub. (2010), § 89 WHG, Rn. 69 ff. 73 Leben, Körper, Gesundheit und Eigentum. 74 Im Fall des Eingreifens der Ursachenvermutung muss der Geschädigte noch darlegen, dass beim Betrieb der betroffenen Anlage bestimmte Schadstoffe freigesetzt werden, dass zwischen diesen Schadstoffen und dem eingetretenen Schaden ein räumlich-zeitlicher Zusammenhang besteht, und dass die Schadstoffe geeignet sind, die eingetretene Schädigung zu verursachen. Hierbei können ihm die Auskunftsansprüche der §§ 8 und 9 UmweltHG zur Unterstützung dienen.

IV. Schadensersatz

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mäß betrieben wurde.75 Die Ursachenvermutung ist ferner durch den Nachweis einer alternativen Ursache gemäß § 7 UmweltHG widerlegbar.76 Außerdem können sozialadäquate Beeinträchtigungen von Sachen, die unwesentlich oder nach den örtlichen Verhältnissen zumutbar sind, eine Haftung entfallen lassen.77 Wie bei der Anlagenhaftung nach § 89 Abs. 2 WHG ist auch bei der Anlagenhaftung nach dem UmweltHG die Pflicht zum Schadensersatz ausgeschlossen, wenn die Schädigung durch höhere Gewalt verursacht wird.78 Der Umfang des Schadensersatzanspruch nach dem UmweltHG richtet sich nach dem Grundsatz der Naturalrestitution der §§ 249 ff. BGB.79 § 15 UmweltHG setzt weiter Haftungshöchstgrenzen getrennt nach Personenund Sachschäden für die Haftung nach dem UmweltHG fest.

75

Dies ist der Fall, wenn die besonderen Betriebspflichten nach § 6 Abs. 3 UmweltHG kumulativ eingehalten wurden und es auch keinen Störfall gegeben hat; StaudingerKohler, UmwelthaftungsR, Neub. (2010), § 6 UmweltHG, Rn. 35 ff. 76 Vgl. auch Wolfrum/Langenfeld, S. 195. 77 § 5 UmweltHG; die Wesentlichkeit und die Ortsüblichkeit der Beeinträchtigung orientieren sich hier an demselben Maßstab wie bei § 906 BGB; Staudinger-Kohler, UmwelthaftungsR, Neub. (2010), § 5 UmweltHG, Rn. 10 ff. 78 § 4 UmweltHG. 79 Modifiziert durch § 16 UmweltHG; Wolfrum/Langenfeld, S. 193.

4. Kapitel

Autonomes Internationales Privatrecht I. Einleitung Umweltschädigungen, die den Betroffenen Anlass zu einem zivilrechtlichen Vorgehen gegen den Verursacher bzw. den Emittenten geben, kommen häufig in grenzüberschreitenden Kontexten vor. Insbesondere Luftund Gewässerverschmutzungen, treten großflächig auf und können hierbei unaufhaltbar Staatsgrenzen überschreiten. Gerade die großen europäischen Flussläufe, die oft auch natürliche Staatsgrenzen markieren, und die hohen Schlote moderner Fabrikanlagen tragen zu diesen überregionalen Auswirkungen bei. Oft befinden sich der Emittent und die (potentiell) Geschädigten in verschiedenen Staaten, in denen unterschiedliche Rechtsordnungen gelten. Bei diesen grenzüberschreitenden Sachverhalten ist mittels des Internationalen Privatrechts zu klären, welche Rechtsordnungen auf den konkreten Fall Anwendung finden. Die Tatbestände der zivilrechtlichen Umwelthaftung werden in den meisten Fällen deliktsrechtlich qualifiziert. In einigen Rechtsordnungen werden die nachbarrechtlichen Abwehransprüche aber dem Sachenrecht zugeordnet. In Deutschland beispielsweise werden diese Ansprüche dann wiederum auf kollisionsrechtlicher Ebene den Regeln des Internationalen Deliktsrechts unterworfen,1 um einen Anknüpfungsgleichlauf der miteinander verbundenen Ansprüche zu erreichen.2 Durch die Rom II-Verordnung ist für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union3 das Internationale Deliktsrecht zum größten Teil harmonisiert worden, so dass die verbliebenen autonomen international-privatrechtlichen Regelungen nur noch am Rande Bedeutung haben. Die Rom IIVerordnung ist allerdings lückenhaft, da nicht in allen Bereichen ein politischer Kompromiss gefunden werden konnte. Insbesondere bei der Kernenergiehaftung und beim zivilrechtlichen Schutz der Persönlichkeits-

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Vgl. Art. 44 EGBGB, der nun an die Regelungen der Rom II-Verordnung angepasst

ist. 2 Palandt-Thorn, 70.A. (2010), Art. 44 EGBGB, Rn. 1; MüKo-Wendehorst, 5.A. (2010), Art. 44 EGBGB, Rn. 1. 3 Außer Dänemark, vgl. Art. 1 Abs. 4 Rom II-VO.

II. Kein einheitliches Kollisions- oder Sachrecht

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rechte, die beide vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind, verbleibt ein autonomer Regelungsbedarf.4 Trotzdem werden im Folgenden – nach einer kurzen Zusammenstellung der einschlägigen internationalen Regelungen – die autonomen IPR-Regelungssysteme von Deutschland, Österreich und der Schweiz zur Illustration der international-deliktsrechtlichen Grundsätze und auch wegen ihrer verbleibenden Bedeutung vorgestellt. Das Internationale Delikts- und Sachenrecht der Schweiz ist freilich von den Regelungen der Rom II-Verordnung nicht betroffen.

II. Kein einheitliches Kollisions- oder Sachrecht Ein umfassendes Einheitsrecht für die privatrechtliche Haftung für Umweltschäden existiert weder auf kollisionsrechtlicher noch auf sachrechtlicher Ebene.5 Nur für einige spezielle, besonders gefährliche Schadensquellen und für bestimmte Arten der Umweltverschmutzung bestehen vereinzelt Staatsverträge, die teilweise auch Einfluss auf das Internationale Privatrecht haben.

III. Staatsverträge Vom bestehenden Flickenteppich internationaler Umweltschutzübereinkommen mit Auswirkungen auf das Internationale Privatrecht der Umweltschädigungen sind viele Abkommen entweder noch nicht in Kraft getreten oder zumindest (noch) nicht von Deutschland gezeichnet worden.6 Auch decken diese Abkommen nur Teilbereiche ab. Im Rahmen der Umwelthaftung gehören hierzu die folgenden Haftungsgebiete: Kernenergiehaftungsrecht,7 Gewässerschutz8 und Lärmschutz.9 Die Abkommen enthalten 4

Siehe auch Wagner, IPRax 2008, 314 (316 f.) und 5. Kapitel, III. und IV. Wolfrum/Langenfeld, S. 379; Wandt, SZIER 1997, 147 (151) = VersR 1998, 529 (530); Kreuzer, BerDtGesVR 32 (1992), 245 (254). 6 Z.B. noch nicht in Kraft: Lugano Konvention des Europarates v. 21.6.1993 über die zivilrechtliche Haftung für Schäden durch umweltgefährdende Tätigkeiten; Haftungsprotokoll des Basler Übereinkommen v. 22.3.1989 für den Transport und die Entsorgung gefährlicher Abfälle. 7 Pariser Übereinkommen v. 29.7.1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie (PÜ, mit Zusatzprotokoll v. 28.1.1964) und Brüsseler Zusatzübereinkommen v. 31.1.1963 zum PÜ (mit Zusatzprotokoll v. 28.1.1964), beide neu bekanntgemacht: BGBl. 1985 II S. 963; Wiener IAEO-Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Nuklearschäden v. 21.5.1963 (abgedruckt BGBl. 2001 II, S. 207 ff.; Gemeinsames Protokoll über die Anwendung des Wiener Übereinkommens und des 5

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4. Kapitel – Autonomes Internationales Privatrecht

in der Regel nur Limitierungsvorschriften (unter anderem Haftungshöchstgrenzen), die sich auf die allgemeine deliktische Haftung auswirken. Das kernenergierechtliche Pariser Übereinkommen enthält auch kollisionsrechtliche Vorschriften, die zu einer Haftungskanalisierung nach dem Regelungssystem des Übereinkommens führen.10 Aufgrund dieses bereits bestehenden Regelungssystems wurde dieser Bereich von der Rom II-Verordnung ausgeklammert.11

IV. Autonomes Internationales Delikts- und Nachbarrecht 1. Deutschland a) Keine Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen In den deutschen autonomen Vorschriften zum Internationalen Deliktsrecht und auch im Internationalen Nachbarrecht gibt es keine Sonderanknüpfung für die Haftung für Umweltschäden. Das autonome Recht bestimmt das anzuwendende Recht nach den allgemeinen Regeln der Art. 40-42 EGBGB für die Haftung, die an unerlaubte Handlungen anknüpft.12 Für die immisPariser Übereinkommens v. 21.9.1988, BGBl. 2001 II, S. 202 ff. Wegen dieses Regelungssystems und der damit verbundenen Haftungskanalisierung ist dieser Bereich u.a. auch vom Anwendungsbereich der Rom II-VO ausgenommen. Ferner stellt das DeutschSchweizerische Atomhaftungsabkommen v. 22.10.1986, BGBl. 1988 II S. 598 ff./955 ff., die Schweiz im Verhältnis zu Deutschland so, als ob sie ein Vertragsstaat des PÜ wäre. Ferner ist zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union der Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft v. 25.3.1957 (EA), der zwar keine kollisionsrechtlichen Regelungen enthält, auf Grundlage dessen (Art. 30-39 EA) der EuGH aber die innereuropäische grenzüberschreitende Beachtlichkeit von atomrechtlichen Genehmigungen hergeleitet hat; C-Rs. 115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, Rn. 81 ff., EuZW 2010, 26; im Einzelnen dazu unten 7. Kapitel, II. 8 Internationales Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden v. 29.11.1969, BGBl. 1975 II, S. 301 ff., geändert und erweitert durch das Londoner Protokoll v. 27.11.1992, BGBl. 1994 II, S. 1150 ff. (das Übereinkommen führt zu einer vollkommenen Sachrechtsvereinheitlichung, so dass eine Bestimmung des Deliktsstatut ausscheidet); Deutsch-Dänische Abkommen v. 10.4.1922 zur Regelung der Wasser- und Deichverhältnisse an der gemeinsamen Staatsgrenze, RGBl. II S. 152 ff., BGBl. 1954 II S. 717 ff. 9 Als für Deutschland verbindliches bilaterales Abkommen besteht der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Auswirkungen der Anlage und des Betriebs des Flughafen Salzburg auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, BGBl. 1974 II S. 13 ff. 10 Wolfrum/Langenfeld, S. 380 mwN. 11 Vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. f Rom II-VO, siehe im Einzelnen unten, 5. Kapitel, III.1.b. 12 Vgl. den Überblick bei Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Vor Art. 38 ff. EGBGB, Rn. 5 und Art. 40 EGBGB, Rn. 50.

IV. Autonomes Internationales Delikts- und Nachbarrecht

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sionsschutzrechtlichen Abwehransprüche, die sachenrechtlich qualifiziert werden, besteht in Art. 44 EGBGB eine Spezialregelung, die auf die deliktischen Kollisionsregeln verweist. Primär gilt hier bei den regelmäßig vorliegenden Distanzdelikten das Recht des Handlungsortes, also des Ortes, an dem die Immission entstanden ist und ihre Verbreitung ihren Ausgang gefunden hat. Seit dem Inkrafttreten der Rom II-Verordnung, die als loi uniforme ausgestaltet ist, und so auch außergemeinschaftliche Sachverhalte erfasst,13 haben die nationalen Kollisionsregeln in Bezug auf Umweltschädigungen nur noch geringe Bedeutung. Die Verordnung erfasst ferner die Abwehransprüche14, die in der zivilrechtlichen Umwelthaftung von Bedeutung sind. Zusammen mit der konsequenten Anpassung des Art. 44 EGBGB unterliegen nun alle umwelthaftungsrechtlichen Ansprüche dem Regelungssystem der Rom II-Verordnung. b) Grundanknüpfung (Art. 40 Abs. 1 EGBGB) Die Grundanknüpfung des deutschen Internationalen Deliktsrechts beruht auf dem Tatortprinzip (lex loci delicti commissi).15 Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB lässt primär das Recht des Handlungsortes16 zur Anwendung kommen. Bei Platzdelikten ist die Regelung einfach anzuwenden, problematisch kann es dagegen werden, wenn Handlungs- und Erfolgsort17 in verschiedenen Jurisdiktionen liegen, also ein Distanzdelikt vorliegt. Bei der Haftung für Industrieanlagen liegen zwar in der Regel Distanzdelikte vor, in diesen Fällen ist allerdings der Handlungsort (Standort der Anlage) unproblematisch bestimmbar.18 Neben der Grundanknüpfung kommt auch das Ubiquitätsprinzip zur Geltung. Allerdings geschieht dies nicht im Sinne des Günstigkeitsprin13

Art. 3 Rom II-VO, vgl. 5. Kapitel, III.1.c. Art. 2 Abs. 2 und 3 Rom II-VO. 15 Auch vor der Kodifikation wurde dies schon als ungeschriebene Grundregel des Internationalen Deliktsrechts praktiziert; Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 40 EGBGB, Rn. 21. 16 Der Handlungsort, ist der Ort, an dem jemand eine unerlaubte Handlung selbst oder durch einen anderen für den er haftet ausgeführt hat. Bei Unterlassungsdelikten ist dies der Ort an dem gehandelt hätte werden müssen. Im Einzelnen: MüKo-Junker, 5.A. (2010), Art. 40 EGBGB, Rn. 23 ff. mwN. 17 Der Erfolgsort ist der Ort, an dem die anspruchsbegründende Rechtsgutsverletzung, bzw. die Verletzung des rechtlich geschützten Interesses eingetreten ist. Ein abweichender Schadens-, bzw. Folgeschadensort ist kein Erfolgsort in diesem Sinne mehr. Bei Unterlassungsdelikten ist dies der Ort, an dem das durch die Garantenpflicht geschützte Rechtsgut liegt. Im Einzelnen: Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 40 EGBGB, Rn. 25 mwN. 18 Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 40 EGBGB, Rn. 23. 14

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4. Kapitel – Autonomes Internationales Privatrecht

zips, sondern mittels eines Bestimmungsrechts gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. Danach hat der Verletzte19 eine Wahlbefugnis zugunsten des Rechts am Erfolgsort. Diese Einschränkung wurde unter anderem aus Gründen der Prozessökonomie eingeführt.20 Die Bestimmung, das Erfolgsortsrecht anzuwenden, ist eine Prozesshandlung und als solche grundsätzlich nicht widerruflich.21 Eine zeitliche Begrenzung für die Ausübung des Bestimmungsrechts ergibt sich aus Art. 40 Abs. 1 Satz 3 EGBGB.22 c) Anknüpfung an die gemeinsame Rechtsumwelt (Art. 40 Abs. 2 EGBGB) Bei einem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt wurde schon vor der Kodifizierung im EGBGB die Grundanknüpfung an den Tatort als unangemessen betrachtet. Das Tatortrecht sollte dann durch das gemeinsame Umweltrecht verdrängt werden.23 Die Auflockerungsregel in Art. 40 Abs. 2 EGBGB führt dazu, dass die Grundanknüpfung zugunsten des Rechts des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts verdrängt wird. Dieses gilt als das „räumlich angemessenere Recht“, da es eine erleichterte Schadensregulierung und Abwicklung ermöglicht.24 Der gewöhnliche Aufenthalt beurteilt sich nach den allgemeinen Regeln. Danach ist erforderlich, dass Geschädigter und Schädiger ihren „Daseinsmittelpunkt“, also ihre soziale Verankerung im selben Staat zur Zeit des haftungsbegründenden Ereignisses hatten. Hierbei wird eine objektive Betrachtungsweise zugrunde gelegt. Weiterhin gilt die Vermutung, dass ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in ein und demselben Staat ein gewöhnlicher Aufenthalt in diesem Sinne begründet ist.25

19 Verletzter und damit Inhaber des Bestimmungsrechts ist, wer durch die Rechtsgutsverletzung unmittelbar betroffen ist. 20 Bamberger/Roth-Spickhoff, 2.A. (2008), Art. 40 EGBGB, Rn. 26; Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 40 EGBGB, Rn. 1; kritisch zu diesem Normzweck MüKo-Junker, 5.A. (2010), Art. 40 EGBGB, Rn. 30 mwN. 21 Dann nur noch einverständliche, nachträgliche Rechtswahl nach Art. 42 EGBGB; unten c. 22 Nur im ersten Rechtszug und auch dort nur bis zum Ende des frühen ersten Termins (§ 275 ZPO), oder dem Ende des schriftlichen Vorverfahrens (§ 276 ZPO). Materiell gilt das gleiche gemäß Art. 46a EGBGB nun auch für das Bestimmungsrecht, das die neue Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen aus Art. 7 Rom II-VO einräumt; PalandtThorn, 70.A. (2011), Art. 7 Rom II-VO, Rn. 8 mwN. 23 BGHZ 93, 214 (216). 24 „Folgenorientierte Anknüpfung“, Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 40 EGBGB, Rn. 33. 25 Art. 40 Abs. 2 Satz 2 EGBGB setzt den Sitz ersatzpflichtiger Gesellschaften, Vereine oder juristischer Personen mit dem gewöhnlichen Aufenthalt gleich. Zur Ermittlung des Sitzes des Unternehmens, bzw. dessen Niederlassung wird in selbstständiger Anknüpfung nach dem Gesellschaftsstatut entschieden.

IV. Autonomes Internationales Delikts- und Nachbarrecht

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d) Korrekturanknüpfung (Art. 41 EGBGB) Die Ausweichklausel des Art. 41 EGBGB ist restriktiv zu handhaben, so dass von den Grundanknüpfungen des Art. 40 Abs. 1 und 2 EGBGB nur in Fällen abgewichen werden kann, in denen die Besonderheiten eines Sachverhalts dies rechtfertigen. Art. 41 Abs. 2 EGBGB führt hierzu in einem Katalog Beispiele auf, der nicht abschließend und auch nicht verbindlich ist. Für das Internationale Deliktsrecht ist insbesondere die Nr. 1 von Bedeutung, die ein Regelbeispiel für eine wesentlich engere Verbindung enthält, wenn zwischen den Parteien ein vertragliches Schuldverhältnis besteht, das einem anderen Recht als dem Deliktsstatut nach Art. 40 EGBGB unterliegt.26 Fraglich ist, ob es sich bei der Norm um eine Gesamt- oder um eine Sachnormverweisung handelt, wobei dem Sinn der Verweisung nach es sich zumindest in Bezug auf unerlaubte Handlungen um eine Sachnormverweisung handeln muss.27 e) Nachträgliche Rechtswahlmöglichkeit (Art. 42 EGBGB) Art. 42 EGBGB lässt eingeschränkt die nachträgliche Rechtswahl für Ansprüche aus unerlaubter Handlung zu. Diese ist unabhängig von den anderen Anknüpfungen und geht diesen vor. Nach Art. 4 Abs. 2 EGBGB führt eine Rechtswahl zu einer Sachnormverweisung.28 Die Rechtswahl kann ausdrücklich, aber auch stillschweigend erfolgen.29 Für die Rechtswahl besteht anders als beim Ubiquitätsprinzip aus Art. 40 Abs. 1 EGBGB keine zeitliche Begrenzung, so dass eine solche zu jeder Zeit im Prozess und durch den gesamten Instanzenzug vorgenommen werden kann. Art. 42 Satz 2 EGBGB geht dem allgemeinen ordre public vor, wenn durch die Rechtswahl in die Rechte Dritter eingegriffen wird. Art. 6 EGBGB ist grundsätzlich auch anwendbar, wobei die Berufung einer Partei auf den 26

Diese vertragsakzessorische Anknüpfung gilt jedoch nicht für jede Sonderverbindung zwischen den Parteien; Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 41 EGBGB, Rn. 11; MüKo-Junker, 5.A. (2010), Art. 41 EGBGB, Rn. 16 ff. 27 Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 41 EGBGB, Rn. 4; mit leichten Zweifeln dagegen Bamberger/Roth-Spickhoff, 2.A. (2008), Art. 41 EGBGB, Rn. 14. 28 Bamberger/Roth-Spickhoff, 2.A. (2008), Art. 42 EGBGB, Rn. 8; wobei im Rahmen der Parteiautonomie auch eine Gesamtverweisung ausdrücklich vereinbart werden kann, wenn hierfür ein Interesse besteht; Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 42 EGBGB, Rn. 4. 29 Wobei für die konkludente Rechtswahl mit Verweis auf Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB gefordert, dass sich diese auch bei den außervertraglichen Schuldverhältnissen „mit hinreichender Sicherheit“ ergeben muss. Auch eine grundsätzlich nicht zulässige vorherige Rechtswahl kann so von den Parteien bestätigt werden; vgl. Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 42 EGBGB, Rn. 6 und 8 f.; MüKo-Junker, 5.A. (2010), Art. 42 EGBGB, Rn. 12 f.

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4. Kapitel – Autonomes Internationales Privatrecht

ordre public nach einer Rechtswahlvereinbarung in der Regel schwer fallen wird. f) Nachbarrechtliche Immissionsabwehransprüche (Art. 44 EGBGB) Die nachbarrechtlichen Abwehransprüche (insbesondere §§ 1004, 906 BGB) werden im deutschen Recht sachenrechtlich qualifiziert. Eine solche Einordnung findet sich dagegen im Ausland kaum.30 Damit alle aus einer Immission resultierenden Ansprüche einem Anknüpfungssystem folgen können, ordnet Art. 44 EGBGB den Gleichlauf mit den Regeln für unerlaubte Handlungen an. Seit dem 11.1.2009 geschieht dies durch einen Verweis auf die Regelungen der Rom II-Verordnung, deren Vorschriften entsprechend anzuwenden sind. Art. 7 Rom II-VO, die Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen, zu denen nach der gemeinschaftsrechtlichen Definition auch die vom Nachbarrecht erfassten Immissionen zählen, erfasst in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 und 3 Rom II-VO31 neben Schadensersatzansprüchen auch sämtliche Abwehransprüche und knüpft diese an das Recht des Erfolgsortes (mit einer zeitlich begrenzten Wahlmöglichkeit des Geschädigten zugunsten des Handlungsortsrechts).32 Der Begriff der Einwirkung33 sowie des Grundstücks34 folgen den Einordnungen des deutschen Rechts, wobei beide Begriffe großzügig ausgelegt werden.35 Im Bereich der Haftung für Umweltschäden kann der Geschädigte auch sachenrechtliche Ansprüche geltend machen. Grenzüberschreitende Immis30

Allerdings werden auch in Österreich und in Polen das Nachbarrecht und damit auch diese spezifischen Abwehransprüche dem Immobiliarsachenrecht zugeordnet. 31 Art. 2 Abs. 2 und 3 Rom II-VO: „(2) Diese Verordnung gilt auch für außervertragliche Schuldverhältnisse, deren Entstehen wahrscheinlich ist. (3) Sämtliche Bezugnahmen in dieser Verordnung auf a) ein schadensbegründendes Ereignis gelten auch für schadensbegründende Ereignisse, deren Eintritt wahrscheinlich ist, und b) einen Schaden gelten auch für Schäden, deren Eintritt wahrscheinlich ist.“ 32 Art. 7 Rom II-VO verweist – wie Art. 44 EGBGB aF – nur auf die Grundanknüpfung für unerlaubte Handlungen, so dass weder die Auflockerungsregel bei einem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt noch die Ausweichklausel bei einer wesentlich engeren Verbindung mit einem anderen Recht greifen – im Einzelnen zur Rom II-VO und der Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen siehe 5. Kapitel. Im Zusammenhang damit steht auch die Änderung die Änderung von Art. 46 EGBGB (Ausweichklausel bei „wesentlich engerer Verbindung“ für das deutsche Internationale Sachenrecht), der nun nicht mehr auf Art. 44 EGBGB verweist; 5. Kapitel, IV. 33 Zu den Einwirkungen (Immissionen) zählen nicht nur Imponderabilien sondern auch Grobimmissionen sowie ideelle Immissionen; vgl. im Einzelnen MüKo-Junker, 5.A. (2010), Art. 44 EGBGB, Rn. 15 f. 34 Dazu gehören unter anderem auch Grundstücksteile, Eigentumswohnungen und grundstücksgleiche Rechte; Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 44 EGBGB, Rn. 6. 35 MüKo-Junker, 5.A. (2010), Art. 44 EGBGB, Rn. 14; Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 44 EGBGB, Rn. 6; Palandt-Thorn, 70.A. (2011), Art. 44 EGBGB, Rn. 1.

IV. Autonomes Internationales Delikts- und Nachbarrecht

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sionen, die von einem Grundstück ausgehen, stellen für diese Arbeit den Kernfall dar. Anlagengenehmigungen beziehen sich in der Regel auf Anlagen, die fest auf Grundstücken errichtet sind. Die Grundstückslage ist ein entscheidender Faktor für die Genehmigungserteilung.36 Art. 44 EGBGB ermöglicht so eine einheitliche kollisionsrechtliche Behandlung der Abwehr- und Schadensersatzansprüche bei grenzüberschreitenden Umweltschädigungen.37 g) Art. 6 und 40 Abs. 3 EGBGB Art. 40 Abs. 3 EGBGB ist eine spezielle Regelung des allgemeinen ordre public-Vorbehalts für das Internationale Deliktsrecht. Die Vorschrift hat eine Schrankenwirkung auf deliktische Ansprüche nach ausländischem Recht, die weitergehende Rechtsfolgen als das deutsche Recht vorsehen. Diese werden in drei Fallgruppen zusammengefasst. Es sind Ansprüche, die wesentlich weitergehen als zur angemessenen Entschädigung des Verletzten erforderlich (Nr. 1),38 die offensichtlich anderen Zwecken als einer angemessenen Entschädigung des Verletzten dienen (Nr. 2),39 oder die Haftungsbeschränkungen eines für Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Vertrages zuwiderlaufen (Nr. 3).40 Die einschlägigen ausländischen 36 Die Ansprüche werden von Art. 44 EGBGB erfasst, hierbei stellt sich allerdings das Problem, dass Art. 44 EGBGB nur auf Art. 40 Abs. 1 EGBGB verweist und die anderen Anknüpfungen außen vor lässt. Im Fall des Auseinanderfallens von Delikts- und Sachen/Nachbarrechtsstatut – was theoretisch möglich, aber praktisch eher unwahrscheinlich ist – kann Art. 46 EGBGB als Notlösung herangezogen werden. 37 Palandt-Thorn, 70.A. (2011), Art. 44 EGBGB, Rn. 2 mwN. 38 Dies beruht auf dem Gedanken, dass die Ausgleichsfunktion im Deliktsrecht eindeutig im Vordergrund steht. Unter die Nr. 1 fällt unter anderem der so genannte „mehrfache Schadensersatz“ (multiple damages) des angloamerikanischen Rechtskreises. Es ist jedoch in einer Einzelfallbetrachtung immer auch das Ausmaß des Inlandsbezuges zu berücksichtigen; Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 40 EGBGB, Rn. 73; Palandt-Thorn, 70.A. (2011), Art. 40 EGBGB, Rn. 14. 39 Auch diese „Schranke“ beruht auf der primären Ausgleichsfunktion des Deliktsrechts und richtet sich primär gegen Schadensersatzansprüche mit deutlichem Strafcharakter wie z.B. die punitive damages des US-amerikanischen Rechts; Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 40 EGBGB, Rn. 74; Palandt-Thorn, 70.A. (2010), Art. 40 EGBGB, Rn. 14. 40 Da Deutschland Vertragsstaat verschiedener multilateraler völkerrechtlicher Verträge mit Spezialregelungen wie z.B. Haftungsbegrenzungen auch für Teilbereiche des Deliktsrechts ist, soll Nr. 3 dafür sorgen, das anderslautende ausländische Schadensersatzansprüche nicht gegen Deutschlands staatsvertragliche Verpflichtungen verstoßen. Insbesondere im Bereich der Umwelthaftung bestehen hier derartige Verträge, wie z.B. im Bereich der Kernenergiehaftung (Pariser Übereinkommen, vgl. oben I.3.) und der Haftung für Ölverschmutzungsschäden (Internationales Übereinkommen von 1992 über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden, vgl. oben I.3.); MüKo-Junker,

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4. Kapitel – Autonomes Internationales Privatrecht

Ansprüche werden dann unter Berufung auf den deutschen ordre public gekappt. Art. 6 EGBGB ist der allgemeine ordre public-Vorbehalt im deutschen IPR. Die Vorschrift greift in vereinzelten Ausnahmefällen41 ein und führt zur Nichtanwendung von ausländischen Normen,42 die mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere den Grundrechten offensichtlich unvereinbar sind. Hierbei ist auf den konkreten Einzelfall und das konkrete Ergebnis der Anwendung der betroffenen ausländischen Norm abzustellen.43 Ferner gilt auch hier, dass ein gewisser Inlandsbezug vorhanden sein muss. Je größer dieser ist, desto mehr Einfluss haben auch die deutschen Rechtsgrundsätze auf den Fall.44 2. Österreich a) Internationales Deliktsrecht Auch im österreichischen Internationalen Deliktsrecht kommt grundsätzlich die lex loci delicti commissi zur Anwendung (§ 48 österreichisches IPRG45). Nach dem österreichischen Internationalen Privatrecht gibt es keine spezielle Norm für die Anknüpfung von Haftungsansprüchen für Umweltschäden. Allerdings herrscht auch im Hinblick auf die außervertraglichen Schuldverhältnisse grundsätzlich Rechtswahlfreiheit nach § 11 in Verbindung mit § 35 Abs. 1 IPRG.46 Nur wenn keine wirksame Rechtswahlvereinbarung47 vorliegt, kommen die Grundanknüpfung und deren 5.A. (2010), Art. 40 EGBGB, Rn. 114; Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 40 EGBGB, Rn. 75; Palandt-Thorn, 70.A. (2009), Art. 40 EGBGB, Rn. 14. 41 Siehe nur den Wortlaut: „… mit den wesentlichen Grundsätzen … offensichtlich unvereinbar …“ 42 Sog. negative Funktion des ordre public; MüKo-Sonnenberger, 5.A. (2010), Art. 6 EGBGB, Rn. 3. 43 Palandt-Thorn, 708.A. (2011), Art. 6 EGBGB, Rn. 5; Bamberger/Roth-Lorenz, 2.A. (2008), Art. 6 EGBGB, Rn. 9. 44 Relativität des ordre public; Palandt-Thorn, 70.A. (2011), Art. 6 EGBGB, Rn. 6; Bamberger/Roth-Lorenz, 2.A. (2008), Art. 6 EGBGB, Rn. 15. 45 Bundesgesetz v. 15.6.1978 über das internationale Privatrecht (IPRG). Das gesamte österreichische Internationale Deliktsrecht ist in § 48 IPRG geregelt. 46 Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 35 IPRG, Rn. 1, § 48 IPRG, Rn. 1. 47 Eine Rechtswahl für außervertragliche Schuldverhältnisse wird zwar regelmäßig nach Eintritt des Schadensereignisses getroffen, sie ist aber grundsätzlich auch schon vor dem Entstehen des Schuldverhältnisses möglich; Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 11 IPRG, Rn. 5. Die Rechtswahl kann ausdrücklich und auch konkludent erfolgen, wobei nach Eröffnung eines gerichtlichen Verfahrens sie nur noch ausdrücklich möglich ist (§ 11 Abs. 2 IPRG). Im Rahmen des Internationalen Deliktsrechts ist die Rechtswahl für Ansprüche, die sich aus Wettbewerbsverletzungen ergeben, ausgeschlossen (hM), vgl. Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 48 IPRG, Rn. 71 mwN. Zum Ganzen: RummelVerschraegen, 3.A. (2002), § 35, Rn. 1 ff.

IV. Autonomes Internationales Delikts- und Nachbarrecht

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Auflockerungen zur Anwendung. Die Rechtswahl ist nicht beschränkt; sie kann vor oder nach dem Entstehen des Schuldverhältnisses für ein oder mehrere Rechtsordnungen und auch nur für Teilbereiche eines Anspruchs getroffen werden.48 Nach § 11 Abs. 3 IPRG darf die Rechtswahl nicht die Rechte von Dritten beeinträchtigen. Eine Rechtswahl setzt sich auch grundsätzlich gegenüber speziellen völkerrechtlichen Verträgen, wie zum Beispiel dem Haager Straßenverkehrsrechtsübereinkommen, durch. Grundsätzlich wird nach § 48 Abs. 1 Satz 1 IPRG an den Ort, an „dem das den Schaden verursachenden Verhalten gesetzt worden ist“, angeknüpft. Dies ist der Handlungsort.49 Auch bei Distanzdelikten ist nach dieser allgemeinen Regel das Recht des Handlungsortes (oder Unterlassungsorts50) anzuwenden, es sei denn der Sachverhalt weist einen stärkeren Bezug zum Recht eines anderen Staates auf. Eine Wahlmöglichkeit zugunsten des Erfolgsortes gibt es dagegen allerdings nicht, und auch das Günstigkeitsprinzip findet keine Anwendung. § 48 Abs. 1 Satz 2 IPRG enthält eine Ausweichklausel für Fälle, in denen „für die Beteiligten eine stärkere Beziehung zum Recht ein und desselben anderen Staates“ besteht. Eine solche stärkere Bindung der Beteiligten ist im Wege eines „beweglichen Systems“ zu ermitteln,51 wobei eine eindeutige Zuordnung des Schwerpunktes der Beziehung zu einem anderen Recht vorliegen muss. Die Sachverhaltsbeziehungen zu einem anderen Staat müssen so stark überwiegen, dass die Verbindung zum Handlungsort nur nebensächlich und zufällig erscheint.52 Insbesondere in drei Fällen kommt die Ausweichklausel nach diesen Grundsätzen zur Anwendung:53 (1) Wenn sowohl ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Beteiligten als auch deren gemeinsames Heimatrecht zusammenfallen, kann eine stärkere Bindung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 IPRG angenommen werden.54 (2) Weiterhin fallen auch so genannte gruppeninterne Delikte, wie sie zum Beispiel in homogenen Reisegruppen im Ausland auftreten, unter

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Schwimann, IPR, S. 31; Posch, Bürgerliches Recht, § 9, Rn. 13. Im Einzelnen: Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 48 IPRG, Rn. 23 f. 50 Also dem Ort, an dem hätte gehandelt werden müsse; Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 48 IPRG, Rn. 23. 51 Posch, Bürgerliches Recht, § 15, Rn. 29. 52 Schwimann, IPR, S. 65. 53 Ferner wird auch eine nicht kodifizierte vertragsakzessorische Anknüpfung für grenzüberschreitende Haftungsfälle über den Weg der Ausweichklausel in § 48 Abs. 1 Satz 2 IPRG, wenn bereits eine vertragliche Beziehung zwischen den Beteiligten besteht, durchgeführt; OGH IPRax 1988, 363; Schwimann, IPR, S. 65; Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 48, Rn. 30; Posch, § 15, Fn. 120 mwN. 54 OGH SZ 68/141; OGH JBl. 2003, 862; Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 48, Rn. 30 mwN. 49

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4. Kapitel – Autonomes Internationales Privatrecht

die Ausweichklausel.55 (3) Interessant für die Haftung für grenzüberschreitende Umwelthaftung ist der dritte Fall, bei dem nach der herrschenden Meinung in der Literatur die Ausweichklausel eingreift. Wenn der Schädiger typischerweise mit einem Schadenseintritt außerhalb des Handlungsstaats rechnen musste, kommt eben dieses Recht des Schadenseintrittsorts, also des Erfolgsorts zur Anwendung.56 Nach der herrschenden Meinung in der Rechtswissenschaft gilt die Ausweichklausel in dieser Form auch für Umweltschäden.57 Durch die Verletzung eines fremden Rechtsguts durch eine grenzüberschreitende Umweltschädigung, stellt diese selbst eine für die Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 2 IPRG ausreichende Beziehung zum Erfolgsort her. Dies gilt auch im Hinblick auf grenzüberschreitende Immissionen, bei denen es sich nicht um Immissionen im unmittelbaren Nachbarschaftsverhältnis handelt.58 Diese unterliegen nämlich der sachenrechtlichen Anknüpfung gemäß § 31 IPRG.59 Im Ergebnis führt dies allerdings zu einem weitestgehenden Gleichlauf der Anknüpfungen, da auch die lex rei sitae bei Immissionsabwehransprüchen dem Erfolgsortsrecht entspricht. b) Internationales Nachbarrecht Die nachbarrechtlichen Abwehransprüche zum Schutz des Eigentums gehören im österreichischen Zivilrecht zum Sachenrecht und werden deshalb grundsätzlich gemäß § 31 IPRG nach dem Belegenheitsort des Grundstücks angeknüpft,60 so dass die lex rei sitae zur Anwendung kommt. In Bezug auf einen der wichtigsten Fälle der Umwelthaftung, die grenzüberschreitenden Immissionen, die sich im direkten staatlichen Nachbarschaftsverhältnis auf Grundstücke auswirken, folgt die Anknüpfung an den Erfolgsort so bereits aus der sachenrechtlichen Grundlage der nachbarrechtlichen Ansprüche und der damit verbundenen Anwendung der lex rei sitae (§ 31 Abs. 2 IPRG).61

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Schwimann, IPR, S. 65; Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 48, Rn. 30 mwN. Schwimann, IPR, S. 65; Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 48, Rn. 30 mwN; Koziol, S. 366 f. 57 Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 48, Rn. 59; Kerschner, JBl. 1983, 337 (348 f.); Koziol, S. 368. 58 Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 31, Rn. 43 und § 48, Rn. 59; Kerschner, JBl. 1983, 337 (349). 59 Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 48, Rn. 58; siehe hierzu den folgenden Abschnitt. 60 Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 31 IPRG, Rn. 11. 61 Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 31 IPRG, Rn. 40; Schwimann, IPR, S. 182; Wilhelm, JBl. 1986, 696 (697); Kerschner, JBl. 1983, 337 (349). 56

IV. Autonomes Internationales Delikts- und Nachbarrecht

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c) ordre public Nach § 6 IPRG sind Bestimmungen „des fremden Rechts nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist.“ Der Vorbehalt hat so eine negative Funktion und entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem deutschen Art. 6 EGBGB.62 Der ordre public-Vorbehalt ist restriktiv anzuwenden63 und setzt zudem einen Bezug zum Inland voraus.64 Lücken, die durch die Anwendung des Vorbehalts entstehen, durch die lex fori geschlossen (§ 6 Satz 2 IPRG). 3. Schweiz a) Grundanknüpfungen und Sonderregeln Auch im Schweizer Deliktskollisionsrecht galt früher grundsätzlich die Anknüpfung an den Tatort (lex loci delicti commissi).65 Durch das reformierte IPRG von 1987 wurden allerdings nicht nur Spezialanknüpfungen für die häufigsten Deliktstypen eingeführt,66 sondern auch die Grundanknüpfung für die verbleibenden Fälle wurde von der reinen Tatortregeln zu einer Auffangregel, die primär eine vertragsakzessorische Anknüpfung vorsieht, umgewandelt.67 Diese findet sich in Art. 133 Abs. 3 IPRG. Besteht kein entsprechendes Vertragsverhältnis zwischen den Parteien wird nach Art. 133 Abs. 1 IPRG an das eventuelle gemeinsame Personalstatut, also ein gemeinsames Umweltrecht angeknüpft.68 Letzte Auffangregel ist schließlich die Anknüpfung an den Tatort gemäß Art. 133 Abs. 2 IPRG. Bei Distanzdelikten wird hierbei zwingend auf das Recht des Erfolgsorts verwiesen, wenn der Schädiger mit einem Schaden in diesem ausländischen Staat rechnen musste.69 Vor alledem steht gemäß Art. 132 IPRG allerdings noch die Möglichkeit einer nachträglichen Rechtswahl zwischen den Parteien, die aber nur zugunsten des Schweizer Rechts als

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Staudinger-Blumenwitz, Neub. (2003), Art. 6 EGBGB, Rn. 181. Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 6 IPRG, Rn. 1; Schwimann, IPR, S. 44. 64 Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 6 IPRG, Rn. 3. 65 Zur Entwicklung des schweizerischen Internationalen Deliktsrecht vgl. Seidel, S. 28 f. mwN. 66 Art. 134-139 IPRG (Straßenverkehrsunfälle, Produktmängel, Unlauterer Wettbewerb, Wettbewerbsbeschränkungen, Immissionen und Persönlichkeitsverletzungen). 67 Basler Kommentar-Umbricht/Zeller, 2.A. (2007), Art. 133 IPRG, Rn. 2 ff.; Zürcher Kommentar-Heini, 2.A. (2004), Art. 133 IPRG, Rn. 1 f. 68 Basler Kommentar-Umbricht/Zeller, 2.A. (2007), Art. 133 IPRG, Rn. 9; Zürcher Kommentar-Heini, 2.A. (2004), Art. 133 IPRG, Rn. 3 ff. 69 Basler Kommentar-Umbricht/Zeller, 2.A. (2007), Art. 133 IPRG, Rn. 10 f.; Zürcher Kommentar-Heini, 2.A. (2004), Art. 133 IPRG, Rn. 8 ff. 63

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4. Kapitel – Autonomes Internationales Privatrecht

der lex fori ausgeübt werden kann.70 Umstritten ist, ob eine derartige Rechtswahl auch im Rahmen der Sonderanknüpfungen der Art. 135-139 IPRG zulässig ist.71 Zumindest bei den Sonderanknüpfungen in Art. 135, 138, 139 IPRG geht die herrschende Meinung in der Literatur wegen des schuldrechtlichen Charakters72 der Fallgruppen von einer Rechtswahlmöglichkeit aus.73 b) Sonderanknüpfung bei Umweltschädigungen In Europa hatte bislang allein die Schweiz mit Art. 138 IPRG eine eigene Kollisionsnorm für die Haftung für Umweltschäden durch Grundstücksemissionen im Internationalen Deliktsrecht eingeführt.74 Seit Inkrafttreten der Rom II-Verordnung besteht nun auch für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Sonderanknüpfung, die allerdings eine etwas andere Regelung vorsieht (Art. 7 Rom II-VO). Nach dieser Spezialregelung kann der Geschädigte bei „schädigenden Einwirkungen, die von einem Grundstück ausgehen“, zwischen dem Recht des Emissionsstaates und dem Recht des Immissionsstaates wählen. Das Wahlrecht soll der besonderen Schutzbedürftigkeit des Geschädigten Rechnung tragen. Immissionen und ihre Auswirkungen seien örtlich im Voraus nur schwer zu bestimmen, so dass es dem Geschädigten ermöglicht werden müsse, das für ihn günstigere Recht zu bestimmen. Ferner soll so auch bewusst ein höheres Schutzniveau verwirklicht werden.75 Die Norm erfasst alle Immissionen,76 die ihren Ursprung auf einem Grundstück haben. Andere schädliche Einwirkungen werden gemäß Art. 133 IPRG behandelt.77 Die Vorschrift gilt auch für die verbundenen sachenrechtlichen Ansprüche (Art. 99 Abs. 2 IPRG). Grundsätzlich wird auch im Internationalen 70

Basler Kommentar-Umbricht/Zeller, 2.A. (2007), Art. 133 IPRG, Rn. 2. Bei Art. 134 IPRG ist eine Rechtswahl nicht möglich, da dieser direkt auf das Haager Straßenverkehrsunfalls-Übereinkommen verweist, das keine Rechtswahl zulässt. Basler Kommentar-Umbricht/Zeller, 2.A. (2007), Art. 132 IPRG, Rn. 4; Zürcher Kommentar-Heini, 2.A. (2004), Art. 132 IPRG, Rn. 1 ff. 72 Zürcher Kommentar-Heini, 2.A. (2004), Art. 132 IPRG, Rn. 1. 73 Vgl. zum Streitstand die Nachweise bei Basler Kommentar-Umbricht/Zeller, 2.A. (2007), Art. 132 IPRG, Rn. 4. 74 Asche, S. 150. 75 favor naturae; Basler Kommentar-Dasser, 2.A. (2007), Art. 138 IPRG, Rn. 2; Zürcher Kommentar-Heini, 2.A. (2004), Art. 138 IPRG, Rn. 7. 76 Dazu gehören sowohl negative als auch immaterielle Immissionen; Basler Kommentar-Dasser, 2.A. (2007), Art. 138 IPRG, Rn. 4 f.; Zürcher Kommentar-Heini, 2.A. (2004), Art. 138 IPRG, Rn. 3. 77 Danach ist zunächst das Recht des gemeinsamen Aufenthalts anzuwenden, dann das Recht am Erfolgsort und ansonsten das Recht des Handlungsortes. 71

V. Zusammenfassung

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Sachenrecht der Schweiz nach Art. 99 Abs. 1 IPRG an den Belegenheitsort einer Sache angeknüpft (lex rei sitae). Genau wie Art. 44 EGBGB im deutschen Recht verweist Art. 99 Abs. 2 IPRG für die Anknüpfung der nachbarrechtlichen Immissionsabwehransprüche auf die deliktsrechtliche Sonderanknüpfung des Art. 138 IPRG.78 c) ordre public Die allgemeine ordre public-Vorbehaltsklausel findet sich in Art. 17 IPRG. Dieser dient der Korrektur von Ergebnissen der Anwendung ausländischen Rechts, die mit dem schweizerischen ordre public unvereinbar sind.79 Die Vorschrift ist trotz ihres weiten Wortlauts restriktiv anzuwenden.80 Ferner ist ein gewisser Inlandsbezug Voraussetzung.81

V. Zusammenfassung Dieser Überblick der Regelungen für das anwendbare Recht im Rahmen der zivilrechtlichen Umwelthaftung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten offenbart Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen. Bei Deutschland und Österreich handelt es sich Mitgliedstaaten der EU, so dass diese Regelungssysteme nun in den meisten Bereiche durch die Rom IIVerordnung ersetzt werden. Die Kollisionsrechtssysteme von Deutschland und Österreich ähneln einander in Bezug auf die Haftung für Umweltschädigungen insofern, als dass beide keine Sonderanknüpfungen enthalten.82 Alle Deliktstypen werden – mit Ausnahme der vom Haager Übereinkommen für Verkehrsunfälle erfassten Bereiche83 – nach den allgemeinen Regeln angeknüpft. Die Grundanknüpfung ist jeweils das Tatortprinzip und bei Distanzdelikten 78

Basler Kommentar-Fisch, 2.A. (2007), Art. 99 IPRG, Rn. 18 f.; Zürcher Kommentar-Heini, 2.A. (2004), Art. 99 IPRG, Rn. 5. 79 Dieser unterscheidet sich von der „öffentlichen Ordnung“, die Art. 19 IPRG im Hinblick auf die Berücksichtigung drittstaatlicher Eingriffsnormen schützen soll. Art. 18 IPRG sichert die Durchsetzung international zwingenden schweizerischen Sachrechts; Staudinger-Blumenwitz, Neub. (2003), Art. 6 EGBGB, Rn. 180 mwN. 80 Zürcher Kommentar-Vischer, 2.A. (2004), Art. 17 IPRG, Rn. 4. 81 Auch hier gilt der Grundsatz der Relativität des ordre public. Je stärker der Inlandsbezug ist, desto niedriger ist die Eingriffsschwelle des inländischen ordre public; Basler Kommentar-Mächler-Erne/Wolf-Mettier, 2.A. (2007), Art. 17 IPRG, Rn. 6 f.; Zürcher Kommentar-Vischer, 2.A. (2004), Art. 17 IPRG, Rn. 15. 82 Anders dagegen die Rom II-Verordnung (Art. 5-9), die unter anderem eine Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen vorsieht; siehe 5. Kapitel, III.2.d. 83 Dies gilt freilich nur für die Vertragsstaaten des Übereinkommens, zu denen Österreich, aber nicht Deutschland gehört.

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4. Kapitel – Autonomes Internationales Privatrecht

jeweils der Handlungsort.84 Die Rom II-Verordnung knüpft dagegen grundsätzlich – auch bei Umweltschädigungen – an den Erfolgsort an.85 Interessant für die zivilrechtliche Umwelthaftung und die damit verbundenen Abwehransprüche ist weiterhin, wie nachbarrechtliche Anspruchsgrundlagen behandelt werden, die dem Sachenrecht zugeordnet sind. Die Rom II-Verordnung erfasst keine sachenrechtliche Ansprüche. In Deutschland und Österreich wird das grundstücksbezogene Nachbarrecht dem Sachenrecht zugeordnet. Gerade (potentielle) Schädigungen durch Immissionen stellen einen wichtigen Bereich der Umwelthaftung dar. Für einen kollisionsrechtlichen Gleichlauf wäre es wünschenswert, wenn diese sachenrechtliche Ansprüche trotzdem den Regelungen der Rom II-Verordnung unterfallen würden. Dies kann aber nur durch das autonome Kollisionsrecht der betreffenden Mitgliedstaaten erreicht werden. Deutschland hat mit dem angepassten Art. 44 EGBGB eine entsprechende Regelung eingeführt.86 Im Hinblick auf Österreich kann es dagegen zu einem Auseinanderfallen der nachbarrechtlichen und deliktischen Umwelthaftungsansprüche kommen.87 Das 1987 reformierte IPRG der Schweiz sieht dagegen neuartige Regelungen vor. Hier sind insbesondere die vorrangigen Sonderanknüpfungen für die wichtigsten Deliktsgruppen – auch Umweltschädigungen durch Grundstücksemissionen – und auch das abgestufte Anknüpfungssystem der Auffangklausel zu nennen. Die Regelungen ähneln in vielerlei Hinsicht dem neuen Regelungssystem der Rom II-Verordnung, die im folgenden Kapitel vorgestellt wird.

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Für das deutsche IPR verwirklicht allerdings Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB das Ubiquitätsprinzip, indem dem Geschädigten ein zeitlich beschränktes Wahlrecht zugunsten des Erfolgsortsrechts eingeräumt wird. 85 Siehe 5. Kapitel, III.2. und V. 86 Vgl. zur Anpassung des EGBGB in dieser Hinsicht auch Brand, GPR 2008, 298 (301). 87 Die Verweisungsregelungen für das Sachenrecht knüpfen eigentlich immer an den Belegenheitsort an (lex rei sitae). Dieser entspricht im Hinblick auf Abwehransprüche gegen Grundstückimmissionen in der Regel dem Erfolgsort im Sinne des Internationalen Deliktsrechts. Im Rahmen der Rom II-Verordnung besteht jedoch bei Umweltschädigungen ein Wahlrecht zugunsten des Rechts am Handlungsort nach Art. 7 Rom II-VO.

5. Kapitel

Die Rom II-Verordnung I. Einleitung Nach einem verhältnismäßig langen Verordnungsgebungsverfahren ist im Januar 2009 die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) zu einem Teil des Sekundärrechts der Europäischen Gemeinschaft geworden. Die Verordnung, die im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen1 erlassen worden ist, enthält umfassende kollisionsrechtliche Regelungen zur Bestimmung des anwendbaren Rechts auf außervertragliche Schuldverhältnisse und ist als Verordnung2 im Sinne von Art. 288 Abs. 2 AEUV3 unmittelbar in den Mitgliedstaaten4 anwendbar und hat verbindlichen Charakter für deren Gerichte. Am 22.7.2003 hat die Europäische Kommission den ersten Verordnungsvorschlag zum Internationalen Privatrecht der außervertraglichen Schuldverhältnisse vorgelegt.5 Unter der deutschen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 einigten sich dann Rat und Europäisches Parlament im Vermittlungsverfahren6 zu diesem Vorhaben. Daraufhin wurde die EGVerordnung Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, die so genannte Rom II-Verordnung, am 1

Art. 81 AEUV (ex-Art. 65 EG). Der europäische Gesetzgeber wählt im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Regel diese Rechtsform, um insbesondere eine gemeinschaftsweite einheitliche Anwendung sicherzustellen, ohne von den nationalen Umsetzungen abhängig zu sein; Kreuzer/Wagner in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrechts, 28.EL (2011), Kapitel R, Rn. 22. 3 Der Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 13. September 2007, ABl. 2007/C 306, S. 1, (in Kraft getreten am 1. Dezember 2009), reformierte den Vertrag über die Europäische Union und den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, der den neuen Namen Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV, ABl. 2008/C 115, S. 47) erhielt. 4 Mit Ausnahme Dänemarks, vgl. unten. 5 KOM (2003) 427 endgültig. 6 Art. 251 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 und 5 EG. 2

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

11.7.2007 verabschiedet.7 Die Verordnung trat mit ihren entscheidenden Regelungen am 11.1.2009 in Kraft.8 Gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV9 hat die Verordnung unmittelbare Wirkung und bedarf nicht mehr der Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten, sondern ist ab dem 11.1.2009 in allen Teilen direkt verbindlich. Die Verordnung gilt in allen EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Dänemarks (Art. 1 Abs. 4 Rom II-VO), das sich an den Maßnahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen generell nicht beteiligt.10 Die Bezeichnung als Rom II-Verordnung ist auf historische sowie systematische Gründe zurückzuführen. Der Name leitet sich von der Parallelverordnung, der so genannten Rom I-Verordnung,11 ab, die entsprechende Kollisionsregeln für vertragliche Schuldverhältnisse enthält und am 17.12.2009 in Kraft getreten ist. Ihr Name wiederum stammt vom Europäischen Schuldvertragsübereinkommen (EVÜ),12 das auch als Römisches Schuldvertragsübereinkommen bezeichnet und durch eben diese Rom IVerordnung ersetzt werden wird. Die Rom I-Verordnung bezieht sich auf vertragliche Schuldverhältnisse (vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Rom II-VO). Eine Regelung der Kollisionsregeln für außervertragliche Schuldverhältnisse auf europäischer Ebene war nicht nur als weiterer Schritt zur Schaffung eines Europäischen Rechtsraumes, sondern auch aus Gründen der einfacheren Nutzung und des „reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes“13 wünschenswert.14 Durch die Brüssel I-Verordnung 7

ABl. EU Nr. L 199 v. 31.7.2007, S. 40. Art. 32 Rom II-VO. Einzige Ausnahme ist Art. 29 Rom II-VO, der bereits ab dem 11.7.2008 in Kraft getreten ist. 9 Ex-Art. 249 Abs. 2 EG. 10 Jetzt Art. 2 des Anhangs zum Protokoll Nr. 22 zum Lissabonner Vertrag. Im Hinblick auf die Rom II-Verordnung galt noch ex-Art. 69 EG iVm Art. 1 und 2 des Protokolls über die Position Dänemarks zum Amsterdamer Vertrag (ABl. EG 1997, C 340/101). Das Vereinigte Königreich und Irland haben dagegen, wie in den meisten Fällen der justiziellen Zusammenarbeit, ihr opt in nach ex-Art. 69 EG iVm Art. 1 und 2 des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irland zum Amsterdamer Vertrag (ABl. EG 1997, C 340/99) erklärt. Siehe auch die Erwägungsgründe 39 und 40 der Rom II-VO. 11 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“); ABl. EU 2008 L 177 v. 4.7.2008, S. 6. 12 Europäisches Übereinkommen über das vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Europäisches Vertragsübereinkommen, EVÜ) v. 9.10.1980, ABl. EG Nr. C27 v. 26.1.1998, S. 34 (konsolidierte Fassung). Das Europäische Schuldvertragsabkommen ist in Deutschland in den Art. 27-37 EGBGB umgesetzt. Es wird durch die Rom IVerordnung abgelöst werden; Junker, NJW 2007, 3675. 13 Ex-Art. 65 EG (so auch Art. 81 AEUV). 14 Insbesondere die vor der Rom II-Verordnung in Kraft befindlichen nationalen Kollisionsnormen für die außervertraglichen Schuldverhältnisse lassen schon nach einer 8

II. Entstehung der Rom II-VO

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(EuGVVO)15 werden ferner bei deliktischen Klagen mehrere Wahlgerichtsstände eröffnet, so dass es notwendig erschien – unter anderem um forum shopping zu vermeiden –, auch das entsprechende Kollisionsrecht in Form einer Verordnung, die nicht wie eine Richtlinie von den Ungewissheiten nationaler Umsetzungen abhängig ist, zu vereinheitlichen.16 Schließlich soll die Verordnung auch und insbesondere der Erhöhung der Rechtssicherheit und der Erleichterung der Rechtsanwendung durch die Gerichte dienen. Dieses Kapitel wird sich nur überblicksartig mit den allgemeinen Kapiteln der Rom II-VO und dem Kapitel über das Internationale Privatrecht der unerlaubten Handlung befassen. Zunächst wird die Entwicklungsgeschichte der Verordnung zusammengefasst dargestellt. Daran schließt sich dann die knappe Vorstellung des neuen Regelwerks an. Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt auf der Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen und den „Gemeinsamen Vorschriften“, die besondere Bedeutung dafür haben.

II. Entstehung der Rom II-VO Während schon die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 eine für die Verhältnisse der europäischen Sekundärgesetzgebung lange Entstehungsgeschichte von vier Jahren vorweisen kann, so hat die Entwicklung eines europäischen Regelungssystems für die internationalprivatrechtliche Anknüpfung von außervertraglichen Ansprüchen fast 40 Jahre seit einem ersten Vorentwurf der Kommission aus dem Jahr 1972 gedauert.17 Eine einheitliche europäische Regelung wurde schon damals wegen des Bedürfnisses nach Rechtssicherheit und der beträchtlichen Unterschiede zwischen den nationalen Regelungssystemen für notwendig gehalten.18 Anfänglich sollte oberflächlichen vergleichenden Analyse (wie sie im zweiten Teil dieser Arbeit für einige Mitgliedsstaaten vorgenommen wurde) deutliche Unterschiede erkennen, die nicht dem Rechtssicherheits- und -klarheitsbedürfnis der Wirtschaftsteilnehmer entsprechen konnte. 15 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates v. 22.12.200 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen („Brüssel I“). 16 Vgl. KOM(2003) 427 endg., S. 6 f. und Leible/Engel, EuZW 2004, 7 (8). 17 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Vorentwurf eines Übereinkommens über das auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (1972); Deutscher Text in: RabelsZ 38 (1974), S. 211 ff.; kommentierter englischer Text bei: Lando, RabelsZ 38 (1974), 6 ff.; siehe auch von Overbeck/Volken, RabelsZ 38 (1974), 56 ff.; vgl. auch die Einleitung des ersten Verordnungsvorschlags der Kommission v. 22.7.2003, KOM(2003) 427 endg., S. 3. 18 Lando, RabelsZ 38 (1974), 6; so auch Erwägungsgrund 15 der Rom II-VO.

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

das gesamte Internationale Privatrecht in einem europäischen Übereinkommen geregelt werden.19 Der Vorentwurf enthielt dann Regelungen sowohl für vertragliche als auch für außervertragliche Schuldverhältnisse. Der Teil der Regelungen, die für vertragliche Schuldverhältnisse vorgesehen war, mündete dann in das Römische Schuldvertragsübereinkommen vom 19.6.1980 (EVÜ). Der Vorentwurf selbst und mit ihm die auf europäischer Ebene einheitliche Regelung des Internationalen Rechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse verliefen aber schlussendlich im Sande.20 Erst der Vertrag vom Maastricht hat mit der Einführung der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen als Bestandteil der europäischen Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres21 wieder einen Impuls für die Entwicklung von neuen europäischen Kollisionsregeln, auch für das Internationale Deliktsrecht, gegeben. Im Jahr 1996 wurde mit Beratungen für ein Übereinkommen über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht begonnen.22 Startpunkt für die Rom II-Verordnung war danach der Aktionsplan des Rates von 1998 zur Umsetzung des Vertrages von Amsterdam.23 24 Dieser bot die Rechtsgrundlage für europäisches Sekundärrecht in diesem Bereich.25 Hier sah die Europäische Kommission die Ermächtigungsgrundlage für die Europäischen Gemeinschaften, allgemeinverbindliche Regelungen in Form einer Verordnung – unter Beachtung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit26

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von Overbeck/Volken, RabelsZ 38 (1974), 56. Wegen der durch den Beitritt von Dänemark, Irland und dem Vereinigten Königreich und da sich die Erfassung des gesamten IPR der Schuldverhältnisse als kurzfristig zu ehrgeizig darstellte, wurde im März 1978 beschlossen, die Arbeiten zunächst auf die vertraglichen Schuldverhältnisse zu beschränken; Dies geschah vor allem aus Zeitgründen, da bereits die Arbeiten am Schuldvertragsübereinkommen deutlich länger als jemals geplant andauerten. Dazu kamen die großen Unterschiede zwischen den kontinentaleuropäischen Rechtssystemen und dem common law mit Blick auf die außervertraglichen Schuldverhältnisse; vgl. Kreuzer/Wagner in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, 28.EL (2011), Kapitel R, Rn. 109; KOM(2003) 427 endg., S. 3; Leible/Engel, EuZW 2004, 7. Die Regelungen des EVÜ wurden in Deutschland in den Art. 27-37 EGBGB umgesetzt. 21 Art. K. 1 Nr. 6 EU (in der Form des Vertrags von Maastricht). 22 „Rom II“; vgl. ABl. EG 1996 C 319, 1 und ABl. EG 1998 C 11, 2. 23 Aktionsplan des Rates und der Kommission zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, ABl. EU C 19 v. 23.1.1999, S. 1. 24 Neben den Arbeiten im Rat unterstützte die Europäische Kommission die Europäische Gruppe für Internationales Privatrecht (Groupe Européen de Droit International Privé, „Gedip“) bei einem Projekt, das die Durchführbarkeit eines derartigen kollisionsrechtlichen Übereinkommens. 25 ex-Art. 65 lit. b und 61 lit. c EG; vgl. Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256 (261) mwN. 26 Art. 5 Abs. 2 und 3 EG; vgl. hierzu auch KOM(2003) 427 endg., S. 8. 20

II. Entstehung der Rom II-VO

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– und nicht nur ein internationales Übereinkommen wie das EVÜ zu erlassen. Dies führte dann zu einem konkreten Vorentwurf für eine unmittelbar geltende und anwendbare Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht im Jahr 2002.27 Dieser wiederum mündete nach der Einarbeitung zahlreicher Anregungen aus den Mitgliedsstaaten, dem Öffentlichen Bereich, der Wirtschaft und der Wissenschaft in den Verordnungsvorschlag der Kommission vom 22.7.2003 im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens nach Art. 251 Abs. 2 EG, mit dem das legislatorische Verfahren begann.28 Bereits der Vorentwurf fand den Beifall der Rechtswissenschaft und dies nicht nur dafür, dass das Internationale Privatrecht der außervertraglichen Schuldverhältnisse einheitlich auf europäischer Ebene und durch EG-Sekundärrecht in Form einer Verordnung unmittelbar und verbindlich geregelt wurde, sondern auch für die Regelungssystematik und viele der einzelnen Regelungen.29 Der erste Kommissionsvorschlag erfuhr grundsätzlich positive Kritiken aus der Rechtswissenschaft und -praxis, lediglich in Detailfragen wurden Verbesserungen vorgeschlagen.30 Das Europäische Parlament veröffentliche nach erster Lesung fast zwei Jahre später seine Entschließung zum Vorschlag der Kommission am 6.7.2005.31 Zu den wesentlichsten Änderungsanträgen des Parlaments gehörten die Streichung der Sonderanknüpfungen für Fälle der Produkthaftung und des unlauteren Wettbewerbs sowie für Umweltschädigungen,32 27

Consultation on a Preliminary Draft Proposal for a Council Regulation on the Law Applicable to Non-Contractual Obligations v. 3.5.2002; deutscher Text bei: Leible (Hrsg.), IPR im Zeitalter der neuen Medien, S. 181 ff.; kommentierter englischer Text bei: Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67 (2003), 5 ff. 28 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) v. 22.7.2003, KOM(2003) 427 endgültig; abgedruckt u.a. bei IPRax 2005, 174 ff. Dieser Vorschlag der Kommission enthielt 27 Artikel und lediglich 23 Erwägungsgründe. 29 So unter anderem die Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67 (2003), 1 ff. 30 Vgl. nur die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses v. 2./3.6.2004; sowie Leible/Engel, EuZW 2004, 7 ff.; Huber/Bach, IPRax 2005, 73 ff.; deutlich kritischer zum geänderten Kommissionsvorschlag sind Koziol/Thiede, ZVglRWiss 106 (2007), 235 ff., die jedoch unberechtigterweise das Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EG mit für ihre Kritikpunkte verantwortlich machen. 31 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“); ABl. EU C 157 E/370 v. 6.7.2006; Vorschlag mit den Änderungen des Parlaments abgedruckt in IPRax 2006, 413 ff. 32 Diese Sonderanknüpfungen wurden als überflüssig erachtet, da nach Meinung des Parlaments und insbesondere der Berichterstatterin Diana Wallis die Grundanknüpfungen ausreichend und auch deutlich flexibler seien.

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

die Einführung von neuen Sonderanknüpfungen für Arbeitskampfmaßnahmen und Verkehrsunfälle und die Einführung einer eingeschränkten vorherigen Rechtswahlmöglichkeit.33 Hierauf stellte die Europäische Kommission am 21.2.2006 ihren auf Grundlage von ex-Art. 250 Abs. 2 EG34 geänderten Vorschlag für die Rom II-Verordnung vor.35 Dieser übernahm einen Teil der Änderungen des Parlaments, wie zum Beispiel die grundsätzliche Möglichkeit einer vorherigen Rechtswahl. Die vom Parlament als überflüssig abgelehnten Sonderanknüpfungen wurden aber – zum Teil unter Hinzufügung von Definitionen – beibehalten, da die Kommission der Auffassung war, dass sich in diesen Spezialbereichen das anzuwendende Recht ohne die Sonderanknüpfungen nicht mit hinreichender Sicherheit vorherbestimmen ließe.36 Auch die Änderungen, die neue Sonderanknüpfungen einführen sollten, lehnte die Kommission ab.37 Weiterhin wurde die Sonderanknüpfung für Persönlichkeitsverletzungen gänzlich gestrichen.38 Daraufhin beschäftigte sich der Rat mit dem geänderten Kommissionsvorschlag und den Änderungsanträgen des Parlaments. Am Ende der Erörterungen im Rat wurde am 25.9.2006 der Gemeinsame Standpunkt (EG) Nr. 22/200639 des Rates festgelegt. Dieser orientiert sich weitestgehend am geänderten Vorschlag der Kommission, enthält jedoch einige wenige Abweichungen.40 Hierzu gehörten unter anderem die Einführung einer Sonderanknüpfung für Kartellverstöße, die Übernahme des Parlamentsvorschlages der Sonderanknüpfung für Arbeitskampfmaßnahmen und die ausdrückliche Zuordnung der c.i.c.-Ansprüche zu den außervertraglichen Schuldverhältnissen41. In zweiter Lesung akzeptierte daraufhin das Europäische Parlament die geänderten Vorschläge in großen Teilen, hielt aber weiter an einer Sonderanknüpfung für Persönlichkeitsverletzungen nach seinen Vorstellungen42 fest, wollte nun die Sonderanknüpfung für Wettbewerbsverstöße ganz streichen und ergänzte eine Definition der Umwelt-

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Vgl. EP-Dokument A6-0211/2005 endg. Art. 293 AEUV. 35 Vgl. KOM(2008) 83 endg.; geänderter Vorschlag abgedruckt in IPRax 2006, 404 ff. 36 KOM(2008) 83 endg. S. 6 f. 37 Im Hinblick auf die Arbeitskampfmaßnahmen wegen der starren Regelung, die das Parlament vorgeschlagen hatte; bei den Verkehrsunfällen wegen des bestehenden Haager Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht v. 4.5.1971 und weil sie die Grundanknüpfung als durchaus ausreichend ansah; KOM(2008) 83 endg. S. 7. 38 KOM(2006) 83 endg. S. 6; Wagner, IPRax 2006, 372 (373). 39 ABl. EU 2006 C 289E/68 v. 28.11.2006. 40 Vgl. KOM(2006) 566 endg. v. 27.9.2006. 41 KOM(2006) 566 endg. S. 6. 42 Vgl. EP-Dokument A6-0481/2006, S. 11. 34

III. Regelungen der Rom II-VO

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schädigung43 in den Erwägungsgründen.44 Nach der darauf folgenden Stellungnahme der Kommission45 wurde gemäß Art. 251 Abs. 3 Satz 2 EG der Vermittlungsausschuss einberufen. In diesem konnte dann eine Einigung erzielt werden, zu deren wesentlichen Punkten der vorläufige46 Verzicht auf eine Sonderanknüpfung für Persönlichkeitsverletzungen und deren Ausschluss vom Anwendungsbereich der Verordnung, die Beibehaltung der Kollisionsregeln für Wettbewerbsverstöße und eine überarbeitete Definition des Umweltschadens gehörten.47 Nach der Annahme dieses gemeinsamen Entwurfs konnte die Rom II-Verordnung mit nun 32 Artikeln und 40 Erwägungsgründen am 10.7.2007 vom Europäischen Parlament und dem Rat verabschiedet werden und wurde am 11.7.2007 veröffentlicht.

III. Regelungen der Rom II-VO Die Verordnung besteht entsprechend der Verordnungsgebungspraxis der Europäischen Gemeinschaft aus Artikeln (32) und davorgestellten Erwägungsgründen (40), die die Motive des Verordnungsgebers, Erläuterungen und Definitionen enthalten und als Auslegungshilfen dienen. Angefügt an den Verordnungstext sind drei Erklärungen der Kommission.48 1. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich der Rom II-VO ist umfassend (Art. 1 Abs. 1-3 in Verbindung mit Art. 2 Rom II-VO). Ihre Reichweite ist universell (loi uniforme), die Verordnung gilt auch, wenn nach ihren Regelungen das sachliche Recht eines Nichtmitgliedsstaats anwendbar ist.49 43

Unter Bezugnahme auf die Definition in der Umwelthaftungsrichtlinie Nr. 2004/35/EG v. 21.4.2004. 44 Siehe im Einzelnen: Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in zweiter Lesung am 18.1.2007, Abl. EU 2007 C 244E/194 v. 18.10.2007. 45 KOM(2007) 126 endg. v. 14.3.2007. 46 Vgl. Art. 30 Abs. 2 Rom II-VO. 47 Vgl. Pressemitteilung des Rates (C/07/111) v. 16.5.2007. 48 Zur Überprüfungsklausel (Art. 30 Rom II-VO), zu Straßenverkehrsunfällen und zur Behandlung ausländischen Rechts. 49 Art. 1 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 Rom II-VO. Dies dient dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes, der Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen49 und der Ergänzung der EuGVVO (KOM(2003) 427 endg. S. 10). Die Regelung ist praktisch von großer Bedeutung, da sie eine Abgrenzung zwischen Binnenmarkt- und Drittstaatenfällen erübrigt. Obwohl die Regelung durchweg begrüßt wird, ist teilweise umstritten, ob die EG überhaupt kompetent für den Erlass einer universell geltenden Regelung ist; vgl. Jayme/Kohler, IPRax 2003, 485 (494); Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256 (261 ff.); Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (724) mwN.

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

Die Rom II-Verordnung erfasst gemäß Art. 2 Abs. 1 Rom II-VO Arten von Schuldverhältnissen: Unerlaubte Handlungen,50 ungerechtfertigte Bereicherung,51 Geschäftsführung ohne Auftrag52 und Verschulden bei Vertragsverhandlungen.53 Nach Art. 2 Abs. 2 und 3 Rom II-VO sind auch diejenigen außervertraglichen Schuldverhältnisse erfasst, deren Entstehen droht bzw. unmittelbar bevorsteht. Hieraus ergibt sich, dass auch die materiellen vorbeugenden Unterlassungs- und Abwehransprüche erfasst sein sollen.54 Der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung ist an den der EuGVVO und den des EVÜ bzw. der Rom I-Verordnung55 angepasst, um im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen einen Gleichlauf auf europäischer Ebene zu schaffen. Die Rom II-VO gilt für außervertragliche Schuldverhältnisse56 auf dem Gebiet des Zivil- und Handels50

Torts/Delicts, Faits Dommageables, Illeciti. Unjust enrichment, Enrichissement sans cause, Arricchimento senza causa. Die erfassten Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung sind autonom zu bestimmen ausgehend von dem Grundgedanken der Rückabwicklung rechtsgrundlos erfolgter Vermögensverschiebungen; siehe im Einzelnen: Palandt-Thorn, 68. A. (2009), Anhang zu Art. 38-42 EGBGB (Art. 10 Rom II-VO), Rn. 2 ff. 52 Negotiorum gestio, Gestion d’affaires. Aufgrund der erheblichen Unterschiede in verschienen Mitgliedstaaten bezüglich der Bedeutung und des Umfangs von Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag, sollen im Rahmen einer autonomen Begriffsbestimmung die Ansprüche erfasst sein, die sich durch die von einem Fremdgeschäftsführungswillen getragene Einmischung in einen fremden Rechtskreis auszeichnen; vgl. PalandtThorn, 68. A. (2009), Anhang zu Art. 38-42 EGBGB (Art. 11 Rom II-VO), Rn. 2. 53 Culpa in contrahendo; trotz der unterschiedlichen Funktionen der c.i.c. vor allem im deutschen Sachrecht werden sämtliche vorvertragliche Ansprüche wegen der Eindeutigen Zuordnung in Art. 2 Abs. 1 Rom II-VO und der des weiten Begriffsverständnisses in Erwägungsgrund 30 nach Art. 12 Rom II-VO angeknüpft; vgl. Lüttringhaus, RIW 2008, 193 ff. 54 Die Lesart der Vorschrift in Verbindung mit Art. 31 f. Rom II-VO von Brand (GPR 2008, 298 (300)), nach der Abwehransprüche und selbst Ansprüche aus Gefährdungshaftung weiter nach nationalem Recht angeknüpft werden sollen, wenn die Gefahrenlage sich über den 11.1.2009 nicht verstärkt haben sollte, ist nicht überzeugend. Im Hinblick auf die intertemporale Anknüpfung von Tatbeständen der Gefährdungshaftung siehe auch Junker, JZ 2008, 169 (170). 55 Erläuterung der Regelungen der Rom I-VO u.a. bei Pfeiffer, EuZW 2008, 622 mwN; vgl. auch die Synopse der deutschen Fassungen der Rom I- und Rom II-VO (und der entsprechenden Art. des EGBGB), Kindler/Klemann, IPRax 2008, 365. 56 Nach der Rechtsprechung des EuGH ist von einem vertraglichen Schuldverhältnisses auszugehen, wenn eine Partei gegenüber der anderen freiwillig eine Verpflichtung eingegangen ist; EuGH Rs. C-26/91 – Handte ./. Traitements mécano-chimiques de surfaces, Slg. 1992, I-3967, Rn. 15, JZ 1995, 90; Rs. C-334/00 – Tacconi ./. Wagner, Slg. 2002, I-7357, Rn. 27, NJW 2002, 3159; C-27/02 – Engler ./. Janus Versand, Slg. 2005, I482, Rn. 50, EuZW 2005, 177. Fehlt es an dieser Freiwilligkeit, liegt ein außervertragliches Schuldverhältnis vor. Um jedoch Abgrenzungsprobleme in Randbereichen zu ver51

III. Regelungen der Rom II-VO

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rechts.57 Die Verordnung gilt gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 2 Rom II-VO nicht für Zoll- und Steuersachen sowie für verwaltungsrechtliche Angelegenheiten. Außerdem sind die Staatshaftung und die Amtsträgerhaftung für hoheitliches Handeln vom Anwendungsbereich der Rom II-VO ausgeschlossen.58 Ferner enthält Art. 1 Abs. 2 Rom II-VO einen Katalog mit weiteren Ausnahmen.59 Von größerem Umfang und Bedeutung für das Thema dieser Arbeit ist der Bereich, den Art. 1 Abs. 2 lit. f Rom II-VO vom sachlichen Anwendungsbereich ausschließt. Die Vorschrift nimmt außervertragliche Schuldverhältnisse vom Anwendungsbereich der Verordnung aus, die sich aus Schäden ergeben, die durch Kernenergie oder ihre Nutzung verursacht worden sind. Während der Vorentwurf von 2002 noch keinen derartigen Ausschluss enthielt und obwohl sich auch verschiedene Stellungnahmen zu dem Vorentwurf für die Einbeziehung aussprachen,60 enthielt schon der erste Kommissions-Vorschlag eine entsprechende Ausnahmevorschrift.61 meiden, insbesondere wenn die dem außervertraglichen Schuldverhältnis eine vertragliche Beziehung zugrunde liegt, und um die Diskussion um die Einordnung der culpa in contrahendo für diese Verordnung zu entscheiden, hat der Verordnungsgeber die erfassten außervertraglichen Schuldverhältnisse in Art. 2 Rom II-VO definiert; Leible/Engel, EuZW 2004, 7 (8 f.); Lüttringhaus, RIW 2008, 193 (195 f.). 57 Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Rom II-VO. Der Begriff der Zivil- und Handelssache wird vom EuGH (wie auch für die EUGVVO) autonom ausgelegt werden: Rs. 29/76 – LTU ./. Eurocontrol, Slg. 1976, 1541, Rn. 4, NJW 1977, 489; Rs. 814/79 – Niederlande ./. Rüffer, Slg. 1980, 3807, Rn. 8, IPRax 1981, 169; Rs. C-172/91 – Sonntag ./. Waidmann, Slg. 1993, I-1963, Rn. 20, NJW 1993, 2091; Rs. C-271/00 – Gemeente Steenbergen ./. Luc Baten, Slg. 2002, I-10489, Rn. 30, IPRax 2004, 237; Rs. C-266/01 – TIARD SA ./. Niederlande, Slg. 2003, I-4867, Rn. 22, IPRax 2003, 528; Rs. C-292/05 – Lechouritou u.a. ./. Dimisio tis Omospondiakis Dimokratias tis Germanias, Slg. 2007, I-1519, Rn. 31, EuZW 2007, 252. 58 Art. 1 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz Rom II-VO (acta iure imperii); die Ausnahme ist unter anderem auf die zahlreichen Klagen auf Schadensersatz wegen Kriegshandlungen (u.a. im 2. Weltkrieg) zurückzuführen; vgl. Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (722). Auch das autonome deutsche IPR der unerlaubten Handlungen handhabt dies so und unterscheidet dabei zwischen hoheitlichem und nicht-hoheitlichem Handeln der Amtsträger; Staudinger-von Hoffmann, Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 109. 59 Siehe hierzu auch KOM(2003) 427 endg. S. 9; Wagner, IPRax 2008, 1 (2); Hohloch, Yearbook PIL, 2007, S. 17; Junker, NJW 2007, 3675 (3677); Leible/Lehmann, RIW 2007, 721; Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256. 60 Unter anderem die Hamburg Group on Private International Law sprach sich gegen den einen solchen Ausschluss aus, da die Abkommen diesen Bereich des Haftungsrechts materiell nicht vollständig erfassen und eben auch die Abkommen von den EUMitgliedsstaaten Irland, Luxemburg und Österreich nicht ratifiziert sind; vgl. RabelsZ 67 (2003), S. 6 ff.; ebenso zum Kommissionsvorschlag 2003: Fuchs, GPR 2003/04, 100 (101); MüKo-Junker, 4.A. (2006), Anhang zu Art. 42 EGBGB, Rn. 17. 61 Hauptgrund für den Ausschluss war, dass der Bestand internationaler Abkommen auf diesem Gebiet nicht gefährdet werden sollte; vgl. KOM(2003) 427 endg. S. 10. Für

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

Dieser Ausschluss ist von besonderer Bedeutung für das Umwelthaftungsrecht. Die Schäden, die durch Kernenergie verursacht werden, werden in der Regel über den Umweltpfad verursacht und gehören zu den Umweltschädigungen im Sinne von Art. 7 Rom II-VO. Außerdem spielen Anlagengenehmigungen62 und damit verbundene privatrechtsgestaltende Wirkungen bei Kernkraftwerken eine große Rolle.63 Da dieser Bereich des Internationalen Haftungsrechts jedoch durch völkerrechtliche Abkommen wie das Pariser Abkommen (PÜ)64, das Wiener Abkommen65 und das die beiden Abkommen verbindende Gemeinsame Protokoll vom 21.9.198866 bereits zu großen Teilen international geregelt ist, soll die Rom II-VO nicht in dieses Regelungssystem eingreifen.67 Sachverhalte, die entweder materiell68 oder territorial69 nicht von den Abkommen erfasst werden, müssen nach dem einschlägigen nationalen Kollisionsrecht angeknüpft und gelöst werden. Die Ausnahmen zum sachlichen Anwendungsbereich sollen eng ausgelegt werden, damit sie nur die eindeutig nach ihrem Sinn und Zweck betroffenen Sachverhalte erfassen und die Rom II-VO einen möglichst den Ausschluss haben sich auch der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (Abl. EU 2004, C 241/01, 3) und implizit auch das Europäische Parlament bereits in erster Lesung aus den genannten Gründen ausgesprochen. 62 Siehe nur EuGH, Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009 (EuZW 2010, 26) in der es um den Kernbereich dieser Arbeit, nämlich vorbeugende Unterlassungsansprüche gegen schädliche Immissionen, die von einer ausländischen behördlich genehmigten Anlage ausgehen, ging. Zu dieser Entscheidung im Einzelnen unten, 7. Kapitel, II. 63 Vgl. nur die umfängliche Präklusionswirkung, die § 25 AtG ausspricht. 64 Pariser Übereinkommen vom 29.7.1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie in der Fassung des Zusatzprotokolls v. 28.1.1964 und des Protokolls v. 16.11.1982. 65 Wiener Abkommen v. 21.5.1963 über die Zivilrechtliche Haftung für nukleare Schäden, BGBl. 2001 II 202 (207). 66 Gemeinsames Protokoll v. 21.9.1988 über die Anwendung des Wiener Übereinkommens und des Pariser Übereinkommens, BGBl. 2001 II 202 (203) und 786. 67 KOM(2003) 427 endg. S. 10; Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 1 Rom II-VO, Rn. 14; kritisch zu der Begründung der Ausnahme: Brand, GPR 2008, 298 (299); Fuchs, GPR 2003/04, 100 (101). 68 Hierzu gehören unter anderem die präventiven Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche und die Auswirkungen von ausländischen Anlagengenehmigungen auf diese Ansprüche; für diesen Bereich kann allerdings im Gemeinschaftsrecht das Regelungssystem des Euratom-Vertrages (EA) herangezogen werden; EuGH, Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, Rn. 81 ff., EuZW 2010, 26. 69 Wie z.B. seinerzeit der bisher größte Zwischenfall, der Super-GAU von Tschernobyl v. 26.4.1986, da die Sowjetunion nicht Partei der kernenergierechtlichen Staatsverträge war und diese nicht für Kernenergieanlagen in Drittstaaten gelten; vgl. hierzu im Detail Schneider/Stoll, BB 1986, 1233.

III. Regelungen der Rom II-VO

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umfassenden Anwendungsbereich behält, und so größere Lücken im harmonisierten Gemeinschaftskollisionsrecht vermieden werden.70 Die Verordnung ist von den ordentlichen Gerichten in 26 Mitgliedsstaaten (ohne Dänemark) unmittelbar in ihrem sachlichen Anwendungsbereich anzuwenden. In diesen ersetzt sie in ihrem sachlichen Anwendungsbereich die nationalen autonomen Kollisionsregeln zu den außervertraglichen Schuldverhältnissen. Da die Verordnung als loi uniforme gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 Rom II-VO einen universellen Anwendungsbereich hat, gilt sie nicht nur für gemeinschaftsinterne grenzüberschreitende Sachverhalte, sondern auch für Sachverhalte, die neben dem Forumsstaat nur Drittländer betreffen. Dies hat außerdem zur Folge, dass es für die Anwendung der Verordnung ausreicht, wenn ein Sachverhalt auch nur Bezug zu dem Recht eines Mitgliedsstaates hat. Die Verordnung gilt gemäß Art. 32 Rom II-VO seit dem 11.1.2009 in allen ihren Teilen gemäß Art. 249 Abs. 2 EG unmittelbar in den oben dargestellten Anwendungsbereichen. Nach Art. 31 Rom II-VO erfasst die „schadensbegründende Ereignisse“, die nach dem In-Kraft-Treten der Verordnung eingetreten sind. Als problematisch könnte in diesem Zusammenhang der Wortlautunterschied zwischen Art. 31 und Art. 32 Rom IIVO erweisen, da letztere Vorschrift nicht explizit den Zeitpunkt des Inkrafttretens sondern nur den Beginn der Geltung der Verordnung festlegt.71 Diese Diskrepanz ist höchstwahrscheinlich auf ein Redaktionsversehen zurückzuführen.72 Es wird vorgeschlagen, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte entsprechend dem Wortlaut und der entsprechenden primärrechtlichen Regelungen die Rom II-Verordnung zwar erst ab dem 11.1.2009, jetzt allerdings rückwirkend auf alle schadensbegründenden Ereignisse ab dem 20.8.2007 anwenden müssten.73 Dagegen sprechen allerdings verfahrensrechtliche Schwierigkeiten,74 insbesondere bei Prozessen, die sich über den 11.1.2009 erstrecken, und außerdem, dass so in einem gewissen Maße 70

KOM(2003) 427 endg. S. 10. Ist der Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Verordnung, die im Mitentscheidungsverfahren erlassen wurde, nicht festgelegt, so tritt sie gemäß Art. 297 Abs. 1 Satz 2 AEUV (ex-Art. 254 EG) am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Die Rom IIVerordnung wurde am 11.7.2007 erlassen und im Amtsblatt vom 31.7.2007 veröffentlicht. Bei Anwendung von Art. 297 Abs. 1 Satz 2 AEUV wäre sie am 20.8.2007 in Kraft getreten. 72 Bücken, IPRax 2009, 125 (126 f.); Glöckner, IPRax 2009, 121 (124). 73 Glöckner, IPRax 2009, 121 (123 f.), der sich trotz der verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten bei dieser Lösung deutlich gegen eine entsprechend andere Lesart des Art. 32 Rom II-VO ausspricht. Insbesondere verneint Glöckner eine ausreichend schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens, die ein Abweichen vom Wortlaut erlauben könnte. 74 Hierzu im Einzelnen: Bücken, IPRax 2009, 125 (125 f.); Glöckner, IPRax 2009, 121 (124). 71

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

Kollisionsrechts-Shopping durch Verzögerung, bzw. Beschleunigung der Klageerhebung möglich war.75 Richtiger erscheint es, das Inkrafttreten der Verordnung am 11.1.2009 mittels einer entsprechenden teleologischen bzw. ergebnisorientierten Erweiterung des Art. 32 Rom II-VO als maßgeblich anzusehen.76 Dies bedeutet, dass die Verordnung weder eine Rückwirkung entfaltet noch bei „Spätschäden“, die auf schadensbegründende Ereignisse vor dem Inkrafttreten zurückzuführen sind, Anwendung findet. Diese Altfälle müssen weiter nach den autonomen IPR-Regelungen behandelt werden.77 Einzig bei Schäden, die sich zeitlich über das Datum des Inkrafttretens erstrecken, wie zum Beispiel bei andauernden Immissionen, könnte es zu einer Wandlung des ursprünglichen Deliktsstatuts kommen.78 In diesem Zusammenhang ist zwischen Abwehransprüchen79 und Ansprüchen auf Schadensersatz zu unterscheiden. Abwehransprüche richten sich auf die Verhinderung oder Verkleinerung zukünftiger Immissionen. Sie beziehen sich zwar indirekt auch auf in der Vergangenheit liegende Ereignisse,80 die Tatbestände sind jedoch einzig auf die Zukunft ausgerichtet, so dass sich die Frage der intertemporalen Anwendung seit dem 11.1.2009 nicht mehr stellt. Anders dagegen ist es bei Schadensersatzansprüchen, die wegen Dauerimmissionen geltend gemacht werden. Je nach dem wie der vorstehend geschilderte Meinungsstreit entschieden wird, ist bei dauerhaften Immissionen, die sich über den 11.1.2009 bzw. den 20.8.2007 erstreckt haben, zu fragen, nach welchen Kollisionsregeln die schadensbegründenden Ereignisse vor dem jeweiligen Stichtag behandelt werden. Schadens75 Seit dem 11.1.2009 ist dies zwar nicht mehr möglich. Es ist aber schwer vorstellbar, dass es für die eineinhalb Jahre vorher beabsichtigt gewesen sein soll. 76 Bücken, IPRax 2009, 125 (127 f.), der auch weitere Literatur zur Rom II-Verordnung anführt, die, ohne weiter auf diese Frage einzugehen, von einem Inkrafttreten im Sinne von Art. 32 Rom II-VO ausgeht. Das Auseinanderfallen von Geltung und Anwendbarkeit stellt eine Regelungslücke dar, die Reservevorschrift des Art. 297 Abs. 1 Satz 2 AEUV (ex-Art. 254 EG) ist nicht ausreichend, um das Anwendungsproblem zufriedenstellend zu lösen. Die Planwidrigkeit dieser Diskrepanz zeigt sich an den beschriebenen verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten sowie durch einen Blick auf die parallele Rom I-Verordnung, die in Art. 28 und 29 eine entsprechende Trennung und Simultanität von zeitlicher Anwendung und Geltung der Vorschriften vorsieht. 77 Siehe auch Wagner, IPRax 2008, 314 (316) mwN. 78 Für das autonome deutsche Internationale Deliktsrecht wurde bei der Neuregelung 1999, bei der es auch keine besonderen Übergangsvorschriften gab, eine Wandlung des Deliktsstatuts bei gestreckten Tatbeständen in Betracht gezogen; Hohloch, JuS 2000, 1133; Spickhoff, NJW 1999, 2209 (2210 f.). 79 Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche sowie Ansprüche auf die Vornahme von Schutzmaßnahmen. 80 So werden unter anderem die bereits eingetretenen Immissionen und Schäden als Indizien für die Wiederholungsgefahr herangezogen.

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begründendes Ereignis im Sinne der Verordnung ist die Handlung, die zu der Schädigung geführt hat.81 Mithin dreht sich die Frage um die entsprechenden Handlungen, also die Emissionen, die bis zum Stichtag passiert sind. Nachdem durch das „Gesetz zur Anpassung der der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die VO (EG) 864/2007“82 keine Übergangsvorschrift in zum Beispiel Art. 229 EGBGB eingefügt wurde, spricht viel dafür Sachverhalte, die beispielsweise um Dauerimmissionen drehen, streng nach den bestehenden Regelungen zu behandeln. Für Schadensersatzansprüche bedeutet dies bei Immissionsschäden, für die die schadensbegründenden Emissionen über den Stichtag hinaus geschehen sind, dass die entsprechenden Ansprüche erst ab dem Stichtag nach den Regelungen der Rom II-Verordnung behandelt werden können. Vorher gilt das autonome Deliktskollisionsrecht. Dies kann zu unterschiedlichen Deliktsstatuten führen, wenn keines der nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB oder Art. 7 Rom II-VO bestehenden Wahlrechte ausgeübt wird. Allerdings ist in Anlehnung an die bestehenden Grundsätze für das intertemporale Deliktskollisionsrecht83 auch vorstellbar, dass es – soweit sich die Immissionen bei einem solchen gestreckten Tatbestand nicht ohne weiteres auf die entsprechende Emission, an die zeitlich angeknüpft wird, zurückführen lässt – zu einem Statutenwandel nach den Regelungen der Rom II-Verordnung kommen kann. Dies erscheint vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Verordnung, die Rechtssicherheit zu erhöhen und die Rechtsanwendung zu erleichtern,84 sachdienlich. Die Interessen der Geschädigten sind durch das Wahlrecht, das ihnen Art. 7 Rom II-VO einräumt,85 hinreichend geschützt. 2. Anknüpfungssystem der Rom II-Verordnung für Unerlaubte Handlungen Mit dem Ziel, einen „flexiblen Rahmen kollisionsrechtlicher Regelungen“, der jeden Einzelfall angemessen behandelt, zu schaffen,86 enthält Kapitel II die Grundregeln zur Anknüpfung der deliktischen Sachverhalte, die durch Sonderanknüpfungen für spezielle Haftungsbereiche und eine allgemeine Ausweichklausel – sowie die Möglichkeit der Rechtswahl87 – ergänzt werden. Im Mittelpunkt der Grundregeln steht die Anwendung der lex loci delicti commissi und hier die Anknüpfung an den Erfolgsort (loci damni),

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Vgl. Nur den Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 und Art. 7 Rom II-VO. BGBl. I 2008, S. 2401. Siehe hierzu im Einzelnen unten III. 83 Art. 220 Abs. 2 und Art. 236 § 1 EGBGB; vgl. Spickhoff, NJW 1999, 2209 (2210). 84 Siehe oben. 85 Dazu sogleich. 86 Vgl. Erwägungsgrund 14 der Verordnung. 87 Dazu unter 4. 82

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

die durch ein gemeinsames Umweltrecht88 aufgelockert werden kann. Dieses System besteht im Grunde schon seit dem Übereinkommensentwurf der Kommission von 197289 und ist seit dem Vorentwurf der Kommission von 2002 im Wesentlichen unverändert.90 Die generelle Anknüpfungsregel basiert auf dem IPR-Prinzip der engsten Verbindung. a) Grundanknüpfungen (Art. 4 Abs. 1 und 2 Rom II-VO) Nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO ist bei einer grenzüberschreitenden unerlaubten Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Primärschadeneintritt. Dies gilt unabhängig vom Handlungsort und dem Auftreten von indirekten Schadensfolgen. Die Entscheidung des europäischen Verordnungsgebers für den Erfolgsorts beruht darauf, dass dies der besseren Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen und den berechtigten Erwartungen und dem Ausgleich der Interessen von Geschädigtem und Schädiger entspricht.91 Die Bevorzugung des reinen Erfolgsortsprinzips wird – auch vor dem Hintergrund des in Europa verbreiteten Ubiquitätsprinzips – in der Literatur mit Blick auf den Aspekt der Verhaltenssteuerung potentieller Schädiger kritisiert.92 Dagegen wird allerdings überzeu88

Im Sinne eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts (Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO). Grundverweisung auf die lex loci delicti und vorrangige Spezialanknüpfung bei engerer Beziehung zu einem anderen Staat; von Overbeck/Volken, RabelsZ 38 (1974), 59 ff. 90 Vgl. Art. 3 des Vorentwurfs von 2002, Art. 3 des Kommissionsvorschlags v. 22.7.2003; Art. 5 des geänderten Kommissionsvorschlags v. 21.2.2006; Art. 4 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates v. 25.9.2006; Art. 4 des Standpunkts des Europäischen Parlaments nach zweiter Lesung v. 18.1.2007. Auch das Herkunftslandprinzip, das im Internationalen Deliktsrecht zur alleinigen Anknüpfung an den Handlungsort führen würde, hat keinen Eingang in die Verordnung gefunden; vgl. Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 f.; v. Hein, VersR 2007, 440 (441). 91 Vgl. KOM(2003) 427 endg. S.12. Dies gilt insbesondere auch weil der Erfolgsort oft dem gewöhnlichen Aufenthalt des Geschädigten entspricht; Junker, NJW 2007, 3675 (3678). Die Ausgleichs- und die Steuerungsfunktion des Deliktsrecht rechtfertigen diesen Schutz der Erwartungen des Geschädigten und die sorgfältige Beachtung aller möglichen örtlichen Auswirkungen seines durch den Schädiger; Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1 (36 f.); Wagner, IPRax 2008, 1 (5); Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256 (266 f.); Leible/Engel, EuZW 2004, 7 (10); v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 11, Rn. 23; Ehman/Thorn, AfP 1996, 20 (22 f.). Nach Erwägungsgrund 16 der Verordnung dient die objektive Anknüpfung auch einem angemessenen und gerechten Interessenausgleich. Das Recht des Ortes der direkten Rechtsgutsverletzung ist am besten geeignet für die Kompensation der entstandenen Schäden; Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1 (13); Hohloch, Yearbook PIL, 2007, S. 8. 92 Koziol/Thiede, ZVglRWiss 106 (2007), 235 (242 ff.); Benecke, RIW 2003, 830 (834): Die starre Regelung widerspräche dem grundsätzlichen Interesse des Schädigers, der sich einfacher auf die Haftungsregeln seines Aufenthaltsstaates einstellen könnte und so nicht mehr auf verhaltenssteuernde Anreize des Haftungsrecht reagieren würde. In Bezug auf die schwächere Verhaltenssteuerung durch die Anknüpfung an den Erfolgsort: 89

III. Regelungen der Rom II-VO

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gend vorgebracht, dass auch das Recht am Erfolgsort verhaltenssteuernd wirken kann.93 Zudem wird die Anknüpfung Gefährdungshaftungstatbeständen vereinfacht,94 da hier oft die Feststellung einer bestimmten haftungsbegründenden Handlung schwierig und sachrechtlich nicht zwingend notwendig ist. Die Grundanknüpfung ist eine rein objektive Verbindung zwischen dem verursachten Schaden und dem anzuwendenden Recht. Ein Wahlrecht des Geschädigten sieht die Grundanknüpfung dagegen nicht vor.95 Die primäre Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt (lex domicilii communis) entspricht dem deutschen Deliktskollisionsrecht (Art. 40 Abs. 2 EGBGB). Der gewöhnliche Aufenthalt wird durch den EuGH autonom ausgelegt und definiert.96 Diese vorrangige Anknüpfung entspricht den berechtigten Interessen des Geschädigten und des Schädigers.97 b) Offensichtlich engere Verbindung (Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO) Besteht eine offensichtlich engere Verbindung des Sachverhalts mit dem Recht eines anderen Staates als dem nach Art. 4 Abs. 1 oder 2 Rom II-VO berufenen, kommt das Recht dieses Staates zur Anwendung. Aus dem v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 11, Rn. 23; Ehman/Thorn, AfP 1996, 20 (22). Auch der Geschädigte könne unter gewissen Umständen das Recht des Handlungsortes bevorzugen; Leible/Engel, EuZW 2004, 7 (10). Ferner könne es durch die starre Anknüpfung zum Auseinanderfallen von internationaler Zuständigkeit nach der EuGVVO und dem anwendbaren Recht kommen, da der EuGH bei Art. 5 Nr. 3 EuGVVO sowohl den Handlungs- als auch den Erfolgsorts als Wahlgerichtsstände zulässt (Rs. C-364/93 – Marinari ./. Lloyds Bank, Slg. 1995, I-2719, Rn. 11 mwN, IPRax 1997, 312/331); Bamberger/Roth-Spickhoff, 2.A. (2008), Anhang zu Art. 42 EGBGB, Rn. 34. 93 Insbesondere die Berücksichtigung der Sicherheits- und Verhaltensregeln nach Art. 17 Rom II-VO ermöglichen eine Verhaltenssteuerung am Handlungsort; Leible/Engel, EuZW 2004, 7 (10) mwN. 94 Vgl. Erwägungsgrund 16; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 11, Rn. 29; Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (725). 95 Anders das Europäische Zivilverfahrensrecht (Art. 5 Nr. 3 EUGVVO (Brüssel IVO), vgl. EuGH, Rs. 21/76 – Bier/Mines de Potasse d’Alsace, Rn. 15/19, NJW 1977, 493), die Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen (Art. 7 Rom II-VO) und das autonome deutsche Internationale Deliktsrecht (Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). 96 Der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt liegt dort, wo sich der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person, also ihr Daseinsmittelpunkt, befindet. PalandtThorn, 70. A. (2011), Art. 4 Rom II-VO, Rn. 5; Bamberger/Roth-Spickhoff, 2.A. (2008), Anhang zu Art. 42 EGBGB, Rn. 36. Siehe auch EuGH, Rs. C-90/97 – Swaddling ./. Adjudication Officer, Slg. 1999 I-1075, Rn. 28 f., EWS 1999, 160 L (zum europäischen Sozialrecht). Art. 23 Rom II-VO bestimmt den gewöhnlichen Aufenthalt von juristischen Personen und von natürlichen Personen, die in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit unerlaubte Handlungen verüben. 97 Vgl. KOM(2003) 427 endg. S. 13; Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1 (18 f.).

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

Wortlaut („Gesamtheit der Umstände […] offensichtlich“) ergibt sich, dass die Ausweichklausel restriktiv anzuwenden ist.98 Hauptfall ist die akzessorische Anknüpfung an ein bereits zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis, insbesondere an einen Vertrag, der mit der unerlaubten Handlung in Verbindung steht. c) Sonderanknüpfungen (Art. 5 bis 9 Rom II-VO) Der zweite Teil von Kapitel 2 der Verordnung sieht Sonderanknüpfungen für fünf Bereiche von unerlaubten Handlungen vor. Dazu gehören die Produkthaftung, der unlautere Wettbewerb und die Wettbewerbsbeschränkungen, Umweltschäden, die Verletzung geistigen Eigentums und unerlaubte Handlungen in Verbindung mit Arbeitskampfmaßnahmen. Für den Bereich Internationalen Deliktsrechts ist dies in vielen Jurisdiktionen eine Neuerung.99 So sieht Art. 5 Rom II-VO für die Produkthaftung100 eine Modifikation der Grundanknüpfung (Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO) durch eine Tatortanknüpfung in Form einer Anknüpfungsleiter vor.101 Wettbewerbsverstöße 98

Dies folgt auch aus teleologischen Erwägungen, da mit der Auflockerungsregel eine gewisse Unsicherheit verbunden ist; vgl. KOM(2003) 427 endg. S. 13; Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1 (20); Bamberger/Roth-Spickhoff, 2.A. (2008), Anhang zu Art. 42 EGBGB, Rn. 34; Leible/Engel, EuZW 2004, 7 (11); kritisch hierzu: v. Hein, VersR 2007, 440 (443 f.); Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256 (272). 99 Vgl. zu den bestehenden Sonderanknüpfungen in Europa Kadner Graziano, Europäisches Internationales Deliktsrecht, S. 55 ff. 100 KOM(2003) 427 endg. S. 15. Erfasst werden sowohl die entsprechenden Tatbestände der Verschuldenshaftung als auch der Gefährdungshaftung. Für die Definition des Produktbegriffes verweist die Begründung des ersten Kommissionsvorschlags (KOM(2003) 427 endg. S. 13) auf die Definition in Art. 2 der Produkthaftungsrichtlinie (RL 85/374/EWG geändert durch RL 1999/34/EG); Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 5 Rom II-VO, Rn. 3; Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (727). 101 Zunächst ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Geschädigte bei Schadenseintritt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn das betroffene Produkt auch in diesem Staat in Verkehr gebracht wurde (Art. 5 Abs. 1 lit. a Rom II-VO). Ist dies nicht der Fall, kommt das Recht des Erwerbsortes zu Anwendung, wenn das Produkt in diesem Staat in Verkehr gebracht wurde (Art. 5 Abs. 1 lit. b Rom II-VO). Wenn auch dies nicht zutrifft, ist das Recht des Staates, in dem der Schaden eingetreten ist, anzuwenden, wenn wiederum hier das Produkt in Verkehr gebracht wurde (Art. 5 Abs. 1 lit. c Rom II-VO). Diese Einschränkung der Tatortregel (Erfolgsort) soll nach Erwägungsgrund 20 einer gerechten Risikoverteilung zwischen Hersteller und Erwerber bzw. Benutzer dienen, da der Hersteller in der Regel nur das Risiko in dem Staat, in dem er sein Produkt in Verkehr bringt, kalkulieren kann. Diesem Gedanken entspricht auch die weitere Einschränkung durch eine Vorhersehbarkeitsklausel (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Rom II-VO). Sollten jedoch Hersteller und Geschädigter ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben, so kommt nach Art. 5 Abs. 1 iVm Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO das Recht dieses Staates vorrangig („unbeschadet“) zur Anwendung. Schließlich überträgt Art. 5 Abs. 2

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sowohl durch unlauterem Wettbewerb und als auch in Form von Kartellverstößen werden von Art. 6 Rom II-VO behandelt;102 unter anderem eine Rechtswahl ist ausgeschlossen.103 Art. 7 Rom II-VO enthält die Sonderanknüpfung für die außervertragliche Haftung für Schädigungen der Umwelt.104 Die vierte Sonderanknüpfung regelt das auf außervertragliche Schuldverhältnisse105, die durch die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums entstehen,106 anzuwendende Recht.107 Art. 9 Rom II-VO schließlich enthält eine Sonderanknüpfung bei Arbeitskampfmaßnahmen.108 Rom II-VO den Vorbehalt der offensichtlich engeren Verbindung auf die Produkthaftung. Zum Ganzen: Huber/Illmer, Yearbook PIL, 2007, S. 42 ff. mwN. 102 Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom II-VO knüpfen für marktbezogene Wettbewerbsverstöße an das Marktrecht an, und verweisen bei konkurrentenbezogenen Verstößen auf die Anknüpfungsleiter des Art. 4 Rom II-VO. Im Einzelnen zur Sonderanknüpfung bei unlauterem Wettbewerb vgl. Sack, WRP 2008, 845; Handig, GRURInt 2008, 24; Hellner, Yearbook PIL 2007, 49 (55 ff.). Bei unerlaubten Handlungen in Verbindung mit nationalen oder gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsbeschränkungen geht Art. 6 Abs. 3 lit. a Rom II-VO grundsätzlich nach dem Auswirkungsprinzip vor, nach dem auf das Recht des Staates des beeinträchtigten Marktes verwiesen wird. Werden die Märkte in mehr als einem Staat beeinträchtigt, so kann der Geschädigte nach Art. 6 Abs. 3 lit. b Rom II-VO die lex fori wählen, wenn er den Schädiger an seinem Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat verklagt, dessen Markt auch nicht nur unwesentlich beeinträchtigt ist. Im Einzelnen zur Sonderanknüpfung für Kartellverstöße vgl. Mankowski, RIW 2008, 177; Hellner, Yearbook PIL 2007, 49 (59 ff.); Scholz/Rixen, EuZW 2008, 327. 103 Der Ausschluss einer Rechtswahl beruht auf dem Gedanken, dass bei Wettbewerbsverstößen in der Regel auch Interessen von Dritten betroffen sind, Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 6 Rom II-VO, Rn. 14. Bei rein betriebsbezogenen Wettbewerbsverstößen soll im Wege der teleologischen Reduktion von Art. 6 Abs. 4 Rom II-VO eine Rechtswahl allerdings zulässig sein; Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 6 Rom II-VO, Rn. 19; Wagner, IPRax 2008, 1 (8); Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (730 f.). 104 Dazu sogleich. 105 Gemäß Art. 13 Rom II-VO erfasst die Sonderanknüpfung des Art. 8 Rom II-VO alle Arten von außervertraglichen Schuldverhältnissen, um einen Anknüpfungsgleichlauf der konkurrierenden Ansprüche, wie z.B. der ungerechtfertigten Bereicherung, sicher zu stellen. 106 Vgl. Erwägungsgrund 26 der Verordnung. 107 Art. 8 Rom II-VO verweist im Sinne des allgemein anerkannten Schutzlandsprinzips auf das Recht des Staates, in dem der Schutz beansprucht wird (lex loci protectionis). Bei einer Verletzung von gemeinschaftsweit einheitlichen Rechten des geistigen Eigentums ist das betreffende Gemeinschaftsrecht, ergänzend das Recht des Staates, in dem die Verletzung begangen wurde, anzuwenden. Auch hier ist eine Rechtswahl nach Art. 14 Rom II-VO ausgeschlossen (Art. 8 Abs. 3 Rom II-VO). Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1 (58); Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 8 Rom II-VO, Rn. 7; Wagner, IPRax 2008, 1 (9); Junker, NJW 2007, 3675 (3680). 108 Es ist das Recht des Staates der Arbeitskampfmaßnahme anzuwenden. Die Sonderanknüpfung ist neu und auch ungewöhnlich für das Internationale Deliktsrecht, wobei bereits ungeschriebene Grundsätze in diesem Bereich bestanden, die von Art. 9 Rom II-

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

3. Sonderanknüpfung für die Haftung für Umweltschädigungen a) Allgemeines Die zivilrechtliche Umwelthaftung erhält in Art. 7 Rom II-VO eine besondere Kollisionsregel. Die Sonderanknüpfung für eingetretene und auch drohende Umweltschädigungen war bereits im Vorentwurf der Kommission von 2002 im Kapitel zu den unerlaubten Handlungen vorgesehen. Damals enthielt der Entwurf noch kein Wahlrecht zugunsten des Geschädigten.109 Der einzige Unterschied zur Grundanknüpfung bestand darin, dass nur an das Erfolgsortsrecht angeknüpft werden sollte und weder die vorrangige Anknüpfung eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts noch die Auflockerungsregel der „offensichtlich engeren Verbindung“ zur Anwendung kommen sollte.110 Begründet wurde dies vor allem mit den starken territorialen Wurzeln der betroffenen Umweltgüter.111 Der erste Vorschlag der Kommission betont die Bedeutung und Notwendigkeit der Sonderanknüpfung und führt zum einen das von Art. 174 EG geforderte hohe Umweltschutzniveau,112 zum anderen den Grundsatz der Begünstigung des Geschädigten an.113 Art. 7 dieses Vorschlags enthält zur Umsetzung – insbesondere des zweiten Ziels – das Wahlrecht des Geschädigten, nach dem bei Distanzdelikten das Recht am Handlungsort („das Recht des Staates in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“) zur Anwendung kommen kann. Der Regelungsgehalt der Norm hat sich seitdem kaum noch geändert. Obwohl das Wahlrecht und auch die Existenz der SonderanknüpVO aufgenommen werden; vgl. MüKo-Junker, 5.A. (2010), Art. 9 Rom II-VO, Rn. 2, der allerdings ein akutes Regelungsbedürfnis für diesen Bereich bezweifelt und der Ansicht ist, dass die vom Europäischen Parlament vorgeschlagene Regelung, hauptsächlich dem Zweck dient, mehr Regelungskompetenzen im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts reklamieren zu können; Junker, NJW 2007, 3675 (3680). 109 Art. 8 des Vorentwurfes: Auf ein außervertragliches Schuldverhältnis in Folge einer Umweltschädigung findet das Recht des Staates Anwendung, in dessen Hoheitsgebiet der Schaden eingetreten ist oder einzutreten droht. 110 Art. 7 Rom II-VO verweist auch in der jetzigen Fassung nur direkt auf Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO. In ihrem Gutachten zum Vorentwurf der Kommission von 2002 hat sich die Hamburg Group for Private International Law für die Erstreckung der Regelung des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO auf die Sonderanknüpfungen ausgesprochen, nicht jedoch auf die Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen, da im Bereich der deliktischen Haftung für Umweltschäden das Prinzip der Parteiautonomie generell nur eingeschränkt gelten sollte, RabelsZ 67 (2003), 13 f. 111 Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67 (2003), 1 (26); die Hamburg Group spricht sich dort selbst jedoch für eine Notauffangklausel auch bei Umweltschädigungen z.B. bei einer wesentlich engeren Verbindung des Sachverhalts zu dem Recht eines anderen Staates aus. 112 KOM (2003) 427 endg., S. 22: „Hebung des Umweltschutzes im Allgemeinen“. 113 Erwägungsgrund 13 des 1. Vorschlags; KOM (2003) 427, S. 35.

III. Regelungen der Rom II-VO

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fung überhaupt zum Teil heftig kritisiert wurden, hat die Regelung ihre damalige Form bis in die Verordnung beibehalten. b) Telos Das grundsätzliche Bedürfnis nach einer Sonderanknüpfung ergibt sich aus der Bedeutung und der Zunahme von Unfällen und anderen Schadensereignissen, die zu – teilweise prominenten – Umweltkatastrophen und auch zu empfindlichen Individualschäden führten. Viele dieser Zwischenfälle konnten sich durch die Umweltmedien Luft, Wasser und Boden über Landesgrenzen hinweg auf potentiell Geschädigte im (angrenzenden) Ausland auswirken. Nach der Begründung der Kommission und Erwägungsgrund 25 der Verordnung dient die Sonderanknüpfung vor allem einem hohen Umweltschutzniveau im Sinne des Art. 174 EG, der Verstärkung der präventiven Funktion des Haftungsrechts in diesem Bereich und der Durchsetzung des Verursacherprinzips (polluter pays).114 Die prinzipielle Anknüpfung an das Recht des Staates, in dem der Schaden eingetreten ist, entspricht neben dem grundsätzlichen Interesse des Geschädigten auch den legislativen Zielen des zivilrechtlichen Umweltschutzes, der mehr und mehr auf eine verschuldensunabhängige Haftung ausgerichtet wird. Das Grundanknüpfungsmoment, das nur durch den Geschädigten variiert werden kann, stärkt den Umweltschutz ferner dadurch, dass auch Wirtschaftsteilnehmer aus Staaten mit geringen Umweltschutzanforderungen dazu angeregt werden, höhere Schutzstandards in Ländern zu beachten, auf deren Gebiet sich eventuelle Störfälle auswirken können. Es soll verhindert werden, dass sich Industrien mit Bedacht in Grenzregionen zu Ländern mit niedrigen Schutzstandards ansiedeln, um durch Leitung der Emissionen über die Grenze von diesen zu profitieren.115 Eines der Ziele der Sonderanknüpfung ist die Anhebung der tatsächlich beachteten Umweltschutzstandards. Mit der Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen werden also über das Kollisionsrecht hinausgehende Ziele verfolgt. Dies sind die umweltschutzrechtliche generelle Prävention von Umweltschädigungen und die Anregung und Durchsetzung von möglichst hohen Umweltschutzstandards sowie deren Befolgung durch die Wirtschaftsteilnehmer.116 Auch in dieser Sonderanknüpfung spiegelt sich die bereits am Anfang der Arbeit angesprochene anthropozentrische Ausrichtung der zivilrechtlichen Umwelthaftung wieder. Die Regelung in Art. 7 Rom II-VO erfasst Beeinträchtigungen der Umwelt, die sich in 114

KOM(2003) 427 endg. S. 21 f. Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 4 (47) mwN. 116 KOM(2003) 427 endg. S. 21; so auch die dies befürwortende Analyse des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (ABl. EU 2004, C 241/01, 4). 115

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

Schäden an Sachen und Personen äußern.117 Rein ökologische Schäden kann und soll auch die Sonderanknüpfung nicht erfassen. c) Kritik an der Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen Bei der Diskussion um die Sonderanknüpfung gab es im Wesentlichen zwei kritische Aspekte. Einer war die Notwendigkeit einer Sonderanknüpfung für Umweltschäden. Andererseits wurde inhaltlich insbesondere um die Einführung des sonst der Rom II-Verordnung fremden Ubiquitätsprinzips gestritten. aa) Notwendigkeit der Sonderanknüpfung Im Verfahren der Verordnungsgebung war das Europäische Parlament zunächst gegen die Einführung der Sonderanknüpfung. Es hielt sie in Anbetracht der Grundanknüpfungen für überflüssig, es vermisste eine klare Definition der Umweltschädigung und bemängelte, dass auf diese Weise materiellrechtliche Aspekte und Wertungen in das Kollisionsrecht gebracht würden.118 Auch in der Literatur wurde die Einführung der Sonderanknüpfung teilweise als Kompetenzüberschreitung der Kommission gedeutet und abgelehnt.119 Im weiteren Verfahren einigte man sich schließlich auf das Beibehalten der Sonderanknüpfung unter Einfügung einer umfassenden Definition in den Erwägungsgründen.120 Für eine Sonderanknüpfung spricht jedoch, dass durch die strikte Erfolgsortsanknüpfung des Art. 7 Rom II-VO dem Ziel eines möglichst hohen Umweltschutzstandards (Art. 174 Abs. 2 EG) entgegengekommen wird. Es wird vermieden, dass potentiell umweltschädigende Unternehmen sich in Staaten mit niedrigen Umweltschutzstandards ansiedeln, ohne dass sie die höheren Umweltschutzstandards in den Nachbarstaaten beachten müssen. Die Regelung dient dem allgemeinen Umweltschutz und kann auf

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KOM(2003) 427 endg. S. 21. Vgl. EP-Dokument A6-0211/2005, S. 50 f. 119 Posch, Yearbook PIL 2004, 129 (144); Wagner, IPRax 2006, 372 (380). 120 Nachdem die Kommission in ihrem geänderten Vorschlag von 2006 (vgl. KOM(2006) 83 endg. S. 7) und auch der Gemeinsame Standpunkt des Rates an der Sonderanknüpfung festhält, besteht das Parlament weiterhin auf eine Definition der erfassten Umweltschädigungen. Im Standpunkt des Parlaments vom 18.1.2007 wird eine Definition des „Umweltschadens“ in einen Erwägungsgrund übernommen (vgl. ABl. EU C 244 E/197). Diese ist jedoch nach dem Dafürhalten der Kommission zu restriktiv (z.B. wurden Schädigungen durch Luftverschmutzung nicht erfasst; vgl. KOM(2007) 126 endg. S. 4). Im Vermittlungsverfahren einigte man sich schließlich auf die jetzige (weiche und umfassende) Definition in Erwägungsgrund 24 der Rom II-VO. 118

III. Regelungen der Rom II-VO

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diese Weise – wie bereits ausgeführt – präventiv gegen Umweltschädigungen wirken.121 bb) Einführung des Ubiquitätsprinzips Äußerst umstritten war in der Entwicklung der Rom II-Verordnung und während des legislatorischen Verfahrens auch die Einführung des Wahlrechts zugunsten des Rechts des Handlungsorts. Kritisiert wurde insbesondere der Bruch mit den allgemeinen Grundsätzen der Grundkollisionsregeln der Verordnung. Nachdem sich der Verordnungsgeber bei der Grundanknüpfung (Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO) trotz anderslautender Veränderungsvorschläge eindeutig gegen das Ubiquitätsprinzip entscheiden hat, sei es nicht nachvollziehbar und inkonsequent, dieses im Rahmen der Umwelthaftung wieder aufzunehmen. Die Rechtfertigung allein über eine „Hebung des Umweltschutzes im Allgemeinen“ sei nicht ausreichend, da hierdurch nicht der Umweltschutz fortgebildet werde, sondern eher der Handlungsdruck auf den Gesetzgeber wegen der Geltung des jeweils strengsten Rechts gemindert werde.122 Außerdem sei nicht ersichtlich, warum nur im Bereich der Umwelthaftung die verhaltenssteuernde Funktion des Deliktsrechts verstärkt werden soll und nicht auch in anderen Bereichen des Haftungsrechts,123 in denen auch ein hoher Schutzstandard angestrebt werden könnte. Ferner führe die Möglichkeit der Wahl des Handlungsortsrechts zu einer Diskriminierung der Geschädigten bei reinen Inlandssachverhalten, wo diesen kein Wahlrecht zusteht.124 Für das Wahlrecht wird dagegen vielfach und im Gleichklang mit der Begründung der Kommission125 angeführt, dass das Ubiquitätsprinzip zur Hebung des Umweltschutzlevels im Allgemeinen führe,126 da die Regelung Anreize für ein umweltschonendes Verhalten gäbe.127

121 Vgl. KOM(2006) 83 endg. S. 7 und KOM(2003) 427 endg. S. 22. In diesem Sinne auch Leible/Engel, EuZW 2004, 7 (13); Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256 (294); v. Hein, VersR 2007, 440 (449). 122 Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256 (296); Stempfle, PHI 2006, 90 (91); Leible/Engel, EuZW 2004, 7 (13). 123 Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (728); auch der Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss fragte nach der Angemessenheit einer solchen Regelung (vgl. ABl. EU 2004, C 241/01, 7). 124 Wagner, IPRax 2006, 372 (380). 125 KOM(2003) 427 endg. S. 22. 126 MüKo-Junker, 5.A. (2010), Art. 5 Rom II-VO, Rn. 4; Symeonides in: FS Jayme, S. 935 (951); Kreuzer in: Reichelt/Rechberger (Hrsg.), S. 13 (40); v. Hein, ZVglRWiss 102 (2003), 528 (559). 127 Fuchs, GPR 2004, 100 (103).

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

Auch das Europäische Parlament hatte, nachdem es die Einführung einer Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen zugestanden hatte, nichts gegen die Einführung des Ubiquitätsprinzips einzuwenden. 4. Der Begriff der Umweltschädigung in der Rom II-Verordnung Die „Umweltschädigungen“, auf die sich die Sonderanknüpfung bezieht, sind im Erwägungsgrund 24 der Verordnung definiert.128 Der Begriff umfasst „eine nachteilige Veränderung einer natürlichen Ressource, wie Wasser, Boden oder Luft, eine Beeinträchtigung einer Funktion, die eine natürliche Ressource zum Nutzen einer anderen natürlichen Ressource oder der Öffentlichkeit erfüllt, oder eine Beeinträchtigung der Variabilität unter lebenden Organismen.“ Obwohl die weite Definition theoretisch auch ökologische Schäden erfasst,129 fallen diese dennoch nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung, da die anzuknüpfenden Ersatzansprüche die Schädigung von Sachen oder Personen bzw. die Verletzung von anerkannten Rechtsgütern voraussetzen. „Ökologische Schäden“ sind bislang auf sachrechtlicher Ebene noch nicht als Schutzgut im Sinne des Deliktsrechts anerkannt. Fraglich ist allerdings, ob die Rom II-Verordnung auf Sachverhalte anzuwenden ist, in denen die öffentliche Hand aufgrund von umweltrechtlichen Haftungsregeln rein ökologische Schäden Ansprüche gegen den Schädiger geltend macht, oder diese nicht als zivilrechtliche Streitigkeiten im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Rom II-VO anzusehen sind.130 Im Wesentlichen muss der eingetretene oder drohende Schaden über den so genannten Umweltpfad vermittelt worden sein – das heißt durch eine Einwirkung auf eines der Umweltmedien (Luft, Wasser, Boden). 5. Anknüpfung bei Umweltschädigungen Im Falle einer Umweltschädigung greift die Sonderregel des Art. 7 Rom II-VO ein und verdrängt die Grundanknüpfungen aus Art. 4 Rom II-VO. Vorrangig ist allerdings eine Rechtswahl der Parteien gemäß Art. 14 Rom II-VO.

128

Siehe hierzu auch 2. Kapitel, II.3.c. Vgl. Wagner, IPRax 2008, 1 (9). 130 Hierzu im Einzelnen und die Anwendbarkeit der Rom II-VO, d.h. die zivilrechtliche Qualifikation befürwortend: Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1 (50 ff.); s. auch Dickinson, Rn. 7.12 f. 129

III. Regelungen der Rom II-VO

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a) Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche Art. 2 Abs. 2 und 3 sowie Art. 15 lit. d Rom II-VO sorgen dafür, dass präventive umweltrechtliche Abwehr- und Immissionsschutzansprüche von der Sonderkollisionsregel erfasst werden. In einigen Rechtsordnungen jedoch werden Abwehransprüche gegen Grundstücksimmissionen sachenrechtlich qualifiziert. Diese würden nicht zu den außervertraglichen Schuldverhältnissen zählen und so nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen (Art. 1 Abs. 1 Rom II-VO). Da Abwehr- und Schadensersatzansprüche in den meisten Rechtsordnungen allerdings aufeinander abgestimmt sind und sich ergänzen, ist es sinnvoll, dasselbe Recht anzuwenden.131 Bei einer autonomen Auslegung sprechen diese Gründe und die Ziele der Sonderanknüpfung eindeutig dafür, sowohl Schadensersatzansprüche als auch Unterlassungsansprüche einheitlich von Art. 7 Rom II-VO zu erfassen.132 b) Grundanknüpfung an den Erfolgsort Bei Umweltschädigungen wird nach Art. 7 Rom II-VO zunächst das Recht des Staates berufen, in dem „das schädigende Ereignis eingetreten ist“. Dies ist wie bei der Grundanknüpfung (Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO) der Erfolgsort, an dem die direkten Schäden eingetreten sind. Für diese Anknüpfung sprechen die berechtigten Interessen der Geschädigten, nach dem Maßstab des Rechts geschützt und entschädigt zu werden, an dem der Schaden eingetreten ist. Dies entspricht bei Umweltschäden in der Regel ihrem gewöhnlichen Aufenthalt. Auf die Vorhersehbarkeit für den Schädiger der Auswirkungen an einem bestimmten Erfolgsort kommt es nicht an.133 Ein gewisser Ausgleich hierfür wird durch die Berücksichtigung der Sicherheits- und Verhaltensregeln am Handlungsort gemäß Art. 17 Rom II-VO geschaffen.134 c) Ubiquitätsprinzip und Wahlmöglichkeit zugunsten des Handlungsortsrechts Nach der Grundregel von Art. 7 Rom II-VO ist strikt das Recht am Erfolgsort auf Umweltschädigungen anzuwenden. Die Vorschrift verweist ausdrücklich sowie nach systematischer Auslegung nur auf den ersten Absatz von Art. 4 Rom II-VO, so dass weder der gemeinsame gewöhnliche 131

Art. 44 EGBGB ordnet eine gleichlaufende akzessorische Anknüpfung an. Vgl. Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 4 (48); Bamberger/Roth-Spickhoff, 2.A. (2008), Anhang zu Art. 42 EGBGB, Rn. 64. 133 Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 7 Rom II-VO, Rn. 7; Kadner Graziano, Yearbook PIL 2007, S. 71 (73) mwN. 134 Dazu im Einzelnen sogleich. 132

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

Aufenthalt noch andere engere Verbindungen des Sachverhalts zu einem anderen Recht Einfluss auf die Anknüpfung an den Erfolgsort haben. Einzig Art. 7, 2. Halbsatz Rom II-VO eröffnet dem Geschädigten ein zeitlich begrenztes Wahlrecht zugunsten des Rechts des Handlungsortes und etabliert so das Ubiquitätsprinzip in diesem Bereich des Haftungsrechts.135 Nach Erwägungsgrund 25 der Verordnung sind die Modalitäten der Ausübung des Wahlrechts, insbesondere dessen zeitliche Begrenzung, von den Mitgliedstaaten selbst zu entscheiden. In Deutschland kommt hierfür der neu geschaffene Art. 46a EGBGB zur Anwendung. Das Optionsrecht ist ein einseitiges Rechtsgeschäft (Gestaltungsrecht) des Geschädigten, das – wenn einmal ausgeübt – unwiderruflich ist. Es kann innerhalb und auch außerhalb des Zivilprozesses ausgeübt werden.136 d) Streudelikte Bei grenzüberschreitenden Umweltverschmutzungen (insbesondere bei Luft- und Gewässerverschmutzungen) ist es nicht unwahrscheinlich, dass Schäden in mehreren Staaten auftreten.137 Hier stellt sich die Frage, was passiert, wenn bei solchen Streudelikten Geschädigte in mehreren Staaten betroffen sind. Da es jedem Geschädigten nach Art. 7 Rom II-VO freisteht, das Handlungsrecht zu wählen oder es bei der Anwendung des Rechts am Erfolgsort zu belassen, kann ein Schädiger bei nur einem haftungsbegründenden Ereignis Ansprüchen aus verschiedenen Rechtsordnungen unterliegen.138 Wählt keiner der Geschädigten das Handlungsortsrecht kann jeder Geschädigte oder auch ein Geschädigter, der an mehreren Erfolgsorten betroffen ist (dann spricht man von einer „Mosaikbetrachtung“), seinen Schaden an dem entsprechenden Erfolgsort nach dem dortigen Recht geltend machen.139

135

Zur Kritik an der Einführung dieses Wahlrechts siehe oben. Im Einzelnen mwN: Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 7 Rom II-VO, Rn. 8; siehe auch Dickinson, Rn. 7.22 ff. 137 Z.B. im Fall von Einleitungen in Grenzflüsse wie den Rhein, an dem mehrere Staaten belegen sind. 138 Vgl. Dickinson, Rn. 7.20; Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256 (268 f.). 139 KOM(2003) 427 endg. S. 12: Diese Folge der Anknüpfung an den Erfolgsortes ergibt sich aus der Definition des „Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, des EuGH, vgl. Entscheidung des EuGH v. 19.9.1995, Rs. C-364/93 – Marinari ./. Lloyds Bank, Slg. 1995, I-2719, IPRax 1997, 331/312; siehe auch Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1 (37); Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 4 Rom II-VO, Rn. 8; Dickinson, Rn. 7.20. 136

III. Regelungen der Rom II-VO

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6. Freie Rechtswahl Wie auch viele der nationalen Regelungen des Internationalen Deliktsrechts lässt die Rom II-VO eine Rechtswahl der Parteien zu. Neben der ex post-Rechtswahl140 (Art. 14 Abs. 1 lit. a Rom II-VO), lässt Art. 14 Abs. 1 lit. b Rom II-VO unter bestimmten Voraussetzungen auch eine vorherige Rechtswahl zu.141 a) ex post Grundsätzlich immer zulässig ist eine Rechtswahl nach dem Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses.142 Diese kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Rom II-VO). Im Falle der stillschweigenden Rechtswahl muss sich diese „mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles ergeben.“143 Eine Rechtswahl durch AGB (z.B. in Vergleichsvereinbarungen) ist bei der nachträglichen Rechtswahl durchaus möglich.144 Ohne Einschränkung wählbar sind alle staatlichen Rechte, andere Regelwerke nach dem Wortlaut der Art. 14 Abs. 2 und Art.

140 Diese beruht auf den Gedanken der Vertragsfreiheit und Parteienautonomie und ist auch im deutschen Internationalen Privatrecht anerkannt und zulässig (Art. 42 EGBGB). 141 Der erste Vorschlag der Kommission, der die Einführung einer ex post-Rechtswahl als Anpassung an die jüngeren nationalen Entwicklungen im europäischen IPR betrachtete, sah noch keine vorherige Rechtswahl vor; KOM(2003) 427 endg. S. 25. Bereits die Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments nach der ersten Lesung sahen allerdings die eingeschränkte vorherige Rechtswahlmöglichkeit in ihrer jetzigen Form vor, um Unternehmen im Sinne der Parteiautonomie auch diese Gestaltungsmöglichkeit zu geben; EP-Dokument A6-0211/2005 endg. S. 18 f. In ihrem zweiten, teilweise an die Änderungsvorschläge des Parlaments angepassten Vorschlag übernimmt die Kommission den Vorschlag für eine eingeschränkte vorherige Rechtswahl unter dem Vorbehalt des Schutzes der schwächeren Partei durch die präzise Formulierung der Voraussetzungen; KOM(2006) 83 endg. S. 3. 142 Mit Ausnahme der außervertraglichen Schuldverhältnisse aus Verletzung des geistigen Eigentums und aus Wettbewerbsverstößen, Art. 6 Abs. 4 und Art. 8 Abs. 3 Rom II-VO, vgl. Leible, RIW 2008, 257 (259). 143 Hierzu können die zu Art. 3 Abs. 1 EVÜ (bzw. Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO) von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Auslegungsgrundsätze herangezogen werden. Ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen stellen hierfür ein gewichtiges Indiz dar, da eine gleichlaufende Rechtswahl in der Regel auch im Interesse der Parteien ist. Aus der einvernehmlichen Bezugnahme auf eine Rechtsordnung im Prozess lässt sich allerdings nur auf eine Rechtswahl schließen, wenn dies mit „Rechtswahlbewusstsein“ erfolgt. Bei ausländischen Rechten kann dies angenommen werden, bei der lex fori ist dagegen vorsichtiger vorzugehen, die Parteien müssen nachweislich von der Rechtswahlmöglichkeit gewusst haben; Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1 (7); Leible, RIW 2008, 257 (261). 144 Leible, RIW 2008, 257 (260).

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

24 Rom II-VO dagegen nicht.145 Eine besondere Form ist für die Rechtswahl nicht vorgeschrieben, über Zustandekommen und Wirksamkeit entscheidet das gewählte Recht.146 b) ex ante147 Eine vorherige Rechtswahl ist im Unterscheid zur nachträglichen nur in den Fällen möglich, in denen alle Parteien einer „kommerziellen Tätigkeit“ nachgehen und die Rechtswahl frei ausgehandelt worden ist (Art. 14 Abs. 1 lit. b Rom II-VO). Diese Einschränkungen sollen sicherstellen, dass der durch vorherige Rechtswahlmöglichkeit erhöhten Rechtssicherheit nicht der Verbraucherschutz zum Opfer fällt.148 Eine vorherige Rechtswahl durch AGB ist ausgeschlossen, da diese qua definitione nicht ausgehandelt werden.149

145

Vgl. Leible, RIW 2008, 257 (261). Soweit Einzelfragen nicht von der Rom II-VO geregelt werden, lassen sich die Regelungen der Art. 4 Abs. 4 iVm 8 EVÜ (bzw. Art. 3 Abs. 5 iVm 10 Rom I-VO) heranziehen; Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1 (13); Leible, RIW 2008, 257 (260). 147 Die unbeschränkten Rechtswahlmöglichkeiten des Vorentwurfs von 2002 waren in Bezug auf die vorherige Rechtswahl deutlicher Kritik ausgesetzt. Die vorherige Rechtswahl wird dafür kritisiert, dass im außervertraglichen Bereich dies wegen der vertragsakzessorischen Anknüpfung (Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO) und der anderweitigen Unpraktikabilität unnötig sei und die schwächere Partei benachteiligen könne; vgl. die Begründung des ersten Kommissionsvorschlags, KOM(2003) 427 endg. S.25. Die Beschränkung der ex ante-Rechtswahl durch Art. 14 Abs. 1 lit. b Rom II-VO wird dagegen als unnötig einschränkend und der Rechtssicherheit abträglich kritisiert; Leible, RIW 2008, 257 (258); Wagner, IPRax 2006, 372 (387 f.). Wegen der zu erwartenden geringen Bedeutung der vorherigen Rechtswahl und der regelmäßigen vertragsakzessorischen Anknüpfung ist dieser Streit wohl aber von geringerer praktischer Bedeutung; a.A.: Leible, RIW 2008, 257 (258). Im ersten Verordnungsvorschlag fand sich daher nur die Möglichkeit der ex post-Rechtswahl, um dem Schutzcharakter des Deliktsrechts gerecht zu werden; KOM (2003) 427 endg., S. 25. Kritisch damals dazu: Leible/Engel, EuZW 2004, 1 (15); Fuchs, GPR 2003/04, 100 (104). Bereits in der ersten Lesung schlug das Europäische Parlament allerdings die Aufnahme einer eingeschränkten vorherigen Rechtswahlmöglichkeit, wie sie auch jetzt besteht, vor; EP-Dokument A6 211/2005, S. 18, Änderungsantrag 25. Die Kommission akzeptierte diese Änderung, um „bestimmten“ Parteien die vorherige Rechtswahl auch für außervertragliche Schuldverhältnisse zu ermöglichen; KOM(2006) 83 endg. S. 3. 148 Erwägungsgrund 31 (Satz 3); vgl. auch Wagner, IPRax 2006, 372 (387 f.) mwN. 149 Überzeugend Leible, RIW 2008, 257 (260); siehe auch Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1 (8); a.A. Wagner, IPRax 2008, 1 (13 f.). 146

III. Regelungen der Rom II-VO

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c) Grenzen der Rechtswahl Die Rechtswahl darf nicht zu Lasten Dritter, wie zum Beispiel einer Haftpflichtversicherung,150 wirken (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 aE Rom II-VO). Art. 14 Abs. 2 und 3 Rom II-VO enthalten weitere Einschränkungen der Rechtswahl. Weiterhin sind die zwingenden Eingriffsnormen im Sinne des Art. 16 Rom II-VO und der ordre public (Art. 26 Rom II-VO) trotz einer Rechtswahl zu beachten. d) Bedeutung für die Haftung für Umweltschäden Anders als bei den Wettbewerbsbeschränkungen und den Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums ist bei Umweltschädigungen (Art. 7 Rom II-VO) eine Rechtswahl nach Art. 14 Rom II-VO grundsätzlich zulässig. Da auch die Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen Schutzgüter Dritter und der Allgemeinheit – zumindest reflexartig – schützt,151 war die Zulässigkeit einer Rechtswahl umstritten.152 Eine Ausnahme der deliktischen Umwelthaftung von den Rechtswahlmöglichkeiten der Rom IIVerordnung wurde dennoch nicht weiter diskutiert und auch während des legislatorischen Verfahrens von keiner Seite mehr angeregt. In Bezug auf die zivilrechtliche Umwelthaftung wird die Rechtswahl aber nur geringe Bedeutung erlangen. Mit Blick auf eine nachträgliche Rechtswahl spricht für diese Annahme, dass dem Geschädigten bereits durch Art. 7 Rom II-VO (Ubiquitätsprinzip) eine gewisse einseitige Möglichkeit zur Rechtswahl eingeräumt ist. Die Auswahl zwischen Erfolgsort (Grundanknüpfung) und Handlungsort ist gerade mit Blick auf Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche, aber auch Schadensersatzansprüche, im Fall von schädlichen Immissionen ausreichend. Anders als noch im Rheinversalzungsprozess,153 wo sich die Parteien nachträglich auf die lex fori einigten, macht das Ubiquitätsprinzip und die Wahlmöglichkeit des Geschädigten eine Rechtswahl für diesen eher uninteressant.154 Umstände unter denen der Geschädigte weitere Rechtsordnungen in Betracht ziehen könnte, sind schwer vorstellbar. Bei von Vergleichsverhandlungen behält die Möglichkeit einer nachträglichen

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Sollten die Parteien also eine Rechtsordnung wählen, die einen höheren Schadensersatzanspruch vorsieht, oder einen Direktanspruch gegen die Versicherung, so gelten für Ansprüche gegen die Versicherung die Regelungen des objektiv ermittelten Deliktsstatuts; Leible, RIW 2008, 257 (262). 151 Vgl. Erwägungsgrund 25. 152 Vgl. Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67 (2003), 1 (35). 153 EuGH, Rs. 21/76 – Bier ./. Mines de Potasse d’Alsace, Slg. 1976, 1735, NJW 1977, 493. 154 Anders Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 4 (45).

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

Rechtswahl bei grenzüberschreitenden Umweltschädigungen freilich ihre Bedeutung. Auch die praktischen Anwendungsmöglichkeiten einer vorherigen Rechtswahl sind begrenzt. Gerade grenzüberschreitende Umweltverschmutzungen und Immissionen sind vor ihrem Auftreten oft nicht vorhersehbar, insbesondere wenn sie durch einmalige oder zufällige Ereignisse wie Unfälle, Naturereignisse oder Anlagenfehlfunktionen entstehen. In diesen Fällen sind auch die potentiell Betroffenen nur schwer vorauszusehen. Weiterhin bestehen in der Regel auch keine sonstigen Vertragsverhältnisse zwischen Schädiger und den Geschädigten, die die Möglichkeit einer ausdrücklichen oder konkludenten Rechtswahlvereinbarung auch für außervertragliche Schuldverhältnisse enthalten könnten. Im Hinblick auf emittierende (Industrie-) Anlagen ließe sich wohl ein Teil der potentiell Betroffenen im Vorhinein ermitteln.155 Mit diesen könnten zur Herstellung einer gewissen Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit der Haftungsfolgen entsprechende Rechtswahlvereinbarungen getroffen werden. Problematisch ist hier allerdings, dass es sich bei den potentiell Geschädigten oft um Privatpersonen handeln wird, die in diesem Kontext nicht kommerziell tätig werden,156 wodurch nach Art. 14 Abs. 1 lit. b Rom II-VO eine vorherige Rechtswahl ausscheidet. Hinsichtlich der übrigen potentiell Geschädigten, die zum Bespiel als Landwirte einer kommerziellen Tätigkeit nachgehen und oft schädlichen Industrieimmissionen ausgesetzt sind, könnte eine vorherige Wahl des Umwelthaftungsstatuts in Frage kommen. So könnte für beide Seiten die Rechts- und Planungssicherheit erhöht werden. 7. Gemeinsame und Sonstige Vorschriften der Rom II-Verordnung Von Vorschriften der Kapitel V („Gemeinsame Vorschriften“) und VI („Sonstige Vorschriften“) der Rom II-Verordnung sind für die Haftung für Umweltschädigungen und die Frage nach den Auswirkungen von Anlagengenehmigungen Art. 16, 17 und 26 Rom II-VO von besonderer Bedeutung. Die Regelungen werden im Folgenden dargestellt. Die übrigen Gemeinsamen und Sonstigen Vorschriften bestimmen unter anderem den Geltungsbereich des anzuwendenden Rechts (Art. 15 Rom II155

Dies gilt wegen der relativen Abgeschlossenheit von Gewässersystemen gerade mit Blick auf das Umweltmedium Wasser; Fröhler/Zehetner, S. 34. 156 Dies bedeutet, dass die Rechtswahl, also der entsprechende Vertrag, in Ausübung der kommerziellen Tätigkeiten der Parteien geschlossen worden sein muss. Kommerziell handelt eine Privatperson, wenn sie aktiv wie ein Unternehmen am Marktgeschehen in Ausübung einer selbständigen gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit teilnehmen; Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1 (8); Leible, RIW 2008, 257 (260); Wagner, IPRax 2008, 1 (13).

III. Regelungen der Rom II-VO

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VO)157, Direktklagemöglichkeiten (Art. 18 Rom II-VO), die Anknüpfung des gesetzlichen Forderungsübergangs (Art. 19 Rom II-VO) und des Gesamtschuldnerausgleichs (Art. 20 Rom II-VO), den Ausschluss des renvoi (Art. 24 Rom II-VO) und Konkurrenzfragen (Art. 27, 28 Rom II-VO). a) Art. 16 Rom II-VO – Eingriffsnormen aa) Allgemeines Nach Art. 16 Rom II-VO können „international zwingende“ Normen der lex fori im Wege der Durchbrechung des Grundsatzes der einheitlichen Anknüpfung trotz eines anderen objektiven oder gewählten158 Deliktsstatuts angewendet werden. Der EuGH hat diese in unter anderem in der Arblade-Entscheidung159 als “nationale Vorschriften, deren Einhaltung als so entscheidend für die Wahrung der politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation des betreffenden Mitgliedsstaats angesehen wird, dass ihre Beachtung für alle Personen, die sich im nationalen Hoheitsgebiet dieses Mitgliedsstaats befinden, und für jedes dort lokalisierte Rechtsverhältnis vorgeschrieben ist,“ definiert. Im Internationalen Deliktsrechts ist die Bedeutung der Eingriffsnormen kleiner als im Internationalen Vertragsrecht, da bereits die Kollisionsnormen versuchen, die im einzelstaatlichen Interesse stehenden Steuerungsfunktionen des Deliktsrechts zu verwirklichen.160 Die Vorschrift entspricht ihrem Vorbild in Art. 7 Abs. 2 EVÜ,161 der in Art. 34 EGBGB umgesetzt ist, sie gilt jedoch nur für inländische Eingriffsnormen.162 Auch eine

157 Die sachliche Reichweite ist wiet, die Auflistung ist nicht abschließend (PalandtThorn, 70. A. (2011), Art. 15 Rom II-VO, Rn. 1) und erfasst alle Sachfragen, die regelmäßig in den Geltungsbereich des Deliktsstatuts fallen; Wagner, IPRax 2008, 1 (14) mwN. 158 Die Eingriffsnormen der lex fori gelten bei einer anderweitigen Rechtswahl, auch wenn diese nicht unter die Sondervorschrift des Art. 14 Abs. 2 Rom II-VO fällt. 159 EuGH, Urteil v. 23.11.1999, verbundene Rs. C-369/96 und C-376/96 – Strafverfahren gegen Arblade und Leloup, Rn. 30, NJW 2000, 1553. 160 Wagner, IPRax 2008, 1 (15). 161 Bzw. Art. 9 Rom I-VO. 162 Diese Vorschrift entspricht – mit minimalen Abweichungen im Satzbau – in ihrer jetzigen Form bereits dem Vorentwurf der Kommission von 2002 (dort Art. 12). Schon jener Vorentwurf enthielt keine dem Art. 7 Abs. 1 EVÜ entsprechende Regelung in Bezug auf international zwingende Normen, die nicht der lex fori entstammen; vgl. zur Kritik hierzu bereits: Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67 (2003), 1 (42). Im ersten sowie im geänderten Kommissionsentwurf allerdings erfasste die jeweils entsprechende Vorschrift nicht nur die zwingenden Vorschriften der lex fori, sondern stellte auch auf die „zwingenden Bestimmungen des Rechts eines anderen Staates, mit dem der Sachverhalt eine enge Verbindung aufweist“, ab. Erst im Gemeinsamen

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

anderslautende Auslegung der Norm vor dem Hintergrund des EVÜ ist aufgrund der legislatorischen Vorgeschichte nicht möglich.163 bb) Bedeutung für die Frage nach den Auswirkungen von Anlagegenehmigungen Anlagengenehmigungen entfalten Regelungswirkungen und werden von den staatlichen Behörden als Teil der Eingriffsverwaltung erteilt. Sie könnten diese als Eingriffsnormen im Sinne von Art. 16 Rom II-VO qualifiziert werden. Gegen die Qualifikation einer Anlagengenehmigung als Eingriffsnorm spricht allerdings bereits, dass der ordnungspolitische Eingriff erst von den entsprechenden Präklusionsvorschriften ausgeht, bei denen die Genehmigung nur eine Tatbestandsvoraussetzung ist und nicht von der Anlagengenehmigung selbst.164 Gegen die Beachtlichkeit von Anlagengenehmigungen als Eingriffsnormen nach Art. 16 Rom II-VO spricht weiter, dass nach dieser Vorschrift nur die zwingenden Vorschriften der lex fori Beachtung finden, nicht aber ausländische Vorschriften mit zwingendem Charakter.165 b) Art. 17 Rom II-VO – Sicherheits- und Verhaltensregeln Nach Art. 17 Rom II-VO sind bei der Feststellung von Rechtswidrigkeit oder Verschulden die Sicherheits- und Verhaltensvorschriften am Deliktsort „faktisch und soweit angemessen“ zu „berücksichtigen“. Die Regelung verkörpert einen allgemein im Internationalen Privatrecht anerkannten Rechtsgedanken.166

Standpunkt des Rates Nr. 22/2006 wurde die Vorschrift gestrichen, vgl. insofern die Mitteilung der Kommission v. 27.9.2006; KOM(2006) 566 endg. S. 4. 163 Vgl. Fn. 161. So auch Bamberger/Roth-Spickhoff, 2.A. (2008), Anhang zu Art. 42 EGBGB, Rn. 117; Ofner, ZfRV 2008, 13 (23); Wagner, IPRax 2008, 1 (15); aA PalandtThorn, 68. A. (2009), Anhang zu Art. 38-42 EGBGB (Art. 16 Rom II-VO), Rn. 3; Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (726); v. Hein, VersR 2007, 440 (446). 164 Dazu im Einzelnen unter 7. Kapitel, III.4.d. und 8. 165 Dazu unter 8. Kapitel, II. 166 Siehe auch die Begründung zum ersten Kommissionsvorschlag; KOM(2003) 427 endg. S. 28. In Deutschland gibt es zwar keine ausdrückliche Entsprechung, der Grundsatz ist aber allgemein anerkannt; Junker, NJW 2007, 3675 (3681); Siems, RIW 2004, 662 (666) mwN.

III. Regelungen der Rom II-VO

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aa) Entwicklung und Telos der Vorschrift Die Vorschrift ist nicht neu für das Internationale Deliktsrecht. Schon das Haager Abkommen über Straßenverkehrsunfälle167 sowie das über Produkthaftung168 und der Vorentwurf eines Übereinkommens über das auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht der Europäischen Kommission von 1972169 enthalten entsprechende Regelungen. Die Regelung fand sich bereits im Vorentwurf der Kommission von 2002170, in beiden Kommissionsvorschlägen und wurde auch vom Parlament nicht grundsätzlich in Frage gestellt, sondern nur in einzelnen Details in dessen Änderungsanträge aufgenommen. Unter anderem sollten die von Sonderanknüpfungen umfassten Bereiche des Persönlichkeitsschutzes und des unlauteren Wettbewerbs wegen der Schwierigkeiten bei der Bestimmung des einschlägigen Handlungsortes von der Anwendung der Regelung ausgeschlossen werden.171 Nachdem die Kommission diesem Antrag nicht folgte,172 wurde dieser Aspekt nicht wieder aufgegriffen. Von genereller Bedeutung war ein anderer Änderungsantrag des Parlaments, der unterstreichen sollte, dass den erkennenden Gerichten ein Ermessen bei der Anwendung der gesamten Vorschrift (durch die Formulierung „sofern angemessen“) eingeräumt sein soll, insbesondere auch um gewisse Rechtsbereiche von der Anwendung der Vorschrift ausnehmen zu können.173 Die Kommission griff diese Änderung zunächst in ihrem zweiten Vorschlag auf,174 im Laufe des weiteren Verordnungsgebungsverfahrens wurde die Formulierung noch leicht geändert. Der Bezug auf ein gerichtliches Ermessen blieb in der Formulierung „soweit angemessen“ erhalten, zudem wurde ein ausdrücklicher Hinweis auf die „faktische“ Berücksichtigung, also als Tatsachenelement, der Sicherheits- und Verhaltensregeln aufgenommen. Das Ziel der Regelung ist – neben den oft als einzige Berechtigung herausgestellten logischen und vernünftigen Anpassungen des auf bestimmte Sachverhalte anzuwendenden Rechts – die „Wahrung eines angemessenen 167

Art. 7 des Haager Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht v. 4.5.1971; deutscher Text des Übereinkommens bei: Jayme/Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, S. 240 ff. (Nr. 100). 168 Haager Übereinkommen über das auf die Produkthaftung anwendbare Recht v. 2.10.1973; deutscher Text des Übereinkommens bei: Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 80. 169 Siehe oben I. sowie im Einzelnen zu dem damaligen Vorschlag der Vorschrift Stoll in: v. Caemmerer (Hrsg.), S. 170 f. 170 Art. 13 des Vorentwurfs. 171 EP-Dokument A6-0211/2005 endg. S. 12. 172 KOM(2006) 83 endg. S. 4. 173 EP-Dokument A6-0211/2005 endg. S. 12. 174 KOM(2006) 83 endg. S. 4 und 21.

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

Interessenausgleichs“.175 Die Regelung wurde während der Entwicklung der Verordnung als zu allgemein und zu weitgehend kritisiert.176 bb) Sicherheits- und Verhaltensregeln des Handlungsortes Wegen der Grundanknüpfungen und der Möglichkeiten einer allgemein zulässigen Rechtswahl spielt das Recht des Handlungsortes eine eher untergeordnete Rolle im System der Kollisionsnormen der Rom II-Verordnung.177 Der Schädiger allerdings richtet sich in seinem Verhalten und bei der Sorgfalt, die er walten lässt, primär nach den (Sicherheits- und Verhaltens-) Regeln des Staats, in dem er handelt. Dies gilt sowohl für Platz-178 als auch für Distanzdelikte.179 Durch Art. 17 Rom II-VO kann diesem Umstand Rechnung getragen werden, ohne dass die grundsätzliche Anknüpfung an den Erfolgsort und die damit beabsichtigte Besserstellung des Geschädigten entwertet wird. Die Berücksichtigung der lokalen Sicherheits- und Verhaltensregeln erzeugt ein gewisses Maß an Rechtssicherheit für den Schädiger, wenn er sich (zumindest) an die heimischen Regeln gehalten hat. In analoger Anwendung180 der Vorschrift muss allerdings auch das Verhalten des Geschädigten an den Sicherheitsregeln des Handlungsortes gemessen werden, soweit es sich nicht um ein Distanzdelikt handelt und zum Beispiel aufgrund der Auflockerungsregel des Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO oder nach einer Rechtswahl eine andere Rechtsordnung zur Anwendung kommt.181 175 Erwägungsgrund 34, der so schon im ersten Kommissionsvorschlag (Nr. 18) und auch im geänderten Vorschlag (Nr. 18) zu finden war. 176 Z.B. kritisierte die Hamburg Group for Private International Law die generelle Anwendbarkeit der Vorschrift, die als zu weit empfunden wurde und so zu Rechtsunsicherheit führen könne; RabelsZ 67 (2003), 1 (43 f.). Leible/Engel sind der Ansicht, dass der feste zeitliche Anknüpfungspunkt („… zu dem Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses …“) besonders im Bereich der Produkthaftung für den Haftpflichtigen zu einer unangemessenen Rechtsunsicherheit führen würde; EuZW 2004, 1 (16); so auch MüKo-Junker, 5.A. (2010), Art. 17 Rom II-VO, Rn. 6 ff. 177 Auch bei den Sonderanknüpfungen (Art. 5-9 Rom II-VO) kommt das Handlungsortsrecht explizit nur im Rahmen des von Art. 7 Rom II-VO angeordneten Ubiquitätsprinzips, auf Verlangen des Geschädigten zur Anwendung. Bei Arbeitskampfmaßnahmen iSv Art. 9 Rom II-VO wird zumindest mit Blick auf die Arbeitnehmer in der Regel auch an den Handlungsort angeknüpft. 178 Z.B. bei Verkehrsunfällen im Ausland. 179 Wie z.B. im Rahmen der Produkthaftung oder der Umwelthaftung. 180 Vgl. Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 17 Rom II-VO, Rn. 5; Dickinson, Rn. 15.34; Ofner, ZfRV 2008, 13 (17); Wagner, IPRax 2008, 1 (6); a.A. Heiss/Loacker, JBl. 2007, 613 (637). 181 Z.B. bei einem Verkehrsunfall im Ausland zwischen zwei Personen mit demselben gewöhnlichen Aufenthalt.

III. Regelungen der Rom II-VO

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Der „Ort … des haftungsbegründenden Ereignisses“ ist der Tatort (locus delicti commissi, Handlungsort). Dies ergibt sich schon aus einem Wortlautvergleich mit Art. 4 Abs. 1 und Art. 7 Rom II-VO.182 Wenn Forum und Tatort zusammenfallen spricht die Vorschrift eine Selbstverständlichkeit aus. Aber auch bei grenzüberschreitenden Distanzdelikten und dem Auseinanderfallen von Handlungs- und Erfolgsort ist Art. 17 Rom II-VO von Bedeutung. Wenn sich die Haftung nach einer anderen Rechtsordnung als der des Handlungsortes bestimmt, schließen die zu berücksichtigenden Verhaltensregeln des Handlungsortes die Anwendung der entsprechenden Vorschriften des allgemeinen Deliktsstatuts aus. Zu den „Sicherheits- und Verhaltensregeln“ gehören trotz des Wortlauts von Erwägungsgrund 34183 alle Verhaltensregeln unabhängig davon, ob sie kodifiziert sind, von Rechtsprechung erweitert oder entwickelt worden sind oder es sich um allgemein anerkannte Sorgfaltsstandards handelt.184 Dies umfasst neben den ausdrücklich genannten Straßenverkehrssicherheitsregeln auch allgemeine Sorgfaltsregeln wie die Verkehrssicherungspflicht und spezielle Verhaltensstandards verschiedener Rechtsgebiete, wie zum Beispiel Produktsicherheitsregeln oder Umweltstandards und -grenzwerte.185 Umstritten ist, inwieweit ausländische behördliche Genehmigungen, insbesondere Anlagengenehmigungen im Bereich des Umwelthaftungsrechts, aufgrund von Art. 17 Rom II-VO berücksichtigt werden können oder sogar müssen. Auf diesen Aspekt soll bei der Erläuterung der zu erwartenden Bedeutung von Art. 17 Rom II-VO für die zivilrechtliche Umwelthaftung (6) eingegangen werden. cc) „berücksichtigen“ Die Vorschrift wählt mit „berücksichtigen“ eine „weiche“ Formulierung im Vergleich zu den „strengen“ Anwendungsbefehlen der Grund- und Sonderanknüpfungen. Das „berücksichtigen“ ist also deutlich weniger konse182 Dass diese vom „schadensbegründenden Ereignis“ und nicht wie Art. 17 Rom IIVO vom „haftungsbegründenden Ereignis“ sprechen, hängt damit zusammen, dass die Artikel des zweiten Kapitels Spezialregelungen für das Internationale Deliktsrecht sind, bei dem sich eine Haftung immer an einen Schaden anknüpft. Bei den anderen außervertraglichen Schuldverhältnissen, für die die Gemeinsamen Vorschriften des fünften Kapitels auch gelten, ist die Haftung aber nicht zwingend an einen Schaden gebunden. 183 Erwägungsgrund 34, Satz 2: „Der Begriff „Sicherheits- und Verhaltensregeln ist in dem Sinne auszulegen, dass er sich auf alle Vorschriften bezieht, die im Zusammenhang mit Sicherheit und verhalten stehen, einschließlich beispielsweise der Straßenverkehrssicherheit im Falle eines Unfalls.“ 184 Hierfür spricht der Regelungszweck des Art. 17 Rom II-VO; Dickinson, Rn. 15.32; Wagner, IPRax 2008, 1 (6). 185 Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 17 Rom II-VO, Rn. 4; Dickinson, Rn. 7.27, 15.32.

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

quent als ein „anzuwenden“ oder „anzuerkennen“.186 Es ermöglicht dem erkennenden Gericht in Verbindung mit dem von Erwägungsgrund 34 formulierten Ziel eines „angemessenen Interessenausgleichs“ einen gewissen Spielraum, ob und wie die ausländischen Verhaltensregeln des Handlungsorts Bedeutung erlangen. Der „angemessene Interessenausgleich“ spricht so für einen subjektiven, fallbezogenen Maßstab. Hierdurch ist es möglich, dass ein Schädiger vor strengeren Sicherheitsregeln am Erfolgsort geschützt werden kann, die er nicht vorhersehen konnte und musste.187 Auf der anderen Seite wird durch das „berücksichtigen“ ermöglicht, dass sich trotzdem die höheren Standards am Erfolgsort durchsetzen, wenn der Geschädigte diese kannte und die entsprechende Auswirkung seines Handelns vorhersehen konnte. dd) „faktisch“ und „soweit angemessen“ Die vom Europäischen Parlament vorgeschlagene Ergänzung der Vorschrift188 um die Formulierungen „faktisch“ und „soweit angemessen“ dienen in erster Linie der Klarstellung, dass die Sicherheits- und Verhaltensregeln am Ort des haftungsbegründenden Ereignisses als Tatsachenelement berücksichtigt werden sollen. Die Verhaltensregeln werden also als local data betrachtet.189 Ferner wird durch die Präzisierung der Vorschrift klargestellt, dass den Gerichten bei der Anwendung der Vorschrift, insbesondere in Rechtsbereichen, bei denen die Beachtung Sicherheits- und Verhaltensregeln genau geprüft werden muss,190 ein gewisses Ermessen zusteht. Seit dem ersten Entwurf der Kommission war der weite Wortlaut der Vorschrift hinsichtlich der erfassten Rechtsmaterien umstritten. Nach den Vorstellungen des Parlaments sollte über das ausdrückliche Angemessenheitskriterium klargestellt werden, dass die Norm auf gewisse Bereiche nicht anzuwenden sei. 186 Leible/Lehmann, RIW 2008, 721 (725): „Mit „berücksichtigen“ ist offensichtlich etwas anderes gemeint als mit „anwenden“.“ Siehe auch Bamberger/Roth-Spickhoff, 2.A. (2008), Anhang zu Art. 42 EGBGB, Rn. 118; KOM(2003) 427 endg. S. 28. 187 Wagner, IPRax 2008, 1 (5). 188 Die Begründung des ersten Kommissionsvorschlags erwähnte dies bereits; KOM(2003) 427 endg. S. 28. Das Parlament hat darauf in Änderungsantrag 45 die beiden Elemente zur Klarstellung mit in den Wortlaut der Vorschrift aufgenommen (damals noch „… wie ein Sachverhaltselement, sofern dies angemessen ist“); EP-Dokument A6 211/2005, S. 34. Die Änderung wurde von der Kommission ohne weiteres akzeptiert; KOM(2006) 83 endg. S. 2. 189 v. Hein, VersR 2007, 440 (446) mwN; so auch schon im bisherigen deutschen IPR; Siems, RIW 2004, 662 (666). 190 Das Parlament zielte hier besonders auf den unlauteren Wettbewerb und die Persönlichkeitsrechtsverletzungen ab; EP-Dokument A6 211/2005 endg. S. 34.

III. Regelungen der Rom II-VO

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ee) Zeitliche und räumliche Anwendung der Vorschrift Art. 17 Rom II-VO beantwortet darüber hinaus eine intertemporale Frage. Zu berücksichtigen sind die „Sicherheits- und Verhaltensregeln, die … zu dem Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses in Kraft“ waren, also nicht die Regeln im Zeitpunkt des Rechtsstreits. Diese klarstellende Bestimmung hilft Unklarheiten zu vermeiden. Dies gilt besonders mit Blick auf ungewisse und oft kurzfristige Änderungen, die oft als Reaktion auf Großschadensereignisse erlassen werden. Wegen der Veränderlichkeit von Sicherheitsstandards, die zum Beispiel bei der Produkthaftung nach dem Inverkehrbringen geändert oder verschärft werden können, wurde diese Teilregelung im Namen der Rechtssicherheit kritisiert.191 Die Vorschrift ist mit den oben aufgeführten Anwendungsmodalitäten von den Gerichten der an der Verordnung beteiligten Mitgliedstaaten grundsätzlich anzuwenden, wenn die Verordnung anwendbar ist. Dies gilt sowohl für die Sicherheits- und Verhaltensregeln von anderen Mitgliedstaaten als auch grundsätzlich für die von Drittstaaten. Es stellt sich in Verbindung mit dem universellen Geltungsbereich der Kollisionsnormen der Verordnung (Art. 3 Rom II-VO) die Frage, ob dieser auch für Art. 17 Rom II-VO gelten soll, und wenn ja, in welchem Umfang sich die Sicherheits- Verhaltensregeln von Drittstaaten auf die Haftung nach dem von der Verordnung berufenen Recht auswirken. Gegen eine wortlautkonforme und auch systematisch korrekte Anwendung des Art. 17 Rom II-VO auf alle Sachverhalte, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, könnte vor allem vorgebracht werden, dass sich der Rechts- und Schutzstandard außerhalb Europas zum Teil erheblich von dem innerhalb der Gemeinschaft unterscheide. Eine Gleichbehandlung wäre deshalb nicht sachgerecht und könnte Schädiger weitergehender Haftung aussetzen oder die berechtigten Ansprüche von Geschädigten ungerechtfertigt beschneiden. Hält man sich jedoch das Ziel des gerechten Interessenausgleichs vor Augen, können auch in den Fällen, in denen deutlich geringere Schutz- oder Verhaltensstandards am Handlungsort gelten, über den Weg der „Soweit-Angemessenen-Berücksichtigung“ interessengerechte Einzelfalllösungen gefunden werden. In diesem Zusammenhang muss auch der Aspekt der Durchsetzbarkeit und Vollstreckbarkeit im (Nicht-EU) Ausland in Betracht gezogen werden.192 Sollte auch auf diesem Weg an die Grenzen der Vorschrift gestoßen werden, kann zur Korrektur grob ungerecht oder mit Blick auf die Sicherheitsstandards unzureichend 191

Leible/Engel, EuZW 2004, 7 (16). Zu den für die Beachtlichkeit von ausländischen Genehmigungen relevanten Aspekten der Anwendung von Sicherheits- und Verhaltensregeln aus Drittstaaten und der Berücksichtigung der Vollstreckbarkeitsaussichten wird im 8. Kapitel ausführlich Stellung genommen. 192

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

erscheinender Ergebnisse auf die ordre public-Klausel des Art. 26 Rom IIVO zurückgegriffen werden. ff) Bedeutung für die zivilrechtliche Umwelthaftung Neben den Straßenverkehrsregeln und den Produktsicherheitsstandards werden umweltschutzrechtliche Sicherheits- und Verhaltensregeln wie zum Beispiel Emissionsgrenzwerte und Betriebs- und Verfahrensvorschriften einen wichtigen Anwendungsbereich von Art. 17 Rom II-VO darstellen. Insbesondere im Hinblick auf Beachtlichkeit und Auswirkungen von behördlichen Anlagengenehmigungen in den Fällen von grenzüberschreitenden Umweltschädigungen und Immissionen kann Art. 17 Rom II-VO der Zugang zu einem neuen und praktikablen Lösungsansatz sein. In der bisherigen Literatur zur Rom II-Verordnung ist die Anwendbarkeit der Vorschrift auf Umweltbeeinträchtigungen durch genehmigte Anlagen und die Subsumtion von behördlichen Anlagengenehmigungen unter das Tatbestandsmerkmal „Sicherheits- und Verhaltensregeln“ umstritten. Auf der einen Seite wird das Problem als durch die Verordnung gelöst betrachtet, weil behördliche Anlagengenehmigungen ohne weiteres als Konkretisierungen von Sicherheits- und Verhaltensregeln zu berücksichtigen seien.193 Dagegen wird andererseits vorgebracht, dass es sich bei den Anlagengenehmigungen nicht um Sicherheits- und Verhaltensregeln oder es sich um einen Bereich handele, der ebenso wie Persönlichkeitsverletzungen und der unlautere Wettbewerb eben nicht von der Regelung erfasst sein sollen.194 Die Begründung des ersten Kommissionsvorschlags führt zu der Problematik etwas verschwommen aus, dass die Einhaltung der Sicherheits- und Verhaltensregeln am Handlungsort auch bei Umweltschädigungen Berücksichtigung finden müsse, ohne genau zu erläutern, inwieweit die Genehmigung selbst Beachtung finden solle.195 Die verbindliche autonome Auslegung der Vorschrift in dem einen oder anderen Sinne obliegt dem EuGH.196 Ein pauschaler, undifferenzierter Rückgriff auf Art. 17 Rom II-VO bei der Betrachtung der Auswirkung einer ausländischen Anlagengenehmi193 Ofner, ZfRV 2008, 13 (19); Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (725); für die Berücksichtigung auf Tatbestandsebene: Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 4 (50); ders., Yearbook PIL, 2007, S. 79 f. 194 Dickinson, Rn. 7.29; Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 40 EGBGB, Rn. 50b; Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256 (296); Siems, RIW 2004, 662 (666); Stone, EuLF 2004, 213 (228); Fuchs, GPR 2003/04, 100 (103). 195 KOM(2003) 427 endg. S. 22. 196 Junker, NJW 2007, 3675 (3681): „Im Umwelthaftungsrecht wird sich der EuGH früher oder später die Frage stellen, ob öffentlich-rechtliche Anlagengenehmigungen des Sitzstaats ohne Weiteres als örtliche Verhaltensregeln zu berücksichtigen sind.“

IV. Änderung des EGBGB

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gung scheint aufgrund der komplexen Problemstellung und der auseinander liegenden Interessen der Parteien nicht angebracht. Ebenso ist das vollständige Herausfallen von Anlagengenehmigungen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift nicht als Lösungsansatz geeignet. Die folgenden Kapitel setzen sich detailliert mit diesen Punkten auseinander. Es wird ein differenzierter Lösungsansatz auf Grundlage des Art. 17 Rom II-VO entwickelt. c) Art. 26 Rom II-VO Art. 26 Rom II-VO stellt einen allgemeinen ordre public-Vorbehalt in Bezug auf die Auswirkung einzelner Normen des nach der Verordnung anzuwendenden Rechts im Einzelfall auf. An deren Stelle treten die entsprechenden Regeln der lex fori. Der ordre public-Vorbehalt ist nach der Formulierung „offensichtlich unvereinbar“ äußerst restriktiv – zumindest im Verhältnis zu den Rechtsordnungen anderer Mitgliedstaaten –und nur in Ausnahmefällen anzuwenden.197 Ein Eingreifen des ordre public-Vorbehalts ist von Amts wegen zu prüfen, der Vorschlag eine Prüfung nur auf Parteibetreiben vorzunehmen hat sich nicht durchsetzen können.198 Art. 26 Rom II-VO ist zwar auch in den Fällen anwendbar, in denen gemäß Art. 17 Rom II-VO Sicherheits- und Verhaltensregeln, die nicht dem Deliktsstatut entstammen, berücksichtigt werden. Für die Frage der Berücksichtigung der privatrechtsgestaltenden Wirkungen von Anlagegenehmigungen kann der ordre public-Vorbehalt – auch wegen der restriktiv zu handhabenden Anwendung – nur zur Korrektur von besonderen Einzelfällen dienen.199

IV. Änderung des EGBGB Die Rom II-VO, die unmittelbare Wirkung entfaltet (Art. 288 AEUV)200, wird nicht in nationales Recht umgesetzt.201 Dennoch müssen die nationalen Kollisionsregeln an die Verordnung angepasst werden, auch um be197

Allg. Meinung; siehe auch KOM(2003) 427 endg. S. 31. EP-Dokument A6-0211/2005 endg., S. 36. 199 Siehe unten 9. Kapitel, III.2. und 11. Kapitel, I.1./5. und IV.4. 200 ex- Art. 249 Abs. 2 EG. 201 Sog. Normwiederholungsverbot; EuGH, Urteil v. 7.2.1973, Rs. 39/72 – Kommission ./. Italienische Republik, Rn. 16 ff., BeckRS 2004, 33663. Das Normwiederholungsverbot soll zum einen Unklarheiten über den Urheber der Regelungen und den Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens vermeiden und zum anderen den Geltungsrang der EG-Verordnung unterstreichen. 198

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5. Kapitel – Die Rom II-Verordnung

wusst offen gelassene Fragen zu regeln. Neben der Herausstellung des Vorrangs der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen dient die Anpassung der nationalen Regelungen vor allem der Füllung der durch die Einschränkungen des sachlichen Anwendungsbereiches der Verordnung verbleibenden Lücken. Außerdem stellt sich für die nationalen Gesetzgeber die Frage, wie mit dem nationalen Recht für die von der Rom II-VO nicht erfassten Bereiche verfahren werden soll. Wegen des umfassenden sachlichen Anwendungsbereiches der Rom II-VO bleibt nur wenig Raum für die autonomen Regelungen des Internationalen Deliktsrechts.202, Das „Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die VO (EG) Nr. 864/2007“ vom 10.12.2008203 führt die notwendigen Änderungen und Ergänzungen des EGBGB im Hinblick auf die Rom II-VO durch.Eine Ersetzung der Art. 38 ff. EGBGB durch Verweise auf die Rom II-VO findet nicht statt, da die von der Verordnung ausgenommenen Bereiche nicht auf diese Weise doch wieder ihren Regelungen unterfallen sollen.204 Im Bereich der Umwelthaftung bedarf es gemäß Erwägungsgrund 25 der Verordnung der nationalen Umsetzung, wann das Wahlrecht aus dem Ubiquitätsprinzip spätestens ausgeübt werden muss. Art. 40 Abs. 1 Satz 3 EGBGB, dass der Geschädigte sein Wahlrecht (für den umgekehrten Fall) zugunsten des Erfolgsortsrechts im gerichtlichen Vorverfahren ausüben muss,205 gilt zunächst in den wenigen übrigen Fällen, in denen Art. 40 EGBGB direkt berufen ist. Nach Erwägungsgrund 25 soll die Frage nach der lex fori entschieden werden. Die Durchführungsvorschrift darf jedoch den Zweck der Verordnung nicht beeinträchtigen oder sonst verändern.206 Das Anpassungsgesetz sieht die Übernahme von Art. 40 Abs. 1 Satz 3

202 Z.B. Art. 40 ff. EGBGB. Diese werden wegen der Ausnahmen für Schäden durch Kernenergie und für Verletzungen der Privatsphäre oder von Persönlichkeitsrechten eine gewisse Bedeutung behalten. 203 BGBl. I 2008, S. 2401. 204 Im Einzelnen zu dieser Frage: Wagner, IPRax 2008, S. 314 (317) mwN. 205 „Das Bestimmungsrecht kann nur im ersten Rechtszug bis zum Ende des frühen ersten Termins oder dem Ende des schriftlichen Vorverfahrens ausgeübt werden.“ Diese Begrenzung dient der Prozessökonomie und dem Grundsatz der Waffengleichheit, da der bevorteilte Geschädigte gezwungen ist, bereits im Vorfeld des Prozesses umfangreich zu recherchieren; Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 40 EGBGB, Rn. 30 f. 206 Eine analoge Anwendung des Art. 40 Abs. 1 Satz 3 EGBGB, wie sie anfangs (als Reaktion auf den ersten Kommissionsvorschlag) unter anderem von Huber/Bach, IPRax 2005, 73 (80) vorgeschlagen wurde, wäre wegen der entgegen gesetzten Ausgangspunkte des nationalen und des gemeinschaftsrechtlichen Wahlrechts wohl schwer durchführbar gewesen, insbesondere auch weil Art. 40 Abs. 1 im Bereich der Persönlichkeitsverletzungen ein nicht unerheblicher Anwendungsbereich verbleibt.

IV. Änderung des EGBGB

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EGBGB vor. Da weitere Europäische Verordnungen zum Kollisionsrecht zu erwarten sind, ist dafür der neue Art. 46a EGBGB vorgesehen.207 Weiter regelt Art. 44 EGBGB bislang, dass die nachbarrechtlichen Abwehransprüche wegen Gründstücksemissionen wie deliktische Ansprüche nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB angeknüpft werden, um einen Gleichlauf zwischen Delikts- und Immissionsschutzstatut herzustellen. Zur Anpassung an die Rom II-VO enthält diese Regelung nun einen direkten Verweis auf die einschlägigen Vorschriften der Verordnung.208 Damit geht eine Erweiterung dieser Verweisung einher, da nicht mehr nur auf die Grundanknüpfung (Art. 40 Abs. 1 EGBGB) verwiesen wird sondern auf das gesamte System des Internationalen Deliktsrechts der Rom II-VO, einschließlich der Rechtswahlmöglichkeit und der Sonderanknüpfung für Umweltschäden. Über diesen Umweg (Art. 7 Rom II-VO)209 bleibt dann aber weiterhin das Ubiquitätsprinzip – allerdings mit anderen Vorzeichen – für die meisten Grundstücksimmissionen erhalten.

207

2. Kapitel, Siebter Abschnitt – „Besondere Vorschriften zur Durchführung von Regelungen der Europäischen Gemeinschaft nach Artikel 3 Nr. 1“, Art. 46a EGBGB nF: „Die geschädigte Person kann das ihr nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 zustehende Recht, ihren Anspruch auf das Recht des Staates zu stützen, in dem das schadensbegründende Ereignis eingetreten ist, nur im ersten Rechtszug bis zum Ende des frühen ersten Termins oder dem Ende des schriftlichen Vorverfahrens ausüben.“ Trotz des Wortlauts des neuen Art. 46a EGBGB werden von der Rom II-VO auch bei Umweltschäden und so auch mit Relevanz für das Wahlrecht auch Ansprüche zur Abwehr drohender Schäden gemäß Art. 2 Abs. 2 Rom II-VO erfasst, so dass die neue Vorschrift dementsprechend zu lesen ist. 208 Art. 44 EGBGB nF: Für Ansprüche aus beeinträchtigenden Einwirkungen, die von einem Grundstück ausgehen, gelten die Vorschriften der Verordnung (EG) 864/2007 mit Ausnahme des Kapitels III entsprechend. Siehe auch Wagner, IPRax 2008, S. 314 (318) mwN. 209 Die unter Art. 44 EGBGB fallenden Grundstücksimmissionen werden in der Regel Umweltschädigungen iSv Art. 7 Rom II-VO sein, der wiederum ausdrücklich nur auf Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO verweist.

6. Kapitel

Die Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen – Problemstellung I. Die privatrechtsgestaltenden Wirkungen des Umweltverwaltungsrechts Es ist für das Umwelthaftungsrecht in vielen Staaten – insbesondere in Europa1 – typisch, dass zivilrechtliche Regelungen, die Unterlassungsansprüche und solche auf Schadensersatz betreffen, neben verwaltungsrechtlichen Vorschriften bestehen. Dabei haben Anlagengenehmigungen, die nach Zulassungsprüfungen aufgrund dieser verwaltungsrechtlichen Normen erlassen werden, in der Regel anspruchseinschränkende oder sogar -ausschließende und somit privatrechtsgestaltende Wirkungen. Dies betrifft in unterschiedlichen Ausprägungen Ansprüche auf Betriebsunterlassung oder -einschränkung, auf die Vornahme von Schutzmaßnahmen oder Schadensersatz und andere Kompensationsleistungen. Wie bereits angesprochen, ergeben sich aus diesem Regelungssystem für die zivilrechtliche Umwelthaftung Probleme bei grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen. Das deutsche Umweltverwaltungsrecht – wie auch das von vielen Nachbarstaaten – zeichnet sich durch ein System von öffentlich-rechtlichen Verboten mit Erlaubnisvorbehalt für Tätigkeiten aus, die die Umwelt beeinträchtigen können. Die Genehmigung verleiht dem Anlagenbetreiber in der Regel das Recht, Umweltressourcen zu nutzen oder bestimmte umweltbelastende Tätigkeiten durchzuführen.2 Dadurch werden auf der einen Seite die wirtschaftliche Nutzung des Eigentums, auf der anderen Seite die individuellen zivilrechtlichen Abwehransprüche gegen eine solche schädigende wirtschaftliche Betätigung eingeschränkt. Ist eine Tätigkeit nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahren erlaubt worden, werden in der Regel die entsprechenden zivilrechtlichen Abwehr-

1

Hier die Mitgliedstaaten der EU, aber auch die meisten Industriestaaten, die der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) angehören, siehe unten Fn. 19. 2 Sog. Konzessionswirkung; Lummert, NuR 1982, 241 (244).

I. Die privatrechtsgestaltenden Wirkungen des Umweltverwaltungsrechts

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möglichkeiten der potentiell Betroffenen beschränkt.3 Hierin liegt die privatrechtsgestaltende Wirkung des Umweltverwaltungsrechts. Sinn und Zweck dieser Wirkung ist es, den Anlagenbetreibern aus wirtschaftspolitischen Gründen Bestandsschutz und Investitionssicherheit auch auf zivilrechtlicher Ebene zu gewähren. Auch sollen Konflikte zwischen Öffentlichem und Privatrecht vermieden werden. Um einen verfassungskonformen Ausgleich der beteiligten Grundrechtspositionen zu ermöglichen und den allgemeinen Umweltschutzstandard4 zu verbessern, muss im verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahren den individuellen Interessen der potentiell durch den Anlagenbetrieb Betroffenen im Voraus Rechnung getragen werden. Unternehmerische Tätigkeit in Form des Betriebes von Industrieanlagen aber auch Kraftwerken und Verkehrseinrichtungen wie Flughäfen kann der Umwelt und den „Nachbarn“ schaden. Gerade in dicht besiedelten Gebieten mit viel Industrie und Gewerbe können Emissionen nicht effektiv eingedämmt und kontrolliert werden. Zur Vermeidung übermäßiger, nicht zu duldender Immissionen und anderer Beeinträchtigungen müssen die Wirtschaftsteilnehmer auf ihre Umwelt Rücksicht nehmen. Aus den oben genannten Gründen kann ein nachträglicher Interessenausgleich über alle Instrumente des Zivilrechts aus wirtschaftspolitischen Gründen – gerade im dicht besiedelten Europa – nicht erwünscht sein. Hier lässt sich ein effektiver Ausgleich zwischen den beteiligten Interessen durch das Umweltverwaltungsrecht und die daraus resultierenden Genehmigungspflichten, Genehmigungen und damit verbundenen Auflagen erreichen. Neben den Belangen Einzelner können insbesondere auch die Belange der Allgemeinheit mit einfließen, wie zum Beispiel der Umweltschutz und planerische Erwägungen. Das Instrument der Genehmigung dient der präventiven Kontrolle, so dass durch das Genehmigungsverfahren die öffentliche Hand sowie im Idealfall auch alle potentiell Betroffenen rechtzeitig informiert sind und sich ebenso wie der Anlagenbetreiber am Genehmigungsverfahren bzw. im Rahmen der darin integrierten Umweltverträglichkeitsprüfung beteiligen können.5 Diese obligatorischen Verfahrensbeteiligungsrechte der möglichen Betroffenen korrespondieren mit den anschließenden Duldungspflichten und Anspruchspräklusionen, die ihnen durch die privatrechtsgestaltenden Vorschriften des Umweltverwaltungsrechts auferlegt werden. Ohne effektive Beteiligungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten im Genehmigungs3 Siehe nur Kreuzer, BerDtGesVR 32 (1991), 245 (267); Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 14, Rn. 1. 4 So ist der Umweltschutz – zumindest in Deutschland – gemäß Art. 20a GG Staatszielbestimmung; vgl. Maunz/Dürig-Scholz, 62.EL (2011), Art. 20a, Rn. 5. 5 Hierzu im Einzelnen unten 10. Kapitel, III.

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6. Kapitel – Die Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen

verfahren ließen sich diese Auswirkungen auf die Rechte der Betroffenen verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen.6 Durch die Genehmigung entsteht, wenn diese unanfechtbar geworden ist, im Rahmen des geltenden Verwaltungsverfahrensrechts Bestands- und Investitionsschutz für den Anlagenbetreiber. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Betreiber von Industrieanlagen durch eine immissions- oder wasserschutzrechtliche Genehmigung pauschal von jeglichen Ansprüchen der Art, auf die sich die Präklusionswirkung erstreckt, freigestellt sind. Die privatrechtsgestaltende Wirkung geht nur so weit wie die entsprechende konkrete Genehmigung. Tätigkeiten, die nicht von dieser gedeckt sind, wie zum Beispiel das Überschreiten von allgemeinen oder in der Genehmigung selbst festgelegten Grenzwerten, können ohne weiteres das volle Spektrum der umwelthaftungsrechtlichen Ansprüche auslösen.7 Der hier behandelten Fragestellung liegt folgende Problemstellung zugrunde: Werden durch die Emissionen einer Industrieanlage in Grenznähe, die von Behörden des Staates, in dem sie sich befindet, genehmigt worden ist, Bewohner und Grundstücke der anderen Grenzseite beeinträchtigt, stellt sich die Frage, ob und wie diese Genehmigung Berücksichtigung finden kann. Dieses Problem ergibt sich sowohl bei Verfahren vor den Gerichten des Staates, in dem sich die durch die Immissionen Geschädigten befinden, als auch vor den Gerichten des Emissionsstaats. Grundsätzlich hat die Fragestellung weiterhin Bedeutung – in verschieden starker Ausprägung – sowohl bei Anwendung des Handlungsortsrechts als auch bei Anwendung des Erfolgsortsrechts. Die einzelnen einschlägigen Fallgestaltungen werden unter IV. beschrieben. Zentraler Aspekt in fast allen Konstellationen ist die Frage, ob eine ausländische Genehmigung mit privatrechtsgestaltender Präklusionswirkung Berücksichtigung mit Blick auf die Ansprüche von inländischen Betroffenen finden kann.

II. Entwicklung der Fragestellung In Bezug auf kleinere, in der Regel bilaterale Umweltschädigungen ist diese Problemsituation in deutschen und benachbarten Grenzgebieten schon des Öfteren aufgetreten. Diese Fälle bestanden in Beeinträchtigungen durch Anlagenimmissionen in Form von Lärm, Luftverschmut6 Insbesondere die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG, siehe hierzu auch BVerfGE 72, 66 (Flughafen Salzburg); 7. Kapitel, III.2. 7 In Bezug auf § 14 BImSchG gilt dies z.B., wenn gegen modifizierende Auflagen verstoßen wird, nicht jedoch beim Verstoß gegen eine „echte“ Auflage; Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 14, Rn. 7 mwN.

II. Entwicklung der Fragestellung

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zung durch Grob- und Feinemissionen und Einleitungen in Gewässer oder drohende Kernstrahlungsimmissionen, die durch den Normalbetrieb der betreffenden genehmigten Anlagen verursacht wurden. Hierbei handelte es sich beispielsweise um die Ruß- und Staubimmissionen zulasten von Gastwirten in Kleinbittersdorf 1957,8 die Verschlammung des Flusses Rossel durch Bergwerks- und Kokereiabwässer 1961-1963,9 der so genannte Lindan-Fall von 1977,10 drohende Beeinträchtigungen durch ionisierende Strahlung der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf im Jahre 198711 und Lärmbelästigungen durch Flugverkehr in der Einflugschneise der Flughäfen Salzburg 197812 und Zürich/Kloten.13 Ferner ist das bekannte Gerichtsverfahren um die Rheinversalzung durch Einleitungen aus französischen Kalibergwerken zulasten niederländischer Gärtnereibetriebe in den Jahren 1976-198514 von Interesse. Seit Ende der achtziger Jahre werden Klagen vor österreichischen Zivilgerichten gegen geplante Kernkraftwerke in der jetzigen Tschechischen Republik und der Slowakei, und deren Inbetriebnahme erhoben, bei denen es unter anderem um wichtige international-verfahrensrechtliche Probleme geht.15 In diesem Zusammenhang steht auch ein junges EuGH-Urteil, das sich mit der Genehmigung für das AKW Temlin beschäftigt und den vorerst letzten Akt in dem andauernden Streit zwischen Österreich und den AKW-Betreibern in seinen östlichen Anrainerstaaten darstellt.16 Schließlich gab es in den vergangenen dreißig Jahren auch mehrere große multinationale Umweltkatastrophen, die erhebliche schädigende Auswirkungen auf Grundstücke, Privateigentum und Personen in Europa hatten, wie zum Beispiel den Sandoz-Unfall von Schweizerhalle17 oder den Super-GAU von Tschernobyl18, beide aus dem

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OLG Saarbrücken, NJW 1958, 753 mit Anm. Boisserée, NJW 1958, 1239. OLG Saarbrücken, IPRspr. 1962/63, Nr. 38 und LG Saarbrücken, IPRspr. 1960/61, Nr. 38. 10 OLG Karlsruhe, RIW 1977, 718. 11 OLG Linz, JBl. 1987, 577; OGH, JBl. 1989, 239 m. Anm. Wilhelm; Moser, ÖJZ 1987, 97. 12 BGH, DVBl. 1979, 226; BVerfGE 72, 66; BGH, NJW 1987, 1142; Weitbrecht, NVwZ 1986, 897; Nassr-Esfahani, S. 36 ff. 13 LG Waldshut-Tiengen, UPR 1983, 14. 14 EuGH, Urteil v. 30.11.1976, Rs. 21/76 – Bier ./. Mines de Potasse d’Alsace, Slg. 1976, S. 1735, NJW 1977, 493; Rechtsbank Rotterdam, Zwischenurteil v. 8.1.1979 und Urteil v. 16.12.1983, RabelsZ 49 (1985), 741 ff. m. Anm. Nassr-Esfahani/Wenckstern. 15 OGH, JBl. 1988, 459 (AKW Mochovce); OLG Linz, JBl. 1990, 260 (AKW Temlin); OGH, Urteil v. 4.4.2006, Az. 1 Ob 5/06a (AKW Mochovce). 16 EuGH, Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, EuZW 2010, 26; im Einzelnen hierzu unten, 7. Kapitel, II. 17 Siehr, Beihefte zur Zeitschrift für Schweizer Recht 1989, S. 55 ff. mwN. 9

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6. Kapitel – Die Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen

Jahr 1986. Obwohl diese Sachverhalte auch von großer Bedeutung für eine eventuelle zivilrechtliche Umwelthaftung sind, handelt es sich hierbei um Unfälle, die nicht im Normalbetrieb der entsprechenden Anlagen entstanden sind, und die somit nicht von der Präklusionswirkung einer Anlagengenehmigung erfasst würden.

III. Bedeutung der Fragestellung Das Problemfeld um die Behandlung von ausländischen Anlagengenehmigungen ist aufgrund der damit verbundenen internationalen Aspekte von Bedeutung. Hierbei finden sich die am Erfolgsort angerufenen Gerichte oft in einem Dilemma wieder. Berücksichtigen sie ausländische Genehmigungen zum Zwecke des internationalen Entscheidungseinklangs, ohne anerkannte, faire und rechtsstaatlich einwandfreie Voraussetzungen zu beachten, beschneiden sie prozessuale und materielle Rechte der inländischen Betroffenen auf grundrechtlich äußerst bedenkliche Weise. Tun sie es nicht, ist damit zu rechnen, dass Urteile, die den inländischen Betroffenen unter Nichtbeachtung einer ausländischen Genehmigung Unterlassungsund andere Abwehransprüche zusprechen, im Ausland unter Berufung auf den ordre public nicht anerkannt werden, geschweige denn vollstreckt werden können. Auch eventuelle inländische vollstreckungsrechtliche Druckmittel,19 wie die Verhängung von Zwangsgeldern gegen möglicherweise vorhandenes inländisches Vermögen des Anlagenbetreibers nach § 888 ZPO oder das französische astreinte, können das Problem nicht effektiv und zufriedenstellend lösen.20 Vielmehr würden sie die internationale Konfliktsituation noch weiter verschärfen.21 Ferner hat die Fragestellung große praktische Relevanz, da es viele potentielle Konfliktsituationen 18 Siehe hierzu die allerdings als unzulässig abgewiesenen Zivilklagen in Deutschland: AG Bonn, IPRax 1988, 338 und NJW 1989, 1240; LG Bonn, NJW 1989, 598; Schneider/Stoll, BB 1986, 1233; und in Österreich: OGH, JBl. 1988, 323. 19 Diese sind, auch wenn die im inländischen Urteil titulierte Unterlassung im Ausland stattfinden muss, zulässig, da keine ausländischen Hoheitsrechte verletzt werden; MüKo-Gruber, 3.A. (2007), § 888 ZPO, Rn. 3. Auch ein eventueller Verstoß gegen den ausländischen ordre public ist an dieser Stelle nicht von Belang; OLG Hamburg, IPRspr. 2005, Nr. 177; OLG Köln, IPRax 2003, 446; OLG Köln, FamRZ 2002, 895 (alle in Bezug auf Auskunftsansprüche, gegen die teilweise auch der ausländische ordre public eingewandt wurde). 20 So aber noch Stoll, RabelsZ 37 (1973), 357 (375); Küppers, ZRP 1976, 260 (261); v. Bar, Hague Recueil des Cours 268 (1997), 295 (392); in Ansätzen auch Roßbach, NJW 1988, 590 (592); gegen die Vollstreckung von Zwangsgeldern im Urteilsstaat aus völkerrechtlichen Gründen Wandt, VersR 1998, 529 (530) = SZIER 1997, 147 (151) und OLG Linz, JBl. 1990, 260; a.A. OGH, JBl. 1988, 459. 21 So auch Staudinger-Stoll, IntSachR, 13. Bearb. (1996), Rn. 240.

III. Bedeutung der Fragestellung

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insbesondere in den europäischen Grenzregionen gibt. Dies ist auf die dichte Besiedlung und ein hohes Industrialisierungsniveau sowie auf die Tatsache zurückzuführen, dass oft große Flüsse und Flusssysteme, die von Bedeutung für viele Industriezweige sind, die natürlichen territorialen Grenzen zwischen den Staaten bilden. Außerdem wird unterstellt, dass Staaten dazu neigen, immissionsträchtige Industrien in Grenznähe aufzustellen, um so die umweltbeeinträchtigenden Auswirkungen ein wenig zwischen sich und anderen Staaten „aufzuteilen“.22 Zwar befinden sich tatsächlich viele Industrieanlagen in Grenzregionen, für die vorstehende Annahme gibt es jedoch keine konkreten Beweise. Die Konzentration ist wohl hauptsächlich auf die zuerst genannten Gründe zurückzuführen. Die grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen, die durch Industrie und andere Anlagen wie beispielsweise Flughäfen in Grenzregionen verursacht werden, sind in der Regel – im Gegensatz zu den ausgewogenen nationalen Planungsverfahren – nicht auf die ausländischen Grenzregionen abgestimmt. Kein Staat kann wegen der territorialen Begrenzung seiner Souveränität seine ordnungspolitischen Regeln und daraus abgeleitete Ansprüche oder Einwendungen gegen Ansprüche außerhalb seiner Grenzen, durchsetzen – weder hoheitlich noch durch privatrechtliche Ansprüche. Ausnahme von diesem Grundsatz der Territorialität wäre die Zustimmung des anderen Staates, sei es durch Staatsvertrag oder vereinzelt durch behördliche oder gerichtliche Entscheidungen. Es fehlt an einer großflächigen internationalen Planungshoheit und an supranationalen immissionsschutzrechtlichen Vorschriften für internationale Planungsverfahren und damit entsprechenden privatrechtsgestaltenden Wirkungen. Auch auf europäischer Ebene gibt es keine allgemeine öffentlich-rechtliche Planungshoheit und kein einheitliches europäisches Genehmigungsverfahren.23 Es gibt zwar verschiedene Richtlinien des sekundären Gemeinschaftsrechts, die sich mit umwelt- und planungsrechtlichen Themen befassen, darunter die UVP-Richtlinie24 und die Umwelt22

Siehr, RabelsZ 45 (1981), 377 (378); Asche, S. 73; v. Hein, ZVglRWiss 102 (2003), 528 (559). 23 Im Hinblick auf die Voraussetzungen für atomrechtliche Genehmigungen innerhalb des Anwendungsbereichs des Euratom-Vertrags (EA) hat allerdings der EuGH die Grundlagen eines solchen europäischen Genehmigungssystems in den Art. 30 ff. EA und damit verbundenem Sekundärrecht ausgemacht, so dass es in diesem Spezialbereich auch zur Beachtlichkeit von ausländischen Genehmigungen kommen kann; EuGH, Rs. C115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, Rn. 83 ff., EuZW 2010, 26; vgl. unten 7. Kapitel, II. 24 Richtlinie des Rates v. 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG), geändert durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates v. 3.3.1997 und durch Richtlinie 2003/35/EG des Rates v. 26.5.2003.

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6. Kapitel – Die Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen

haftungsrichtlinie25 sowie andere Bereichsregelungen. Diese bedürfen der nationalen Umsetzung mit allen damit verbundenen Unwägbarkeiten und kreieren zudem kein supranationales Planungs- oder Genehmigungssystem.26 Auch die auf Ebene der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE)27 abgeschlossenen umweltplanungsrechtlichen Abkommen, wie die Espoo-28 und die Aarhus-Konvention29, auf denen die genannten Richtlinien zum Teil beruhen, verpflichten die Vertragsstaaten lediglich zur Umsetzung der Regelungen. Sie schaffen jedoch kein konkretes effektives und sanktioniertes supranationales Planungsregime mit internationalen Überwachungsinstitutionen und Regelungsgewalt. Die Übereinkommen haben zum Ziel, dass die Vertragsstaaten durch deren Umsetzung auch ohne derartige Institutionen einander bei der Planung von bestimmten Vorhaben, die internationale bzw. grenzüberschreitende Auswirkungen haben können, informieren, konsultieren und zusammenarbeiten. Ferner muss auch die betroffene Öffentlichkeit grenzüberschreitend mit in das Verfahren einbezogen werden.30 Trotz dieser internationalen Rechtsentwicklungen liegt – auch auf europäischer Ebene – ein einheitliches internationales Planungs- und Genehmigungsverfahren, das mit internationalen Institutionen und Behörden ausgestattet ist und einheitlich wirkende privatrechtsgestaltende Präklusionsregeln enthält, noch in Ferne.31 Es gibt also keinen supranationalen grenzüberschreitenden Regelungsrahmen für die Beachtung der Auswirkungen von Anlagengenehmigun25 Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABl. EU L 143 v. 30.4.2004, S. 56. 26 Anders wohl jetzt im Bezug auf die vom Euratom-Vertrag erfassten Bereiche; EuGH, Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, Rn. 105, EuZW 2010, 26. 27 Die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen ist eine der fünf regionalen Wirtschaftskommissionen der Vereinten Nationen und wurde 1947 durch den UN-Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) mit dem Ziel gegründet, die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Mitgliedsländer zu fördern. Neben allen europäischen Staaten gehören ihr auch alle nicht-europäischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die USA, Kanada, die Türkei, Zypern und Israel an. Der Sitz der UNECE ist Genf in der Schweiz. Weiter im Einzelnen zur UNECE und ihren umweltschutzrechtlichen Übereinkommen siehe unten 10. Kapitel, III. sowie unter www.unece.org. 28 Convention on Environmental Impact Assessment in a Transboundary Context v. 25.2.1991; siehe hierzu unten 10. Kapitel, III.2. 29 Convention on Access to Information, Public Participation in Decision-Making and Access to Justice in Environmental Matters v. 25.6.1998; siehe hierzu unten 10. Kapitel, III.3. 30 Vgl. Art. 3 Abs. 8 der Espoo-Konvention und insbesondere Art. 6 der AarhusKonvention; im Einzelnen unten 10. Kapitel, II.; siehe auch Fisahn, ZUR 2004, 136. 31 Vgl. allerdings Fn. 23.

IV. Die Problemstellung

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gen.32 Dennoch muss der notwendige Interessenausgleich hinsichtlich der zivilrechtlichen Ansprüche von betroffenen Grenznachbarn durch autonomes nationales Recht geleistet werden. Hierfür bietet sich insbesondere das Internationale Privatrecht, insbesondere das in der Rom II-Verordnung vereinheitlichte Kollisionsrecht an. Gerade bei den durch das Umweltverwaltungsrecht beeinflussten zivilrechtlichen Ansprüchen der Umwelthaftung kann das Internationale Privatrecht entscheidend zum Ausgleich der unterschiedlichen Zielsetzungen – auf der einen Seite des ordnungspolitischen ausgerichteten Öffentlichen Umweltverwaltungsrechts und auf der anderen Seite des auf privaten Interessenausgleich ausgerichteten Zivilrechts – beitragen. Dieses und die folgenden Kapitel der Arbeit werden sich mit dem Problemfeld der Auswirkungen von Anlagengenehmigungen auseinandersetzen. Ziel ist es, einen praktikablen Lösungsansatz für die Beurteilung der Beachtlichkeit ausländischer Genehmigungen zu entwickeln.

IV. Die Problemstellung 1. Praktische Relevanz Die Frage nach den Auswirkungen einer Anlagengenehmigung stellt sich in der Regel dann, wenn sich eine Emission, die auf ein ausländisches Rechtsgut einwirkt, von einer Anlage ausgeht, die nach dem Ortsrecht von einer dortigen Behörde genehmigt worden ist. Die Emission geschieht im so genannten Normalbetrieb. Das heißt, dass unter anderem die dortigen Grenzwerte sowie andere Voraussetzungen des Genehmigungsverfahrens eingehalten werden. Dies kann nach den öffentlich-rechtlichen Regelungen für die Genehmigung zu einer Präklusionswirkung oder einem andersartigen Haftungsausschluss, einer Haftungsbegrenzung oder -einschränkung führen. Das entscheidende Gericht steckt im Hinblick auf die praktischen Folgen seines Urteils in einem Dilemma: Wenn es die ausländische Genehmigung ignoriert, ist das Urteil, insbesondere wenn es auf eine Unterlassung des Anlagenbetriebs gerichtet ist, nur schwerlich durchsetzbar, und seine Anerkennung und Vollstreckung im Ausland wird regelmäßig am dortigen ordre public scheitern.33 Akzeptiert es dagegen die privatrechtsgestaltende 32

Mit Ausnahme der Auswirkungen der Art. 30-39 EA auf atomrechtliche Genehmigungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union; vgl. EuGH, Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, EuZW 2010, 26. 33 Dies auch im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen (Art. 65 EG) und der Brüssel I-VO 44/2001 (EUGVVO) der Fall, die in Art. 34 Nr. 1 einen inländischen ordre public-Vorbehalt vorsieht. Der EuGH ließ die Frage, inwieweit sich dieser

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6. Kapitel – Die Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen

Ausschlusswirkung der Genehmigung, beschneidet es unter Umständen verfassungsmäßig garantierte Rechte der inländischen Betroffenen, gerade wenn eventuelle Einwendungen nicht im ausländischen Genehmigungsverfahren effektiv geltend gemacht werden konnten. Bei Schadensersatzansprüchen wegen umweltbeeinträchtigender Immissionen, die auf Geld gerichtet sind, besteht oft eine andere Situation. Hier gibt es meistens keine Anspruchspräklusion oder -einschränkung. Die Ansprüche sind außerdem grundsätzlich auch in inländisches Vermögen des Schädigers effizient vollstreckbar. Eine inländische Vollstreckung kommt bei den Abwehransprüchen dagegen nicht in Frage.34 2. Fallgestaltungen a) Einleitung In den meisten Fällen wird die Frage nach den Auswirkungen einer Anlagengenehmigung in einem grenzüberschreitenden Kontext zwischen zwei Parteien, die sich in benachbarten Ländern befinden, auftauchen. Es können zwar durch umweltbeeinträchtigende Immissionen Schäden bei mehreren Betroffenen auftreten oder drohen. Diese können auch von mehreren Emittenten ausgehen. In der Praxis wird sich die Frage – vorausgesetzt ein Kausalitätsnachweis gelingt – aber in der Regel in Prozessverhältnissen zwischen einem Geschädigten und einem Schädiger abspielen. Deshalb werden auch Fälle, in denen mehr als zwei Rechtsordnungen betroffen sind – trotz verschiedener „Dreiländerecks“ gerade an den deutschen Grenzen – eine Ausnahme sein. Um die Problemstellung besser herausarbeiten zu können, wird deshalb für die folgende Erörterung von Zwei-ParteienSachverhalten mit Bezug zu zwei Rechtsordnungen ausgegangen. Innerhalb der Europäischen Union und des Anwendungsbereichs der EuGVVO, bzw. des Luganer Übereinkommens (LugÜ)35, kann der geschädigte Kläger nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO (Art. 5 Nr. 3 LugÜ) den DeliktsVorbehalt mit Blick auf Anlagengenehmigungen aus Mitgliedstaaten und auf eine eventuelle Beeinträchtigung der gemeinschaftsrechtliche Grundfreiheiten auswirkt, im Oberösterreich ./. ýEZ-Urteil (Rs. C-115/08 v. 27.10.2009, EuZW 2010, 26) unbeantwortet. 34 Neben der oben erwähnten Verhängung von Zwangsgeldern, wird eine Ausnahme von diesem Prinzip von Nassr-Esfahani im Salzburger Flughafenfall in Abweichung von den Annahmen des BVerfG (NJW 1986, 2188) angedacht: Hier wäre es durch entsprechende Bauwerke auf deutschem Hoheitsgebiet möglich gewesen, den Flugverkehr nach Salzburg zu behindern und umzulenken; Nassr-Esfahani, S. 40. 35 Das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen geschlossen in Lugano am 16.9.1988 (Lugano Übereinkommen, LugÜ) ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der großteils mit der EUGVVO übereinstimmt. Die Mitgliedstaaten der EU (einschließlich Dänemarks) sowie unter anderem die Schweiz und Norwegen sind Vertragsstaaten.

IV. Die Problemstellung

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gerichtsstand als besonderen internationalen Gerichtsstand am „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, wählen. Dieser ist für delikts- wie nachbarrechtliche Abwehransprüche einschlägig.36 Dem Geschädigten steht es hierbei frei, den Erfolgsort, also seine heimatlichen Gerichte, oder einen ausländischen Gerichtsstand am Handlungsort zu wählen.37 Dies gilt unabhängig von einem bereits eingetretenen Schaden auch für vorbeugende Unterlassungsklagen bei drohenden Schäden.38 Ähnlich sieht es auf der Ebene des anwendbaren Rechts aus. Nach den Regelungen der Rom II-Verordnung, die grundsätzlich an den Erfolgsort anknüpft,39 kann der Geschädigte bei Umweltschädigungen wiederum zwischen dem Recht am Erfolgsort und dem am Handlungsort wählen. Nach Art. 7 Rom II-VO kann er (bis zu einem gewissen Zeitpunkt im Prozess40) von der Anknüpfung an den Erfolgsort zugunsten des Rechts am Handlungsort abweichen. Unter die von Art. 7 Rom II-VO erfassten „Umweltschädigungen“ fallen im Prinzip alle hier besprochenen Umweltbeeinträchtigungen und Immissionen.41 Ferner schließt die Norm die Auflocke36

Der Begriff der unerlaubten Handlung wird hierbei autonom bestimmt, um möglichst einheitliche Rechte und Pflichten für die Adressaten zu schaffen. Die Auslegung hat anhand der Ziele und der Systematik der Verordnung zu erfolgen. Der Begriff schließt somit alle Klagen mit ein, „mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag iSv Art. 5 Nr. 1 anknüpfen.“; EuGH, Rs. 189/87 – Kalfelis/Schröder, Slg. 1988, 5565, Rn. 16/18, NJW 1988, 3088; bestätigt zuletzt durch Rs. C-167/00 – Verein für Konsumenteninformation/Henkel, Slg. 2002, I-8111, Rn. 36, EuZW 2002, 657. Voraussetzung für eine Haftung aus unerlaubter Handlung ist, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Schaden und zugrunde liegendem Ereignis feststellbar ist; EuGH, Rs. 21/76 – Bier/Mines de Potasse d’Alsace, Slg. 1976, 1735, Rn. 16, NJW 1977, 493; Rs. C-18/02 – DFDS Torline, Slg. 2004, I1417, Rn. 32, IPRax 2006, 161. Im Einzelnen zum besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EUGVVO siehe Rauscher-Leible, Bearb. 2011, Art. 5 EuGVVO, Rn. 78 ff. 37 Auch der Tatort (loci delicti commissi) wird im Rahmen des Art. 5 Nr. 3 EUGVVO autonom ausgelegt. Bereits früh entschied der EuGH, dass dem geschädigten Kläger hierbei ein Wahlrecht zwischen den Gerichten am Erfolgsort und denen am Handlungsort zusteht; Rs. 21/76 – Bier/Mines de Potasse d’Alsace, Slg. 1976, 1735, Rn. 15/19, NJW 1977, 493. Bestätigt in Rs. 18/02 – DFDS Torline, Slg. 2004, I-1417, Rn. 40, IPRax 2006, 161. 38 Vgl. Wortlaut von Art. 5 Nr. 3 EUGVVO: „…oder einzutreten droht…“. 39 Art. 4 Rom II-VO, oben 5. Kapitel. 40 Dies ist in Deutschland gemäß Art. 46a EGBGB nur im ersten Rechtszug bis zum Ende des frühen ersten Termins oder dem Ende des schriftlichen Vorverfahrens möglich. 41 Im Sinne von Erwägungsgrund 24 der Rom II-Verordnung sind das nämlich alle „nachteiligen Veränderungen einer natürlichen Ressource, wie Wasser, Boden oder Luft, eine Beeinträchtigung einer Funktion, die eine natürliche Ressource zum Nutzen einer anderen natürlichen Ressource oder der Öffentlichkeit erfüllt, oder eine Beeinträchtigung der Variabilität unter lebenden Organismen umfassen.“

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6. Kapitel – Die Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen

rungsklausel des Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO und die Ausnahmeklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO aus.42 Im Wesentlichen sind nach diesen Vorgaben vier Varianten vorstellbar, in denen sich die Frage nach der Auswirkung einer Anlagengenehmigung stellen kann. Diese sollen im Folgenden vorgestellt werden. Allerdings sind durch nach der EuGVVO zulässige Gerichtsstandsvereinbarungen43 und durch die grundsätzlich nach Art. 14 Rom II-VO zulässige Rechtswahl auch noch weitere Möglichkeiten vorstellbar. Diese spielen in der Praxis nur eine untergeordnete Rolle44 und können ohne weiteres nach den für die oben genannten Varianten entwickelten Ansätzen gelöst werden. b) Fall 1: Forumstaat = Erfolgsort/lex causae = lex fori Erheben die durch Immissionen geschädigten oder bedrohten Bewohner Klage vor den Gerichten ihres heimatlichen Aufenthaltsstaates, findet die lex fori sachrechtlich auf den Fall Anwendung. Für die Geschädigten und die Gerichte liegt in diesem Fall eine so genannte Auslandsemission45 vor. Die internationale Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich in diesem Fall aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO, der nach der Rechtsprechung des EuGH dem geschädigten Kläger ein Wahlrecht bezüglich des Deliktsgerichtsstands am Handlungs- oder am Erfolgsort einräumt. Wie bereits erwähnt, erfasst diese Vorschrift nach autonomer Auslegung durch den EuGH sowohl rein deliktische als auch nachbarrechtliche Immissionsschutzansprüche.46 Das Recht des Erfolgsorts wird ohne abweichende Wahl durch die Geschädigten nach Art. 7 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO zum objektiven Deliktsstatut. In dieser Situation wird das Gericht mit Blick auf die verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Abwehransprüche und auf die Ansprüche der deliktischen Verschuldenshaftung sowie auf Ansprüche aus der Gefährdungshaftung sämtliche Anspruchsgrundlagen ohne weiteres als gegeben ansehen. Schwierig ist einzig die Frage nach der Rechtswidrigkeit der Schädigung und eventuell bestehenden Duldungspflichten im Hinblick auf die Abwehransprüche. Würde sich die Industrieanlage im Aufenthaltsstaat der Kläger, an dem sie auch geschädigt wurden, befinden und für sie dort eine 42

Nach seinem Wortlaut verweist Art. 7 Rom II-VO strikt lediglich auf den ersten Absatz von Art. 4 Rom II-VO. Dies wird auch durch einen Vergleich mit dem Wortlaut anderer Verweise in der Verordnung bestätigt, z.B. Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO. 43 Art. 23 f. EuGVVO; vgl. hierzu im Einzelnen: Rauscher-Mankowski, Bearb. 2011, Art. 23 und 24 EuGVVO. 44 Bezüglich der Rechtswahl bei Umweltschädigungen siehe oben 5. Kapitel, III.4.d. Aus denselben Gründen sind auch Gerichtsstandsvereinbarungen eher unwahrscheinlich. 45 Staudinger-v. Hoffmann; Neub. (2001); Art. 40 EGBGB, Rn. 164 ff. 46 Oben Fn. 37.

IV. Die Problemstellung

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Genehmigung bestehen, so wären nach den öffentlich-rechtlichen Präklusionsvorschriften und ihrer privatrechtsgestaltenden Wirkung die oben genannten Abwehransprüche (und zum Teil auch gewisse Ansprüche auf Schadensersatz) unbegründet. Die Emittenten befinden sich in dieser Fallvariante jedoch im Ausland. Besteht für sie dort eine Betriebsgenehmigung, stellt sich also hier die Frage nach der Beachtlichkeit dieser Anlagengenehmigung am Handlungsort durch die Gerichte am Erfolgsort. Zu klären ist, ob und wie inländisches und ausländisches Sachrecht in Einklang zu bringen sind. Diese Konstellation ist wohl diejenige, mit der sich die mitgliedstaatlichen Gerichte ab dem Inkrafttreten der Rom II-Verordnung wohl am häufigsten beschäftigen werden müssen. Der durch Immissionen Geschädigte lebt in der Regel am Erfolgsort und wird schon aus Gründen der Praktikabilität die dortigen Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO und das entsprechende heimische Recht zur Anwendung kommen lassen (Art. 4 Abs. 1 und 7 Rom II-VO). Außerdem stellt diese Konstellation das Problem der Beachtlichkeit und der eventuellen Auswirkungen von ausländischen Anlagengenehmigungen am prägnantesten heraus. Deshalb soll sie – mit der vorläufigen Beschränkung auf innergemeinschaftliche Sachverhalte –47 der folgenden Untersuchung und insbesondere bei der Entwicklung eines eigenen Lösungsansatzes im 8. bis 11. Kapitel zugrunde gelegt werden. c) Fall 2: Forumstaat = Erfolgsort/lex causae = Handlungsortsrecht Die nächste Konstellation – auch ein Fall der Auslandsemission – tritt ein, wenn die (potentiell) Geschädigten vor dem heimischen Zivilgericht das Wahlrecht des Art. 7 Rom II-VO48 ausüben. Dies hat zur Folge, dass das Recht des Staates, in dem das schadensbegründende Ereignis eingetreten ist, also das Handlungsortsrecht zur Anwendung kommt. Jetzt richten sich sämtliche geltend gemachten zivilrechtlichen Ansprüche nach dem Recht des Staates, dessen Behörden die Anlagengenehmigung erteilt haben, inklusive der entsprechenden Präklusionsvorschriften des Umweltverwaltungsrechts. In dieser Konstellation wird das Gericht die ausländische Rechtsordnung zugrunde legen und so zunächst die privatrechtsgestaltenden Wirkungen der ausländischen Genehmigung auf die Ansprüche der Geschädigten akzeptieren. Obwohl der gesamte Sachverhalt dem Recht eines Staates unterliegt und es nicht zum Auseinanderfallen von zwei Rechtsordnungen kommt, ist 47 Die geringen Abweichungen, die sich in diesem Zusammenhang bei Drittstaatensachverhalten ergeben, werden unten im 12. Kapitel, III. erläutert. 48 Die zeitliche Begrenzung für die Ausübung des Wahlrechts wird von den Mitgliedstaaten autonom geregelt (Erwägungsgrund 25), in Deutschland z.B. durch den neu eingeführten Art. 46a EGBGB.

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6. Kapitel – Die Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen

dieser Fall kollisionsrechtlich nicht so unproblematisch, wie er auf den ersten Blick aussieht. Das Problem der Beachtlichkeit der ausländischen Genehmigung stellt sich hier nicht auf der tatbestandlichen Ebene, da die Genehmigung nicht anhand der inländischen einschlägigen Präklusionsnormen geprüft wird. Allein der ordre public-Vorbehalt49 kann hier als Korrektiv dienen. Zwar bestehen für das Eingreifen des Vorbehalts hohe Anforderungen, es drängt sich aber bei der Situation einer anspruchspräkludierenden Genehmigung eine Prüfung der verfassungsrechtlichen Garantien und Rechte – wie das Recht auf Privateigentum und der Anspruch auf rechtliches Gehör – förmlich auf. Auch in dieser Konstellation ist im Sinne eines angemessenen und praktikablen Ergebnisses auf das Problem einzugehen. Die Fallkonstellation entspricht der Regelanknüpfung nach dem bisherigen deutschen Internationalen Deliktsrecht gemäß Art. 40 Abs. 1 EGBGB. Nach der Rom II-Verordnung (Art. 7 Rom II-VO) kommt diese Konstellation nur noch beim (regelmäßigen) Vorliegen einer Umweltschädigung und der Ausübung des Wahlrechts durch den Geschädigten (Ubiquitätsprinzip) zur Geltung. Nachdem ein Lösungsansatz anhand der Rom II-Verordnung entwickelt wurde, wird auf diese Konstellation zur Klärung sich anschließender Fragen, die sich dem Gericht am Erfolgsort stellen können, eingegangen.50 d) Fall 3: Forumstaat = Handlungsort/lex causae = lex fori Aufgrund des durch die autonome Auslegung von Art. 5 Nr. 3 EuGVVO eingeräumten Wahlrechts für den Kläger können die Geschädigten den Emittenten auch vor den Zivilgerichten am Handlungsort verklagen. Für die Gerichte liegt dann ein Fall der Inlandsemission51 vor. Wenn sie hierbei auch noch von ihrem Wahlrecht zugunsten des Handlungsortsrechts nach Art. 7 Rom II-VO Gebrauch machen, wendet das Gericht am Handlungsort seine lex fori an. Mit Blick auf die privatrechtsgestaltenden Auswirkungen der Anlagengenehmigung gilt Folgendes: Wie auch bei der vorigen Fallkonstellation findet die Anlagengenehmigung nach den öffentlich-rechtlichen Präklusionsvorschriften am Handlungsort Berücksichtigung. Sie schränkt die geltend gemachten Ansprüche entsprechend ein und schließt Unterlassungsansprüche, die auf eine Betriebseinstellung gerichtet sind, aus. Mit Blick auf den ordre public-Vorbehalt stellt sich allerdings das oben erwähnte

49

Art. 26 Rom II-VO. 12. Kapitel, II.1. 51 Staudinger-v. Hoffmann; Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 172 f. 50

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Problem nicht, da die Gerichte am Handlungsort bei einer ordre publicPrüfung diese nur hinsichtlich ihrer eigenen Rechtsordnung durchführen.52 Trotz dieser Auswirkungen kann die Wahl des Rechts des Handlungsorts sinnvoll sein. In den meisten Fällen werden sich die geltend gemachten Ansprüche hauptsächlich auf Kompensation, also Schadensersatz in Geld, richten. Diese Ansprüche werden in der Regel nicht von den Präklusionswirkungen des öffentlichen Immissionsschutzrechts erfasst. Auf diese Weise können sich nach der gewählten Rechtsordnung durchaus beweisrechtliche oder auch den Anspruchsumfang betreffende Vorteile für die Geschädigten ergeben. Wie bereits erwähnt helfen Unterlassungsansprüche auch nicht weiter, solange sie ohne allgemein anerkannte Grundsätze zur Berücksichtigung von ausländischen Anlagengenehmigungen nicht effektiv vollstreckt werden können. Auch auf diese Fälle soll hinsichtlich der Konsequenzen des im Folgenden entwickelten Lösungsansatzes eingegangen werden.53 e) Fall 4: Forumstaat = Handlungsort/lex causae = Erfolgsortsrecht Machen die Geschädigten dagegen nicht von ihrem Wahlrecht hinsichtlich des Handlungsortsrechts Gebrauch, so bleibt nach Art. 7 Rom II-VO in Verbindung mit der Grundanknüpfung des Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO das Erfolgsortsrecht als objektives Deliktsstatut anwendbar. Wird dann vor den Gerichten am Handlungsort gemäß Art. 5 Nr. 3 EUGVVO geklagt, muss das mit dem Sachverhalt befasste Gericht das Umwelthaftungsrecht des Erfolgsorts zugrunde legen. Hierzu gehören grundsätzlich auch die entsprechenden immissionsschutzrechtlichen Vorschriften, die für eine Präklusionswirkung hinsichtlich zivilrechtlicher Abwehransprüche eine nach ihren Vorgaben erlassene Genehmigung voraussetzen. Für das Gericht stellt sich nun die Frage, wie es mit der bestehenden Genehmigung umgehen soll, die bei Geltung der lex fori privatrechtsgestaltende, den Anspruch präkludierende Wirkung hätte. Die Situation ist ähnlich der Ausgangssituation, auch hier muss das zur Entscheidung berufene Gericht bestimmen, wie es mit einer behördlichen Genehmigung verfährt, die nicht nach den immissionsschutzrechtlichen Vorschriften der lex causae erlassen wurde. Im Unterschied zur Ausgangskonstellation befindet sich hier aber das Gericht in dem zusätzlichen Dilemma, dass es sich um einen Verwaltungsakt der Behörden des eigenen Landes handelt. Das Gericht könnte die Genehmigung bereits im Rahmen der Anspruchsprüfung berücksichtigen und so unter Umständen zur Präklusion von geltend gemachten Abwehransprüchen kommen. Hierzu sind 52 53

Vgl. den Wortlaut von Art. 26 Rom II-VO. 12. Kapitel, II.2.b.

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aber wiederum anerkannte Grundsätze notwendig, nach denen eine derartige Berücksichtigung stattfinden kann. Sollte das Gericht aus rechtstechnischen Gründen zu dem Ergebnis kommen, dass eine Berücksichtigung der Genehmigung nicht in Frage kommt, so wird es den inländischen Genehmigungswirkungen zur Geltung verhelfen. Begründet werden wird dies entweder basierend auf dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung oder als inländische Eingriffsnormen nach Art. 16 Rom II-VO. Spätestens jedoch im Rahmen einer ordre public-Prüfung wird das Gericht die Ansprüche zurückweisen. Die Nichtbeachtung einer bestehenden Genehmigung zugunsten eines inländischen Anlagenbetreibers würde dessen Rechte auf Bestandsschutz beeinträchtigen und auch sonst die Genehmigung entwerten. Außerdem würde dies in verfassungsrechtlich garantierte Positionen des Anlagenbetreibers, wie zum Beispiel den Eigentumsschutz, eingreifen. Welche weiteren Konsequenzen sich bei dieser Fallkonstellation ergeben können und wie sich die Anwendung des eigenen Lösungsansatzes auf diese Fälle auswirkt, wird im Anschluss an die Entwicklung des eigenen Ansatzes erörtert.54 f) Weitere Konstellationen Weitere Konstellationen können sich hinsichtlich des Forums ergeben, wenn die Parteien vor dem gerichtlichen Verfahren konkret individuell oder auch in einem bereits bestehenden Vertragsverhältnis eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben, die die internationale Zuständigkeit betrifft. Nach Art. 23 Abs. 1 EUGVVO können die Parteien eines Rechtsstreits, wenn die Anwendungsvoraussetzungen der Norm erfüllt sind,55 eine Gerichtsstandsvereinbarung hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit treffen. Dies kann entweder durch Vereinbarung vor dem Entstehen des außervertraglichen Schuldverhältnisses,56 das die zivilrechtliche Umwelthaftung begründet, oder für eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit geschehen. Die Vereinbarung muss in einer der von Art. 23 Abs. 1 Satz 3

54

12. Kapitel, II.2.a. Neben dem sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich der EuGVVO kommt hier weiter hinzu, dass mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz nach Art. 59 f. EuGVVO im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben muss, und dass die Zuständigkeit in einem Mitgliedstaat vereinbart sein muss. Diese Voraussetzungen müssen zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorliegen. Im Einzelnen zu den Anwendungsvoraussetzungen siehe Rauscher-Mankowski, Bearb. 2011, Art. 23, Rn. 1 ff. 56 Vor der Begründung des außervertraglichen Schuldverhältnisses bestehende Vertragsverhältnisse, die bereits Regelungen für den Fall des Eintretens eines solchen, wie z.B. eine Gerichtsstandsvereinbarung, enthalten, werden eher die Ausnahme sein, vgl. hierzu die entsprechenden Ausführungen zur Rechtswahl nach Art. 14 Rom II-VO. 55

IV. Die Problemstellung

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EuGVVO vorgegebenen Formen geschlossen werden57 und dem Bestimmtheitsgrundsatz hinsichtlich des betroffenen Rechtsverhältnisses und des gewählten Gerichts entsprechen.58 Ferner können sich Abweichungen hinsichtlich des anwendbaren Rechts ergeben, wenn die beteiligten Parteien ein anderes Recht als das objektive Deliktsstatut gewählt haben, also weder das Erfolgsortsrecht59 noch das Handlungsortsrecht in Folge einer einseitigen Rechtswahl des Geschädigten60 anwendbar ist. Im Unterschied zu anderen Sonderanknüpfungen61 ist die Rechtswahl nach Art. 14 Rom II-VO bei den Umweltschädigungen nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Rechtswahl, die nach Art. 14 Rom II-VO ex ante und ex post möglich ist, wird in Bezug auf die Umwelthaftung wohl keine größere Bedeutung erlangen, da in der Regel keine vorherigen Beziehungen zwischen den Parteien bestehen und dem Geschädigten nach Art. 7 Rom II-VO bereits ausreichende Rechtswahlbefugnisse zustehen.62 Bereits bestehende Rechtswahlvereinbarungen werden von der Rom II-VO nicht betroffen – in der Regel erfüllen sie aber auch deren weit gefasste Zulässigkeitsvoraussetzungen. 3. Genehmigungsarten Einer der Schwerpunkte dieser Arbeit sind behördliche Genehmigungen, die für bestimmte emittierende Anlagen der Industrie und anderer Gewerbe erteilt werden. Diese Genehmigungen63 zeichnen sich in den meisten Rechtsordnungen durch die gleichen öffentlich-rechtlichen Grundeigenschaften aus. Sie ergehen in der Regel als hoheitliche Exekutiventscheidungen64 nach der Durchführung eines auf ähnlichen Prinzipien fußenden Verwaltungsverfahrens65.

57 Die Vereinbarung kann schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung (vgl. Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a, Abs. 2 EUGVVO) oder auch nach bestehenden Gepflogenheiten zwischen den Parteien, bzw. entsprechend dem internationalen Handelsbrauch (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. b und c EuGVVO) getroffen werden; Rauscher-Mankowski, Bearb. 2011, Art. 23 EuGVVO, Rn. 15 ff. 58 Im Einzelnen vgl. Rauscher-Mankowski, Bearb. 2011, Art. 23 EuGVVO, Rn. 44 ff. 59 Art. 7 iVm Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO. 60 Art. 7, 2. Halbsatz Rom II-VO. 61 Vgl. Art. 6 Abs. 4 und Art. 8 Abs. 3 Rom II-VO. 62 Siehe hierzu im Einzelnen oben 5. Kapitel. 63 Im deutschen Recht finden sich neben dem Begriff „Genehmigung“ unter anderem auch „Erlaubnis“ und „Bewilligung“, die in den jeweiligen Spezialgesetzen, in denen sie auftauchen verschiedene materielle Inhalte haben können. 64 In Deutschland in der Regel als Verwaltungsakt iSv § 35 VwVfG. 65 Vgl. beispielsweise zum immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren: § 10 BImSchG iVm 9. BImSchV.

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6. Kapitel – Die Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen

Auch schließen sie nach dem Recht fast aller europäischen Staaten zivilrechtliche Abwehransprüche aus, die auf eine Betriebs- oder Tätigkeitseinstellung gerichtet sind. In Bezug auf die Qualität und den Umfang dieser privatrechtsgestaltenden Wirkungen können die verschiedenen Genehmigungstypen jedoch stark voneinander abweichen. Gleiches gilt für die Art und Weise der rechtlichen Herleitung dieser Auswirkungen. Von Bedeutung für die folgenden Ausführungen und die Entwicklung eines eigenen Lösungsansatzes sind vor allem Art und Umfang der privatrechtsgestaltenden Auswirkungen der verschiedenen Genehmigungstypen. Die folgende Aufstellung ordnet die Genehmigungen in vier Gruppen ein.66 Im Anschluss wird noch kurz auf das Fehlen supranationaler Genehmigungen eingegangen. a) Bloße Unbedenklichkeitsbescheinigungen Der erste Genehmigungstyp basiert auf einer strikten Trennung von privatrechtlichen Ansprüchen und der verwaltungsrechtlichen Kontrolle durch die Genehmigungsbehörde. Die entsprechend erteilte Genehmigung bescheinigt lediglich die öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeit des betroffenen Vorhabens und lässt private Abwehr- und Schadensersatzansprüche unberührt. In Deutschland gehört zu dieser Art von Genehmigung unter anderem die wasserrechtliche Erlaubnis nach §§ 8, 10 Abs. 1, 1. Alt. WHG n.F. Auch nach dem 2009 neu gefassten Wasserhaushaltsgesetz67 bedarf die Benutzung68 eines Gewässers grundsätzlich einer Erlaubnis oder Bewilligung (§ 8 Abs. 1 WHG). § 8 WHG regelt unter anderem die (einfache) wasserrechtliche Erlaubnis,69 die widerruflich ist (§ 18 WHG) und befristet werden kann (§ 13 WHG). Im Gegensatz zu der durch §§ 8, 10 Abs. 1, 2. Alt. WHG geregelten wasserrechtlichen Bewilligung gibt die Erlaubnis kein subjektiv öffentliches Recht zur Gewässerbenutzung, sondern stellt nur eine Benutzungsbefugnis dar, an die deshalb auch keine privatrechtsgestalZur Beteiligung von potentiell geschädigten Ausländern/Grenznachbarn vgl. insbesondere Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 10, Rn. 59 ff. Eine Beteiligung ist u.a. über das Internet möglich; die Ausländerbeteiligung ist obligatorisch, wenn ein grenzüberschreitender Bezug besteht, vgl. § 11a Abs. 4 Satz 1 der 9. BImSchV. 66 Vgl. Breuer in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, S. 489 ff.; U. Wolf, S. 39 ff. 67 Nachdem die 2006 abgeschlossene Förderalismusreform unter anderem „Vollregelungen“ des Wasserschutzrechts auf Bundesebene ermöglichte und das geplante Umweltgesetzbuch (UGB) Anfang 2009 scheiterte, wurde das rahmenrechtliche WHG a.F. durch eine namensgleiche Neuregelung ersetzt. 68 Hierzu im Einzelnen § 9 WHG. 69 Im Zuge der Neuregelung des WHG wurde in § 15 WHG die Möglichkeit aus dem Landesrecht übernommen, eine sogenannte gehobene Erlaubnis zu erteilen, die ausdrücklich privatrechtsgestaltende Wirkungen entfaltet (vgl. § 16 Abs. 1 WHG). Dazu unter (3).

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tenden Präklusionsvorschriften geknüpft sind. Die Erlaubnis bringt lediglich zum Ausdruck, dass zur Zeit ihrer Erteilung Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit nicht erkennbar waren. Die Erlaubnis lässt die privaten Rechte Dritter prinzipiell unberührt, sollte den Einwendungen Dritter aber bereits durch Auflagen Rechnung getragen worden sein, fehlt ihnen das Rechtsschutzbedürfnis für eine zivilrechtliche Klage.70 Auch in anderen europäischen Rechtsordnungen gibt es Unbedenklichkeitsbescheinigungen, die ähnlich funktionieren. Dies trifft zum Beispiel auf die Abwassereinleitungsbewilligung nach § 18 des Dänischen Umweltschutzgesetzes71 und auf die Genehmigung für Betriebe, die besondere Umweltbelastungen verursachen (umfänglich aufgelistet in der Anlage) nach §§ 35 ff. Dänisches Umweltschutzgesetz, zu. In den Niederlanden gibt es eine Erlaubnis für Einrichtungen, die in besonderem Maße Luftverschmutzungen verursachen können (aufgelistet im königlichen Erlass) nach Art. 20 ff. des niederländischen Gesetzes über die Luftverschmutzung.72 In Frankreich ergehen Anlagengenehmigungen generell unbeschadet der Rechte Dritter. Hier wird allerdings auf dogmatisch anderem Wege trotzdem eine umfängliche Präklusion zivilrechtlicher Ansprüche, die der Genehmigung zuwiderlaufen, erreicht. Aufgrund dieser Wirkungen werden die französischen Genehmigungen unter (3) behandelt. Im Gegensatz dazu entfalten in der Schweiz73 sowie in Italien74 immissions- und wasserschutzrechtliche Genehmigungen keine privatrechtsgestaltenden Wirkungen. Ebenso ordnet Art. 325 des polnischen Umweltgesetzes an, dass behördliche Anlagengenehmigungen in Polen – zumindest bei Umweltbeeinträchtigungen – keine privatrechtsgestaltenden Wirkungen entfalten.75 Auch Tätigkeiten, die sich im Rahmen einer – beispielsweise immissionsschutzrechtlichen – Genehmigung halten, können von Zivilgerichten untersagt oder eingeschränkt werden. 70

Landmann/Rohmer-Pape, 62.EL (2011), § 10 WHG, Rn. 28 ff. mwN. „Gesetz über den Umweltschutz“, Gesetz Nr. 372 vom 13.6.1973; deutsche Übersetzung in: Bothe (Hrsg.), Ausländisches Umweltrecht V, S. 17 ff. 72 Gesetz vom 26.11.1970 zur Regelung der Probleme der Verhütung und der Beschränkung der Luftverschmutzung; deutsche Übersetzung in: Bothe (Hrsg.), Ausländisches Umweltrecht V, S. 109 ff. Die Betroffenen werden hier durch einen Luftverschmutzungsfonds entschädigt, an den jedoch individuelle Ansprüche abgetreten werden müssen; Art. 64 Luftverschmutzungsgesetz. 73 Wandt, VersR 1998, 529 (533) = SZIER 1997, 147 (160); Nassr-Esfahani, S. 103; Kreuzer, BerDtGesVR 32 (1991), 245 (267, Fn. 105) mwN. 74 Im italienischen Genehmigungsverfahren findet korrespondierend zu der fehlenden Präklusionswirkung allerdings auch keine Beteiligung der Betroffenen statt; Kreuzer, BerDtGesVR 32 (1991), 245 (267, Fn. 105) mwN. 75 Wajda in: Brodecki (Hrsg.), S. 575. 71

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b) Genehmigungen mit beschränktem Prüfungsgegenstand Dieser zweite Genehmigungstyp wird oft „unbeschadet der Rechte Dritter“ erteilt und hat somit keine materiellrechtliche Gestaltungswirkung gegenüber privatrechtlichen Ansprüchen. Die Trennung von privatem Nachbarrecht und öffentlich-rechtlicher Kontrolle bleibt erhalten. Allerdings besteht eine formell-rechtliche Gestaltungswirkung, die die genehmigte Anlage – auch wenn die Genehmigung rechtswidrig ist – gegen privatrechtliche Abwehransprüche absichert. Diese Ansprüche können somit nur geltend gemacht werden, wenn der Anlage der formell-rechtliche Schutz durch Aufhebung der Genehmigung entzogen wird.76 Zu diesem Genehmigungstyp gehören die Baugenehmigungen nach den Bauordnungen der deutschen Bundesländer. Diese werden meistens „im übrigen unbeschadet der Rechte Dritter“ erteilt.77 Abgesehen von dem bereits genannten Ausschluss der Beseitigung des Bauwerks, solange die Genehmigung existiert, können alle anderen Ansprüche aus dem privaten Nachbarrecht geltend gemacht werden. Hierzu gehören zum Beispiel Immissionsschutzansprüche78 und die damit verbundene Unterlassung der betreffenden Immission, die auch die Form einer Betriebsunterlassung annehmen kann. c) Ausdrücklich privatrechtsgestaltende Genehmigungen Diese Art von Genehmigung zeichnet sich durch eine materiell-rechtliche privatrechtsgestaltende Wirkung aus. In der Regel können nach Eintreten der Bestandskraft der Genehmigung keine immissionsschutzrechtlichen Ansprüche auf Einstellung des Betriebes und der genehmigten Emissionen mehr geltend gemacht werden. Die zivil- und nachbarrechtlichen Abwehransprüche der Betroffenen werden zum Teil auf einen Anspruch beschränkt, der auf die Vornahme von Schutzvorkehrungen gerichtet ist. Sind solche Vorkehrungen nach dem Stand der Technik noch nicht durchführbar oder wirtschaftlich nicht vertretbar,79 tritt an die Stelle dieses Restanspruchs ein Schadensersatzanspruch in Form eines so genannten Aufopferungsanspruchs.80 Weitergehende Ansprüche und Rechte müssen die Betroffenen im Verwaltungsverfahren und auf dem Verwaltungsrechtsweg geltend machen. 76

Breuer in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, S. 491 f. Z.B. Art. 68 Abs. 4 BayBO, § 72 Abs. 4 HBauO, § 75 Abs. 3 Satz 1 BauO NRW, § 61 Abs. 4 BauO Sachsen-Anhalt; nicht dagegen in der Bauordnung des Landes Niedersachsen, wo allerdings sachlich nicht anderes gilt. 78 Z.B. wenn eine Immission unterhalb der Schwelle des § 25 Abs. 2 BImSchG vorliegt, und keine Genehmigungspflicht nach § 4 BImSchG besteht. 79 Vgl. Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 14, Rn. 14 ff. 80 Siehe hierzu 3. Kapitel. 77

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In Deutschland ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach §§ 4 ff. BImSchG,81 die für in der 4. BImSchV aufgelistete genehmigungsbedürftige Anlagen erteilt wird,82 auf diese Weise geregelt. Sie zieht gemäß § 14 BImSchG eine umfangreiche zivilrechtsgestaltende Präklusionswirkung nach sich. Nach dieser Vorschrift sind sämtliche Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche aus dem Delikts- und Nachbarrecht83 gegen eine genehmigte Anlage ausgeschlossen, sobald die Genehmigung durch den Anspruchsinhaber unanfechtbar geworden ist und die Anlage auch entsprechend der Genehmigung betrieben wird.84 Die Norm sichert den Bestands- und Investitionsschutz der Anlage, was nach dem umfangreichen Genehmigungsverfahren und den ausführlichen Beteiligungsmöglichkeiten Dritter in Verbindung mit dem oben erwähnten generellen Sinn und Zweck von Anlagengenehmigungen gerechtfertigt ist. Den potentiell Geschädigten bleiben die Ansprüche auf die Durchführung von Schutzmaßnahmen und auf Schadensersatz erhalten. Gleiches gilt für die wasserrechtliche so genannte gehobene Erlaubnis gemäß § 15 WHG, die aus dem Landesrecht in die Neuregelung übernommen wurde.85 Bei Bestehen eines öffentlichen Interesses oder eines berechtigten Interesses des Gewässerbenutzers kann eine gehobene Erlaubnis erteilt werden. Die Entscheidung liegt im Ermessen der zuständigen Wasserbehörde.86 Die gehobene Erlaubnis schließt gemäß § 16 Abs. 1 WHG Abwehr- und Unterlassungsansprüche gegen die Anlage aus und lässt nur einen Anspruch auf Schutzvorkehrungen zu (§ 16 Abs. 1 Satz 2 WHG),

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Bei den §§ 4 ff. BImSchG handelt es sich um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt; Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 4, Rn. 33. Die Anlagengenehmigung nach dem BImSchG schließt gemäß § 13 BImSchG fast alle anderen öffentlich-rechtlichen (d.h. auch die umweltschutzrechtlichen) Genehmigungen mit ein (Konzentrationswirkung); ausgenommen hiervon sind die weiterreichenden Genehmigungen, Erlaubnisse und Bewilligungen für besonders geschützte und überwachte Bereiche wie Planfeststellungsverfahren, bergrechtliche und atomrechtliche Entscheidungen sowie wasserrechtliche Hoheitsakte nach dem WHG. 82 Das Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG gilt nach § 31 Abs. 1 KrW-/AbfG auch für die Errichtung von ortsfesten Abfallbeseitigungsanlagen. 83 Insbesondere §§ 862 und 1004 BGB (iVm § 906 BGB) und auch § 823 BGB, wenn der Anspruch auf Naturalrestitution gerichtet ist und dies eine Betriebseinstellung umfassen würde. 84 Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 14, Rn. 7; der Anspruchsausschluss betrifft allerdings nur “Nachbarn”, das heißt Personen, die eine Beteiligungsmöglichkeit im Genehmigungsverfahren hatten. 85 Sieder/Zeitler/Dahme-Knopp, WHG, 41.EL (2011), § 15, Rn. 2 f.; Müggenborg/ Hentschel, NJW 2010, 961, 963. 86 Die Zulässigkeit orientiert sich an den Vorgaben der bisherigen Landeswassergesetze; Sieder/Zeitler/Dahme-Knopp, WHG, 41.EL (2011), § 15, Rn. 2.

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soweit diese nach dem Stand der Technik durchführbar und wirtschaftlich vertretbar sind (§ 16 Abs. 1 Satz 3 WHG). Derartige Einschränkungen von Ansprüchen, die mit der Genehmigung oder der gehobenen Erlaubnis kollidieren, stellt einen unmittelbaren hoheitlichen Eingriff in die Eigentümerrechte der betroffenen Nachbarn dar. Ungeachtet der Schwere und Tragweite der Anspruchsbeschränkung liegt jedoch eine entschädigungsfrei zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vor, da die zugrundeliegenden Gesetze den Betroffenen hinreichende modifizierte privatrechtliche Schutz- und Ausgleichsansprüche einräumt.87 Weitere Genehmigungen mit einer Präklusionswirkung, die der von § 14 BImSchG entspricht, finden sich im Atomrecht, im Gentechnikrecht sowie im Luftverkehrsgesetz. Auch bei Anlagen, die der Nutzung der Kernenergie dienen, wie zum Beispiel Kernkraftwerke und Wiederaufbereitungsanlagen, hat die obligatorische Betriebsgenehmigung nach § 7 AtG eine Präklusionswirkung hinsichtlich zivilrechtlicher Abwehransprüche. Inhaltlich und auch von den Voraussetzungen her entsprechen die Wirkungen denen des § 14 BImSchG, auf den § 7 Abs. 6 AtG („sinngemäß“) verweist. Das Luftverkehrsgesetz enthält ebenso in Bezug auf die Genehmigung von Flugplätzen nach §§ 6 ff. LuftVG eine entsprechende Präklusionsregelung. Auch § 11 LuftVG lässt § 14 BImSchG „entsprechend“ zur Anwendung kommen. § 23 GenTG verweist zwar nicht direkt auf § 14 BImSchG, enthält aber eine an diesen angelehnte, fast wortgleiche Regelung. Ähnliche Wirkungen haben gemäß § 75 Abs. 2 VwVfG und nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder auch die Planfeststellungsbeschlüsse für umweltrelevante Großvorhaben.88 Diese entfalten, wenn sie unanfechtbar geworden sind, eine privatrechtsgestaltende Duldungswirkung,89 die in ihren Auswirkungen denen des § 14 BImSchG entspricht (§ 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG).90 Auch Planfeststellungsverfahren bezüglich 87

Landmann/Rohmer-Rehbinder, 62.EL (2011), § 14 BImSchG, Rn. 1; Breuer in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, S. 492; Staudinger-Kohler, Neub. (2010), UmweltHR, § 14 Satz 2 BImSchG, Rn. 1. 88 Der Planfeststellungsbeschluss entfaltet eine Genehmigungswirkung und außerdem eine sog. Konzentrationswirkung mit der Folge, dass alle Spezialgenehmigungen, die noch für das Vorhaben nötig wären (z.B. nach dem LuftVG), mit dem Planfeststellungsbeschluss als erteilt gelten (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG); vgl. im Einzelnen und zu den weiteren Wirkungen des Planfeststellungsbeschlusses Bonk/Neumann in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 7.A. (2008), § 75, Rn. 6 ff. 89 BGHZ 161, 323 (328 ff.); Bonk/Neumann in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7.A. (2008), § 75, Rn. 62. 90 § 75 Abs. 2 Satz 2 bis Abs. 5 VwVfG regeln entsprechende öffentlich-rechtliche Ausgleichspflichten.

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aller Bundesfernstraßen zeitigt gemäß § 17 Abs. 6 FStrG entsprechende anspruchspräkludierende Wirkungen. Wie bereits angesprochen, bewirken auch französische Anlagengenehmigungen91 eine umfängliche Anspruchspräklusion. Die Genehmigung selbst ergeht zwar unbeschadet der Rechte Dritter,92 zivilrechtliche Ansprüche gegen genehmigte Anlagen werden aber trotzdem eingeschränkt. Basierend auf dem Grundsatz der Gewaltenteilung erkennen die Zivilgerichte keine Abwehransprüche gegen eine genehmigte Anlage an, da dies in den Kompetenzbereich der Genehmigungsbehörde und der Verwaltung als solcher eingreift.93 Im Verhältnis der zivilrechtlichen Zuständigkeit zu der Verwaltungszuständigkeit hat die Anordnung der Verwaltung Vorrang.94 Hintergrund ist, dass die Zivilgerichte nicht in das ausbalancierte öffentlich-rechtliche Regelungssystem eingreifen oder eine Verwaltungsentscheidung vorwegnehmen wollen.95 Die Gerichte sind somit nicht befugt, den Regelungsgehalt einer Verwaltungsentscheidung, die in gleicher Sache ergangen ist, abzuändern oder zu beeinträchtigen. Die Folge ist, dass die Betroffenen weitgehend auf Entschädigungsansprüche verwiesen werden müssen, die den Regelungsgehalt der Genehmigung nicht betreffen. Ansprüche auf die Abwehr von Immissionen, die über die Genehmigung hinausgehen und so nicht von ihr gedeckt sind, können allerdings weiterhin erfolgreich geltend gemacht werden.96 In Österreich werden die anspruchspräkludierenden Wirkungen von behördlich erteilten Anlagengenehmigungen von § 364a ABGB, einer Norm des allgemeinen Zivilrechts, geregelt. Grundstückseigentümer können danach keine Abwehransprüche gegen den Betreiber einer genehmigten Anlage geltend machen. Ihnen steht nach § 364a ABGB lediglich ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch zu, wenn die Immissionen das ortsübliche Maß übersteigen. Der Norm liegt der Gedanke zugrunde, dass der Betrieb einer genehmigten Anlage hinsichtlich der durch die Genehmigung erlaubten Tätigkeiten und die wiederum dadurch Vergleichbare Wirkungen entfalten die gesondert geregelten Planfeststellungen nach § 31 Abs. 2 KrW/AbfG; §§ 17 ff. FStrG, §§ 18 ff. AEG, §§ 14 ff. WaStrG, §§ 2 ff. MBPlG, §§ 43 ff. EnWG, §§ 28 ff. PBefG, §§ 8 ff. LuftVG. 91 Im Einzelnen zu den französischen wasserrechtlichen Genehmigungen: Roggenbuck, S. 69 ff., zu immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen: U. Wolf, S. 63 ff. 92 Art. 8 des Loi Nr. 76-663 relative aux installations classées pour la protection de l’environment v. 19.7.1976: Les autorisations sont accordées sous réserve des droits des tiers. 93 Cour de Cassation, chambre civil v. 23.1.1996, Bull. Civ. I, 43, 27; Cour de Cassation, chambre civil v. 18.4.1989, Bull. Civ. I, 158, 104. 94 U. Wolf, S. 76. 95 Cour de Cassation, chambre civil II v. 17.11.1971, Bull. Civ. II, 566. 96 Cour de Cassation, chambre civil II v. 22.11.1984, Bull. Civ. II, 176, 123.

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verursachten Immissionen nicht untersagt werden kann, dass aber im Hinblick auf die damit verbundenen Eingriffe in fremdes Eigentum ein Ausgleich durch einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch erfolgen soll.97 Diese Präklusionswirkung haben alle Genehmigungen, bei deren Verfahren die Interessen der Nachbarn allgemein und in ausreichendem Maße berücksichtigt worden sind. Die zugrundeliegende Duldungspflicht besteht grundsätzlich auch hinsichtlich von Immissionen, die im Genehmigungsverfahren keine Berücksichtigung gefunden haben, um den Bestandsschutz der Genehmigung zu verstärken. Dies gilt aber nur für Beeinträchtigungen, die vom allgemeinen Regelungsbereich der Genehmigung erfasst werden und auch nicht für Überschreitungen des genehmigten Maßes.98 d) Umfänglicher Ausschluss zivilrechtlicher Ansprüche Dieser vierte Genehmigungstyp geht insofern über den unter (3) beschriebenen hinaus, als dass er die zivilrechtlichen Ansprüche nicht nur einschränkt sondern grundsätzlich vollkommen ausschließt. Sind derartige Genehmigungen unanfechtbar für die Betroffenen geworden, können diese weder Abwehransprüche auf Unterlassung oder Beseitigung noch Ansprüche auf die Vornahme von Schutzvorkehrungen und auch keine Schadensersatzansprüche gegen den Anlagenbetreiber geltend machen. Zu diesen Genehmigungen mit umfänglicher anspruchspräkludierender Wirkung gehört die deutsche wasserrechtliche Bewilligung nach §§ 8, 10 Abs. 1, 2. Alt. in Verbindung mit § 16 Abs. 2 WHG. Im Gegensatz zur oben vorgestellten (einfachen) wasserrechtlichen Erlaubnis hat eine wasserrechtliche Bewilligung umfangreiche privatrechtsgestaltende Wirkungen, nämlich den Ausschluss sämtlicher zivilrechtlicher Abwehr- und Kompensationsansprüche, soweit sich der Bewilligungsinhaber an die Regelungen der Bewilligung hält (§ 16 Abs. 2 WHG). Die Bewilligung begründet ein umfassendes subjektiv-öffentliches Recht.99 Im Bewilligungsverfahren müssen nach einer ex ante Betrachtung nachteilige Auswirkungen auf die Rechte Dritter durch Auflagen verhütet oder ausgeglichen werden (§ 13 Abs. 1 WHG). Der umfassende Anspruchsausschluss durch § 16 Abs. 2 WHG basiert auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes und des Investitionsschutzes und ist durch den Zweck des Wohls der Allgemeinheit und die vorherigen und neuerdings auch nachträglichen Ausgleichsmöglichkeiten des § 13 WHG verfassungsrechtlich gerechtfertigt. 97

Jabornegg, ÖJZ 1983, 365 (372 f.); U. Wolf, S. 92. Vgl. U. Wolf, S. 95 f. 99 Sieder/Zeitler/Dahme-Knopp, WHG, 41.EL (2011), § 16, Rn. 2/5; Landmann/Rohmer-Pape, 62.EL (2011), § 8 WHG, Rn. 36; BGHZ 88, 34 (40). 98

IV. Die Problemstellung

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Hoheitsakte, die auf diese Weise zivilrechtliche Ansprüche präkludieren, stellen nicht nur unmittelbare hoheitliche Eingriffe dar, sondern können jenseits einer gewissen Opferschwelle auch einen Enteignungstatbestand erfüllen. Durch die gesetzliche Grundlage der Genehmigung werden die Grenzen einer entschädigungsfrei zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmung überschritten, wenn effektive Schutzauflagen nicht möglich sind, die zivilrechtlichen Ansprüche gänzlich abgeschnitten werden und dahingehende modifizierende Ansprüche zum Schutz oder zur Kompensation nicht vorgesehen sind.100 Insoweit ist gemäß Art. 14 Abs. 3 GG ein öffentlich-rechtlicher Entschädigungsausgleich nötig, wie er durch § 14 Abs. 3 Satz 3 WHG und § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG geboten wird. e) Supranationale Genehmigungen Zwar gibt es mittlerweile verschiedene multilaterale umweltschutzrechtliche Übereinkommen, die ihren Vertragsstaaten gewisse (grenzüberschreitende) Verfahrenserfordernisse für Genehmigungs- und Umweltverträglichkeitsprüfungs-Verfahren vorschreiben.101 Diese beziehen sich allerdings – selbst bei internationalen Großvorhaben, die mehrere Staaten betreffen – nur auf die jeweiligen nationalen Verwaltungsverfahren. Ein international harmonisiertes Genehmigungsverfahren gibt es (noch) nicht und folglich auch keine internationale Anlagengenehmigung. Auch auf Ebene der Europäischen Union gibt es umweltschutzrechtliche Sekundärgesetzgebung, insbesondere in Form von Richtlinien, die zum Teil die angesprochenen UNECE-Übereinkommen umsetzen. Aber auch diese machen, wenn überhaupt, lediglich Vorgaben bezüglich einzelner Verfahrenskomponenten, die dann für die nationalen Genehmigungsverfahren umzusetzen sind.102 Auch die Umwelthaftungsrichtlinie,103 die nur die Haftung gegenüber dem Staat regelt, enthält keine Vorschriften für eine gemeinschaftsrechtliche Genehmigung oder Genehmigungsverfahren. Auf europäischer Ebene erkennt sie allerdings die rechtfertigende Wirkung von Anlagengenehmigungen an, wenn sich die ausgeübten Tätigkeiten in deren Rahmen halten.104 Für den – von der Rom II-Verordnung freilich nicht erfassten Bereich – der atomrechtlichen Haftung und der entsprechenden Sicherheitsregeln besteht allerdings auf Ebene der Europäischen Union ein gemeinschafts100

Breuer in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, S. 493. Unter anderem die UNECE-Übereinkommen von Espoo und Aarhus, siehe unten 10. Kapitel, III. 102 Unten 10. Kapitel, III.2.c. und 3.c. 103 RL 2004/35/EG. 104 permit defence, Art. 8 Abs. 4 lit. a Umwelthaftungs-RL; im Einzelnen hierzu und zur deutschen Umsetzung der Umwelthaftungsrichtlinie Spindler, UTR 90 (2006), 147. 101

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6. Kapitel – Die Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen

rechtlicher Rahmen aus dem Euratom-Vertrag und der Richtlinie 96/29/Euratom105. Aus diesem leitet der EuGH neuerdings sogar ein gemeinschaftsrechtliches Genehmigungssystem – zumindest in Bezug auf einheitliche Genehmigungsvoraussetzungen – ab.106

105 RL 96/29/Euratom des Rates vom 13.5.1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen; ABl. L 159 v. 29.6.1996, S. 1. 106 EuGH, Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, Rn. 99 ff., EuZW 2010, 26.

7. Kapitel

Bisherige Lösungsansätze – Internationales Verwaltungsrecht und Internationales Privatrecht I. Einleitung Die Frage nach der Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen im Rahmen von umwelthaftungsrechtlichen Klagen taucht seit langem immer wieder im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Immissionen auf.1 Während die deutsche Rechtsprechung bisher die Auffassung vertreten hat, dass ausländische Genehmigungen nicht beachtet werden können,2 gab es im angrenzenden Ausland seitens der Rechtsprechung Ansätze, zumindest grundsätzlich eine Beachtung zuzulassen.3 Gerade die neuere Literatur zu dem Thema spricht sich für die Beachtlichkeit im Rahmen zivilrechtlicher Haftungs- und Abwehrklagen aus, wobei oft hohe Voraussetzungen aufgestellt werden. Die Ansätze fußen zum Teil im Internationalen Privatrecht, zum Teil im Völkerrecht und auch im Internationalen Verwaltungsrecht. Da die Ansprüche, die grenzüberschreitend geltend gemacht werden, aus dem Privatrecht stammen, es sich bei den Genehmigungen aber um öffentlich-rechtliche Exekutiventscheidungen handelt, enthalten alle Lösungsansätze sowohl Elemente aus dem Internationalen Verwaltungsrecht als auch aus dem Internationalen Privatrecht. Im Folgenden werden die einschlägigen Aspekte des Internationalen Verwaltungsrechts, insbesondere das Territorialitätsprinzip, das unter anderem von der deutschen Rechtsprechung in diesem Zusammenhang herangezogen wurde, und die entsprechenden Lösungsansätze erläutert. Im zweiten Teil dieses Kapitels werden die international-privatrechtlichen Lösungsansätze vorgestellt. Hierzu gehört abschließend auch die neuere Literatur zur Rom II-Verordnung.

1

Zu den bisherigen Fällen in der Rechtsprechung siehe oben 6. Kapitel, II. Vgl. unten I.2. 3 OLG Linz, JBl. 1987, 577 (unten II.4.); Rechtsbank Rotterdam, RabelsZ 49 (1985), 741 (unten II.3.c.). 2

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

II. Wirkung ausländischer Verwaltungsakte im Inland 1. Allgemeines Grundsätzlich ist die Regelungswirkung eines Verwaltungsaktes auf das Hoheitsgebiet des erlassenden Staates begrenzt. Dies folgt aus der im Internationalen Verwaltungsrecht geltenden territorialen Wirkung staatlicher Hoheitsakte. Diese Beschränkung durch das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip ist allerdings nicht so weitgehend, dass es unmöglich wäre, einem ausländischen Hoheitsakt Wirkungen im Inland zuzusprechen.4 Das Territorialitätsprinzip besagt lediglich, dass extraterritoriale Wirkungen nicht durch den Erlassstaat oder seine Institutionen veranlasst werden können. Grundsätzlich können Hoheitsakte aber Wirkungen im Ausland entfalten. Dies beruht dann auf dem Willen des Staates, in dem die Wirkungen eintreten sollen. Dazu können auch die privatrechtsgestaltenden Wirkungen von behördlichen Anlagengenehmigungen gehören, die diese gemäß den ihnen zugrunde liegenden Umweltverwaltungsgesetzen entfalten.5 Mit der Frage nach den Wirkungen von ausländischen Verwaltungsakten im Inland sind die Fragen nach der Anwendung ausländischen Verwaltungsrechts und nach der Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte eng verbunden oder dieser vorangestellt. Diese Fragen entspringen dem Internationalen Verwaltungsrecht. Auch dieses regelt als Kollisionsrecht internationale Sachverhalte mit öffentlich-rechtlichem Bezug die internationale Anwendung von Verwaltungsrecht und die offizielle, formelle Anerkennung ausländischer Hoheitsakte. Im Vergleich mit dem grundsätzlich zweiseitig ausgestalteten Internationalen Privatrecht, das auch auf fremdes Privatrecht verweisen kann, weist das grundsätzlich einseitig ausgestaltete Internationale Verwaltungsrecht, das nur den Anwendungsbereich des eigenen Öffentlichen Rechts bestimmt, deutliche Unterschiede auf.6 Dem Internationalen Privatrecht liegt der Gedanke zugrunde, dass alle nationalen Privatrechtsordnungen grundsätzlich gleichwertig sind. Dies wiederum beruht darauf, dass das Zivilrecht an erster Stelle dem gerechten Interessenausgleich zwischen den Teilnehmern am Rechtsverkehr dienen soll.7 Basierend auf diesem grundlegenden Gerechtigkeitsgedanken versucht das Internationale Privatrecht nun unabhängig von den materiellen Regelungen der verschiedenen Zivilrechtssysteme, das am engsten mit 4

Statt vieler Linke, S. 104 mwN. Statt vieler U. Wolf, S. 101 ff. mwN. 6 Siehr, RabelsZ 52 (1988), 41 (74); U. Wolf, S. 99. 7 Kropholler, IPR, § 3 I und § 4 I; Kegel/Schurig, § 2 I und III. 5

II. Wirkung ausländischer Verwaltungsakte im Inland

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einem Sachverhalt verbundene Recht zu finden, das diesen am angemessensten regeln kann.8 Das Öffentliche Recht dagegen basiert in erster Linie nicht auf einem die Interessen ausgleichenden Gerechtigkeitsgedanken, es wird vielmehr einseitig vom Staat vorgegeben, wodurch deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Verwaltungsrechtssystemen bestehen können. Nach allgemeinem Völkerrecht und der Staatensouveränität steht es jedem Staat frei, auf seinem Gebiet beliebige Regelungen zu treffen und beliebige Hoheitsakte zu erlassen. Das Verwaltungsrecht ist insofern eine Form der Ausübung von Hoheitsgewalt durch den Staat, der die jeweilige Regelung erlassen hat. Das Territorialitätsprinzip trägt diesem Umstand Rechnung. Andere Staaten haben diese innere Ordnung zu achten und dürfen sich nicht einmischen. Das Internationale Verwaltungsrecht sorgt dafür, dass die Normen des Verwaltungsrechts, die vor allen Dingen der Wahrnehmung von Gemeininteressen dienen und mithin zu den Eingriffsnormen zählen, bei internationalen Sachverhalten Geltung erlangen können.9 Im Gegensatz zum Internationalen Privatrecht handelt es sich so beim Internationalen Verwaltungsrecht um ein Rechtsgebiet, das einseitig eigenstaatlich ausgerichtet ist und das Verwaltungsrecht der anderen Staaten außer Acht lässt.10 Im Internationalen Verwaltungsrecht gibt es verschiedene Ansätze, wie ausländische Verwaltungsakte Wirkungen im Inland entfalten können. Der Ansatz, dass allein durch den extraterritorialen Geltungsanspruch der betreffenden öffentlich-rechtlichen Vorschrift geschehen kann, scheitert an der Souveränität der anderen Staaten und der damit verbundenen territorial beschränkten Geltung von Hoheitsakten. In den folgenden Abschnitten wird die Herangehensweise der deutschen Rechtsprechung, die bislang11 auf Basis des Territorialitätsprinzips die Rechtserheblichkeit von ausländischen Anlagengenehmigungen grundsätz8 Vgl. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band VIII, 23 ff., 108, 118; Kegel/Schurig, § 2 I; Kropholler, IPR, § 3 I. 9 MüKo-Sonnenberger, 5.A. (2010), Einl. IPR, Rn. 388 ff. mwN. 10 Siems, RIW 2004, 662 (663) mwN. 11 Die letzte ergangene höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage stammt allerdings aus dem Jahr 1979; BGH DVBl. 1979, 226 (Salzburger Flughafenfall); die letzte Entscheidung in diesem Sinne von 1982; LG Waldshut-Tiengen, UPR 1983, 14 (Flughafen Zürich/Kloten). Das BVerwG hat in einem Beschluss 1987, in dem es ausländischen Grenznachbarn sogar eine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO zugesprochen hat, festgestellt, dass eine deutsche atomrechtliche Genehmigung keine Wirkungen im Ausland entfalten kann und so implizit an der Unbeachtlichkeit auf Basis des Territorialitätsprinzip festgehalten; BVerwG, NJW 1987, 1154; allerdings erwähnt es in einem aktuellen Urteil weiter das Territorialitätsprinzip im Zusammenhang mit den Klagemöglichkeiten eines Ausländers gegen eine deutsche Genehmigung; BVerwG, UPR 2009, 151 (152).

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

lich ablehnt, als erster bisheriger Lösungsansatz vorgestellt (2.). Anschließend werden Grundsätze einer international-verwaltungsrechtlichen Anerkennung ausländischer Hoheitsakte diskutiert (3.) und darauf aufbauende Lösungsansätze im Wege einer völkerrechtlichen Anerkennungspflicht (4.), durch die formelle Anerkennung in einem besonderen Verfahren (5.) und durch Anerkennung im Rahmen des entsprechenden Zivilprozesses (6.) besprochen. In diesem Zusammenhang kann auch ein recht aktuelles Urteil des EuGH zur Beachtlichkeit von atomrechtlichen Anlagengenehmigungen eingeordnet werden,12 das die Beachtlichkeitsfrage für diese Spezialmaterie im Bereich der Europäischen Union klärt (7.). 2. Nichtbeachtung ausländischer Hoheitsakte nach dem Territorialitätsprinzip Der auf Basis des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips entwickelte Lösungsansatz geht von der generellen Unbeachtlichkeit ausländischer Genehmigungen aus. Insbesondere die deutsche Rechtsprechung13 folgt bislang diesem Ansatz und lässt eine ausländische Anlagengenehmigung unter Berufung auf das Souveränitätsprinzip als einen auf das entsprechende Hoheitsgebiet beschränkten ausländischen Hoheitsakt unberücksichtigt. Diese Ansicht geht davon aus, dass sämtliche Hoheitsakte nur im Hoheitsgebiet der sie erlassenden Behörde Geltung entfalten können und wollen.14 Die Anlagengenehmigungen würden ergehen, ohne die Interessen der ausländischen Grenznachbarn zu berücksichtigen und ohne die Betreiber in irgendeiner Form in ihrer Handlungsfreiheit gegenüber diesen Anrainern

12 EuGH, Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, EuZW 2010, 26. Auf das Urteil wurde bereits mehrfach Bezug genommen. Eine direkte Übertragung des darin verwendeten Lösungsansatzes ist allerdings nicht nur wegen des Sonderstatus des Atomrecht in diesem Zusammenhang nicht möglich, sondern auch da die Argumentation auf ein supranationales Genehmigungssystem, das an der Europäischen Atomgemeinschaft festgemacht wird, aufbaut. Das Urteil wird trotzdem unter 7. dargestellt, da die in dem Urteil entwickelten Argumente zum Teil auch den hier entwickelten Lösungsansatz unterstützen. 13 OLG Saarbrücken, NJW 1958, 752 (754); OLG Saarbrücken, IPRspr. 1962/63, Nr. 38, 95 (97); BGH, DVBl. 1979, 226 (227 f.); LG Waldshut-Tiengen, UPR 1983, 14 (17); BVerwG, NJW 1987, 1154; siehe auch Stoll, RabelsZ 37 (1973), 357 (375) und Schneider/Stoll, BB 1986, 1233 (1236). Der BGH hat auch schon früh in anderen Bereichen des IPR den Grundsatz der Nichtanwendung ausländischen Öffentlichen Rechts angewandt: BGHZ 25, 134 (143), BGHZ 31, 367 (371), beide zum Internationalen Enteignungsrecht; NJW 1975, 1220 (1222) zum Internationalen Urheberrecht. 14 „Die Genehmigung ist ein Verwaltungsakt, dessen Wirkung in der Regel auf das Gebiet des Staates beschränkt ist, dessen Behörde sie erlassen hat.“, BGH, DVBl. 1979, 226 (227).

II. Wirkung ausländischer Verwaltungsakte im Inland

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einzuschränken. Daher seien die Genehmigungen in ihren Regelungswirkungen auf das betreffende Staatsgebiet beschränkt.15 Auch Stoll hielt trotz der Entwicklung eines klägerfreundlichen Ubiquitätsprinzips hinsichtlich der auf grenzüberschreitenden Immissionen beruhenden Ansprüche auf Schadensersatz an diesem Ansatz fest. Auch wenn sich der Kläger auf die ihm günstigere inländische oder ausländische Anspruchsgrundlage stützen dürfe, sich sogar einer ausländischen Genehmigung unterwerfen könne, so habe das Gericht trotzdem ausländische Anlagengenehmigungen grundsätzlich nicht zu beachten.16 Auf dem Territorialitätsprinzip basierte ebenfalls der Ansatz von Küppers, der die Haftungsansprüche wegen umweltschädigender Immissionen der lex rei sitae des beeinträchtigten Grundstücks unterwirft.17 Demnach wären genehmigte Anlagen nur dann hinzunehmen, wenn sie auch nach der lex rei sitae genehmigt worden wären. Daraus folge, dass nur beidseitig anerkannte Beschränkungen bei der Bewertung etwaiger Auswirkungen einer ausländischen Genehmigung in Betracht kommen, wie zum Beispiel entsprechende Staatsverträge.18 Die Duldungspflichten des inländischen Öffentlichen Rechts seien das Ergebnis eines Abwägungsvorgangs innerhalb der inländischen Rechtsordnung, die ein bestimmtes Verfahren voraussetzten. Solange ein ausländisches Genehmigungsverfahren aber nicht nach dem Recht beider betroffener Ländern durchgeführt würde, müsse der Staat seine Bürger vor Beeinträchtigungen durch grenzüberschreitende Immissionen schützen.19 Daher folge die Unbeachtlichkeit der Genehmigung unter Anwendung des Territorialitätsprinzips in Bezug auf das ausländische öffentliche Recht notwendigerweise aus der fehlenden „supranationalen Planungshoheit“ des Nachbarstaates. Nach diesem völkerrechtlichen Grundsatz ist es einem Staat verboten, seine hoheitliche Macht auf dem Gebiet eines anderen Staates auszuüben, es sei denn, es ist ihm ausdrücklich – wie zum Beispiel durch einen entsprechenden Staatsvertrag – erlaubt. Eine entsprechende allgemeine Regel, die eine solche Gleichbehandlungspflicht hinsichtlich ausländischer Genehmigungen ausspricht, existiere nicht.20

15 Schneider/Stoll, BB 1986, 1233 (1236) im Hinblick auf den „Unfall“ von Tschernobyl und die entsprechende sowjetische Betriebsgenehmigung. 16 Stoll, RabelsZ 37 (1973), 357 (375). Stoll hält allerdings nicht mehr an dieser territorialen Begrenzung für die Beachtlichkeit von Anlagengenehmigungen fest, sondern geht nun auch von einer Beachtung der Genehmigungswirkungen als Tatsache (local data) aus; Staudinger-Stoll, IntSachR, 13.Bearb. (1996), Rn. 240. 17 Küppers, ZRP 1976, 260 (261 f.); ders., DVBl. 1979, 228. 18 Z.B. wie im Fall des Salzburger Flughafens, vgl. BGH, DVBl. 1979, 226. 19 Küppers, ZRP 1976, 260 (264). 20 Küppers, ZRP 1976, 260 (263).

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

Gegen diese Herangehensweise sprechen allerdings erhebliche dogmatische und praktische Bedenken. Zum einen wird der Inhalt des Territorialitätsprinzips überdehnt und dieses fehlerhaft angewandt. Zum anderen erzeugt die Vorgehensweise unerwünschte, in der Praxis teils schwer durchsetzbare Ergebnisse. Außerdem ist ein solcher streng nationaler Ansatz heute nicht mehr zeitgemäß und auch die Voraussetzungen, auf denen er aufbaut, sind zum Teil überkommen.21 Das Territorialitätsprinzip beschränkt die Ausübung ausländischer Hoheitsgewalt auf das entsprechende Hoheitsgebiet, es steht jedoch nicht einer Anerkennung einer Anlagengenehmigung durch die Gerichte eines anderen Staates kraft seiner eigenen Hoheitsgewalt im Weg.22 Eine Anerkennung steht vollkommen im freien Willen des anderen Staates und sollte dort in der Regel dem jeweiligen Gericht überlassen bleiben.23 Die Anerkennung einer Genehmigung und ihrer privatrechtsgestaltenden Wirkungen hat also nichts mit der Hoheitsgewalt des Erlassstaates, ihrer Beschränkung oder Erweiterung zu tun.24 Die Beachtung einer ausländischen Genehmigung ist die Anwendung ausländischen Rechts kraft eigener Hoheitsgewalt im Inland.25 Ferner hat eine derartige Nichtbeachtung ausländischer Anlagengenehmigungen konsequenterweise zur Folge, dass die jeweiligen inländischen Genehmigungen natürlich auch keine Wirkungen im Ausland beanspruchen können.26 Neben der dogmatischen Kritik an dieser Vorgehensweise gibt es auch ein bedeutendes praktisches Problem. Die jeweiligen ausländischen Gerichte werden Urteile, die die Genehmigung unberücksichtigt lassen, unter Berufung auf den ordre public weder anerkennen noch für vollstreckbar erklären. Dies macht die Durchsetzung von Unterlassungsentscheidungen unmöglich und schränkt auch die Vollstreckung von Schadensersatztiteln, die in Verbindung mit dem Unterlassungsanspruch ergehen, nicht unerheblich ein. Die Territorialität von Hoheitsakten gibt also nichts hinsichtlich der Anerkennung ausländischer Hoheitsakte oder der Beachtung ihrer Wirkungen im Inland her.27 Die entscheidenden Fragen im Bezug auf die Beach-

21 Nassr-Esfahani, S. 53 mwN; Spickhoff, UTR 54 (2000), 385 (389); Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 167; mit Blick auf die Beteiligungsrechte im umweltrechtlichen Verwaltungsverfahren Weitbrecht, NJW 1987, 2132 (2133). 22 Nassr-Esfahani/Wenckstern, RabelsZ 49 (1985), 763 (771); Wandt, VersR 1998, 529 (533) = SZIER 1997, 147 (161); Linke, S. 104. 23 Nassr-Esfahani, S. 55; Linke, S. 107; BVerfGE 63, 343 (361). 24 Wandt, VersR 1998, 529 (533) = SZIER 1997, 147 (161). 25 Nassr-Esfahani, S. 59. 26 BVerwG, NJW 1987, 1154; UPR 2009, 151 (152). 27 Nassr-Esfahani, S. 61 f.

II. Wirkung ausländischer Verwaltungsakte im Inland

127

tung ausländischer Genehmigungen und dafür aufzustellender Voraussetzungen sind vielmehr im inländischen Recht zu finden. 3. Anerkennung ausländischer Hoheitsakte Die Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte oder bedarf einer freien Willensentscheidung des Staates, in chende Rechtsgebilde beachtet werden soll. Eine solche Ebene des Internationalen Verwaltungsrecht28 kann auf und Weise erfolgen.

ihrer Wirkungen dem das entspreAnerkennung auf verschiedene Art

a) Begrifflichkeiten Der Begriff „Anerkennung“ sollte im Hinblick auf ausländische Verwaltungsakte nicht nur rein technisch im Sinne der formellen Anerkennung nach einem separaten Verfahren und mit der Folge der vollen und uneingeschränkten Geltung und Wirkung im Inland verstanden werden. Literatur und Rechtsprechung wenden den Begriff außerhalb dieser am Internationalen Zivilverfahrensrecht angelehnten Bedeutung im reinen Wortsinn ungern an, um den Eindruck einer solchen umfänglichen und bedingungslosen Anerkennung zu vermeiden.29 In der international-privatrechtlichen Literatur, die sich mit der Frage nach den Auswirkungen ausländischer Anlagengenehmigungen beschäftigt, wird der Begriff allerdings mitunter auch mit anderem Bedeutungsumfang verwandt.30 Nach König ist jegliche Beachtung eines ausländischen Hoheitsaktes seine Anerkennung durch den Staat, in dem er Wirkungen – welcher Art auch immer – entfalten soll. Eine solche Anerkennung durch die inländische Rechtsordnung stellt den Wirkungsgrund für den ausländischen Hoheitsakt im Inland dar.31 b) Anerkennung als Wirkungsgrund von ausländischen Hoheitsakten Betrachtet man die „Anerkennung“ ausländischer Hoheitsakte zunächst als einen Oberbegriff für verschiedene Formen der Beachtlichkeit von ausländischen Anlagengenehmigungen, so setzt diese einen Anwendungsbefehl der inländischen Rechtsordnung voraus. Dieser Anwendungsbefehl kann sich aus einem generellen oder speziellen gesetzlichen Anerkennungsautomatismus, aus einer verfahrensimpliziten individuellen behördlichen oder

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König, S. 11. BGH DVBl. 1979, 226 z.B. spricht von „Geltung beanspruchen“. 30 Vgl. Nassr-Esfahani, S. 28 f. 31 König, S. 24 f. 29

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

gerichtlichen Anerkennung oder nach einem speziellen separaten Anerkennungsverfahren ergeben. So ist auch nach König die rechtliche Beachtung eines ausländischen Hoheitsaktes in einem (Zivil-) Gerichtsprozess eine „Anerkennung“.32 Eine besondere und eventuell in einem separaten Verfahren durchzuführende Entscheidung über die Geltung im Inland sei unwesentlich, da nach diesem Verständnis die „Anerkennung“ nach ihrer Rechtsnatur eine Äußerung des staatlichen Willens sei, wie sie auch durch das Urteil eines Gerichts geschehe. Die äußere Form des hoheitlichen Handelns habe auf den Begriff der „Anerkennung“ keinen Einfluss. Damit ein ausländischer Hoheitsakt auf Grundlage eines solchen Anwendungsbefehls Wirkungen im Inland entfalten kann, gelten für eine Anerkennung die folgenden Grundsätze und Voraussetzungen des Internationalen Verwaltungsrecht. Zunächst muss der ausländische Hoheitsakt nach der lex fori qualifiziert werden. Die Fehlerhaftigkeit des Hoheitsaktes im Ausland ist nur von Bedeutung, wenn dieser nichtig ist.33 Dann kann der Hoheitsakt – auch wenn der Nichtigkeitsgrund seinerseits gegen den inländischen ordre public verstößt – nicht berücksichtigt werden.34 Ferner gilt im Falle von Änderungen oder der Aufhebung vor Anerkennung der Hoheitsakt, wie er zum Zeitpunkt der Anerkennung noch vorhanden ist.35 Bei Änderung oder Aufhebung nach Anerkennung hat der Hoheitsakt bereits Inlandswirkung, die Modifikation ist dann ein neuer Hoheitsakt. Voraussetzung für jede Anwendung ausländischen Rechts einschließlich ausländischer Hoheitsakte ist folglich das Vorliegen eines Anwendungsbefehls der inländischen Rechtsordnung. Da mit der Anerkennung regelmäßig Eingriffe in Rechtspositionen von inländischen Bürgern verbunden sind, muss der Rechtsanwendungsbefehl auf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruhen. Diese Rechtsnorm kann entweder direkt wirken, indem das entsprechende Gesetz einen Anerkennungsautomatismus vorsieht oder indirekt auf die Weise, dass das entsprechende Gesetz Gerichte oder Behörden zur Anerkennung bzw. anderweitiger Berücksichtigung

32

König, S. 27; so auch Lummert, NuR 1982, 241 (244); Rest, UPR 1982, 358 (366). Linke, S. 110 f. 34 Wird versehentlich ein nichtiger ausländischer Verwaltungsakt anerkannt, ist in der Folge zwar der inländische Anerkennungsverwaltungsakt rechtswidrig aber grundsätzlich wirksam. Er wirkt dann konstitutiv hinsichtlich der Regelungswirkung des nichtigen ausländischen Verwaltungsakts, kann aber zum Beispiel angefochten werden und von der anerkennenden Behörde zurückgenommen werden, z.B. nach dem deutschen § 48 VwVfG. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Anerkennung „automatisch“ durch ein Gesetz ohne Handeln einer Behörde anerkannt wird. Zum Ganzen Linke, S. 137 mwN. 35 König, S. 56. 33

II. Wirkung ausländischer Verwaltungsakte im Inland

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ermächtigt. Ein solcher Rechtsanwendungsbefehl kann sich aus dem geschriebenen sowie aus dem ungeschriebenen Recht ergeben.36 Probleme mit dem verfassungsrechtlichen Demokratieprinzip und dem Vorbehalt des Gesetzes können sich hier bei der Anerkennung und Beachtung belastender Verwaltungsakte ergeben. Deren Inhalt wird von einer fremden Staatsgewalt festgelegt.37 Eventuelle Widersprüche zu den genannten Verfassungsprinzipien können hier auf verfassungsrechtlicher Ebene gelöst werden, indem diese Prinzipien anhand des „Bekenntnisses des Grundgesetzes zur internationalen Zusammenarbeit“ ausgelegt werden. Ein Staat könnte sich sonst nicht am internationalen Rechtshilfeverkehr beteiligen.38 Eine Notfallkorrekturmöglichkeit bleibt immer über den inländischen ordre public-Vorbehalt.39 4. Anerkennungspflichten Ein Weg, nach dem ausländische Verwaltungsakte bzw. Anlagengenehmigungen anerkannt und beachtet werden müssten, wäre das Bestehen einer Anerkennungspflicht. Dies hätte einen Anerkennungsautomatismus und damit die direkte Beachtlichkeit des betreffenden Verwaltungsaktes zur Folge, zumindest aber ein einklagbares Recht desjenigen, der sich auf den Verwaltungsakt beruft. Rechtsquelle für eine generelle Anerkennungspflicht können das Völkerrecht sowie Staatsverträge und deren gesetzliche Umsetzungen sein. Obwohl das Völkerrecht grundsätzliche Bedeutung für die Anerkennung von Hoheitsakten nach dem Internationalen Verwaltungsrecht hat, enthält es kein aus allgemeinen Regeln herzuleitendes Prinzip, dass ausländische Hoheitsakte und deren Wirkungen stets zuzulassen sind.40 Auch gibt es kein entsprechendes System von Einzelrechtssätzen, das ausreichend ist. Jeder Staat kann frei über eine Anerkennung und die Beachtlichkeit ausländischer Verwaltungsakte entscheiden. In der Folge kann es keine generelle völkerrechtliche Anerkennungspflicht hinsichtlich ausländischer Verwaltungsakte geben, wie sie vereinzelt vorgeschlagen wird.41 Eine derartige Pflicht würde vor allem gegen die Souveränität der Staaten verstoßen. Außerdem ließe sich dies nicht mit den Interessen der zur Anerkennung verpflichteten Staaten vereinbaren. Da die unterschiedlichen Öffentlichen

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Siehr, RabelsZ 52 (1988), 41 (83); Linke, S. 126 f. Papier/Olschewski, DVBl. 1976, 475 (477 f.); Linke, S. 132. 38 BVerfGE 63, 343 (370). 39 König, S. 90; Linke, S. 132 und 134. 40 Linke, S. 104 und 107. 41 Nachweise bei Nassr-Esfahani, S. 62. 37

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

Rechtsordnungen nicht aufeinander abgestimmt sind, würden hierdurch zwangsläufig erhebliche Konflikte mit der inneren Ordnung entstehen.42 Auch für eine nur ausnahmsweise begründete völkerrechtliche Anerkennungspflicht kann nichts anderes gelten.43 Diskutiert wurde hier unter anderem, ob eine generelle Pflicht zur „Respektierung“ ausländischer Hoheitsakte bestehen könnte, wenn für diese die „ausschließliche Kompetenz“ bei einem Staat liege, also nur ein Staat ein sinnvolles Anknüpfungsmoment zu dem geregelten Sachverhalt aufweisen kann.44 Neben der Verleihung der Staatsangehörigkeit, kommt dies bei Enteignungssachverhalten in Frage. Solche könnten theoretisch auch bei grenzüberschreitenden Immissionen entstehen, wobei zum Beispiel die deutschen Präklusionsvorschriften45 lediglich Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sind und nicht die Anforderungen einer Enteignungsregelung erfüllen. Außerdem gilt dies nur, wenn sich die von der Enteignung betroffenen Güter auf dem Gebiet des enteignenden Staates befinden.46 Bei grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen, für die Anknüpfungspunkte in mehreren Staaten bestehen, handelt es sich in der Regel um „konkurrierende“ internationale Verwaltungskompetenzen, so dass eine Anerkennungspflicht auch in diesem Sonderzusammenhang nicht in Frage kommt. Schließlich unterliegt die Anerkennungspflicht auch noch dem allgemeinen ordre public-Vorbehalt.47 Eine Anerkennungspflicht kann sich freilich aus einem völkerrechtlichen Vertrag zwischen Staaten ergeben. Hier liegen freie Willensentscheidungen der beteiligten Staaten und somit auch ein inländischer Anwendungsbefehl vor.48 5. Formelle Anerkennung Bei der „Anerkennung“ im engeren Sinn wird begrifflich gleichlaufend mit der Anerkennung von Gerichtsurteilen die ausländische Genehmigung in einem förmlichen Verfahren mitsamt ihren Wirkungen anerkannt. Allerdings ist eine förmliche Anerkennung nach dem Internationalen Verwal42

Nassr-Esfahani, S. 63. Linke, S. 104 ff. mwN. 44 Eine solche wurde für verschiedene seltene Ausnahmesituationen, die zumindest im umweltrechtlichen Bereich nicht einschlägig sind, vorgeschlagen, vgl. Nassr-Esfahani, S. 63 f.; Linke, S. 108; jeweils mwN. 45 Z.B. § 11 WHG und § 14 BImSchG; siehe auch oben 6. Kapitel, IV.3.b. 46 Linke, S. 109. 47 Linke, S. 110 und 133 f.; König, S. 90. 48 Zu den bestehenden geschriebenen Anerkennungspflichten im deutschen Verwaltungsrecht und den damit verbundenen verfassungsrechtlichen Problemen vgl. Linke, S. 131 f. 43

II. Wirkung ausländischer Verwaltungsakte im Inland

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tungsrecht weder für die Lösung der Frage nach der Beachtlichkeit von ausländischen Genehmigungen im zivilrechtlichen Haftungsprozess dienlich noch praktikabel. Grundsätzlich wäre es zwar vorstellbar, dass ein Anlagenbetreiber sich vor den Behörden eines Nachbarstaates darum bemüht, dass seine Genehmigung formell anerkannt wird. Zum einen gibt es bislang allerdings kein allgemeines Anerkennungsverfahren für Verwaltungsakte nach dem Internationalen Verwaltungsrecht, welches selbst sowieso nur sehr bruchstückhaft existiert. Zum anderen besteht nach der momentanen Rechtslage auch keinen Grund für einen Anlagenbetreiber ein solches Verfahren anzustrengen. Vor Abwehransprüchen ist er grundsätzlich nach den Vorgaben seiner eigenen Rechtsordnung geschützt. Die Anerkennung und Vollstreckung von stattgebenden ausländischen Unterlassungsurteilen braucht er aufgrund des inländischen ordre public nicht zu fürchten. Schadensersatzansprüche werden in der Regel auch nach seinem Heimatrecht trotz der Genehmigung gewährt. Schließlich würde eine formelle Anerkennung der ausländischen Genehmigung auch für die Zwecke ihrer Beachtlichkeit im zivilrechtlichen Haftungsprozess zu weit gehen. Es wäre nicht sicher und weiterhin fraglich, ob eine anerkannte ausländische Genehmigung den Tatbestand der inländischen Präklusionsvorschriften erfüllen könnte. Auch die Frage nach einer eventuell unterbliebenen Verfahrensbeteiligung der Grenznachbarn würde im Anerkennungsverfahren nicht gelöst werden können. Grundsätzlich kann eine Anerkennung zwar als Wirkungsgrund für den ausländischen Verwaltungsakt im Inland dienen, hierfür ist jedoch nicht zwingend ein besonderes förmliches Verfahren mit anschließendem Anerkennungsakt erforderlich.49 6. Anerkennung im Rahmen des Zivilprozesses a) Vorbemerkung Ein weiterer Ansatz ist es, zu prüfen, ob die ausländische Genehmigung im Inland nach den Grundsätzen der Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte und unter Hinzuziehung weiterer Voraussetzungen anerkannt werden kann. Dieser von verschiedenen Autoren verfolgte Lösungsansatz geht nicht von einer formellen Anerkennung der Genehmigung als ausländischer Verwaltungsakt aus, sondern versteht die „Anerkennung“ vielmehr als die verfahrensimplizite Beachtung der Genehmigung und ihrer Auswir49 König, S. 27: „Die rechtliche Beachtung eines ausländischen Verwaltungsaktes in einem Gerichtsprozess … stellt die Anerkennung des Aktes dar. Eine besondere Entscheidung über die Geltung … ist nicht wesentlich. Denn die Anerkennung ist ihrer Rechtsnatur nach eine Äußerung des staatlichen Willens. In welches Gewand das hoheitliche Handeln eingekleidet ist, hat auf jenen Begriff keinen Einfluss.“

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

kungen im Inland durch das erkennende Gericht für den anhängigen Umwelthaftungsprozess. Die Beachtung einer Anlagengenehmigung auf diese Weise ist nicht nach dem Internationalen Verwaltungsrecht ausgeschlossen. Auch bei der Frage nach der Anerkennung als ausländischer Hoheitsakt bleibt die Beachtung einer Genehmigung im Hinblick auf zivilrechtliche Ansprüche weiter „eine freie Entscheidung des Internationalen Privatrechts“.50 Die Befürworter einer Anerkennung nach den Grundsätzen des Internationalen Verwaltungsrechts schlagen eine dreistufige Vorgehensweise im Hinblick auf die Beachtlichkeit einer ausländischen Anlagengenehmigung bei der zivilrechtlichen Anspruchsprüfung vor.51 b) Vorfrage nach der ausländischen Genehmigung Zunächst wird im Rahmen einer Vorfrage geklärt, ob eine wirksame Genehmigung besteht, diese also nicht nichtig oder aufgehoben ist.52 Aufgrund des Territorialitätsprinzips richtet sich diese Prüfung nach dem Verwaltungsrecht des Erlassstaats. Die Überprüfungsbefugnis des angerufenen Gerichts ist hierbei auf die Feststellung beschränkt, dass die Genehmigung nicht nichtig oder bereits wieder aufgehoben worden ist.53 c) Teilfrage nach den privatrechtsgestaltenden Wirkungen Besteht eine wirksame Genehmigung, schließt sich nach der Ansicht Roßbachs und Lummerts eine kollisionsrechtliche Teilfrage nach den abstrakten Auswirkungen einer Anlagengenehmigung, also ihrer privatrechtsgestaltenden Wirkungen auf den vorliegenden Sachverhalt an.54 Es geht um die Frage, nach welchem Recht die etwaigen privatrechtsgestaltenden Wirkungen beurteilt werden. Eine Sonderanknüpfung der Teilfrage, die einen angemessenen kollisionsrechtlichen Interessenausgleich gefährden könnte, wird abgelehnt. Die international-privatrechtlichen Interessen der Beteiligten erfordern keine Sonderanknüpfung, was jedoch nach Roßbach nicht bedeuten soll, dass eine differenzierte Betrachtung im Einzelfall auf der dritten Stufe der Prüfung ausgeschlossen ist.55 Für den wahrscheinlichen Fall, dass das Recht am Erfolgsort als lex causae (in der Grundkonstellation dann auch gleichzeitig lex fori) zur Anwendung kommt, ist der Geschädigte hinreichend und erwartungsgemäß geschützt. Der Lösungs50

Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (272) mwN. Roßbach, S. 229 ff.; Lummert, NuR 1982, 241 (244). 52 Lummert, NuR 1982, 241 (244) mwN. 53 Roßbach, S. 230 f. mwN und ders., NJW 1988, 590 (592). 54 Roßbach, NJW 1988, 590 (593); ders., S. 231 ff.; Lummert, NuR 1982, 241 (244). 55 Roßbach, S. 232. 51

II. Wirkung ausländischer Verwaltungsakte im Inland

133

ansatz wehrt sich in erster Linie gegen die Sonderanknüpfung der Rechtswidrigkeit. Die Gerichte am Erfolgsort seien nicht daran interessiert, die Einheitlichkeit des Haftungssystems durch ausländische Tatbestandsmerkmale oder Rechtsfolgen zu gefährden. Bei der Bewertung der Interessen des Schädigers sei ferner zu beachten, dass nur bei Vorhersehbarkeit der Verletzungen an die Rechtsverletzungen am Erfolgsort angeknüpft wird. Wenn eine Genehmigung unter ausschließlicher Berücksichtigung inländischer Drittinteressen erteilt worden ist, verlässt der Schädiger bei Vorhersehbarkeit bewusst den räumlichen Schutzbereich seiner Rechtsordnung. Er kann also vernünftigerweise nicht auf deren Rechtsfolgen vertrauen.56 Verleiht die lex causae einer entsprechenden (inländischen) Genehmigung keine privatrechtsgestaltenden Wirkungen, die sich auf die geltend gemachten Ansprüche auswirken, erübrigt sich die weitere Prüfung der Beachtlichkeit der ausländischen Genehmigung. Würde eine entsprechende Genehmigung allerdings nach der lex causae anspruchspräkludierende Wirkungen entfalten, wird danach gefragt, ob die ausländische Genehmigung nach den Anerkennungsgrundsätzen für ausländische Hoheitsakte des Internationalen Verwaltungsrechts Beachtung finden kann.57 d) Anerkennung der Genehmigung durch das erkennende Gericht Wie bereits erwähnt, stehen hier weder das Territorialitätsprinzip noch die Anerkennungsfähigkeit der Genehmigung im Weg. Auch wenn man zwischen Hoheits- bzw. Verwaltungsakten, die hauptsächlich wirtschafts- und staatspolitische Ziele verfolgen, und solchen, die dem Schutz des Einzelnen oder einem angemessenen Interessenausgleich dienen, unterscheidet,58 ergibt sich, dass immissionsschutzrechtliche Genehmigungen schon aufgrund der damit verbundenen Beteiligungsrechte dem Schutz und dem Interessenausgleich Einzelner dienen, und sie deshalb grundsätzlich im Ausland anerkennungsfähig sind.59 Roßbach geht nach der grundsätzlichen Frage der Anerkennungsfähigkeit von folgenden weiteren Anerkennungsvoraussetzungen, die das erkennende Gericht zu prüfen hat, aus: Die erforderliche Genehmigung wird entsprechend der herrschenden Meinung nach der lex fori qualifiziert.60 Die ausländische Genehmigung sollte mit einer solchen „im Kern“ übereinstimmen, was bei den immissionsrechtlichen Genehmigungen der europäischen Industriestaaten in der Regel der Fall sein wird (lex fori-

56

Roßbach, S. 232 f. Roßbach, S. 235. 58 Vgl. BGHZ 31, 367 (371). 59 Roßbach, S. 236 f. mwN; Lummert, NuR 1982, 241 (244). 60 M.E. wohl besser nach der lex causae. 57

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

Qualifikation im weiteren Sinne61).62 Weiterhin muss die Genehmigung einen extraterritorialen Geltungswillen haben und im Erlassstaat privatrechtsgestaltende Wirkungen entfalten, da eine Wirkungserweiterung durch die Anerkennung nicht den Interessen der Parteien entspricht und nicht gewünscht sein kann. Dazu kommt der extraterritoriale Bezug der Genehmigung. Dieser wird unterstellt, es sei denn, die ausländische öffentlich-rechtliche Norm, auf der die Genehmigung beruht, enthält eine ausdrückliche territoriale Begrenzung.63 Das Vorliegen dieser drei Voraussetzungen wird in der Regel ohne besondere Prüfung schnell festgestellt werden können.64 Daran schließt sich die Prüfung des Anerkennungswillens der inländischen Rechtsordnung an. Dieser ist notwendig, da durch die Anerkennung dem ausländischen Hoheitsakt Rechtswirksamkeit im Inland verschafft wird. Dies bedeutet, dass die ausländische Genehmigung und insbesondere das konkrete Genehmigungsverfahren den Mindestanforderungen der Rechtsstaatlichkeit65 entsprechen muss. Leitlinie ist hierbei die Interessenabwägung, die auch einer inländischen Genehmigung zugrunde liegt.66 Im Ergebnis bedeutet dieses Erfordernis eine Prüfung des ordre public-Vorbehalts im Einzelfall. Entscheidende Bedeutung hat hierbei die Frage nach der Beteiligung der betroffenen Grenznachbarn im Genehmigungsverfahren.67 e) Kritik Nach diesem Ansatz wäre die Frage der Anerkennung eine kollisionsrechtliche Teilfrage, die unter Heranziehung der Regelungen für die Anerkennung ausländischer Hoheitsakte geprüft werden kann. Allerdings werden so kollisionsrechtliche Kategorien auf das Internationale Verwaltungsrecht

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Vgl. BGH, NJW 1967, S. 186 ff. Roßbach, NJW 1988, 590 (593). 63 Roßbach, S. 239 ff. 64 So auch Lummert, NuR 1982, 241 (244). 65 „… den im Anerkennungsstaat herrschenden tragenden Prinzipien …“, Roßbach, S. 242. 66 Roßbach, S. 241 f.; so auch Spickhoff, UTR 54 (2000), 385 (389 f.). 67 Roßbach, S. 243 f.; als er diesen Lösungsansatz 1979 entwickelte, wurden die ausländischen Grenznachbarn nicht an den Verfahren beteiligt, so dass eine Anerkennung regelmäßig an diesem Erfordernis (wegen einer Verletzung der Eigentumsgarantie und dem Anspruch auf rechtliches Gehör) scheitern musste. Konsequenterweise wendet Roßbach diese Vorgehensweise mit gleichem Ergebnis auch auf Fälle an, in denen das Recht des Handlungsorts berufen ist. So auch noch Roßbach, NJW 1988, 590 (593) sowie zu der Zeit auch verschiedene andere Autoren: vgl. Lummert, NuR 1982, 241 (244); Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, 3.A. (1979), Einl. IX, Rn. 1; MüKo-Sonnenberger, 1.A. (1963), Art. 12 EGBGB aF, Rn. 235. 62

II. Wirkung ausländischer Verwaltungsakte im Inland

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übertragen, was aufgrund der Charakterisierung als Sonderrecht der Hoheitsträger problematisch ist.68 Ferner wird gegen den Lösungsansatz vorgebracht, dass die Anerkennung eines ausländischen Hoheitsaktes auch nur zur öffentlich-rechtlichen Beachtung desselben führen könne und nicht zu seiner zivilrechtlichen Beachtung passe. Die Anerkennung der Genehmigung ist unnötig, da die privatrechtsgestaltenden Wirkungen nicht durch die Genehmigung selbst sondern durch ihr bloßes tatbestandliches Vorliegen ausgelöst werden.69 Es reicht also aus, die Existenz der Genehmigung nach dem Recht des Erlassstaats als tatbestandliches Datum – wie zum Beispiel auch beim klassischen Beispiel der Verkehrsregeln am Handlungsort – hinzunehmen.70 Insgesamt ist der Ansatz inkonsequent, da er die Unterschiede zwischen der international-öffentlich-rechtlichen Anerkennung eines Hoheitsaktes und der kollisionsrechtlichen Behandlung der privatrechtsgestaltenden Wirkung verwischt.71 7. EuGH zur Rechtsordnung des Euratom-Vertrages Mit der innerprozessualen Anerkennung oder vielmehr der Beachtlichkeit einer ausländischer behördlichen Genehmigung beschäftigt sich auch ein aktuelles EuGH-Urteil in einem Vorabentscheidungsverfahren.72 Dieses ist allerdings nicht zum international-zivilprozessrechtlichen oder international-privatrechtlichen Sekundärrecht73 ergangen, sondern im speziellen Bereich des Gemeinschaftsatomrechts. Ausgangsverfahren war eine Unterlassungsklage des Landes Oberösterreich gegen den tschechischen Kraftwerksbetreiber ýEZ betreffend das 50 km von der Grenze entfernte AKW Temlin. Die Kläger begründeten ihren Anspruch auf dem allgemeinen Immissionsschutzunterlassungsanspruch aus § 364 ABGB.74 Dagegen berief sich ýEZ auf die Präklusionsnorm § 364a ABGB,75 da für die Anlage eine Genehmigung der tschechischen Behörden bestand. Das mit der Sache befasste Landgericht Linz wandte sich mit der Frage an den EuGH, ob § 364a ABGB in seiner konkreten Anwendung durch die

68

Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (271 ff.); Weitbrecht, NVwZ 1986, 897. Wandt, VersR 1998, 529 (533); Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (272 und 297 mwN). 70 local data, siehe unten III.4. 71 Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (273) mwN. 72 EuGH, Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, EuZW 2010, 26. 73 Z.B. Brüssel I-Verordnung (EuGVVO) oder Rom II-Verordnung. 74 Siehe oben 3. Kapitel, II.3. 75 Siehe oben 6. Kapitel, IV.3.b.(3). 69

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

österreichische Rechtsprechung76 gegen die Grundfreiheiten des EGVertrags und das allgemeine Diskriminierungsverbot von Art. 12 EG verstößt. Ohne auf die Betroffenheit der Grundfreiheiten einzugehen,77 übertrug der EuGH den in Art. 12 EG verkörperten Grundgedanken der Nichtdiskriminierung im Gemeinschaftsrecht auf den Anwendungsbereich des Euratom-Vertrags,78 unter den auch die tschechische Genehmigung des AKW Temlin fällt.79 Im Ergebnis muss § 364a ABGB gemeinschaftsrechtskonform so angewendet werden, dass alle atomrechtlichen Genehmigungen, die entsprechend der Vorgaben eines gemeinschaftlichen Genehmigungssystems nach den Art. 30-39 EA und der Richtlinie 96/29/Euratom80 erlassen wurden,81 die Präklusionswirkung auslösen.82 Hervorzuheben ist, dass der EuGH ein gemeinschaftsrechtliches Genehmigungssystem83 festgestellt hat und dieses als eine Art Dachrecht für atomrechtliche Genehmigungen innerhalb der Europäischen Union anwen-

76

So legte das LG Linz in der Vorlagebegründung dar, dass nach der Rechtsprechung des OGH begriffsnotwendig nur österreichische Genehmigungen in den Genuss der Präklusionswirkung von § 364a ABGB kommen könnten. Allerdings können nach der Rechtsprechung des OGH auch ausländische Genehmigungen theoretisch die Wirkungen des § 364a ABGB auslösen, wenn im Verfahren zur Genehmigungserteilung effektive Beteiligungsmöglichkeiten für die betroffene inländische Bevölkerung bestanden haben und die entsprechende Anlage auch nach österreichischen Vorschriften genehmigt worden wäre (zuletzt OGH, Urteil 4.4.2006, Az. 1 Ob 5/06a); so auch der Vortrag der österreichischen Regierung. Vgl. EuGH, Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, Rn. 51 und 55, EuZW 2010, 26. 77 Die Grundfreiheiten wären m.E. bei konsequenter Anwendung von Art. 34 Nr. 1 EuGVVO nicht betroffen gewesen. Gerade der inländische ordre public-Vorbehalt ist ja der Grund für das Dilemma bei der Frage nach der Beachtlichkeit ausländischer Anlagegenehmigungen außerhalb des Atomrechts. Im äußersten Fall käme eine mittelbare Betroffenheit durch etwaige zivilprozessuale Zwangsmittel im Urteilsstaat in Frage. 78 EuGH, Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, Rn. 88 ff., EuZW 2010, 26. 79 EuGH, Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, Rn. 83., EuZW 2010, 26. 80 RL 96/29/Euratom des Rates v. 13.5.1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen, ABl. EU L 159 v. 29.6.1996, S. 1. 81 EuGH, Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, Rn. 112 ff., 118 ff., 135, EuZW 2010, 26. 82 Die Verletzung des Diskriminierungsverbots aus Art. 12 EG iVm dem EuratomVertrag kann nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Leib, Leben und Gesundheit der eigenen Bevölkerung begründet werden, da hier bereits ein ausreichender gemeinschaftsweiter Standard besteht; EuGH, Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, Rn. 108, 110, EuZW 2010, 26. 83 Zunächst beschränkt auf Aspekte des Gesundheitsschutzes; EuGH, Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, Rn. 105, EuZW 2010, 26.

II. Wirkung ausländischer Verwaltungsakte im Inland

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det,84 aus dem sich die verfahrens- und materiellrechtliche Gleichwertigkeit der Genehmigungen als Rechtfertigung für ihre Beachtlichkeit ableiten lässt. Dieser Lösungsansatz ist allerdings noch nicht verallgemeinerungsfähig, da er nicht nur die dicht regulierte Spezialmaterie des Atomrechts betrifft, für die international-privatrechtlich weitgehend Sonderregeln bestehen, sondern auch weil es selbst innerhalb der Europäischen Union keine anderen Industrien gibt, für die eine ähnlich konkrete Regelungsdichte besteht, aus der direkt ein Genehmigungssystem ableitbar wäre.85 8. Zusammenfassung Für grenzüberschreitende internationale Sachverhalte, die (auch) öffentlich-rechtliche Materien betreffen, wird das anwendbare Verwaltungsrecht nach den kollisionsrechtlichen Grundsätzen des Internationalen Verwaltungsrechts – meist auf Basis des Territorialitätsprinzips – bestimmt. Dieses Rechtsgebiet enthält die Grundsätze für eine offizielle Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte, wobei diese noch nicht ausgereift sind. Internationale Anerkennungspflichten sind in der Regel spezifisch in konkreten Staatsverträgen geregelt. Für immissionsschutzrechtliche Anlagengenehmigungen bestehen so gut wie keine derartigen Übereinkommen. Eine Ausnahme bildet der deutsch-österreichische Staatsvertrag hinsichtlich des Salzburger Flughafens. Grundsätzlich kommt eine formelle behördliche Anerkennung ausländischer Anlagengenehmigungen in Betracht. Eine solche ist aber nicht nur aufwändig, sondern auch unpraktikabel und aufgrund hoher Voraussetzungen oft nicht von Erfolg gekrönt. Sie geht ferner an der Fragestellung nach den privatrechtsgestaltenden Auswirkungen von Anlagengenehmigungen vorbei, da sie die Frage nach dem Bestehen einer Genehmigung im Sinne des berufenen Sachrechts nicht direkt beantwortet. Der unter Heranziehung der Anerkennungsgrundsätze des Internationalen Verwaltungsrechts entwickelte international-privatrechtliche Lösungsansatz von Roßbach sortiert die entscheidenden Fragen hinsichtlich der Beachtlichkeit von ausländischen Anlagengenehmigungen. Auch werden in diesem Zusammenhang die entscheidenden Voraussetzungen für eine Berücksichtigung im zivilrechtlichen Umwelthaftungsprozess aufgestellt. Allerdings ist der Ansatz dennoch aus rechtstechnischen Gründen abzuleh84

Mangels der Anwendbarkeit des Euratom-Vertrags auf Sachverhalte, die sich an EU-Außengrenzen abspielen, lassen sich solche Fälle nicht mit dem Ansatz des EuGH lösen. 85 Die Grundvorgehensweise des EuGH ähnelt allerdings derjenigen, die auch für den eigenen Lösungsansatz im Rahmen dieser Arbeit entwickelt wird. Siehe unten 10. und 11. Kapitel.

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

nen, da hier die Materien des Internationalen Privatrechts und des Internationalen Öffentlichen Rechts vermischt werden. Der neue Ansatz, den der EuGH im Bezug auf atomrechtliche Genehmigungen in der Oberösterreich ./. ýEZ -Entscheidung entwickelt hat, greift auf ein übergeordnetes, supranationales Genehmigungssystem zurück. Dies gilt zwar nur begrenzt auf die Spezialmaterie des Gemeinschaftsatomrechts, ähnelt aber in Teilen dem hier entwickelten sachlich und territorial allgemeingültigen eigenen Lösungsansatz.

III. International-privatrechtliche Lösungsansätze 1. Einleitung Die Frage nach der Beachtlichkeit von ausländischen Anlagengenehmigungen und ihrer privatrechtsgestaltenden Wirkungen stellt sich bei der Geltendmachung von zivilrechtlichen Abwehr- und Umwelthaftungsansprüchen. Sie tritt bei grenzüberschreitenden Sachverhalten auf, insbesondere wenn das Erfolgsortsrecht anwendbar ist. Eine Lösung im Wege des Internationalen Privatrechts bietet sich an. Neben der bisherigen Herangehensweise der deutschen Rechtsprechung, ausländische Hoheitsakte unter Berufung auf das Territorialitätsprinzip generell nicht zu beachten, und einer vorherigen Anerkennung der ausländische Genehmigung durch die inländische Rechtsordnung über das Internationale Verwaltungsrecht werden weitere Lösungswege für die Problematik vorgeschlagen. Diese sind allerdings nicht alle rein im Internationalen Privatrecht verwurzelt, sondern basieren zum Teil auch auf völkerrechtlichen Prinzipien. Im Folgenden werden die bisherigen Lösungsansätze vorgestellt. Sie wurden ebenso wie die im vorherigen Abschnitt dargestellten allesamt vor der Rom II-Verordnung und den konkreten Beratungen hierzu entwickelt – mit Ausnahme der unter 10. dargestellten Diskussion um Art. 17 Rom IIVO. 2. Individuelle Staatsverträge Die Berücksichtigung, bzw. Anerkennung ausländischer Anlagengenehmigungen und ihrer privatrechtsgestaltenden Wirkungen kann durch Staatsverträge zwischen Grenznachbarn erfolgen. Eine völkervertragliche Regelung ist allgemein zwischen den beteiligten Staaten, insbesondere aber auch für konkrete Gebiete oder Anlagen möglich. Eine allgemeine Regelung kann allerdings auf verschiedene rechtliche und auch politische Hindernisse stoßen, so dass es derartige generelle staatsvertragliche Rege-

III. International-privatrechtliche Lösungsansätze

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lungen bislang noch nicht gibt. Aber auch konkrete Staatsverträge sind eher die Ausnahme. Das einzig bekannte Beispiel für den europäischen Raum ist der anschauliche Salzburger Flughafenfall86 und der diesem zugrundeliegende Staatsvertrag zwischen Österreich und Deutschland in Bezug auf Lärmbeeinträchtigungen.87 Durch diesen Staatsvertrag wird der österreichischen Betriebsgenehmigung für den Flughafen die privatrechtsgestaltende Wirkung von deutschen Genehmigungen gemäß § 11 LuftVG und § 14 BImSchG zuteil, da diese Normen für entsprechend anwendbar erklärt werden. Damit werden die immissionsschutzrechtlichen Abwehransprüche der deutschen Nachbarn ausgeschlossen.88 Diese Beschneidung der aus dem Grundstückseigentum erwachsenden Abwehransprüche war Gegenstand einer konkreten Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 GG) vor dem BVerfG, das diese Regelung jedoch als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG für verfassungsgemäß hielt.89 Das Urteil des BVerfG und auch der konkrete Staatsvertrag waren vermehrter Kritik ausgesetzt.90 Das vermehrt als sichere Lösung zur 86

Der Flughafen Salzburg liegt so nah an der deutsch-österreichischen Grenze, dass die Einflugschneise unter anderem direkt über Teile der bayrischen Grenzstadt Freilassing geht. In diesen Bereichen wird aufgrund des Anflugwinkels auf den Flughafen die vom deutschen LuftVG (§ 6) vorgeschriebene Mindestflughöhe, die unter anderem auch dem Lärmimmissionsschutz dient, deutlich unterschritten. Der Flughafen war nach österreichischem Luftverkehrsrecht genehmigt. Die klagenden Anwohner verlangten die Unterlassung des Flugbetriebes über ihre Grundstücke, bzw. die entsprechende Abänderung der Flugrouten, da das Überfliegen in derart niedriger Höhe unzumutbar belästigend sei und eine Gesundheitsgefährdung darstelle. Die Kläger waren am Genehmigungsverfahren weder beteiligt noch standen ihnen Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Genehmigung zu. Siehe LG Traunstein, Urteil v. 16.4.1975, IPRspr 1976, 92; OLG München, Urteil v. 29.1.1976, IPRspr 1976, 93; BGH, Urteil v. 10.3.1978, DVBl. 1979, 226; sowie Nassr-Esfahani, S. 36 f. und 47 ff. 87 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die Auswirkungen der Anlage und des Betriebes des Flughafens Salzburg auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland v. 19.12.1967; BGBl. 1974 II 13, 783. Siehe zu den Einzelheiten des Vertrages Nassr-Esfahani, S. 37 ff. 88 Diese Vorschrift des Staatsvertrages wurde in dem Verfahren als verfassungswidrig angegriffen. Während das LG Traunstein (Urteil v. 16.4.1975, IPRspr 1976, 92) als Eingangsinstanz die Vorschrift noch für verfassungsmäßig erachtete, sah der BGH (Vorlagebeschluss v. 10.3.1978, DVBl. 1979, 226) in der Vorschrift eine Administrativenteignung ohne Rechtsschutzmöglichkeit, die gegen Art. 14, 19 Abs. 4 GG und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verstieße. 89 BVerfG, Beschluss v. 12.3.1986, NJW 1986, 2188 = BVerfGE 72, 66. Im Einzelnen zu dem Beschluss Nassr-Esfahani, S. 38 ff.; Weitbrecht, NVwZ 1986, 897. 90 Im Wesentlichen wird eingewandt, dass weder die Rechtsstellung der deutschen Grenznachbarn im Gegensatz zu der Argumentation des BVerfG verbessert werde, noch durch den Vertrag ein höheres Maß an Rechtssicherheit geschaffen werde oder irgendein

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

Lösung der Problematik betrachtete Modell des Staatsvertrages wird teilweise auch als wirkungslos angesehen.91 Zwar seien Staatsverträge von der Beschaffenheit wie der für den Betrieb des Salzburger Flughafens geeignet, effektiven grenzüberschreitenden Bestandsschutz für die Betreiber von derartigen Anlagen zu schaffen, den Immissionsschutzinteressen der betroffenen Grenzbevölkerung dienten sie jedoch in keiner Weise.92 Es werde gerade kein angemessener Interessenausgleich im Sinne der Zielsetzungen des Internationalen Deliktsrechts erreicht. Im konkreten Fall beruhte diese praktische Wirkungslosigkeit allerdings auch darauf, dass der Staatsvertrag erst geschlossen wurde, nachdem bereits Tatsachen hinsichtlich des Betriebes des Flughafens geschaffen worden waren.93 Staatsverträge sind zwar grundsätzlich geeignet, die Problematik der Beachtlichkeit ausländischer Genehmigungen zu lösen, es müssen allerdings gewisse Anforderungen an sie gestellt werden, damit sie auch einem angemessenen Interessenausgleich zwischen Anlagenbetreibern und potentiell Betroffenen dienen und die verfassungsrechtlichen Positionen der Beteiligten berücksichtigen. Staatsverträge für konkrete Anlagen dürfen nicht nur der Feststellung vollendeter Tatsachen dienen, da sie sonst wirkungslos werden. Auch sollte in solchen Verträgen sichergestellt sein, dass die Beteiligung der ausländischen Grenznachbarn für eine Berücksichtigung ausländischer Genehmigungen erforderlich ist. Das Schließen konkreter Staatsverträge für jede Errichtung von Industrieanlagen in Grenzregionen, deren Emissionen sich grenzüberschreitend auswirken könnten, ist aufwändig. In den meisten Fällen würde ein derartiges Vorgehen schlichtweg nicht im Verhältnis stehen, gerade wenn es sich um kleinere Anlagen handelt, die nicht die politische und wirtschaftliche Bedeutung eines internationalen Flughafens haben. Außerdem ist der Abschluss von Staatsverträgen nicht nur kompliziert sondern die getroffenen Regelungen sind auch nicht übermäßig flexibel und können im Nachhinein kaum noch angepasst werden. So kann auf veränderte tatsächliche Bedingungen aber auch auf Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen nicht reagiert werden. 3. Sonderanknüpfung der Rechtswidrigkeit Als weiterer Ansatz wurde diskutiert, die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens als Teilfrage vom Deliktsstatut abzuspalten. Diese sollte dann im Wege einer Sonderanknüpfung dem Recht des Handlungsorts, konkreter Schutz der Grenzbewohner erzeugt werde; Nassr-Esfahani, S. 49 ff.; Küppers, DVBl. 1979, 229; ders. ZRP 1976, 260 (264 f.). 91 Nassr-Esfahani, S. 51 f. 92 Nassr-Esfahani, S. 52; Küppers, ZRP 1976, 260 (264). 93 Nassr-Esfahani, S. 52.

III. International-privatrechtliche Lösungsansätze

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also dem Recht, nach dem auch die Genehmigung erteilt worden ist, unterstellt werden.94 Nach dieser Methode wäre dann die Genehmigung grundsätzlich mit den Wirkungen, die ihr die öffentlich-rechtlichen Normen des Erlassstaats zuweisen, zu berücksichtigen. Die Durchführung der Sonderanknüpfung wird weiter an die Voraussetzung geknüpft, dass der Geschädigte die gleichen prozessualen Rechte und Möglichkeiten, insbesondere Beteiligungsrechte, wie ein entsprechender Ausländer gehabt hat. Der Lösungsansatz dehnt allerdings unzulässigerweise den „Kompetenzbereich der Vorfrage“ aus und vermengt so zwei selbständige Fragen, indem nicht nur die Existenz einer Genehmigung im Rahmen einer Teilfrage festgestellt wird, sondern auch deren Wirkungen.95 Auch wird eine unnatürliche und schwer zu rechtfertigende Zerlegung der Anknüpfung der Haftungsvoraussetzungen bewirkt. Diese Lösung bevorzugt den Schädiger unangemessen. Eine solch formale Betrachtungsweise trägt nur seinem Vertrauen auf die erlangte Genehmigung Rechnung, nicht aber den Interessen des Geschädigten. Aus umweltschutzrechtlicher Sicht ist ferner zu bemängeln, dass der Ansatz dem jeweils schwächsten Umweltschutzstandard zur Geltung verhilft. Der Lösungsansatz wird deshalb von der Literatur abgelehnt.96 4. Völkerrechtliche Ansätze a) Allgemeines Eine völkerrechtliche Bindung an ausländische Anlagengenehmigungen gibt es nicht. Als Auswirkung des Souveränitätsprinzips sind Staaten grundsätzlich nicht an ausländische Hoheitsakte gebunden.97 Es ist zwar eine völkerrechtliche Duldungspflicht hinsichtlich aus dem Ausland stammender Immissionen vorstellbar, wenn die völkerrechtlichen Grenzen des Internationalen Nachbarrechts98 eingehalten worden sind und der Nachbarstaat keinen unzulässigen Immissionen ausgesetzt wird.99 Daraus lässt sich aber freilich keine entsprechende privatrechtliche Duldungspflicht ableiten. Die Fragestellungen, Subjekte und Ziele von Völkerrecht und (Internationalem) Privatrecht sind zu verschieden und stehen einer Übernahme einer eventuellen Duldungspflicht im Wege. Das Völkerrecht dient in 94

Böhmer, S. 113 und 123 jedoch in anderem Zusammenhang und nicht ausdrücklich zu Anlagengenehmigungen; vgl. Roßbach, S. 227. 95 So schon Roßbach, S. 228; Kadner Graziano, Gemeineuropäisches IPR, S. 257. 96 Hager, RabelsZ 53 (1989), 293 (303); Stoll in: v. Caemmerer (Hrsg.), S. 171 ff.; Roßbach, S. 228. 97 BVerwGE 75, 285. 98 Siehe dazu im Folgenden die Lösungsansätze von Fröhler/Zehetner, Siehr und Hager sowie der Rechtsbank Rotterdam. 99 Rest, UPR 1982, 358 (367).

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

diesem Zusammenhang der Bestimmung der Grenzen staatlicher Rechtsmacht, während das Internationale Privatrecht die für einen Sachverhalt angemessenste Rechtsordnung und einen Interessenausgleich zwischen den Beteiligten finden will.100 Der privatrechtliche Konflikt entsteht erst dadurch, dass der Staat die Umweltbeeinträchtigungen nicht schon auf völkerrechtlicher Ebene abwehren kann.101 Aufgrund von Völkerrechtssätzen müssen also ausländische Anlagengenehmigungen nicht beachtet werden, so wie inländische Genehmigungen auf dieser Grundlage auch keine Beachtung im Ausland finden müssen. Ferner gibt es kein völkerrechtliches Verbot, Unterlassungsurteile gegen ausländische Betreiber und ihre im Ausland befindlichen Anlagen zu fällen.102 Die Fragen, ob und wie solche Urteile dann Beachtung, Anerkennung und eventuell sogar eine Vollstreckbarkeitserklärung im Ausland erhalten können, gehören zum Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht. b) Prinzip der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität Grundlegend für einen Lösungsansatz, der sich völkerrechtlicher Grundsätze bedient, ist das völkernachbarrechtliche Prinzip der beschränkten territorialen Integrität.103 Jeder ist Staat innerhalb der Grenzen seines

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Nassr-Esfahani, S. 109; Kropholler, IPR, § 8 I. Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (270). 102 OLG Linz, JBl. 1987, 577 (578). 103 Fröhler/Zehetner, S. 72 stellen hierzu den Grundsatz auf, dass kein Staat auf seinem Staatsgebiet Aktivitäten vornehmen, fördern oder dulden darf, die auf dem Gebiet des Nachbarstaates nicht unerhebliche und nicht übliche Schäden verursachen; so auch Rest, UPR 1982, 358 (359). In diesem Sinne lautete auch die Begründung des Schiedsspruchs im so genannten Trail-Smelter-Fall, der sich zwischen Kanada als Schädigerstaat und den Vereinigten Staaten als Geschädigtenstaat 1941 abspielte. In der kanadischen Stadt Trail (Provinz British Columbia) stand ein Schmelzwerk, in dem Erze verarbeitet wurden. In den Erzen war Schwefel enthalten, das bei der Einschmelzung der Erze als Schwefeldioxid an die Atmosphäre abgegeben wurde. Aufgrund der physikalischen und meteorologischen Gegebenheiten in der Gegend wurden die Schwefeldioxidwolken Richtung Süden über die amerikanisch- kanadische Grenze hinausgetragen. Dadurch entstanden große Schäden im amerikanischen Staat Washington, insbesondere an der Ernte, den Wäldern und Weiden, dem Viehbestand und an den Gebäuden. 1935 trafen Kanada und die Vereinigten Staaten Vereinbarung über die Einsetzung eines Schiedsgerichts, um eine dauerhafte Lösung des Problems zu finden. Es ergingen zwei Schiedsgerichtsentscheidungen am 16. April 1938 und am 11. März 1941. Kanada wurde jeweils zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt. Zur Staatenverantwortlichkeit bei grenzüberschreitender Umweltverschmutzung führt das Schiedsgericht aus: „... under the principles of international law, as well as of the law of the United States, no state has the right to use or permit the use of its territory in such a manner as to cause injury by fume in or to the 101

III. International-privatrechtliche Lösungsansätze

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Gebiets in seiner Handlungsweise grundsätzlich frei, da jeder andere Staat verpflichtet ist, die territoriale Integrität genauso zu achten, wie er diese Achtung selbst erwartet.104 Kein Staat hat folglich das Recht, auf das Gebiet eines Nachbarstaates einzuwirken oder dies von seinem Territorium aus zu erlauben. Basierend auf dem Grundsatz sic utere tuo iure ut alienum non laedas105 wird die territoriale Integrität insoweit eingeschränkt, dass nur unwesentliche Beeinträchtigungen, die in Folge rechtmäßiger Ausübung der Hoheitsrechte entstehen und keine erheblichen Interessen des Nachbarstaats betreffen, geduldet werden müssen.106 Dies ist notwendig, um der gerade in dicht besiedelten Regionen bestehenden Interessenverflechtungen zwischen den einzelnen Staaten Rechnung tragen zu können. Gerade in Belangen der Umwelt können Staatsgrenzen die physische Einheit von Boden, Gewässern und Luftströmungen nicht trennen, so dass ein zwischenstaatlicher Interessenausgleich notwendig ist.107 Das Prinzip der beschränkten territorialen Integrität basiert somit auf den tatsächlichen Umweltgegebenheiten und rechtlich auf dem Gebot der Rücksichtnahme aus dem Völkernachbarrecht. Allerdings betrifft dieser völkerrechtliche Grundsatz nach Fröhler/Zehetner nur eine rein völkerrechtliche Haftung zwischen Staaten und wirkt sich unmittelbar nicht auf Ansprüche Privater aus, die sich vor den Zivilgerichten gegen Private im Nachbarstaat wenden, die völkerrechtskonforme grenzüberschreitende Immissionen verursachen.108 Rest geht allerdings davon aus, dass sich das Völkerrecht mittelbar über die privatrechtsgestaltenden Wirkungen einer Genehmigung als Rechtfertigungsgrund auf das Zivilrecht auswirken könne.109 Das völkerrechtliche Prinzip der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität bewirke auf privatrechtlicher Ebene eine völkerrechtliche Duldungspflicht, zumindest die völkerrechtlich erlaubten Umweltbeeinträchtigungen zu akzeptieren. So werde eine Synchronisation der völkerrechtlichen Nachbarregelungen und des Privatrechts erreicht. Diese Lösung sei auch trotz der Unbestimmtheit des Völkernachbarrechts und insbesondere der „Erheblichkeit“ einer Immission praktikabel, da die Unbestimmtheit durch eine Beweislastumkehr entschärft werden könne. Die Beweislast dafür, dass

territory of another or the properties or persons therein, when the case is of serious consequence and the injury is established by clear and convincing evidence.“ 104 Moser, ÖJZ 1987, 97 (99) mwN. 105 Jeder Staat ist verpflichtet, seine Hoheitsgewalt und sein Hoheitsgebiet so zu gebrauchen, dass er fremde Souveränitätsrechte nicht verletzt. 106 Fröhler/Zehetner, S. 72 f.; G. Bornheim, S. 128 f. 107 Fröhler/Zehetner, S. 73 ff.; Moser, ÖJZ 1987, 97 (99). 108 Fröhler/Zehetner, S. 78. 109 Rest, UPR 1982, 358 (365).

144

7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

eine Beeinträchtigung unerheblich und somit zulässig und unschädlich ist, läge dann beim Genehmigungsstaat.110 Die Schwierigkeiten mit diesem Ansatz liegen aber dennoch in den nicht greifbaren Kriterien. Auch mit einer Beweislastumkehr, die sich unter anderem gegen den Anlagenbetreiber und nicht gegen den Genehmigungsstaat richten sollte, können keine konkreten Feststellungen getroffen werden, die für die Lösung eines privaten Interessenkonflikts ausreichten.111 Es ist auch nicht ersichtlich, womit sich eine Beweislastumkehr über die allgemeinen Regeln hinaus in diesem Zusammenhang rechtfertigen ließe. Die Immissionen, um deren Erheblichkeit es geht, treten schließlich beim geschädigten Kläger auf. c) Nichtbeachtung völkerrechtswidriger Hoheitsakte Siehr begründet eine völkerrechtliche Betrachtungsweise des Problems, abgelöst von der Frage nach der Anerkennung ausländischer Hoheitsakte und dem Territorialitätsprinzip.112 Grundsätzlich seien ausländische Genehmigungen anzuerkennen, wenn die inländischen Beteiligten im Genehmigungsverfahren gehört worden seien und eine entsprechende Genehmigung auch im Inland hätte erteilt werden dürfen. Bestand keine Anhörungsmöglichkeit oder besteht ein Gefälle zwischen den Umweltschutzstandards könne die ausländische Genehmigung keine extraterritoriale Wirkung entfalten. Dieses Ergebnis ließe sich über eine völkerrechtliche Argumentation mit Grundsätzen des Völkergewohnheitsrechts und dem internationalen Nachbarrecht erreichen.113 Völkerrechtswidrige Hoheitsakte entfalteten keine Wirkung im Ausland, wenn sie dortige Interessen verletzen. Eine solche völkerrechtliche Argumentation erschwere es dann einem ausländischen Staat, eine inländische Gerichtsentscheidung unter Berufung auf den ordre public nicht anzuerkennen. Der Ansatz greift entscheidende Voraussetzungen – die grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung114 und ein Vergleichbarkeitskriterium115 – für eine Berücksichtigung ausländischer Genehmigungen auf. Allerdings wird die Schwelle der Vergleichbarkeit der einschlägigen Genehmigungen sehr hoch angesetzt und es ist nicht klar, auf welche Weise

110

Rest, UPR 1982, 358 (367). So schon Nassr-Esfahani, S. 66. 112 Siehr, RabelsZ 45 (1981), 377 (385 ff.). 113 Siehr, RabelsZ 45 (1981), 377 (388 f.). 114 Zur zwingenden Erforderlichkeit einer konkreten grenzüberschreitenden Beteiligungsmöglichkeit im Rahmen des eigenen Lösungsansatzes siehe unten 10. Kapitel. 115 Zu der Diskussion um die Erforderlichkeit eines Vergleichbarkeitskriteriums im Rahmen des eigenen Lösungsansatzes siehe unten 11. Kapitel, I. 111

III. International-privatrechtliche Lösungsansätze

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eine hinreichende Konkretisierung des Völkernachbarrechts gelingen soll und welche Grundsätze hierfür überhaupt herangezogen werden sollen. d) Lehre von der Sonderanknüpfung ausländischer Eingriffsnormen Hager hat einen völkerrechtlichen Lösungsansatz basierend auf einer Übertragung der Lehre von der Sonderanknüpfung ausländischer Eingriffsnormen im Wege der richterrechtlichen Rechtsfortbildung entwickelt.116 Auch ausländische Anlagengenehmigungen verfolgten ordnungspolitische Zielsetzungen von erheblichem Gewicht. Eine Sonderanknüpfung der ausländischen Genehmigung käme dann in Frage, wenn sie einen extraterritorialen Wirkungsbereich hätte, eine enge Verbindung zwischen dem Sachverhalt und der Genehmigung besteht,117 und sie nach einer inhaltlichen Kontrolle den übergeordneten völkerrechtlichen Prinzipien entspräche. Die Sonderknüpfung führe dann dazu, dass sich die privatrechtsgestaltenden Wirkungen, die sich an die Genehmigung knüpfen, nach dem Recht des Genehmigungsstaats richteten. Dieser Ansatz unterstellt die Sachverhalte, in denen die Auswirkungen einer Anlagengenehmigung fraglich sind, den Prinzipien des Völkerumweltrechts und des Völkernachbarrechts als „Dachrecht“.118 So wie es von Gerichten in Mehrrechtsstaaten praktiziert wird, die in vergleichbaren Konstellationen zum Ausgleich zwischen den Interessen der Geschädigten und dem schädigenden Genehmigungsinhaber das Bundesrecht heranziehen, sei ein übergeordnetes, für die betroffenen Staaten gemeinsam geltendes Recht vonnöten. Dies könne auf internationaler Ebene das Völkerrecht leisten, welches eine in allen Staaten geltende Rechtsordnung sei119 und mit Blick auf das Umwelt- und Nachbarrecht Prinzipien bereithalte. Hierzu gehörten die gleichberechtigte Beteiligungsmöglichkeit im Genehmigungsverfahren der Geschädigten (Ausdruck des völkerfreundlichen Verhaltens), die Völkerrechtsregeln zum internationalen Umweltschutz (Grundsatz der guten Nachbarschaft, Gegenseitigkeit) und das internationale Nachbarrecht (Prinzip der beschränkten Souveränität und Integrität, Schadensvermeidungsgebot, Gebot der fairen Aufteilung und Nutzung der Umweltressourcen).120 Gegen die Sonderanknüpfung der Genehmigung als Eingriffsnorm spricht allerdings, dass die Genehmigung selbst der falsche Bezugspunkt 116 117

Hager, RabelsZ 53 (1989), 293 (306 ff.). Diese ersten beiden Voraussetzungen sollten in der Regel unproblematisch erfüllt

sein. 118

Hager, RabelsZ 53 (1989), 293 (311). So auch ein Ansatz der Rechtsbank Rotterdam im Urteil zum Rheinversalzungsprozess v. 16.12.1983, Zwischenurteil v. 8.1.1979, Nr. 15. 120 Hager, RabelsZ 53 (1989), 293 (313 ff.). 119

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

ist, da der ordnungspolitische Eingriff von den entsprechenden Präklusionsvorschriften ausgeht und nicht von der Genehmigung selbst.121 Gegen das Heranziehen von Kriterien aus dem Völkerrecht spricht weiterhin, dass die Regeln des Nachbarvölkerrechts nicht konkret oder streng genug sind und sich nicht für zivilrechtliche Entscheidungen eignen.122 Allerdings lassen sich in diesem Zusammenhang aufbauend auf dem Ansatz Hagers, der auf die umweltrechtlichen und nachbarrechtlichen Regeln einer übergeordneten Rechtsordnung zurückgreift, die europarechtlichen Regelungen zum Umwelt- und Nachbarrecht heranziehen. Diese sind teilweise deutlich konkreter als die völkerrechtlichen Prinzipien.123 Gerade unter Anwendung der international-privatrechtlichen Normen der Rom IIVerordnung rücken die europarechtlichen Regelungen mit in den Mittelpunkt. In Verbindung mit den Umsetzungen der insbesondere für das Verfahrensrecht bedeutsamen UNECE-Umweltschutzübereinkommen124 lassen sich diese Regeln für einen auf der Rom II-Verordnung basierenden Lösungsansatz heranziehen. 5. Tatbestandswirkung ausländischer Genehmigungen – Datumtheorie Bei Auslandssachverhalten125 ist es im Internationalen Privatrecht allgemein anerkannt, dass in gewissen Situationen ausländische Rechtssätze als Tatsachen berücksichtigt werden können, um den ausländischen Gegebenheiten bei der Konkretisierung und der Ausfüllung der Tatbestandsmerkmale inländischer Normen Rechnung zu tragen. Den ausländischen Rechtsfiguren kommt Tatbestandswirkung zu, so dass sie im Gegensatz zur kollisionsrechtlichen Verweisung das inländische Recht lediglich modifizieren können.126 Dieser Gedanke liegt der sogenannten Datumtheorie, bei der – in der Regel ausländische – Rechtssätze als Faktum behandelt werden, zugrunde.127 Der Ansatz wird von einigen Autoren128 für die Frage nach 121

Wandt, SZIER 1997, 147 (166) = VersR 1998, 529 (535). v. Bar, Hague Recueil des Cours 268 (1997), 295 (391); Staudinger-Stoll, 13. Bearb. (1996), IntSachR, Rn. 230. 123 Z.B. Richtlinie des Rates v. 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG), geändert durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates v. 3.3.1997 und durch Richtlinie 2003/35/EG des Rates v. 26.5.2003 (UVP-Richtlinie); siehe für weitere umweltrechtliche Richtlinien unten 10. Kapitel, III.2.c./3.c. und 11. Kapitel, I.4. 124 Siehe unten 10. Kapitel, III. und 11. Kapitel, III. 125 Teile eines Sachverhalts haben sich mit Blick auf die lex causae im Ausland zugetragen; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 1, Rn. 129. 126 v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 1, Rn. 129; MüKo-Sonnenberger, 5.A. (2010), Einl. IPR, Rn. 7 und 609. 127 Diese wiederum basiert auf der von Ehrenzweig entwickelten lex fori-Theorie, die unter anderem zur Erreichung eines möglichst umfassenden internationalen Entschei122

III. International-privatrechtliche Lösungsansätze

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der Beachtlichkeit von ausländischen Anlagengenehmigungen herangezogen. Der Lösungsansatz geht davon aus, dass die Genehmigung im Rahmen des Internationalen Privatrechts als datum, also als Element des Sachverhalts hingenommen werden kann. Es handelt sich dabei nicht um eine Sonderanknüpfung, da die Vorschriften nur auf materiellrechtlicher Ebene als Teil des Sachverhalts gewertet werden.129 In diesem Sinne zu beachten sind sowohl Sicherheitsund Verhaltensregeln, die auf Rechtsnormen basieren, als auch solche, die von der Rechtsprechung entwickelt wurden oder rein tatsächlich am Tatort befolgt werden.130 Der wichtigste Anwendungsbereich der Behandlung ausländischer Rechtssätze als Sachverhaltselemente sind ausländische Verkehrsregeln. Diese spielen oft als Tatbestandsmerkmal zum Beispiel bei Straßenverkehrsunfällen im Ausland eine Rolle, wenn inländisches Recht zum Beispiel aufgrund der Auflockerungsregel der Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zur Anwendung kommt. Mit den ausländischen Verkehrsregeln werden offene Tatbestandsmerkmale der Haftungsnormen des anwendbaren Deliktsstatuts ausgefüllt, was bei einem rein inländischen Tatort durch inländische Verhaltensnormen geschehen würde.131 Auch außerhalb der Auflockerungsregel ist die Beachtung einer Tatbestandswirkung ausländischer Rechtsfiguren anerkannt. Zum Beispiel können Sicherheitsvorschriften, die am Handlungsort gegolten haben, im Produkthaftungsrecht faktische Berücksichtigung finden, wenn das Erfolgsortsrecht anwendbar ist.132 Ähnlich ist auch die Vorgehensweise bei den Eingriffsnormen im Internationalen Vertragsrecht – zum Beispiel nach

dungseinklangs davon ausgeht, dass für jeden Sachverhalt jeweils nur ein Gerichtsstand offenstehen sollte (Beschränkung der Gerichtsstände) und dieses Forum dann auch nur sein eigenes Recht anwenden sollte (lex fori in foro proprio). Ausnahmen hiervon sollten für ausländische Rechtssätze gemacht werden, die einem Sachverhalt tatsachengleich zugrunde liegen, die so genannten local data; Ehrenzweig, A Treatise on the Conflict of Laws, S. 549. 128 Jayme in: Nicklisch, S. 216, Staudinger-Stoll, 13. Bearb. (1996), IntSachR, Rn. 240, Kadner Graziano, Gemeineuropäisches IPR, S. 257; zuletzt Freigang, S. 290 f., die allerdings die reine Datumtheorie mit den weiteren Voraussetzungen der Verfahrensbeteiligung, Vergleichbarkeit und Umweltvölkerrechtsmäßigkeit erweitert. 129 Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Vor Art. 40 EGBGB, Rn. 57. 130 Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Vor Art. 40 EGBGB, Rn. 58; Stoll in v. Caemmerer (Hrsg.), S. 160 (162). 131 Palandt-Thorn, 70.A. (2011), Art. 4 Rom II-VO, Rn. 15 und Art. 17 Rom II-VO, Rn. 1; Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Vor Art. 40 EGBGB, Rn. 56 mwN. 132 Siehe nur Art. 9 Haager Übereinkommen über das auf die Produkthaftung anwendbare Recht v. 2.10.1973; sowie Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 81, 90, 103 jeweils mwN.

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

Art. 7 EVÜ bzw. Art. 34 EGBGB –, wo ausländische Rechtssätze zu faktischen Rechtshindernissen führen können.133 In Bezug auf umweltrechtliche Anlagengenehmigungen soll die Datumtheorie bei den inländischen Sachnormen, wie zum Beispiel Art. 14 BImSchG oder § 364a ABGB, ansetzen und fragen, ob das Tatbestandsmerkmal der Genehmigung auch durch die konkrete ausländische Genehmigung ausgefüllt werden kann. Die bloße Existenz einer ausländischen Anlagengenehmigung lässt sich ohne weiteres als datum einordnen. Dies gilt allerdings nicht für ihre eventuellen privatrechtsgestaltenden Folgen, die sich erst in Verbindung mit den entsprechenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben und auch erst von diesen als Rechtswirkungen ausgehen. Hier setzt ein Teil der Kritik an diesem Lösungsansatz an.134 Allerdings werden die Verhaltensstandards und -pflichten am Ort des Anlagenbetriebes in der Regel erst durch die Genehmigung konkretisiert und richtig definiert, so dass sie zumindest so als Sachverhaltselemente akzeptiert werden können. Die Frage nach den rechtlichen Auswirkungen stellt sich außerdem erst später und hat auch für die Frage nach der grundsätzlichen Behandlung von Anlagengenehmigungen als Sicherheitsund Verhaltensregeln keine weitere Bedeutung. Für die Beachtung ausländischer Genehmigungen nach der Datumtheorie bzw. nach den Tatbestandswirkungen der Verhaltensnormen am Handlungsort, werden allerdings noch weitere Voraussetzungen aufgestellt, um die Rechtsstaatlichkeit und einen angemessenen Interessenausgleich zu sichern. Jayme wendet die Datumtheorie mit einem zusätzlichen Vergleichbarkeitskriterium als Korrektiv an.135 Generell stellt er für die Berücksichtigung ausländischer Rechtsfiguren die folgenden Voraussetzungen auf: Zunächst müsse die betreffende Sachnorm überhaupt auf ausländische Sachverhalte anwendbar sein, zweitens müsse der verwirklichte Genehmigungstatbestand mit dem entsprechenden materiellen inländischen Standard vergleichbar sein.136 Für die Berücksichtigung einer Anlagengenehmigung solle ein funktionaler Vergleich zwischen einer entsprechenden inländischen Genehmigung und der ausländischen durchgeführt werden. Entscheidend sei bei dieser Vorgehensweise, dass die ausländischen Grenznachbarn am Genehmigungsverfahren beteiligt worden seien.137

133

Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (274) mwN. Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (274). 135 Jayme in: Nicklisch, S. 216 f. 136 Jayme in: GS Ehrenzweig, S. 43. 137 Jayme in: Nicklisch, S. 217 und Fn. 40. 134

III. International-privatrechtliche Lösungsansätze

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Diese Vergleichsprüfung setzt also keinen gleichen materiellen Umweltstandards sondern vielmehr die gleiche rechtliche Funktion sowie vergleichbare Verfahrensrechte voraus. Zwar ergeben sich auch hier vor allem bei der Frage der Vergleichbarkeit Schwierigkeiten, allerdings ist diese in Bezug auf die Funktion der Genehmigungen und Beteiligungsrechte einfach festzustellen. Materielle Vergleichbarkeitstests sind dagegen äußerst schwierig, insbesondere wenn die betroffenen Staaten nicht nur quantitativ unterschiedliche Umweltstandards sondern auch verschiedene Umweltschutzkonzepte haben.138 Das Ergebnis wird regelmäßig mangelnde Vergleichbarkeit ausweisen, wenn eine solche Prüfung strikt durchgeführt wird. Auch Stoll spricht sich – nachdem er früher die Anwendung des Territorialitätsprinzips durch die deutsche Rechtsprechung akzeptierte139 – für eine Lösung des Problems über die Tatbestandswirkung der ausländischen Genehmigung als „Datum“ aus, wenn diese mit einer inländischen Genehmigung funktional gleichwertig ist.140 Die Geschädigten müssen eine Möglichkeit zur Verfahrensteilnahme gehabt haben und die rechtlichen Voraussetzungen, die im Inland an eine derartige Genehmigung gestellt werden, müssen erfüllt sein, nicht jedoch etwaige Ermessenserwägungen. Auf Rechtsfolgenseite sollen die Ansprüche der geschädigten Inländer auf im Ausland vollstreckbare Ansprüche beschränkt werden.141 Auch das OLG Linz geht in seiner zweitinstanzlichen Entscheidung zur Unterlassungsklage gegen die Wiederaufbereitungsanlagen für atomaren Brennstoff in Wackersdorf davon aus, dass ausländische Anlagengenehmigungen grundsätzlich im Zivilverfahren berücksichtigt werden können.142 Genauso wie das Schrifttum nimmt das OLG Linz die Erfordernisse der grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung und ähnlicher Umweltschutzstandards143 hinzu. Die Kritik an diesem Lösungsansatz setzt an zwei Stellen an. Zunächst wird gefragt, ob eine Anlagengenehmigung überhaupt einen Verhaltensstandard definiert, da die entsprechenden öffentlichen-rechtlichen Normen oft nur eine eingeschränkte Präklusionswirkung hätten. Ihre Wirkung läge also nicht in der Definition eines Verhaltensstandards, sondern nur in einer rechtlichen Privilegierung des Anlagenbetreibers gegenüber bestimmten 138

Zum Kriterium der materiellen Vergleichbarkeit bei verschiedenen Lösungsansätzen vgl. Hager, RabelsZ 53 (1989), 293 (305) mwN. 139 Stoll, RabelsZ 37 (1973), 357 (375). 140 Staudinger-Stoll, 13.Bearb. (1996), IntSachenR, Rn. 240. 141 So auch Kadner Graziano, Gemeineuropäisches IPR, S. 257. 142 OLG Linz, JBl. 1987, 577 (579). 143 „… ob die Grenzen erlaubter Umweltbeeinträchtigungen im Ausland ähnlich eng gezogen sind wie im Inland…“

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

Ansprüchen.144 Gegen diese Sichtweise spricht jedoch, dass trotz der nicht vollständigen Präklusionswirkung dem Anlagenbetreiber, der die Vorgaben und Auflagen der Genehmigung überschreitet, empfindliche Konsequenzen drohen. Hierzu kann unter anderem der Verlust der Präklusionswirkung gegenüber Unterlassungsansprüchen gehören, wie es bei der Überschreitung einer Verhaltensnorm üblich ist. Auch im allgemein anerkannten Parallelbeispiel der Straßenverkehrsregeln wird der Schädiger als Kfz-Fahrer oder -Halter nur in gewisser Weise privilegiert, denn auch bei Einhaltung der ausländischen Verkehrsregeln ist er in den meisten Staaten einer verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung ausgesetzt. Diese wird damit gerechtfertigt, dass das Fahren und Halten von Kraftfahrzeugen eine grundsätzlich gefährliche, aber auch sozialadäquate und -förderliche Tätigkeit ist, genau wie das Betreiben von Industrieanlagen.145 Als zweiter Kritikpunkt wird geltend gemacht, dass die Begründung der Beachtung von local data, wie zum Beispiel Verkehrsregeln, darin läge, dass man diesen am Ort ihrer rechtlichen Geltung rein tatsächlich nicht ausweichen könne. Dies sei aber bei ausländischen Anlagengenehmigungen nicht so, da man hier sowohl rechtlich als auch tatsächlich frei sei, das Bestehen eines Abwehr- oder Schadensersatzanspruches trotz der Genehmigung zu bejahen oder zu verneinen.146 Dies zeige sich schon daran, dass alle Vertreter dieses Lösungsansatzes weitere Kriterien hinzuziehen, die für die rechtliche Beachtung der Genehmigung bzw. ihrer Auswirkungen erfüllt sein müssten. Insbesondere seien hier gewisse Verfahrensstandards und auch ein materielles Vergleichbarkeitskriterium zu nennen. Die Frage nach der Beachtlichkeit sei deshalb besser auf kollisionsrechtlicher Ebene als Frage der Substitution zu verorten, da so die aufgeworfenen Wertungsfragen besser eingeordnet sind.147 Als Lösungsansatz, der ausschließlich im Internationalen Privatrecht angesiedelt ist, bietet die Zumessung von Tatbestandswirkung dogmatische aber auch praktische Anwendungsvorteile. Ausländische Anlagengenehmigungen müssen weder anerkannt werden noch ist es notwendig, Kriterien für die Beachtlichkeit mühsam aus anderen Rechtsgebieten wie dem Völkerrecht oder dem Internationalen Verwaltungsrecht zu importieren. Die Vorgehensweise entspricht allerdings aufgrund der notwendigen Hinzunahme weiterer Voraussetzungen nicht der reinen Datumtheorie. 144

Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (275). Zur Subsumtion von Anlagengenehmigungen unter Art. 17 Rom II-VO siehe unten 8. Kapitel, II. 146 „Die bloße Anerkennung der faktischen Kraft des Normativen greift zu kurz.“, Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (275). 147 Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (276). 145

III. International-privatrechtliche Lösungsansätze

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6. Kollisionsrechtliche „Anerkennung“ der Genehmigung a) Vorbemerkung Im Wege der „Anerkennung“ ausländischer Genehmigungen könnten die privatrechtsgestaltenden Wirkungen von inländischen Normen des Umwelt- und Immissionsschutzrechts zur Geltung kommen und den Genehmigungen zur Beachtung verhelfen. Einige Lösungsansätze, die ausnahmslos die Beachtlichkeit von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig machen, ziehen eine solche Anerkennung der Genehmigungen in Betracht. Die Wortwahl ist allerdings etwas unglücklich, da diese Ansätze nicht von der formellen Anerkennung ausländischer Hoheitsakte nach dem Internationalen Verwaltungsrecht ausgehen.148 Vor allen Dingen wird vorgebracht, dass eine Anerkennung in diesem Sinne unter anderem die Vollstreckung im Ausland erleichtere. Die relevanten Voraussetzungen werden nach einer international-verwaltungsrechtlichen Sonderanknüpfung der Vorfrage nach der Existenz der Genehmigung aufgestellt.149 Es werden im Wesentlichen vier Voraussetzungen für eine Anerkennung postuliert, wobei die Ansätze unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Allen ist gemein, dass eine konkrete effektive grenzüberschreitende Beteiligungsmöglichkeit der Betroffenen erforderlich ist (b.). Weiterhin werden vergleichbare Genehmigungsvoraussetzungen (c.), ein vergleichbares umweltschutzrechtliches Niveau (d.) und die Einhaltung des ordre public als Auffangkriterium (e.) gefordert.150 b) Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung Als verfassungsrechtliche Rechtfertigung für den Eingriff in die Eigentumsrechte durch die Präklusion zivilrechtlicher Abwehransprüche ist zwingend erforderlich, dass die Nachbarn einer Anlage, die potentiell von dieser beeinträchtigt werden können, sich am Genehmigungsverfahren effektiv beteiligen konnten.151 Dies gilt auch im grenzüberschreitenden Kontext, da die Beachtung ausländischer Genehmigungen mit ihren privatrechtsgestaltenden Folgen sonst einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in 148

Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (272) mwN. Selbständiger Anknüpfungspunkt für Anlagengenehmigung und Genehmigungspflicht ist nach dieser Ansicht der Ort des Betriebes der Anlage. Dessen öffentliches Recht entscheidet über die Genehmigung. Siehe auch OLG Saarbrücken, Urteil v. 22.10.1957, Anm. Boisserée, NJW 1958, 1240 und Nassr-Esfahani/Wenckstern, RabelsZ 49 (1985), 763 (772). 150 Meesen, AöR 110 (1985), 398 (412 ff.); Nassr-Esfahani, 132 ff.; U. Wolf, S. 200 ff.; G. Bornheim, S. 243 ff.; Soergel-Lüderitz, 12.A. (1996), Anh. II zu Art. 38, Rn. 42; Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 165, 170 f. 151 Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 14, Rn. 6 und § 10, Rn. 59 ff. 149

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

Grundrechte darstellen würde. Dies wäre unter keinen Umständen mit der inländischen Rechtsordnung und dem verfahrensrechtlichen ordre public bzw. rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätzen zu vereinbaren.152 c) Vergleichbare Genehmigungsvoraussetzungen Generell wird für die Berücksichtigung ausländischer Genehmigungen ein materieller Mindeststandard im internationalen Umweltrecht gefordert.153 Allerdings bestehen hier zwischen den verschiedenen Vertretern der Lösungsansätze Unterschiede hinsichtlich der Ausformung dieses Vergleichbarkeitskriteriums.154 Nassr-Esfahani gibt sich in diesem Zusammenhang zunächst mit der funktionalen Gleichwertigkeit der ausländischen Genehmigung mit ihrer inländischen Entsprechung zufrieden und stellt auch keine hohen Anforderungen an gleiche Umweltstandards oder Grenzwerte.155 Er hält völkerund völkernachbarrechtliche Kriterien für nicht geeignet und die Lösung über spezielle Staatsverträge nicht immer für interessengerecht. Eine materiellrechtliche ordre public-Prüfung findet bei ihm nur noch hinsichtlich der allgemeinen Regeln des Völkernachbarrechts statt.156 Auch Lüderitz spricht sich für die Anerkennung der ausländischen Genehmigung aus, wenn die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen mit der inländischen Rechtsordnung verträglich sind.157 U. Wolf158 prüft für die Beachtlichkeit als weitere Voraussetzungen den Anwendungswillen und die Übereinstimmung der beteiligten Staatsinteressen. Die geforderte Übereinstimmung, die deutlich strenger als bei den vorhergehenden Ansätzen ist, ließe sich auf drei Stufen feststellen.159 Eine 152 Meesen, AöR 110 (1985), 398 (417 f.); Nassr-Esfahani, 136; U. Wolf, S. 205 f.; G. Bornheim, S. 244; Soergel-Lüderitz, 12.A. (1996), Anh. II zu Art. 38, Rn. 42; Staudingerv. Hoffmann, Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 170. 153 Meesen, AöR 110 (1985), 398 (417); Nassr-Esfahani, S. 132 ff.; U. Wolf, S. 219 ff.; G. Bornheim, S. 244; Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 170. 154 Vgl. hierzu auch unten 11. Kapitel, I. 155 Nassr-Esfahani, S. 133 f. 156 Nassr-Esfahani, S. 137 f. 157 Soergel-Lüderitz, 12.A. (1996), Anh. II zu Art. 38, Rn. 42. 158 U. Wolf (S. 200 ff.) entwickelt einen Lösungsansatz, dessen erster Schritt die verfahrenstechnische Anerkennung der ausländischen Genehmigung nach den Grundsätzen der international-zivilverfahrensrechtlichen Urteilsanerkennung ist (so auch noch MüKoKreuzer, 2.A. (1990), Art. 38 EGBGB, Rn. 269, der an diesem Ansatz aber nicht mehr festhält, vgl. Kreuzer, BerDtGesVR, Heft 32 (1991), S. 294). Diese werden dann um die Grundsätze des internationalen Enteignungsrechts und die Lehre von den zwingenden Normen im internationalen Vertragsrecht ergänzt. 159 U. Wolf, S. 218 f.

III. International-privatrechtliche Lösungsansätze

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„echte“ Interessenübereinstimung, die zum Beispiel in einem bilateralen Staatsvertrag Ausdruck finden kann, ist eher selten. Zweite Stufe ist bei ihr das internationale Nachbarrecht, das wegen der fehlenden Konkretisierung nur in Extremfällen aussagekräftig ist. Weiter entwickelt sei dann eine dritte europarechtliche Stufe. Zwar seien EG-Richtlinien mit transnationalen Mindeststandards, die lediglich eine Teilharmonisierung bewirken, nicht ausreichend. Aus dem europarechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ließe sich aber eine Duldungspflicht ableiten, wenn gemeinschaftsrechtliche und eventuell strengere nationale Standards in Bezug auf die Genehmigung eingehalten würden.160 d) Umweltschutzrechtliches Niveau der beteiligten Staaten Äußerst streng handhabt von Hoffmann das Kriterium der Vergleichbarkeit mit dem Ziel, einen möglichst hohen Umweltschutzstandard zu verwirklichen. Um dem jeweils höchsten Umweltschutzstandard in den beteiligten Staaten zum Durchbruch zu verhelfen, seien nicht nur vergleichbare Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich, sondern auch ein vergleichbarer umweltrechtlicher Standard. Dies hat zur Folge, dass nur Genehmigungen Beachtung finden können, denen zumindest ein gleich strenger Maßstab wie im Inland zugrunde gelegt wurde. Bereits minimal niedrigere Standards verhindern eine Anerkennung. Auch wenn es den internationalen Entscheidungseinklang in diesem Bereiche erschwere, sei dieses hinzunehmen, da der internationale Umweltschutz ein höheres Gewicht habe.161 e) ordre public Sowohl das Erfordernis der Verfahrensbeteiligung als auch die Vergleichbarkeit der Genehmigungsvoraussetzungen sind Ausformungen des inländischen ordre public-Vorbehalts. Dieser wird bei diesen Lösungsansätzen neben den genannten Konkretisierungen schließlich als Auffangkorrektiv angewandt und stellt den abschließenden Prüfungspunkt für die Frage nach der Beachtlichkeit dar.162 f) Kritik Diese Herangehensweise, die in wesentlichen Punkten auch mit den Lösungsansätzen von Roßbach163 und Lummert164 übereinstimmt, bereitet U. Wolf, S. 219 ff.; vgl. hierzu auch EuGH, Rs. C-115/08– Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, Rn. 87 ff., EuZW 2010, 26. 161 Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 170 f. 162 Nassr-Esfahani, S. 137; Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 170. 163 Roßbach, S. 228 ff.; vgl. oben I.6. 160

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

insbesondere in der praktischen Anwendung Schwierigkeiten. Das Vergleichbarkeitskriterium, das in verschiedener Ausprägung gefordert wird, wird in der Rechtsrealität – auch trotz eines gewissen europarechtlichen Mindeststandards – in der Regel nicht erfüllt sein, was wiederum zur regelmäßigen Ablehnung der Beachtlichkeit führen wird. Auch G. Bornheim, die eine kollisionsrechtliche Anerkennung von Anlagengenehmigungen für den richtigen Lösungsweg hält, lehnt aus diesen Gründen ein Vergleichbarkeitskriterium ab.165 7. Substitution Bei der Substitution wird ein Rechtsbegriff des anwendbaren Rechts durch eine entsprechende Rechtserscheinung des Auslands ersetzt. Das Konzept der Substitution ließe sich grundsätzlich für einen Lösungsansatz der Anlagengenehmigungsproblematik heranziehen. Es ist zu fragen, ob das Tatbestandsmerkmal der Genehmigung in der entsprechenden einschlägigen öffentlich-rechtlichen Norm166 durch die ausländische Genehmigung substituiert werden kann. Für eine Substitution müssen zwei Voraussetzungen gegeben sein: Die Substitution muss grundsätzlich nach der konkreten Norm der lex causae zulässig sein und das entsprechende ausländische Rechtsgebilde muss gleichwertig mit dem zu ersetzenden inländischen sein, wobei eine „Funktionsäquivalenz“ ausreichend sein kann.167 Die Zulässigkeit der Substitution ist für jede Norm einzeln zu prüfen. Mit Blick auf die öffentlich-rechtlichen Normen, die die Rechtsgrundlagen für die Genehmigungen sind, ist schon die Zulässigkeit der Substitution äußerst fraglich. So sind beispielsweise die Normen des Verwaltungsverfahrensrechts nach § 1 VwVfG nur für deutsche Behörden anwendbar, so dass Genehmigungen, die von ausländischen Behörden erlassen wurden, nicht die entsprechenden Tatbestandsmerkmale ersetzen können. Dies gilt auch für die Regelungen in Spezialgesetzen wie dem BImSchG oder dem WHG, da auch die „Genehmigung“ bzw. „Bewilligung“ nach diesen Gesetzen von den zuständigen deutschen Behörden erlassen werden muss.168 Diese Beschränkung durch die Auswirkungen des Territorialitätsprinzips auf das Umweltverwaltungsrecht lassen sich aber durch einen teleologischen Ansatz umgehen. So wie es im Internationalen Zivilverfahrens-

164

Lummert, NuR 1982, 241 (244 f.); vgl. oben I.6. Dieses Problem lasse sich nur im Wege bilateraler völkerrechtlicher Verträge, die eine Anerkennung regelten, lösen; G. Bornheim, S. 244 f. 166 In Deutschland beispielsweise § 14 Satz 2 BImSchG oder § 11 WHG. 167 Kropholler, IPR, § 33 II; MüKo-Sonnenberger, 5.A. (2010), Einl. IPR, Rn. 602 mwN. 168 Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (277) mwN. 165

III. International-privatrechtliche Lösungsansätze

155

recht möglich ist, die ausländische Rechtshängigkeit zu akzeptieren,169 so ist auch in diesem Zusammenhang möglich, im Wege einer Analogie zur Substituierbarkeit des Tatbestandsmerkmals „Genehmigung“ zu gelangen.170 Da es keine gesetzlichen Regelungen zur Anerkennung fremder Anlagengenehmigungen gibt, besteht eine Regelungslücke. Deren Planwidrigkeit ergibt sich daraus, dass ansonsten der Zweck dieser Vorschriften, nämlich den Bestands- und Investitionsschutz für Anlagenbetreiber zu gewährleisten, nachdem diese ein entsprechendes Genehmigungsverfahren durchlaufen haben, unterlaufen würde.171 Kreuzer172 wendet die Substitutionstheorie auf diese Weise im Wege teleologischer Auslegung der öffentlich-rechtlichen Genehmigungsvorschriften an. Es folge daraus die grundsätzliche Substituierbarkeit, wenn formale und materielle Voraussetzungen den deutschen entsprechen, die Genehmigung also gleichwertig ist. Trotz des anderen rechtstechnischen Ansatzes bleibe schließlich das entscheidende Kriterium die Vergleichbarkeit der Rechtsanwendungsinteressen der betroffenen Staaten. Die Gleichwertigkeit der Genehmigungen ergäbe sich in der Regel aus der identischen Interessenlage, die nach diesem Ansatz im Wesentlichen schon bei der Prüfung der Analogie im Rahmen der Zulässigkeit der Substitution behandelt würde. Die Substitution sei eine Auslegungsfrage des inländischen Rechts.173 Wenn den inländischen Normen nichts dahingehend zu entnehmen ist, so ist zu prüfen, ob Funktionsäquivalenz hinsichtlich der zu ersetzenden Rechtstatsache oder -figur besteht. Nach Sonnenberger und Kreuzer ist das der Fall, wenn die ausländische Genehmigung den formellen und materiellen Anforderungen des deutschen Rechts genügt.174 Die Kritik an diesem Lösungsansatz beruft sich darauf, dass die Substitution nur eine sachrechtliche Lösung anbietet, den weiterhin bestehenden kollisionsrechtlichen Konflikt der verschiedenen Rechtsanwendungsinteressen jedoch nicht lösen kann. Die Substitution kann diese Interessen nicht angemessen ausgleichen und will dies auch gar nicht. Sie ist somit „nicht vollständig problemadäquat“175, so dass eine Einordnung als bloßes Substitutionsproblem nicht in Frage kommt. Außerdem ist der Ansatz nicht

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Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (278) mwN. Kreuzer, BerDtGesVR, 32 (1991), 245 (292); Kropholler, IPR, § 33 IV aE. 171 Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (278). 172 Kreuzer, BerDtGesVR 32 (1991), 245. 173 MüKo-Sonnenberger, 5.A. (2010), Einl. IPR, Rn. 602. 174 MüKo-Sonnenberger, 5.A. (2010), Einl. IPR, Rn. 602; Kreuzer, BerDtGesVR 32 (1991), 245 (292). 175 Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (279). 170

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

dem internationalen Entscheidungseinklang förderlich, da er Urteile erzeugen würde, die faktisch nicht durchsetzbar wären.176 8. Lehre von der Sonderanknüpfung zwingenden Rechts Wegen der privatrechtsgestaltenden Wirkung von ausländischen Anlagengenehmigungen, die im Rahmen der staatlichen Eingriffsverwaltung ergehen, könnten diese auch als Eingriffsnormen177 qualifiziert werden. Ausgangspunkt ist dabei, dass den verschiedenen Präklusionsregelungen eine im Grundsatz gleiche Zielsetzung zugrunde liegt. Genehmigungsbedürftige Anlagen setzen meistens hohe Investitionen voraus und sind dann von erheblichem ökonomischem und sozialem Nutzen. Die Genehmigung schafft hier Rechts- und Investitionssicherheit, indem die Rechte Dritter beschränkt oder ausgeschlossen werden. Hierbei handelt es sich um einen staatlichen Eingriff in das Zivilrecht, in dem sonst der Grundgedanke des privaten Interessenausgleichs vorherrscht.178 Kohler vertritt in diesem Zusammenhang die Lehre von der Sonderanknüpfung zwingenden Rechts im Hinblick auf ausländische Genehmigungen, da diese die „verfälschenden Rechtsfolgen nach der lex causae“ vermeide.179 Entscheidend seien die materiellen Kriterien, wie sie schon das OLG Linz180 in der Entscheidung im Verfahren wegen der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf aufgestellt habe: Die Immissionen müssten völkerrechtlich zulässig sein.181 Ferner müsse, wie bei der kollisionsrechtlichen Anerkennung, die Vergleichbarkeit der Genehmigungsvoraussetzungen gegeben sein und eine grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung stattgefunden haben. Kohler ergänzt weiterhin das Erfordernis der Gegenseitigkeit und die Beachtung des ordre public.182 Auch Pfeiffer will das Problem der Auswirkung ausländischer Genehmigungen im Wege einer Sonderanknüpfung der Genehmigung als Eingriffsnorm lösen.183 Diese Eingriffsnormen unterliegen dem restriktiv anzuwendenden ordre public. Für die Beachtung der Eingriffsnormen wer176

Vgl. hierzu die Ausführungen zu den Rechtsfolgen bei Pfeiffer, UTR 2000, 263 (279 aE); so auch Kreuzer, BerDtGesVR, 32 (1991), 245 (290), die aber mE konsequent und praktikabel sind und der ratio legis des europäischen Kollisionsrechts entsprechen. 177 „Charakteristisch für Eingriffsnormen ist es, dass sie im öffentlichen Interesse, insbesondere aus staats- oder wirtschaftspolitischen Gründen, auf private Rechtsverhältnisse einwirken oder sonst wie die persönliche Freiheit einschränken.“; Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (280) mwN. 178 Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (281). 179 Kohler, UTR 15 (1991), 289. 180 OLG Linz, JBl. 1987, 577. 181 Vgl. hierzu die materiellen Kriterien der völkerrechtlichen Ansätze, oben II.3. 182 Kohler, UTR 15 (1991), 289 (310). 183 Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (280 ff.).

III. International-privatrechtliche Lösungsansätze

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den deshalb die folgenden kollisionsrechtlichen Voraussetzungen aufgestellt, die im Wesentlichen denen der anderen Lösungsansätze entsprechen. Zunächst sollen Geltungswille der ausländischen Norm und damit verbundene kollisionsrechtliche Rechtsanwendungsinteressen beachtet werden. Auch bei diesem Ansatz kommt weiterhin eine sachrechtliche Voraussetzung, die so genannten shared values, hinzu. Im Gegensatz zum ordre public-Vorbehalt brauche es einen positiven Grund, um fremde Eingriffsnormen anzuerkennen,184 woraus sich das Erfordernis einer formell und materiell gleichwertigen Genehmigung ergibt. Hauptproblem sei die materielle Gleichwertigkeit, die es zum Beispiel auf Ebene der Europäischen Union nur bei einer Vollharmonisierung gäbe. Ansonsten lasse sich die materielle Gleichwertigkeit mittels eines weitergehenden shared valuesKonzept erreichen, das auf Sinn und Zweck des jeweiligen Grenzwertes bzw. der Nichtgestattung basiert. Problematisch bleiben allerdings auch bei diesen Ansätzen die geforderten Vergleichbarkeitskriterien im Hinblick auf unterschiedliche Umweltschutzkonzeptionen sowie die Verknüpfung der Voraussetzungen und Wirkungen einer Genehmigung. 9. Privatrechtliche Qualifikation der Präklusionsvorschriften Wandt spricht sich für die rein kollisionsrechtliche Bestimmung eines Präklusionsstatuts aus.185 Die Präklusionsvorschriften sollen wegen ihrer privatrechtsgestaltenden Wirkung privatrechtlich qualifiziert werden und grundsätzlich nach dem Recht des Genehmigungsstaates beurteilt werden. So werde vermieden, dass „überschießende“ Rechtsfolgen der Präklusionsvorschriften des Immissionsstaates Geltung erlangen. Außerdem sprächen praktische Gründe für das Recht des Genehmigungsstaates als Präklusionsstatut. Deshalb könne weder der Einwand, die Geschädigten seien der Rechtsordnung des Genehmigungsstaates ausgeliefert, noch der Einwand mangelnder Verfahrensbeteiligung gegen dieses Ergebnis erhoben werden.186 Dieser Ansatz führt zwar in der Regel zu durchsetzbaren Ergebnissen, da die Genehmigungen gemäß dem Recht ihres Erlassstaats behandelt werden und die dortigen Gerichte sich deshalb schwerlich auf ihren ordre public berufen können. Allerdings werden diese Urteile auch ohne Rücksicht auf die Schutzwürdigkeit der inländischen Kläger und den allgemeinen Umweltschutz ergehen. Insbesondere übergeht diese Ansicht den 184

Z.B. ein völkerrechtlicher Vertrag, eventuell auch Gegenseitigkeitserwartungen oder eben das shared values-Konzept; Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (296 f.). 185 Wandt, VersR 1998, 529 (534 ff.) = SZIER 1997, 147 (163 ff.). 186 Wandt, VersR 1998, 529 (536) = SZIER 1997, 147 (168 f.).

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7. Kapitel – Bisherige Lösungsansätze

inländischen ordre public und ist zu schädigerfreundlich. Ihre Ergebnisorientiertheit ist allerdings zu befürworten.187 10. Neuere Lösungsansätze auf Basis von Art. 17 Rom II-VO In der neueren Literatur zur Rom II-Verordnung befassen sich einige Autoren auch mit der Frage nach der Beachtlichkeit von Anlagengenehmigungen. Die Meinungen, ob die neue Verordnung sich des Problems annimmt und es einer Lösung zuführen kann, sind geteilt. Die Europäische Kommission hat sich in ihrem ersten Verordnungsvorschlag von 2003 dafür ausgesprochen, dass Anlagengenehmigungen unter der Rom II-Verordnung als Sicherheits- und Verhaltensregeln behandelt werden können.188 Die Verordnung enthält mit Art. 17 Rom II-VO eine Vorschrift, die den allgemein anerkannten Rechtsgedanken kodifiziert, dass im Internationalen Deliktsrecht auch bei Nichtanwendung des Rechts am Handlungsort die dortigen Sicherheits- und Verhaltensregeln als local data faktisch berücksichtigt werden können. Diese Vorgehensweise ähnelt dem Lösungsansatz nach der Datumtheorie.189 Fuchs spricht sich allerdings gegen einen solchen „Anerkennungsautomatismus“ aus, da es in Ermangelung eines entsprechenden Staatsvertrags den Gerichten überlassen bleiben müsse, über eine Berücksichtigung zu entscheiden.190 Dem ist allerdings nun entgegen zu halten, dass die Regelung des jetzigen Art. 17 Rom II-VO gerade ein solches Ermessen einräumt.191 Auch Siems spricht sich gegen die Erfassung der Problematik durch die Rom II-Verordnung aus, da so der Anwendungsbereich der Vorschrift für die Berücksichtigung von Sicherheits- und Verhaltensvorschriften überdehnt werde,192 obwohl durch die Vorschrift nach Sinn und Zweck der Verordnung nicht vom Schutzprinzip des Erfolgsorts abgewichen werden solle.193 Freigang subsumiert zwar Anlagengenehmigungen unter die Sicherheits- und Verhaltensregeln des Art. 17 Rom II-VO, verneint aber im Ergebnis – unter Zugrundelegung eines zu weitgehenden Verständnisses des Territorialitätsprinzips – die Regelung der Berücksichtigung von Genehmigungen, da eine ausländische behördli187

Vgl. unten 11. Kapitel, I. KOM(2003) 427 endg. S. 22. 189 Vgl. oben III.5. 190 Fuchs, GPR 2003/04, 100 (103). Allerdings enthielt auch die erste Version von Art. 13 des ersten Kommissionsvorschlags noch eine Formulierung, die keinerlei Ermessen einräumte, während die endgültige Fassung des Art. 17 Rom II-VO von 2007 nun ein „soweit angemessen“ enthält; deshalb so noch MüKo-Junker, 4.A. (2006), Anhang zu Art. 42 EGBGB, Rn. 59; jetzt aber für das Gegenteil MüKo-Junker, 5.A. (2010), Art. 7 Rom II-VO, Rn. 32. 191 Vgl. 8. Kapitel, II. 192 So auch Dickinson, Rn. 7.29. 193 Siems, RIW 2004, 662 (666). 188

III. International-privatrechtliche Lösungsansätze

159

che Entscheidung ein inländisches Gericht unter keinen Umständen binden könne.194 Junker und Kadner Graziano erwähnen das Problem in ihren Darstellungen zur neuen Rom II-Verordnung und sprechen sich für die faktische Berücksichtigung von umweltschutzrechtlichen Anlagengenehmigungen nach Art. 17 Rom II-VO aus, wenn eine Vergleichbarkeit mit entsprechenden inländischen Genehmigungen besteht.195 Auch Leible/Lehmann,196 Ofner197 und Thorn198 sprechen sich für die Erfassung von Anlagengenehmigungen als Sicherheits- und Verhaltensregeln nach Art. 17 Rom II-VO aus. So können diese faktische Berücksichtigung finden, wenn bestimmte weitere Voraussetzungen, wie zum Beispiel eine grenzüberschreitende Beteiligungsmöglichkeit für die betroffene Öffentlichkeit, gegeben waren.

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Freigang, S. 268 f. MüKo-Junker, 5.A. (2010), Art. Rom II-VO, Rn. 32; ders., NJW 2007, 3675 (3680 f.); Kadner Graziano, Yearbook PIL 2007, 71 (79); ders., RabelsZ 73 (2009), 1 (50), der in diesem Zusammenhang nicht nur Sympathie für die Anwendung der Datumtheorie bekundet, sondern auch für die Hinzunahme der „Anerkenntnisvoraussetzungen“, die das OLG Linz hinsichtlich der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf entwickelt hat. 196 Leible/Lehmann RIW 2007, 721 (725). 197 Ofner, ZfRV 2008, 13 (19). 198 Palandt-Thorn, 70.A. (2011), Art. 7 Rom II-VO, Rn. 9. 195

8. Kapitel

Eigener Lösungsansatz – Rom II-Verordnung I. Einleitung Die bisherigen Lösungsansätze, die im vorhergehenden Kapitel vorgestellt wurden, sind alle – mit Ausnahme der Diskussion um die Sicherheits- und Verhaltensregeln aus Art. 17 Rom II-VO – vor der Rom II-Verordnung und dem in ihr harmonisierten europäischen Kollisionsrecht für deliktische Schuldverhältnisse entwickelt worden. Sie haben bislang keine allgemeingültige und vor allen Dingen effektive und praktikable1 Lösung für das Problem der Auswirkungen ausländischer Anlagengenehmigungen finden können. Es stellt sich die Frage, ob auf Basis der neuen Regelungen der Rom II-Verordnung eine interessengerechte und praktikable Lösung für das bekannte Problem entwickelt werden kann. Auf den ersten Blick enthalten weder die allgemeinen Regeln der Verordnung noch die Sonderanknüpfung in Art. 7 Rom II-VO Vorschriften für die Behandlung von Genehmigungen oder anderen Hoheitsakten mit privatrechtsgestaltender Wirkung. Das Problem scheint, weiter ungeklärt zu bleiben.2 Allerdings halten sowohl die Europäische Kommission in ihrer Begründung zum ersten Verordnungsvorschlag3 als auch zahlreiche Stimmen in der neueren Literatur zur Rom II-Verordnung eine Lösung des Problems über Art. 17 Rom II-VO für möglich. Die ausländischen Anlagengenehmigungen werden als Sicherheits- und Verhaltensregeln qualifiziert und unter Art. 17 Rom II-VO subsumiert,4 so dass sie zumindest faktisch zu berück1

Insbesondere was die Rechtssicherheit der Anlagenbetreiber und die ausländische Vollstreckbarkeit eventueller Urteile angeht. 2 Junker, NJW 2007, 3675 (3680). 3 KOM(2003) 427 endg. S. 22. 4 Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (725), die sich darauf berufen, dass die Genehmigung Sicherheits- und Verhaltensregeln konkretisieren; Ofner, ZfRV 2008, 13 (19), allerdings ohne weitere Begründung. Freigang, S. 268 f. subsumiert Anlagengenehmigungen zwar unter die Sicherheitsund Verhaltensregeln in Art. 17 Rom II-VO, verwehrt ihnen im Ergebnis aber die Berücksichtigung, da eine ausländische behördliche Entscheidung ein inländisches Gericht unter keinen Umständen binden könne.

I. Einleitung

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sichtigen sind, wenn weitere Voraussetzungen erfüllt sind.5 Die Gegner einer solchen weiten Auslegung des Art. 17 Rom II-VO wenden insbesondere eine Überdehnung der Vorschrift ein, die nicht mehr vom Wortlaut und von Sinn und Zweck erfasst ist.6 Wenn die Rom II-Verordnung die Frage nach der Beachtlichkeit von ausländischen hoheitlichen Genehmigungen erfasst und sich umweltschutzrechtliche Anlagengenehmigungen unter die Sicherheits- und Verhaltensregeln (Art. 17 Rom II-VO) subsumieren lassen, kann hierauf ein Lösungsansatz entwickelt werden. Einer Berücksichtigung steht prinzipiell nichts entgegen. Es gibt keinen Grundsatz völkerrechtlicher oder international-privatrechtlicher Art, nach dem ausländische Genehmigungen keine Auswirkungen im Inland haben oder nicht anerkannt werden dürfen. Dies gilt auch für deren eventuelle privatrechtsgestaltenden Wirkungen. Die Beachtung der Wirkungen von ausländischen Anlagengenehmigungen – auf welche Weise gilt es noch zu klären – durch die inländischen Gerichte ist ein gangbarer Weg, einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Beteiligten herbeizuführen. Dies ist insbesondere hinsichtlich von Rechtssicherheit und -klarheit für die Beteiligten, die Durchsetzbarkeit von Gerichtsurteilen im Ausland und auch für eine angemessene Kompensation im Fall von Schädigungen von Bedeutung. Mit dem Lösungsansatz, der hier entwickelt wird, soll versucht werden, mehrere mit der Beachtung von Genehmigungen verbundene Ziele zu erreichen. Wie vorstehend erwähnt, wird eine – zumindest im Anwendungsbereich der Rom II-Verordnung – allgemeingültige Herangehensweise an die Problemstellung einer ausländischen Anlagengenehmigung mit eventuell privatrechtsgestaltenden Wirkungen herausgearbeitet. Insbesondere sollte diese effektiv und praktikabel sein. Denn weder den Anlagenbetreibern7 noch der Umwelt8 und vor allen Dingen nicht den Betroffenen und 5

Die genehmigten grenzüberschreitenden Immissionen müssen völkerrechtlichen Übereinkommen entsprechen, die Genehmigungsvoraussetzungen müssen mit denen des Erfolgsortsrechts weitgehend vergleichbar sein und es müssen grenzüberschreitende Beteiligungsrechte eingeräumt worden sein; Palandt-Thorn, 70.A. (2011), Art. 7 Rom IIVO, Rn. 9 mwN. 6 Dickinson, Rn. 7.29; Siems, RIW 2004, 662 (666). 7 Auch am Handlungsort unvollstreckbare Unterlassungsurteile können grundsätzlich den Investitions- und Bestandsschutz gefährden, der gerade durch die Genehmigung gewährleistet werden soll. Dies gilt insbesondere, wenn die Genehmigungen rechtmäßig sind und auch die ausländischen Grenznachbarn am Verfahren beteiligt wurden. Zudem muss der Anlagenbetreiber bei der generellen Unbeachtlichkeit seiner Genehmigung im Ausland auch unkalkulierbare wirtschaftliche Risiken durch Vollstreckungsversuche und Zwangsmaßnahmen in dort befindliches Vermögen fürchten. Schließlich ist auch er, der durch den Normalbetrieb seiner Anlage zum Schädiger wird, an Rechtssicherheit und klarheit sowie der Kalkulierbarkeit seiner Risiken interessiert.

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8. Kapitel – Eigener Lösungsansatz – Rom II-Verordnung

Geschädigten ist mit unvollstreckbaren, den rechtsmäßigen Bestandsschutz nicht achtenden und ordre public-widrigen Urteilen geholfen. Der Lösungsansatz soll weiterhin der Verwirklichung der Ziele seiner gesetzlichen Grundlage, also der Rom II-Verordnung, insbesondere der Art. 7, 16, 17 und 26 Rom II-VO,9 dienen. Darüber hinaus müssen die Grundsätze des internationalen Umweltschutzrechts, zu dem die Regelung als Teil der zivilrechtlichen Umwelthaftung gehört, Berücksichtigung finden.10 Diese, beispielsweise das Prinzip der Vorsorge und Vorbeugung und das Verursacherprinzip, werden von der Rom II-Verordnung mit umfasst. Auch das öffentliche Interesse, die Externalisierung betrieblicher Risiken und Kosten zu verhindern, wird eine Rolle spielen.11

II. Anwendbarkeit der Rom II-Verordnung 1. Allgemeines Die Fragestellung nach der Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen im Hinblick auf umwelthaftungsrechtliche Abwehr- und Ersatzansprüche bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist in erster Linie eine des Internationalen Privatrechts. Die Anspruchsgrundlagen stammen aus dem Deliktsrecht und zum Teil aus dem Nachbarrecht, das – zumindest nach deutscher Vorstellung – zum Immobiliarsachenrecht gehört. Das anwendbare Recht bestimmt sich nach dem Internationalen

8 Nicht vollstreckbare Unterlassungsurteile dienen weder dem direkten Umweltschutz dadurch, dass umweltbeeinträchtigende Emissionen unterbunden werden können, noch können sie den allgemeinen Umweltschutzstandard durch die Durchsetzung des höheren Niveaus am Erfolgsort steigern. Diese unbefriedigende Situation kann sogar dazu führen, dass der Umweltschutzstandard am Erfolgsort gesenkt wird, um Wettbewerbsnachteile gegenüber dem Ausland zu vermeiden. 9 Die Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen (Art. 7 Rom II-VO) soll neben dem allgemeinen Ziel, das anzuwendende Recht berechenbarer zu machen und einen gerechten Interessenausgleich zu schaffen, insbesondere einem hohen Umweltschutzniveau im Sinne von Art. 191 AEUV (ex-Art. 174 EG) dienen (Erwägungsgrund 25); vgl. auch KOM(2003) 427 endg. S. 21 f. – Die allgemeinen Vorschriften zu Eingriffsnormen (Art. 16 Rom II-VO), den Sicherheits- und Verhaltensregeln am Handlungsort (Art. 17 Rom II-VO) und dem inländischen ordre public (Art. 26 Rom II-VO) dienen unter anderem einem angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien (Erwägungsgrund 34) und sorgen für einen gewissen Schutz von berechtigtem Vertrauen und grundlegenden verfassungsrechtlichen Positionen; vgl. auch KOM(2003) 427 endg. S. 27 f. und 31. 10 Vgl. idS auch Erwägungsgrund 25 der Rom II-Verordnung. 11 Vgl. Nassr-Esfahani/Wenckstern, RabelsZ 49 (1985), 741 (770).

II. Anwendbarkeit der Rom II-Verordnung

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Deliktsrecht.12 Bis vor kurzem kam es hierbei auf die nationalen deliktsrechtlichen Kollisionsregeln der jeweils betroffenen Staaten an.13 Nun gibt es mit der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“)14 auf Ebene der Europäischen Union ein harmonisiertes und unmittelbar anwendbares System des Internationalen Deliktsrecht. Die im Januar 2009 vollständig in Kraft getretene Rom II-Verordnung enthält eine Sonderregel für unerlaubte Handlungen, die Umweltschädigungen verursachen,15 sowie allgemeine Regeln des Internationalen Deliktsrechts, die für einen neuen Lösungsansatz auf Basis dieses unmittelbar anzuwendenden Gemeinschaftsrechts herangezogen werden können. Hier ist insbesondere Art. 17 Rom II-VO zu nennen, der bestimmt, dass die Sicherheits- und Verhaltensregeln des Handlungsortes trotz der regelmäßigen Anwendbarkeit des Rechts am Erfolgsort zu berücksichtigen sind. 2. Behandlung der Frage durch Art. 17 der Rom II-Verordnung Es gilt, die Anwendbarkeit der Rom II-Verordnung und insbesondere von Art. 17 Rom II-VO auf das Problemfeld der Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen klären. Hierbei ist zu fragen, ob die Rom II-Verordnung bei Berührungspunkten mit dem nationalen und dem Internationalen Verwaltungsrecht anwendbar ist (a.), und ob sich Anlagengenehmigungen unter die „Sicherheits- und Verhaltensregeln“, von denen Art. 17 Rom II-VO spricht, subsumieren lassen (b.). a) Anwendbarkeit der Vorschriften der Rom II-Verordnung aa) Fragestellung Die Frage nach der Beachtlichkeit von ausländischen Anlagengenehmigungen hat ihre Wurzeln hauptsächlich in der zivilrechtlichen Umwelthaftung. Hier wirken sich die Präklusionswirkungen des öffentlichen Umweltrechts aus. Auch die Rom II-Verordnung enthält in Art. 7, der Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen, eine Regelung für das Internationale Privatrecht der zivilrechtlichen Umwelthaftung. Wie bereits im 5. Kapitel dargelegt, greift die Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen das hier behandelte Problemfeld der Auswirkungen von Anlagengenehmigungen nicht direkt auf. Auch bei der Haftung für 12

Auch die nachbarrechtlichen Abwehransprüche werden im IPR deliktsrechtlich qualifiziert; vgl. nur Art. 44 EGBGB; Kropholler, IPR, § 54 II.4.; Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 44 EGBGB, Rn. 1 f. mwN. 13 Vgl. 4. Kapitel. 14 Vgl. hierzu im Einzelnen 5. Kapitel. 15 Art. 7 Rom II-VO. Siehe oben, 5. Kapitel.

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8. Kapitel – Eigener Lösungsansatz – Rom II-Verordnung

Umweltschäden kommt nach Art. 7 Rom II-VO in der Regel das Recht des Erfolgsorts zur Anwendung, es sei denn der Geschädigte optiert für das Recht des Handlungsorts.16 Die zivilrechtliche Umwelthaftung spielt, wie die Existenz der Sonderanknüpfung bestätigt, im Rahmen des neuen europäischen Internationalen Deliktsrecht – neben den anderen speziell geregelten Bereichen – eine herausgehobene Rolle. Gleiches trifft ein möglichst hohes allgemeines Umweltschutzniveau zu.17 Die Sonderanknüpfung und die zugehörigen Erwägungsgründe 24 und 25 der Rom II-Verordnung treffen unmittelbar keine Aussage über die Beachtlichkeit von Anlagengenehmigungen. Vor dem Hintergrund der umwelthaftungsrechtlichen Einordnung des Problems deutet allerdings die Aufnahme einer entsprechenden Sonderregel in die Verordnung sowie die allgemeine Bekanntheit der Fragestellung darauf hin, dass die Rom II-Verordnung auch diesen Aspekt erfassen kann und sollte. Das Internationale Deliktsrecht der Umweltschädigungen kann nur so umfassend, international praktikabel und effektiv behandelt werden. Auch die Europäische Kommission geht von der Erfassung der Fragestellung durch die Verordnung aus.18 bb) Geltungsbereich des Deliktsstatuts und Regelungssystematik der Verordnung Der sachliche Geltungsbereich des nach den Vorschriften der Rom II-Verordnung ermittelten Deliktsstatuts bestimmt sich grundsätzlich nach Art. 15 Rom II-VO. Dieser zählt – jedoch nicht abschließend19 – die wichtigsten Anwendungsbereiche auf. Art. 15 Rom II-VO legt die Reichweite der Verweisungen der Verordnung fest. Dies umfasst unter anderem Grund und Umfang der Haftung, also den gesamten haftungsbegründenden und den gesamten haftungsausfüllenden Tatbestand (lit. a), sowie Haftungsausschlussgründe und -beschränkungen (lit. b). Es bleibt somit zunächst kein Raum für Sonderanknüpfungen oder eine anderweitige Berücksichtigung ausländischen Rechts, woraus sich ergeben könnte, dass deliktsstatutsfremde Anlagengenehmigungen nicht zu berücksichtigen sind. Allerdings lässt die Verordnung grundsätzlich Ausnahmen zum umfassenden Geltungsbereich nach Art. 15 Rom II-VO zu. So sieht Art. 16 Rom II-VO die Anwendbarkeit zwingender Eingriffsnormen der lex fori vor.20 Nach Art. 17 Rom II-VO können außerdem die Sicherheits- und Verhal-

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Siehe oben, 5. Kapitel. Vgl. Erwägungsgrund 25 iVm Art. 191 AEUV (ex-Art. 174 EG). 18 KOM(2003) 427 endg. S. 22. 19 „insbesondere“, vgl. oben 5. Kapitel. 20 Im Einzelnen siehe oben 5. Kapitel. 17

II. Anwendbarkeit der Rom II-Verordnung

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tensregeln am Handlungsort Berücksichtigung finden.21 Gegen die Beachtlichkeit von Anlagengenehmigungen als Eingriffsnormen nach Art. 16 Rom II-VO spricht allerdings – neben den oben angeführten Kritikpunkten an einem solchen Lösungsansatz22 – vor allem, dass nach dieser Vorschrift nur die inländischen zwingenden Vorschriften der lex fori Beachtung finden, nicht aber ausländische Vorschriften mit eventuell zwingendem Charakter. Als Einstieg für die Beachtung von ausländischen Anlagengenehmigungen in die Verordnung eignet sich Art. 16 Rom II-VO demnach nicht. Art. 17 Rom II-VO ist dagegen vielversprechender in dieser Hinsicht, da er auch ausländischen Rechtsgebilden des Handlungsorts (faktische) Beachtung verschaffen kann. Seine Anwendbarkeit auf die Fragestellung wird im Folgenden eingehend betrachtet werden. Zunächst kann festgestellt werden, dass es verwertbare Ausnahmen zum weiten Geltungsbereich des Deliktsstatuts nach Art. 15 Rom II-VO gibt. Nach Art. 15 lit. b Rom II-VO werden zwar Haftungsausschlüsse und Haftungsbeschränkungen erfasst, nicht jedoch deren tatbestandliche Voraussetzungen. Die ausländischen – und auch inländischen – Anlagengenehmigungen sind jedoch weder Haftungsvoraussetzungen (Art. 15 lit. a Rom II-VO) noch Haftungsausschlussgründe oder -beschränkungen. Diese finden sich in den Präklusionsvorschriften des öffentlichen Rechts23, die die Anspruchsausschlüsse und -beschränkungen aussprechen. Die Anknüpfung dieser wiederum erlangt erst bei der Frage Bedeutung, nach welchem Recht sich die Folgen der Berücksichtigung einer ausländischen Anlagengenehmigung richten.24 Die entsprechende Genehmigung ist hier jedoch nur Tatbestandsmerkmal dieser Normen. Diese Tatbestandsmerkmale können auch aus dem Ausland stammen, was sich nicht zuletzt an Art. 17 Rom II-VO zeigt, nach dem auch rechtliche Verhältnisse im Ausland tatbestandliche Berücksichtigung finden können. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Verordnung – trotz der weiten Regelung zum Geltungsbereich des Deliktsstatuts in Art. 15 Rom II-VO – offen für die Anwendung von Vorschriften anderer Rechtsordnungen, im Falle von Art. 17 Rom II-VO aus dem Recht des Handlungsortes, ist. cc) Weitere Argumente für die Behandlung durch das Gemeinschaftsrecht Es sprechen weiterhin praktische Argumente für eine allgemein anerkannte Lösung der Fragestellung. Der Lösungsweg sollte in diesem Sinne über21

Im Einzelnen hierzu oben 5. Kapitel. sowie in diesem Kapitel unten II.1.b. und II.2. Siehe oben 7. Kapitel, III.4.d. und III.8. 23 Oder des Privatrechts, wie in Österreich § 364a ABGB. 24 Siehe unten 12. Kapitel, I.; v. Bar, Hague Recueil des Cours 268 (1997), 295 (388 f.); Wandt, VersR 1997, 529 (536) = SZIER 1997, 147 (161); U. Wolf, S. 199 f. 22

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8. Kapitel – Eigener Lösungsansatz – Rom II-Verordnung

greifend für die Industrieländer in Europa gelten und von deren Rechtsordnungen und der Judikative anerkannt werden. Wenn die Gerichte der betroffenen Länder ihre Urteile zum grenzüberschreitenden Immissionsschutz gegenseitig nicht anerkennen,25 weil Anlagengenehmigungen der eigenen Rechtsordnung entweder prinzipiell nicht beachtet oder die Voraussetzungen hierfür viel zu hoch angesetzt werden, hat dies erhebliche praktische Folgen. Die Konsequenzen sind nicht durchsetzbare Unterlassungs- und andere Abwehrtitel und damit wertlose Urteile.26 Diese sind nicht nur keine Hilfe für die Geschädigten, sondern auch vor dem Hintergrund der hohen Arbeitsbelastung der Zivilgerichte unvertretbar und widersprechen dem Grundsatz der Prozessökonomie. Ferner können derartige Urteile die Beziehungen zwischen den beteiligten Staaten und besonders zwischen den oft auf Zusammenarbeit angewiesenen Grenzregionen belasten. Damit verbunden können sich auch Schwierigkeiten für die Geschädigten bei der Durchsetzung der verbleibenden Kompensationsansprüche ergeben. Sind diese zusammen mit den nicht anerkennungsfähigen Abwehransprüchen in einem Urteil ergangen, ist es zwar durchaus möglich, diese separat anzuerkennen und für vollstreckbar erklären zu lassen.27 Dies kann allerdings mit einem höheren Aufwand für die Geschädigten verbunden sein.28 Außerdem gehen mit diesem Umstand auch psychologische Schranken einher. Auf durch ein Gericht zuerkannte Rechtspositionen verzichtet man schließlich nicht gern. Ferner ist es äußerst schwierig, in Urteilen, die die Unterlassung einer Beeinträchtigung anordnen, Regelungen für die Kompensation künftig auftretender Beeinträchtigungen zu treffen.29 Diese könnten einfach und effektiv durchsetzbar sein. Schon die Existenz einer einheitlichen gemeinschaftsrechtlichen Regelung des Internationalen Deliktsrechts spricht dafür, dass auch dieser Aspekt, bei dem die Begrenztheit der nationalen Rechtsordnungen beson25

Auf Basis des inländischen ordre public-Vorbehalts in z.B. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO. Der österreichische OGH spricht in diesem Zusammenhang davon, dass es nicht die Aufgabe der Gerichte sein kann, in einem langwierigen und kostspieligen Verfahren „ein praktisch wertloses Urteilspapier“ zu schaffen; JBl. 1988, 323 (324). 27 Art. 48 EuGVVO für die Vollstreckbarkeitserklärung. Dies gilt auch für eine Teilanerkennung, wenn ein Urteil in diesem Sinne teilbar ist; Rauscher-Leible, Bearb. 2011, Art. 33 EuGVVO, Rn. 11. 28 Art. 48 Abs. 2 EuGVVO. 29 Grundsätzlich ließen sich derartige Klageanträge zwar im Wege einer Eventualklagenhäufung verknüpfen, dem Unterlassungsantrag wird aber gerade stattgegeben, so dass die entsprechenden Kompensationsanträge gar nicht rechtshängig werden. Eine Eventualverknüpfung basierend auf der Anerkennungsfähigkeit eines Urteils ist nicht möglich, da die Rechtshängigkeit des Eventualantrags dann nicht von einer Rechtsbedingung sondern von einem zukünftigen tatsächlichen Ereignis abhinge. 26

II. Anwendbarkeit der Rom II-Verordnung

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ders deutlich wird, von der Verordnung erfasst und einer internationalen bzw. europäischen Lösung zugeführt wird. Ferner deutet auch die Systematik der Verordnung und die Konzeption der Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen auf die Möglichkeit einer supranationalen Lösung des Problems anhand der Rom II-Verordnung hin. Bei den meisten grenzüberschreitenden Sachverhalten, in denen Anlagengenehmigungen eine Rolle spielen, geht es um Umweltschädigungen – insbesondere durch Immissionen – im Sinne der Definition in Erwägungsgrund 24. Im Gegensatz zur Grundanknüpfung nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO eröffnet Art. 7 Rom II-VO dem Geschädigten dann ein Wahlrecht, das dieser zugunsten des Rechts am Handlungsort ausüben kann. Eine solche Wahl macht aber nur Sinn, wenn das Recht am Handlungsort für den Geschädigten günstiger ist. Mit Blick auf die auch von der Verordnung erfassten Abwehransprüche, könnte eine solche Wahl aber nie sinnvoll sein, wenn in dieser Fallkonstellation die privatrechtsgestaltenden Wirkungen einer Genehmigung auf jeden Fall zur Geltung kämen. Nur wenn entsprechende Unterlassungsansprüche unter bestimmten Voraussetzungen auch am Erfolgsort durch eine wirksame Genehmigung präkludiert sein könnten, und grundsätzlich eine erfolgreiche Anspruchsdurchsetzung oder Anerkennung im Ausland möglich scheint, macht der Vergleich der Rechtsordnungen und das Wahlrecht, das nur bei den Umweltschädigungen besteht, für den Geschädigten Sinn. Schließlich sprechen in diesem Zusammenhang auch völkerrechtliche Erwägungen dafür, einen möglichst staatenübergreifenden Lösungsweg zu haben. Nach allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts, haben Nachbarstaaten einander grundsätzlich von schädlichen Immissionen freizuhalten. Damit korrespondiert eine völkerrechtliche Verpflichtung der betroffenen Staaten, Immissionen bis zu einem gewissen Ausmaß zu dulden.30 Diesem liegt das bereits angesprochene Prinzip der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität zugrunde.31 Um diese völkerrechtlichen Verpflichtungen zufriedenstellend zwischen den Staaten ausgleichen zu können, wäre eine einheitliche, international akzeptierte und funktionierende Regelung von großem Vorteil. Eine solche hilft, Streit zu vermeiden, die Fokussierung auf durchsetzbare und interessengerechte Kompensationsansprüche zu ermöglichen und so den allgemeinen Umweltschutzstandard zu verbessern. Ein derartiger zwischenstaatlicher Interessenausgleich und die praktisch effektive Lösung der genannten Schwierigkeiten bedürfen einer staatenübergreifenden international-privatrechtlichen Lösung. Hierfür ist das 30 Sic utere tuo iure ut alienum non laedas; Fröhler/Zehetner, S. 72 ff.; OLG Linz, JBl. 1987, 577 (579). 31 Vgl. 7. Kapitel, III.4.b.

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8. Kapitel – Eigener Lösungsansatz – Rom II-Verordnung

Gemeinschaftsrecht prädestiniert. Die meisten europäischen Industriestaaten, zwischen denen derartige Konfliktsituationen entstehen können, gehören der Europäischen Union an. Seit dem Amsterdamer Vertrag bietet das Gemeinschaftsrecht die Möglichkeit, europäisches sekundäres Kollisionsrecht zu schaffen, was nun mit der Rom II-Verordnung geschehen ist. Diese betrifft hauptsächlich das Internationale Deliktsrecht, regelt dieses umfassend und universell und sollte, nachdem nichts ausdrücklich dagegen viel jedoch dafür spricht, auch diese Fragestellung umfassen. dd) Art. 17 Rom II-VO Nach Art. 17 Rom II-VO können auch bei Distanzdelikten – trotz der Anwendung des Erfolgsortsrechts als lex causae – die am Handlungsort geltenden Sicherheits- und Verhaltensregeln berücksichtigt werden. Hierbei handelt es sich um einen allgemeinen Gedanken des Internationalen Deliktsrechts.32 Als materieller Lösungsansatz auf Basis der Verordnung könnte die Beachtlichkeit von Anlagengenehmigungen unter bestimmten Voraussetzungen unter dem Gesichtspunkt der Berücksichtigung der Verhaltens- und Sicherheitsregeln im Sinne von Art. 17 Rom II-VO in Betracht kommen.33 Die Vorschrift und auch die entsprechenden Erwägungsgründe führen zwar direkt nichts zu dieser Problematik aus.34 Allerdings gehen sowohl die Europäische Kommission35 als auch einige Stimmen in der jüngeren Literatur zur Rom II-Verordnung36 davon aus, dass die Frage der Beachtlichkeit von Anlagengenehmigungen bei grenzüberschreitenden umweltrechtlichen Distanzdelikten von der Vorschrift erfasst wird. Andere sprechen sich jedoch auch aus verschiedenen Gründen dagegen aus.37 Wenn sich immissionsschutzrechtliche Anlagengenehmigungen, bzw. ihre privatrechtsgestaltenden Auswirkungen unter das Tatbestandsmerkmal der Sicherheits- und Verhaltensregeln des Art. 17 Rom II-VO subsumieren lassen, kann anhand der anderen Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift erarbeitet werden, ob prinzipiell die Möglichkeit der Beachtlichkeit von 32

Siehe oben, 5. Kapitel, III.5.c. MüKo-Junker, 5.A. (2010), Art. 7 Rom II-VO, Rn. 32. 34 So auch Freigang, S. 268. 35 KOM(2003) 427 endg. S. 22. 36 Ofner, ZfRV 2008, 13 (19); Freigang, S. 268; Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (725); Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 7 Rom II-VO, Rn. 9; Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 4 (50); ders., Yearbook PIL, 2007, S. 79 f.; Kreuzer in: Reichelt/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht, S. 40. 37 Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 40 EGBGB, Rn. 50b; Dickinson, Rn. 7.29; Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256 (296); Siems, RIW 2004, 662 (666); Stone, EuLF 2004, 213 (228); Fuchs, GPR 2003/04, 100 (103). 33

II. Anwendbarkeit der Rom II-Verordnung

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ausländischen Genehmigungen und ihrer Wirkungen besteht. Ist auf diese Weise grundsätzlich in den Vorschriften der Verordnung zum Internationalen Deliktsrecht ein Lösungsansatz für die Fragestellung angelegt, muss wegen der verwaltungs- und verfassungsrechtlichen Implikationen diskutiert werden, von welchen weiteren Bedingungen außerhalb der Verordnung eine Berücksichtigung abhängt. b) Anlagengenehmigungen als „Sicherheits- und Verhaltensregeln“? aa) Art. 17 Rom II-VO Nach Art. 17 Rom II-VO sind „die Sicherheits- und Verhaltensregeln zu berücksichtigen, die an dem Ort und zu dem Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses in Kraft sind.“ Diese Vorschrift, die zu den gemeinsamen Vorschriften des Kapitels V gehört, bestimmt selbst aber nicht, welche Sicherheits- und Verhaltensregeln erfasst sein sollen und was mit dieser Formulierung genau gemeint sein soll. Der Wortlaut der Vorschrift ist in dieser Hinsicht offen gehalten. Er ist insbesondere nicht auf die Regeln des Straßenverkehrs bzw. Verkehrsregeln im Allgemeinen beschränkt.38 Diese werden allerdings den Hauptanwendungsfall der Regelung ausmachen und sind auch das klassische praktische Beispiel für Sicherheits- und Verhaltensregeln am Tatort.39 Bei der Bestimmung der erfassten Regeln hilft Erwägungsgrund 34 der Verordnung. Hiernach betrifft Art. 17 Rom II-VO alle Vorschriften, die im Zusammenhang mit Sicherheit und Verhalten stehen. In diesem Zusammenhang werden zwar die Regeln der „Straßenverkehrssicherheit im Falle eines Unfalls“ explizit genannt, sie dienen jedoch nur als prägnantes Beispiel („…einschließlich beispielsweise…“). Die Formulierung in Erwägungsgrund 34 Satz 2 ist offengehalten und geht eindeutig über den Anwendungsfall der Verkehrsregeln hinaus. Ferner legt diese Begriffsbestimmung nicht fest, welche Art von „Vorschriften, die in Zusammenhang mit Sicherheit und Verhalten stehen“, gemeint ist. Daraus folgt, dass es keine besonderen Vorgaben für die Handlungsweise gibt.40 Die Sicherheits- und Verhaltensregeln können sich aus Gesetzen und aus untergesetzlichen Normen wie zum Beispiel Rechtsverordnungen und Kommunalsatzungen ergeben. Sie können auch ungeschriebenes örtliches oder allgemeines Gewohnheitsrecht sein oder von der Rechtsprechung entwickelt worden sein. Auch Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen – 38

MüKo-Junker, 5.A. (2011), Art. 7 Rom II-VO, Rn. 32. Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 17 Rom II-VO, Rn. 4; Dickinson, Rn. 15.30 ff.; Wagner, IPRax 2008, 1 (5); Bamberger/Roth-Spickhoff, 2.A. (2008), Anhang zu Art. 42 EGBGB, Rn. 118 f. mwN. 40 Dickinson, Rn. 15.32; Freigang, S. 268; Wagner, IPRax 2008, 1 (6). 39

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8. Kapitel – Eigener Lösungsansatz – Rom II-Verordnung

beispielsweise Straßenschilder – oder konkret-individuelle Regelungen wie zum Beispiel baurechtliche Abrissverfügungen oder eben immissionsschutzrechtliche Anlagengenehmigungen können solche Vorschriften sein. Dieser allgemeine Gedanke des Internationalen Privatrechts, der nun in Art. 17 Rom II-VO Ausdruck findet, wurde auch schon früher weitergehend zur Korrektur des Deliktsstatuts angewendet. So enthält zum Beispiel das Haager Produkthaftungsübereinkommen von 1973 eine derartige Regelung,41 die hauptsächlich bei Distanzdelikten Anwendung findet. Es sind auch Sicherheitsvorschriften als materiell-rechtliche Wertungen zu beachten, die einen gewissen örtlichen Sicherheitsstandard gewährleisten sollen.42 Wenn die örtlichen Sicherheitsvorschriften allgemeine Sorgfaltsstandards konkretisieren, spricht nichts dagegen, diese am Tatort faktisch zu berücksichtigen,43 da die Ausrichtung des Verhaltens am Recht des Handlungsorts als Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund dienen kann. 44 bb) Autonomes Recht Weiterhin gibt es auch im deutschen Recht viele Belege dafür, dass die am Begehungsort geltenden Rechtsvorstellungen mit in die Bewertung nach dem inländischen Erfolgsortsrecht einfließen können.45 Klassiker sind hierbei auch in Deutschland die Verkehrsregeln. Aber auch im Internationalen Lauterkeitsrecht46 und im Internationalen Vertragsrecht47 wird bei Sachverhalten so vorgegangen. Es können jedoch auch ausländische Umweltschutzvorschriften im Rahmen des Deliktsstatuts die Entscheidung beeinflussen, ob die objektiven oder subjektiven Voraussetzungen einer Haftung erfüllt sind. Für die Bewertung von Rechtswidrigkeit und Verschulden bei einer grenzüberschreitenden Umweltschädigung, die nicht zwingend im Zusammenhang mit dem Betrieb einer genehmigten Anlage stehen muss,

41 Haager Übereinkommen über das auf die Produkthaftung anwendbare Recht v. 2.10.1973; RabelsZ 37 (1973), 594. 42 Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Vor Art. 40 EGBGB, Rn. 58. 43 Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Vor Art. 40 EGBGB, Rn. 60, der dies zumindest für feuerpolizeiliche Bauvorschriften und das Nachbarrecht in Betracht zieht. 44 Wandt, SZIER 1997, 147 (170 f.) = VersR 1998, 529 (537); Stoll in: v. Caemmerer (Hrsg.), S. 163. 45 v. Bar, IPR II, Rn. 717; MüKo-Sonnenberger, 5.A. (2010), Einl. IPR, Rn. 423 ff.; v. Hein, VersR 2007, 440 (446). 46 BGHZ 40, 391 (400). 47 Vgl. v. Bar, IPR I, Rn. 264; zum Beispiel die rechtliche Unmöglichkeit der Erfüllung eines Vertrages aufgrund von gesetzlichen oder behördlichen Verboten oder auch der Wegfall der Geschäftsgrundlage aus diesen Gründen; MüKo-Sonnenberger, 5.A. (2010), Einl. IPR, Rn. 426.

II. Anwendbarkeit der Rom II-Verordnung

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können nach Art. 17 Rom II-VO grundsätzlich Grenzwerte und andere lokale Verhaltensnormen am Handlungsort faktisch berücksichtigt werden.48 Dies zeigt sich ferner auch an einem rein inländischen Sachverhalt des Immissionsschutzrechts, bei dem verschiedene Lokalitäten eine Rolle spielten. Im Kupolofen-Fall49 stellte der BGH bei den nachbarrechtlichen Duldungspflichten nach § 906 BGB mit Blick auf die Ortsüblichkeit auf die Verhältnisse im Bereich des emittierenden Grundstücks ab. Auch in Österreich50 und in der Schweiz werden allgemein und ohne spezifische Beschränkung die Sicherheits- und Verhaltensregeln am Begehungsort berücksichtigt, das schweizerische IPR-Gesetz enthält sogar eine entsprechende allgemeine Vorschrift.51 cc) Telos von Art. 17 Rom II-VO Sinn und Zweck der Regelung ist nicht nur die logisch notwendige Anpassung des auf bestimmte Sachverhalte anzuwendenden Rechts, sondern vor allem die „Wahrung eines angemessenen Interessenausgleichs“.52 Gerade bei der Problematik der Berücksichtigung oder Nichtbeachtung von ausländischen Genehmigungen mit anspruchsauschließenden Wirkungen gilt es besonders wegen der oben angeführten praktischen Schwierigkeiten,53 einen „angemessenen Interessenausgleich“ zu finden. Während der Hauptanwendungsfall der Norm, die Beachtung ausländischer Verkehrsregeln, bei Fällen der Auflockerung des Deliktsstatuts (nach Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO) von Bedeutung ist, kann die Vorschrift auch eine Korrektur der Erfolgsortsanknüpfung bei Distanzdelikten bewirken.54 In diesem Zusammenhang verfolgt Art. 17 Rom II-VO allerdings ein etwas anderes Ziel als nur die Reaktion auf die von der Rechtsrealität abweichenden Folgen der Auflockerungsregel.55 Sinn und Zweck der Vorschrift ist im Hinblick auf Distanzdelikte, dass auch der Schädiger, der sich an den Verhaltensstandards seiner Umgebung orientiert, vor schärferen Standards des Erfolgsortsrechts geschützt wird. So soll ein „angemessener Interessenausgleich“ erreicht werden. Allerdings soll durch die Vorschrift auch 48 Wenn die Immissionen im Ausland nicht vorhersehbar waren; Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 17 Rom II-VO, Rn. 3; Wagner, IPRax 2008, 1 (5); vgl. auch 9. Kapitel, II. 49 BGHZ 92, 143 (147 f.), siehe auch 3. Kapitel. 50 Rummel-Verschraegen, 3.A. (2002), § 48 IPRG, Rn. 18 und 33 mwN. 51 Art. 142 Abs. 2 schweiz. IPRG (Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht v. 18.12.1987). 52 Erwägungsgrund 34, der so schon im ersten Kommissionsvorschlag (Nr. 18) und auch im geänderten Vorschlag (Nr. 18) zu finden war. 53 Oben II.1.a.(2). 54 Wagner, IPRax 2008, 1 (5). 55 Wagner, IPRax 2008, 1 (5) mwN.

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8. Kapitel – Eigener Lösungsansatz – Rom II-Verordnung

nicht vom Schutzprinzip der Erfolgsortsanknüpfung abgewichen werden, wie sich schon daran zeigt, dass die Sicherheits- und Verhaltensregeln nur tatbestandlich berücksichtigt werden. Die Pflichten des Handlungsorts sollen deshalb gelten, weil sie auf Ebene des Sachrechts eine allgemeine Verhaltensregel aufstellen.56 Zum Teil wird hier über den Wortlaut der Vorschrift hinaus aus teleologischen Gründen gefordert, dass der Schädiger die Auswirkungen seiner Tätigkeit am Erfolgsort nicht vorhersehen konnte.57 Diejenigen Stimmen in der neueren Literatur zur Rom II-Verordnung, die sich gegen die Erfassung des Problems durch Art. 17 Rom II-VO aussprechen, verweisen zum einen darauf, dass es sich nicht um Sicherheitsund Verhaltensregeln handele, sondern um die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verhaltens.58 Wie bereits gesagt,59 handelt es sich bei der Genehmigung selbst gerade nicht um einen Rechtfertigungsgrund, sondern nur um ein Tatbestandselement der Präklusionsnorm, die auch aus dem Deliktsstatut stammen kann. Die Genehmigung kann also tatbestandlich im Sinne des Art. 17 Rom II-VO berücksichtigt werden. Ferner wird kritisiert, dass es keinen Automatismus zur Anerkennung ausländischer öffentlich-rechtlicher Genehmigungen gäbe, stattdessen müsse das erkennende Gericht entscheiden, unter welchen Voraussetzungen eine Genehmigung berücksichtigt werden kann, wenn es keinen dahingehenden Staatsvertrag gibt.60 Es gehe in diesem Zusammenhang eben nicht nur um die Berücksichtigung ausländischer Sicherheits- und Verhaltensregeln, sondern darum, eine Anerkennungspflicht von ausländischen Genehmigungen aus Art. 17 Rom II-VO abzuleiten. Dies könne dieser aber nicht leisten.61 Diese Kritik geht jedoch insoweit an der Regelung des Art. 17 Rom II-VO vorbei, als dass sie die Anerkennung der Genehmigung voraussetzt. Gerade die ist aber nicht notwendig, wenn nur die Existenz der rechtmäßigen Genehmigung am Handlungsort als Element des Tatbestands faktisch berücksichtigt wird. Auch bei Anwendung des Art. 17 Rom II-VO verbleibt dem erkennenden Gericht ein Ermessensspielraum,

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Siems, RIW 2004, 662 (666). Wagner, IPRax 2008, 1 (5); Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 17 Rom II-VO, Rn. 3; Symeonides in: FS Jayme, S. 943 f. Zur Erforderlichkeit dieser Anwendungsvoraussetzung für die Frage nach der Beachtlichkeit von Anlagengenehmigungen siehe 9. Kapitel, II. 58 Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 40 EGBGB, Rn. 50b. 59 Oben II.1.a.(3). 60 Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256 (296); Fuchs, GPR 2003/04, 100 (103); Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67 (2003), 1 (43 f.). 61 Siems, RIW 2004, 662 (666). 57

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die Berücksichtigung der ausländischen Genehmigung an gewisse Voraussetzungen zu knüpfen.62 Die Befürworter einer Erfassung der Problematik durch die Rom II-VO bauen einen Lösungsansatz alle zunächst auf der Regelung des Art. 17 Rom II-VO auf. Öffentlich-rechtliche Anlagengenehmigungen seien „unzweifelhaft“ als Sicherheits- und Verhaltensregeln im Sinne der Vorschrift zu qualifizieren63 und somit tatbestandlich zu berücksichtigen. Die Genehmigungen konkretisierten nämlich die gesetzlichen Sicherheits- und Verhaltensregeln.64 Auch die Befürworter gehen allerdings zum Großteil davon aus, dass die grundsätzlich mögliche tatbestandliche Berücksichtigung der Anlagengenehmigungen von weiteren Voraussetzungen abhängt,65 wie sie auch im Anschluss im 9. bis 11. Kapitel erörtert werden. dd) Umweltrechtliche Sicherheit- und Verhaltensregeln Nach den umwelt- und immissionsschutzrechtlichen Regelungen des Verwaltungsrechts werden Sicherheits- und Verhaltensregeln aufgestellt. Dies geschieht zum einen durch Verbote, generelle Verhaltensregeln und allgemein gehaltene Beeinträchtigungsgrenzen in den entsprechenden Gesetzen selbst.66 Die bedeutendste Rolle für die Sicherheits- und Verhaltensstandards in umweltschutzrechtlicher Hinsicht spielen untergesetzliche Regelungen der Exekutive, durch die zum Beispiel genaue Immissionsgrenzwerte bestimmt werden.67 Regional und lokal begrenzt kommen noch kommunale Regelungen dazu, die umweltschutzrechtliche Standards oder Verhaltensvorschriften für einzelne Gemeinden, gemeindeübergreifend oder für besondere Regionen aufstellen.68 Schließlich werden Sicherheits62 Die Sicherheits- und Verhaltensregeln am Handlungsort werden nur „soweit angemessen“ berücksichtigt; es bleibt hier somit Raum für weitere Voraussetzungen und gerichtliches Ermessen; im Einzelnen siehe hierzu 9.-11. Kapitel. Außerdem bleibt es dem erkennenden Gericht unbenommen, auf Grundlage des inländischen ordre public (Art. 26 Rom II-VO) das Ergebnis einer Berücksichtigung zurückzuweisen; siehe hierzu 11. Kapitel, II. 63 Leider ohne weitere Erläuterung Ofner, ZfRV 2008, 13 (19). 64 Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (725). 65 Vgl. Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 7 Rom II-VO, Rn. 9; MüKo-Junker, 5.A. (2010), Art. 7 Rom II-VO, Rn. 32; Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 4 (50); ders., Yearbook PIL, 2007, S. 79 f.; jeweils mwN. 66 Z.B. im deutschen Umweltrecht: § 5 BImSchG (Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen), § 1a WHG (Grundsatz des schonenden Umgangs mit Gewässern), § 19g WHG (Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen). 67 Z.B. die technischen Anleitungen nach § 48 BImSchG: Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) v. 26.8.1998; Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) v. 24.7.2002. 68 So z.B. die Einteilung der deutschen Flüsse in Flussgebietseinheiten nach § 7 Abs. 1 WHG, für jeweils eigene Verhaltensregeln aufgestellt werden, oder auch die Festlegung

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8. Kapitel – Eigener Lösungsansatz – Rom II-Verordnung

standards durch Entscheidungen und Regelungen von Behörden auf der mittleren und unteren Ebene der Verwaltungshierarchie festgelegt.69 Diese Verhaltensregeln werden durch eine behördliche Anlagengenehmigung konkretisiert. Auf gesetzlicher Ebene geben die Vorschriften zu den Genehmigungsvoraussetzungen und zum Genehmigungsverfahren den Rahmen vor, in dem sich der Betrieb der Anlage halten muss. Aber erst durch die Genehmigung wird dieser Rahmen auf eine bestimmte Anlage bezogen und außerdem durch individuelle Anpassungen und Vorgaben, die in der Form von Auflagen und anderen Nebenbestimmungen ergehen können,70 über die gesetzlichen Vorgaben hinaus konkretisiert. Von Bedeutung für diesen (örtlichen) Verhaltensstandard, an dem sich der Anlagenbetreiber messen lassen muss, sind die Grenzen dessen, was durch die Genehmigung gedeckt ist, sowie die Auflagen für den Betrieb, die mit der Genehmigung verbunden sind. Zivilrechtliche Verkehrssicherungspflichten, die in der Regel eine deliktische Haftung begründen können, sind „schädigungsbezogene“ Verhaltenspflichten und definieren deren Grenzen. Bei genehmigungspflichtigen Tätigkeiten werden durch die Genehmigung Art und Umfang der Verkehrssicherungspflichten modifiziert und zum Teil festgeschrieben, und mit ihnen auch die entsprechenden Verhaltensstandards, die sie so wie ein Spezialgesetz oder eine Verordnung für den Einzelfall konkretisieren. Auf diese Weise werden die durch die Genehmigung gesetzten Grenzen zu einer für den Schädiger konkretisierten Verhaltensregel. Die Genehmigung steckt für den Anlagenbetreiber einen Rahmen ab, innerhalb dessen die Industrieanlage betrieben und den genehmigten Tätigkeiten nachgegangen werden darf. Der Anlagenbetreiber kann sich in diesem Rahmen frei entfalten, er darf ihn allerdings nicht verlassen oder überschreiten. Ansonsten kann er nicht in den Genuss der anspruchsausschließenden Wirkungen der entsprechenden (öffentlich-rechtlichen) Vorschriften kommen.71 Die Genehmigung stellt somit einen individuell-konkreten Verhaltensmaßstab für die jeweilige Anlagen und ihren Betreiber auf. Insofern ist sie nichts anderes als ein straßenverkehrsrechtliches Gebot, auf einem bestimmten Autobahnabschnitt nicht schneller als 100 km/h zu fahren oder nicht zu überholen. Diese Sicherheits- und Verhaltensregel richtet sich zunächst an einen unbestimmten Personenkreis und ist so eine von Wasserschutzgebieten nach § 51 f. WHG, die durch Rechtsverordnungen festgelegt werden. 69 So z.B. immissionsschutzrechtliche Genehmigungen nach §§ 4 ff. BImSchG, wenn für diese nach dem einschlägigen Landesrecht nicht eine oberste Behörde zuständig ist; oder auch der Erlass nachträglicher Anordnungen nach § 17 BImSchG. 70 Vgl. z.B. § 12 BImSchG. 71 Für § 14 BImSchG: Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 14, Rn. 7.

II. Anwendbarkeit der Rom II-Verordnung

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allgemeine Regel, die allerdings in der Folge konkret für alle Benutzer des Straßenabschnitts gilt. Gleiches gilt im Bereich der Produkthaftung für eine Hygienevorschrift für bestimmte Nahrungsmittel am Ort ihres Inverkehrbringens. Art. 17 Rom II-VO und Erwägungsgrund 34 erfassen alle Vorschriften, die in Zusammenhang mit Sicherheit und Verhalten stehen. Die Genehmigung stellt für den Anlagenbetreiber – neben ihren konkreten Anordnungen – auch durch den Rahmen, den sie festlegt, eine derartige Verhaltensvorschrift dar. ee) Genehmigungspflichtigkeit Schließlich ist noch ein Aspekt im Zusammenhang mit der gesetzlichen Genehmigungspflicht zu prüfen. Diese Pflicht selbst ist eine Verhaltensregel. Der Betreiber einer genehmigungspflichtigen Anlage hat als eine der ersten Verhaltensregeln zu beachten, dass er der Genehmigungspflichtigkeit nachkommt und vor Inbetriebnahme ein Genehmigungsverfahren anstößt. Auch dies ist zumindest eine Verhaltensregel, wenn nicht sogar auch eine Sicherheitsregel in Anbetracht der Risiken, die eine unkontrollierte Inbetriebnahme einer Industrieanlage in sich bergen kann. Die Genehmigung selbst spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende faktische Rolle, als dass durch sie die Einhaltung eben dieser Verhaltensregel bestätigt wird. Die Genehmigung stellt in diesem letzten Zusammenhang selbst allerdings keine Verhaltensregel dar, die nach Art. 17 Rom II-VO faktische Berücksichtigung finden könnte. ff) Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass umweltschutzrechtliche Anlagengenehmigungen Sicherheits- und Verhaltensregeln aufstellen und konkretisieren. Durch Auflagen und andere konkrete Festsetzungen konkretisieren sie die gesetzlichen und untergesetzlichen Sicherheits- und Verhaltensstandards weiter. Durch die Festlegung eines Rahmens, innerhalb dessen der Anlagenbetreiber seiner Tätigkeit nachgehen darf, stellt die Genehmigung selbst eine neue Verhaltensvorschrift dar, die vom Anlagenbetreiber einzuhalten ist.72 Eine Anlagengenehmigung ist folglich im Hinblick auf die weite Definition des Begriffes durch Erwägungsgrund 34 der Verordnung ohne weiteres als Vorschrift, die in Zusammenhang mit Sicherheit und Verhalten steht, einzuordnen.

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So im Ergebnis auch KOM(2003) 427 endg. S. 22.

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3. „Berücksichtigung“ nach Art. 17 Rom II-VO a) Allgemeines Die von Art. 17 Rom II-VO vorgesehene Berücksichtigung der Sicherheits- und Verhaltensregeln des Handlungsorts kann theoretisch auf verschiedene Art und Weise geschehen. Nach dem Wortlaut sind diese Vorschriften grundsätzlich nur „zu berücksichtigen“ und folglich nicht direkt im Sinne einer Verweisung anzuwenden. Die Vorschrift stellt eben keine Sonderanknüpfung dieser Normen dar.73 Wie sich aus dem Wortlaut bereits ergibt – gerade auch im Vergleich mit dem von Art. 4 ff. und auch Art. 16 Rom II-VO – ist das „Berücksichtigen“ nicht nur „ein Weniger“74 sondern auch flexibler als die „Anwendung“ im Sinne des Deliktsstatuts. Nun stellt sich die Frage, wie öffentlich-rechtliche Anlagengenehmigungen nach dieser Vorschrift im Rahmen des Deliktsstatuts berücksichtigt wer den können. Grundsätzlich kommen mehrere Möglichkeiten in Betracht, die keine „Anwendung“ der ausländischen Regel darstellen. Das Spektrum reicht rein theoretisch von einer reinen Kenntnisnahme, zum Beispiel im Rahmen einer Verschuldensprüfung nach dem Deliktsstatut, bis hin zur formellen Anerkennung der Genehmigung als ausländischen Hoheitsakt in einem besonderen Verfahren. Allerdings ist die förmliche Anerkennung der Genehmigung mit umfassenden Wirkungen nach den Regeln des Internationalen Verwaltungsrechts, wie bereits im 7. Kapitel dargestellt nicht das passende rechtliche Instrument, wenn es um die Beachtlichkeit von Anlagengenehmigungen im zivilrechtlichen Haftungsprozess geht. Eine solche wäre äußerst aufwändig, eventuell sogar unmöglich und vor allem ist sie für die Beachtung von Genehmigungen mit dem Ziel eines angemessenen Interessenausgleichs nicht notwendig.75 So kommt auch eine Anerkennung nur durch das erkennende Gericht nach eigenen Grundsätzen und mit beschränkter Wirkung im Inland nicht in Frage, da auch diese mit Blick auf die betroffenen Interessen zu weit geht und außerdem nicht mit der rein tatbestandlichen Berücksichtigung, die Art. 17 Rom II-VO vorschreibt, vereinbar ist. Jegliche „Anerkennung“ scheidet in diesem Zusammenhang aus, da der Genehmigung und den damit verbundenen Sicherheits- und Verhaltensregeln so mehr als nur tatbestandliche Wirkungen zugemessen würden.

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Bamberger/Roth-Spickhoff, 2.A. (2008), Anhang zu Art. 42 EGBGB, Rn. 118; MüKo-Junker, 5.A. (2010), Art. 7 Rom II-VO, Rn. 32. 74 Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (725); v. Hein, VersR 2007, 440 (446) mwN; Betlem/Bernasconi, LQR 122 (2006), 124, (150); im Hinblick auf die Datumtheorie v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 1, Rn. 129. 75 Im Einzelnen vgl. 7. Kapitel, II.5.

II. Anwendbarkeit der Rom II-Verordnung

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b) Berücksichtigung Die „Berücksichtigung“ im Sinne von Art. 17 Rom II-VO ist also weniger als eine Anwendung des ausländischen Rechts, sprich der Genehmigung und der damit verbunden anspruchspräkludierenden Normen, und auch weniger als eine wie auch immer geartete Anerkennung der Genehmigung. Die Formulierung „zu berücksichtigen“ ermöglicht es dem Rechtsanwender, eine gewisse Flexibilität hinsichtlich der verschiedenen Arten von Sicherheits- und Verhaltensregeln, die die weite Definition in Erwägungsgrund 34 erfasst, walten zu lassen.76 Dies gilt weiterhin auch für die unterschiedlichen Rechtsbereiche, die erfasst werden. Jede Art von Vorschrift verlangt nach eigenen Grundsätzen für eine angemessene, einem Interessenausgleich dienliche Berücksichtigung. Die Sicherheits- und Verhaltensregeln wirken sich auf verschiedenen Ebenen auf die außervertraglichen Ansprüche des Deliktsstatuts aus. Auch bestehen Unterschiede zwischen den Auswirkungen der Berücksichtigung von Umständen am Handlungsort bei Platzdelikten, bei denen die Auflockerungsklausel des Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO greift, und Distanzdelikten, bei denen die Parteiinteressen oft eher diametral gegeneinander gerichtet sind.77 Ferner eröffnet dieser Wortlaut auch ein Ermessen hinsichtlich der Behandlung der Sicherheits- und Verhaltensregeln für das erkennende Gericht, wobei dieser Effekt wohl noch mehr durch die deutlich einzelfallbezogene Formulierung „soweit angemessen“ erreicht wird.78 Auf jeden Fall aber ist es aber so möglich, für jede Art von Sicherheits- und Verhaltensregel aus jedem Rechtsgebiet maßgeschneiderte Voraussetzungen für die gewünschte Art und Weise der Berücksichtigung zu entwickeln. Auf diese Weise kann den unterschiedlichen Regeln und Zielsetzungen der verschiedenen Rechtsgebiete Rechnung getragen werden. Insbesondere ist aber darüber hinaus auch die Einbeziehung von anderen Wertungen, vor allem verfassungsrechtlicher Art möglich. c) Berücksichtigung als Recht oder als „Faktum“? Nach Art. 17 Rom II-VO sind die Sicherheits- und Verhaltensregeln „faktisch“ zu berücksichtigen. Die Beachtung ausländischer Rechtssätze auf tatbestandlicher Ebene gilt nach der Vorschrift sowohl für die bekannten Fälle des Eingreifens der Auflockerungsregel (zum Beispiel bei Verkehrsunfällen) als auch für Distanzdelikte.79 Der Wortlaut der Vorschrift weist eindeutig auf die nur rein tatbestandliche Berücksichtigung der Vorschrif76

So auch Freigang, S. 268. Wagner, IPRax 2008, 1 (5) mwN. 78 Siehe 9. Kapitel, III. 79 Wagner, IPRax 2008, 1 (5) mwN. 77

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8. Kapitel – Eigener Lösungsansatz – Rom II-Verordnung

ten am Handlungsort hin. Wie bisher bei Verkehrsunfällen schon allgemein anerkannt, bedeutet dies, dass die erfassten Sicherheits- und Verhaltensregeln als Teile des tatsächlichen Sachverhalts behandelt werden und so Tatbestandsmerkmale des anwendbaren Rechts konkretisieren oder ausfüllen können. Art. 17 Rom II-VO ist also keine echte Kollisionsnorm. Anwendbar bleibt weiterhin das nach Art. 4 ff. Rom II-VO ermittelte Recht. Die örtlichen Verhaltensnormen werden lediglich als Maßstab verkehrsgerechten Verhaltens herangezogen – ein Zurückbleiben hinter diesem Maßstab kann dann eine Haftung begründen (Tatbestandswirkung). Die Sicherheits- und Verhaltensregeln werden haftungsrechtlich nach dem Deliktsstatut beurteilt mit der Folge, dass die entsprechenden Normen des Deliktsstatuts „sinngerecht“ ausgelegt werden müssen.80 Die Sicherheits- und Verhaltensregeln erlangen nach Art. 17 Rom IIVO also erst auf Ebene des Sachrechts (Deliktsstatuts) als im Ausland liegende Elemente des Tatbestands Bedeutung. Mit Blick auf umweltschutzrechtliche Anlagengenehmigungen bedeutet dies zunächst, dass die Existenz der ausländischen Genehmigung Beachtung finden kann. Allerdings müssen, um feststellen zu können, ob der entsprechende Verhaltensstandard überhaupt eingehalten wurde, auch die inhaltlichen Regelungen der Genehmigung betrachtet werden. Diese sind Teil der Genehmigung bzw. deren Inhalt und sind deshalb in diesem Sinne im Rahmen des Art. 17 Rom II-VO mit zu berücksichtigen. Die privatrechtsgestaltenden Wirkungen, die eine Genehmigung im Ausland hatte, können auf der anderen Seite allerdings nicht auch tatbestandliche Berücksichtigung finden, da es sich bei ihnen nicht um Sicherheits- und Verhaltensvorschriften handelt.81 Genauso wie bei dem auf der Datumtheorie fußenden Lösungsansatz82 kann also das Rechtsgebilde „Anlagengenehmigung“ als Verhaltensregel tatbestandlich als local datum betrachtet werden. Nach der Datumtheorie können ausländische Rechtssätze bei einem internationalen Sachverhalt, auf den inländisches Recht anwendbar ist, zur Ausfüllung oder Konkretisierung von Tatbestandsmerkmalen inländischer Haftungsnormen als Faktum berücksichtigt werden. So können sie zum 80

So sind zum Beispiel im Rahmen des § 823 II BGB dann die ausländischen Sicherheitsvorschriften u.U. als Schutzgesetze zu betrachten; Stoll in: v. Caemmerer (Hrsg.), S. 174. Dies lässt sich aber auch auf die privatrechtsgestaltenden Normen des öffentlichen Rechts übertragen. So kann z.B. im Rahmen des § 14 BImSchG das Tatbestandsmerkmal der Genehmigung grundsätzlich – und natürlich unter besonderen Voraussetzungen – auch durch eine ausländische Erlaubnis erfüllt werden. 81 Pfeiffer, UTR 54 (2000), 263 (274); Jayme in: Nicklisch (Hrsg.), Prävention im Umweltrecht, S. 217. 82 Oben 7. Kapitel, III.5.

II. Anwendbarkeit der Rom II-Verordnung

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Beispiel in Bezug auf die Rechtswidrigkeit oder für die Bestimmung des konkreten Sorgfalts- bzw. Verschuldensmaßstab von Bedeutung sein. Wie in diesem Zusammenhang die privatrechtsgestaltenden Normen des Öffentlichen Rechts und ihre Wirkungen einzuordnen sind, kann zunächst noch dahinstehen.83 Die Präklusionsvorschriften haben auf jeden Fall Auswirkungen auf die zivilrechtlichen Haftungsansprüche, die beschränkt bzw. ausgeschlossen werden können. Auch spielt an dieser Stelle die Ergänzung der reinen Datumtheorie um weitere Voraussetzungen im Zusammenhang mit behördlichen Genehmigungen noch keine Rolle.84 Es geht zunächst nur um die Art und Weise der Berücksichtigung. Auch wenn die Datumtheorie insbesondere wegen ihres ungeklärten Verhältnisses zu den klassischen Verweisungen des Internationalen Privatrechts kritisiert wird,85 so ist die rein tatbestandliche Berücksichtigung ausländischer Rechtssätze für gewisse Bereiche allgemein anerkannt. Art. 17 Rom II-VO legt den Bereich, in dem ausländische Rechtssätze berücksichtigt werden können, genau fest und ordnet die tatbestandliche Berücksichtigung im Sinne eines „Berücksichtigungsbefehls“ an, so dass in diesem Zusammenhang für Konflikte kein Raum bleibt. Eines Rückgriffs auf die Datumtheorie bedarf es allerdings auch nicht, da Art. 17 Rom II-VO alle notwendigen Tatbestandsmerkmale enthält. Die Betrachtung der Sicherheits- und Verhaltensvorschriften als Tatsachen (local data) hat auch zur Folge, dass diese nicht von Amts wegen vom Gericht ermittelt werden müssen, sondern die volle Darlegungs- und Beweislast in den Händen der Partei liegt, die sich auf die Genehmigung beruft.86 Im Ergebnis werden also ausländische Anlagengenehmigungen vorbehaltlich der Erfüllung weiterer Voraussetzungen als Tatsachen auf Ebene des Sachrechts berücksichtigt. Sie können so der Erfüllung von Tatbestandsmerkmalen der lex causae dienen, entfalten in diesem Zusammenhang selbst aber keine Rechtswirkungen.

83

Im Einzelnen dazu unten 12. Kapitel, I. In Verbindung mit der Anwendung der Datumtheorie auf die Frage nach der Beachtlichkeit von Anlagengenehmigungen wurden im Rahmen der bisherigen Lösungsansätze weitere Voraussetzungen für eine Beachtung wie die grenzüberschreitende Beteiligung der Betroffenen und die Vergleichbarkeit der materiellen Genehmigungsvoraussetzungen vorgeschlagen; vgl. 7. Kapitel, III.5. 85 Zur allgemeinen Kritik an der Datumtheorie im Internationalen Privatrecht und ihrem Verhältnis zu den kollisionsrechtlichen Verweisungsregeln: v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 1, Rn. 129; MüKo-Sonnenberger, 5.A. (2010), Einl. IPR, Rn. 609 ff. mwN. 86 A. Staudinger, SVR 2005, 441 (444). 84

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8. Kapitel – Eigener Lösungsansatz – Rom II-Verordnung

4. Zusammenfassung Nach dem Wortlaut von Art. 17 Rom II-VO sind die von der Vorschrift erfassten Sicherheits- und Verhaltensregeln am Handlungsort wie Elemente des Tatbestandes zu betrachten. Sie können die betreffenden Tatbestandsmerkmale der haftungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen konkretisieren und sogar ausfüllen. „Berücksichtigen“ räumt dem Rechtsanwender vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Vorschrift,87 der Rom II-Verordnung88 und des Internationalen Privatrechts89 einen gewissen Spielraum ein. Auf diese Weise kann die Beachtlichkeit ausländischer Sicherheitsund Verhaltensregeln, wie zum Beispiel behördlichen Genehmigungen, auch von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht werden. In Bezug auf immissionsrechtliche Anlagengenehmigungen bedeutet dies, das Genehmigung, soweit sie Sicherheits- oder Verhaltensregeln enthält oder selbst darstellt, zu berücksichtigen ist. Die Genehmigung, ihre Voraussetzungen sowie die darin enthaltenen Verhaltensstandards werden aber nur als Elemente des Tatbestands beachtet. Das heißt, dass sie zum einen nur nach weiteren besonderen Voraussetzungen überhaupt vom Gericht bewertet werden können, und dass zum anderen die Partei, die sich auf die Genehmigung beruft, nicht nur diese beweisen muss, sondern auch das entsprechende Umweltverwaltungsrecht des Handlungsortes.

87

Vgl. Erwägungsgrund 34 der Verordnung. Durch eine verbindliche Lösung des Problems durch die harmonisierten Regelungen der Rom II-Verordnung ist das anwendbare Recht sowie die zu berücksichtigenden Sicherheits- und Verhaltensregeln besser berechenbar; vgl. KOM(2003) 427 endg. S. 5. Auch werden die Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes (Erwägungsgrund 1), die gegenseitige Rücksichtnahme und auch ein hohes Umweltschutzniveau (Erwägungsgrund 25) verbessert bzw. gewährleistet. 89 So kann eine allgemeingültige und anerkannte Herangehensweise an die Fragestellung nach der Beachtlichkeit ausländischer Genehmigungen dem internationalen Entscheidungseinklang dienen. 88

9. Kapitel

Allgemeine Voraussetzungen einer Berücksichtigung I. Einleitung Im Vorhergehenden wurde erarbeitet, dass die Rom II-Verordnung und hierbei Art. 17 Rom II-VO einen Weg eröffnen können, auf dem ausländische Anlagengenehmigungen im Rahmen von immissionsschutzrechtlichen Klagen im Inland grundsätzlich Beachtung finden können. Nach dieser Feststellung stellt sich die Frage, ob nun Anlagengenehmigungen ohne weiteres beachtet werden können oder ob hierfür weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen. An den für Art. 17 Rom II-VO gewählten Formulierungen zeigt sich, dass der Wortlaut genügend Raum für die Entwicklung weiterer Voraussetzungen lässt („soweit angemessen … berücksichtigen“). Alle bisherigen Lösungsansätze für die Problematik, die die Möglichkeit der Beachtlichkeit ausländischer Genehmigungen in Erwägung ziehen, stellen hierfür ebenso weitere Bedingungen auf. Es gilt also zu prüfen, welche Voraussetzungen für die Berücksichtigung einer ausländischen Genehmigung bei grundsätzlicher Anwendung des inländischen Erfolgsortsrechts erfüllt sein müssen, um eine effiziente und praktikable Lösung zu finden, die einen angemessenen Ausgleich der beteiligten Interessen sicherstellt und rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht. Von großer Bedeutung bei den meisten bisherigen Lösungsansätzen ist die Beteiligung der ausländischen grenznahen Bevölkerung im Genehmigungsverfahren,1 da dieses Erfordernis das rechtsstaatliche Gegengewicht zu den anspruchsausschließenden Wirkungen der Genehmigungen darstellt. Viele Autoren verlangen auch nach einer Vergleichbarkeit der Genehmigungsvoraussetzungen, der betreffenden Umweltschutzstandards oder Grenzwerte.2 Im Folgenden wird geprüft, welche Voraussetzungen für die Berücksichtigung von ausländischen Anlagengenehmigungen als Sicherheits- und Verhaltensregeln nach Art. 17 Rom II-VO erforderlich sind. In Verbindung mit der tatbestandlichen Berücksichtigung, stellt sich zunächst die Frage, ob eine solche mit Blick auf die Schutzbedürftigkeit des Anlagenbetreibers 1 2

Unten 10. Kapitel. Unten 11. Kapitel, I.

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9. Kapitel – Allgemeine Voraussetzungen einer Berücksichtigung

nur in Frage kommt, wenn dieser die grenzüberschreitenden Immissionen nicht vorhersehen konnte (II.). Im Anschluss wird geprüft, welche Bedeutung die Formulierung „soweit angemessen“ in Art. 17 Rom II-VO in Bezug auf die Berücksichtigung umweltrechtlicher Genehmigungen haben kann (III.). Schließlich wird diskutiert, ob und wenn ja, welche etablierten Anerkennungsgrundsätze des Internationalen Verwaltungsrechts (IV.) und des Internationalen Zivilprozessrechts (V.) auf diese Fragestellung Anwendung finden können. Nach Klärung dieser allgemeinen Fragen bezüglich weiterer Voraussetzungen für eine faktische Berücksichtigung ausländischer Genehmigungen als Sicherheits- und Verhaltensregeln nach Art. 17 Rom II-VO werden im 10. und 11. Kapitel die grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung der Betroffenen, die Erforderlichkeit eines Vergleichbarkeitskriteriums und die Bedeutung des ordre public-Vorbehalts erörtert.

II. Vorhersehbarkeit Art. 17 Rom II-VO erlangt Bedeutung sowohl bei Eingreifen der Auflockerungsregel des Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO als auch bei Distanzdelikten und der regelmäßigen Anwendung des Erfolgsortsrechts (Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO). Während die Berücksichtigung der Sicherheits- und Verhaltensregeln am Handlungsort bei Platzdelikten, bei denen aufgrund der Auflockerungsregel eine andere Rechtsordnung berufen ist, der logisch notwendigen Anpassung der Sorgfaltsregeln dient, wird im Hinblick auf Distanzdelikte ein anderer Zweck verfolgt. In diesen Fällen soll durch die faktische Berücksichtigung der Sicherheits- und Verhaltensregeln der Schutz des Schädigers erreicht werden, wenn dieser auf die Regeln an seinem Handlungsort vertraut hat und sie eingehalten hat. In diesem Zusammenhang wird allerdings angenommen, dass der Schädiger nur dann schutzwürdig sei, wenn er die schadensverursachenden Auswirkungen seiner Handlung am ausländischen Erfolgsort nicht vorhersehen konnte. Anderenfalls hätte er sich auch auf die dort geltenden Standards einstellen müssen. Auf diese Weise könne ein angemessener Interessenausgleich im Sinne des Erwägungsgrunds 34 der Verordnung erreicht werden.3 Zur Begründung dieser Einschränkung wird weiter die Sonderanknüpfung für Fälle der Produkthaftung in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Rom II-VO herangezogen. In Bezug auf das Inverkehrbringen eines Produkts wird der Schädiger vor den Haftungsregeln am Ort des Inverkehrbringens geschützt 3

Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 17 Rom II-VO, Rn. 3; Freigang, S. 266; Wagner, IPRax 2008, 1 (5); Symeonides in: FS Jayme, S. 943 f.

II. Vorhersehbarkeit

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und das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts angewandt, wenn er das Inverkehrbringen an dem Ort nicht vorhersehen konnte. Dies müsse entsprechend auch für Art. 17 Rom II-VO in Verbindung mit Distanzdelikten gelten.4 Allerdings handelt es sich bei Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Rom II-VO um eine echte Kollisionsregel und nicht um eine speziellere Regelung zu Art. 17 Rom II-VO. Dieser bleibt in allen Fällen des Art. 5 Rom II-VO anwendbar und hat mit Blick auf die nationalen Produktsicherheitsregeln besondere Bedeutung.5 Auch spricht ein Wortlautvergleich der beiden Normen gegen die Einbeziehung dieser zusätzlichen Voraussetzung für die Anwendung des Art. 17 Rom II-VO bei Distanzdelikten. Gerade die Bedeutung der Regelung im Rahmen der grenzüberschreitenden Produkthaftung, bei der auf Ebene der Anknüpfungen an eine derartige Einschränkung der Schädigerschutzklausel gedacht wurde, spricht nicht unbedingt für eine erweiternde Auslegung der Voraussetzungen des Art. 17 Rom IIVO. Auf der anderen Seite dient auch die Anknüpfungsleiter des Art. 5 Rom II-VO laut Erwägungsgrund 20 einer „ausgewogenen Lösung“ zur Erreichung der zum Teil einander entgegenstehenden Ziele der Vorschrift.6 Im Gleichlauf dazu lässt sich im „soweit angemessen“ des Erwägungsgrundes 34 ein Anknüpfungspunkt für das Vorhersehbarkeitskriterium finden. Im Rahmen der grenzüberschreitenden Umwelthaftung, bei der die anspruchsausschließenden Wirkungen von Genehmigungen nur Beeinträchtigungen durch den genehmigten Normalbetrieb betreffen, sind die (potentiellen) grenzüberschreitenden Auswirkungen in vielen Fällen für die Anlagenbetreiber vorhersehbar.7 Dies würde bei der vertretbaren Einbeziehung eines zusätzlichen Vorhersehbarkeitskriteriums dazu führen, dass das altbekannte Dilemma8 der Beachtlichkeit von ausländischen Genehmigungen in den meisten Fällen nicht gelöst werden könnte. Wenn die Immissionen vorhersehbar waren, könnte eine Anlagengenehmigung nicht berücksichtigt werden. Dies hätte wiederum am Handlungsort nichtvollstreckbare Unterlassungsurteile zur Folge. Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob die Diskussion um die Vorsehbarkeit in diesem Zusammenhang nicht dahinstehen kann. 4

Wagner, IPRax 2008, 1 (5); ders., IPRax 2006, 372 (376 f.). Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 5 Rom II-VO, Rn. 8 und 14. 6 Erwägungsgrund 20: „Die Kollisionsnorm für die Produkthaftung sollte für eine gerechte Verteilung der Risiken einer modernen, hochtechnisierten Gesellschaft sorgen, die Gesundheit der Verbraucher schützen, Innovationsanreize geben, einen unverfälschten Wettbewerb gewährleisten und den Handel erleichtern. Die Schaffung einer Anknüpfungsleiter stellt, zusammen mit einer Vorhersehbarkeitsklausel, im Hinblick auf diese Ziele eine ausgewogene Lösung dar. […]“ 7 So auch Freigang, S. 267. 8 Vgl. 6. Kapitel. 5

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9. Kapitel – Allgemeine Voraussetzungen einer Berücksichtigung

Das Vorhersehbarkeitskriterium müsste im Hinblick auf ausländische Genehmigungen nicht zwingend Anwendung finden. Zum einen stellen zwar auch Anlagengenehmigungen Verhaltensregeln und Sorgfaltsstandards auf, allerdings gelten diese zunächst – vor Anwendung des Art. 17 Rom II-VO – nur für den Handlungsort. Am Erfolgsort dagegen gilt dieser Standard nicht. Es gibt dort aber auch keine entsprechend konkreten Einzelfallregeln, da eine Genehmigung für die konkrete Anlage am Erfolgsort nicht erteilt wird.9 Es lassen sich freilich die allgemeinen Sorgfaltsregeln und Grenzwerte des Erfolgsorts heranziehen, diese sind aber oft nicht konkret genug, dass es dem Anlagenbetreiber möglich wäre, aus diesen konkrete Schlussfolgerungen für den Betrieb der Anlage zu ziehen. Am Erfolgsort selbst sind die durch eine Genehmigung festgelegten konkreten Standards mangels behördlicher Befassung mit der betreffenden Anlage unbekannt. Eine Grenze für Extremfälle ist hier freilich zu ziehen, wenn dem Anlagenbetreiber bewusst ist, dass seine Anlage verheerende Auswirkungen am ausländischen Erfolgsort hat, die dort gegen grundsätzliche Umweltschutzregeln verstoßen. Allerdings werden derart krasse Auswirkungen zumeist auch am Handlungsort verboten sein. Außerdem ist in solchen Fällen der ordre public-Vorbehalt das geeignetere Instrument zur Einzelfallkorrektur.10 Die Bedingung für die Anwendung von Art. 17 Rom II-VO, dass die Beeinträchtigungen nicht vorhersehbar sein dürfen, beruht auf dem Gedanken der Schutzwürdigkeit des Schädigers. Er ist schutzwürdig, wenn die Auswirkungen am Erfolgsort nach einer objektiven ex ante-Betrachtung nicht vorhersehbar waren. In diesem Fall muss er sich nur auf seine örtlichen Sicherheits- und Verhaltensregeln einstellen. Zwar kann ein Anlagenbetreiber grenzüberschreitende Immissionen oft vorhersehen, an die ausländischen Sicherheits- und Verhaltensstandards, die von einer entsprechenden ausländischen Genehmigung ausgehen, kann er sich aber nicht halten. Denn eine solche besteht nicht, vielmehr kann der Anlagenbetreiber eine solche im Ausland auch regelmäßig nicht erhalten. Insbesondere die völkerrechtlichen Prinzipien der Territorialität und der Souveränität verhindern neben verschiedenen praktischen Gründen, dass eine Genehmigung für eine Industrieanlage jenseits der Grenze erteilt wird.11 Allerdings kann von einem Anlagenbetreiber auch erwartet werden, dass er sich – bei Vorhersehbarkeit – an generelle Umweltschutzregeln des Erfolgsorts, die nicht zwangsläufig von einer Genehmigung abhängen, hält. Diese generellen Verhaltensregeln gelten aber zumeist auch am Handlungsort. 9

VGH München, UPR 1984, 130; Moser, ÖJZ 1987, 97 (100 f.); Weitbrecht, NVwZ 1986, 897; Küppers, DVBl. 1979, 228. 10 Vgl. unten 11. Kapitel, II. 11 Siehe oben, Fn. 9.

III. „soweit angemessen … zu berücksichtigen“

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Aus diesen Gründen ist der Anlagenbetreiber im Hinblick auf die Berücksichtigung seiner Genehmigung und spezielle am Handlungsort geltende Sicherheits- und Verhaltensregeln schutzbedürftig. Würde man grundsätzlich von der Hinzunahme des Vorhersehbarkeitskriteriums für die Anwendung von Art. 17 Rom II-VO bei Distanzdelikten ausgehen, dann lassen trotzdem sowohl der flexible Wortlaut („soweit angemessen“) als auch das Ziel eines angemessenen Interessenausgleichs aus Erwägungsgrund 34 eine Nichtanwendung in Bezug auf die tatbestandliche Berücksichtigung von Anlagengenehmigungen zu. Die Frage der Vorhersehbarkeit besteht in Bezug auf Anlagengenehmigungen vielmehr in der Frage nach der Beteiligung der ausländischen Grenznachbarn am Genehmigungsverfahren am Handlungsort. So wie fehlende Vorhersehbarkeit die Rechtfertigung für die Anwendung der Sicherheits- und Verhaltensregeln am Handlungsort ist,12 so ist die Verfahrensbeteiligung mit der Möglichkeit Einwendungen geltend zu machen, die bei der Genehmigungserteilung Berücksichtigung finden, der Rechtfertigungsgrund für die Genehmigungswirkungen, wie zum Beispiel die Präklusion von Abwehransprüchen. Die rechtfertigende Funktion der konkreten Beteiligungsmöglichkeit für die potentiell betroffene Bevölkerung im Ausland wird eingehend im 10. Kapitel erläutert. Geht es um Anlagengenehmigungen als Sicherheits- und Verhaltensregeln im Sinne des Art. 17 Rom II-VO, so ist folglich die mangelnde Vorhersehbarkeit der ausländischen Beeinträchtigungen keine zwingende Voraussetzung für eine Berücksichtigung. Vielmehr kommt es auf die Möglichkeit für die betroffenen Grenznachbarn an, sich effektiv am Genehmigungsverfahren beteiligen zu können.

III. „soweit angemessen … zu berücksichtigen“ 1. Vorbemerkung Der flexible Wortlaut von Art. 17 Rom II-VO lässt Raum für verschiedene Intensitäten und weitere Voraussetzungen für die „Berücksichtigung“ ausländischer Rechtsfiguren – unterhalb einer kollisionsrechtlichen Verweisung – im Rahmen des Deliktsstatuts. Gerade bei den hier einschlägigen Fällen der Korrektur der Erfolgsortsanknüpfung nach Art. 4 Abs. 1 Rom

12

Wie z.B. bei der Produkthaftung, aber auch bei der zivilrechtlichen Umwelthaftung, wenn es nicht um die Berücksichtigung einer Anlagengenehmigung sondern z.B. um Grenzwerte und andere Verhaltensregeln bei der Geltendmachung von Kompensationsansprüchen geht.

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9. Kapitel – Allgemeine Voraussetzungen einer Berücksichtigung

II-VO13 – anders als beim klassischen Fall der Verkehrsunfälle bei Eingreifen der Auflockerungsklausel (Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO) – kann und sollte eine Berücksichtigung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Wenn bei Distanzdelikten trotz der Anwendung des Rechts am Erfolgsort Sicherheits- und Verhaltensregeln des Handlungsortsrechts zur Konkretisierung von Tatbestandsmerkmalen herangezogen werden, um den Schädiger vor überraschenden Haftungsfolgen zu schützen, bringt dies auf der anderen Seite Eingriffe in (verfassungs-) rechtlich gesicherte Positionen des Geschädigten mit sich. Dies bedarf der Rechtfertigung. Der Geschädigte genieße zudem ein gewisses Maß an Vertrauensschutz hinsichtlich der eigenen Rechtsordnung, welcher diametral dem Vertrauensschutz des Schädigers entgegensteht, so dass hier ein angemessener Interessenausgleich herbeigeführt werden muss. Würden die Sicherheits- und Verhaltensregeln am Handlungsort immer ohne weiteres berücksichtigt werden, könnte dies auch die Ziele der Rom II-Verordnung gefährden. Die Harmonisierung des Kollisionsrechts im Rahmen der Rom II-Verordnung hat ein einheitliches System zur Bestimmung des anwendbaren Rechts für außervertragliche Schuldverhältnisse zum Ziel, das eine größere Berechenbarkeit des anwendbaren Rechts und somit ein höheres Maß an Rechtssicherheit sowie einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Schädiger und Geschädigtem zu ermöglichen soll.14 Der Geschädigte soll zwar nicht durch die Anwendung des Ubiquitätsprinzips und eine entsprechende Wahlmöglichkeit begünstigt werden, er soll sich aber – im Fall von Distanzdelikten – auch auf die generelle Anwendung des Erfolgsortsrechts verlassen können. Der Schutz des Schädigers vor überraschenden Härten, die durch die grundsätzlich Anwendung des Erfolgsortsrecht entstehen können, durch die Berücksichtigung der Sicherheits- und Verhaltensregeln am Handlungsort soll auch gemäß Erwägungsgrund 34 nur „soweit angemessen“ geschehen. Auch im Hinblick auf Umweltschädigungen und das in diesem Zusammenhang gesetzte Ziel eines hohen Umweltschutzniveaus (Erwägungsgrund 25)15 können umweltrechtliche Sicherheits- und Verhaltensregeln am Handlungsort nicht immer ohne weiteres berücksichtigt werden. Ansonsten wäre einem wirtschaftsund industriepolitischen Wettlauf um möglichst niedrige Schutzstandards Tür und Tor geöffnet,16 was unter anderem auch das von Art. 7 Rom II-VO

13

Wagner, IPRax 2008, 1 (5). KOM(2003) 427 endg. S. 12. 15 favor naturae; Wagner, IPRax 2008, 1 (9); v. Hein, VersR 2007, 440 (449). 16 So auch Betlem/Bernasconi, LQR 122 (2006), 124, (150); v. Bar, Hague Recueil des Cours 268 (1997), 295 (390). 14

III. „soweit angemessen … zu berücksichtigen“

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angeordnete Günstigkeits- bzw. Ubiquitätsprinzip bei Umweltschädigungen konterkarieren würde. Der Wortlaut von Art. 17 Rom II-VO – „soweit angemessen … zu berücksichtigen“ – geht von einem gewissen Ermessensspielraum des Rechtsanwenders und auch von der Möglichkeit weiterer, nicht näher spezifizierter Voraussetzungen aus.17 Allerdings kommen hier mehrere Möglichkeiten hinsichtlich der Bedeutung und Auslegung des Wortlauts und seiner rechtstechnischen Umsetzung in Betracht. „Soweit angemessen“ kann auf der einen Seite lediglich ein selbstverständlicher Hinweis auf den ordre public-Vorbehalt sein, auf der anderen Seite kann es aber auch die Eröffnung eines tatrichterlichen Ermessens bedeuten. Zwischen diesen beiden Polen kommt ferner die verschiedentlich vorgetragene Ausgrenzung einzelner Rechtsgebiete aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift oder ein von besonderen Voraussetzungen eingegrenztes gelenktes richterliches Ermessen in Frage. 2. Deklaratorischer Hinweis auf den ordre public-Vorbehalt? Der allgemeine inländische ordre public-Vorbehalt aus Art. 26 Rom II-VO ist auch in den Fällen anwendbar, in denen gemäß Art. 17 Rom II-VO Sicherheits- und Verhaltensregeln, die nicht dem Deliktsstatut entstammen, berücksichtigt werden.18 Eines besonderen Hinweises bedarf es hier allerdings nicht. Der ordre public-Vorbehalt ermöglicht eine Ergebniskontrolle anhand elementarer Rechtsgrundsätze der lex fori, die erst nach einer eventuellen „Berücksichtigung“ stattfindet. Das „soweit angemessen“ hat aber eine darüber hinausgehende Bedeutung. Die weite Formulierung des Art. 17 Rom II-VO Raum lässt gewiss Raum für eine ordre public-Prüfung. Diese schließt allerdings wie in jedem privatrechtlichen Sachverhalt mit Auslandsberührung erst am Ende die rechtliche Würdigung ab. Auf die Anwendung von Art. 17 Rom II-VO hat der ordre public-Vorbehalt keine direkte Auswirkung. Der ordre public-Vorbehalt hat zum einen eine rein negative Funktion, indem er die Anwendung ausländischen Rechts verhindert, wenn diese sie entgegen den Grundüberzeugungen der inländischen Rechtsordnung wäre. Dagegen ermöglicht Art. 17 Rom II-VO vielmehr die Berücksichtigung statutsfremder Rechtsfiguren. Zum anderen ist der ordre public-Vorbehalt, so wie er auch in Art. 26 Rom II-VO Gestalt gefunden hat, nicht zur allgemeingültigen Lösung der faktischen Berücksichtigung von Sicherheits- und Verhaltensregeln geeignet. Der Vorbehalt ist äußerst restriktiv anzuwenden 17

So auch Freigang, S. 266. Hinsichtlich der Anwendung von Art. 26 Rom II-VO auf die von Art. 17 Rom IIVO erfassten Sicherheits- und Verhaltensregeln siehe 11. Kapitel, II. 18

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9. Kapitel – Allgemeine Voraussetzungen einer Berücksichtigung

und kann so nur als Notfallkorrektiv für krasse Ausnahmefälle dienen. Art. 17 Rom II-VO dagegen ermöglicht eine allgemeingültige und regelmäßig anwendbare Lösung für die tatbestandliche Berücksichtigung von Sicherheits- und Verhaltensregeln. 3. Ausschluss gewisser Rechtsbereiche von der Vorschrift? Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Rom II-Verordnung hat sich das Europäische Parlament auf den Standpunkt gestellt, dass gewisse Rechtsbereiche, namentlich die Persönlichkeitsverletzungen und das Wettbewerbsrecht, vom Anwendungsbereich des Art. 17 Rom II-VO ausgeschlossen sein sollten. Es mache unter anderem Schwierigkeiten, die anzuwendenden örtlichen Verhaltensregeln festzustellen. Diese Ausnahmen sollten durch einen Erwägungsgrund zu der Vorschrift genannt werden, in der Vorschrift selbst sollten sie allerdings nur aus dem Wortlaut („sofern dies angemessen ist“) abgeleitet werden.19 Diese Bereichsausnahmen wurden allerdings sowohl von der Kommission20 als auch vom Rat21 abgelehnt und in der Folge auch vom Parlament22 nicht weiter aufrecht erhalten. Die Formulierung „soweit angemessen“ ist erhalten geblieben. 4. Richterlichen Ermessens Die Formulierung des Art. 17 Rom II-VO deutet auf ein tatrichterliches Ermessen hin. Sicherheits- und Verhaltensregeln sind „soweit angemessen“ zu berücksichtigen. Im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung obliegt es also dem Gericht, festzustellen, ob und inwieweit die Verhaltensvorschriften am Handlungsort Beachtung finden können. Von einem solchen Ermessen gehen auch Kommission und Rat in ihren Erklärungen zu der entsprechenden Ergänzung durch das Parlament aus.23 Allerdings kann die Ermessensausübung durch das erkennende Gericht nicht unbeschränkt bestehen. Das differenzierte und ausgewogene Anknüpfungssystem der Verordnung sowie der durch sie beabsichtigte internationale Entscheidungseinklang wären in Gefahr. Rechtssicherheit und die Vorherbestimmbarkeit von anwendbarem Recht und Rechtsfolgen würden entgegen der Zielsetzung der Verordnung wieder stärker relativiert. Insbesondere gilt dies im Bereich der Umwelthaftung, da hier das anwendbare 19

EP-Dokument A6-211/2005 endg. S. 12 und 34. KOM(2006) 83 endg. S. 4. 21 Vgl. Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 22/2006, ABl. EU C E/2006/289/68 (78) 22 Vgl. EP-Dokument A6-481/2006 endg. 23 KOM(2006) 83 endg. S. 4; Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 22/2006, ABl. EU C E/2006/289/68 (78). 20

III. „soweit angemessen … zu berücksichtigen“

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Recht in besonderem Maße dem Ermessen des Gerichts entzogen ist. Es gilt zwar das Ubiquitätsprinzip mit einem Wahlrecht des Geschädigten, jedoch kein Günstigkeitsprinzip, das Ermessen einräumt. Auch die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO kann nicht eingreifen (Art. 7 Erster Halbsatz Rom II-VO).24 Die Ermessensausübung des Gerichts, bestimmte Sicherheits- und Verhaltensregeln, wie zum Beispiel eine immissionsrechtliche Anlagengenehmigung, zu berücksichtigen, muss von klar bestimmbaren Voraussetzungen geleitet sein. 5. Einräumung eines „gelenkten“ Ermessens Es besteht im Rahmen von Art. 17 Rom II-VO also ein Ermessensspielraum für das erkennende Gericht.25 Dieser sollte aber durch gewisse Grundsätze für die Berücksichtigung von ausländischen Anlagengenehmigungen und ihren Auswirkungen konkretisiert werden, so dass für Schädiger und Geschädigten vorhersehbare standardisierte Voraussetzungen existieren, nach denen eine Berücksichtigung stattfinden kann. Wie bereits angedeutet,26 bedarf die Berücksichtigung ausländischer Rechtsfiguren zur Korrektur der objektiven Anknüpfung an das Recht des Erfolgsorts bei Distanzdelikten einer Rechtfertigung, da in der Regel in Rechtspositionen des Geschädigten im Vergleich zur reinen Anwendung des Erfolgsortsrechts eingegriffen wird. Bei der Suche nach diesen zusätzlichen Voraussetzungen zur Rechtfertigung der mit der Berücksichtigung ausländischer Anlagengenehmigungen verbundenen Eingriffe müssen insbesondere die folgenden Ziele im Auge behalten werden: Die grundsätzliche Zielsetzung der Rom II-Verordnung, durch objektiv gleichlaufende Anknüpfungen einen effektiven internationalen Entscheidungsgleichklang sowie Rechtssicherheit und -vorhersehbarkeit zu erreichen, darf durch das Bemühen um Einzelfallgerechtigkeit nicht über die Maßen beeinträchtigt werden. Weiter muss ein möglichst hoher Umweltschutzstandard – am besten in Verbindung mit Anreizen für potentielle Schädiger, ihre Umweltschutzbemühungen zu verbessern – gewährleistet werden.27 Ferner gilt es, trotz der Berücksichtigung ausländischer Genehmigungen einen angemessenen Interessenausgleich und den Schutz der potentiell Geschädigten sicherzustellen. Schließlich müssen es die zusätzlichen Voraussetzungen vor dem Hintergrund der 24 Dies gilt nach dem Wortlaut von Art. 7, erster Halbsatz Rom II-VO auch für die Auflockerungsklausel des Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO, dieser kommt aber im Bereich der grenzüberschreitenden Umweltschädigungen nur eine untergeordnete Rolle zu. 25 KOM(2006) 83 endg. S. 4; Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 22/2006, ABl. EU C E/2006/289/68 (78). 26 Oben II. 27 Erwägungsgrund 25.

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9. Kapitel – Allgemeine Voraussetzungen einer Berücksichtigung

gerade aufgezählten Ziele vor allen Dingen ermöglichen, eine in der Rechtsrealität praktikable Lösung für die Durchsetzbarkeit von Gerichtsurteilen im Ausland in dem beschriebenen Spannungsfeld zu finden. Im Rahmen der Suche nach den zusätzlichen Voraussetzungen für die Berücksichtigung von am Handlungsort bestehenden Anlagengenehmigungen gilt es also zu fragen, mit welchen weiteren Prüfungsschritten sich ein praktikables Regime entwickeln lässt, das nicht zwangsläufig zur Nichtbeachtung der Genehmigungen führt und damit wirkungslos ist. Hierzu werden sowohl die Anerkennungsgrundsätze für ausländische Verwaltungsakte als auch diejenigen für ausländische zivilrechtliche Gerichtsurteile untersucht. Ein besonderes Augenmerk wird auf die schon von den bisherigen Lösungsansätzen postulierten Voraussetzungen der grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung28 und der Vergleichbarkeit der materiellen Genehmigungsvoraussetzungen29 gelegt.

IV. Die Anerkennungsgrundsätze für ausländische Hoheitsakte 1. Vorbemerkung Ein Ansatzpunkt zum Herausarbeiten der zu beachtenden zusätzlichen Voraussetzungen für die Berücksichtigung von ausländischen Anlagengenehmigungen im Rahmen von Art. 17 Rom II-VO könnten die Anerkennungsgrundsätze für ausländische Hoheitsakte aus dem Internationalen Verwaltungsrecht bzw. Internationalen Öffentlichen Recht sein. Eine Anerkennung ausländischer Hoheitsakte im Inland ist grundsätzlich nach Internationalem Öffentlichen Recht und den entsprechenden Grundsätzen des Völkerrechts möglich.30 Das Territorialitätsprinzip, das den Geltungsbereich von Normen des Öffentlichen Rechts, bzw. die Hoheitsgewalt inländischer Behörden auf das Hoheitsgebiet beschränkt, verbietet nicht die Anwendung ausländischen Öffentlichen Rechts, bzw. die Anerkennung oder Beachtung von ausländischen Verwaltungsakten im Inland. Auch existiert kein anderer völkerrechtlicher Grundsatz, der die Anwendung verbietet.31 Zwar besteht auf der anderen Seite auch keine generelle völkerrechtliche Verpflichtung zur Anwendung ausländischen Öffentlichen Rechts bzw. zur Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte. Eine solche würde gegen das Prinzip der Souveränität verstoßen. 28

Unten 10. Kapitel. Unten 11. Kapitel, I. 30 Oben 7. Kapitel, II.3. 31 MüKo-Sonnenberger, 5.A. (2010), Einl. IPR, Rn. 410; Linke, S. 104; Meesen, AöR 110 (1985), 398 (412). 29

IV. Die Anerkennungsgrundsätze für ausländische Hoheitsakte

191

Grundsätzlich haben die Normen des Öffentlichen Rechts aber einen extraterritorialen Anwendungsbereich, wenn sie nicht ausdrücklich räumlich beschränkt sind. Jeder Staat kann also grundsätzlich frei über eine Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte, wie zum Beispiel Anlagengenehmigungen entscheiden.32 Eine Pflicht zur „Respektierung“ fremder Hoheitsakte wird nur angenommen, wenn ein Staat allein die „ausschließliche“ Kompetenz zum Erlass dieses Hoheitsaktes hat. Das bedeutet, dass nur dieser eine Staat einen sinnvollen Anknüpfungspunkt zu dem geregelten Sachverhalt aufweisen kann, und dass eine spezielle dahingehende völkervertragliche Vereinbarung besteht. Anerkannt ist dies für die Verleihung der Staatsangehörigkeit eines bestimmten Staates und auch im Bereich der staatlichen Enteignungen, einen Bereich der durch die privatrechtsgestaltenden Präklusionswirkungen der Genehmigungen grundsätzlich berührt ist.33 Zum einen gilt dies jedoch nur hinsichtlich der enteignenden Auswirkungen innerhalb des enteignenden Staates, zum anderen bestehen bei grenzüberschreitenden Immissionen Anknüpfungspunkte in mehreren Staaten, mithin „konkurrierende“ Kompetenzen. Eine völkerrechtliche Anerkennungspflicht hinsichtlich ausländischer Anlagengenehmigungen besteht folglich nicht. Nachdem die Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte nun im Ermessen der inländischen Hoheitsträger steht – vorbehaltlich eventuell dazu verpflichtender Staatsverträge –, stellt sich die Frage, ob die Anerkennungsgrundsätze bzw. -voraussetzungen für eine „Berücksichtigung, soweit angemessen“ nach Art. 17 Rom II-VO genutzt werden können. Zunächst gilt auch für eine Berücksichtigung nach Art. 17 Rom II-VO, dass überhaupt eine rechtswirksame ausländische Genehmigung für die betreffende Anlage und die immissionsverursachenden Tätigkeiten bestehen muss. In diesem Zusammenhang ist auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Bestehens der Genehmigung und die verwaltungsrechtliche Fehlerlehre einzugehen. 2. Maßgeblicher Zeitpunkt Für die behördliche oder verfahrensimplizite gerichtliche Anerkennung von Verwaltungsakten gilt grundsätzlich, dass dieser im Falle von Änderungen oder seiner Aufhebung vor der Anerkennung so genommen wird, wie er zum Zeitpunkt der Anerkennung noch vorhanden ist.34 Im Rahmen des Art. 17 Rom II-VO kann dieser Grundsatz allerdings nicht aufrecht 32

Linke, S. 107; Nassr-Esfahani, S. 55, 63 und 92; Siehr, RabelsZ 52 (1988), 41 (65/75); König, S. 67. 33 Linke, S. 108 f. mwN. 34 König, S. 56; Nassr-Esfahani, S. 138.

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9. Kapitel – Allgemeine Voraussetzungen einer Berücksichtigung

erhalten werden, da es nach dem Wortlaut auf den Zeitpunkt der schädigenden Handlung ankommt. Dies ist im haftungsrechtlichen Zusammenhang sinnvoll, da auch die zivilrechtlichen Haftungstatbestände Simultanität voraussetzen. Es kommt hier im Gegensatz zur Produkthaftung nicht zu Schwierigkeiten im Falle von Änderungen der Sicherheitsregeln nach dem Inverkehrbringen eines Produktes,35 da der Zeitpunkt der Industrieemission der relevante ist. Zu diesem Zeitpunkt muss auch die Genehmigung vorliegen. 3. Verwaltungsrechtliche Fehlerlehre – fehlerhafte Verwaltungsakte Im Rahmen der verwaltungsrechtlichen Fehlerlehre stellt sich mit Blick auf die Anerkennung ausländischer Hoheitsakte die Frage, ob deren Rechtmäßigkeit von der anerkennenden Behörde oder dem anerkennenden Gericht zu prüfen ist. In der Regel ist eine solche révision au fond nach den entsprechenden Staatsverträgen, die die Anerkennungsmodalitäten regeln, ausgeschlossen.36 Dies ist auch der Fall, wenn eine Anerkennungspflicht den betreffenden Verwaltungsakten gegenüber besteht. Besteht eine solche nicht und auch kein Verbot der révision au fond, steht es im Ermessen des anerkennenden Staates, ob dieser den anzuerkennenden Verwaltungsakt einer Rechtmäßigkeitsprüfung als Voraussetzung für die Anerkennung unterziehen will. Dies verstößt völkerrechtlich weder gegen die Souveränität noch die Staatenimmunität des Erlassstaates.37 Mit Blick auf die Berücksichtigung ausländischer Anlagengenehmigungen sollte von einer Überprüfung allerdings aus Gründen der Prozessökonomie und besonders aus Respekt vor ausländischen hoheitlichen Entscheidungen abgesehen werden.38 Zunächst ist die Überprüfung des gesamten Verwaltungsverfahrens, der entsprechenden Entscheidungsgrundlagen sowie der behördlichen Ermessensausübung – gerade im Hinblick auf die äußerst umfangreichen Genehmigungsverfahren bei Industrieanlagen – durch ein ausländisches Zivilgericht kaum zu leisten. Außerdem erzeugt eine derartige Überprüfung, sollte sie zum Ergebnis gelangen, der ausländische Verwaltungsakt ist rechtswidrig, nicht nur erneut das bekannte Dilemma, dass das entsprechende ausländische Anerkennungsgericht ein Urteil, das sich die Überprüfung und Nullifikation eines inländischen Hoheitsakts anmaßt, unter Berufung auf den ordre public nicht anerkennen würde. Es widerspricht der Prozessökonomie derartig aufwändige Untersuchungen für ein im Ergebnis nicht vollstreckbares Urteil durchzuführen. 35 Vgl. zu dieser Problematik: Leible/Engel, EuZW 2004, 7 (16). Dieses Problem ließe sich wohl im Rahmen des Vorhersehbarkeitskriteriums lösen. 36 Vgl. z.B. im IZVR Art. 36 EuGVVO. 37 Linke, S. 111 und 138 mwN; König, S. 57 und 86. 38 So auch Nassr-Esfahani, S. 136 mwN.

IV. Die Anerkennungsgrundsätze für ausländische Hoheitsakte

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Schließlich würde eine solche Vorgehensweise auch die Grundsätze des Verwaltungsrechts ignorieren, nach denen ein rechtswidriger Verwaltungsakt solange gültig ist, also auch während einer betreffenden Emission, bis er zurückgenommen wird oder durch ein Gericht für ungültig erklärt wird. Sonst ließe sich der bezweckte Vertrauens- und Bestandsschutz für den Anlagenbetreiber nicht verwirklichen. Grundsätzlich nicht anerkennungsfähig und damit auch nicht nach Art. 17 Rom II-VO zu berücksichtigen ist ein nichtiger Verwaltungsakt, da kein wirksamer Hoheitsakt besteht,39 in den der Schädiger Vertrauen gehabt haben könnte. 4. ordre public Auch im Internationalen Verwaltungsrecht gilt grundsätzlich, dass das anzuwendende ausländische Recht, bzw. ein anzuerkennender Verwaltungsakt mit den wesentlichen Grundsätzen der inländischen Rechtsordnung und den Grundrechten vereinbar sein muss. Es besteht auch hier – wie im Internationalen Privatrecht – ein ordre public-Vorbehalt vergleichbar mit dem in Art. 6 EGBGB.40 In Bezug auf die Berücksichtigung ausländischer Anlagengenehmigung ist es allerdings nicht nötig, bereits bei der Anwendung des Art. 17 Rom II-VO eine besondere ordre public-Prüfung hinsichtlich der Vereinbarkeit der Genehmigung mit der lex fori vorzunehmen. Zum einen werden die Sicherheits- und Verhaltensregeln nur auf tatbestandlicher Ebene und nicht als Rechtssätze berücksichtigt. Zum anderen findet vor allem im Rahmen der Rom II-Verordnung noch eine ordre public-Prüfung nach Art. 26 Rom II-VO statt.41 5. Zusammenfassung Im Ergebnis konnte weiter hinsichtlich der zusätzlichen Voraussetzungen für eine Berücksichtigung als Sicherheits- und Verhaltensregel nach Art. 17 Rom II-VO im Wesentlichen die Erkenntnis gewonnen werden, dass der Genehmigungsverwaltungsakt nicht nichtig sein darf, und dass dieser im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses, also bei der Emission Bestand gehabt haben muss. All dies beurteilt sich nach dem Öffentlichen Recht

39 Allg. Meinung: Linke, S. 111; Wandt, SZIER 1997, 147 (162) = VersR 1998, 529 (534); Nassr-Esfahani, S. 138; König, S. 53 f. 40 MüKo-Sonnenberger, 5.A. (2010), Art. 6 EGBGB, Rn. 33 ff.; Linke, S. 131; NassrEsfahani, S. 134 f. 41 Unten 11. Kapitel, II.

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9. Kapitel – Allgemeine Voraussetzungen einer Berücksichtigung

des Erlassstaats.42 Die eventuelle Rechtswidrigkeit ist zunächst noch belanglos. In diesem Zusammenhang spielen die Überlegungen im nachfolgenden 10. Kapitel, das sich mit der grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung und den entsprechenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschäftigt, eine bedeutende Rolle. Sie dienen der Begründung des Rechtfertigungsgrundes für die Schutzbedürftigkeit des Anlagenbetreibers und für die Rechtseinschränkung beim Geschädigten durch eine eventuelle Anspruchspräklusion.

V. Die Anerkennungsgrundsätze des Internationalen Zivilverfahrensrechts Schon der Lösungsansatz von U. Wolf43 überträgt diese Anerkennungsgrundsätze auf die „Anerkennung“ ausländischer Anlagengenehmigungen zur Ergänzung bzw. Konkretisierung der Grundsätze des Internationalen Verwaltungsrecht. 1. Übertragbarkeit der Anerkennungsgrundsätze a) Einleitung Auch wenn man – auf Basis der in Art. 17 Rom II-VO gewählten Vorgehensweise44 – nicht wie U. Wolf davon ausgeht, dass eine ausländische Anlagengenehmigung zunächst anerkannt werden muss,45 so stellt sich aber trotzdem die Frage nach der Übertragbarkeit (einiger) der Urteilsanerkennungsvoraussetzungen bzw. Anerkennungsversagungsgründe aus dem Internationalen Zivilverfahrensrecht auch auf die „Berücksichtigung“ von Anlagengenehmigungen nach dem hier entworfenen Lösungsansatz auf Basis des Art. 17 Rom II-VO. Diese Voraussetzungen, die dem Schutz inländischer prozessualer Grundrechte dienen, stimmen im Wesentlichen mit dem überein, was im demokratischen Rechtsstaat als unverzichtbar und international zwingend erachtet wird.46

42

G. Bornheim, S. 227; Roßbach, NJW 1988, 590 (592). U. Wolf, S. 200 ff. 44 Oben 8. Kapitel. 45 Wie ein Urteil muss auch ein ausländischer Verwaltungsakt anerkannt werden, da die Umgestaltung der Rechtslage nur durch ihn und nicht durch die Rechtsvorschriften, auf denen er basiert, bewirkt wird (Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts); U. Wolf, S. 203. 46 U. Wolf, S. 201. 43

V. Die Anerkennungsgrundsätze des Internationalen Zivilverfahrensrechts

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Die Anerkennungsvoraussetzungen des Internationalen Zivilverfahrensrechts dienen der Einräumung eines bei der Anerkennung einzuhaltenden Grundrechtsschutzes, der sich aus den tragenden Grundsätzen des inländischen Verfahrensrechts ergibt.47 Dies entspricht im Prinzip dem verfahrensrechtlichen ordre public. Die wesentlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung in diesem Sinne sind das Erfordernis der internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts,48 die ordnungsgemäße und rechtzeitige Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks49 sowie die Einhaltung des Prioritätsprinzips50 und des restriktiv auszulegenden inländischen ordre public.51 Dazu kommt die grundsätzliche Frage nach der Wirksamkeit der anzuerkennenden Entscheidung.52 Für die Frage nach der Beachtlichkeit ausländischer Genehmigungen kommen im Hinblick auf eine Übertragung die Wirksamkeit der Entscheidung (b.), die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs (c.) und der ordre public-Vorbehalt (d.) in Betracht. Die anderen Anerkennungsgrundsätze bzw. ihre verfahrensrechtlichen Funktionen passen nicht zu der Frage nach der Berücksichtigung von öffentlich-rechtlichen Genehmigungen.53

47

U. Wolf, S. 203. § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO; i. Ggs. dazu findet unter der EuGVVO explizit keine Überprüfung der Zuständigkeit des Erstgerichts statt (Art. 35 Abs. 3 EuGVVO, ausgenommen davon sind nur Versicherungs- und Verbrauchersachen, ausschließliche Zuständigkeiten und besondere Abkommen mit Drittstaaten, Art. 35 Abs. 1 EuGVVO). 49 Art. 34 Nr. 2 EuGVVO, § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. 50 Vorrang der früheren Entscheidung über den gleichen Sachverhalt; Art. 34 Nr. 3 und 4 EuGVVO, § 328 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. 51 Art. 34 Nr. 1 EuGVVO, § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. 52 U. Wolf, S. 204. 53 Die Prüfung von Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit (sog. Spiegelbildprinzip, § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (analog) ist für diese Problemstellung nicht von Belang, da die internationale Behördenzuständigkeit für die Genehmigung nach der lex fori immer gegeben sein wird. Auch in der EuGVVO besteht diese Voraussetzung grundsätzlich nicht (vgl. Art. 35 Abs. 1 und 3 EuGVVO). Auch der Vorrang der früheren Entscheidung über den gleichen Sachverhalt (Prioritätsprinzip) ist für diese Problemstellung irrelevant, da es jeweils nur ein Genehmigungsverfahren und eine Genehmigung für eine Anlage an ihrem Standort geben kann. Bei grenzüberschreitenden Projekten werden die Genehmigungen grundsätzlich den gleichen Inhalt haben. Auch Die Verbürgung der Gegenseitigkeit nach § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ist für diese Fragestellung wie auch sonst im Gemeinschaftsrecht (vgl. die EuGVVO) nicht von Bedeutung. Nur in Teilbereichen des hier vorgeschlagenen Lösungsansatzes existiert rein faktisch Gegenseitigkeit aufgrund der zugrunde liegenden völkerrechtlichen Übereinkommen oder gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakten, jedoch ohne das sie deshalb zur besonderen Voraussetzung für die Berücksichtigung von ausländischen Anlagengenehmigungen gemacht werden müsste. 48

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9. Kapitel – Allgemeine Voraussetzungen einer Berücksichtigung

b) Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung Der Gesichtspunkt der Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung lässt sich auf die Beachtung von Anlagengenehmigungen in dem Sinne übertragen, dass nach der Wirksamkeit des Genehmigungsverwaltungsaktes gefragt wird. Dies ist aber eine Frage, die bereits im Rahmen des Internationalen Verwaltungsrecht gestellt wird. Die internationale Zuständigkeit der Behörde ist immer gegeben, diese wendet ihre lex loci an. Der Verwaltungsakt darf nur nicht nichtig sein. Diese Voraussetzung ist sowohl im Internationalen Verwaltungsrecht als auch im Internationalen Zivilverfahrensrecht in der Regel unproblematisch zu bejahen.54 Einer besonderen Übertragung dieses Grundsatzes bedarf es nicht. c) Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks Die Anforderung, das verfahrenseinleitende Schriftstück rechtzeitig und ordnungsgemäß zuzustellen,55 dient der Sicherstellung des prozessualen Grundrechts auf rechtliches Gehör.56 Das Erfordernis der Gewährung rechtlichen Gehörs insbesondere nach Art. 34 Nr. 2 EuGVVO ist die wichtigste Ausformung des allgemeinen ordre public. Der Beklagte in einem Zivilprozess muss die Möglichkeit gehabt haben, sich effektiv zu verteidigen. Es kommt nur noch auf die Rechtzeitigkeit und die Art und Weise der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an.57 Der Versagungsgrund ist nach der EuGVVO nur auf Rüge des Beklagten zu beachten, dann aber ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig.58 In Bezug auf die Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen ist die Gewährung prozessualen Grundrechtsschutzes unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs als auch unter dem des grundrechtlichen Eigentumsschutzes von entscheidender Bedeutung. Die Berücksichtigung einer Anlagengenehmigung kann die privaten Rechte, die aus dem Eigentum erwachsen, im Wege der privatrechtsgestaltenden Wirkungen, die ihr durch das Öffentliche Recht zugemessen werden können, beschränken. Allerdings bezieht sich die Frage nach der Gewährung rechtlichen Gehörs in diesem Zusammenhang auf die im folgenden Kapitel zu diskutierende 54

Geimer, 6.A. (2009), Rn. 2889 ff. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO, § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. 56 Rauscher-Leible, Bearb. 2011, Art. 34 EuGVVO, Rn. 23; Musielak-Stadler, 8.A. (2011), § 328 ZPO, Rn. 14 ff.; Geimer, 6.A. (2009), Rn. 2914; jeweils mwN. 57 Anders noch bei Art. 27 Nr. 2 GVÜ, da war die „ordnungsgemäße und rechtzeitige“ Zustellung erforderlich; Rauscher-Leible, Bearb. 2011, Art. 34 EuGVVO, Rn. 23. Bei § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO wird inzwischen der Rechtsgedanke des § 189 ZPO in diesem Sinne angewandt, umstr.; Geimer, 6.A. (2009), Rn. 2916 f. mwN zur anders lautenden hM. 58 Rauscher-Leible, Bearb. 2011, Art. 34 EuGVVO, Rn. 41 f. 55

V. Die Anerkennungsgrundsätze des Internationalen Zivilverfahrensrechts

197

Verfahrensbeteiligung möglicher Betroffener. Diese muss als verfassungsrechtliche Vorgabe an die Stelle des privatrechtlichen Abwehranspruches treten. In diesem Sinne wird auch die Übertragung des Grundsatzes der rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks in das Erfordernis der Beteiligung der inländischen (potentiell) Betroffenen münden.59 d) ordre public Schließlich unterliegt die Anerkennung ausländischer Gerichtsurteile immer noch einem ordre public-Vorbehalt, der das generelle Verbot einer révision au fond60 durchbrechen kann, wenn ein Urteil im Widerspruch zu den Grundprinzipien der anerkennenden Rechtsordnung steht und deren rechtsstaatlichen Anforderungen nicht entspricht. Trotz des gemeinschaftsrechtlichen Vertrauensgrundsatzes, von dem auch die EuGVVO ausgeht,61 sind die Sach- und Verfahrensrechte der Mitgliedstaaten noch nicht soweit vereinheitlicht, dass sich eine Korrekturmöglichkeit zum Schutze rechtsstaatlicher Mindestanforderungen über den ordre public erübrigen würde.62 Allerdings wird (zumindest im Anerkennungsverfahren) dem ordre publicVorbehalt wegen der stetig voranschreitenden Rechtsangleichung zunehmend die Legitimation abgesprochen.63 Es sind die Auswirkungen der Anerkennung am ordre public-Vorbehalt zu messen. Dabei gibt es auf der einen Seite den „verfahrensrechtlichen ordre public“, der bei Verletzungen der Grundprinzipien des rechtsstaatlichen Verfahrensrechts (nachweisbare Verstöße gegen elementare verfahrensrechtliche Garantien) eingreifen soll, und auf der anderen Seite den „materiell-rechtlichen ordre public“. Dieser greift ein, wenn die sachrechtliche Auswirkung der Anerkennung in so starkem Widerspruch zu den Gerechtigkeitsvorstellungen der inländischen Regelungen steht, dass eine Anerkennung als untragbar erschiene. Der ordre public-Vorbehalt nach Art. 34 Nr. 1 EuGVVO bzw. § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO greift allerdings nur in ganz krassen Fällen ein. Er ist „schwächer“ als der aus Art. 6 EGBGB oder Art. 26 Rom II-VO (sog. ordre public atténué). Erfasst wird nicht nur der Inhalt der ausländischen Entscheidung, 59

U. Wolf, S. 205. Art. 36 EuGVVO (Ausdruck des Vertrauensprinzips) enthält das ausdrückliche Verbot der révision au fond. Im deutschen Zivilverfahrensrecht wurde dies richterrechtlich aus dem ordre public-Vorbehalt des § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO abgeleitet; BGH, NJW 1992, 2100; Musielak-Stadler, ZPO, 8.A. (2011), § 328, Rn. 23 mwN. 61 Erwägungsgründe 16 und 17 der EuGVVO. 62 Vgl. auch Erwägungsgrund 18 der EuGVVO. 63 Vgl. Rauscher-Leible, Bearb. 2011, Art. 34 EuGVVO, Rn. 4 mwN. Die Mindermeinung zur Abschaffung wurde von der Europäischen Kommission bei den Entwürfen zur EuGVVO vertreten (KOM(1997) 609); siehe auch Baum/Lindner, NJW 1999, 465 (470). 60

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9. Kapitel – Allgemeine Voraussetzungen einer Berücksichtigung

sondern auch das Verfahren im Urteilsstaat.64 Die Anwendung des ordre public-Vorbehalts setzt nach herrschender Meinung eine Inlandsbeziehung voraus.65 Auch bei der Berücksichtigung ausländischer Anlagengenehmigungen nach Art. 17 Rom II-VO ist die letzte Kontrollinstanz der ordre publicVorbehalt. Dessen Prüfung richtet sich allerdings in diesem Zusammenhang nur nach Art. 26 Rom II-VO, der eine geringere Eingriffsschwelle als der international-zivilverfahrensrechtliche ordre public hat. Auf Art. 26 Rom II-VO in Verbindung mit der Frage nach Berücksichtigung von Anlagengenehmigungen wird im 11. Kapitel unter II. eingegangen. 2. Zusammenfassung Die Anerkennungsgrundsätze des Internationalen Zivilverfahrensrechts können, wie gezeigt, zum Teil für die Entwicklung der Voraussetzungen hilfreich sein. Allerdings führt die Übertragung und Anpassung der wesentlichen Grundsätze zu bereits erarbeiteten Voraussetzungen, wie dem Erfordernis der grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung, oder zu Erfordernissen, die im Internationalen Deliktsrecht strenger gehandhabt werden müssen, wie der ordre public-Vorbehalt nach Art. 26 Rom II-VO. Auch die international-zivilverfahrensrechtliche Anerkennung von ausländischen Gerichtsentscheidungen ist nur möglich, weil von der Fiktion der „Gleichwertigkeit der Gerichte in aller Welt“ ausgegangen wird.66 Insgesamt wird ein internationaler Grundstandard angenommen. Den qualitativen Unterschieden bei den verfahrensmäßigen Standards und Garantien wird mit Schutzvorschriften, wie sie sich zum Beispiel in § 328 ZPO oder in Art. 34 f. EUGVVO finden, begegnet. Die absolute Grenze ist der inländische ordre public.

64 Geimer, 6.A. (2009), Rn. 2912 f. und Rn. 2946 ff. zu den grundlegenden Verfahrensprinzipien: Unabhängigkeit des Gerichts, Rechtliches Gehör, Anspruch auf ein faires Verfahren. 65 Geimer, 6.A. (2009), Rn. 2967. 66 Geimer, 6.A. (2009), Rn. 2751.

10. Kapitel

Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung I. Einleitung Das Verfahren, in dem umweltschutzrechtliche Genehmigungen erteilt werden, ist in der Regel ein Verwaltungsverfahren, bei dem zumindest die von der zu treffenden Regelung betroffenen Bürger das grundsätzliche Recht haben, sich mit eventuellen Einwendungen zu beteiligen. Diese Einwendungen müssen dann im weiteren Verfahren beachtet werden und mit in die behördliche Entscheidung einfließen. Die Beteiligungsmöglichkeit korrespondiert später mit den mit der unanfechtbaren Genehmigung verbundenen Präklusionswirkungen hinsichtlich zivilrechtlicher Ansprüche.1 Die im 7. Kapitel vorgestellten Lösungsansätze, die eine Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen grundsätzlich für möglich halten, behandeln auch das Genehmigungsverfahren und die dort gegebenen Beteiligungsmöglichkeiten. Bei allen gehört die Beteiligung der betroffenen ausländischen Grenznachbarn zu den entscheidenden Bedingungen der Berücksichtigung von Anlagengenehmigungen. Auch wenn im Rahmen des Art. 17 Rom II-VO keine direkte ordre public-Prüfung vorgenommen wird, so ist es auch hier empfehlenswert – allein schon aufgrund der sachlichen Nähe – gewisse Grundprinzipien, die im Zusammenhang mit der Genehmigung und dem Genehmigungsverfahren stehen, zu überprüfen. Anknüpfungspunkt dieser Bedingungen einer Berücksichtigung ist das „soweit angemessen“ des Art. 17 Rom II-VO. Die ausländischen Rechtsfiguren dürfen, auch wenn sie auf dieser Ebene zunächst nur berücksichtigt werden, nicht mit den Grundgedanken der entsprechenden inländischen Regelung, den ihr zugrundeliegenden Gerechtigkeitsvorstellungen und den entsprechenden verfassungsrechtlichen Vorgaben in Widerspruch stehen.2 Der Beteiligung der potentiell Betroffenen am Genehmigungsverfahren kommt sowohl im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs als auch auf den verfassungsrechtlichen Eigentums1 U. Wolf, S. 205; Nassr-Esfahani, S. 135; Wolfrum, DVBl. 1984, 493 (501); Lummert, NuR 1982, 241 (244). 2 So auch Nassr-Esfahani, S. 135, in Bezug auf die innerprozessuale kollisionsrechtliche Anerkennung ausländischer Genehmigungen, der dies als „verfahrensrechtlichen ordre public“ bezeichnet.

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10. Kapitel – Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung

schutz entscheidende Bedeutung zu. Werden durch eine Genehmigung Rechte Dritter eingeschränkt, so tritt die Verfahrensbeteiligung als verfassungsrechtliche Vorgabe an die Stelle der aus dem Eigentum fließenden Abwehransprüche. Sie muss daher auch im ausländischen Verfahren als wesentliche Voraussetzung der Eigentumseinschränkung eingehalten werden, wenn gegenüber inländischen Grenznachbarn die Anspruchspräklusionen wirken sollen.3 Der so verursachte ausländische Eingriff in inländische Zivilrechtsverhältnisse ist mit diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben nur vereinbar, wenn die Grundsätze rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung gewahrt wurden und insbesondere rechtliches Gehör gewährt wurde. Die Möglichkeit zur Verfahrensbeteiligung für alle „Nachbarn“ einer Anlage, diesseits und jenseits einer Staatsgrenze, ist so aber nicht nur die Begründung dafür, dass in die Rechte dieser Betroffenen eingegriffen werden darf. Sie ist auch die entscheidende Rechtfertigung für die Schutzwürdigkeit des Anlagenbetreibers bzw. Schädigers, der sich nur auf die Sicherheits- und Verhaltensregeln am Handlungsort – in diesem Zusammenhang seine behördliche Genehmigung – verlässt. In dem Fall, dass Art. 17 Rom II-VO der Korrektur der Grundanknüpfung an den Erfolgsort nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO dient, wird zum Teil zur Begründung der Schutzwürdigkeit des Schädigers als zusätzliche Voraussetzung gefordert, dass er die Auswirkungen seiner Tätigkeiten am betreffenden Erfolgsort nicht voraussehen konnte. In gleicher Weise knüpft im Zusammenhang mit einer Anlagengenehmigung die Schutzwürdigkeit des Schädigers an sein Vertrauen an die Genehmigungswirkungen an. Dieses Vertrauen und damit die Schutzwürdigkeit des Schädigers sind aber nur berechtigt, wenn die Betroffenen die Möglichkeit hatten, sich am Verfahren zu beteiligen und Einwendungen gegen die geplante Anlage geltend zu machen, wodurch wiederum ihnen gegenüber die privatrechtsgestaltenden Wirkungen gerechtfertigt werden. Eine Berücksichtigung einer ausländischen Anlagengenehmigung ist also nur „angemessen“ im Sinne des Art. 17 Rom II-VO, wenn zumindest die grundsätzliche Beteiligungsmöglichkeit der betroffenen Grenznachbarn sichergestellt war. Im Folgenden soll erarbeitet werden, wie sich die grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung in der Rechtsrealität gestaltet. Hierzu wird untersucht, welche zwischenstaatlichen Übereinkommen es gibt, und ob sich in ihrer Folge ein allgemeiner Standard für die grundsätzliche Möglichkeit der grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung – zumindest für bestimmte Regionen – festmachen lässt. Basierend auf diesem Grundniveau könnten sich Konsequenzen für eine vereinfachte Berücksichtigung von ausländischen Genehmigungen ergeben. 3

U. Wolf, S. 205; Nassr-Esfahani, S. 135.

II. Allgemeines zur grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung

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II. Allgemeines zur grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung Für die Berücksichtigung ausländischer Anlagengenehmigungen ist die grundsätzliche Information der potentiell betroffenen ausländischen Bevölkerung über das geplante Vorhaben und die Möglichkeit der effektiven Beteiligung an dem Genehmigungsverfahren zu fordern. Während dies früher nicht geschehen ist und beteiligungswilligen Ausländern diese Möglichkeit sogar gerichtlich verwehrt wurde,4 wurde die verfahrensrechtliche Beteiligtenstellung von betroffenen Ausländern inzwischen grundsätzlich anerkannt und vielfach praktiziert. Dies geschah zum einen im Rahmen nationalen öffentlichen Rechts,5 zum anderen wurden auf zwischenstaatlicher Ebene Übereinkommen geschlossen, die die Rechte aller potentiell Betroffenen stärken und ihnen umfangreiche grenzüberschreitende Informations- und Beteiligungsrechte einräumen sollten.6 Problematisch ist allerdings, dass – trotz zunehmender Beteiligung von ausländischen Grenznachbarn7 – die grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung noch immer nicht umfassend und flächendeckend praktiziert wird.8 Dies hätte zur Folge, dass auch bei Anwendung von Art. 17 Rom IIVO vielfach eine Berücksichtigung von Anlagengenehmigungen scheitern 4 So der österreichische VGH hinsichtlich der Beteiligung deutscher Grenznachbarn am Verfahren vor der Luftfahrtbehörde hinsichtlich der Genehmigung des Flughafens Salzburg; ÖstVGH, VwSlg. 1969, Nr. 7582 (A), S. 264; hierzu Weitbrecht, NVwZ 1986, 897 mwN. 5 Das BVerwG hat niederländischen Grenzanrainern sogar die noch enger gefasste Klagebefugnis aus § 42 Abs. 2 VwGO in Bezug auf eine Klage hinsichtlich des Genehmigungsverfahrens zum Kernkraftwerk Emsland zuerkannt; BVerwGE 75, 285 = NJW 1987, 1154; und auch jüngst im Hinblick auf den Flughafen Düsseldorf/Weeze, BVerwG UPR 2009, 151. Zwar wurde festgestellt, dass ausländische Grenznachbarn am inländischen Genehmigungsverfahren teilnehmen dürfen, allerdings ergibt sich aus der Entscheidung nicht, ob und wie die inländischen Genehmigungsbehörden verpflichtet sind die Möglichkeit zur Beteiligung auch in den potentiell betroffenen ausländischen Grenzregionen sicherzustellen, so dass sich hieraus direkt noch keine allgemeine Beteiligungsmöglichkeit ableiten lässt. Außerdem betrifft die Entscheidung im Sinne einer richterlichen Rechtsfortbildung nur das atomrechtliche Genehmigungsverfahren und dies auch nur hinsichtlich Betroffener aus EG-Mitgliedstaaten. Da der normative Grundsatz auch bei anderen umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren der gleiche ist, sollte das Beteiligungsrecht auch mit Blick auf andere Genehmigungsverfahren (z.B. §§ 4 ff. BImSchG) gelten. Vgl. hierzu Weitbrecht, NJW 1987, 2132 (2133). 6 Z.B. die UNECE-Übereinkommen von Espoo und Aarhus; detailliert zu diesen unten bei II. 7 Vgl. hierzu Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 168; Wandt, SZIER 1997, 147 (166 f.) = VersR 1998, 529 (535). 8 v. Bar, Hague Recueil des Cours 268 (1997), 291 (353 f.); Weitbrecht, NJW 1987, 2132 (2133).

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10. Kapitel – Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung

müsste. Die Nichtberücksichtigung sollte mit den Zielen eines internationalen Entscheidungseinklangs und der Berechenbarkeit des anwendbaren Rechts im Interesse aller Beteiligten aber eine seltene Ausnahme bleiben. Das Erfordernis der vorherigen Beteiligung, die die rechtfertigende Entsprechung der späteren Anspruchspräklusion durch die unanfechtbare Genehmigung darstellt, ist für die Berücksichtigung einer Anlagengenehmigung unabdingbar. In zunehmendem Maße wird auch diese grenzüberschreitende Beteiligung in der Rechtsrealität durchgeführt.9 Auch die grenzüberschreitenden internationalen Informations- und Beteiligungsrechte sowie Rechtsschutzmöglichkeiten wurden insbesondere in den letzten Jahren zunehmend durch Staatsverträge und ihre Umsetzungen gesetzlich verankert und international angeglichen. Aufgrund dieser – besonders im europäischen Raum bemerkbaren – Entwicklung kann dem Erfordernis der grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung durch eine allgemeingültige Beteiligungsmöglichkeit im Genehmigungsverfahren entsprochen werden, wenn der verfahrens- und verfassungsrechtliche Grundstandard hoch genug ist. Wenn von einem solchen Standard ausgegangen werden kann, könnte dadurch der Weg für die Berücksichtigung ausländischer Anlagengenehmigungen bereitet und das gerichtliche Verfahren vereinfacht werden. Das erkennende Gericht muss in jedem Einzelfall die Verfahrensbeteiligung und die Beteiligungsmöglichkeiten genau prüfen. Dies ist im grenzüberschreitenden Kontext in der Regel praktisch schwer durchzuführen. Effektiver wäre es, wenn zunächst grundsätzlich von einer Beteiligung auch der ausländischen Grenznachbarn ausgegangen werden könnte. Derjenige, der sich dann darauf beruft, eine solche Möglichkeit trotzdem nicht oder nur unzureichend gehabt zu haben, müsste dies dann selbst darlegen und beweisen. Im Rahmen der rein tatbestandlichen Berücksichtigung der Genehmigung und der damit verbundenen Beweislastverteilung stellt dies zumindest zivilverfahrensrechtlich keine Schwierigkeit dar. Problematisch ist jedoch, dass sich die einschlägigen Umweltverwaltungsgesetze von Staat zu Staat zum Teil erheblich unterscheiden, und so Unterschiede hinsichtlich der grenzüberschreitenden Beteiligungsmöglichkeiten in Theorie und Praxis bestehen.10 Wichtig ist daher, einen internationalen bzw. zumindest regional begrenzten zwischenstaatlichen Stan-

9

So werden zum Beispiel im deutschen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren die ausländischen Nachbarn gemäß § 10 Abs. 4, § 9 der 9.BImSchV grenzüberschreitend beteiligt; Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 10, Rn. 62. Dies hat zur Folge, dass bei ordnungsgemäßer Beteiligungsmöglichkeit auch § 14 BImSchG anwendbar ist; Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 14, Rn. 6. 10 Lummert, NuR 1982, 241 (244).

II. Allgemeines zur grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung

203

dard zu entwickeln.11 Ein solcher Grundstandard kann sich im internationalen Kontext durch multilaterale supranationale Übereinkommen ergeben, auf deren Grundlage grenzüberschreitende Verfahrensrechte bestehen. Lässt sich ein solcher Grundstandard annehmen und entspricht er auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben, ist eine derartige praktische Herangehensweise vorstellbar. Ansatzpunkt für einen solchen Weg über internationale Übereinkommen können die umweltschutzrechtlichen Übereinkommen der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) sein, namentlich die „EspooKonvention“ (1991) und die „Aarhus-Konvention“ (1998). Die beiden Übereinkommen, die im Folgenden beschrieben werden, enthalten für die Vertragsstaaten verbindliche Regelungen, unter anderem zu (grenzüberschreitenden) Informations- und Beteiligungsrechten der betroffenen Öffentlichkeit. Schon deutlich vorher wurde zwischen den nordischen Staaten 1974 die so genannte Nordische Umweltschutzkonvention12 geschlossen. Dieses Übereinkommen enthielt bereits damals konkrete Verfahrensregeln und Kollisionsnormen. Es konzentriert sich besonders auf die grenzüberschreitende Beteiligung und das Recht auf rechtliches Gehör bei Anlagengenehmigungsverfahren, die potentiell umweltschädliche Auswirkungen haben.13 Allerdings ist mit Blick auf die UNECE deren deutlich größere Reichweite für die Entwicklung eines Grundstandards von entscheidendem Vorteil. Sie umfasst ganz Europa einschließlich Russland und die Türkei sowie die nichteuropäischen GUS-Staaten, die USA, Kanada und Israel. Auch die beiden angesprochenen Übereinkommen sind von den meisten dieser Staaten gezeichnet und großteils schon ratifiziert und umgesetzt.14 11 Die Grundprinzipien des Genehmigungsverfahrens sollten im Fall von grenzüberschreitenden Auswirkungen bzw. Immissionen einheitlich geregelt sein; siehe auch v. Bar, Hague Recueil des Cours 268 (1997), 291 (392). 12 Nordic Convention on the Protection of the Environment between Denmark, Finland, Norway and Sweden v. 19.2.1974, abgedruckt in ILM 1974, 591. 13 Insbesondere Art. 3 Abs. 1 der Konvention: „Any person who is affected or may be affected by a nuisance caused by environmentally harmful activities in another Contracting State shall have the right to bring before the appropriate Court or Administrative Authority of that State the question of measures to prevent damage, and to appeal against the decision of the Court ort he Administrative Authority to the same extent and on the same terms as a legal entity of the State in which the activities are being carried out. The provision of the first paragraph of this Article shall be equally applicable in the case of proceedings concerning compensation for damage caused by environmentally harmful activities. The question of compensation shall not be judged by rules which are less favourable to the injured party than the rules of compensation of the State in which the activities are being carried out.” 14 Siehe zum aktuellen Ratifikationsstand: Espoo-Übereinkommen http://www.unece.org/env/eia/ratification.htm, Aarhus-Übereinkommen http://www.unece.org/env/pp/ratification.htm.

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10. Kapitel – Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung

Der räumliche Anwendungsbereich erfasst folglich so gut wie alle Regionen, in denen es zu grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen unter Anwendung der Rom II-Verordnung kommen kann.15 In diesem Zusammenhang auch von Bedeutung – jedoch auf eher grundsätzliche Art – sind die Stockholmer Umweltdeklaration von 1972 und in der Folge die Rio Deklaration von 1992,16 wobei diese jeweils nur allgemeine Prinzipien enthalten, aus denen sich zunächst keine konkreten Beteiligungsrechte für Individuen oder die Öffentlichkeit ableiten lassen.17

III. Umweltschutzrechtliche Übereinkommen der UNECE 1. Einleitung Es bestehen zwei Übereinkommen auf internationaler Ebene, die Regelungen zur grenzüberschreitenden Öffentlichkeitsinformation und -beteiligung in Umweltsachen, insbesondere in Genehmigungsverfahren, wie zum Beispiel Umweltverträglichkeitsprüfungen, regeln. Diese wurden im Rahmen der UNECE abgeschlossen. Die UNECE ist eine der fünf Regionalkommissionen der Vereinten Nationen. Sie wurde 1947 vom Economic and Social Council (ECOSOC) gegründet und hat insgesamt 56 Mitgliedsstaaten. Ihre Tätigkeit unterteilt sich in verschiedene Arbeitsbereiche, zu denen unter anderem der Umweltschutz gehört. Hier gibt es wiederum vier Teilbereiche, wovon einer in fünf völkerrechtlichen Übereinkommen zum Umweltschutz besteht. Diese sind das Genfer Übereinkommen über

15 Einschränkungen können sich in dieser Hinsicht realistisch betrachtet höchstens bei Umweltschädigungen in Mitgliedsstaaten, die am Mittelmeer liegen, ergeben, wenn die entsprechenden Emissionen in nordafrikanischen Staaten, wie z.B. Marokko verursacht werden. 16 Die Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen, UNCHE (United Nations Conference on the Human Environment) fand vom 5. bis 16.6.1972 in Stockholm statt und war die erste Konferenz der Vereinten Nationen zum Thema Umwelt und gilt als Beginn der internationalen (globalen) Umweltpolitik. Die dort verfasste „Erklärung der Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen“ (Stockholmer Umweltdeklaration) enthält unter anderem Verfahrensrechte wie Information, Konsultation und Kooperation. Die nachfolgende Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung vom 3. bis 14.6.1992 in Rio de Janeiro (United Nations Conference on Environment and Development, UNCED) führte unter anderem zur „Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung“ (Rio-Deklaration). Diese enthält 27 Grundsätze zum internationalen Umweltschutz, von denen Grundsatz 10 die besondere Bedeutung sowohl der Information der Öffentlichkeit, als auch der Beteiligung der Betroffenen sowie des Zugangs zu den entsprechenden Gerichten für den Umweltschutz hervorhebt. 17 Vgl. Hohmann, NVwZ 1993, 311.

III. Umweltschutzrechtliche Übereinkommen der UNECE

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weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung von 197918, das Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen von 1991 (Espoo-Konvention)19, das Übereinkommen zum Schutz grenzüberschreitender Flussläufe und Seen (1992)20 – in Verbindung damit wurde 2003 das Civil Liability Protocol21 geschlossen –, das Übereinkommen über die grenzüberschreitenden Auswirkungen von Industrieunfällen (1992)22 und das Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten von 1998 (Aarhus-Konvention)23. Für die Frage nach der grundsätzlichen grenzüberschreitenden Möglichkeit zur Beteiligung an Genehmigungsverfahren sind einige Regelungen in der Espoo-Konvention und der Aarhus-Konvention von Bedeutung. Beide Übereinkommen sind zwar als völkerrechtliche Staatsverträge Teile der 18 Convention on Long-range Transboundary Air Pollution, Genf v. 13.11.1979; BGBl. 1982 II, S. 373. Das Übereinkommen enthält in Art. 1 Definitionen von “Luftverunreinigung” und „Weiträumigen grenzüberschreitenden Luftverunreinigung“. Im Hinblick auf grenzüberschreitende Beteiligungsrechte und andere Individualrechte schweigt das Übereinkommen. 19 Convention on Environment Impact Assessment in a Transboundary Context, Espoo (Finnland) v. 25.2.1991; in Kraft getreten am 10.9.1997; für den deutschen Titel und die Umsetzungsgesetze siehe unten Fn. 31. 20 Convention on the Protection and Use of Transboundary Watercourses and International Lakes, Helsinki v. 17.3.1992. Das Übereinkommen enthält im Abschnitt über die Flussanrainer in Art. 16 eine Verpflichtung dieser Vertragsstaaten, die Öffentlichkeit über den Zustand der grenzüberschreitenden Gewässer und über geplante Vorhaben zu informieren. Eine eindeutige Verpflichtung zur „grenzüberschreitenden“ Information enthält die Vorschrift allerdings nicht. 21 Protocol on Civil Liability and Compensation for Damage caused by the Transboundary Effects of Industrial Accidents on Transboundary Waters to the 1992 Convention on the Protection and Use of Transboundary Watercourses and international Lakes and to the 1992 Convention on the Transboundary Effects of Industrial Accidents, Kiew v. 21.5.2003. Das Protokoll, das ein Haftungsregime für die erfassten Unfälle im Wege der Gefährdungs- und der Verschuldenshaftung enthält ist bislang nur von 22 Staaten gezeichnet worden und nur von Ungarn bislang ratifiziert. Insbesondere die großen Industriestaaten der EU (Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande) und auch einige von Deutschlands Nachbarstaaten (Tschechische Republik, Schweiz) haben es nicht gezeichnet. 22 Convention on the Transboundary Effects of Industrial Accidents, Helsinki v. 17.3.1992, in Kraft getreten am 19.4.2000; BGBl. 1998 II, S. 1257. Auch dieses Übereinkommen sieht nur speziell für seine Zwecke die Information und Beteiligung der Öffentlichkeit hinsichtlich von Schutz- und Vorbereitungsmaßnahmen vor (Art. 9), ohne auf die grenzüberschreitende Bedeutung dieser Vorschrift einzugehen. 23 Convention on Access to Information, Public Participation in Decision-making and Access to Justice in Environmental Measures, Aarhus v. 25.6.1998, in Kraft getreten am 30.10.2001; BGBl. 2006 II, S. 1251.

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10. Kapitel – Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung

nationalen Rechtsordnungen, bedürfen aber der Umsetzung, damit aus ihnen konkrete Beteiligungsrechte abgeleitet werden können. Für die Europäische Union24 und viele ihrer Mitgliedstaaten ist dies bereits geschehen. Die Regelungen der Übereinkommen sind auch schon in der Praxis zum Einsatz gekommen und haben die grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung der betroffenen Öffentlichkeit in einigen Umweltverträglichkeitsprüfungs- und Genehmigungsverfahren ermöglicht. Im Folgenden sollen die Übereinkommen und die entscheidenden Regelungen kurz vorgestellt, auf ihre Umsetzung eingegangen und dann gezeigt werden, wie sich dies in einem internationalen Grundstandard der Verfahrensbeteiligung niederschlagen kann. 2. Espoo-Konvention von 1991 a) Vorbemerkung 1991 wurde im finnischen Espoo das „Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen“25 unterzeichnet. Dieses UNECE-Übereinkommen verpflichtet zur Durchführung grenzüberschreitender Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) mit Schwerpunkt auf der Beteiligung aller voraussichtlich betroffenen Staaten und der Öffentlichkeit bei Vorhaben, die erhebliche grenzüberschreitende Umweltauswirkungen haben können. Startpunkt für die Entwicklung waren der Grundsatz 21 der Stockholmer Umweltdeklaration von 1972,26 nach dem die Staaten sicherstellen sollen, dass Tätigkeiten unter ihrer Rechtsordnung oder Kontrolle nicht zu Umweltschäden in anderen Staaten oder Gebieten führen, und die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) 1975 in Helsinki, in der die weitere Befassung mit den Konzepten zu einer grenzüberschreitenden UVP an die UNECE übergeben wurde. In sechs 24 Die Europäische Gemeinschaft hat beide Übereinkommen selbst gezeichnet und für ihre Mitgliedstaaten mittels verschiedener Richtlinien umgesetzt; siehe hierzu unten II.1.b. und II.2.b. Die Aarhus-Konvention findet durch die sog. Aarhus-Verordnung (VO (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.9.2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, ABl. EU L 264 v. 25.9.2006, S. 13) auch Anwendung auf die Organe und Institutionen der EU. 25 Übereinkommen v. 25.2.1991 über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen, umgesetzt durch das Espoo-Vertragsgesetz v. 7.6.2002, BGBl. 2002 II, S. 1406 (inkl. amtlicher deutscher Übersetzung) und durch das Zweite EspooVertragsgesetz v. 17.3.2006, BGBl. 2006 II, S. 224. 26 Siehe oben Fn. 21.

III. Umweltschutzrechtliche Übereinkommen der UNECE

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Hauptverhandlungsrunden von Oktober 1988 bis September 1990 wurde das Übereinkommen im Wesentlichen entwickelt und schließlich im Frühjahr 1991 in Espoo angenommen.27 Nach dem Übereinkommen müssen Umweltverträglichkeitsprüfungen über die Grenzen zwischen Vertragsparteien hinweg ausgedehnt werden, wenn ein geplantes Projekt voraussichtlich erhebliche nachteilige grenzüberschreitende Auswirkungen hat. Das Übereinkommen war eine Reaktion auf die wachsende Besorgnis über grenzüberschreitende Emissionen und die Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen als Instrument zur Minderung der negativen Auswirkungen neuer Projekte auf die Umwelt. Nachdem die Espoo-Konvention von 16 Staaten ratifiziert worden war, ist sie am 10.9.1997 in Kraft getreten.28 Seit dieser Zeit haben die Zahl der Vertragsparteien und die praktische Anwendung des Übereinkommens stetig zugenommen.29 b) Regelungsgehalt der Espoo-Konvention – die grenzüberschreitende UVP Das nach der Espoo-Konvention durchzuführende Verfahren besteht aus drei Abschnitten: Der Benachrichtigung bzw. „Notifizierung“ der Betroffenen, der eigentlichen Umweltverträglichkeitsprüfung und der auf ihr basierenden Entscheidung. Besonders der erste Abschnitt dieses Verfahrens – die Beteiligung aller betroffenen Vertragsstaaten und nach Art. 3 Abs. 8 der Konvention auch der betroffenen Öffentlichkeit – ist für die Herausarbeitung eines transnationalen Standards grenzüberschreitender Verfahrensbeteiligung von großer Bedeutung. Aber auch die effektive Berücksichtigung und Umsetzung der diesen Beteiligungsmöglichkeiten entspringenden Stellungnahmen und Widersprüchen im UVP- bzw. Genehmigungsverfahren in den weiteren Abschnitten gilt es im Auge zu behalten. Beteiligungsmöglichkeiten, die, obwohl sie wahrgenommen werden, fruchtlos

27

Zur Geschichte der Espoo-Konvention: http://www.unece.org/env/eia/about/history.

htm. 28 In der Folge der Espoo-Konvention wurde nach Verhandlungen von 2001 bis 2003 am 21.5.2003 in Kiew das Protokoll zur Strategischen Umweltprüfung (Protocol on Strategic Environmental Assessment) angenommen. Dieses ist stark von der Espoo-Konvention und der Aarhus-Konvention sowie der Richtlinie 2001/42/EG über die Strategische Umweltprüfung beeinflusst. Die strategische Umweltprüfung ist systematisches Prüfungsverfahren, mit dem die Umweltaspekte bei strategischen Planungen und dem Entwurf von Programmen untersucht werden. Typische Anwendungsfälle sind Regionalentwicklungspläne, Bauleitpläne, Verkehrskonzepte, Abfallwirtschaftspläne, Energiekonzepte, Tourismusprogramme usw. 29 Vgl. für aktuelle Informationen die Websites der UNECE (http://www.unece.org/ env/welcome.html) und des BMU (http://www.bmu.de/umweltvertraeglichkeitspruefu ng).

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10. Kapitel – Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung

bleiben, können nicht die verfahrensrechtlichen Anforderungen für die Berücksichtigung von ausländischen Verwaltungsentscheidungen erfüllen. In Zusammenhang mit der Frage nach der grenzüberschreitenden Öffentlichkeitsbeteiligung sind insbesondere Art. 1, 2, 3 und 6 der EspooKonvention von Bedeutung. Die relevanten Regelungen werden im Folgenden kurz zusammengefasst. Art. 1 enthält Begriffsbestimmungen, unter anderem werden die „Ursprungsstaaten“, die „betroffenen Staaten“30 und die „Öffentlichkeit“31 definiert. Art. 2 Abs. 3 verpflichtet die Vertragsstaaten zur Durchführung einer besonderen internationalen UVP, wenn über die Genehmigung eines Vorhabens entschieden werden soll, die „voraussichtlich erhebliche nachteilige grenzüberschreitende Auswirkungen haben“. Die grundsätzlich erfassten Tätigkeiten bzw. Anlagen werden in Anhang I des Übereinkommens aufgeführt.32 Weiter trifft die Vertragsstaaten nach Art. 2 Abs. 4 die Verpflichtung, die potentiell betroffenen Staaten über entsprechende Vorhaben zu informieren.33 Von großer Bedeutung ist die Regelung des Art. 2 Abs. 6. Dieser enthält die verbindliche Verpflichtung der Vertragsparteien, der Öffentlichkeit, und zwar insbesondere grenzüberschreitend, eine Beteiligungsmöglichkeit an UVP-Verfahren nach dem internationalen Gleichbehandlungsgrundsatz einzuräumen. Noch konkreter wird diese grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung von Art. 3 Abs. 8 der Konvention ausgestaltet. Hiernach stellen die Beteiligten Vertragsparteien sicher, dass die Öffentlichkeit34 der betroffenen Vertragspartei(en) in den voraussichtlich betroffenen Gebieten über die geplante Tätigkeit bzw. Anlage unterrichtet wird und die Möglichkeit erhält, Stellungnahmen oder Widersprüche dazu abzugeben. Der Standort dieser Vorschrift in Art. 3 der Konvention lässt darauf schließen, dass diese Öffentlichkeitsbeteiligung im zeitlichen Zusammenhang mit der Notifizierung nach Art. 3 Abs. 1, also in einem frühen Verfahrensstadium, und nicht erst nach Vorliegen der Umweltverträglichkeitsstudien zu erfolgen hat.35 Art. 6 Abs. 1 legt schließlich die Verpflichtung der Vertragsstaaten fest, die Ergebnisse der durchgeführ30 Bei mehreren Ursprungsstaaten können auch diese wiederum „betroffene Staaten“ iSv Art. 1 iii) der Konvention sein; siehe hierzu im Zusammenhang mit dem UVPVerfahren zur Ostsee-Pipeline (Nordstream) Abromeit, ZUR 2007, 354 ff. 31 Nach Art. 1 x) bedeutet „Öffentlichkeit“ eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen. 32 Hierzu gehören im Wesentlichen alle Großanlagen der chemischen, metall- und rohstoffverarbeitenden Industrie, alle größeren Kraftwerksarten und Mülldeponien sowie große verkehrstechnische Anlagen wie Flughäfen, Häfen und Autobahnen. 33 Dies gilt jedoch nur, wenn es sich bei diesen Staaten um Vertragsstaaten des Übereinkommens handelt. 34 Vgl. Art. 1 x) der Konvention. 35 Abromeit, ZUR 2007, 354 (358).

III. Umweltschutzrechtliche Übereinkommen der UNECE

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ten UVP, insbesondere auch die im Rahmen der gemäß Art. 3 Abs. 8 durchgeführten Öffentlichkeitsbeteiligung empfangenen Kommentare und Widersprüche, bei ihrer Entscheidung über das betreffende Vorhaben zu berücksichtigen. Die Espoo-Konvention bedarf, obwohl sie – zum Beispiel in Deutschland durch das Zustimmungsgesetz vom 7.6.200236 – Teil der nationalen Rechtsordnungen der meisten Vertragsstaaten geworden ist,37 der Umsetzung in nationales Recht oder auch supranationales Gemeinschaftsrecht, da die die einzelnen Bestimmungen zu vage und weit gefasst sind, um damit konkrete UVP-Verfahren durchführen zu können. Die entsprechenden Umsetzungsakte, aus denen in Verbindung mit der Espoo-Konvention selbst ein grenzüberschreitender Verfahrensbeteiligungsstandard abgeleitet werden kann, werden im folgenden Abschnitt vorgestellt. Die Espoo-Konvention ist bereits in der Praxis im Rahmen von internationalen Großvorhaben zum Einsatz gekommen. Im Wege der nationalen Umsetzungen wurden bzw. werden internationale UVP-Verfahren durchgeführt. Ein bekanntes Beispiel ist die Verlegung der so genannten Ostseepipeline (Nordstream), mit der Erdgas ab 2012 von Russland nach Norddeutschland geleitet werden soll, um die Energieversorgung von Nordwesteuropa sicherzustellen. Der Bau und Betrieb der Pipeline sind Tätigkeiten, die voraussichtlich erhebliche nachteilige grenzüberschreitende Auswirkungen haben werden, im Sinne von Anhang I, Nr. 8 der Espoo-Konvention. Bei dem Projekt müssen fünf Staaten Zulassungsverfahren nach Art. 3 bis 6 des Übereinkommens durchführen. Insgesamt sind neun Ostseeanrainerstaaten im Sinne der Espoo-Konvention betroffen (Art. 1 iii). Das Verfahren nach der Espoo-Konvention wurde unter Beteiligung aller neun betroffenen Staaten mit Konsultationen zu einem koordinierten Vorgehen unter deutscher Leitung eingeleitet. Sogar Russland, das das Übereinkommen zwar gezeichnet, aber noch nicht ratifiziert hat, unterwarf sich freiwillig dem Verfahren. 2006 wurde der erste formale Schritt des EspooVerfahrens, die Notifizierung nach Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens durchgeführt.38 In diesem Zusammenhang wurde auch die Beteiligung der Öffentlichkeit in allen beteiligten Staaten eingeleitet, indem ein Project Information Document in allen neun Amtssprachen in den entsprechenden Staaten öffentlich bekannt gemacht und ausgelegt, um der Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die eingegangenen Stellungnah-

36

BGBl. 2002 II, 1406 ff. Vgl. für Deutschland: Art. 59 Abs. 2 GG. 38 Vgl. im Einzelnen zu den hierbei aufgetreten Rechtsprobleme und zu den weiteren rechtlichen Grundlagen des Projekts Abromeit, ZUR 2007, 354. 37

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10. Kapitel – Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung

men wurden an die Ursprungsstaaten39 übermittelt und von diesen veröffentlicht und geprüft. c) Europarechtliche Umsetzung der Espoo-Konvention in der UVP-Richtlinie In der Europäischen Union, bzw. Europäischen Gemeinschaft bestand bereits vor der Espoo-Konvention ein UVP-Regime, das auch für grenzüberschreitende Sachverhalte Anwendung fand, in Form der UVP-Richtlinie von 1985.40 Die Entwicklung und die Verhandlungen der Espoo-Konvention fanden unter Führung einiger Mitgliedstaaten statt und unter maßgeblichem Einfluss der bestehenden europäischen Regelungen. Nach der UVP-Richtlinie41 müssen in den EU-Mitgliedstaaten42 für Projekte ab einer gewissen Größe eine UVP durchgeführt werden.43 Die UVP-Richtlinie schreibt in Art. 4 Abs. 1 den Mitgliedstaaten für bestimmte Projekte, die in Anhang I aufgeführt sind, die Durchführung einer UVP vor. Es handelt sich dabei um ein mehrphasiges Verfahren zur frühzeitigen Ermittlung und Bewertung möglicher Auswirkungen eines Vorhabens auf die Umwelt. Gegenstand der Richtlinie ist ebenfalls die UVP bei Projek39

Vgl. Art. 1 ii) des Übereinkommens. Richtlinie 85/337/EWG des Rates v. 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten; ABl. EG Nr. L 175 v. 5.7.1985 S. 40. 41 Aktuell: Richtlinie des Rates v. 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG), geändert durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates v. 3.3.1997 und durch Richtlinie 2003/35/EG des Rates v. 26.5.2003 (UVP-Richtlinie); unverbindliche konsolidierte Fassung in Deutsch: http://www.bmu.de/umweltvertraeglichkeitspruefung/doc/6372.php. Die UVP-Richtlinie wurde in Deutschland unter anderem durch das UVP-Gesetz (UVPG) v. 21.2.1990 umgesetzt; vgl. hierzu den folgenden Unterabschnitt, II.1.c. 42 Auch in den neu beigetretenen Mitgliedstaaten Osteuropas wurde die UVP-Richtlinie und weiteres sekundäres Umweltgemeinschaftsrecht unter großem Zeitdruck und mit Hilfe der angrenzenden Altmitgliedstaaten (insbesondere Deutschlands) in nationales Recht umgesetzt. Vgl. zum Stand und zu den Fortschritten: BMU, Umweltpolitische Zusammenarbeit mit Mittel- und Osteuropa, S. 20 ff. 43 Die UVP-Richtlinie unterscheidet zwischen Vorhaben nach Anhang I, für die gemäß Art. 4 Abs. 1 zwingend eine UVP durchgeführt werden muss, und Vorhaben nach Anhang 2, bei denen gemäß Art. 4 Abs. 2 per Einzelfallbetrachtung ermittelt wird, ob die Durchführung einer UVP unterzogen werden muss. Anhang 1 der UVP-Richtlinie enthält alle großen, stark emittierenden Industrieanlagen wie z.B. Raffinerien, große Kraftwerke, chemikalien- und metallverarbeitende Industrien und Abfallbeseitigungsanlagen sowie Verkehrsgroßvorhaben. Die in Anhang 2 aufgeführten Anlagen sind landwirtschaftliche Großvorhaben, der Bergbau sowie kleinere Anlagen, die nur aufgrund ihrer Größe nicht von Anhang 1 erfasst werden. Die UVP-Richtlinie wurde in Deutschland durch das UVP-Gesetz (UVPG) v. 21.2.1990 umgesetzt; vgl. hierzu den folgenden Unterabschnitt. 40

III. Umweltschutzrechtliche Übereinkommen der UNECE

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ten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben (Art. 1 Abs. 1 UVP-Richtlinie). Die UVP soll die verschiedenen Wechselwirkungen der betroffenen Umweltfaktoren untereinander erfassen. Die Ergebnisse sollen dann zu einem möglichst frühen Zeitpunkt bei der Entscheidung berücksichtigt werden, worin das umweltrechtliche Vorsorgeprinzip zum Ausdruck kommt. Die UVP soll die Beeinträchtigungen und Auswirkungen eines Vorhabens vor dessen Durchführung überprüfen. Sie ist umfassend, integrativ und fachübergreifend. Hierdurch soll den Schwächen einer lediglich sektoralen Betrachtung entgegengewirkt werden. Die UVP dient vor allem der Informationsbeschaffung und soll gewährleisten, dass die Umweltbelange ausreichend bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Damit ist eine stärkere Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung verbunden (Art. 6 und Art. 9). Die umweltrechtlichen Belange sind nach Art. 3 und Art. 8 zu bewerten und bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Auch die Europäische Union ist Vertragspartei der Espoo-Konvention. Als Völkerrechtssubjekt nach Art. 47 EUV kann sie Vertragspartei von internationalen Übereinkommen werden.44 Die Europäische Gemeinschaft hat die Espoo-Konvention am 25.2.1991 gezeichnet. Umgesetzt wurden die Regelungen des Übereinkommens in der damals bereits bestehenden UVPRichtlinie, die unter anderem dafür durch die Richtlinie 97/11/EG45 geändert wurde. Die im Jahre 1997 in Kraft getretene UVP-Änderungsrichtlinie hat den Katalog der UVP-pflichtigen Vorhaben erweitert. Die Richtlinie war bis März 1999 in nationales Recht umzusetzen. Sie zielt darauf ab, die UVP-Richtlinie unter Berücksichtigung der bei deren Anwendung gewonnenen Erfahrungen weiterzuentwickeln. Eine Änderung bezieht sich auf Projekte mit voraussichtlich grenzüberschreitenden Auswirkungen und die damit verbundenen Ausgleichsmaßnahmen. Die entscheidenden Vorschriften der Espoo-Konvention zur grenzüberschreitenden Öffentlichkeitsbeteiligung wurden in Art. 7 UVP-Richtlinie in die europarechtlichen Vorgaben übernommen. Der Inhalt der UVP-Richtlinie hat sich aber in den Grundzügen nicht verändert.46

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Geiger/Khan/Kotzur-Geiger, EUV/AEUV, 5.A. (2010), Art. 47 EUV, RN. 4 ff. Richtlinie 97/11/EG des Rates v. 3.3.1997 zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten; ABl. EU Nr. L 73 v. 14.3.1997, S. 5. 46 Insbesondere wurde die bereits in der RL 85/337/EWG bestehende Verpflichtung, die Öffentlichkeit an der UVP zu beteiligen noch deutlicher formuliert: Art. 6 Abs. 2 RL 85/337/EWG: „Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass der Öffentlichkeit jeder Genehmigungsantrag sowie die nach Artikel 5 eingeholten Informationen zugänglich gemacht werden; [und] dass der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben wird, sich vor Durchführung des Projekts dazu zu äußern.“ 45

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10. Kapitel – Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung

Die UVP-Richtlinie wurde ein weiteres Mal im Zuge der Unterzeichnung der Aarhus-Konvention durch die Europäische Union geändert. Die entsprechenden Anpassungen und die aktuell gültigen Regelungen der Richtlinie in Bezug auf die grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung werden in dem Zusammenhang erörtert (II.2.b.). d) Nationale Umsetzung der Espoo-Konvention am Beispiel Deutschland Auch in Deutschland bestand bereits ein UVP-System, das gesetzlich durch das UVP-Gesetz (UVPG)47 geregelt wurde. Die UVP wird danach nicht selbständig für bestimmte Vorhaben durchgeführt, sondern wird in die Zulassungsverfahren zum Beispiel nach dem BImSchG48 oder dem WHG49 integriert. Die Anforderungen der Espoo-Konvention wurden durch das UVP/IVU-Artikelgesetz,50 das unter anderem der Umsetzung UVP-Änderungsrichtlinie diente, in das nationale UVP-Verfahren integriert. Das UVPG wurde entsprechend angepasst. Hierzu gehört unter anderem die zwingen-

Durch RL 97/11/EG geänderter Art. 6 Abs. 2: „Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass der Öffentlichkeit die Genehmigungsanträge sowie die nach Artikel 5 eingeholten Informationen binnen einer angemessenen Frist zugänglich gemacht werden, damit der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben wird, sich vor Erteilung der Genehmigung dazu zu äußern.“ 47 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung i.d. Bekanntmachung v. 25.6.2005; BGBl. 2005 I, S. 1757. Das ursprüngliche UVPG wurde mit dem Artikelgesetz v. 12.2.1990 zur Umsetzung der UVP-Richtlinie eingeführt. 48 Die UVP wird gem. § 1 Abs. 2 der 9. BImSchV und § 2 Abs. 1 Satz 1 UVPG als unselbständiger Teil des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens durchgeführt. Es gibt aber auch Anlagen, die förmlich zu genehmigen sind, ohne einer UVP nach Anlage 1 oder 2 des UVPG zu bedürfen; Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 10, Rn. 14. – Die Espoo-Konvention gilt in diesem Zusammenhang nur für UVP-pflichtige Vorhaben. Allerdings gelten die Regelungen über die grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 11a der 9. BImSchV) uneingeschränkt für alle Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG und der 9. BImSchV. Außerdem sind die meisten Anlagen, die erhebliche grenzüberschreitende Immissionen verursachen und so zu Unterlassungs- und Schadensersatzklagen aus dem Ausland führen können, von Anlage 1 des UVPG erfasst. 49 Im wasserschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren ist nach § 11 Abs. 1 WHG eine in das Verfahren integrierte UVP für Vorhaben, die von § 3 iVm Anlage 1 UVPG erfasst werden, durchzuführen; im Einzelnen siehe Landmann/Rohmer-Pape, 62.EL (2011), § 11 WHG, Rn. 15ff. 50 Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz v. 21.7.2001; BGBl. 2001 I, S. 1950. Im Einzelnen zum Artikelgesetz und dessen Regelungen zur grenzüberschreitenden UVP Koch/Siebel-Huffmann, NVwZ 2001, 1081 (1085).

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de grenzüberschreitende Behörden- (§ 8 UVPG)51 und auch Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 9a UVPG)52 bei transnationalen Vorhaben und Vorhaben, die Auswirkungen im Ausland haben können.53 Dies gilt nach den Vorgaben der Espoo-Konvention auch im Verhältnis zu Nicht-EU-Mitgliedstaaten. Schließlich wurde auch die Anzahl der UVP-pflichtigen Vorhaben im Einklang mit der UVP-Änderungsrichtlinie und der Espoo-Konvention erhöht. Ferner passt das UVP-/IVU-Artikelgesetz auch die Vorschriften der 9. BImSchV zum Genehmigungsverfahren an die europarechtlichen Vorgaben, die aus der Espoo-Konvention stammen, an und integriert das modifizierte UVP-Verfahren aus dem geänderten UVPG.54 2. Aarhus-Konvention von 1998 a) Vorbemerkung Die Aarhus-Konvention ist der erste völkerrechtliche Vertrag, der grenzüberschreitend jeder Person Rechte im Umweltschutz zuschreibt. Das am 25.6.1998 unterzeichnete und am 30.10.2001 in Kraft getretene UNECEÜbereinkommen regelt den grenzüberschreitenden Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. Mit der Konvention werden der Öffentlichkeit erstmals auf der Ebene eines multilateralen Vertrags zum Schutz der Umwelt Rechte auf Information, Beteiligung und auch gerichtliche Überprüfung zugestanden. Die Ziele der Konvention sind, 51 § 8 UVPG normiert detailliert die Kooperation mit den Behörden anderer Staaten im Falle der Prüfung inländischer Projekte. Informationspflichten, Beteiligungsrechte, Konsultationen und die Übermittlung der abschließenden Entscheidung, gegebenenfalls in Übersetzung, schaffen gute Voraussetzungen für eine nützliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit. 52 Hinsichtlich der Öffentlichkeitsbeteiligung räumt § 9a UVPG den in betroffenen Drittstaaten ansässigen Personen Beteiligungsrechte am deutschen Verwaltungsverfahren ein und trifft Regelungen, damit diese Rechte auch wirkungsvoll wahrgenommen werden können. 53 § 9b UVPG schließlich regelt Fragen der grenzüberschreitenden Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung bei ausländischen Vorhaben, wobei die deutschen Regelungsbefugnisse naturgemäß ausgesprochen bescheiden sind. Im Wesentlichen geht es darum, den zuständigen deutschen Behörden Erkundungs- und Kooperationsbemühungen gegenüber dem Drittstaat sowie Informationspflichten gegenüber der eigenen Bevölkerung aufzubürden. 54 Der 2001 neu eingeführte § 9a UVPG schrieb bereits damals die grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung, die vor allem durch eine effektive Information der Betroffenen im Ausland erreicht werden sollte, vor. In Verbindung mit dem ebenfalls geänderten § 11a Abs. 4 der 9. BImSchV (Grenzüberschreitende Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung) ist die potentiell betroffene ausländische Öffentlichkeit grenzüberschreitend am Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG zu beteiligen.

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10. Kapitel – Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung

dass Vorgänge und Entscheidungen im Bereich von Umweltangelegenheiten nachvollziehbarer werden, dass die Bürger (grenzüberschreitend) verstärkte Mitwirkungsrechte an Genehmigungs- und Planungsverfahren erhalten, und dass der Zugang zu Umweltinformationen sowie zu den Verwaltungsgerichten vereinfacht wird. Diesen Zielen liegt der Gedanke zugrunde, dass Informationen und Beteiligung als Mittel zur politischen Mitgestaltung in der praktischen Demokratie von entscheidender Bedeutung sind.55 Nur so können umweltrechtliche Hoheitsakte grundrechtskonform ergehen und den an sie gestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben genügen. Die Konvention ist insgesamt stark durch das europäische Umweltrecht geprägt.56 Bereits 1972 wurde in Stockholm auch ein Aktionsplan für ein entsprechendes Abkommen verabschiedet. Allerdings wurden die Arbeiten an dem Übereinkommen erst Mitte der neunziger Jahre begonnen.57 Unter Führung einiger Mitgliedstaaten der Europäischen Union und mit Beteiligung vieler Nichtregierungsorganisationen wurde das Abkommen von 1996 bis 1998 in zehn Verhandlungsrunden erarbeitet. So erklären sich auch die starke europäische Prägung der Regelungen des Übereinkommens und auch der Unterzeichnungsort in Dänemark.58 b) Regelungssystem der Aarhus-Konvention Das Übereinkommen baut auf drei Säulen auf. Die erste Säule ist der Zugang zu Umweltinformationen. Durch die Regelungen der Aarhus-Konvention werden die völkerrechtlichen Informationspflichten der Staaten durch konkrete Ansprüche für die Öffentlichkeit ergänzt. Diese Rechte sind sogar als Popularanspruch ausgestaltet.59 Der Zugang zu Information ist entscheidende Voraussetzung für eine sinnvolle Verfahrensbeteiligung. Diese Beteiligung der Öffentlichkeit ist die zweite Säule. Das Überein55

Fisahn, ZUR 2004, 136 (137); v. Danwitz, NVwZ 2004, 272 (273); UNECE, Aarhus Convention Implementation Guide, S. 1. 56 Dies zeigt sich unter anderem an dem generellen Anliegen der Konvention, die Bürger selbst zur Durchsetzung ihrer Umweltschutzinteressen zu mobilisieren und dafür auch einen verbesserten Zugang zu Rechtsschutzmöglichkeiten zu bieten. Vgl. v. Danwitz, NVwZ 2004, 272 ff. mwN. 57 Startpunkt war die 3. Pan-Europäische Ministerkonferenz "Umwelt für Europa" im Oktober 1995 in Sofia (Bulgarien), auf der ein entsprechendes Rahmenpapier gebilligt wurde. Im Einzelnen zur Historie des Übereinkommens, Landmann/Rohmer-Reidt/Schiller, 62.EL (2011), Vorb. UIG, Rn. 17 ff. 58 Siehe zur Entwicklungsgeschichte der Aarhus-Konvention, zu den Verhandlungen und für aktuelle Informationen zum Übereinkommen: http://www.unece.org/env/pp/ welcome.html. 59 Vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. a) des Übereinkommens, der allerdings durch Art. 4 Abs. 3 lit. b) sinnvoll eingeschränkt wird.

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kommen enthält drei Formen der Mitwirkung. Davon ist allerdings für die Frage nach grenzüberschreitenden Beteiligungsmöglichkeiten in konkreten Genehmigungsverfahren nur die erste nach Art. 6 der Aarhus-Konvention von Interesse.60 Art. 6 regelt die Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungen über bestimmte Tätigkeiten, die ihrerseits Anhang I zum Übereinkommen enumerativ aufgeführt sind. Die dritte Säule ist der Zugang zu Überprüfungsverfahren. Sie gewährleistet die praktische Effektivität und Durchsetzbarkeit der ersten beiden Säulen, indem diese Rechte durchgängig einer gerichtlichen Kontrolle unterstellt werden. Art. 9 der Aarhus-Konvention sieht dafür verschiedene Klagerechte vor. Von den einzelnen Regelungen der Aarhus-Konvention sind für die Frage nach einer allgemein praktizierten grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung insbesondere die folgenden interessant: Art. 2 enthält – vorangestellt –, wie bei internationalen Übereinkommen üblich, die wichtigsten Begriffsbestimmungen, auch hier unter anderem eine Definition der „Öffentlichkeit“. Art. 3 Abs. 9 enthält eine Nicht-Diskriminierungsklausel, die der Durchsetzung des internationalen Gleichbehandlungsgrundsatzes dient.61 Die entscheidenden Regeln der ersten Säule finden sich in Art. 4, der die allgemeine Verpflichtung, Umweltinformationen – zum Beispiel zu bestimmten Vorhaben – der Öffentlichkeit effektiv zugänglich zu machen (Art 5 Abs. 2), durch konkrete Regeln ausgestaltet. Zentrale Regelung für die grenzüberschreitende Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit ist Art. 6 der Aarhus-Konvention. Die Beteiligung der Öffentlichkeit ist obligatorisch bei den „Tätigkeiten“, die in Anhang I des Übereinkommens aufgeführt sind (Art. 6 Abs. 1).62 Darüber hinaus können für nicht aufgeführte Tätigkeiten auch national eigenständige Beteiligungspflichten begründet werden.63 Im Unterschied zu den Informationsrechten der ersten Säule werden die Beteiligungsrechte des Art. 6 nur der „betroffenen“ Öffentlichkeit gewährt. Diese ist in Art. 2 Nr. 5 als „die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffene oder wahrscheinlich be60

Die anderen beiden Beteiligungsmöglichkeiten nach Art. 7 (Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltbezogenen Plänen, Programmen und Politiken) und Art. 8 (Öffentlichkeitsbeteiligung während der Vorbereitung exekutiver Vorschriften und/oder allgemein anwendbarer rechtsverbindlicher normativer Instrumente) begründen keine konkreten Mitwirkungsrechte oder Beteiligungspflichten. 61 UNECE, Aarhus Convention Implementation Guide, S. 48. 62 Auch im Rahmen der Aarhus-Konvention werden im Wesentlichen alle größeren immissionsrechtlich relevanten Anlagen erfasst; vgl. Anhang I. Hierzu gehören unter anderem Kraftwerke und andere Industrieanlagen zur Energieerzeugung, chemische und metallverarbeitende Industrien sowie Anlagen zur Abfallbeseitigung und Verkehrsgroßprojekte. Die Unterpunkte 20-22 des Anhangs I enthalten Auffang- und Erweiterungsklauseln. 63 Vgl: Anhang I, Unterpunkt 20 der Aarhus-Konvention.

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troffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran“ definiert.64 Auch bei der Öffentlichkeitsbeteiligung steht im Vordergrund, dass diese sachgerecht, rechtzeitig und effektiv geschieht, was unter anderem durch die rechtzeitige umfängliche und detaillierte Information über geplante Vorhaben (Art. 6 Abs. 2, 4 und 6) und ausreichende Zeitfenster (Art. 6 Abs. 3) passieren soll. Die Pflicht zur angemessenen Berücksichtigung der Ergebnisse der Verfahrensbeteiligung ergibt sich aus Art. 6 Abs. 8 des Übereinkommens.65 Die dritte Säule wird hauptsächlich durch Art. 9 der Aarhuskonvention geregelt. Dieser verpflichtet die Vertragsstaaten, Zugang zu Überprüfungsverfahren erstens bei Verletzungen des Informationsanspruchs nach Art. 4 (Abs. 1) und zweitens bei Verletzung der Beteiligungsrechte nach Art. 6 (Abs. 2) zu gewähren. Für den Rechtsschutz im Hinblick auf die Verfahrensbeteiligung nach Art. 9 Abs. 2 ist eine Klagebefugnis erforderlich. Einer grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung der betroffenen Öffentlichkeit (zweite Säule, Art. 6 der Aarhus-Konvention) bedarf insbesondere die Zulassung von Vorhaben mit erheblichen Umweltauswirkungen, wie zum Beispiel Industrieanlagen.66 Die Konvention legt im Einzelnen fest, auf welche Art und Weise die Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen ist. Zweck dieser umfangreichen Öffentlichkeitsbeteiligung ist, in Verbindung mit der ersten Säule, also dem freien Informationszugang, eine verstärkte Transparenz und Akzeptanz von Genehmigungsund UVP-Verfahren zu erreichen, sowie die Verwaltungskontrolle zu verbessern. Vorhaben, die ungeeignet, untauglich oder unsinnig sind, werden als solche frühzeitig erkannt, so dass kostspielige Konflikte und vollendete Tatsachen vermieden, bzw. im Vorfeld gelöst werden können. Außerdem wird – für die Problemstellung dieser Arbeit von besonderer Bedeutung – durch die praktisch effektiven Beteiligungsmöglichkeiten am Verfahren und dessen Ergebnis grenzüberschreitend rechtliches Gehör gewährt und ein dem erforderlichen Grundrechtsschutz entsprechendes Verfahren ermöglicht. Rechtsbeeinträchtigungen werden von vornherein vermieden, die Verwaltungsgerichte entlastet und der Umweltschutz verbessert.

64 Art. 2 Abs. 5, 2. Halbsatz der Aarhus-Konvention bezieht auch Umweltverbände mit in den Kreis der „betroffenen Öffentlichkeit“ ein und begründet so erstmals eigene subjektive von Verbänden in Umweltsachen. 65 Im Einzelnen zu den verfahrensrechtlichen Modalitäten der Öffentlichkeitsbeteiligung nach Art. 6 der Aarhus-Konvention vgl. UNECE, Aarhus Convention Implementation Guide, S. 90 ff. 66 Vgl. Anhang I des Übereinkommens.

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c) Europarechtliche Umsetzung der Aarhus-Konvention Auch dieses Übereinkommen wurde von der Europäischen Gemeinschaft gezeichnet sowie angenommen67 und wurde bzw. wird durch verschiedene Instrumente des sekundären Gemeinschaftsrechts umgesetzt. Dies ist zum einen durch die so genannte Umweltinformationsrichtlinie68 und die Änderung der UVP-Richtlinie durch die so genannte Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie69 sowie durch die eine Richtlinie über die Strategische Umweltprüfung70 geschehen. Zum anderen gibt es einen Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie über den Zugang zu den Gerichten in Umweltangelegenheiten, mit der die dritte Säule des Übereinkommens umgesetzt werden soll,71 und die so genannte Aarhus-Verordnung, nach der die Regelungen des Übereinkommens auf die Organe und Einrichtungen der EG angewendet werden.72 Für die grenzüberschreitende Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit in Anlagengenehmigungsverfahren ist vor allem die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie von Bedeutung. Diese ist eine weitere Änderung der UVPRichtlinie und erweitert die Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit bei UVPpflichtigen Verfahren. Die Öffentlichkeit wird durch öffentliche Bekanntmachung oder auf einem anderen geeigneten Wege frühzeitig im Rahmen umweltbezogener Entscheidungsverfahren, spätestens jedoch, sobald die Informationen nach vernünftigem Ermessen zur Verfügung gestellt werden können, über den Inhalt des Genehmigungsantrags und weitere sachdienli-

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Beschluss des Rates 2005/370/EG v. 17.2.2005; ABl. EU L 124 v. 17.5.2005, S. 1. RL 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 28.1.2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der RL 90/313/EWG des Rates; ABl. EU L 41 v. 14.2.2003, S. 26. 69 RL 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.5.2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der RL 85/337/EWG und 91/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (sog. AarhusRichtlinie); ABl. EU L 156 v. 25.6.2003, S. 17. 70 RL 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.6.2001 über die Prüfung der Auswirkungen bestimmter Pläne und Programme (sog. SUP-Richtlinie); ABl. EU L 197 v. 21.7.2001, S. 30. 71 KOM(2003) 624 endg., Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zu den Gerichten in Umweltangelegenheiten. Hierzu hat bereits die erste Lesung im Parlament stattgefunden und die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses liegt vor. 72 VO (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.9.2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft; ABl. EU L 264 v. 25.9.2006, S. 13. 68

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che Angaben informiert.73 Die betroffene Öffentlichkeit erhält in effektiver Weise die Möglichkeit, sich an den umweltbezogenen Entscheidungen zu beteiligen. Es müssen zum Zeitpunkt der Beteiligung noch alle Entscheidungsalternativen offen sein.74 Hat ein Projekt voraussichtlich Auswirkungen auf einen anderen Mitgliedstaat, ist dieser mit den entsprechenden Informationen in einem Konsultationsverfahren zu beteiligen.75 Die Ergebnisse der Beteiligungsverfahren sind beim Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen.76 d) Nationale Umsetzung der Aarhus-Konvention am Beispiel Deutschland Die Ratifizierung des Übereinkommens durch die Bundesrepublik77 setzte die Anpassung der entsprechenden deutschen Vorschriften an die Vorgaben der Aarhus-Konvention voraus. Die erste Säule wurde durch die Änderung und entsprechende Anpassung des Umweltinformationsgesetzes (UIG) umgesetzt.78 Die hier entscheidende zweite Säule der AarhusKonvention wurde durch das Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz79 und das Umweltrechtsbehelfsgesetz80 umgesetzt. Die Änderungen von den hier 73

Art. 6 Abs. 2 UVP-Richtlinie in der aktuellen konsolidierten Fassung. Zugleich sind der betroffenen Öffentlichkeit innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens weitere Informationen über das Projekt zur Verfügung zu stellen. 74 Art. 6 Abs. 4 UVP-Richtlinie. Die Öffentlichkeitsbeteiligung muss durch Information und Stellungnahmemöglichkeit (beispielsweise durch eine Anhörung) effektiv gestaltet werden (Art. 6 Abs. 5 UVP-Richtlinie). 75 Art. 7 UVP-Richtlinie. 76 Art. 8 UVP-Richtlinie. Die von der Behörde getroffene Entscheidung über den Genehmigungsantrag ist der Öffentlichkeit mit Angaben über den Entscheidungsinhalt, der wesentlichen Begründung und erforderlichenfalls einer Beschreibung der Vermeidungs-, Minderungs- oder Kompensations-Maßnahmen bekannt zu geben (Art. 9 UVP-Richtlinie). 77 Diese erfolgte am 15.1.2007 durch das sog. Aarhus-Vertragsgesetz (Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25.6.1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen) v. 9.12.2006); BGBl. 2006 II, S. 1251. 78 Gesetz zur Neugestaltung des Umweltinformationsgesetzes und zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel v. 22.12.2004; BGBl. 2004 I, S. 3704. Zu den Änderungen im neuen UIG gehörte eine Ausweitung des Behördenbegriffs. Die Definition der Umweltinformationen wurde erweitert und die bestehenden Ausnahmegründe wurden eingeschränkt. Die Frist zur Beantwortung von Informationsanfragen wurde grundsätzlich auf einen Monat herabgesetzt, es sei denn, es handelt sich um umfangreiche und komplexe Umweltinformationen. 79 Gesetz über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten nach der EGRichtlinie 2003/35/EG v. 9.12.2006; BGBl. 2006 I, S. 2819. 80 Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG v. 7.12.2006; BGBl. 2006 I, S. 2816. Die Schwerpunkte dieses Gesetzes sind zum einen die Einführung einer Verbandsklagemöglichkeit

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relevanten Gesetzen wie UVPG, BImSchG und der 9. BImSchV wurden im Hinblick auf das Genehmigungsverfahren durch das Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz vorgenommen. Eine (grenzüberschreitende) Öffentlichkeitsbeteiligung ist nach der Aarhus-Konvention vor allem für die Genehmigungsverfahren bestimmter Vorhaben mit erheblichen Umweltauswirkungen erforderlich. Da das deutsche Recht die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Zulassung solcher Vorhaben bereits weitgehend geregelt hat, waren hier im Hinblick auf die Umsetzung sowohl der Vorgaben der AarhusKonvention als auch der Anforderungen des EG-Rechts nur geringfügige Anpassungen erforderlich.81 3. Zusammenfassung Durch die Übereinkommen von Espoo und Aarhus wurde in den Regionen der UNECE ein umfängliches grenzüberschreitendes Regelungssystem für Umweltverträglichkeitsprüfungen und durch die weitergehende AarhusKonvention auch andere Genehmigungsverfahren entwickelt. Dieses UVPRegime wurde durch die entsprechenden Umsetzungen auf Ebene der Europäischen Union, die die Übereinkommen maßgeblich vorangetrieben hat, und nationaler Ebene für die tatsächliche Anwendung in der Verwaltungspraxis konkretisiert.82 Inzwischen hat ein Großteil der 42 Vertragsstaaten83 der Espoo-Konvention das Übereinkommen in Form von Regelungen für Umweltverträglichkeitsprüfungen, die auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten durchgeführt werden, umgesetzt.84 Auch die Aarhus-Konvention hat 42 Vertragsstaaten, von denen bereits 37 das Übereinkommen ratifiziert haben.85 Das Übereinkommen erweitert die (grenzüberschreitende) Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit auf in Umweltangelegenheiten gemäß Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention. Zum anderen wird eine neuartige UVP-Verfahrensfehlerlehre eingeführt. In Abweichung von § 46 VwVfG können umweltrelevante Entscheidungen wegen bestimmter schwerwiegender Verfahrensfehler aufgehoben werden, soweit eine fehlende Verfahrenshandlung nicht nachgeholt oder ein Fehler nicht geheilt werden kann. Im Einzelnen zum Umweltrechtsbehelfsgesetz Marty, ZUR 2009, 115. 81 Siehe auch Knopp, ZUR 2005, 281 (282 f.). 82 Vgl. auch BVerwG, UPR 2009, 151 (153). 83 Von diesen haben allerdings Island, Russland und die Vereinigten Staaten das Übereinkommen noch nicht ratifiziert. 84 So war das Übereinkommen 2006 bereits in allen Vertragsstaaten außer Armenien und Aserbeidschan auf nationaler Ebene umgesetzt; vgl. im Einzelnen den zweiten Review of Implementation of the Espoo Convention (2006) der UNECE unter http://www.unece.org/env/documents/2008/eia/ece.mp.eia.11.pdf. 85 Die Ratifizierungen in Irland, Island, Liechtenstein, Monaco und der Schweiz stehen noch aus. Kanada und die Vereinigten Staaten sind keine Vertragsstaaten der Aarhus-Konvention.

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alle umweltbezogenen Entscheidungsverfahren, wo dies nicht bereits im Zuge der Umsetzung der Espoo-Konvention oder schon früher geschehen ist. Die Aarhus-Konvention ist in dieser Hinsicht bereits von vielen Vertragsstaaten umgesetzt,86 so dass hier die rechtlichen Grundlagen für eine obligatorische grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung der Betroffenen bestehen. In der Folge kann – zumindest im Hinblick auf Europa – von einer grundsätzlichen völkerrechtlichen Verpflichtung der Vertragsstaaten, die das Übereinkommen ratifiziert haben ausgegangen werden, auch die potentiell betroffenen ausländischen Grenznachbarn an Anlagengenehmigungsverfahren zu beteiligen.

IV. Folgen des grenzüberschreitenden Öffentlichkeitsbeteiligungsstandards Die Übereinkommen von Espoo und Aarhus lassen in Verbindung mit ihrer Umsetzung in Gemeinschafts- und nationales Recht den Schluss zu, dass es – freilich noch regional auf die Vertragsstaaten und die UNECEStaaten begrenzt – gemeinsame effektive grenzüberschreitende Verfahrensregeln in Umweltangelegenheiten gibt. Es besteht also ein grundsätzlicher Öffentlichkeitsbeteiligungsstandard für umwelt- und immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren. Auf Basis dieses transnationalen Grundstandards können sich nun Hilfestellungen für eine praktikable und die (verfassungs-)rechtlichen Bedenken ausräumende Herangehensweise an die Frage der effektiven Möglichkeit zur Verfahrensbeteiligung herleiten lassen. Allerdings kann das Bestehen einer zunächst theoretisch bestehenden Beteiligungsmöglichkeit die Gerichte noch nicht vollständig von der Prüfung entbinden, ob im konkreten Genehmigungsverfahren tatsächlich eine Beteiligungsmöglichkeit für die betroffenen (potentiell) Geschädigten bestanden hat.87 Schließlich beruht 86 In den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und Norwegen sind die Regelungen des Übereinkommens bereits überwiegend erfolgreich umgesetzt worden, dies gilt insbesondere für die erste und zweite Säule. Vgl. im Einzelnen den Synthesis Report on the Status of the Implementation of the Convention v. 21.5.2008 des UNECE-Sekretariats unter http://www.unece.org/env/documents/2008/pp/mop3/ece_mp_pp_2008_4_e.pdf. 87 Auch eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Darlegung und des Beweises der konkreten Beteiligungsmöglichkeit zugunsten des Genehmigungsinhabers – gerechtfertigt durch die grundsätzliche theoretische grenzüberschreitende Beteiligungsmöglichkeit – kommt nicht in Frage, da die Darlegungs- und Beweislast nach den allgemeinen Grundsätzen bereits beim Kläger der sich auf seine Nichtbeteiligung beruft liegt. Außerdem hat der Anlagenbetreiber regelmäßig keinen ausreichenden Einblick in das behördliche Genehmigungsverfahren und die einzelnen dort gewährten Beteiligungsmöglichkeiten.

IV. Folgen des grenzüberschreitenden Öffentlichkeitsbeteiligungsstandards

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der durch die Präklusion zivilrechtlicher Ansprüche verursachte Eingriff in die Eigentumsrechte hauptsächlich auf dieser Rechtfertigung. Allerdings sind wegen der Informationspflichten aus beiden Übereinkommen und den damit verbundenen umfangreichen Dokumentationspflichten die (grenzüberschreitenden) Beteiligungsmöglichkeiten und die Berücksichtigung etwaiger Einwendungen für die Parteien wie für das erkennende Gericht leicht nachprüfbar. Vor diesem Hintergrund bereitet das Erfordernis einer effektiven Möglichkeit der Geschädigten zur Verfahrensbeteiligung hinsichtlich der betreffenden Feststellungen keine größeren Probleme mehr. In Verbindung mit der Tatsache, dass sowohl die Espooals auch die Aarhus-Konvention allgemein verbindlich sind und ihren Vertragsstaaten klare Verpflichtungen hinsichtlich eines grenzüberschreitenden Genehmigungsverfahrens machen, lassen sich die folgenden Schlüsse für die Prüfung der Berücksichtigung ausländischer Genehmigungen im zivilrechtlichen Umwelthaftungsverfahren unter der Rom II-Verordnung ziehen. Hat es eine Beteiligungsmöglichkeit für den konkreten Geschädigten, der Kläger des gegenständlichen Prozesses ist, gegeben und sind im Falle seiner Verfahrensbeteiligung seine Einwendungen in der Genehmigungsentscheidung berücksichtigt worden, so ist die betreffende Genehmigung beachtlich und kann nach Art. 17 Rom II-VO berücksichtigt werden. Den verfassungsrechtlichen Bedenken, die durch den Eingriff in die aus dem Eigentum fließenden zivilrechtlichen Abwehransprüche vorgegeben werden, ist dann Rechnung getragen worden.88 Außerdem ist dann auch dem Rechtfertigungsbedarf, den Art. 17 Rom II-VO selbst vorgibt,89 genügt und die faktische Berücksichtigung der Anlagengenehmigung insoweit „angemessen“. Hat es dagegen keine Beteiligungsmöglichkeit am Genehmigungsverfahren für den konkret betroffenen Kläger gegeben, kann eine ausländische Anlagengenehmigung keine Berücksichtigung finden. Aus den oben genannten Gründen wäre eine „Berücksichtigung“ im Rahmen von Art. 17 Rom II-VO nicht im Sinne eines „angemessenen Interessenausgleichs“.90 Der Einwand, man sei nun auch nicht weiter hin zu einer praktikablen Lösung für anerkennungsfähige Urteile und einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Parteien gekommen, als nach vielen der bisherigen 88 Mit den gleichen Verfahrensrechten für Ausländer wie für Inländer geht auch der extraterritoriale Geltungswille der entsprechenden Normen einher; vgl. Nassr-Esfahani/Wenckstern, RabelsZ 49 (1985), 741 (774). 89 Erforderlichkeit der Beteiligung der Betroffenen am Genehmigungsverfahren, damit der Anlagenbetreiber auf die privatrechtsgestaltenden Wirkungen seiner Genehmigung vertrauen darf; siehe oben 9. Kapitel, II. 90 Erwägungsgrund 34 der Rom II-Verordnung.

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Lösungsansätze, verfängt nicht. Im Gegensatz zur Rechtslage nach den letzten einschlägigen Entscheidungen der deutschen Rechtsprechung kann nun vermieden werden, dass im Ausland nicht anerkennungsfähige und vollstreckbare inländischer Urteile ergehen. Zunächst ist mit Blick auf die Europäische Union zu beachten, dass die Rom II-Verordnung ein allgemeingültiges und einheitliches Regelungssystem für das Internationale Deliktsrecht aufstellt. Dies hat zur Folge, dass der Lösungsansatz zumindest in allen Mitgliedstaaten91 verfolgt werden kann. Durch die Espoo- und die Aarhus-Konvention besteht eine grundsätzliche Verpflichtung für die Vertragsstaaten, die grenzüberschreitende Beteiligung aller potentiell Betroffenen am Genehmigungsverfahren sicherzustellen. Wurde entgegen dieser Verpflichtung kein grenzüberschreitendes Genehmigungsverfahren durchgeführt bzw. gewisse ausländische Betroffene nicht an einem solchen Verfahren beteiligt, ergeben sich die folgenden Konsequenzen. Die Immissionen, die Grenznachbarn beeinträchtigen, die nicht die Möglichkeit hatten, sich am Genehmigungsverfahren zu beteiligen, sind völkerrechtswidrig, da gegen Verpflichtungen aus einem völkerrechtlichen Übereinkommen verstoßen wurde. Daher kann die Nichtbeachtung einer ausländischen Genehmigung in so einem Fall kein Verstoß gegen den inländischen ordre public des Erlassstaats der Genehmigung sein, da auch dieser an das entsprechende UNECE-Übereinkommen gebunden ist92 und dieses regelmäßig auch in nationales Recht umgesetzt hat93 oder an das entsprechende Gemeinschaftssekundärrecht gebunden ist94. Die Nichtbeachtung einer völkerrechtswidrigen Genehmigung, deren Erlass sich bereits im Widerspruch zu der materiellen Rechtsordnung des Erlassstaats befindet, kann nicht ihrerseits gegen grundlegende Prinzipien dieser Rechtsordnung verstoßen. Dies gilt auch mit Blick auf die entsprechende verwaltungsrechtliche Fehlerlehre und eine eventuelle Heilungsmöglich91

Außer Dänemark. Vgl. auch Moser, ÖJZ 1987, 97 (101 f.) mwN. 93 Problematisch ist in diesem Zusammenhang allein, welche Auswirkungen die fehlerhafte Umsetzung der Übereinkommen in Staaten hat, in denen ein dualistischer Ansatz hinsichtlich von Völkerrechtssätzen gilt. Hier sind die nationalen Gerichte nur an den Umsetzungsakt nicht an die völkerrechtlichen Verträge selbst gebunden. Dieses Problem stellt sich allerdings nur bei Staaten, die keine Mitglieder der EU sind, da die Europäische Gemeinschaft beide Übereinkommen mit sekundärrechtlichen Richtlinien umgesetzt hat, die im Zusammenhang mit den individuellen Beteiligungsmöglichkeiten unmittelbare Wirkung auch bei fehlerhafter nationaler Umsetzung der Übereinkommen entfalten können; Stettner in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrechts, 28.EL (2011), Kapitel A.IV., Rn. 17 ff. 94 Z.B. RL 85/337/EWG (UVP-Richtlinie); hierzu auch BVerwG, UPR 2009, 151 (153). 92

IV. Folgen des grenzüberschreitenden Öffentlichkeitsbeteiligungsstandards

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keit der unterbliebenen Beteiligung, da zumindest der restriktiv anzuwendende ordre public-Vorbehalt nicht berührt wird.95 Wenn nach diesen Grundsätzen ausländische Genehmigungen nicht berücksichtigt werden können, gelten allerdings auch für ausländische Gerichte, die dann mit der Frage einer Urteilsanerkennung befasst sind, gewisse Prinzipien. Der internationale Entscheidungseinklang ist ein wichtiges Ziel des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts,96 der in der Hoffnung auf zukünftige Gegenseitigkeit verwirklicht werden sollte. Der von Erwägungsgrund 25 der Rom II-Verordnung beschworene verbesserte Umweltschutz97 lässt sich in diesem Zusammenhang nur durch eine gemeinschaftsweite einheitliche Vorgehensweise erreichen, bei der einem ordnungsgemäßen grenzüberschreitenden Genehmigungsverfahren die entscheidende Stellung zukommt. Vor allem müssen die effektive Durchsetzung der UNECE-Übereinkommen98 und die entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Umsetzungen dem einzelstaatlichen (protektionistischen) Schutz einheimischer Industrieanlagen vorgehen. Diese Prinzipien sind auch Teil der betreffenden ausländischen Rechtsordnung und somit für deren Gerichte direkt oder indirekt verpflichtend.99 Außerdem müssen nach diesem Ansatz auch alle anderen Anerkennungsgerichte im räumlichen Anwendungsbereich der Rom II-Verordnung nach diesen Vorgaben handeln, so dass von international-zivilverfahrensrechtlicher Gegenseitigkeit ausgegangen werden kann. Auch die Probleme, die sich bei dieser Herangehensweise aus den unterschiedlichen Formen der Verfahrensbeteiligung ergeben könnten,100 würden durch die von den Übereinkommen geschaffenen grundlegenden Verfahrensrechte in den Hintergrund treten. Solange für alle potentiell Betroffenen diesseits und jenseits der Grenze die Möglichkeit zur Beteiligung nach den Vorgaben dieser Übereinkommen besteht, ist die konkrete Ausgestaltung des Verfahrens nur von zweitrangiger Bedeutung. Eventuel95 So auch Siehr, RabelsZ 45 (1981), 377 (390): „Sobald nämlich das ausländische Recht bzw. ausländisches Tun oder Unterlassen als völkerrechtswidrig unbeachtet bleibt, sollte es dem ausländischen Staat schwerer fallen, die inländische Entscheidung als ordre public-widrig zu ignorieren.“ 96 Geimer, 6.A. (2009), Rn. 61; Kropholler, IPR, § 6. 97 Erwägungsgrund 25 steht zwar in direkter Verbindung mit Art. 7 Rom II-VO, stellt aber auch – wie die meisten Erwägungsgründe – allgemeine Leitlinien für die Anwendung der Vorschriften der Verordnung auf. Außerdem werden die meisten Fälle, in denen es um die Berücksichtigung ausländischer immissionsrechtlicher Genehmigungen geht, auch von Art. 7 Rom II-VO erfasst sein. 98 Fisahn, ZUR 2004, 136; v. Danwitz, NVwZ 2004, 272 (273 ff.). 99 Hinsichtlich einer fehlerhafter Umsetzung in Staaten, in denen der dualistischen Theorie gefolgt wird, siehe Fn. 94. 100 Vgl. Lummert, NuR 1982, 241 (244).

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10. Kapitel – Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung

le Abweichungen, die sich nachteilig auf die Rechtsstellung der ausländischen Nachbarn auswirken, wie zum Beispiel besondere Formalien, sind im Zusammenhang mit der faktischen Berücksichtigung nach Art. 17 Rom II-VO zunächst hinzunehmen,101 solange die verfassungsrechtlich erforderliche grundsätzliche Beteiligungsmöglichkeit gegeben ist. Das auf diese Weise in der Europäischen Union und ihren Anrainerstaaten bestehende Mindestniveau grenzüberschreitender Öffentlichkeitsbeteiligung führt also dazu, dass die tatsächliche Möglichkeit zur Verfahrensbeteiligung im Einzelfall zwar weiter entscheidende Bedeutung hat. Hat eine solche jedoch bestanden, was sich leicht überprüfen lässt, sind auch ausländische Genehmigungen – zumindest unter diesem Gesichtspunkt – beachtlich. Wurde die ausländische Öffentlichkeit dagegen nicht beteiligt, so besteht kein Rechtfertigungsgrund für das Anerkennungsgericht, ein Urteil, das eine Genehmigung aus diesem Grund nicht berücksichtigt, nicht anzuerkennen oder für vollstreckbar zu erklären.

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So ist für die Präklusionswirkung des § 14 BImSchG erforderlich, dass die entsprechende Genehmigung in einem förmlichen Verfahren (i. Ggs. zum vereinfachten Verfahren, vgl. § 19 Abs. 2 BImSchG) erteilt worden ist; Jarass, BImSchG, 8.A. (2010), § 14, Rn. 3 mwN.

11. Kapitel

Vergleichbarkeit und ordre public I. Vergleichbarkeit der materiellen Genehmigungsvoraussetzungen 1. Allgemeines zum Vergleichbarkeitskriterium Bei der Entwicklung eines Lösungsansatzes für das Problem der Beachtlichkeit von ausländischen Genehmigungen im inländischen Umwelthaftungsprozess stellt sich früher oder später die Frage nach der Erforderlichkeit eines Vergleichbarkeitskriteriums in Bezug auf den materiellen Umweltschutzstandard, der der Genehmigung zugrunde gelegt wurde. Nicht nur die Lösungsansätze, die die Beachtlichkeit als Problem der Substitution sehen,1 sondern auch die meisten anderen Lösungsansätze, die eine Beachtlichkeit für theoretisch möglich halten, fragen nach der Vergleichbarkeit der materiellen Umweltschutzstandards von Genehmigungs- und Immissionsstaat. Im Rahmen des hier entwickelten Lösungsansatzes nach Art. 17 Rom IIVO würde sich ein derartiges Kriterium genauso wie die Frage nach einer tatsächlichen Verfahrensbeteiligungsmöglichkeit am Wortlaut der Vorschrift festmachen lassen. Die tatbestandliche Berücksichtigung der Sicherheits- und Verhaltensregeln am Handlungsort findet grundsätzlich ohne eine Prüfung materieller Kriterien – abgesehen von der rechtlichen Existenz der Regeln – statt. Ansatzpunkt wäre auch hier das „soweit angemessen“ in Art. 17 Rom II-VO. Die Frage ist also, ob eine Berücksichtigung ausländischer Anlagengenehmigungen nur dann angemessen ist, wenn die umweltrechtlichen Genehmigungsgrundlagen vergleichbar sind. Eine Prüfung anhand des restriktiv auszulegenden ordre public-Vorbehalts nach Art. 26 Rom II-VO bleibt natürlich in jedem Fall erhalten.2 Die Beachtung von ausländischen Anlagengenehmigungen und der mit ihnen verbundenen anspruchspräkludierenden Wirkungen wird von den meisten Autoren unter die Bedingung der Vergleichbarkeit oder sogar der Gleichwertigkeit der Genehmigung und ihrer Voraussetzungen gestellt. Grund dafür ist die Befürchtung, dass an den Grenzen rechtliche Sicher1 2

7. Kapitel, III.7. Siehe hierzu unten II.

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11. Kapitel – Vergleichbarkeit und ordre public

heitsgefälle bestehen und die eigene Bevölkerung vor diesen geschützt werden muss. Zum Teil steht auch die Hoffnung dahinter, auf diesem Wege ein möglichst hohes Umweltschutzniveau erreichen zu können. Teilweise werden hierbei die Schwierigkeiten, die in der konkreten praktischen Rechtsanwendung entstehen, übergangen und diese Voraussetzung nur pauschal und vage gefordert.3 Eine Gleichwertigkeit in diesem Sinne soll nicht mehr gegeben sein, wenn die Genehmigungsstandards „so dramatisch“ voneinander abweichen, dass Leben, Gesundheit und Eigentum nicht mehr als ausreichend geschützt angesehen werden können.4 Es wird ferner angenommen, dass die Prüfung der Vergleichbarkeit bei gleich ausgerichteten Industrie- und Umweltschutzpolitiken der betroffenen Staaten einfach durchzuführen ist. Bei divergierenden politischen Ansätzen, zum Beispiel wenn gewisse Tätigkeiten bzw. Anlagen in einem Land generell verboten sind, ist man dagegen oft zu komplizierten hypothetischen Erwägungen gezwungen.5 Auch ist nicht klar, wie nah die entsprechenden Grenzwerte beieinander liegen müssen, damit Vergleichbarkeit angenommen werden kann, oder wie größere Abweichungen vor dem Hintergrund einer praktikablen Anwendung ausgeglichen werden können. Von anderen wird auf restriktive Weise ein hohes Maß an Vergleichbarkeit in Form von „Gleichwertigkeit“ oder ähnlichem verlangt.6 Mit dem Ziel einer allgemeinen Erhöhung der geltenden Umweltschutzstandards wird vorgeschlagen, dass, sobald die entsprechenden ausländischen Grenzwerte, die bei der Genehmigungserteilung eine Rolle gespielt haben, höher sind als die inländischen, eine Beachtung nicht mehr möglich sein soll. So könne stets den strengsten Standards zur Geltung verholfen werden. 7 Allerdings bleibt hierbei zum einen unbeachtet, ob im Einzelfall die konkret betroffene Industrieanlage vielleicht auch unter den nun ausschlaggebenden inländischen Grenzwerten bleibt. Zum anderen ist eine solche Vorgehensweise nicht mit Art. 17 Rom II-VO in Einklang zu bringen, da sich dieser ausdrücklich auf die Sicherheits- und Verhaltensregeln des Hand3

v. Bar, IPR II, Rn. 717; Rest, NJW 1989, 2153 (2159); ders. in: Bothe/Prieur/Ress (Hrsg.), S. 230 ff.; Kohler, UTR 15 (1991), 289 (309). 4 v. Bar, IPR II, Rn. 717. Ein derartig drastisches Unterschreiten der inländischen Schutzstandards stellt aber m.E. bereits ein Abweichen von den Grundprinzipien dieser Rechtsordnung und einen schweren Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen dar, dass hier der ordre publicVorbehalt (Art. 26 Rom II-VO) im Rahmen einer strikten Einzelfallbetrachtung eingreifen müsste; vgl. unten II. 5 Kohler, UTR 15 (1991), 289 (309). 6 Kreuzer, BerDtGesVR 32 (1992), 245 (293); Siehr, RabelsZ 45 (1981), 377 (387); Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 170; G. Bornheim, S. 244. 7 Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 170; G. Bornheim, S. 244.

I. Vergleichbarkeit der materiellen Genehmigungsvoraussetzungen

227

lungsorts bezieht, die – soweit angemessen – dem Vertrauensschutz des Schädigers dienen sollen. Ferner wird, beispielsweise aufbauend auf § 14 BImSchG, verlangt, dass die ausländische Genehmigung einer inländischen (deutschen) entspricht. Zwar ist eine inländische Genehmigung nach diesen Grundsätzen durch eine ausländische austauschbar, sie muss allerdings den inländischen materiellen Voraussetzungen vollkommen entsprechen.8 In der Rechtsrealität erscheint dies – gerade vor dem Hintergrund verschiedener Umwelthaftungs- und Umweltschutzkonzeptionen aneinander grenzender Länder – oft unerreichbar.9 Dies hätte wiederum die Unbeachtlichkeit der meisten ausländischen Genehmigungen zu Folge. Anders als beim zwingenden Erfordernis der Verfahrensbeteiligung gibt es in diesem Zusammenhang jedoch keine greifbare verfassungs- oder völkerrechtliche Rechtfertigung für die Nichtberücksichtigung, die auch in der betroffenen ausländischen Rechtsordnung Beachtung beanspruchen kann,10 so dass einem ausländischen Gericht die Nichtanerkennung unter Berufung auf den ordre public nicht schwerfallen wird. Eine großzügigere Auslegung des Vergleichbarkeitserfordernisses findet sich darin, die funktionale Gleichwertigkeit der inländischen und ausländischen Genehmigungen ausreichen zu lassen.11 Die Genehmigungen seien funktional gleichwertig, wenn diese nach einem Verfahren erlassen wurden, das rechtsstaatlichen Anforderungen entspricht, die Genehmigungen die gleichen privatrechtsgestaltenden Wirkungen haben und die materiellen Voraussetzungen nicht drastisch voneinander abweichen. Insbesondere sollen eine abweichende Verwaltungspraxis unbeachtlich sein und keine Erwägungen hinsichtlich des Ergebnisses einer Ermessenausübung gemacht werden.12 Die materiell-rechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen, wie zum Beispiel bestimmte Grenzwerte, dürfen allerdings auch nach dieser Ansicht nicht deutlich voneinander abweichen. Dies hat – ebenso wie das Erfordernis gleicher Rechtsfolgen – zur Folge, dass auch eine funktionale Gleichwertigkeit der Genehmigungen allzu oft nicht gegeben ist. Eine allgemein verbindliche und vor allen Dingen international akzeptierte Lösung wird auf diese Weise nicht erreicht.13 Auch Nassr-Esfahani geht davon aus, dass Umweltrisiken von unterschiedlichen Rechtsordnungen verschieden bewertet werden und Grenzwerte dabei zum Teil willkürlich gesetzt werden. Er erachtet eine funktio8

Kreuzer, BerDtGesVR 32 (1992), 245 (293). Z.B. OGH, Urteil v. 4.4.2006 (Az. 1 Ob 5/06a). 10 10. Kapitel, IV. 11 Jayme in: Nicklisch (Hrsg.), Prävention im Umweltrecht, S. 217; Staudinger-Stoll, 13. Bearb. (1996), IntSachR, Rn. 240; Lummert, NuR 1982, 241 (245); Soergel-Lüderitz, 12.A. (1996), Anhang II zu Art. 38 EGBGB, Rn. 42; Roßbach, S. 239. 12 Staudinger-Stoll, 13. Bearb. (1996), IntSachR, Rn. 240. 13 Im Ergebnis so auch Nassr-Esfahani, S. 137. 9

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11. Kapitel – Vergleichbarkeit und ordre public

nale Gleichwertigkeit der Genehmigungen als ausreichend, um praktikable Ergebnisse zu erreichen.14 Die Genehmigungsfunktionen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge sollen einander im Wesentlichen entsprechen. Dies ist nach Nassr-Esfahani der Fall, wenn das Gefahrpotential einer Anlage unter jedem Gesichtspunkt berücksichtigt wird, der auch in einem inländischen Genehmigungsverfahren berücksichtig würde.15 Dieser Ansatz schraubt das Vergleichbarkeitserfordernis auf ein Maß zurück, das eine Berücksichtigung ausländischer Anlagengenehmigungen in vielen Fällen möglich machen könnte, da die Genehmigungsverfahren, bei denen die Genehmigungen privatrechtsgestaltende Wirkungen nach sich ziehen, in den meisten Rechtsordnungen grundsätzlich dieselben Kriterien anlegen. Allerdings muss bei dieser Herangehensweise auch akzeptiert werden, dass diese Kriterien dann vor dem Hintergrund der zugrundeliegenden Umweltschutzpolitiken äußerst unterschiedlich bewertet werden. Es ist so möglich, dass außer den prinzipiellen Grundgedanken von Gefahrenabwehr und Risikovorsorge nicht viel materiell Vergleichbares übrigbleibt. Hinzu kommt, dass die Überprüfung, ob alle Gesichtspunkte, die auch in einem inländischen Verfahren berücksichtigt werden würden, Beachtung gefunden haben, aufwändig ist und es unter Umständen notwendig machen könnte, Einsicht in die ausländischen Verfahrensakten zu nehmen. 2. Probleme eines Vergleichbarkeitskriteriums Die Forderung nach der materiellen Vergleichbarkeit der betroffenen ausländischen Genehmigung mit einer entsprechenden inländischen wirft also einige praktische Probleme auf. Zunächst stellt sich ein Vergleich gerade in den relevanten Fällen als schwierig dar, in denen die verfolgten Umweltschutzpolitiken erheblich voneinander abweichen. Insbesondere wenn die betroffene Art von Anlage im Erfolgsortsstaat grundsätzlich nicht existiert oder verboten ist, oder es einen stark divergierenden Industriefokus gibt, ist ein vernünftiger Vergleich nahezu unmöglich.16 Die Gerichte wären zu hypothetischen Erwägungen gezwungen oder müssten Ausgleichsmechanismen zur Bewertung unterschiedlicher Industriepolitik entwickeln. Aber auch wenn sich die Umweltschutzpolitiken in den betroffenen Staaten ähneln, ist die Anwendung eines Vergleichbarkeitserfordernisses äußerst unpraktikabel. Es ist unklar, wie viel Abweichung zum Bespiel bei den relevanten Emissionsgrenzwerten noch akzeptabel ist, oder durch welche Auflagen deren Überschreitung ausgeglichen werden kann. Eine 14

Nassr-Esfahani, S. 133. Nassr-Esfahani, S. 134. 16 Hager, RabelsZ 53 (1989), 293 (305); Kohler, UTR 15 (1991), 289 (309); OGH, Urteil v. 4.4.2006 (Az. 1 Ob 5/06a). 15

I. Vergleichbarkeit der materiellen Genehmigungsvoraussetzungen

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grenzüberschreitend akzeptierte Rechtsprechung in diesem Bereich ist unwahrscheinlich. Auch existiert kein supranationales Genehmigungssystem mit entsprechenden Kontrollmöglichkeiten.17 Außerdem sind Grenzwerte und andere materielle Vorgaben stetigen Anpassungen und Änderungen unterworfen. Eine Herangehensweise, wie sie Nassr-Esfahani vorschlägt,18 wäre zwar in dieser Hinsicht einfacher umzusetzen, wäre aber trotz eines immer noch bestehenden Prüfungsaufwandes nicht mit einem entsprechenden Erkenntnisgewinn hinsichtlich der konkreten materiellen Genehmigungsgrundlagen verbunden. Vor dem Hintergrund des dieser Fragestellung grundsätzlich zugrundeliegenden Dilemmas, dass im Ausland nicht vollstreckbare Unterlassungsurteile erstritten werden, geht die Hinzunahme eines Vergleichbarkeitskriteriums in die Prüfung von Art. 17 Rom II-VO an der Rechtsrealität vorbei. Einem Urteil, in dem (nur) auf Grund einer inländischen Missbilligung ausländischer Umweltschutzpolitik, die ausländische Genehmigung unbeachtet bleibt, fehlte die internationale Akzeptanz. Unerwünschte Folge ist, dass die ausländischen Gerichte die Anerkennung und eine Vollstreckbarkeitserklärung unter vertretbarer Berufung auf den inländischen ordre public verweigern werden. Im Unterschied zu dem Erfordernis der grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung fehlt es hier an einer Rechtfertigung dafür, die Berücksichtigung nach Art. 17 Rom II-VO als nicht „angemessen“ abzulehnen. Der Schädiger, der in seinem Vertrauen auf die heimischen Sicherheits- und Verhaltensregeln geschützt werden soll, hat im Gegensatz zu der Beteiligung potentiell betroffener Grenznachbarn keine Möglichkeit, ein Umweltschutzgefälle zwischen zwei Staaten zu beheben oder zu beeinflussen. Auch eine Genehmigung im Nachbarland kann er nicht beantragen.19 Schließlich führt auch das Abweichen der ausländischen Genehmigungsfolgen,20 sprich des Umfangs der privatrechtsgestaltenden Wirkungen, dazu, dass eine Vergleichbarkeit in so einem Fall in der Regel abzulehnen ist.21, 22 Diesem Umstand, der auch nicht in den Händen des 17 Anders ist dies allerdings im Hinblick auf gemeinschaftliche Atomrecht der Europäischen Atomgemeinschaft; vgl. EuGH, Rs. C- 115/08– Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, Rn. 111 ff., EuZW 2010, 26. 18 Nassr-Esfahani, S. 134; vgl. vorherigen Abschnitt aE. 19 9. Kapitel, II. 20 Welches oft mit einem Abweichen in den quantitativen und qualitativen Genehmigungsvoraussetzungen verbunden ist. 21 Auch G. Bornheim (S. 244 f.) lehnt die Anwendung eines Vergleichbarkeitskriteriums aus diesen Gründen ab. Im Hinblick auf die materiellen Voraussetzungen seien Vergleichbarkeitskriterien in der Rechtsrealität nicht praktikabel. Allerdings fordert sie in diesem Zusammenhang entsprechende völkerrechtliche Vereinbarungen für die Berücksichtigung ausländischer Anlagengenehmigungen.

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11. Kapitel – Vergleichbarkeit und ordre public

Anlagenbetreibers liegt, kann aber effektiver und mit dem Ziel eines angemessenen Interessenausgleichs deutlich besser auf der Ebene der Rechtsfolgen begegnet werden. Wie Divergenzen hier auf praktikable und angemessene Weise behandelt werden können, wird im 12. Kapitel unter I. ausgeführt. 3. Vorteile der Berücksichtigung ohne spezifisches Vergleichbarkeitskriterium Eine Berücksichtigung der Sicherheits- und Verhaltensregeln des Handlungsorts nach Art. 17 Rom II-VO, in diesem Fall einer Anlagengenehmigung, ist vorzunehmen, wenn dies „angemessen“ ist, bzw. einem „angemessenen Interessenausgleich“23 dient. In Anbetracht der praktischen Probleme, die das Erfordernis einer materiellen Vergleichbarkeit der Genehmigungsvoraussetzungen mit sich bringt, stellt sich die Frage, ob ein solches überhaupt für einen angemessenen Interessenausgleich erforderlich ist. Ein Vergleichbarkeitserfordernis führt auch zwischen den Staaten Mitteleuropas, deren grundsätzliche umweltpolitische Konzeptionen in eine ähnliche Richtung weisen, dazu, dass die Berücksichtigung regelmäßig aufgrund von Abweichungen bei Grenzwerten oder anderen Genehmigungskriterien abzulehnen wäre. Denn trotz eines gewissen Grundniveaus, das in der Europäischen Union gegeben ist,24 weichen die Umweltschutzstandards zum Teil stark voneinander ab, da auch die einschlägigen Richtlinien Abweichungen „nach oben“ zulassen.25 Vor dem Hintergrund des gemeinschaftlichen Umweltschutzrechts und auch des harmonisierten Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts ist die regelmäßige Undurchsetzbarkeit von Urteilen aufgrund des ordre public nicht hinnehmbar und mit Blick auf den effet utile des Gemeinschaftsrechts bedenklich.26 Etwas anderes gilt seit der Entscheidung des EuGH in Sachen Oberösterreich ./. ýEZ für atomrechtliche Genehmigungen innerhalb der Europäischen Union, da für diese ein gemeinschaftsrechtliches Genehmigungssystem mit andauernden Kontrollmöglichkeiten

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Hager, RabelsZ 53 (1989), 293 (305); Kohler, UTR 15 (1991), 289 (309). Erwägungsgrund 34 der Rom II-Verordnung. 24 Siehe hierzu den folgenden Abschnitt, 4. 25 Es steht den Mitgliedstaaten in der Regel frei, ein höheres Maß an Umweltschutz bei Umsetzung der entsprechenden Richtlinien zu verwirklichen. 26 Stettner in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrechts, 28.EL (2011), Kapitel A.IV., Rn. 10 mwN; sowie Bleckmann/Pieper in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrechts, 28.EL (2011), Kapitel B.I., Rn. 38. 23

I. Vergleichbarkeit der materiellen Genehmigungsvoraussetzungen

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durch die Europäische Kommission besteht.27 Auf andere Industriezweige ist dies mangels eines entsprechend dichten und konkreten Regelungssystems – noch – nicht übertragbar.28 Eine sich allein auf die grundlegenden Funktionen der Genehmigung beziehende Vergleichbarkeitsprüfung dagegen führt, abgesehen von einem eventuellen hohen Prüfungsaufwand, zu keinem verbesserten Rechtsschutz, da diese Grundfunktionen – zumindest in Europa – gleich sind und das Vergleichbarkeitskriterium somit keine weitergehende Aussagekraft hätte.29 Die meisten Immissions- und Wasserschutzregimes in der Europäischen Union und auch im Bereich der UNECE haben eine ähnliche Funktionsweise. In der Regel bleiben Schadensersatz-, Aufopferungs- oder andere Kompensationsansprüche in irgendeiner Form erhalten. Außerdem ist zu bedenken, dass auch die betroffenen Bewohner des Erlassstaats nicht in den Genuss von Abwehransprüchen kommen. Gerade mit Blick auf eine praktikable und effektive Herangehensweise an die Problematik der Berücksichtigung ausländischer Genehmigungen bietet es sich folglich an, auf ein Vergleichbarkeitskriterium zu verzichten. Die grundsätzliche Berücksichtigung auch bei abweichenden Schutzstandards, Grenzwerten und Umweltpolitiken fördert vor allem die internationale Akzeptanz durch Anerkennung einer souveränen Ausrichtung des ausländischen Umweltschutzes. Die ausländischen Gerichte können sich nicht auf völkerrechtliche Prinzipien oder souveräne nationale Politikentscheidungen berufen. Der internationale Entscheidungseinklang wird gefördert und der internationale Rechtsverkehr sowie der Interessenausgleich zwischen den Parteien erleichtert. Das Internationale Privatrecht hat ein Interesse an realen, das heißt durchsetzbaren Entscheidungen.30 Eine allgemeine Verschlechterung der Umweltschutzstandards und eine unangemessene Belastung der (potentiell) Geschädigten werden bei dieser Vorgehensweise zum einen durch den bereits bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Umweltschutzmindeststandard verhindert.31 Zum anderen tragen auch die umfangreichen verwaltungsrechtlichen Verfahrensrechte, die durch die UNECE-Übereinkommen eingeräumt werden,32 und schließlich EuGH, Rs. C-115/08 – Oberösterreich ./. ýEZ v. 27.10.2009, Rn. 111 ff., EuZW 2010, 26. 28 Außerdem lässt das Urteil die vorherige Beteiligungsmöglichkeit am Genehmigungsverfahren für die potentiell betroffene Bevölkerung außer Acht. Dadurch wird m.E. gegen verfassungsrechtlich garantierte Rechtspositionen der Betroffenen verstoßen. Auch dies steht einer Übertragbarkeit des Lösungsansatzes aus dem Urteil im Weg. 29 Eventuellen Abweichungen bei den Grundfunktionen wie Gefahrenabwehr und Risikovorsorge kann notfalls auf Ebene des ordre public begegnet werden; siehe unten II. 30 Hager, RabelsZ 53 (1989), 293 (302); Kegel/Schurig, IPR, § 2 II.3.d. 31 Siehe hierzu den folgenden Abschnitt, 4. 32 Im Einzelnen zu den Übereinkommen von Espoo und Aarhus siehe 10. Kapitel. 27

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11. Kapitel – Vergleichbarkeit und ordre public

auch das Sicherheitsnetz des inländischen ordre public33 dazu bei, dass es nicht zu einem Sinken des allgemeinen Umweltschutzstandards kommt und die Zielsetzungen auch der Rom II-Verordnung34 eingehalten werden können. 4. Existenz eines materiellen Grundstandards Ein staatsübergreifender materieller Umweltschutzstandard, der zumindest gewisse Mindestanforderung in Form von Grenzwerten, Schutzmaßnahmen und Auflagen vorsieht, kann auf verschiedene Weise erreicht werden. Als sicherste und präzise zugeschnittene Lösung bieten sich natürlich individuell-konkrete Staatsverträge hinsichtlich einzelner Anlagen, Grenzabschnitte oder auch spezieller Immissionen an. Dieses Verfahren ist jedoch äußerst aufwändig und in den meisten Fällen nicht umsetzungsfähig. Auch das Internationale Nachbarrecht, das sowohl als Bewertungsmaßstab als auch als Mindeststandard genutzt werden kann, ist weder genügend weit entwickelt noch konkret genug,35 um als praktikabler Grundstandard genutzt werden zu können. Zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union lässt sich dagegen ein materieller Umweltschutzgrundstandard aus dem gemeinschaftlichen Umweltrecht ableiten. Zwar enthält das primäre Gemeinschaftsrecht lediglich Zielvorgaben, diese werden aber gerade im Bereich des Umweltschutzes durch das sekundäre Gemeinschaftsrecht konkret ausgefüllt. Ziel der Umweltpolitik der Europäischen Gemeinschaft ist gemäß Art. 191 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 174 Abs. 2 EG) ein hohes Umweltschutzniveau.36 Auch die Anwendung der Sonderanknüpfung des Art. 7 Rom IIVO bei Umweltschädigungen soll an diesem Ziel ausgerichtet werden.37 Mit Blick auf industrielle Umweltbeeinträchtigungen wurden insbesondere für die Bereiche der Luft- und Gewässerverschmutzung zahlreiche RichtDie mangelnde Vergleichbarkeit der Umweltschutzstandards kann theoretisch auch in den Genehmigungsverfahren geltend gemacht. Dort müssten die entsprechenden Einwendungen nach den Vorgaben der UNECE-Übereinkommen angemessen berücksichtigt werden. Auch daran zeigt sich, dass die Verfahrensbeteiligung wichtiger ist. Sie kann in diesem Zusammenhang sogar in der Lage sein, Schutzniveauunterschiede bis zu einem gewissen Ausmaß zu beheben. 33 Siehe unten, 5. 34 Erwägungsgrund 25. 35 Entscheidendes Kriterium ist die Erheblichkeit der grenzüberschreitenden Beeinträchtigungen. Die Definition dieses Begriffs ist schwierig, so dass ohne anerkannte Grenzwerte nur ganz offensichtlich unmittelbare und schwere Schädigungen erfasst werden können; U. Wolf, S. 220 f. 36 Vgl. Scherer/Heselhaus in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrechts, 28.EL (2011), Kapitel O., Rn. 31 ff. 37 Erwägungsgrund 25.

I. Vergleichbarkeit der materiellen Genehmigungsvoraussetzungen

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linien erlassen, von denen viele konkrete Immissions- bzw. Emissionsgrenzwerte enthalten. Zwar stellen die jeweiligen Grenzwerte nur Mindestanforderungen dar, da alle einschlägigen Richtlinien Vorschriften enthalten, die ein Abweichen in Richtung eines höheren Schutzniveaus zulassen. Durch dieses immer dichter werdende Netz konkreter Grenzwerte wurde aber – zumindest innerhalb der Europäischen Union – ein allgemein gültiger Mindeststandard geschaffen,38 der zudem kontinuierlich verbessert wird.39 Startpunkt für die gemeinschaftsrechtliche Umweltsekundärgesetzgebung waren 1970 zwei Richtlinien in Bezug auf Luftverunreinigungen und Lärmemissionen von Kraftfahrzeugen.40 Da es zu diesem Zeitpunkt noch keine gemeinschaftliche Umweltpolitik oder überhaupt Vorschriften zum Umweltrecht im Primärrecht gab, wurden sie auf Grundlage von exArt. 94 EG41 (jetzt Art. 115 AEUV) erlassen. Mit der Einheitlichen Europäischen Akte42 wurde 1986 ein Titel „Umwelt“ (ex-Art. 174 bis 176 EG) in den EG-Vertrag eingefügt. Damit fanden die Worte „Umwelt“, „Umweltschutz“ und „Umweltpolitik“ erstmals Eingang in das europäische Primärrecht.43 Nunmehr finden sich diese Vorschriften in Titel XX. Umwelt (Art. 191-194 AEUV). Im Hinblick auf einen europäischen Grundstandard an Emissionsgrenzwerten für Industrieanlagen, die für die Erteilung einer Betriebsgenehmigung beachtet werden müssen, gibt es ein Netz von Richtlinien, die sich zum Teil auf gewisse Anlagentypen, zum Teil auf bestimmte Schadstoffe 38

Siehe auch U. Wolf, S. 223 f., die auch von einem Mindestniveau ausgeht, dies allerdings für einen zwischenstaatlichen Interessenausgleich wegen der Möglichkeit von Abweichungen nach oben für nicht ausreichend hält. 39 Die entsprechenden Rechtsakte des sekundären Gemeinschaftsrechts wurden auch in den neuen Mitgliedstaaten Osteuropas schnell nach ihrem Beitritt und mit der Hilfe der alten Mitgliedstaaten, wie z.B. Deutschland, in nationales Umweltrecht umgesetzt. Dies hat zur Folge, dass allmählich auch der tatsächliche Umweltstandard entsprechend steigt. Vgl. hierzu BMU, Umweltpolitische Zusammenarbeit in Mittel- und Osteuropa, S. 18 ff. 40 Richtlinie 70/157/EWG des Rates v. 6.2.1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den zulässigen Geräuschpegel und die Auspuffvorrichtung von Kraftfahrzeugen, ABl. L 42 v. 23.2.1970, S. 16; und Richtlinie 70/220/EWG des Rates vom 20.3.1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Abgase von Kraftfahrzeugmotoren mit Fremdzündung, ABl. L 76 v. 6.4.1970, S. 1. 41 Ex-Art. 94 EG: „Der Rat erlässt einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses Richtlinien für die Angleichung derjenigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken.“ 42 Damals als Titel VII. 43 Scherer/Heselhaus in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrechts, 28.EL (2011), Kapitel O., Rn. 7 ff.

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11. Kapitel – Vergleichbarkeit und ordre public

beziehen. Inzwischen sind viele dieser Einzelrichtlinien in neuen aktualisierten und umfassenden Richtlinien konsolidiert. Zur Illustration sollen hier die in den Bereichen Luftverschmutzung und Gewässerschutz ergangenen Richtlinien angeführt werden. Bereits die Richtlinie 76/464/EWG betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft44 führte eine Reihe von Substanzen auf, für die europaweite wasserschutzrechtliche Grenzwerte entwickelt werden sollten und sah auch Nullemissionsgrenzen für gewisse Stoffe vor. Die konkreten Grenzwerte für diese Substanzen wurden dann durch die Richtlinie 86/280/EWG45 festgelegt, die wiederum mehrfach geändert wurde.46 Für besonders schädliche Stoffe, wie zum Beispiel Schwermetalle, wurden eigene Spezialrichtlinien, die ihrerseits genaue Grenzwerte festlegten, erlassen.47 Die Richtlinie 2006/11/EG legte die gemeinschaftsweite Genehmigungspflicht für die Einleitung bestimmter gefährlicher Stoffe in Gewässer fest. Durch die aktuelle Richtlinie 2008/105/EG,48 die der Konkretisierung der Wasser-

44 Richtlinie 76/464/EWG des Rates v. 4.5.1976 betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft; ABl. L 129 v. 18.5.1976, S. 23. 45 Richtlinie 86/280/EWG des Rates v. 12.6.1986 betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele für die Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe im Sinne der Liste I im Anhang der Richtlinie 76/464/EWG, ABl. L 181 v. 4.7.1986, S. 16. 46 Vgl. Richtlinie 88/347/EWG des Rates v. 16.6.1988 zur Änderung von Anhang II der Richtlinie 86/280/EWG betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele für die Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe im Sinne der Liste I des Anhangs der Richtlinie 76/464/EWG, ABl. L 158 v. 25.6.1988, S. 35; und Richtlinie 90/415/EWG des Rates v. 17.7.1990 zur Änderung von Anhang II der Richtlinie 86/280/EWG betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele für die Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe im Sinne der Liste I des Anhangs der Richtlinie 76/464/EWG, ABl. L 219 v. 14.8.1990, S. 49. 47 Richtlinie 82/176/EWG des Rates v. 22.3.1982 betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele für Quecksilberableitung aus dem Industriezweig Alkalichloridelektrolyse, ABl. L 81 v. 27.3.1982, S. 29; Richtlinie 84/156/EWG des Rates v. 8.3.1984 betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele für Quecksilberableitung mit Ausnahme des Industriezweiges Alkalichloridelektrolyse, ABl. L 74 v. 17.3.1984, S. 49; Richtlinie 83/513/EWG des Rates v. 26.9.1983 betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele für Cadmiumableitungen, ABl. L 291 v. 24.10.1983, S. 1; Richtlinie 84/491/EWG des Rates vom 9.10.1984 betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele für Ableitungen von Hexachlorcyclohexan, ABl. L 274 v. 17.10.1984, S. 11. 48 Richtlinie 2008/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.12.2008 über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien des Rates 82/176/EWG, 83/513/EWG, 84/156/EWG, 84/491/EWG und 86/280/EWG sowie zur Änderung der Richtlinie 2000/60/EG, ABl. EU L 348 v. 24.12.2008, S. 84.

I. Vergleichbarkeit der materiellen Genehmigungsvoraussetzungen

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rechtsrahmenrichtlinie49 dient, werden die alten speziellen GrenzwertRichtlinien aufgehoben und in der neuen Richtlinie konsolidiert und aktualisiert. Zur Bekämpfung der Luftverschmutzung durch Industrieemissionen wurde zuerst die Richtlinie 84/360/EWG zur Bekämpfung der Luftverunreinigung durch Industrieanlagen erlassen.50 Diese legte noch keine konkreten Grenzwerte fest, verpflichtete die Mitgliedstaaten aber dazu, Genehmigungsverfahren hinsichtlich von Schadstoffemissionen in die Luft durchzuführen, bei denen noch festzulegende Grenzwerte beachtet werden mussten. Die Konkretisierung dieser Grenzwerte fand zunächst für bestimmte Anlagentypen statt,51 wurde dann aber auch losgelöst für bestimmte Schadstoffe vorgenommen.52 Inzwischen werden viele dieser Einzelrichtlinien durch umfassende aktualisierte Richtlinien konsolidiert. Neben der oben angesprochenen Richtlinie 2008/105/EG, die dies für das europäische Wasserschutzrecht leistet, gibt es in der IVU-Richtlinie53 einen integrierten Ansatz, die Genehmigungspflichten und Verfahrensgrundsätze für die Bereiche Wasser, Luft, Abfall usw. zusammenzufassen. Die Richtlinie enthält auch 49 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.10.2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABl. EU L 327 v. 22.12.2000, S. 1. 50 Richtlinie 84/360/EWG des Rates v. 28.6.1984 zur Bekämpfung der Luftverunreinigung durch Industrieanlagen, ABl. L 188 v. 16.7.1984, S. 20. 51 Richtlinie 88/609/EWG des Rates v. 24.11.1988 zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlangen in die Luft, ABl. L 336 v. 7.12.1988, S. 1, geändert durch Richtlinie 94/66/EG des Rates v. 15.12.1994 zur Änderung der Richtlinie 88/609/EWG zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlangen in die Luft, ABl. EU L 337 v. 24.12.1994, S. 83, neugefasst durch Richtlinie 2001/80/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.10.2001 zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen in die Luft, ABl. EU L 309 v. 27.11.2001, S. 1; Richtlinie 89/369/EWG des Rates v. 8.6.1989 über die Verhütung der Luftverunreinigung durch neue Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll, ABl. L 163 v. 14.6.1989, S. 32. 52 Richtlinie 1999/30/EG des Rates v. 22.4.1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft, ABl. EU L 163 v. 29.6.1999, S. 41; Richtlinie 2000/69/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.11.2000 über Grenzwerte für Benzol und Kohlenmonoxid in der Luft, ABl. EU L 313 v. 13.12.2000, S. 12; Richtlinie 2004/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.12.2004 über Arsen, Cadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Luft, ABl. EU L 23 v. 26.1.2005, S. 3. 53 Richtlinie 96/61/EG des Rates v. 24.9.1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABl. EU L 257 v. 10.10.1996, S. 26; aufgrund vieler Änderungen nun kodifiziert in der Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.1.2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (kodifizierte Fassung); ABl. EU L 24 v. 29.1.2008, S. 8.

236

11. Kapitel – Vergleichbarkeit und ordre public

Regelungen für die gemeinschaftsweite Verbesserung der einschlägigen zu beachtenden Grenzwerte. Durch diese Richtlinien und weiteres Umweltsekundärrecht ergibt sich für die Europäische Union ein allgemeines Mindestniveau von immissionsschutzrechtlichen Grenzwerten und anderen Vorgaben, die bei der Erteilung von Anlagengenehmigungen zu beachten sind. Mitgliedstaaten, die sich für ein höheres Schutzniveau entscheiden, müssen bei der Berücksichtigung von ausländischen Anlagengenehmigungen im Rahmen von Art. 17 Rom II-VO eventuell niedrigere Standards, die sich jedoch an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben halten, am Handlungsort hinnehmen. Zwar wäre es aus dem Blickwinkel des höchsten Umweltschutzstandards wünschenswert, wenn sich stets die strengsten Standards durchsetzen würden.54 Dies lässt sich aber nur durch die Weiterentwicklung des entsprechenden sekundären Gemeinschaftsrechts erreichen. Mangels durchsetzbarer Urteile ist das Internationale Privatrecht nicht das richtige Mittel hierfür. 5. Korrekturmöglichkeit durch den inländischen ordre public-Vorbehalt Bei allen Überlegungen zum Für und Wider eines Vergleichbarkeitskriteriums sollte im Auge behalten werden, dass auch der Verzicht auf ein solches Erfordernis nicht dazu führen würde, dass jede Anlagengenehmigung bedingungslos anerkannt werden müsste. Zum einen ist stets erforderlich, dass die betroffenen Grenznachbarn eine effektive Möglichkeit zur Verfahrensbeteiligung hatten, in dem sie ihre Anmerkungen hinsichtlich etwaiger Vergleichbarkeitserwägungen äußern können, und die dann auch Berücksichtigung bei der Genehmigungserteilung gefunden haben. Zum anderen bleibt in jedem Fall der allgemeine ordre public-Vorbehalt des Art. 26 Rom II-VO. Dieser ist zwar restriktiv anzuwenden, ermöglicht aber jederzeit eine Notfallkorrektur, sollte das Schutzgefälle zulasten der inländischen Betroffenen zu groß sein und gegen eine Berücksichtigung sprechen. Innerhalb der Europäischen Union ist dazu zu beachten, dass der zwar grundsätzlich an den Wertungen des nationalen Recht ausgerichtete ordre public nach Art. 26 Rom II-VO auch von den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beeinflusst wird.55 Mit Blick auf Genehmigungsvoraussetzungen, die im nationalen Alleingang über das gemeinschaftsrechtliche Niveau hinausgehen, kann das bedeuten, dass auch größere Schutzgefälle,

54

Vgl. Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 170. Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 26 Rom II-VO, Rn. 1; Bamberger/Roth-Spickhoff, 2.A. (2008), Anhang zu Art. 42 EGBGB, Rn. 144; Erman-Hohloch, 12.A. (2008), Art. 6 EGBGB, Rn 23; Leible, RIW 2008, 257 (263); MüKo-Sonnenberger, 5.A. (2010), Art. 6 EGBGB, Rn. 65 f. 55

I. Vergleichbarkeit der materiellen Genehmigungsvoraussetzungen

237

die vom Gemeinschaftsrecht gedeckt sind, nicht den ordre public betreffen.56 Ein wichtiger Anwendungsbereich des ordre public werden unter der Rom II-Verordnung Drittstaatensachverhalte sein, die sich an den EUAußengrenzen abspielen. Außerhalb der Europäischen Union gilt das umweltschutzrechtliche Mindestniveau, das durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geschaffen wurde, nicht.57 6. Zusammenfassung Die obligatorische Prüfung eines Kriteriums der Vergleichbarkeit der Genehmigungsvoraussetzungen im Rahmen der Angemessenheit nach Art. 17 Rom II-VO ist abzulehnen. Eine solche Vorgehensweise ist unpraktikabel. Sie würde an der Rechtsrealität vorbeiführen, da es keine internationale Akzeptanz und folglich auch keine Vollstreckbarkeit von Urteilen, die eine Genehmigung aus diesen Gründen nicht beachten, im Ausland geben wird. Unterlassungsurteile, denen im Ausland wegen der Nichtbeachtung öffentlich-rechtlicher Genehmigungen regelmäßig die Vollstreckung verweigert wird, können nicht überzeugen.58 Eine derartige Prüfung ist aber auch nicht zwingend notwendig, um die Rechte der betroffenen Grenznachbarn zu schützen. Zum einen besteht innerhalb der Europäischen Union ein substantieller immissionsschutzrechtlicher materieller Grundstandard, zum anderen bleibt in jedem Fall eine Notfallkorrekturmöglichkeit durch den ordre public (Art. 26 Rom IIVO). Die grundsätzliche Berücksichtigung ausländischer Anlagengenehmigungen auch bei abweichenden Standards, Grenzwerten und Umweltschutzpolitiken fördert die internationale Akzeptanz von umwelthaftungsrechtlichen Urteilen. Außerdem wird so die Versagung von Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung sowohl unter Berufung auf völkerrechtliche Prinzipien als auch nationale Standards deutlich erschwert. Dies wiederum dient der Förderung des internationalen Entscheidungseinklangs und der Erleichterung des internationalen Rechtsverkehrs und privaten Interessenausgleichs. Nach der Auslegung eines Vergleichbarkeitskriteriums an den praktischen Auswirkungen und im Sinne einer effizienten Herangehensweise sowie vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Rom II-Verordnung und 56

So auch Bamberger/Roth-Spickhoff, 2.A. (2008), Anhang zu Art. 42 EGBGB, Rn.

144. 57

Vgl. unten II. Hager, RabelsZ 53 (1989), 293 (302 f.); Staudinger-Stoll, IntSachR, 13. Bearb. (1996), Rn. 240; Wandt, SZIER 1997, 147 (168 f.) = VersR 1998, 529 (536); Kadner Graziano, Gemeineuropäisches IPR, S. 257. 58

238

11. Kapitel – Vergleichbarkeit und ordre public

des europäischen Umweltrechts bliebe davon nicht mehr als ein Notfallausschlusskriterium übrig. Diese Restfunktion kann ohne weiteres und mit einem größeren Gewinn an Handhabbarkeit und auch höherer internationaler Anerkennungsfähigkeit vom allgemeinen (inländischen) ordre publicVorbehalt erfüllt werden. Hierdurch kann in Extremfällen Einzelfallgerechtigkeit geschaffen werden. Ansonsten stehen die internationale Entscheidungsharmonie und der internationale Entscheidungseinklang im Vordergrund.59

II. ordre public Art. 26 Rom II-VO enthält einen Vorbehalt gegenüber der Anwendung ausländischen Rechts zugunsten des inländischen ordre public. Wie in den nationalen Kollisionsrechtssystemen, beispielsweise Art. 6 EGBGB, dient der Vorbehalt der Korrektur möglicher schwerwiegender Abweichungen von den Rechtsordnung der lex fori, die infolge der Anwendung fremden Rechts entstehen können, und kann so inländischen Rechtsvorstellungen zum Durchbruch verhelfen. Art. 26 Rom II-VO schließt die Anwendung ausländischen Rechts aus, wenn das Ergebnis gegen die Grundsätze der inländischen Rechtsordnung, insbesondere Grund- und Menschenrechte, verstößt. Dieser Grundsatz gilt nicht nur im Internationalen Privatrecht, sondern drückt einen allgemeingültigen Rechtsgedanken aus.60 Der ordre public-Vorbehalt ist im Rahmen des harmonisierten Gemeinschaftskollisionsrecht zumindest gegenüber den Rechtsordnungen anderer Mitgliedstaaten restriktiv anzuwenden.61 Bei Drittstaatensachverhalten, bei denen der Emittent in einem Nichtmitgliedstaat sitzt, müssen die Gerichte bei der Anwendung des ordre public-Vorbehalts etwas freigiebiger sein, weil in diesen Staaten der Mindestschutzstandard des EU-Umweltschutzrechts freilich nicht gilt.62 Der ordre public-Vorbehalt kann das Ergebnis, das durch die Anwendung fremden Rechts entsteht, korrigieren.63 Der Wortlaut von Art. 26 Rom II-VO spricht von der „Anwendung einer Vorschrift des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts“ und bezieht sich damit auf die kolli59

Vgl. auch Lummert, NuR 1982, 241 (245). Statt vieler: Nassr-Esfahani, S. 134 f. mwN. 61 Allg. Meinung; siehe auch KOM(2003) 427 endg. S. 31. 62 Im Bezug auf Deutschland betrifft dies allerdings regelmäßig nur grenzüberschreitende Sachverhalte mit der Schweiz, die die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben teilweise übernommen hat, teilweise auch schon früher eigenständige strenge Umweltschutzvorgaben umgesetzt hat und in der tendenziell ein höherer Schutzstandard als in ihren EUNachbarstaaten gilt. 63 Statt vieler Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1 (73) mwN. 60

II. ordre public

239

sionsrechtlichen Verweisungen der Art. 4 bis 14 Rom II-VO. Die faktische Berücksichtigung ausländischer Sicherheits- und Verhaltensregeln, bei der es sich um keine Verweisung handelt, fällt zunächst nicht hierunter. Allerdings wirkt sich eine solche Berücksichtigung im Sinne des Art. 17 Rom II-VO freilich auch auf das Ergebnis eines Rechtsstreits aus. Die faktische Berücksichtigung von Sicherheits- und Verhaltensregeln, deren Ergebnis „offensichtlich“ mit den wesentlichen Grundsätzen der inländischen Rechtsordnung unvereinbar ist,64 muss schon aus teleologischen Erwägungen am inländischen ordre public scheitern, auch wenn es sich dabei nicht um die „Anwendung“ fremden Rechts handelt. Eine Umgehung des Vorbehalts von Art. 26 Rom II-VO auf dem Wege einer faktischen Berücksichtigung nach Art. 17 Rom II-VO widerspricht der Zielsetzung der Verordnung.65 In Extremfällen können also auch im Hinblick auf genehmigte Industrieanlagen drastische Schutzgefälle an den Grenzen durch den ordre public nach Art. 26 Rom II-VO aufgefangen werden. Folge ist, dass die entsprechende ausländische Genehmigung nicht berücksichtigt wird und ein Unterlassungsurteil ergehen kann. Allerdings stellen sich auch hier wieder die Anerkennungs- und Vollstreckungsprobleme im Erlassstaat. In diesem Zusammenhang kann auf eine völkerrechtliche Argumentation aus dem Internationalen Nachbarrecht zurückgegriffen werden, die eine Nichtanerkennung – wie bei der völkerrechtswidrigen Nichtbeteiligung ausländischer Grenznachbarn – erschweren wird. Das völkerrechtliche sic utere tuo iure ut alienum non laedas-Prinzip verbietet es Staaten, Aktivitäten vorzunehmen, zu fördern oder zu dulden, die auf dem Gebiet eines anderen Staates erhebliche und unübliche Schäden verursachen.66 Bei einem extremen Umweltschutzgefälle an der Grenze liegt eine in diesem Sinne völkerrechtwidrige Umwelt- bzw. Industriepolitik nahe,67 so dass ein Gericht auch die Betriebseinstellung einer Anlage, die nach diesen völker64

Zum ordre public gehören nach dem EuGH „alle nationalen Vorschriften, deren Einhaltung als so entscheidend für die Wahrung der politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation des betreffenden Mitgliedstaats angesehen wird, dass ihre Beachtung für alle Personen, die sich im nationalen Hoheitsgebiet dieses Mitgliedsstaats befinden, und für jedes dort lokalisierte Rechtsverhältnis vorgeschrieben ist.“; Urteil v. 23.11.1999, verbundene Rs. C-369/96 und C-376/96 – Strafverfahren gegen Arblade und Leloup, Slg. 1999, I-8453, Rn. 30. – Im Bezug auf Art. 26 Rom II-VO: Dickinson, Rn. 15.10.; Siems, RIW 2004, 662 (666). 65 Vgl. nur die Erwägungsgründe 32 und 34. 66 Statt vieler Rest, NJW 1989, 2153 (2155) mwN. 67 Im Bezug auf das Immissionsschutzrecht: Rest, NJW 1989, 2153 (2155 f.); Wilhelm, JBl. 1989, 241; Moser, ÖJZ 1987, 97 (101 f.); Küppers, DVBl. 1979, 228 (230). Allgemein in dieser Hinsicht zum ordre public: MüKo-Sonnenberger, 5.A. (2010), Art. 6 EGBGB, Rn. 19; Staudinger-Blumenwitz, Neub. (2003), Art. 6 EGBGB, Rn. 140; Oeter, IPRax 1996, 73 (77).

240

11. Kapitel – Vergleichbarkeit und ordre public

rechtswidrigen Standards arbeitet, als mit dem nationalen ordre public vereinbar anerkennen sollte. In vielen der bisher hinsichtlich der Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen entwickelten Lösungsansätze soll der inländische ordre public-Vorbehalt ausdrücklich geprüft werden.68 Auf diese Weise kann der notwendige Schutz der betroffenen Inländer in Ausnahmefällen sichergestellt werden. Auch die restriktive Anwendung schadet hier nicht, da Unterlassungsurteilen in der Regel kein erfolgreiches Schicksal im Ausland beschert sein wird. Ein bekanntermaßen restriktiv angewandter Vorbehalt in Verbindung mit der zugrundeliegenden völkerrechtlichen Rechtfertigung kann daher sogar begünstigend für eine grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung sein.

III. Zusammenfassung der Voraussetzungen für eine Berücksichtigung Art. 17 Rom II-VO ist grundsätzlich auf die Problemstellung der Beachtlichkeit von ausländischen Genehmigungen anwendbar.69 Die faktische Berücksichtigung hängt im Einzelfall allerdings von weiteren Voraussetzungen ab. Die Zielsetzung, einen „angemessenen Interessenausgleich“ zwischen den Beteiligten herbeizuführen,70 findet sich im Wortlaut des Art. 17 Rom II-VO („soweit angemessen“) wieder. An dieser Formulierung lassen sich weitere Voraussetzungen für eine Berücksichtigung festmachen. Obwohl es sich bei den Fällen grenzüberschreitender Industrieemissionen um Distanzdelikte handelt, ist die fehlende Vorhersehbarkeit bei der Berücksichtigung von Genehmigungen im Gegensatz zu anderen Distanzdelikten keine zwingende Voraussetzung. Das Vertrauen des Schädigers, nach den Sicherheits- und Verhaltensregeln oder den entsprechenden Genehmigungsregeln am Handlungsort behandelt zu werden, knüpft an einem anderen Punkt an. Da der Anlagenbetreiber in der Regel keine Möglichkeit hat, eine Genehmigung im Ausland zu beantragen, geschweige denn zu erhalten, kann er hinsichtlich ausländischer Betroffener nur auf seine Genehmigung vertrauen, wenn die potentiell betroffenen Grenznachbarn die Möglichkeit hatten, sich am Verfahren zu beteiligen.

68 Nassr-Esfahani, S. 135; Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 170; Kohler, UTR 15 (1991), 289 (310); Lummert, NuR 1982, 241 (244); Wandt, SZIER 1997, 147 (170) = VersR 1998, 529 (537); Wolf, S. 236. 69 Vgl. 8. Kapitel. 70 Erwägungsgrund 34 der Rom II-Verordnung.

III. Zusammenfassung der Voraussetzungen für eine Berücksichtigung

241

Die grundsätzliche Beteiligungsmöglichkeit der ausländischen Grenznachbarn am Genehmigungsverfahren ist die entscheidende Voraussetzung für eine Berücksichtigung nach Art. 17 Rom II-VO. Sie stellt sowohl die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für den mit der Anspruchspräklusion verbundenen Eingriff in das Eigentum dar als auch den Anknüpfungspunkt für das Vertrauen des Schädigers. Auf diese Voraussetzung kann unter keinen Umständen verzichtet werden. Allerdings existiert auf Grundlage der umweltschutzrechtlichen UNECE-Übereinkommen von Espoo und Aarhus ein verfahrensrechtlicher Grundstandard, der eine grenzüberschreitende Beteiligung völkerrechtlich verbindlich und dazu noch leicht überprüfbar macht. Auf die Vergleichbarkeit der materiellen Genehmigungsvoraussetzungen der in- und ausländischen Anlagengenehmigungen kommt es dagegen – zumindest innerhalb der Europäischen Union – nicht an. Die Abweichungen zwischen den verschiedenen beteiligten Staaten – selbst innerhalb der Europäischen Union – sind aufgrund von willkürlich gesetzten Grenzwerten und insbesondere stark divergierenden Umwelt- und Industriepolitiken zu groß und vielfältig, als dass eine praktikable Lösung auf diesem Wege erreichbar wäre, ohne das entsprechende Vergleichbarkeitskriterium zu entwerten oder eine Berücksichtigung in den meisten Fällen ablehnen zu müssen. Ferner ist es auch nicht Aufgabe des Internationalen Privatrechts, eigene nationale Umweltschutzvorstellungen zu exportieren. Das Ziel eines hohen Umweltschutzniveaus71 kann auch ohne ein Vergleichbarkeitserfordernis für diese Fälle erreicht werden. Durch spezielle umweltschutzrechtliche EG-Richtlinien, die genaue Mindestgrenzwerte für mannigfaltige Industrieemissionen vorsehen, besteht zumindest in der Europäischen Union ein gewisser Grundstandard, von dem jedoch nach oben abgewichen werden kann. Neben der konkreten grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligungsmöglichkeit ist weiter zu verlangen, dass die Genehmigung zum Zeitpunkt der schädlichen Immission noch Bestand hat, also weder aufgehoben worden ist noch nichtig ist. In Bezug auf bestandskräftige, aber rechtswidrige Genehmigungen kommt die verwaltungsrechtliche Fehlerlehre zum Einsatz. Schließlich sind die Ergebnisse der faktischen Berücksichtigung einer ausländischen Anlagengenehmigung in jedem Fall anhand des inländischen ordre public zu überprüfen. Auf diesem Wege ist es auch möglich, den Schutz der inländischen Grenzbevölkerung in krassen Ausnahmefällen auch ohne ein ausdrückliches materielles Vergleichbarkeitskriterium sicherzustellen. Insbesondere bei Drittstaatensachverhalten an Außengrenzen der Europäischen Union dient der ordre public-Vorbehalt dem Schutz 71

Vgl. Erwägungsgrund 25.

242

11. Kapitel – Vergleichbarkeit und ordre public

vor großen umweltschutzrechtlichen Niveauunterschieden. Hierfür können die befassten Gerichte den innerhalb der Europäischen Union restriktiv zu handhabenden ordre public-Vorbehalt flexibler anwenden.

12. Kapitel

Genehmigungswirkungen und andere Konstellationen I. Auswirkungen und Rechtsfolgen der Berücksichtigung 1. Problemstellung Wenn eine ausländische Anlagengenehmigung im Rahmen einer immissionsschutzrechtlichen Betriebsunterlassungsklage gemäß Art. 17 Rom IIVO als Sicherheits- und Verhaltensregel faktisch berücksichtigt wird, stellt sich die Frage, welche rechtlichen Folgen das nach sich zieht. Entscheidend ist, nach welchem Recht sich die privatrechtsgestaltenden Wirkungen hinsichtlich der im Ausland geltend gemachten Abwehransprüche richten. Die Standardkonstellation ist, dass das Recht am Erfolgsort, das zugleich lex fori ist, zur Anwendung kommt. In diesem Fall kann entweder die lex causae im Rahmen der Verweisung nach Art. 4 Abs. 1 bzw. Art. 7 Rom IIVO über die Rechtsfolgen der Berücksichtigung entscheiden, oder es könnten die privatrechtsgestaltenden Wirkungen, die das Recht am Handlungsort vorsieht, mit von der „Berücksichtigung“ nach Art. 17 Rom II-VO erfasst sein. Problematisch ist dies, weil teilweise deutliche Unterschiede zwischen den mit einer entsprechenden Genehmigung verknüpften privatrechtsgestaltenden Wirkungen in benachbarten Staaten bestehen. Wenn immissionsschutzrechtliche und andere umweltschutzrechtliche Genehmigungen privatrechtsgestaltende Wirkungen haben,1 sind dies im Wesentlichen der Ausschluss von Unterlassungsansprüchen2, manchmal zusätzlich der Ausschluss von Ansprüchen auf die Vornahme von Schutzmaßnahmen und sehr selten sogar der Ausschluss zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche.3 Für die Beurteilung der Wirkungen einer ausländi1 Deutsche wasserrechtliche Erlaubnisse nach § 10 Abs. 1, 1. Alt. WHG sind lediglich Unbedenklichkeitsbescheinigungen, die keine privatrechtsgestaltenden Wirkungen nach sich ziehen. Das gleiche gilt für sämtliche Genehmigungen nach schweizerischem Recht. Siehe oben 6. Kapitel, IV.3.b.(1). 2 Z.B. die Genehmigung nach den §§ 4 ff. BImSchG; siehe auch oben 6. Kapitel, IV.3.b.(3). 3 Aus verfassungsrechtlichen Gründen wird aber auch beim Ausschluss aller Schadensersatzansprüche immer irgendeine Form der Kompensation bestehen. So findet theoretisch die monetäre Kompensation der potentiell Betroffenen bereits im Rahmen des Bewilligungsverfahrens nach §§ 11, 14 WHG statt.

244

12. Kapitel – Genehmigungswirkungen und andere Konstellationen

schen Genehmigung im Inland bieten sich grundsätzlich zwei Alternativen an: Die Wirkungen können sich nach dem Recht am Erfolgsort richten, also dem objektiven Deliktsstatut in der Standardkonstellation, oder nach dem Recht des Erlassstaats, also dem Handlungsortsrecht. Es stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Maßgeblichkeit des Hauptstatuts (lex causae) oder des Rechts des Handlungsorts bzw. des Rechts der Gefahrenquelle. Die erste Alternative wäre eine so genannte Wirkungsverleihung, die zweite eine so genannte Wirkungserstreckung der Genehmigung. An dieser Stelle kann allerdings bereits festgehalten werden, dass eine ausländische Genehmigung auf keinen Fall weitergehende Wirkungen als nach dem Recht, nach dem sie erlassen wurde, haben kann. Der Anlagenbetreiber kann auf weitergehende für ihn günstige Rechtsfolgen kein berechtigtes Vertrauen haben und ist somit auch nicht schutzwürdig. Außerdem ist das inländische Genehmigungsverfahren nicht auf weitergehende Präklusionsfolgen ausgelegt,4 so dass unter Umständen hierfür entscheidende Aspekte trotz einer ordnungsgemäßen grenzüberschreitenden Öffentlichkeitsbeteiligung nicht berücksichtigt worden sind. Das bedeutet, dass eine Genehmigung, die im Erlassstaat lediglich den Ausschluss von Unterlassungsansprüchen zur Folge hat, nicht im Ausland auch weniger eingriffsintensive Ansprüche, wie zum Beispiel solche auf Vornahme von Schutzvorkehrungen, präkludieren kann, auch wenn die ausländische Rechtsordnung dies vorsieht. Die Frage, ob die Berücksichtigung einer Anlagengenehmigung gemäß Art. 17 Rom II-VO eine Wirkungserstreckung des Rechts am Handlungsort oder eine Wirkungsverleihung durch das Erfolgsortsrecht nach sich zieht, stellt sich also hauptsächlich, wenn das Erfolgsortsrecht „schwächere“ privatrechtsgestaltende Wirkungen zeitigt. 2. Wirkungserstreckung Bei der Anerkennung ausländischer Entscheidungen – sowohl im Internationalen Verwaltungsrecht5 als auch im Internationalen Zivilverfahrensrecht6 – werden deren Wirkungen nach ihrer „Heimatrechtsordnung“ auf das anerkennende Ausland erstreckt.7 Bezüglich immissionsrechtlicher 4

So auch Wandt, SZIER 1997, 147 (164 ff.) = VersR 1998, 529 (535). Nassr-Esfahani, S. 144 mwN. 6 So bei der Anerkennung von Zivilurteilen; Musielak-Stadler, 8.A. (2011), § 328, Rn. 34 mwN zum deutschen IZVR; Geimer, 6.A. (2009), Rn. 2776 ff.; Rauscher-Leible, Bearb. 2011, Art. 33 EuGVVO, Rn. 3 mwN zum Gemeinschafts-IZVR; so auch EuGH Rs. 145/86 – Hoffmann/Krieg, Slg. 1988, 645, Rn. 11., NJW 1989, 663. 7 Anders ist es allerdings bei der Vollstreckbarkeitserklärung ausländischer Titel, hier gilt die so genannte Nostrifizierungstheorie. Auf diese Weise soll ein Grundmaß an Rechtssicherheit erzeugt werden; Geimer, 6.A. (2009), Rn. 2779 und 3101. 5

I. Auswirkungen und Rechtsfolgen der Berücksichtigung

245

Unterlassungsansprüche argumentieren die Befürworter dieser Vorgehensweise für die Berücksichtigung ausländischer Anlagengenehmigungen, eine Wirkungserstreckung fördere die internationale Entscheidungsharmonie, da Genehmigungen vor inländischen wie ausländischen Gerichten gleich behandelt würden.8 Die Wechselbezüglichkeit zwischen der Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens und den mit der Genehmigung verbundenen Präklusionswirkungen bliebe erhalten.9 Außerdem werde vermieden, dass die inländischen Rechtsvorstellungen einem ausländischen Hoheitsakt aufgezwungen werden, an die bei seinem Erlass überhaupt nicht gedacht w urde. Ferner würden auf diese Weise die Anerkennung und Vollstreckung im Erlassstaat weiter vereinfacht, da auch in dieser Hinsicht die dortige Rechtsordnung respektiert würde.10 3. Wirkungsverleihung Die Wirkungsverleihung dient dagegen mehr dem Schutz des Geschädigten, da sich die Rechtsfolgen der Genehmigung nach den einschlägigen inländischen (öffentlich-rechtlichen) Normen richten. Auf diese habe sich der Geschädigte im Zweifel eingestellt, eine unerwartete Schlechterstellung der Geschädigten sei nicht zu rechtfertigen. Die Argumentation basiert auf einer Bewertung der Parteiinteressen. Der Geschädigte soll nicht unerwartet schlechter gestellt werden. Die Anwendung der lex causae in diesem Zusammenhang stelle auch keine unverständliche Härte für Schädiger dar, da grenzüberschreitende Immissionen in der Regel vorhersehbar seien.11 4. Art. 15 bis 17 Rom II-VO Die Berücksichtigung ausländischer Anlagengenehmigungen findet nach Art. 17 Rom II-VO lediglich auf faktischer Ebene statt. Die Sicherheitsund Verhaltensregeln werden als Elemente des Tatbestandes betrachtet. Die Berücksichtigung bezieht sich ferner nur auf die Genehmigung selbst,

8

Bleckmann, JZ 1985, 1072 (1073); Nassr-Esfahani, S. 144. Wandt, SZIER 1997, 147 (164 ff.) = VersR 1998, 529 (536). 10 Nassr-Esfahani, S. 144; Wandt, SZIER 1997, 147 (164 ff.) = VersR 1998, 529 (535 9

f.). 11

Roßbach, S. 231 ff.; Rest, UPR 1982, 358, (366); Lummert, NuR 1982, 241 (244); Staudinger-Stoll, IntSachR, 13. Bearb. (1996), Rn. 240; v. Bar, Hague Recueil des Cours 268 (1997), 291 (390 f.); Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 171; Kadner Graziano, Gemeineuropäisches IPR, S. 257 mwN.

246

12. Kapitel – Genehmigungswirkungen und andere Konstellationen

jedoch weder auf ihre Voraussetzungen12 noch auf ihre Rechtsfolgen. Letztere werden nach der lex causae bewertet.13 Die klassische Rechtsfolge bei der Anwendung der Datumtheorie, an die die faktische Berücksichtigung im Rahmen des Art. 17 Rom II-VO angelehnt ist, ist die Wirkungsverleihung. Die Rechtsfolgen werden aus dem inländischen Recht bzw. der lex causae entnommen.14 In Bezug auf die Rom II-Verordnung kommt hinzu, dass der Umfang der Verweisung nach den Art. 4 bis 14 Rom II-VO von Art. 15 Rom II-VO bestimmt wird. Dieser nennt unter anderem die Rechtsfolgen bzw. den Umfang der Haftung und „die Haftungsausschlussgründe sowie jede Beschränkung und Teilung der Haftung“ (Art. 15 lit. a) und b) Rom II-VO). Für eine Erstreckung der Genehmigungswirkungen am Handlungsort in die lex causae (Erfolgsortsrecht) bleibt somit kein Raum. Schließlich spricht auch die Konstruktion des Art. 16 Rom II-VO gegen eine Wirkungserstreckung im Rahmen der Berücksichtigung nach Art. 17 Rom II-VO. Die Vorschrift kann inländischen ordnungspolitischen Eingriffsnormen trotz eines anderen objektiven Deliktsstatuts zur Anwendung verhelfen. Ausländische ordnungspolitische Eingriffsnormen werden im Gegensatz dazu nicht durch Art. 16 Rom II-VO geschützt. Die Ausnahmevorschrift ermöglicht einen Bruch mit der einheitlichen Anknüpfung eines Sachverhalts an das Deliktsstatut, die aber im Unterschied zum ordre public sogar eine positive Wirkung hat. Diese gilt jedoch nur für Vorschriften der lex fori, ausländischem Recht außerhalb des Deliktsstatuts wird nicht zum Durchbruch verholfen. Nach systematischer15 und am Wortlaut orientierter Auslegung ergibt sich, dass im Rahmen des Art. 17

12 Diese spielen allerdings eine Rolle bei der Bewertung, ob eine Berücksichtigung im Einzelfall angemessen iSd Art. 17 Rom II-VO ist. 13 Wagner, IPRax 2008, 1 (5); Bamberger/Roth-Spickhoff, 2.A. (2008), Anhang zu Art. 42 EGBGB, Rn. 120. 14 Jayme, GS Ehrenzweig 1976, S. 35 ff.; Stoll in: v. Caemmerer (Hrsg.), S. 174 ff.; Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Vor Art. 40 EGBGB, Rn. 58; MüKo-Sonnenberger, 5.A. (2010), Einl. IPR, Rn. 609 ff., der sich aber grundsätzlich der Datumtheorie gegenüber kritisch äußert, mwN. 15 Dies wird auch durch die historische Auslegung in Verbindung mit dem Verordnungsgebungsverfahren unterstrichen, da in dem jetzigen Art. 16 Rom II-VO zunächst auch noch eine Schutzvorschrift für ausländische zwingende Normen vorgesehen war; vgl. KOM(2003) 427 endg. S. 27; EP-Dokument A6-0211/2005 endg. S. 33; KOM(2006) 83 endg. S. 20. Diese konnte jedoch wegen des Widerstandes des Rates nicht weiter aufrecht erhalten werden; Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 22/2006 vom Rat festgelegt am 25.9.2006 im Hinblick auf die Annahme der Verordnung (EG) Nr. …/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom … über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („ROM II“), ABl. EU C 289 E v. 28.11.2006, S. 68; KOM(2006) 566 endg. S. 4.

II. Weitere Konstellationen

247

Rom II-VO nur eine Wirkungsverleihung stattfinden kann, und keine Wirkungserstreckung wie sie durch Art. 16 Rom II-VO erreicht wird. 5. Zusammenfassung Im Ergebnis findet nach der Rom II-Verordnung keine Wirkungserstreckung statt, da nach diesem Lösungsansatz die Genehmigungen nur als Faktum berücksichtigt werden und ausländische ordnungspolitische Eingriffsnormen im Gegensatz zu den inländischen ordnungspolitischen Eingriffsnormen nicht durch Art. 16 Rom II-VO geschützt werden. Dies entspricht den Vorgaben der Rom II-Verordnung in systematischer und teleologischer Auslegung. Die rein tatbestandliche Wirkung des Art. 17 Rom II-VO überlässt es dem Deliktsstatut die Verhaltensregeln haftungsrechtlich zu beurteilen.16 Die daraus folgende Wirkungsverleihung nach der lex causae stimmt ferner auch mit dem Verweisungsumfang, der von Art. 15 Rom II-VO festgelegt wird, überein. Im Sinne eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen den beteiligten Parteien17 ist das auch angebracht, da der Geschädigte zumindest auf die Präklusionsvorschriften am Erfolgsort vertrauen darf und der Schädiger die Auslandsimmissionen seiner Tätigkeit in der Regel vorhersehen kann.

II. Weitere Konstellationen Im Grunde lässt sich der im Vorhergehenden entwickelte Lösungsansatz in allen im 6. Kapitel beschriebenen Fallkonstellationen anwenden. Es sind lediglich leichte Anpassungen erforderlich, die sich jedoch in einer gegenüber der Hauptkonstellation einfacheren Vorgehensweise äußern, da diese nicht nur den Hauptanwendungsfall darstellt, sondern auch das Problem in all seinen Facetten zeigt. 1. Fall 2: Gerichtsstand am Erfolgsort, Recht des Handlungsorts anwendbar Auch in dieser Konstellation sind ausländische Anlagengenehmigungen zu beachten, wenn gewisse Voraussetzungen, die im Wesentlichen denen der Hauptkonstellation entsprechen, erfüllt sind. Allerdings kann man diese an anderen Prüfungspunkten aufhängen. Da durch die Ausübung des Wahlrechts nach Art. 7, 2. Halbsatz Rom IIVO (oder durch eine gemeinsame Rechtswahl nach Art. 14 Rom II-VO) das Recht des Handlungsorts, also des Erlassstaats anwendbar ist, spielt 16 17

So schon Stoll in: v. Caemmerer (Hrsg.), S. 174. Erwägungsgrund 34 der Rom II-Verordnung.

248

12. Kapitel – Genehmigungswirkungen und andere Konstellationen

Art. 17 Rom II-VO in dieser Konstellation keine Rolle. Die Sicherheitsund Verhaltensregeln am Handlungsort gehören zum Deliktsstatut. Dies hat zur Folge, dass eine Genehmigung zunächst ohne weiteres beachtet werden muss. Ihr kommen im Gleichlauf mit dem Ergebnis des vorherigen Abschnitts die Wirkungen nach der lex causae zu. Der Geschädigte ist insofern auch nicht weiter schutzwürdig, da er das Deliktsstatut selbst gewählt bzw. der Wahl zugestimmt hat. Auch der inländische ordre public-Vorbehalt nach Art. 26 Rom II-VO greift in dieser Konstellation nur durch, wenn die klagenden Geschädigten während des Genehmigungsverfahrens keine Möglichkeit hatten, sich effektiv zu beteiligen. Da es nicht auf die Angemessenheit einer Berücksichtigung nach Art. 17 Rom II-VO ankommt, kann eine Ergebniskorrektur und der Schutz der Geschädigten nur über den ordre public gewährleistet werden. Da die Verfahrensbeteiligung Gegenstück und verfassungsrechtliche Rechtfertigung für eine Anspruchspräklusion ist, werden ohne eine dahingehende Möglichkeit im Genehmigungsverfahren Grundsätze der inländischen Rechtsordnung des Forums und unter anderem auch das Grundrecht auf Eigentum verletzt. Die Prüfung ist also letztlich die gleiche wie bei der Hauptkonstellation. Bei einem extremen Auseinanderklaffen der betreffenden Schutzstandards kommt auch hier ein Eingreifen des ordre public-Vorbehalts in Betracht. 2. Gerichtsstand am Handlungsort a) Fall 3: Recht des Handlungsorts anwendbar Auch in dieser Konstellation ist eine Berücksichtigung von Sicherheitsund Verhaltensregeln nach Art. 17 Rom II-VO wegen der Anwendung des Handlungsortsrechts nicht nötig. Das Gericht am Handlungsort wird eine Anlagengenehmigung nach dem anwendbaren eigenen Recht regelmäßig beachten, wenn sie nicht nichtig oder erloschen ist. Auch ein Verstoß gegen das Erfordernis grenzüberschreitender Verfahrensbeteiligung der Grenznachbarn steht nicht im Weg, solange die Genehmigung wirksam ist. Dem Geschädigten bleibt nur die Möglichkeit, die Genehmigung vor den Verwaltungsgerichten des Erlassstaats nach den Möglichkeiten des dortigen Öffentlichen Rechts anzugreifen. Die Wirkungen der Genehmigung richten sich nach der lex causae, also dem Recht am Handlungsort. Da Gericht wird den ordre public am Erfolgsort nicht prüfen. Dies hat zur Folge, dass eine unterbliebene Verfahrensbeteiligung sich nicht auf die Beachtlichkeit der Anlagengenehmigung auswirken würde. Da diese Konstellation durch das Wahlrecht bezüglich des Gerichtsstands18 und des an18

Art. 5 Nr. 3 EuGVVO.

II. Weitere Konstellationen

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wendbaren Rechts19 in den Händen des Geschädigten liegt, sollte er diese Konstellation nur wählen, wenn er sowieso nur Kompensationsleistungen erlangen möchte, beispielsweise weil er bereits im Genehmigungsverfahren beteiligt wurde. b) Fall 4: Recht des Erfolgsorts anwendbar Wählt der (potentiell) geschädigte Kläger den Deliktsgerichtsstand am Handlungsort, macht aber von seinem Wahlrecht nach Art. 7 Rom II-VO keinen Gebrauch, hat das angerufene Gericht das Recht, am Erfolgsort als objektives Deliktsstatut anzuwenden. Wie bei der Hauptkonstellation kann hier Art. 17 Rom II-VO hinsichtlich einer Anlagengenehmigung eingreifen. Eine solche ist zu berücksichtigen, wenn die oben entwickelten Voraussetzungen, insbesondere die Möglichkeit, sich grenzüberschreitend am Verfahren zu beteiligen, gegeben waren. Die privatrechtsgestaltenden Wirkungen der Genehmigung richten sich auch hier nach der lex causae. Da die lex fori das Recht am Handlungsort ist, kann keine ordre publicPrüfung nach dem Recht des Erfolgsortes stattfinden (Art. 26 Rom II-VO). Extreme Gefälle zwischen den Umweltschutzstandards würden zunächst im Rahmen der Angemessenheitsprüfung der Berücksichtigung nach Art. 17 Rom II-VO aufgefangen werden können, die auch vom Gericht am Handlungsort objektiv durchgeführt wird. Käme es hiernach zu einer Nichtberücksichtigung der entsprechenden Anlagengenehmigung würde das Gericht am Handlungsort ein stattgebendes Unterlassungsurteil allerdings nach Art. 26 Rom II-VO an seinem ordre public scheitern lassen.20 Fehlt es dagegen an der konkreten grenzüberschreitenden Beteiligungsmöglichkeit, ist ein Zurückgreifen auf den ordre public-Vorbehalt schwieriger, da in der Regel ein Verstoß gegen die UNECE-Übereinkommen von Espoo und Aarhus bzw. deren europarechtliche oder nationale Umsetzungen vorliegen wird.21

19

Art. 7 Rom II-VO. M.E. ist die Lösung dieser Konstellation über den ordre public-Vorbehalt nicht nur hinsichtlich des internationalen Entscheidungseinklangs und der auf Gegenseitigkeit basierenden Akzeptanz von Urteilen, die Genehmigung gerechtfertigt nicht beachten, wünschenswert, sondern auch rechtstechnisch vorzugswürdig. Vgl. auch Kreuzer, BerDtGesVR 32 (1992), 245 (290); Bornheim, S. 246; Wandt, SZIER 1997, 147 (162 f.) = VersR 1998, 529 (534). – Hager dagegen beruft sich in diesem Zusammenhang auf die umstrittene Einheit der Rechtsordnung, was allerdings eine Flexibilität des Gerichts verhindert. Im Ergebnis ebenso Staudinger-v. Hoffmann, Neub. (2001), Art. 40 EGBGB, Rn. 173, der auf die Gewaltenteilung (Exekutive - Judikative) abstellt. 21 Vgl. oben 10. Kapitel, IV. 20

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12. Kapitel – Genehmigungswirkungen und andere Konstellationen

3. Weitere Konstellationen Weitere Konstellationen können sich vor allen Dingen durch Rechtswahlvereinbarungen nach Art. 14 Rom II-VO ergeben.22 Werden andere Rechtsordnungen als das Recht am Handlungsort gewählt, ergeben sich für den Lösungsweg nach Art. 17 Rom II-VO keine Änderungen, da dieser wegen der rein faktischen Berücksichtigung von einer Rechtswahl nicht betroffen ist.23 Solange sich das Forum am Erfolgsort befindet, bleibt auch die Korrekturmöglichkeit über den inländischen ordre public nach Art. 26 Rom II-VO bestehen. Einzig die privatrechtsgestaltenden Wirkungen einer zu berücksichtigenden Genehmigung richten sich nach dem vereinbarten Recht (lex causae), solange sich diese im Rahmen des inländischen ordre public bewegen.

III. Drittstaatensachverhalte Die grenzüberschreitenden Sachverhalte, bei denen das anwendbare Recht nach der Rom II-Verordnung bestimmt wird, spielen sich in den meisten Fällen in Europa ab, wenn ein Gerichtsstand in einem Mitgliedstaat (außer Dänemark) begründet ist. Wenn grenzüberschreitende Immissionen oder andere Umweltbeeinträchtigungen an EU-Außengrenzen passieren, finden diese Sachverhalte zumindest zwischen UNECE-Staaten statt, von denen fast alle auch Vertragsstaaten der Übereinkommen von Espoo und Aarhus sind.24 Allerdings sind auch weiträumigere Umweltschädigungen durch Immissionen – gerade durch Gewässer und auch die Luft– wie unter anderem das Beispiel Tschernobyl zeigt, möglich, wobei es sich dabei um einen Unfall und nicht den genehmigten Normalbetrieb handelte. Auch bei Drittstaatensachverhalten ist die Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Beteiligung die entscheidende Voraussetzung für eine Berücksichtigung ausländischer Anlagengenehmigungen nach Art. 17 Rom II-VO. Durch den zunehmenden Bedeutungsgewinn der beiden einschlägi-

22 Grundsätzlich sind natürlich auch Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 f. EuGVVO möglich, werden mangels vorherigen vertraglicher Beziehungen zwischen den Parteien aber wohl eher die Ausnahme bleiben. 23 Palandt-Thorn, 70. A. (2011), Art. 17 Rom II-VO, Rn. 2. 24 Von den an die Europäische Union grenzenden Ländern sind nur die Türkei und Andorra weder Vertragstaaten der Espoo-Konvention noch der Aarhus-Konvention. Die Espoo-Konvention wurde ferner von Island und auch Russland noch nicht ratifiziert. Neben den beiden genannten Staaten sind außerdem auch Russland und Serbien keine Vertragsstaaten der neueren Aarhus-Konvention. Island, Liechtenstein und die Schweiz sowie auch EU-Mitgliedsstaat Irland haben das Übereinkommen noch nicht ratifiziert.

III. Drittstaatensachverhalte

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gen UNECE-Übereinkommen werden die dahingehenden Möglichkeiten weiter verbessert.25 Problematisch könnte bei Sachverhalten mit Drittstaatenbezug allerdings sein, dass für diese der materielle Umweltschutzstandard, der in der Europäischen Union bei Genehmigungsverfahren zugrunde gelegt werden muss, nicht gilt. Es sind daher deutlich abweichende Schutzstandards und große Umweltschutzgefälle an den Außengrenzen möglich. Allerdings ändert dies zunächst einmal nichts an der grundsätzlichen Behandlung im Rahmen von Art. 17 Rom II-VO, da eine strikte Vergleichbarkeitsprüfung für die faktische Berücksichtigung nicht notwendig ist. Es kann jedoch geboten sein, bei gewissen Drittstaatensachverhalten ein genaueres Augenmerk auf eventuelle drastische Schutzgefälle an den Außengrenzen im Rahmen der ordre public-Prüfung zu werfen.

25 So hat sich zum Beispiel Russland im Rahmen des Ostsee-Pipeline-Projektes (Nordstream) freiwillig dem UVP-Regime der Espoo-Konvention unterworfen, obwohl es diese selbst noch nicht ratifiziert hat; oben 10. Kapitel, III.2.b.

13. Kapitel

Schlussteil – Zusammenfassung, Thesen und Ausblick I. Zusammenfassung 1. Zivilrechtliche Umwelthaftung und Internationales Deliktsrecht Die materielle zivilrechtliche Umwelthaftung bleibt auch nach dem Inkrafttreten der Rom II-Verordnung, die lediglich das Internationale Deliktsrecht gemeinschaftsweit harmonisiert, Materie des autonomen nationalen Delikts- und zum Teil auch Nachbarrechts, wenn dieses sachenrechtlich qualifiziert wird. Internationales Einheitsrecht oder auch eine großflächigere Harmonisierung auf europäischer Ebene existieren nicht. Die Regelungen des Umwelthaftungsrechts als Teil des Deliktsrechts erfüllen ebenfalls dessen Ausgleichs-, Straf- und Präventionsfunktionen. Allerdings hat die Straffunktion keine nennenswerte Bedeutung mehr. Auch das Verhältnis der Ausgleichsfunktion zur Prävention, das sonst klar zu ersterer Funktion tendiert, ist bei der Umwelthaftung in Richtung der Präventionsfunktion verschoben. Die zivilrechtliche Umwelthaftung nimmt so Aufgaben des Ordnungsrechts und der umweltschutzrechtlichen Verhaltenssteuerung war. So trägt es, wenn auch nur reflexartig, zum Schutz von Allgemeingütern wie Landschaft und Klima sowie dem generellen Umweltschutz bei. Hierzu ist das Umwelthaftungsrecht mit dem öffentlichrechtlichen Umweltordnungsrecht verzahnt, um ein effektives Nebeneinander dieser Rechtsmaterien zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang erlangen dann auch umweltschutzrechtliche Genehmigungen zum Beispiel für den Betrieb von Industrieanlagen zur Steuerung dieses Nebeneinanders Bedeutung. Die Struktur dieses Rechtsbereiches ist von generellen Verboten mit Erlaubnisvorbehalten geprägt. Dieses System ist zwar aufwändig und nimmt auch bis zum Start der betreffenden umweltrelevanten Tätigkeit mehr Zeit in Anspruch,1 bietet dem Anlagenbetreiber dafür aber auch einen höheren Bestandsschutz und verbesserten Investitionsschutz.2 Im Hinblick auf die zivilrechtliche Umwelthaftung werden diese Funktionen dann 1

Vgl. Lübbe-Wolff, NVwZ 2001, 481 (483). Außerdem können auf diese Weise die verfassungsmäßig garantierten Rechte potentiell betroffener Nachbarn (im immissionsschutzrechtlichen Sinn) am besten berücksichtigt werden. 2

Schlussteil – Zusammenfassung, Thesen und Ausblick

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durch privatrechtsgestaltende Normen des Umweltverwaltungsrechts, die die Auswirkungen von entsprechenden Anlagen regeln, erfüllt. Die autonomen Regelungssysteme der Umwelthaftung stellen verschiedene Arten von zivilrechtlichen Ansprüchen zur Verfügung. Diese lassen sich grob in Abwehr- und Schadensersatzansprüche unterteilen. Während erstere in der Regel am stärksten von den privatrechtsgestaltenden Wirkungen der Anlagengenehmigungen betroffen sind, haben bei den Ansprüchen auf Schadensersatz in jüngerer Zeit auch im Rahmen der Umwelthaftung die Tatbestände der Gefährdungshaftung deutlich an Bedeutung gewonnen.3 Seit dem Inkrafttreten der Rom II-Verordnung haben dagegen die autonomen international-deliktsrechtlichen Regelungssysteme der Mitgliedstaaten der Europäischen Union nahezu ihre gesamte Bedeutung eingebüßt. Nur noch die Sachbereiche, die explizit von der Rom II-Verordnung, die zudem loi uniforme ist, ausgeklammert werden, richten sich nach den nationalen Regelungen.4 So werden auch die grenzüberschreitenden Sachverhalte der zivilrechtlichen Umwelthaftung von der Verordnung erfasst; sie werden zum allergrößten Teil unter die Sonderanknüpfung des Art. 7 Rom II-VO fallen. In diesem Zusammenhang ergibt allerdings sich ein weiterer Bereich, in dem einige nationale IPR-Regelungen anwendbar bleiben können. In Rechtsordnungen, die nachbarrechtliche Abwehransprüche sachenrechtlich qualifizieren, werden diese Ansprüche weiter nach den autonomen Verweisungsregeln behandelt, da der Anwendungsbereich der Verordnung das Internationale Sachenrecht nicht erfasst. Eine derartige Zuordnung findet sich insbesondere im germanischen Rechtskreis. Während Art. 44 EGBGB des deutschen Internationalen Sachenrechts auch schon vor der Rom II-Verordnung für diese Ansprüche auf die Regeln des Internationalen Deliktsrechts verwies und dies – nun angepasst an die neue Rechtslage – weiterhin tut, gibt es in anderen Rechtsordnungen keine derartige Verweisung. Unter anderem für Österreich und Polen bedeutet dies, dass es unter Umständen, insbesondere wenn der Geschädigte von seinem Wahlrecht nach Art. 7 Rom II-VO Gebrauch macht, zur Anwendbarkeit von verschiedenen Rechtsordnungen auf einen umwelthaftungsrechtlichen Sachverhalt kommen kann.

3

Siehe nur §§ 1 ff. Umwelthaftungsgesetz. Vgl. Art. 1 Abs. 2 Rom II-VO; hervorzuheben sind hier die Haftung für Schäden, die durch die Nutzung der Kernenergie entstehen (lit. f), und Verletzungen der Persönlichkeitsrechte (lit. g). 4

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Schlussteil – Zusammenfassung, Thesen und Ausblick

2. Rom II-Verordnung a) Allgemeines Die im Januar 2009 in Kraft getretene Rom II-Verordnung ersetzt weitgehend die nationalen Regelungen zum Internationalen Deliktsrecht der Mitgliedstaaten der Europäischen Union.5 Ihre weit gefasste, universelle Anwendbarkeit soll dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes dienen und Wettbewerbsverzerrungen verhindern. Ihr Anwendungsbereich ist außerdem an die EuGVVO und die parallele Rom I-Verordnung angepasst, um im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen einen Gleichlauf zu erzeugen. Die Verordnung ist auf Sachverhalte bzw. schadensbegründende Ereignisse6 anzuwenden, die sich seit dem 11.1.2009 ereignet haben.7 Bei Dauerdelikten, die diesen Stichtag überdauern, wie zum Beispiel Industrieimmissionen über einen längeren Zeitraum, kann es zu einem Statutenwechsel kommen.8 Zur Schaffung eines flexiblen Rahmen kollisionsrechtlicher Regelungen für deliktische Sachverhalte werden allgemeine Anknüpfungsgrundregeln durch Sonderanknüpfungen für spezielle Bereiche und eine allgemeine Ausweichklausel – sowie die vorgehende, aber teilweise eingeschränkte Möglichkeit der Rechtswahl ergänzt. Nach der Grundregel wird die lex loci delicti commissi angewendet und bei Distanzdelikten an den Erfolgsort angeknüpft. Ein vorrangiges gemeinsames Umweltrecht der Beteiligten lockert diese Regelung allerdings auf. Nach Art. 17 Rom II-VO, der einen allgemeinen Gedanken des Internationalen Privatrechts kodifiziert, können die Sicherheits- und Verhaltensregeln am Handlungsort trotz Anwendbarkeit der Erfolgsortsrechts faktische Berücksichtigung finden. b) Umweltschädigungen Die Rom II-Verordnung enthält auch eine Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen (Art. 7 Rom II-VO).9 Umweltrelevante Unfälle und insbesondere emissionsträchtige Tätigkeiten können sich über die Umweltme5

Mit Ausnahme Dänemarks (Art. 1 Abs. 4 Rom II-VO). Bei Distanzdelikten ist auf die entsprechende Handlung abzustellen. Dies ist von Bedeutung für grenzüberschreitende Immissionen, da es sich hierbei in der Regel um Distanzdelikte handelt. 7 Zu der Diskussion um den genauen Zeitpunkt des Inkrafttretens wegen eines eventuellen Redaktionsversehens in den Art. 31 und 32 Rom II-VO siehe oben, 5. Kapitel. 8 Es handelt sich in der Regel nämlich nicht um zeitlich klar abgrenzbare Einzelsachverhalte; siehe oben, 5. Kapitel. 9 Die Regelung soll einem hohen Umweltschutzniveau im Sinne des Art. 191 AEUV (ex-Art. 174 EG), der Verstärkung der präventiven Funktion des Haftungsrechts in diesem Bereich und der Durchsetzung des Verursacherprinzips dienen (Erwägungsgrund 25). 6

Schlussteil – Zusammenfassung, Thesen und Ausblick

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dien Luft, Wasser und Boden grenzüberschreitend in Umweltschädigungen niederschlagen. Zunächst ist das Erfolgsortsrecht anzuwenden, Art. 7 Rom II-VO entspricht insofern der Grundanknüpfung für unerlaubte Handlungen (Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO). Für diese Anknüpfung spricht das Interesse des Geschädigten, nach den Maßstäben geschützt zu werden, die an dem Ort galten, wo der Schaden eingetreten ist.10 Die Vorschrift verweist ausdrücklich und systematisch nur auf Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO. Einzig Art. 7, 2. Halbsatz Rom II-VO gewährt dem Geschädigten ein zeitlich begrenztes Wahlrecht zugunsten des Handlungsortsrechts. Die Sonderanknüpfung, die nur durch den Geschädigten variiert werden kann, stärkt den Umweltschutz dadurch, dass Wirtschaftsteilnehmer aus Staaten mit geringen Umweltschutzanforderungen dazu angeregt werden, höhere Schutzstandards in Ländern zu beachten, auf deren Gebiet sich ihre Tätigkeiten auswirken könnten. Ziel der Regelung ist so eine Anhebung der tatsächlichen Umweltschutzstandards. Allerdings spiegelt sich in der Sonderanknüpfung die anthropozentrische Ausrichtung der zivilrechtlichen Umwelthaftung wieder, da nur Beeinträchtigungen erfasst werden, die sich in Schäden an Individualrechtsgütern äußern.11 Vorrangig ist eine Rechtswahl nach Art. 14 Rom II-VO. In Bezug auf die zivilrechtliche Umwelthaftung wird diese aber nur geringe Bedeutung erlangen. Hierfür spricht, dass dem Geschädigten bereits eine gewisse einseitige Wahlmöglichkeit eingeräumt ist, welche mit Blick auf Abwehr-, aber auch Schadensersatzansprüche gegen schädliche Immissionen ausreichend ist. Umstände unter denen der Geschädigte weitere Rechtsordnungen in Betracht ziehen könnte, sind schwer vorstellbar.12 Für grenzüberschreitende Immissionen ist Art. 17 Rom II-VO von Bedeutung. Im Hinblick auf die Beachtlichkeit von behördlichen Anlagengenehmigungen stellt die Vorschrift den Zugang zu einem Lösungsansatz für diese Frage dar. 3. Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen Die Regelungssystematik der generellen Verbote mit Erlaubnisvorbehalt im Umweltverwaltungsrecht in Verbindung mit den privatrechtsgestaltenden Wirkungen der entsprechenden Genehmigungen führt bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu Konflikten zwischen der zivilrechtlichen Haftung und dem öffentlich-rechtlichen Bestandsschutz. Werden ausländi10

Außerdem entspricht dies auch den legislativen Zielen des zivilrechtlichen Umweltschutzes, der zunehmend auf verschuldensunabhängige Haftung bzw. Gefährdungshaftung ausgerichtet wird. 11 Rein ökologische Schäden werden nicht erfasst. 12 Im Rahmen von Vergleichsverhandlungen behält die Möglichkeit einer nachträglichen Rechtswahl auch bei grenzüberschreitenden Umweltschädigungen ihre Bedeutung.

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Schlussteil – Zusammenfassung, Thesen und Ausblick

sche Anlagengenehmigungen in inländischen Gerichtsverfahren ignoriert, hat ein entsprechendes Urteil aufgrund des inländischen ordre public keine Aussicht, im Ausland vollstreckt zu werden. a) Bisherige Lösungsansätze Die bisherigen Lösungsansätze für die Frage nach der Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen stammen zum Teil aus dem Internationalen Öffentlichen Recht, teils aus dem Völkerrecht sowie zum größten Teil aus dem Internationalen Privatrecht. Einige Autoren verbinden auch Elemente aus diesen Rechtsgebieten miteinander. Alle Ansätze – mit Ausnahme der Herangehensweise auf Basis des Territorialitätsprinzips, welche auch die deutsche Rechtsprechung verfolgt hat – gehen von einer grundsätzlichen Berücksichtigungsfähigkeit ausländischer Anlagengenehmigungen und ihrer Wirkungen aus. Allerdings wird dies oft an kaum erfüllbare oder äußerst vage Voraussetzungen geknüpft. Die Ansätze, die im Internationalen Öffentlichen Recht fußen, vermischen zudem die privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Materien zu stark, insbesondere wird hier teilweise übersehen, dass nicht die Genehmigung selbst die privatrechtsgestaltenden Wirkungen in sich trägt, sondern ihr bloßes Vorliegen diese auslöst. Auch die materiellen Grundsätze des Völkernachbarrechts, die von einigen Ansätzen in das Internationale Privatrecht übertragen werden, sind sehr weit gehalten und für die konkrete Anwendung nicht präzise genug. Den meisten Ansätzen ist weiterhin gemein, dass sie die grenzüberschreitende Beteiligung der konkret Geschädigten an den Genehmigungsverfahren für Beachtung der entsprechenden Genehmigung zwingend verlangen. Vielfach wird auch eine Vergleichbarkeit der materiellen Genehmigungsvoraussetzungen und der Umweltschutzstandards der betroffenen Staaten verlangt, was in der Praxis allerdings überwiegend eine Berücksichtigung ausländischer Genehmigungen ausschließen wird. b) Eigener Lösungsansatz Unter dem harmonisierten Kollisionsrecht der außervertraglichen Schuldverhältnisse durch die Rom II-Verordnung, die sich auch ausdrücklich der zivilrechtlichen Umwelthaftung annimmt, lässt sich ein neuer Lösungsansatz auf Basis von Art. 17 Rom II-VO entwickeln. Diese Vorschrift bestimmt, dass auch bei einem anderen Deliktsstatut die Sicherheits- und Verhaltensregeln am Handlungsort faktisch zu berücksichtigen sind. Dieser allgemeine Gedanke des Internationalen Privatrechts lässt sich – neben den klassischen Anwendungsbereichen der Straßenverkehrsunfälle und der Produkthaftung – auch für die Berücksichtigung von Anlagengenehmigungen als local data heranziehen.

Schlussteil – Zusammenfassung, Thesen und Ausblick

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Sowohl die Rom II-Verordnung im Allgemeinen als auch Art. 17 Rom II-VO im Speziellen sind auf die Fragestellung anwendbar. Art. 17 Rom IIVO ist eine Ausnahme von Art. 15 Rom II-VO, der den Geltungsbereich des Deliktsstatuts umfassend bestimmt. Für die Anwendbarkeit der Verordnung sprechen auch noch zahlreiche weitere Argumente.13 Immissionsschutzrechtliche Anlagengenehmigungen lassen sich ferner als Sicherheitsund Verhaltensregeln unter Art. 17 Rom II-VO subsumieren. Die Auslegungshilfe in Erwägungsgrund 34 der Verordnung ist bewusst weit gehalten und erfasst auch konkret-individuelle Hoheitsakte, wie zum Beispiel Genehmigungen, die in der Regel als Verwaltungsakte ergehen. Zu Erreichung eines angemessenen Interessenausgleichs14 kann ein Schädiger grundsätzlich vor schärferen Standards am Erfolgsort geschützt werden, wenn er sich auf diese nicht einrichten konnte. Die Verhaltensregeln, die durch gesetzliche und untergesetzliche Normen des Umweltordnungsrechts aufgestellt werden, werden durch die entsprechende Genehmigung für eine bestimmte Anlage konkretisiert. Die Genehmigung stellt so einen individuell-konkreten Verhaltensmaßstab für den Anlagenbetreiber auf. Für die Berücksichtigung einer ausländischen Genehmigung auf Tatbestandsebene sind freilich gewisse Voraussetzungen aufzustellen. Diese lassen sich am „soweit angemessen“ des Art. 17 Rom II-VO festmachen. Die mangelnde Vorhersehbarkeit eventueller Schädigungen am Erfolgsort, die für die Anwendung von Art. 17 Rom II-VO bei anderen Distanzdelikten zu Recht gefordert wird, ist in diesem Zusammenhang nicht Voraussetzung. Ihre Funktion, die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Schädigers sicherzustellen, wird von dem Erfordernis der grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung der Geschädigten übernommen. Entscheidende Voraussetzung für die Berücksichtigung einer ausländischen Anlagengenehmigung ist, dass die konkret klagenden Geschädigten im Rahmen des Genehmigungsverfahrens die Möglichkeit hatten, sich effektiv am Verfahren zu beteiligen. Aus rechtsstaatlichen Gründen ist es ansonsten nicht zulässig, dass in die Rechte der Geschädigten durch den Ausschluss oder die Beschränkung zivilrechtlicher Abwehr- oder auch Schadensersatzansprüche eingegriffen wird. Die Beteiligungsmöglichkeit ist die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für den späteren Eingriff durch die Anspruchspräklusion. Außerdem stellt sie sicher, dass der Anlagenbetreiber auf den Bestandsschutz, den seine Genehmigung gewährt, vertrauen kann. Die potentiell Geschädigten hatten die Möglichkeit, ihre eventuellen Einwendungen gegen die genehmigte Tätigkeit vorzubringen, nun ist es der Betreiber der schutzwürdig ist. Aus diesen Gründen muss auch zwingend am Erfordernis der grenzüberschreitenden Verfahrensbetei13 14

Vgl. 8. Kapitel, II.2.a.(2). Vgl. Erwägungsgrund 34 der Rom II-Verordnung.

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Schlussteil – Zusammenfassung, Thesen und Ausblick

ligung festgehalten werden, obwohl diese auch in Europa noch nicht effektiv flächendeckend praktiziert wird. Allerdings wurden die grenzüberschreitenden Informations- und Beteiligungsrechte in den letzten Jahren unter anderem durch den Abschluss und die Umsetzung der UNECE-Umweltschutzübereinkommen von Espoo15 und Aarhus16 deutlich verbessert und zumindest für Europa gibt es theoretisch ein flächendeckendes System der Verfahrensbeteiligung der potentiell durch industrielle Tätigkeiten Betroffenen. Die vielfach weiter postulierte Voraussetzung für eine Berücksichtigung, dass die Genehmigungsvoraussetzungen bzw. die betreffenden Umweltschutzstandards zumindest vergleichbar sein müssen,17 steht dagegen einer praktisch umsetzbaren und effektiven Lösung entgegen. Eine Vergleichbarkeit ist ferner wegen des – zumindest in der Europäischen Union – bestehenden Grundstandards nicht zwingend erforderlich und kann so keine explizite Bedingung der Berücksichtigung sein. Für schlichtweg untragbare Ergebnisse kann der inländische ordre public-Vorbehalt nach Art. 26 Rom II-VO als Korrektiv dienen.18 Soll eine ausländische behördliche Genehmigung nach diesen Grundsätzen faktisch berücksichtigt werden, so richten sich ihre privatrechtsgestaltenden Wirkungen und eventuelle Anspruchspräklusionen nach dem Deliktsstatut. Es findet eine Wirkungsverleihung statt. Allerdings kann eine ausländische Genehmigung auch auf diese Weise keine weitergehenden Wirkungen als nach dem Recht des Erlassstaates haben. Die Wirkungsverleihung, die auch die Rechtsfolge nach der Datumtheorie ist, begründet sich vor allem auf Art. 15 lit. a) und b) Rom II-VO, der die Rechtsfolgen bzw. den Umfang der Haftung und „die Haftungsausschlussgründe sowie jede Beschränkung und Teilung der Haftung“ der lex causae unterwirft.

II. Thesen 1. Die Rom II-Verordnung, die seit dem 11.1.2009 in Kraft ist, befasst sich ausdrücklich mit Umweltschädigungen und bietet auch einen Lösungsansatz für die Frage nach der grundsätzlichen Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen. Art. 17 Rom II-VO ermöglicht die faktische Berücksichtigung von Sicherheits- und Verhaltensregeln am Hand-

15

10. Kapitel, III.2. 10. Kapitel, III.3. 17 Zu den in diesem Zusammenhang geforderten verschiedenen Abstufungen der Vergleichbarkeit siehe oben, 11. Kapitel, I.1. 18 Vgl. hierzu 11. Kapitel, II. 16

Schlussteil – Zusammenfassung, Thesen und Ausblick

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lungsort, worunter sich auch eine konkret-individuelle Anlagengenehmigung subsumieren lässt. 2. Voraussetzung für eine solche Berücksichtigung auf tatbestandlicher Ebene ist, dass für einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien gesorgt ist. Diese für den Schädiger vorteilhafte Regelung kann nur zur Anwendung kommen, wenn dieser schutzwürdig und schutzbedürftig ist. Dies ist der Fall, wenn sich die konkret betroffenen Kläger am Genehmigungserteilungsverfahren effektiv beteiligen konnten. Nur dann kann der Anlagenbetreiber auf seine Genehmigung und den Bestandsschutz vertrauen. 3. Weitere Voraussetzungen – abgesehen von der rechtlichen Geltung der Genehmigung zum Zeitpunkt der Emission – sind bei Sachverhalten zumindest innerhalb der Europäischen Union nicht zu fordern. Die Funktion der sonst für die Anwendung von Art. 17 Rom II-VO bei Distanzdelikten erforderlichen Unvorhersehbarkeit schädlicher Auswirkungen im Ausland wird von der Voraussetzung der grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung übernommen. Auch auf die Vergleichbarkeit der Genehmigungsvoraussetzungen kommt es nicht an, da die formellen und materiellen Abweichungen selbst zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine mögliche Berücksichtigung faktisch ausschließen würden und einen angemessen Interessenausgleich zwischen den Parteien verhindern würden. 4. Folge der faktischen Berücksichtigung einer Anlagengenehmigung ist eine Wirkungsverleihung durch das Deliktsstatut, da dieses sowohl Haftungsfolgen als auch -ausschlüsse bestimmt. Eine Notfallkorrekturmöglichkeit bei einem krassen Schutzgefälle bietet der inländische ordre public-Vorbehalt nach Art. 26 Rom II-VO.

III. Ausblick Während es in der Literatur schon als allgemeine Meinung bezeichnet werden kann, dass ausländische Anlagengenehmigungen grundsätzlich auch im Rahmen von inländischen immissionsschutzrechtlichen Zivilprozessen Beachtung finden könnten, geht die deutsche Zivilrechtsprechung bisher noch von der Unbeachtlichkeit aus. Allerdings stammt das letzte dahinge-

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Schlussteil – Zusammenfassung, Thesen und Ausblick

hende Urteil aus dem Jahr 1982,19 der letzte höchstrichterliche Beschluss aus 1978.20 Auch im Lichte ausländischer Zivilurteile, die von der grundsätzlichen Beachtlichkeit ausländischer Anlagengenehmigungen unter bestimmten Bedingungen ausgehen – diese jedoch im Ergebnis noch nicht angenommen haben –,21 gibt es Anzeichen, dass auch in Deutschland die grundsätzliche Berücksichtigungsfähigkeit – unter Abkehr von einem falsch angewendeten Territorialitätsprinzip – in Betracht gezogen werden könnte.22 Das Inkrafttreten der Rom II-Verordnung bietet hier dem in der Zukunft mit einem entsprechenden Sachverhalt befassten Gerichten ausreichend Anlass, eine Beachtlichkeit nach den Vorgaben des neuen Deliktskollisionsrechts in Betracht zu ziehen. Die Verordnung harmonisiert das Internationale Deliktsrecht grenzüberschreitend in Europa, Art. 7 Rom IIVO erfasst direkt und ausdrücklich Umweltschädigungen und Art. 17 Rom II-VO, der die Berücksichtigung von Sicherheits- und Verhaltensregeln am Handlungsort gestattet, bietet eine konkrete Lösungsmöglichkeit für das Problem. Auch im Hinblick auf die konkreten Beteiligungsmöglichkeiten der betroffenen Öffentlichkeit an Umweltverträglichkeitsprüfungen und anders gestalteten Genehmigungsverfahren sind mit der fortschreitenden Umsetzung und auch Anwendung der Übereinkommen von Espoo und Aarhus Verbesserungen zu erwarten. Schließlich wird auch der europäische Umweltschutzstandard im weiter verfeinert und verbessert,23 so dass das allgemeine Schutzniveau kontinuierlich ansteigen wird und Schutzgefälle zwischen den Staaten Europas kleiner werden und auch ganz aufgehoben werden könnten.

19

LG Waldshut-Tiengen, UPR 1983, 14. BGH, DVBl. 1979, 226. 21 OLG Linz, JBl. 1987, 577 (Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf); Rechtsbank Rotterdam, Zwischenurteil v. 8.1.1979 und Urteil v. 16.12.1983, RabelsZ 49 (1985), 741 ff. m. Anm. Nassr-Esfahani/Wenckstern (Rheinversalzung). 22 Siehe z.B. BVerwG, NJW 1987, 1154 = BVerwGE 75, 285 (AKW Emden); UPR 2009, 151 (Flughafen Düsseldorf/Weeze). 23 Siehe nur die aktuelle Pressemitteilung der Europäischen Kommission (IP/09/1041 v. 25.6.2009) zu zur Reduktion und Vermeidung von schädlichen Emissionen aus Großfeuerungsanlagen. 20

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Sachregister Aarhus-Konvention 102, 203 ff., 212 ff., 250, 262 Abwehrmaßnahmen 8 Allgemeingüter 20, 29 Anerkennungspflicht 124, 129, 130, 172, 191, 192 Art. 17 Rom II-VO 89 ff., 147, 158 ff., 171 ff., 178 ff., 194, 199, 221, 225, 229, 239 ff., 257, 260 Art. 26 Rom II-VO 83, 92, 162, 187, 193, 198, 225, 236 ff., 249 f. Art. 7 Rom II-VO 46, 66 ff., 79, 88, 95, 105, 111, 158, 167, 173, 223, 243, 253, 255 Auflockerungsregel 46, 48, 72, 74, 88, 147, 171, 177, 182 Aufopferungshaftung 11, 24, 34 ff. ausländischer Hoheitsakt 128, 132 Begehungsort Siehe Handlungsort Bereichsausnahmen 188 Betriebsunfälle 4 Datumtheorie 146 ff., 158 f., 176 ff., 246, 258 Deliktskollisionsrecht 53, 69, 71 Deliktsstatut 68, 83 ff., 147, 164 f., 170 ff., 185, 246, 257, 266 Demokratieprinzip 129 Distanzdelikt 45, 51 ff., 74, 89, 168 ff., 177, 182 ff., 240, 254 ff. Drittstaatensachverhalte 250 Duldungspflicht 25 ff., 34 ff., 97, 106, 118, 125, 141, 143, 153, 171

Eingriffsnormen 55, 83 ff., 110, 123, 145, 147, 156 f., 162, 164, 246 f., 267 Erfolgsort 45 f., 52 ff., 69 ff., 79 ff., 100, 105 ff., 132 f., 162 f., 167, 172, 182 ff., 200, 243 ff., 262 Espoo-Konvention 102, 203 ff., 219, 220, 250 f., 261 formelle Gestaltungswirkung 114 Gefährdungshaftung 15, 24, 31, 35 ff., 64, 72, 106, 150, 253, 255, 262 Genehmigungspflicht 114, 151, 175, 234 Gewährung rechtlichen Gehörs 195 f., 199 Gewässerschutz 11, 43, 234 Grundeigentum 33 ff. Grundsatz der Prozessökonomie 166 Handlungsort 45, 51, 56, 70 ff., 105 ff., 135, 147 f., 158 ff., 177 ff., 200, 225, 236, 240 ff., 254 ff. Immissionen 11, 14, 19, 23 ff., 48 ff., 66 ff., 83 f., 92, 97 f., 104 ff., 117, 121, 125, 130, 141 ff., 156, 161, 167, 171, 182 ff., 191, 203, 212, 222, 232, 245, 250, 254 f., 262 ff. Imponderabilien 27, 48 Individualrechtsgüter 22, 35 ff. Inhalts- und Schrankenbestimmung 116, 119, 139 internationale Zuständigkeit 106, 110, 196 Internationales Nachbarrecht 232

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Sachregister

Internationales Verwaltungsrecht 7, 121 ff., 150 f., 163, 190 ff., 244 Internationales Zivilverfahrensrecht 127, 155, 196, 244 IVU-Richtlinie 18 f., 212, 235, 264 Kernkraftwerke 37, 99, 116 Klima 9, 252 loi uniforme 45, 63, 67, 253 Naturkatastrophen 4, 15 f. Oberösterreich ./. ýEZ 4, 6, 29, 44, 66, 99 ff., 120, 124, 135 ff., 153, 229 ff. ökologische Schäden 9, 20, 76, 78, 255 ökonomische Analyse des Deliktsrechts 13 ordre public 5, 7, 47 ff., 83, 92 f., 100, 103, 108, 110, 126 ff., 144, 151 ff., 162, 166, 173, 182 ff., 192 ff., 222 ff., 246 ff., 256 ff. Ortsüblichkeit 16, 28, 34, 41, 171 Pariser Abkommen 66 Präklusion 29 f., 109, 113, 151, 185, 221 Präklusionsvorschriften 131 Prävention 1 ff., 10 ff., 75, 178, 227, 252, 266 Prinzip der beschränkten territorialen Integrität 142 privatrechtsgestaltende Wirkungen 5, 7, 29, 93, 96, 101, 107, 112 f., 122, 126, 132 ff., 143, 145, 151, 161, 167, 178, 196, 200, 221, 227, 229, 243, 249 ff. Qualifikation nach lex causae 106 ff., 132 f., 146, 154, 156, 168, 179, 243 ff., 258 lex fori 53 f., 73, 81 ff., 93 f., 106 ff., 128, 132 f., 146 f., 164 f., 187, 193, 195, 238, 243, 246, 249 Rechtswahl 46 ff., 62, 69, 73, 78, 81 ff., 106, 110 f., 247, 250, 254 f., 264, 268

Rechtswidrigkeit 26, 32 ff., 86, 106, 133, 140, 170, 172, 179, 194 Rom II-Verordnung 1, 6 ff., 14 ff., 42 ff., 54 ff., 76 ff., 103 ff., 119, 121, 135, 138, 146, 158 ff., 204, 221 ff., 230, 232, 237, 240, 246 ff. Rom I-Verordnung 58, 64, 68, 254, 265 f. Sachenrecht 42, 43, 48, 52, 55 f., 253, 267 Salzburger Flughafenfall 104, 123, 139, 268 Sandoz-Unfall 99 Schadensersatzansprüche 4, 6, 24, 29 ff. 49, 69, 79, 83, 112, 118, 131, 243, 253 ff. Schutzmaßnahmen 4, 8 ff., 24, 28, 30, 39, 68, 96, 115, 232, 243 Schutzvorkehrungen 27, 30, 33, 114 ff., 244 Sekundärrecht 60 f., 101, 135 Sicherheits- und Verhaltensregeln 71, 79, 86 ff., 147 ff., 158 ff., 200, 225 ff., 239 f., 245, 248, 254 ff. Sonderanknüpfung für Umweltschädigungen 44 ff., 55, 59, 71, 74 ff., 83, 162 f., 167, 254 Souveränitätsprinzip 124 Staatsverträge 43, 66, 125, 129, 138, 140, 152, 191, 202, 205, 232 Streudelikt 80 Substitution 150, 154 f., 225 Tatortprinzip 45, 55 Teilfrage 132, 134, 140 f. Territorialitätsprinzip 121 ff., 132 ff., 144, 149, 154, 158, 190, 256, 260 Tschernobyl 66, 99, 125, 250, 267 Ubiquitätsprinzip 45, 47, 56, 77 ff., 94 f., 108, 187, 189 Umweltbeeinträchtigung 14 f., 18 Umweltgüter 2, 74 Umwelthaftung 2 ff., 74 ff., 83, 88 ff., 110 f., 162 ff., 183 ff., 252 ff., 268 Umwelthaftungsrecht 1, 2, 6 ff., 29 ff., 66, 92, 96, 109, 252, 262 ff.

Sachregister Umwelthaftungsrichtlinie 2, 18 ff., 63, 102, 119, 262, 267 Umweltschäden 1 ff., 19 ff., 43 ff., 72 ff., 95, 102, 164, 206, 261 ff. Umweltschädigung 10, 14 ff., 32, 52, 63, 74 ff., 108, 170 Umweltschutzrecht 1, 4, 16, 22, 34 Umweltverschmutzung 3, 17 ff., 43, 142, 235 Unbedenklichkeitsbescheinigung 112 UNECE 17, 96, 102, 119, 146, 201 ff., 213 ff., 231 f., 241, 249 ff., 258 United Nations Economic Commission for Europe 17, 96, 102, 203, 268 Unterlassungsanspruch 25 ff., 126 UVP-Richtlinie 101, 146, 210 ff., 217 ff.

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Verbot der révision au fond 192, 197 Verfahrensbeteiligung 131, 147 ff., 182 ff., 248, 257 ff. Vergleichbarkeitskriterium 144, 152, 182, 225, 228 f., 236 f. Verursacherprinzip 75, 254 Verwaltungsakt 109, 111, 124, 128 ff., 192 ff. Völkerrecht 1, 16, 121, 123, 129, 141 ff., 150, 256, 261, 264 ff. Vorfrage 132, 141, 151 Vorhersehbarkeitskriterium 183 f. Wesentlichkeit 16, 27, 36, 41 Wiederholungsgefahr 28, 68 Wiener Abkommen 66 Wirkungserstreckung 244 ff. Wirkungsverleihung 244 ff. 258 f.