Die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten: Historische Entwicklungen, Rechtsgrundlagen und Praxis [1 ed.] 9783428538690, 9783428138692

Jens Michael Störring leistet mit vorliegender Publikation einen Beitrag zum Stand und zur Wirksamkeit der Finanz- und W

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Die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten: Historische Entwicklungen, Rechtsgrundlagen und Praxis [1 ed.]
 9783428538690, 9783428138692

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1228

Die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten Historische Entwicklungen, Rechtsgrundlagen und Praxis

Von Jens Michael Störring

Duncker & Humblot · Berlin

JENS MICHAEL STÖRRING

Die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1228

Die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten Historische Entwicklungen, Rechtsgrundlagen und Praxis

Von Jens Michael Störring

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover hat diese Arbeit im Wintersemester 2010/2011 als Dissertation angenommen.

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Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13869-2 (Print) ISBN 978-3-428-53869-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-83869-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 2010 / 2011 von der Juristischen Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sowie Parlamentsmaterialien sind bis einschließlich Juni 2012 berücksichtigt. Mein besonderer und großer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Hermann Butzer. Seine ausgezeichnete und persönliche Betreuung ließ mich das Thema in akademischer Freiheit mit sehr viel Freude erschließen. Herrn Professor Dr. Veith Mehde, Mag. rer. publ. danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Zudem danke ich den Mitarbeitern des Bundesrechnungshofes, die mir durch persönliche Gespräche wichtige Einblicke in die Praxis gegeben haben. Besonders herzlich möchte ich schließlich meiner Familie danken, der dieses Buch gewidmet ist. Vor allem meine Eltern und meine Frau Petra haben durch ihre Unterstützung maßgeblich zu dem erfolgreichen Abschluss dieser Arbeit beigetragen. Berlin, im Juni 2012

Jens Michael Störring

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einleitung und Gang der Untersuchung

15

Zweiter Teil Die beratende Funktion der Finanzkontrolle von ihren Anfängen im 19. Jahrhundert bis zur Finanzrechtsreform im Jahr 1970

20

§ 1 Die Anfänge beratender Finanzkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

A.

Die ersten unabhängigen Rechnungskontrollbehörden . . . . . . . . . . . . .

20

B.

Die Normierung der Beratungsfunktion der Finanzkontrolle . . . . . . . .

25

§ 2 Die beratende Funktion der Finanzkontrolle in der Weimarer Republik

...

29

A.

Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

B.

Der Reichssparkommissar als Beratungsinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

I.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

II. Der Reichskommissar für die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Reichsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

III. Der Präsident des Reichsrechnungshofes als Reichssparkommissar

35

1. Der Beschluss des Reichskabinetts zur Einsetzung eines Sparbeauftragten (1922) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

2. Festigung und Ausbau der Kompetenzen (1923/24) . . . . . . . .

39

3. Die Zukunft des Reichssparkommissars in der Diskussion (1926) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

4. Der Vorschlag zur gesetzlichen Normierung der Tätigkeit des Reichssparkommissars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

5. Überlegungen zur Verschmelzung der Tätigkeiten von Reichssparkommissariat und Reichsrechnungshof (1930/31) . . . . . .

57

§ 3 Die beratende Funktion der Finanzkontrolle zur Zeit des Nationalsozialismus

60

A.

Erste Auswirkungen der Diktatur auf die Finanzkontrolle . . . . . . . . . .

60

B.

Die Zweite Novelle der Reichshaushaltsordnung und das Ende des Reichssparkommissars (1934) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

C.

Die Präsidialabteilung als Beratungsinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

10

Inhaltsverzeichnis D.

Entwicklungen nach dem Präsidentenwechsel bis zum Kriegsende (1938 – 1945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 4 Der Wiederaufbau der Finanzkontrolle in der Nachkriegszeit

70

...........

72

A.

Die Rechnungshöfe in den Besatzungszonen

....................

72

B.

Die beratende Finanzkontrolle im Vereinigten Wirtschaftsgebiet . . . . .

73

§ 5 Die beratende Funktion der Finanzkontrolle in den ersten Jahren der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

A.

B.

Der Bundesrechnungshof als Beratungsinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

I.

Rechnungsprüfung im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

II. Beratungsmöglichkeiten nach der Reichshaushaltsordnung und dem Bundesrechnungshofgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV) als Beratungsinstanz (1952 – 1964) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

I.

Die Anfänge des BWV (1952 – 1957)

......................

85

1. Forderungen nach einem Bundessparkommissar . . . . . . . . . . .

85

2. Debatte im Bundestag zur Einsetzung eines Sparbeauftragten

85

3. Vorbereitungen der Bundesregierung und des Bundestages zur Einsetzung eines BWV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

a) Der Entwurf des Bundesfinanzministeriums . . . . . . . . . . .

87

b) Die Bedenken des Bundesrechnungshofpräsidenten gegen einen BWV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

c) Die Mitwirkung des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

4. Hindernisse bis zur Einsetzung des BWV . . . . . . . . . . . . . . . .

96

5. Von der Beauftragung ad personam zur Verbindung kraft Amtes

98

a) Josef Mayer als erster BWV

.......................

98

b) Die kurze Amtszeit des Präsidenten Heinz Maria Oeftering

99

c) Vorschläge des Bundesfinanzministeriums für eine dauerhafte Verbindung kraft Amtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 d) Geänderte Rechtsgrundlage für den BWV

............

100

e) Guido Hertel als Präsident des Bundesrechnungshofes und BWV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 II. Die unsichere Zukunft des BWV (1958 – 1964)

..............

109

1. Der BWV im Konflikt mit der Bundesregierung . . . . . . . . . . .

109

a) Kritik aus den Bundesministerien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

109

b) Empfehlung des Bundesfinanzministeriums zur Aufhebung der Personalunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Prüfung der Beibehaltung des BWV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

124

a) Prüfauftrag des Kabinetts zur Beibehaltung des BWV . . .

124

Inhaltsverzeichnis b) Diskussionen zwischen den Beteiligten

11 ..............

125

..............................

125

bb) Die Forderung des Kabinetts nach einem neuen BWV

128

cc) Das Rechtsgutachten des Bundesfinanzministeriums .

134

aa) Besprechungen

dd) Ein neuer Richtlinienentwurf und vertagte Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Zeit der Vakanz

.................................

d) Beschluss des Kabinetts zur Trennung der Personalunion

145

III. Die Sicherung der Struktur des BWV (1964 –1969) . . . . . . . . . . . 1. Ein neuer Präsident im Bundesrechnungshof

.............

a) Volkmar Hopf als Präsident des Bundesrechnungshofes b) Präsident Hopf auf dem Weg zum BWV

141 149 149

.

150

.............

150

aa) Wunsch des Bundeskanzlers nach einem vorläufigen BWV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Meinungsverschiedenheiten im Bundesfinanzministerium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Der Entwurf neuer Richtlinien für den BWV . . . . . . . . . . . . .

154

a) Das Beharren des Präsidenten Hopf auf die Erfüllung seiner Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Die Verabschiedung der neuen Richtlinien . . . . . . . . . . . .

159

3. Kanzlerwechsel Erhard – Kiesinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

162

Dritter Teil Die Entwicklung der beratenden Tätigkeit der Finanzkontrolle seit der Finanzrechtsreform bis zur Gegenwart (1970 –2007)

165

§ 1 Neue Rechtsgrundlagen für die Beratungstätigkeit durch die große Finanzrechtsreform im Jahr 1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 A.

Vorbereitung und Implementierung der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165

B.

Neue verfassungsrechtliche Grundlage für die Beratungstätigkeit . . . .

169

I.

C.

Auffassungen in der Literatur zum Umfang der Finanzkontrolle nach Art. 114 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

172

Neue einfachgesetzliche Grundlagen für die Beratungstätigkeit . . . . . .

175

I.

176

Beratung nach § 88 BHO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1. Verfahren und Form der Beratung nach § 88 Abs. 1 BHO i.V. m. § 90 Nr. 3 und Nr. 4 BHO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

12

Inhaltsverzeichnis 2. Verfahren und Form der Beratung nach § 88 Abs. 2 BHO . . .

183

3. Exkurs – Beratung nach § 88 Abs. 2 und Abs. 3 in den Landeshaushaltsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 II. Beratung nach § 97 Abs. 2 Nr. 4 BHO i.V. m. § 90 Nr. 4 BHO . . .

186

1. Umfang der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

186

2. Verfahren und Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

187

III. Beratung nach § 99 BHO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

190

1. Umfang der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

191

2. Verfahren und Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192

3. Abgrenzung von § 99 BHO zu § 88 Abs. 2 BHO

192

IV. Beratung nach § 27 Abs. 2 BHO

V.

..........

..........................

193

1. Umfang der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

194

2. Verfahren und Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

195

Beratung nach § 102 Abs. 3 BHO und § 103 BHO . . . . . . . . . . . .

196

§ 2 Unter neuen Rechtsgrundlagen: Die beratende Tätigkeit der Finanzkontrolle von 1970 bis zur Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 A.

Bekannte Einwände gegen die Beratungstätigkeit (1970 –1982) . . . . . I.

B.

198

Die Regierung Brandt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

199

1. Prüfauftrag des Kabinetts zur Zukunft des BWV . . . . . . . . . .

200

2. Hans Schäfer als Präsident des Bundesrechnungshofes und BWV

202

II. Kanzlerwechsel Brandt – Schmidt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

206

Konsolidierung der Beratungstätigkeit (1982 – 2007) . . . . . . . . . . . . . .

215

I.

Regierungswechsel Schmidt – Kohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

215

II. Novelle des Bundesrechnungshofgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

216

III. Heinz Günter Zavelberg als Präsident des Bundesrechnungshofes und BWV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 1. Die Neufassung der Richtlinien für den BWV 1986 . . . . . . . .

218

a) Beratungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

220

b) Beratungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

221

c) Rechte des BWV

................................

221

aa) Recht zur Ablehnung der Aufgabe eines BWV . . . . .

221

bb) Beratungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

222

cc) Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

222

dd) Teilnahmerecht

..............................

222

d) Pflichten des BWV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

222

aa) Unterrichtungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

222

bb) Zustimmungsvorbehalte

222

.......................

Inhaltsverzeichnis

13

cc) Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

223

2. Neue Öffentlichkeitsarbeit: Die BWV-Schriftenreihe . . . . . . .

223

IV. Präsidentenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

224

1. Hedda Meseke als Präsidentin des Bundesrechnungshofes und BWV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2. Dieter Engels als Präsident des Bundesrechnungshofes und BWV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Die BWV-Servicestelle

...........................

228

aa) Zweck der BWV-Servicestelle . . . . . . . . . . . . . . . . . .

228

bb) Aufbau und Beratungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . .

229

b) Schwierigkeiten bei der Beteiligung an Gesetzgebungsvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 V.

Überblick über die bisherige Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes und des BWV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes

............

235

a) Beratungsberichte gem. § 88 Abs. 2 BHO . . . . . . . . . . . . .

235

b) Beratungsberichte gem. § 99 BHO

..................

236

c) Beratung nach § 97 Abs. 2 Nr. 4 BHO . . . . . . . . . . . . . . . .

237

2. Beratungstätigkeit des BWV

..........................

238

3. Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes und des BWV . . . . . . . . . . 241

C.

a) Beratungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

241

b) Beratungsgegenstände

............................

242

c) Beratungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

243

d) Bewertung

243

.....................................

Die Diskussion um die rechtlichen Grenzen der Beratungstätigkeit I.

..

244

Die Gefährdung der Unabhängigkeit der Finanzkontrolle . . . . . . .

244

1. Träger der Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

245

2. Reichweite der Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

245

3. Gefahr der Präjudizierung durch Beratung . . . . . . . . . . . . . . .

247

4. Gefährdung der Unabhängigkeit durch verpflichtende Aufträge

249

II. Vereinbarkeit der Beratungsfunktion der Finanzkontrolle mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 1. Inhalt und Bedeutung des Gewaltenteilungsgrundsatzes 2. Stellung des Rechnungshofes im Verfassungsgefüge

....

253

.......

255

3. Beratungsfunktion der Finanzkontrolle und unzulässige Eingriffe in Kernbereiche staatlicher Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 a) Politische Finanzkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

256

14

Inhaltsverzeichnis aa) Expansive Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

257

bb) Restriktive Auffassung

........................

261

b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

265

III. Ergebnis

.............................................

Vierter Teil Resümee

268

270

§ 1 Anfänge und Ausbau (1872 bis 1945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

270

§ 2 Wiederbelebung und Infragestellung (1945 bis 1970) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

275

§ 3 Konsolidierung (1970 bis zur Gegenwart) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

284

§ 4 Beratung als eigenständige politische Größe und ihre rechtlichen Grenzen .

286

Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

291

Anhang I: Lebenslauf des Reichssparkommissars und der bisherigen Präsidenten des Bundesrechnungshofes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Anhang II: Richtlinien für den Reichssparkommissar und den BWV . . . . . . . . .

304

Literatur und Materialien

..........................................

313

..................................................

342

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

344

Personenregister

Erster Teil

Einleitung und Gang der Untersuchung Ein gängiges Bild des Rechnungshofes ist, er sei ein „Ritter ohne Schwert“ 1. Die Kontrolle der Staatsfinanzen, die ihm von der Verfassung als Aufgabe zugewiesen sei, erschöpfe sich im vergangenheitsorientierten Prüfen von Rechnungen. Da der Rechnungshof über keinerlei exekutive Befugnisse verfüge, könne er auf den unwirtschaftlichen Mitteleinsatz in der Verwaltung immer erst reagieren, wenn die Gelder bereits geflossen seien. Zwar besitzt der Rechnungshof nicht das Schwert exekutiver Befugnisse, mit dem er Entscheidungen verhindern oder gar selbstständig verändern kann, doch verfügt er über ein Mittel, mit dem er sehr wohl Einfluss auf Entscheidungen nehmen kann und regelmäßig nimmt: Die Beratung von Exekutive und Legislative. Mit dem Bild des Ritters gesprochen, setzt der Rechnungshof das Schwert also nicht selbst ein, sondern reicht es geschliffen an die Verantwortlichen weiter, die daraufhin selbst entscheiden, ob und wie sie es einsetzen. Der Rechnungshof wird also nicht nur als Prüfer, der die Ordnungsmäßigkeit von abgeschlossenen Sachverhalten kontrolliert, sondern zugleich als Berater tätig, der durch seine zukunftsgerichteten Empfehlungen und Vorschläge eine wirtschaftlichere Mittelverwendung erreichen will. Die zukunftsgerichtete Beratung nimmt heutzutage in der Praxis des Bundesrechnungshofes neben der nachherigen Prüfung der Rechnung eine bedeutende Rolle ein. Dabei wird die Beratung auf Bundesebene nicht nur vom Bundesrechnungshof als Institution wahrgenommen, sondern auch vom Präsidenten des Hofes in seiner Sonderfunktion als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV). Bereits der erste Präsident des Bundesrechnungshofes, Josef Mayer, wurde von der Bundesregierung ad personam zum BWV bestellt. Mit Ausnahme des Präsidenten Heinz Maria Oeftering, der von Februar bis Mai 1957 für nur drei Monate an der Spitze des Hofes stand, haben bisher alle nachfolgenden Präsidenten die Aufgaben eines BWV wahrgenommen. Nach den von der Bundesregierung beschlossenen Tätigkeitsrichtlinien soll der BWV in seiner Funktion auf eine wirtschaftliche Erfüllung der Bundesaufgaben und 1

Bertrams, NWVBl.1999, S. 1 (5); Dressler, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 157 (172); Knöpfle, in: FS Stern (1997), S. 629 (629); Schwarz, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 114 Rn. 105.

16

1. Teil: Einleitung und Gang der Untersuchung

eine dementsprechende Organisation der Bundesverwaltung, einschließlich ihrer Sondervermögen und Betriebe, hinwirken. Die Tradition dieses Wirtschaftlichkeitsbeauftragten entstand jedoch nicht erst seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Sie geht zurück auf den Präsidenten des Reichsrechnungshofes, Friedrich Ernst Moritz Saemisch, in der Position eines Sparkommissars, der im Jahr 1922 von der Reichsregierung eingesetzt wurde, um Vorschläge zu unterbreiten, wie die Ausgaben des Staates gesenkt werden könnten. Bis zur Haushaltsrechtsreform im Jahr 1970 war die Beratung seitens des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten vornehmlich von der unter Präsident Saemisch entwickelten Praxis geprägt. Wie sehr die beratende Tätigkeit des Rechnungshofes und seines Präsidenten die politischen Diskussionen bestimmen kann, lässt sich an den Schlagzeilen der Tages- und Wochenzeitungen ablesen: „Rechnungshof rügt Euro-Schirm 2“, „Bundesrechnungshof zweifelt an Konjunkturpaket II 3“, „Bundesrechnungshof empfiehlt Gehaltsobergrenze für Vorstände der gesetzlichen Krankenkassen 4“, „Verwaltungsrat der KfW-Bank entscheidet nach Bundesrechnungshofbericht über personelle Konsequenzen 5“, „Bundesrechnungshof fordert Strategie zum Schuldenabbau 6“, „Bundesrechnungshof schlägt Verkleinerung der Gauck-Behörde vor 7“, „Bundesrechnungshof will noch tiefere Elbe 8“, oder auch „Kanzlerkandidat Steinmeier holt Gesundheitsministerin Schmidt nach Entlastung durch den Bundesrechnungshof in sein Wahlkampf-Team 9 “. Dies ist nur ein kurzer Auszug, der zeigt, wie sehr der Rechnungshof in aktuelle, oftmals noch anstehende politische Entscheidungen mittelbar involviert ist. Mit seinen Äußerungen im Rahmen von Beratungen stößt der Rechnungshof aber auch auf entsprechenden Widerstand bei denjenigen, die er kritisiert. Auch hier offenbaren die Presseberichte die stattfindenden Konflikte, die von einfacher Zurückweisung der Vorschläge des Rechnungshofes bis zu persönlichen Vorwürfen des Bundeskanzlers reichen, der Präsident des Bundesrechnungshofes leide unter „Profilierungssucht“ 10. 2 http://www.welt.de/print/die_welt/wirtschaft/article13159472/Rechnungshof-ruegt -Euro-Schirm.html (Stand: 1. 6. 2012). 3 http://www.welt.de/wirtschaft/article4381801/Bundesrechnungshof-zweifelt-an -Konjunkturpaket-II.html (Stand: 1. 6. 2012). 4 http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/229/305198/text/ (Stand: 1. 6. 2012). 5 http://www.zeit.de/online/2008/40/kfw-verwaltungsrat (Stand: 1. 6. 2012). 6 http://www.zeit.de/wirtschaft/2009-12/bundesrechnungshof-keine-steuerentlastungen (Stand: 1. 6. 2012). 7 Der Spiegel, Nr. 16 vom 14. 4. 1997, S. 50. 8 http://www.abendblatt.de/hamburg/article951125/Bundesrechnungshof-will-noch -tiefere-Elbe.html (Stand: 1. 6. 2012). 9 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,641299,00.html (Stand: 1.6.2012).

1. Teil: Einleitung und Gang der Untersuchung

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Die Bedeutung des Wortes Beratung leitet sich aus dem Wort Rat ab, das bereits seit althochdeutscher Zeit auch im Sinne von „Beratung, beratende Versammlung“ gebraucht wurde 11. Eine Beratung umfasst daher den gut gemeinten Ratschlag oder in gleicher Wortbedeutung die Empfehlung oder den Vorschlag. Während sich eine Prüfung darin erschöpft, einen Ist-Zustandes mit einem SollZustand zu vergleichen, geht die Beratung über die Prüfung hinaus, indem der Berater aufzeigt, auf welche Art und Weise der Soll-Zustand erreicht werden kann. Bei der Beratung werden folglich die Ergebnisse der Prüfung analysiert und bewertet. Dabei kann eine Beratung unterschiedlich intensiv erfolgen. So liegt eine abstrakte Beratung bereits vor, wenn der Berater auf einen Missstand hinweist, da in der geäußerten Kritik zumindest immer der Vorschlag liegt, den Missstand zu beseitigen. Zeigt der Berater darüber hinaus noch Wege auf, auf welche Art und Weise sich der kritisierte Zustand beseitigen lässt, so geht die abstrakte Beratung in eine konkrete über. Zu Geschichte, Inhalt und Umfang der staatlichen Rechnungsprüfung gibt es eine Vielzahl an rechtswissenschaftlichen, sozialwissenschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen. In der Regel sprechen diese Monografien und Aufsätze die beratende Funktion der Finanzkontrolle 12 jedoch nur am Rande an. Abhandlungen, die sich ausschließlich mit der Beratungsfunktion befassen, gibt es nur bezogen auf die Beratung seitens des Präsidenten des Rechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung beziehungsweise zu Zeiten der Weimarer Republik als Sparkommissar. Noch zur Schaffenszeit des Präsidenten Saemisch erläuterte Karl Bilfinger 13 im Jahr 1928 in seiner Schrift „Der Reichssparkommissar“ unter anderem juristische Probleme, die sich aus der neuen Funktion des Präsidenten als Reichssparkommissar ergaben. Nachdem auch in der Bundesrepublik Deutschland an die Tradition des Reichssparkommissars angeknüpft wurde, untersuchte zunächst Karl-Heinz Gehringer 14 im Jahr 1956 in seiner juristischen Dissertation „Die Sparfunktion und die Institution des Sparkommissars“ und im gleichen Jahr Reinhard BenninghoffLühl 15 in seiner Dissertation „Die Methode der Gutachten des Reichsparkom10

Der Spiegel Nr. 48 vom 22. 11. 2004, S. 44. Duden, Herkunftswörterbuch, S. 128. 12 Im Folgenden wird der Begriff der Finanzkontrolle verwendet, da dieser der Spannweite der Tätigkeit der Kontrollinstitutionen bzw. Anwendung verschiedener Kontrollinstrumente am ehesten gerecht wird. Die Bezeichnungen Haushaltskontrolle, Budgetkontrolle oder Rechnungsprüfung sind zu eng, der Begriff Staatskontrolle hingegen zu weit. Ebenfalls nicht hinreichend ist es, nur die Ebene der Kontrolle zu nennen, wie Verfassungs-, Verwaltungs- oder Regierungskontrolle. Vgl. zu den Begriffen Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 419. 13 Bilfinger, Reichssparkommissar, S. 1 ff. 14 Gehringer, Sparfunktion und Sparkommissar, S. 1 ff. 15 Benninghoff-Lühl, Methode der Gutachten des Reichssparkommissars, S. 1 ff. 11

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1. Teil: Einleitung und Gang der Untersuchung

missars“ die Sonderaufgabe des Rechnungshofpräsidenten. Im Jahr 1966 veröffentlichte Hans-Dietrich Lehmberg 16 seine juristische Doktorarbeit mit dem Titel „Die Gutachtertätigkeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes“. Darüber hinaus äußerten sich in den sechziger Jahren Friedrich von Pfuhlstein 17 in einem Festschriftenbeitrag („Über die Einsetzung von Staatsbeauftragten“) und Bernhard Bank 18 in einem Aufsatz („Zur Problematik der Gutachtertätigkeit des Rechnungshofes, seines Präsidenten und des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung“) zu der besonderen Rolle des Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Umfangreichere wissenschaftliche Untersuchungen zur beratenden Tätigkeit des Bundesrechnungshofes und dessen Präsidenten als Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit gab es seit den sechziger Jahren nicht mehr. Zwar veröffentlichten die Mitarbeiter des Bundesrechnungshofes Jens-Hermann Treuner 19 im Jahr 1992 („Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung“) und Thomas Franz 20 im Jahr 2008 („Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung – eine moderne Einrichtung mit Tradition“) jeweils einen Aufsatz zur Thematik, doch handelte es sich hierbei mehr um deskriptive Darstellungen aus der Praxis. Zu erwähnen ist schließlich noch die Festgabe des Bundesrechnungshofes anlässlich des fünfzigsten Jahrestages der Einsetzung des ersten Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. Hierin äußerten sich die Mitarbeiter des Bundesrechnungshofes Friedrich Rienhardt 21 („Auswirkungen der Arbeit des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung“), Joachim Romers 22 („Die Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung“) und abermals Jens-Hermann Treuner 23 („Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung“); Hermann Butzer 24 („Der Reichssparkommissar der Weimarer Republik“) legte in der Festgabe die bisher umfangreichste wissenschaftliche Untersuchung zum Wirken von Friedrich Saemisch als Reichssparkommissar der Weimarer Republik vor.

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Lehmberg, Gutachtertätigkeit, S. 1 ff. von Pfuhlstein, in: FS Schäfer, S. 405 ff. 18 Bank, DVBl. 1966, S. 362 ff. 19 Treuner, DVBl. 1992, S. 421 ff. 20 Franz, DÖV 2008, S. 1042. 21 Rienhardt, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 34 ff. 22 Romers, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 45 ff. 23 Treuner, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 1. 24 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 ff. 17

1. Teil: Einleitung und Gang der Untersuchung

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Die bereits vorhandene Literatur zur beratenden Funktion des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten – häufig von Mitarbeitern des Bundesrechnungshofes verfasst – ist größtenteils älteren Datums; auch wird die Beratungsfunktion oft nur unter einem bestimmtem Aspekt beleuchtet. Die vorliegende Arbeit möchte diese Lücke schließen und mit der ganzheitlichen Fokussierung auf die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten einen Beitrag zu Stand und Wirksamkeit der Finanz- und Wirtschaftlichkeitskontrolle in der Bundesrepublik Deutschland leisten. Dabei werden die unterschiedlichen Beratungsmöglichkeiten, die dem Bundesrechnungshof und dem Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zustehen, systematisch aufbereitet, indem sie in ihren historischen, praktischen und rechtlichen Kontext eingeordnet werden. Für diese Einordnung wurden neben der Erörterung der Literatur erstmals gezielt die im Bundesarchiv zur Thematik vorhandenen Akten des Bundeskanzleramtes und der Bundesministerien in der Zeit von 1950 bis 1986 ausgewertet; darüber hinaus konnte nach dem Informationsfreiheitsgesetz für die Zeit von 1986 bis 2007 auch Einsicht in neuere Akten des Bundeskanzleramtes genommen werden. Die Einsichtnahme unterlag allerdings den Restriktionen des Schutzes von öffentlichen Belangen und personenbezogenen Daten. Zudem wurden im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand die Kurzprotokolle des Haushaltsausschusses und Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages sowie Material aus dem Pressearchiv des Deutschen Bundestages ausgewertet. Mithilfe der Archivmaterialien sollen die rechtlichen Bewertungen und Überlegungen nicht ausschließlich auf rechtstheoretischer Grundlage vorgenommen, sondern auf anschauliche Art und Weise in Bezug zur Praxis gesetzt werden. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier Teile: Nach dieser Einleitung im ersten Teil widmet sich der zweite Teil der Untersuchung der beratenden Funktion der Finanzkontrolle von ihren Anfängen im 19. Jahrhundert bis zur Finanzrechtsreform im Jahr 1970. Dabei wird der Bogen gespannt von den Anfängen der Beratungsfunktion im 19. Jahrhundert (§ 1), über die Zeiten der Weimarer Republik (§ 2) und des Nationalsozialismus (§ 3) bis hin zum Neubeginn in der Nachkriegszeit (§ 4) und der Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland bis zur Finanzrechtsreform im Jahr 1970 (§ 5). Den signifikanten Neuerungen durch die Finanzrechtsreform folgend, werden im dritten Teil die Entwicklungen der beratenden Tätigkeit der Finanzkontrolle auf Bundesebene von 1970 bis zur Gegenwart erörtert. Hierbei werden in § 1 zunächst die durch die Finanzrechtsreform neu geschaffenen Rechtsgrundlagen für die Beratungstätigkeit dargestellt, bevor in § 2 erläutert wird, wie diese in der Praxis angewandt werden; dabei wird auch auf die rechtlichen Grenzen eingegangen, die dem Bundesrechnungshof und dessen Präsidenten bei ihrer beratenden Tätigkeit gesetzt sind. Die Betrachtungen enden im vierten Teil mit einem abschließenden Resümee.

Zweiter Teil

Die beratende Funktion der Finanzkontrolle von ihren Anfängen im 19. Jahrhundert bis zur Finanzrechtsreform im Jahr 1970 Wer sich forschend den Institutionen der Finanzkontrolle widmet, muss die Traditionen kennen 1 . Aufgaben, Aufbau und Wirkungskraft der Finanzkontrolle sind durch die Jahrhunderte geprägt worden und so trifft man immer wieder auf die Gegenwart der Geschichte 2. Im diesem Teil der Arbeit wird die historische Entwicklung der beratenden Funktion der Finanzkontrolle von ihren Anfängen im 19. Jahrhundert bis zur großen Finanzrechtsreform im Jahr 1970 dargestellt.

§ 1 Die Anfänge beratender Finanzkontrolle A. Die ersten unabhängigen Rechnungskontrollbehörden Die eigentliche Geschichte der Rechnungshöfe und damit die moderne Finanzkontrolle begann, als eine Rechnungsprüfungsbehörde dem Landesherrn unmittelbar unterstellt und den obersten Landesbehörden gegenüber unabhängig geworden war 3. Denn wichtiges Kriterium für die Bewertung und Bedeutung der Finanzkontrolle ist damals wie heute ihre Selbstständigkeit und Unabhängigkeit 4. Auf deutschem Boden wurde die erste unabhängige, zentrale Rechnungskontrollbehörde, die so genannte Ober-Rechenkammer, im Jahr 1707 in Sachsen durch Reskript des Kurfürsten Friedrich August I. gegründet 5. Sie war dem Landesherrn unmittelbar unterstellt, kollegialisch organisiert und von den obersten Landesbehörden unabhängig 6. Die Verwaltung im Kurfürstentum wandte sich von 1

von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (7). von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (7). 3 Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195 (199); Rischer, Finanzkontrolle, S. 13. 4 Zavelberg, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer (1989), S. 43 (44); Rischer, Finanzkontrolle, S. 13. 5 Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195 (199); Rischer, Finanzkontrolle, S. 14. 2

§ 1 Die Anfänge beratender Finanzkontrolle

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Beginn an gegen die neue Institution, und auf ihren Druck hin wurde die Unabhängigkeit der Ober-Rechenkammer unter dem Nachfolger von Friedrich August I., dem Kurfürsten Friedrich August II., wieder aufgehoben 7. Während der Zeit der Monarchie hat die sächsische Rechnungsprüfung ihre Selbstständigkeit und Unabhängigkeit nicht wiedererlangen können 8. Das fortschrittlichste und damit auch für die weitere Entwicklung maßgeblichste Land war jedoch Preußen, auf das sich die folgende Darstellung daher zunächst beschränkt. Mit dem Regierungsantritt von Friedrich Wilhelm I. (1713 – 1740) wurde in Preußen die Idee einer unabhängigen Rechnungskontrollbehörde umgesetzt. Der genaue Zeitpunkt der institutionellen Gründung der preußischen Generalrechenkammer lässt sich aufgrund der Quellenlage zwar nicht mit völliger Gewissheit klären, mehrheitlich wird in der Literatur jedoch davon ausgegangen, dass die Kammer im Jahr 1713 gegründet wurde 9. Zum Präsidenten der Generalrechenkammer ernannte der König am 4. März 1713 den Geheimen Hofkammerrat Ehrenreich Bogislav von Creutz, dem kurze Zeit später weitere Räte sowie Hilfspersonal zugeordnet wurden 10. Eine königliche Verordnung vom 16. Juni 1717 legte fest, dass die Generalrechenkammer ihren Sitz in Berlin haben und aus einem besonderen Kollegium bestehen solle, das ausschließlich dem preußischen König untergeordnet sei 11. Grund für die Errichtung der Generalrechenkammer war insbesondere die schlechte Lage der preußischen Staatsfinanzen nach der Regierungszeit von König Friedrich I. 12. Mithilfe der Generalrechenkammer wollte der König einen verlässlichen Überblick über alle Einnahmen und Ausgaben des Staates haben, die Verantwortlichkeiten klarstellen und Unterschlagungen verhindern 13. Bereits im Jahr 1723 verlor die Generalrechenkammer jedoch wieder 6 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (14); Rischer, Finanzkontrolle, S. 15. 7 Rischer, Finanzkontrolle, S. 15. 8 Vgl. hierzu Rischer, Finanzkontrolle, S. 15, der die Prüfungsbehörde zu Recht nur als unabhängig qualifiziert, wenn sie ausschließlich unmittelbar dem Monarchen unterstellt ist. Hiervon ausgehend wurde die sächsische Oberrechnungskammer auch nicht mit dem am 1. 1. 1905 in Kraft getretenen Gesetz die Oberrechnungskammer betreffend unabhängig, da gem. § 1 des Gesetzes die Rechnungsbehörde nicht dem König unmittelbar, sondern nur dem Gesamtministerium untergeordnet war. 9 Vgl. zum Streitstand über den Zeitpunkt der Gründung: Rischer, Finanzkontrolle, S. 17; Wagner, AöR 126 (2001), S. 93 (94). 10 Wittrock, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 931 (932). 11 Wagner, AöR 126 (2001), S. 93 (95). 12 Zavelberg, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer (1989), S. 43 (44). 13 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (18); Zavelberg, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer (1989), S. 43 (44).

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2. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis 1970

ihre Unabhängigkeit. Auf Vorschlag der Minister wurde die Generalrechenkammer mit einer königlichen Instruktion vom 2. März 1723 in zwei Abteilungen gegliedert, die unter der Bezeichnung „Ober-Kriegs-Rechenkammer“ und „OberDomänen-Rechenkammer“ fungierten. Diese beiden Prüfdepartements wurden einem neu gegründeten Generaldirektorium unterstellt, das als oberstes Finanzverwaltungskollegium vom König selbst geleitet wurde 14. Während der Regierungszeit von Friedrich II. (1740 – 1786) wurden die beiden Prüfdepartements, die Ober-Kriegs- und die Ober-Domänen-Rechenkammer, wieder zu einer einheitlichen Behörde unter der Bezeichnung „Oberrechenkammer“ zusammengefasst 15. Die rechtliche Stellung der Oberrechenkammer und damit auch das Subordinationsverhältnis zwischen Generaldirektorium und Oberrechenkammer blieb allerdings unverändert 16. Friedrich II. nahm in seiner Regierungszeit viele Geldmittel von der Prüfung durch die Oberrechenkammer aus, hielt sie zu seiner freien Disposition oder stufte Ausgaben als geheim ein 17. Beachtenswert sind die fünf Instruktionen, die Friedrich II. bezüglich Organisation und Aufgaben der Oberrechenkammer erließ 18. In den Instruktionen ordnete der König immer wieder an, die Rechnungen nicht nur formell im Sinne des Nachrechnens, sondern auch in materieller Hinsicht, das heißt im Hinblick auf die Sparsamkeit, zu prüfen 19. Die Instruktionen enthielten somit Regeln, die den heutigen Vorstellungen von Rechnungsprüfungen nahekommen und die für die weitere Entwicklung der Finanzkontrolle grundlegend waren 20. Allerdings darf hieraus nicht der Schluss gezogen werden, dass es sich um eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach heutigen Maßstäben handelte. Da nach damaliger Auffassung der Monarch seine Herrschaft von Gottes Gnaden herleitete und sich damit letztlich außerhalb der Rechtsordnung bewegte, waren seine Anweisungen auch nicht dahingehend zu prüfen, ob Aufwand und Ertrag in einem optimalen Verhältnis zueinander standen 21. Vielmehr wurde nur geprüft, ob die Verwal14

Wittrock, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 931 (932). Glaser-Gallion, Der Bundesrechnungshof als unabhängiges Kontrollorgan, S. 9; Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 27 f. 16 Rischer, Finanzkontrolle, S. 15. 17 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (21 f.), GlaserGallion, Der Bundesrechnungshof als unabhängiges Kontrollorgan, S. 11. So ordnete Friedrich II. im Jahr 1753 zum Beispiel an, alle Rechnungen der Bautätigkeiten für Schloss Sanssouci zu verbrennen, was allerdings unterblieb. 18 Wittrock, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 931 (934). 19 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (23 f.); Rischer, Finanzkontrolle, S. 164; Wittrock, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 931 (934). 20 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (23); Wittrock, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. (931) 934. 21 Rischer, Finanzkontrolle, S. 157. 15

§ 1 Die Anfänge beratender Finanzkontrolle

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tung bei den Ausgaben, die vom König angewiesen worden waren, äußerste Sparsamkeit gewahrt hatte 22. Mit einer Instruktion vom 4. November 1796 beendete Friedrich Wilhelm II. (1786 – 1797) die Abhängigkeit der Oberrechenkammer vom Generaldirektorium, indem er beide Institutionen gleichstellte 23. Damit erhielt die Oberrechenkammer wieder jene unabhängige Stellung zurück, die sie zuletzt zu Zeiten Friedrich Wilhelm I. hatte 24. Zugleich wurde der Oberrechenkammer mit Ausnahme einiger Dispositionsfonds die Revision des gesamten preußischen Finanzwesens übertragen, was eine erhebliche Erweiterung ihrer Befugnisse bedeutete und in Richtung einer lückenlosen Finanzkontrolle ging 25. Ebenfalls eine Neuheit war die alljährliche Berichtspflicht des Präsidenten der Oberrechenkammer unmittelbar an den König 26. Friedrich Wilhelm III. (1797 –1840) änderte nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt durch zwei Instruktionen vom 19. Februar 1798 die Struktur der Oberrechenkammer. Die Behörde, die bisher nur von einem Präsidenten geleitet wurde, erhielt nun zusätzlich einen Chef der Oberrechenkammer, der zugleich Generalkontrolleur der Finanzen war 27. Die Pflicht zur Erstellung eines jährlichen Berichts über den Etat ging vom Präsidenten der Oberrechenkammer auf den neuen Generalkontrolleur über 28. Zudem sollte der Generalkontrolleur Vorschläge machen, wie das Kassen- und Rechnungswesen vereinfacht und die Zahl der Kassen und Etats vermindert werden konnten 29. Bereits hier zeichnete sich ab, dass die Staatsleitung neben der prüfenden Funktion auch die beratende Funktion der Finanzkontrolle entdeckte. So bestimmten die Instruktionen aus dem Jahr 1798 erstmals, dass die Oberrechenkammer neben der Richtigkeit auch die Zweckmäßigkeit der Ausgaben zu prüfen hatte 30. Allerdings wandten sich die Minister des Generaldirektoriums gegen diese Aufgabe, da die Oberrechenkammer ihrer Ansicht nach ganz anders organisiert werden müsse, wenn sie diesen Forderungen nachkommen solle; hierzu seien Sachverständige und praktische Ökonomen notwendig 31. 22

Rischer, Finanzkontrolle, S. 160. Wittrock, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 931 (935). 24 Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 29 f. 25 Glaser-Gallion, Der Bundesrechnungshof als unabhängiges Kontrollorgan, S. 13; Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 31. 26 Wittrock, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 935; Glaser-Gallion, Der Bundesrechnungshof als unabhängiges Kontrollorgan, S. 13. 27 Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 31. 28 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (28). 29 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (28). 30 Rischer, Finanzkontrolle, S. 169 f. 31 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (29). 23

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2. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis 1970

Nach der Niederlage Preußens gegen die Truppen Napoleons in der Schlacht bei Jena und Auerstedt im Jahr 1806 erhielten die reformerischen Kräfte in Preußen Auftrieb. Insbesondere Reichsfreiherr Karl vom und zum Stein und Karl August Freiherr von Hardenberg setzten eine umfassende Reformgesetzgebung für die Verwaltung in Gang 32. Vor diesem Hintergrund kam es zu weiteren Änderungen der organisationsrechtlichen Stellung der – seit 1802 Oberrechnungskammer genannten 33 – Behörde. Durch eine Instruktion von König Friedrich Wilhelm III. vom 3. November 1817 wurde neben der Oberrechnungskammer eine neue Behörde – die Generalkontrolle der Finanzen – errichtet 34. Alle vom König zu vollziehenden Etats waren von der Generalkontrolle gegenzuzeichnen. Darüber hinaus wurde die Oberrechnungskammer – ebenso wie sämtliche Ministerien und Verwaltungschefs – verpflichtet, der Generalkontrolle über all das Auskunft zu erteilen, was diese zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten wissen wollte 35. Die Aufgaben zwischen den beiden Institutionen wurden so aufgeteilt, dass die Oberrechnungskammer die Rechnungen der Form nach prüfte, die Generalkontrolle hingegen als Teil der Verwaltung die materielle Prüfung übernahm und zum Beispiel die Befugnis erhielt, in Anordnungen von Ministern unmittelbar einzugreifen 36. Die Arbeit der neuen Generalkontrolle führte schon nach kurzer Zeit zu Reibungen zwischen den Institutionen 37. Letztlich führten diese Konflikte zur Aufhebung der Generalkontrolle durch König Friedrich Wilhelm III. im Mai 1826 38. Zuvor war beschlossen worden, den Sitz der Oberrechnungskammer nach Potsdam zu verlegen und die Generalkontrolle in dem bisher von der Oberrechnungskammer genutzten Gebäude in Berlin unterzubringen 39. Allerdings gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass durch die räumliche Trennung die persönliche Einflussnahme der Ministerien auf die Rechnungsprüfung – oder umgekehrt eine zu unmittelbare Einflussnahme der Rechnungsprüfungsbehörde auf die Regierungstätigkeit – verhindert werden sollte 40. Es waren wohl vor allem finanzielle Gründe, die den Ortswechsel beeinflussten. Die Beamten der Oberrechnungs32

Ruf, in: Preußen-Ploetz, S. 67 f. Vgl. zur Umbenennung Wagner, AöR 126 (2001), S. 93 (97). 34 Glaser-Gallion, Der Bundesrechnungshof als unabhängiges Kontrollorgan, S. 16. 35 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (38). 36 Rischer, Finanzkontrolle, S. 24. 37 Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 35. 38 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (39 f.). 39 Glaser-Gallion, Der Bundesrechnungshof als unabhängiges Kontrollorgan, S. 16; von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (36). Diese räumliche Trennung erinnert an die Regelung zur Zeit der Weimarer Republik, als das Büro des Reichssparkommissars seinen Sitz in Berlin erhielt und der Rechnungshof in Potsdam verblieb. 40 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (36). 33

§ 1 Die Anfänge beratender Finanzkontrolle

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kammer sollten neue Diensträume und Wohnungen erhalten. In Berlin jedoch waren die Mieten und Grundstückspreise äußerst hoch, so dass man sich für die verarmte und dadurch günstige Stadt Potsdam als neuen Sitz entschied 41.

B. Die Normierung der Beratungsfunktion der Finanzkontrolle Bereits 1823 hatte es Entwürfe für eine Reform der Stellung der Oberrechnungskammer gegeben, die in dem Erlass der königlichen Instruktion vom 18. Dezember 1824 mündeten 42. Diese Instruktion hat die weitere Entwicklung der Finanzkontrolle in Deutschland entscheidend geprägt und bis ins 20. Jahrhundert hinein die Tätigkeit der Oberrechnungskammer und des Rechnungshofes des Deutschen Reiches bestimmt 43. So war sie Grundlage für die preußische Verfassung von 1850 und für das Gesetz für die Oberrechnungskammer von 1872, das wiederum als Vorlage für die Reichshaushaltsordnung (RHO) von 1922 diente 44. Die zahlreich vorhandenen preußischen Etats-, Verwaltungs- und Rechnungsgrundsätze wurden in der Instruktion zusammengefasst 45. Unter dem Gesichtspunkt der beratenden Funktion legte die Instruktion in § 1 Abs. 1 b) fest, dass es unter anderem Zweck der Oberrechnungskammer sei: „nach den aus den Rechnungen sich ergebenen Resultaten der Verwaltung zu beurteihlen, ob und wo zur Beförderung des Staats-Zwecks Abänderungen nöthig oder doch räthlich sind“.

Damit wurde also die Beratungsfunktion erstmalig ausdrücklich normiert. Zudem wird erstmals der Begriff der Wirtschaftlichkeit genannt: Jede „Unwirthschaftlichkeit“ (§ 10) bei den Ausgaben müsse vermieden werden 46. Bemerkenswert ist auch, dass dem Präsidenten der Oberrechnungskammer erstmals eine Gutachtertätigkeit eingeräumt wird (§ 52 Abs. 2): Der Präsident war nach Aufforderung durch den König verpflichtet, zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der Oberrechnungskammer und den obersten Staatsbehörden in Gutachten Stellung zu nehmen, die dem König die Entscheidung erleichtern sollten 47.

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Wittrock, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 938. Glaser-Gallion, Der Bundesrechnungshof als unabhängiges Kontrollorgan, S. 16. 43 Buchholtz, Oberrechnungskammer S. 8; Ditfurth, Ober-Rechnungskammer, S. 56; Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 35. 44 Strube, Geschichte des Haushaltsrechts, S. 70. 45 Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 35. 46 Rischer, Finanzkontrolle, S. 171. 47 Lehmberg, Gutachtertätigkeit, S. 3. 42

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2. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis 1970

Nach dem Ende der Märzrevolution des Jahres 1848 trat in Preußen eine Nationalversammlung zusammen, die über einen Verfassungsentwurf für das Land debattierte. Da sich die Versammlung aufgrund innerer Konflikte als beschlussunfähig erwies, verfügte König Wilhelm IV. (1840 – 1861) im Dezember 1848 ihre Auflösung 48. Aus eigener Machtvollkommenheit und als königliche Gnade deklariert, erließ Wilhelm IV. am 5. Dezember 1848 eine Verfassung, die in revidierter Form am 31. Januar 1850 in Kraft trat 49. Eine wichtige Neuerung enthielt Art. 104 der Verfassungsurkunde. Danach wurde die Oberrechnungskammer verpflichtet, dem Landtag die geprüfte Haushaltsrechnung mit den „Bemerkungen“ der Oberrechnungskammer vorzulegen. Zudem sah Art. 104 der preußischen Verfassungsurkunde den Erlass eines besonderen Gesetzes vor, in dem Errichtung und Befugnisse der Oberrechnungskammer geregelt werden sollten. Was unter „Bemerkungen“ im Sinne des Art. 104 zu verstehen sei, was sie enthalten und wie sie beschaffen sein sollten, wurde Gegenstand langer politischer Auseinandersetzungen 50. Aufgrund der ungeklärten Rechtslage enthielt sich die Oberrechnungskammer jeglicher Bemerkungen, und der Landtag erhielt nach wie vor nur die geprüften Rechnungen mit der Bescheinigung der formellen Richtigkeit 51. Der Landtag rügte dieses Vorgehen als verfassungswidrig. Der Streit gipfelte im Jahr 1862 in der Nichtentlastung der Regierung durch den Landtag 52. Auch wenn der König die Oberrechnungskammer daraufhin per Instruktion vom 21. Juni 1862 anwies, dem Landtag Bemerkungen mit sehr begrenztem Inhalt vorzulegen, hielten die Diskussionen bis zum Erlass des Oberrechnungskammergesetzes im Jahr 1872 an. Am 27. März 1872 trat das in Art. 104 der preußischen Verfassung von 1850 angekündigte Gesetz betreffend die Einrichtung und die Befugnisse der Oberrechnungskammer in Kraft. Das Gesetz bestätigte die Unabhängigkeit der Rechnungsprüfung. Für wichtige Vorgänge wurde kollegialische Beratung und Beschlussfassung vorgeschrieben. Zugleich stellte das Gesetz die Mitglieder der Rechnungskammer erstmals richterlichen Beamten gleich. Endlich wurde auch der Umfang der Bemerkungen festgeschrieben, welche die Oberrechnungskammer zusammen mit ihrem jährlichen Prüfbericht dem Landtag vorlegen musste. Bei den Beratungen zu dem Gesetz wurde hauptsächlich über den Umfang der Bemerkungen gestritten 53. Die Mehrheit des Abgeordnetenhauses forderte, die Bemerkungen müssten die Ergebnisse der Prüfung übersichtlich zusammenstellen und dem Landtag die Möglichkeit geben, Kenntnis von den Mängeln der 48 49 50 51 52 53

Utikal, in: Preußen-Ploetz, S. 86. Utikal, in: Preußen-Ploetz, S. 86. von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (53). Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 44. Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 44. von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (57).

§ 1 Die Anfänge beratender Finanzkontrolle

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Verwaltung zu erhalten 54. Die Abgeordneten konnten sich jedoch nicht durchsetzen; bei der Schlussabstimmung im Herrenhaus fiel diese Vorschrift 55. Die Bemerkungen erstreckten sich damit auf die Etatüberschreitungen, auf außeretatsmäßige Ausgaben und auf Abweichungen von Zweckbestimmungen der Etattitel. Wichtige Neuheiten im Sinne einer beratenden Funktion der Finanzkontrolle enthielten § 12 b) und § 20 des Oberrechnungskammergesetzes. § 20 normierte: „Nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres erstattet die Ober-Rechnungskammer dem Könige einen Bericht über die Ergebnisse ihrer Geschäftstätigkeit, welchem zugleich ihre gutachtlichen Vorschläge beizufügen sind, ob und inwieweit nach den aus den Rechnungen sich ergebenen Resultaten der Verwaltung zur Beförderung der Staatszwecke im Wege der Gesetzgebung oder der Verordnung zu treffende Bestimmung nothwendig oder rathsam erschienen“.

Diese Regelung findet sich später in § 109 der Reichshaushaltsordnung (RHO) vom 1. Januar 1923 wieder 56. Eine weitere Norm, die die beratende Funktion der Finanzkontrolle festschrieb, war § 12 b) des Oberrechnungskammergesetzes. Diese Norm folgt sprachlich und inhaltlich § 1 Abs. 1 der königlichen Instruktion vom 18. Dezember 1824 57. Nach § 12 b) des Oberrechnungskammergesetzes war die Rechnungsprüfung auch darauf zu richten: „ob und wo nach den aus den Rechnungen zu beurtheilenden Ergebnissen der Verwaltung zur Beförderung des Staatszweckes Abänderungen nöthig oder rathsam sind“.

Die Reichshaushaltsordnung übernahm diese Regelung inhaltlich später in § 96 Nr. 4 RHO 58. An den neuen gesetzlichen Grundlagen sieht man, dass die Staatsführung schon sehr früh erkannte 59, wie aus dem Sachverstand und den gewonnenen Er54

Rischer, Finanzkontrolle S. 39. von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (57). 56 RGBl. 1923, II, S.17. Vgl. zur Anlehnung von § 109 RHO an § 20 Oberrechnungskammergesetzes die Gesetzesbegründung zur Reichshaushaltsordnung, Anlage Nr. 4510 zu WRT-StenBer, 1. WP / Bd. 374, S. 52. 57 Vgl. oben S. 25. 58 Vgl. die Gesetzesbegründung zur Reichshaushaltsordnung, Anlage Nr. 4510 zu WRT-StenBer, 1. WP / Bd. 374 / S. 48; Bilfinger, Reichssparkommissar, S. 26; Lehmberg, Gutachtertätigkeit, S. 4. Trotz seiner Konzentration auf die Gutachtertätigkeit übersieht Lehmberg § 20 des Oberrechnungskammergesetzes und § 109 RHO. 59 Auch wenn die Beratungstätigkeiten nach der königlichen Instruktion vom 18. 12. 1824 und nach dem Oberrechnungskammergesetzes vom 27. 3. 1872 noch einen wesentlich geringeren Umfang hatte als diejenige zur Zeit der Weimarer Republik, so erscheint 55

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2. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis 1970

kenntnissen der Rechnungsprüfung eine beratende Funktion der Finanzkontrolle abgeleitet werden kann, die konkrete Hinweise erteilt, an welchen Stellen und wie die Verwaltung sparsamer und wirtschaftlicher verfahren kann. Nach den deutschen Einigungskriegen und der hierauf folgenden Gründung des Norddeutschen Bundes unter der Führung Preußens und schließlich der Reichgründung am 18. Januar 1871, trat als neues Organisationsproblem die Gestaltung der Finanzkontrolle im Bundesstaat auf 60. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 26. Juli 1867 61 und die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 62 normierten jeweils in Art. 72 übereinstimmend, dass die Reichsleitung dem Bundesrat und dem Reichstag zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen hat. Eine verfassungsrechtliche Bestimmung über die Errichtung eines Rechnungshofes gab es im Norddeutschen Bund und später im Deutschen Reich nicht 63. Somit wurde die Kontrolle des gesamten Bundeshaushaltes im Norddeutschen Bund durch ein Gesetz 64 der preußischen Oberrechnungskammer unter der Bezeichnung Rechnungshof des Norddeutschen Bundes übertragen. Nach der Gründung des Reiches wies ein Reichsgesetz 65 die Kontrolle des Reichshaushalts wiederum der preußischen Oberrechnungskammer zu, die somit als Rechnungshof des Deutschen Reiches fungierte. Die Einschaltung der Preußischen Oberrechnungskammer in die Rechnungsprüfung des Deutschen Reiches war in der damaligen Literatur durchaus umstritten 66, führte aber nicht zu einer Änderung der Staatspraxis. Die Übertragung der Zuständigkeiten auf die Oberrechnungskammer war zwar immer zeitlich befristet, wurde aber in der Folgezeit meist durch jährliche, sich teils auch auf mehrere Jahre erstreckende Einzelgesetze wiederholt 67. Entwürfe, die ein Reichsrechnungshofgesetz schaffen sollten, lagen dem Reichstag 1872 und 1877 zur Entscheidung vor, scheiterten indessen an Meinungsverschiedenheiten zwischen Reichstag, Bundesrat und Reichskanzler 68.

m. E. die Wertung von Lehmberg, Gutachtertätigkeit, S. 4 nicht angemessen, die Aufgaben als überhaupt nicht vergleichbar zu werten. 60 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (65). 61 BGBl. Nordd. Bund 1867, S. 1. 62 Reichsgesetzblatt 1871, S. 63. 63 Wagner, AöR 126 (2001), S. 93 (101 f.). 64 BGBl. Nordd. Bund 1867 S. 433. 65 RGBl. 1871, S. 344. 66 Überblick zum Meinungsstand bei: Wagner, AöR 126 (2001), S. 93 (105 ff.). 67 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (66). 68 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (66 f.); Wittrock, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 931 (944).

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§ 2 Die beratende Funktion der Finanzkontrolle in der Weimarer Republik A. Gesetzliche Grundlagen In der Endphase des Ersten Weltkrieges kam es, beginnend mit einem Aufstand kriegsmüder Matrosen in Kiel und Wilhelmshaven, zur Revolution, die ganz Deutschland erfasste und in der Ausrufung der Republik am 9. November 1918 und der Abdankung Kaiser Wilhelm II. gipfelte 69. Die Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 ergaben eine Dreiviertelmehrheit für die Parteien, die eine parlamentarisch-demokratische Republik anstrebten 70. Am 11. August 1919 wurde die von der Nationalversammlung beschlossene Weimarer Reichsverfassung (WRV) 71 von Reichspräsident Friedrich Ebert unterzeichnet. Die Rechnungsprüfung wurde in der WRV nicht näher geregelt. Die Verfassung normierte in Art. 86 Satz 2 WRV lediglich, dass die Rechnungsprüfung durch ein Reichsgesetz zu regeln sei. Damit war im Gegensatz zu Art. 72 der Verfassung des Deutschen Reiches von 1872 die Rechnungsprüfung zumindest ausdrücklich in der Verfassung genannt. Um dem Gesetzgebungsauftrag der Verfassung nachzukommen, legte Reichsfinanzminister Andreas Hermes (Zentrum) am 9. Juni 1922 dem Reichstag den Entwurf einer Reichshaushaltsordnung vor 72, der im Haushaltsausschuss beraten und mit dessen Änderungsvorschlägen 73 dem Reichstag wieder zugeleitet 69

Vgl. zur Novemberrevolution und dem Ende der Monarchie Schulze, Weimar, S. 155 ff. 70 Kolb, in: Ploetz, Weimarer Republik, S. 29. 71 RGBl. 1919 S. 1383. 72 Anlage Nr. 4510 zu WRT-StenBer, 1. WP / Bd. 374 / S. 1 ff. Der Entwurf orientierte sich größtenteils an dem vom kaiserlichen Schatzsekretär Wermuth mehr als zehn Jahre zuvor ausgearbeiteten Gesetzesentwurf. Maßgeblich an den Vorarbeiten war auch der Referent im Reichsfinanzministerium Ernst Wagner beteiligt, der später zusammen mit Rudolf Schulze die Reichshaushaltsordnung kommentierte. Vgl. hierzu: Dommach, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer (1989), S. 65 (72); Gilles, in: Pirker (Hrsg.), Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung, S. 19 (22). 73 Anlage Nr. 5377 zu WRT-StenBer, 1. WP / Bd. 374 / S. 5847 ff. von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (72) ist der Ansicht, der Entwurf des Reichsfinanzministers sei vom Ausschuss für den Reichshaushalt kaum verändert worden. Tatsächlich aber hat der Ausschuss 48 Änderungen in 41 Paragrafen vorgeschlagen. Hierbei handelte es sich nicht nur um Änderungen redaktioneller Art, sondern es wurden auch entscheidende inhaltliche Vorschläge aufgenommen. Vgl. hierzu die Rede des Berichterstatters des Haushaltsausschusses Schreiber bei der zweiten Beratung des Gesetzesentwurfs zur Reichshaushaltsordnung im Deutschen Reichstag, WRT-StenBer, 1. WP / Bd. 357 / 282. Sitzung vom 14. 12. 1922 / S. 9336.

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wurde. Der Reichstag nahm den veränderten Entwurf mit verfassungsändernder Mehrheit 74 am 15. Dezember 1922 an 75. Die am 1. Januar 1923 in Kraft getretene Reichshaushaltsordnung (RHO) regelte in 132 Paragrafen die Aufstellung des Reichshaushaltsplans sowie seine Durchführung und Überwachung und stellte damit eine umfassende Kodifikation des Haushaltsrechts dar 76. In der neuen Reichshaushaltsordnung wurde das Gebot und die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nun an mehreren Stellen zum Maßstab erklärt 77. Erstmals wurden Stichprobenprüfungen und örtliche Erhebungen am Sitz der geprüften Stellen ermöglicht 78. Unter dem Gesichtspunkt der beratenden Funktion der Finanzkontrolle sind §§ 96 Abs. 1 Nr. 4, 101, 107 und 109 RHO zu nennen, die sich alle im IV. Abschnitt (Rechnungsprüfung) des Gesetzes finden. Die auffälligste und für die weitere Untersuchung bedeutsamste Norm ist § 101 RHO. § 101 RHO: „Der Rechnungshof hat sich auf Ansuchen der Reichsminister oder des Reichstages über Fragen gutachtlich zu äußern, deren Beantwortung für die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel durch die Behörden von Bedeutung ist.“

An dieser Vorschrift zeigt sich zum einen klar der beabsichtigte Ausbau der Beratungsfunktion, zum anderen die Heranführung des Parlaments an die Finanzkontrolle. Denn bisher war der Exekutive eine solche Zugriffsmöglichkeit auf den Rechnungshof vorbehalten. Wäre es nach dem Entwurf des Reichsfinanzministers gegangen, so hätte dieses Exklusivitätsrecht auch in der neuen Reichshaushaltsordnung Bestand gehabt. Der Entwurf räumte nämlich ursprünglich nur den Reichsministern, nicht aber dem Reichstag das Recht ein, Gutachten des Rechnungshofes anzufordern 79. Erst der Haushaltsausschuss beschloss den 74 Die verfassungsändernde Mehrheit war gem. Art. 76 der WRV erreicht, wenn mehr als 2/3 der gewählten Reichstagsmitglieder anwesend waren und der Antrag mit mehr 2/3 der Stimmen angenommen wurde. Bei der Abstimmung über die Reichshaushaltsordnung war diese Mehrheit notwendig, da § 21 und § 128 RHO eine Verfassungsänderung darstellten und das Gesetz en bloc zur Abstimmung kam. 75 WRT-StenBer, 1. WP / Bd. 357 / 284. Sitzung vom 15. 12. 1922 / S. 9360. 76 Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 66. 77 Der Reichsrechnungshof sah durch die neue Reichshaushaltsordnung das Schwergewicht seiner Prüfung in Zukunft auf Fragen der Wirtschaftlichkeit gerichtet. Vgl. hierzu die Denkschrift und die Bemerkungen des Reichsrechnungshofes 1920 bis 1923, Anlage Nr. 3374 zu WRT-StenBer, 3. WP / Bd. 415, S. 4. Auch der Berichterstatter des Haushaltsausschusses Schreiber sah „in dem Durchdrungensein von modernen wirtschaftlichen Anschauungen“ den Hauptvorzug des Entwurfes. Vgl. hierzu seine Rede bei der zweiten Beratung des Gesetzesentwurfs zur Reichshaushaltsordnung im Deutschen Reichstag, WRT-StenBer, 1. WP / Bd. 357 / 282. Sitzung vom 14. 12. 1922 / S. 9336. 78 Zavelberg, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer (1989), S. 43 (48 ff.). 79 Anlage Nr. 4510 zu WRT-StenBer, 1. WP / Bd. 374 / S. 1 ff.

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Entwurf dahingehend zu ändern, dass der Rechnungshof auch auf Ansuchen des Reichstages Gutachten zu erstatten habe 80. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfes sollte § 101 RHO unter anderem den Behörden die Möglichkeit geben, in zweifelhaften Fällen Verstöße gegen den Haushaltsplan zu vermeiden 81. Der Reichsrechnungshof selbst nannte die Vorschrift des § 101 RHO in einer späteren Bewertung der neuen Reichshaushaltsordnung „besonders beachtenswert“, erwähnte aber zugleich, dass bis zum Jahr 1927 nur einzelne Reichsminister um die Erstattung von Gutachten gebeten hätten, der Reichstag hingegen noch keine gutachtlichen Äußerungen angefordert habe 82. Andererseits wies der Reichsrechnungshof im Jahr 1929 darauf hin, dass unter anderem durch die neue Aufgabe nach § 101 RHO die Mitarbeiter zusätzlich gefordert seien 83. Die ersten – auf Vorschlag des Haushaltsschusses 84 – vom Reichstag 85 erbetenen Gutachten betrafen die Kontrolle der Einnahmen aus staatlich gewährten Darlehen 86 und die Tragweite des Haushaltsvermerkes „Einnahmen fließen den Mitteln zu“ 87. Große Teile der Literatur 88 behaupten, der Rechnungshof habe sich bei seinen Gutachten nach § 101 RHO auf die Auslegung haushaltsrechtlicher Vorschriften beschränkt; die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung sei hingegen nicht Gegenstand der Abhandlungen gewesen. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 4 RHO sollte der Rechnungshof bei seiner Prüfung auch darauf achten, ob nicht auf Einrichtungen oder Personal verzichtet werden kann, ohne dass der Verwaltungszweck gefährdet wird. Gem. § 107 Abs.1 Nr. 2 RHO konnten diese Erkenntnisse und Vorschläge Bestandteil der Bemerkungen sein,

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Anlage Nr. 5377 zu WRT-StenBer, 1. WP / Bd. 375 / S. 5855. Anlage Nr. 4510 zu WRT-StenBer, 1. WP / Bd. 374 / S. 50. 82 Denkschrift und Bemerkungen des Reichsrechnungshofes zu den Haushaltsrechnungen 1920 bis 1923, Anlage Nr. 4510 zu WRT-StenBer, 3. WP / Bd. 415 / S. 4. 83 Denkschrift und Bemerkungen des Reichsrechnungshofes zu den Haushaltsrechnungen 1926, Anlage Nr. 1053 zu WRT-StenBer, 4. WP / Bd. 436 / S. 23. 84 Anlage Nr. 911 zu WRT-StenBer, 4. WP / Bd. 435 / S. 1. 85 WRT-StenBer, 4. WP / Bd. 424 / 60. Sitzung vom 21. 3. 1929 / S. 1589. 86 Denkschrift und Bemerkungen des Reichsrechnungshofes zu den Haushaltsrechnungen 1926, Anlage Nr. 2080 zu WRT-StenBer, 4. WP / Bd. 442 / S. 4 ff. 87 Denkschrift und Bemerkungen des Reichrechnungshofes zu den Haushaltsrechnungen 1927, Anlage Nr. 1587 zu WRT-StenBer, 4. WP / Bd. 439, S. 2 ff. 88 Vgl. ohne Begründung für diese Annahme Schulze / Wagner, Kommentar RHO, § 101 Anm. 1; Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 74 f.; Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, S. 84; Zavelberg, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer (1989), S. 43 (56). Nach Borzikowsky, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 4, S. 209 (214) durfte der Reichsrechnungshof Gutachten nach § 101 RHO 101 RHO nur auf wirklich bedeutsame Tatbestände erstrecken, da gutachtliche Äußerungen vor einer Rechnungsprüfung zur Mitverantwortung des Rechnungshofes führen würden, die eine spätere Prüfung einenge. 81

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2. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis 1970

die dem Reichstag und Reichsrat zum Zwecke der Entlastung vorgelegt werden. Auch aus diesen Vorschriften ergab sich also mittelbar eine Beratung. Deutlicher noch wurde § 109 Abs. 1 RHO 89, wonach der Rechnungshof der Reichsregierung – oder soweit von ihm gewollt auch dem Reichstag und Reichsrat – einen Bericht vorlegen konnte, in dem er Vorschläge zur Behebung von Mängeln in der Verwaltung oder zur Änderung von Gesetzen und Verordnungen machen konnte 90. Die Finanzkontrolle in Deutschland erhielt durch diese Vorschriften, die auf die Beratung von Regierung und Parlament zielten, eine neue Dimension. Was sich zu Zeiten der Monarchie immer mal wieder andeutete, wurde durch die neue Reichshaushaltsordnung zunehmend manifester: Die Rechnungsprüfung wandelte sich vom reinen Prüfer, der lediglich die Mängel der Vergangenheit feststellte, auch zum Berater, der den Entscheidungsträgern zukunftsgerichtete Informationen über finanzrelevante Tatsachen und Problemzusammenhänge lieferte 91.

B. Der Reichssparkommissar als Beratungsinstanz Es sollte sich jedoch zeigen, dass der Reichsrechnungshof die durch die Reichshaushaltsordnung normierten neuen Rechtsgrundlagen zur Beratung von Legislative und Exekutive kaum anwandte. Zur entscheidenden Beratungsinstanz der Weimarer Republik wurde stattdessen der Präsident des Reichsrechnungshofes, dem durch die Reichsregierung die Sonderaufgabe eines Sparkommissars übertragen wurde. Im diesem Abschnitt wird erörtert, wie es zur Einsetzung des Sparkommissars kam und wie dieser seine Beratungsfunktion zu Zeiten der Republik ausübte. I. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Das Deutsche Reich finanzierte die Kosten des Ersten Weltkrieges zum größten Teil durch die Ausgabe von fünfprozentig verzinsten Kriegsanleihen, zu 89

Inhaltlich folgte die Vorschrift § 20 des Oberrechenkammergesetzes von 1872 (siehe S. 13). Nach dem Wortlaut des § 20 war es jedoch die Pflicht der Oberrechenkammer, gutachtliche Vorschläge beizufügen, § 109 Abs. 1 RHO hingegen enthält nur ein Recht des Rechnungshofes, aber keine Pflicht, Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. 90 Der Bericht sollte nach dem Gesetzesentwurf des Finanzministeriums nur der Reichsregierung vorgelegt werden. Erst der Haushaltsausschuss ermöglichte durch eine Änderung der Vorschrift die Einbindung von Reichstag und Reichsrat. Vgl. hierzu Anlage Nr. 5377 zu WRT-StenBer, 1. WP / Bd. 375 / S. 5856. 91 Zavelberg, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer (1989), S. 43 (50).

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deren Deckung – in der Hoffnung, den Krieg zu gewinnen – die Geldmenge erhöht wurde. So stieg die Geldmenge während des Krieges um das Fünffache 92. Die Grundlage einer Inflation war damit geschaffen. Die kräftige Steigerung von Löhnen und Sozialleistungen nach dem Krieg begünstigte ebenfalls die inflationäre Entwicklung 93. Der Inflationskonsens zwischen Staat, Unternehmen und Gewerkschaften sollte soziale Unzufriedenheit dämpfen und politischer Radikalisierung entgegenwirken. Vor allem aber die vom Reich zu leistenden hohen Reparationszahlungen an die Siegermächte des Krieges ließen die Inflation letztlich in eine Hyperinflation umschlagen 94. Der Anteil der Reparationen an den Gesamtausgaben des Staates belief sich 1920 auf 17,6 Prozent, stieg 1921 auf 32,7 Prozent und im Jahr 1922 auf 69 Prozent 95. Während die Staatsschulden 1913 noch rund 5 Milliarden Mark betragen hatten, wuchsen sie im Jahr 1919 schon auf 153 Milliarden Mark 96. Im gleichen Zeitraum stiegen die Ausgaben des Reiches um ca. 1.900 Prozent 97. Die Staatsschulden erreichten somit immer neue Höchststände, und die Einnahmen blieben weit hinter dem Staatsbedarf zurück 98. Auch durch die in den Jahren 1919/20 verabschiedete, umfassende Reichsfinanzreform des Finanzministers Matthias Erzberger (Zentrum) kam es nicht zur gewünschten Konsolidierung der Staatsfinanzen 99. Das Ausgabenniveau blieb extrem hoch, und aufgrund der geänderten Steuergesetzgebung kam es zu Steuerausfällen, die zu neuer Verschuldung und einem weiteren Verfall der Währung führten.

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Schulze, Weimar, S. 36. Winkler, Weimar, S. 144. 94 Der Wechselkurs der Reichsmark zum Dollar entwickelte sich wie folgt: Vor Kriegsbeginn: 4,11 RM/$, Mai 1922: 69,11 RM/$; Juni 1922: 75,62 RM/$; Juli 1922: 117,49 RM/$; August 1922: 270,26 RM/$; Dezember 1922: 1.807,83 RM/$; Juni 1923: 110.000 RM/$; August 1923: 4,6 Mio. RM/$; Höhepunkt der Hyperinflation am 20. 11. 1923: 4,2 Bio. RM/$. Vgl. hierzu Winkler, Weimar, S. 144, 181, 199; Schulze, Weimar, S. 36. 95 Winkler, Weimar, S. 144. 96 Winkler, Weimar, S. 110. 97 Strube, Geschichte des Haushaltsrechts, S. 164. Die Steigerung betrug inflationsbereinigt ca. 1.200 %, da der Großhandelsindex im gleichen Zeitraum um ca. 700 % anstieg. 98 Allein die Ausgaben für den Schuldendienst betrugen im Jahr 1919 126 % der Einnahmen. Mit fortschreitender Inflation verbesserte sich diese Situation zugunsten des Reiches. Vgl. hierzu Henning, Deutsche Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 3, Teil 1, S. 280 ff. 99 Winkler, Weimar, S. 110. 93

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II. Der Reichskommissar für die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Reichsverwaltung In dieser äußerst angespannten Finanzlage der Republik suchten die Reichsregierungen stets nach Wegen, die Einnahmen zu erhöhen und die Ausgaben zu kürzen. Zudem wurde die Finanzlage und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Reiches ständig von den Siegermächten des Krieges kritisch verfolgt, die auf die Einhaltung ihrer Reparationszahlungen drängten. Am 9. Oktober 1920 stimmte das Kabinett Fehrenbach dem Vorschlag des Reichsfinanzministers Joseph Wirth (Zentrum) zu, einen Reichskommissar für die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Reichsverwaltung einzusetzen 100. Als Kommissar wählte die Regierung den Juristen und Präsidenten des Landesfinanzamtes Unterweser, Friedrich Johann Adolf Carl, dessen Aufgabe es zunächst war, konkrete Einsparmöglichkeiten zur Entlastung des Reichshaushalts vorzuschlagen 101. Carl legte dem Kabinett im Dezember 1920 ein ausführlich begründetes und weitreichendes Maßnahmenpaket vor 102. Demnach sollten Ministerien zusammengelegt beziehungsweise aufgelöst werden, bestimmte Aufgaben vom Reich auf unabhängige, selbstverwaltete Organisationen übergehen, und die Möglichkeiten, Staatsdiener in den Ruhestand zu versetzen oder zu entlassen, verbessert werden 103. Insbesondere Reichsinnenminister Erich Koch-Weser (DDP) kritisierte Carls Vorschläge scharf. Die übrigen Minister im Kabinett sowie Reichskanzler Fehrenbach stellten sich nicht ausreichend hinter den Reformer 104. Als das Kabinett dann am 21. Februar 1921 beschloss, zur weiteren Prüfung der Vorschläge eine Kommission unter dem Vorsitz von Innenminister Koch einzusetzen, war Carl desavouiert und trat eine Woche später von seinem Amt zurück 105. Die neu eingerichtete Kommission kam jedoch nicht zu praktisch verwertbaren Ergebnissen; Carls Anregungen dagegen wurden später immer wieder aufgegriffen 106. 100 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (56). 101 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (57). 102 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (57 ff.). 103 von Pfuhlstein, in: FS Schäfer, S. 375 (376). 104 von Pfuhlstein, in: FS Schäfer, S. 375 (376). 105 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (59). Butzer weist überzeugend darauf hin, dass Carl vor allem aufgrund des mangelnden politischen Rückhalts gescheitert ist und weniger, wie von Pfuhlstein, in: FS Schäfer, S. 375 (376 f.), zum Teil argumentiert, an seiner mangelnden Erfahrung für diese Aufgabe. Mitglied des Reichstages Stücklen (SPD) war der Auffassung, dass auch der spätere Reichssparkommissar Saemisch gescheitert wäre, wenn sich nicht der Sparausschuss des Reichstages auf seine Seite gestellt hätte. Vgl. hierzu Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, III. Wahlperiode 1924, 72. Sitzung am 22. 6. 1925, S. 7.

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III. Der Präsident des Reichsrechnungshofes als Reichssparkommissar 1. Der Beschluss des Reichskabinetts zur Einsetzung eines Sparbeauftragten (1922) Nachdem die Einbeziehung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) in die Koalition unter Reichskanzler Wirth gescheitert war, trat die Regierung am 14. November 1922 zurück. Reichspräsident Ebert ernannte am 22. November 1922 den parteilosen, politisch der DVP nahestehenden Wilhelm Cuno zum Reichskanzler 107. Finanzminister Hermes (Zentrum), der schon in der vorausgegangen Regierung dieses Amt bekleidet hatte, schlug schon in der konstituierenden Sitzung am 22. November dem Kabinett eine Sparaktion vor und teilte mit, dass er diese bereits mit dem Präsidenten des Reichsrechnungshofes und der Preußischen Oberrechnungskammer Staatsminister a. D. Friedrich Ernst Moritz Saemisch 108 erörtert habe 109. In einer der nächsten Sitzungen wollte Hermes den Antrag stellen, Saemisch mit der Durchführung der Sparaktion zu beauftragen 110. Der Entwurf des Finanzministers für den Kabinettsbeschluss enthielt sieben Punkte, von denen dann der eine Teil als tatsächlicher Beschluss 111 erging, und der andere Teil Eingang in Richtlinien 112 fand, die Grundlage für die Tätigkeit Saemischs werden sollten 113.

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Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (60). 107 Winkler, Weimar, S. 185 spricht vom ersten verdeckten Präsidialkabinett der Republik. 108 Zum Lebenslauf Saemischs siehe auch Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (65 ff.). 109 Erdmann / Mommsen (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinett Cuno, Kabinettssitzung vom 22. 11. 1922, Dok. Nr. 2, S. 4. 110 Erdmann / Mommsen (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinett Cuno, Kabinettssitzung vom 22. 11. 1922, Dok. Nr. 2, S. 4. 111 Erdmann / Mommsen (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinett Cuno, Kabinettsbeschluss vom 23. 11. 1922, Dok. Nr. 4, S. 7. 112 Beschluss und Richtlinien im Wortlaut in Anlage I. 113 Erdmann / Mommsen (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinett Cuno, Kabinettsbeschluss vom 23. 11. 1922, Dok. Nr. 4, S. 7, Fn. 1. Die Punkte 1, 2, 7 und der erste Teil von Punkt 3 wurden Bestandteil des Kabinettsbeschlusses, die übrigen Punkte wurden in den Richtlinien übernommen. Nicht mehr genau rekonstruieren lässt sich, ob die Idee, Richtlinien für die Tätigkeit Saemischs aufzustellen, schon im Vorfeld von Saemisch oder Finanzminister Hermes entwickelt wurden. Vgl. hierzu auch Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (62).

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Der Beschluss des Kabinetts 114 enthielt das förmliche Ersuchen an den Präsidenten des Rechnungshofes, den gesamten Reichshaushalt auf Einsparpotenziale zu prüfen, der Reichsregierung Gutachten über die Ergebnisse zu erstatten und Vorschläge zur Verbilligung und Vereinfachung der Verwaltung zu machen. Das konkrete Vorgehen der Sparaktion wurde dem Ermessen Saemischs überlassen. Jeder Reichsminister wurde zudem durch den Beschluss verpflichtet, Beamte seines Hauses an Saemisch zu melden, die diesen bei seinen Tätigkeiten unterstützen sollten. Als letzter Punkt wurde aufgenommen, dass die gesetzlich festgelegte Unabhängigkeit des Präsidenten des Rechnungshofes durch die Sonderaufgabe nicht berührt werde. In den mitbeschlossenen Richtlinien 115 wurden die Befugnisse und Pflichten Saemischs festgeschrieben. Danach hatte er ein umfassendes Recht, Auskünfte bei Reichsbehörden und Dienststellen einzuholen. Zudem konnte Saemisch sein Prüfungsrecht selbst oder durch Vertreter wahrnehmen. Den Reichsministern wurde die Pflicht auferlegt, Saemisch bei Mehrausgaben für wichtige Verwaltungsmaßnahmen zu informieren; Saemisch selbst wurde durch die Richtlinien verpflichtet, den Reichsministern anstehende Prüfungen mitzuteilen. Mit Schreiben vom 28. November 1922 übermittelte der Reichskanzler den Kabinettsbeschluss und die Richtlinien an Saemisch, verbunden mit der Bitte um Antwort, ob er bereit sei, die ihm angetragene Sonderaufgabe zu übernehmen 116. In seinem Antwortschreiben vom 1. Dezember 1922 117 nahm Saemisch die ihm angetragene Aufgabe an, forderte aber zugleich, in bestimmten Fällen als Zuhörer an Kabinettssitzungen teilnehmen zu dürfen. Die Reaktion des Kabinetts war reserviert. So hieß es zwar, Saemisch werde zu entsprechenden Kabinettssitzungen eingeladen, allerdings war dies in der Regierungszeit unter Kanzler Cuno nur einmal der Fall 118. In einer Denkschrift für den Reichskanzler vom Juni 1923 fasste Saemisch seine Forderungen zusammen: mehr Personal für die Prüfungsarbeiten, Schaffung örtlicher Stellen des Sparbeauftragten unter Leitung der Präsidenten der Landesfinanzämter, stärkere Einflussnahme auf organisatorische Änderungen in den Ressorts und rechtzeitige Information über gesetzgeberische Vorhaben der Ressorts 119. Obwohl Saemisch seine Wünsche wiederholt äußerte 114 Erdmann / Mommsen (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinett Cuno, Kabinettsbeschluss vom 23. 11. 1922, Dok. Nr. 4, S. 7 f. 115 Siehe Anhang I. 116 Schreiben abgedruckt bei Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (62 ff.). 117 Erdmann / Mommsen (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinett Cuno, Kabinettssitzung vom 4. 12. 1922, Dok. Nr. 10, S. 26. 118 Am 18. 4. 1923 nahm Saemisch an den Beratungen des Kabinetts teil. 119 Erdmann / Mommsen (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinett Cuno, Besprechung mit dem Sparausschuss am 7. 7. 1923, Dok. Nr. 212, S. 629.

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und sogar mit Rücktrittdrohungen verband, blieb ein greifbarer Erfolg in der Amtszeit Cunos aus 120. An dem selbstbewussten Auftakt zeigt sich indes, wie sehr Saemisch die Kompetenzen seiner Tätigkeit bestimmen wollte und wie wichtig seine Persönlichkeit für die weitere Entwicklung in den nächsten Jahren sein sollte. Zu keinem Zeitpunkt der Verhandlungen und Beschlüsse zur geplanten Sparaktion wurde Saemisch als Kommissar oder Reichssparkommissar bezeichnet. Aus juristischer Sicht wäre dies auch unzutreffend gewesen, da zum damaligen Zeitpunkt Kommissare der Regierung nur solche Personen waren, die außerordentliche Amts- und Amtswalterbefugnisse hatten und der Regierung weisungsunterworfen waren 121. Gleichwohl hat sich die Bezeichnung Reichssparkommissar durch die frühzeitige Verwendung in der behördlichen Korrespondenz rasch durchgesetzt 122. Das Kabinett bewilligte dem Reichssparkommissar die finanziellen Mittel zunächst noch außerplanmäßig. Von Beginn an hatte Saemisch einen Stellvertreter 123 und eine weitere Hilfskraft 124. Ansonsten halfen ihm Beamte der Reichsministerien oder des Rechnungshofes. Bei der Erarbeitung von Einsparvorschlägen stützte sich Saemisch zunächst auf die Erkenntnisse des gescheiterten Reichskommissars Carl 125. Noch im Jahr 1923 wurden mit der Auflösung des Reichsschatzministeriums und des Reichsministeriums für Wiederaufbau erste Vorschläge Saemischs umgesetzt 126. 120

Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (74). Reichskanzler Cuno hatte zwar bei einer Unterredung mit dem Sparausschuss am 7. 7. 1923 dem Vorschlag, Saemisch an Kabinettssitzungen teilnehmen zu lassen, zugestimmt, aber zu einer Entscheidung im Kabinett kam es nicht mehr. Vgl. hierzu Erdmann / Mommsen (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinett Cuno, Besprechung mit dem Sparausschuss am 7. 7. 1923, Dok. Nr. 212, S. 630 Fn. 3. 121 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (71 f.). Zum Begriff des Kommissars siehe auch Gehringer, Sparfunktion und Sparkommissar, S. 118 ff. 122 Zum Beispiel lautete der Tagesordnungspunkt Nr. 5 der Kabinettssitzung am 15. 8. 1923 „Stellung des Sparkommissars Saemisch“. Vgl. Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Stresemann I u. II, Bd. 1, Kabinettssitzung am 15. 8. 1923, Dok. Nr. 4, S. 9. Insoweit nicht zutreffend erscheint die Auffassung Gehringers, Sparfunktion und Sparkommissar, S. 96 Fn. 1, nach der sich die Bezeichnung erst im Frühjahr 1927 mit der Bereitstellung gesonderter Mittel im Haushaltsplan durchgesetzt habe. Vgl. zur Verwendung des Bezeichnung auch Saemisch, Reichssparkommissar, S. 17. 123 Saemischs Stellvertreter war Ministerialdirektor Vogt, der 1922 aus dem Reichsschatzministerium ausgeschieden war. Vgl. Saemisch, Reichssparkommissar, S. 17 Fn. 7. 124 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (93). 125 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (93). 126 Saemisch, Reichssparkommissar, S. 38.

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Die ungewöhnliche Art, mit der Saemisch die Aufgaben eines Reichssparkommissars übertragen bekam, und seine Stellung in Bezug zur Legislative und Exekutive, veranlassten Bilfinger 127 zu einer umfassenden rechtlichen Würdigung. Nach Bilfinger bekleidete der Reichssparkommissar ein öffentliches Amt; er sei dabei ein außerordentliches Organ der Reichsregierung gewesen. Die Position sei durch einen Verwaltungsakt und zugleich Staatsakt im engeren Sinne geschaffen worden 128. Auch wenn der Reichssparkommissar keine geschriebene Grundlage in der Reichsverfassung gefunden habe, so könne eine derartige Einrichtung durch faktisch geschaffenes Verfassungsrecht unter Inkaufnahme einer erheblichen Entwertung des Verfassungssystems als rechtmäßig eingestuft werden 129. Rechtlich unbedenklich sei auch, so Bilfinger, die Beteiligung des Reichssparkommissars an Vorhaben der Reichsregierung, da die im Rahmen der Geschäftsordnungsautonomie erlassenen Regelungen dies vorsähen. Schließlich verstoße die Einrichtung eines Sparkommissars nicht gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz, solange dieser als Hilfsorgan der Reichsregierung und nicht als eines des Parlaments ausgestaltet sei 130. Die damaligen Reichsregierungen und Parlamentarier waren sich ebenfalls einig, dass der Reichssparkommissar ein Organ der Reichsregierung war. Butzer 131 wertet die Einsetzung des Reichssparkommissars als staatsleitenden Akt, der auf der Organisationsgewalt der Reichsregierung fußte, und weist zu Recht daraufhin hin, der Reichssparkommissar sei Zeit seiner Existenz ausschließlich ein Hilfsorgan der Reichsregierung gewesen, da Reichstag und Reichsrat keinen Zugriff auf seine Tätigkeit hatten. Gehringer 132 nimmt ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zwischen dem Reichssparkommissar und der Reichsregierung an und weist auf das Problem des damit verbundenen Unterordnungsverhältnisses für den Reichssparkommissar hin. Gehringer wie auch Popitz 133 sehen aber wegen der besonderen Art der Beauftragung Saemischs seine Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit gewahrt. Dagegen sind Dommach 134 und von Dungern 135 der Auffassung, für die Art der Einsetzung des Reichssparkommissars habe es keine staatsrechtliche Grundlage 127

Bilfinger, Reichssparkommissar, S. 1 ff. Bilfinger, Reichssparkommissar, S. 10. 129 Bilfinger, Reichssparkommissar, S. 17 f. 130 Bilfinger, Reichssparkommissar, S. 26 ff. 131 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (72.) 132 Gehringer, Sparfunktion und Sparkommissar, S. 114 ff. 133 Popitz, DJZ 1927, S. 123 (126). 134 Dommach, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer (1989), S. 65 (82). Dommach verweist zu Unrecht bei seiner Rechtsauffassung auf Bilfinger, Reichssparkommissar, S. 1 ff. und Popitz, DJZ 1927, S. 123 ff. 128

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gegeben, und seine Aufgaben und Befugnisse hätten in einem Gesetz, wenn nicht sogar in der Verfassung, verankert sein müssen. Lehmberg 136 vermutet, die Reichsregierung habe für die Tätigkeit des Reichssparkommissars auf ein eigenes Gesetz verzichtet, da sie Sorge vor dessen verfassungsrechtlicher Zulässigkeit gehabt hätte. 2. Festigung und Ausbau der Kompetenzen (1923/24) Reichskanzler Gustav Stresemann (DVP) 137 amtierte in politisch und wirtschaftlich schwerster Krisenzeit der Republik 138. Die Hyperinflation machte eine geregelte Haushaltsführung unmöglich. Die in kurzen Abständen beschlossenen Nachtragshaushalte zeigen, dass das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben jeglicher Kontrolle entglitten war 139. Die Gesetzgebungstätigkeit der Regierung beruhte zu dieser Krisenzeit vornehmlich auf Art. 48 WRV und auf dem Ermächtigungsgesetz vom 13. Oktober 1923 140. Die Stellung des Finanzministers wurde vor diesem Hintergrund gestärkt, und das Kabinett beschränkte sich bei haushaltspolitischen Maßnahmen auf modifizierende Kritik oder Zustimmung 141. Bereits einen Tag nach dem Amtsantritt der Regierung Stresemann machte Saemisch in einem Schreiben an den Reichskanzler die Aufrechterhaltung seiner Tätigkeit von den Verhandlungsergebnissen bezüglich seiner Kompetenzen Beide Autoren vertraten nicht die Notwendigkeit einer einfachgesetzlichen bzw. verfassungsrechtlichen Grundlage für die Tätigkeit des Reichssparkommissars. 135 von Dungern, DÖV 1952, S. 46 (46). von Dungern behauptet, die Beteiligten seien sich damals darüber im Klaren gewesen und verweist auf Popitz, DJZ 1927, S. 123 ff. Anhand der Quellenlage – vor allem nicht mit dem Hinweis auf Popitz – ist diese Einschätzung nicht verifizierbar. 136 Lehmberg, Gutachtertätigkeit, S. 14. Überzeugender scheint die Annahme, dass die Reichsregierung die Aufgaben des Reichssparkommissars nicht in einem eigenen Gesetz verbriefte, da seine Tätigkeit nur für eine kurze Dauer vorgesehen war. 137 Kabinett Stresemann I vom 13.8. bis 6. 10. 1923; Kabinett Stresemann II vom 6.10. bis 30. 11. 1923. 138 Am 23. 9. 1923: Abbruch des „Ruhrkampfes“; 27. 9. 1923: Reichspräsident Ebert verhängt den Ausnahmezustand im Reich; 13. 10. 1923: Reichstag beschließt Ermächtigungsgesetz; 16. 10. 1923: Verkündung über Einführung der Deutschen Rentenbank; Oktober / November 1923: Unruhen und Straßenkämpfe in Sachsen, Thüringen, Hamburg; Konflikt zwischen Bayern und dem Reich; Hitler-Putsch in München; 23. 11. 1923: Verbot der KPD, NSDAP und Deutschvölkischen Freiheitspartei (am 28. 2. 1924 durch eine Verordnung des Reichspräsidenten Ebert wieder aufgehoben). 139 Erdmann / Vogt, in: Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Stresemann I u. II, Bd. 1, Einleitung, S. LXXXIII. 140 Erdmann / Vogt, in: Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Stresemann I u. II, Bd. 1, Einleitung, S. LXXXIV. 141 Erdmann / Vogt, in: Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Stresemann I u. II, Bd. 1, Einleitung, S. LXXXIV.

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abhängig. In einem weiteren Schreiben vom 7. September 1923 142 übersandte Saemisch dem Reichskanzler von ihm selbst ausgearbeitete neue Richtlinien, die den Ausbau seiner Arbeit als Reichssparkommissar vorsahen, bat um einen Kabinettsbeschluss hierüber und drängte, eine Verschiebung komme nicht mehr in Betracht. Saemischs Vorschläge für die Richtlinien entsprachen inhaltlich den Forderungen, die er bereits ein Vierteljahr zuvor in seiner Denkschrift an Reichskanzler Cuno aufgestellt hatte. Auf der Sitzung des Kabinetts am 19. September 1923 trug Saemisch seine Vorstellungen erneut vor. Finanzminister Rudolf Hilferding (SPD) unterstützte Saemischs Vorschläge, aber der Reichskanzler vertagte abermals einen Kabinettsbeschluss 143. Die Lage spitzte sich weiter zu, als der mit Antritt des zweiten Kabinetts unter Reichskanzler Stresemann am 6. Oktober 1923 ernannte Finanzminister Hans Luther (bis 1926 parteilos, dann DVP) durch einen Beschluss der Reichsregierung vom 10. Oktober 1923 144 neue, umfassende Zuständigkeiten erhielt. Der Kabinettsbeschluss sah vor, den Reichsfinanzminister über alle in den Ressorts geplanten Gesetzesentwürfe und Organisationsfragen noch vor der näheren Ausarbeitung zu informieren (Ziffer I.) und gab ihm das weitgehende Recht, von den Reichsministern die Einstellung der Arbeit an Gesetzesentwürfen zu verlangen (Ziffer II.). Der Reichsregierung, dem Reichsrat oder dem Reichstag bereits vorgelegte Gesetzesentwürfe sollten auf Verlangen des Finanzministers wieder zurückgezogen werden, wenn es aus seiner Sicht im Interesse der Reichsfinanzen erforderlich war (Ziffer III.). Nur eine Mehrheitsentscheidung im Kabinett konnte diese starken Befugnisse des Finanzministers im Einzelfall wieder einschränken (Ziffer V.). Zudem konnte der Finanzminister Beauftragte in die einzelnen Ministerien entsenden (Ziffer VI.) und Berichterstatter ernennen (Ziffer VII.). Ferner war er sogar den jeweiligen Ministerialbeamten gegenüber unmittelbar weisungsbefugt (Ziffer VII.); nur im Fall einer anders lautenden Weisung des Ressortministers mussten die Beamten dieser Folge leisten. Letztlich konnten auf Verlangen des Finanzministers bestehende Reichsbehörden und Organisationen aufgehoben werden (Ziffer IV). Der Reichsfinanzminister erhielt mit diesem Kabinettsbeschluss Kompetenzen, die sich Saemisch für seine eigene Tätigkeit immer gewünscht hatte. Obwohl der Kabinettsbeschluss vom 10. Oktober 1923 vorsah, neben dem Reichsfinanz142 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Stresemann I u. II, Bd. 1, Schreiben Saemischs an den Reichskanzler vom 7. 9. 1923, Dok. Nr. 35, S. 171 Fn. 5; Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Stresemann I u. II, Bd. 2, Der Reichssparkommissar an Staatssekretär Kempkes am 14. 11. 1923, Dok. Nr. 257, S. 1080. 143 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Stresemann I u. II, Bd. 1, Kabinettssitzung vom 10. 9. 1923, Dok. Nr. 51, S. 229 f. 144 Kabinettsbeschluss vom 10. 10. 1923 abgedruckt bei Saemisch, Reichsparkommissar, S. 108 ff.

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minister auch den Reichssparkommissar über geplante Gesetze zu informieren 145 und der Reichssparkommissar im Falle von Konflikten zwischen Fachministern und Finanzminister gutachtlich zu hören war 146, war Saemisch brüskiert. An Staatssekretär Adolf Kempkes schrieb er am 14. November 1923 147, durch die „konkurrierenden Befugnisse“ des Finanzministers seien seine Arbeiten „außerordentlich beeinträchtigt“. Er forderte erneut einen Kabinettsbeschluss über seine Rechte und Pflichten und die Möglichkeit, seine Prüfungstätigkeiten auch auf Länder- und Kommunalebene durchführen zu können. Das Schreiben schloss mit der Bemerkung Saemischs, er sehe sich in Anbetracht der Situation „vor die Frage gestellt (...), ob ich meine Arbeitskraft weiterhin für eine in den Augen der Reichsregierung so unwichtige Tätigkeit zur Verfügung stellen kann“. Trotz dieser erneuten Rücktrittsdrohung wurde Saemischs Bitten und Vorstellungen in den Kabinetten Stresemann I und II aber nicht entsprochen. Das Kabinett Stresemann trat nach einer gescheiterten Vertrauensfrage im Reichstag am 23. November 1923 zurück 148. Der Zentrumspolitiker Wilhelm Marx bildete eine bürgerliche Minderheitsregierung aus Zentrum, DDP, DVP und BVP, die am 30. November 1923 ihre Regierungstätigkeit aufnahm. Für Saemisch ergab sich durch den Regierungswechsel eine neue Aufgabe, die in den nächsten Monaten oft auf der Tagesordnung des Kabinetts stehen sollte. Der bereits unter der Regierung Stresemann amtierende Finanzminister Luther stellte am 27. November 1923 im Kabinett den Antrag, eine aus drei Personen bestehende Verwaltungsabbaukommission einzusetzen, dessen Vorsitzender Saemisch sein solle 149. Luther wollte durch diese Kommission erreichen, dass die Verwaltung ihre durch die Personalabbau-Verordnung vom 27. Oktober 1923 150 eingeräumten Möglichkeiten besser ausnutzte. Saemisch konnte durch den Vorsitz in der Verwaltungsabbaukommission sowohl seinen Bekanntheitsgrad als auch sein Renommee enorm steigern, was sich für die weitere Entwicklung seiner Tätigkeit als Sparkommissar noch als nützlich erweisen sollte 151. 145 Kabinettsbeschluss vom 10. 10. 1923 Ziffer I. Abgedruckt bei Saemisch, Reichsparkommissar, S. 108. 146 Kabinettsbeschluss vom 10. 10. 1923 Ziffer V. Abgedruckt bei Saemisch, Reichsparkommissar, S. 109. 147 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Stresemann I u. II, Bd. 2, Der Reichssparkommissar an Staatssekretär Kempkes am 14. 11. 1923, Dok. Nr. 257, S. 1079 f. 148 Schulze, Weimar, S. 270 f. 149 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Marx I u. II, Bd. 1, Kabinettssitzung vom 3. 12. 1923, Dok. Nr. 4, S. 23, Fn. 26. 150 Die Verordnung zur Herabminderung der Personalausgaben des Reichs (PersonalAbbau-VO) wurde auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes vom 13. 10. 1923 erlassen. Die Verordnung sah eine schrittweise Verminderung der Zahl der Staatsbediensteten um ein Viertel vor.

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Am 1. Dezember 1923 schrieb Saemisch an Reichskanzler Marx und machte die Fortführung seiner Tätigkeit als Reichssparkommissar davon abhängig, dass das Kabinett die dem Schreiben beigefügten Anträge beschließe 152. Ein Antrag zielte auf die Zustimmung des Kabinetts zur Einsetzung der von Luther vorgeschlagenen Verwaltungsabbaukommission; mit dem anderen Antrag wollte Saemisch durch neue Richtlinien den lange angestrebten Ausbau seiner Kompetenzen erreichen. Dieses Mal hatte Saemisch Erfolg: Die Regierung billigte auf ihrer Kabinettssitzung am 3. Dezember 1923 die Vorschläge Saemischs und sicherte durch die geänderten Richtlinien die Tätigkeit des Reichssparkommissars 153. Saemisch hatte nun das Recht, an allen Kabinettssitzungen mit beratender Stimme teilzunehmen und Anträge zu stellen, die seinen Aufgabenbereich betrafen. Zudem erhielt er das Recht, sich unmittelbar mit den Landesregierungen in Verbindung zu setzen, um Informationen über die landesbehördlichen Strukturen zu erhalten. In den geänderten Richtlinien wurde ebenfalls der schon lange von Saemisch geäußerte Wunsch umgesetzt, dass die Präsidenten der Landesfinanzämter auf Anweisung des Finanzministers als Beauftragte des Reichssparkommissars tätig werden konnten. Einen weiteren sehr wichtigen Erfolg konnte Saemisch im Frühjahr 1924 verbuchen. Die Reichsregierung beschloss am 1. Mai 1924 eine Gemeinsame Geschäftsordnung der Reichsministerien, Besonderer Teil (GGO II), in der die Zusammenarbeit der Ministerien mit Reichsrat, Reichswirtschaftsrat und Reichstag behandelt wurde 154. Saemisch selbst war an der Ausarbeitung der Geschäftsordnung aufgrund seiner bei örtlichen Prüfungen gewonnenen Erfahrungen maßgeblich beteiligt 155. Unter anderem beinhaltete die GGO II Regelungen zum Gesetzgebungsverfahren: §§ 26 Abs. 3, 35 Abs. 2 S. 4 und 5 der GGO II 156 verlang151 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (71). 152 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Marx I u. II, Bd. 1, Kabinettssitzung vom 3. 12. 1923, Dok. Nr. 4, S. 24, Fn. 28. 153 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Marx I u. II, Bd. 1, Kabinettssitzung vom 3. 12. 1923, Dok. Nr. 4, S. 24, Fn. 28. Die endgültige Festlegung des Kabinettsbeschlusses über die Einsetzung der Verwaltungsabbaukommission erfolgt in der Kabinettssitzung vom 10. 1. 1924. Vgl. hierzu Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Marx I u. II, Bd. 1, Kabinettssitzung vom 3. 12. 1923, Dok. Nr. 56, S. 224. 154 Brecht, Geschäftsordnung der Reichsministerien, S. 5. Die GGO II trat am 1. 8. 1924 in Kraft. Sie ist nicht amtlich verkündet, aber in der Reichsdruckerei verlegt worden. Eine Gemeinsame Geschäftsordnung der Reichsministerien, Allgemeiner Teil (GGO I) wurde erst später, nämlich am 1. 1. 1927 im Kabinett verabschiedet. Sie trat am 1. 1. 1927 in Kraft. 155 Saemisch, Reichssparkommissar, S. 43; Brecht, Geschäftsordnung der Reichsministerien, S. 20 f. 156 Ein Abdruck der Vorschriften findet sich bei Saemisch, Reichssparkommissar, S.15 Fn. 4. Es handelt sich hierbei allerdings um die Paragrafenzählung mit dem Stand von

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ten das Einverständnis des Reichssparkommissars und des Reichsfinanzministers bei allen Gesetzesentwürfen, bei deren Ausführung Reich, Länder oder Gemeinden mit Kosten belastet werden würden. Ausnahmen waren nur zulässig, wenn das Ministerium „eilige Vorarbeiten“ zu leisten hatte. Sollte das Einverständnis versagt werden und das federführende Ministerium den Gesetzesentwurf nicht ändern, so musste das Kabinett über die Streitpunkte entscheiden. Dieses weitreichende Recht ermöglichte Saemisch eine echte Teilhabe an der Regierungstätigkeit und billigte ihm gleichsam als „Ausgabenminister“ ministerielle Kompetenzen zu. Die Tätigkeit des Reichssparkommissars, die als Übertragung auf eine Einzelperson gedacht war und zunächst mit minimaler personeller und finanzieller Ausstattung begann 157, wurde durch den Einfluss Saemischs nun zu einem Sparbüro – auch Reichssparkommissariat betitelt – ausgebaut, das über die ursprünglich beabsichtigte Konstruktion weit hinausreichte. Der Sitz des Sparbüros war nicht etwa die Stadt Potsdam, wie der des Reichsrechnungshofes; die Räumlichkeiten befanden sich mitten im Regierungsviertel Berlins 158. Der Personalstamm, im Jahr 1922 noch aus zwei Mitarbeitern bestehend, wuchs bis zum Ende der 1930er-Jahre auf knapp über 30 fest Beschäftigte 159 . Die dem Reichssparkommissar bewilligten Haushaltsmittel betrugen im Jahr 1929 schon mehr als das Dreifache im Vergleich zum Jahr 1925 160. In der Hauptsache wurde das Personal noch immer durch Abordnungen von Beamten aus Reichsministerien, nachgeordneten Reichsbehörden sowie Landes- und Kommunalbehörden gewonnen. Allerdings wurden auch bereits Beamte des Reichsrechnungshofes in die Arbeiten eingebunden 161. Vor allem nutzte Saemisch die Möglichkeit, je nach Gutachten, Personal mit speziellem Wissen im jeweiligen Gebiet auf der Grundlage privatrechtlicher Dienstverträge für eine bestimmte Zeit zu beschäftigen 162. Gerade die Vielfalt der Arbeitskräfte beim Reichssparkommissar und das hiermit verbundene Fachwissen war ein Teil seiner Stärke und machte ihn für die Verwaltungen attraktiv; die Exekutive wusste, dass jedes Problem beim Reichssparkommissar 1928. Vgl. hierzu Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (77 Fn. 43). 157 Vgl. oben S. 43. 158 Zunächst war das Büro am Leipziger Platz, später in der Wilhelmstraße. Vgl. Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (92 Fn. 79). 159 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (92). 160 Saemisch, Reichssparkommissar, S. 129. Saemisch weist hier darauf hin, dass der Reichssparkommissar von 1924 bis 1929 in jedem Jahr weniger Mittel verbraucht hat als ihm zur Verfügung gestellt wurden. 161 Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, S. 184. 162 Dommach, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer (1989), S. 65 (82 f.).

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mit Spezialkenntnissen, zugleich aber auch im größeren Rahmen, behandelt werden konnte 163. Aus diesem Umstand erklärt sich ferner die Breite der Tätigkeit des Reichssparkommissars. Die erstellten Gutachten umfassten zum Beispiel die Fachbereiche der Medizin, der Schulen, des Theater- und Konzertwesens, der Kommunalorganisation oder auch der Bauwirtschaft oder allgemein der Material- und Beschaffungswirtschaft 164. In den Jahren 1929 bis 1933 erstattete das Reichssparkommissariat insgesamt 440 Gutachten 165. Auch in puncto Öffentlichkeitsarbeit war das Sparbüro aktiv. In der seit 1927 erscheinenden Zeitschrift „Reich und Länder“ veröffentlichten regelmäßig Mitarbeiter des Sparbüros und so galt das Magazin bald als Hauszeitschrift des Reichssparkommissariats 166. 3. Die Zukunft des Reichssparkommissars in der Diskussion (1926) Die zweiten Reichstagswahlen des Jahres 1924 am 7. Dezember schwächten die extremen Flügelparteien und stärkten die politische Mitte 167. Die Regierung Marx trat am 15. Dezember 1924 zurück, und der ehemalige Reichskanzler bemühte sich vergeblich, dem Auftrag des Reichspräsidenten Ebert zur Regierungsneubildung nachzukommen. So erteilte Ebert auf Vorschlag Stresemanns dem parteilosen ehemaligen Finanzminister Luther einen neuen Sondierungsauftrag. Luther konnte am 15. Januar 1925 eine Koalitionsregierung aus Zentrum, Deutscher Demokratischer Partei (DDP), Deutscher Volkspartei (DVP), Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) und Bayerischer Volkspartei (BVP) bilden. Doch schon neun Monate später traten die Deutschnationalen wegen ihrer Ablehnung des Vertrages von Locarno 168 aus der Reichsregierung aus, und die Amtszeit des ersten Kabinetts Luther endete mit dem Rücktritt des Reichskanzlers und seines 163

Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, S.185. Dommach, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer (1989), S. 65 (82). 165 Die Anzahl der Gutachten von 1922 bis 1928 ist nicht systematisch erfasst worden. Vgl. Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (94). 166 Dommach, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer (1989), S. 65 (86). 167 Winkler, Weimar, S. 271 ff. 168 Vom 5.10. bis 16. 10. 1926 verhandelten das Deutsche Reich, Großbritannien, Frankreich, Belgien, Italien, Polen und die Tschechoslowakei auf einer Konferenz in Locarno (Schweiz) über den völkerrechtlichen Status der beteiligten Staaten. Wesentliche Ergebnisse des aufgrund der Verhandlungen geschlossenen Vertrages waren die gegenseitige Anerkennung der Unverletzlichkeit der Staatsgrenzen zwischen Deutschland, Belgien und Frankreich, die Entmilitarisierung der Rheingrenze, der Verzicht Deutschlands auf Elsass-Lothringen und die Garantie Deutschlands, keine gewaltsame Änderung seiner Ostgrenzen vorzunehmen. 164

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Rumpfkabinetts am 5. Dezember 1926. Am 20. Januar 1926 bildete Luther sein zweites Kabinett aus Zentrum, DDP, DVP und BVP. Am 22. Januar 1926 schrieb Saemisch an Reichskanzler Luther und bat um eine Bestätigung seiner Tätigkeit als Sparkommissar durch das Kabinett. Einen förmlichen Kabinettsbeschluss gab es jedoch bis zum Ende der Regierungszeit Luthers nicht. Vielmehr zeigte sich nun, dass die im Jahr 1923 erreichte Stellung des Reichssparkommissars nicht zu einer selbstverständlichen Größe im politischen Kräftespiel geworden war. Die Tätigkeit Saemischs wurde als Ganzes wieder in Frage gestellt. In Regierungskreisen mehrten sich die Stimmen, die der Tätigkeit Saemischs kritisch bis ablehnend gegenüberstanden. Referenten der Reichskanzlei und des Reichsfinanzministeriums traten für eine völlige Beseitigung der Einrichtung des Reichssparkommissars ein 169. In einer Notiz an den Reichskanzler vom 23. Februar 1926 170 argumentierte der Referent in der Reichskanzlei, Ministerialrat Kurt Wachsmann, unter dem maßgeblichen Einfluss Saemischs kümmere sich der Sparausschuss des Reichstages um alle Einzelheiten und maße sich Zuständigkeiten an, die reine Ressortaufgaben seien. Weiter kritisierte Wachsmann, der Finanzminister verstecke sich hinter dem Sparkommissar und dieser wiederum hinter dem Sparausschuss. So sei eine sachgemäße Arbeit in Richtung einer Vereinfachung und Verbilligung der Reichsverwaltung nicht mehr gewährleistet. Wachsmann kam zu dem Schluss, der Reichssparkommissar sei entbehrlich und verwies darauf, dass diese Ansicht im Reichsfinanzministerium im Wesentlichen geteilt werde; dort neige man dazu, dem Rechnungshof die Aufgaben einer begleitenden Prüfung und damit laufenden Überwachung der Staatsausgaben zu übertragen. Die Diskussion wurde durch einen am 27. Februar 1926 in den Haushaltsausschuss eingebrachten Antrag 171 der beiden DVP-Abgeordneten Jakob Riesser und Carl Cremer weiter entfacht. Hierin forderten die Abgeordneten, den Reichssparkommissar bei allen Finanzfragen und Etatberatungen hinzuzuziehen. Für den Fall, dass dies unterlassen werde, sollte dem Reichssparkommissar ein Einspruchsrecht mit aufschiebender Wirkung gewährt werden. Zudem sollte er bei allen Personaleinstellungen, die der Zustimmung des Haushaltsausschusses des Reichstages oder des Reichsfinanzministers bedürfen, gutachtlich angehört werden. Ferner wurde vorgeschlagen, das Büro des Reichssparkommissars mit einem eigenen Etat im Haushaltsplan auszustatten 172. 169 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Luther I u. II, Bd. 2, Ministerbesprechung vom 29. 4. 1926, Dok. Nr. 347, S. 1313, Fn. 2. 170 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Luther I u. II, Bd. 2, Ministerbesprechung vom 29. 4. 1926, Dok. Nr. 347, S. 1313, Fn. 2. 171 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Luther I u. II, Bd. 2, Besprechung mit Parteiführern im Reichstagsgebäude vom 3. 3. 1926, Dok. Nr. 304, S. 1179, Fn. 2.

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Da der Antrag der beiden Abgeordneten einer Regierungspartei ohne Abstimmung mit der Regierungsspitze gestellt wurde, war Kanzler Luther verärgert und kritisierte dieses Vorgehen bei einer Besprechung mit Parteiführern am 3. März 1926 mit dem Hinweis, dass hierdurch die Regierungsarbeit in hohem Maße erschwert werde und der Antrag zudem unter inhaltlichen Gesichtspunkten „die rechtliche Stellung und sachliche Zuständigkeit des Sparkommissars völlig auf den Kopf stelle“ 173. Die Kritik Luthers führte zumindest dazu, dass der Antrag im Reichstag nicht verhandelt wurde 174. Vertreter des Reichsrates äußerten bei Verhandlungen im Sonderausschuss für die Vereinfachung der öffentlichen Verwaltung am 5. / 6. März 1926 den Wunsch, sowohl den Reichsrechnungshof als auch den Reichssparkommissar jederzeit zu allen Fragen anhören zu dürfen 175. Vor diesem Hintergrund beantragte Reichsfinanzminister Peter Reinhold (DDP) 176, Vertretern des Reichssparkommissariats und des Rechnungshofes Vollmacht zu erteilen, dem Sonderausschuss ihre – unter Umständen von den Fachressorts abweichenden – Standpunkte darzulegen. Zugleich bat der Finanzminister um eine Aussprache im Kabinett über die Frage der Beibehaltung des Reichssparkommissars in seiner gegenwärtigen Form 177. Gegen den Antrag Reinholds auf Erweiterung der Vollmachten stellte sich Reichsarbeitsminister Heinrich Braun in einem Schreiben an das Reichsfinanzministerium vom 24. März 1926 178. Solle dem Sonderausschuss ein solches jederzeitiges Anhörungsrecht zugestanden werden, so könne die Regierung gleichartige Wünsche von Ausschüssen des Reichstages oder Reichsrates in Zukunft unmöglich ablehnen. Dadurch, so der Arbeitsminister, laufe die Regierung Gefahr, nach außen keine einheitlichen Positionen mehr vertreten zu können. 172 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Marx III und IV, Bd. 1, Kabinettssitzung vom 1. 12. 1926, Dok. Nr. 134, S. 387, Fn. 1. 173 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Luther I u. II, Bd. 2, Besprechung mit Parteiführern im Reichstagsgebäude vom 3. 3. 1926, Dok. Nr. 304, S. 1179. 174 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (80). 175 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Luther I u. II, Bd. 2, Kabinettssitzung, anschließend Ministerbesprechung vom 3. 5. 1926, Dok. Nr. 352, S. 1328 Fn. 13. 176 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Luther I u. II, Bd. 2, Kabinettssitzung, anschließend Ministerbesprechung vom 3. 5. 1926, Dok. Nr. 352, S. 1328 Fn. 13. 177 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Luther I u. II, Bd. 2, Ministerbesprechung vom 29. 4. 1926, Dok. Nr. 347, S. 1313 Fn. 2. 178 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Luther I u. II, Bd. 2, Kabinettssitzung, anschließend Ministerbesprechung vom 3. 5. 1926, Dok. Nr. 352, S. 1328 Fn. 14.

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Am 29. April 1926 kam es dann zu einer ersten Ministerbesprechung unter Teilnahme des Reichskanzlers über die Frage der Beibehaltung des Reichssparkommissars 179. Die Minister waren sich einig, dass aus politischen Gründen eine Auflösung des Sparkommissariats zurzeit nicht möglich sei, aber eine Umstrukturierung ins Auge gefasst werden müsse. Als deutlichster Kritiker fiel Reichsarbeitsminister Braun auf, der dem Reichssparkommissar das „soziale Verständnis“ absprach. Wie bereits in Stellungnahmen von Referenten angeregt, wurde auch überlegt, ob die Aufgaben des Sparkommissars nicht auf das Finanzministerium übertragen werden könnten. Aufgrund der vorgerückten Zeit trennte sich die Runde ohne greifbares Ergebnis. Schon vier Tage später war das Thema Reichssparkommissar wieder Gegenstand in der Kabinettssitzung am 3. Mai 1926 und in der darauf folgenden Ministerbesprechung 180. Hierbei ging es vor dem Hintergrund des Wunsches des Reichsratssonderausschusses für die Vereinfachung der öffentlichen Verwaltung und dem Antrag des Finanzministers vom 18. März vor allem um die Frage, inwiefern der Legislative ein unmittelbares Zugriffsrecht auf den Sparkommissar eröffnet werden sollte. Das Kabinett stand der stärkeren Anbindung des Reichssparkommissars an Parlament und Länderkammer zwar sehr skeptisch gegenüber, sah aber wohl keine Möglichkeit, sich dieser Forderung gänzlich zu verweigern. Daher einigte man sich auf einen Formulierungsvorschlag des Reichskanzlers, nach dem der Sparkommissar ausschließlich ein Organ der Reichsregierung seien sollte, aber zurzeit keine Bedenken bestünden, dass der Sparkommissar Ausschüssen des Reichstages oder Reichsrates Auskünfte über seine Erkenntnisse erteile. Es sollte sich hierbei um ein reines Auskunftsrecht handeln und – so wurde besonders hervorgehoben – keinesfalls der Legislative die Möglichkeit eröffnet werden, dem Reichssparkommissar von sich aus Aufträge zu erteilen. Neun Tage nach dieser Sitzung trat Reichskanzler Luther am 12. Mai 1926 wegen des Streits über die Flaggenverordnung 181 zurück. Die während seiner Amtszeit angedachte Änderung der Stellung des Reichssparkommissars wurde nicht umgesetzt. 179

Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Luther I u. II, Bd. 2, Ministerbesprechung vom 29. 4. 1926, Dok. Nr. 347, S. 1313. 180 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Luther I u. II, Bd. 2, Kabinettssitzung, anschließend Ministerbesprechung vom 3. 5. 1926, Dok. Nr. 352, S. 1324. 181 Das Kabinett Luther beschloss auf seiner Sitzung am 1. 5. 1926, dass die deutschen Gesandtschaften und Konsulate im Ausland neben der Reichsflagge (Schwarz-Rot-Gold) auch die Handelsflagge (Schwarz-Weiß-Rot) zeigen sollten. Reichspräsident Hindenburg unterzeichnete die Verordnung nach scharfer Kritik in abgeschwächter Form. Am 6. 5. 1926 stellte die SPD im Reichstag einen Misstrauensantrag gegen Kanzler Luther, der zwar keine Mehrheit fand, aber dafür wurde ein Antrag der DDP auf Missbilligung der Flaggenverordnung mehrheitlich angenommen. Vgl. hierzu Winkler, Weimar, S. 313 f.

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Neuer Reichskanzler wurde am 17. Mai 1926 der im Kabinett Luthers als Justizminister amtierende Marx, der schon einmal von November 1923 bis Januar 1925 die Kanzlerschaft innehatte. Mit Ausnahme des Justizministers hatte das Kabinett die gleiche personelle Besetzung wie die Regierung unter Reichskanzler Luther. So verwundert es nicht, dass die Diskussion über die Stellung des Reichssparkommissars nicht ad acta gelegt wurde. Saemisch reagierte rasch auf den Regierungswechsel und forderte das Kabinett mit Schreiben vom 31. Mai 1926 auf, ihm das Vertrauen zur Fortsetzung seiner Tätigkeit auszusprechen 182. Ohne den Rückhalt eines entsprechenden Kabinettsbeschlusses bat Reichskanzler Marx in seinem Schreiben vom 16. Juli 1926 Saemisch, seine Aufgabe als Reichssparkommissar so lange weiterzuführen, bis eine endgültige Regelung in dieser Angelegenheit erfolgt sei 183. Vonseiten des Reichstages wurde der Druck auf die Regierung, die Tätigkeit des Reichssparkommissars fortzuführen, erhöht. Der Sparausschuss des Reichstages gab bei seinen Sitzungen am 1. und 4. November 1926 zu erkennen, er werde die Haushaltspläne der Regierung für das Jahr 1927 nicht verabschieden, bevor die Stellung des Sparkommissars nicht geregelt sei 184. Daraufhin erarbeitete Finanzminister Reinhold noch Anfang November eine Vorlage für das Kabinett, in der unter anderem neue – mit Saemisch abgestimmte – Richtlinien für die Tätigkeit des Sparkommissars formuliert waren 185. Der Minister empfahl eine erneute Zusammenkunft des Kabinetts, um die offenen Fragen zu erörtern. Somit wurde das Thema Reichssparkommissar auf die Tagesordnung der Kabinettssitzung am 1. Dezember 1926 gesetzt. Zwei Tage vor der Sitzung notierte Ministerialrat Vogels, die Haltung der Ressorts zum Wert des Sparkommissars sei sehr geteilt. Jedenfalls würden die vom Finanzminister vorgeschlagenen Richtlinien auf breite Ablehnung stoßen 186. Auf der Kabinettssitzung erläuterte der Staatssekretär im Reichsfinanzministerium Johannes Popitz die Vorlage des Finanzministers und drängte auf eine schnelle Entscheidung, da andernfalls die Gefahr bestehe, dass Saemisch seine Tätigkeit niederlege. Er empfahl daher eine offizielle Vertrauensbestätigung für Saemisch durch das Kabinett, den Beschluss der vorgelegten Richtlinien und die Aufstellung eines eigenen Etats für den Spar182 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (82). 183 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (82). 184 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Marx III und IV, Bd. 1, Kabinettssitzung vom 1. 12. 1926, Dok. Nr. 134, S. 387, Fn. 1. 185 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Marx III und IV, Bd. 1, Kabinettssitzung vom 1. 12. 1926, Dok. Nr. 134, S. 387, Fn. 1. Die Richtlinien sind zwischen Saemisch und dem Finanzminister abgestimmt worden. 186 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Marx III und IV, Bd. 1, Kabinettssitzung vom 1. 12. 1926, Dok. Nr. 134, S. 387, Fn. 1.

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kommissar 187. Die Runde war sich zwar einig, die Spartätigkeit für das Reich müsse fortgeführt werden, aber stufte die vorgeschlagene Lösung des Finanzministers als nicht entscheidungsspruchreif ein. Zum wiederholten Male wurde die staatsrechtliche Stellung des Sparkommissars zwischen Exekutive und Legislative diskutiert. Die Anwesenden waren sich einig, es könne keinesfalls angehen, den Sparkommissar mit einem ständigen Sitz im Kabinett ins Machtzentrum der Exekutive zu rücken und ihn zugleich in praxi dem ständigen Zugriff von Reichstag und Reichsrat auszusetzen. So würde der Sparkommissar eine ministerielle Stellung erhalten, obwohl er dem Reichstag gegenüber in keiner Weise verantwortlich sei. Justizminister Johannes Bell schlug in diesem Zusammenhang vor, das Sparkommissariat könne möglicherweise wie der Rechnungshof ein staatsrechtliches Gebilde sui generis werden. Das Kabinett fasste an diesem Tag keinen endgültigen Beschluss, sondern setzte eine Kommission, bestehend aus Innen-, Arbeits- und Finanzminister, unter Vorsitz des Reichskanzlers ein, die zeitnah neue Richtlinien für die Arbeit Saemischs ausarbeiten sollte. Die Kommission traf sich am 10. Dezember 1926 zu ihren Beratungen. Zu Beginn warf Arbeitsminister Braun erneut die Frage auf, ob nicht doch auf die Tätigkeit des Sparkommissars in der jetzigen Form ganz verzichtet werden sollte 188. Braun wollte den Widerstand der gesetzgebenden Staatsorgane gegen eine Auflösung des Sparkommissariats brechen, indem er die Parteien über die Möglichkeit der Beratung aufklärte, die ihnen bereits nach der Reichshaushaltsordnung eröffnet seien. Denn schließlich könne der Reichstag unter Berufung auf § 97 (sic!) 189 und § 101 RHO vom Rechnungshof jederzeit gutachtliche Stellungnahmen zur Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln einfordern. Er gebe aber zu, dass das derzeitige Kollegialverfahren für eine Tätigkeit des Rechnungshofes schwerfälliger und somit für den Reichstag ungünstiger sei als die zeitlich zügigen Möglichkeiten des Sparkommissars. Der Arbeitsminister schlug vor, es könne mit den Parteien über eine beweglichere Ausgestaltung der Arbeitsmethoden des Rechnungshofes verhandelt werden; zumindest sei dies erträglicher als die Verewigung der Institution des Sparkommissars, die schließlich ursprünglich nur für einen begrenzten Zeitraum eingesetzt worden war. Der Kanzler und der Innenminister stimmten diesen Ausführungen zwar im Grundsatz zu, sahen die praktische Durchführbarkeit der Vorschläge aber skeptisch. Der Reichsfinanzminister hielt dagegen und sprach sich erneut für eine Beibehaltung des Sparkommissars aus 190. Eine Einigung konnte jedoch bei dieser grundsätzlichen Frage 187 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Marx III und IV, Bd. 1, Kabinettssitzung vom 1. 12. 1926, Dok. Nr. 134, S. 388. 188 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Marx III und IV, Bd. 1, Chefbesprechung vom 10. 12. 1926, Dok. Nr. 146, S. 426. 189 Nicht schlüssig ist der Verweis auf § 97 RHO, da hier keine Rechte des Reichstages normiert sind. § 97 RHO gibt dem Rechnungshof unter anderem das Recht, örtliche Erhebungen bei den Verwaltungen durchzuführen.

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nicht erzielt werden. Die Teilnehmer der Besprechung vereinbarten schlussendlich, die von Arbeitsminister Braun vorgetragenen Vorschläge mit den Parteien zu verhandeln und von den neuen Richtlinien für den Sparkommissar nur dann Gebrauch zu machen, wenn diese Verhandlungen scheitern sollten. In den Akten der Reichskanzlei finden sich allerdings keinerlei Anhaltspunkte, dass es solche Verhandlungen mit den Fraktionen des Reichstages jemals gegeben hat 191. Das Kabinett wurde auf seiner Sitzung am 14. Dezember 1926 192 über die Ergebnisse der Besprechung vom 10. Dezember unterrichtet. Der Finanzminister und der Arbeitsminister trugen nochmals ihre gegensätzlichen Standpunkte zur Beibehaltung des Reichsparkommissars vor. Das Kabinett entschied sich in der anschließenden Abstimmung für die Beibehaltung des Reichsparkommissars in seiner bisherigen Form und diskutierte daraufhin die Richtlinien des Finanzministeriums. Mit einigen formalen Änderungen wurden die Richtlinien in der Form angenommen, wie sie Finanzminister Reinhold in seiner Kabinettsvorlage vom November 1926 erarbeitet hatte. Auch die in der Vorlage vorgesehene Zuweisung eines eigenen Etats für das Büro des Reichssparkommissars wurde beschlossen 193. Im Vergleich zu den Richtlinien und dem Kabinettsbeschluss vom 3. Dezember 1923 lag eine Erweiterung der Kompetenzen Saemischs vor allem in der Möglichkeit, Landesregierungen auf deren Wunsch hin zu beraten (I. Ziffer 2 der Richtlinien a. E.). Die Etatisierung des Büros des Sparkommissars sah Ziffer II. der Richtlinien vor. Das nun erstmals in Richtlinien fixierte Recht zur Teilnahme an den Sitzungen des Reichstages, des Reichsrates und deren Ausschüsse (I., Ziffer 3 der Richtlinien) stellte allerdings mehr die Normierung von ohnehin ausgeübter Praxis Saemischs dar 194. Am 15. Dezember 1926 übersandte Finanzminister Reinhold das im Kabinett beschlossene Anschreiben und die neuen Richtlinien an Sparkommissar Saemisch. Da ein von der SPD im Reichstag am 17. Dezember gestellter Misstrauensantrag gegen die Reichsregierung erfolgreich war 195, konnte Saemisch das Schreiben von Finanzminister Reinhold nicht mehr positiv beantworten. Doch 190

Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Marx III und IV, Bd. 1, Chefbesprechung vom 10. 12. 1926, Dok. Nr. 146, S. 426. 191 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Marx III und IV, Bd. 1, Chefbesprechung vom 10. 12. 1926, Dok. Nr. 146, S. 427 Fn. 2. 192 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Marx III und IV, Bd. 1, Kabinettssitzung vom 14. 12. 1926, Dok. Nr. 154, S. 449 f. 193 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Marx III und IV, Bd. 1, Kabinettssitzung vom 14. 12. 1926, Dok. Nr. 154, S. 450. 194 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (85). 195 Vgl. hierzu Winkler, Weimar, S. 318 ff.

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nach Amtsantritt des Kabinetts Marx IV am 29. Januar 1927 teilte Reichsfinanzminister Heinrich Köhler (Zentrum) der neuen Regierung mit Schreiben vom 5. Februar 1927 mit, dass sich Saemisch bereit erklärt habe, die Geschäfte des Reichssparkommissars auf der Grundlage der am 14. Dezember des Vorjahres beschlossenen Richtlinien weiterzuführen 196. Die neu geschaffene Möglichkeit, auch Länderregierungen zu beraten, schlug sich schnell in der Tätigkeit des Sparbüros nieder. Eine Länderabteilung und eine Abteilung Gemeinden und Gemeindeverbände wurde gegründet 197. So führte der Reichssparkommissar auf Bitte mehrerer Landesregierungen und größerer Städte Organisations- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durch. Beispielhaft genannt seien die Länder Braunschweig (1926), Hessen (1928), Thüringen und Mecklenburg-Schwerin (1929) sowie Württemberg und Lippe (1930) 198. 4. Der Vorschlag zur gesetzlichen Normierung der Tätigkeit des Reichssparkommissars Ende der zwanziger Jahre kam es im Zuge der Debatte über eine Novelle der Reichshaushaltsordnung zu Überlegungen, die Tätigkeit des Reichssparkommissars gesetzlich zu normieren. Eine gesetzliche Fixierung hätte eine weitreichende Änderung der Praxis bedeutet, dass der Reichsparkommissar nur eine Vertrauensperson der Reichsregierung mit zeitlich begrenztem Auftrag ist. Während der siebenjährigen Geltungsdauer der Reichshaushaltsordnung kam es aufgrund von Lücken im Gesetz immer wieder zu Änderungen, die mithilfe der jeweiligen Haushaltsgesetze verabschiedet wurden 199. Diese Lücken sollten nun mit einer Novellierung der Reichshaushaltsordnung geschlossen werden 200. In insgesamt zwölf Sitzungen beriet der Haushaltsausschuss des Reichstages in der Zeit von Oktober bis Dezember 1929 die neuen Vorschriften zur Reichshaushaltsordnung 201. In den Beratungen zur neuen Haushaltsordnung wurde die Rolle 196 Erdmann / Booms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinette Marx III und IV, Bd. 1, Kabinettssitzung vom 14. 12. 1926, Dok. Nr. 154, S. 450 Fn. 13. 197 Benninghoff-Lühl, Methode der Gutachten des Reichssparkommissars, S. 17. 198 Dommach, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer (1989), S. 65 (85); vgl. zu den Schwächen der Reichshaushaltsordnung auch Strube, Geschichte des Haushaltsrechts, S. 137 ff. 199 Strube, Geschichte des Haushaltsrechts, S. 138. 200 Zavelberg, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer (1989), S. 43 (95). 201 Die Beratungen des Ausschusses begannen mit der 94. Sitzung am 30. 10. 1929 und endeten in der 108. Sitzung am 18. 12. 1929. In der 99., 100. und 107. Sitzung des Ausschusses fanden keine Beratungen zur Novelle der Reichshaushaltsordnung statt. Vgl. hierzu die Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, IV. Wahlperiode 1928, 1. – 92. Sitzung.

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des Reichssparkommissars zunächst nur am Rande angesprochen. So kritisierten die Abgeordneten Ernst Torgler (KP), Otto Schmidt (DNVP), Georg Bernhard (DDP) und Joseph Ersing (Zentrum) auf der Sitzung am 11. November 1929, dass der Reichstag zu wenig bzw. zu spät über die Tätigkeit des Reichssparkommissars informiert werde 202. Ferner müsse überlegt werden, ob der Etat für den Sparkommissar berechtigt sei, wenn die Ressorts die Weitergabe derjenigen Gutachten verhinderten, die ihnen nicht opportun seien. Auf der Sitzung am 26. November 1929 rückte das Thema Reichssparkommissar durch einen Antrag der Abgeordneten Cremer, Mittelmann und Beythien von der Fraktion der DVP in den Mittelpunkt der Verhandlungen. Die DVPAbgeordneten forderten in ihrem Antrag 203, einen zeitlich befristeten 204, eigenen Abschnitt „Reichssparkommissar“ in die Reichshaushaltsordnung aufzunehmen. Damit griff die DVP eine Forderung auf, die sie bereits drei Jahre zuvor in einem Antrag gestellt hatte 205. Die von der DVP vorgeschlagenen §§ 126 a) bis 126 k) RHO bildeten inhaltlich zwar zum großen Teil die Regelungen der Richtlinien vom 14. Dezember 1926 ab, allerdings sah der Antrag der DVP auch entscheidende Neuerungen vor. In staatsorganisationsrechtlicher Hinsicht war vor allem bedeutsam, dass der Entwurf in § 126 a) normierte, der Reichssparkommissar sei eine der Reichsregierung gegenüber selbstständige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Reichsbehörde. Gerade diese Sicherung der Unabhängigkeit betraf einen Punkt, der in der Vergangenheit immer wieder für Diskussionen zwischen den Ressortministern im Kabinett sorgte und als deren Ergebnis die Regierung wiederholt betonte, dass der Reichssparkommissar ausschließlich ein Organ der Reichsregierung sei. Eine Verstärkung der unabhängigen Stellung forderte auch § 126 b) des Entwurfes, nach dem sich der Reichssparkommissar erstmals auch auf Ersuchen des Reichstages oder Reichsrates gutachtlich hätte äußern müssen. Einen deutlichen Ausbau der Kompetenz des Reichssparkommissars sah § 126 d) vor, mit dem ihm ein Vetorecht bei Kabinettsentscheidungen eingeräumt werden sollte, falls 202 Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, IV. Wahlperiode 1928, 101. Sitzung vom 11. 11. 1929. Der SPD-Abgeordnete Heinig stimmte überein, dass die Stellung des Reichssparkommissars als gesondertes Thema in naher Zukunft behandelt werden müsse. 203 RT-Drs. Bd. 422, Ausschuss Drs. 465 vom 25. 11. 1929. Auch abgedruckt bei Saemisch, Reichssparkommissar, S. 122 ff. Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (80 Fn. 51) weist darauf hin, dass Saemisch bezüglich des Antrags möglicherweise Kontakt zur DVP hatte, der er politisch nahestand. 204 Nach der Kritik an der Normierung einer Befristung in § 126 k) des Entwurfes, strich der Abgeordnete Cremer kurz nach Beginn der Sitzung den entsprechenden Paragrafen aus dem Antrag. Vgl. die Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, IV. Wahlperiode 1928, 104. Sitzung vom 26. 11. 1929, S. 2. 205 Vgl. oben S. 45.

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die Regierung entgegen der gutachtlichen Vorschläge des Reichssparkommissars verfahren wollte. Der Antrag der DVP-Abgeordneten bedeutete für die Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses wohl eine Überraschung 206. So äußerte sich am Tag der Antragstellung zunächst keiner der Abgeordneten zu Einzelheiten der vorgesehenen Vorschriften. In den ersten Äußerungen ließ sich jedoch schon eine Tendenz ablesen, welche Fraktionen dem Antrag eher zustimmend oder ablehnend gegenüberstanden. Vom Grundsatz stimmten die Fraktionen der DVP, DNVP, DDP und Wirtschaftspartei (WP) überein, die Kompetenzen des Reichssparkommissars zu erweitern 207. Abgeordnete von SPD, Kommunistischer Partei Deutschlands (KPD) und BVP nannten den Antrag spontan verfassungsändernd, ohne dies näher zu begründen 208. Drei Tage nach dem Antragseingang beriet das Reichskabinett am 29. November 1929 über den Antrag der DVP 209. Rudolf Hilferding, der unter Reichskanzler Hermann Müller Finanzminister war, legte der Runde eine schriftliche Stellungnahme vor, in der er die von der DVP vorgeschlagenen Änderungen Punkt für Punkt ablehnte. Das Kabinett zeigte sich ebenfalls überrascht vom Antrag der Regierungsfraktion 210 und beauftragte den Finanzminister, auf Grundlage seiner Ausarbeitung im Haushaltsausschuss zu den Vorschlägen der DVP Stellung zu nehmen 211.

206 Der Abgeordnete Cremer (DVP) sprach jedoch im Laufe der Beratungen davon, der Antrag sei über Monate vorbereitet worden und an ihm hätten eine Reihe von Mitgliedern des Reichstages, Wirtschaftler, Wissenschaftler und Praktiker mitgewirkt. Vgl. hierzu die Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, IV. Wahlperiode 1928, 108. Sitzung vom 18. 12. 1929, S. 16. Dem Reichskanzler ging nach dem Antrag der DVP eine schriftliche Beschwerde des Abgeordneten Breitscheid zu, der das entgegen anders lautender Vereinbarungen unabgestimmte Vorgehen der DVP verurteilte und den Kanzler bat, darauf hinzuwirken, dass ähnliche Schritte in Zukunft vermieden würden. Vgl. hierzu Erdmann / Mommsen (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinett Müller II, Bd. 2, Kabinettssitzung vom 29. 11. 1929, Dok. Nr. 365, S. 1199 Fn. 5. 207 So die Äußerungen der Abgeordneten Hergt (DNVP), Bernhard (DDP), Reinhold (DDP), Borrmann (WP). Vgl. hierzu die Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, IV. Wahlperiode 1928, 104. Sitzung vom 26. 11. 1929, S. 1 ff. 208 So die Äußerungen der Abgeordneten Keil (SPD), Torgler (KPD), Leicht (BVP). Vgl. hierzu die Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, IV. Wahlperiode 1928, 104. Sitzung vom 26. 11. 1929, S. 1 ff. 209 Erdmann / Mommsen (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinett Müller II, Bd. 2, Kabinettssitzung vom 29. 11. 1929, Dok. Nr. 365, S. 1098 ff. 210 Der Reichswirtschaftsminister hatte von dem Antrag aus der Zeitung erfahren. Vgl. Erdmann / Mommsen (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei: Kabinett Müller II, Bd. 2, Kabinettssitzung vom 29. 11. 1929, Dok. Nr. 365, S. 1199. 211 Reichsfinanzminister Hilferding trug die Position der Reichsregierung auf der Sitzung des Haushaltsausschusses am 12. 12. 1929 vor.

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Bis zum Ende der Beratungen zur Novelle der Reichshaushaltsordnung stand im Haushaltsausschuss nun das Thema Reichssparkommissar im Mittelpunkt der Tagesordnung. Im Namen der SPD-Fraktion erläuterte der Abgeordnete und Ausschussvorsitzende Heimann (SPD) drei wesentlichen Gründe für die Ablehnung des Antrages: Die beabsichtigte Stellung des Reichssparkommissars sei verfassungswidrig, praktisch undurchführbar und politisch nicht gewollt. Der Verfassungsverstoß liege vor allem darin, dass der Reichssparkommissar durch die Vorschriften zu einer der mächtigsten Personen der Republik werde, ohne sich gegenüber dem Reichstag oder der Reichsregierung verantworten zu müssen 212. Dies widerspreche evident dem Demokratieprinzip. Zudem werde der Finanzminister durch die umfassenden Befugnisse des Reichssparkommissars degradiert. Die Sozialdemokraten seien, so Heimann schließlich, nur für eine Erweiterung der Rechte des Reichssparkommissars, wenn dies von der Reichsregierung gewünscht werde und sie die Initiative hierzu ergreife. Für die Reichsregierung sprach sich Finanzminister Hilferding gegen den Antrag der DVP-Fraktion aus 213. Zunächst lobte er zwar das enge Verhältnis zwischen dem Finanzminister und dem Reichssparkommissar. Schon jetzt nehme der Sparkommissar an allen Sitzungen des Kabinetts teil und könne sich jederzeit zu allen Fragen von finanzieller Bedeutung äußern. Eine Vergesetzlichung der Stellung des Reichssparkommissars schloss Hilferding jedoch namens der Regierung aus. Die Tätigkeit des Reichssparkommissars beruhe auf einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen der Person Saemischs und der Regierung. Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass auch in Zukunft eine so objektive und politisch unabhängige Person wie Staatsminister Saemisch das Amt des Reichssparkommissars bekleide. Eine politisch extreme Reichsregierung werde auch einen überzeugten Parteimann in diese Funktion bringen, der für alle nachfolgenden Kabinette eine ununterbrochene Erschwerung der Staatsführung bedeute. Aus verfassungsrechtlichen Gründen abzulehnen sei vor allem das im Entwurf vorgesehene Vetorecht des Sparkommissars, da dieses die staatsrechtliche Stellung der Regierung abändere und unmittelbar den Gewaltenteilungsgrundsatz verletze. Finanzminister Hilferding sprach sich zudem gegen die unmittelbare Weiterleitung von Gutachten des Reichssparkommissars an den Reichstag bzw. Reichsrat aus.

212

Vgl. Heimann in den Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, IV. Wahlperiode 1928, 105. Sitzung vom 12. 12. 1929, S. 2. 213 Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, IV. Wahlperiode 1928, 105. Sitzung vom 12. 12. 1929, S. 3 f.

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Der Abgeordnete Cremer begründete den Antrag ausführlich im Ausschuss 214. Zunächst widersprach er der Einschätzung, die vorgeschlagenen neuen Regelungen seien verfassungsrechtlich nicht zulässig. So seien Rechte, die die Verfassung der Reichsregierung zuweise, nicht verletzt, da der Antrag nur das Verfahren bei Abstimmungen im Kabinett regele. Verfahrensfragen seien aber nicht in der Verfassung, sondern in der Geschäftsordnung des Reichskabinetts niederlegt. Der Reichssparkommissar erhalte nach den vorgeschlagenen Normen lediglich eine Gutachterbefugnis und keine Befehlsbefugnis. Somit liege die Verantwortung für die gesamte Exekutive noch immer bei der Regierung. Auch die Möglichkeit von Prüfungen in den Ländern verletze nicht die Zuständigkeiten nach der Reichsverfassung, da die Prüfung immer von dem Einverständnis des betroffenen Landes abhängig sei. Dem Reichssparkommissar die Stellung einer obersten, unabhängigen Reichsbehörde zu verleihen, sei kein staatsrechtliches Novum, sondern entspreche genau der Konstruktion, die gegenwärtig der Reichsrechnungshof habe. Die Einrichtung einer obersten Reichsbehörde bedeute nicht, dass diese allen anderen Stellen vorgesetzt sei, sondern nur, dass sie keiner anderen Behörde unterstellt sei. Weiter kritisierte Cremer das widersprüchliche Verhalten der Mitglieder des Ausschusses. Auf der einen Seite sei die Notwendigkeit des Reichssparkommissars communis opinio im Ausschuss, und regelmäßig führten alle Parteien darüber Klage, zu wenige Informationen über die Tätigkeit und Ergebnisse des Reichssparkommissars zu erhalten. Auf der anderen Seite werde nun der Vorschlag der DVP angegriffen, der erstmals mit gesetzlicher Garantie dem Parlament bei der effektiven Kontrolle der Reichsfinanzen den Reichssparkommissar an die Seite stellen wolle. Der Finanzminister sei bei der Kontrolle aus politischen Gründen häufig keine ausreichende Stütze. Beispielsweise fordere der Ausschuss seit vier Jahren ergebnislos, der Sparkommissar solle das Reichsfinanzministerium prüfen und dem Reichstag seine Erkenntnisse mitteilen. Insgesamt gelte es, die Möglichkeit zu stärken, nicht erst durch die retrospektiven Denkschriften des Rechnungshofes erfahren zu müssen, dass Dutzende von Millionen verloren gegangen seien, sondern schon in dem Augenblick gegenzusteuern, in dem die Ausgaben entstünden. Dies sei am besten durch einen unabhängigen, mit eigener Hausmacht ausgestatteten Reichssparkommissar möglich. Die übrigen Abgeordneten teilten teilweise die Einschätzung, das Gesetz, wie es die DVP für den Reichssparkommissar fordere, verstoße gegen die Verfassung 215. Wirklich einig waren sich die Mitglieder des Ausschusses letztlich nur in dem Wunsch, dem Reichstag häufiger und zügiger die Ergebnisse der Tätigkeit des Reichssparkommissars zukommen zu lassen. Bezüglich der vorhan214 Vgl. Cremer in den Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, IV. Wahlperiode 1928, 105. Sitzung vom 12. 12. 1929, S. 4 ff.; Cremer in den Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, IV. Wahlperiode 1928, 108. Sitzung vom 18. 12. 1929, S. 14 ff.

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denen bzw. geforderten staatsrechtlichen Einordnung des Reichssparkommissars zwischen den Gewalten und der Ausgestaltung seiner Aufgaben herrschte Streit. Die unterschiedlichen Standpunkte fußten oftmals in der Oppositions- bzw. Regierungsrolle der Parteien, aber auch in der unterschiedlich ausgeprägten Wertschätzung der demokratischen Strukturen der Weimarer Republik. So erklärt sich die Bandbreite von Meinungen über die Funktion des Reichssparkommissars als „Spardiktator“ mit exekutiven Befugnissen über ein reines Hilfsorgan des Parlaments bis zur herrschenden Praxis, in welcher der Reichssparkommissar als Vertrauensperson der Reichsregierung fungierte. Der Antrag der DVP wurde schließlich am letzten Beratungstag des Haushaltsausschusses, der 108. Sitzung, am 18. Dezember 1929, zur Abstimmung gestellt und mehrheitlich abgelehnt 216. Am 26. Februar 1930 beriet der Reichstag die Novelle zur Reichshaushaltsordnung abschließend und stellte sie zur Abstimmung 217. In der Debatte wurde von allen Rednern die Frage nach den Kompetenzen des Reichssparkommissars angesprochen. Mit schon aus dem Haushaltsausschuss bekannten Argumenten erörterten die Abgeordneten das Für und Wider einer gesetzlichen Regelung bzw. einer Erweiterung der Befugnisse des Sparkommissars und der beratenden Rolle des Rechnungshofes. Die Fraktion der SPD brachte eine Entschließung ein 218, in der sie forderte, dass gutachtliche Äußerungen des Reichssparkommissars dem Reichstag unmittelbar zuzuleiten seien. Damit nahm die SPD genau jene Forderung auf, die einhellig von allen politischen Richtungen während der Beratungen zur neuen Reichshaushaltsordnung gestellt wurde. Der Reichstag beschloss mehrheitlich eine Überweisung der Entschließung an den Haushaltsausschuss 219. Trotz der wiederholten Aufforderung und Bitte der Ausschussmitglieder und des Reichstages, die Informationen des Reichssparkommissars auch dem Parlament zur Verfügung zu stellen, waren die Mitglieder des Ausschusses auch in den kommenden Jahren mit dem sehr dürftigen und oftmals zeitlich stark verzögerten Informationsfluss überaus unzufrieden 220. 215 Die verfassungsrechtlichen Bedenken wurden vom Zentrum und der BVP geteilt. Vgl. die Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, IV. Wahlperiode 1928, 108. Sitzung vom 18. 12. 1929, S. 5 ff. 216 Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, IV. Wahlperiode 1928, 108. Sitzung vom 18. 12. 1929, S. 16. 217 WRT-StenBer, 4. WP / Bd. 426 / 132. Sitzung vom 26. 2. 1930 / S. 4067 ff.; von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (76). 218 Entschließung Nr. 1635. Vgl. hierzu WRT-StenBer, 4. WP / Bd. 426 / 132. Sitzung vom 26. 2. 1930 / S. 4071. 219 WRT-StenBer, 4. WP / Bd. 426 / 132. Sitzung vom 26. 2. 1930 / S. 4101. 220 Auf der Sitzung am 5. 2. 1931 kritisieren die Abgeordneten, das Reichsfinanzministerium gebe eine Übersicht zu den erstellten Gutachten des Reichssparkommissars vorsätzlich nicht weiter, obgleich dem Ministerium die Unterlagen schon lange vorlägen. Vgl. hierzu die Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, V. Wahlperiode 1930, 37. Sitzung vom 5. 2. 1931, S. 502. In der 106. Sitzung des Haushaltsausschusses

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5. Überlegungen zur Verschmelzung der Tätigkeiten von Reichssparkommissariat und Reichsrechnungshof (1930/31) Bereits wenige Wochen nach der Verabschiedung der neuen Reichshaushaltsordnung rückte das Thema Reichssparkommissar wieder in das Licht der politischen Debatte – dieses Mal jedoch mit umgekehrten Vorzeichen. Der Vertreter Preußens im Reichsrat, Arnold Brecht, stellte am 16. April 1930 im Reichsrat den Entschließungsantrag, mit dem die Reichsregierung ersucht werden sollte, zu prüfen, wie die Arbeit des Reichssparkommissars mit der allgemeinen Verwaltung verschmolzen werden könne, ohne dass eine gänzlich neue Behörde geschaffen würde oder konkurrierende Prüfungszuständigkeiten die Folge wären 221. Am 31. Mai 1930 verhandelte der Haushaltsausschuss des Reichstages die Etats für den Rechnungshof und den Reichssparkommissar. Zugleich behandelte der Ausschuss den Entschließungsantrag der SPD-Fraktion zur Neufassung der Richtlinien für den Reichssparkommissar. In der allgemeinen Aussprache wurde von den Vertretern der SPD, DVP und des Zentrums die fehlende organische Verbindung von Reichsrechnungshof und Reichssparkommissar als Mangel gesehen 222. Diese Tatsache ist insbesondere bemerkenswert, da noch ein halbes Jahr zuvor viele Abgeordnete des Ausschusses im Rahmen der Beratungen der Novelle zur Reichshaushaltsordnung immer wieder betont hatten, wie wichtig eine klare Trennung zwischen den Aufgaben des Reichssparkommissars und des Rechnungshofes sei. Der Abgeordnete Köhler fiel durch seine kritische Betrachtung der Tätigkeit des Reichssparkommissars auf 223. Es sei unverständlich, wenn die gleichen Beamten mal als Vertreter des Rechnungshofes, dann wieder als solche des Reichssparkommissariats bei der Verwaltung vorstellig würden. Dies sei vor allem problematisch, da die Beamten des Rechnungshofes im Gegensatz zu denen des Reichssparkommissars eine unabhängige Stellung hätten. Auch sei es nicht zu begrüßen, dass den Beamten des Reichssparkommissars eine schnelle Karriere hinsichtlich Einstufung und Besoldung garantiert sei, wohingegen andere Verwaltungsbeamte häufig Jahre warten müssten, um eine nächste Laufbahnhürde zu nehmen. Des Weiteren, so Köhler, könne man an den Ergebam 4. 5. 1932 heißt es, der Reichssparkommissar leiste eine „Geheimarbeit“, die dem Parlament nichts nütze. Vgl. hierzu Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, V. Wahlperiode 1930, 106. Sitzung vom 4. 5. 1932, S. 1337. 221 Saemisch, Reichssparkommissar, S. 23. Fn. 12. 222 Vgl. hierzu die Ausführungen von Heinig (SPD), Köhler (Zentrum), Ersing (Zentrum), Brüninghaus (DVP), Cremer (DVP) in den Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, IV. Wahlperiode 1928, 175. Sitzung vom 31. 5. 1930, S. 1 ff. 223 Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, IV. Wahlperiode 1928, 175. Sitzung vom 31. 5. 1930, S. 3 f.

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nissen der Prüfung des Reichssparkommissars sehen, dass die Sachkenntnisse der Beamten oft nicht ausreichend seien. Schließlich warf Köhler dem Reichssparkommissar vor, er spare nicht genügend in seinem eigenen Haus. Es sei eine Verschwendung der zugeteilten Mittel, wenn der Etat für das Sparbüro von einem hochdotierten Ministerialamtsmann verwaltet werde, obgleich das Büro nur wenige Mitarbeiter habe. Der Abgeordnete Peter Schlack (Zentrum) schlug vor, der Reichssparkommissar solle als Staatsminister ein ordentliches Mitglied der Reichsregierung werden. Zudem müssten sich die Behörden die Erkenntnisse der modernen Betriebswirtschaftslehre mehr zunutze machen. An der Sitzung des Ausschusses nahm auch Saemisch persönlich teil, der die geübte Kritik zurückwies und sich dem Verhältnis von Rechnungshof und Sparkommissar zuwandte 224. Die Frage nach einer Verbindung der beiden Aufgabenbereiche sei nicht einfach zu beantworten. Der evidente Unterschied zwischen den Tätigkeiten sei, dass der Reichssparkommissar die laufende Verwaltung prüfe, der Rechnungshof sich aber auf die reine Rechnungsprüfung beschränke. Zwar spielten Wirtschaftlichkeitserwägung auch beim Rechnungshof im Rahmen des § 96 Abs. 3 und 4 RHO eine Rolle, aber die Prüfungsgegenstände seien doch ganz andere. Der Reichssparkommissar befasse sich mit Organisations- und Personalfragen in den Behörden, die der Rechnungshof nicht so umfassend in seine Kontrolle einbeziehe. Zudem bestehe ein wesentlicher Unterschied im Entscheidungsverfahren. Der Rechnungshof baue im Gegensatz zum Reichssparkommissar auf einem Kollegialsystem auf, und dies erschwere die Entschlusskraft des Rechnungshofes. Aus seiner Sicht, so Saemisch, hätte er viele Gutachten nicht in der Präzision und Eile erstellen können, wenn im Kollegium hätte entschieden werden müssen. Schon lange beschäftige ihn die Frage, wie die Aufgaben des Reichssparkommissars dauerhaft gesichert werden könnten 225. Er denke nicht an eine eigenständige Behörde, sondern an eine organische Verbindung von Reichsrechnungshof und Reichssparkommissar. Zum Teil habe er eine solche Entwicklung schon gefördert, indem Beamte des Rechnungshofes im Sparbüro tätig wurden 226. Saemischs Wunsch war zwar, eine Lösung dieser Frage möglichst zeitnah herbeizuführen, aber er sprach sich gegen eine sofortige Zusammenführung aus, da der Reichssparkommissar vorher noch etliche Aufgaben zum Abschluss bringen müsse 227. 224 Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, IV. Wahlperiode 1928, 175. Sitzung vom 31. 5. 1930, S. 6 ff. 225 Bereits in seiner ein Jahr zuvor erschienen Schrift „Der Reichssparkommissar und seine Aufgaben“, schrieb Saemisch, ihn beschäftige immer wieder, wie Reichssparkommissar und Rechnungshof einer engeren organisatorischen Verbindung zugeführt werden könnten. Vgl. Saemisch, Reichssparkommissar, S. 23. 226 Daher ist die Auffassung Glaser-Gaillons, Bundesrechnungshof als Kontrollorgan, S. 38 unzutreffend, es habe keinerlei organisatorische Verbindung zwischen Reichsrechnungshof und Sparkommissariat gegeben.

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Ebenfalls im Frühjahr 1930 kam es zu einem Treffen von Mitgliedern des Reichssparkommissariats und Reichsrechnungshofes, die erörterten, ob und wie gegebenenfalls die Aufgaben der beiden Bereiche zusammengelegt werden könnten 228. Die Vertreter des Rechnungshofes hielten eine Verschmelzung für unproblematisch. Beamte des Reichssparkommissars hingegen sprachen sich gegen eine Zusammenführung aus. Das kollegiale Beschlusssystem des Rechnungshofes eigne sich nicht für die Prüfaufgaben des Reichssparkommissars. Zudem sei eine erhebliche Personalaufstockung beim Rechnungshof notwendig, die nicht mit dem Sparkurs der Regierung zu vereinbaren sei. Auf eine vor Beginn der Besprechung in Betracht gezogene Denkschrift konnten sich die Teilnehmer nicht einigen. Im Zuge der Beratungen über den Haushalt von Rechnungshof und Sparkommissariat für das Jahr 1931 debattierte der Haushaltsausschuss am 5. Februar 1931 nochmals über die Stellung des Reichssparkommissars. Die Meinungen über den Sinn einer Verbindung von Reichsrechnungshof und Reichssparkommissar gingen dabei wie gewohnt auseinander 229. Einig waren sich die Teilnehmer aber darin, dem Antrag der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), der auf eine ersatzlose Auflösung der Tätigkeit des Reichssparkommissars zielte, nicht zuzustimmen 230. Des Weiteren teilte der Ministerialdirigent im Reichsfinanzministerium in der Sitzung mit, Präsident Saemisch und der Reichsfinanzminister stimmten darin überein, die Aufgaben des Reichssparkommissars auf andere Behörden zu übertragen 231. Daher habe das Reichsfinanzministerium den Rechnungshof ersucht zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Verbindung von Sparkommissar und Rechnungshof möglich sei 232. Saemisch, der ebenfalls an der betreffenden Sitzung teilnahm, wiederholte seine Bedenken, dass im Falle einer Fusion das Kollegialverfahren des Rechnungsho227 Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, IV. Wahlperiode 1928, 175. Sitzung vom 31. 5. 1930, S. 6 f.; Dommach, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer (1989), S. 65 (95), ist der Auffassung, Saemisch habe sich bereits im Zuge der ersten Novelle der Reichshaushaltsordnung bemüht, Sparbüro und Rechnungshof zusammenzuführen und ihre Aufgaben einheitlich in der RHO zu regeln. 228 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (90). 229 Die Abgeordneten Heinrich Köhler (Zentrum) und Albrecht Morath (DVP) sprachen sich für eine Verbindung aus, Joseph Ersing (Zentrum) und Oskar Hergt (DNVP) äußerten Bedenken. Vgl. hierzu die Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, V. Wahlperiode 1930, 37. Sitzung vom 5. 2. 1931, S. 497 ff. 230 Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, V. Wahlperiode 1930, 37. Sitzung vom 5. 2. 1931, S. 496. 231 Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, V. Wahlperiode 1930, 37. Sitzung vom 5. 2. 1931, S. 502. 232 Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, V. Wahlperiode 1930, 37. Sitzung vom 5. 2. 1931, S. 496.

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fes nicht sonderlich geeignet sei, Entscheidungen über anzufertigende Gutachten zu treffen. Er schlug daher vor, solche nicht vom Gesamtkollegium des Rechnungshofes fällen zu lassen, sondern sie im Wege der Mehrheitsentscheidung eines kleinen Gremiums zu beschließen 233. Im November 1931 ging von Saemisch selbst die vorerst letzte Initiative zur Verschmelzung der Aufgaben von Sparkommissar und Rechnungshof aus. Saemisch erklärte gegenüber dem Staatssekretär im Finanzministerium, Schäffer, er wolle die Aufgabe als Reichssparkommissar aufgrund der ständigen Arbeitsbelastung zum Ende des Jahres beenden 234. Die Zuständigkeiten könnten aus seiner Sicht auf das Reichsfinanzministerium und den Reichsrechnungshof übertragen werden. Schäffer bat Saemisch, seine Tätigkeit vorerst fortzusetzen, um die Möglichkeiten der neuen Aufgabenverteilung noch gründlicher auszuloten. Saemisch erklärte sich einverstanden. Doch auch diese Initiative hat das Diskussionsstadium nicht verlassen und so blieb die bisherige Kompetenzverteilung unverändert 235.

§ 3 Die beratende Funktion der Finanzkontrolle zur Zeit des Nationalsozialismus A. Erste Auswirkungen der Diktatur auf die Finanzkontrolle Mit der Errichtung der nationalsozialistischen Herrschaft gingen einschneidende staatsrechtliche Umbrüche einher, in der die Verfassungsprinzipien der Weimarer Reichsverfassung bis zur Bedeutungslosigkeit ausgehöhlt wurden 236. Dem Zwang der neuen politischen Machtverhältnisse und der geänderten Verfassungswirklichkeit konnte sich auch der Rechnungshof nicht entziehen 237.

233 Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt, V. Wahlperiode 1930, 37. Sitzung vom 5. 2. 1931, S. 502. 234 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (91). 235 Erschwerend kam hinzu, dass Saemisch von April 1932 bis Ende November 1932 wegen einer schweren Lungenerkrankung im Schwarzwald behandelt wurde. Vgl. Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (91). 236 Vgl. zu den staatsrechtlichen Umbrüchen im Überblick: Grawert, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. I, § 6 Rn. 1 ff. 237 Borzikowsky, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 4, S. 883 (884).

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Durch das so genannte Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 238 entmachtete sich der Reichstag selbst und wurde vom nationalsozialistischen Regime auf ein propagandistisches Mittel der Machtdarstellung reduziert. Mit der Selbstentmachtung des Reichstages war auch die ursprüngliche Bedeutung der vom Rechnungshof aufzustellenden Bemerkungen zur Haushaltsrechnung weggefallen, da der Reichstag de facto nicht mehr als Entlastungsorgan fungieren konnte 239. Für die Mitglieder von Rechnungshof und Sparkommissariat stellte sich folglich die Frage, welchen Stellenwert die neuen Machthaber der Finanzkontrolle überhaupt einräumen wollten; so hatte die NSDAP schließlich im Jahr 1931 bereits in einem Antrag gefordert, den Reichssparkommissar ersatzlos abzuschaffen 240. Am 30. März 1933 kam es zu einer Unterredung zwischen Reichskanzler Adolf Hitler und Saemisch, wobei unklar ist, auf wessen Initiative das Gespräch zustande kam 241. Auch der genaue Inhalt der Unterredung lässt sich nur schwerlich rekonstruieren. Hitler schien zumindest gegenüber Saemisch die Notwendigkeit der Rechnungskontrolle betont zu haben 242. Saemisch unterrichtete das Kollegium des Rechnungshofes über das Gespräch. Die Mitglieder fassten einen Beschluss, in dem sie Hitler bei der Durchführung „seiner schweren Aufgaben mit allen Kräften“ Unterstützung zusagten, aber auch hervorhoben, dass eine erfolgreiche Überwachung des Reichshaushalts in den vergangenen Jahren vor allem durch die vom Gesetz gesicherte Unabhängigkeit der Rechnungshofmitglieder gewährleistet wurde 243. Aus dem Beschluss lässt sich die Sorge der Beamten des Reichsrechnungshofes um ihre bisherige Stellung ableiten. Aber schon kurz nachdem Hitler mit Worten die Notwendigkeit der Finanzkontrolle betont hatte, zeigten Taten, wie die Rechte des Rechnungshofes beschnitten werden sollten: Nur fünf Tage nach der Unterredung zwischen Hitler und Saemisch entschied das Kabinett 244 am 4. April 1933, den Mitprüfungsausschuss 245 aufzulösen, der Haushaltsrechtsverstöße im Bereich der geheimen Rüstungsaus238

Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich (RGBl. I, S. 141). Die Entlastungsfrage klärte sich erst am Ende des Jahres mit dem Inkrafttreten der neuen RHO. 240 Vgl. oben S. 59. 241 Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 37. Fraglich ist die Wertung Rischers, Finanzkontrolle, S. 91, der ohne nähere Nachweise der Auffassung ist, Saemisch habe nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verspürt, in seiner Tätigkeit als Reichssparkommissar immer stärker eingeschränkt zu werden. 242 Diese Folgerung ergibt sich aus Tagebuchaufzeichnungen Saemischs und dem Beschluss des Kollegiums des Rechnungshofes, den Saemisch am 4. 4. 1933 Hitler schriftlich übermittelte. Vgl. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 37 Fn. 69. 243 Der Beschluss des Kollegiums findet sich im Schreiben Saemischs an Hitler vom 4. 4. 1933. Als Anlage 2 abgedruckt bei Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 221. 244 Der Kabinettbeschluss ist als Anlage 3 abgedruckt bei: Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 222. 239

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gaben frühzeitig verhindern sollte. Damit hatte die Wehrmacht praktisch die volle Haushaltsautonomie über ihre Ausgaben 246. Ebenfalls der Prüfung durch den Rechnungshof entzogen werden sollten die Finanzen der NSDAP. Nach Hitlers ausgegebener Devise an den Reichsschatzmeister der NSDAP, Franz Xaver Schwarz, für die Partei sei er (Schwarz) der oberste Rechnungshof 247, folgte ein ständiger Konflikt zwischen Schatzmeister und Rechnungshof. Im Jahr 1941 erkannte der Rechnungshof in einem Abkommen offiziell an, dass Einrichtungen des Parteienrechts ausschließlich vom Reichsschatzmeister zu prüfen seien 248. Erschwert wurden die Prüfungstätigkeiten des Rechnungshofes zudem noch durch tatsächlich oder auch nur angeblich ergangene „Führerentscheidungen“. Hitlers Wille galt während der nationalsozialistischen Herrschaft als unbedingt zu verfolgendes Gesetz. Nicht mehr Form, Verfahren und Rechtmäßigkeit zeichneten das Gesetz aus, sondern entscheidend war, was dem „Führerwillen“ entsprach 249. Immer wieder beriefen sich Behörden auf „Führererlasse“, um Nachfragen oder gar Prüfungen des Rechnungshofes zu verhindern 250. Dabei war es fast unmöglich, die Existenz, den genauen Inhalt oder die Begleitumstände solcher angeblichen Erlasse zuverlässig in Erfahrung zu bringen 251.

B. Die Zweite Novelle der Reichshaushaltsordnung und das Ende des Reichssparkommissars (1934) Im Sommer 1933 begannen die Vorarbeiten zu einer Novelle der Reichshaushaltsordnung. Maßgebliche Initiatoren des Gesetzesentwurfes waren der preußi245 Dem Mitprüfungsausschuss gehörten ein Vertreter des Reichswehrministeriums, der Staatssekretär im Reichsfinanzministerium, der Präsident des Reichsrechnungshofes und je nach Sachlage auch ein Staatssekretär eines weiteren Ministeriums an. 246 Rischer, Finanzkontrolle, S. 63. 247 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (90). 248 Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 60. 249 Grawert, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. I, § 6 Rn. 26 ff. 250 So musste sich zum Beispiel jegliche Wirtschaftlichkeitserwägung der von Hitler geforderten „neuen Baugesinnung“ unterordnen. Der Rechnungshof hatte daher keine Möglichkeiten der Beanstandung, wenn Ausgaben bei Bauvorhaben der nationalsozialistischen Vorstellung von Schönheit und Ästhetik galten. In einem anderen Fall konnte eine Autobahn nicht über die kürzeste und günstigste Verbindung gebaut werden, da sich eine Villa des Reichsministers Goebbels in der Nähe befand. Vgl. zu diesen und weiteren Beispielen: Heinig, Das Budget, Bd. 1, S. 126 f. 251 Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 60. Bei Auskunftsersuchen an die Reichskanzlei hieß es häufig nur, es könne sein, dass eine derartige „Führerentscheidung“ ergangen sei. Vgl. hierzu auch Heinig, Das Budget, Bd. 1, S. 126.

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sche Finanzminister Popitz und Saemisch 252, die im Rückenwind der Aktivitäten der neuen Machthaber schon lange ins Auge gefasste Veränderungen umsetzen wollten 253. Reichsfinanzminister Schwerin von Krosigk sandte am 2. Dezember 1933 den Entwurf der Reichshaushaltsordnung nebst Begründung an den Staatssekretär der Reichskanzlei, mit der Bitte, die Novelle auf Grundlage des Ermächtigungsgesetzes zu verabschieden 254. Am 8. Dezember 1933 beriet das Kabinett die Vorlage und nahm sie unverändert an 255. Da die Reichsregierung durch das Ermächtigungsgesetz auch die gesamte Gesetzgebungsgewalt innehatte, bedeutete die Annahme der Vorlage im Kabinett zugleich die Verabschiedung des Gesetzes 256. Das Gesetz bestand aus fünf Artikeln, von denen sich die ersten vier auf die Finanzkontrolle bezogen und der fünfte eine Änderung des Besoldungsgesetzes festschrieb. Weitreichende Änderungen wurden insbesondere für den fünften Abschnitt der Reichshaushaltsordnung beschlossen, der die innere Organisation des Reichsrechnungshofes regelte und in der amtlichen Begründung als Kernstück der Novelle bezeichnet wurde 257. Deutlich änderte sich durch die neue Reichshaushaltsordnung die Stellung des Präsidenten des Rechnungshofes. Seine Rolle wurde so stark aufgewertet, dass das Kollegialprinzip nahezu eine leere Hülse war 258. Der alte § 119 Abs. 1 S. 1 RHO („Der Rechnungshof bildet ein Kollegium“) wurde kurzum gestrichen. Die Vollversammlung, die zuvor über alle 252 Popitz und Saemisch waren seit ihrer gemeinsamen Zeit im Reichsfinanzministerium, das heißt seit dem Jahr 1919, befreundet. Vgl. hierzu Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 101. Popitz war seit 1933 preußischer Finanzminister und zunächst aktiver Unterstützer beim Aufbau der nationalsozialistischen Gesetzgebung, zeigte seit 1937/38 zunehmende Abneigung gegen die nationalsozialistische Politik, hatte Kontakt zum deutschen Widerstand und war Teilnehmer der sog. Berliner Mittwochsgesellschaft. Ausarbeitung eines vorläufigen Staatsgesetzes für Goerdeler; von der Widerstandbewegung um Graf von Stauffenberg war er nach dem geplanten Umsturz als Minister einer Reichsregierung vorgesehen, am 3. 10. 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, wurde Popitz am 2. 2. 1945 im Alter von 61 Jahren hingerichtet. Vgl. zur Biographie von Popitz: Voß, Popitz, S. 1 ff.; Hettlage, Männer der deutschen Verwaltung, S. 329 ff. 253 Popitz und Saemisch verfassten mehrere Entwürfe zu einer RHO, die als „Fassung Popitz-Saemisch“ bezeichnet worden waren. Vgl. hierzu Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 49. 254 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (83). 255 In der Kabinettssitzung wurde diskutiert, ob das Kollegialprinzip unter dem Gesichtspunkt der Einführung des „Führergedankens“ nicht mit sofortiger Wirkung abgeschafft werden sollte. Eine endgültige Entscheidung hierzu wurde nicht getroffen. Vgl. hierzu Klein, in: FS Schäfer (1975), S. 209 (213 f.). 256 Das Gesetz wurde am 13. 12. 1933 im Reichsgesetzblatt veröffentlicht (RGBl. II, S. 1007 ff.). 257 Reichsanzeiger 1933, Nr. 293 vom 15. 12. 1933. 258 Dommach, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer (1989), S. 65 (103); ders., Von Potsdam nach Frankfurt, S. 52.

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wichtigen Fragen zu entscheiden hatte, wurde mit den neuen §§ 126 a) und b) RHO durch kleine Beschlussgremien bzw. Senate ersetzt. Den Vorsitz in den Senaten führte gem. § 126 b) Abs. 3 RHO der Präsident, dem zugleich auch nach § 126 e) RHO ein Vetorecht gegen die Beschlüsse zustand. Des Weiteren erließ der Präsident die Geschäftsordnung (§ 126 f) RHO), er leitete und beaufsichtigte die gesamte Tätigkeit des Rechnungshofes (§ 124 Abs. 1 RHO). Erstmals wurde dem Präsidenten gem. § 119 Abs. 1 RHO ein Vizepräsident zur Seite gestellt. Die Aufwertung der Position des Präsidenten zeigte sich auch in der Änderung der zentralen Norm für eine Beratung nach der Reichshaushaltsordnung: § 101 RHO wurde durch die Zweite Novelle der Reichshaushaltsordnung von 1934 dahingehend geändert, dass der Wortlaut „Der Rechnungshof“ durch „Der Präsident des Rechnungshofes“ ersetzt wurde. Die Regelung des § 101 RHO lautete damit wie folgt: § 101 RHO: „Der Präsident des Rechnungshofes hat sich auf Ansuchen der Reichsminister oder des Reichstages über Fragen gutachtlich zu äußern, deren Beantwortung für die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel durch die Behörden von Bedeutung ist.“

Dass der Präsident des Reichsrechnungshofes nun sogar durch die Reichshaushaltsordnung zur zentralen Beratungsperson gemacht wurde, geschah nicht ohne Grund: Die Zweite Novelle der Reichshaushaltsordnung besiegelte nämlich zugleich das Ende des Reichssparkommissars in seiner hergebrachten Struktur als Vertrauensperson der Reichsregierung. Denn Art. III der RHO-Novelle bestimmte, dass die Aufgaben des Reichssparkommissars bis spätestens zum 1. April 1934 auf die neu zu gründende Präsidialabteilung des Reichsrechnungshofes übergehen sollte, soweit die Reichsregierung nicht andere Dienststellen mit Aufgaben des Sparkommissars betraute. In der Begründung zur Novelle 259 wurde diese Verteilung konkretisiert. So sollte die Durchprüfung der Reichsverwaltung auf eine sparsame Wirtschaftsführung in der Hauptsache dem Reichsfinanzminister obliegen, alle übrigen Prüfungen, einschließlich der Verwaltungen von Ländern und Gemeinden, sollte die Präsidialabteilung übernehmen. Allerdings ist diese vorgesehene Teilung der Zuständigkeiten später nicht umgesetzt worden 260. So wurden alle Mitarbeiter des Reichssparkommissariats in die neu geschaffene Präsidialabteilung versetzt. Die Auflösung des Reichssparkommissariats, so hieß es in der Begründung weiter, bedeute keineswegs eine Lockerung der straffen und sparsamen Haushaltsführung. Vielmehr müsse die Spartätigkeit mit Nachdruck weiterbetrieben werden. Die Übertragung der Aufgaben des Sparkommissars auf den Rechnungshof habe den Vorteil, dass Kräfte und Erfahrungen der Direktoren und Ministerialräte des Rechnungshofes herangezo259 Abgedruckt bei: Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (103). 260 Lehmberg, Gutachtertätigkeit, S. 17.

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gen werden könnten. Reichsfinanzminister von Krosigk wies mit einem Schreiben an Saemisch vom 22. März 1934 auf das nahende Ende der Existenz des Reichssparkommissars hin und dankte Saemisch zugleich für seinen Einsatz in dieser Funktion während der vergangenen Jahre 261. Überlegungen zu einer Verschmelzung der Aufgaben von Reichssparkommissariat und Reichsrechnungshof, die bereits in der Weimarer Republik die Diskussion bestimmten, kamen damit zum Abschluss. In einem Beitrag für die Deutsche Juristenzeitung im Jahr 1934 262 begrüßte Saemisch die neuen Regelungen. Die schwache Stellung des Präsidenten, wie sie die Reichshaushaltsordnung von 1922 anordnete und der Umstand, dass in fast allen Fragen die Vollversammlung von 25 Mitgliedern das letzte Wort habe, seien aus seiner Sicht schon lange ein wesentlicher Mangel gewesen 263. Unter dem Gesichtspunkt der beratenden Funktion gab es durch die Novelle der Reichshaushaltsordnung eine weitere wichtige Änderung für die Beteiligung des Reichsrechnungshofes an der Aufstellung der Haushaltsvoranschläge der Reichsressorts. So wurden bisher dem Reichssparkommissar nach den Richtlinien von 1926 vom Reichsfinanzminister sämtliche Haushaltsvoranschläge der Ressorts übersandt. Er überprüfte die Unterlagen und ließ sich bei den Haushaltsbesprechungen zwischen dem Reichsfinanzministerium und den Ressorts von Referenten des Reichssparkommissariats vertreten 264. Da die Aufgaben des Reichssparkommissars durch die Novelle der Reichshaushaltsordnung auf die Präsidialabteilung des Rechnungshofes übergingen, sollte die Möglichkeit der Beteiligung des Rechnungshofes an den Haushaltsberatungen durch die Einfügung eines neuen Absatzes 2 in § 19 RHO gesichert werden. Damit lautete § 19 RHO nun wie folgt: § 19 Abs. 1 RHO: „Die Unterlagen für die Aufstellung des Haushaltsplans für das kommende Rechnungsjahr sind von den einzelnen Stellen, deren Einnahmen und Ausgaben in einem selbständigen Einzelplane veranschlagt werden, und zwar von den Reichsministern für ihren Geschäftsbereich, unter eigener Verantwortlichkeit rechtzeitig festzustellen und dem Reichsminister der Finanzen zu dem von ihm zu bestimmenden Zeitpunkt einzusenden.“ § 19 Abs. 2 RHO: „Der Reichsminister der Finanzen übersendet ihm hierfür geeignet erscheinende Unterlagen dem Präsidenten des Rechnungshofes. Dieser kann auf Grund der bei der Rechnungsprüfung gemachten Wahrnehmungen hierzu Stellung nehmen.“

261 Abgedruckt bei: Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (106). 262 Saemisch, DJZ 1934, S. 172 ff. 263 Saemisch, DJZ 1934, S. 172 (173). 264 Schulze / Wagner, Kommentar RHO, § 19 Anm. 8.

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2. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis 1970

In der Gesetzesbegründung hieß es 265, die Vorschrift wolle dem Rechnungshof die Möglichkeit geben, schon bei der Aufstellung des Reichshaushaltsplans den Reichsminister der Finanzen in dem Bestreben nach Wirtschaftlichkeit der Verwaltung mit den besonderen Erfahrungen der Prüfungsbehörde zu unterstützen und so spätere Bemerkungen des Rechnungshofes zu ersparen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Befugnissen des Reichssparkommissars nach den Richtlinien 1926 und dem neuen § 19 Abs. 2 RHO lag zunächst darin, dass der Reichssparkommissar die Haushaltsvoranschläge der Ressorts vollständig erhielt, während nach der neuen Regelung der Reichsfinanzminister selektieren konnte, welches Material er dem Rechnungshof zur Verfügung stellen wollte. Die Reichsregierung wollte damit offenkundig den Informationsfluss steuern und bei Ausgaben, die sie politisch für notwendig hielt, ein Mitspracherecht des Rechnungshofes ausschließen 266. Eine weitere Beschränkung war dem Rechnungshof dadurch auferlegt, dass er nur aufgrund der bei der Rechnungsprüfung gewonnenen Erkenntnisse zu den Haushaltsvoranschlägen Stellung nehmen konnte. Durch die Novelle zur Reichshaushaltsordnung wurde auch eine der wichtigsten Funktionen und Errungenschaften parlamentarischer Finanzkontrolle zur Makulatur: Die Entlastung der Reichsregierung durch den Reichstag lief nun vollkommen leer. Art. II § 2 Abs. 3 der Novelle der Reichshaushaltordnung ermöglichte es der Reichsregierung, sich selbst zu entlasten 267. Damit fiel das Kontrollniveau über die Staatsfinanzen in die Zeit absolutistischer Machtsausübung zurück. Den Ländern wurde durch Art. IV § 1 der Novelle die Option eingeräumt, die Vorschriften der Reichshaushaltsordnung für ihr Land für entsprechend anwendbar zu erklären; hiervon machten jedoch nur vier Länder Gebrauch 268. Die von Saemisch immer wieder erhobene Forderung 269 nach einer Vereinheitlichung des Haushaltsrechts von Reich und Ländern wurde jedoch erst im Jahr 1936 Wirklichkeit. Durch die vierte Änderung der Reichshaushaltsordnung 270 wurden die Länder verpflichtet, die Reichshaushaltsordnung entsprechend anzuwenden.

265

RGBl. II, S. 1007 ff. Schulze / Wagner, Kommentar RHO, § 19 Anm. 8. 267 Für die Rechnungsjahre 1927, 1928 und 1929 stellte Art. II § 2 Abs. 1 der Gesetzesnovelle kurzum die Entlastung fest. 268 Preußen machte von dieser Möglichkeit bereits zwei Tage nach der Verkündung der neuen RHO Gebrauch. 1935 folgten die Länder Lippe und Saarland, 1937 Bayern. Vgl. hierzu Dommach, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer (1989), S. 65 (106). 269 Saemisch, Die Kontrolle der staatlichen Finanzwirtschaft, S. 109. 270 RGBl. 1936 II, S. 209. 266

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C. Die Präsidialabteilung als Beratungsinstanz Die neu geschaffene Präsidialabteilung führte die Gutachtertätigkeit sehr betriebsam fort. In den Jahren 1934 bis 1940 wurden insgesamt 343 Gutachten und gutachtliche Äußerungen über Verwaltungsbehörden von Reich und Ländern erstattet, 21 weitere Gutachten betrafen die Verwaltung von Gemeinden und Gemeindeverbänden 271. Fraglich ist jedoch, auf welcher Rechtsgrundlage diese Gutachten erstattet wurden. Als normatives Recht kommen §§ 96 Abs. 1 Nr. 4, 101 RHO und Art. III des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Reichshaushaltsordnung gegebenenfalls in Verbindung mit den Richtlinien des Reichssparkommissars vom 14. Dezember 1926 in Betracht. Die Nachkriegsliteratur kommt zu unterschiedlichen Einschätzungen, welche Rechtsgrundlagen überhaupt noch weiter galten 272. So ist Fuchs 273 ohne Erwähnung von § 101 RHO der Meinung, mit dem Übergang der Tätigkeiten des Reichssparkommissars auf die Präsidialabteilung sei nur eine Änderung der Dienststellenbezeichnung unter Fortgeltung der Richtlinien für den Reichssparkommissar aus dem Jahr 1926 vorgenommen worden. Auch Klein 274 meint ohne Begründung, es sei mit der Novelle „im Grunde“ bei der bisherigen Regelung geblieben, zumindest Art. III des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Reichshaushaltsordnung habe keine Anwendung gefunden. Lehmberg 275 scheint eine parallele Geltung von § 101 RHO und Art. III des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Reichshaushaltsordnung anzunehmen, äußerst sich aber nicht zu einer möglichen Weitergeltung der Richtlinien von 1926. Lehmberg argumentiert, § 101 RHO könne nicht die Grundlage für die Anfertigung von kommunalen Gutachten gewesen sein, da diese Vorschrift nur Gutachten über die Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln durch Reichsbehörden, nicht aber solche über die Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln durch Gemeindebehörden ermögliche. Nach Gehringer 276 wurde die Position des Reichssparkommissars mit dem Übergang der Aufgaben auf die Präsidialabteilung des Rechnungshofes beseitigt. Die Gutachtertätigkeit sei nur noch im Rahmen der Vorschriften der Reichshaushaltsordnung möglich gewesen, da die Richtlinien für den Reichssparkommissar nicht mehr gegolten hätten. Die Vermutung von Schulze / Wagner, nach der sich die Reichsregierung und der Präsident des Rechnungshofes auf genaue Befugnisse der Präsidialabtei271 272 273 274 275 276

von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (90). Ein großer Teil der Literatur geht allerdings auf diese Frage nicht näher ein. Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, S. 178. Klein, DÖV 1961, S. 805 (811). Lehmberg, Gutachtertätigkeit, S. 22. Gehringer, Sparfunktion und Sparkommissar, S. 128.

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2. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis 1970

lung zur Erstattung von Gutachten einigen würden, bewahrheitete sich nicht. Neue Richtlinien für die Tätigkeit der Präsidialabteilung wurden nicht verfasst. Als Rechtsgrundlage für die Gutachtenerstattung konnte sich die Präsidialabteilung zunächst auf § 96 Abs. 1 Nr. 4 RHO stützen. Der Rechnungshof hatte nach dieser Vorschrift bei seiner Prüfung auch darauf zu achten, ob Reichsmittel für Organisationen und Personal hätten eingeschränkt oder erspart werden können. Schulze / Wagner kommentieren, mit der Einsetzung des Reichssparkommissars sei ein wesentlicher Teil der Aufgabe nach § 96 Abs. 1 Nr. 4 RHO auf den Reichssparkommissar übergegangen 277. Im Umkehrschluss zur Kommentierung von Schulze / Wagner kann daher gefolgert werden, dass mit dem Ende der Tätigkeit des Sparkommissars die Aufgaben nach § 96 Abs. 1 Nr. 4 RHO wieder vollständig dem Rechnungshof und hier genauer der Präsidialabteilung zugewiesen wurden. § 96 Abs. 1 Nr. 4 RHO ermöglichte dem Rechnungshof jedoch keine von der Prüfung der Jahresrechnung selbstständige Gutachtenerstattung. Die geänderte Regelung spricht damit für die Anwendung des § 101 RHO als Rechtsgrundlage für die Gutachtenerstellung der Präsidialabteilung. Zugestimmt werden muss aber dem Einwand Lehmbergs, die Erstattung von Länder- und Gemeindegutachten könne nicht auf Grundlage des § 101 RHO erfolgt sein. Dies leitete sich nicht nur, wie Lehmberg meint, aus dem Behördenbegriff, sondern auch aus dem Initiativrecht zur Gutachtenerstattung ab. Nach § 101 RHO konnte der Präsident des Rechnungshofes Gutachten nur auf „Ansuchen der Reichsminister oder des Reichstages“ anfertigen. Die Gutachten der Präsidialabteilung für Länder und Gemeinden wurden aber nicht auf Initiative der Reichsministerien oder gar des Reichstages erarbeitet. Bezüglich des Behördenbegriffs hätte der Wortlaut des § 101 RHO zwar auch Landes- und Kommunalbehörden erfassen können, aber aus der Systematik der Reichshaushaltsordnung, die die Haushaltswirtschaft des Reiches normiert, ergibt sich, dass Behörden im Sinne der Reichshaushaltsordnung nur Reichsbehörden sein konnten. Für die Expertisen der Präsidialabteilung auf Landes- und Gemeindeebene schied die Reichshaushaltsordnung als Rechtsgrundlage folglich aus. Als Rechtsgrundlage kamen damit nur noch Art. III des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Reichshaushaltsordnung und die Richtlinien für den Reichssparkommissar vom 14. Dezember 1926 in Frage. Die Auslegung, nach der die Richtlinien für den Reichssparkommissar auch nach der zweiten Novelle der Reichshaushaltsordnung weiterhin Geltung beanspruchen sollten, erscheint allerdings zweifelhaft. Gegen eine Weitergeltung sprechen zunächst Form und 277

Schulze / Wagner, RHO, § 96 Anmerkung 8. Auch Saemisch verwies im Haushaltsausschuss des Reichstages am 31. 5. 1930 darauf, dass zwar auch beim Rechnungshof Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte im Rahmen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 und 4 eine Rolle spielten, die Prüfungsgegenstände aber zu denen des Reichssparkommissars ganz andere seien.

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Verfahren, nach dem die Richtlinien für den Reichssparkommissar erlassen wurden, aber auch deren Inhalt. Der Erlass der Richtlinien wurde immer mit einem Kabinettsbeschluss verbunden, mit dem Saemisch gebeten wurde, die Aufgaben des Reichssparkommissars nach den neu verabschiedeten Richtlinien fortzuführen. Adressat dieser Entscheidung war zwar der Präsident des Reichsrechnungshofes, aber eben Saemisch ad personam. Er nahm das Ersuchen der Reichsregierung daraufhin formal an. Es handelte sich mithin um ein personales Vertrauensverhältnis zwischen der Regierung und Saemisch, mit dem der Reichssparkommissar gerade nicht als Institution unabhängig von der Person geschaffen wurde 278. So könnte angenommen werden, die Richtlinien entfalteten ihre Wirkung nur, wenn dieses besondere Verfahren und diese Form eingehalten wurden. Die nationalsozialistische Regierung fasste aber keinen Beschluss, auf welche Art und Weise dem Präsident des Rechnungshofes die Möglichkeit der Gutachtenerstellung zustehen sollte. Andererseits kann der Wortlaut in Art. III des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Reichshaushaltsordnung, nach dem „die Aufgaben des Reichssparkommissars (...) auf die Präsidialabteilung des Rechnungshofes über[gehen]“, auch so verstanden werden, dass alle Rechte und Pflichten aus den Richtlinien weiter gelten sollen. Denn die Aufgaben des Reichssparkommissars waren nur in Richtlinien niedergelegt. Nach dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft liefen jedoch viele Bestimmungen aus den Richtlinien von 1926 leer. So verlor Saemisch schon bald nach dem 30. Januar 1933 den Zugang zum Kabinett 279; das Recht zur Teilnahme an Sitzungen des Reichstages und Reichsrates war ebenfalls Makulatur und das in den Richtlinien vorgesehene Sparbüro wurde aufgelöst. Wenn eine Weitergeltung der Richtlinien unterstellt wird, dann nur in einer stark reduzierten Fassung, in der als einziges wirkungsvoll weiter bestehendes Recht letztlich die Gutachtenerstattung an Länder und Gemeinden blieb. Falls aber eine Weitergeltung der Richtlinien vom 14. Dezember 1926 in Verbindung mit Art. III des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Reichshaushaltsordnung verneint wird, sind die Länder- und Kommunalgutachten nach dem 31. März 1934 dementsprechend ohne Rechtsgrundlage erstattet worden.

278

Vgl. zu der hier vertretenen Wertung auch Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (73). 279 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (107).

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2. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis 1970

D. Entwicklungen nach dem Präsidentenwechsel bis zum Kriegsende (1938 – 1945) Nach fast 16 Jahren an der Spitze des Reichsrechnungshofes trat Saemisch am 31. März 1938 in den Ruhestand 280. Die persönliche Aushändigung seiner Entlassungsurkunde durch den Reichsfinanzminister lehnte er mit dem offiziellen Hinweis auf seinen Gesundheitszustand ab. Hintergrund für Saemischs Verhalten war aber wohl eher ein vorausgegangener Streit mit dem Reichsfinanzministerium, in dem Saemisch die Einflussnahme des Ministeriums auf Personalveränderungen am Rechnungshof mit dem Hinweis auf die Unabhängigkeit seiner Behörde verhindern wollte 281. Für die Nachfolge Saemischs waren mehrere Interessierte im Gespräch 282. Saemisch favorisierte Vizepräsidenten Fritz Mussehl 283. Vonseiten des Reichsfinanzministeriums schlug der nationalsozialistische Staatssekretär Fritz Reinhardt ein altgedientes NSDAP-Mitglied vor – den Oberfinanzpräsidenten von Köln, Heinrich Müller, der seit 1922 Mitglied der Partei war 284. Hitler, der bereits im Vorfeld angekündigt hatte, auf die Entscheidung persönlich Einfluss nehmen zu wollen, stimmte im Rahmen einer Unterredung mit Staatssekretär Reinhardt auf dem Obersalzberg am 11. Juli 1938 der Ernennung Müllers zu 285. Am 13. Juli 1938 trat Müller sein Amt als Präsident des Rechnungshofes des Deutschen Reiches an. Auf einem Symposium über Organisation, Aufgaben und Grundfragen des staatlichen Rechnungs- und Kontrollwesens am 31. August 1939 erläuterte Müller, welches neue Selbstverständnis der Reichsrechnungshof haben müsse. Der Rechnungshof sei ein Werkzeug des „Führers“ und insoweit mehr „Führerbehörde“ als Reichsbehörde 286. Er solle nicht nur nachrangig prüfen, sondern beim 280 Nur durch ein eigens für Saemisch erlassenes Ausnahmegesetz (RGBl. I 1937, S. 371), war es dem zum Zeitpunkt des Ausscheidens 68-jährigen Saemisch überhaupt möglich gewesen, über das 65. Lebensjahr hinaus im Amt zu bleiben. 281 Dommach, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer (1989), S. 65 (111). Die weitere Diskussion um die Beteiligung des Reichsfinanzministeriums an Personalmaßnahmen des Rechnungshofes wurde durch den Erlass der Reichskanzlei vom 23. 11. 1938 (RGBl. 1938 I, S. 1169) endgültig zu Lasten des Rechnungshofes entschieden, da nach der Neuregelung alle Personalvorschläge vom Chef der Reichskanzlei mitzuzeichnen waren. 282 Bis zu sechs Anwärter wurden im Zuge der Nachfolgedebatte in die Diskussion gebracht. Vgl. Dommach, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer (1989), S. 65 (112) 283 Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 77. 284 Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 77. 285 Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 79. 286 Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 80 Fn. 2.

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Aufbau der Verwaltung beraten, vorsorgen und planen. Müller wollte einen Reichskontrollhof schaffen, der die gesamte staatliche Kontrolle von Reich, Ländern und Gemeinden vereinigen sollte 287. Unter Geheimhaltung ließ er einen Entwurf eines entsprechenden Reichskontrollgesetzes ausarbeiten, dem nach langen Verhandlungen im Jahr 1944 schließlich Reichskanzlei und Finanzminister zustimmten 288. Zu einer Verkündung des Gesetzes kam es allerdings nicht mehr. Beginn und Entwicklung des deutschen Angriffskrieges hatten einschneidende Auswirkungen auf die Arbeit des Reichsrechnungshofes. Vor allem der vermehrte Einzug der Bediensteten zum Kriegsdienst wirkte sich auf die Arbeitsmöglichkeiten der Behörde aus. Zwischen 1939 und 1942 konnte der Rechnungshof nur auf zwei Drittel, später nur noch auf die Hälfte seiner Kräfte zurückgreifen 289. Die Verordnung des Ministerrates für die Reichsverteidigung über die Rechnungslegung und Rechnungsprüfung während des Krieges vom 5. Juli 1940 290 veränderte das Verfahren am Rechnungshof grundlegend: Die Prüfung der Rechnungen wurden überwiegend der Verwaltung selbst überlassen, der Schriftverkehr deutlich reduziert, Stellungnahmen von örtlichen Behörden kaum mehr eingefordert und die Vorprüfung schrittweise abgebaut 291. Auch die Gutachtertätigkeit der Präsidialabteilung wurde praktisch eingestellt. Im Jahr 1940 wurden nur noch sieben, 1941 gar nur drei Gutachten erstattet und von hier an bis zum Kriegsende gab es keine weiteren Ausarbeitungen mehr 292. Immer weiter in das Reichsgebiet vorrückende alliierte Bodentruppen, schwerste Luftangriffe auf deutsche Städte und der damit unmittelbar bevorstehende endgültige Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft machten eine ordnungsgemäße Arbeit der öffentlichen Verwaltung in den letzten Kriegsmonaten nahezu unmöglich. Bei Luftangriffen wurden in Dresden die Diensträume des Rechnungshofes mit sämtlichen Akten vollkommen, in Potsdam das zentrale Dienstgebäude des Reichsrechnungshofes schwer zerstört 293. Der Präsident des Reichsrechnungshofes beging am 26. April 1945 Selbstmord und nahm seine Ehefrau und die drei gemeinsamen Kinder mit in den Tod 294. Für den Rechnungshof des deutschen Reiches war die „Stunde null“ gekommen.

287

Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 118. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 118. 289 Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 95. 290 RGBl. II, 1940, S. 139. 291 Vgl. hierzu ausführlich Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 98 ff. 292 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (109). 293 Wittrock, DÖV 1986, S. 329 (330). 294 Wittrock, DÖV 1986, S. 329 (330). 288

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2. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis 1970

§ 4 Der Wiederaufbau der Finanzkontrolle in der Nachkriegszeit A. Die Rechnungshöfe in den Besatzungszonen Auf der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 295 vereinbarten die Siegermächte unter anderem die Einrichtung von zentralen deutschen Verwaltungsabteilungen auf den Gebieten Finanzen, Transport, Verkehr, Industrie und Außenhandel, die unter der Leitung eines alliierten Kontrollrates stehen sollten 296. Doch diese gemeinsam vereinbarte Linie wurde alsbald verlassen, da die Sowjetunion in ihrer Besatzungszone eine eigene Zentralverwaltung aufbauen wollte und Frankreich dem Abkommen zwar beitrat, aber sich schon in September 1945 schrittweise aus dem Kontrollrat zurückzog 297. Die Entwicklung der Verwaltung und damit auch der Finanzkontrollbehörden war damit maßgeblich von der Politik in der jeweiligen Besatzungszone bestimmt. Die britische Zone sollte sich als Keimzelle des Wiederaufbaus der Rechnungsprüfung offenbaren 298. Schon am 21. Juli 1945 gestattete die britische Militärregierung der bisherigen Außenabteilung des Reichsrechnungshofes in Hamburg, sie könne ihre Tätigkeit ungehindert fortsetzen. Kurz darauf wurde die Tätigkeit des Rechnungshofes auf die gesamte britische Zone ausgeweitet 299. Formal wurde der Rechnungshof durch eine Verordnung der Militärregierung vom 1. Dezember 1946 unter der Bezeichnung „Rechnungshof des Deutschen Reichs (Britische Zone) errichtet“ 300. Sein Aufbau war nach dem Vorbild des Reichsrechnungshofes organisiert. Neben den Rechnungsprüfungsabteilungen wurde eine Präsidialabteilung eingerichtet 301. Ab 1947 ersuchte die britische Führung den Präsidenten des Zonenrechnungshofes, Franz Haaser, vermehrt, Gutachten über Berliner Behörden zu erstellen 302. Haaser, der schon in einer Denkschrift vom 22. Juli 1945 die Beratungsfunktion der Rechnungshöfe als notwendig und sinnvoll hervorgehoben hatte 303, nahm diese Form der Auftragserteilung zum Anlass, 295

Vgl. zur Potsdamer Konferenz im Überblick m.w. N. Stolleis, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. I, § 7 Rn. 28 ff. 296 Deklaration abgedruckt bei Berber, Dokumentensammlung Völkerrecht, Bd. II, S. 2295. 297 Stolleis, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. I, § 7 Rn. 30. 298 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (91). 299 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (91 f.). 300 Wagner, AöR 126 (2001), S. 93 (121). 301 Domach, in: Pirker (Hrsg.), Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung, S. 77 (79). 302 Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 148. 303 Wittrock, DÖV 1986, S. 329 (331).

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ohne besondere Absprache mit den Briten eine Gutachtenabteilung aufzubauen, die überwiegend frühere Bedienstete der Präsidialabteilung des Reichsrechnungshofes beschäftigte 304. Leiter dieser Abteilung IV, wie die Gutachtenabteilung bezeichnet wurde, war seit Sommer 1947 Arthur Fuchs, der bereits unter Präsident Saemisch ein fester Mitarbeiter des Reichssparkommissariats war 305. Die Abteilung bestand aus sechs Beamten des höheren und gehobenen Dienstes 306. Die Weitergeltung der Richtlinien für den Reichssparkommissar aus dem Jahr 1926 wurde in der Gutachtenabteilung stillschweigend vorausgesetzt 307. Für die Militärregierung, Bundesländer und Städte wurden Gutachten verschiedenster Art erstellt 308. In der amerikanischen und französischen Besatzungszone wurden – anders als in der britischen Zone, wo der Zonenrechnungshof eine zentrale, länderübergreifende Zuständigkeit hatte – für die einzelnen Länder Rechnungshöfe bzw. Rechnungskammern gebildet 309. Auch in diesen beiden Zonen griffen sowohl die militärische Führung als auch die Landesregierungen auf die Beratung durch die Rechnungshöfe zurück. So brachten sich die Rechnungshöfe vor allem beim Aufbau neuer Verwaltungsstrukturen mit ihren Vorschlägen ein, und es kann mit Recht behauptet werden, dass die Gutachtertätigkeit in dieser Zeit des Wiederaufbaus sogar Vorrang vor der klassischen Rechnungsprüfung hatte 310.

B. Die beratende Finanzkontrolle im Vereinigten Wirtschaftsgebiet US-Außenminister James Francis Byrnes vertrat in seiner deutschlandpolitischen Rede im Sommer 1946 die Auffassung, Deutschland könne nicht auf unbegrenzte Zeit in „vier luftdichten Kammern“ verwaltet werden 311. Und so war es vor allem der Initiative der Amerikaner zu verdanken, dass die britische und amerikanische Militärregierung am 2. Dezember 1946 vereinbarten 312, ihre beiden Besatzungszonen wirtschaftlich zum Vereinigten Wirtschaftsgebiet (VWG) 304

Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, S. 179. Otto, in: Pirker (Hrsg.), Bizonale Sparkommissare, S. 113 (115). 306 Otto, in: Pirker (Hrsg.), Bizonale Sparkommissare, S. 113 (115). 307 Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, S. 179. 308 Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, S. 180. 309 Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 153 ff. 310 So auch die Wertung von Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 156. Vgl. zur wichtigen Rolle der Rechnungshöfe beim staatlichen Wiederaufbau auch Pirker (Hrsg.), Bizonale Sparkommissare, S. 1 ff. 311 Stolleis, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. I, § 7 Rn. 107. 312 Abdruck bei: von Münch, Dokumente des geteilten Deutschlands, Bd. 1, S. 65 ff. 305

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2. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis 1970

zusammenzuschließen. Der Wirtschaftsrat 313 als oberste Behörde des VWG hatte bereits im ersten Überleitungsgesetz vom 9. August 1947 314 eine gesetzliche Regelung für einen eigenständigen Rechnungshof im VWG angekündigt. Dieser sollte die gesamte Haushaltsführung der Verwaltungen und Sonderverwaltungen im VWG überwachen, aber auch zu Organisations- und Wirtschaftlichkeitsfragen als Gutachter zur Verfügung stehen. Daraufhin erging am 21. November 1947 ein vorläufiges Rechnungsprüfungsgesetz, dem am 3. November 1948 schließlich das Gesetz über die Errichtung eines Rechnungshofes für das VWG 315 folgte. Der britische Zonenrechnungshof in Hamburg wurde als Restbehörde bis zum Jahr 1950 weitergeführt, wobei die Mehrzahl seiner Mitarbeiter zum Rechnungshof im VWG und später zum Bundesrechnungshof wechselte 316. Präsident des neuen Rechnungshofes wurde zur allseitigen Überraschung nicht der Präsident des britischen Zonenrechnungshofes, Haaser, sondern der Leiter des aufgelösten Zentralhaushaltsamtes, Josef Mayer 317. Das Gesetz über die Errichtung eines Rechnungshofes für das VWG beinhaltete eine ausdrückliche Beratungsfunktion des Rechnungshofes; so hieß in Gesetz in § 7 Abs. 1: „Der Präsident des Rechnungshofes hat sich auf Ansuchen des Verwaltungsrates oder des Direktors der Verwaltung für Finanzen oder auf Beschluß des Wirtschaftsrates oder des Länderrates über Fragen gutachtlich zu äußern, die für die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes von Bedeutung sind.“

§ 7 Abs. 2 des Gesetzes über die Errichtung eines Rechnungshofes für das VWG lautete: „Der Präsident des Rechnungshofes kann Ländern oder Juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die nicht der Aufsicht einer Landesbehörde unterstehen, auf deren Antrag Gutachten erstatten.“

§ 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Errichtung eines Rechnungshofes für das VWG ermöglichte dem Rechnungshof eine Kostenerstattung seitens der Länder, falls diese Gutachten im Sinne des § 7 Abs. 2 in Auftrag gegeben hatten. Schon alsbald ersuchte die Verwaltung für Finanzen im VWG den Rechnungshof, die Aufgaben und die Organisation der Verwaltung für Wirtschaft im VWG 313 Der Wirtschaftsrat war ein parlamentarisches Organ, das aus 52 von den Landesparlamenten entsandten Mitgliedern bestand. 314 GVBl. des Zweizonenwirtschaftsrates 1947, S. 1. 315 VOBl. für die britische Zone 1948, S. 330. 316 Wittrock, DÖV 1986, S. 329 (333 f.). 317 Otto, in: Pirker (Hrsg.), Bizonale Sparkommissare, S. 113 (116).

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in einem Gutachten zu überprüfen 318. Wenig später erweiterte sich der Gutachtenauftrag auf die übrigen bizonalen Verwaltungen, was zu einer Verdoppelung des Personals in der Gutachtenabteilung führte 319. Neben den Wirtschaftlichkeits- und Organisationsuntersuchungen wurde in enger Übereinstimmung mit dem Wirtschaftsrat und dessen Haushaltsausschuss eine Vielzahl von Gutachten auf dem Gebiet des Haushalts-, Kassen-, und Rechnungswesens erstattet 320. Aufgrund der Erfahrung des Rechnungshofes zur wirtschaftlichen Erfüllung der Verwaltungstätigkeiten, bürgerte sich die Praxis ein, dass sich die Ressorts im VWG zunehmend mit dem Rechnungshof abstimmten, bevor sie ihre Haushaltsvoranschläge aufstellten 321. Neben der normierten Beratungstätigkeit des Rechnungshofes im VWG wurde auch die Rolle eines Sparkommissars wieder aufgegriffen. Bereits Ende September 1948 beschäftigten sich Wirtschaftsrat und Länderrat mit der Möglichkeit der Einsetzung eines Sparbeauftragten für das VWG 322. Die Vertreter in den Räten wollten jedoch keine eigene Behörde für einen Sparbeauftragten schaffen, sondern auf den vorhandenen Apparat der Finanzverwaltung zurückgreifen, um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden 323. Am 5. Januar 1949 ernannte der Verwaltungsrat des VWG Mayer zum Sparbeauftragten für den Bereich der Verwaltung des VWG 324. Mayers Aufgabe sollte es sein, alle Verwaltungsabteilungen des VWG auf ihre sachlichen und personellen Notwendigkeiten zu untersuchen und einem besonderen Ausschuss von Haushaltspolitikern über seine Ergebnisse und Vorschläge laufend Bericht zu erstatten 325. Jedoch: Nur acht Monate nach dieser Aufgabenübertragung wurde im September 1949 Mayers Tätigkeit als Sparbeauftragter durch alliierte Militärgesetze wieder aufgehoben 326. Doch auch dieser Zustand sollte nur kurz andauern. Bereits ein halbes Jahr später, am 3. März 1950, wurden der Rechnungshof und sein Präsident Mayer wieder ausdrücklich um die Übernahme von Gutachtertätigkeiten gebeten. Denn die Bundesregierung beschloss, der Rechnungshof im VWG solle sich bis zur Errichtung eines Bundesrechnungshofes über alle Fragen gutachtlich äußern, die

318

Denkschrift des Präsidenten des BRH für 1947 – 1949, BT-Drs. 1/3341, S. 25. Otto, in: Pirker (Hrsg.), Bizonale Sparkommissare, S. 113 (115). 320 Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 176. 321 Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, S. 176. 322 Gilles, in: Pirker (Hrsg.), Bizonale Sparkommissare, S. 51 (72). 323 Gilles, in: Pirker (Hrsg.), Bizonale Sparkommissare, S. 51 (72). 324 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (96). 325 von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (96). 326 Amerikanisches Militärgesetz Nr. 25 vom 1. 9. 1949 = Amtsblatt der amerikanischen Militärregierung vom 21. 9. 1949, S. 17 und gleichlautende VO Nr. 201 der britischen Militärregierung vom 1. 9. 1949. Gründe für die Aufhebung sind den Quellen nicht zu entnehmen. 319

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2. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis 1970

für die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel durch die Bundesministerien und die ihnen nachgeordneten Bundesbehörden von Bedeutung seien 327.

§ 5 Die beratende Funktion der Finanzkontrolle in den ersten Jahren der Bundesrepublik Deutschland Die Militärgouverneure der Westalliierten ermächtigten die Ministerpräsidenten der elf westdeutschen Länder durch die Frankfurter Dokumente vom 1. Juli 1948 zur Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung 328. Damit setzte die eigentliche Entstehungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland und ihres Grundgesetzes (GG) ein 329. Als verfassunggebende Versammlung wurde durch die Landtage der Parlamentarische Rat gewählt 330, der sich bei dem Beginn seiner Beratungen am 1. September 1948 auf den Entwurf des vom Herrenchiemseer Verfassungskonvent 331 ausgearbeiteten Grundgesetzes stütze. Die Wahl zum ersten Deutschen Bundestag am 14. August 1949 zeigte für die junge Republik – trotz noch nicht durchgehend gefestigter demokratischer Überzeugungen in der Bevölkerung 332 – eine erfreuliche Zustimmung zu den Parteien, die sich auf den Boden des Grundgesetzes stellten. Die radikalen Kräfte von links und rechts stellten nur kleine Minderheiten dar 333. Erster Bundeskanzler wurde der ehemalige Präsident des Parlamentarischen Rates und Bundesvorsit327

von Pfuhlstein, in: FS 250 Jahre Rechnungsprüfung (1964), S. 7 (96). Die Frankfurter Dokumente sind abgedruckt bei: Feldkamp, Entstehung des Grundgesetzes, S. 54 ff. 329 Mußgnug, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. I, § 8 Rn. 1. 330 Der Parlamentarische Rat bestand aus insgesamt 65 stimmberechtigten Mitgliedern. CDU / CSU und SPD hatten jeweils 27 Mandate, die FDP hatte 5, KPD, DP sowie Zentrum verfügten jeweils über 2 Vertreter. 331 Die offizielle Bezeichnung ist unklar. Das Titelblatt des Entwurfes lautete: Verfassungsausschuss der Ministerpräsidenten-Konferenz der westlichen Besatzungszonen. Der Ausschuss bestand aus zwölf Mitgliedern und tagte vom 10. – 23. 8. 1948 auf der Insel Herrenchiemsee. Vgl. dazu: Mußgnug, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. I, § 8 Rn. 39 ff. 332 Zu Zeiten der Beratungen des Parlamentarischen Rates meinten noch 57 % der Deutschen, der Nationalsozialismus sei eine gute Idee gewesen, aber schlecht ausgeführt. 40 % der Befragten erklärten, die zukünftige westdeutsche Verfassung sei ihnen gleichgültig. Vgl. von Kielmansegg, Nach der Katastrophe, S. 256. 333 CDU / CSU kamen auf 31 %, die SPD auf 29,2 % der Stimmen. Die Kommunistische Partei Deutschlands kam auf 5,7 % der Stimmen. Die Deutsche Konservative Partei – Deutsche Rechtspartei (DKP-DRP) erhielt 1,8 % der Stimmen und 5 Sitze. Der Vorsitzende der Nationaldemokratischen Partei zog aufgrund eines Abkommens mit der hessischen FDP ebenfalls in den Bundestag ein. Am 21. Januar 1950 schloss sich die 328

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zende der CDU, Konrad Adenauer. Die „Ära Adenauer“ sollte bis zum Rücktritt des Kanzlers in der vierten Wahlperiode im Herbst 1963 insgesamt 14 Jahre dauern 334. Bei der Bildung der ersten Bundesregierung verlangte die FDP vergeblich, den Bundesfinanzminister zu stellen. Adenauer entschied, die Spitze des Ministeriums mit dem finanzpolitisch sehr erfahrenen und in Bayern hoch angesehenen 335 CSU-Politiker Fritz Schäffer zu besetzen. Er war bis zum Ende der dritten Legislaturperiode im Jahr 1957 Bundesfinanzminister. Schäffer fühlte sich vor allem der Preisstabilität verpflichtet und hatte sich vehement gegen steigende öffentliche Ausgaben stark gemacht 336. Im Zuge der Wiederbewaffnung Westdeutschlands und des Aufbaus der Bundeswehr 337 kam es zwischen Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß und Schäffer zur Auseinandersetzung über den Verteidigungsetat 338. Der Bundesfinanzminister verlor über diesen Streit den Rückhalt in Fraktion und Partei. Obgleich Schäffer gerne nach der Bundestagswahl 1957 in seinem Amt verblieben wäre, wurde er in der vierten Wahlperiode Justizminister. Als sein Nachfolger stand bis zum Jahr 1961 der CDU-Politiker Franz Etzel an der Spitze des Bundesfinanzministeriums 339.

DKP-DRP mit der hessischen Nationaldemokratischen Partei (NDP) Partei zur Deutschen Reichspartei (DRP) zusammen. 334 Erstes Kabinett Adenauer von 1951 – 1953 mit einer Koalition aus CDU / CSU, FDP, DP; Zweites Kabinett Adenauer von 1953 – 1957 mit einer Koalition aus CDU / CSU, FDP, DP und dem Bund der Heimatvertriebenen (BHE); Drittes Kabinett Adenauer von 1957 – 1961; Viertes Kabinett Adenauer von 1961 – 1962. 335 Vgl. zu dieser Wertung Eschenburg, in: Jeserich / Pohl / Unruh (Hrsg.), Verwaltungsgeschichte, Bd. 5, S. 8. 336 Eschenburg, in: Jeserich / Pohl / Unruh (Hrsg.), Verwaltungsgeschichte, Bd. 5, S. 12. 337 Völkerrechtliche Grundlage waren die Pariser Verträge vom 23. 10. 1954 (BGBl. 1954, II, S. 215). Sie sahen die Aufhebung des Besatzungsstatuts, die Umwandlung der Besatzungstruppen in Stationierungsstreitkräfte, den Beitritt Westdeutschlands und Italiens in die Westeuropäische Union und den Beitritt der Bundesrepublik zur NATO vor. Als Geburtsstunde der Bundeswehr gilt der 12. 11. 1955, an dem die ersten 101 freiwilligen Soldaten ihre Ernennungsurkunden erhielten. Vgl. zum Ganzen im Überblick Bode, in: Jeserich / Pohl / Unruh (Hrsg.), Verwaltungsgeschichte, Bd. 5, S. 518 ff. 338 Im Rechnungsjahr 1955 waren im Bundeshaushalt für die eigenen Streitkräfte noch 95 Millionen DM vorgesehen, im Rechnungsjahr 1957 dann bereits 5395 Millionen DM. Dafür sanken die Stationierungskosten der Verbündeten. Vgl. dazu Adami, Haushaltspolitik, S. 18. 339 Da die Mittel für die Wiederbewaffnung nicht in dem Tempo verausgabt wurden wie sie bereitgestellt wurden, hatte Schäffer einer Sonderrücklage gebildet, mit der er die Ausgaben für militärische Zwecke in den Folgejahren decken wollte. Dies wurde von großen Teilen der Öffentlichkeit und Abgeordneten kritisch beurteilt. Der ihm nachfolgende Bundesfinanzminister Etzel kündigte unmittelbar nach seiner Ernennung eine neue Politik des Haushalts am Rande des Defizits an. Damit galt das sog. „Diktat der leeren Kassen“. Vgl. hierzu Adami, Haushaltspolitik, S. 19, 58.

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A. Der Bundesrechnungshof als Beratungsinstanz I. Rechnungsprüfung im Grundgesetz Bei ihren Beratungen über das Grundgesetz griffen die Vertreter im Parlamentarischen Rat unter anderem auch auf gutachtliche Stellungnahmen des Zonenrechnungshofs Hamburg zurück. Dieser äußerte sich in schriftlichen Stellungnahmen zu den Übergangs- und Schlussbestimmungen des Grundgesetzes sowie über den Abschnitt zum Finanzwesen 340. Formal waren die Gutachten anonym gestaltet, da sie weder einen Briefkopf noch eine Unterschrift aufwiesen 341. Inhaltlich unterschieden sich die Vorschläge des Rechnungshofes nicht spürbar von denen anderer Sachverständiger, wie den bizonalen Zentralbehörden, allerdings haftete ihnen weniger der Geruch der Interessengebundenheit an 342. Die Rechnungsprüfung sollte nach dem Entwurf des Herrenchiemseers Konvents wieder in einem eigenen Artikel (Art. 125 des Entwurfes) verfassungsrechtlich normiert werden. Vorgeschlagen war folgender Wortlaut 343: „Über die Verwendung der Bundeseinnahmen legt der Bundesminister der Finanzen dem Bundestag und dem Bundesrat (Senat) Rechnung. Die Rechnungsprüfung obliegt einem mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestatteten Rechnungshof. Das Nähere regelt das Gesetz.“

Der Finanzausschuss des Parlamentarischen Rates verlangte, dem Rechnungshof im betreffenden Artikel des Grundgesetzes aufzuerlegen, Bemerkungen zur Haushaltsrechnung und eine Übersicht zu den Schulden des Bundes anzufertigen. Die richterliche Unabhängigkeit sollte nach dem Willen des Finanzausschusses hingegen nicht in der Verfassung verankert werden 344. Nachdem sich jedoch der Redaktionsausschuss für die Aufnahme der Unabhängigkeit aussprach und der Hauptausschuss diesem Vorschlag ohne Widerspruch folgte 345, hieß es in der abschließenden Fassung des Grundgesetzes schließlich: Art. 114 Abs. 1 GG: „Der Bundesminister der Finanzen hat dem Bundestage und dem Bundesrate über alle Einnahmen und Ausgaben sowie über das Vermögen und die Schulden jährlich Rechnung zu legen.“ Art. 114 Abs. 2 GG: „Die Rechnung wird durch einen Rechnungshof, dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen, geprüft. Die allgemeine Rechnung und eine Übersicht über das Vermögen und die Schulden sind dem Bundestage und dem 340 341 342 343 344 345

Otto, in: Pirker (Hrsg.), Bizonale Sparkommissare, S. 113 (119). Otto, in: Pirker (Hrsg.), Bizonale Sparkommissare, S. 113 (120). Otto, in: Pirker (Hrsg.), Bizonale Sparkommissare, S. 113 (123 f.). Bericht des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee, S. 81. Rischer, Finanzkontrolle, S. 101. Stern, Staatsrecht, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 417.

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Bundesrate im Laufe des nächsten Rechnungsjahres mit den Bemerkungen des Rechnungshofes zur Entlastung der Bundesregierung vorzulegen. Die Rechnungsprüfung wird durch Bundesgesetz geregelt.“

Nach der erfolgreichen Schlussabstimmung im Parlamentarischen Rat, der Genehmigung durch die westalliierten Militärführungen und der Annahme des Entwurfes durch die westdeutschen Landtage (mit Ausnahme Bayerns 346) trat das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland mit Ablauf des 23. Mai 1949 in Kraft. II. Beratungsmöglichkeiten nach der Reichshaushaltsordnung und dem Bundesrechnungshofgesetz Das Grundgesetz bestimmte in Art. 123 Abs. 1, 124 GG die Fortgeltung vorkonstitutionellen Rechts aus der Zeit vor dem Zusammentritt des ersten Deutschen Bundestages, soweit es nicht dem Grundgesetz widerspricht. Für die Haushaltswirtschaft des Bundes waren damit weiterhin die Reichshaushaltsordnung und die zu ihr ergangenen Vorschriften einschlägig 347. Zudem wurde ihre Fortgeltung auch ausdrücklich durch die vorläufige Haushaltsordnung vom 7. Juni 1950 angeordnet 348. Damit waren die Beratungsvorschriften des § 19 Abs. 2 RHO, § 101 RHO, § 109 Abs. 1 RHO und § 96 Abs. 1 Nr. 4 i.V. m. § 107 Abs. 1 Nr. 2 RHO weiterhin gültig. Mit der Errichtung des Bundesrechnungshofes sollte jedoch eine weitere gesetzliche Beratungsvorschrift hinzukommen. Das Grundgesetz kündigte die Errichtung eines Rechnungshofes für das Bundesgebiet an. Bis zur Gründung dieses Bundesrechnungshofes, dessen Aufgaben in einem besonderen Gesetz festgelegt werden sollten, nahm der Rechnungshof im VWG mit Sitz in Frankfurt am Main dessen Interessen wahr. So legte der Rechnungshof im Dezember 1949 dem Bundesfinanzministerium einen Entwurf für ein Bundesrechnungshofgesetz (BRHG) vor, der sich inhaltlich stark auf das Gesetz zur Errichtung des Rechnungshofes im VWG stützte 349. Die Bundesregie346 Die CSU lehnte mit ihrer Mehrheit im bayerischen Landtag – anders als SPD und FDP – das Grundgesetz ab, da sie stärkere föderale Rechte forderte. Allerdings galt das Grundgesetz auch im Freistaat Bayern, da der bayerische Landtag den Beschluss gefasst hatte, dass das Grundgesetz auch in Bayern verbindlich gilt, sobald zwei Drittel der Bundesländer das Grundgesetz ratifizieren würden. 347 Vgl. zur genauen Untersuchung zur Weitergeltung der RHO: Lehmberg, Gutachtertätigkeit, S. 26 ff. Nicht unproblematisch ist in diesem Zusammenhang die Vereinbarkeit der Zweiten Novelle zur RHO aus dem Jahr 1934 mit dem Grundgesetz. Vgl. dazu: Bank, DVBl. 1966, S. 362 (363). 348 BT-Drs. 1/223. 349 Dommach, in: Pirker (Hrsg.), Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung, S. 77 (88).

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rung folgte im Wesentlichen den Vorschlägen des Rechnungshofes und legte den Gesetzesentwurf den Gesetzgebungskörperschaften vor. Bei der ersten Beratung des Gesetzes im Bundestag am 26. Juli 1950 ging Bundesfinanzminister Fritz Schäffer auch auf die beratende Funktion des zukünftigen Bundesrechnungshofes ein und führte aus 350: „Es hat sich schon früher im Reich wie auch in letzter Zeit im Vereinigten Wirtschaftsgebiet als sehr zweckmäßig erwiesen, die vom Rechnungshof bei der Rechnungsprüfung gemachten Erfahrungen den obersten Bundesorganen und obersten Bundesbehörden zu vermitteln und beim Aufbau der Organisation auszuwerten. Eine Überprüfung der Verwaltungsorganisation durch den Rechnungshof und die Verwertung seiner hierbei erarbeiteten Vorschläge und Anregungen zur Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung werden gerade bei dem noch in vollem Fluss befindlichen Aufbau der Bundesverwaltung von besonderer Bedeutung sein.“

Die vom Bundesfinanzminister angesprochene beratende Funktion war in § 8 des neuen Bundesrechnungshofgesetzes 351 normiert. Dieser ging inhaltlich auf § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Errichtung eines Rechnungshofes für das VWG zurück und formulierte: § 8 Abs. 1 BRHG: „Der Präsident des Bundesrechnungshofes kann sich auf Ersuchen des Bundestages, des Bundesrates, der Bundesregierung oder des Bundesministers der Finanzen über Fragen gutachtlich äußern, die für die Bewirtschaftung öffentlicher Mittel in der Bundesverwaltung von Bedeutung sind.“ § 8 Abs. 2 BRHG: „Der Präsident des Bundesrechnungshofes kann mit Zustimmung der nach Landesrecht zuständigen Stellen auch Ländern und Juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf deren Antrag Gutachten erstatten“.

Nach der Gesetzesbegründung war § 8 BRHG dazu gedacht, die bereits über § 101 RHO gegebene Möglichkeit der Gutachtenerstattung den „heutigen praktischen Bedürfnissen“ anzupassen 352. Nach Aussage des langjährigen Mitarbeiters des Reichssparkommissariats und späteren Leiter der Gutachtenabteilung des Zonenrechnungshofes Hamburg, Fuchs, war in den Vorarbeiten des Gesetzesentwurfes keine Vorschrift im Sinne des § 8 BRHG vorgesehen 353. Fuchs meint, die Aufnahme des § 8 BRHG sei betrieben worden – zu den Initiatoren äußert er sich nicht –, um auf diese Weise die Tätigkeit des Präsidenten des Rechnungshofes als Reichssparkommissar zu beseitigen, da schließlich die Richtlinien für den Reichssparkommissar von 1926 unverändert gegolten hätten. Unabhängig vom dem zweifelhaften Standpunkt, der von einer Weitergeltung der Richtlinien 350

BT-StenBer, 1. WP / 79. Sitzung vom 26. 7. 1950 / S. 2866. „Gesetz über Errichtung und Aufgabe des Bundesrechnungshofes v. 27. 11. 1950 (Bundesrechnungshofgesetz)“ (BGBl. 1950, I, S. 765). 352 BT-Drs. 1/1141, S. 15. 353 Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, S. 76. 351

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ausgeht, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es damals eine Vielzahl von Entwürfen und Gegenentwürfen zum geplanten Bundesrechnungshofgesetz gab 354. Entscheidend ist aber, dass sich der tatsächlich eingebrachte Gesetzesentwurf maßgeblich an die Regelungen des Gesetzes über den Rechnungshof im VWG anlehnte, und dieses bereits eine gutachtende Funktion vorsah. Seine innere Organisation legte der Bundesrechnungshof in einer Geschäftsordnung nieder, die am 10. September 1951 in Kraft trat 355. In der Geschäftsordnung waren auch Einzelheiten zur Beratungsfunktion des Hofes geregelt. So war der Präsidialabteilung die Bearbeitung der gutachtlichen Äußerungen des Präsidenten nach § 8 Abs. 1 und Abs. 2 BRHG sowie die Bearbeitung von gutachtlichten Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen zugewiesen 356. Vergleicht man den Wortlaut des weiter geltenden § 101 RHO mit § 8 BRHG, so lassen sich einige Abweichungen feststellen. Der wichtigste Unterschied ist zunächst, dass § 101 RHO dem Wortlaut nach dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes die Pflicht auferlegte, auf Anforderung Gutachten zu erstatten. Das heißt der Präsident konnte die Erstellung nicht nach seinem Ermessen ablehnen („Der Präsident des Rechnungshofes hat sich auf Ansuchen (...) gutachtlich zu äußern“); bei § 8 BRHG hingegen handelte es sich um eine Kann-Vorschrift, die den Präsidenten nicht zur Gutachtenerstattung verpflichtete („Der Präsident des Bundesrechnungshofes kann sich auf Ersuchen (...) gutachtlich äußern“). Einen weiteren Unterschied zwischen § 101 RHO und § 8 BRHG gab es bezüglich der zur Gutachtenerteilung ermächtigten Stellen: Beide Vorschriften gaben dem Bundestag das Recht, ein Gutachten beim Präsidenten des Bundesrechnungshofes anzufordern. Das Recht des Bundesrates gem. § 8 BRHG, ein Gutachten in Auftrag zu geben, sah § 101 RHO hingegen nicht vor. In beiden Gesetzen unterschiedlich wurde auch die Exekutive behandelt: Während § 101 RHO jedem Bundesminister das Recht einräumte, ein Gutachten beim Präsidenten des Rechnungshofes anzufordern, stand dies nach § 8 BRHG nur dem Bundesfinanzminister oder der Bundesregierung als Ganzes zu. Keine inhaltliche Divergenz kann daraus gefolgert werden, dass § 101 RHO von der „Bewirtschaftung der Haushaltsmittel durch Behörden“, § 8 BRHG 354

Vgl. zu den langwierigen Vorbereitungen eines BRHG: Weinert, in: Pirker (Hrsg.), Bizonale Sparkommissare, S. 51 (78 ff.). Inwieweit in den verschiedenen Entwürfen eine Gutachterfunktion des Rechnungshofpräsidenten vorgesehen war, ist nicht nachgeprüft worden. 355 Die Geschäftsordnung des Bundesrechnungshofes aus dem Jahr 1951 ist nicht veröffentlicht. Auszüge finden sich in: Glaser-Gallion, Der Bundesrechnungshof als unabhängiges Kontrollorgan, S. 132 ff. 356 III. Abschnitt der Geschäftsordnung des Bundesrechnungshofes vom 10. 9. 1951. Auszugsweise abgedruckt, bei: Glaser-Gallion, Der Bundesrechnungshof als unabhängiges Kontrollorgan, S. 134.

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dagegen allgemeiner von der „Bewirtschaftung öffentlicher Mittel in der Bundesverwaltung“ sprach, da öffentliche Mittel fast ausschließlich in Form von Haushalten geplant und eingesetzt werden. Eine Neuerung gegenüber der Rechtslage nach der Reichshaushaltsordnung wurde durch § 8 Abs. 2 BRHG geschaffen. Den Bundesländern bzw. Juristischen Personen öffentlichen Rechts gab die Reichshaushaltsordnung bisher nicht das Recht, den Präsidenten des Rechnungshofes um eine Beratung zu bitten. Die neue Vorschrift des § 8 Abs. 2 ging auf § 7 Abs. 2 des Gesetzes über die Errichtung eines Rechnungshofes für das VWG zurück. Allerdings lag ihr Ursprung höchstwahrscheinlich in den Kompetenzen des Reichssparkommissars, denn Saemisch war es, der im Jahr 1926 durch die Neufassung der Richtlinien für den Reichssparkommissar sein Ziel erreichte, auch die Länder beraten zu können 357. Des Weiteren entschied sich der Bundesgesetzgeber im Gegensatz zur Regelung für das VWG, die Gutachtenerstattung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes gem. § 8 Abs. 2 von der Zustimmung der landesrechtlich zuständigen Stelle abhängig zu machen. Damit sollte verhindert werden, so hieß es in der Gesetzesbegründung 358, dass „bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einer Gemeinde und dem Land in grundsätzlichen Angelegenheiten oder in Einzelfragen von erheblicher Bedeutung die Gemeinde eine gutachtliche Äußerung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes ohne Zustimmung des Landes einholen kann“. Durch die parallele Geltung von § 8 BRHG und § 101 RHO stellte sich die Frage, in welchem Verhältnis die Vorschriften zueinander standen. Vialon ging in der ersten Auflage seiner Kommentierung zur Reichshaushaltsordnung im Jahre 1952 noch davon aus, dass § 101 RHO durch die Regelung des § 8 BRHG gegenstandslos geworden sei 359. In der zweiten Auflage hingegen sprach er von einem „glücklichen Nebeneinander“ der Vorschriften. Vialon erläuterte zwar die Änderung bezüglich der anforderungsberechtigten Stellen, sah aber – soweit überhaupt nach einer Rechtsgrundlage gefragt werde – „praktisch keinen Unterschied, ob ein Gutachtenersuchen auf § 8 BRHG oder auf § 101 RHO gestützt wird 360 “. § 101 RHO komme eine eigene Existenzberechtigung zu, da er gegenüber § 8 BRHG die Rolle habe, laufende Bewirtschaftungsfragen zu klären und zu Auslegungsschwierigkeiten bei Zweckbestimmungen und Erläuterungen des Haushaltsplans Stellung zu nehmen. Eine klare Begründung für seine Unterscheidung gab Vialon allerdings nicht. Blank vertrat die Auffassung 361, Vialon lese 357

Vgl. oben S. 50. BT-Drs. 1/1141, S. 15. 359 Vialon, Kommentar zur RHO, § 101 Nr. 2. Ebenso Vialon, Öffentliche Finanzwirtschaft, S. 109 Fn. 118. 360 Vialon, Kommentar zur RHO, § 101 Nr. 2. 358

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aus der unterschiedlichen Formulierung von „Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln durch Behörden“ (§ 101 RHO) und „Bewirtschaftung öffentlicher Mittel in der Bundesverwaltung“ (§ 8 BRHG) eine unterschiedliche Art der Gutachten heraus. Fuchs legt sich zur Konkurrenzproblematik der beiden Vorschriften nicht fest 362. Es könne sowohl die Ansicht vertreten werden, § 101 RHO sei durch § 8 BRHG überholt, als auch, dass beide Vorschriften nebeneinander anwendbar seien, wobei § 101 RHO dann „mehr Routineauskünfte“ betreffe, § 8 BRHG hingegen einen „größeren Rahmen“ habe. Eine genaue Abgrenzung, wann es sich um eine solche Routineauskunft und wann um einen größeren Rahmen handelt, fehlt bei Fuchs ebenso wie eine stichhaltige Begründung. Für den Antragssteller sei es ohnehin entbehrlich, so Fuchs, ob er sein Gutachten auf die eine oder andere Vorschrift stütze. Fuchs verkennt jedoch an dieser Stelle, dass gerade der Kreis der Antragssteller in beiden Vorschriften unterschiedlich geregelt war, sodass es sich unmittelbar auswirken konnte, wie die Normenkonkurrenz gelöst wurde. Lehmberg 363 folgt der von Fuchs vorgeschlagenen Auslegungsvariante, dass „im § 101 RHO die ‚kleinen‘, im § 8 BRHG dagegen die ‚großen‘ Gutachten gemeint sind“. Er stützt sich hierbei auf den schon erläuterten Wortlautunterschied „Bewirtschaftung der Haushaltmittel durch Behörden“ und „Bewirtschaftung öffentlicher Mittel in der Bundesverwaltung“. Von der gleichzeitigen Geltung und Anwendbarkeit beider Vorschriften geht begründungslos auch Helmert aus 364. Bank dagegen ist der Ansicht, § 8 BRHG habe § 101 vollständig ersetzt, da § 8 BRHG die „weiter greifende Bestimmung“ sei 365. Untersucht man das Verhältnis von § 101 RHO zu § 8 Abs. 1 BRHG 366 nach den Grundsätzen der juristischen Methodenlehre, ist zunächst festzuhalten, dass beide Vorschriften zwar eine ähnliche, aber keine identische Rechtsfolge anordneten: Der Unterschied lag nämlich darin, dass es sich dem Wortlaut nach bei § 101 RHO um eine „Muss-Vorschrift“ handelt, bei § 8 BRHG hingegen um eine „Kann-Vorschrift“. Zudem unterschied sich auch der Tatbestand beider Normen. Derjenige des § 101 RHO sah nur den Bundestag und die Bundesminister als auftraggebende Stelle vor, der des § 8 Abs. 1 BRHG erfasste den Bundestag, den 361

Bank, DVBl. 1966, S. 362 (363). Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle“, S. 74 ff. 363 Lehmberg, Gutachtertätigkeit, S. 38 f. 364 Helmert, Haushaltswesen, S. 520. Es mache sachlich keinen Unterschied, ob der Präsident des Bundesrechnungshofes seine Gutachten aufgrund von § 8 BRHG, § 101 RHO oder in seiner Eigenschaft als BWV erstatte. 365 Bank, DVBl. 1966, S. 362 (363). 366 In den Vergleich ist nur § 8 Abs. 1 BRHG einzubeziehen, da sich bei § 8 Abs. 2 BRHG keine Konkurrenzproblematik zu § 101 RHO stellt. 362

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Bundesrat, die Bundesregierung und den Bundesfinanzminister. Da der Bundestag und der Bundesfinanzminister als ersuchende Stelle unter beide Normen fiel, blieb für § 101 RHO also ein Anwendungsbereich offen, der nicht von § 8 Abs. 1 BRHG gedeckt war: Ohne vorherige Abstimmung mit dem Kabinett konnte ein Bundesminister ein Gutachten vom Bundesrechnungshofpräsidenten erstellen lassen. Für einen vollständigen Ersatz des § 101 RHO durch § 8 Abs. 1 BRHG spricht zunächst der Grundsatz lex posterior derogat legi priori. Würde man diesen Grundsatz zur Entscheidung von Normenkonkurrenzen indes unter dem Hinweis, dass die jüngere Norm die Materie nicht im gleichem Umfang wie die ältere regelte, nicht gelten lassen, so müsste die Konkurrenzproblematik mithilfe teleologischer Erwägungen gelöst werden. Einen Hinweis auf den Gesetzeszweck des § 8 BRHG ergab sich aus der Gesetzesbegründung. So wollte der Gesetzgeber mit Schaffung des § 8 BRHG den § 101 RHO nach „heutigen praktischen Bedürfnissen“ anpassen 367. Es ist schlüssig, das Wort „anpassen“ in diesem Fall als Erweiterung aufzufassen, da die neue Norm in Abs. 1 nun auch dem Bundesrat und der Bundesregierung – in Abs. 2 auch Ländern und Juristischen Personen des öffentlichen Rechts – die Möglichkeit gab, Gutachten beim Präsidenten des Bundesrechnungshofes anzufordern. Kurzum: Es sollten mehr Stellen ein Recht auf Beratung durch den Bundesrechnungshofpräsidenten erhalten. Ausgehend von diesem gesetzgeberischen Willen ist es daher überzeugend, dass den einzelnen Bundesministern diese Beratungsmöglichkeit nicht genommen werden, sondern weiterhin Bestand haben sollte. Folglich konnten für die Gutachtenerstattung durch den Bundesrechnungshofpräsidenten § 8 BRHG und § 101 RHO im Sinne einer kumulativen Normenkonkurrenz nebeneinander angewandt werden. Da bereits seit dem Jahr 1950 auch einzelne Ministerien um die Erstellung von Gutachten gebeten hatten 368, konnte der Präsident diese Ausarbeitungen letztlich nur auf Grundlage des § 101 RHO anfertigen, da ihm § 8 BRHG hierzu nicht die Möglichkeit einräumte 369. Entscheidende Vorschriften für eine beratende Tätigkeit des Bundesrechnungshofes (§ 19 Abs. 2 RHO, § 101 RHO, § 8 BRHG) waren also auch nach Gründung der Bundesrepublik ganz auf die Person des Präsidenten des Hofes zugeschnitten. Diese Fokussierung auf den Präsidenten war noch ein Ergebnis der von Saemisch maßgeblich vorangebrachten Zweiten Novelle der Reichhaushaltsordnung im Jahr 1934; mit § 8 BRHG wurde sie sogar vom bundesdeutschen

367

BT-Drs. 1/1141, S. 15. Vgl. hierzu die Tabelle auf S. 239. 369 Allerdings ist es auch möglich, dass die Bundesregierung als Ganzes – und nicht der einzelne Bundesminister – die Gutachten für die jeweiligen Bundesministerien erbeten hatte. Dies lässt sich anhand des vorhandenen Materials nicht ermitteln. 368

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Gesetzgeber weiter verfestigt. Doch die beratende Funktion des Präsidenten des Bundesrechnungshofes sollte schon alsbald noch weiter aufgewertet werden.

B. Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV) als Beratungsinstanz (1952 –1964) I. Die Anfänge des BWV (1952 – 1957) 1. Forderungen nach einem Bundessparkommissar Nachdem mit dem Sparbeauftragten im VWG die Tradition des Reichssparkommissars schon im Jahr 1948 wieder aufgegriffen wurde, begannen im Jahr 1950 auf Bundesebene erste Initiativen zur Einsetzung eines Bundessparkommissars. Am 13. Oktober 1950 stellte die Fraktion des Zentrums im ersten Deutschen Bundestag den Antrag 370, der Bundestag solle die Bundesregierung ersuchen, unverzüglich einen Sparkommissar zur Überprüfung öffentlicher Aufgaben einzusetzen. Eine nähere Ausgestaltung der Tätigkeit sah der Antrag nicht vor. Im gleichen Monat forderte der Bund der Steuerzahler 371 die Einsetzung eines vorläufigen Bundessparkommissars, der mit den Rechten eines Richters ausgestattet werden sollte. 2. Debatte im Bundestag zur Einsetzung eines Sparbeauftragten Der Deutsche Bundestag debattierte am 27. Oktober 1950 über den eingebrachten Antrag des Zentrums. Für die Fraktion des Zentrums begründete der Abgeordnete Helmut Bertram den Antrag 372. Die Sparsamkeit im Haushalt, so Bertram, sei noch nie so dringend gewesen wie derzeit. Der neu zu schaffende Bundesrechnungshof könne die Sparaufgabe nicht überzeugend ausfüllen. Er übe nur eine nachträgliche Kontrolle aus, die erst einsetze, wenn die Ausgaben schon getätigt worden seien. Auch der Finanzminister eigne sich nur bedingt für Sparaktionen, da er immer versuche, die Wünsche der Verwaltung weitestgehend zu erfüllen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages sei aufgrund der späten Zuleitung der Haushaltspläne der Regierung ebenfalls nicht in der Lage, frühzeitig gegen zu hohe Ausgaben einzuschreiten. Der Sparkommissar solle aber, so Bertram, keine eigene Behörde aufbauen und bilden, sondern sich für seine Tä370

BT-Drs. 1/1460. Pressemitteilung des Bundes der Steuerzahler vom 14. 10. 1950, in: BA, Best. B 136/22588, Nr. 336 (Bundeskanzleramt). 372 BT-StenBer, 1. WP / 96. Sitzung vom 27. 10. 1950 / S. 3528 f. 371

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tigkeit der Organisation des Bundesrechnungshofes bedienen. Entscheidend für den Erfolg eines Sparkommissars sei insbesondere, dass er eine Persönlichkeit sei, die politische Widerstände überwinden könne. Die übrigen Fraktionen der CDU, SPD, FDP und DP sahen keine Notwendigkeit, einen eigenen Sparkommissar zu berufen 373. Der damalige Reichssparkommissar Saemisch habe zwar umfangreiche und lesenswerte Gutachten angefertigt, aber ein wirklicher Nutzeffekt sei nicht festzustellen. Wirklich sinnvoll sei nur ein Sparkommissar, der auch exekutive Befugnisse habe, aber dies sei in einem demokratischen Staat kein erstrebenswerter Zustand. Zudem bestehe die Gefahr, dass ein Sparkommissar als eigene Behörde ausgestaltet werde, die höhere finanzielle Aufwendungen erfordere, als durch ihre Vorschläge eingespart werden könnten. Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Alfred Hartmann, wies in der Debatte darauf hin, dass der Rechnungshof mittlerweile nicht nur abgeschlossene Rechnungen zu prüfen habe 374. So habe er gerade erst bei der Errichtung und Neuorganisation der Bundesministerien der Regierung beratend zur Seite gestanden. Aber auch Hartmann lehnte einen Sparkommissar nach dem Vorbild Saemischs ab, da es an der Durchschlagskraft seiner Tätigkeit gefehlt habe. Die Parlamentarier entschieden letztlich, den Antrag zur Beratung an den Haushaltsausschuss des Bundestages zu überweisen 375. Hier wurde die Verhandlung des Antrages immer wieder aufgeschoben. Aber letztlich hatte das Zentrum über ein Jahr später Erfolg: Sein Antrag wurde am 20. Februar 1952 von Bundestag angenommen 376. In der Zwischenzeit hatte jedoch die Bundesregierung bereits das Zepter in die Hand genommen. 3. Vorbereitungen der Bundesregierung und des Bundestages zur Einsetzung eines BWV Obgleich im Herbst 1950 noch die Mehrheit der Parlamentarier und auch Staatssekretär Hartmann im Namen der Bundesregierung gegen die Einrichtung eines Sparkommissars nach dem Vorbild Saemischs waren, gab es politische Kräfte, die die Einsetzung eines Sparkommissars forcierten. Auch wenn sich aus den Quellen, insbesondere bezüglich der Protagonisten, keine Details ergeben, so steht jedenfalls fest, dass der maßgebliche Initiator das Bundesfinanzministerium war. Im Sommer 1951 begann es mit Vorarbeiten für die Einsetzung eines besonderen Beauftragten für Spar- und Wirtschaftlichkeitsfragen in der Verwal373 374 375 376

BT-StenBer, 1. WP / 96. Sitzung vom 27. 10. 1950 / S. 3528 f. BT-StenBer, 1. WP / 96. Sitzung vom 27. 10. 1950 / S. 3532 f. BT-StenBer, 1. WP / 96. Sitzung vom 27. 10. 1950 / S. 3533. BT-Drs. 1/1460.

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tung. Im Kabinett wurde laut der Tagesordnungen bis zu diesem Zeitpunkt nicht über einen solchen Beauftragten gesprochen. Über die Motive für die Aktivität im Bundesfinanzministerium kann nur spekuliert werden. Möglicherweise gab es immer noch eine Reihe von Männern im Ministerium, die Präsident Saemischs Wirken positiv in Erinnerung hatten, hieran anknüpfen wollten und bei Minister Schäffer auf offene Ohren stießen. Förderlich war sicherlich, dass der Antrag der Zentrumsfraktion noch zur Beratung im Haushaltsausschuss ausstand und sich die Regierung und deren Mehrheiten im Ausschuss hierzu inhaltlich positionieren mussten. Darüber hinaus zeichnete sich im Laufe des Jahres 1951 eine äußerst angespannte Lage des Bundeshaushaltes ab. In der ersten Septemberwoche 1951 sperrte der Bund alle Investitionsmittel und die freiwilligen Zuschüsse an die Länder in Höhe von 450 Millionen DM 377. Vor diesem Hintergrund kam es zwischen Bund und Ländern zu einem Streit über die Verteilung des Aufkommens aus der Einkommens- und Körperschaftssteuer. Die Länder verweigerten dem Bund die Zustimmung, ihren abzuführenden Anteil von 25 Prozent auf 31,3 Prozent zu erhöhen 378. Die Regierung sei daher gezwungen, so heißt es in einer Meldung der Deutschen Presse Agentur 379 vom 10. September 1951, umfangreiche Einsparungen vorzunehmen, die von einem Sparkommissar unterstützt werden sollten, dessen Einsetzung das Bundesfinanzministerium dem Kabinett vorschlagen wolle. a) Der Entwurf des Bundesfinanzministeriums Am 13. September 1951 übersandte Bundesfinanzminister Schäffer dem Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Otto Lenz, einen Entwurf für einen Kabinettsbeschluss samt Richtlinien zur Einsetzung eines Sparbeauftragten 380. Das Vorhaben wurde zeitgleich vom Finanzministerium über die Tageszeitungen an die Öffentlichkeit kommuniziert 381. 377

Bonner General Anzeiger vom 10. 9. 1951. Bonner General Anzeiger vom 10. 9. 1951. 379 FAZ vom 10. 9. 1951. 380 Schreiben von Bundesfinanzminister Schäffer an den Staatssekretär des Bundeskanzleramtes, Lenz, vom 13. 9. 1951, in: BA, Best. B 134/3227 (Bundesministerium für Wohnungsbau). 381 FAZ, Bonner General-Anzeiger, Westdeutsche Allgemeine, Kölnische Rundschau, Die Welt, Frankfurter Neue Presse, jeweils vom 10. 9. 1951. Die Artikel waren keine Randmeldungen, sondern in Bezug auf Zeichengröße und Länge in exponierter Stellung. Hinter der frühen Einschaltung der Presse stand im Bundesfinanzministerium möglicherweise die Überlegung, die Länder während der laufenden Verhandlungen über die Verteilung der Steuereinnahmen weiter unter Druck zu setzen. In den folgenden Monaten bis zur endgültigen Entscheidung über die Einsetzung des BWV wurde über die weitere Entwicklung zur Einsetzung des BWV immer wieder in den Tageszeitungen berichtet. Soweit die Idee des Sparkommissars von Redakteuren kommentiert wurde, begrüßten 378

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In dem Entwurf des Bundesfinanzministeriums ist jedoch nicht von einem Sparbeauftragten oder Sparkommissar die Rede, sondern die zu besetzende Stelle sollte sich von nun an Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV) nennen 382. Schäffer schrieb, er habe bewusst auf das Wort „Sparkommissar“ verzichtet, da es so gedeutet werden könnte, als sei bisher nicht genügend gespart worden. Die Entwürfe orientierten sich deutlich an den letzten für den Reichssparkommissar gültigen Richtlinien aus dem Jahr 1926 und übernahmen Passagen hieraus teils wörtlich. Jedoch waren auch wichtige Neuerungen Gegenstand des Entwurfes. So sollte an der Tradition, den Präsidenten des Rechnungshofes zum Reichssparkommissar beziehungsweise jetzt Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zu ernennen, festgehalten werden. Für die Durchführung seiner Arbeiten sollte der Bundesbeauftragte auf die Präsidialabteilung des Rechnungshofes zurückgreifen; ein eigenes Sparbüro war nicht vorgesehen. Damit entschied sich Schäffer in seinem Entwurf für die durch die Novelle der Reichshaushaltsordnung von 1933 vorgenommene Strukturänderung, eine eigene Präsidialabteilung im Rechnungshof zu unterhalten. Der Minister ging auch auf die Vorschrift des § 8 BRHG ein, die dem Präsidenten bereits gutachtliche Äußerungen zur Bewirtschaftung öffentlicher Mittel der Bundesverwaltung ermöglichte. Im Gegensatz zu dieser Vorschrift, so erläuterte Schäffer, sollte der Bundesbeauftragte nun die Möglichkeit bekommen, auch von sich aus Vorschläge zu unterbreiten, die auf eine sparsame und wirtschaftliche Mittelverwendung zielten. Bisher habe der Rechnungshof ein solches Initiativrecht nur im Rahmen von § 96 Abs. 1 Ziffer 4 RHO, das heißt nur im Rahmen der reinen Rechnungsprüfung. Im Gegensatz zu den Richtlinien von 1926, verpflichtete der Entwurf des Finanzministeriums den Beauftragten nicht, sich für den Fall beabsichtigter Eigeninitiative mit dem zuständigen Ressortminister abzustimmen. Eine Erweiterung im Vergleich zu der Fassung der Richtlinien von 1926 lag auch in Ziffer 4 des Entwurfs, nach der die Bundesministerien den Beauftragten bei allen organisatorischen oder finanziellen Maßnahmen sowie bei der Aufstellung der Haushaltsvoranschläge beteiligen mussten. Ein solches Beteiligungsrecht des Sparkommissars an Vorhaben der Ministerien fand sich zur Weimarer Zeit nur in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Reichsministerien, Besonderer Teil (GGO II) von 1924 383.

diese die Einsetzung eines gesonderten Sparbeauftragten. Vgl. die Kommentare in der FAZ vom 15. 9. 1951 und im Mannheimer Morgen vom 25. 9. 1951. 382 Schreiben von Bundesfinanzminister Schäffer an den Staatssekretär des Bundeskanzleramtes, Lenz, vom 13. 9. 1951, in: BA, Best. B 134/3227 (Bundesministerium für Wohnungsbau). 383 Vgl. oben S. 42.

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Eine weitere wichtige Neuerung sah der Entwurf des Bundesfinanzministeriums vor, durch den auch dem Bundestag und Bundesrat der Zugriff auf den Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung ermöglicht werden sollte. Nunmehr sollte also nicht nur die Exekutive, sondern auch die Legislative Beratungsaufträge an den Beauftragten stellen können. Während der Weimarer Republik hatte die Mehrheit der politisch Verantwortlichen ein Überschreiten dieser Schwelle immer entschieden abgelehnt. Eine Einschränkung hingegen ergab sich bezüglich der Teilnahmemöglichkeit an den Kabinettssitzungen der Bundesregierung. Wurde der Reichssparkommissar nach den Richtlinien von 1926 noch zu allen Sitzungen des Kabinetts geladen, sollte der Bundesbeauftragte nur noch auf Antrag eines Ministers ein Teilnahmerecht erhalten. Eine weitere Verschärfung in puncto Kontrolle sah Ziffer 8 des Entwurfes vor. So sollte der Bundesbeauftragte den Bundesfinanzminister über alle Aufträge unterrichten, die er von anderen Stellen erhielt und ihm zugleich alle angefertigten Gutachten und Vorschläge weiterleiten. Auf das Schreiben des Bundesfinanzministers und die vorgelegten Richtlinien reagierte das Bundeskanzleramt mit vornehmer Zurückhaltung. In einem Vermerk vom 20. September 1951 384 hieß es, generell bestünden zwar gegen die Einsetzung eines Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung keine Bedenken; bezüglich des Beteiligungsrechts des Bundesbeauftragten an Arbeiten der Ministerien forderte das Kanzleramt aber, es müsse näher definiert werden, in welcher Weise und in welchem Umfang der Bundesbeauftragten zu beteiligen sei, da an dieser Stelle Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten drohten. Das starke Informationsrecht des Bundesfinanzministers war aus Sicht des Kanzleramtes im Hinblick auf die Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofes bedenklich. Vorschläge, wie die Richtlinien geändert werden sollten, wurden aber nicht gemacht. Deutlich ablehnender hieß es in einem weiteren Vermerk des Kanzleramtes vom 4. Oktober 1951 385, eine Beteiligung des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung an Maßnahmen der einzelnen Ressorts komme nur hinsichtlich der Aufstellung von Haushaltsvoranschlägen in Betracht; eine darüber hinausgehende Beteiligung, die den Beauftragten zu einem Überministerium mache, das alle Fragen des Verwaltungsermessens überprüfen könne, schließe das Kanzleramt aus. Am 25. und 26. September 1951 sahen die Kabinettssitzungen erstmals als Tagesordnungspunkt den Entwurf eines Kabinettsbeschlusses und Richtlinien, 384

Vermerk des Bundeskanzleramtes vom 20. 9. 1951, in: BA, Best. B 134/3227 (Bundesministerium für Wohnungsbau). 385 Vermerk des Bundeskanzleramtes vom 4. 10. 1951, in: BA, Best. B 134/3227 (Bundesministerium für Wohnungsbau).

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betreffend einen Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, vor 386. An beiden Tagen wurde der Punkt jedoch nicht behandelt. Auf seiner Sitzung am 28. September 1951 war das Kabinett einstimmig der Auffassung, dass im Hinblick auf die schwierigen Rechtsfragen, die mit der Beauftragung verbunden waren, zunächst Ressortbesprechungen erforderlich seien und infolgedessen der Punkt zu vertagen sei 387. Aufgrund des Beschlusses des Bundeskabinetts lud das Finanzministerium per Rundschreiben die Fachreferenten aller Ministerien zu einer Besprechung am 4. Oktober 1951 ein 388. Unter der Leitung von Ministerialdirektor Oeftering kamen die Vertreter der Ministerien und ein Vertreter des Bundesrechnungshofes im Bundesfinanzministerium zusammen 389. Grundlage der Diskussion war der Entwurf des Finanzministeriums für einen Kabinettsbeschluss samt Richtlinien vom September des Jahres. Der Vertreter des Bundesministeriums des Inneren, Hans Lechner, wandte sich am deutlichsten gegen die vorgesehenen Kompetenzen und deren Ausgestaltung. Es müsse unterstellt werden, der Gesetzgeber habe die Aufgaben des Bundesrechnungshofes mit dem BRHG abschließend regeln wollen, sodass eine Erweiterung der Aufgaben nur aufgrund eines Gesetzes möglich sei. Das Recht des Bundesbeauftragten zur Teilnahme an Kabinettssitzungen widerspreche, so Lechner, zum einen der Geschäftsordnung der Bundesregierung 390, zum anderen erhalte der BWV durch die Möglichkeit, Anträge im Kabinett zu stellen, eine politische Funktion. Ebenfalls abzulehnen sei eine Teilnahme an Sitzungen der gesetzgebenden Organe und ihrer Ausschüsse. Des Weiteren, so Lechner, verwische die Möglichkeit der Beratung von Ländern und Gemeinden die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern. Ministerialdirektor Oeftering, der Vertreter der Bundesjustizministeriums, Much, und Direktor Fuchs vom Bundesrechnungshof versuchten, die Einwände Lechners zu entkräfteten: Durch die Trennung der Aufgaben von Bundesrechnungshof und 386 Booms (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 4, Kabinettssitzung am 25. 9. 1951, S. 653 und Kabinettssitzung am 26. 9. 1951, S. 660. 387 Booms (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 4, Kabinettssitzung am 25. 9. 1951, S. 653 und Kabinettssitzung am 28. 9. 1951, S. 668. 388 Rundschreiben von Bundesfinanzminister Schäffer an die Ressortminister vom 3. 10. 1951, in: BA, Best. B 134/3227 (Bundesministerium für Wohnungsbau). 389 Protokoll der Besprechung vom 5. 10. 1951, in: BA, Best. B 134/3227 (Bundesministerium für Wohnungsbau). 390 Geschäftsordnung der Bundesregierung, GMBl. 1951, S. 137. Im Kabinett verabschiedet am 20. 3. 1951. Vgl. dazu Booms (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 4, Kabinettssitzung am 20. 3. 1951, S. 250 ff. und Kabinettssitzung am 28. 9. 1951, S. 668. Nach § 23 der Geschäftsordnung war der Kreis der regelmäßigen Teilnehmer an den Sitzungen der Bundesregierung auf folgende Personen beschränkt: den Bundeskanzler, die Bundesminister, den Staatssekretär des Bundeskanzleramtes, den Chef des Bundespräsidialamtes, den Chef des Bundespresseamtes, den persönlichen Referenten des Bundeskanzler und den Schriftführer.

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BWV könne nicht von einer Erweiterung der Zuständigkeiten des Hofes gesprochen werden. Eine Beratung der Länder könne nur nach deren Auftrag erfolgen. Bezüglich der Teilnahme an den Kabinettssitzungen habe die Erfahrung unter Reichssparkommissar Saemisch gezeigt, dass mit dem Recht der Antragstellung sehr zurückhaltend umgegangen worden sei. Lechner zog daraufhin seine Bedenken zurück. Sein Ministeriumskollege Dullin wollte den Satz aus den Richtlinien streichen, dass sich der BWV für seine Tätigkeit der Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofes bedienen solle. Dies lehnten die übrigen Teilnehmer ab, da nicht klar sei, wie der BWV sonst tätig werden könne. Strittig war noch die Frage, bei welchen Vorhaben der Ministerien der BWV beteiligt werden solle. Die Fassung des Entwurfes, nach dem der BWV bei „allen organisatorischen oder finanziellen Maßnahmen“ zu beteiligen sei, wurde als zu weitgehend angesehen. So einigte sich die Runde auf die Formulierung, die Bundesminister müssten den BWV nur bei „organisatorischen oder finanziellen Maßnahmen von größerer geldlicher Tragweite“ beteiligen. Zudem wurde in der ursprünglichen Version ergänzt, dass für die Beratung von Landes- und Gemeindebehörden der BWV nicht nur das Einverständnis der Landesregierung, sondern auch das der jeweiligen Behörde habe müsse. Finanzminister Schäffer forderte in einem Schreiben vom 6. Oktober 1951 die Ressortminister auf, ihm Änderungsvorschläge zur neuen Fassung spätestens bis zum 8. Oktober 1951 zuzuleiten 391. Da jedoch Vorschläge ausblieben, bat Schäffer den Staatssekretär im Kanzleramt, den Entwurf für die Einsetzung des BWV bei der nächsten Kabinettssitzung auf die Tagesordnung zu setzen 392. Zudem wies er darauf hin, dass die Richtlinien aufgrund Art. 65 S. 4 GG der Zustimmung des Bundespräsidenten bedürften, da das Recht des BWV zur Teilnahme an Kabinettssitzungen eine Abweichung von der existierenden Geschäftsordnung der Bundesregierung bedeute. Am 9. und 16. Oktober 1951 wurden Beschluss und Richtlinien auf die Tagesordnung der Kabinettssitzungen gesetzt, aber in beiden Fällen nicht angesprochen 393. Zumindest am 9. Oktober wurde der Punkt auf Wunsch des Bundesfinanzministers wieder von der Agenda genommen. Hintergrund waren wohl die unmittelbar bevorstehenden Beratungen des Zentrum-Antrages im Haushaltsausschuss und die noch nicht abgeschlossene Abstimmung mit dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes. 391 Schreiben von Bundesfinanzminister Schäffer an die Ressortminister vom 6. 10. 1951, in: BA, Best. B 134/3227 (Bundesministerium für Wohnungsbau). 392 Schreiben von Bundesfinanzminister Schäffer an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Lenz, vom 9. 10. 1951, in: BA, Best. B 134/3227 (Bundesministerium für Wohnungsbau). 393 Booms (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 4, Kabinettssitzung am 9. 10. 1951, S. 686 und Kabinettssitzung am 16. 10. 1951, S. 703.

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b) Die Bedenken des Bundesrechnungshofpräsidenten gegen einen BWV Echter Gegenwind kam ausgerechnet von jener Person, die BWV werden sollte. Bei Rechnungshofpräsident Mayer rannte die Bundesregierung mit ihrer Vorstellung von einem BWV erstaunlicherweise keine offenen Türen ein. Der Ministerialdirigent im Bundesfinanzministerium, Oeftering, hatte den Präsidenten des Bundesrechnungshofes Anfang Oktober telefonisch kontaktiert, um ihn über die beabsichtigte Beauftragung zum BWV zu unterrichten 394. An das Telefongespräch anknüpfend schrieb Präsident Mayer am 19. Oktober 1951 an Oeftering und meldete „schwere Bedenken“ gegen einen BWV an, der zugleich als Präsident des Rechnungshofes amtiere 395. Er bat vor einer Besprechung im Kabinett um eine Aussprache zwischen dem Bundesfinanzministerium, dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Bundestages, Heinrich Ritzel, und ihm. In seiner fünfseitigen Stellungnahme erläuterte Mayer seine Einwände gegen einen BWV, der zugleich Präsident des Rechnungshofes ist. Der Abbau von Staatsaufgaben oder die Kürzung von Haushaltsansätzen sei eine originär politische Aufgabe, in die sich die Rechnungshöfe durch von ihnen initiierte Beratung und Gutachten so sehr einmischten, dass der Gewaltenteilungsgrundsatz verletzt werde. Dies sei wohl zur Zeit des Reichssparkommissars der Weimarer Republik nur unzureichend bedacht worden 396. Zudem werde diese politische Verantwortlichkeit des BWV noch gesteigert, indem er das Recht zur Teilnahme und Antragstellung im Kabinett erhalten solle. Diese politische Involvierung sei mit der dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes zugesicherten, richterlichen Unabhängigkeit unvereinbar und berge die Gefahr, dass die Stellung des Amtes und seines Trägers „auf das schwerste beeinträchtigt“ werde. Auch die praktisch erzielbaren Ergebnisse eines BWV stellte Mayer in Frage. Ohnehin seien wirklich wichtige Gebiete, auf denen Einsparpotenziale lägen, der Tätigkeit des BWV von vornherein entzogen, wie zum Beispiel das Verhältnis von Bund und Ländern 397, das Subventionswesen oder die Sozialausgaben. Insgesamt halte er einen BWV für entbehrlich, wenn die bestehenden Möglichkeiten des 394 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Mayer an den Ministerialdirigenten im Bundesfinanzministerium, Oeftering, vom 19. 10. 1951, in: BA, Best. B 126/16455 (Bundesministerium der Finanzen). 395 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Mayer an den Ministerialdirigenten im Bundesfinanzministerium, Oeftering, vom 19. 10. 1951, in: BA, Best. B 126/16455 (Bundesministerium der Finanzen). 396 Im Gegensatz zu Mayers Auffassung ist diese Frage auch schon zu Weimarer Zeiten diskutiert worden. 397 Mayer kannte möglicherweise Ziffer 1 a. E. der Richtlinien von 1952 nicht, in der es heißt: „Dabei wird er [der BWV] sein Augenmerk auf die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen den verschiedenen Bundesverwaltungen und die Scheidung der Aufgabenkreise zwischen Bund, Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbände) richten.“

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Bundesrechnungshofes, beratend tätig zu werden, besser ausgeschöpft würden. Hierzu gehörten eine verstärkte Inanspruchnahme der Gutachtenerstellung nach § 8 Abs. 1 BRHG, eine ausreichende personelle Ausstattung und die rechtzeitige Einschaltung in die Beratung der Ressorts über Haushaltsvoranschläge. Auch sei es in Anlehnung an § 109 RHO in der Fassung vor der Zweiten Novelle 1933 durchaus möglich, dass der Rechnungshof – nicht aber sein Präsident – in bestimmten Fällen während laufender Prüfungen die Bundesregierung über Mängel in der Verwaltung unterrichte und Vorschläge zu deren Behebung unterbreite. c) Die Mitwirkung des Bundestages Die grundsätzlichen Bedenken des Präsidenten stießen jedoch in der Bundesregierung auf wenig Widerhall. Am 23. Oktober 1951 folgte das Kabinett trotz der geäußerten Bedenken Mayers den Vorschlägen des Bundesfinanzministers und beschloss grundsätzlich, einen BWV einzusetzen. Die endgültige Beauftragung Mayers zum BWV sollte aber erst erfolgen, wenn der Entwurf des Bundesfinanzministeriums abschließend mit Präsident Mayer und dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Ritzel, abgestimmt sei 398. Sollten sich aus der Besprechung zwischen den Verantwortlichen Änderungen ergeben, sollte der Tagesordnungspunkt erneut im Kabinett erörtert werden. Die Presse titelte am folgenden Tag, die Bundesregierung habe die Einsetzung eines Sparkommissars gebilligt 399. Aus der Besprechung der drei Verantwortlichen ergaben sich keine Änderungen. Vor allem ist erstaunlich, dass Mayer seine grundsätzlichen Bedenken gegen einen BWV anscheinend zurückstellte. In einem späteren Vermerk des Bundesfinanzministeriums 400 heißt es, der Präsident habe anscheinend unter dem Druck der damals bereits völlig geschlossenen Haltung der Fraktionen und der Bundesressorts seiner Beauftragung schließlich zugestimmt. Der Haushaltsausschuss des Bundestages befasste sich auf seiner Sitzung am 5. Dezember 1951 mit dem Entwurf und erstattete einen mündlichen Bericht mit drei wesentlichen Änderungsvorschlägen 401. Erstens sollte der BWV Ländergutachten nur gegen Erstattung der Kosten anfertigen, zweitens müssten die 398 Booms (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 4, Kabinettssitzung am 23. 10. 1951, S. 711 f. 399 Westdeutsche Allgemeine, Die Welt, Bonner General-Anzeiger, Trierische Landeszeitung, jeweils vom 24. 10. 1951. 400 Vermerk des Abteilungsleiters I a an den Abteilungsleiter I im Bundesfinanzministerium vom Dezember 1958, in: BA, Best. B 126/16455 (Bundesministerium der Finanzen). 401 Schreiben von Bundesfinanzminister Schäffer an den Staatssekretär des Bundeskanzleramtes, Lenz, vom 15. 12. 1951, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt).

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Gutachten der ersuchenden Stelle unmittelbar zugeleitet werden und drittens schließlich sollte ausdrücklich hervorgehoben werden, dass der BWV von Weisungen irgendwelcher Art unabhängig sei. Nachdem sich auch Präsident Mayer und das Bundesfinanzministerium mit den Änderungen einverstanden erklärt hatten, schrieb Finanzminister Schäffer am 15. Dezember an das Kanzleramt und bat aufgrund der Änderungen um Wiedervorlage im Kabinett und Mitteilung, sobald der Bundespräsident seine Genehmigung nach Art. 65 S. 4 GG erteilt habe. Nach langen Vorbereitungen und Diskussionen entschied das Kabinett auf seiner Sitzung am 8. Januar 1952 endgültig, die neue Vorlage des Bundesfinanzministers zum BWV anzunehmen 402. Nun beschäftigten sich Referate im Kanzleramt mit dem genauen Ablauf zur Einsetzung des BWV. In einem Vermerk vom 23. Januar 1952 403 wurde die Ansicht vertreten, die Ernennung des BWV durch den Bundespräsidenten stehe kurz bevor und es sei noch dessen Genehmigung nach Art. 65 S. 4 GG erforderlich. In Referatsvermerken des Kanzleramtes 404 kamen die Verfasser dagegen unter Bezugnahme der ausgeübten Praxis unter Reichssparkommissar Saemisch zu der Auffassung, eine Ernennung durch den Bundespräsidenten sei nicht vorgesehen und auch die Geschäftsordnungsfrage könne „nach Abgang“ geklärt werden. Somit wurde der Bundespräsident nie offiziell eingeschaltet. Am 17. Januar 1952 befasste sich auch der Deutsche Bundestag in einer Plenardebatte 405 mit der Einsetzung eines BWV. Ganz im Gegensatz zur Bundestagssitzung im Oktober 1950, sprachen sich die in der Debatte auftretenden Redner der SPD, CDU, Föderalistischen Union und der DP nunmehr für eine neue Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes in Wirtschaftlichkeitsfragen aus. Allerdings war nur wenigen Abgeordneten die genaue Ausgestaltung und Abgrenzung von Bundesrechnungshof, Präsidialabteilung und BWV bewusst 406. Am Sitzungstag stellte die Fraktion der Föderalistischen Union den Antrag, 402 Booms (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 5, Kabinettssitzung am 8. 1. 1952, S. 36. 403 Vermerk des Bundeskanzleramtes vom 23. 1. 1952, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 404 Vermerke des Bundeskanzleramtes vom 7. 2. 1952, 12. 2. 1952 und 22. 2. 1952 in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 405 BT-StenBer, 1. WP / 186. Sitzung vom 17. 1. 1952 / S. 7927 ff. 406 Der Berichterstatter des Haushaltsausschusses, Abgeordneter Ritzel (SPD) sprach ausschließlich von der Präsidialabteilung des Rechnungshofes und nicht von einem BWV. Vgl. die Rede Ritzels in BT-StenBer, 1. WP / 186. Sitzung vom 17. 1. 1952 / S. 7927 f. Abgeordneter Leuchtgens (DP) meinte, seine Fraktion sei froh, dass sich der Bundesfinanzminister bei der Sparaufgabe für die Präsidialabteilung des Rechnungshofes entschieden habe, und nicht für einen Sparkommissar „mit all seinem Drum und Dran“. Vgl. die Rede des MdB Leuchtgens in BT-StenBR, 1. WP / 186. Sitzung vom 17. 1. 1952 / S. 7930.

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dass bereits ein Viertel der Mitglieder des Bundestages genügen sollten, um den BWV seitens des Bundestages um eine Gutachtenerstellung zu ersuchen. Die Föderalistische Union wollte also ein echtes Minderheitenrecht festschreiben, das die gleichen Abstimmungsverhältnisse voraussetzt wie zum Beispiel die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nach Art. 44 GG. Vor diesem Hintergrund entschied der Bundestag, den Bericht des Ausschusses zusammen mit dem neuen Antrag der Föderalistischen Union zur erneuten Beratung an den Haushaltsausschuss zurückzuverweisen. Der Haushaltsausschuss lehnte bei seinen Verhandlungen am 6. Februar 1952 den Antrag der Föderalistischen Union mit einer Gegenstimme ab 407. Am 20. Februar 1952 stimmte der Bundestag für den Antrag des Zentrums vom Oktober 1950 408 und den hierzu ergangenen mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses vom Dezember 1951 409. Vom Bundestag abgelehnt wurde dagegen der Antrag der Föderalistischen Union 410. Wiederum sprachen sich alle Abgeordneten in der Debatte 411 grundsätzlich für die Einrichtung eines BWV aus, insbesondere wohl auch, wie der Abgeordnete Robert von der Nahmer (FDP) freimütig zugab 412, um nicht in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, man sei nicht für Sparsamkeit in der Verwaltung. Kritisch äußerten sich Abgeordnete, die der Auffassung waren, der BWV bringe „nichts absolut Neues“ 413, sondern die bestehenden Vorschriften für den Rechnungshof reichten an sich aus, um die gleichen Ziele zu verfolgen, die der BWV jetzt in Angriff nehmen sollte. Der Staatssekretär des Bundeskanzleramtes Lenz bat in seinem Schreiben vom 18. Februar 1952 Bundesrechnungshofpräsident Mayer vorweg um Mitteilung, ob dieser bereit sei, nach Maßgabe des Kabinettsbeschlusses vom 8. Januar 1952 die Tätigkeit als BWV zu übernehmen 414. Brieflich erklärte sich Mayer einverstanden, als BWV mit „persönlichem Auftrag“ tätig zu werden 415. Nun schien alles in trockenen Tüchern zu sein – doch die endgültige offizielle Beauftragung Mayers zum BWV verzögerte sich weiter.

407 Kurzprotokoll Nr. 162 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages in der 1. WP vom 6. 2. 1952, S. 6. 408 BT-Drs. 1/1460. 409 BT-Drs. 1/2924. 410 BT-Drs. 1/424. 411 BT-StenBer, 1. WP / 194. Sitzung vom 20. 2. 1952 / S. 8360 ff. 412 BT-StenBer, 1. WP / 194. Sitzung vom 20. 2. 1952 / S. 8361. 413 So die MdB von Nahmer (FDP) und Schoettle (SPD). 414 Schreiben des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt, Lenz, an den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Mayer, vom 18. 2. 1952, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 415 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Mayer an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Lenz, vom 26. 2. 1952, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt).

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4. Hindernisse bis zur Einsetzung des BWV Dem Bundeskanzler höchstpersönlich war plötzlich der Kabinettsbeschluss vom 8. Januar 1952 an einer Stelle missliebig geworden: Die Möglichkeit des Bundesrates, den BWV um Beratung zu ersuchen, passte Adenauer nicht 416. Er sah die Stärke der Exekutive gefährdet, indem dem Bundesrat mit dem Zugriff auf den BWV ein Instrument in die Hand gegeben werde, sich in Angelegenheiten einzumischen, die ausschließlich Sache der Exekutive seien. Für die plötzlichen Bedenken des Bundeskanzlers gab es auch einen konkreten Anlass: Der Bundesrat übte auf seiner Sitzung am 29. Februar 1952 im Zuge seiner Beratungen des Nachtragshaushaltes für das Jahr 1951 scharfe Kritik an der Bundesverwaltung 417. Besonders in die Schusslinie geriet die Stellenvermehrung im Bundespresseamt, für das eine Erweiterung von 176 auf 239 Beschäftigte vorgesehen war. So beschloss der Bundesrat, den BWV unverzüglich nach der Aufnahme seiner Tätigkeit mit der Überprüfung des Bundespresseamtes zu beauftragen. Adenauer wird somit mehr von taktischen Erwägungen getrieben worden sein als von echten rechtlichen Bedenken gegen die Zugriffsmöglichkeit der Legislative auf den BWV. Zu diesen Erwägungen mag insbesondere gezählt haben, dass der Bundesrat, in dem bekanntermaßen andere politische Mehrheitsverhältnisse als im Bundestag herrschen können, durch die Möglichkeit, Gutachtenersuchen an den BWV zu richten, den BWV als „Instrument der Opposition“ missbrauchen könnte. So beabsichtigte der Bundeskanzler sogar, den Kabinettsbeschluss entsprechend zu ändern. Allerdings sollten zuvor der Bundesfinanzminister und der Bundesjustizminister eine Stellungnahme zu dieser Frage abgeben. Finanzminister Schäffer wies in seinem Schreiben an Adenauer vom 21. März 1952 418 die Bedenken des Kanzlers mit dem Argument zurück, die Aufgaben des BWV seien sachlich nichts anderes als eine Erweiterung der Befugnisse und Pflichten, die dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes schon nach § 8 BRHG oblägen. Auch diese Vorschrift sehe eine Gutachtenerstattung für den Bundesrat vor. Zudem sei es im Hinblick auf die Gleichbehandlung von Bundesrat und 416

Vermerk des Bundeskanzleramtes vom 15. 3. 1952, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). Zunächst sprach Adenauer nur vom Bundesrat. Später wurde dann seitens des Kanzleramtes kommuniziert, der gesamten Legislative solle ein solches Recht verwehrt bleiben. So beispielsweise die Auffassung des Leiters des Kanzler-Büros, Petz, in einem Schreiben an Bundesjustizminister Dehler vom 28. 3. 1952, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 417 Rheinische Zeitung vom 1. 3. 1952. Vgl. auch das Schreiben des Ministerialrats im Bundesfinanzministerium, Kleberger, an den Oberregierungsrat im Bundeskanzleramt, Pühl, vom 22. 3. 1952, in dem das Beispiel der verlangten Überprüfung des Bundespresseamtes durch den BWV aufgegriffen wurde, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 418 Schreiben von Bundesfinanzminister Schäffer an Bundeskanzler Adenauer vom 21. 3. 1952, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt).

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Bundestag als Gesetzgebungsorgane schwer gewesen, dem Bundestag das Recht einzuräumen, den BWV um Beratung zu ersuchen, dem Bundesrat ein solches Recht aber zu verwehren. In einem weiteren Schreiben des Bundesfinanzministeriums an das Kanzleramt vom 22. März 1952 419 hieß es, eine Änderung des Kabinettsbeschlusses sei schon deshalb nicht mehr möglich, da die im Kabinett beschlossenen Richtlinien bereits in Presse und Öffentlichkeit bekannt geworden seien. Ferner beruhigte das Ministerium das Kanzleramt, es bestünde keine Gefahr, dass der Bundesrat zu einer regen Gutachtenanforderung an den BWV übergehe, da er auch in der Vergangenheit die bereits bestehenden Möglichkeiten zur Gutachtenerstattung durch den Rechnungshof im Gegensatz zum Haushaltsausschuss oder den Ministern nicht in Anspruch genommen habe. Auch von Bundesjustizminister Thomas Dehler bekam der Bundeskanzler keine formell überzeugenden Argumente an die Hand, die eine Änderung des gefassten Beschlusses vereinfacht hätten. Dehler vertrat den Standpunkt, dass zu einer Regelung, die der Legislative die Möglichkeit eröffnet, Gutachten beim Präsidenten des Bundesrechnungshofes einzuholen – ob nun über § 8 BRHG oder über die Stellung als BWV –, keine verfassungsrechtliche Verpflichtung bestand, dass aber andererseits dagegen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken geltend gemacht werden könnten. In einem Vermerk für den Bundeskanzler vom 2. Mai 1952 empfehlen 420 seine Mitarbeiter abschließend, den Kabinettsbeschluss vom 8. Januar des Jahres nicht zu ändern. Der Präsident des Bundesrechnungshofes solle nunmehr aufgrund des Drucks von Bundestag und Bundesfinanzminister zügig mit seiner Arbeit als BWV beginnen. Adenauer erklärte sich schließlich im Gespräch mit seinem Stab einverstanden 421. Um die in den Richtlinien vorgesehene Möglichkeit des BWV, an den Sitzungen der Bundesregierung teilzunehmen, rechtlich abzusichern, regte der Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Lenz, auf der Kabinettssitzung am 10. Juni 1952 422 eine Änderung des § 23 der Geschäftsordnung der Bundesregierung, der den Teilnehmerkreis der Kabinettssitzungen festlegte, an. Kanzler Adenauer hielt jedoch eine Änderung für nicht notwendig, und das Kabinett trat dieser Auffassung bei. 419 Schreiben des Ministerialrats im Bundesfinanzministerium, Kleberger, an den Oberregierungsrat im Bundeskanzleramt, Pühl, vom 22. 3. 1952, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 420 Vermerk von Referat 4 des Bundeskanzleramtes vom 2. 5. 1952, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 421 Vermerk von Referat 4 des Bundeskanzleramtes vom 5. 6. 1952, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 422 Booms (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 5, Kabinettssitzung am 10. 6. 1952, S. 379 f.

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5. Von der Beauftragung ad personam zur Verbindung kraft Amtes a) Josef Mayer als erster BWV Nach vielen Irrungen und Wirrungen und fast ein Jahr, nachdem das Bundesfinanzministerium dem Kanzleramt die Einsetzung eines BWV vorgeschlagen hatte, wurde der erste BWV der Bundesrepublik Deutschland mit Schreiben des Bundeskanzlers vom 17. Juni 1952 an den Bundesrechnungshofpräsidenten Mayer offiziell eingesetzt 423. Der Kabinettsbeschluss und die Richtlinien vom 8. Januar 1952 wurden am 5. Juli 1952 im Bundesanzeiger veröffentlicht 424. Im Zusammenhang mit der Gutachtenerstellung tauchte schon bald ein klassisches Problem auf, das auch schon zu Saemischs Zeiten diskutiert wurde: Die Ministerien und Verwaltungsstellen hielten die für sie erstellten Gutachten oft bewusst oder unbewusst zurück. Dies veranlasste Bundesfinanzminister Schäffer, ein Rundschreiben an seine Kabinettskollegen 425 abzusenden, in dem er auf den Missstand aufmerksam machte, dass die Gutachten des BWV dem Bundesrat und Bundestag, hier vor allem dem Haushaltsausschuss, erst zu spät weitergeleitet würden 426. Er bat seine Kollegen, Gutachten, die der BWV im Auftrag von Ministerien erstelle, so schnell wir möglich auch den gesetzgebenden Körperschaften zuzuleiten, damit diese die Erkenntnisse des BWV bei ihren Entscheidungen verwerten könnten. In den vier Jahren seiner Tätigkeit als BWV trat Präsident Mayer als BWV eher zurückhaltend auf. Weder drängte er mit spektakulären Auftritten in die Öffentlichkeit, noch übte er besonderen Druck auf politische Entscheidungsträger aus. Der Grund für dieses zurückhaltende Rollenverständnis lag wohl insbesondere in der skeptischen Beurteilung eines BWV, wie sie Mayer gegenüber der Bundesregierung deutlich zum Ausdruck gebracht hatte. Dennoch nahm er seine Aufgabe pflichtbewusst an und fertigte eine Reihe von Gutachten. Mit Ablauf des Jahres 1956 trat Präsident Mayer im Alter von 70 Jahren in den Ruhestand.

423 Schreiben von Bundeskanzler Adenauer an den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Mayer, vom 17. 6. 1952, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 424 BAnz Nr. 128 vom 5. 7. 1952. 425 Schreiben von Bundesfinanzminister Schäffer an die Bundesminister vom 22. 1. 1954, in: BA, Best. B 136/7173 (Bundeskanzleramt). 426 Der Haushaltsausschuss des Bundestages debattierte mit dem BWV im November 1954 über die Frage, wie die Erkenntnisse des BWV bei den Etatverhandlungen besser eingebracht werden könnten. Vgl. dazu das Kurzprotokoll Nr. 46 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, 2. WP vom 10. 11. 1954, S. 2 ff.

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b) Die kurze Amtszeit des Präsidenten Heinz Maria Oeftering Die Wahl eines Nachfolgers fiel schnell auf den früheren Ministerialdirektor im Bundesfinanzministerium, Oeftering, der sein Amt als Bundesrechnungshofpräsident am 21. Februar 1957 antrat. Das Bundeskabinett bat ihn jedoch nicht – wie noch seinen Vorgänger – auch die Arbeit in der Funktion eines BWV aufzunehmen. Daher richtete Oeftering am 19. März 1957 ein Schreiben an Finanzminister Schäffer 427, in dem er den Minister bat, ihn (Oeftering) möglichst schnell zum BWV zu bestellen. Die Beauftragung sei dringlich, nicht nur, weil die Öffentlichkeit dies als Selbstverständlichkeit ansehe, sondern auch, da der Bundestag mittlerweile einen Unterausschuss „Vereinfachung der Verwaltung“ eingesetzt habe. Aber Oeftering nahm nicht nur die Zügel betreffend seiner eigenen Beauftragung in die Hand, sondern forderte zugleich eine Änderung der Richtlinien aus dem Jahr 1952: Er wünschte eine Änderung von Ziffer 6 dieser Richtlinien, nach der der BWV nur auf Antrag eines Bundesministers an den Kabinettssitzungen teilnehmen konnte. Diese Vorschrift habe, so Oeftering, schon Präsident Mayer weitestgehend gehindert, an den Sitzungen teilzunehmen. Mit der unabhängigen Stellung des BWV sei eine solche Beschränkung kaum vereinbar. Daher bat Oeftering Finanzminister Schäffer, sich für die Streichung der Worte „auf Antrag eines Bundesministers“ in Ziffer 6 der Richtlinien von 1952 einzusetzen. In Kopie sandte er das Schreiben an den Bundesfinanzminister auch an Kanzleramtsstaatsekretär Globke 428 und bat diesen ebenfalls, sich für eine Änderung der Richtlinien in seinem Sinne stark zu machen. Das aktive Verhalten Oefterings erinnert sehr an jenes des Reichsrechnungshofpräsidenten Saemisch, als dieser im Jahr 1922 von der Reichsregierung mit der Übernahme der Tätigkeit eines Sparbeauftragten beauftragt wurde und gleich in seinem Antwortschreiben den regelmäßigen Zugang zu den Sitzungen des Reichskabinetts forderte 429. Aber noch bevor das Bundeskanzleramt oder das Bundesfinanzministerium auf den Vorschlag eine Reaktion zeigten, änderte Oeftering seine Karrierepläne und entschied sich, die Wahl zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Deutschen Bundesbahn anzunehmen. Somit endete knapp drei Monate nach ihrem Beginn die Amtszeit Präsident Oefterings am 12. Mai 1957. Zurückhaltend schrieb das Bundeskanzleramt in einem internen Vermerk am 13. Mai 1957 430, es bleibe abzuwarten, ob der neue Präsident des 427 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Oeftering an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Globke, vom 19. 3. 1957, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 428 Hans Globke war seit 1949 als Beamter im Bundeskanzleramt und dort von 1953 bis 1963 beamteter Staatssekretär. 429 Vgl. oben S. 36. 430 Vermerk von Referat 8 des Bundeskanzleramtes vom 13. 5. 1957, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt).

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Bundesrechnungshofes mit einem gleichen Anliegen an die Bundesregierung herantrete. c) Vorschläge des Bundesfinanzministeriums für eine dauerhafte Verbindung kraft Amtes Im Zusammenhang mit dem Präsidentenwechsel zeigte sich, wie groß die Unsicherheit im Bundesfinanzministerium bezüglich der Erfordernisse für die Ernennung eines BWV war 431. Der Minister selbst vertrat zunächst die Auffassung, für einen neuen BWV sei kein neuer Kabinettsbeschluss erforderlich, wohingegen das zuständige Referat im Bundesfinanzministerium meinte, ein erneuter Beschluss sei notwendig, da der ursprüngliche nur auf die Person des in den Ruhestand getretenen Präsidenten Mayer abgestellt gewesen sei. Schäffer sah es nun als Schwachstelle an, dass im Falle eines Wechsels an der Spitze des Bundesrechnungshofes der neue Präsident nicht ohne einen neuen Kabinettsbeschluss zugleich BWV wurde. Daher ergriff er selbst die Initiative für eine Änderung der Richtlinien für den BWV. Mit Schreiben an das Kanzleramt vom 6. April 1957 432 beantragte der Bundesfinanzminister, Ziffer 2 der Richtlinien von 1952 dahingehend zu ändern, dass an die Stelle der Worte „der Präsident des Bundesrechnungshofes Josef Mayer“ die Worte „der jeweilige Präsident des Bundesrechnungshofes“ treten. Im Interesse einer sparsamen Verwaltung, so Schäffer, müsse der BWV seine Aufgaben unbedingt ohne Unterbrechung wahrnehmen. Diese Maßnahme sei umso mehr geboten, als sich die Aufgabengebiete des BWV und des Bundesrechnungshofpräsidenten nach § 8 BRHG weitgehend berührten. Schäffer bat, die Angelegenheit auf einer der nächsten Sitzungen des Kabinetts auf die Tagesordnung setzen zu lassen. d) Geänderte Rechtsgrundlage für den BWV Das Bundeskanzleramt schien von den Argumenten Schäffers überzeugt zu sein und setzte am 3. Mai 1957 ein Rundschreiben an die Bundesminister auf 433, in dem es den Antrag des Bundesfinanzministers wiedergab und von der Zustimmung der Ressortkollegen ausging, falls diese nicht innerhalb von zehn Tagen gegenteilige schriftliche Mitteilung geben würden. Als einziger Minister legte Bundeswohnungsbauminister Victor-Emmanuel Preusker innerhalb der Frist Ein431 Vermerk von Referat 8 des Bundeskanzleramtes vom 30. 3. 1957, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 432 Schreiben von Bundesfinanzminister Schäffer an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Globke, vom 6. 4. 1957, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 433 Schreiben des Bundeskanzleramtes an die Bundesminister vom 3. 5. 1957, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt).

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spruch ein 434. Aus seiner Sicht müsse verhindert werden, dass der Vizepräsident als regelmäßiger Vertreter des Präsidenten im Verhinderungsfall auch die Aufgabe des BWV übernehmen könne. Preusker schlug daher vor, den Wortlaut der Vorlage des Bundesfinanzministeriums betreffend Ziffer 2 der Richtlinien 1952 von „der jeweilige Präsident des Bundesrechnungshofes“ in „der jeweilige Präsident des Bundesrechnungshofes für seine Person“ zu ändern. Das Bundesfinanzministerium räumte die Bedenken Ministers Preusker mit dem Hinweis aus, es sei erst gar nicht zu befürchten, dass der Vizepräsident den Präsidenten als BWV vertrete, da eine Vertretung gem. § 124 Abs. 2 RHO nur bei Aufgaben möglich sei, die dem Präsidenten kraft Gesetzes oblägen 435. Da aber der BWV ja gerade nicht auf Grundlage eines formellen Gesetzes, sondern nur aufgrund eines Kabinettsbeschlusses tätig werde, sei eine Vertretung im Sinne des § 124 Abs. 2 RHO ohnehin ausgeschlossen. Nachdem somit auch der Wohnungsbauminister überzeugt war, beschloss das Kabinett am 13. Mai 1957 436 die Änderung der Ziffer 2 der Richtlinien von 1952 dahingehend, dass nun immer der jeweilige Präsident des Bundesrechnungshofes die Aufgabe des BWV übernahm. In diesem Beschluss könnte eine grundsätzliche Abkehr von dem auch zu Saemischs Zeiten vertretenen Prinzip der Bestellung ad personam gesehen werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Bundesregierung auch nach der geänderten Fassung ein Einvernehmen mit dem Bundesrechnungshofpräsidenten erzielen musste. Insofern handelte es sich also auch nach dem geänderten Beschluss nicht um eine echte Realunion, die automatisch zustande kam, sobald ein neuer Bundesrechnungshofpräsident seitens der Bundesregierung beauftragt wurde 437. Die Entscheidung des Kabinetts löste plötzlich Widerstand im Justizministerium aus. Zwar war zweifelsohne auch der Justizminister im Wege des Umlaufverfahrens zur Vorbereitung des Kabinettsbeschlusses informiert worden, und er hatte keinerlei Bedenken gegen die Neuregelung der Richtlinien erhoben. Al434 Vermerk von Referat 8 des Bundeskanzleramtes vom 13. 5. 1957, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 435 Vermerk des Bundesfinanzministeriums vom 15. 5. 1957, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 436 Unklar ist das genaue Datum des Beschlusses. Zum einen kann auf das Umlaufverfahren abgestellt werden, nach dem eine automatische Beschlussfassung am 13. 5. 1957 stattgefunden hätte. Durch den Widerspruch des Bundesministers für Wohnungsbau wurde das Verfahren jedoch unterbrochen. Den 13. 5. 1957 als Beschlusstag hat das Bundesfinanzministerium in seinem Vermerk vom 7. 6. 1957 in: BA, Best. B 136/22588 angenommen. Ein Vermerk des Ministeriums vom Dezember 1958 in: BA, Best. B 126/ 16455 spricht jedoch von einer Kabinettssitzung am 22. 5. 1957. Eine solche hat jedoch den Kabinettsprotokollen nach nie stattgefunden. 437 Vgl. hierzu auch Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, S. 181 sowie die Auffassung Präsident Hopfs in seinem Schreiben an den Chef des Bundeskanzleramtes, Westrick, vom 20. 7. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt).

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lerdings war innerhalb des Ministeriums die Abteilung Öffentliches Recht nicht beteiligt worden. Aus diesem Referat meldeten Ministerialdirektor Walter Roemer und Verfassungsrechtsreferent Ministerialrat Hermann Maassen erhebliche rechtliche Bedenken gegen den Beschluss der Regierung an 438. Die Mitarbeiter waren der Auffassung, die Aufgaben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes seien im Gesetz über den Bundesrechnungshof abschließend geregelt. Wenn nun der Präsident dauerhaft anhand eines Kabinettbeschlusses die Aufgabe eines BWV zugewiesen bekomme, so stünde dieser Beschluss über dem Bundesrechnungshofgesetz. Außerdem werde das Amt des Bundesrechnungshofpräsidenten durch die dauerhafte Verbindung mit der Tätigkeit eines BWV, insbesondere durch die Rechte der Bundesregierung, in seiner Struktur verändert. Hiermit meinten die Referatsmitarbeiter vermutlich die gesetzlich garantierte Unabhängigkeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Aber das Kanzleramt war nicht an einer Änderung des Beschlusses oder gar des Bundesrechnungshofgesetzes interessiert. Es stellte die Anfrage an das Justizministerium, ob sich die Bedenken nicht erübrigen würden, wenn der jeweilige Präsident des Bundesrechnungshofes vor jeder Beauftragung als BWV um sein Einverständnis gebeten werde 439. Das Justizministerium war zwar nicht restlos von dieser Lösung überzeugt, sah aber seine Einwände durch ein solches Vorgehen als „im wesentlichen ausgeräumt“ an 440. e) Guido Hertel als Präsident des Bundesrechnungshofes und BWV Auf seiner Sitzung am 21. Mai 1957 beschloss das Bundeskabinett, Guido Hertel als neuen Präsidenten des Bundesrechnungshofes vorzuschlagen. Damit entschied man sich wieder, einen Mann aus dem Bundesfinanzministerium an die Spitze des Hofes zu setzen: Hertel war seit 1950 im Ministerium, seit 1955 leitete er dort als Ministerialdirektor die Abteilung für Recht, Personal und Allgemeine Verwaltung (Abteilung I). Aber auch die Position des BWV wollte die Bundesregierung gerne nachbesetzen. So schrieb der Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Globke, gut zwei Wochen nach Hertels Amtsantritt an den Präsidenten 441 und bat ihn vor einer offiziellen Beauftragung zum BWV um Vorab-Mitteilung, ob er auf Grundlage des geänderten Kabinettsbeschlusses vom 13. Mai 1957 bereit sei, die Arbeit 438 Vermerk der Unterabteilung A des Bundeskanzleramtes vom 31. 5. 1957, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 439 Vermerk der Unterabteilung A des Bundeskanzleramtes vom 31. 5. 1957, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 440 Vermerk der Unterabteilung A des Bundeskanzleramtes vom 31. 5. 1957, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt).

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des BWV zu übernehmen. In dem Schreiben an Hertel wies das Kanzleramt ausdrücklich darauf hin, es sei unter der Berücksichtigung der Bedenken des Bundesjustizministeriums notwendig, den Präsidenten vor der formellen Beauftragung als BWV zunächst um sein Einverständnis zu bitten, die Aufgabe des BWV grundsätzlich übernehmen zu wollen. Die stille Hoffnung, ein neuer Präsident trete möglicherweise der Regierung gegenüber nicht mit der gleichen Anspruchshaltung auf wie zuletzt Präsident Oeftering, verflüchtigte sich bereits mit dem Antwortschreibens Hertels vom 21. Juni 1957 442. Hertel begrüßte zunächst die Änderungen der Richtlinien, durch die nun der jeweilige Präsident des Bundesrechnungshofes auch als BWV fungierte. Aber gleichzeitig griff er die am 19. März 1957 formulierte Forderung Oefterings auf, der BWV müsse mit dem uneingeschränkten Recht zur Teilnahme an Kabinettssitzungen mit beratender Stimme ausgestattet werden. Ein solcher ständiger Zugang sei zweckmäßig und erfülle zugleich das Verlangen der Öffentlichkeit nach Stärkung des BWV. Zu Beginn seines Briefes schrieb Hertel zwar „Auf die Anfrage vom 7. Juni (...) erkläre ich mich bereit, die Aufgabe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zu übernehmen“, aber am Ende des Schreibens hieß es dann: „Damit der Änderungsvorschlag [der von Hertel geforderte ständige Zugang zu den Kabinettssitzungen] die Beauftragung nicht hinauszögert, wäre ich bereit, den Auftrag nach Maßgabe des Kabinettsbeschlusses vom 8. Januar 1952 / 13. Mai 1957 und der Richtlinie in ihrer alten Fassung vorläufig zu übernehmen“ 443. Es handelte sich also um eine Annahme unter einer Bedingung. Doch das Bundeskanzleramt konnte sich mit der Forderung des Präsidenten wenig anfreunden und entschied intern, dieser vorerst nicht nachzukommen 444. Man verwies auf § 23 der Geschäftsordnung der Bundesregierung, der die Teilnehmer an den Kabinettssitzungen abschließend festlege sowie auf das dann nötige Verfahren einer Änderung der Geschäftsordnung der Bundesregierung und der hiermit verbundenen erforderlichen Genehmigung des Bundespräsidenten nach Art. 65 S. 4 GG. Mit einer Politik des Hinauszögerns sollte zunächst 441

Schreiben des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt, Globke, an den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Hertel, vom 7. 6. 1957, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 442 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hertel an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Globke, vom 21. 6. 1957 in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 443 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hertel an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Globke, vom 21. 6. 1957 in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 444 Vermerk von Referat 8 des Bundeskanzleramtes vom 3. 7. 1957, in; BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt).

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abgewartet werden, ob entweder der Bundesfinanzminister in dieser Frage initiativ tätig werde oder Hertel sich erneut zu Wort melde. Das offizielle Schreiben des Bundeskanzlers am 23. Juli 1957 445, mit dem Hertel beauftragt wurde, die Aufgaben eines BWV wahrzunehmen, ignorierte den Wunsch des Bundesrechnungshofpräsidenten zur Teilnahme an Sitzungen der Bundesregierung und der Kanzler schrieb schlicht: „Nachdem Sie sich (...) mit der Übernahme der Aufgaben des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung bereiterklärt haben, beauftrage ich Sie hiermit im Namen der Bundesregierung mit der Wahrnehmung der Aufgaben“. Das Kanzleramt verstärkte indessen seine ablehnende Linie zu den Vorstellungen Hertels in einem Vermerk vom 6. August 1957 446. Schon die Richtlinien von 1952, so hieß es hier, könnten nur im Lichte des § 23 Geschäftsordnung der Bundesregierung ausgelegt werden. Das hieße, das Recht des BWV zur Teilnahme sei immer nur mit Einverständnis des Kanzlers oder seines Stellvertreters möglich. Eine „beratende Stimme“ oder das Recht, „Anträge zu stellen“, wie es Ziffer 6 der Richtlinien 1952 vorsähe, seien als Begriffe der Geschäftsordnung der Bundesregierung fremd. Während Oeftering sich bei seiner Bitte nach Zugang zum Kabinett darauf berief, die eingeschränkte Teilnahmemöglichkeit sei mit der unabhängigen Stellung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes nicht zu vereinbaren, führte das Bundeskanzleramt für seine entgegengesetzte Argumentation ebenfalls die Unabhängigkeit ins Feld. Mit Rücksicht auf die richterliche Unabhängigkeit des Präsidenten sei seine regelmäßige Teilnahme an Kabinettssitzungen gefährlich, da das Kabinett ein rein politisches Gremium sei. Die Ausarbeitung resümierte, es müsse von weiteren Konzessionen an den Bundesbeauftragten abgesehen werden, um die Arbeitsfähigkeit des Kabinetts nicht zu beeinträchtigen. Auf Grundlage dieser Begründung entwarf das Bundeskanzleramt im Namen von Staatsekretär Globke im August ein Antwortschreiben an Präsident Hertel, das die Bitte des Präsidenten als verständlich bezeichnete, aber sie im Hinblick auf die politische Funktion der Kabinettssitzungen sowie eventuelle Begehrlichkeiten von anderen höchsten Beamten ablehnte. Das Schreiben wurde jedoch nie abgesandt 447. Das Bundesfinanzministerium schloss sich der verschleppenden Haltung des Kanzleramtes an und empfahl, auch im eigenen Haus nichts in Richtung Änderung der Richtlinien im Sinne Hertels zu unternehmen 448. Auf 445 Schreiben von Bundeskanzler Adenauer an den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Hertel, vom 23. 7. 1957, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 446 Vermerk des Bundeskanzleramtes vom 6. 8. 1957, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 447 Vermerk von Referat 6 des Bundeskanzleramts vom 24. 3. 1958, in: BA, Best. B 136/4782 (Bundeskanzleramt). Möglicherweise entschied sich das Kanzleramt aufgrund der anstehenden Bundestagswahl für dieses Vorgehen. Vgl. dazu den handschriftlichen Vermerk des Bundesfinanzministeriums vom 26. 8. 1957, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen).

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amtlichem Wege wiederholte der Bundesrechnungshofpräsident seine Forderung an die Bundesregierung nicht. Es könnte also die Ansicht vertreten werden, Hertel sei niemals wirksam zum BWV bestellt wurde, da er ja die Aufgabe nur unter der Bedingung angenommen hatte, dass sein Wunsch auf ständigen Zugang zum Kabinett erfüllt werde. Angesichts der Tatsache, dass Hertel seine Forderung aber nicht wieder vorbrachte und auch nach außen alsbald als BWV auftrat 449, muss unterstellt werden, er habe damit konkludent erklärt, seine Aufgabe als BWV nunmehr bedingungslos anzunehmen. Schon kurz nach der Aufnahme der Tätigkeit als BWV scheute Präsident Hertel nicht den ersten Konflikt in seiner neuen Funktion. Anlass war die Arbeit einer Sachverständigenkommission des Bundestages für die Vereinfachung der Verwaltung. Die Einsetzung der Sachverständigenkommission beruhte auf einem Beschluss des Bundestages vom 12. April 1956 450. Da der Bundestagsbeschluss die Aufgaben der Kommission nicht näher erläutert hatte, entschied Bundesinnenminister Schröder in Abstimmung mit dem Unterausschuss des Bundestages zur Vereinfachung der Verwaltung, 13 Mitglieder in die Sachverständigenkommission zu berufen, deren Vorsitzender Staatssekretär a. D. Justus Danckwerts wurde. Nach Ansicht Hertels griff die Kommission mit ihrer Arbeit in Zuständigkeiten ein, die originär solche des BWV seien. Konkreter Auslöser für Hertels Kritik war eine Prüfung in seiner Eigenschaft als BWV bezüglich sich überschneidender Zuständigkeiten der kulturpolitischen Abteilungen im Bundesinnen- und Außenministerium 451. Anfang Juli 1957 waren die örtlichen Erhebungen des BWV beendet. Kurz darauf berief der Vorsitzende der Sachverständigenkommission Danckwerts eine Sitzung ein, bei der unter Teilnahme von Vertretern der kulturpolitischen Abteilungen des Bundesinnenministeriums und des Auswärtigen Amtes über deren Zuständigkeitsüberschneidungen gesprochen werden sollte. Hertel sah sich der Früchte seiner Arbeit beraubt und bat daher Danckwerts, die Sitzung abzusagen. Stattdessen schlug der 448 Handschriftliche Vermerke des Referates I des Bundesfinanzministeriums vom 30. 10. 1957, 16. 12. 1957 und 25. 1. 1958, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 449 So verwandte Hertel schon im Juli 1957 den Briefkopf des BWV und äußerte sich auch in dieser Eigenschaft. Vgl. hierzu das Schreiben von Bundesrechnungshofpräsident Hertel an den Staatssekretär des Bundeskanzleramtes, Globke, vom 20. 7. 1957, in: BA, Best. B 136/7173 (Bundeskanzleramt). 450 Der Beschluss ging zurück auf einen Initiativantrag der CDU / CSU-Bundestagsfraktion. Der Bundestag bildete aus seinen Ausschüssen für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, für Kommunalpolitik und Haushalt einen neuen Unterausschuss „Vereinfachung der Verwaltung“. Dieser Ausschuss sollte regelmäßig mit einer Sachverständigenkommission zusammentreten. 451 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hertel an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Globke, vom 20. 7. 1957, in: BA, Best. B 136/7173 (Bundeskanzleramt).

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Präsident eine gemeinsame Besprechung zur Thematik im Bundesrechnungshof vor. Danckwerts stimmte zu, zeigte sich aber in dem Termin mit Hertel wenig kompromissbereit, was die Trennung der Zuständigkeiten von Kommission und BWV anging. Er vertrat den Standpunkt, BWV und Kommission könnten doch beide ein Gutachten zur Frage der kulturpolitischen Kompetenzen in den betreffenden Ministerien vorlegen. Dieses Vorgehen wertete Hertel als Affront gegen seine Tätigkeit als BWV und verfasste daraufhin am 20. Juli 1957 eine vertrauliche Beschwerde an den Staatsekretär im Bundeskanzleramt 452. Es sei nicht vertretbar, so Hertel, dass der BWV seine Arbeit und Verantwortung, die weitgehend in die internsten Dienstgeschäfte der Bundesregierung hineinleuchte, mit einem außerhalb jeder Behördentätigkeit stehenden Personenkreis teile. Hertel erhob den Anspruch auf eine Monopolstellung in Bezug auf Fragen zur Vereinfachung der Bundesverwaltung. Der Präsident des Bundesrechnungshofes allein, so schrieb er, sei durch die Ausgestaltung seiner Rechte im Bundesrechnungshofgesetz und in den Richtlinien für den BWV das „unabhängige gutachtende Bundesorgan sowohl der Exekutive wie der Legislative“. Insbesondere sei es auch der Staatsautorität abträglich, wenn die Sachverständigenkommission und der BWV zu unterschiedlichen Ergebnissen in ihren jeweiligen Beurteilungen kämen. Eine Arbeitsaufteilung von Kommission und BWV im Verhandlungswege schloss Hertel aus und schlug vor, entweder den Vorsitz der Kommission selbst zu übernehmen oder, wenn dies nicht möglich sei, die Aufträge an die Kommission von seinem Einverständnis abhängig zu machen. Das Bundeskanzleramt behandelte die Bitte des Präsidenten vor allem aufgrund der anstehenden Bundestagswahl im September 1957 453 zunächst stiefmütterlich. Eine Entscheidung in der Frage sei im Augenblick – so heißt es in einem Vermerk vom 12. August 1957 454 – nicht eilbedürftig, da die nächste Sitzung der Sachverständigenkommission erst im Dezember angesetzt sei. Doch Hertels Missmut vergrößerte sich, als er merkte, dass der Bundesinnenminister an die Sachverständigenkommission weitere Aufträge vergab, die parallel auch vom BWV bearbeitet wurden 455. Besonders verärgert war Hertel, dass der Kommission ohne sein Einverständnis Gutachten des BWV zugeleitet wurden. 452 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hertel an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Globke, vom 20. 7. 1957, in: BA, Best. B 136/7173 (Bundeskanzleramt). 453 Das amtliche Ergebnis der Wahl zum dritten Deutschen Bundestag am 15. 9. 1957 war: CDU / CSU 50,2 %, SPD 31,8 %, FDP 7,7 %, BHE 4,6 %, DP: 3,4 % der Stimmen. 454 Vermerk der Unterabteilung A des Bundeskanzleramtes vom 12. 8. 1957, in: BA, Best. B 136/7173 (Bundeskanzleramt). 455 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hertel an den Staatssekretär des Bundeskanzleramtes, Globke, vom 23. 10. 1957, in: BA, Best. B 136/7173 (Bundeskanzleramt). Hier nennt Hertel beispielhaft folgende Fragen, in denen der BWV bereits tätig geworden sei: die Zweckmäßigkeit einer zentralen Besoldungsstelle im Raum Bonn, die Überführung des Bundespasskontrolldienstes auf die Zollverwaltung, die Durchführung

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Nachdem die neue Bundesregierung – gestützt auf eine absolute Mehrheit der CDU / CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag – im Amt war, wiederholte Präsident Hertel am 23. Oktober 1957 in einem zweiten Beschwerdeschreiben an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt seine Forderung nach einer klaren Zuständigkeitsregelung. Hertel war der Ansicht, die Sachverständigenkommission werde geradezu herausgefordert, die Gutachten des BWV zu überprüfen und hierzu kritisch Stellung zu nehmen. Das gewählte Verfahren unterliege in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht schwersten Bedenken 456 und er nehme aufgrund eigener Unterredungen an, dass dies auch nicht die Billigung des Bundeskanzlers finde. Diesmal reagierte das Bundeskanzleramt im Sinne Hertels. In seinem Vermerk vom 29. November 1957 457 stimmte Oberregierungsrat Hans-Erich Hornschu dem Bundesrechnungspräsidenten zu, bei dem Vergleich der zu bearbeitenden Themen von Sachverständigenkommission und BWV seien so weitgehende Überschneidungen auszumachen, dass eine enge Fühlungsname zwischen beiden unbedingt notwendig sei, um Doppelarbeit zu vermeiden. Das Verlangen des Präsidenten, die Erteilung von Aufträgen des Bundesinnenministers an die Sachverständigenkommission solle nur im Einvernehmen mit dem BWV möglich sein, sei daher nicht unbillig. Sollte eine Verständigung in diesem Sinne nicht möglich sein, so der Oberregierungsrat, biete sich als Kompromiss an, statt des Einvernehmens ein Benehmen zwischen Bundesinnenminister und BWV vorzusehen. Am 16. Dezember 1957 kam es dann in dieser Frage – auf wessen Initiative ist unklar – zu einer Besprechung von Präsident Hertel mit dem Staatssekretär im Bundesinnenministerium Georg Anders. Die beiden erzielten eine Übereinstimmung im Sinne Hertels 458. Zu Einzelfragen, zu denen der BWV in der Vergangenheit Stellung genommen habe bzw. die er gegenwärtig noch bearbeite, werde die Kommission nicht mehr gehört. Darüber hinausgehende Aufträge erhalte die Kommission nur noch nach Abstimmung mit Präsident Hertel. Der Präsident zeigte sich mit seinem Erfolg zufrieden, fixierte den Kompromiss schriftlich 459

des Bundesversorgungsgesetzes, die Bundesbauverwaltung und die Verwendung von Diktiergeräten. 456 Hertel führte diese Behauptung in seinem Schreiben jedoch nicht weiter aus. 457 Vermerk des Oberregierungsrates Hornschu, Referat 8 des Bundeskanzleramtes, vom 29. 11. 1957, in: BA, Best. B 136/7173 (Bundeskanzleramt). 458 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hertel an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Globke, vom 20. 12. 1957, in: BA, Best. B 136/7173 (Bundeskanzleramt). 459 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hertel an den Vorsitzenden der Sachverständigenkommission, Danckwerts, vom 17. 2. 1958, in: BA, Best. B 136/7173 (Bundeskanzleramt).

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und schrieb am 20. Dezember 1957 an das Kanzleramt, seine Beschwerden hätten sich damit erledigt 460. Im März 1958 beschäftigte sich auch der Bundestag mit dem BWV. Anlass war, dass der Haushaltsausschuss mit der Informationspolitik über die Tätigkeit des BWV unzufrieden war und mehr Einblick in die Gutachtertätigkeit forderte. Der Vorsitzende des Ausschusses Erwin Schoettle (SPD) warf auf der Sitzung des Haushaltsausschusses am 12. März 1958 461 die Frage auf, ob es nicht möglich sei, dass der BWV dem Haushaltsausschuss alle Gutachten in ausreichender Zahl zuleitete. Der Ausschuss vertrat einhellig die Auffassung, der gegenwärtige Zustand der fehlenden respektive sehr späten Zuleitung der Gutachten sei unbefriedigend. Präsident Hertel, der persönlich während der Sitzung anwesend war, erläuterte, er könne die Gutachten des BWV nach seinen derzeit geltenden Kompetenzen nicht ohne Einverständnis der geprüften bzw. bestellenden Stelle dem Ausschuss zuleiten. Auch er bedauere dies und empfehle Bundesregierung, Bundestag und BWV, eine einfache Auslegung der Richtlinien zu verabschieden, die eine Weiterleitung der Gutachten an den Haushaltsausschuss sicherstelle. Als Beispiel für die derzeitige Lage führte Hertel das Gutachten des BWV über den zivilen Katastrophenschutz an. Hier habe er erhebliche Einsparpotenziale ausmachen können, sei aber gehindert, das Gutachten im Detail publik zu machen, da der Bundesinnenminister mit den unterbreiteten Vorschlägen nicht einverstanden gewesen sei. Nun fühlte sich der ebenfalls teilnehmende Ministerialdirektor im Bundesfinanzministerium, Karl Hettlage, zu einer Stellungnahme herausgefordert. Nach der augenblicklichen Rechtslage gemäß den Richtlinien für den BWV sei immer nur die bestellende bzw. geprüfte Stelle als Empfänger der Gutachten vorgesehen. Durch eine reine Auslegung der Richtlinien – wie es sich der Präsident vorstelle – könne kein anderes Verfahren ermöglicht werden, da der Wortlaut insofern eindeutig sei. Jedoch habe das Bundesfinanzministerium grundsätzlich keine Einwände gegen eine Änderung der Richtlinien in dem Sinne, dass die Gutachten dem Haushaltsausschuss zugeleitet werden. Allerdings, so Hettlage, müsse man schon den Wunsch eines Fachministers respektieren, ein Gutachten vorerst aus bestimmten Gründen zurückzuhalten. Die Mitglieder kamen überein, einen interfraktionellen Antrag an das Plenum des Bundestages vorzubereiten, in dem der Bundestag das Recht erhalten sollte, Gutachten des BWV jederzeit einsehen und anfordern zu dürfen. In den Materialien findet sich jedoch kein Hinweis, dass es zu so einem Antrag jemals gekommen ist.

460 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hertel an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Globke, vom 20. 12. 1957, in: BA, Best. B 136/7173 (Bundeskanzleramt). 461 Kurzprotokoll Nr. 8 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, 3. WP, am 12. 3. 1958, S. 19 ff.

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II. Die unsichere Zukunft des BWV (1958 – 1964) Während die Bundesregierung die Einsetzung eines BWV zum Beginn der 50er Jahre noch guten Willens unterstützt hatte, nahm die Regierung ihn seit Ende der 50er Jahre zunehmend als Last wahr; hierzu trug insbesondere Präsident Hertel bei, der den offenen Konflikt zu Fragen der Ausgabenpolitik in der Bundesverwaltung nicht scheute. 1. Der BWV im Konflikt mit der Bundesregierung Im Laufe des Jahres 1958 kam es zu einem ersten ernsten Konflikt zwischen der Bundesregierung und Präsident Hertel als BWV. Auslöser war das selbstbewusste Auftreten Hertels als BWV gegenüber den Ressorts und in der Öffentlichkeit zu mehreren Sachfragen. a) Kritik aus den Bundesministerien Erster Vorbote des Konfliktes war die Zuspitzung des Streites zwischen Hertel und dem Bundesminister für Post- und Fernmeldewesen Richard Stücklen über den Haushaltsvoranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1958. Bereits im Dezember 1956 hatte der BWV ein Gutachten über das Bundesministerium für Post- und Fernmeldewesen angefertigt, in dem er erhebliche Mängel in der Organisation rügte. Die hohe Verschuldung der Deutschen Bundespost nahm der BWV zum Anlass, in den Sitzungen des Verwaltungsrates der Post auf die Dringlichkeit einer finanziellen Konsolidierung hinzuweisen. Als Stücklens Ministerium dann während der Haushaltsverhandlungen für das Jahr 1958 das Ausgabevolumen der Bundesbehörde auf die neue Rekordsumme von 700 Millionen Deutsche Mark steigern wollte, kam es zwischen dem BWV und dem Bundespostminister zur offenen Auseinandersetzung. Hertel schrieb am 10. Oktober 1957 an Bundesfinanzminister Etzel und forderte, die Investitionen der Bundespost müssten in Anbetracht ihrer bedrohlichen Finanzlage wesentlich herabgesetzt werden, andernfalls drohe der Post die Illiquidität 462. Minister Stücklen, dem der Brief in Abschrift zugegangen war, fühlte sich zur entgegnenden Stellungnahme herausgefordert, die er dem Bundesfinanzminister zukommen ließ 463. Stücklen verteidigte den Voranschlag seines Hauses mit dem Hinweis, er müsse die postalischen Bedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft im Auge haben, allein schon, um die gesetzliche Verpflichtung aus § 2 462 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hertel an Bundesfinanzminister Etzel vom 10. 10. 1957, in: BA, Best. B 126/8072 (Bundesministerium der Finanzen). 463 Schreiben des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen, Stücklen, an Bundesfinanzminister Etzel vom 21. 10. 1957, in: BA, Best. B 136/1585 (Bundeskanzleramt).

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des Postverwaltungsgesetzes (PVwG) 464 zu erfüllen. Zudem handele es sich nur um eine Ausgabenermächtigung, was noch lange nicht hieße, dass die Mittel bei der Durchführung des Haushaltes tatsächlich eingesetzt würden. Hertel nahm die Ausführungen Stücklens in Abschrift zur Kenntnis und wandte sich unverzüglich wieder brieflich an den Bundesfinanzminister. Der Bundesbeauftragte argumentierte, der gesetzlichen Verpflichtung aus § 2 PVwG werde ebenso nachgekommen, wenn sich der Bundespostminister entscheide, dass Tempo der Neuinvestitionen im Fernmeldebereich zu drosseln. Durch diese Streckung könnten die Ausgaben schon spürbar gesenkt werden. Darüber hinaus wandte sich Hertel mit einem Brief direkt an Minister Stücklen 465. Darin wiederholte der Präsident den Vorwurf des überhöhten Voranschlages, dessen Grund er maßgeblich in einer fehlenden eigenständigen Haushaltabteilung im Bundespostministerium sah. Dies habe er, so Hertel weiter, ja bereits in seinem Gutachten über das Ministerium vom Dezember 1956 bemängelt. Sicherlich nicht zur Entspannung trug bei, dass Hertel dieses Schreiben in Kopie zugleich an das Bundeskanzleramt, den Bundesfinanzminister und den Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost sandte. Das Verhältnis zwischen Bundesminister Stücklen und Präsident Hertel konnte von diesem Zeitpunkt an als gestört bezeichnet werden. Wie sich zeigen sollte, scheute Präsident Hertel auch nicht vor Kritik an seinem natürlichen Verbündeten und früherem Dienstherrn, dem Bundesfinanzminister, zurück. Anlass war hier – wie auch im Fall des Bundespostministeriums – der Haushaltsvoranschlag für das Rechnungsjahr 1958. Hertel hatte Bundesfinanzminister Etzel in Vorbesprechungen zum Haushalt des Ministeriums bereits seine Bedenken bezüglich des ausgewiesenen Stellenbedarfs mitgeteilt. Nachdem er nun feststellen musste, dass Etzel die Einwendungen in seinem endgültigen Entwurf im Wesentlichen unberücksichtigt gelassen hatte, brachte er seine Kritik zu Papier und sandte das Schreiben an den Bundesfinanzminister und das Kanzleramt 466. Hertel schrieb, er wolle in Anbetracht der anstehenden Beratungen im Haushaltsausschuss über den Einzelplan des Bundesfinanzministeriums vermeiden, dass ausgerechnet der Bundesrechnungshof und das Bundesfinanzministerium im Ausschuss gegensätzliche Standpunkte verträten. 464

„Gesetz über die Verwaltung der Deutschen Bundespost (Postverwaltungsgesetz)“ v. 24. 7. 1953 (BGBl. 1953, I, S. 676 f.). So lautete § 2 Abs. 2 PVwG: „Bei der Leitung der Verwaltung der Deutschen Bundespost ist den Interessen der deutschen Volkswirtschaft Rechnung zu tragen. Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat die Entwicklung der verschiedenen Nachrichtenzweige innerhalb der Deutschen Bundespost miteinander in Einklang zu bringen.“ § 2 Abs. 3 PVwG lautete: „Die Anlagen der Deutschen Bundespost sind in gutem Zustand zu erhalten und technisch und betrieblich den Anforderungen des Verkehrs entsprechend weiter zu entwickeln und zu vervollkommnen.“ 465 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hertel an den Bundespostminister Stücklen vom 8. 11. 1957, in: BA, Best. B 136/1585 (Bundeskanzleramt). 466 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hertel an Bundesfinanzminister Etzel vom 30. 5. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt).

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Hertel erläuterte detailliert, an welchen Stellen er eine Personalvermehrung für überflüssig halte bzw. wo eine solche zurückgestellt werden solle. Generell kritisierte Hertel, das Personal des Bundesfinanzministeriums habe zwischen 1953 bis 1957 um insgesamt 14 Prozent zugenommen, obgleich die Bundesregierung bereits im Jahr 1953 den Aufbau der Bundesverwaltung für beendet erklärt habe. Hertel argumentierte unter anderem mit der damaligen Personalsituation im Reichsfinanzministerium: Bis zum Jahr 1933 habe dieses trotz der umfangreichen Aufgaben mit nur einem Drittel der Kräfte gearbeitet, die heute das Bundesfinanzministerium habe. Der Bundeskanzler bat Minister Etzel um eine Stellungnahme zu den Einwänden des BWV. In seinem Antwortschreiben an Kanzler Adenauer 467 wies Etzel jede Kritik des BWV an dem Stellenplan seines Ministeriums zurück, rückte von seiner Regierungsvorlage nicht ab und griff Hertel ferner sachlich und persönlich an. Etzel führte aus, die Personalaufstockung sei von seiner Haushaltsabteilung sehr eingehend geprüft und für notwendig erachtet worden. Auch der Berichterstatter im Haushaltsausschuss, der Abgeordnete Wilhelm Gülich (SPD), habe nur bezüglich des Zeitpunkts der Bewilligung der Haushaltsmittel einige wenige Vorbehalte gehabt. Nicht überzeugend sei der Hinweis Hertels auf die frühere Personaldecke im Reichsfinanzministerium, da das heutige Bundesministerium ein deutliches Mehr an Aufgaben zu bewältigen habe. Die eigentliche Organisation eines Ministeriums müsse dem zuständigen Fachminister überlassen bleiben, da dieser schließlich auch die Verantwortung dafür trage, dass alle anfallenden Geschäfte ordnungs- und fristgemäß erledigt werden. Weiter ging Etzel den Präsidenten direkt an, indem er auf Hertels vorherige Tätigkeit als Leiter der Abteilung Recht, Personal und Allgemeine Verwaltung im Bundesfinanzministerium abstellte. Die Stellenvermehrung im Ministerium habe genau zu jener Zeit stattgefunden, als Hertel an der dafür verantwortlichen Position saß. Zudem habe der Bundesrechnungshof selbst im Zeitraum von 1953 bis 1957 einen Personalzuwachs von 10 Prozent zu verzeichnen; im höheren Dienst mit 14 Prozent sogar mehr als das Bundesfinanzministerium. Des Weiteren nehme der Präsident immer mehr Abstand von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Bundesregierung. Nach seinen Informationen, so Etzel, habe der BWV im Vorfeld der Beratungen des Haushalts 1958 im Haushaltsausschuss des Bundestages mit einzelnen Abgeordneten gesprochen und sich offen gegen viele Voranschläge der Regierungsvorlage ausgesprochen. Hierdurch sei der Widerstand zu erklären, auf den die Bundesregierung im Zuge der Beratungen seitens der Koalitionsabgeordneten getroffen sei. Wie sehr Etzel den BWV als einen in der Abhängigkeit zur Bundesregierung stehenden Helfer qualifizierte, offenbarte sich, als der Minister schrieb, seine Auffassung sei es, dass der BWV nach außen nicht gegen die 467 Schreiben des Bundesfinanzministers Etzel an Bundeskanzler Adenauer vom 26. 6. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt).

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Vorschläge der Bundesregierung wirken dürfe, da der Beauftragte sich auf seine Weisungsfreiheit nur berufen könne, wenn er vom Bundestag oder Bundesrat um die Erstellung von Gutachten ersucht werde. Als Folge seiner offenen Kritik hatte Hertel damit auch den Bundesfinanzminister als seinen Fürsprecher innerhalb der Bundesregierung verloren. Die neu geschaffene Sensibilität und grundsätzlich kritische Haltung auf Seiten des Finanzministers zeigte sich in der Reaktion Etzels auf ein Interview, das der Saarländische Rundfunk im September 1958 mit Präsident Hertel führte 468. Hertel hatte in dem Gespräch auf die Frage, inwiefern der Bundesrechnungshof denn eine selbstständige, oberste Bundesbehörde sei, erklärt: „Der Bundesrechnungshof als solcher untersteht der Dienstaufsicht seines Präsidenten. Der Präsident des Bundesrechnungshofes untersteht keiner Dienstaufsicht. Die Eigenschaft einer obersten Bundesbehörde besagt hier, dass der Bundesrechnungshof den Bundesministerien gleichsteht.“ Etzel nahm diese Äußerung Hertels zum Anlass, dem Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Globke, eine Kopie des Interviews zukommen zu lassen, verbunden mit dem Hinweis, er meine, der von Hertel geäußerte Vergleich zwischen Bundesministerien und Bundesrechnungshof könne nicht hingenommen werden 469. Vielleicht, so regte der Bundesfinanzminister an, könne diese Frage auch einmal rechtlich geprüft werden. Aber das Bundeskanzleramt verwehrte sich in diesem Punkt einer Intervention beim Präsidenten. Der Vergleich sei zwar unglücklich, so schrieb Globke an Etzel zurück 470, aber es könne dem Interview entnommen werden, dass Hertel wohl der großen Zahl rechtlich nicht geschulter Zuhörer den Begriff der obersten Bundesbehörde verständlich machen wollte. Aber noch in einem weiteren Fall kam es zur Auseinandersetzung zwischen dem Bundesfinanzministerium und Präsident Hertel. Hertel setzte sich nach einer Prüfung der in Paris ansässigen Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der North Atlantic Treaty Organization (NATO) für deren Neuorganisation ein 471. Nach Hertels Auffassung sollte die Vertretung in der gleichen Form aufgebaut werden wie die Auslandsmissionen des Auswärtigen Amtes, um die derzeit mangelhafte Koordinierung zwischen den Verantwortlichen auszuschließen. Dagegen war das Bundesfinanzministerium der Ansicht, die Vertretung bei der NATO in Paris habe in den letzten Jahren einwandfrei 468 Interview des Saarländischen Rundfunks mit Präsident Hertel am 26. 9. 1958. Vgl. dazu das Wortlautprotokoll in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 469 Schreiben des Bundesfinanzministers Etzel an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Globke, vom 6. 10. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 470 Schreiben des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt, Globke, an Bundesfinanzminister Etzel vom 15. 11. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 471 Vgl. zu dieser Auseinandersetzung den Vermerk des Bundeskanzleramtes vom 20. 10. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt).

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gearbeitet und bat den Rechnungshof daher um die Vorlage von Unterlagen, in denen die Mängel konkret benannt seien. Der Rechnungshof kam dieser Bitte nicht nach, worauf das Bundesfinanzministerium dem Hof unterstellte, er sei gar nicht im Besitz von entsprechendem Material. Zu Unstimmigkeiten kam es zudem, da zunächst unklar war, ob die Vertretung in Paris vom Bundesrechnungshof im Rahmen der Rechnungsprüfung geprüft wurde oder der Präsident in seiner Eigenschaft als BWV tätig wurde. Der Rechnungshof sprach davon, es handele sich um eine Organisationsprüfung im Auftrag des Auswärtigen Amtes, jedoch nicht um eine solche des BWV. In der internen Korrespondenz verwandte Hertel allerdings den Briefkopf des BWV. Die Lage eskalierte, als der Präsident zu einer Chefbesprechung der betroffenen Ressorts zur Thematik einlud. Minister Etzel wollte an der Besprechung gerne persönlich teilnehmen und bat Hertel, den Termin zu verschieben. Hertel lehnte ab, worauf der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Hartmann, – sicherlich auf Geheiß seines Ministers – an das Kanzleramt schrieb und um Intervention in der Sache bat 472. Es sei nicht vertretbar, so Hartmann, dass sich Präsident Hertel, wie im Fall der deutschen Vertretung bei der NATO, in politische Entscheidungen einmische, die allein in den Zuständigkeitsbereich der Regierung fielen. Abschließend bat Staatssekretär Hartmann, Globke möge doch dafür eintreten, dass der BWV die Entscheidungen der Bundesregierung in Zukunft ausreichend respektiere. Das Kanzleramt war über die Vorgänge bereits „von anderer Seite“ informiert worden und sicherte Hartmann im Antwortschreiben 473 zu, die Probleme mit Präsident Hertel bei nächster Gelegenheit zu erörtern. Das Bundeskanzleramt empfand Hertels Verhalten zunehmend als anmaßend. So lautete ein Vermerk für Staatssekretär Globke vom 24. März 1958 „Einmischung des Bundesrechnungshofes in die Kabinettsarbeit“ 474. Hierin wurde gefordert, Hertel müssten neue Schranken bei der Weiterleitung von Informationen gesetzt werden. Als Beispiel griff der Vermerk drei im Umlaufverfahren verabschiedete Kabinettsbeschlüsse heraus, bei denen der BWV sich unmittelbar eingeschaltet habe. Im Falle von zwei Gesetzesentwürfen 475 hatte Hertel eine Fristverlängerung verlangt bzw. behielt sich eine Stellungnahme vor. In beiden Fällen kam das Kabinett den Wünschen des Präsidenten nicht nach. Hohe Wel472 Schreiben des Staatsekretärs im Bundesfinanzministerium, Hartmann, an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Globke, vom 4. 11. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 473 Schreiben des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt, Globke, an den Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Hartmann vom 27. 11. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 474 Vermerk des Referenten Praß aus dem Referat 6 des Bundeskanzleramtes für Staatssekretär Globke vom 24. 3. 1958, in: BA, Best. B 136/4782 (Bundeskanzleramt). 475 Es handelte sich um das Gesetz zur Bodennutzungserhebungen und um das Gesetz zur Viehzählung.

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len schlug auch Hertels Vorgehen gegen den Beschluss des Kabinetts 476, den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Heinrich Lübke, in den Verwaltungsrat der deutschen Genossenschaftsbanken zu bestellen. Präsident Hertel hielt es wegen drohender Interessenkonflikte für unvertretbar, einen Minister in ein solches Amt zu entsenden und bat in einem Schreiben an Bundesfinanzminister Etzel 477, auf die Bestellung Lübkes zu verzichten. Der Minister lehnte jedoch in seinem Antwortschreiben 478 eine Änderung des Kabinettsbeschlusses mit dem Hinweis ab, dieser sei ordnungsgemäß zustande gekommen. Doch Hertel blieb hartnäckig und kündigte der Regierung gegenüber an, der Bundesrechnungshof beabsichtige nunmehr, in seinem Bericht an den Bundestag über die Prüfung von Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit nach § 107 Abs. 2 RHO die ablehnende Haltung zur Berufung von Minister Lübke aufzunehmen 479. Dem Finanzministerium setzte Hertel zugleich eine Frist, bis zu der es sich äußern solle, welche Gründe trotz der Bedenken des BWV für die Beibehaltung des Personalvorschlages gesprochen hätten. Dem Bundesfinanzminister missfiel der neue Stil Hertels sehr und er setzte sich zwecks einer Lösung mit dem Kanzleramt in Verbindung. Dort entschied man sich, „auf dem kleinen Dienstweg“ zu versuchen, dem Präsidenten zur Mäßigung zu raten, da ansonsten erhebliche Differenzen mit dem Bundeskanzler drohten 480. Daraufhin rief der Ministerialdirigent im Bundeskanzleramt, Franz Haenlein, am 12. Juni 1958 den Präsidenten in seiner Bonner Wohnung an und erläuterte ihm die Gefahr eines unter Umständen sehr unangenehmen Konfliktes mit dem Kanzler, falls er (Hertel) bei seinem Kurs bleibe 481. Der Bundeskanzler wolle sowieso in der ersten Julihälfte ein grundsätzliches Gespräch über die Funktion und die Zusammenarbeit mit ihm als Präsidenten führen 482; da sei es, so der Ministerialdirigent, vielleicht unklug, durch ein vorschnelles Handeln die Besprechung im Vorfeld zu belasten. Präsident Hertel zeigte sich einsichtig und wollte die Angelegenheit zunächst dilatorisch behandeln. 476 Vgl. den Bezug auf den im Umlaufverfahren gefassten Kabinettsbeschluss im Vermerk des Referates 6 im Bundeskanzleramt vom 9. 6. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 477 Vgl. den Bezug auf das Schreiben im Vermerk des Referates 6 im Bundeskanzleramt vom 9. 6. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 478 Vgl. den Bezug auf das Schreiben im Vermerk des Referates 6 im Bundeskanzleramt vom 9. 6. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 479 Vermerk des Referates 6 im Bundeskanzleramt vom 9. 6. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 480 Vermerk des Referates 6 im Bundeskanzleramt vom 9. 6. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 481 Vermerk des Referates 6 im Bundeskanzleramt vom 13. 6. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 482 Anhand der Akten lässt sich nicht klären, ob dieses Gespräch tatsächlich stattgefunden hat.

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Aufgrund der neuen negativen Erfahrungen mit Präsident Hertel wollte das Kanzleramt nun die Schrauben weiter anziehen und Hertels Möglichkeit beschneiden, Einblicke in die Regierungstätigkeit zu nehmen. So erhielt der Bundesrechnungshof die Kabinettsvorlagen der federführenden Ministerien aufgrund der Vorschrift des § 50 Abs. 4 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (Allgemeiner Teil – GGO I). Zudem war es ständige Übung im Bundeskanzleramt, dem Rechnungshof die im Rahmen eines Umlaufverfahrens verfassten Anschreiben des Kanzleramtes an die Bundesminister zuzuleiten. Diese Praxis wollte das Kanzleramt in Zukunft einstellen 483. Hiermit sollte verhindert werden, dass Präsident Hertel in laufende Umlaufverfahren eingreife oder bereits zustande gekommene Kabinettsbeschlüsse versuche umzustoßen. Bei mündlich im Kabinett zu behandelnden Vorlagen, so das Referat im Bundeskanzleramt, stelle sich die Gefahr nicht, da Hertel zum einen nicht geladen sei und zum anderen keine Protokolle der Kabinettssitzungen erhalte. Er wisse also ohnehin nicht, wie und wann die Vorlagen genau behandelt würden. Ob die Praxis tatsächlich wie beabsichtigt geändert wurde, lässt sich den Quellen nicht entnehmen. Wie sehr Hertel nun immer weiter ins Abseits geraten sollte, zeigte sich acht Wochen später. Der Bundeskanzler, der das Verhalten Hertels insgesamt als „befremdlich“ empfand 484, wies seine Mitarbeiter an, ihm eine Zusammenstellung über die Befugnisse des Bundesrechnungshofes und dessen Präsidenten als BWV zu liefern, da er festgestellt habe, dass der Bundesrechnungshof „unmittelbare Direktiven an die Ressorts gegeben habe“ 485. Die Referenten fertigten zwei Notizen für Bundeskanzler Adenauer an 486, in denen sie die Aufgaben von BWV und Bundesrechnungshof im Überblick darstellten. Der Vermerk vom 6. Juni 1958 spricht davon, die rechtlichen und tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten des Präsidenten des Bundesrechnungshofes auf die Bundesverwaltung seien beträchtlich, da der Haushaltsausschuss den Präsidenten bzw. Mitglieder des Rechnungshofes regelmäßig zu seinen Beratungen hinzuziehe. Die Referenten im Kanzleramt gingen auch auf die in letzter Zeit vermehrt auftretenden Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Präsidenten und den Bundesministern ein. Der damalige Präsident Mayer, so heißt es, habe von seiner Macht nur zurückhaltend Gebrauch gemacht; er sei mehr ausgleichend und beratend tätig geworden als fordernd. Allerdings sei Mayer oft 483 Vermerk des Referenten Praß aus dem Referat 6 des Bundeskanzleramtes für Staatssekretär Globke vom 24. 3. 1958, in: BA, Best. B 136/4782 (Bundeskanzleramt). 484 Vermerk des Referates 6 im Bundeskanzleramt vom 9. 6. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 485 Vermerk des Referates 4 im Bundeskanzleramt vom 24. 5. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 486 Vermerk des Referates 8 im Bundeskanzleramt vom 30. 5. 1958 und den Vermerk der Unterabteilung B vom 6. 6. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt).

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enttäuscht gewesen, dass die Vorschläge aus seiner Sicht weitgehend unberücksichtigt geblieben seien. Nach Einschätzung des Verfassers scheine es, als wolle Präsident Hertel verlorenes Terrain zurückgewinnen und sich und seiner Behörde den vorenthaltenen Respekt verschaffen. Am 29. Oktober 1958 war die Tätigkeit des BWV dann offizieller Tagesordnungspunkt bei der Kabinettssitzung 487. Bundespostminister Stücklen informierte über die Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit dem BWV, worauf sich eine allgemeine Aussprache anschloss. Bundeskanzler Adenauer bat jeden Bundesminister, der Schwierigkeiten mit dem BWV habe, einen Bericht zu erstellen. Bundespostminister Stücklen, der Bundesminister für Wohnungsbau, Paul Lücke, und Bundesarbeitsminister Theodor Blank sicherten eine Stellungnahme zu; der Bundesminister für Arbeit indes sah später von seiner Zusicherung ab 488. Jegliches Verhalten Hertels wurde nun genau unter die Lupe genommen. So berichtete der Bundesminister für Wohnungsbau dem Kanzleramt über einen Finanzierungsplan für Präsident Hertels Wohneigentum in Höhe von 141.000 Deutschen Mark, der an sich nicht zu beanstanden sei, aber den auffälligen Zinssatz des Bundesdarlehns von null Prozent vorsehe 489. Als scharfer Kritiker meldete sich auch Minister Stücklen wieder zu Wort, dem die Tätigkeit des BWV seit dem vorausgegangenen Etatstreit ohnehin ein Dorn im Auge war. In einem Schreiben an Kanzler Adenauer vom 24. November 1958 490 wiederholte der Bundesminister den Vorwurf, der BWV überschreite seine Vollmachten und mische sich auf unzulässige Weise in die Regierungspolitik ein, wenn er politische Zielsetzungen an sich hinterfrage. Der BWV habe sich ausschließlich darauf zu beschränken, so Stücklen, Vorschläge zu unterbreiten, auf welche Art und Weise die politischen Ziele möglichst wirtschaftlich umgesetzt werden könnten. Als Beispiel für seine verfehlte Aufgabenwahrnehmung nannte Stücklen die Kritik Hertels am Investitionsplan des Bundesministeriums für Post und Fernmeldewesen. Hertels apodiktisch unterbreiteter Vorschlag, den Investitionsplan der Post zeitlich zu strecken, sei eine unzulässige Einmischung in die Regierungspolitik. Des Weiteren schrieb der Minister, der BWV und seine Mitarbeiter besäßen „nicht in allen Punkten die Voraussetzungen (...), die von ihnen aufgeworfenen Fragen sachkundig zu beurteilen“. So erwähnten die Ausführungen des BWV bezüglich des Investitionsplans mit keinem Wort die 487 Weber (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 11, 40. Kabinettssitzung am 29. 10. 1958, S. 385. 488 Vermerk des Referenten Praß aus dem Referat 12 des Bundeskanzleramtes vom Januar 1959, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 489 Vermerk des Referenten Praß aus dem Referat 12 des Bundeskanzleramtes vom Januar 1959, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 490 Schreiben des Bundespostministers Stücklen an Bundeskanzler Adenauer vom 24. 11. 1958, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt).

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zu erwartenden Mehrerträge, sondern beschränkten sich auf eine Kürzung der Ausgaben. Es sei aber allgemeine Meinung, dass hauptsächlich aufgrund der in den vergangenen Jahren getätigten Investitionen bis heute keine Gebührenerhöhung im Post- und Fernmeldewesen notwendig geworden sei. Stücklen wollte außerdem prüfen lassen, ob der Präsident nicht gegen ihm auferlegte gesetzliche Verpflichtungen verstoßen habe, indem er dem Bundestag mit den Bemerkungen für das Haushaltsjahr 1955 zugleich die Denkschrift über die Deutsche Bundespost zugeleitet hatte. Neben den sachlichen Differenzen wies der Bundesminister auch auf das aus seiner Sicht dem Amt des Präsidenten nicht angemessene Auftreten Hertels hin. So führt Stücklen aus: „Wenn er [Hertel] beispielsweise die Einwendungen qualifizierter Beamter meines Ministeriums gegen die von ihm vertretenen Auffassungen in einer Arbeitsausschußsitzung des Verwaltungsrates als ‚Redensarten‘ bezeichnet und mich dadurch zwingt, mich schützend vor meine Beamten zu stellen, so führt dies unvermeidlich zu Auseinandersetzungen, die allein schon aus politischem Takt unterbleiben sollten.“ Bedingt durch die Zuspitzung der Auseinandersetzung Hertels mit der Bundesregierung, verfasste das Finanzministerium im Dezember 1958 die erste größere kritische Expertise zur Personalunion von Bundesrechnungshofpräsident und BWV 491. Es handelte sich zwar nicht um ein sauberes juristisches Gutachten, da entsprechende Literatur oder Rechtsprechung nicht eingearbeitet wurden, gleichwohl wird zu rechtlichen Fragen ausführlich Stellung genommen. Zunächst stellten die Beamten die Rechtsgrundlagen zu den Rechten und Pflichten des Präsidenten nach der Reichshaushaltsordnung zusammen und wandten sich anschließend der besonderen Aufgabe des BWV zu. Eingangs stellte das Gutachten fest, der wesentliche Unterschied zwischen der Stellung des Präsidenten als oberster Dienstherr des Bundesrechnungshofes und jener als BWV sei, dass der Präsident des Bundesrechnungshofes außerhalb der Rechnungsprüfung nur auf Anforderung, der BWV dagegen auch aus eigener Initiative Gutachten erstatten könne. Sodann ging das Gutachten auf die Bedenken ein, die zum Zeitpunkt der Einsetzung des ersten BWV im Jahr 1952 von den Ministerien und dem damaligen Präsidenten Mayer vorgebracht wurden. Ohne eine genauere Erläuterung zu geben, meinen die Verfasser, die damaligen Bedenken seien auch durch „persönliche Belange“ im Bundesfinanzministerium zerstreut worden. Interessant ist die im Gutachten vertretene Auffassung, die Einrichtung eines BWV nach dem Krieg sei an sich überflüssig gewesen, da das Amt des Reichssparkommissars noch immer fortbestehe. Durch die Zweite Novelle der Reichshaushaltsordnung im Jahr 1934 seien die Aufgaben des Reichssparkommissars auf die Präsidialabteilung des Reichsrechnungshofes übergangen. 491

Vgl. dazu das Gutachten des Bundesfinanzministeriums vom Dezember 1958, das am 20. 12. 1958 von Abteilungsleiter I a dem Abteilungsleiter I vorgelegt wurde, in: BA, Best. B 126/16455 (Bundesministerium der Finanzen).

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Weiter wurde auf die Änderung des ursprünglichen Kabinettsbeschlusses im Jahr 1957 eingegangen. Die Einsetzung des BWV sei seitdem, so das Referat, keine Beauftragung ad personam mehr, sondern die Aufgabe des BWV komme nun nach dem Wortlaut des erneuerten Kabinettsbeschlusses unweigerlich dem jeweiligen Präsidenten des Bundesrechnungshofes zu 492. Das hiermit verbundene Problem, dass dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes neue Aufgaben ohne dessen Einverständnis nur per Gesetz übertragen werden können, sei damals nur von einem einzigen Referat des Justizministeriums angesprochen, aber nicht weiter verfolgt worden. Der jetzige Zustand, nach dem der Aufgabenkreis des Präsidenten des Bundesrechnungshofes über den im Bundesrechnungshofgesetz vorgesehenen Rahmen hinausgehe, sei jedenfalls contra legem. Die jetzige Konstruktion sei sogar, so die Mitarbeiter im Bundesfinanzministerium, aus verschiedenen Gründen als verfassungswidrig einzustufen. Erstens schaffe die Ämterkombination BWV – Präsident des Bundesrechnungshofes ein Superministerium, das gegen die verfassungsgemäße Ordnung verstoße. Zweitens sei es als verfassungswidrig zu werten, dass der Beschluss der Bundesregierung zur Einsetzung eines BWV auf dem Beschluss des Bundestages zur Einsetzung eines Sparkommissars beruhe. Hierdurch habe das Parlament die Verwaltungsfreiheit der Regierung in einer Weise eingeschränkt, die nicht durch das Grundgesetz gedeckt sei. Drittens widerspreche es der Verfassung, dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes die zweifelsohne politisch wirkende Tätigkeit eines BWV zu übertragen, obwohl der Präsident des Bundesrechnungshofes weder ein politisches Organ sei, noch wegen seiner richterlichen Unabhängigkeit politische Verantwortung übernehmen könne. Viertens schließlich werde die nach Art. 114 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit des Präsidenten beeinträchtigt, da der Präsident des Bundesrechnungshofes durch die Übernahme der Tätigkeit eines BWV in einer Art Auftragsverhältnis zur Bundesregierung stehe. Unter praktischen Gesichtspunkten sah das Referat die Gefahr, dass der Präsident des Bundesrechnungshofes in seiner Funktion als BWV häufiger Kritik und Angriffen ausgesetzt sei, da er auf politischem Gebiet agiere. Dieses Risiko werde durch die „nebulos“ gestalteten Vollmachten des BWV noch erhöht. Irrtümer und Misserfolge des BWV würden schnell zu Fehlern des Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Nebenbei entstünde durch die Ämterverbindung schneller eine Interessenkollision, da der Präsident des Bundesrechnungshofes sich scheuen werde, von einer Stellungnahme abzuweichen, die er zuvor in seiner Eigenschaft als BWV abgegeben hat.

492 Diese Ansicht ist nicht zutreffend, da nach wie vor ein Einvernehmen mit dem Präsidenten des BRH notwendig war.

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Nach diesen grundsätzlichen Erwägungen schloss das Gutachten mit einer Kritik an der Amtsführung von Präsident Hertel. Wiederholt sei zu beobachten gewesen, dass Hertel übereilig Kritik an der Bundesregierung übe, sich in den Medien als „Sparritter“ und „Treuhänders des Steuerzahlers“ darstellen lasse und somit „bewusst oder unbewusst gegen die Regierung und insbesondere gegen den für die Haushaltsführung verantwortlichen Finanzminister“ wirke. Durch dieses Verhalten liefere der BWV „praktisch die Munition für den politischen Tageskampf (...), derer sich die oppositionellen Kräfte im politischen Raum bedienen werden“. Erschwerend komme hinzu, dass Hertel ohne vorheriges Einverständnis der Regierung Unterlagen und Information an Stellen weiterleite, was „als unzulässige Indiskretion und Vertrauenswidrigkeit“ angesehen werden müsse. Insgesamt werde die Regierung mit Maßnahmen der Abwehr belastet sowie in ihrer Entschlussfreiheit eingeengt. Eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen enthält die Ausarbeitung nicht, aber angesichts „des Kultes, den die Presse 493 mit dem BWV treibt“, hieß es weiter, sei eine Rücknahme der Beauftragung Hertels als BWV recht schwierig. Deutliche Worte gegen den BWV fielen auch auf einer Sitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestages am 14. Januar 1959 494. Der Bundesminister für Verteidigung, Strauß, hob hervor, die Prüfungen des Bundesrechnungshofes und des BWV hätten mittlerweile dazu geführt, dass Angehörige seines Hauses rechtzeitige und schnelle Entschlüsse scheuten. Strauß sagte, er hoffe, dass sich bald alle Mitglieder der Bundesregierung von der Unzweckmäßigkeit dieser Einrichtung überzeugt haben würden. Der Abgeordnete und spätere Verteidigungsminister respektive Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) stimmte den Ausführungen ausdrücklich zu. Verstimmt zeigte sich auch der Bundesminister für Verkehr Hans-Christoph Seebohm (DP) wegen eines Schreibens Hertels vom 19. Dezember 1958 495. In seiner Eigenschaft als BWV bemängelte Hertel, bei der Aufstellung von Haushaltsvoranschlägen des Bundesverkehrsministeriums nur unzureichend beteiligt zu werden, obgleich Ziffer 3 S. 2 der Richtlinien für den BWV dies vorsähen. Dazu gehörten aus Sicht des Präsidenten sowohl die Einladungen zu den Ressortbesprechungen der Referenten, als auch seine Beteiligung an den Direktoren493

Der Verfasser verweist dabei auf folgende Artikel, die über die Tätigkeit des BRHPräsidenten erschienen waren: „Herkules im Stall“ – Der Spiegel vom 26. 11. 1958, „Hüter der Sparsamkeit“ – Sonntagsblatt Hamburg-Flottbeck vom 9. 11. 1958, „Sparritter ohne Schwert“ – FAZ vom 22. 2. 1958, „Treuhänder der Steuerzahler“ – Rheinischer Merkur vom 24. 10. 1958, „Die Faust im Nacken amtlicher Verschwender“ – Die Welt vom 27. 10. 1958. 494 Vermerk des Referates 10 im Bundesfinanzministerium für Ministerialdirektor Vialon vom 14. 1. 1959 in B 136/4858. 495 Vgl. den Bezug auf das Schreiben von Bundesrechnungshofpräsident Hertel in dem Brief des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Hartmann, an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Globke, vom 11. 2. 1959, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt).

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und Chefbesprechungen. Daher bat Hertel um eine rechtzeitige Mitteilung der Termine. Im Bundesfinanzministerium wertete man dieses Vorgehen Hertels als Maßlosigkeit, die zeige, wie weit sich Hertel von der Stellung des BWV als eines reinen Beraters der Bundesregierung entfernt habe 496. Als treuer Freund an der Seite des BWV zeigte sich hingegen der Bund der Steuerzahler, der seit seinem Vorschlag aus dem Jahr 1950, einen Sparkommissar einzusetzen, die Tätigkeit des BWV besonders aufmerksam verfolgte. Als Ende des Jahres 1958 in der Presse die Information auftauchte, der Bundesregierung missfalle das starke Auftretens Hertels in der Öffentlichkeit, stellte sich der Bund der Steuerzahler rasch schützend vor den BWV. In einem Brief an Bundeskanzler Adenauer vom 10. Dezember 1958 497 drückte der Steuerzahlerbund seine große Besorgnis aus, dass die Zeitungsberichte den Tatsachen entsprechen könnten und formulierte, es sei nicht einzusehen, warum der BWV nicht an das Licht der Öffentlichkeit treten dürfe, obwohl jede Regierung gerade von dieser Öffentlichkeit ihr Mandat erhalten habe. Sollte versucht werden, den BWV mithilfe der bestehenden Personalunion von BWV und Bundesrechnungshofpräsident zu mehr Schweigsamkeit zu bewegen, so fordere der Bund der Steuerzahler entweder eine Trennung der beiden Ämter oder eine direkte Beauftragung des BWV durch den Bundestag. Im Namen der Bundesregierung antwortete Staatssekretär Globke knapp einen Monat später 498, die Befürchtung, der BWV solle zu größerer Schweigsamkeit bewogen werden, sei völlig unzutreffend. Zweifelsohne aber habe der BWV seinen Auftrag von der Bundesregierung erhalten, woraus sich für „die Art und den Stil der Durchführung des Auftrages gewisse Eigengesetzlichkeiten“ ergäben. Der zunehmend in die Enge getriebene Präsident Hertel hielt die Vorwürfe der Bundesregierung, er überschreite seine Kompetenzen als BWV, für unbegründet und wählte den Weg in die Öffentlichkeit, um sich zu wehren. In einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 30. Dezember 1958 499 nahm Präsident Hertel Stellung: Die von ihm geäußerten Einwände gegen die Finanzpolitik der Deutschen Bundespost habe er nicht als BWV vorgebracht, sondern als Präsident des Bundesrechnungshofes, der gemäß dem Postverwaltungsgesetz 500 auch 496 Vermerk (ohne Datum und Verfasser), in: BA, Best. B 126/16455 (Bundesministerium der Finanzen). 497 Schreiben des Bundes der Steuerzahler an Bundeskanzler Adenauer vom 10. 12. 1958, in: BA, Best. B 136/7173 (Bundeskanzleramt). 498 Schreiben des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt, Globke, an den Bund der Steuerzahler vom 5. 1. 1958, in: BA, Best. B 136/7173 (Bundeskanzleramt). 499 Vgl. „Der gefürchtete Frankfurter Rotstift“, Süddeutsche Zeitung vom 30. 12. 1958. Vgl. dazu auch den Vermerk des Bundeskanzleramtes vom 27. 1. 1959, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 500 Nach §§ 18, 19 Postverwaltungsgesetz unterliegt auch das Sondervermögen der Bundespost der Rechnungsprüfung durch den Bundesrechnungshof.

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das Sondervermögen der Post zu prüfen habe. Das Ergebnis dieser Prüfung, so Hertel, habe der Bundesrechnungshof in seinen Bemerkungen zur Bundeshaushaltsrechnung nach § 108 RHO mit aufgenommen. Insofern handele es sich auch nicht – wie die Bundesregierung behaupte – um eine unzulässige Veröffentlichung. b) Empfehlung des Bundesfinanzministeriums zur Aufhebung der Personalunion Hertel hatte durch sein selbstbewusstes Auftreten eine Phalanx von Kritikern auf den Plan gerufen. So bat Anfang 1959 das Bundeskanzleramt den Bundesfinanzminister um eine Zusammenstellung der Aufgaben und Befugnisse des Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Ministerialrat Hecht entwarf für Staatssekretär Hartmann ein Schreiben an das Kanzleramt 501. Inhaltlich stützte es sich, in sprachlich milderer Form, auf das im Ministerium bereits vorliegende Gutachten vom Dezember des Vorjahres 502. In puncto konkrete Änderungsempfehlungen ging Ministerialrat Hecht jedoch einen Schritt weiter. Er schlussfolgerte, die bisher gemachten Erfahrungen legten den Gedanken nahe, die Ämter von BWV und Präsidenten des Bundesrechnungshofes wieder zu trennen, was der Arbeit des Bundesrechnungshofes nur förderlich sein könne. Sachlich sei es denkbar, den BWV dem Bundeskanzleramt, dem Bundesinnenministerium oder auch dem Bundesfinanzministerium zu unterstellen. Der Personalaufwand sei, wie bereits das eigenständige Sparbüro unter Reichssparkommissar Saemisch gezeigt habe, gering. Das Personal könne der bisherigen Gutachtenabteilung des Bundesrechnungshofes oder anderen Verwaltungen entnommen werden. In persönlicher Hinsicht müsse der BWV ein Mann sein, der sich in der Verwaltung gut auskenne und bei dieser über ein entsprechendes Ansehen verfüge. Staatssekretär Hartmann änderte den Entwurf des Ministerialrates kaum ab, verzichtete aber auf Hinweise zur Organisationsform und erwähnte auch nicht die Struktur zu Zeiten von Saemischs Sparbüro 503. Hartmann vertrat in seinem Schreiben an das Kanzleramt die Auffassung, es sei sinnvoll, den Kabinettsbeschluss vom 22. Mai 1957, mit dem die Ämterverbindung institutionalisiert worden war, aufzuheben und wieder zu einer persönlichen Betrauung überzugehen. So werde klargestellt, dass die Funktion des BWV von der des Präsidenten des Bundesrechnungshofes völlig getrennt sei. Eine dauerhafte Ablösung Hertels 501 Vgl. den Entwurf des Ministerialrats im Bundesfinanzministerium, Hecht, an den Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Hartmann, vom Januar 1959, in: BA, Best. B 126/16455 (Bundesministerium der Finanzen). 502 Vgl. oben S. 117. 503 Schreiben des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Hartmann, an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Globke, vom 11. 2. 1959, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt).

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forderte der Staatssekretär jedoch nicht. Nach der Aufhebung der institutionellen Ämterverbindung könne entweder wieder Hertel oder jede andere geeignete Persönlichkeit zum BWV beauftragt werden. Das Bundeskanzleramt entschloss sich 504, „in der Angelegenheit etwas zu unternehmen“, wollte aber noch weiteres Material von Ministerien sammeln, in denen es „besondere Vorfälle“ gegeben habe. Beschwerden gegen Hertel gab es aber nicht nur aus den Ministerien selbst. Im Sommer 1959 wandte sich der Präsident des Bundesfinanzhofes, Ludwig Heßdörfer, mit einem Schreiben an Bundesfinanzminister Etzel 505, um sein Missfallen über Hertels Tätigkeit als BWV zum Ausdruck zu bringen. Heßdörfer nahm Bezug auf ein Gutachten des BWV vom April 1959 zur Personalbemessung des Bundesfinanzhofes. Die Mitarbeiter des BWV prüften bewusst nur die Verwaltung, die Tätigkeit der Richter und wissenschaftlichen Mitarbeiter wurde ausgeklammert. Präsident Heßdörfer war sowohl über den Stil der Beamten des BWV verärgert als auch mit den im Gutachten gemachten Vorschlägen zur Personalstruktur in seinem Haus nicht einverstanden. Der Präsident empfand es als stillos, dass der BWV ihm ein Gutachten übersandte, ohne ihm vorab die Gelegenheit gegeben zu haben, zu den Ergebnissen Stellung zu nehmen. Ein solcher Mangel an Gehör sei „befremdend und bedauerlich“. Sodann griff Heßdörfer das Ergebnis als solches an: Der BWV habe in dem Gutachten das Kernproblem der Überlastung des Bundesfinanzhofes nicht erörtert. Die reine Beschränkung der Untersuchung auf die Verwaltung führe zu falschen Wertungen. Ein Gerichtshof könne nur als Ganzes gesehen werden und die Tätigkeiten des richterlichen Personals, so Heßdörfer, seien aufgrund der Wechselwirkungen untrennbar mit denen der Verwaltung verbunden. Im weiteren Gang des Schreibens schlüsselte der Präsident die Vorschläge des BWV zur Stellenbesetzung im Einzelnen auf und lehnte sie mehrheitlich ab. Im Bundesfinanzministerium traf die Kritik an Hertel auf offene Ohren, unterfütterte sie doch nur die skeptische Haltung gegenüber der Amtsführung Präsident Hertels. Gänzlich unbeeindruckt von der sich verstärkenden Kritik an seiner Person hielt Präsident Hertel an seinem Kurs eines starken BWV fest. Als er im Herbst 1959 erfuhr, dass unter der Federführung des Bundesinnenministeriums einige Vorschriften der GGO I der Bundesministerien überarbeitet wurden, versuchte er auf diesem Wege, die Rechte des BWV weiter zu stärken. So schaltete er sich in die Verhandlungen mit dem Antrag ein, § 48 GGO I zu ändern 506. Nach dieser Vorschrift wurden die Bundesministerien verpflichtet, Entwürfe, die sich 504 Vermerk des Referates I A/2 im Bundesfinanzministerium, in: BA, Best. B 126/ 16457 (Bundesministerium der Finanzen). 505 Schreiben des Präsidenten des Bundesfinanzhofes an Bundesfinanzminister Etzel, in: BA, Best. B 126/16455 (Bundesministerium der Finanzen). In den Akten findet sich zur weiteren Entwicklung in dieser Frage kein weiteres Material.

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auf die öffentlichen Haushalte auswirkten, dem Bundesfinanzminister mit den voraussichtlich geschätzten Kosten zuzuleiten. Hertel forderte, über § 48 GGO I den Ressortministern aufzuerlegen, ihre Entwürfe neben dem Bundesfinanzminister gleichfalls dem BWV zur Kenntnisnahme zu übersenden. Es entspreche sicherlich dem Wunsch des Kabinetts, dass der BWV bei Vorhaben mit hoher finanzieller Tragweite beteiligt werde. An dem Wunsch Hertels lässt sich zugleich auch ablesen, dass die Bundesministerien ihrer in den Richtlinien 1952 festgelegten Verpflichtung, den BWV bei „organisatorischen oder finanziellen Maßnahmen von größerer geldlicher Tragweite“ zu beteiligen, entweder kaum oder nur unzureichend nachgekommen sind. Doch in Anbetracht der vorherrschenden Stimmung war es kein Wunder, dass sich das Bundesinnen- und Bundesfinanzministerium einhellig festlegten, der Bitte des Präsidenten nicht entsprechen zu wollen 507. Die Bundesregierung habe kein Interesse, so die Mitarbeiter der Ministerien, zu jedem Vorschlag der Ressortminister eine Stellungnahme des BWV zu erhalten. Hierfür bestehe schon kein sachliches Bedürfnis, da der Bundesminister der Finanzen alle erforderlichen Unterlagen besitze und nach seiner Kenntnis der politischen und finanziellen Zusammenhänge das bessere Urteil fälle. Die strikte Haltung der Bundesregierung kam auch wieder auf der Sitzung des Haushaltsausschusses am 28. Januar 1960 zum Ausdruck. Der Ausschuss beklagte sich – wie schon im März 1958 – über die mangelhafte Weiterleitung der Gutachten des BWV und wollte alsbald über die Möglichkeiten sprechen, wie die Gutachten den Ausschuss schneller erreichen könnten 508. Das Bundesfinanzministerium unterstützte diesen Vorschlag erwartungsgemäß nicht. Die Beamten im Ministerium befürworteten 509 eine strikte Handhabung der Informationspolitik und stellten klar, dass Gutachten des BWV grundsätzlich nur an die ersuchende Stelle gehen sollen. Allein der Bundesfinanzminister habe nach Ziffer 7 Satz 2 der Richtlinien das Recht, alle Gutachten des BWV zu erhalten. Sollten dem Haushaltsausschuss alle Gutachten zugeleitet werden, so erschwere dies – noch mehr als ohnehin schon der Fall – die Zusammenarbeit mit dem BWV. 506 Vermerk der Abteilung I im Bundesfinanzministerium vom 10. 11. 1959, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 507 Vermerk der Abteilung I im Bundesfinanzministerium vom 10. 11. 1959, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 508 Kurzprotokoll Nr. 106 in der 3. WP des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 28. 1. 1960, S. 3. In der Sitzung kritisierte der Abgeordnete Schäfer, nicht allen begutachteten Behörden werde vor der Zustellung eines BWV-Gutachtens die Möglichkeit gegeben, eine Stellungnahme abzugeben. Der Vertreter des Bundesrechnungshofes, Direktor Fuchs, bekräftigte hingegen, jede begutachtete Behörde werde vor der Fertigstellung eines sie betreffenden Gutachtens gehört. 509 Vermerk des Referates I A/2 im Bundesfinanzministerium vom März 1960, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen).

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2. Prüfung der Beibehaltung des BWV a) Prüfauftrag des Kabinetts zur Beibehaltung des BWV Die sich häufende Kritik an Präsident Hertel und die Absicht der Verantwortlichen im Bundeskanzleramt, „in der Angelegenheit etwas zu unternehmen“ führten schließlich auf der Kabinettssitzung am 22. April 1960 510 zu Diskussionen über die Tätigkeit des BWV. Bundeskanzler Adenauer sagte, Hertel habe in seiner Eigenschaft als BWV mehrfach ohne Abstimmung mit der Bundesregierung unmittelbare Initiative bei Ausschüssen oder Abgeordneten des Bundestages entfaltet. Der BWV, so der Kanzler, sei in erster Linie der unabhängige Sachverständige der Bundesregierung; das Vorgehen Präsident Hertels widerspreche daher der Verfassung. Das Kabinett beauftragte die Bundesminister für Inneres und Finanzen damit, die Frage zu prüfen, ob und gegebenenfalls wie ein selbstständiger BWV ernannt werden könne. Wenige Tage nach dem Prüfauftrag durch das Kabinett äußerte sich der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Hettlage, in einer internen schriftlichen Stellungnahme 511 skeptisch zu einer Trennung der Aufgaben des BWV von der Position des Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Der BWV könne für seine Tätigkeit auf die Erfahrungen aus der Rechnungsprüfung nicht verzichten. Zudem gebe es mit der Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofes schon eine geeignete Stelle für die Gutachtenerstattung. Sollte eine eigene Organisationsstruktur für den BWV geschaffen werden, so müssten in einer solchen etwa zwei Drittel der Beamten der Präsidialabteilung eingebunden werden. Zusätzlich könnten je nach Fall externe Sachverständige hinzugezogen werden. Mit dieser beweglichen Organisationsform, so schrieb der Staatssekretär, habe auch schon Reichssparkommissar Saemisch gute Erfahrungen gemacht. Für den Fall der Trennung der beiden Ämter unterbreitete Hettlage bereits einen Personalvorschlag für den neuen BWV: Als verwaltungserfahrener Beamter komme der Ministerialdirektor im Bundesfinanzministerium, Karl-Friedrich Vialon, in Betracht.

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Vgl. den Bezug auf die Kabinettssitzung am 22. 4. 1960 im Vermerk des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Hartmann, vom 25. 4. 1960, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). In den Protokollen findet sich nur der Tagesordnungspunkt „Indiskretionen“, gegen die der Bundeskanzler mit aller Schärfe vorgehen wollte. Um welche Indiskretionen es sich hier handelte, lässt sich den Materialien nicht entnehmen. Aufgrund von Hartmanns Vermerk ist es jedoch wahrscheinlich, dass an dieser Stelle über Präsident Hertel gesprochen wurde. Vgl. zur Kabinettssitzung auch Weber (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 13, 105. Kabinettssitzung am 22. 4. 1960, S. 189. 511 Vermerk des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Hettlage, vom 25. 4. 1960, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen).

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b) Diskussionen zwischen den Beteiligten aa) Besprechungen Für den 23. Mai 1960 war ein Treffen zwischen Bundesfinanzminister Etzel und Präsident Hertel anberaumt, in dem es offiziell um die Ernennung eines neuen Vizepräsidenten beim Bundesrechnungshof gehen sollte. Drei Tage vor dem Termin informierte Staatssekretär Hettlage den Minister in einer „Eilt-Vorlage“ 512 über die neusten Entwicklungen. Vialon habe erfahren, so Hettlage, dass in naher Zukunft vom oder beim Bundeskanzler eine neue Initiative entfaltet werde, um die Amtsführung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes auf „seine gesetzlichen Aufgaben zurückzuführen“. Dies bedeutete laut Vialon, den Präsidenten auf sein unangemessenes und teilweise gesetzeswidriges Verhalten deutlich hinzuweisen. Neustes Beispiel sei, dass Präsident Hertel unter seinem Vorsitz in München Verhandlungen über die geheimen Haushaltsvoranschläge des Bundesnachrichtendienstes geführt habe, ohne die federführenden Ministerien zu beteiligen. Daher solle die Aufgabe des BWV vom Amt des Präsidenten des Bundesrechnungshofes getrennt werden. Sodann ging Hettlage auf die anstehende Ernennung eines neuen Vizepräsidenten beim Bundesrechnungshof ein. Präsident Hertel hatte als neuen Vizepräsidenten von sich aus Direktor George Rosborg ins Auge gefasst. Der Staatssekretär bat Minister Etzel, den Vorschlag Hertels abzulehnen. Erstens stehe es nach der Bundeshaushaltsordnung allein dem Bundesfinanzminister – und nicht dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes – zu, Personalvorschläge für diese Funktion zu unterbreiten. Zweitens sei der Kandidat des Präsidenten „nach allgemeinem Urteil eine besonders schwache Figur unter den an sich schon nicht sehr starken Erscheinungen der Abteilungsleiter des Bundesrechnungshofes“. In Abstimmung mit dem Kanzleramt vertrete er (Hettlage) die Auffassung, es sei besser, einen geeigneten Ministerialdirigenten des Bundesfinanzministeriums als Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes vorzuschlagen. Als besonders geeignet empfahl Hettlage den Ministerialdirigenten Siegfried Woelffel aus dem Bundesfinanzministerium. In dem folgenden Gespräch am 23. Mai 1960 vertrat Hertel Auffassungen zur Stellung und Arbeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, die zu einem Vermerk des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium 513 mit anschließender Prüfung von Sachfragen durch Innen- und Justizministerium führten. Dem Vermerk zufolge war Hertel der Ansicht, der Bundesrechnungshof sei eine selbstständige vierte Gewalt, er sei mithin ein unmittelbares Verfassungsorgan, das 512 Vorlage des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Hettlage, für Bundesfinanzminister Etzel vom 20. 5. 1960, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 513 Vermerk des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Hettlage, vom 24. 5. 1960, in: BA, Best. B 126/16455 (Bundesministerium der Finanzen).

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der Aufsicht der Bundesregierung in keiner Richtung unterstehe. Daher könne er als Präsident im Namen des Bundesrechnungshofes jederzeit eigene gesetzgebungspolitische Initiativen und Stellungnahmen entfalten und diese auch den gesetzgebenden Körperschaften und ihren Ausschüssen zukommen lassen. Etzel widersprach dieser Wertung und meinte, es gehe über die verfassungsrechtliche Stellung des Bundesrechnungshofes hinaus, wenn er beim Bundestag eigene politische Initiativen zu Regierungsvorlagen von finanzwirtschaftlicher Bedeutung ergreife. Bei Meinungsverschiedenheiten müsse er vielmehr in Kontakt mit dem jeweiligen Ressortminister und dem Bundesfinanzministerium treten. Betreffend der Stellung der Präsidenten des Bundesrechnungshofes war Hertel der Überzeugung, diese besäßen als Leiter der Behörde Ministerrang und seien folglich mit den gleichen Rechten ausgestattet wie ein Ressortminister. Weiter ging Hertel auf die Tätigkeit des BWV ein und ließ erkennen, dass er seinen Arbeitsstil nicht ändern werde, wenn sich die Bundesregierung entschlösse, die Personalunion von BWV und dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes aufzuheben. Dies berühre ihn nicht, so Hertel, da er als Präsident des Bundesrechnungshofes unproblematisch die Angelegenheiten des BWV an sich ziehen könne und ebenso wie der BWV gutachtlich tätig werden könne. Aus diesem Grunde beabsichtige er für den Fall der Trennung auch nicht, die Präsidialabteilung des Rechnungshofes zu verkleinern. Ebenfalls habe der Bundesrechnungshof das Recht zur Mitwirkung in laufenden Verwaltungsangelegenheiten, einschließlich gesetzgeberischer Vorhaben, wobei Art und Ausmaß der die Gesamtverantwortung tragende Präsident bestimme. Das Gespräch zwischen Etzel und Hertel schloss mit einer Diskussion über die Neubesetzung des Amtes des Vizepräsidenten. Hertel argumentierte, aus § 113 Abs. 3 und 4 RHO folge, dass die Ernennungsvorschläge für Mitglieder des Bundesrechnungshofes vom Bundesfinanzminister ohne dessen Stellungnahme gegenzuzeichnen und dem Bundespräsidenten zur Vollziehung zuzuleiten seien. Unabhängig hiervon halte er den vom Finanzministerium vorgeschlagenen Kandidaten, Ministerialdirigent Woelffel, für nicht geeignet, das Amt des Vizepräsidenten auszuüben, weil er über keine praktischen Erfahrungen in der Rechnungsprüfung verfüge 514. Bundesfinanzminister Etzel unterrichtete Hertel schließlich, er wolle die im Gespräch aufgeworfenen Rechtsfragen durch seine Ressortkollegen im Innen- und Justizministerium prüfen lassen.

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Mit ironischem Unterton schrieb Staatssekretär Hettlage in seinem Vermerk: „Herr Präsident Dr. Hertel vergaß, dass er selbst vor seiner Ernennung nie in Haushaltsangelegenheiten gearbeitet und insbesondere auch nicht über irgendwelche Prüfungserfahrungen verfügt hat.“ Vgl. hierzu den Vermerk des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Hettlage, vom 24. 5. 1960, in: BA, Best. B 126/16455 (Bundesministerium der Finanzen).

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Wie in der Besprechung mit Hertel angekündigt, bat der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Hettlage, im Schreiben vom 11. Juli 1960 515 die Minister für Inneres und Justiz um die Erörterung bestimmter rechtlicher Fragestellungen zur Stellung des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten. Hettlage selbst gab in seinem Brief bereits eine kurze Einschätzung zu den aufgeworfenen Fragen ab. Bundesinnenminister Schröder antwortete am 29. September 1960 516, der Bundesjustizminister jedoch erst ein halbes Jahr später, am 10. Januar 1961 517. Alle drei Ministerien waren sich einig, dass Hertels Position, der Bundesrechnungshof müsse als vierte Gewalt im Staate qualifiziert werden, unvertretbar sei. Mit dem Hinweis auf Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 1 GG sei mit der staatsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon auszugehen, dass das Grundgesetz lediglich die Dreiteilung der Staatsgewalt kenne. Der Bundesinnenminister war zudem der Ansicht, der Bundesrechnungshof sei ein mit einer Sonderstellung ausgestattetes Organ der vollziehenden Gewalt. Ebenfalls einig waren sich die drei beteiligten Ministerien, der Präsident des Bundesrechnungshofes habe keinesfalls die Rechtsstellung eines Bundesministers. Zwar leite er eine oberste Bundesbehörde, doch bleibe er Beamter ohne politische Verantwortung. Dies ergebe sich aus den Vorschriften des Grundgesetzes. Der Präsident sei kein Mitglied des Bundeskabinetts im Sinne des Art. 62 GG; er verfüge weder über ein Zutritts- und Rederecht beim Bundestag gem. Art. 43 Abs. 2 GG noch könne auf ihn nach Art. 80 Abs. 1 GG die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen übertragen werden. Ausgeschlossen wurde von den Ministern Schäffer und Schröder sowie Staatssekretär Hettlage auch die Möglichkeit, dass der Bundesrechnungshof in irgendeiner Weise die laufende Verwaltung kontrollieren dürfe. Eine solche Kompetenz greife in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise in die Verantwortung der Exekutive ein. Eine Mitwirkung des Bundesrechnungshofes sei nur im Rahmen des § 19 Abs. 2 RHO 518 und § 100 RHO 519 möglich. Jedenfalls lasse sich in 515

Schreiben des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Hettlage, an Bundesinnenminister Schröder und Bundesjustizminister Schäffer vom 11. 7. 1960, in: BA, Best. B 126/16455 (Bundesministerium der Finanzen). 516 Antwortschreiben von Bundesinnenminister Schröder an das Bundesfinanzministerium vom 29. 9. 1960, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 517 Antwortschreiben von Bundesjustizminister Schäffer an das Bundesfinanzministerium vom 10. 1. 1961, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzleramt). 518 Nach § 19 RHO war der Präsident des Bundesrechnungshofes bei der Aufstellung des Bundeshaushaltes zu beteiligen. § 19 Abs. 2 RHO lautete: „Der Reichsminister der Finanzen übersendet hierfür geeignet erscheinende Unterlagen dem Präsidenten des Rechnungshofes. Dieser kann auf Grund der bei der Rechnungsprüfung gemachten Wahrnehmungen hierzu Stellung nehmen“. 519 § 100 Abs.1 RHO ordnete an: „Alle Verfügungen der obersten Reichsbehörden, durch die in Bezug auf Einnahmen oder Ausgaben des Reichs eine allgemeine Vorschrift

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§ 4 BRHG mitnichten eine allgemeine Überwachungsfunktion des Bundesrechnungshofes über die laufende Verwaltungstätigkeit interpretieren. Ebenso lehnten die drei Beteiligten die Auffassung Hertels ab, dem Bundesfinanzminister stehe nicht das Recht zu, die Ernennungsvorschläge des Präsidenten vor der Gegenzeichnung sachlich zu prüfen. Mit der Gegenzeichnung übernehme der Bundesfinanzminister eine politische Verantwortung gegenüber dem Bundespräsidenten. Politische Verantwortung sei aber nur dort möglich, wo es eine freie Entscheidung gebe. Würde der Bundesfinanzminister immer ohne eigene Prüfung gegenzeichnen, so fehle es an dieser freien Entscheidung. Unmittelbar zur Funktion des Präsidenten als BWV äußerte sich in den Stellungnahmen nur der Bundesinnenminister. Ohne nähere Begründung, schrieb Innenminister Schröder, er habe Bedenken gegen die Ämterverbindung von BWV und dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Bei der Überlegung, wie eine gesonderte Dienstelle des BWV beschaffen sein sollte, meinte Schröder, die Vorschläge des BWV zur Organisation der Bundesverwaltung müssten in Zukunft eine größere Rolle spielen als Maßnahmen aus rein finanziellen Erwägungen. Handschriftlich vermerkte das Bundesfinanzministerium zu diesem Punkt 520: „Gemeint ist wohl, ein selbstständiger BWV sollte nicht dem Finanz-, sondern dem Innenminister angegliedert werden“. bb) Die Forderung des Kabinetts nach einem neuen BWV Die Diskussion um die Person Hertels als BWV erhielt einen neuen Höhepunkt, als Bundeskanzler Adenauer auf der Kabinettssitzung am 5. Oktober 1960 521 den Anwesenden mitteilte, er habe Sorge, der BWV sei durch die gleichzeitige Tätigkeit als Präsident des Bundesrechnungshofes allzu stark belastet. Dieser Auffassung stimmte Bundesverteidigungsminister Strauß ausdrücklich zu. Der Bundeskanzler bat daher alle Teilnehmer zu prüfen, ob eine andere Persönlichkeit als BWV vorgeschlagen werden könne, wobei auch solche aus der gegeben oder eine schon bestehende geändert oder erläutert wird oder durch die die Einnahmen oder Ausgaben des Reichs berührenden Verwaltungseinrichtungen und Unternehmungen geschaffen oder geändert werden, müssen unverzüglich dem Rechnungshof mitgeteilt werden“. Weiter hieß es in § 100 Abs. 2 S. 1 RHO: „Vor dem Erlasse von Bestimmungen zur Durchführung der Reichshaushaltsordnung und von hierzu von den Reichsministerien erlassenen allgemeinen Dienstanweisungen ist der Rechnungshof gutachtlich zu hören“. Und § 100 Abs. 3 RHO gab dem Rechnungshof schließlich folgendes Recht: „Der Rechnungshof darf jederzeit Bedenken, die sich von seinem Standpunkt in bezug auf die vorerwähnten Verfügungen und Anordnungen ergeben, geltend machen“. 520 Handschriftliche Notiz im Schreiben des Bundesinnenministers Schröder an das Bundesfinanzministerium vom 29. 9. 1960, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 521 Weber (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 13, 123. Kabinettssitzung am 5. 10. 1960, S. 340 f.

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freien Wirtschaft in Betracht gezogen werden sollten. Das Kabinett entschied, sich zu gegebener Zeit weiter mit der Sache befassen zu wollen. Auf einer Sitzung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages zeigte sich, wie sehr mittlerweile nicht nur die innersten Regierungskreise, sondern auch Abgeordnete der regierenden CDU / CSU der Beratungsfunktion des Rechnungshofes und seines Präsidenten ablehnend gegenüberstanden. Dies zeigte sich bei den Verhandlungen des Ausschusses über den Haushaltsplan des Bundesrechnungshofes am 20. Oktober 1960 522. Diese neue Tendenz war bemerkenswert, galt doch der BWV, wie der Abgeordnete Alois Niederalt (CSU) formulierte 523, immer als Bundesgenosse des Haushaltsausschusses. Anlass der äußerst heftigen Auseinandersetzung 524 im Ausschuss war die Forderung Präsident Hertels nach einer Aufstockung des Personals der Gutachtenabteilung mit jeweils einer Stelle der Besoldungsgruppe A 14 und A 16 sowie vier zusätzlichen Stellen der Besoldungsgruppe A 12. Hertel wollte ein neues Referat in der Gutachtenabteilung aufbauen, das sich ausschließlich mit dem Thema der Technisierung der Bundesverwaltung beschäftigen sollte 525. Es habe sich gezeigt, so erläuterte Hertel in der Sitzung, dass Bundesdienststellen dazu neigten, Großcomputer anzuschaffen, die sich später als unbrauchbar erwiesen 526. Es sei die Aufgabe des Bundesrechnungshofes, hier koordinierend einzugreifen, bevor durch Fehldispositionen Verluste in Millionenhöhe einträten. Aus den Reihen der CDU wurde daraufhin deutliche Kritik an der Wahrnehmung der beratenden Tätigkeit des Bundesrechnungshofes geübt. Der Abgeordnete Josef Stecker (CDU) sagte, es bestehe die Gefahr, dass sich der Bundesrechnungshof langsam zu einem allen Ministerien parallel geschalteten Überministerium entwickle, das vor der Beschlussfassung immer Einfluss auf die exekutiven Entscheidungen nehmen wolle 527. Hierdurch werde die Entschlussfreudigkeit der Ministerialbeamten gelähmt und dem dynamischen Prinzip in der Bundesverwaltung nicht entsprochen. Diese Übung, so der Abgeordnete Hermann Conring (CDU), solle nicht noch gefördert werden, indem die Gutachtenabteilung verstärkt werde 528. 522

Kurzprotokoll Nr. 137 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages in der 3. WP vom 20. 10. 1960, S. 20 ff. 523 Kurzprotokoll Nr. 137 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages in der 3. WP vom 20. 10. 1960, S. 22. 524 Vermerk des Ministerialdirektors im Bundesfinanzministerium, Korff, vom 21. 10. 1960, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 525 Kurzprotokoll Nr. 137 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages in der 3. WP vom 20. 10. 1960, S. 20 f. 526 Vermerk des Ministerialdirektors im Bundesfinanzministerium, Korff, vom 21. 10. 1960, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 527 Kurzprotokoll Nr. 137 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages in der 3. WP vom 20. 10. 1960, S. 22. 528 Kurzprotokoll Nr. 137 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages in der 3. WP vom 20. 10. 1960, S. 21.

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Der Abgeordnete Wilhelm Brese (CDU) äußerte sich insgesamt kritisch zu den Ergebnissen der Tätigkeit des BWV 529. Obwohl es eine solche Stelle gebe, habe die Bürokratie in den vergangenen Jahren erheblich an Macht gewonnen und der Personalbestand in der Verwaltung stetig zugenommen. Die Vertreter der CDU / CSU-Fraktion lehnten die Bitte des Bundesrechnungshofes, die Gutachtenabteilung zu erweitern, ab. Die Abgeordneten der sich in der Opposition befindenden SPD unterstützten hingegen den Wunsch Hertels nach Aufbau eines neuen Referates. Die SPD-Abgeordneten Heinrich Georg Ritzel und Friedrich Schäfer lobten die Arbeit der Gutachtenabteilung und sprachen sich mit großer Entschiedenheit für die Genehmigung der neuen Stellen aus 530. Schäfer fragte wiederholt, was eigentlich die Hintergründe der CDU / CSU seien, den weiteren Ausbau der Gutachtenabteilung zu behindern. Er habe den Eindruck, die Abgeordneten der Regierungsfraktion ließen sich von Kräften der Ministerialbürokratie leiten, welche die Gutachtenabteilung als unangenehm empfänden 531. Für das Bundesfinanzministerium ergriff Ministerialdirektor Korff das Wort: Die Tätigkeit der Gutachtenabteilung sei eine hilfreiche Stütze des Bundesfinanzministers, da sich die Bundesministerien leichter der Kontrolle durch den Bundesrechnungshof als einer Kontrolle des Bundesfinanzministeriums unterwerfen würden 532. Allerdings, so Korff, sei eine Koordination bei der Frage der Technisierung der Bundesverwaltung ausschließlich eine Aufgabe der Bundesregierung und nicht eine solche des Bundesrechnungshofes. Kurz vor der Abstimmung über den Haushaltsplan des Bundesrechnungshofes sagte Präsident Hertel, es sei eine tragische Entwicklung, dass im Haushaltsausschuss Stimmen laut geworden seien, die behaupteten, der Bundesrechnungshof gehe über seine ihm verfassungsmäßig zugeteilten Aufgaben hinaus 533. Mit den Stimmen der Abgeordneten der CDU / CSU-Fraktion und gegen die der SPD, beschloss der Haushaltsausschuss, die zusätzlichen Stellen für ein weiteres Referat in der Gutachtenabteilung abzulehnen 534. Der loyale Fürsprecher des BWV, der Bund der Steuerzahler, hatte Informationen erhalten, nach denen es in der Bundesregierung Überlegungen gebe, den 529 Kurzprotokoll Nr. 137 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages in der 3. WP vom 20. 10. 1960, S. 22 f. 530 Kurzprotokoll Nr. 137 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages in der 3. WP vom 20. 10. 1960, S. 24 f. 531 Vermerk des Ministerialdirektors im Bundesfinanzministerium, Korff, vom 21. 10. 1960, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 532 Kurzprotokoll Nr. 137 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages in der 3. WP vom 20. 10. 1960, S. 25. 533 Vermerk des Ministerialdirektors im Bundesfinanzministerium, Korff, vom 21. 10. 1960, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 534 Kurzprotokoll Nr. 137 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages in der 3. WP vom 20. 10. 1960, S. 26 f.

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BWV nicht in der bisher üblichen Praxis weiter bestehen zu lassen 535. Alsbald beschäftigte sich das Präsidium des Steuerzahlerbundes auf einer seiner Sitzungen mit diesem Thema. Dies wiederum erfuhr das Bundesfinanzministerium, und es wollte den Bund der Steuerzahler zu den Beratungen über die Zukunft des BWV hinzuziehen. So lud Staatssekretär Hettlage mit seinem Brief vom 19. November 1960 536 einen Vertreter des Steuerzahlerbundes zu einem „Gedankenaustausch“ in das Bundesfinanzministerium ein. Die Bundesregierung überlege, so schrieb Hettlage, ob möglicherweise durch eine Trennung der bisherigen Personalunion zwischen dem BWV und dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes die Wirksamkeit des BWV erhöht werden könnte. Er selbst habe jedoch gegen eine Trennung gewisse technische Vorbehalte, da die Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofes eng mit dem BWV verwoben sei. Welche Absicht der Staatssekretär mit seiner Einladung verfolgte, bleibt offen. Entweder wollte er den Steuerzahlerbund durch Einbindung ruhig stellen, oder er hatte tatsächlich ein Interesse an dessen Vorschlägen. Für den Bund der Steuerzahler reiste das Präsidiumsmitglied Karl Bräuer nach Bonn. Kurzfristig hinzu geladen wurde zudem ein Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der am 23. November 1960 einen Leitartikel veröffentlicht hatte, der sich mit der aktuellen Diskussion um die Zukunft des BWV befasste 537. In dem Gespräch eröffnete Bräuer dem Staatssekretär, der Bund der Steuerzahler arbeite aktuell an einem Gesetzesentwurf, der die Personalunion zwischen BWV und dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes dauerhaft sichern solle 538. In den nächsten Tagen werde der Steuerzahlerbund hierzu eine Pressekonferenz halten und seine Vorschläge der Öffentlichkeit vorstellen. Staatssekretär Hettlage legte in dem Gespräch die erheblichen rechtlichen und praktischen Bedenken des Bundesfinanzministeriums gegen eine dauerhafte Verbindung der Positionen dar. Bereits drei Tage nach dem Treffen im Bundesfinanzministerium stellte der Bund der Steuerzahler auf einer Pressekonferenz seinen angekündigten Gesetzesentwurf zum BWV vor 539. In insgesamt zehn Paragrafen sollten die Rechte und

535 Schreiben des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Hettlage, an den Bund der Steuerzahler vom 19. 11. 1960, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 536 Schreiben des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Hettlage, an den Bund der Steuerzahler vom 19. 11. 1960, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 537 FAZ vom 23. 11. 1960. 538 Vermerk des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Hettlage, vom 1. 12. 1960, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 539 Der Gesetzesentwurf des Bundes der Steuerzahler und die hierzu veröffentlichte Pressemitteilung vom 2. 12. 1960 findet sich in einem Schreiben der Abteilung I an die

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Pflichten des BWV verankert werden. Der Gesetzesvorschlag war fast wortgleich mit den Richtlinien für den BWV aus dem Jahr 1952. § 1 des Entwurfes sah vor, dass „der Präsident des Bundesrechnungshofes zum Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung bestellt“ wird. Das genaue Verfahren zur „Bestellung“ des BWV blieb damit in dem Entwurf offen. Als möglichen Auftraggeber der Gutachten des BWV nahm der Entwurf ausdrücklich auch den Haushaltsausschuss des Bundestages auf. Nach dem Willen des Bundes der Steuerzahler sollte zudem die Tätigkeit des BWV für die Öffentlichkeit transparenter werden. Der Gesetzesentwurf forderte in § 3 S. 5: „Die Gutachten sind zu veröffentlichen, sofern nicht schwerwiegende Gründe dem entgegenstehen“. Dies gelte zum Beispiel für wehr- oder außenpolitische Gründe. Ziel des Gesetzes, so hieß es in der Pressemitteilung weiter, sei es, für den Bundesbeauftragten, der nach heutiger Rechtslage bei einem Regierungswechsel jederzeit abberufen werden könne, eine sichere und feste gesetzliche Grundlage zu schaffen. Den deutschen Steuerzahlern seien in den vergangenen Jahren durch die Tätigkeit des BWV viele Millionen Mark gespart worden, und es komme der dringende Verdacht auf, die Bundesregierung wolle einen unbequemen Sachkenner und Mahner in seiner Wirksamkeit eindämmen. Den Materialien nach zu urteilen, gab es allerdings aus dem Bundeskanzleramt und dem Bundesfinanzministerium keine Reaktion zu dem Gesetzesvorschlag des Bundes der Steuerzahler. Der mehr und mehr in die Enge getriebene Präsident Hertel nutzte jede Möglichkeit, seine Tätigkeit als BWV in gutem Licht erscheinen zu lassen. Am 19. Januar 1961 schrieb Hertel an Kanzleramtsstaatssekretär Globke 540; der Bundeskanzler habe ihn beim letzten Aufeinandertreffen Anfang Januar gebeten, er solle doch einmal in seiner Eigenschaft als BWV sämtliche Bundesministerien überprüfen. Er habe den Bundeskanzler daraufhin darüber unterrichtet, so Hertel in seinem Brief, dass er bereits eine Vielzahl von Ministerien und Behörden geprüft habe. Obgleich immer ein Abdruck der Gutachten an das Bundeskanzleramt gehe, übersende er nochmals eine Übersicht zu den in den vergangenen drei Jahren in seiner Eigenschaft als BWV erstatteten Gutachten. Hertel schloss sein Schreiben mit dem ebenso appellierenden, wie kritischen Satz: „Ein kurzer Einblick in diese Verzeichnisse würde dem Herrn Bundeskanzler eine Vorstellung von der umfassenden Arbeit vermitteln können, die in den Jahren seit 1957 geleistet worden ist.“ Ob der Bundeskanzler sich diesen Eindruck jemals persönlich verschafft hat, bleibt fraglich. Zumindest findet sich in den Akten soAbteilung VI im Bundesfinanzministerium vom 11. 1. 1961, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 540 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hertel an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Globke, vom 19. 1. 1961 in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt).

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wohl keine offizielle Antwort als auch keine interne Reaktion auf das Schreiben Hertels. In einem Brief an Präsident Hertel vom 16. März 1961 541 warf Bundesfinanzminister Etzel dem Bundesrechnungshof vor, sich mit seinen Empfehlungen gegen die Haushaltsansätze der Bundesregierung gestellt und stattdessen unwirtschaftliche Mehrausgaben gefordert zu haben. In der Tat hatten Vertreter des Bundesrechnungshofes bei den Verhandlungen des Haushaltsausschusses zum Haushaltsplan zum einen vorgeschlagen, den Haushaltsansatz für das Bundesverkehrsministerium um 500.000 Deutsche Mark zu erhöhen, um über ausreichend Mittel für Werbemaßnahmen im Ausland zu verfügen. Zum anderen sollten dem Bundesfinanzministerium drei statt zwei Ministerialdirigentenstellen genehmigt werden. In beiden Fällen aber lehnte der Haushaltsausschuss die Änderungsvorschläge des Bundesrechnungshofes ab. Der Bundesfinanzminister beanstandete in seinem Schreiben, es könne doch nicht die Aufgabe des Bundesrechnungshofes sein, Stellen- oder Ausgabenvermehrung vorzuschlagen, die über die Regierungsvorlage hinausgingen. Der Verantwortungsbereich des Bundesrechnungshofes sei überschritten, denn derartige Anregungen gehörten nicht zur beratenden Mitwirkung des Bundesrechnungshofes bei der Erörterung der Haushaltspläne nach § 19 Abs. 2 RHO. Etzel bat den Präsidenten, in Zukunft dafür Sorge zu tragen, dass Vertreter seines Hauses keine unwirtschaftlichen Vorschläge unterbreiteten. Für das Rechnungsjahr 1957 und 1958 verband der Präsident des Bundesrechnungshofes die Denkschrift und die Bemerkungen für die Haushaltsjahre erstmals mit einem eigenständigen Bericht über die Tätigkeit des BWV. Wie sich aus einem Vermerk des Bundesfinanzministeriums vom Juli 1961 542 ergibt, fühlte sich die Bundesregierung zum wiederholten Male provoziert. An dem Vorgehen Hertels zeige sich, so die Beamten im Bundesfinanzministerium, wie sehr er die Zuständigkeitsfragen von Bundesrechnungshof und BWV verwischen wolle und dem BWV die Stellung eines mächtigen Kontrolleurs zukommen lassen wolle. Der BWV sei aber kein Kontrolleur, sondern ein Berater der Bundesregierung. Hertel wolle der Rechnungsprüfung einen gegenwartsbezogenen Charakter verleihen. Eine solche mitschreitende Kontrolle, so der Verfasser, „ist nichts anderes als der Wunschtraum Dr. Hertels“. Einen direkten schriftlichen Protest der Regierung hat das Verhalten Hertels aber nicht nach sich gezogen.

541 Brief des Bundesfinanzministers Etzel an den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Hertel, vom 16. 3. 1961, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 542 Vermerk des Bundesfinanzministeriums vom Juli 1961, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen).

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cc) Das Rechtsgutachten des Bundesfinanzministeriums Nachdem das Bundesfinanzministerium im Sommer 1960 bereits die Ressortkollegen im Bundesjustiz- und Bundesinnenministerium um Stellungnahme bezüglich der Zuständigkeiten des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten gebeten hatte, wurde zusätzlich am 5. Dezember 1960 innerhalb des Bundesfinanzministeriums ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben 543. Das Justiziariat des Ministeriums sollte prüfen, ob die Gutachtertätigkeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes nach §§ 101 RHO, 8 BRHG bzw. in seiner Stellung als BWV mit dem Grundgesetz allgemein und insbesondere mit der institutionellen Garantie der unabhängigen Rechnungsprüfung nach Art. 114 GG vereinbar sei. Am 22. März 1961 legten die Juristen ihr Ergebnis vor 544. Das 24 Seiten umfassende Gutachten des Ministeriums stellte zunächst sehr kurz die geschichtliche Entwicklung der Gutachtertätigkeit des Präsidenten des Rechnungshofes dar, erläuterte den Umfang der institutionellen Garantie des Art. 114 GG und widmete sich abschließend der verfassungsrechtlichen Problematik der Gutachtertätigkeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes 545. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, die Gutachtertätigkeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes – ob nach § 8 BRHG, § 101 RHO oder in seiner Eigenschaft als BWV – begegne schweren verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Gutachten des Justiziariats wurde innerhalb des Ministeriums an die Abteilung I weitergeleitet. Der für das Gutachten hauptverantwortliche Beamte Ernst Féaux de la Croix bat, eine Entscheidung des Bundesfinanzministers einzuholen, ob bis zur abschließenden Klärung der verfassungsrechtlichen Bedenken von Aufträgen an den Präsidenten des Bundesrechnungshofes zur Gutachtenerstattung abzusehen sei. Des Weiteren liege es nahe, weitere Ministerien in die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Gutachtenerstellung durch den Bundesrechnungshof einzuschalten. Falls diese sich den verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesfinanzministeriums anschlössen, empfehle es sich, so Féaux de la Croix, dem Bundeskabinett drei Fragen zur Beschlussfassung vorzulegen: Erstens, ob ein Normenkontrollverfahren zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 8 BRHG beim Bundesverfassungsgericht einzuleiten sei. Zweitens, ob § 8 BRHG bzw. § 101 RHO durch Gesetz geändert werden sollten. Und drittens schließlich, ob für den BWV eine eigene Behörde geschaffen oder diese Aufgaben direkt vom Bundesfinanzminister wahrgenommen werden sollten. 543 Schreiben der Abteilung I an die Abteilung VI im Bundesfinanzministerium vom 5. 12. 1960, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 544 Gutachten der Abteilung VI im Bundesfinanzministerium vom 22. 3. 1961, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 545 Das Gutachten führt allerdings keine klare Subsumtion anhand der möglicherweise verletzten Artikel des GG durch, sondern legt die Reichweite der verfassungsrechtlichen Normen und Prinzipien mit nur wenigen Verweisen auf Judikatur und Lehre selbst aus.

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Im Bundesfinanzministerium entschied man sich, das Gutachten des Justiziariats den Bundesministern für Inneres und Justiz mit der Bitte um ihre Einschätzung zuzuleiten 546. Auf eine erste Nachfrage erklärte Ministerialrat Maaßen vom Bundesjustizministerium im Juli 1961, sein Haus stimme mit dem Gutachten des Bundesfinanzministeriums nach einer ersten Durchsicht im Ergebnis voll überein 547. Eine umfassendere Stellungnahme könne derzeit nicht vorgelegt werden, da in den Referaten dringlichere Themen Vorrang hätten. Eine Ausarbeitung des Bundesjustizministeriums wurde jedoch auch später nie angefertigt. Das Bundesinnenministerium dagegen legte am 25. August 1961 seine elf Seiten umfassende Auffassung zur Thematik den Bundesministern für Finanzen und Justiz vor 548. Die vom Bundesfinanzministerium vertretenen verfassungsrechtlichen Bedenken wurden von den Beamten im Bundesinnenministerium zum größten Teil nicht geteilt. Dies wiederum veranlasste die Referenten im Bundesfinanzministerium, ihren Standpunkt nochmals in einem internen Vermerk zu bekräftigen 549. Präsident Hertel erhielt die Gutachten des Bundesfinanzministeriums und des Bundesinnenministeriums trotz wiederholter Bitte erst knapp zwei Jahre später, im April 1963 550. Im Folgenden sind die wesentlichen juristischen Argumente des Bundesinnenund Bundesfinanzministeriums zusammengestellt. Die Mitarbeiter des Justiziariats im Bundesfinanzministeriums sahen in der Beratungstätigkeit des Rechnungshofes bzw. dessen Präsidenten eine Gefahr für die im Grundgesetz normierte Gewaltenteilung, da durch einen Gutachtenauftrag an den Präsidenten des Bundesrechnungshofes bzw. an den BWV eine Gewalt in die Arbeit einer anderen eingreifen könne. Gebe beispielsweise die Bundesregierung zu einem Gesetzesentwurf des Bundestages ein Gutachten in Auftrag, so verletze dies aufgrund des unzulässigen Eingriffs der Exekutive in den Bereich der Legislative den Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG. Erst recht liege eine Verletzung vor, wenn dem BWV seine Aufgaben nicht durch Kabinettsbeschluss, sondern – wie vom Bund der Steuerzahler 546 Schreiben des Bundesfinanzministeriums an das Bundesinnenministerium sowie Bundesjustizministerium vom 4. 5. 1961, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 547 Vermerk des Referates I A/2 im Bundesfinanzministerium vom Juli 1961, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 548 Schreiben des Bundesinnenministeriums an den Bundesfinanzminister Etzel und den Bundesjustizminister Schäffer vom 25. 8. 1961, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 549 Vermerk des Bundesfinanzministeriums vom 30. 9. 1961, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 550 Schreiben des Bundesfinanzministeriums an den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Hertel, vom 11. 4. 1963, in: BA, Best. B 126/58284 (Bundesministerium der Finanzen).

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vorgeschlagen – durch ein eigenständiges Gesetz übertragen würden. Denn in diesem Fall erhalte der BWV durch einfaches Gesetz die Möglichkeit, mithilfe seiner Gutachtertätigkeit die Verwaltung zu beeinflussen und greife damit in Zuständigkeiten ein, die nach dem Grundgesetz ausschließlich der Bundesregierung zustünden. Selbst wenn man in diesem Sinne eine Verfassungsänderung anstrebe, sei es zweifelhaft, ob eine solch geänderte Aufgabenverteilung nicht gegen die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG verstoße, da das Grundgesetz das Einflussrecht anderer Organe auf die Regierung erschöpfend geregelt habe. Des Weiteren gelangten die Juristen des Bundesfinanzministeriums zu der Einschätzung, die Gutachtertätigkeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes unterlaufe die Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Parlament. Denn falls die Exekutive nach den Vorschlägen eines Gutachtens des Präsidenten des Bundesrechnungshofes handele, so könne sie sich später im Falle unsachgemäßen Verhaltens gegenüber dem Bundestag immer mit dem Hinweis herausreden, sie habe nur gemäß der im Gutachten angeregten Vorschläge gehandelt. Hierdurch entziehe sich das anordnende Organ letzten Endes seiner Verantwortung dem Parlament gegenüber und beeinträchtige die Kontrollmöglichkeiten des Bundestages. Ein solcher Zustand aber widerspreche dem Demokratieprinzip. Demgegenüber vermochten die Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums in der Gutachtenerstattung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes keine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes zu erkennen. Der Gewaltenteilungsgrundsatz ermögliche die Balancierung und Verschränkung der Gewalten untereinander, da den Verfassungsorganen durch das Grundgesetz bei ihrer Tätigkeit Mitwirkungs- und Kontrollrechte bei jeweils anderen Gewalten eingeräumt worden seien. Das vom Bundesfinanzministerium angeführte Beispiel, bei dem die Bundesregierung den Präsidenten des Bundesrechnungshofes um ein Gutachten zu einem Gesetzesentwurf des Bundestages bitte, sei nicht als unzulässiger Eingriff der Exekutivgewalt in die Legislative zu werten, sondern entspreche vielmehr der verfassungsrechtlich unbedenklichen und auch gebotenen Möglichkeit der Bundesregierung, nach Art. 43 Abs. 2 GG Maßnahmen des Bundestages sachlich vorzubereiten. Erbitte umgekehrt die Legislative ein Gutachten zu Maßnahmen der Bundesregierung, so könne angenommen werden, dass dies dazu diene, sich notwendige Unterlagen für die eigene Entscheidung, insbesondere bei der Bewilligung von Haushaltsmitteln, zu beschaffen. Ebenfalls nicht überzeugt war das Bundesinnenministerium von der Auslegung, die Gutachtertätigkeit des Bundesrechnungshofes unterlaufe die Verantwortung der Bundesregierung dem Parlament gegenüber und verstoße mithin gegen das Demokratieprinzip. Die Verantwortung trage immer die Bundesregierung, gleichgültig, ob sie sich bei ihrem Handeln auf ein Gutachten des Bundesrechnungshofes stütze oder nicht. Die Exekutive sei ja nicht an die Gut-

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achten gebunden und könne, wo sie deren Vorschläge für unsachgemäß halte, bei ihren Maßnahmen davon abweichen. Ferner waren die Verfasser im Bundesfinanzministerium der Meinung, durch einen Gutachtenauftrag an den Präsidenten des Bundesrechnungshofes nach § 8 BRHG, § 101 RHO beziehungsweise in seiner Eigenschaft als BWV komme unter verschiedenen Gesichtspunkten ein Verstoß gegen Art. 65 GG in Betracht. So sei das in Art. 65 S. 2 GG normierte Ressortprinzip verletzt, wenn zum Beispiel der Bundesfinanzminister zur Überprüfung der Notwendigkeit von Mitteln im Bundeshaushalt um ein Gutachten über eine Frage bitte, die den Bereich eines Ressortkollegen betreffe. Sowohl gegen die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers als auch gegen das Ressortprinzip verstoße es, wenn die Tätigkeit des BWV in einem eigenständigen Gesetz geregelt werde. Denn die Sorge um die Wirtschaftlichkeit der Staatstätigkeit sei ausschließlich die Aufgabe der Bundesregierung, insbesondere des Bundesfinanzministers. Die ausarbeitenden Juristen lasen in Art. 65 GG zudem den allgemeinen Grundsatz des Primats der Politik. Dieser verbiete es dem Rechnungshof, durch seine Gutachtertätigkeit in laufende Planung und Tätigkeit der Verwaltung einzugreifen. So nannten die Verfasser als Beispiel, dass Beamte des Bundesrechnungshofes Großbaustellen besucht und dort Arbeitsanweisungen erteilt hätten, die der Erhöhung der Wirtschaftlichkeit dienen sollten. Zustimmend äußerte sich das Bundesinnenministerium bezüglich eines möglichen Verstoßes gegen das Ressortprinzip nach Art. 65 S. 2 GG, wenn ein Bundesminister über ein – seinen Geschäftsbereich nicht tangierendes – Vorhaben eines anderen Bundesministers beim Präsidenten des Bundesrechnungshofes ein Gutachten anfordere. Geteilt wurde auch die Auffassung des Bundesfinanzministeriums, nach der es verfassungsrechtlich unzulässig sei, in einem eigenen Gesetz eine Stelle zu schaffen, die – generell oder mit erheblichen Mitwirkungsrechten ausgestattet – darauf zu achten hätte, dass die Verwaltung ihre Aufgaben in wirtschaftlicher Art und Weise erfüllt. Dies sei zweifelsohne eine wesentliche Funktion der Bundesregierung. Jedoch werde durch die augenblickliche Ausgestaltung der Gutachtertätigkeit in § 8 BRHG und § 101 RHO diese originäre Regierungsfunktion nicht beeinträchtigt, da es sich um eine Form der Anhörung handele. Selbst wenn gesetzlich eine Anhörungspflicht geschaffen werden sollte, so sei noch immer von der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit auszugehen. Die Ausarbeitung des Bundesfinanzministeriums kam schließlich zu dem Ergebnis, die gutachtende Tätigkeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes beeinträchtige die durch Art. 114 Abs. 2 GG gewährleistete richterliche Unabhängigkeit der Mitglieder des Bundesrechnungshofes. § 126 RHO 551 ermögliche 551 § 126 RHO lautete: „Der Präsident kann auch außerhalb des Geschäftsbereichs der Präsidialabteilung den Direktoren und Ministerialräten Weisungen erteilen. Die Weisun-

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dem Präsidenten des Rechnungshofes, Beamten seines Hauses bei der Erstellung von Gutachten des BWV bzw. solcher nach §§ 8 BRHG, 101 RHO Weisungen zu erteilen. Damit komme es zu Fällen, in denen sich die weisungsgebundenen Mitglieder in Gutachten zu Sachverhalten äußerten, die sie später im Rahmen der Rechnungsprüfung wieder gänzlich unabhängig prüfen sollten. Die richterliche Unabhängigkeit sei nur gewahrt, wenn die Rechnungsprüfung in keinerlei Abhängigkeit zu anordnenden oder planenden Stellen stehe. Dies sei bei der Gutachtertätigkeit nicht der Fall, da Verwaltungsplanung und Rechnungsprüfung insoweit zusammenfielen. Die vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken zur Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofes fanden keinen Zuspruch im Bundesinnenministerium. Zunächst sichere Art. 114 GG nur den Mitgliedern des Bundesrechnungshofes eine richterliche Unabhängigkeit zu, was nicht hieße, dass im gleichen Umfang der Institution an sich die Unabhängigkeit zukomme. Auch wenn Mitglieder des Bundesrechnungshofes durch ein Gutachten mit einer Sachlage befasst gewesen seien, die sie später im Rahmen der Kontrolle prüfen müssten, sei die sachliche Unabhängigkeit durch die Vorschriften der Reichshaushaltsordnung und des Bundesrechnungshofgesetzes hinreichend gewahrt. Allerdings sei zuzugeben, dass hier eine „unerwünschte psychologische Zwangslage“ auftreten könne, weshalb derartige Situationen zu vermeiden seien. In keiner Weise sei im Übrigen, so die Beamten im Innenministerium, die persönliche Unabhängigkeit der Rechnungsprüfer betroffen. Die Grundsätze der persönlichen Unabhängigkeit, wie der Ausschluss der Entlassung, Dienstenthebung oder Versetzung, blieben unangetastet. Es zeigte sich also, dass die Bundesministerien keine einheitliche Linie und insbesondere keine einheitliche Rechtsauffassung bezüglich der Beratungsfunktion des Rechnungshofes und dessen Präsidenten vertraten. Folglich nahm der verantwortliche Ministerialdirektor im Bundesfinanzministerium, Féaux de la Croix, zunächst von seinem Plan Abstand, dem Bundeskabinett irgendwelche Beschlussentwürfe vorzulegen. dd) Ein neuer Richtlinienentwurf und vertagte Entscheidungen Am gleichen Tag, an dem das Bundesfinanzministerium sein Rechtsgutachten vorlegte, dem 22. März 1961, wurde auch im Kabinett über die Stellung des gen dürfen das Prüfungsverfahren des Rechnungshofes nicht beschränken und in keinem Falle den sachlichen Inhalt der Entscheidung des Rechnungshofes betreffen“. Aus dem Umkehrschluss zu § 126 RHO folge, so das Gutachten des Bundesfinanzministeriums, dass Weisungen außerhalb des Prüfungsverfahrens, also insbesondere bei der Gutachtenerstattung, möglich seien. Die Einführung des § 126 RHO durch die 2. Novelle zur RHO von 1933 (RGBl. II S. 1007) sei zwar Ausfluss des nationalsozialistischen „Führerprinzips“, werde aber weiter in der Praxis angewandt.

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BWV diskutiert 552. Näheres ist über den Verlauf der Sitzung nicht bekannt, zumindest aber wurden keine konkreten Beschlüsse gefasst. Ohne die Frage der Gutachtertätigkeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes nochmals im Kabinett behandelt zu haben, schrieb Bundeskanzler Adenauer am 12. September 1961 und damit fünf Tage vor der Bundestagswahl einen als vertraulich eingestuften Brief an Bundesfinanzminister Etzel 553. Die in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen, so Adenauer, ließen es angebracht erscheinen, die Wirtschaftlichkeitsprüfungen noch zweckmäßiger und elastischer zu gestalten. Daher solle auch der BWV „in der nächsten Legislaturperiode auf eine neue Grundlage gestellt werden“. Bundesfinanzminister Etzel bat er, eine dementsprechende Kabinettsvorlage zu erstellen, damit sich das Bundeskabinett baldmöglichst mit der Sache befassen könne. Indes gab es auch im Bundeskanzleramt kritische Stimmen gegen eine zu harte Front gegen die beratende Tätigkeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes. So schrieb Ministerialdirigent Vialon am 30. Oktober 1961 an das Bundesfinanzministerium 554, er habe Zweifel, ob durch die gutachtende Tätigkeit des Bundesrechnungshofpräsidenten tatsächlich Art. 114 GG verletzt sei. Gegen diese Auffassung, die neuerdings auch Maunz in seiner Kommentierung zum Grundgesetz vertrete, breite sich schon starker Widerstand aus. Vialon glaubte, die Diskussion gehe zu weit und benannte gleichzeitig den aus seiner Sicht Verantwortlichen: „Wir laufen langsam Gefahr, dass wir das Kind mit dem Bade ausschütten; in bin sehr betrübt darüber, dass Herr Hertel uns diese unangenehme Situation eingebrockt hat.“ Bei den Wahlen zum vierten Deutschen Bundestag am 17. September 1961 555 waren zum ersten Mal nur drei Fraktionen im Bundestag vertreten. Die CDU / CSU wurde mit einem Anteil von 45,3 Prozent der Stimmen zwar wieder stärkste Kraft, verlor aber ihre absolute Mehrheit. Die SPD, die erstmals mit ihrem Kanzlerkandidaten Willy Brandt in den Wahlkampf zog, und die FDP konnten ihre Sitze im Bundestag mit einem Zuwachs von rund 5 Prozent der Stimmen ausbauen. CDU / CSU und FDP wollten zwar im Grundsatz gemeinsam regieren, doch Fraktion und Bundesvorstand der FDP hatten kurz nach der Wahl beschlossen, sich nicht an einem Kabinett unter der Kanzlerschaft Adenauers beteiligen 552 Weber (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 14, 143. Kabinettssitzung am 22. 3. 1961, S. 132. 553 Brief von Bundeskanzler Adenauer an Bundesfinanzminister Etzel vom 12. 9. 1961, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen). 554 Schreiben des Ministerialdirektors im Bundeskanzleramt, Vialon, an Ministerialdirigent von Schoenebeck im Bundesfinanzministerium vom 30. 10. 1961, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 555 Amtliches Endergebnis der Wahlen zum 4. Deutschen Bundestag am 17. 9. 1965: CDU / CSU: 45,4 %; SPD: 36,2 %; FDP: 12,8 %.

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zu wollen. Erst nachdem sich Adenauer gegenüber seiner Fraktion und der FDP bereit erklärte, nicht die gesamte Legislaturperiode Kanzler zu bleiben, kam es zur Koalition aus CDU / CSU und FDP. Das Bundesfinanzministerium, das seit der ersten Bundesregierung in den Händen der CDU / CSU lag, wurde nun mit Erfolg von der FDP beansprucht. Bis Dezember 1962 führte Heinz Starke das Ministerium, anschließend bis 1966 war der FDP-Politiker Rolf Dahlgrün Bundesfinanzminister. Trotz neuer Führung kam das Bundesfinanzministerium der am Ende der letzten Legislaturperiode geäußerten Bitte von Bundeskanzler Adenauer nach, eine neue Kabinettsvorlage für die Tätigkeit des BWV zu erstellen. Im November 1961 übersandte der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Hettlage, dem Kanzleramt einen Entwurf für einen Kabinettsbeschluss samt neuen Richtlinien für die Tätigkeit des BWV 556. Der Entwurf war gegenüber der gültigen Fassung deutlich gekürzt und bestand nunmehr aus sechs Ziffern. Kernpunkt war die Trennung der bisherigen Personalunion zwischen dem BWV und dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Hettlage hielt es jedoch unter Hinweis auf die ausgeübte Praxis seit Staatsminister Saemisch „staatsrechtlich für richtig“, den Auftrag an den BWV durch jedes neue Kabinett wieder bestätigen zu lassen. Unmissverständlich zeigte der Entwurf des Bundesfinanzministeriums, dass der neue BWV ausschließlich ein Berater der Bundesregierung sein sollte. Ein Zugriff des Bundestages, Bundesrates oder gar ein Initiativrecht des BWV war nicht vorgesehen. Zudem hieß es in Ziffer 1 S. 2: „Die Bundesregierung behält sich vor, für abgrenzbare Einzelfragen besondere Beauftragte zu bestellen.“ Verhindert werden sollten ein zu schwammiger Auftrag und eine zu großzügige Weitergabe der gewonnenen Erkenntnisse. So verlangte Ziffer 2 S. 1 des Entwurfes, bei jedem Auftrag an den BWV müssten Art und Umfang genau festgelegt werden. Die Ergebnisse sollten nur dem Bundesfinanzminister oder einem zuvor bestimmten Personenkreis vorgelegt werden (Ziffer 2 S. 2). Der BWV sollte in seiner Gutachtertätigkeit unabhängig sein (Ziffer 3 S. 1) und organisatorisch dem Bundesfinanzministerium angegliedert werden (Ziffer 3 S. 2). Ihm stehe ein Vorschlagsrecht bezüglich seiner gewünschten Mitarbeiter zu, die ihm dann von der Bundesregierung zugeteilt werden (Ziffer 3 S. 3). Dabei sollten in Einzelfragen auch private Sachverständige, insbesondere Universitätsprofessoren und Prüfungsgesellschaften, herangezogen werden (Ziffer S. 4). Bezüglich der Mitwirkungspflichten der geprüften Stellen entsprach Ziffer 556

Schreiben des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Hettlage, an Kanzleramtsstaatssekretär Globke vom 7. 11. 1961, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen).

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4 des Entwurfes wortgleich Ziffer 3 der Richtlinien für den BWV von 1952. Der Präsident des Bundesrechnungshofes fand trotz der Trennung der Personalunion noch ausdrücklich Eingang in den Entwurf. Ziffer 5 legte fest, dass die gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse des Präsidenten des Bundesrechnungshofes von den Aufgaben und Befugnissen des BWV nicht beeinträchtigt werden. Neben dem Entwurf enthielt das Anschreiben an das Kanzleramt eine von Staatssekretär Hettlage verfasste Begründung. Die Entwicklung der vergangenen Jahre habe bestätigt, wie sehr der damalige Präsident Mayer mit seinen Bedenken gegen die Personalunion zwischen BWV und dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes Recht gehabt habe. Die Bedenken seien in erster Linie verfassungsrechtlicher Art, wie das Gutachten des Bundesfinanzministeriums vom 22. März 1961 gezeigt habe. Diese Meinung werde auch vom Bundesinnenministerium grundsätzlich geteilt 557. Die Trennung der Aufgaben habe den großen Vorteil, so Hettlage, dass der Kreis der Sachverständigen nicht nur auf den Bundesrechnungshof beschränkt bleibe, sondern in Zukunft mehr als nur „verwaltungsmäßige Gesichtspunkte“ bei den Prüfungen berücksichtigt werden könnten. Hettlage wollte den neuen BWV an die Tradition des Reichssparkommissars Saemisch anknüpfen lassen, der sich lediglich eines Sekretariats bedient und die geeignetsten Fachkräfte aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft hinzugezogen hatte. Nach langen Vorbereitungen lag dem Bundeskanzleramt nun seit November 1961 ein Vorschlag zur Trennung der Personalunion zwischen BWV und dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes vor. Doch der Bundeskanzler agierte zurückhaltend. Er entschied sich, wie aus einer Besprechung zwischen Kanzleramtsstaatsekretär Globke und Bundesfinanzminister Starke vom 28. März 1962 hervorgeht 558, eine Neuordnung der Tätigkeit des BWV erst einmal nicht weiter voranzutreiben zu wollen. Adenauer befürchtete, im Falle der Aufhebung der Personalunion könne Präsident Hertel umso größere Schwierigkeiten bereiten. Nach dieser Entscheidung des Bundeskanzlers kehrte zunächst Ruhe in der Frage zur zukünftigen Ausgestaltung eines BWV ein. Im Februar 1962 bekräftigte Staatssekretär Globke, dass diesbezügliche Schritte frühestens bei einer Regierungsneubildung wieder aufgegriffen würden. c) Zeit der Vakanz Präsident Hertel hatte keine Möglichkeit mehr, mit dem ihm eigenen Mut auf die Entwicklung zur Neujustierung der Tätigkeit eines BWV Einfluss zu 557

Hierbei unterschlägt Hettlage die Einwände, die das Bundesinnenministerium zur Rechtsauffassung des Bundesfinanzministeriums hatte. Vgl. dazu oben S. 135. 558 Vermerk des Bundesfinanzministeriums vom 28. 3. 1962, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen).

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nehmen. Im Sommer 1963 erkrankte der 60-jährige Präsident Hertel schwer und verstarb nach zweiwöchigem stationärem Aufenthalt im Krankenhaus am 26. Juli 1963. Im Namen der Bundesregierung setzte Adenauer persönlich einen Nachruf auf 559. Hierin hieß es, Hertels hervorragenden fachlichen und menschlichen Eigenschaften hätten ihm ermöglicht, seine Ämter mit restloser Hingabe und großem Respekt zu verwalten. Der aufrechte und pflichtbewusste Beamte habe sich große Verdienste um den Aufbau der Bundesregierung erworben. Wenige Tage nach dem Tod des Präsidenten stellte das Bundesfinanzministerium in einem Vermerk 560 klar, nun sei eine „besondere Gelegenheit gegeben, bei der Besetzung der freien Stelle des Bundesrechnungshofpräsidenten die unrichtige Ämterunion nicht fortzusetzen“. Auf einer Fahrt zur Ministerratssitzung nach Brüssel im Juli 1963 sprach Bundesfinanzminister Dahlgrün auch mit dem Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Rudolf Hüttebräuker, über die Thematik BWV 561. Der Staatssekretär erläuterte dem Minister die aus seiner Sicht sonderbare Praxis, die sich im Verhältnis der Ministerien zum BWV in den vergangenen Jahren herausgebildet habe. So pflegten die Referenten mittlerweile sämtliche Entwürfe für Richtlinien, Verordnungen etc. an den Präsidenten des Bundesrechnungshofes zu senden, um sich abzusichern. Hüttebräuker sah hierin eine völlige Verschiebung der Zuständigkeiten. Die Verantwortung für Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit, so der Staatssekretär, müsse doch das jeweilige Ministerium tragen. Der Rechnungshof solle sich auf die nachträgliche Kontrolle beschränken. Bundeskanzler Adenauer schrieb am 5. September 1963 an Bundesfinanzminister Dahlgrün 562 und forderte, die Position des Bundesrechnungshofpräsidenten müsse „unbeschadet der Frage, wie die bisher mit ihr verbundene Stelle des BWV demnächst geregelt wird, unverzüglich mit einem erfahrenen Verwaltungsbeamten besetzt werden“. Doch eine zügige Entscheidung der Bundesregierung für einen neuen Präsidenten und die zukünftige Organisation eines BWV gab es, wie die nächsten Monaten zeigen sollten, nicht. Bundeskanzler Adenauer unterbreitete dem Bundesfinanzminister zwei Personalvorschläge: In Betracht komme aus seiner Sicht entweder der Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Volkmar Hopf, oder der Staatssekretär im Bundesministerium für Post- und Fernmeldewesen, Hans Steinmetz. Der Kanzler stellte es seinem Minister aber frei, 559

amt).

Entwurf von Bundeskanzler Adenauer, in: BA, Best. B 136/4858 (Bundeskanzler-

560 Vermerk des Bundesfinanzministeriums vom 31. 7. 1963, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen). 561 Vermerk des Staatssekretärs im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Hüttebräuker, vom 2. 8. 1963, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen). 562 Schreiben von Bundeskanzler Adenauer an Bundesfinanzminister Dahlgrün vom 5. 9. 1963, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen).

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andere, ebenso geeignete Beamte vorzuschlagen. Nachdem Bundesfinanzminister Dahlgrün auf das Schreiben des Bundeskanzlers nach knapp einem Monat noch immer keine Reaktion zeigte, wiederholte Adenauer sein Verlangen unter dem Hinweis, die Angelegenheit könne nicht mehr weiter hinausgeschoben werden. Adenauer setzte Dahlgrün die Frist, einen Ernennungsvorschlag rechtzeitig genug vor der nächsten Kabinettssitzung einzureichen 563. Der Bundesfinanzminister wandte sich vertraulich an Kanzleramtsstaatssekretär Globke 564 und erläuterte diesem, es falle ihm (Dahlgrün) zurzeit schwer, einen Personenvorschlag zu machen. Es müssten noch einige Gespräche geführt werden, und vor allem sei auch die Frage zu entscheiden, ob der Präsident des Bundesrechnungshofes nun BWV bleiben solle oder nicht. Globke sagte zu, er wolle die von Dahlgrün aufgeworfenen Fragen auf der nächsten Kabinettssitzung außerhalb der Tagesordnung diskutieren lassen. Auf seiner Sitzung am 9. Oktober 1963 erörterte das Kabinett die bisherigen Erfahrungen mit dem BWV und sprach über die Möglichkeiten, wie ein neuer BWV konzipiert sein könnte 565. Über den genauen Inhalt der Kabinettssitzung ist nichts bekannt, aber es wurden keine Beschlüsse gefasst. Wie zu Beginn seiner vierten Amtszeit ohne Nennung eines genauen Zeitpunkts angekündigt, trat Bundeskanzler Adenauer am 15. Oktober 1963 im Alter von 87 Jahren von seinem Amt zurück. Obwohl es Adenauer bis zum letzten Moment verhindern wollte, folgte ihm als Kanzler der seit 1949 amtierende Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard, der in der Öffentlichkeit als Vater des deutschen „Wirtschaftswunders“ nach dem Kriege galt 566. Je länger die Neubesetzung des Amtes des Bundesrechnungshofpräsidenten auf sich warten ließ, desto intensiver drehte sich das Kandidatenkarussell. Neben den bereits genannten Vorschlägen der Staatssekretäre Hopf und Steinmetz, ließ der deutsche Botschafter in Dänemark, Hans Berger, einem befreundeten Beamten im Bundesfinanzministerium seine Initiativbewerbung zukommen 567. Er bitte, so Berger, seinen Namen beim Minister in vorsichtiger Weise ins Gespräch zu bringen, denn letztlich könnten „gegen einen Vorschlag, der auf meinen Na563 Schreiben von Bundeskanzler Adenauer an Bundesfinanzminister Dahlgrün vom 2. 10. 1963, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen). 564 Vertraulicher Vermerk des Bundesfinanzministers Dahlgrün an seinen Staatssekretär Grund vom 3. 10. 1963, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen). 565 Weber (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 16, 94. Kabinettssitzung am 9. 10. 1963, S. 380. 566 Adenauer hielt Erhard vor allem für ungeeignet, die Bundesrepublik außenpolitisch zu führen. Erhard war aber der Wunschkandidat der CDU / CSU-Bundestagsfraktion, da sie ihn als Garanten für zukünftige Wahlerfolge sah. Vgl. hierzu von Kielmansegg, Nach der Katastrophe, S. 286. 567 Schreiben des deutschen Botschafters in Dänemark, Berger, an den Beamten Rieger im Bundesfinanzministerium vom 13. 10. 1963, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen).

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men lautete, kaum Einwendungen erhoben werden“. Das Bundesfinanzministerium brachte zusätzlich den Präsidenten des Bundesausgleichsamtes, Friedrich Käss, und den Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Bremen, Christian Breyhan, ins Spiel. Minister Dahlgrün und insbesondere die FDP-Fraktion im Bundestag 568 standen wegen eines im Zusammenhang mit der sog. „SpiegelAffäre“ 569 laufenden Ermittlungsverfahrens der Bonner Staatsanwaltschaft gegen Hopf 570 dessen Ernennung skeptisch gegenüber 571. Aber Bundeskanzler Erhard wollte Hopf im Kabinett durchsetzen. So gab es weitere Gespräche auf der Ebene der Minister und Staatssekretäre. Derweil wurde in der Presse verstärkt über die ungeklärte Nachbesetzung der Position des Präsidenten des Bundesrechnungshofes berichtet. Auch der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages, der Abgeordnete Heinrich Ritzel, drängte in einem Brief an Bundesfinanzminister Dahlgrün auf eine rasche Entscheidung, denn es bestehe die Gefahr einer Schädigung des Ansehens des Bundesrechnungshofes und der Position des Präsidenten 572. 568 Vermerk des Bundesfinanzministers Dahlgrün vom 10. 12. 1963, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen). 569 Die sog. „Spiegel-Affäre“ geht auf die am 23. 10. 1963 erfolgte Durchsuchung der Redaktionsräume des Hamburger Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ und die Verhaftung mehrerer Redakteure des Magazins zurück. Die Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof hatten auf Antrag der Bundesanwaltschaft die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse sowie Haftbefehle unter anderem wegen des Verdachts des Landesverrats erlassen. Der Verdacht gründete sich auf den am 10. 10. 1962 im „Spiegel“ erschienenen Artikel „Bedingt abwehrbereit“, der ausgehend von der stattgefundenen NATO-Übung „Fallex 62“ die militärische Situation des Bundesrepublik und der NATO kritisch erörterte. Da der für die Bundesanwaltschaft zuständige Bundesjustizminister Stammberger (FDP) nicht im Vorfeld informiert wurde und zudem das Bundesverteidigungsministerium unmittelbar an der Verhaftung des Redakteurs Ahlers in Spanien beteiligt war, kam es zur Koalitionskrise, die am 19. 11. 1962 zum Rücktritt aller FDP Minister aus der Bundesregierung führte. Aufgrund des ausgeübten Drucks gehörte Bundesverteidigungsminister Strauß dem Kabinett nach dessen Umbildung im Dezember 1962 nicht mehr an. Vgl. zur „Spiegel-Affäre“ auch Rössel / Seemann, in: Weber (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1962, Bd. 15, Einleitung, S. 54 ff. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit von Durchsuchungen in Presseräumen vgl. das sog. „Spiegel-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts vom 5. 8. 1966, BVerfGE 20,162 ff. 570 Nachdem die Bundesregierung Anfang Februar 1963 einen Bericht zur „SpiegelAffäre“ veröffentlicht hatte, eröffnete daraufhin die Bonner Staatsanwaltschaft unter anderem gegen Staatssekretär Hopf ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Freiheitsberaubung und Amtsanmaßung (Die Welt vom 30. 3. 1963). Im Juni 1965 wurde das Verfahren eingestellt, da die Staatsanwaltschaft zwar von der Erfüllung des objektiven Tatbestandes ausging, aber Hopf keinen Vorsatz nachweisen konnte (vgl. Frankfurter Rundschau vom 5. 6. 1965). 571 Vertraulicher Vermerk des Bundesfinanzministers Dahlgrün vom 1. 4. 1964, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen). 572 Brief von MdB Ritzel an Bundesfinanzminister Dahlgrün vom 16. 1. 1964, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen).

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Bundesfinanzminister Dahlgrün hatte dem Bundeskabinett für die Sitzung am 26. Februar 1964 zwei Beschlussvorlagen zugeleitet 573. Die eine betraf den Ernennungsvorschlag für den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, der nun doch auf den Namen Käss, dem Vorsitzenden des Bundesausgleichamtes, lautete. Die andere Beschlussvorlage betraf den BWV; in Sachen BWV forderte Dahlgrün die Trennung der Personalunion zwischen dem BWV und dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Seine Begründung lautete schlicht, die Verbindung beider Positionen habe sich nicht bewährt. Dahlgrün schlug eine Änderung der Ziffer 2 des Kabinettsbeschlusses vom 22. Mai 1957 vor. Statt der bisher gültigen Fassung, nach der der jeweilige Präsident des Bundesrechnungshofes die Aufgaben eines BWV übernahm, sollte Ziffer 2 geändert werden in: „Zu diesem Zweck bestellt die Bundesregierung einen BWV“. Damit wollte der Bundesfinanzminister sicherstellen, dass die „Bundesregierung die notwendige Freiheit bei der Bestellung des BWV“ hat. Das Bundeskanzleramt empfahl in einem internen Vermerk 574, die Vorlage des Bundesfinanzministers bezüglich des BWV anzunehmen. d) Beschluss des Kabinetts zur Trennung der Personalunion Auf seiner Sitzung am 26. Februar 1964 beschäftigte sich das Kabinett wieder mit der Präsidentennachfolge im Bundesrechnungshof 575. Der Vorschlag Dahlgrüns, den Präsidenten des Bundesausgleichamtes, Käss, zum Nachfolger im Amt des Präsidenten zu ernennen, wurde kurzfristig von der Tagesordnung abgesetzt, da Bundesverteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel nicht anwesend sein konnte 576. Noch vor der Sitzung des Bundeskabinetts hatte Staatssekretär Hopf dem Bundeskanzleramt gegenüber angekündigt, falls die FDP-Fraktion ihn nicht für integer genug halte, ihn zum Präsidenten des Bundesrechnungshofes zu ernennen, werde ihm wohl auch als Staatssekretär nicht ausreichend Vertrauen entgegengebracht. Für den Fall, dass er nicht zum Präsidenten ernannt werde, werde er seine sofortige Entlassung als Staatssekretär ohne die weitere Gewährung von Dienstbezügen beantragen 577. 573

Vorlagen des Bundesfinanzministeriums vom 24. 2. 1964 und 25. 2. 1964, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen). 574 Vermerk von Referat 8 des Bundeskanzleramts vom 25. 2. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 575 Weber (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 17, 112. Kabinettssitzung am 26. 2. 1964, S. 153. 576 Vertraulicher Vermerk des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Grund, für Bundesfinanzminister Dahlgrün vom 26. 2. 1964, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen). 577 Vertraulicher Vermerk des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Grund, für Bundesfinanzminister Dahlgrün vom 26. 2. 1964, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen).

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Auf der Kabinettssitzung am 26. Februar widmete sich die Runde schließlich der Vorlage des Bundesfinanzministers zum BWV 578. Die vom Minister vorgeschlagene Änderung der Ziffer 2 des Kabinettsbeschlusses vom Mai 1957 wurde zwar nicht offiziell zur Abstimmung gestellt, aber das Bundeskabinett beschloss, die Ämter des BWV und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes zu trennen 579. Darüber hinaus sollten die Ressorts für Justiz, Inneres und Finanzen in gegenseitiger Abstimmung schnellstens einen Vorschlag zur künftigen Struktur eines BWV unterbreiten. Doch der Trennungsbeschluss des Kabinetts schuf eine wichtige Ausnahme: Denn bis zu einer Personalentscheidung, so das Kabinett, solle der Vizepräsident des Bundesrechnungshofes die Aufgaben des BWV weiterhin wahrnehmen. Auch wenn Bundesfinanzminister Dahlgrün den Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes, Georg Brettschneider, erst zwei Monate später, am 27. April 1964, ersuchte er möge bis zur Ernennung eines neuen BWV die Aufgaben kommissarisch weiterführen 580, so war dem Bundesrechnungshof doch noch nicht endgültig der Aufgabenbereich des BWV entzogen worden. Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung informierte die Öffentlichkeit am gleichen Tag über den Trennungsbeschluss des Bundeskabinetts 581. In der Pressemitteilung hieß es, die feste Verbindung zwischen beiden Ämtern habe sich „in der Praxis nicht bewährt, weil es sich um zwei völlig verschiedene Aufgaben handele, die von unterschiedlichen Gesichtspunkten aus gelöst werden müssen“. Der Präsident des Bundesrechnungshofes, so schrieben die Pressemitarbeiter weiter, werde in vielen Fällen durch sich präjudiziert, wenn er zunächst als BWV tätig werde und einige Jahre später denselben Sachverhalt als Rechnungsprüfer vor sich habe. Der Kölner Stadtanzeiger titelte am folgenden Tag 582: „Halber Bundessparkommissar hat sich nicht voll bewährt“. 578

Weber (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 17, 112. Kabinettssitzung am 26. 2. 1964, S. 153. 579 Weber (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 17, 112. Kabinettssitzung am 26. 2. 1964, S. 153. 580 Schreiben von Bundesfinanzminister Dahlgrün an den Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes, Brettschneider, vom 27. 4. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). Der spätere Präsident des Bundesrechnungshofes, Hopf, vertrat sogar die Auffassung, Vizepräsident Brettschneider habe von seiner Beauftragung zum BWV aus der Presse erfahren müssen. Vgl. das Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hopf an Kanzleramtsminister Westrick vom 29. 1. 1965, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 581 Pressemitteilung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 26. 2. 1964, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen). 582 Vgl. den Artikel „Halber Bundessparkommissar hat sich nicht voll bewährt“ im Kölner Stadtanzeiger vom 27. 2. 1964. Der Informant der Reporter lieferte einige Fälle an die Hand, in denen der bisherige BWV aufgrund seiner Verbindung mit dem BRH wirtschaftlichen Maßnahmen im Wege gestanden haben soll. So seien wegen des Widerstandes des BRH beispielsweise für viele Beamte noch immer keine Diktiergeräte angeschafft worden, die Fernsprechverbindungen müssten hochbezahlte Beamte noch

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Sieben Jahre waren verstrichen, seitdem das Kabinett seinen erstmaligen Beschluss zum BWV von 1952 so abänderte, dass die Position von BWV und dem Präsidenten des Rechnungshofes dauerhaft miteinander verbunden wurde. Nur zwei Jahre später – im Februar 1959 – empfahl das Bundesfinanzministerium dem Kanzleramt erstmals, die Personalunion wieder aufzuheben. 1960 war es Adenauers Wille, einen neuen BWV einzusetzen, und er beauftragte seine Minister, Vorschläge einzureichen, welche Personen als BWV in Betracht kämen und auf welcher rechtlichen Grundlage sich dieser Beauftragte bewegen sollte. Nach einer Vielzahl von Gesprächen, Vermerken und rechtlichen Ausarbeitungen in den Ministerien, entschied das Kabinett schließlich am 26. Februar 1964, die Personalunion von BWV und dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes zu trennen. Für das Kabinett war es ein günstiger Zeitpunkt, denn aufgrund des Schwebezustandes und der offenen Personalfrage konnte es mit wenig Widerstand rechnen. Die Anwärter jedenfalls hielten sich mit Meinungsäußerungen bezüglich der Tätigkeit eines BWV verständlicherweise gänzlich zurück, um sich nicht schon im Vorfeld den Unmut der Bundesregierung zuzuziehen und damit ihre Chancen auf eine Ernennung zu verringern. Im Bundesfinanzministerium liefen nach dem Trennungsbeschluss des Bundeskabinetts die Überlegungen für eine neue Struktur des BWV auf Hochtouren. In einer Ausarbeitung des Justiziariats vom 6. April 1964 583 wurden die Ausgestaltungsmöglichkeiten und Anforderungen zur Einsetzung eines neuen BWV diskutiert. Ob ein eigenes Gesetz für den BWV notwendig sei, hänge davon ab, so die Abteilung, in welche Organisationsform man den Beauftragten einbinde. Werde der BWV nur in den Geschäftsbereich eines bestehenden Bundesministeriums eingegliedert, so sei kein eigenes Gesetz nötig, da eine solche Entscheidung im Rahmen der Organisationsfreiheit der Bundesregierung möglich sei. Sei hingegen beabsichtigt, den BWV in einem ministerialfreien Raum weisungsfrei und mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestattet tätig werden zu lassen, reiche ein Kabinettsbeschluss nicht mehr aus. Denn der BWV komme so in die Stellung einer obersten Bundesbehörde, ohne Ministerium zu sein. Da aber der Kreis der obersten Bundesbehörden im Grundgesetz abschließend normiert sei, müsse ein – wenn nicht sogar verfassungsänderndes – Gesetz verabschiedet werden. Zudem sei zu fragen, aus welchen Personen sich der Arbeitsstab des BWV zusammensetzen solle. In Anbetracht, dass die jetzige Präsidialabteilung immer selbst vornehmen, weil der Rechnungshof eine unvernünftige Vorliebe für das bisherige Sekretariatswesen habe. Am 19. 6. 1964 erschien im Weser Kurier der Artikel „Bonner Feldzug gegen die gefräßige Bürokratie – Rechnungshof und Sparkommissariat sollen voneinander getrennt werden“. Der Korrespondent begrüßt hierin das Vorhaben der Bundesregierung und hoffte, „daß der Januskopf dabei vollends ausgeschlagen wird. Nur so kann die Unabhängigkeit des Rechnungshofes vollendet werden“. 583 Ausarbeitung der Abteilung VI (Justiziariat) im Bundesfinanzministerium vom 5. 4. 1964, in: BA, Best. B 126/58284 (Bundesministerium der Finanzen).

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des Bundesrechnungshofes neun Ministerialratsreferate mit weiteren 27 Kräften ausweise, sei es mehr als zweifelhaft, dem BWV nur ein kleines Sekretariat zuzuweisen. Die Juristen verwiesen in ihrer Schlussbemerkung auf das Risiko, dass der Präsident des Bundesrechnungshofes trotz eines möglicherweise neuen BWV noch immer die Möglichkeit habe, auf Grundlage der §§ 8 BRHG, 101 RHO gutachtlich tätig zu werden. Dies führe zu einer weitgehenden Überschneidung oder echten Konkurrenzsituation zwischen einem neuen BWV und dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Der Gefahr sei nur wirksam zu begegnen, wenn die entsprechenden Vorschriften durch den Gesetzgeber geändert würden, was aber wohl nicht beabsichtigt sei. Wie im Bundeskabinett vereinbart, kamen am 7. April 1964 Vertreter derjenigen Ministerien zusammen, die einen Vorschlag zur Zukunft des BWV ausarbeiten sollten 584. Für das Bundesfinanzministerium nahm Ministerialdirektor Puhan teil, das Bundesinnenministerium wurde von Ministerialdirektor Lechner vertreten und das Bundesministerium der Justiz sandte Ministerialdirektor Roemer. Die Besprechung offenbarte, wie sehr Schwierigkeiten immer dann beginnen, wenn Überlegungen en detail umgesetzt werden müssen. Zunächst war den Teilnehmern die genaue Bedeutung des Beschlusses des Bundeskabinetts vom 26. Februar des Jahres nicht ganz klar. Es sei zweifelhaft, ob nur die Union zwischen beiden Ämtern aufgehoben oder darüber hinaus die Möglichkeit ausgeschlossen werden sollte, den Präsidenten des Bundesrechnungshofes jemals wieder zum BWV zu ernennen. Ebenso diffus sei, ob die Aufgaben des BWV gegenüber dem bisherigen Zustand generell verkürzt oder erweitert werden sollten 585. Vor allem diskutierte die Runde die verfassungsrechtlichen Fragen, wobei jeweils Bezug genommen wurde auf das Gutachten des Bundesfinanzministeriums vom 22. März 1961 und das Gutachten des Bundesinnenministeriums vom 25. August 1961. Ministerialdirektor Roemer vom Bundesjustizministerium schloss sich der Auffassung des Innenministeriums an, eine Trennung sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zwingend; ein Gesetz nach Art. 87 Abs. 3 GG sei aus seiner Sicht nur notwendig, wenn der BWV als eigenständige, im Haushalt verankerte Stelle geschaffen werde, ansonsten gelte die Organisationsgewalt des Bundes nach Art. 86 GG. Die Teilnehmer erörterten im weiteren Verlauf vor allem die Frage, wie denn die Zuständigkeiten zwischen einem neuen BWV und dem Präsidenten des Rechnungshofes genau abgegrenzt werden sollten. Da eine Änderung der §§ 8 BRHG, 101 RHO nicht beabsichtigt sei, habe der Bundesrechnungshofpräsident nach wie vor die Möglichkeit, auf Grundlage dieser 584

Vermerk des Ministerialdirektors im Bundesfinanzministerium, Puhan, zur Besprechung am 7. 4. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 585 In seinem Vermerk spricht Roemer davon, über die Haltung des Kabinetts in dieser Frage herrsche „völlige Ungewissheit“. Vgl. hierzu den Vermerk des Ministerialdirektors im Bundesjustizministerium, Roemer, vom 7. 4. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt).

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Vorschriften Gutachten zu erstatten. Würde zusätzlich ein neuer, gutachtender BWV eingesetzt, so bestehe die Gefahr von Doppelarbeit, Überschneidungen oder gar gegensätzlichen Auffassungen. Zudem waren sich die Herren einig, es sei durchaus zweckmäßig, die Verbindung nicht zu lösen, da die Gutachtertätigkeit in weitem Umfang auf den Erkenntnissen der Rechnungsprüfung beruhe; auch das Ansehen spreche für eine Einschaltung des unparteiischen und unabhängigen Rechnungshofes. Die Ministerialdirektoren wollten den BWV aber keinesfalls zum Organ der Legislative machen, sondern ihn in ein Auftragsverhältnis zur Bundesregierung stellen. Die Runde trennte sich schließlich, ohne konkrete Beschlüsse gefasst zu haben 586. III. Die Sicherung der Struktur des BWV (1964 – 1969) Der von der Bundesregierung im Februar 1964 gefasste Beschluss zur Trennung der Personalunion von BWV und Präsidenten des Bundesrechnungshofes wurde von den Bundesministerien und dem Kanzleramt nicht konsequent umgesetzt. Als Ergebnis der zögerlichen Haltung war der Trennungsbeschluss gut ein Jahr später nur noch Makulatur. 1. Ein neuer Präsident im Bundesrechnungshof Die SPD als Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag forderte in einem Antrag vom 18. März 1964 587 die Bundesregierung auf, umgehend die beiden Ämter des BWV und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes in getrennter Form neu zu besetzen. Über den Antrag sollte am 29. April im Deutschen Bundestag debattiert werden; der Bundestag beschloss jedoch die Überweisung an den Haushaltsausschuss. Vor diesem Hintergrund wollte das Bundesfinanzministerium endgültig eine Entscheidung über die Nachbesetzung im Amt des Präsidenten des Bundesrechnungshofes herbeiführen. Bundesfinanzminister Dahlgrün schrieb daher am 14. April 1964 an Bundeskanzler Erhard 588 und appellierte an den Kanzler, in der nächsten Kabinettssitzung sollte dem Vorschlag gefolgt werden, Käss zum Präsidenten des Bundesrechnungshofes zu ernennen; es müssten schädliche Auseinandersetzungen während der anstehenden Bundestagsdebatte vermieden werden. Ein BWV solle aber, so Dahlgrün, augenblicklich nicht be586 In einem späteren Vermerk aus dem Jahr 1967 für Bundeskanzler Kiesinger heißt es, der Auftrag sei von den Ministerien nicht ernsthaft in Angriff genommen und durchgeführt worden, was aber wohl am fehlenden Einverständnis über die Konzeption eines zukünftigen BWV gelegen habe. Vgl. dazu den Vermerk des Referates II/4 im Bundeskanzleramt vom 9. 3. 1967, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 587 BT-Drs. 4/2048. 588 Schreiben des Bundesfinanzministers Dahlgrün an Bundeskanzler Erhard vom 14. 4. 1964, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen).

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stellt werden, da die Überlegungen über Aufgabengebiet, Rechtsstellung sowie Ausstattung mit personellen und sächlichen Mitteln noch nicht abgeschlossen seien. Zwar war die Besetzung der Stelle des Präsidenten als Tagesordnungspunkt für die Kabinettssitzung am 29. April 1964 aufgenommen worden, doch das Kabinett schob die Entscheidung ein weiteres Mal hinaus 589. Als Grund wurde die Abwesenheit des Vizekanzlers und Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen angegeben, der ausdrücklich darum gebeten hatte, bei der Beschlussfassung anwesend zu sein. a) Volkmar Hopf als Präsident des Bundesrechnungshofes Das Bundeskanzleramt überzeugte das Bundesfinanzministerium letztlich davon, den Vorschlag Käss zurückzunehmen. Nachdem auch die FDP ihre Bedenken gegen Staatssekretär Hopf zurückstellte, stand dessen Ernennung nichts mehr im Wege. Auf seiner Sitzung am 5. Juni 1964 entschied das Kabinett 590, Hopf zum Präsidenten des Bundesrechnungshofes zu ernennen. Das Thema BWV wurde am Sitzungstag aber nicht behandelt. Gut einen Monat später, am 6. Juli 1964, trat Hopf seinen Dienst als neuer Präsident an. b) Präsident Hopf auf dem Weg zum BWV Schon kurz nach Amtsantritt des neuen Präsidenten kam die Bundesregierung wegen der fehlenden Besetzung eines BWV in die Bredouille. So schrieb Bundesjustizminister Ewald Bucher (FDP) am 9. Juli 1964 an Hopf, und bat ihn, in seiner Eigenschaft als BWV ein Gutachten zu erstatten 591. Doch Präsident Hopf lehnte ab und begründete dies in einem Schreiben an Bundeskanzleramtsminister Ludger Westrick vom 20. Juli 1964 592: Er vertrete die Auffassung, eine Gutachtenerstattung als BWV sei ihm nicht möglich, da er keinen Auftrag vom Bundeskabinett erhalten habe, diese Funktion zu übernehmen. Der Beschluss des Bundeskabinetts vom 26. Februar 1964, den amtierenden Präsidenten des Bundesrechnungshofes vorläufig mit der Wahrnehmung der Aufgaben eines BWV zu beauftragen, habe sich nur auf den Vizepräsidenten Brettschneider bezogen. 589 Weber (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 17, 120. Kabinettssitzung am 29. 4. 1964, S. 258. 590 Weber (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 17, 124. Kabinettssitzung am 5. 6. 1964, S. 294. 591 Vgl. den Bezug auf das Ersuchen in dem Schreiben vom Bundesrechnungshofpräsidenten Hopf an den Chef des Bundeskanzleramtes, Westrick, vom 20. 7. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 592 Schreiben von Bundesrechnungshofpräsidenten Hopf an den Chef des Bundeskanzleramtes, Westrick, vom 20. 7. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt).

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Seitdem dieser nicht mehr das Amt des Präsidenten wahrnehme, sei auch seine Tätigkeit als BWV beendet; es gebe also derzeit keinen BWV. Hopf schrieb weiter, er beabsichtige nicht, ein ihm nicht zustehendes Amt auszuüben. Solange er sich nicht im Einvernehmen mit der Bundesregierung bereit erklärt habe, die Aufgabe eines BWV wahrzunehmen, bitte er um Verständnis, „dass ich die Beamten des Bundesrechnungshofes nicht mehr an den Verhandlungen der Fachressorts mit dem Finanzressort über den Entwurf des künftigen Haushaltsplanes teilnehmen lassen kann“. Außerdem bat er das Kanzleramt, ihm Mitteilung zu geben, ob die beim früheren BWV entstandenen Vorgänge noch bis zur Ernennung eines neuen BWV beim Bundesrechnungshof aufbewahrt werden sollten. aa) Wunsch des Bundeskanzlers nach einem vorläufigen BWV Vier Tage später, am 24. Juli 1964, kam es daraufhin zu einer Unterredung zwischen Bundeskanzler Erhard und Präsident Hopf 593. Der genaue Inhalt des Gesprächs ist nicht bekannt, allerdings kamen beide darin überein, Hopf solle bis zur endgültigen Klärung der Stellung eines BWV, interimistisch diese Aufgaben wahrnehmen. Zudem bat der Kanzler, Hopf solle seine Ideen zum zukünftigen BWV schriftlich fixieren und dem Bundeskanzleramt zukommen lassen. Bundeskanzleramtschef Westrick wies seine Mitarbeiter nach dem Gespräch an, Vorbereitungen zu treffen, die für eine interimistische Beauftragung Hopfs nötig seien 594. Die Referenten im Kanzleramt vertraten die Ansicht, auch für eine nur vorübergehende Beauftragung sei ein Kabinettsbeschluss notwendig 595. Eine Formulierung für einen entsprechenden Beschluss war beigefügt 596. Zugleich warnten die Referenten, ein solcher Beschluss sei eine gewisse Weichenstellung in Richtung dauerhafter Beauftragung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes zum BWV, die nur schwerlich wieder rückgängig gemacht werden könne. Um dem interimistischen Charakter zu unterstreichen sei es jedenfalls sinnvoll, 593 Handschriftlicher Vermerk von Referat 8 des Bundeskanzleramts vom 24. 7. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 594 Handschriftlicher Vermerk von Referat 8 des Bundeskanzleramts vom 24. 7. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 595 Vermerk von Referat 8 des Bundeskanzleramts vom 3. 8. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 596 Der Beschlussvorschlag lautete: „1) Bis zum Abschluss der vom Kabinett angeordneten Prüfung über die Rechtsstellung des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, beauftragt das Kabinett den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Hopf, mit der Wahrnehmung der Aufgaben eines Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. 2) Der BMF wird beauftragt, den Präsidenten des Bundesrechnungshofes mit der interimistischen Wahrnehmung der Aufgaben eines BWV zu betrauen und die Präsidenten des Deutschen Bundestages und des Bundesrates davon zu unterrichten.“ Vgl. hierzu den Vermerk von Referat 8 des Bundeskanzleramts vom 3. 8. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt).

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wenn nicht der Bundeskanzler, sondern nur der Bundesfinanzminister Präsident Hopf die Aufgabe eines vorläufigen BWV übertrage. Der Bundeskanzler folgte jedoch nicht den Vorschlägen seines Hauses und holte weder einen Kabinettsbeschluss ein, noch überließ er die Beauftragung Hopfs zum BWV dem Bundesfinanzminister. Am 15. August 1964 schrieb Kanzler Erhard persönlich an den Rechnungshofpräsidenten: „Im Namen der Bundesregierung beauftrage ich Sie, unter Hinweis auf den Beschluss des Kabinetts vom 26. Februar 1964, mit der vorläufigen Wahrnehmung der Aufgaben des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung.“ Doch die gewünschte Antwort des Bundesrechnungshofpräsidenten blieb aus. In einem späteren Telefonat mit dem Bundeskanzleramt sagte Hopf 597, er habe Kanzleramtschef Westrick gegenüber sowohl vor als auch nach Absendung des Schreibens mündlich erklärt, dass er einer nur vorläufigen Beauftragung nicht zustimme. Nur aus Gründen der Höflichkeit habe er auf eine schriftliche Ablehnung verzichtet. Am selben Tag, an dem Hopf mit der vorübergehenden Wahrnehmung der Aufgaben eines BWV beauftragt wurde, sandte Kanzleramtschef Westrick an die drei Bundesminister für Justiz, Finanzen und Inneres ein Schreiben 598, in dem er unter Bezugnahme auf den Prüfauftrag des Kabinetts vom 26. Februar 1964 zur Zukunft des BWV 599 um Mitteilung bat, zu welchem Ergebnis die Ministerien in dieser Frage gekommen seien. Da sich die Teilnehmer der Chefbesprechung vom 7. April 1964 nicht auf konkrete Vorschläge geeinigt hatten und die Sache von da an auch nicht weiterverfolgt wurde 600, konnten die Ministerien dem Kanzleramt nur melden, dass – so der Bundesfinanzminister in seiner Antwort 601 – die Abgrenzung der Aufgaben sehr schwierig sei, wenn Doppelarbeit und unnötige Verwaltungskosten vermieden werden sollten; eine abschließende Stellungnahme erfordere daher noch einige Zeit. bb) Meinungsverschiedenheiten im Bundesfinanzministerium Nachdem das Bundeskanzleramt die Ministerien mit Nachdruck zu Stellungnahmen aufgefordert hatte, wurde im Bundesfinanzministerium das Justiziariat 597 Das Telefonat fand am 20. 11. 1964 zwischen Bundesrechnungshofpräsident Hopf und dem Leiter der Abteilung II im Bundeskanzleramt statt. Vgl. dazu den Vermerk von Referat 8 des Bundeskanzleramts vom 20. 11. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 598 Schreiben des Bundeskanzleramtschefs Westrick an Bundesjustizminister Bucher, Bundesinnenminister Höcherl und Bundesfinanzminister Dahlgrün vom 15. 8. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 599 Vgl. oben S. 146. 600 Vgl. oben S. 148. 601 Antwortschreiben von Bundesfinanzminister Dahlgrün an Bundeskanzleramtschef Westrick vom 16. 9. 1964, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen).

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tätig. Ministerialdirektor Féaux de la Croix, der schon für das Gutachten im Jahr 1961 602 verantwortlich war, legte dem Minister am 12. Oktober 1964 eine mehrseitige Ausarbeitung zu den Aufgaben und der Stellung eines künftigen BWV vor 603. Féaux de la Croix schlug die Einsetzung eines Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeitsplanung vor, der bei seiner Tätigkeit zwar sachlich unabhängig sei, aber keine persönliche Unabhängigkeit im Sinne einer Unversetzbarkeit oder Unabsetzbarkeit genießen sollte. Der Beauftragte könne dann als eindeutiges Exekutivorgan in das Bundeskanzleramt eingegliedert werden und den Bundeskanzler bei der Ausübung seiner Richtlinienkompetenz unterstützen. Der Legislative sollte jeglicher Zugriff auf den Beauftragten verwehrt bleiben und ihm sollte auch kein eigenes Initiativrecht zugestanden werden. Nach den Vorstellungen des Beamten im Justiziariat solle der Beauftragte für Wirtschaftlichkeitsplanung ein umfassendes Informationsrecht gegenüber allen Dienststellen der Bundesverwaltung erhalten, sodass er sich auch auf die Expertise des Bundesrechnungshofes stützen könne. Damit, so Féaux de la Croix, sei zugleich das Argument entkräftet, eine hochwertige Gutachtenerstattung könne nur durch eine Verbindung mit der Rechnungsprüfung erreicht werden. Anders als der jetzige BWV solle der neue Beauftragte sein Augenmerk nicht nur auf die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung legen, sondern zusätzlich die Wirtschaftlichkeit der Gesetzgebung einbeziehen. Die Ressorts seien häufig so mit der Tagesarbeit belastet, dass eine „planende Gesamtschau 604“ unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Kräfte- und Mitteleinsatzes in Vergessenheit gerate. Nach Auffassung Féaux de la Croixs unterscheide sich die Aufgabe des neuen Beauftragten von der Gutachtertätigkeit des Präsidenten nach § 101 RHO, § 8 BRHG, da sich beide Vorschriften nur auf die Bewirtschaftung bereits nach geltendem Recht bereitgestellter Haushaltsmittel bezögen. Der neue Beauftragte solle aber viel vorausschauender tätig werden und dadurch den Mitteleinsatz schon vor Bereitstellung steuern. Gegen den Vorschlag von Ministerialdirektor Féaux de la Croix regte sich jedoch im eigenen Ministerium deutlicher Widerstand. Referenten der Abteilung I 605 sahen in der Konstruktion, den neuen Beauftragten als zentrale Planungsstelle der Bundesregierung im Kanzleramt anzugliedern, einen Verstoß gegen ureigenste Aufgaben der Ressortminister und damit eine Verletzung des 602

Vgl. oben S. 134. Ausarbeitung des Ministerialdirektors Féaux de la Croix vom 12. 10. 1964, in: BA, Best. B 126/58284 (Bundesministerium der Finanzen). 604 Als Beispiele für eine solche planende Gesamtschau nannte Féaux de la Croix die Neuordnung des öffentlichen Dienstes, Wirtschaftslenkung und Steuergesetzgebung, Problematik der öffentlichen Verkehrsträger und die Förderung der Kooperation von Bund und Ländern. 605 Vermerk von Referat I A/2 des Bundesfinanzministeriums vom 17. 10. 1964, in: BA, Best. B 126/58284 (Bundesministerium der Finanzen). 603

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Art. 65 GG. Die Bundesminister und ihre Stäbe seien nicht bereit, sich freiwillig zu Vollstreckern eines Wirtschaftlichkeitsplaners degradieren zu lassen. Ein neuer BWV dürfe höchstens, so die Referenten, „auf der Ebene der Ministerien, besser aber noch etwas tiefer angesiedelt werden“. 2. Der Entwurf neuer Richtlinien für den BWV Im Bundesrechnungshof begann Präsident Hopf in Zusammenarbeit mit den Direktoren im Haus bereits im Sommer 1964 mit der Ausarbeitung neuer Richtlinien für die Tätigkeit des BWV. Diesen Entwurf sandte Hopf am 14. September 1964 an das Bundeskanzleramt 606. Bemerkenswert ist, dass weder der Bundesrechnungshof, noch das Kanzleramt den Bundesfinanzminister über die Existenz des Entwurfes unterrichteten 607. Der Entwurf enthielt sieben Ziffern, die straffer formuliert waren als die Richtlinien von 1952/57. Die beschriebene Aufgabe des BWV deckte sich im Grundsatz mit den alten Richtlinien. Allerdings sollte gem. Ziffer 1 des Richtlinienentwurfes der Bundesbeauftragte nicht nur auf eine wirtschaftliche Gestaltung der Bundesverwaltung hinwirken, sondern auch die gesamte Haushaltsführung im Blick haben. Eine wesentliche Erweiterung der Rechte des BWV normierte Ziffer 4 Abs. 2 des Entwurfes des Bundesrechnungshofes. Er griff die schon von den Präsidenten Oeftering und Hertel gestellte Forderung 608 nach einem ständigen Teilnahmerecht an den Kabinettssitzungen auf. Bisher konnte der BWV gem. Ziffer 6 der Richtlinien 1952/57 nur auf Antrag eines Bundesministers an den Sitzungen der Bundesregierung teilnehmen und auch nur soweit „Angelegenheiten seines Aufgabengebietes behandelt“ wurden. Darüber hinaus sollte nach dem Entwurf der BWV gem. Ziffer 4 a. E. alle Protokolle der Kabinettssitzungen erhalten. Andererseits verzichtete der Entwurf auf ein Recht des BWV, im Bundeskabinett Anträge zu stellen. Insofern ging die Fassung der alten Richtlinien weiter, die dem BWV nach Ziffer 6 die Möglichkeit einräumte, Anträge im Kabinett zu stellen, wenn er zur Sitzung geladen und ein Thema seines Aufgabenkreises betroffen war. Darüber hinaus wurde die in Ziffer 7 der Richtlinien 1952/57 noch enthaltene Pflicht, den Bundesfinanzminister sowohl von allen Aufträgen an den

606 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hopf an das Bundeskanzleramt vom 14. 9. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 607 So heißt es in einem Vermerk des Leiters der Abteilung II im Bundeskanzleramt, man solle in behutsamer Form – ohne die Existenz des Richtlinienentwurfes offenzulegen – im Bundesfinanzministerium die in den Richtlinien niedergelegten Wünsche des Präsidenten ansprechen. Vgl. hierzu den Vermerk des Leiters der Abteilung II im Bundeskanzleramt vom 23. 10. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 608 Vgl. oben S. 99 und S. 103.

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BWV zu unterrichten als auch diesem alle erstatteten Gutachten zuzuleiten, nicht mit in den Entwurf aufgenommen. Ebenfalls nicht übernommen wurde der Teil der Ziffer 7 der Richtlinien 1952/ 57, nach denen der BWV an den Sitzungen des Bundestages und Bundesrates nur „im Rahmen der Geschäftsordnung dieser Körperschaften“ teilnehmen konnte. Ziffer 4 Abs. 1 des Entwurfes des Bundesrechnungshofes verzichtete auf diesen Zusatz. Bezüglich des unmittelbaren Zugriffs der Legislative auf den BWV hieß es in dem Entwurf nun allgemeiner, der Bundesbeauftragte habe den Deutschen Bundestag und Bundesrat, soweit gewünscht, zu beraten. In Ziffer 2 der Richtlinien 1952/57 hieß es noch, der BWV werde auf Ersuchen dieser Organe gutachtlich tätig. Hinsichtlich des Rückgriffs auf das Personal des Bundesrechnungshofes beschränkte sich der Entwurf nicht mehr nur auf die Mitarbeiter der Präsidialabteilung, sondern formulierte in Ziffer 6 offener, der „Bundesbeauftragte bedient sich für seine Aufgaben des Bundesrechnungshofes und besonders dessen Präsidialabteilung“. a) Das Beharren des Präsidenten Hopf auf die Erfüllung seiner Forderungen Im Bundeskanzleramt wurden erhebliche Bedenken gegen ein ständiges Zugangsrecht des BWV zu den Kabinettssitzungen angemeldet 609; doch die Zeit für eine Entscheidung in Sachen BWV drängte, da für den 11. November 1964 der Haushaltsausschuss die Beratung des SPD-Antrages 610 vom März des Jahres vorgesehen hatte, in dem unter anderem die sofortige Neubesetzung der Position des BWV gefordert wurde. Im Vorfeld der Beratung äußerten die CDU-Abgeordneten im Haushaltsausschuss dem Kanzler gegenüber unmissverständlich ihren Wunsch, die Personalunion von BWV und dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes wiederherzustellen bzw. bestehen zu lassen 611. Denn für den Fall der Einsetzung eines neuen BWV, so argumentierten die CDU-Vertreter, sei nicht anzunehmen, dass dieser auf ein ähnlich hoch qualifiziertes Personal wie der Bundesrechnungshof zurückgreifen könne. Auch Teile der CDU-Parteibasis drängten auf eine zügige Bestellung des neuen BWV. Der Landesvorsitzende der CDU Rheinland, Konrad Grundmann, schrieb im Herbst 1964 an Bundeskanzler 609 Vermerk von Referat 8 des Bundeskanzleramts vom 30.10. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). Der Vermerk führt jedoch keine Argumente ins Feld, die gegen ein ständiges Zugangsrecht des BWV sprechen. 610 BT-Drs. 4/2048. Die Beratung des Antrags wurde jedoch erneut zurückgestellt. Am 13. 5. 1965 beschloss der Haushaltsausschuss, der Bundestag solle den Antrag der SPD aufgrund der mittlerweile stattgefundenen Neubesetzung für erledigt erklären. Vgl. dazu BT-Drs. 4/3440. 611 Schreiben des Bundestagsabgeordneten Müller (CDU) an Bundeskanzler Erhard vom 5. 11. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt).

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Erhard 612, er (Grundmann) habe „das Gefühl, die Bundesregierung hätte ihre in der Regierungserklärung dargelegte Absicht vergessen, einen Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung einzurichten“. Die anstehende Beratung des SPD-Antrages im Haushaltsausschuss, der Druck seitens Teilen der Fraktion und Parteigliederungen der CDU, die fordernde Haltung des Bundesrechnungshofpräsidenten, eine kritische Presse und insbesondere auch fehlende ausgereifte Vorschläge zur Einsetzung eines neuen BWV führten schließlich dazu, dass das Bundeskabinett auf seiner Sitzung am 11. November 1964 außerhalb der Tagesordnung beschloss 613, den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Hopf, mit der unbefristeten Wahrnehmung der Aufgaben eines BWV zu beauftragen. Über die von Hopf vorgeschlagenen neuen Richtlinien bzw. die Frage der Weitergeltung der Richtlinien von 1952/57 sprach das Kabinett aber nicht. Die Bundesregierung hatte sich jedoch getäuscht, wenn sie glaubte, die Beauftragung Hopfs zum BWV zügig zum Abschluss bringen zu können. Selbstbewusst verlangte der Präsident in einem Telefongespräch 614 mit dem Leiter der Abteilung II im Bundeskanzleramt, Praß, zuerst die Erfüllung seiner Forderungen, bevor er sich bereit erkläre, die Aufgaben eines BWV zu übernehmen. Hopf verlangte, seine ausgearbeiteten Richtlinien müssten die neue Grundlage für die Tätigkeit des BWV bilden, wobei er ausdrücklich den ständigen Zugang zum Kabinett und die Protokolle der Sitzungen anführte. Zudem forderte Hopf, der Bundeskanzler persönlich solle ihm den unbefristeten Auftrag erteilen, als BWV tätig zu werden. Dadurch, so Hopf, solle auch sichergestellt werden, dass nach Abschluss der Legislaturperiode eine neue Bundesregierung den BWV nicht einfach abberufe. Abteilungsleiter Praß war wohl in Anbetracht dieser Forderungen ebenso irritiert wie abweisend. Solche Ansprüche, so der Beamte, könnten doch wohl kaum dem Herrn Bundeskanzler vorgetragen werden; es bringe den Kanzler „in eine psychologisch nicht vertretbare Situation“, wenn Hopf auf ein Auftragsschreiben des Kanzlers dermaßen fordernd antworte. Die Gesprächspartner verblieben, im Kanzleramt sollten zunächst die offenen Fragen erörtert werden.

612 Schreiben des Landesvorsitzenden der CDU Rheinland, Grundmann, an Bundeskanzler Erhard vom 16. 10. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 613 Weber (Hrsg.), Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 17, 143. Kabinettssitzung am 11. 11. 1964, S. 506 f. 614 Vermerk über den Verlauf des Telefongespräches vom mithörenden Ministerialrat im Bundeskanzleramt, Hornschu, vom 20. 11. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt).

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Am gleichen Tag berichtete Praß dem Bundeskanzler von dem Gespräch 615 und trug sehr wohl die Wünsche des Bundesrechnungshofpräsidenten vor. Es wurde entschieden, vorerst von einem offiziellen Auftragsschreiben an Hopf abzusehen. Stattdessen sollte Kanzleramtsminister Westrick in einem persönlichen Gespräch versuchen, Hopf von seinen Forderungen abzubringen und ihn ohne Vorbehalte seiner Betrauung zustimmen zu lassen. Auffallend ist in diesem Zusammenhang erneut, dass jegliche Verhandlungen und Korrespondenz am Bundesfinanzministerium vorbei geführt wurden. Das Bundesfinanzministerium, das lange den guten Kontakt zwischen BWV und Bundesregierung pflegte, stand während dieser Zeit im Abseits. Dies bestätigt ein Schreiben des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Walter Grund, vom 28. Dezember 1964 616, in dem dieser das Kanzleramt bat, möglichst bald Einvernehmen mit Präsident Hopf über die Fragen zu erzielen, die dem Finanzressort im Einzelnen unbekannt seien. Für den 4. Februar 1965 war im Kanzleramt eine Besprechung zwischen Präsident Hopf, Kanzleramtsminister Westrick und dem Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Grund, angesetzt. Zur Vorbereitung übersandte Hopf den beiden Teilnehmern knapp eine Woche zuvor seine ausgearbeiteten neuen Richtlinien und fügte interessanterweise als Anlage die letzten für den Reichssparkommissar gültigen Richtlinien aus dem Jahr 1926 bei 617. Hopf meinte in seinem Anschreiben an das Kanzleramt, die Richtlinien aus dem Jahr 1926, die dem damaligen Reichssparkommissar Saemisch einen ständigen Zugang zum Kabinett ermöglichten, hätten sich bewährt. Ein grundsätzliches Antragsrecht, das Saemisch damals im Reichskabinett zugestanden habe, sei aber, so Hopf, aus seiner Sicht nicht erforderlich. Es widerspreche der klaren Teilung der Verantwortungen. Eine fortwährende Teilnahmemöglichkeit an Sitzungen der Bundesregierung und die Übersendung der Protokolle erachte er aber als notwendig, denn die Erfahrungen der letzten zehn Jahre zeigten „dass Gutachten des Bundesbeauftragten, die ohne eingehende Kenntnis der Auffassung des Kabinetts erstattet wurden, in Einzelfällen nicht sinnvoll waren und von den Ressorts teilweise mit Recht als nicht ausreichend angesehen wurden“. 615 Vermerk des Leiters der Abteilung II im Kanzleramt, Prass, für Bundeskanzler Erhard vom 20. 11. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). 616 Schreiben des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Grund, an Kanzleramtsminister Westrick vom 28. 12. 1964, in: BA, Best. B 136/22588 (Bundeskanzleramt). Von Unkenntnis der Forderungen Hopfs spricht auch der Vermerk des Leiters der Abteilung I im Bundesfinanzministerium vom 29. 1. 1965, in: BA, Best. B 126/58284 (Bundesministerium der Finanzen). 617 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hopf an den Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Grund, vom 29. 1. 1965, in: BA, Best. B 126/58284 (Bundesministerium der Finanzen) sowie das Schreiben an Kanzleramtsminister Westrick vom 29. 1. 1965, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt).

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2. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis 1970

Das Bundesfinanzministerium, das nun erstmals den vollständigen Wortlaut der Richtlinien in den Händen hielt, lehnte die Vorschläge Hopfs ab. Der Entwurf stelle, so ein Vermerk vom 1. Februar 1965 618, das Verhältnis zwischen der Bundesregierung und dem BWV auf den Kopf, da der BWV zu einem eigenständigen Kontrollorgan über die Regierung gemacht werde. Nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums werde die Aufgabe des BWV durch Ziffer 1 des Entwurfes erweitert, denn dieser formuliere, der BWV solle die Regierung nicht nur beraten, sondern habe auch auf die wirtschaftliche Gestaltung der Haushaltsführung hinzuwirken. Die Kritik übersah, dass es bereits in Ziffer 1 der Richtlinien von 1952/57 hieß, der BWV habe auf den „wirtschaftlichen Einsatz der Haushaltsmittel hinzuwirken“. Die Beamten im Bundesfinanzministerium führten weiter aus, dass die ständige Teilnahmemöglichkeit des BWV an den Kabinettssitzungen und die Zustellung der Kabinettsprotokolle inakzeptabel seien. Dies verstoße gegen die nach Art 65 S. 4 GG erlassene Geschäftsordnung der Bundesregierung, die den Teilnehmerkreis an den Sitzungen der Bundesregierung abschließend festlege. Intern schlug das Bundesfinanzministerium einen eigenen Richtlinienentwurf vor, der jedoch inhaltlich den Richtlinien in der Form von 1952 entsprach 619. Der Entwurf des Bundesfinanzministeriums wurde dem Kanzleramt nicht übermittelt und kam auch nicht bei dem drei Tage später stattfindenden Treffen mit Präsident Hopf und Kanzleramtsminister Westrick zur Sprache. Im Bundeskanzleramt einigte man sich im Vorfeld des Gespräches mit Hopf auf eine unnachgiebige Haltung, was den verlangten andauernden Zugang des Präsidenten zum Bundeskabinett anging 620. Es wurde jedoch intern geprüft, ob Hopf möglicherweise die Einladungen zu den Kabinettssitzungen ausgehändigt werden könnten, ohne ihm zugleich ein Zugangsrecht zu gewähren. Auch sollte geklärt werden, ob Bedenken gegen eine generelle Zusendung der Protokolle zu erheben seien. Das zuständige Referat äußerte sich skeptisch. Bisher, so hieß es in einem Vermerk 621, erhielten die Kabinettseinladungen und Protokolle nur die Bundesminister, der Chef des Bundespräsidialamtes und der Chef des Presseamtes. Da das Material nach der Verschlusssachenanweisung als „geheim“ eingestuft sei, dürfe der Präsident des Bundesrechnungshofes die Information nur erhalten, wenn er ein sachlich gerechtfertigtes Bedürfnis nachweisen könne. 618 Vermerk von Referat I A/2 des Bundesfinanzministeriums vom 1. 2. 1965, in: BA, Best. B 126/58284 (Bundesministerium der Finanzen). 619 Vgl. den Richtlinienentwurf des Bundesfinanzministeriums vom 1. 2. 1965, in: BA, Best. B 126/58284 (Bundesministerium der Finanzen). Der Entwurf war gegenüber den Richtlinien von 1952 nur sprachlich straffer gefasst. 620 Vermerk des Referates 3 im Bundeskanzleramt vom 2. 2. 1965, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 621 Vermerk des Referates 3 im Bundeskanzleramt vom 2. 2. 1965, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt).

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Unabhängig davon, dass ein solches Interesse schon zweifelhaft sei, bestehe zudem die Gefahr, Begehrlichkeiten anderer Präsidenten, wie denen der Bundesbank, Bundesbahn oder auch des Bundestages oder Bundesrates zu wecken. b) Die Verabschiedung der neuen Richtlinien Als am 4. Februar 1965 die Herren Grund, Hopf und Westrick zur Besprechung im Kanzleramt zusammenkamen, wiederholte der Präsident des Bundesrechnungshofes seine Forderungen und machte die Übernahme der Tätigkeit als BWV nochmals von deren Erfüllung abhängig 622. Doch der Bundeskanzleramtschef und Staatssekretär Grund versuchten Hopf zu überzeugen, Abstriche hinzunehmen. Schließlich einigte man sich nach zähen Verhandlungen auf neue Richtlinien für den BWV. Im Grundsatz erklärten sich die Vertreter der Bundesregierung mit Hopfs Vorschlägen einverstanden. Zur Auseinandersetzung kam es vor allem über das Teilnahmerecht an den Sitzungen der Bundesregierung und die Übersendung der Kabinettsprotokolle. Hopf merkte, dass er hier kompromissbereit sein musste, um nicht den Erfolg als Ganzes aufs Spiel zu setzen. So einigte sich die Runde schließlich auf eine neue Formulierung der Ziffer 4: „Der Bundesbeauftragte kann auf seine Anregung oder auf Anregung eines Bundesministers mit Zustimmung des Bundeskanzlers an den Sitzungen des Bundeskabinetts teilnehmen. Der Bundesbeauftragte erhält die Protokolle über die Sitzungen, an denen er teilnimmt. Auch kann er im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler Einsicht in andere Kabinettsprotokolle nehmen.“

Die neue Form bedeutete gegenüber den Richtlinien 1952 in erster Linie eine Erweiterung der Rechte des BWV. Bisher erhielt der BWV keine Kabinettsprotokolle bzw. konnte keine Protokolleinsicht beantragen 623. Eine Ausdehnung seiner Position lag auch in der Möglichkeit, sich selbst als Teilnehmer an den Kabinettssitzungen vorzuschlagen. Ein Vorschlagsrecht stand bisher lediglich den Bundesministern zu. Eine Einschränkung hingegen bedeutete die generelle Zustimmungspflicht des Bundeskanzlers zur Teilnahme des BWV an den Kabinettssitzungen. Ein Einverständnis des Kanzlers war nach den Richtlinien von 1952 nicht notwendig. Allerdings war es auch nach alter Rechtslage selbstverständlich, dass jeder Bundesminister den Kanzler über die gewünschte Teilnahme 622 Vermerk des Leiters der Abteilung II im Bundeskanzleramt, Praß, vom 4. 2. 1965, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 623 Präsident Hopf bestand schon kurz nach Inkrafttreten der neuen Richtlinien auf seinem Recht, Einladungen zu den Kabinettssitzungen zu erhalten. Er begründete dies vor allem damit, dass er sonst nicht von sich aus seine Teilnahme an einer Kabinettssitzung anregen könne. Der Bundeskanzler war mit der regelmäßigen Übersendung der Einladungen schließlich einverstanden. Vgl. dazu die Vermerke von Referat II/4 des Bundeskanzleramts vom 24. 3. 1965 und 31. 3. 1965, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt).

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2. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis 1970

des BWV zuvor informiert und sich nicht gegen den Willen des Kanzlers gestellt hätte. Präsident Hopf stellte das Ergebnis der im Kanzleramt getroffenen Vereinbarung im Großen Senat des Bundesrechnungshofes vor 624. Die Senatsmitglieder äußerten ihre Sorge über die Fassung der Ziffer 6 der Richtlinien. Diese ermöglichte dem BWV nicht nur, auf das Personal aus der Präsidialabteilung zurückzugreifen, sondern auch weitere Prüfungsbeamte für seine Tätigkeiten einzuspannen. Es dürfe nicht zu einer Lage kommen, so der Senat, wie es gelegentlich in der Vergangenheit der Fall gewesen sei, dass Mitglieder des Bundesrechnungshofes ihrer Haupttätigkeit entzogen würden, um den BWV bei seiner Arbeit zu unterstützen. Andererseits war der Senat der Auffassung, er könne es nicht verantworten, der Ansiedlung des BWV beim Bundesrechnungshof zu widersprechen und dadurch mittelbar die Entscheidung der Bundesregierung herbeizuführen, eine eigene Behörde für den BWV einzurichten. Der Senat entschied am Ende seiner Erörterungen, in der Ziffer 6 der neuen Richtlinien die Formulierung zu streichen, der BWV bediene sich für seine Aufgaben des Bundesrechnungshofes. Es sollte bei der Fassung der Richtlinien von 1952 bleiben, nach denen der BWV für seine Arbeit nur auf die Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofes zurückgreifen kann. Hopf übermittelte die Entscheidung des Großen Senats an das Bundeskanzleramt. Dieses und das Bundesfinanzministerium begrüßten die Änderung, da es der Rechtslage besser gerecht werde 625. Nachdem die Beteiligten Übereinstimmung über die Neufassung der Richtlinien erzielt hatten, wurden diese seitens des Kanzleramts als Kabinettsvorlage an die Bundesminister weitergeleitet. Als Frist für mögliche Einwendungen gegen die Richtlinien seitens der Ressorts wurde der 10. März 1965 festgesetzt 626. Bundeswirtschaftsminister Kurt Schmücker (CDU) und Bundesverteidigungsminister von Hassel (CDU) hatten Bedenken 627 gegen Ziffer 2 der Richtlinien 628, nach der der BWV die Bundesminister bei der Aufstellung der Haushaltsvoranschläge beraten sollte. Zwar war auch in Ziffer 4 der alten Richtlinien 629 ein 624 Vgl. die Zusammenfassung der Sitzung im Schreiben von Bundesrechnungshofpräsident Hopf an den Ministerialdirigent im Bundeskanzleramt, Praß, vom 17. 2. 1965, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 625 Schreiben des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Grund, an Ministerialdirigent Praß im Bundeskanzleramt vom 23. 2. 1965, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 626 Schreiben von Kanzleramtsminister Westrick an die Bundesminister vom 2. 3. 1965, in: BA, Best. B 126/51722 (Bundesministerium der Finanzen). 627 Vermerk von Referat II/4 des Bundeskanzleramts vom 9. 3. 1965, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 628 Ziffer 2 der Richtlinien n. F. lautete: „Die Bundesregierung und die Bundesminister beteiligen den Bundesbeauftragten bei organisatorischen oder finanziellen Maßnahmen von größerer Tragweite sowie bei der Aufstellung und Beratung der Haushaltsvoranschläge.“

§ 5 Die ersten Jahre der Bundesrepublik Deutschland

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Beteiligungsrecht des BWV bei der Aufstellung der Haushaltsvoranschläge normiert, aber da es sprachlich anders eingebunden war, hatten die Minister Sorge, es ändere sich auch die inhaltliche Bedeutung. So dürfe der BWV aus Sicht der Ministerien keinesfalls das Recht haben, schon bei der Aufstellung des Haushalts im jeweiligen Ressort beteiligt zu werden, sondern er solle – wie es bislang üblich war – erst auf der Ebene der Ressortbesprechungen im Bundesfinanzministerium hinzugezogen werden. Das Bundeswirtschaftsministerium setzte sich daher direkt mit dem Bundesrechnungshof in Verbindung, um zu erfragen, ob von der bisherigen Praxis abgewichen werden solle. Der persönliche Referent des Präsidenten beruhigte die Gemüter und sicherte zu, es werde bei der bisherigen Übung bleiben 630. Einer Entscheidung des Kabinetts stand somit nichts mehr im Wege und die neuen Richtlinien wurden am 10. März 1965 im Umlaufverfahren beschlossen 631. Der Beschluss wurde nachrichtlich an Präsident Hopf gesandt. Dieser erklärte sich durch ein Schreiben an Bundeskanzler Erhard vom 19. März 1965 632 bereit, die Aufgabe eines BWV auf Grundlage der neuen Richtlinien zu übernehmen. Erstmals wurde der Vizepräsident des Bundesrechnungshofes, Brettschneider, durch ein Schreiben des Bundeskanzlers vom 26. März 1965 633 als Stellvertreter des BWV beauftragt. Die neuen Richtlinien für den BWV wurden im Bundesanzeiger veröffentlicht 634. Trotz der Zeit der Vakanz, war der BWV doch wieder in seiner alten Struktur gerettet worden: Der Präsident des Bundesrechnungshofes nahm in Personalunion die Aufgaben eines BWV wahr; Grundlage für die Tätigkeit des BWV war dabei ein mit Tätigkeitsrichtlinien verbundener Auftrag der Bundesregierung. Doch die weitere Entwicklung sollte zeigen, dass eine knappe und erfolgreiche Rettung noch kein Garant für ein vitales Weiterleben ist.

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Ziffer 4 der Richtlinien von 1952 lautete: „Die Bundesministerien beteiligen den BVW bei organisatorischen oder finanziellen Maßnahmen von größerer geldlicher Tragweite. Er wird bei der Aufstellung der Haushaltsvoranschläge beteiligt.“ 630 Vermerk von Referat II/4 des Bundeskanzleramts vom 9. 3. 1965, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 631 Vgl. das Schreiben von Bundeskanzleramtsminister Westrick an die Bundesminister vom 11. 3. 1965, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 632 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hopf an Bundeskanzler Erhard vom 19. 3. 1965, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 633 Vgl. den Bezug auf das unterzeichnete Schreiben des Bundeskanzlers im Vermerk des Referates II/4 im Bundeskanzleramt vom 31. 3. 1965, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 634 Bundesanzeiger Nr. 72 vom 14. 4. 1965.

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2. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis 1970

3. Kanzlerwechsel Erhard – Kiesinger Mit der „Wahlkampflokomotive“ Erhard konnten CDU / CSU bei der Bundestagswahl 1965 die erhofften Stimmengewinne erzielen und damit stärkste Fraktion im Deutschen Bundestag bleiben 635. Die Neuauflage der Koalition aus CDU / CSU und FDP sollte jedoch nur gut ein Jahr halten. Im Oktober 1966 kam es innerhalb der Regierung zu einer wachsenden Auseinandersetzung über die Frage, wie das Etatdefizit von vier Milliarden Deutschen Mark im Bundeshaushalt 1967 ausgeglichen werden könne 636. CDU / CSU forderten Steuererhöhungen zur Sanierung des Haushalts, die FDP lehnte dies ab und wollte Kürzungen im Verteidigungsetat durchsetzen. Nachdem die Bundestagsfraktion der FDP einen Kompromiss der Regierung 637 zum Haushaltsausgleich abgelehnt hatte, traten die FDP-Minister geschlossen zurück. Bundeskanzler Erhard reichte seinen Rücktritt am 30. November 1966 ein. Sehr rasch einigten sich CDU / CSU und SPD auf die Bildung der ersten großen Koalition in der Nachkriegsgeschichte. Zum neuen Bundeskanzler wurde Kurt Georg Kiesinger gewählt, der zuvor Ministerpräsident von Baden-Württemberg gewesen war. Bundesfinanzminister in der eine Legislaturperiode lang amtierenden Großen Koalition wurde der CSU-Politiker Strauß. Kurz nach der Wahl Kiesingers zum Bundeskanzler schrieb Bundesrechnungshofpräsident Hopf am 5. Dezember 1966 in Eigeninitiative an den Kanzler 638 und bat um eine Bestätigung seiner Aufgabe als BWV durch die neue Regierung. Da seine Tätigkeit als BWV auf einer Vereinbarung zwischen Kanzler Erhard und ihm beruht habe, so Hopf, sei er nun aufgrund des Regierungswechsels bereit, „die Tätigkeit des Bundesbeauftragten zur Verfügung zu stellen, falls Sie über diese Aufgabe eine andere Entscheidung treffen“. Beamte im Bundeskanzleramt schlugen Kanzler Kiesinger daraufhin vor, die Frage des BWV im Kabinett zu besprechen 639. Zunächst bat Kiesinger aber um einen Vermerk, der die Tätigkeit von Bundesrechnungshof und BWV im Überblick darstellen sollte. Der Kanzler forderte zudem eine Aufschlüsselung der Vor- und Nachteile der Personalunion von BWV mit dem Präsidenten des 635 Amtliches Endergebnis der Wahlen zum 5. Deutschen Bundestag am 19. 9. 1965: CDU / CSU: 47,6 %; SPD: 39,3 %; FDP: 9,5 %. 636 Eschenburg, in: Jeserich / Pohl / Unruh (Hrsg.), Verwaltungsgeschichte, Bd. 5, S. 17. 637 Im Bundeskabinett stimmten am 27. 10. 1966 die FDP-Minister einem Kompromiss zu, wonach als letzter Ausweg zur Behebung des Haushaltsdefizits auch Steuererhöhungen in Betracht gezogen werden müssten. 638 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Hopf an Bundeskanzler Kiesinger vom 5. 12. 1966, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 639 Vgl. die Anforderung des Vermerks vom Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Knieper, an den Abteilungsleiter II vom 23. 2. 1967, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt).

§ 5 Die ersten Jahre der Bundesrepublik Deutschland

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Bundesrechnungshofes. Der Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt, Hornschu, legte seine Ausarbeitung für den Kanzler am 9. März 1967 vor 640. Als Nachteil der Personalunion wertete der Beamte die mögliche Arbeitsüberlastung des Präsidenten und Rechnungshofes. Zudem widersprächen sich zum gewissen Grade die Aufgaben des Bundesrechnungshofes mit denen des BWV. Der Rechnungshof prüfe in exakter Einzelarbeit die Ausgaben, während der BWV eher einem Planungsstab in der Wirtschaft gleichkäme, der weitreichende Zukunftsprojektionen entwerfen solle. Andererseits, so Hornschu weiter, läge aber gerade in der Vereinigung der beiden Aufgaben unter einem Dach ein großer Vorteil. Denn die Erfahrung aus der Rechnungsprüfung bereichere die Arbeit des BWV, da sie ihm eine umfassende Übersicht über die neuralgischen Punkte der Bundesverwaltung vermittle. Eine Trennung der Aufgaben führe mit Sicherheit zu zusätzlichen Stellen- und Mittelanforderungen. Aus all dem folge, so Hornschu in seinem Votum, an der bisherigen Ämterverbindung festzuhalten. Auch Kanzleramtschef Werner Knieper schloss sich der Auffassung seines Abteilungsleiters an und erklärte gegenüber dem Bundeskanzler, er sehe zurzeit keinen Anlass, die Konstruktion zu ändern. Falls sich das Kabinett aber trotzdem für eine Trennung der Aufgaben entscheiden sollte, biete sich zeitlich am ehesten der Beginn einer neuen Legislaturperiode an. Der Kanzler ließ sich von den Ausführungen seiner Mitarbeiter überzeugen und so kam es im Kabinett zu keinen neuen Diskussionen zur Zukunft des BWV. Allerdings lässt sich den Materialien auch nicht entnehmen, dass der Bundeskanzler dem Wunsch des Präsidenten Hopf nachkam, ihm in seinem Amt als BWV zu bestätigen. Auf eine mögliche Diskussion über die Zukunft des BWV wollte auch ein alter Kritiker des BWV gut vorbereitet sein: Bundesfinanzminister Strauß, der schon als Verteidigungsminister durch seine äußerst skeptische Haltung zur Beratungsfunktion des Rechnungshofes aufgefallen war 641, forderte von seinen Mitarbeitern einen Überblick an, ob und gegebenenfalls inwieweit eine Beratung durch den Bundesrechnungshof bzw. den BWV zu Rationalisierungen in der Verwaltung geführt hatte 642. Denn der Minister bezweifelte, dass auf diesem Feld die Gutachten überhaupt etwas bewirkt hatten. Daher bat er die Referate in seinem Haus um entsprechende Stellungnahmen. Die Referenten im Bundesfinanzministerium berichteten 643 von den Auswirkungen eines Gutachtens des Bundesrechnungshofes vom 21. Dezember 1956 zur Zentralisierung der Gehaltszahlungen im Raum Bonn. Der Bundesrechnungshof hatte in diesem Gut640 Ausarbeitung von Referat II/4 des Bundeskanzleramts vom 9. 3. 1967, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 641 Vgl. oben S. 119. 642 Vermerk des Referates I A/2 im Bundesfinanzministerium vom 8. 8. 1967, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 643 Vermerk des Referates I A/4 im Bundesfinanzministerium vom 16. 8. 1967, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen).

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2. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis 1970

achten Aufwand und Kosten der Systeme zu Gehaltszahlungen bei verschiedenen Behörden verglichen und vorgeschlagen, das System der Besoldungsstelle des Bundesverteidigungsministeriums zu übernehmen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte die Forderung aufgenommen und so war die Empfehlung im Verlauf der nachfolgenden Jahre umgesetzt worden. Dies habe, so das Ergebnis der Berichterstatter, zu erheblichen Rationalisierungen auf dem Gebiet der Gehaltszahlungen geführt 644. Ein Gutachten des BWV vom Dezember 1963, das sich mit der Anwendung von Lochkarten- und Datenverarbeitungsanlagen für Besoldungsaufgaben beschäftigte, wurde von den Beamten im Bundesfinanzministerium hingegen als inhaltlich unzutreffend und veraltet qualifiziert 645. Mehr noch hätten die Vorschläge sogar zu erheblichen Nachteilen für die weitere technische Entwicklung bei den Besoldungsstellen geführt. Darüber hinaus untersuchten die Mitarbeiter im Ministerium die Auswirkungen eines Gutachtens des BWV vom November 1966. Der BWV hatte in seiner Äußerung gefordert, er selbst solle als Koordinierungsstelle für Fragen der elektronischen Datenverarbeitung im Bundesbereich fungieren. Dies war jedoch von den Ressorts entschieden abgelehnt worden. Ein weiteres Gutachten des BWV vom April 1959 über die Organisation und Wirtschaftlichkeit der Verwaltungsabteilungen, Senatsgeschäftsstellen, der Bibliothek und Zentralkartei beim Bundesfinanzhof in München hatte nach Aussage des zuständigen Referenten im Bundesfinanzministerium keine Rationalisierungen ergeben 646. Die von Bundesminister Strauß in Auftrag gegebene Untersuchung hatte jedoch keine unmittelbaren Folgen, da sich das Bundeskanzleramt bereits auf die Linie verständigt hatte, die Ämterverbindung zwischen dem BWV und dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes aufrecht zu erhalten.

644 Vermerk des Referates I A/4 im Bundesfinanzministerium vom 16. 8. 1967, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 645 Vermerk des Referates I A/4 im Bundesfinanzministerium vom 16. 8. 1967, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 646 Vermerk von Referat I A/7 des Bundesfinanzministeriums vom 31. 8. 1967, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen).

Dritter Teil

Die Entwicklung der beratenden Tätigkeit der Finanzkontrolle seit der Finanzrechtsreform bis zur Gegenwart (1970 –2007) § 1 Neue Rechtsgrundlagen für die Beratungstätigkeit durch die große Finanzrechtsreform im Jahr 1970 Mit der Finanzrechtsreform im Jahr 1970 erhielt die beratende Tätigkeit des Bundesrechnungshofes durch die Änderung des Grundgesetzes und mit der Einführung der Bundeshaushaltsordnung einen neuen rechtlichen Rahmen.

A. Vorbereitung und Implementierung der Reform Bereits in der Begründung zur vorläufigen Haushaltsordnung vom 7. Juni 1950 hatte es geheißen, dass auf längere Sicht erwogen werden müsse, das gesamte Haushaltswesen des Bundes neu zu ordnen. In der Denkschrift für das Haushaltsjahr 1951 1 hatte der damalige Bundesrechnungshofpräsident Mayer erstmals eine Reform wenigstens einiger Teile der Reichshaushaltsordnung angeregt. Die daraufhin gebildete Arbeitsgruppe aus Beamten des Bundesrechnungshofes und des Bundesfinanzministerium hatte eine Novellierung der Reichshaushaltsordnung geprüft, aber die Überlegungen mündeten zunächst nicht in einem gesetzesreifen Vorschlag 2. Die Aktivitäten auf diesem Gebiet hatten sich erst wieder im Jahr 1964 verstärkt, als ein Arbeitskreis der Haushaltsabteilungsleiter der Finanzministerien von Bund und Ländern – nach ihrem Vorsitzenden als sog. „TroegerKommission“ bezeichnet – eingesetzt worden war. Ab 1966 war zusätzlich ein Referentenausschuss der obersten Bundesbehörden in die Reformüberlegungen zu einer umfassenden Neugestaltung der Haushaltsvorschriften mit eingetreten 3. 1 2 3

BT-Drs. 2/1140, S. 41. Rehm, Bundeshaushaltsreform, S. 59. Rehm, Bundeshaushaltsreform, S. 59.

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

Im Zuge der geplanten Finanzrechtsreform wurde innerhalb des Bundesfinanzministeriums im Jahr 1967 unter anderem ein Vorschlag entwickelt, Aufgabe und Stellung des BWV in der neu geplanten Bundeshaushaltsordnung zu normieren. Nach dem Vorschlag eines Referats im Bundesfinanzministerium sollte der BWV nur noch die Bezeichnung „Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit“ tragen und mit einem § 10 a) auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden 4. Dass eine Vergesetzlichung des BWV überhaupt angedacht wurde, erscheint bei der ablehnenden Haltung, die im Ministerium in der Vergangenheit herrschte, auf den ersten Blick erstaunlich. Doch einige Beamten im Bundesfinanzministerium hatten ihr Fernziel keinesfalls aus den Augen verloren: Die Beseitigung der Personalunion zwischen dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes und dem BWV. Stattdessen sollte der Bundesbeauftragte eine Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Bundesfinanzministeriums bilden. Geschützt werden sollte also nicht der Präsident des Bundesrechnungshofes in seiner Unabhängigkeit, sondern die Referenten sahen in der Normierung eine Chance, einen BWV unter dem Dach des Bundesfinanzministeriums zu installieren, der deutlich kontrollierbarer gewesen wäre. Der entworfene § 10 a) enthielt vier kurze Absätze: Nach Abs. 1 solle die Bundesregierung einen Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit bestellen. Gem. Abs. 2 habe dieser Beauftragte auf den wirtschaftlichen Einsatz der Haushaltsmittel hinzuwirken und auf eine sparsame Verwaltungsorganisation zu achten. Abs. 3 zählte die zur Auftragserteilung berechtigten Stellen auf. Danach könne der Beauftragte auf Ersuchen der Bundesregierung, des Bundestages, Bundesrates, Bundesfinanzministers oder auch aus eigener Initiative heraus tätig werden. Mit Abs. 4 sollte die Möglichkeit geschaffen werden, im Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen eine Bundesoberbehörde einzurichten. Doch der Vorschlag, die Tätigkeit des BWV in der Bundeshaushaltsordnung zu normieren, war innerhalb des Bundesfinanzministeriums umstritten. Teile im Ministerium unterstützten die Idee einer gesetzlichen Grundlage, da die Haushaltsrechtsreform eine gute Möglichkeit biete, endlich die unklaren Zuständigkeiten von Bundesrechnungshof, dessen Präsidenten und dem BWV klar abzugrenzen 5. Andere Referenten hingegen lehnten eine gesetzliche Normierung der Tätigkeit des BWV gänzlich 6 oder teilweise 7 ab. Die Kritiker einer gesetzlichen Normierung wandten ein, die Tätigkeit des BWV auf Grundlage eines 4 Vertrauliche Ausarbeitung des Referates II A/3 im Bundesfinanzministerium vom 2. 1. 1967, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). Diese wurde nachrichtlich an vier weitere Referate gesandt, von denen drei zu dem Vorschlag Stellung nahmen. 5 Stellungnahme von Referat I A/2 des Bundesfinanzministeriums vom 5. 1. 1967, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen). 6 Stellungnahme von Referat I A/3 des Bundesfinanzministeriums vom 27. 2. 1967, in: BA, Best. B 126/16457 (Bundesministerium der Finanzen).

§ 1 Neue Rechtsgrundlagen durch die Finanzrechtsreform 1970

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Kabinettsbeschlusses und Richtlinien böte den Vorteil, dass sie jederzeit unkompliziert geändert werden könne. Ein weiteres Referat im Ministerium vertrat die Ansicht, falls der Beauftragte gesetzlich normiert werden solle, so müsse dies in einem eigenständigen Gesetz, unabhängig von der Bundeshaushaltsordnung, erfolgen. Denn der Beauftragte solle in erster Linie, so die Stellungnahme der Mitarbeiter, die Verwaltung bei der Planung von Gesetzesvorhaben unterstützen. Die Bundeshaushaltsordnung aber regele nur das Verfahren bezüglich im Haushaltsplan bereits veranschlagter Mittel. Kritisch gesehen wurde von Teilen des Hauses ferner die in § 10 Abs. 4 des Entwurfs vorgesehene Angliederung des Beauftragten an das Bundesfinanzministerium. So wurde argumentiert, dass der Bundesfinanzminister in eigener Person auf den wirtschaftlichen Einsatz der Haushaltsmittel hinzuwirken habe, und es daher zweifelhaft sei, welche Aufgabe in dieser Organisation dem BWV verbleiben solle. Im Bundesfinanzministerium konnte jedenfalls keine Einigung zu der Frage erzielt werden, ob der BWV gesetzlich in der neuen Bundeshaushaltsordnung verankert werden soll; entsprechende Vorschriften fanden sich somit in dem endgültigen Gesetzesentwurf nicht. Bezüglich der Änderung des Grundgesetzes hatte der Entwurf der Bundesregierung zunächst keine Änderung des Art. 114 GG vorgesehen 8. Der Haushaltsausschuss forderte während der Verhandlungen zu Art. 114 GG, dieser solle in Abs. 2 folgende Formulierung erhalten: „Der Bundesrechnungshof, dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen, prüft die Rechnung und überwacht laufend die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung. Er hat unmittelbar und in eigener Verantwortung dem Bundestage und dem Bundesrate jährlich zu berichten.“

Präsident Hopf unterstützte diesen Vorschlag. Die Entwicklung zum Leistungsstaat, so Hopf, erfordere eine schnelle Information des Parlaments, was durch die vorgeschlagene Formulierung sichergestellt sei. Doch die Vertreter der Bundesregierung im Ausschuss wehrten sich gegen den Vorschlag, da das Wort „überwachen“ aus ihrer Sicht auf eine politische Kontrolle hinauslaufe und zudem für die Verfassung zu unbestimmt sei. Überdies könne eine solche Formulierung in Widerspruch zu Art. 65 GG geraten. Insgesamt sei die vorgeschlagene Neufassung nicht notwendig, da der Bundesrechnungshof durch die neuen Vorschriften der Bundeshaushaltsordnung ausreichend Möglichkeiten habe, zu Fragen der Wirtschaftlichkeit Stellung zu nehmen.

7 Stellungnahme von Referat VI C/2 des Bundeskanzleramts vom 24. 1. 1967, in: BA, Best. B 136/16457 (Bundeskanzleramt). 8 BT-Drs. 4/3040, S. 2.

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

Erst der Rechtsausschuss des Bundestages setzte eine Neufassung durch 9. Die Änderung sollte vor allem die Möglichkeit einer gegenwartsbezogenen Prüfung verfassungsrechtlich sichern. Nach dem Wortlaut des Art. 114 a. F. konnte der Bundesrechnungshof erst mit seiner Prüfung beginnen, wenn der Bundesfinanzminister der Legislative die Rechnung des Bundes vorgelegt hatte. Art. 114 GG n. F. sollte verfassungsrechtliche Zweifel beseitigen, ob der Rechnungshof abgeschlossene Verwaltungsvorgänge bereits dann prüfen darf, wenn sie sich noch nicht in förmlichen Rechnungen niedergeschlagen haben 10. Zudem wurde der Prüfungsmaßstab der Wirtschaftlichkeit mit dem neuen Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG nun erstmals in den Rang des Verfassungsrechts gehoben. Art. 114 Abs. 2 S. 3 GG n. F. ermöglichten es dem Gesetzgeber, die Befugnisse des Bundesrechnungshofes durch Bundesgesetz zu regeln. Durch diesen Gesetzesvorbehalt, so der Rechtsausschuss, könnten dem Rechnungshof nun in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise „Aufgaben übertragen werden, die er entweder bisher bereits aus Tradition, kraft Übertragung durch einfache Gesetze oder aufgrund von Vereinbarungen selbst oder durch seinen Präsidenten (zum Beispiel Gutachten als Beauftragter für Wirtschaftlichkeit der Verwaltung – ‚Sparkommissar‘) ausgeübt hat. Andererseits hat es das Parlament dann auch in der Hand, eine entsprechende Begrenzung dieser Befugnisse vorzusehen“ 11. Die Implementierung der großen Finanzrechtsreform begann mit dem Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) vom 8. Juni 1967 12. Es stellte gemeinsam für Bund und Länder geltende Vorschriften für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und mehrjährige Finanzplanung auf. Im Mai 1968 beschloss die Bundesregierung die weiteren Gesetzesvorlagen und leitete das Gesetzgebungsverfahren ein 13. Dieses wurde 1969 mit der Verabschiedung von drei Gesetzen abgeschlossen: Dem Zwanzigsten Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes 14, dem Gesetz über die Grundsätze des Haushalts9

BT-Drs. 4/3605, S. 13. Der Bundesrechnungshof war bereits auf Grundlage des § 66 RHO bemüht, die zeitlichen Abstände der Rechnungsprüfung möglichst gering zu halten. Vgl. dazu Leicht, Haushaltsreform, S. 66 f. (§ 66 Abs. 1 S. 1, 2 RHO lauteten: „Die Kassen haben für jedes Jahr Rechnung zu legen. Soweit es möglich und zweckmäßig ist, ist mit Zustimmung des Rechnungshofes bereits in kürzeren Zeitabschnitten Rechnung zu legen“). 11 BT-Drs. 4/3605, S. 15. 12 „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG)“ v. 8. 6. 1967 (BGBl. 1967, I, S. 582). Zurückgehend auf die sog. „Fiscal Theory“ wurde seitens der Wissenschaft seit Längerem ein konjunkturpolitisches Instrumentarium gefordert, das versucht, mithilfe des öffentlichen Haushalts konjunkturelle Schwankungen im Wirtschaftablauf zu beeinflussen und zu einem gleichgewichtigen Wachstum beizutragen. Vgl. zur „Fiscal Theory“ im Überblick: Patzig, Haushaltsrecht, Bd. 1, S. 76 f. 13 Rehm, Bundeshaushaltsreform, S. 60. 14 „Zwanzigstes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes“ v. 12. 5. 1969 (BGBl. 1969, I, S. 357). 10

§ 1 Neue Rechtsgrundlagen durch die Finanzrechtsreform 1970

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rechts des Bundes und der Länder (HGrG) 15 und der Bundeshaushaltsordnung (BHO) 16. Die Änderungen traten am 1. Januar 1970 in Kraft.

B. Neue verfassungsrechtliche Grundlage für die Beratungstätigkeit Durch die Haushaltsrechtsreform erhielt Art. 114 GG folgende neue Fassung: Art. 114 GG Abs. 1 GG: „Der Bundesminister der Finanzen hat dem Bundestag und dem Bundesrat über alle Einnahmen und Ausgaben sowie über das Vermögen und die Schulden im Laufe des nächsten Rechnungsjahres zur Entlastung der Bundesregierung Rechnung zu legen.“ Art. 114 Abs. 2 GG: „Der Bundesrechnungshof, dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen, prüft die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung. Er hat außer der Bundesregierung unmittelbar dem Bundestag und dem Bundesrat jährlich zu berichten. Im übrigen werden die Befugnisse des Bundesrechnungshofes durch Gesetz geregelt.“

Fraglich ist, was unter den Begriff „Prüfung“ im Sinne des Grundgesetzes subsumiert werden kann. So könnte der Begriff der Prüfung so weit ausgelegt werden, dass auch die Beratung hierunter fällt. Folglich würde die Beratung bereits zum verfassungsrechtlichen Auftrag des Bundesrechnungshofes gehören. Würde man der Beratung hingegen keinen verfassungsmäßigen Rang einräumen, so würde sie nur aufgrund eines einfachen Bundesgesetzes erfolgen. Dieses Bundesgesetz – namentlich die BHO – könnte sich dann auf die verfassungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage des Art. 114 Abs. 2 S. 3 GG stützen, mit der dem Bundesrechnungshof durch Bundesgesetz weitere Befugnisse zugewiesen werden können. Die Unterscheidung ist nicht nur theoretischer Natur, sondern für eine spätere Abwägung von Verfassungsgütern wesentlich. Denn zählte man die Beratung bereits zur verfassungsmäßigen Aufgabe des Bundesrechnungshofes, so wöge sie natürlich ungleich schwerer als wenn sie nur im Rang des einfachen Bundesrechts stünde. I. Auffassungen in der Literatur zum Umfang der Finanzkontrolle nach Art. 114 Abs. 2 GG In der Literatur wird der Umfang der Finanzkontrolle im Sinne des Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG unterschiedlich bewertet. 15 „Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz – HGrG)“ v. 19. 8. 1969 (BGBl. 1969, I, S. 1273). 16 „Bundeshaushaltsordnung (BHO)“ v. 19. 8. 1969 (BGBl. 1969, I, S. 1284).

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

Eine Minderheit in der Literatur 17 vertritt die Auffassung, die Beratung gehöre bereits zu den Aufgaben, die dem Bundesrechnungshof durch die Verfassung zugewiesen seien. So gehen v. Mutius und Nawrath 18 von einem dualen Ansatz des verfassungsmäßigen Leitbildes von Art. 114 Abs. 2 GG aus. Der Bundesrechnungshof als Prüfungsorgan leiste einerseits einen Beitrag zur Kontrollfunktion der parlamentarischen Entlastungsorgane, andererseits unterstütze er auch die Managementfunktion der Verwaltung. Art. 114 Abs. 2 GG habe keinem der Ziele den Vorrang eingeräumt, sodass aus Sicht von v. Mutius und Nawrath die geführte Kontroverse über die Priorität zwischen Kontrolle und Beratung am Kern des verfassungsmäßigen Leitbildes von Art. 114 GG vorbeiginge. Der Begriff der Prüfung im Sinne des Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG sei funktional zu verstehen und umfasse in einem ersten Schritt die Analyse eines Sachverhalts, in einem zweiten Schritt würden die hieraus zu ziehenden Folgerungen mitsamt den Sachverhaltsfeststellungen mitgeteilt 19. Zur Prüfung gehörten demnach sachnotwendig auch Vorschläge, Empfehlungen, Anregungen und dergleichen mit beratendem Charakter. Diese unselbstständige Beratung, so v. Mutius und Nawrath, sei damit eine verfassungsmäßige Aufgabe des Bundesrechnungshofes. Für Piduch 20 bedeutet Prüfen im Sinne des Art. 114 Abs. 2 GG, dass der Bundesrechnungshof einen bestimmten Sachverhalt, über den bereits entschieden worden ist, feststellt, in seinen finanzwirksamen Faktoren nachvollzieht und ihn anhand der Prüfungsmaßstäbe beurteilt. Prüfen finde daher begrifflich immer nur „nachher“, also nach der getroffenen Verwaltungsentscheidung statt. Eine Mitwirkung des Bundesrechnungshofes vor einer Entscheidung der Verwaltung sei nicht mehr nachherige Prüfung, sondern vorherige Beratung. Allerdings ist nach Ansicht Piduchs eine Empfehlung des Bundesrechnungshofes, wie in Zukunft in von ihm geprüften Fällen besser oder wirtschaftlicher verfahren werden kann, als teilweise notwendiger Annex zum Prüfungsergebnis zu verstehen 21. Solch beratende Empfehlungen aufgrund konkreter Prüfungsvorgänge, die eine bereits getroffene Verwaltungsentscheidung zum Gegenstand haben, gehörten traditionell zur verfassungsrechtlichen Aufgabe des Bundesrechnungshofes 22. Dagegen gehörten Beratungen, die der Bundesrechnungshof außerhalb konkreter Prüfungsvorgänge durchführt, nicht mehr zu seinem verfassungsrechtlichen Auftrag 23. 17 von Mutius / Nawrath, in: Heuer, Art. 114 Rn. 21; Nebel, in: Piduch, Art. 114 Rn. 28; Gröpl, in: Isensee / Kirchhof, HStR Bd. V, § 121 Rn. 44 zählt die „Frage nach Vollzugsalternativen“ mit zum Prüfungsmaßstab, lässt aber offen, ob sich dies unmittelbar aus der Verfassung oder erst aus der Bundeshaushaltsordnung ergeben soll. 18 von Mutius / Nawrath, in: Heuer, Art. 114 Rn. 9. 19 von Mutius / Nawrath, in: Heuer, Art. 114 Rn. 21. 20 Piduch, Art. 114 Rn. 20. 21 Piduch, Art. 114 Rn. 20. 22 Nebel, in: Piduch, Art. 114 Rn. 28.

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Mehrheitlich ist die Literatur 24 der Auffassung, dass die Beratung nicht zum verfassungsrechtlichen Auftrag des Bundesrechnungshofes zähle. Die Beratung sei dem Bundesrechnungshof nur durch einfaches Bundesrecht zugewiesen. Diese Zuweisung habe über die Ermächtigung in Art. 114 Abs. 2 S. 3 GG stattgefunden, nach dem die „übrigen“ Befugnisse des Bundesrechnungshofes durch Bundesgesetz geregelt werden. Aus dem Verfassungsbegriff „prüft“ ergebe sich, dass Finanzkontrolle in der Hauptsache nachträgliche Kontrolle sei, wodurch zugleich eine Vermischung der Verantwortungsgrenzen zwischen Kontrolliertem und Kontrolleur verhindert werde 25. Diese Nachträglichkeit der Finanzkontrolle könne man zwar bedauern, aber sollten Hinweise auf präventive Formen und Wirkungen und das Ideal der begleitenden Prüfung 26 nicht über den Vorrang nachträglicher Kontrolle hinwegtäuschen 27. Zur Prüfung im Sinne des Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG zähle sowohl die rechnungsabhängige als auch die rechnungsunabhängige Prüfung 28: Die rechnungsabhängige Prüfung sei die Kontrolle der vom Bundesfinanzminister gelegten Rechnung auf die äußere, buchhalterische Korrektheit. Bei der rechnungsunabhängigen Prüfung könne der Bundesrechnungshof einen Verwaltungsvorgang bereits prüfen, wenn er sich noch nicht in der förmlichen Rechnung niedergeschlagen habe. Diese rechnungsunabhängige Prüfung ergebe sich aus der Hervorhebung in Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG, dem zufolge der Rechnungshof auch die Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu prüfen hat 29. Die rechnungsunabhängige Prüfung könne also schon einsetzen, wenn der Verwaltungsvorgang abgeschlossen sei, dass heißt, sobald Gubernative oder Administrative eine Entscheidung mit finanzwirksamen Folgen gefällt hätten 30. Soweit bestimmte Planungen der Verwaltung bereits einen erkennbaren Abschluss gefunden hätten, könne der Bundesrechnungshof seine Kontrolltätigkeit bereits ausüben, selbst wenn die Maßnahmen noch nicht ins „Werk gesetzt“ worden seien 31. Bei der rechnungsunabhängigen Rechnungsprüfung könne der Bundes23

Nebel, in: Piduch, Art. 114 Rn. 28. Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art. 114 Rn. 11, hält zugleich die Beratungsaufgaben des Bundesrechnungshofes für nicht unproblematisch, da sie Zuständigkeiten verwischen könnten; Butzer, in: Epping / Hillgruber, Art. 114 Rn. 32; Heintzen, in: von Münch / Kunig, Art. 114 Rn. 22, hält die Zuweisung von Beratungsaufgaben im Hinblick auf die Befangenheit bei einer späteren Prüfung für „nicht unproblematisch“; Kube, in: Maunz / Dürig, Art. 114 Rn. 113; Schwarz, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 114 Rn. 125; Siekmann, in: Sachs, Art. 114 Rn. 39 ff., der zudem die Beratung auf wichtige Angelegenheiten beschränkt sehen möchte. 25 Heintzen, in: von Münch / Kunig, Art. 114 Rn. 8. 26 Heintzen, in: von Münch / Kunig, Art. 114 Rn. 26. 27 Heintzen, in: von Münch / Kunig, Art. 114 Rn. 8. 28 Kube, in: Maunz / Dürig, Art. 114 Rn. 65 f. 29 Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 427. 30 Butzer, in: Epping / Hillgruber, Art. 114 Rn. 7. 24

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

rechnungshof dabei auch neue Instrumente der Finanzkontrolle, wie etwa Struktur-, Querschnitts-, System- und Programmprüfungen, Organisations- und Personalwirtschaftsuntersuchungen sowie Effizienz und Risikoanalysen einsetzen 32. Insofern seien die Kompetenzen des Rechnungshofes weder gegenständlich noch zeitlich begrenzt 33, sondern es gelte der Grundsatz der Universalität der Finanzkontrolle 34. Andererseits dürfe auch die rechnungsunabhängige Finanzkontrolle nicht zu einer Mitbeteiligung des Bundesrechnungshofes an Verwaltungsentscheidungen führen 35 . II. Stellungnahme Art. 114 Abs. 2 GG verbindet das traditionelle Bild der Rechnungsprüfung mit dem modernen Verständnis der Finanzkontrolle. Zur klassischen, vergangenheitsbezogenen Aufgabe des Bundesrechnungshofes gehört dabei die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der vom Bundesfinanzminister vorgelegten Rechnung (Art. 114 Abs. 2 S. 1 1. HS). Stellt der Rechnungshof fest, dass bezüglich der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungen der Ist-Zustand von dem Soll-Zustand abweicht, so handelt es sich hierbei um eine Prüfung, die dem tradierten Bild der Finanzkontrolle entspricht. Die neue Rolle der Finanzkontrolle kommt im zweiten Teil des Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG zum Ausdruck, in dem es heißt, der Bundesrechnungshof prüft auch „die Wirtschaftlichkeit“ der Haushalts- und Wirtschaftsführung. Dieser Prüfungsmaßstab ist der wichtige Punkt, an dem sich entscheidet, ob eine Beratung vom Prüfungsbegriff der Verfassung umfasst ist. Der große Teil der Literatur verzichtet an dieser Stelle auf eine klare Subsumtion unter die gängige Definition der Wirtschaftlichkeit. Unter dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit wird gemeinhin eine ökonomisch sinnvolle Zweck-Mittel-Relation verstanden, die darin besteht, ein bestimmtes Ergebnis mit einem möglichst geringen Einsatz von Mitteln (Minimalprinzip) oder mit einem bestimmten Einsatz von Mitteln das bestmögliche Ergebnis (Maximalprinzip) zu erzielen 36. Durch die Überlegungen zur optimalen Zweck31 So noch Vogel / Kirchhof, in: BK, Art. 114 Rn. 117 (Stand: 143. Aktualisierung, Dezember 2009). 32 Kube, in: Maunz / Dürig, Art. 114 Rn. 65 f. 33 Heun, in: Dreier, Art. 114 Rn. 25. 34 Heintzen, in: von Münch / Kunig, Art. 114 Rn. 26. 35 So noch Vogel / Kirchhof, in: BK, Art. 114 Rn. 117 (Stand: 143. Aktualisierung, Dezember 2009). 36 Staender, Lexikon öffentliche Finanzwirtschaft, S. 479 f. Das Sparsamkeitsprinzip wird dabei oftmals als Teilaspekt der Wirtschaftlichkeit verstanden. Vgl. zu den Begriffen Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip,

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Mittel-Relation wird der Rechnungshof einen Vergleich der gewählten Maßnahme mit alternativen, womöglich wirtschaftlicheren Szenarien vornehmen 37. Die Unwirtschaftlichkeit einer Maßnahme oder einer Struktur kann also nur überzeugend begründet werden, wenn die zurzeit gängige Praxis einem theoretischen Alternativszenario gegenübergestellt wird, das eine bessere Zweck-MittelRelation beinhaltet. Mit anderen Worten ergeben sich durch die Wirtschaftlichkeitsprüfung zwangsläufig Vorschläge, auf welche Art und Weise der von der Exekutive gesetzte Zweck wirtschaftlicher erreicht werden kann. Vorschläge, wie ein Zweck wirtschaftlicher erfüllt werden kann, sind als eine Form der Beratung zu qualifizieren. Nun könnte eingewandt werden, der Prüfer habe die Möglichkeit, sich auf die reine Aussage zu beschränken, eine Maßnahme sei unwirtschaftlich, ohne hierfür eine Begründung anzuführen, warum – also aufgrund welcher Alternativszenarien – man zu diesem Ergebnis gekommen ist. Hiermit jedoch würde die Wirtschaftlichkeitsprüfung zu einer sinnentleerten Hülle degradiert, die der Verfassungsgesetzgeber nicht bezweckt haben kann. Vielmehr erhält die Wirtschaftlichkeitsprüfung ihren Sinn erst dadurch, dass der geprüften Stelle zumindest ein Bezugspunkt aufgezeigt wird, warum das von ihr gewählte Verhalten unwirtschaftlich ist. Zwar ist das Aufzeigen nur eines Bezugspunktes die denkbar abstrakteste Form der Beratung, aber sie empfiehlt der geprüften Stelle zumindest, eine Änderung an diesem kritisierten Punkt einzuleiten. Folglich kann selbst diese Feststellung als Beratung qualifiziert werden. Es kann also festgehalten werden, dass die reine Feststellung, etwas sei unwirtschaftlich bereits eine abstrakte Beratung ist. Schlägt der Rechnungshof aber alternative Mittel zur Erreichung des Zwecks vor, so liegt eine konkrete Beratung vor. Zur Verdeutlichung soll folgendes Beispiel dienen: Der Rechnungshof prüft die Organisationsstrukturen einer Behörde. Zweck jeder Behörde ist die Erfüllung einer vom Gesetzgeber oder der Exekutive festgelegten staatlichen Aufgabe. Als Mittel zur Erfüllung der Aufgabe hat sich die Behörde auf bestimmte Organisationsstrukturen festgelegt. Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung muss der Rechnungshof der derzeit vorhandenen Organisationsstruktur denknotwendig eine alternative Struktur gegenüberstellen, um zu untersuchen, ob die staatliche Aufgabe hierdurch schlechter, genauso gut oder besser erfüllt werden könnte. Hier sei unterstellt, dass der Rechnungshof zu dem Ergebnis kommt, eine Änderung der Organisation innerhalb der Behörde führe zu einer verbesserten Erfüllung S. 1 ff.; Butzer, in: Blanke / Bandemer / Nullmeier / Wewer (Hrsg.), Handbuch zur Verwaltungsreform, S. 392 f.; Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 190 (208 ff.); Grupp, in: Schulze-Fielitz (Hrsg.), Fortschritte der Finanzkontrolle in Theorie und Praxis, S. 9 ff.; Grupp, JZ 1982, S. 231 ff.; Nawrath, in: Heuer, § 90 Rn. 9 ff.; Rischer, Finanzkontrolle, S. 231 ff.; Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (254 ff.). 37 Butzer, in: Epping / Hillgruber, Art. 114 Rn. 6.

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

der Aufgabe. Für ein solches Ergebnis müsste sich der Rechnungshof Gedanken machen, welche Organisationsänderungen innerhalb der Behörde möglich sind und wie sich diese wirtschaftlich auswirken. Natürlich könnte sich der Bundesrechnungshof nun in seiner Prüfungsmitteilung an die Behörde darauf beschränken festzustellen, dass die Organisationsstrukturen der Behörde unwirtschaftlich seien. Doch bereits in dieser Feststellung der Unwirtschaftlichkeit liegt zumindest der abstrakte – aus dem Umkehrschluss folgende – Vorschlag, die Organisationsstrukturen in der Behörde zu ändern. Falls der Rechnungshof – und dies ist der Regelfall in der Praxis – zudem der Behörde eine nähere Begründung für die Feststellung der Unwirtschaftlichkeit gibt, so zeigt er gleichzeitig die von ihm zugrunde gelegten besseren Alternativszenarien auf. Würde der Rechnungshof der Behörde darüber hinaus weitere Empfehlungen an die Hand geben, wie eine alternative Organisation aus seiner Sicht aussehen könnte, so würde an dieser Stelle aus einer abstrakten Beratung eine konkrete werden. Die Überlegungen sollen anhand eines Beispiels aus den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes für das Jahr 2008 weiter konkretisiert werden: Im Jahr 1998 wurde durch das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz 38 (EAEG) die „Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen“ (EdW) gegründet, die dem Schutz privater Anleger dienen soll. Der Bundesrechnungshof führte in seinen Bemerkungen aus dem Jahr 2008 hierzu aus: „das Bundesministerium der Finanzen [war] im Jahr 1998 von bis zu 7000 beitragspflichtigen Unternehmen und bis zu 15 Mio. Euro jährlichen Beitragseinnahmen ausgegangen. Dem standen im Jahr 2006 tatsächlich nur 760 Unternehmen mit Beiträgen von 3,4 Mio. Euro gegenüber“ 39.

Bei dieser Äußerung des Bundesrechnungshofes erschöpft sich die Prüfung noch in dem reinen Vergleich zwischen dem Ist- und dem Soll-Zustand, ohne zunächst eine Bewertung oder Empfehlungen nach dem Prüfungsmaßstab der Wirtschaftlichkeit vorzunehmen. Weiter heißt es in dem Bericht des Bundesrechnungshofes: „Insbesondere das niedrigere Beitragsvolumen, der dadurch bedingte hohe Verwaltungskostenanteil sowie eine niedrige Verzinsung des Sondervermögens durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau verhindern einen nachhaltigen Vermögensaufbau der Entschädigungseinrichtung. Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes kann das jetzige EdW das im Gesetzgebungsverfahren angestrebte Ziel eines finanzstarken Sicherungssystems mit breiter Risikostreuung und niedrigen Kosten nicht erreichen. Das Bundesministerium hält das Gesetz dagegen für ausreichend“ 40. 38 „Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz v. 16. 7. 1998“ (BGBl. 1998, I, S. 1842). 39 Bemerkungen des BRH 2008, S. 18. 40 Bemerkungen des BRH 2008, S. 18.

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Durch diese Analyse des Sachverhalts hat der Bundesrechnungshof seine Prüfung weiter ausgedehnt, indem er eine Bewertung anhand einer Zweck-Mittel-Relation vorgenommen hat. So wird nach Ansicht des Rechnungshofes der erstrebte Zweck des Gesetzgebers (ausreichender Anlegerschutz durch ein finanzstarkes Sicherungssystem) mit dem zurzeit eingesetzten Mittel (das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz in seiner bestehenden Struktur) nicht hinreichend erreicht. Allerdings hat der Bundesrechnungshof auch an dieser Stelle noch keine Prüfung im Sinne des Wirtschaftlichkeitskriteriums, das nach der optimalen Zweck-Mittel-Relation fragt, vorgenommen. Diese Wirtschaftlichkeitsprüfung, die mit einer Empfehlung verbunden ist, nimmt der Bundesrechnungshof abschließend vor, indem er fortfährt: „Der Bundesrechnungshof fordert, (...) die Rechtsgrundlagen und die Organisation der EdW zu prüfen und zu verbessern. Das Bundesministerium sollte darüber hinaus ein Konzept entwickeln, um die Aufsicht über die EdW zu verbessern.“ 41

Der Bundesrechnungshof hat an dieser Stelle Empfehlungen ausgesprochen, wie die Entschädigungseinrichtung wirtschaftlicher gestaltet werden kann. Diese Empfehlungen sind als eine Form der Beratung zu qualifizieren. Zwar handelt es sich um eine abstrakte Beratung, da sie keine Details beinhaltet, wie die vorgeschlagenen Änderungen auszugestalten sind, aber nichts desto trotz, sind die Äußerungen des Rechnungshofes als Beratung zu qualifizieren. Als Ergebnis ist mithin festzuhalten, dass eine Prüfung anhand des Wirtschaftlichkeitsmaßstabes im Sinne des Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG zwingend eine Beratungskomponente enthält. Damit gehört die Beratung, die akzessorisch zu der durch den Bundesrechnungshof eingeleiteten Prüfung ergeht, mit zur verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgabe des Bundesrechnungshofes. Nach der hier vertretenen Auffassung lässt sich damit folgende Definition des Begriffes der Prüfung im Sinne des Art. 114 Abs. 2 GG formulieren: Prüfen ist das auf Initiative des Rechnungshofes eingeleitete Nachvollziehen eines die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes betreffenden finanzwirksamen Sachverhalts, der mit einer bewertenden und / oder beratenden Stellungnahme verbunden werden kann.

C. Neue einfachgesetzliche Grundlagen für die Beratungstätigkeit Der Bundesrechnungshof erhielt für seine beratende Tätigkeit durch die Finanzrechtsreform verschiedene neue Rechtsgrundlagen in der Bundeshaushalts41

Bemerkungen des BRH 2008, S. 18.

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

ordnung. Einen wichtigen Anteil hat die Beratung der Exekutive im Rahmen der Prüfungen und die hierzu jährlich ergehenden Bemerkungen des Bundesrechnungshofes an die Bundesregierung, den Bundestag und den Bundesrat nach § 97 Abs. 2 Nr. 4 BHO. Besondere Beratungsberichte erstellt der Bundesrechnungshof auf Grundlage des § 88 Abs. 2 BHO und § 99 BHO. Während des Aufstellungsverfahrens zum Bundeshaushalt kann er sich auf Grundlage des § 27 Abs. 2 BHO äußern. §§ 102 Abs. 3, 103 BHO ermöglichen ihm die Beteiligung an Verwaltungsentscheidungen zur Bundeshaushaltsordnung und räumen ihm bestimmte Anhörungsrechte ein. Entscheidend ist, dass mit der Reform die gesetzliche Fokussierung der beratenden Funktion der Finanzkontrolle auf die Person des Präsidenten des Bundesrechnungshofes beseitigt wurde. Damit kehrte der Gesetzgeber im Haushaltsrecht wieder zu der Konstruktion für die Beratung zurück, die vor den Änderungen durch die zweite Novelle der Reichshaushaltsordnung im Jahr 1934 gegolten hatte. So hob der Gesetzgeber die Gutachterbefugnis des Präsidenten des Bundesrechnungshofes nach § 8 BRHG auf, indem § 119 Abs. 2 Nr. 4 BHO anordnete, dass mit Inkrafttreten der Bundeshaushaltsordnung § 4 BRHG sowie §§ 6 bis 9 BRHG ihre Gültigkeit verlieren. Auch § 88 Abs. 2 BHO, der sich an § 101 RHO anlehnt, sprach wieder dem Rechnungshof als Ganzes und nicht nur dessen Präsidenten eine Beratungsfunktion zu. Auch die Beratung im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens nach § 27 Abs. 2 BHO stand nun nicht mehr – wie noch § 19 Abs. 2 RHO normierte – dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes zu, sondern dem Rechnungshof als Ganzes. Bemerkenswerterweise wurde durch § 27 Abs. 2 BHO auch die Einschränkung gestrichen, dass der Rechnungshof sich zu den Haushaltsvoranschlägen der Ressorts nur aufgrund von Prüfungserfahrungen äußern konnte. I. Beratung nach § 88 BHO Die Beratung durch den Bundesrechnungshof ist ausdrücklich in § 88 Abs. 2 BHO genannt. Hiernach kann der Bundesrechnungshof den Bundestag, den Bundesrat, die Bundesregierung oder einzelne Bundesministerien aufgrund von Prüfungserfahrungen beraten. In der Literatur wird jedoch erörtert, ob sich eine Beratung auch auf § 88 Abs. 1 BHO stützen kann, obwohl der Wortlaut der Vorschrift zunächst nur die Prüfung erfasst. Nach Teilen der Literatur 42 kann der Bundesrechnungshof nicht nur auf Grundlage des § 88 Abs. 2 BHO, sondern schon nach § 88 Abs. 1 BHO eine Beratungs42

Engels, in: Heuer, Einführung zur PO-BRH, Rn. 31; Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 16 ff.; ebenso schon der vorherige Kommentator Nawrath (§ 88 Rn. 9 ff., 27. Lieferung vom Dezember 1998); Nebel, in: Piduch, § 88 Rn. 5.

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funktion ausüben. Dabei soll § 88 Abs. 1 BHO die sog. unselbstständige und § 88 Abs. 2 BHO die sog. selbstständige Beratung erfassen. Nach Mähring liegt eine unselbstständige Beratung nach § 88 Abs. 1 BHO vor, wenn eine Empfehlung, ein Hinweis oder ein Vorschlag des Bundesrechnungshofes ergeht, der in unmittelbarem sachlichem Zusammenhang mit bestimmten Prüfungsfeststellungen steht. Die unselbstständige Beratung sei mithin natürliche Folge eines Prüfungsverfahrens. Die Beratung nach § 88 Abs. 1 BHO sei insofern eine „streng prüfungsakzessorische Beratung“, die des § 88 Abs. 2 BHO dagegen eine „freie Beratung“ 43. Prüfung sei nicht nur Selbstzweck, sondern neben der Verwaltung, die die genannten Mängel beheben könne, würden auch den Gesetzgebungsorganen Informationen zugeleitet, die ihre Kontroll- und Budgetrechte verbesserten. Alles, was im Laufe einer Prüfung und in ihrem Nachgang diesen Zwecken diene, sei noch unselbstständige Beratung 44. Mähring räumt ein, im Einzelfall sei die Abgrenzung zwischen unselbstständiger und selbstständiger Beratung schwierig 45. Diese Abgrenzung wird weiter erschwert, indem er als zusätzliche Beratungsvariante die sog. informelle Stellungnahme nennt. Eine solche im „kleinen Dienstverkehr“ erteilte, nicht verbindliche Äußerung des Bundesrechnungshofes liege vor, wenn der Beratungsempfänger auf eine kollegiale und in der Regel mehr Zeit in Anspruch nehmende Beratung erkennbar verzichte 46. Mit der Figur der unselbstständigen Prüfung schafft Mähring zugleich eine weite Definition des Begriffes Prüfung. Prüfen als Aufgabe des Bundesrechnungshofes bedeute demnach, einen Sachverhalt festzustellen, mit Blick auf die Prüfungsmaßstäbe nachzuvollziehen, zu bewerten und daran anknüpfend Empfehlungen auszusprechen, die eine künftig verbesserte Haushalts- und Wirtschaftsführung im Hinblick auf Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zum Ziel haben 47. Zeitlich sei eine Prüfung immer eine ex post Kontrolle, denn die Verwaltung schaffe durch ihre Entscheidung erst den zu prüfenden Sachverhalt 48. Ebenfalls als Prüfung zu qualifizieren sei zum einen die gegenwartsnahe, zum anderen die begleitende Prüfung. Die gegenwartsnahe Prüfung habe einen abgrenzbaren Tatsachenkern, der Teil eines nicht abgeschlossenen größeren Ganzen sei. Die begleitende Prüfung, die bei langjährigen Programmen und 43

Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 18. Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 17. 45 Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 22. Beim vorherigen Kommentator, Nawrath, heißt es (§ 88 Rn. 9, 27. Lieferung vom Dezember 1998): „In der Alltagspraxis der Zusammenarbeit des BRH mit dem Parlament, hier insbesondere mit dem Haushaltsausschuss, und mit Verwaltungsstellen, lassen sich diese Formen nicht immer auseinanderhalten“. 46 Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 22. 47 Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 8 und Art. 114 Rn. 21 m.w. N. 48 Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 9. 44

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

Beschaffungsvorgängen zum Tragen komme, sei ebenfalls nachgängig im Sinne eines abgrenzbaren Tatsachenkerns. Bei der selbstständigen Beratung nach § 88 Abs. 2 BHO fordert Mähring, das Merkmal „aufgrund von Prüfungserfahrungen“ weit zu verstehen und die Vorschrift beratungsfreundlich zu interpretieren 49. Es sei nicht notwendig, dass bestimmte Prüfungserfahrungen vorlägen, sondern die Beratung müsse lediglich einen auf dem Prüfungsgeschäft des Bundesrechnungshofes basierenden Inhaltskern aufweisen 50. Das Beratungsmandat könne die Bundesregierung als Kollegialorgan ebenso wie einzelne Bundesministerien erteilen. Aber über den Gesetzeswortlaut hinaus will Mähring auch dem „gesamten nachgeordneten Bereich“ die Möglichkeit geben, den Bundesrechnungshof um eine Beratung gem. § 88 Abs. 2 BHO zu ersuchen. Hiermit können aufgrund einer fehlenden begrifflichen Einschränkung also nur alle Bundesober-, Bundesmittel- und Bundesunterbehörden gemeint sein. Ebenfalls von einer Beratungsmöglichkeit nach § 88 Abs. 1 BHO geht Nebel aus 51. Ohne den Ausdruck der unselbstständigen Beratung zu verwenden, zählt Nebel eine beratende Empfehlung des Bundesrechnungshofes, die nur eine Folgerung aus der geprüften Verwaltungsentscheidung sei, zum traditionellen Bestandteil der Prüfungsaufgabe. Erst die von der Prüfung losgelöste Beratung sei eine unselbstständige Beratung i. S. d. § 88 Abs. 2 BHO. Den Begriff der Prüfung definiert Nebel zunächst enger: Prüfung als Aufgabe des Bundesrechnungshofes bedeute, einen bestimmten Sachverhalt, über den bereits entschieden worden ist, festzustellen, in seinen finanzwirksamen Faktoren nachzuvollziehen und ihn im Vergleich zu den Soll-Anforderungen (Prüfungsmaßstäben) zu beurteilen. Eine Mitwirkung des Bundesrechnungshofes vor einer Entscheidung der Verwaltung sei keine nachherige Prüfung, sondern vorherige Beratung. Wenn jedoch die Prüfung konkreter Fälle eine Empfehlung des Bundesrechnungshofes erfordere, wie in Zukunft in solchen Fällen besser oder wirtschaftlicher zu verfahren sei, so handele es sich um einen notwendigen Annex des Prüfungsergebnisses, nicht aber um eine Beratung außerhalb konkreter Prüfungsergebnisse. Karehnke 52 unterscheidet nicht zwischen selbstständiger (§ 88 Abs. 1 BHO) bzw. unselbstständiger (§ 88 Abs. 2 BHO) Beratung, sondern vertritt die Auffassung, die Grenzen zwischen Beratung und Prüfung seien fließend. Jede Prüfung sei zugleich Beratung, so Karehnke, ebenso, wie jede Beratung auch eine Prüfungstätigkeit erfordere 53. Durch das Nachvollziehen der einzelnen Verwaltungs49

Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 21. Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 20. 51 Nebel, in: Piduch, § 88 Rn. 5. 52 Karehnke, DVBl. 1975, S. 611 ff. Erste Ausführungen in diese Richtung schon Karehnke, DHÖ 1971, S. 163 (165). 50

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entscheidung im Rahmen der Prüfungstätigkeit komme der Rechnungshof zu Erkenntnissen, die für zukünftige Fälle von Belang seien, und spätestens zum Zeitpunkt der Mitteilung an die geprüfte Stelle trete die beratende Funktion zusammen mit der Prüfung auf. Bei der Beratung sei es hingegen so, dass zunächst immer der Sachverhalt ermittelt werden müsse, und hierin liege zwangsläufig auch immer eine Prüfung des „Ist-Zustandes“. Ob nun im Ergebnis eine Prüfung oder eine Beratung vorliege, kann nach Karehnke, nur anhand des Schwerpunktes des jeweiligen Tätigkeitsauftrages und seiner Durchführung entschieden werden. Liege der Schwerpunkt im „Nachvollziehen“, handele es sich um eine Prüfung, liege er im „Hilfeleisten“, müsse von einer Beratung ausgegangen werden 54. Nach Morell sind Äußerungen des Hofes keine Beratung, wenn sie zum Zwecke oder im Verlauf der Rechnungsprüfung i. S. d. § 88 Abs. 1 BHO erfolgten oder bei der Behandlung der Prüfungsergebnisse getätigt würden 55. Den Begriff der Beratung definiert Morell als Weitergabe von Erkenntnissen aus der Rechnungsprüfung, verbunden mit einer wertenden Stellungnahme des Rechnungshofes zum Beratungsfall. Aus systematischen und inhaltlichen Gründen überzeugt die Auffassung, wonach der Bundesrechnungshof auch auf Grundlage des § 88 Abs. 1 BHO beratend tätig werden kann. So normiert § 88 Abs. 1 BHO, dass der Bundesrechnungshof „nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen“ prüft. Zu diesen Maßgaben zählt § 90 BHO, der die Inhalte der Prüfung näher bestimmt. § 90 Nr. 1 und Nr. 2 BHO betreffen die Prüfung auf die Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes. Doch die Bundeshaushaltsordnung begrenzt den Prüfungsbegriff nicht auf die Ordnungsmäßigkeit, sondern gem. § 90 Nr. 3 BHO soll sich die Prüfung auch darauf erstrecken, ob der Bund bei seiner Haushalts- und Wirtschaftsführung wirtschaftlich und sparsam verfahren ist. Gem. § 90 Nr. 4 BHO hat der Bundesrechnungshof seine Prüfung zudem darauf zu richten, ob die staatliche Aufgabe mit geringerem Personal- oder Sachaufwand oder auf andere Weise wirksamer erfüllt werden kann. § 90 Nr. 4 BHO stellt also direkt auf das Vorbringen von Handlungsalternativen ab und ist damit als konkrete Beratung zu qualifizieren. Da § 90 Nr. 3 und Nr. 4 BHO die Rechnungsprüfung anhand des Wirtschaftlichkeitsmaßstabes erfassen, gilt, wie schon oben zu Art. 114 GG ausgeführt, dass jede Wirtschaftlichkeitsprüfung immer auch eine Beratungskomponente umfasst. Folglich kann der Bundesrechnungshof eine Beratung auch auf Grundlage des § 88 Abs. 1 BHO in Verbindung mit § 90 Nr. 3 und Nr. 4 BHO vorneh-

53 54 55

Karehnke, DVBl. 1975, S. 611 (612). Karehnke, DVBl. 1975, S. 611 (612). Morell, Kommentar zur BHO, § 88 Rn. 33.

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men. Eine Pflicht zur Beratung besteht jedoch nicht, da der Bundesrechnungshof gem. § 89 Abs. 2 BHO die Prüfung nach seinem Ermessen beschränken kann. Im Gegensatz zu § 88 Abs. 1 BHO ist im Wortlaut des § 88 Abs. 2 BHO die Beratung expressis verbis genannt. Vorläufer des § 88 Abs. 2 BHO im Haushaltsrecht war § 101 RHO. Im Vergleich zum § 101 RHO ist festzuhalten, dass es sich bei § 88 Abs. 2 BHO – wie auch schon bei § 8 BRHG – um eine „KannVorschrift“ handelt, das heißt eine Beratung steht im Ermessen des Bundesrechnungshofes. Entgegen des Wortlauts von § 88 Abs. 2 BHO stellte die Gesetzesbegründung der Bundesregierung 56 zudem klar, der Bundesrechnungshof könne nicht nur auf Ersuchen der genannten Stellen, sondern auch aus eigener Initiative heraus beratend tätig werden. Weiter stellte die Gesetzesbegründung 57 klar, eine Beratung nach § 88 Abs. 2 könne sich ihrem Wesen nach nur auf „wichtige Angelegenheiten“ beziehen, ohne allerdings nähere Erläuterungen zu geben, was hierunter zu verstehen ist. Ein entscheidender Unterschied zwischen der Beratung nach § 88 Abs. 1 i.V. m. § 90 Nr. 3 und 4 BHO und der Beratungsvorschrift des § 88 Abs. 2 BHO ist, dass die Initiative für eine Beratung nicht vom Rechnungshof ausgehen muss, sondern Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung oder einzelne Bundesministerien um eine Beratung bitten können. Zwar sagt der Wortlaut des § 88 Abs. 2 BHO nichts darüber aus, auf wessen Veranlassung eine Beratung nach § 88 Abs. 2 BHO erfolgen kann. Die Gesetzesbegründung der Bundesregierung 58 stellt aber eindeutig fest, dass der Bundesrechnungshof auf Wunsch der Legislative und Exekutive oder aus eigener Initiative beratend tätig werden könne. Von diesem Grundsatz geht auch die Literatur mehrheitlich aus 59. Nach überzeugender Auffassung 60 soll der Bundesrechnungshof aber im Falle einer Beratungsbitte seitens der Regierung oder des Parlaments nicht verpflichtet sein, dem Ersuchen nachzukommen. Da dem Rechnungshof eine Beratung aber schon im Prüfungsverfahren gem. § 88 Abs. 1 BHO i.V. m. § 90 Nr. 3 und Nr. 4 BHO möglich ist, hat sich § 88 Abs. 2 BHO als entscheidende Rechtsgrundlage etabliert, nach der der Rechnungshof den Bundestag und hier insbesondere den Haushalts- und Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages berät 61.

56

BT-Drs. 5/3040, S. 66. BT-Drs. 5/3040, S. 66. 58 BT-Drs. 5/3040, S. 66. 59 Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 23; Nebel, in: Piduch, § 88 Rn. 5.; anders Gröpl, HStR Bd. V, § 121 Rn. 41, der ohne weitere Begründung davon ausgeht, der Bundesrechnungshof könne nicht aus eigener Initiative beratend tätig werden. 60 Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 23; Nebel, in: Piduch, § 88 Rn. 5; Morell, Kommentar zur BHO, § 88 Rn. 3.3. 61 Vgl. dazu unten S. 235. 57

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Einschränkend verlangt eine Beratung nach § 88 Abs. 2 BHO, der Bundesrechnungshof könne nur aufgrund von Prüfungserfahrungen tätig werden. Diese Voraussetzung ist nach allgemeiner Auffassung nicht erfüllt, wenn der Bundesrechnungshof seine Beratung ausschließlich auf die Erfahrungen Dritter stütze, wie beispielsweise Wissenschaftlern, anderen Verwaltungsstellen oder Personen aus der freien Wirtschaft 62. Deren Wissen könne nur in der auf einer Prüfung basierenden Betrachtung vom Bundesrechnungshof einbezogen werden. In Fällen, in denen an den Bundesrechnungshof ein Beratungsersuchen gestellt wird, er aber noch nicht über entsprechende Prüfungserfahrungen verfügt, wird es in praxi im Hof so gehandhabt, dass zunächst eine Prüfung eingeleitet wird, auf deren Grundlage eine Beratung vorgenommen werden kann 63. Zudem führt Stern zu Recht aus, es sei zweifelhaft, dass dem Tatbestandsmerkmal irgendeine gegenständliche Begrenzung zukomme, da praktisch für jeden finanzwirksamen Vorgang in irgendeiner Form auf Prüfungserfahrungen zurückgegriffen werden könne 64. Festzuhalten bleibt damit, dass § 88 Abs. 1 i.V. m. § 90 Nr. 3 und 4 BHO die prüfungsakzessorische Beratung auf Initiative des Bundesrechnungshofes, § 88 Abs. 2 BHO dagegen die Beratung auf Initiative des Bundesrechnungshofes, der Legislative oder Exekutive erfasst (auch selbstständige oder freie Beratung genannt). 1. Verfahren und Form der Beratung nach § 88 Abs. 1 BHO i.V. m. § 90 Nr. 3 und Nr. 4 BHO Das Prüfungsverfahren und damit die prüfungsakzessorische Beratung hat der Bundesrechnungshof durch eine detaillierte Prüfungsordnung (PO-BRH) geregelt, die auf Grundlage des § 14 Abs. 1 Nr. 5 BRHG im Jahr 1997 erlassen worden ist 65. Nach einem im Bundesrechnungshof entwickelten Aufgabenkatalog (§ 13 bis 21 PO-BRH) wählen die Kollegien ihre Prüfungsgegenstände aus. Das Kollegium für ein Prüfungsgebiet besteht gem. § 9 Abs. 1 S. 1 BRHG aus dem zuständigen Abteilungsleiter und dem zuständigen Prüfungsgebietsleiter. Dieses Zweierkollegium erweitert sich zum Dreierkollegium, wenn der Präsident oder der Vizepräsident 66 hinzutritt, weil er oder ein Mitglied des Zweierkollegiums

62

Morell, Kommentar zur BHO, § 88 Rn. 32. Dies entspricht nach vom Verfasser geführten Gesprächen im Bundesrechnungshof der Praxis im Hof. 64 Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 431. 65 „Prüfungsordnung des Bundesrechnungshofes v. 19. November 1997“ in der Fassung v. 13. 12. 2007. Abgedruckt bei Engels, in: Heuer, VI/3, S. 16 ff. 63

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

dies für erforderlich hält. Entscheidungen in den Kollegien sind gem. § 15 Abs. 1 BRHG nur einstimmig möglich. Nachdem ein Prüfungskonzept entwickelt wurde (§ 23 Abs. 1 PO-BRH), beginnt die Durchführung der Prüfung (§§ 25 bis 30 PO-BRH) mit der Prüfungsankündigung gegenüber der zu prüfenden Stelle. Die Prüfungsbeamten führen dann an der zu prüfenden Stelle nach einem vom Bundesrechnungshof verabschiedeten Prüfungsleitfaden örtliche Erhebungen durch. Die Prüfungsergebnisse werden in einer Prüfungsmitteilung zusammengefasst, die gem. § 33 Abs. 2 PO-BRH den ermittelten Sachverhalt, dessen Würdigung, die nach Auffassung des Bundesrechnungshofes gebotenen Folgerungen sowie gegebenenfalls Empfehlungen enthält, wie die festgestellten Mängel zu beheben sind. Die Beschlussfassung über die Prüfungsmitteilung erfolgt gem. § 12 Abs. 1 und Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrechnungshofes (GO-BRH) in den Zweier- bzw. Dreierkollegien. Sodann wird die Prüfungsmitteilung gem. § 34 PO-BRH der geprüften, der vorgesetzten und derjenigen Stelle zugeleitet, die für den Erlass von Rechtsvorschriften oder Aufsichtsmaßnahmen zuständig ist. In Fällen grundsätzlicher oder erheblicher finanzieller Bedeutung erhält zudem das Bundesfinanzministerium die Prüfungsmitteilung. Durch die Beschränkung des Adressatenkreises sind die Prüfung und die mit ihr gegebenenfalls einhergehende Beratung nicht öffentlich. Das weitere Verfahren richtet sich nach § 35 PO-BRH und ist von der jeweiligen Reaktion der geprüften Stelle abhängig: Teilt die geprüfte Stelle die Auffassung des Bundesrechnungshofes und sichert sie zu, den gemachten Empfehlungen zu folgen, so endet in der Regel das Prüfungsverfahren vorbehaltlich späterer Kontrollprüfungen. Bestreitet die geprüfte Stelle die Ausführungen des Bundesrechnungshofes, so kommt es zu einem weiteren gegenseitigen Austausch der Standpunkte. Bleiben hiernach noch immer Meinungsverschiedenheiten bestehen, so entscheidet das Kollegium, ob juristische Ansprüche wie Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche gegen die geprüfte Behörde eingeleitet werden können beziehungsweise sollen und insbesondere, ob der Bundestag, der Bundesrat oder die Bundesregierung über Prüfungsergebnisse im Rahmen der Bemerkungen gem. § 97 BHO, der Sonderberichte nach § 99 BHO oder der Beratungsberichte gem. § 88 Abs. 2 BHO unterrichtet werden soll. Somit hat der Bundesrechnungshof die Möglichkeit, die zunächst nicht öffentliche Beratung öffentlich zu machen.

66 Ob der Präsident oder der Vizepräsident hinzutritt, richtet sich danach, wie beide Personen zuvor ihre Zuständigkeiten für die jeweiligen Abteilungen verteilt haben.

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2. Verfahren und Form der Beratung nach § 88 Abs. 2 BHO Im Zuge der Haushaltsrechtsreform 1969 kam es nicht zu einer gesetzlichen Normierung, nach welchem Verfahren der Bundesrechnungshof eine Beratung gem. § 88 Abs. 2 BHO durchzuführen hat. In der Geschäftsordnung sowie der Prüfungsordnung des Bundesrechnungshofes ist das Verfahren der selbstständigen Beratung nur rudimentär geregelt. Nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 GO-BRH ist eine Stellungnahme im Rahmen einer Beratungstätigkeit eine „Entscheidung“ des Bundesrechnungshofes. Entscheidungen des Bundesrechnungshofes treffen gem. § 8 BRHG, § 13 Abs. 1 GO-BRH die Kollegien, die Prüfungsgruppen, die Senate und der Große Senat. § 53 Abs. 2 S. 1 PO-BRH legt dann genauer fest, dass über Berichte nach § 88 Abs. 2 BHO das zuständige Kollegium zu entscheiden hat. Im Falle der Berichterstattung an die gesetzgebenden Organe verlangt § 53 Abs. 2 S. 2 PO-BRH eine Beteiligung des für Grundsatzfragen der Finanzkontrolle zuständigen Kollegiums. Eine detailliertere Verfahrensregel für die Beratung wird im Bundesrechnungshof nicht für notwendig erachtet, da sich das Verfahren zwischen den Beteiligten eingespielt habe 67. Über das Ob, Wann und Wie der Beratung nach § 88 Abs. 2 BHO entscheidet – nach dem jährlich aufzustellenden Geschäftsverteilungsplan – ein für das jeweilige Prüfungsgebiet zuständiges Zweier- oder Dreierkollegium 68. In der Praxis werden die Berichte nach § 88 Abs. 2 BHO im Dreierkollegium behandelt, da die Präsidenten von der Möglichkeit des in § 14 Abs. 2 GO-BRH niedergelegten Generalvorbehaltes eines Hinzutrittst zum Zweierkollegium Gebrauch machen 69. Danach behalten sie sich bei den ihnen zugeordneten Abteilungen die Mitwirkung im Dreierkollegium vor, wenn Berichte und Gutachten an den Deutschen Bundestag, den Bundesrat sowie deren Ausschüsse erstattet werden sollen. Eine Entscheidung kommt bei den Zweier- und Dreierkollegien nur bei Einstimmigkeit zustande, § 15 Abs. 1 BRHG. Besondere Formschriften für eine Beratung nach § 88 Abs. 2 BHO existieren nicht. In der Praxis erfolgt die Beratung nach § 88 Abs. 2 BHO in der Regel in schriftlicher Form 70. In den Fällen, in denen der Deutsche Bundestag der Beratungsadressat ist, wird der Bericht in der Praxis nicht an das Parlament in seiner Gesamtheit, sondern nur an den jeweiligen Ausschuss gerichtet. Dies ist in der Hauptsache der Haushaltsausschuss bzw. sein Unterausschuss, der Rechnungsprüfungsausschuss 71. Aber auch andere Ausschüsse werden bisweilen vom Bundesrechnungshof beraten. Eine bedeutende Rolle bei der Zusammenarbeit 67 68 69 70

Engels, in: Heuer, Einführung zur PO-BRH, Rn. 30. Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 24. Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 24. Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 24.

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

mit den Ausschüssen nimmt die Beratung der Berichterstatter für die Einzelpläne des Bundeshaushalts ein. Vor Absendung der Berichte an den Bundestag erhalten die von der Beratung fachlich betroffenen Ressorts regelmäßig Gelegenheit zur Stellungnahme. In den Fällen, in denen der Bundesrechnungshof die Legislative berät, trifft ihn gem. § 88 Abs. 2 S. 2 BHO eine Unterrichtungspflicht gegenüber der Bundesregierung. Allerdings bildet eine formelle Unterrichtung der gesamten Bundesregierung die Ausnahme 72. Über ihre Vertreter in den Ausschüssen ist die Bundesregierung in der Regel bereits frühzeitig über angeforderte bzw. laufende Beratungsvorgänge informiert. Die Ausschussmitglieder erhalten den Bericht als Ausschussdrucksache. Die sog. „88er-Berichte“ sind damit, anders als die in Form von Bundestagsdrucksachen erscheinenden Bemerkungen oder Sonderberichte nach § 99 BHO, der Öffentlichkeit nicht ohne Weiteres zugänglich. Aufgrund ihrer politischen Bedeutung gelangen sie dennoch immer wieder aufgrund von Indiskretionen mittels der Medien an das Licht der Öffentlichkeit 73. In der Literatur wird es aber teilweise 74 für unbedenklich gehalten, Ergebnisse aus den Beratungen nach § 88 Abs. 2 BHO in die jährlichen Bemerkungen des Bundesrechnungshofes aufzunehmen, wenn dies wegen des Sachzusammenhangs zu einem Berichtsgegenstand zweckmäßig erscheint. Jedoch sei bei Beratungen, die auf Wunsch der Verwaltung stattgefunden haben, deren Einverständnis für eine Berichterstattung in den Bemerkungen notwendig. Andere Stimmen 75 hingegen schließen eine Aufnahme von Beratungsgegenständen in die Bemerkungen aus, da Erkenntnisse aus der Beratung gem. § 88 Abs. 2 BHO nicht zu den Prüfungsfeststellungen im Sinne des § 97 BHO zählten. 3. Exkurs – Beratung nach § 88 Abs. 2 und Abs. 3 in den Landeshaushaltsordnungen Alle 16 Bundesländer haben in ihrer jeweiligen Landeshaushaltsordnung (LHO) in § 88 Abs. 2 eine Beratungsmöglichkeit des Landesrechnungshofes nor71

Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 25. Zur Anzahl der Beratungsberichte gem. § 88 Abs. 2 BHO an den Haushaltsausschuss bzw. Rechnungsprüfungsausschuss siehe unten S. 236. 72 Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 25. 73 Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 24. 74 So noch Schrenk, in: Heuer, § 97 Rn. 13 (49. Ergänzungslieferung April 2010); Sievers, in Heuer, § 97 Rn. 5 spricht nunmehr nur noch davon, dass es unbedenklich sei, Beratungsinhalte des BWV mit in die Bemerkungen aufzunehmen (50. Ergänzungslieferung, Juli 2010). 75 Piduch, § 97 Rn. 3.

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miert 76, die inhaltlich derjenigen der §§ 88 Abs. 2 BHO, 42 Abs. 5 S. 1 HGrG gleichkommt. So heißt es zum Beispiel in § 88 Abs. 2 der Berliner LHO: „Der Rechnungshof kann aufgrund von Prüfungserfahrungen das Abgeordnetenhaus, den Senat und einzelne Senatsverwaltungen beraten. Soweit der Landesrechnungshof das Abgeordnetenhaus berät, unterrichtet er gleichzeitig den Senat.“

Als wichtige Besonderheit ist jedoch zu erwähnen, dass es nicht alle Bundesländer bei der schlichten Übernahme der Regelung aus der Bundeshaushaltsordnung bzw. dem Haushaltsgrundsätzegesetz belassen haben; zehn Bundesländer 77 ergänzten die Beratung durch den Rechnungshof um eine bekannte Formulierung: Danach hat der Landesrechnungshof sich auf Ersuchen des Landtages oder der Landesregierung 78 gutachtlich über Fragen zu äußern, deren Beantwortung für die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel von Bedeutung ist 79. Diese Vorschrift entstammt dem § 101 RHO in seiner Fassung von 1923 bis 1934. Die Bundesländer, die sich für diesen Weg entschieden haben, lassen damit der im Ermessen der Rechnungshöfe stehenden Beratung gem. § 88 Abs. 2 der jeweiligen Landeshaushaltsordnung („(...) kann (...) beraten“) eine verpflichtende Beratung („hat sich auf Ersuchen (...) gutachtlich zu äußern“) folgen. Systematisch finden sich die entsprechenden Vorschriften in § 88 Abs. 3 der jeweiligen Landeshaushaltsordnungen. 76 LHO Baden-Württemberg in der Fassung vom 18. 12. 2007 (GBl. S. 617); LHO Bayern in der Fassung vom 27. 9. 2009 (GVBl. S. 400); LHO Berlin in der Fassung vom 30. 1. 2009 (GVBl. S. 31); LHO Brandenburg in der Fassung vom 28. 6. 2006 (GVBl. S. 74); LHO Bremen in der Fassung vom 6. 7. 2004 (Brem. GBl. S. 353); LHO Hamburg in der Fassung vom 20. 11. 2007 (HmbGVBl. S. 402); LHO Hessen in der Fassung vom 17. 12. 2007 (GVBl. I S. 908); LHO Mecklenburg-Vorpommern in der Fassung vom 17. 12. 2007 (GVOBl. M-V S. 472); LHO Niedersachen in der Fassung vom 15. 12. 2006 (Nds. GVBl. S. 597); LHO Nordrhein Westfalen in der Fassung vom 30. 10. 2007 (GV. NRW. S. 443); LHO Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 17. 6. 2008 (GVBl. S. 103); LHO Saarland in der Fassung vom 10. 12. 2008 (Amtsbl. S. 2064); LHO Sachsen in der Fassung vom 12. 12. 2008 (SächsGVBl. S. 866); LHO Sachsen-Anhalt in der Fassung vom 28. 4. 2004 (GVBl. LSA S. 246); LHO Schleswig-Holstein in der Fassung vom 12. 12. 2008 (GVOBl. Schl.-H. S. 791); LHO Thüringen in der Fassung vom 20. 12. 2007 (GVBl. S. 267). 77 Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. In Nordrhein-Westfalen ist die CDU-Fraktion im Landtag im Jahr 1991 mit einem Gesetzesentwurf (LT Drs. 11/2303) gescheitert, der unter anderem eine verpflichtende Gutachtenerstattung durch den Rechnungshof enthielt. 78 In Sachsen und Sachsen-Anhalt ist als dritte Stelle, die den Rechnungshof um die Erstattung eines Gutachtens ersuchen kann, ausdrücklich auch der Haushaltsausschuss aufgenommen. 79 Statt der Formulierung „für die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel von Bedeutung“ haben sich die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Sachsen für die Formulierung „für die Haushalts- und Wirtschaftsführung von Bedeutung“ entschieden.

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II. Beratung nach § 97 Abs. 2 Nr. 4 BHO i.V. m. § 90 Nr. 4 BHO Eine bedeutende Rolle in der beratenden Arbeit des Bundesrechnungshofes spielen dessen jährliche Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes, die dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung zugeleitet werden. Die Bemerkungen haben beratenden Charakter, da in ihnen regelmäßig Empfehlungen des Bundesrechnungshofes aufgenommen sind, wie in den geprüften Sachverhalten in Zukunft verfahren werden kann, um dem Gebot von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit mehr zu entsprechen. Die Vorschriften gehen zurück auf § 107 Abs. 1 Nr. 2 a. E. RHO in Verbindung mit § 96 Abs. 1 Nr. 4 RHO. Denn hiernach erstreckte sich der Inhalt der Rechnungsprüfung auch darauf, ob möglicherweise durch Personalkürzungen oder Organisationsänderungen Haushaltsmittel hätten gespart werden können. Diese Erkenntnisse sollte der Reichsrechnungshof in seine Bemerkungen mit aufnehmen. Wiederum sorgte im Gesetzgebungsverfahren zur Bundeshaushaltsordnung erst der Haushaltsausschuss des Bundestages dafür, dass der Bundesrechnungshof in den Bemerkungen auch Empfehlungen für die Zukunft aussprechen darf. So sah der Entwurf der Bundesregierung noch keine Ziffer 4 des § 97 Abs. 2 BHO vor 80. Der Haushaltsausschuss begründete seine Änderung knapp damit, dass es hierdurch erleichtert werde, Folgerungen aus den Prüfungsfeststellungen zu ziehen 81. 1. Umfang der Beratung Nach Schrenk 82 umfasst § 97 Abs. 2 Nr. 4 BHO Folgerungen aus den Prüfungsfeststellungen, die soweit wie möglich Anlass für Verbesserungen und neue Entscheidungen sein sollen; ein Schwerpunkt der Empfehlungen bildeten dabei die unter dem Gesichtspunkt des § 90 Nr. 4 BHO bei der Rechnungsprüfung gewonnenen Erkenntnisse, ob Aufgaben mit geringerem Personal- oder Sachaufwand oder auf andere Weise wirksamer erfüllt werden könnten. Zu diesem Zweck kann der Bundesrechnungshof organisations- und personalwirtschaftliche Prüfungen sowie Wirksamkeitsprüfungen und Erfolgskontrollen durchführen 83. Aber auch 80

BT-Drs. 5/3040, S. 25. BT-Drs. 5/4378, S. 4379. 82 Schrenk, in: Heuer, § 97 Rn. 14 (49. Ergänzungslieferung April 2010). 83 Nawrath, in: Heuer, § 90 Rn. 13 ff. Weder in der Verwaltungspraxis noch im wissenschaftlichen Schrifttum herrscht Einigkeit über den Begriff und den inhaltlichen Umfang von Erfolgskontrollen. Vgl. dazu das Gutachten „Erfolgskontrolle finanzwirksamer Maßnahmen bei obersten Bundesbehörden nach § 7 BHO“ des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Bd. 2 der BWV-Schriftenreihe, S. 14 f. In Anlehnung an die erlassene Verwaltungsvorschrift zu § 7 BHO lässt sich Erfolgskontrolle definieren 81

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Empfehlungen für Gesetzesänderungen fasst Schrenk 84 unter den Tatbestand des § 97 Abs. 2 Nr. 4 BHO, da solche Vorschläge „seit jeher unangefochtene Praxis der Berichterstattung“ seien. Hinsichtlich der politischen Aspekte solcher Vorschläge müsse sich der Bundesrechnungshof allerdings zurückhalten 85. Nach Auffassung von Piduch 86 können Empfehlungen für die Zukunft nach § 97 Abs. 2 Nr. 4 BHO neben dem Aspekt der Personal- und Sachkosten in § 90 Nr. 4 BHO auch „weitergehende Empfehlungen“ umfassen. Was unter weitergehenden Empfehlungen zu verstehen ist, lässt Piduch jedoch offen. Jedenfalls sollten sich die Bemerkungen nicht nur in einer bloß rückschauenden, negativen Kritik erschöpfen, sondern einen konstruktiven Beitrag zur Gestaltung der weiteren Entwicklung leisten. Die Möglichkeit des Bundesrechnungshofes, in seinen Bemerkungen auch Maßnahmen für die Zukunft zu empfehlen, könnte sich nach Morell 87 als durchaus problematisch erweisen, wenn diese Möglichkeit politisch verstanden würde. Aber als Ausdruck der „neutralen Regelfunktion der Rechnungsprüfung“, so Morell, sei die Empfehlung eine zulässige Orientierungshilfe. Schuldig bleibt Morell aber an dieser Stelle einer Erklärung, was unter der neutralen Regelfunktion zu verstehen ist und insbesondere, wann noch eine unbedenkliche Empfehlung seitens des Bundesrechnungshofes vorliegt, und ab wann ein politischer Missbrauch beginnt 88. 2. Verfahren und Form Gem. § 97 BHO fasst der Bundesrechnungshof das Ergebnis seiner Prüfungen, soweit es für die Entlastung der Bundesregierung nach Art. 114 Abs. 1 GG als ein systematisches Prüfungsverfahren, das dazu dient, während der Durchführung (begleitende Erfolgskontrolle) oder nach Abschluss (abschließende Erfolgskontrolle) einer Maßnahme ausgehend von der Planung festzustellen, ob und in welchem Ausmaß die angestrebten Ziele erreicht wurden, ob die Maßnahme ursächlich für die Zielerreichung war und ob diese Maßnahme wirtschaftlich war. Eine beispielhafte Aufzählung von Erfolgskontrollen durch Rechnungshöfe findet sich (für den Hamburger Landesrechnungshof) bei Dieckmann, in: Engelhardt / Schulze / Thieme (Hrsg.), Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel?, S. 43 (59 ff.). 84 Schrenk, in: Heuer, § 97 Rn. 14 (49. Ergänzungslieferung April 2010); so nun der nachfolgende Kommentator Sievers, in: Heuer, § 97 Rn. 32 (50. Ergänzungslieferung, Juli 2010). 85 Schrenk, in: Heuer, § 97 Rn. 14 (49. Ergänzungslieferung April 2010); der nachfolgende Kommentator Sievers, in: Heuer, § 97 Rn. 32 (50. Ergänzungslieferung, Juli 2010) vertritt jedoch die Auffassung, eine Abgrenzung zwischen Wirtschaftlichkeitsprüfungen und politischen Wertungen dürfe „oft kaum möglich“ sein. 86 Piduch, § 97 Rn. 3. 87 Morell, Kommentar zur BHO, § 97 Rn. 3. 88 Zur Frage der Nähe des Rechnungshofes zur Exekutive vgl. unten S. 253.

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

von Bedeutung sein kann, jährlich für den Bundestag und den Bundesrat in Bemerkungen zusammen. Diese leitet er gem. Art. 114 Abs. 2 S. 2 GG, § 97 Abs. 1 a. E. BHO dem Bundestag, Bundesrat und der Bundesregierung zu. Das Verfahren zur Aufstellungen der Bemerkungen ist in §§ 46 – 49 der Prüfungsordnung des Bundesrechnungshofes (PO-BRH) näher geregelt. Ein Prüfungsergebnis wird nur dann als bemerkungsgeeignet eingestuft, wenn mindestens eines der Kriterien erfüllt ist, die der Große Senat des Bundesrechnungshofes in einem Beschluss vom 1. März 2000 festgelegt hat 89. Unter dem Aspekt der beratenden Funktion des Rechnungshofes sind demnach Prüfungsergebnisse in die Bemerkungen aufzunehmen, die Verbesserungsvorschläge des Bundesrechnungshofes enthalten, welche auf die Behebung aufbau- und ablauforganisatorischer Mängel oder sonstiger schwerer Managementfehler abzielen und beträchtliche Einsparungen für den Bundeshaushaushalt ermöglichen (Nr. 4 des Beschlusses). Des Weiteren sollen nach dem Beschluss auch Prüfungsergebnisse aufgenommen werden, die auf Auswirkungen von Bundesgesetzen hinweisen, insbesondere wenn diese erhebliche finanzielle Bedeutung haben oder die Sicherstellung eines einheitlichen Verwaltungshandelns oder Gesetzvollzugs berühren (Nr. 6 des Beschlusses). Die von den Prüfungsgebieten beabsichtigten Berichte für die jährlichen Bemerkungen werden zunächst gem. § 46 Abs. 2 S. 2 PO-BRH in den zuständigen Dreierkollegien als sog. Kurzmitteilung beschlossen und dem großen Senat vorgelegt. Dieser entscheidet gem. § 46 Abs. 1 PO-BRH darüber, ob der Beitrag für die Bemerkungen vorgesehen wird. Wenn die Frage bejaht wird, leitetet der Bundesrechnungshof den beabsichtigten Bemerkungsbeitrag gem. § 48 PO-BRH an die geprüfte Stelle weiter und gewährt dieser eine relativ kurze Frist zur Stellungnahme 90. Die geprüfte Stelle kann allerdings mit dem Argument, sie habe bereits entsprechende Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet, nicht verlangen, dass der 89 Vgl. zu dem Beschluss Engels, in: Heuer, Einführung PO-BRH, Rn. 34. Ein Prüfungsergebnis ist nach dem Beschluss des Großen Senats vom 1. 3. 2000 nur dann bemerkungsgeeignet, wenn die Bemerkungen 1. einen Beitrag zu Entscheidungen des Bundestages oder seiner Ausschüsse zu haushalts- und finanzwirksamen Fragen leistet oder 2. einen finanziell bedeutsamen Vorgang, d. h. eine Angelegenheit betreffen, die einmalig erhebliche oder mehrmalige Auswirkungen hat oder Belegfall für eine Vielzahl weiterer vergleichbarer Fälle ist oder 3. der Sicherstellung einer wirtschaftlichen und ordnungsgemäßen Rechnungslegung dienen oder 4. Verbesserungsvorschläge des Bundesrechnungshofes enthalten, welche auf die Behebung aufbau- und ablauforganisatorischer Mängel oder sonstiger schwerer Managementfehler abzielen und beträchtliche Einsparungen für den Bundeshaushaushalt ermöglichen oder 5. auf die recht- und zweckmäßige Haushaltsführung bei großen, mit Bundesmitteln finanzierten Programme und Projekten hinwirken oder 6. die auf Auswirkungen von Bundesgesetzen hinweisen, insbesondere wenn diese erhebliche finanzielle Bedeutung haben oder die Sicherstellung eines einheitlichen Verwaltungshandelns oder Gesetzvollzugs berühren oder 7. querschnittliche, übergreifende Aussagen zulassen oder 8. notwendig sind, um das mit der Prüfung verfolgte Anliegen des BRH durchzusetzen.

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Bundesrechnungshof die Empfehlung nicht mehr in seine Bemerkungen aufnehmen möge. Eine solche Bindung an eine Bitte sei mit der Unabhängigkeit nicht vereinbar. Der Bundesrechnungshof kann trotzdem gute Gründe haben, so Engels 91, dem Parlament hiervon zu berichten. Die Äußerung der betroffenen Stelle wird eventuell in den Bemerkungsbeitrag mit eingearbeitet und dem großen Senat gem. § 49 PO-BRH zur endgültigen Beschlussfassung vorgelegt. Die Gesamtheit der Einzelbeiträge wird schließlich in den jährlichen Bemerkungen zusammengefasst und gem. Art. 114 Abs. 2 GG dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung übersandt. Die Bemerkungen werden für die Öffentlichkeit zugänglich als Bundestagsdrucksache und als Bericht des Präsidenten des Bundesrechnungshofes veröffentlicht. Zudem stellt der Präsident des Bundesrechnungshofes die Bemerkungen den Medien im Rahmen einer Pressekonferenz vor. Im Anschluss an die Veröffentlichung erfolgt die parlamentarische Beratung der Bemerkungen, die im Deutschen Bundestag dem Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses 92 und im Bundesrat dem Finanzausschuss 93 obliegt. Im Bundesrat wird die parlamentarische Beratung auf Finanzangelegenheiten der Länder beschränkt und in der Regel kurz, das heißt in einer Sitzung, behandelt 94. Dagegen werden im Rechnungsprüfungsausschuss die Bemerkungen ausführlicher diskutiert. Seitens der Exekutive nehmen an den Erörterungen die betroffenen Ressorts und als Gesamtverantwortlicher für den Haushalt das Bundesfinanzministerium teil; vonseiten des Bundesrechnungshofes nimmt neben dem zuständigen Prüfungsgebietsleiter immer auch ein Vertreter aus der Grundsatzabteilung teil 95. Am Ende der Beratungen übernimmt der Rechnungsprüfungsausschuss in über 90 Prozent der Fälle die Feststellun90 Die Frist ist relativ kurz bemessen, da bereits ein kontradiktorisches Verfahren gem. §§ 34, 35 PO-BRH vorausgegangen ist, in dem die geprüfte Stelle eine Prüfungsmitteilung erhalten hat und Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Vgl. auch Engels, in: Heuer, Einführung PO-BRH, Rn. 25. 91 Engels, in: Heuer, Einführung PO-BRH, Rn. 25. 92 Der Rechnungsprüfungsausschuss ist ein Unterausschuss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages; seine Mitglieder sind zugleich auch immer Mitglieder im Haushaltsausschuss. Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Vorbereitung der Entlastung der Bundesregierung aufgrund der Prüfung durch den Bundesrechnungshof. Er selbst trifft allerdings keine Entscheidungen, sondern unterbreitet dem Haushaltsausschuss nur entsprechende Vorschläge. Der Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses ist im Gegensatz zum Vorsitzenden des Haushaltsausschusses stets Mitglied einer Regierungspartei. In der 16. Wahlperiode gehörten dem Rechnungsprüfungsausschuss 16 Mitglieder an. Vgl. dazu Staender, Lexikon öffentliche Finanzwirtschaft, S. 354. 93 Der Finanzausschuss des Bundesrates ist für das gesamte Gebiet der Finanzen und Steuern beim Bundesrat federführend. In ihm sind die Finanzminister bzw. Finanzsenatoren der Länder vertreten. Er bereitet unter anderem die Beschlussfassung des Bundesrates zur Entlastung der Bundesregierung vor. Vgl. dazu Staender, Lexikon öffentliche Finanzwirtschaft, S. 160. 94 Schrenk, in: Heuer, § 97 Rn. 21 (49. Ergänzungslieferung April 2010). 95 Sievers, in: Heuer, § 97 Rn. 53.

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

gen und Empfehlungen des Bundesrechnungshofes und fasst diesen Beschluss häufig einstimmig 96. Ihren Niederschlag finden diese Beschlüsse im Entlastungsbeschluss des Deutschen Bundestages, in dem der Bundesregierung zwar die Entlastung erteilt wird, sie aber zugleich aufgefordert wird, bei der Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplans die Kritik und Empfehlungen des Rechnungsprüfungsausschusses respektive des Haushaltsausschusses in Zukunft zu befolgen 97. Zudem werden der Exekutive durch den Entlastungsbeschluss des Parlaments Fristen gesetzt, in denen sie dem Haushaltsausschuss – häufig in Abstimmung mit dem Bundesrechnungshof – über den aktuellen Stand eines Problems bzw. die Umsetzung einer Empfehlung berichten muss. III. Beratung nach § 99 BHO Eine weitere Möglichkeit zur Beratung ist dem Bundesrechnungshof durch § 99 BHO eingeräumt. Anstatt des § 109 RHO in der Fassung von 7. Juli 1957 98, der es dem Rechnungshof ermöglichte, der Reichsregierung auch außerhalb der Bemerkungen einen Beratungsbericht vorzulegen, entschied sich der Reformgesetzgeber in inhaltlicher Anlehnung an § 109 RHO für einen neuen § 99 BHO. Dieser lautet: „Über Angelegenheiten von besonderer Bedeutung kann der Bundesrechnungshof den Bundestag, den Bundesrat und die Bundesregierung jederzeit unterrichten. Berichtet er dem Bundestag und dem Bundesrat, so unterrichtet er gleichzeitig die Bundesregierung.“

In der Gesetzesbegründung der Bundesregierung zur Haushaltsrechtsreform 99 hieß es, § 109 RHO sei in der Vergangenheit vor allem deswegen nicht angewandt worden, weil ein solcher Bericht des Rechnungshofes immer nur nach Abschluss des jährlichen Prüfungsverfahrens möglich gewesen sei. Diese zeitliche Beschränkung wurde mit dem Wort „jederzeit“ in der neuen Vorschrift aufgehoben. Dass der Bundesrechnungshof einen Bericht nach § 99 BHO auch 96

Schrenk, in: Heuer, § 97 Rn. 24 (49. Ergänzungslieferung April 2010). Vgl. beispielhaft die Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushaltsausschusses zur Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2003 und zu den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes für das Jahr 2004 vom 16. 6. 2005, in: BT-Drs. 15/5781. 98 § 109 Abs. 1 RHO in der Fassung vom 27. 7. 1957 lautete: „Nach Abschluß des Prüfungsverfahrens für jedes Rechnungsjahr teilt der Rechnungshof, soweit ein Anlaß dazu gegeben ist, neben oder statt der Aufstellung der Bemerkungen nach § 107 der Reichsregierung die von ihm bei der Prüfung gemachten Wahrnehmungen über Mängel in der Verwaltung und Vorschläge zu deren Behebung sowie zur Abänderung und Auslegung von Gesetzen und Verordnungen mit. Die Reichsregierung hat über den Bericht Beschluß zu fassen und dem Rechnungshofe von ihrer Entschließung Kenntnis zu geben.“ 99 BT-Drs. 5/3040, S. 57. 97

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direkt an die Legislative richten kann, stellte im Gesetzgebungsverfahren erst der Haushaltsausschuss sicher 100. Nach dem Vorschlag der Bundesregierung 101 hätte der Bundesrechnungshof einen Bericht nach § 99 BHO zunächst immer erst an die Regierung richten müssen, die wiederum den Bundestag bzw. Bundesrat informiert hätte. 1. Umfang der Beratung Eine Beratung nach § 99 BHO verlangt, dass eine Angelegenheit von besonderer Bedeutung vorliegt. Wann diese Voraussetzung erfüllt ist, hat der Gesetzgeber nicht näher definiert. Die Literatur geht von einem sehr weiten Begriff der besonderen Bedeutung aus. So liegt nach Eibelshäuser und Breidert 102 eine Angelegenheit von besonderer Bedeutung immer dann vor, wenn der Bundesrechnungshof über Prüfungsergebnisse verfügt, die für anstehende Entscheidungen der Legislative oder der Bundesregierung Gewicht haben. Es komme vor allem auf die Bedeutung der Angelegenheit für die Entscheidung des Berichtsempfängers an. Keine besondere Bedeutung sei in der Regel gegeben, so die Autoren, wenn die Angelegenheit zwar repräsentativ für die Haushalts- und Wirtschaftsführung des betreffenden Bereichs sei, sich aber ausschließlich auf die Vergangenheit beziehe. Der Bericht nach § 99 BHO solle nicht einfach eine vorweggenommene Bemerkung sein, sondern besitze einen eigenständigen Wert. Piduch 103 bejaht eine besondere Bedeutung immer dann, wenn der Bundesrechnungshof sich entscheide, einen Bericht nach § 99 BHO zu erstellen. In jedem Fall aber, so Piduch, dürfe nur über Vorgänge berichtet werden, über die das Prüfungsverfahren bemerkungsreif abgeschlossen sei. Mache der Bundesrechnungshof mehr als bisher von seinem Berichtsrecht nach § 99 BHO Gebrauch, trete auch der begrüßenswerte Nebeneffekt ein, dass die jährlichen Bemerkungen nicht mit Feststellungen bepackt wären, die nicht unmittelbar dem Entlastungsverfahren dienten. Auch Morell 104 überlässt es allein der Entscheidung des Bundesrechnungshofes, wann eine Angelegenheit bedeutend im Sinne des § 99 BHO ist. Ferner meint der Autor, der Bundesrechnungshof könne einen Bericht nach § 99 BHO auch in den jährlichen Bemerkungen behandeln. Eine solche Situation könne sich insbesondere ergeben, wenn der Bundesrechnungshof einen Sonderbericht zunächst nur an die Bundesregierung erstattet hat und es nun für sinnvoll er100 101 102 103 104

BT-Drs. 5/4378, S. 4379. BT-Drs. 5/3040, S. 26. Eibelshäuser / Breidert, in: Heuer, § 99 Rn. 2. Piduch, Kommentar zur BHO, § 99 Rn. 1. Morell, Kommentar zur BHO, § 99 Rn. 1.

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achte, dass auch der Bundestag oder Bundesrat über den Sachverhalt informiert werde 105. 2. Verfahren und Form Für die Sonderberichte nach § 99 BHO erklärt § 14 Abs. 1 Nr. 2 BRHG den Großen Senat des Bundesrechnungshofes für zuständig. Der große Senat ist das oberste Entscheidungsgremium des Bundesrechnungshofes und besteht aus dem Präsidenten als Vorsitzendem, dem Vizepräsidenten, den Leitern der Prüfungsabteilungen und drei Prüfungsgebietsleitern, § 13 Abs. 1 BRHG. Der Senat entscheidet gem. § 15 Abs. 2 BRHG mit Stimmenmehrheit. Enthaltungen sind gem. § 23 Abs. GO-BRH nicht zulässig, und bei Stimmengleichheit entscheidet gem. § 15 Abs. 2 S. 2 BRHG die Stimme des Vorsitzenden. Weder durch Gesetz noch Innenrecht des Bundesrechnungshofes ist geregelt, auf wessen Initiative ein Bericht nach § 99 BHO ergeht. Auch hier gilt also das Recht der Gewohnheit. Es entspricht der Praxis im Bundesrechnungshof, dass er sowohl aus eigener Initiative tätig wird als auch auf Bitte der Legislative oder Bundesregierung 106. Indes begründet nach überzeugender Auffassung 107 ein solches Ersuchen keine Rechtspflicht des Bundesrechnungshofes zur Berichterstattung. Piduch vertritt die Auffassung, einzelne Bundesminister oder parlamentarische Ausschüsse könnten nicht Adressat eines besonderen Berichts sein 108. Besondere Formvorschriften für Sonderberichte nach § 99 BHO finden sich nicht. Damit könnten die Berichte sowohl in schriftlicher als auch mündlicher Form ergehen. Nach Eibelshäuser / Breidert sind die Berichte nach § 99 grundsätzlich der Öffentlichkeit zugänglich 109. Die Gründe für den Sonderbericht bräuchten, so Piduch 110, nicht angegeben zu werden. 3. Abgrenzung von § 99 BHO zu § 88 Abs. 2 BHO Sowohl § 99 BHO als auch § 88 Abs. 2 BHO geben dem Bundesrechnungshof expressis verbis die Möglichkeit zur Beratung. Daher stellt sich die Frage, wie die beiden Vorschriften voneinander abgegrenzt werden können.

105 106 107 108 109 110

Morell, Kommentar zur BHO, § 99 Rn. 1 Eibelshäuser / Breidert, in Heuer, § 99 Rn. 6. Piduch, § 99 Rn. 1; Eibelshäuser / Breidert, in: Heuer, § 99 Rn. 6. Piduch, § 99 Rn. 1. Eibelshäuser / Breidert, in: Heuer, § 99 Rn. 6. Piduch, § 99 Rn. 1.

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Piduch hält eine Abgrenzung schon deshalb für geboten, weil der Gesetzgeber eine solche Differenzierung vorgenommen hat 111. Neben dem unterschiedlichen Verfahren in beiden Vorschriften 112 sei aber auch in der Sache ein deutlicher Unterschied erkennbar: Vorlagen nach § 99 dienten der Unterrichtung über konkrete Prüfungsergebnisse. Sie könnten zwar mit beratenden Empfehlungen verbunden werden, aber auch die reine Information erfülle ihren Zweck. Dagegen liege eine Beratung nach § 88 Abs. 2 BHO vor, wenn der Bundesrechnungshof außerhalb konkreter Prüfungsvorgänge gutachtlich tätig werde, um auf Entscheidungen der Legislative oder Exekutive Einfluss zu nehmen. Eibelshäuser / Breidert meinen dagegen 113, eine inhaltliche Unterscheidung, wie sie Piduch treffe, sei zwar theoretisch möglich, aber lasse sich in der Praxis nur schwer anwenden, da beide Berichterstattungsformen sowohl prüfende als auch beratende Elemente enthielten. Es lasse sich oft nicht ausreichend auseinanderhalten, ob das Ergebnis einer Prüfung verbunden mit Empfehlungen (§ 99 BHO) oder eine Beratung, die auf Prüfungserfahrungen der Vergangenheit beruht (§ 88 Abs. 2 BHO), vorliegt. Welche Berichtsform angewandt wird, ergebe sich daher nicht aus inhaltlichen Erwägungen, sondern vielmehr aus formalen Kriterien, wie die unterschiedlichen Berichtsverfahren. Sofern ein Bericht beispielsweise Angaben enthalte, die der Öffentlichkeit nicht bekannt gegeben werden dürfen, entscheide sich der Bundesrechnungshof anstatt eines Sonderberichts nach § 99 BHO und der damit verbundenen Pflicht zur Anonymisierung der Daten in der Regel für eine nicht öffentliche Beratung nach § 88 Abs. 2 BHO 114. IV. Beratung nach § 27 Abs. 2 BHO Ein weiterer sehr wichtiger Bereich, in dem der Bundesrechnungshof beratend tätig werden kann, ist das Aufstellungsverfahren zum Bundeshaushalt. Dem Bundesrechnungshof steht hierbei die Beratungsmöglichkeit nach § 27 Abs. 2 S. 1 BHO zu. § 27 Abs. 2 BHO, der inhaltlich dem alten § 19 Abs. 2 RHO folgte, ordnet an: „Die für den Einzelplan zuständige Stelle übersendet die Voranschläge auch dem Bundesrechnungshof. Er kann hierzu Stellung nehmen.“

111

Piduch, § 99 Rn. 2. Offen bleibt, worin Piduch das unterschiedliche Verfahren in den Vorschriften erblickt. Der alleinige Unterschied nach dem Wortlaut der Vorschriften ist, dass § 88 Abs. 2 auch die Möglichkeit der Beratung von einzelnen Bundesministern vorsieht. 113 Eibelshäuser / Breidert, in: Heuer, § 99 Rn. 4. 114 Eibelshäuser / Breidert, in: Heuer, § 99 Rn. 7. 112

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Bereits unter der Weitergeltung der Reichshaushaltsordnung hatte sich im Bundesrechnungshof die Übung entwickelt, dass der Präsident des Bundesrechnungshofes in seiner Eigenschaft als BWV oder dessen Vertreter aus der Präsidialabteilung an Ressortverhandlungen und parlamentarischen Beratungen des Haushaltsentwurfes teilnahmen 115. Der Bundesrechnungshof selbst war bis dato nicht in die Haushaltsberatungen eingeschaltet 116. Allerdings wurde diese strikte Trennung nach und nach aufgehoben, indem der Präsident, gestützt auf § 125 Abs. 3 RHO 117, zunehmend auch Mitglieder der Prüfungsabteilungen des Bundesrechnungshofes als Vertreter des BWV zu den Haushaltsberatungen entsandte 118. Insofern ermöglichte § 27 Abs. 2 BHO dem Rechnungshof, die Kopplung an den BWV zu lösen und Beamte des Rechnungshofes an den Haushaltsberatungen teilnehmen zu lassen. 1. Umfang der Beratung Die Aufstellung des Bundeshaushaltes ist die erste Phase des Haushaltskreislaufes 119. Das Verfahren der Haushaltsaufstellung ist in §§ 27 ff. BHO geregelt. Dabei normiert § 27 Abs. 2 S. 1 BHO, dass die Haushaltsvoranschläge von der für den Einzelplan 120 des Bundeshaushalts zuständigen Stelle auch dem Bundes115

Vialon, Kommentar zur RHO, § 19 Anm. 11. Zavelberg, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer (1989), S. 43 (57). 117 § 125 Abs. 3 RHO lautete: „Im übrigen sind die Direktoren und Ministerialräte des Rechnungshofes verpflichtet, nach näherer Bestimmung des Präsidenten zugleich in der Präsidialanteilung tätig zu sein. Sie dürfen ihrer Haupttätigkeit dadurch nicht entzogen werden.“ 118 Fuchs, Wesen und Wirken den Kontrolle, S. 82. Ab welchem Zeitpunkt genau diese Praxis vermehrt angewandt wurde, lässt sich nicht feststellen. 119 Der Haushaltskreislauf kann in folgende Phasen unterteilt werden: Nach der Aufstellung des Haushaltes und der Feststellung desselben durch das Haushaltsgesetz (Phase 1) im Parlament folgt die Ausführung des Haushalts (Phase II) und die Rechnungslegung (Phase III). Der Kreislauf schließt mit Rechnungsprüfung (Phase IV) und der Entlastung der Bundesregierung durch die Legislative (Phase V). Vgl. zum Haushaltskreislauf auch Dommach, in: Heuer, Vorbemerkung zum 2. Teil, Rn. 1. 120 Der Bundeshaushaltsplan besteht aus dem Gesamtplan und den Einzelplänen. Im Haushaltsjahr 2008 gab es beispielsweise 24 Einzelpläne. Vgl. dazu beispielsweise das „Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr (Haushaltsgesetz 2008)“ v. 22. 12. 2007 (BGBl. 2007, I, S. 3227). Die Einzelpläne enthalten die zu erwartenden Einnahmen, die voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und die voraussichtlich benötigten Verpflichtungsermächtigungen, Planstellen und Stellen eines Verwaltungszweiges. Einzelpläne werden nach der organisatorischen Zuständigkeit, dem sog. Ministerialprinzip aufgestellt. Jeder Einzelplan enthält dabei eine laufende zweistellige Nummer, an der das jeweilige Ressort zu erkennen ist (z. B. 08 Bundesfinanzministerium). Die Einzelpläne werden wiederum in Titel und Kapitel gegliedert. Vgl. dazu auch Staender, Lexikon öffentliche Finanzwirtschaft, S. 120. 116

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rechnungshof zu übersenden sind. Dieser kann gem. § 27 Abs. 2 S. 2 BHO zu den Voranschlägen Stellung nehmen. Die Voranschläge umfassen die Unterlagen für den Entwurf des Haushaltsplans, das heißt Bedarfsmeldungen und Etatwünsche der einzelnen Fachressorts inklusive der ihnen nachgeordneten Behörden 121. In der Literatur wird die Auffassung vertreten 122, dass dem Bundesrechnungshof das Recht einer Stellungnahme zu den Voranschlägen auch zustehen solle, wenn er über keine konkreten Prüfungserfahrungen verfügt. Die Mitwirkung des Bundesrechnungshofes während der Haushaltsaufstellung ginge damit über die in § 88 Abs. 2 BHO normierte Beratungsmöglichkeit hinaus und ermögliche es, spätere Bemerkungen nach § 97 BHO zu vermeiden 123. Diese Auslegung überzeugt insofern, als dass sich der Gesetzgeber mit der Finanzrechtsreform willentlich entschieden hat, die noch von § 19 Abs. 2 RHO geforderte Einschränkung, der Bundesrechnungshof könne nur aufgrund von Prüfungserfahrungen beratend im Haushaltsaufstellungsverfahren tätig werden, nicht zu übernehmen. Auf der anderen Seite ergibt sich durch die sehr frühzeitige Beteiligung des Bundesrechnungshofes an exekutiven Entscheidungen das Problem von unzulässigen Eingriffen in die exekutive Eigenverantwortung 124. 2. Verfahren und Form Die Aufstellung des Bundeshaushaltsplans beginnt in der Regel 13 Monate vor Beginn des Haushaltsjahres, wenn der Bundesfinanzminister im Haushaltsaufstellungsrundschreiben die Fachminister auffordert, ihre Haushaltsvoranschläge zu den Einzelplänen bis Anfang März des Folgejahres vorzulegen 125. In dem Rundschreiben gibt der Bundesfinanzminister zugleich Richtwerte für die finanzpolitisch gewünschte Entwicklung 126. Die Ressorts fordern daraufhin die ihnen nachgeordneten Behörden auf, entsprechende Voranschläge zu erstellen. In den jeweiligen Behörden ist der Beauftragte für den Haushalt (§ 9 BHO) für die Koordination der Voranschläge verantwortlich. Hierzu fordert er die Titelverwalter in seinem Haus auf, Bedarfsmeldungen zu erstellen und ihm vorzulegen. Nach eigener Prüfung durch den Beauftragten leitet er die Voranschläge an die nächsthöhere Dienststelle weiter 127. Hier werden die Voranschläge geprüft und gegebenenfalls geändert. Dieser Vorgang wiederholt sich auf jeder Ebene bis zum Ministerium, welches schließlich den Gesamtvoranschlag für seinen Ge121 122 123 124 125 126 127

Dommach, in: Heuer, Vorbemerkung zum 2. Teil, Rn. 3. Dommach, in: Heuer, § 27 Rn. 4. Dommach, in: Heuer, § 27 Rn. 4. Vgl. zu dieser Problematik unten S. 253. Wiesner / Leibinger / Müller, Öffentliche Finanzwirtschaft, S. 154. Wiesner / Leibinger / Müller, Öffentliche Finanzwirtschaft, S. 155. Wiesner / Leibinger / Müller, Öffentliche Finanzwirtschaft, S. 154.

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

schäftsbereich formuliert und diesen dem Bundesfinanzministerium (§ 27 Abs. 1 S. 1 BHO) und dem Bundesrechnungshof (§ 27 Abs. 2 S.1 BHO) übersendet. Der Bundesrechnungshof hat nun gem. § 27 Abs. 2 S. 1 die Möglichkeit, Stellungnahmen zu den Voranschlägen abzugeben. Es bleibt dem Ermessen des Bundesrechnungshofes überlassen, ob er sich in schriftlicher oder mündlicher Form oder aber auch gar nicht zu den Voranschlägen äußert 128. Nachdem der Gesamtvoranschlag dem Bundesfinanzministerium vorliegt, prüft es gem. § 28 Abs. 1 BHO – genauer die zur Haushaltsabteilung gehörenden Spiegelreferate 129 –, ob sich der Voranschlag mit den finanzpolitischen Zielen der Bundesregierung vereinbaren lässt. Zudem sind die gesetzlichen Anforderungen, wie das Gebot von Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§§ 6, 7 BHO), sowie die verfassungsrechtlichen Vorgaben (Art. 110 ff. GG) zu berücksichtigen 130. Daraufhin folgen die Haushaltsverhandlungen zwischen dem Bundesfinanzministerium und den Ressorts auf Referatsleiter-, Abteilungsleiter-, und Staatssekretärsebene 131. An diesen Haushaltsverhandlungen nimmt auch der Bundesrechnungshof teil, um dem Gebot der Wirtschaftlichkeit bereits im Stadium der Haushaltsaufstellung Geltung zu verschaffen 132. Der Bundesrechnungshof kann sich aber auch zum endgültigen Entwurf des Haushaltsplans äußern oder während der parlamentarischen Beratung im Haushaltsausschuss des Bundestages mitwirken 133. V. Beratung nach § 102 Abs. 3 BHO und § 103 BHO Eine Beteiligung des Bundesrechnungshofes vor dem Erlass von Verwaltungsvorschriften sieht § 103 BHO vor. Nach § 103 Abs. 1 BHO ist der Bundesrechnungshof vor dem Erlass von Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung anzuhören. Als Verwaltungsvorschriften im Sinne der Norm kommen allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der BHO für den gesamten Bereich der Bundesverwaltung in Frage 134. Hierzu zählen aber keine Verwaltungsvorschriften, die sich auf die Anwendung der BHO bei konkreten Aufgaben, wie beispielsweise die Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln in einem 128

Mießen, in: Piduch, § 27 Rn. 3. Für jeden Einzelplan besteht ein sog. Spiegelreferat im Bundesfinanzministerium, das sich speziell mit den Einzelheiten dieses Einzelplans befasst. 130 Dommach, in: Heuer, Vorbemerkung zum 2. Teil, Rn. 3. 131 Wiesner / Leibinger / Müller, Öffentliche Finanzwirtschaft, S. 157. 132 Dommach, in: Heuer, § 27 Rn. 4. 133 Wiesner / Leibinger / Müller, Öffentliche Finanzwirtschaft, S. 156. 134 Schrenk, in: Heuer, § 103 Rn. 2. Der in letzter Zeit wichtigste Anwendungsfall des § 103 war der Erlass der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung vom 14. 3. 2001 (GMBl. 2001, S. 309). 129

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bestimmten Einzelplan, beziehen 135. Die Entwürfe für die geplanten Vorschriften müssen dem Bundesrechnungshof so rechtzeitig zugeleitet werden, dass er ausreichend Zeit hat, eine mögliche Stellungnahme im Kollegialverfahren zu erarbeiten 136. Allerdings ist unter der Anhörung im Sinne des § 103 BHO nicht zu verstehen, dass ein Einvernehmen mit dem Bundesrechnungshof hergestellt werden muss 137. Wird die Anhörung von der Verwaltung unterlassen oder eine zu kurze Frist gesetzt, so kann der Bundesrechnungshof dem Parlament hierüber berichten, aber die Wirksamkeit der Verwaltungsentscheidung wird davon nicht berührt 138. Eine weitere Pflicht zur Anhörung des Bundesrechnungshofs wird den Bundesministerien in § 103 Abs. 2 BHO auferlegt. Hiernach ist der Rechnungshof immer anzuhören, wenn Finanzvorschriften bei internationalen Organisationen geändert werden sollen. Die Finanzvorschriften der Organisationen sind völkerrechtlich verbindlich und enthalten detaillierte Regelungen zur Haushaltsaufstellung und -abwicklung, Beitragshöhe, Beitragszahlung sowie zur Verteilung und Erstattung von Haushaltsüberschüssen an die Mitgliedstaaten 139. Da Deutschland Mitglied in über 200 Organisationen ist 140 und durchschnittlich rund 10 Prozent der Gesamtbeiträge leistet – was jährlich rund 3 Milliarden Euro sind – können diese internationalen Regularien merkliche Auswirkungen auf den Bundeshaushalt haben 141. In seinen Bemerkungen aus dem Jahr 2000 kritisierte der Bundesrechnungshof ausführlich, dass er teilweise gar nicht angehört, ihm jedenfalls fast regelmäßig eine viel zu kurze Frist für eine Stellungnahme eingeräumt werde 142. Zwar seien meistens die internationalen Organisationen für die zu kurze Fristsetzung verantwortlich, aber gerade deswegen sei es notwendig, dass die Ressorts im Interesse der sachgerechten Wahrnehmung ihrer Mitgliedschaftsrechte auf eine ausreichende Bearbeitungsmöglichkeit bei sich und beim Bundesrechnungshof drängten 143. Andernfalls drohe, so der Bundesrechnungshof, eine Spirale in Gang gesetzt zu werden, an deren Ende die für die internationalen Organisationen vorteilhaftesten und für die Mitgliedstaaten nachteiligen Finanzvorschriften stünden 144. 135

Schrenk, in: Heuer, § 103 Rn. 2. Piduch, § 103 Rn. 1. 137 Piduch, § 103 Rn. 1. 138 Schrenk, in: Heuer, § 103 Rn. 2. 139 Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2000, BT-Drs. 14/4226, S. 108. 140 Vgl. die Übersicht des Auswärtigen Amtes unter: http://www.auswaertiges-amt .de/DE/AusbildungKarriere/IO-Taetigkeit/AusgesuchteOrganisationen/Uebersicht_node .html (Stand: 3. 12. 2010). 141 Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2000, BT-Drs. 14/4226, S. 108. 142 Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2000, BT-Drs. 14/4226, S. 108. 143 Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2000, BT-Drs. 14/4226, S. 109. 144 Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2000, BT-Drs. 14/4226, S. 109. 136

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

Eine weitere Möglichkeit, beratend tätig zu werden, ist dem Bundesrechnungshof nach § 102 Abs. 3 BHO eröffnet. Hiernach kann sich der Hof jederzeit zu Entscheidungen der Bundesverwaltung äußern, über die er gem. § 102 Abs. 1 und 2 BHO unterrichtet werden musste. Die Unterrichtungspflicht besteht grundsätzlich bei dem Erlass von Vorschriften für die Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln (§ 102 Abs. 1 Nr. 1 BHO), der Errichtung, Veränderung oder Auflösung von Verwaltungseinrichtungen des Bundes (§ 102 Abs. 1 Nr. 2 BHO), bei Beteiligungen des Bundes an Wirtschaftsunternehmen (§ 102 Abs. 1 Nr. 3 BHO), bei übergreifenden Vereinbarungen zur Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln (§ 102 Abs. 1 Nr. 4 BHO) und schließlich bei organisatorischen oder sonstigen Maßnahmen der Bundesverwaltung von erheblicher finanzieller Tragweite (§ 102 Abs. 1 Nr. 5 BHO). Allerdings handelt es sich hierbei nicht um eine echte Beratungsmöglichkeit in dem Sinne, dass der Bundesrechnungshof bereits vor der Entscheidung der Verwaltung einbezogen wird. Die Pflicht zur Unterrichtung entsteht erst, wenn die Verwaltung ihre Entscheidung bereits getroffen hat. Andererseits wird aus dem Wortlaut des § 102 Abs. 3 BHO („jederzeit“) gefolgert, der Bundesrechnungshof müsse für eine Äußerung nicht das Inkrafttreten der Vorschrift abwarten, sondern könne sich unter dem Gesichtspunkt einer schadensvermeidenden, beratenden Wirkung so früh wie möglich äußern 145. Folglich hätte der Bundesrechnungshof zumindest die theoretische Möglichkeit, den Vollzug einer Vorschrift durch seine Stellungnahme noch zu beeinflussen oder zu verhindern.

§ 2 Unter neuen Rechtsgrundlagen: Die beratende Tätigkeit der Finanzkontrolle von 1970 bis zur Gegenwart A. Bekannte Einwände gegen die Beratungstätigkeit (1970 –1982) Obwohl dem Bundesrechnungshof durch die Finanzrechtsreform eine Reihe neuer einfachgesetzlicher Rechtsgrundlagen für eine Beratungstätigkeit eingeräumt wurden und sich der Hof bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen sogar auf das Verfassungsrecht stützen kann, blieben die politischen Einwände gegen die Beratungstätigkeit auch in den ersten Jahren nach der Reform bestehen. 145

So noch Schrenk, in: Heuer, § 102 Rn. 2 (49. Ergänzungslieferung April 2010; der nachfolgende Kommentator Sievers, in: Heuer, § 102 Rn. 3 (52. Ergänzungslieferung Mai 2011) stellt hingegen ausdrücklich klar, dass für Maßnahmen im Entwurfsstadium noch keine Unterrichtungspflicht bestehe, sondern diese erst einsetze, wenn die Verwaltung bereits eine (Teil-) Entscheidung getroffen habe.

§ 2 Unter neuen Rechtsgrundlagen nach der Finanzrechtsreform 1970

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I. Die Regierung Brandt Während der Oppositionszeit der FDP mehrten sich in der Partei die Stimmen, die für die Bildung einer sozialliberalen Koalition offen waren. Bei der Wahl zum Bundespräsidenten im Frühjahr entschied sich die FDP – nach erbitterten parteiinternen Kämpfen – in letzter Minute für den Kandidaten der SPD, Gustav Walter Heinemann, zu votieren 146. Aus der Bundestagswahl im September 1969 ging die Union zwar wieder als stärkste Fraktion hervor 147, aber der Kanzlerkandidat der SPD, Brandt, und der Vorsitzende der FDP, Walter Scheel, entschieden sich noch in der Wahlnacht, ein gemeinsames Bündnis anzustreben. Obwohl der Vorsprung der Fraktionen von SPD und FDP im Bundestag mit zusammen zwölf Mandaten nicht allzu groß war und es in der FDP noch immer deutlichen Widerstand gegen eine sozialliberale Koalition gab 148, wurde Brandt am 21. Oktober 1969 zum vierten Kanzler der Bundesrepublik gewählt. Neuer Bundesminister für Finanzen wurde Axel Möller (SPD). Seinen haushaltspolitischen Konsolidierungskurs konnte Möller im Etatjahr 1970 noch durchsetzen und einen ausgewogenen Haushalt vorlegen. Im darauf folgenden Jahr forderten die Bundesminister 20 Milliarden Deutsche Mark Mehrausgaben, von denen Möller aber maximal 10 Milliarden zugestehen wollte 149. Doch Bundeskanzler Brandt hielt seinem Finanzminister nicht ausreichend den Rücken frei, sondern entschied sich für den schnellen Koalitionsfrieden, was schließlich zum Rücktritt Möllers am 13. Mai 1971 führte 150. Das Kabinett wollte daraufhin durch schnelles Handeln den Anschein einer Regierungskrise verhindern und schuf durch Zusammenlegung des Bundesfinanzministeriums mit dem Bundeswirtschaftsministerium ein neues „Superministerium“, an dessen Spitze der bisherige Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) stand. Doch Schiller blieb nur gut ein Jahr in dieser Position. Wie sein Vorgänger geriet auch Schiller bei der Aufstellung des Bundeshaushalts mit den Ressorts – insbesondere mit Verteidigungsminister Helmut Schmidt – in einen heftigen Konflikt, bei dem Schiller immer wieder mit Rücktritt drohte 151. Als das Kabinett im Juni 1972 146

Gewichtiges Argument für die FDP war die Zusage der SPD, das in der Großen Koalition angedachte neue Wahlgesetz mit Einführung des Mehrheitswahlrechts zu verhindern. Eschenburg, in: Jeserich / Pohl / Unruh (Hrsg.), Verwaltungsgeschichte, Bd. 5, S. 19. 147 Amtliches Endergebnis der Wahlen zum 6. Deutschen Bundestag am 29. 9. 1969: CDU / CSU: 46,1 %; SPD: 42,7 %; FDP: 5,8 %. 148 Gut ein Jahr nach der Bundestagswahl wechselten am 9. 10. 1970 die FDP-Abgeordneten Mende, Starke und Zoglmann zur CDU / CSU-Bundestagsfraktion. 149 Eschenburg, in: Jeserich / Pohl / Unruh (Hrsg.), Verwaltungsgeschichte, Bd. 5, S. 20. 150 Möller hat Brandt bereits zuvor dreimal um seinen Rücktritt ersucht, aber erst das vierte Rücktrittgesuch nahm der Bundeskanzler an. Vgl. dazu Hochstätter, Karl Schiller, S. 264.

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aufgrund von anhaltenden, massiven Devisenzuflüssen 152 einer Kapitalverkehrsbeschränkung zustimmte, die den marktfreiheitlichen Vorstellungen Schillers widersprach, reichte Schiller dem Bundeskanzler seine Bitte um Entlassung ein, der Brandt nachkam 153. Sein Nachfolger wurde am 7. Juli 1972 der bisherige Verteidigungsminister Schmidt (SPD), der das Amt des Bundesministers im Doppelministerium zunächst bis zur Bundestagswahl 1972 innehatte. Nach der Bundestagswahl 1972 wurde das „Superministerium“ wieder getrennt, wobei die FDP den Bundeswirtschaftsminister stellte und Schmidt bis zu seiner Wahl zum Bundeskanzler am 16. Mai 1974 Bundesfinanzminister blieb. 1. Prüfauftrag des Kabinetts zur Zukunft des BWV Kurz nachdem die neue Regierung Brandt ihre Amtsgeschäfte aufgenommen hatte, stand auch das Thema BWV auf der Tagesordnung. Bundesverteidigungsminister Schmidt hatte bereits auf der Kabinettssitzung am 28. Oktober 1969 die aus seiner Sicht vorhandene Ämterfülle des Bundesrechnungshofpräsidenten Hopf kritisiert 154. Im Bundeskanzleramt wurde Kanzleramtsminister Horst Ehmke von Mitarbeitern des Kanzleramtes im November 1969 ein Vermerk zur 151 Schiller setzte als Druckmittel zur Durchsetzung seiner Politik immer wieder Rücktrittsdrohungen ein. Kanzleramtsminister Ehmke kommentierte das Verhalten des Bundesfinanzministers in einem Gespräch mit dem „Spiegel“ vom 2. 3. 1970 wie folgt: „Mit jeder weiteren Rücktrittdrohung von Karl nimmt die Zahl derjenigen zu, die sagen: Laß ihn doch“. Vgl. zum Abgang Schillers im Einzelnen auch Hochstätter, Karl Schiller, S. 279 ff. 152 Die massiven Devisenzuflüsse aus dem Ausland waren durch das seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges geltende Weltwährungssystem bedingt. Wesentlicher Bestandteil dieses Systems, das im Jahr 1944 auf einer Konferenz der Vereinten Nationen im amerikanischen Badeort Bretton Woods beschlossen wurde (daher Bretton-Woods-System genannt), war die Festlegung fester Wechselkurse auf Grundlage eines Gold-DevisenStandards mit dem US-Dollar als Leitwährung. Die USA verpflichteten sich damit, jederzeit US-Dollar gegen Gold zum festgelegten Kurs von 35 Dollar je Feinunze Gold zu verkaufen oder zu kaufen. Ende der 1960er-Jahre kam es insbesondere durch ein steigendes Handelsbilanz- und Haushaltsdefizit in den USA zu einem deutlich schwindenden Vertrauen in den US-Dollar und damit einhergehend zu heftigen Spekulationen gegen die amerikanische Währung. Die Währungsturbulenzen, die zur Aufwertung der Deutschen Mark gegenüber dem US-Dollar, teilweise flexiblen Wechselkursen und kurzfristigen Schließungen der Devisenbörsen führten, bestimmte maßgeblich die wirtschaftspolitische Diskussion in der Bundesrepublik. Das System von Bretton-Woods endete formell durch die vom amerikanischen Präsidenten am 11. 8. 1971 erklärte Aufhebung der Goldkonvertibilität des US-Dollars. Vgl. zur Entwicklung des Währungssystems im Überblick, Schaal, Geldtheorie und Geldpolitik, S. 59 ff.; vgl. im Einzelnen zur Deutschen Geldpolitik in der Ära von Bretton-Woods, Alecke, Geldpolitik, S. 38 ff. 153 Vgl. zu dem, dem Rücktritt vorausgegangen Streit über die geldpolitischen Maßnahmen, Hochstätter, Karl Schiller, S. 286 ff. 154 Vgl. die Bezugnahme auf Schmidts Äußerungen im Vermerk der Abteilung III im Bundeskanzleramt vom 18. 11. 1969, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt).

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Thematik BWV vorgelegt 155. Hierin heißt es, „man wird kaum daran vorbeikommen, ihm [Hopf] auch künftig die Aufgabe des BWV ad personam erneut zu übertragen“. Da die Stelle des Stellvertreters des BWV seit der Pensionierung des früheren Vizepräsidenten Brettschneider vakant sei, schlug der Verfasser weiter vor, eine Persönlichkeit zu suchen, die sich als Gegengewicht zu Präsident Hopf etablieren könne. Der neue Stellvertreter solle sein Büro auch nicht im Bundesrechnungshof in Frankfurt haben, sondern ein eigenes kleines Büro in Bonn unterhalten, das an das Bundeskanzleramt oder Bundesfinanzministerium angegliedert sei. Auf diese Art und Weise könne zudem die anzustrebende Ämtertrennung eingeleitet werden. Die offenen Fragen wollte das Kanzleramt mit dem Bundesfinanzministerium abstimmen. Der Minister ließ sich den Vorgang bis Ende September 1970 insgesamt dreimal erneut vorlegen, ohne dass ein weiterer Beschluss gefasst wurde. Die nächste Aufzeichnung des Bundeskanzleramtes findet sich erst wieder im Oktober 1970 156. Das Referat hatte beim Bundesfinanzministerium nach dem dortigen aktuellen Diskussionsstand zur Zukunft des BWV angefragt. Im Bundesfinanzministerium, so erklärte Ministerialrat Hecht, werde die Strategie verfolgt, die Funktion des BWV allmählich einschlafen zu lassen, da der Bundesrechnungshof nach dem neuen Art. 114 GG ohnehin verpflichtet sei, die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung zu prüfen und somit für die Tätigkeit des BWV kein Bedürfnis mehr bestehe. Allerdings sei nicht daran gedacht, so Hecht, den BWV auch formell zu beseitigen, da die hiermit verbundene negative Publizität besser zu vermeiden sei. Im Februar 1971 forderte Kanzleramtsminister Ehmke einen neuerlichen Vermerk darüber an, in welcher rechtlichen Form die Verbindung von BWV und Rechnungshofpräsident gelöst werden könne 157. Die Mitarbeiter im Kanzleramt unterrichteten Ehmke gut eine Woche später, die Bestellung eines neuen BWV sowie eine Änderung der Tätigkeitsrichtlinien seien durch einen schlichten Kabinettsbeschluss möglich 158. Zudem war das Referat der Auffassung, der Beschluss der Bundesregierung vom Februar 1964, die beiden Ämter zu trennen, sei trotz massiver Forderungen von Präsident Hopf nie wieder aufgehoben worden 159. 155 Vermerk der Abteilung III im Bundeskanzleramt vom 18. 11. 1969, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 156 Vermerk des Referates IV/5 im Bundeskanzleramt vom 26. 10. 1970, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 157 Vermerk des Kanzleramtsministers Ehmke vom 23. 2. 1971, in: BA, Best. B 136/ 22589 (Bundeskanzleramt). 158 Vermerk des Referates IV/5 im Bundeskanzleramt vom 3. 3. 1971, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 159 Richtig ist zwar, dass es keinen offiziellen Aufhebungsbeschluss des Bundeskabinetts gab, aber das Kabinett entschied am 11. 11. 1964, Präsident Hopf mit der unbefristeten Wahrnehmung der Aufgaben eines BWV zu beauftragen. Hierin kann zumindest eine

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Vom Kanzleramt wurden jedoch keine neuen Initiativen in Sachen BWV gestartet, und auch das Bundesfinanzministerium hielt sich bedeckt. Bemerkenswert ist auch, dass Präsident Hopf diesmal nicht selbst die Initiative ergriff, von der Bundesregierung seine Bestellung zum BWV einzufordern. So stammte die letzte offizielle Beauftragung Hopfs als BWV noch aus der Zeit der Kanzlerschafts Erhards, da Bundeskanzler Kiesinger der Bitte von Hopf nicht nachgekommen war, ihn (Hopf) zum BWV zu beauftragen. Doch schon bald rückte die Frage nach der Zukunft des BWV wieder auf die Tagesordnung: Im Bundesrechnungshof kam es im Juni 1971 zum Präsidentenwechsel; Präsident Hopf war nach den vielen Auseinandersetzungen um seine Person amtsmüde geworden. Obwohl Hopf noch drei weitere Jahre im Amt hätte bleiben können, wurde seiner Bitte entsprochen, mit Ablauf des 31. Mai 1971 in den Ruhestand zu treten 160. Abschließend sei noch auf eine bis heute anhaltende wichtige Strukturänderung hingewiesen: Unter Präsident Hopf wurde im Bundesrechnungshof die Präsidialabteilung in der Form einer Gutachtenabteilung aufgelöst 161. Die Präsidialabteilung als Gutachtenabteilung war mit der Zweiten Novelle der Reichshaushaltsordnung im Jahr 1934 geschaffen worden und übernahm damals die Aufgaben des Reichssparkommissars und seines Sparbüros. So verfügte die Präsidialabteilung im Jahr 1964 etwa über 36 vollbeschäftigte Kräfte 162. Nach der Auflösung der Gutachtenabteilung wurde für die Erstattung der Gutachten das Personal aus den Prüfungsabteilungen herangezogen 163. 2. Hans Schäfer als Präsident des Bundesrechnungshofes und BWV Zügig entschied sich die sozialliberale Koalition, den Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Hans Schäfer, zum Nachfolger von Hopf im Amt des Bunkonkludente Aufhebung des Trennungsbeschlusses von Februar 1961 gesehen werden. Vgl. hierzu oben S. 156. 160 FAZ vom 21. 5. 1971. 161 Vermerk des Ministerialdirektors Kühne aus dem Referat IV/4 im Bundeskanzleramt für Bundeskanzleramtschef Schüler vom 7. 11. 1977, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). Zwar finden sich in den Materialien keine weiteren Informationen zu den Motiven oder zum genauen Zeitpunkt der Auflösung. Es ist jedoch nahe liegend, dass diese Strukturänderung im Bundesrechnungshof im Zuge der neuen Bundeshaushaltsordnung von 1969 umgesetzt wurde, da mit ihr die alte RHO außer Kraft gesetzt wurde. Trotz der faktischen Auflösung galt die Geschäftsordnung des Bundesrechnungshofes vom 10. 9. 1951 zunächst unverändert fort. Vgl. auch Glaser-Gallion, Der Bundesrechnungshof als unabhängiges Kontrollorgan, S. 132. 162 Vgl. oben S. 148. 163 Vermerk des Ministerialdirektors Kühne aus dem Referat IV/4 im Bundeskanzleramt für Bundeskanzleramtschef Schüler vom 7. 11. 1977, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt).

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desrechnungshofpräsidenten zu ernennen. Schäfer trat sein Amt als Präsident des Bundesrechnungshofes am 1. Juni 1971 im Alter von 61 Jahren an. Wie sich nun wiederholt zeigte, war die Beauftragung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes zum BWV keine Selbstverständlichkeit. Vielmehr kam es innerhalb der Bundesregierung wieder zu einer Diskussion über die Zukunft des BWV. Der Widerstand gegen die Weiterführung der Personalunion wurde vor allem von Minister Schmidt angeführt. Dieser hatte sich – wie berichtet – bereits früher als Kritiker der Verbindung bemerkbar gemacht 164. Den Wechsel an der Spitze des Bundesrechnungshofes sah er nun als Chance, seine Bedenken dem Bundeskanzler vorzutragen. In einem Schreiben an Bundeskanzler Brandt 165 forderte Schmidt, die Personalunion per Kabinettsbeschluss aufzuheben. Fälschlicherweise ging er aber davon aus, der Kabinettsbeschluss aus dem Jahr 1957, nach dem der jeweilige Präsident des Bundesrechnungshofes automatisch auch BWV werde, gelte unverändert fort, sodass Präsident Schäfer bereits BWV sei. Der Bundesverteidigungsminister war jedoch nicht generell gegen die Tätigkeit eines Beauftragten für Wirtschaftlichkeitsfragen. Er schlug vielmehr vor, einen neuen Beauftragten mit einer eigenen Dienststelle zu schaffen, der dem Bundestag und den Ressorts als echtes Beratungsorgan zur Seite stehe. Durch die bisherige Personalunion, so Schmidt, seien Aufgaben zusammengelegt worden, die nichts miteinander zu tun hätten, und die progressiven Erwartungen, die an den BWV gerichtet gewesen seien, hätten sich nicht erfüllt. Dem Verteidigungsminister war „nicht erinnerlich, daß die bisherige Tätigkeit des Bundesbeauftragten sich in der Reform veralteter Strukturen des öffentlichen Dienstes (...) niedergeschlagen hat“. Aus seiner eigenen parlamentarischen Arbeit wisse er aber, wie sehr es den Abgeordneten bei der Beurteilung von Gesetzesentwürfen an der genauen Kenntnis von deren Auswirkungen im administrativen Bereich fehle. Hier müsse die Arbeit eines neuen Bundesbeauftragten ansetzen. Eine Präsidialabteilung im Bundesrechnungshof aber, so Schmidt, „wird niemals in der Lage sein, entsprechend zu wirken“. Obwohl Kanzleramtsminister Ehmke von seinen Referenten erst im März des Jahres einen Überblick zur rechtlichen Stellung des BWV erhalten hatte, bat er nun erneut um einen neuen Vermerk zu den Vorschlägen Minister Schmidts 166. In ihrer vier Tage später ergangenen Antwort 167 stellten die Mitarbeiter zunächst fest, die Auffassung des Bundesverteidigungsministers, Präsident Schäfer sei 164

Vgl. oben S. 200. Schreiben von Bundesverteidigungsminister Schmidt an Bundeskanzler Brandt vom 9. 6. 1971, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 166 Vermerk von Kanzleramtsminister Ehmke an Abteilungsleiter I vom 18. 6. 1971, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 167 Vermerk von Referat IV/4 des Bundeskanzleramtes vom 22. 6. 1971, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 165

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mit seinem Amtsantritt automatisch auch BWV geworden, sei nicht korrekt, da der Beschluss des Bundeskabinetts aus dem Jahr 1957 bereits seit 1964 wieder aufgehoben worden sei. Sollte Schäfer wieder die Tätigkeit eines BWV übernehmen sollen, so sei hierzu ein neuer Kabinettsbeschluss notwendig. Die Referenten bezweifelten jedoch, ob es aufgrund der neuen Vorschrift des § 88 Abs. 2 BHO überhaupt noch sinnvoll sei, einen BWV zu beauftragen. Denn die Vorschrift gebe dem Bundesrechnungshof ein allgemeines Beratungsrecht, sodass er auch die nach den Richtlinien 1965 normierten Aufgaben des BWV wahrnehmen könne. Abschließend empfahl das Referat, wegen „der politischen Bedeutung der Angelegenheit (...) eine Abstimmung mit dem Koalitionspartner herbeizuführen.“ Präsident Schäfer erfuhr wohl von der Diskussion und ergriff – wie schon viele seiner Vorgänger – selbst die Initiative, da die Bundesregierung nicht den Anschein erweckte, ihn alsbald zum BWV ernennen zu wollen. Am 15. Juli 1971 schrieb er an Kanzleramtschef Ehmke 168 und forderte, sowohl die Institution des BWV an sich als auch die personelle Verbindung mit dem Amt des Rechnungshofpräsidenten weiter bestehen zu lassen. Schäfer führte aus, zwar eröffne auch § 88 Abs. 2 BHO dem Rechnungshof eine Beratungsmöglichkeit, aber diese dürfe er nach dem Wortlaut der Norm nur aufgrund von Prüfungserfahrungen wahrnehmen. Damit aber sei die Beratungstätigkeit des Rechnungshofes eingeschränkt und müsse durch den BWV wirksam erweitert werden. Um dem Kanzleramtsminister die Arbeit des BWV näher zu bringen, gab Schäfer einen Überblick über einige Gutachten größeren Umfangs und verwies auf die alljährliche Mitwirkung des BWV bei der Beratung der Haushaltsvoranschläge sowie auf die regelmäßige Zusammenarbeit mit dem Haushaltsausschuss des Bundestages. Auch der Rückgriff des BWV auf Beamte des Rechnungshofes war nach Auffassung Schäfers unbedenklich. Ein selbstständiger BWV ohne den Apparat des Bundesrechnungshofes, so Schäfer, werde mit Sicherheit nicht zu einem so wirksamen Erfolg führen wie bisher. Von einer solchen Fehlentwicklung rate er dringend ab. Verteidigungsminister Schmidt hatte sein Schreiben an den Bundeskanzler vom Juni 1971 zur Kenntnisnahme auch an Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher gesandt. Genscher sprang seinem ehemaligen Staatssekretär und Parteifreund Schäfer zur Seite und sprach sich in einem Brief an seinen Kollegen Schmidt 169 für die Beibehaltung der Personalunion zwischen dem BWV und dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes aus. Bundeskanzler Brandt erhielt das Schreiben in Abschrift. Genscher widersprach Schmidts Überlegung, die 168

Schreiben von Bundesrechnungshofpräsident Schäfer an Kanzleramtsminister Ehmke vom 15. 7. 1971, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 169 Schreiben von Bundesinnenminister Genscher an Bundeskanzler Brandt vom 4. 8. 1971, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt).

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Trennung der Aufgaben führe zu einer Steigerung der Wirtschaftlichkeit. Es sei im Gegenteil eher wahrscheinlich, dass die Effizienz der Arbeit des BWV beeinträchtigt werde. Denn es sei nicht zu bestreiten, so Genscher, dass der BWV seine Tätigkeit umso besser erfüllen könne, je umfassender sein Einblick in die Verwaltung sei. Die guten Kenntnisse über die Verwaltung gewinne der BWV aber vor allem in seiner Eigenschaft als Präsident des Bundesrechnungshofes und dank der Beamten seines Hauses. Es bestünde, so Genscher, ein enger und ständiger Kontakt zwischen dem BWV und den Prüfungsabteilungen im Bundesrechnungshof. Die praktischen Erfahrungen aus der Kontrollarbeit seien eine große Hilfe bei der Gutachtenerstellung des BWV. Aber auch umgekehrt könne die Rechnungsprüfung von den Erkenntnissen des BWV zehren. Werde der Beauftragte in einer eigenständigen Dienststelle angesiedelt, sah der Bundesinnenminister die Gefahr, dass sich der laufende Kontakt zwischen dem BWV und dem Bundesrechnungshof vermindere und es zu Doppelarbeit kommen werde. Genscher ging abschließend auf einige Gutachten des BWV ein und stellt bezüglich ihrer Folgen fest: „Wenn die Gutachten nicht immer in dem wünschenswerten Umfang Auswirkungen auf die Verwaltung gehabt haben sollten, so kann dies nicht dem Bundesbeauftragten angelastet werden, weil die Verwirklichung seiner Erkenntnisse Sache der Bundesregierung ist.“ Im Bundeskanzleramt liefen die Fäden wieder zusammen. Die unterschiedlichen Positionen wurden weiter diskutiert, wobei sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen nicht endgültig positionierte, aber immer dazu tendierte, die Aufgabe des BWV allmählich einschlafen zu lassen 170. Gedanken machte man sich vor allem über den Umgang mit dem Beratungsrecht nach § 88 Abs. 2 BHO. Eigentlich, so das Referat im Bundeskanzleramt 171, sei mit der Änderung der Bundeshaushaltsordnung als flankierende Maßnahme auch eine Änderung des Bundesrechnungshofgesetzes geplant gewesen. Hier habe unter anderem das genaue Verfahren zur Beratung nach § 88 Abs. 2 BHO geregelt werden sollen. Aber das Bundesfinanzministerium habe an einer Novellierung nicht weiterarbeiten wollen, da es die damalige Meinung Präsident Hertels zur Stellung des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten nicht unterstützen wollte. Die Mitarbeiter im Bundeskanzleramt vertraten die Auffassung, es empfehle sich noch immer eine grundsätzliche Neuordnung des Verhältnisses von BWV und Bundesrechnungshof in einem geänderten Bundesrechnungshofgesetz. Bis zu einer möglichen Novellierung schlugen sie allerdings vor, die jetzige Struktur aufrechtzuerhalten und Präsident Schäfer ad personam zum BWV zu bestellen. Vorteile der Ämterverbindung seien die enge Zusammenarbeit zwischen 170

Vermerk des Referates IV/4 im Bundeskanzleramt vom 17. 8. 1971, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 171 Vermerk des Referates IV/4 im Bundeskanzleramt vom 17. 8. 1971, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt).

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Bundesrechnungshof und BWV und die Möglichkeit des BWV, ohne große formalistische Hürden beraten zu können. Am 25. August 1971 diskutierte das Kabinett außerhalb der Tagesordnung über die Zukunft des BWV 172. Von der Sitzung ist im Ergebnis jedenfalls bekannt, dass Bundesverteidigungsminister Schmidt seine Bedenken gegen die Personalunion zurückstellte und das Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen beauftragt wurde, einen Vorschlag für die Neubesetzung der Position des BWV mit einer Darstellung seiner Aufgaben zu unterbreiten. Am 10. September 1971 legte das Ministerium seinen Vorschlag dem Kanzleramt vor 173: Präsident Schäfer sollte ad personam zum neuen BWV beauftragt werden. Zur Begründung führten die Referenten aus, die Bestellung eines BWV sei trotz der Beratungsmöglichkeit des Bundesrechnungshofes nach § 88 Abs. 2 BHO noch sinnvoll, da der BWV im Gegensatz zum Rechnungshof nicht auf das Kollegialverfahren angewiesen sei, sondern seine Gutachten auch nach persönlichen Weisungen erarbeiten lassen könne. Dieses Verfahren sei in Fällen von besonderer Bedeutung oder Eilbedürftigkeit vorteilhafter. Die Fortführung der bekannten Personalunion sei notwendig, so das Ministerium, da sich der BWV unproblematisch auf den vorhandenen Personalkörper des Bundesrechnungshofes stützen und somit sinnvoll dessen Erkenntnisse aus der Prüfungstätigkeit nutzen könne. Auf seiner Sitzung am 15. September 1971 stimmte das Bundeskabinett dem Vorschlag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Finanzen zu und beschloss, den Präsidenten des Bundesrechnungshofes ad personam zum BWV zu beauftragen 174. Im Nachgang zur Kabinettssitzung nahm Präsident Schäfer das ihm vom Bundeskanzler schriftlich übermittelte Ersuchen, die Aufgaben des BWV wahrzunehmen, an. II. Kanzlerwechsel Brandt – Schmidt Im Zuge der sog. Guillaume-Affäre 175 trat Bundeskanzler Willy Brandt am 6. Mai 1974 zurück. Zum fünften Bundeskanzler der Bundesrepublik wählte 172 Vermerk des Referates IV/4 im Bundeskanzleramt vom 24. 8. 1971, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 173 Ausarbeitung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Finanzen vom 10. 9. 1971, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 174 Vermerk des Referates IV/4 im Bundeskanzleramt vom 14. 9. 1971, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 175 Am 23. / 25. 4. 1974 wurden der DDR-Spion und Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) Günter Guillaume und seine Ehefrau Christel wegen des Verdachts auf Landesverrat und geheimdienstlicher Agententätigkeit festgenommen. Guillaume war seit Oktober 1972 persönlicher Referent von Bundeskanzler Brandt in Parteiangelegenheiten. Vgl. zum Rücktritt Willy Brandts auch Schreiber, Kanzlersturz, S. 1 ff.; Baring / Görtemaker, Machtwechsel, S. 1 ff.

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der Deutsche Bundestag am 16. Mai 1974 den bisherigen Bundesfinanzminister Schmidt. Neuer Finanzminister wurde der parlamentarische Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Hans Apel (SPD), der das Amt bis zum Jahr 1978 innehatte. Mit Schmidt stand nun jemand an der Spitze der Regierung, der der Personalunion von BWV und dem Präsidenten des Rechnungshofes schon immer kritisch gegenüber stand 176. Es sollte daher nicht lange dauern, bis im Kanzleramt die ersten kritischen Töne gegen den BWV laut wurden. Am 24. Juni 1975 forderte der Chef des Bundeskanzleramtes, Manfred Schüler (SPD), von seinen Mitarbeitern einen Vermerk zu den Rechtsgrundlagen des BWV an, der ihm zwei Tage später vorgelegt wurde 177. Die handschriftliche Notiz Schülers, die sich am Ende des Dokuments findet, war unmissverständlich klar: „Vorschlag: Bei Wechsel des Amtsinhabers abschaffen. Bis dahin leer laufen lassen.“ Es liegt zumindest nahe, dass dieser Vorschlag in enger Abstimmung mit Bundeskanzler Schmidt unterbreitet wurde, da der Vermerk auch dem Bundeskanzler vorlag. Fast einen Monat später fragte Kanzleramtsminister Schüler die Referenten im Haus, ob es eine Übersicht über die laufenden Aufträge des BWV gäbe und ob in Angelegenheiten des BWV das Bundesministerium des Inneren oder das Bundesfinanzministerium federführend sei 178. Ein Überblick über die Beratungsaufträge konnte von Schüler jedoch nicht vorgelegt werden, da es hierzu keine zentrale Quelle außer der des Bundesrechnungshofes gab, den man allerdings nicht einschalten wollte. Federführend für Personalia des BWV, so die Antwort des Referats, sei das Bundesfinanzministerium, das aber dem BWV gegenüber keinerlei Weisungsbefugnis besitze 179. Am 3. Oktober 1976 musste sich Bundeskanzler Schmidt erstmals dem freien Wählerwillen stellen 180. Zwar wurde die CDU / CSU unter ihrem Kanzlerkandidaten Kohl mit 48,6 Prozent der Stimmen stärkste Fraktion, doch mithilfe der sozialliberalen Mehrheit wurde Schmidt am 15. Dezember 1976 erneut zum Bundeskanzler gewählt. Apel blieb bis zum Februar 1978 Bundesfinanzminister und wechselte dann im Zuge einer Kabinettsumbildung ins Verteidigungsressort. Ihm folgte als Bundesfinanzminister der bisherige Bundesforschungsminister Hans Matthöfer, der das Ministerium bis April 1982 führte. Chef des Bundeskanzleramtes blieb bis zum Dezember 1980 der SPD-Politiker Schüler. 176

Vgl. oben S. 119, 200 und 203. Vermerk des Regierungsdirektors Kühne vom Referat IV/4 im Bundeskanzleramt vom 26. 6. 1975, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 178 Vgl. den handschriftlichen Auftrag vom Chef des Bundeskanzleramts, Schüler, an das Referat IV/4 vom 4. 7. 1975. 179 Vermerk des Regierungsdirektors Kühne vom Referat IV/4 im Bundeskanzleramt vom 8. 7. 1975, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 180 Amtliches Endergebnis der Wahl zum 8. Deutschen Bundestag am 3. 1. 1976: CDU / CSU: 48,6 %, SPD 42,6 %, FDP 7,9 %. 177

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Nach dem Vorspiel zur Zukunft des BWV, das das Bundeskanzleramt im Juni 1975 initiierte, eröffnete sich ihm schon alsbald die theoretische Möglichkeit, seinen damals gefassten Vorsatz, bei einem Präsidentenwechsel im Bundesrechnungshof den BWV abzuschaffen, umzusetzen: Präsident Schäfers Amtszeit endete am 31. Januar 1978. Als erster kam Bundesfinanzminister Apel aus der Deckung. Er schrieb am 25. Oktober 1977 an Bundeskanzler Schmidt 181 und machte ihm unter Hinweis auf die Bedenken, die er als damaliger Bundesverteidigungsminister gegen die Personalunion von BWV und Bundesrechnungshofpräsident vorgebracht habe, darauf aufmerksam, dass die Bundesregierung in der Bestellung eines BWV rechtlich absolut frei sei. Da die Einrichtung nicht auf einem Gesetz, sondern nur auf einem Kabinettsbeschluss beruhe, könne von einem Beauftragten auch ganz abgesehen werden. Der Minister selbst war allerdings der Auffassung, die bisherige Struktur solle beibehalten werden, da die Abschaffung des BWV in der jetzigen Form nur eine öffentliche Diskussion heraufbeschwöre, die sich nicht lohne. Bezüglich einer Trennung der Ämter wandte Apel zudem ein, der neue Bundesbeauftragte müsse in diesem Fall mit eigenem Personal ausgestattet werden, wobei es zweifelhaft sei, ob dies zu einem deutlich höheren Nutzen für die Verwaltung führen würde als die bekannte Konstruktion der Personalunion von BWV und Bundesrechnungshofpräsident. Bundeskanzleramtschef Schüler bat seine Mitarbeiter um die Wiedervorlage der Vermerke aus dem Jahr 1975 182. Mit der erneuten Vorlage schloss sich der entsprechende Referent den Bedenken von Minister Apel an und sprach sich gegen eine förmliche Abschaffung des BWV aus, da „der politische Lärm (Bund der Steuerzahler) in keinem Verhältnis zum Erfolg stehen dürfte. Leerlaufen kann man die Institution auch ohne neuen Kabinettsbeschluss !“ 183. Weiter schreibt der Beamte, er erlaube sich den Hinweis, der Bundeskanzler solle sich die Abschaffung vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt 1973 184 „zweimal überlegen“. Wenige Tage nachdem Apel seine Position erläutert hatte, einigten sich Bundeskanzler Schmidt und Bundesinnenminister Genscher auf einen Nachfolger 181 Schreiben von Bundesfinanzminister Apel an Bundeskanzler Schmidt vom 25. 10. 1977, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 182 Handschriftliche Notiz des Bundeskanzleramtschefs Schüler vom 31. 10. 1977, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 183 Handschriftliche Notiz (Verfasser unbekannt) vom 4. 11. 1977, in: BA, Best. B 136/ 22589 (Bundeskanzleramt). 184 BVerfGE 45, 1. Mit dem Urteil stellte das BVerfG fest, der Bundesfinanzminister habe das Recht des Bundestages aus Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 110 Abs. 2 S. 1 GG verletzt, da er außerplanmäßigen Ausgaben zugestimmt hatte, ohne dass die Voraussetzungen des Art. 112 S. 2 GG vorlagen.

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für den jetzigen Präsidenten Schäfer 185. An die Spitze des Bundesrechnungshofes sollte ab dem 1. Februar 1978 Karl Wittrock rücken, der bis zu seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand im Jahr 1974 beamteter Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium war. Schmidt und Wittrock kannten sich bereits seit ihrer gemeinsamen Zeit beim Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS). Schmidt war 1947/48 Vorsitzender in der britischen, Wittrock in dieser Zeit in der amerikanischen Zone 186. Am 3. November 1977 rief Kanzleramtschef Schüler Wittrock an und unterrichtete ihn, er solle neuer Präsident des Bundesrechnungshofes werden 187. Nach dieser – noch inoffiziellen – Personalentscheidung drängte die Zeit auch in Sachen BWV. Regierungsdirektor Kühne, der in den vergangenen Monaten im Bundeskanzleramt regelmäßig mit der Stellung des BWV befasst war, sprach sich in seiner Ausarbeitung für Kanzleramtschef Schüler vom 7. November 1977 188 für die Beibehaltung der bisherigen Übung aus. Demnach sollte Wittrock auch BWV werden. Hierfür spreche eine Vielzahl von Gründen. Hierzu zählte Kühne im Falle einer personellen Trennung der Ämter eine mögliche Doppelarbeit, Kompetenzkonflikte, gefährliche öffentliche Diskussionen und Personalmehrkosten. Zudem leiste Bundesinnenminister Genscher möglicherweise, wie schon im Jahr 1971 189, Widerstand gegen eine Abschaffung. Ebenfalls könnten Bundestag und Bundesrat aufgeschreckt werden, da sie im Falle einer Abschaffung ihrer Beratungsmöglichkeit durch den BWV beraubt würden. Es könne auch nicht eingewandt werden, so Kühne, die Tätigkeit des BWV sei durch die Beratungsmöglichkeit des Bundesrechnungshofes nach § 88 Abs. 2 BHO obsolet. Der BWV sei insbesondere nicht auf das Kollegialverfahren im Rechnungshof angewiesen und könne daher häufig angemessener und unbürokratischer agieren. Doch Schüler, der möglicherweise nur auf Geheiß des Bundeskanzlers handelte, lehnte eine schnelle Entscheidung zum BWV ab. Er wies seine Mitarbeiter im Kanzleramt an, sie sollten sicherstellen, dass Wittrock zunächst nur zum Rechnungshofpräsidenten, aber noch nicht zum BWV ernannt werde 190.

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Vermerk von Bundeskanzleramtschef Schüler vom 3. 11. 1977, in: BA, Best. B 136/ 22589 (Bundeskanzleramt). 186 Fichter / Lönnendonker, Geschichte des SDS, S. 241. 187 Vermerk von Bundeskanzleramtschef Schüler vom 3. 11. 1977, in: BA, Best. B 136/ 22589 (Bundeskanzleramt). 188 Vermerk des Ministerialdirektors Kühne vom Referat IV/4 des Bundeskanzleramtes an Bundeskanzleramtschef Schüler vom 7. 11. 1977, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 189 Vgl. oben S. 204. 190 Handschriftlicher Vermerk von Kanzleramtschef Schüler vom 27. 11. 1977, in: BA, Best. B 136/22589.

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

Auf seiner Sitzung am 30. November 1977 stimmte das Bundeskabinett dem Ernennungsvorschlag Wittrock offiziell zu 191. Kanzleramtschef Schüler informierte den scheidenden Präsidenten Schäfer daraufhin telefonisch über die Personalentscheidung. In diesem Telefongespräch fragte Schäfer direkt nach, ob das Bundeskabinett Wittrock denn auch wieder die Aufgabe eines BWV übertragen wolle. Schüler entgegnete, über diese Frage wolle das Kabinett erst später entscheiden. Schäfer fürchtete nun, die Funktion des BWV könne abermals als Ganzes auf der Kippe stehen. Daher wandte er sich knapp zwei Wochen nach dem Telefongespräch per Brief an Schüler 192 und forderte, auch Wittrock müsse wie alle vorigen Rechnungshofpräsidenten wieder BWV werden. Schäfer verwies auf sein Schreiben, das er im Sommer 1971 an den Vorgänger Schülers, Kanzleramtsminister Ehmke, gesandt habe 193. Schäfer wiederholte, die jetzige Struktur des BWV verspreche die höchste Wirksamkeit. Alles andere führe nur zu Doppelarbeiten und gegensätzlichen Standpunkten – einer Fehlentwicklung, von der er dringend abrate. Um die wichtige Arbeit des BWV zu unterstreichen, fügte Schäfer dem Schreiben in der Anlage eine Übersicht der Gutachten bei, die er seit seinem Amtsantritt am 1. Juni 1971 erstattet hatte. In seiner siebenjährigen Amtszeit seien von ihm als Präsidenten in seiner Eigenschaft als BWV 43 Gutachten und rund 150 gutachtliche Stellungnahmen verfasst worden. Darüber hinaus forderte Schäfer Änderungen an den Richtlinien von 1965. So griff er die häufig vom Haushaltsausschuss des Bundestages vorgebrachte Kritik auf, man könne nur unzureichend in die Gutachten des BWV Einblick nehmen; Schäfer forderte, alle Gutachten des BWV müssten zugleich auch immer dem Haushaltsausschuss und dem Bundesfinanzminister zugeleitet werden. Zudem regte Schäfer die Streichung von Ziffer 6 der Richtlinien von 1965 an, nach der sich der BWV für seine Aufgabe der Präsidialabteilung bediene. Die Ziffer sei obsolet, seitdem die Präsidialabteilung unter Präsident Hopf aufgelöst worden sei 194. Das Bundeskanzleramt selbst legte sich zunächst nicht fest, wie es mit den Forderungen Schäfers verfahren wollte, sondern leitete das Schreiben an das Bundesfinanzministerium weiter 195. Dieses lehnte jegliche Änderung an den Richtlinien ab 196. Die Stellung des BWV als Beauftragter der Bundesregierung 191 Entwurf des Schreibens vom Bundeskanzleramt an Bundesfinanzminister Apel vom 30. 11. 1977, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 192 Schreiben von Bundesrechnungshofpräsident Schäfer an Kanzleramtschef Schüler vom 13. 12. 1977, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 193 Vgl. oben S. 204. 194 Vgl. oben S. 202. 195 Schreiben von Ministerialdirektor Kühne an das Referat Z C 6 im Bundesfinanzministerium vom 20. 12. 1977, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 196 Schreiben des Bundesfinanzministeriums an Bundeskanzleramtschef Schüler vom 9. 1. 1978, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt).

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rechtfertige es nicht, so die Beamten, dem Haushaltsausschuss unmittelbar alle Gutachten weiterzuleiten. Es sei zunächst allein Aufgabe der Bundesregierung, Schlussfolgerungen aus den Gutachten zu ziehen. Zudem habe die frühzeitige Einschaltung des Haushaltsausschusses eine abschreckende Wirkung auf die Exekutive, was dazu führen könne, dass weniger Gutachten in Auftrag gegeben würden und damit letztlich die Effektivität des BWV leide. Im Übrigen hätten nach den Richtlinien für den BWV sowohl Bundestag als auch Bundesrat die Möglichkeit, Gutachten einzuholen. Das Bundesfinanzministerium lieferte dem Kanzleramt am 9. Januar 1978 einen Entwurf für ein entsprechendes Antwortschreiben an Schäfer zu. Im Bundeskanzleramt entschied man sich, den Brief erst abzusenden, nachdem Präsident Schäfer seinen Abschiedsbesuch 197 beim Bundeskanzler absolviert habe 198. So wurde jede weitere unliebsame Diskussion vermieden. Insbesondere wollte das Kanzleramt wohl nicht Gefahr laufen, dass Schäfer im direkten Gespräch mit dem Bundeskanzler die ablehnende Haltung thematisieren könnte. Das Antwortschreiben von Bundeskanzleramtschef Schüler ging folglich erst am 10. Februar 1978 an den Bundesrechnungshof 199 und begann mit „Sehr geehrter Herr Dr. Schäfer, für Ihre Schreiben vom 14. und 21. Dezember 1977 (...) möchte ich Ihnen danken“. Doch Schäfer war seit dem 1. Februar 1978 schon nicht mehr im Amt. Den Dank und die Ablehnung seiner Vorschläge zu einer Richtlinienänderung konnte Schäfer nur noch im Ruhestand zur Kenntnis nehmen. Die Ernennung des neuen Präsidenten Wittrock rückte immer näher und damit auch die Frage, wie es mit dem BWV weitergehen sollte. Bundesfinanzminister Apel, der zwar Änderungen an den Richtlinien ablehnte, entschied sich gut zwei Wochen vor dem Präsidentenwechsel im Bundesrechnungshof für die Beibehaltung des BWV in seiner hergebrachten Form. Apel sandte am 11. Januar 1978 an Bundeskanzleramtschef Schüler einen Beschlussvorschlag für die nächste Kabinettssitzung 200: Die bisherige Verbindung der Institution des Bundesbeauftragten mit dem Amt des Präsidenten des Bundesrechnungshofes solle beibehalten und der künftige Präsident Wittrock mit den Aufgaben des BWV betraut werden. Eine nähere Begründung für seinen Vorschlag lieferte Apel aber nicht. Wie von Apel gewünscht, platzierte das Bundeskanzleramt für die geplante Kabinettssitzung am 25. Januar 1978 zunächst einen Tagesordnungspunkt „Be197 Der Abschiedsbesuch von Präsident Schäfer bei Bundeskanzler Schmidt war am 18. 1. 1978. 198 Vermerk von Referat 44 des Bundeskanzleramts vom 16. 1. 1978, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 199 Schreiben von Bundeskanzleramtschef Schüler an den Bundesrechnungshof vom 9. 2. 1978, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 200 Schreiben von Bundesfinanzminister Apel an Bundeskanzleramtschef Schüler vom 12. 12. 1978, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt).

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auftragung des künftigen Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Staatssekretär a. D. Wittrock, mit den Aufgaben des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung“. Doch wie schon die alte Erfahrung lehrte, ging die Beauftragung des BWV auch diesmal nicht so glatt über die Bühne, wie es zunächst den Anschein hatte. Zwei Tage vor der Kabinettssitzung wurde im Bundeskanzleramt eine Besprechung anberaumt, um die Sitzung des Bundeskabinetts vorzubereiten. Im Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt über den BWV kam es zu einer Diskussion, über deren genauen Verlauf zwar nichts bekannt ist, aber im Ergebnis einigte man sich, den Punkt zur Beauftragung eines BWV von der Tagesordnung abzusetzen 201. Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Johannes Hiehle, wurde gebeten, noch in der laufenden Woche auf Staatssekretärsebene zu einer Besprechung über die Zukunft des BWV einzuladen. Fünf Tage später, am 27. Januar 1978, kamen auf Einladung von Staatssekretär Hiehle die beamteten Staatssekretäre aus den Bundesministerien zusammen. Insbesondere die Vertreter des Bundesverkehrsministeriums, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und des Bundesverteidigungsministeriums äußerten ihre grundsätzlichen Bedenken zur Personalunion zwischen dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes und dem BWV 202. In dem Vermerk heißt es allerdings nur, dass die besagten Staatssekretäre argumentativ den Einwänden folgten, die schon Kanzler Schmidt in seiner Zeit als Verteidigungsminister vorgebracht hatte. Doch trotz der Bedenken kam die Runde überein, es gebe derzeit keine Alternative, den kommenden Präsidenten Wittrock auch zum BWV zu ernennen. Der Grund war – wie schon so häufig – die Sorge vor der öffentlichen Meinung. So heißt es in dem Vermerk wörtlich „Es bestand jedoch Einigkeit, dass in Anbetracht der gegenwärtigen politischen Situation ein Abweichen von der bisherigen Übung in der Öffentlichkeit als ein Versuch zur Eindämmung der unabhängigen Prüfungs- und Beratungskompetenz des Bundesrechnungshofes seitens der Bundesregierung missdeutet werden könnte“ 203. Doch einen Freifahrtschein zur Aufrechterhaltung der jetzigen Struktur des BWV stellten die Staatssekretäre nicht aus. Das Einvernehmen wurde nur unter dem Vorbehalt erklärt, dass die Institution des BWV in seiner jetzigen Form nicht auf Dauer festgeschrieben werde und das Bundesfinanzministerium noch im Laufe des Jahres zu einem Gespräch einlade, um Möglichkeiten einer Umstrukturierung des BWV zu entwickeln. Ferner war man sich einig, der BWV müsse seine Öffentlichkeitsarbeit restriktiver handhaben. Hierzu sollte das Bundesfi201 Ergebnisprotokoll des Bundeskanzleramtes vom 21. 1. 1978, in: BA, Best. B 136/ 22589 (Bundeskanzleramt). 202 Vermerk des Referates 44 im Bundeskanzleramt vom 27. 1. 1978, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 203 Vermerk des Referates 44 im Bundeskanzleramt vom 27. 1. 1978, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt).

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nanzministerium Kriterien aufstellen, die dem neuen Präsident Wittrock gleich bei seinen Antrittsbesuchen mit auf den Weg gegeben werden sollten. Den Materialien nach zu urteilen wurde der erwähnte Kriterienkatalog allerdings nie erstellt. Am 31. Januar 1978 händigte Bundespräsident Scheel dem Staatssekretär a. D. Wittrock seine Ernennungsurkunde für das Amt des Bundesrechnungs-hofpräsidenten aus. Die Bundesregierung wollte Wittrock nun möglichst schnell auch zum BWV machen. Per „Eilt“-Fernschreiben schickte Bundeskanzleramtschef Schüler an alle Bundesminister eine Erweiterung der Tagesordnung für die Sitzung des Bundeskabinetts am 1. Februar 1978 heraus. Eingefügt war als Tagesordnungspunkt 2 a) die Beauftragung des Präsidenten Wittrock zum BWV. Auf der Sitzung des Bundeskabinetts am 2. Februar 1978 kam es dann zwischen den Ministern zu einer erneuten Diskussion über die Rolle des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten als BWV 204. So beklagte sich Bundesverteidigungsminister Georg Leber (SPD), die Forderungen des Bundesrechnungshofes stünden teilweise im Widerspruch zur Politik der Bundesregierung. So fordere der Bundesrechnungshof, Kreiswehrersatzämter zu schließen, was nicht dem Ziel der Bundesregierung zur Sicherung der Vollbeschäftigung entspreche. Auch der Einsatz von Haushaltsmitteln zur Teilnahme der Bundeswehr an öffentlichen Veranstaltungen wie zum Beispiel der „Kieler Woche“ werde vom Bundesrechnungshof kritisiert. Doch dies bezwecke, so Leber, die wichtige Selbstdarstellung der Armee in der Öffentlichkeit und diene letztlich dem Allgemeinwohl. Bundesverkehrsminister Matthöfer war der Auffassung, der Bundesrechnungshof müsse sich auf die reine Kontrolle beschränken und dürfe sich nicht in politische Entscheidungen einmischen, bei denen er keinerlei Kompetenz habe. Auch könne es nicht angehen, so Matthöfer, dass immer wieder Berichte des Bundesrechnungshofes an die Presse gelangten. Bundesfinanzminister Apel teilte seine Befürchtung mit, die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes und des BWV führe dazu, dass die klassische Kontrolle eine immer geringere Rolle spiele und damit letztlich die Bundeshaushaltsordnung unterlaufen werde. Der BWV dürfe sich keinesfalls zum allgemeinen Hilfsorgan entwickeln. Bundesarbeitsminister Herbert Ehrenberg (SPD) sagte, ihm sei die jetzige Konstruktion des BWV insgesamt unbehaglich; mittelfristig sollte hieran etwas geändert werden. Bundeskanzler Schmidt schlug schließlich vor, der Bundesfinanzminister solle in angemessener Zeit dem Kabinett einen Vorschlag zu anderen Regelungen für den BWV machen 205. Auf eine genaue Festlegung, in welche Richtung 204 Vgl. zu den geäußerten Standpunkten im Bundeskabinett die handschriftlichen Aufzeichnungen (Verfasser unbekannt) auf einem Vermerk des Bundeskanzleramtes vom 30. 1. 1978, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 205 Vermerk des Referates 44 im Bundeskanzleramt vom 14. 2. 1978, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt).

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dieser Vorschlag gehen sollte, verzichtete das Bundeskabinett jedoch. Doch das wichtigste Ergebnis für die nahe Zukunft des BWV stand: Das Bundeskabinett beschloss, Präsident Wittrock die Aufgabe eines BWV zu übertragen 206. Mit Schreiben vom 8. Februar 1978 bat Bundeskanzler Schmidt im Namen der Bundesregierung den seit dem 1. Februar im Amt befindlichen Präsidenten Wittrock um die Übernahme der Tätigkeit eines BWV. Am 14. Februar 1978 antwortete Wittrock und erklärte sich bereit, die Aufgabe eines BWV zu übernehmen. Ein wichtiges Anliegen, mit dem Präsident Wittrock kurz nach dem Beginn seiner Amtszeit an die Regierung herantrat, war die Frage der Beteiligung des BWV an den Gesetzesvorhaben der Bundesregierung. In einem Schreiben an den neuen Bundeskanzleramtschef Manfred Lahnstein vom 10. Juli 1981 207 wies Präsident Wittrock darauf hin, dass er in seiner Eigenschaft als BWV gem. § 23 Abs. 2 GGO II i.V. m. §§ 23 Abs. 1, 70 Abs. 2 GGO I frühzeitig an den Gesetzesentwürfen der Bundesministerien zu beteiligen sei. Einige Ressorts, so Wittrock, stellten ihm bereits die Referentenentwürfe frühzeitig zur Verfügung, andere hingegen schalteten ihn erst ein, wenn die Kabinettsvorlage bereits erstellt sei. In letzteren Fällen sei es aber für eine wirksame Beteiligung und eine substantiierte Stellungnahme in der Regel zu spät. Daher bat Wittrock den Kanzleramtschef sicherzustellen, dass er als BWV frühzeitig alle Gesetzentwürfe zugeleitet bekomme. Als Reaktion auf das Schreiben schaltete das Bundeskanzleramt mehrere Referate im Haus ein, um relevante Erfahrungen zur Beteiligung des BWV an Gesetzesvorhaben zusammenzutragen 208. Welche Folgen der Prüfauftrag im Kanzleramt hatte, lässt sich den Materialien jedoch nicht entnehmen; auch bleibt unbeantwortet, ob die Bitte des Präsidenten zu einer Verbesserung der Einbindung des BWV bei Gesetzgebungsvorhaben führte. Eine offizielle Antwort des Bundeskanzleramtes auf das Schreiben Wittrocks gab es wohl ebenfalls nicht. Bis zum Ende der Regierungszeit Schmidts wurden jedenfalls die Überlegungen, die Struktur des BWV zu ändern nicht mehr weiterverfolgt: In den Vermerken der Regierung aus den Jahren 1979 209 und 1981 210 heißt es, die Stel206 Vermerk des Referates 44 im Bundeskanzleramt vom 2. 2. 1978, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 207 Schreiben von Bundesrechnungshofpräsident Wittrock an Bundeskanzleramtschef Lahnstein vom 10. 7. 1981, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 208 Schreiben der Gruppe 13 im Bundeskanzleramt an die Abteilungen 3 und 4 sowie die Referate 14 und 112 vom 16. 7. 1981, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). Näheres hierzu konnte nicht ermittelt werden. 209 Vermerk aus dem Jahr 1979 (Verfasser und genaues Datum nicht ermittelbar), in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 210 Vermerk des Referates 44 in Bundeskanzleramt vom 16. 7. 1981, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt).

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lungnahme des Bundesfinanzministers stehe noch aus, da man ohne konkreten Anlass das Verhältnis zum BWV nicht belasten wolle.

B. Konsolidierung der Beratungstätigkeit (1982 –2007) Die Turbulenzen um die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten, die die 50er-, 60er- und 70er-Jahre kennzeichneten, finden sich seit den 80er-Jahren bis ins neue Jahrtausend hinein nicht mehr. Die beratende Tätigkeit war mehr und mehr willkommen und fußte auf einem vertrauensvollen Verhältnis zwischen Rechnungshof und Parlament, aber auch auf einem entspannteren Verhältnis von Regierung und Rechnungshof. Von Diskussionen, die den Rechnungshof und seinen Präsidenten in der Funktion eines Sparbeauftragten seit Saemischs Zeiten ständig begleitet hatten, war deutlich weniger zu spüren 211. Es gab keine Initiativen zur Abschaffung der Sonderfunktion des Präsidenten als BWV und keine Probleme mehr bei der Übertragung der Aufgabe für den BWV. I. Regierungswechsel Schmidt – Kohl Die sozialliberale Koalition stellte auch nach der Bundestagswahl am 5. Oktober 1980 212 die Mehrheit im Deutschen Bundestag und wählte Schmidt erneut zum Bundeskanzler. Die Rezession der Jahre 1980/81 und der mit ihr verbundene Anstieg der Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung führten jedoch zunehmend zu Spannungen in der Koalition, was sich insbesondere während der Haushaltsverhandlungen zeigte. Trotzdem kam es für die Abgeordneten überraschend, als Kanzler Schmidt am 5. Februar 1982 die Vertrauensfrage nach Art. 68 des Grundgesetzes stellte 213. Doch sämtliche 216 SPD- und 53 FDP-Abgeordneten sprachen Schmidt das Vertrauen aus. Aber schon im September 1982 spitzte sich die Lage in der Koalition spürbar zu. Ein von Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP) verfasstes 34-seitiges Papier zur Wirtschafts- und Finanzpolitik 214, das unter anderem eine Vielzahl von Kürzungsvorschlägen ent211 Diese Wertung macht der Verfasser allerdings unter dem Vorbehalt der begrenzten Einsichtnahme in Akten des Bundeskanzleramts und des Bundesfinanzministeriums aus den Jahren 1986 – 2007. Die Einsichtnahme erfolgte auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes, das es der vorlegenden Stelle ermöglicht, Akten zurückzuhalten. 212 Amtliches Endergebnis: CDU / CSU 44,5 %, SPD 42,9 %, FDP 10,6 %. 213 Schmidt begründete seinen Antrag mit den ungewöhnlich schwierigen Verhandlungen über das vom Kabinett beschlossene Beschäftigungsprogramm. 214 Vgl. das Dokument in voller Länge im Archiv des Liberalismus, Friedrich-NaumannStiftung, http://admin.fnst.org/uploads/644/Lambsdorffpapier-2.pdf (Stand: 1. 6. 2012).

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hielt, wurde immer stärker als „Scheidungspapier“ der Koalition gewertet. Am 17. September 1982 kam es mit dem Rücktritt der vier FDP-Bundesminister zum Bruch der Koalition. Kurz danach sprachen sich der FDP-Parteivorstand (mit 18:15 Stimmen) und die FDP-Bundestagsfraktion (mit 33:18 Stimmen) für Koalitionsverhandlungen mit der CDU / CSU aus. Am 28. September 1982 einigten sich die Verhandlungspartner auf eine gemeinsame Koalition und beschlossen, ein konstruktives Misstrauensvotum nach Art. 67 GG in den Bundestag einzubringen. Mithilfe des Misstrauensvotums wurde der Vorsitzende der CDU / CSUBundestagsfraktion und Bundesvorsitzende der CDU, Kohl, am 1. Oktober 1982 zum sechsten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Um Neuwahlen zu ermöglichen, stellte Kohl mit Erfolg die negative Vertrauensfrage nach Art. 68 GG. Bei der Wahl zum 10. Deutschen Bundestag am 6. März 1983 215 erlitten die ehemaligen Regierungsparteien SPD und FDP herbe Verluste. Erstmals konnten auch die Grünen in den Bundestag einziehen. Kohl wurde mit den Stimmen der CDU / CSU und FDP wieder zum Bundeskanzler gewählt. In den insgesamt 16 Jahren der Regierung Kohl hatte die Bundesrepublik zwei Bundesfinanzminister: Von 1983 bis 1989 amtierte der CDU-Politiker Gerhard Stoltenberg im Ressort, ihm folgte von 1989 bis zum Regierungswechsel 1998 der CSU-Politiker Theodor Waigel. II. Novelle des Bundesrechnungshofgesetzes Eigentlich sollte schon im Zuge der Haushaltsrechtsreform 1969 auch das seit dem Jahr 1950 gültige Bundesrechnungshofgesetz geändert werden, welches die wesentlichen Organisations- und Verfahrensfragen des Bundesrechnungshofes festlegt. Doch Ausarbeitungen in dieser Hinsicht wurden seinerzeit aufgrund des äußerst angespannten Verhältnisses zwischen der Bundesregierung und dem damaligen Präsidenten Hertel nicht weiterverfolgt. Somit verloren gem. § 119 Abs. 2 Nr. 4 BHO mit dem Inkrafttreten der Bundeshaushaltsordnung nur § 4 BRHG und §§ 6 bis 9 BRHG ihre Gültigkeit. Auch Präsident Schäfer hatte den Faden für ein neues Bundesrechnungshofgesetz nach seinem Amtsantritt wieder aufgenommen 216. Doch auch mit ihm hatte die Bundesregierung bei umstrittenen Fragen keine Einigung erzielen können 217, sodass Arbeiten an dem Gesetz seitens der Regierung nicht weiterverfolgt wurden. Erst nach dem Regierungswechsel 215

Amtliches Endergebnis: CDU / CSU: 48,8 %, SPD: 38,2 %, FDP 7,0 %, Grüne: 5,6 %. 216 Bundesrechnungshofpräsident Schäfer übermittelte dem Bundesfinanzministerium im Jahr 1973 einen im BRH ausgearbeiteten Gesetzesentwurf für ein BRHG. Vgl. hierzu den Vermerk des Referates 44 im Bundeskanzleramt vom 22. 2. 1978, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt).

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im Jahr 1982 wurde das Vorhaben wieder aufgegriffen 218. Das Bundesrechnungshofgesetz von 1985 beruht auf einem Gesetzesentwurf der Bundesregierung 219 und einem Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion 220, die beide an den Haushaltsausschuss zur Beratung überwiesen wurden. Grundsätzlich herrschte im Ausschuss Einigkeit 221, den Bundesrechnungshof noch näher an das Parlament heranzuführen. Die Beratungsmöglichkeit des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten wurde während der Verhandlungen allerdings nicht thematisiert. Strittig war bis zuletzt vor allem das Verfahren zur Wahl des Bundesrechnungshofpräsidenten. Während die SPD dem Bundestag das direkte Wahlvorschlagsrecht einräumen wollte, bestand die Regierung darauf, sie mache den Wahlvorschlag und das Parlament dürfe wählen. Letztlich setzte sich die Regierung mit ihrer Mehrheit im Bundestag durch: Der Präsident und der Vizepräsident werden seither gem. § 5 Abs. 1 BRHG auf Vorschlag der Bundesregierung von Bundestag und Bundesrat gewählt. Das Bundesrechnungshofgesetz trat am 11. Juli 1985 in Kraft 222. III. Heinz Günter Zavelberg als Präsident des Bundesrechnungshofes und BWV Das neue Wahlrecht für das Amt des Präsidenten des Bundesrechnungshofes sollte schon alsbald Anwendung finden, da die Amtszeit von Bundesrechnungshofpräsident Wittrock mit dem Erreichen der Altersgrenze von 68 Jahren am 30. September 1985 endete. Für die Nachfolge Wittrocks waren drei Kandidaten in der Diskussion. Bundeskanzler Kohl favorisierte seinen Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Waldemar Schreckenberger, wohingegen der bayrische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Strauß dem Bundeskanzler mit Schreiben vom April 1985 223 den Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes, Heinz Günter Zavelberg (CSU), vorschlug. Strauß kannte Zavelberg noch aus seinen Zeiten als Bundesfinanzminister, als Zavelberg Referatsleiter in seinem Minis217

Zu den Wünschen des BRH, die die Bundesregierung nicht unterstützten wollte, gehörten eine Altersgrenze für die Mitglieder des Bundesrechnungshofs von 68 Jahren und die Mitwirkung des Präsidiums des BRH und des Bundestages bei den Ernennungsvorschlägen der Bundesregierung für das Amt des Präsidenten und Vizepräsidenten des BRH. 218 Vgl. zur Entstehung und Inhalt des neuen des BRHG im Überblick: Eickenboom / Heuer, DÖV 1985, S. 997 ff. 219 BT-Drs. 10/3323. 220 BT-Drs. 10/2929. 221 Bericht und Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drs. 10/3510. 222 „Gesetz über den Bundesrechnungshof (Bundesrechnungshofgesetz – BRHG)“ v. 11. 7. 1985 (BGBl. 1985, I, S. 1445). 223 FAZ vom 1. 6. 1985.

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terium war. Als Kandidat des Parlaments galt der Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, Bernhard Friedmann (CDU) 224. Da Schreckenberger in der CDU / CSU-Bundestagsfraktion nicht unumstritten war 225 und die Regierung aufgrund der neu eingeführten Wahl im Bundestag brenzlige Situationen vermeiden wollte, einigte sich die Bundesregierung letztlich auf den anerkannten Finanzfachmann Zavelberg. Sein Vize sollte der Leiter der Abteilung Grundsatzfragen und Haushaltsrecht, Ernst Heuer (SPD), werden. Am 27. November 1985 wählte der Deutschen Bundestag Zavelberg zum Präsidenten des Bundesrechnungshofes und Heuer zu dessen Vizepräsidenten. Ohne weitere Diskussionen wurde Präsident Zavelberg auch zum BWV beauftragt: Nachdem das Kabinett am 8. Januar 1986 bereits beschlossen hatte, dass Zavelberg auch BWV werden sollte 226, schrieb Bundeskanzler Kohl am 5. Februar 1986 an den Präsidenten 227 und bat ihn im Namen der Bundesregierung, die Aufgabe eines BWV zu übernehmen. Am 24. Februar 1986 beantwortete Zavelberg das Schreiben positiv 228. Zwar hieß es in einem Vermerk des Bundeskanzleramtes vom 5. Februar 1986 229, dass die Institution des BWV früher mehrfach in Frage gestellt worden sei und insofern die Diskussion hierüber in Zukunft wieder aufleben könne, aber diese Befürchtung sollte sich nicht bestätigen. 1. Die Neufassung der Richtlinien für den BWV 1986 Nicht lange nachdem Präsident Zavelberg die Aufgaben des BWV übernommen hatte, begannen im Bundesfinanzministerium die Vorbereitungen zur Änderung der Richtlinien aus dem Jahr 1965. So schrieb Ministerialrat Erwin Piduch aus dem Bundesfinanzministerium am 7. März 1986 an das Bundeskanzleramt 230 und sandte in der Anlage seinen Vorschlag zur Neufassung der Richtlinien für den BWV mit. Piduch schrieb, da die Richtlinien aus dem Jahr 1965 zeitlich vor der Finanzrechtsreform und dem Bundesrechnungshofgesetz beschlossen worden seien, sei eine baldige Neufassung angezeigt. Infolge der Finanzrechts224

Süddeutsche Zeitung vom 1. 6. 1985. Münchener Merkur vom 1. 6. 1985. 226 Vermerk von Gruppe 11 im Bundeskanzleramt vom 16. 1. 1986, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 227 Schreiben von Bundeskanzler Kohl an den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Zavelberg, vom 5. 2. 1986 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 228 Schreiben des Bundeskanzleramtes an alle Bundesminister vom 5. 3. 1986 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 229 Vermerk der Abteilung I im Bundeskanzleramt vom 5. 2. 1986 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 230 Schreiben des Ministerialrats Piduch aus dem Bundesfinanzministerium an das Bundeskanzleramt vom 7. 3. 1986, in: BA, Best. B 136/22589 (Bundeskanzleramt). 225

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reform konnte sich die Bundesregierung bei dem Erlaß der Richtlinien nun auf Art. 114 Abs. 2 S. 3 GG stützen, da dieser dem Gesetzgeber ermöglicht, dem Bundesrechnungshof weitere Zusatzaufgaben zuzuweisen; damit ist auch die außergesetzliche Übertragung der Zusatzaufgabe des BWV auf den Präsidenten des Bundesrechnungshofes in Form von Richtlinien von der Ermächtigung des Art. 114 Abs. 2 S. 3 GG gedeckt 231. Nach informellen Kontakten, so Piduch, dürfte der Entwurf konsensfähig sein. Diesmal ging alles ganz unkompliziert: Nur zwei Tage nachdem das Schreiben Piduchs eingegangen war, rief ein Beamter aus dem Kanzleramt bei Piduch an und sagte, seitens des Kanzleramtes bestünden keinerlei Bedenken gegen die Neufassung. Der neue Entwurf der Richtlinien enthielt einige Änderungen gegenüber den Richtlinien von 1965. Die wichtigste Änderung im Wortlaut war dabei, dass aus der für den BWV verpflichtenden Beratung („wird (...) tätig / hat zu beraten“) nun eine freiwillige Beratung des BWV wurde („kann (...) beratend tätig werden“). Wie bei der Beratung durch den Bundesrechnungshof gem. § 88 Abs. 2 BHO waren nun auch die Richtlinien als Ermessensvorschrift ausgestaltet. Bezüglich der Informationspflichten des BWV wurde ebenfalls eine Formulierung aus § 88 Abs. 2 BHO übernommen. Danach muss der BWV im Falle der Beratung von Bundestag oder Bundesrat zugleich auch die Bundesregierung unterrichten (Ziffer 3 S. 2). Hierdurch wurde die Position der Bundesregierung gestärkt. Einfacher wurde es hingegen für den BWV, Einsicht in Kabinettsprotokolle zu nehmen: Brauchte der BWV für die Einsicht in Protokolle von Kabinettssitzungen, an denen er nicht selbst teilgenommen hatte, nach den Richtlinien von 1965 das Einverständnis des Bundeskanzlers, reichte nun nach Ziffer 4 a. E. der neuen Richtlinien das Einverständnis des Chefs des Bundeskanzleramtes. Ersatzlos gestrichen wurde Ziffer 4 Abs. 1 der Richtlinien von 1965, die es dem BWV gestattete, an den Sitzungen des Bundestages oder Bundesrates sowie seiner Ausschüsse teilzunehmen. Darüber hinaus fiel die Möglichkeit für die Bundesländer weg, sich vom BWV beraten zu lassen (Ziffer 3 S. 2 der Richtlinien 1965). Inhaltlich nicht wieder aufgenommen wurde auch Ziffer 6 der Richtlinien von 1965, nach der sich der BWV für die Erfüllung seiner Aufgabe auf die Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofes hatte stützen können. Da die Präsidialabteilung als Gutachtenabteilung unter Präsident Hopf aufgelöst worden war 232, war diese Regelung obsolet geworden. Erstmals sahen die Richtlinien eine Stellvertreterregelung vor: Stellvertreter des BWV ist gem. Ziffer 1 S. 3 der Richtlinien der Vizepräsident des Bundesrechnungshofes. Doch die neuen Richtlinien stellten zugleich klar, dass der BWV von der Bundesregierung nicht als Dauerinstitution aufgefasst wurde. Denn in Ziffer 1 der Richtlinien heißt es, der Präsident des Bundesrechnungshofes sei „traditionell jeweils zugleich“ BWV. Aber im folgen231 232

Butzer, in: Epping / Hillgruber, Art. 114 Rn. 32 f. Vgl. oben S. 202.

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den Satz heißt es „Über die Bestellung des BWV wird nach Ernennung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes von der Bundesregierung entschieden“. Damit ließ sich die Bundesregierung die Hintertür offen, auf die Ernennung eines BWV auch verzichten zu können. Am 18. August 1986 sandte Bundesfinanzminister Stoltenberg die Richtlinien an den Chef des Bundeskanzleramtes, Wolfgang Schäuble, mit der Bitte, hierüber einen Beschluss der Bundesregierung herbeizuführen 233. In der dem Schreiben beiliegenden Sachdarstellung führte Stoltenberg aus, die Aufgabenstellung des BWV bleibe mit den neuen Richtlinien unverändert und die Beratungsaufgabe des Bundesrechnungshofes nach § 88 Abs. 2 BHO werde nicht berührt. Ebenfalls sei sichergestellt, dass dem BWV keine verbindlichen Aufträge erteilt werden könnten. Dies sei notwendig, da der BWV von anderen Mitgliedern des Bundesrechnungshofes unterstützt werde, die dadurch ihrer Haupttätigkeit nicht ohne Zustimmung entzogen und in ihrer Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt werden dürften. Das Bundeskabinett nahm die vom Bundesfinanzminister vorgeschlagene Änderung der Richtlinien auf seiner Sitzung am 26. August 1986 unverändert an 234. Im Folgenden werden die bis heute geltenden Richtlinien 235 im Überblick dargestellt. a) Beratungsziel Das Beratungsziel des BWV formuliert Ziffer 2 S. 1 der Richtlinien. Der BWV hat durch seine Tätigkeit auf eine wirtschaftliche Erfüllung 236 der Bundesaufgaben und auf eine dementsprechende Organisation der Bundesverwaltung, einschließlich ihrer Sondervermögen und Betriebe, hinzuwirken. Um das Ziel der wirtschaftlichen Erfüllung von Bundesaufgaben zu erreichen, wird der BWV hauptsächlich auf drei Gebieten tätig 237. Erstens erstellt er Handlungshandbücher, in denen wesentliche Prüfungserkenntnisse des Bundesrechnungshofes für wiederkehrende Fragestellungen in der Verwaltung zusammengetragen werden. Diese Erkenntnisse über typische Mängel oder grundlegende Fehlentwicklungen sollen der Verwaltung eine Orientierung geben, wie Entscheidungen wirtschaftlich ausgerichtet und Fehler vermieden werden können 238. Ein Beispiel für ein solches Handlungshandbuch ist etwa das Gutachten über 233 Schreiben von Bundesfinanzminister Stoltenberg an Bundeskanzleramtschef Schäuble vom 18. 8. 1986 in den Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 234 BAnz Nr.163 S. 12485. 235 BAnz Nr.163 S. 12485. 236 Vgl. zum Begriff der Wirtschaftlichkeit oben S. 172. 237 Engels, in: Heuer: VI/7 (BWV-RL) Rn. 10.

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den Einsatz externer Berater in der Bundesverwaltung aus dem Jahr 2007 239. Zweitens wird der BWV zu aktuellen Fragen tätig. Aus der jüngsten Vergangenheit gehören hierzu etwa das Gutachten zur „Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes“ aus dem Jahr 2001 oder das Gutachten „Chancen zur Modernisierung und Entlastung des Bundeshaushaltes“ aus dem Jahr 2009 240. Der dritte Bereich der Beratung durch den BWV, der mittlerweile den Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildet, ist die Gesetzesfolgenabschätzung. b) Beratungsadressaten Der BWV hat gem. Ziffer 3 S. 1 nach seinem freien Ermessen („Kann-Vorschrift“) die Möglichkeit, die Bundesregierung, einzelne Bundesminister, den Bundestag sowie den Bundesrat zu beraten. Zudem kann er gem. Ziffer 5 S. 1 auch bei bundesunmittelbaren Juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder bei Zuwendungsempfängern des Bundes beratend tätig werden. Bei der Beratung der Legislative durch den BWV fordert der derzeitige Präsident des Bundesrechnungshofes, Engels, jedoch eine restriktive Auslegung der Richtlinien 241. Nach seiner Auffassung dürfe der BWV die Legislative nur beraten, wenn die Bundesregierung hierzu zuvor ihr Einverständnis erklärt habe. Dies sei notwendig, da der BWV ausschließlich ein Beauftragter der Bundesregierung sei. Gegen diese Argumentation spricht jedoch, dass sich die Bundesregierung ohne Weiteres für einen entsprechenden Zustimmungsvorbehalt in den von ihr ausgearbeiteten Richtlinien hätte entscheiden können. Stattdessen aber hat die Bundesregierung dem BWV gemäß Ziffer 3 S. 2 nur eine reine Unterrichtungspflicht ihr gegenüber auferlegt, wenn er den Bundestag oder den Bundesrat berät. c) Rechte des BWV aa) Recht zur Ablehnung der Aufgabe eines BWV Ein grundlegendes Recht normiert Ziffer 1 S. 2 der Richtlinien, nach der der Präsident des Bundesrechnungshofes nicht zwangsweise von der Bundesregierung zum BWV bestellt werden kann. Die Bestellung setzt grundsätzlich sein Einverständnis voraus. 238 Romers, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 45 (45). 239 Einsatz externer Berater in der Bundesverwaltung, Bd. 14 der BWV-Schriftenreihe. 240 Gutachten zur Modernisierung und Entlastung des Bundeshaushaltes. Veröffentlicht auf den Internetseiten des Bundesrechnungshofes unter: http://bundesrechnungshof.~de /bundesbeauftragter-bwv/ergebnisse-des-bwv-1/sonstige-gutachten-berichte-bwv/06-bwv -bericht-chancen.pdf (Stand: 1. 6. 2012). 241 Engels, in: Heuer: VI/7 (BWV-RL) Rn. 4.

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bb) Beratungsrechte Ein Beratungsrecht steht dem BWV gemäß Ziffer 2 S. 1 für die gesamte Bundesverwaltung, einschließlich ihrer Sondervermögen und Betriebe zu. Des Weiteren erstreckt sich gem. Ziffer 2 S. 2 seine Beratung auf die Gesetzgebungstätigkeit des Bundes. Die Ausübung seiner Rechte steht unter dem Vorbehalt, dass er mit dem Ziel der Erhöhung der Wirtschaftlichkeit berät. cc) Informationsrechte Gemäß Ziffer 4 S. 1 müssen die Bundesressorts den BWV bei allen organisatorischen oder sonstigen Maßnahmen von erheblicher finanzieller Tragweite informieren. Bei Landes- und Gemeindebehörden kann der BWV gemäß Ziffer 5 S. 2 Informationen über deren Einrichtungen und Arbeitsweise einholen. Zudem hat der BWV das Recht, mit Zustimmung des Bundeskanzleramtschefs Einsicht in Kabinettsprotokolle der Bundesregierung zu nehmen (Ziffer 4 a. E.). Für die Sitzungen des Kabinetts, an denen der BWV selbst teilgenommen hat, erhält er automatisch die Protokolle (Ziffer 4 S. 2). dd) Teilnahmerecht Mit der Zustimmung des Bundeskanzlers hat der BWV gem. Ziffer 4 S. 2 das Recht, auf seine Anregung oder auf Anregung eines Bundesministers an Kabinettssitzungen teilzunehmen. Von der in den Richtlinien eingeräumten Möglichkeit, an Kabinettssitzungen teilzunehmen, hat der BWV jedoch – trotz der teilweise intensiven Diskussion um dieses Recht – seit seiner erstmaligen Einsetzung im Jahr 1952 offensichtlich noch keinen Gebrauch gemacht 242. d) Pflichten des BWV aa) Unterrichtungspflichten Den BWV trifft an zwei Stellen eine Unterrichtungspflicht: Bei der Vornahme von örtlichen Erhebungen in der Verwaltung hat er den zuständigen Bundesminister und im Falle der Beratung von Bundestag oder Bundesrat, die Bundesregierung zu unterrichten. bb) Zustimmungsvorbehalte Bereits angesprochen wurde die Notwendigkeit der Zustimmung des Bundeskanzlers für die Teilnahme des BWV an Kabinettssitzungen (Ziffer 4 S. 1). Der 242 Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1044). Entsprechende Hinweise fanden sich auch nicht in den Materialien des Bundesarchivs.

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BWV darf seine Ergebnisse grundsätzlich nur dem beratungsersuchenden Organ zur Verfügung stellen. Möchte er seine Vorschläge auch an andere Stellen weiterleiten, so benötigt er hierzu das Einverständnis des betroffenen Bundesministers, in dessen Geschäftsbereich Erhebungen vorgenommen worden sind (Ziffer 3 S. 3). Will der BWV bei bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts oder Zuwendungsempfängern des Bundes tätig werden, so unterliegt er einem doppelten Zustimmungsvorbehalt. Zum einen muss der zuständige Bundesminister in die Beratung einwilligen, und zum anderen muss die betroffene Verwaltungsbehörde mit der Beratung einverstanden sein (Ziffer 5 S.1). cc) Vertraulichkeit Der BWV und seine Beauftragten müssen ihre gewonnenen Erkenntnisse vertraulich behandeln. Dies folgt sowohl aus den beamtenrechtlichen Vorschriften als auch aus der Strafvorschrift des § 353b Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB). 2. Neue Öffentlichkeitsarbeit: Die BWV-Schriftenreihe In der Amtszeit von Präsident Zavelberg wurde die Öffentlichkeitsarbeit zur beratenden Funktion des Bundesrechnungshofes und des Präsidenten als BWV intensiviert. Legte die Bundesregierung in der Vergangenheit großen Wert auf die Vertraulichkeit der BWV-Gutachten, wurde im Oktober 1987 erstmals ein BWV-Gutachten für die breite Öffentlichkeit zugänglich: Im Verlag W. Kohlhammer erschien 1987 der erste Band der BWV-Schriftenreihe mit dem Titel „Personal- und Organisationsaufgaben in der öffentlichen Verwaltung am Beispiel oberster Bundesbehörden“ 243. Der BWV fragte jedoch zuvor bei der Bundesregierung an, ob gegen die Veröffentlichung Bedenken bestünden 244. Doch die Bundesregierung begrüßte die neue Öffentlichkeitsarbeit des BWV. So bedankte sich beispielsweise nach der Veröffentlichung des Gutachtens „Erfolgskontrolle finanzwirksamer Maßnahmen in der öffentlichen Verwaltung“ 245 der Chef des Bundeskanzleramtes, Rudolf Seiters, in einem Schreiben vom 9. März 1990 bei Präsident Zavelberg und schrieb, das Gutachten sei eine wertvolle Hilfe bei 243 Vgl. Personal- und Organisationsaufgaben in der öffentlichen Verwaltung am Beispiel oberster Bundesbehörden, Bd. 1 der BWV-Schriftenreihe. 244 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Zavelberg an das Bundesinnenministerium vom 30. 3. 1990 und vom 23. 4. 1990 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 245 Vgl. das Gutachten „Erfolgskontrolle finanzwirksamer Maßnahmen bei obersten Bundesbehörden nach § 7 BHO“ des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Bd. 2 der BWV-Schriftenreihe, S. 1 ff.

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

der Durchführung von Erfolgskontrollen 246. Bereits der erste Band der Schriftenreihe war bei Bundes- und Landesbehörden, kommunalen Spitzenverbänden und in der Verwaltungswissenschaft sehr nachgefragt und erforderte nach einem halben Jahr eine zweite Auflage 247. Die positive Aufnahme der Schriftenreihe führte dazu, dass der BWV seitdem in regelmäßigen Abständen ausgewählte Gutachten veröffentlicht. Bis zum Jahr 2010 sind insgesamt 15 Bände erschienen 248. IV. Präsidentenwechsel 1. Hedda Meseke als Präsidentin des Bundesrechnungshofes und BWV Die Amtszeit von Präsident Zavelberg endete altersbedingt zum 31. Oktober 1993. Die Koalition aus CDU / CSU und FDP einigte sich, die CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Staatssekretärin im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, Hedda Meseke (später: Hedda Czasche-Meseke, später: Hedda von Wedel 249) als neue Präsidentin des Bundesrechnungshofes zu nomi246 Schreiben des Bundeskanzleramtschefs Seiters an den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Zavelberg, vom 9. 3. 1990 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 247 Vgl. Personal- und Organisationsaufgaben in der öffentlichen Verwaltung am Beispiel oberster Bundesbehörden, Bd. 1 der BWV-Schriftenreihe, S. 4. 248 Personal- und Organisationsaufgaben in der öffentlichen Verwaltung am Beispiel oberster Bundesbehörden, Bd. 1 der BWV-Schriftenreihe; Erfolgskontrolle finanzwirksamer Maßnahmen in der öffentlichen Verwaltung, Bd. 2 der BWV-Schriftenreihe; Datenverarbeitung in der Bundesverwaltung I, Bd. 3 der BWV-Schriftenreihe; Typische Mängel bei der Ermittlung des Personalbedarfs in der Bundesverwaltung, Bd. 4 der BWV-Schriftenreihe; Datenverarbeitung in der Bundesverwaltung II, Bd. 5 der BWVSchriftenreihe; Beamte oder Arbeitnehmer, Bd. 6 der BWV-Schriftenreihe; Hochbau des Bundes – Wirtschaftlichkeit bei Baumaßnahmen, Bd. 7 der BWV-Schriftenreihe; Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes, Bd. 8 der BWV-Schriftenreihe; Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern, Bd. 9 der BWV-Schriftenreihe; Prüfung der Vergabe und Bewirtschaftung von Zuwendungen, Bd. 10 der BWV-Schriftenreihe; Bundesfernstraßen, Planen, Bauen und Betreiben, Bd. 11 der BWV-Schriftenreihe; Zuwendungen des Bundes für Hochbaumaßnahmen, Bd. 12 der BWV-Schriftenreihe; Probleme beim Vollzug der Steuergesetze, Bd. 13 der BWV-Schriftenreihe; Einsatz externer Berater in der Bundesverwaltung, Bd. 14 der BWV-Schriftenreihe; Gutachten über Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsetzung und der Pflege des Normenbestandes, Bd. 15 der BWV-Schriftenreihe; Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes (Schwerpunkt Lebensmittel), Band 16 der BWV-Schriftenrheie, Bonn 2011. Vgl. zu den wesentlichen Inhalten der Bände 1 bis 8 der BWV-Schriftenreihe auch Romers, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 45 (47 ff.). 249 Durch Eheschließung bzw. Ehescheidung und neue Eheschließung ergaben sich folgende Namenswechsel: Geborene Hedda Czasche, ab 19. 11. 1993 Hedda Meseke, ab 22. 6. 1995 Hedda Czasche-Meseke, ab 20. 9. 1996 Hedda von Wedel. Vgl. hierzu Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, Bd. II, S. 2807.

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nieren 250. Am 30. September 1993 wählte der Deutsche Bundestag Meseke mit großer Mehrheit 251 zur Nachfolgerin von Präsident Zavelberg. Doch erstmals zeigte sich, dass das seit der Novelle des Bundesrechnungshofgesetzes gültige Wahlverfahren, nach dem der Präsident sowohl von Bundestag als auch vom Bundesrat gewählt werden musste, für parteipolitischem Kalkül missbraucht werden konnte. Da die SPD ihre Kandidatin Herta Däubler-Gmelin für eine frei werdende Richterstelle am Bundesverfassungsgericht durchsetzen wollte, setzte sie mit ihrer Mehrheit im Bundesrat den Punkt „Wahl der Präsidentin des Bundesrechnungshofes“ am 15. Oktober 1993 kurzerhand von der Tagesordnung ab 252. Obwohl eine einvernehmliche Lösung weiter ausstand, wurde auf Antrag der Länder Bayern und Sachsen 253 die Wahl Mesekes erneut auf die Tagesordnung des Bundesrates für seine Sitzung am 5. November 1993 gesetzt. Doch das Spiel ging weiter, und die A-Länder (SPD stellt die Regierungsmehrheit) strichen mit ihrer Mehrheit im Bundesrat die vorgesehene Wahl erneut von der Tagesordnung 254. Am Rande der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag gab es in der Angelegenheit direkte Gespräche zwischen dem SPD-Vorsitzenden Rudolf Scharping und Bundeskanzler Kohl 255. So einigte sich die SPDSpitze am 25. November 1993 darauf, der zum dritten Mal anstehenden Wahl der Bundesrechnungshofpräsidentin diesmal zuzustimmen, sodass Meseke am darauf folgenden Tag auch im Bundesrat zur Nachfolgerin Zavelbergs gewählt wurde 256. Nach der Ernennung durch Bundespräsident Richard von Weizsäcker nahm Meseke ihre Amtsgeschäfte am 7. Dezember 1993 endlich auf 257. Damit stand zum ersten Mal seit der Gründung der preußischen Generalrechenkammer im Jahr 1713 eine Frau an der Spitze der Rechnungsprüfung. Reibungslos wurde Präsidentin Meseke auch die Aufgabe eines BWV übertragen: Das Bundesfinanzministerium schrieb am 3. Januar 1994 an Bundeskanzleramtschef Friedrich Bohl 258 und bat um Beschlussfassung in der folgenden Kabinettssitzung. Die Bundesregierung folgte der Bitte und beschloss am 26. Ja-

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Die Welt vom 1. 6. 1993. Meseke erhielt von 551 abgegebenen Stimmen 463 Ja-Stimmen, 55 Nein-Stimmen und 33 Enthaltungen. Vgl. dazu Handelsblatt vom 1. 10. 1993. 252 Süddeutsche Zeitung vom 16. 10. 1993. 253 FAZ vom 5. 11. 1993. 254 FAZ vom 6. 11. 1993. 255 FAZ vom 27. 11. 1993. Näheres zu den möglicherweise getroffenen gegenseitigen Vereinbarungen ist nicht bekannt. 256 Bonner General-Anzeiger vom 27. 11. 1993. 257 Die Welt vom 8. 12. 1993. 258 Schreiben des Bundesfinanzministeriums an den Chef des Bundeskanzleramtes Bohl vom 3. 1. 1994 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 251

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

nuar 1994, Präsidentin Meseke, die zuvor ihr Einverständnis erklärt hatte, die Aufgaben eines BWV zu übertragen 259. Unter Präsidentin von Wedel (Namensänderung ab 1996) gab es eine weitere offensive Veränderung in der Öffentlichkeitsarbeit des Hofes. Mit dem Bemerkungsjahrgang 1995 wurden erstmals eigenständige Ergebnisberichte des Bundesrechnungshofes veröffentlicht, in denen neben den Folgen, die die Bemerkungen in der Verwaltung auslösten, auch die spezielleren Beratungsthemen des Hofes dargestellt wurden 260. Einen zu öffentlichkeitsbezogenen Auftritt des Bundesrechnungshofes unterstützte die Präsidentin allerdings nicht. Als im Laufe des Jahres 1999 zum ersten Mal ein Beratungsbericht nach § 88 Abs. 2 BHO und eine Prüfungsmitteilung im Internet auftauchten, schrieb Präsidentin von Wedel einen Brandbrief an alle Mitglieder des Haushaltsausschusses des Bundestages 261 und stellte klar, dass sie es zwar grundsätzlich begrüße, wenn Ergebnisse der Finanzkontrolle in der Öffentlichkeit auf Interesse stoßen, aber dies dürfe erst nach einem ordnungsgemäßen Verfahren und unter Wahrung der Rechte Dritter geschehen. Für den Fall weiterer Indiskretionen drohte die Präsidentin mit einer Änderung der Berichterstattungspraxis. In der Amtszeit der Präsidentin von Wedel gaben sich die Bundesministerien im Jahr 2000 eine neue Gemeinsame Geschäftsordnung (GGO), in der auch die Beteiligung des BWV an Gesetzgebungsvorhaben neu geregelt wurde 262. Nach der bis heute geltenden Geschäftsordnung stehen dem BWV Beteiligungsrechte bei Besprechungen und Maßnahmen der Bundesregierung zu. Nach § 20 Abs. 1 wirkt der BWV in ressortübergreifenden Ausschüssen für Angelegenheiten der Organisation sowie Information und Kommunikation mit. Aufgabe dieser Ausschüsse ist es, dass die Ministerien bei fachübergreifenden Themen besser zusammenarbeiten. Gemäß § 21 Abs. 1 GGO ist der BWV von der Bundesregierung bei allen Vorhaben, die seinen Aufgabenbereich berühren, frühzeitig zu beteiligen. Über dieses allgemeine Beteiligungsrecht hinaus ist der BWV gemäß § 45 Abs. 3 GGO immer und frühzeitig bei Gesetzesvorlagen der Bundesregierung zu beteiligen. Entscheidet er sich für die Abgabe von Stellungnahmen zu den Ressortvorhaben, so sind diese gem. § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 GGO dem Anschreiben der Kabinettsvorlage beizufügen. Die Stärke dieser Beteiligungsrechte liegt vor allem darin, dass der BWV seine abweichende Meinung zu dem Vorhaben des Ministeriums darstellen kann. Auch der Bundestag und der Bundesrat haben die Möglichkeit, von den Bedenken des BWV zu erfahren, da 259

Schreiben des Bundeskanzleramtes an das Bundesfinanzministerium vom 26. 1. 1994 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 260 Das Parlament vom 12. 9. 1997. 261 Schreiben der Präsidentin von Wedel an die Mitglieder des Haushaltsausschusses vom 10. 9. 1999 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 262 GMBl. 2000, S. 526.

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er gemäß § 44 Abs. 6 GGO von der Bundesregierung verlangen kann, dass sie seine Einschätzungen zu Gesetzesfolgen, also zu den beabsichtigten Wirkungen und unbeabsichtigten Nebenwirkungen, in die Gesetzesvorlage aufnimmt. 2. Dieter Engels als Präsident des Bundesrechnungshofes und BWV Durch die Bundestagswahl 1998 263 endete die 16-jährige Amtszeit von Bundeskanzler Kohl. Die neue Koalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen wählte den vormaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder am 27. Oktober 1998 zum siebten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Nach der Bundestagswahl am 22. September 2002 264 wurde Kanzler Schröder von den Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in seinem Amt bestätigt. Bundesfinanzminister im ersten Kabinett Schröders wurde zunächst Oskar Lafontaine, der jedoch bereits am 11. März 1999 zurücktrat. Ihm folgte bis zum Ende der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2005 der ehemalige hessische Ministerpräsident Hans Eichel. Im Jahr 2001 musste sich die Bundesregierung auf die Suche nach einem neuen Präsidenten für den Bundesrechnungshof machen, da die Amtsinhaberin von Wedel zum 1. Januar 2002 an den Europäischen Rechnungshof nach Luxemburg wechseln wollte. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen verständigten sich im Dezember 2001 einvernehmlich darauf, den damaligen Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes, Dieter Engels, zum Nachfolger zu nominieren 265. Auf seiner Sitzung am 20. Februar 2002 beschloss das Bundeskabinett, Vizepräsident Engels für die Wahl zum Präsidenten und den CDUBundestagsabgeordneten Norbert Hauser für die Wahl zum Vizepräsidenten vorzuschlagen 266. Eine Wiederholung der Personalquerelen, wie zuletzt bei der Präsidentenwahl im Jahr 1993, ergab sich diesmal nicht. Der Bundestag folgte am 28. Februar 2002 267, der Bundesrat am 22. März 2002 268 mit jeweils großer Mehrheit den Personalvorschlägen der Bundesregierung und wählte Engels zum

263

Amtliches Endergebnis der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag: SPD: 40,9 %, CDU / CSU: 35,1 %, Bündnis 90/Die Grünen: 6,7 %, FDP: 6,2 %, PDS: 5,1 %. 264 Amtliches Endergebnis der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag: SPD:38,5 %, CDU / CSU: 38,5 %, Bündnis 90/Die Grünen: 8,6 %, FDP: 7,4 %, PDS: 4,0 %. 265 Schreiben des SPD-Fraktionsvorsitzenden Struck an Kanzleramtsminister Steinmeier vom 13. 12. 2001 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 266 Schreiben von Bundeskanzleramtschef Steinmeier an den Präsidenten des Bundesrates, Wowereit, vom 22. 2. 2002 in BR-Drs. 169/02. 267 Plenarprotokoll der 221. Sitzung des Bundestages, 14.WP, S. 21909. Engels erhielt von 586 abgegebenen Stimmen 543 Ja-Stimmen, 22 Nein-Stimmen und 21 Enthaltungen. 268 BR-Drs. 169/02.

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

Präsidenten und Hauser zum Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes. Am 9. April 2002 traten beide ihr Amt im Bundesrechnungshof offiziell an. Am 30. April 2002 schrieb Bundesfinanzminister Eichel an Kanzleramtschef Steinmeier 269 und bat darum, in der nächsten Kabinettssitzung den Beschluss herbeizuführen, dass Präsident Engels zugleich auch zum BWV bestellt werde. Am 15. Mai 2002 folgte das Kabinett dem Vorschlag Eichels. Der hierauf folgenden schriftlichen Bitte des Bundeskanzlers an Präsident Engels 270, die Aufgabe zu übernehmen, kam der Präsident mit seinem Antwortschreiben vom 20. Juni 2002 271 nach. Wie in der jüngsten Vergangenheit fand auch dieses Mal die Aufgabenübertragung anscheinend ohne jegliche Probleme statt. a) Die BWV-Servicestelle Knapp ein Jahr nach Amtsantritt von Präsident Engels und seinem Stellvertreter kam es zu einer beachtlichen Änderung in der Organisation der Arbeit des BWV. Im Frühjahr 2003 wurde eine so genannte BWV-Servicestelle eingerichtet, die der Abteilung I des Bundesrechnungshofes (Grundsatzfragen der Finanzkontrolle / Berichterstattung Legislative und Bundesregierung) 272 angegliedert ist und unter der Leitung eines Ministerialrats steht. Die Einrichtung der Servicestelle war im Bundesrechnungshof nicht unumstritten 273, was wohl vor allem mit der Befürchtung zusammenhing, die Mitglieder des Bundesrechnungshofes würden zu sehr für die Tätigkeiten des BWV eingespannt werden. aa) Zweck der BWV-Servicestelle Den Sinn und Zweck der neuen Servicestelle erläuterte Präsident Engels in einem Schreiben an Bundeskanzleramtschef Steinmeier vom 31. März 2003 274: Die Stelle solle alle Kabinettsangelegenheiten sowie alle Vorgänge, die den BWV betreffen, koordinieren. Hierzu zählen auch, wie Engels schrieb, die übergreifenden Fragen der Gesetzesfolgenabschätzung und -beobachtung. Da bei der Vorbereitung und Ausarbeitung der Vorschriftenentwürfe und Kabinettsvorla269

Schreiben von Bundesfinanzminister Eichel an den Chef des Bundeskanzleramtes, Steinmeier, vom 30. 4. 2002 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 270 Schreiben von Bundeskanzler Schröder an den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Engels, vom 23. 5. 2002 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 271 Schreiben von Bundesrechnungshofpräsident Engels an Bundeskanzler Schröder vom 20. 6. 2002 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 272 Vgl. hierzu das Organigramm des Bundesrechnungshofes unter: http://bundesrech nungshof.de/wir-ueber-uns/organisation/opl-brhinternet-2007.pdf (Stand: 1. 6. 2012). 273 Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1045). 274 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Engels an den Bundeskanzleramtschef, Steinmeier, vom 31. 3. 2003 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG).

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gen in der Regel ein hoher Termindruck herrsche und damit auch dem BWV sehr knappe Fristen für eine Äußerung gesetzt seien, solle die Servicestelle die Beteiligung des BWV im Gesetzgebungsverfahren erleichtern und die Abgabe von Stellungnahmen beschleunigen. Er erwarte, so formulierte Engels am Ende seines Briefes, dass „die bewährte Zusammenarbeit zwischen den Ressorts und meinem Haus fortgesetzt und – wo möglich – noch verbessert werden wird.“ bb) Aufbau und Beratungsverfahren Die Servicestelle ist der Abteilung I 275 im Bundesrechnungshof, genauer dem Prüfungsgebiet I 3 zugeordnet 276. Ende 2008 bestand die BWV-Servicestelle aus vier Mitarbeitern, von denen ein Ministerialrat die Leitung innehat 277. Ihm zur Seite gestellt sind eine Referentin und eine Sachbearbeiterin sowie ein Bürosachbearbeiter. Die Servicestelle ist die zentrale Eingangs- und Erfassungsstelle für alle Angelegenheiten des BWV. In ihr werden die Eingänge nach formalen und inhaltlichen Kriterien strukturiert und dokumentiert 278. Eine inhaltliche Befassung im Detail leistet die Servicestelle aber nicht. Für die inhaltliche Bearbeitung hat man sich auf ein Delegationsmodell geeinigt, bei dem die BWV-Angelegenheiten von der Servicestelle auf die Abteilungen beziehungsweise Prüfungsgebiete übertragen werden, die sachlich auch im Rahmen einer Prüfung zuständig wären 279. In den Prüfungsgebieten erhält in der Regel der Prüfungsgebietsleiter, in bedeutsamen Fällen der Abteilungsleiter die BWV-Angelegenheit. Im Bundesrechnungshof hat man sich für dieses Modell entschieden, da der Präsident alleine die anfallenden Arbeiten nicht bewältigen könnte und für einen eigenen Mitarbeiterstab ebenfalls nicht ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stehen 280. Bei der Delegation bewegt sich die Servicestelle – wie ihr derzeitiger Leiter herausstellt 281 – auf einem schmalen Grenzstreifen: Auf der einen Seite möchte sie die Prüfungsgebiete nicht mit Material überfluten und dadurch Gefahr laufen,

275

Der Schwerpunkt der Abteilung I liegt bei Grundsatzfragen der Finanzkontrolle, des Haushaltsrechts und der Verwaltungsmodernisierung. Sie koordiniert die Berichterstattung an den Deutschen Bundestag, den Bundesrat und die Bundesregierung und wirkt daran mit. Sie ist zudem verantwortlich für die Zusammenarbeit mit dem Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages. Vgl. dazu: http://bundesrechnungshof.de/we -about-us/organisation (Stand: 1. 6. 2012). 276 Vgl. auch den Organisationsplan des Bundesrechnungshofes im Internet unter: http://bundesrechnungshof.de/wir-ueber-uns/organisation/opl-brhinternet-2007.pdf (Stand: 1. 6. 2012). 277 Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1045). 278 Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1045). 279 Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1045). 280 Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1045). 281 Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1046).

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

die Akzeptanz der Arbeit des BWV zu beeinträchtigen. Auf der anderen Seite will sie den Eindruck vermeiden, sie betreibe eine Art Vorzensur. Nachdem dem Abteilungsleiter oder Prüfungsgebietsleiter eine BWV-Angelegenheit vorliegt, entscheidet er eigenständig, ob der BWV in der Sache überhaupt, und wenn ja, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt zur Sache Stellung nimmt 282. Obwohl es sich bei der Tätigkeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes als BWV eigentlich um einen personenbezogenen Auftrag handelt, ist es in praxi also so, dass Beamte des Bundesrechnungshofes in seinem Namen tätig werden. Teilweise werden zur Erstellung von Gutachten auch aus mehreren Mitarbeitern bestehende Projektgruppen eingesetzt 283. Der Präsident selbst erhält zwar auch alle Informationen aus der Servicestelle, er greift aber in der Regel nicht selbst in die Bearbeitung ein, um die Prüfungsgebiete nicht zu präjudizieren 284. Beachtenswert ist allerdings, dass sich der Präsident in seiner Eigenschaft als BWV vorbehält, in besonderen Einzelfällen Weisungen an Mitarbeiter des Bundesrechnungshofes zu erteilen 285. Stellungnahmen und Empfehlungen im Namen des BWV können nach Auffassungen in der Literatur 286 außerhalb des sonst bei Beratungsfällen im Bundesrechnungshof angewandten Kollegialverfahrens erarbeitet werden. Das Beratungsverfahren außerhalb des Kollegialprinzips soll es dem BWV ermöglichen, zeitnah und flexibel auf aktuelle Vorkommnisse zu reagieren 287. Dass von der Möglichkeit der außerkollegialen Beratung durch den BWV im Bundesrechnungshof in der Praxis tatsächlich Gebrauch gemacht wird, ist äußerlich daran erkennbar, dass BWV-Stellungnahmen lediglich eine Unterschrift – in der Regel diejenige 282

Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1045). Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 19. 284 Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1045). 285 Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1045); von einer Weisungsbefugnis gehen auch Fuchs, Beauftragte, S. 174 und Tiemann, Stellung der Finanzkontrolle, S. 168 aus. Allerdings stützt Tiemann ihre Argumentation auf den zur Zeit ihrer Dissertation noch gültigen § 126 RHO, nach dem der Präsident auch außerhalb des Geschäftsbereichs der Präsidialabteilung den Direktoren und Ministerialräten Weisungen erteilen konnte. Siehe zum Wortlaut von § 126 RHO oben S. 137. 286 Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1044); Karehnke, DÖH 15 (1974), S. 29 (44); Kratzenberg, Möglichkeit einer effizienten Ausführung von Haushaltsplänen, S. 163; Mähring, in: Heuer, § 88 Rn. 19; Sigg, Stellung der Rechnungshöfe, S. 40; offengelassen von Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195 (230 f.); nicht angesprochen von Engels, in: Heuer, VI/7 (BWV-RL) Rn. 1 ff. 287 Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1044). Ein Beispiel für die schnelle Erstellung einer Beratung ist etwa das Gutachten „Chancen zur Entlastung und Modernisierung des Bundeshaushalts“ vom 23. 11. 2009, das in ca. 8 Wochen erarbeitet wurde. Das Gutachten ist auf den Internetseiten des Bundesrechnungshofes veröffentlicht unter: http://bundesrechnungshof.de/bundesbeauftragter-bwv/ergebnisse-des-bwv-1/sonstige -gutachten-berichte-bwv/06-bwv-bericht-chancen.pdf (Stand: 1. 6. 2012). 283

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des zuständigen Prüfungsgebietsleiters – im Auftrag des BWV tragen 288. Bei der im Kollegialverfahren stattfindenden Beratung des Bundesrechnungshofes gem. § 88 Abs. 2 BHO tragen die Ausarbeitungen hingegen immer mindestens zwei gleichberechtigte Unterschriften des zuständigen Zweierkollegiums. Meistens zeichnet zudem der Präsident oder der Vizepräsident mit, wenn das Zweierkollegium gem. § 9 Abs. 1 S. 2 BRHG zum Dreierkollegium erweitert wurde. Darüber hinaus kann der BWV – anders als der Bundesrechnungshof gem. § 88 Abs. 2 BHO – seine beratende Tätigkeit auch auf Quellen und Erfahrungen außerhalb von Prüfungserkenntnissen stützen 289. Die große Mehrheit der Sachverhalte, die von den Prüfungsgebieten im Namen des BWV heute bearbeitet werden, betrifft die Beratung bei Rechtsetzungsmaßnahmen 290. Die Vorlagen der Ressorts werden dabei unter formellen und materiellen Gesichtspunkten durchgesehen. Formell wird beispielsweise darauf geachtet, ob das Ressort eine ordnungsgemäße Gesetzesfolgenabschätzung durchgeführt oder ob es Aussagen zu einer möglichen Normbefristung oder Europarechtskonformität gemacht hat 291. Auch auf eine weitgehende Transparenz des im Entwurf zugrunde gelegten Datenmaterials wird geachtet. Bereits in formeller Hinsicht entdecken die Beamten häufig Mängel 292. Materiell befassen sich die Mitarbeiter mit Fragen der Zielsetzung und Notwendigkeit eines Entwurfes sowie alternativen Lösungen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Rechts- und Verwaltungsvereinfachung 293. Die Anregungen des BWV werden dabei oft – teilweise sogar vollständig – von den Bundesministerien verwertet 294. Bei der Form der Beratung ist die schriftliche Stellungnahme noch immer das Mittel der Wahl, da sie Missverständnissen vorbeugt und im Verfahren von allen beteiligten Stellen einfacher zu handhaben ist 295. In einfacher gelagerten Fällen kommt es allerdings auch vor, dass eine erste Einschätzung telefonisch oder per E-Mail erteilt wird 296.

288

Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1045); insofern erscheinen die Ausführungen von Treuner, DVBl. 1992, S. 421 (425), der BWV erstelle seine Gutachten in der gleichen Weise wie der Bundesrechnungshof, überholt. 289 Engels, in: Heuer, VI/7 (BWV-RL) Rn. 7. 290 Engels, in: Heuer, VI/7 (BWV-RL) Rn. 11. Vgl. hierzu auch die Übersicht auf S. 241. 291 Engels, in: Heuer, VI/7 (BWV-RL) Rn. 12. 292 Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1047). 293 Engels, in: Heuer, VI/7 (BWV-RL) Rn. 12. 294 Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1047). 295 Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1046). 296 Franz, DÖV 2008, S. 1042 (1046).

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

b) Schwierigkeiten bei der Beteiligung an Gesetzgebungsvorhaben Die Beteiligung des BWV an Rechtsetzungsmaßnahmen war jedoch aus Sicht von Präsident Engels auch nach Einrichtung der Servicestelle nicht optimal. So fand am 9. April 2003 ein Gespräch zwischen Kanzleramtsminister Steinmeier und Präsident Engels 297 statt, in dem es unter anderem um die Einbindung des BWV bei der Gesetzgebung ging; bereits im Vorfeld des Gesprächs kündigte der Präsident dem Kanzleramt gegenüber an, dass er auch ausdrücklich über dieses Thema sprechen wolle. Vor diesem Hintergrund fertigten die Referenten im Kanzleramt einen Vermerk für Steinmeier an 298, in dem sie den Sachstand zur Beteiligung des BWV an Rechtsetzungsvorhaben der Bundesregierung im Überblick darstellten. Durch die Novelle der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien im Jahr 2000 werde dem Bundesbeauftragten, so die Referenten, eine „sehr bedeutsame Stellung“ verliehen, und der Regierung werde es ermöglicht, schon sehr frühzeitig die Anregungen und Kritikpunkte des BWV zu erfahren und im Laufe des weiteren Verfahrens zu berücksichtigen. Dies sei auch insofern bedeutsam, als gem. §§ 42, 43 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien die Anforderungen an die Rechtsetzung neuerdings erheblich erhöht worden seien, da beispielsweise alle voraussichtlichen Kosten eines Gesetzes im Entwurf auszuweisen seien. Das Bundeskanzleramt leitete das Schreiben an das Bundesinnenministerium weiter 299, verbunden mit der Bitte, das Ministerium solle alle übrigen Bundesressorts über die neue Stelle und deren Ansprechpartner in geeigneter Weise informieren. Doch trotz der positiven Resonanz im Bundeskanzleramt waren Präsident Engels und die Servicestelle mit dem Grad der Beteiligung an den Rechtsetzungsmaßnahmen nicht zufrieden. Auf der Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses am 24. September 2004 kritisierte der Bundesrechnungshof die ungenügende Einbindung bei den Rechtsetzungsmaßnahmen 300. So sei der BWV bei 34 Vorlagen nicht schon beim jeweiligen Referentenentwurf, sondern erst bei der Zuleitung der Entwürfe an das Bundeskabinett informiert worden. Der Abgeordnete Hans-Joachim Fuchtel (CDU) nannte dies eine nicht tolerierbare Missach297 Vermerk des Referates 132 im Bundeskanzleramt vom 3. 4. 2003 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). Näheres zum Inhalt des Gespräches kann den Materialien nicht entnommen werden. 298 Vermerk des Referates O 1 im Bundeskanzleramt vom 3. 4. 2003 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 299 Schreiben des Bundeskanzleramtes an das Bundesministerium des Inneren vom 16. 4. 2003 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 300 Kurzprotokoll der 23. Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses (15. WP) am 24. 9. 2004, S. 15.

§ 2 Unter neuen Rechtsgrundlagen nach der Finanzrechtsreform 1970

233

tung der Aufgaben des BWV 301. Der in der Sitzung anwesende Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Karl Diller, erwiderte hierauf, nach mehreren Gesprächen mit dem Bundesrechnungshof gebe es mittlerweile eine Einigung. Alle Ressorts würden noch einmal aufgefordert, den BWV frühestmöglich bei der Ausarbeitung von Rechtsetzungsmaßnahmen zu beteiligen 302. Das Bundesfinanzministerium sicherte zu, es wolle verstärkt darauf achten, dass die Beteiligungspflicht eingehalten werde. Das Bundesfinanzministerium hielt sein Versprechen und sandte am 24. November 2004 ein Rundschreiben an alle Bundesressorts 303, in dem es die auf der Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses geäußerte Kritik weitergab und darauf hinwies, dass der BWV gem. § 45 Abs. 2 und 3 GGO bei allen Gesetzesvorlagen bereits in Stadium des Referentenentwurfs zu beteiligen sei. Nach der negativen Vertrauensfrage von Bundeskanzler Schröder 304 und der daraufhin erfolgten Auflösung des Bundestages durch Bundespräsident Köhler am 21. Juli 2005 kam es zu vorgezogenen Neuwahlen. Bei der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 verfügten weder SPD und Bündnis 90/Die Grünen noch die Unionsfraktion mit der FDP über eine eigenständige Mehrheit. Nach schwierigen Sondierungsgesprächen 305 einigten sich CDU / CSU und SPD schließlich auf die Bildung einer Großen Koalition. Am 22. November 2005 wählte der Deutsche Bundestag die CDU-Bundesvorsitzende und ehemalige Bundesfamilien- und Bundesumweltministerin Angela Merkel zur neuen Bundeskanzlerin 306. Merkel war dabei mit 51 Jahren die jüngste Inhaberin dieses Amtes in der Geschichte der Bundesrepublik und ist zugleich als erste Frau Regierungschef Deutschlands. Neuer Bundesfinanzminister im Kabinett wurde der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD). Präsident Engels wollte auch der neuen Bundesregierung ins Gedächtnis rufen, dass er in seiner Eigenschaft als BWV bei allen Rechtsetzungsmaßnahmen zu beteiligen sei. So schrieb er am 13. Januar 2006 an die Bundesministerien 307 301 Kurzprotokoll der 23. Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses (15. WP) am 24. 9. 2004, S. 15. 302 Kurzprotokoll der 23. Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses (15. WP) am 24. 9. 2004, S. 15. 303 Rundschreiben des Unterabteilungsleiters II A im Bundesfinanzministerium an alle Bundesministerien vom 24. 11. 2004 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 304 Bundeskanzler Schröder stellte den Antrag nach Art. 68 GG, wie auch Helmut Kohl im Jahre 1982, mit dem Ziel, die erforderliche Mehrheit nicht zu erhalten und den Bundespräsidenten um die Auflösung des Bundestages zu ersuchen. 305 Problematisch war insbesondere, dass sowohl CDU / CSU als auch SPD darauf beharrten, den Bundeskanzler zu stellen. 306 BT-StenBer, 16. WP / 3. Sitzung vom 22. 11. 2005.

234

3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

und nachrichtlich an den Chef des Bundeskanzleramtes, Thomas de Maizière, und bat darum, der Servicestelle des BWV auch weiterhin alle einschlägigen Vorgänge nach der GGO der Bundesministerien unmittelbar zuzuleiten. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit, so Engels, zwischen den Ressorts einerseits sowie dem BWV und dem Bundesrechnungshof andererseits, habe sich seit dem Jahr 2003 erfreulicherweise intensiviert und das gemeinsame Interesse an „guten Vorschriften“ habe „schöne Früchte getragen“. Das Kanzleramt sah wohl in der erneuten Bitte des Präsidenten eher eine versteckte Kritik, dass er mit der Weiterleitung der von der Bundesregierung beabsichtigten Rechtsetzungsmaßnahmen noch immer nicht vollends zufrieden war und kommentierte handschriftlich auf dem Schreiben „deshalb die Erinnerung“ 308. Neben der Einschätzung Engels, die Arbeit habe „schöne Früchte“ getragen, war handschriftlich nur zu lesen: „Welche?“ 309. Eine besondere Reaktion des Bundeskanzleramtes hierauf folgte den zugänglichen Materialien nach zu urteilen nicht. Bis zum heutigen Tage scheinen dem BWV nicht lückenlos und ohne Probleme alle Rechtsetzungsmaßnahmen zugeleitet zu werden, die er nach der GGO der Bundesministerien eigentlich immer erhalten müsste. Denn am 27. November 2007 schrieb Präsident Engels erneut alle Bundesministerien und das Bundeskanzleramt an 310: Er habe ja bereits in seinen Schreiben vom 31. 3. 2003, 15. 12. 2003 und 13. 1. 2006 um die frühzeitige Einbindung des BWV bei der Vorbereitung von Rechtsvorschriften gebeten. In aller Regel werde der BWV auch „sach- und zeitgerecht“ beteiligt, so Engels, aber „einige Einzelfälle in letzter Zeit geben jedoch Anlass, die Bitte um Einbindung zu wiederholen.“ Dies gelte insbesondere für Entwürfe zu Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften. Er sei aber auch dankbar, so der Präsident abschließend, bei völkerrechtlichen Übereinkünften und bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union frühzeitig beteiligt zu werden. Auch nach diesem Schreiben scheint seitens des Kanzleramtes keine besondere Reaktion stattgefunden zu haben.

307 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Engels an die Bundesministerien vom 13. 1. 2006 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 308 Handschriftliche Notiz (Verfasser unbekannt) auf dem Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Engels, an die Bundesministerien vom 13. 1. 2006 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 309 Handschriftliche Notiz (Verfasser unbekannt) auf dem Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Engels, an die Bundesministerien vom 13. 1. 2006 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG). 310 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Engels an das Bundeskanzleramt und die Bundesministerien vom 27. 11. 2007 in Akten des Bundeskanzleramtes (IFG).

§ 2 Unter neuen Rechtsgrundlagen nach der Finanzrechtsreform 1970

235

V. Überblick über die bisherige Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes und des BWV Im Folgenden soll – soweit es die vorhandenen Daten ermöglichten – ein Überblick über die Beratungstätigkeiten des Bundesrechnungshofes und dessen Präsidenten in seiner Eigenschaft als BWV gegeben werden. 1. Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes Für seine beratende Tätigkeit wendet der Bundesrechnungshof alle ihm hierfür zur Verfügung stehenden Rechtsgrundlagen an. Aufgrund der Veröffentlichung stehen insbesondere die jährlichen Bemerkungen im Licht der Öffentlichkeit. Eher im Verborgenen wirkt er durch seine nicht öffentliche Beratung im Rahmen von Prüfungsmitteilungen an die geprüften Stellen, seine Beteiligung am Haushaltsaufstellungsverfahren und die Berichte an das Parlament gem. § 88 Abs. 2 BHO. In fast allen Fällen bezieht sich seine Beratung auf noch nicht abgeschlossene, laufende Sachverhalte, sodass seine Ergebnisse und Einschätzungen bei der Entscheidungsfindung in Exekutive und Legislative verwandt werden können. In welchem Umfang die Entscheidungen beeinflusst werden, lässt sich zwar aufgrund der Komplexität staatlicher Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse statistisch nicht genau quantifizieren. Aber die Ergebnisberichte, die seit dem Jahr 1995 veröffentlicht wurden, geben Aufschluss darüber, dass die Empfehlungen aus den Bemerkungen größtenteils erfolgreich umgesetzt werden 311. Im Einzelnen ließen sich folgende Daten für die Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes ermitteln: a) Beratungsberichte gem. § 88 Abs. 2 BHO Inhaltlich korrelieren die Berichte auf Grundlage des § 88 Abs. 2 BHO mit der Bandbreite an Prüfungsmöglichkeiten des Bundesrechnungshofes, das heißt sie betreffen die gesamte Haushalts- und Wirtschafsführung des Bundes, einschließlich seiner Sondervermögen und Betriebe 312. Quantitativ sind die Beratungsbe311

Die Ergebnisberichte des Bundesrechnungshofes ab dem Jahr 2000 sind auf dessen Internetseite veröffentlicht unter: http://bundesrechnungshof.de/veroeffentlichungen /ergebnisberichte (Stand: 1. 6. 2012). 312 Da die Berichte auf Grundlage des § 88 Abs. 2 BHO vertraulich sind und eine Veröffentlichung unzulässig ist, wird an dieser Stelle auf eine inhaltliche Befassung verzichtet. Allerdings gelangen die Berichte von interessierten Stellen immer wieder an die Öffentlichkeit und Presse. So sind die Berichte teilweise als elektronische Dokumente auf verschiedensten Seiten im Internet zugänglich. Als Beispiele seien einige Titel von Beratungen nach § 88 Abs. 2 BHO aus jüngerer Zeit genannt: „Bericht über die Finanzbeziehungen der KfW-Bankengruppe zur Investmentbank Lehman Brothers“; „Bericht über die Projekte Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen“; „Bericht

236

3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

richte gem. § 88 Abs. 2 BHO seit 1991 in den „Bemerkungen“ erfasst. Für die Zeit vor 1991 wurde die Anzahl der Berichte nicht systematisch erfasst und ist daher nicht genau ermittelbar. Beratungsempfänger für die Berichte nach § 88 Abs. 2 BHO ist bisher – soweit ersichtlich – ausschließlich das Parlament und hier insbesondere der Haushalts- und Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages. Von 1991 bis 2010 wurden für den Haushaltsausschuss und Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages bisher insgesamt 737 Berichte erstellt 313 (siehe hierzu Tabelle 1). b) Beratungsberichte gem. § 99 BHO Inhaltlich umfassen die Berichte gem. § 99 BHO Äußerungen zu Einzelprojekten mit finanzieller Beteiligung des Bundes (etwa: Bericht über den Neubau des Flughafens München II 314) über eine Einschätzung zu Gesetzen (etwa: Bericht zum Arbeitsförderungsgesetz der Bundesregierung 315) bis hin zu Organisationsgutachten (etwa: Bericht über die Organisation und Arbeitsweise der Finanzkontrolle Schwarzarbeit 316). Im Bundesrechnungshof ist die Anzahl der Berichte nach § 99 BHO seit dem Jahr 1973 erfasst. Von 1973 bis zum Jahr 2011 wurden insgesamt 22 Sonderberichte erstellt, die in Form von Bundestagsdrucksachen veröffentlicht wurden 317. Die recht geringe Zahl an Berichten mag zum einen damit zusammenhängen, dass neben der Berichterstattung nach § 88 Abs. 2 BHO und den Empfehlungen in den Bemerkungen nur noch wenig Raum für die Sonderberichte verbleibt; allerdings könnte auch das verhältnismäßig aufwändige Verfahren – die Entscheidungsfindung im Großen Senat – hemmend auf die Bereitschaft im Bundesrechnungshof wirken, einen Bericht nach § 99 BHO anzufertigen. über die Prüfung des 100.000 Dächer-Solarstrom-Programms des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie“; „Bericht über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch“; „Bericht über die Machbarkeitsstudie für Magnetschnellbahnstrecken in Bayern und Nordrhein-Westfalen“; „Bericht über die Mitarbeit von Beschäftigen aus Verbänden und Unternehmen in obersten Bundesbehörden“; „Bericht über die Mittelverwendung für das Kunst- und Kulturprogramm zur Fußballweltmeisterschaft 2006“; „Bericht zum Aufbau und zur Effizienz des Controllings in der Bundeswehr“; „Bericht zu den Zuwendungen des Auswärtigen Amtes an das Berliner Zentrum für internationale Friedensforschung“; „Bericht über den Verkauf der Halbinsel Wustrow und die Verkaufsfolgen“; „Bericht über die Öffentlichkeitsarbeit des ehemaligen Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit“. 313 Die Zahlen stammen aus den „Bemerkungen“ des jeweiligen Folgejahres. 314 BT-Drs. 11/7432. 315 BT-Drs. 7/911. 316 BT-Drs. 16/7727. 317 BT-Drs. 7/911; 7/4297; 8/5; 10/3847; 11/2858; 11/7432; 11/7691; 12/1040; 14/220; 14/1101; 14/8863; 15/1495; 15/4081; 15/4080; 16/840; 16/2400; 16/6147; 16/7570; 16/7727; 16/8800; 17/4641; 17/2290.

§ 2 Unter neuen Rechtsgrundlagen nach der Finanzrechtsreform 1970

237

Tabelle 1 Berichte auf Grundlage des § 88 Abs. 2 BHO an den Haushaltsausschuss und Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages von 1991 bis 2010 Jahr

Anzahl

1991

42

1992

33

1993

25

1994

23

1995

43

1996

42

1997

57

1998

24

1999

22

2000

25

2001

33

2002

45

2003

43

2004

55

2005

20

2006

34

2007

41

2008

39

2009

37

2010

54 737

c) Beratung nach § 97 Abs. 2 Nr. 4 BHO Die öffentlich zugängliche Beratung in Form der jährlichen Bemerkungen nach § 97 Abs. 2 Nr. 4 basiert auf den Prüfungen, die der Bundesrechnungshof vorgenommen hat. Da der Rechnungshof gem. § 88 Abs. 1 BHO die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes, einschließlich seiner Sondervermögen und Betriebe, prüfen kann, erfassen auch die Bemerkungen eine entsprechende Breite an Problemen.

238

3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

Der Bundesrechnungshof hat seit dem Bestehen der Bundesrepublik bis zum Jahr 2010 insgesamt 61 Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes vorgelegt 318. Die Bemerkungen sind heutzutage keine reine Mitteilung von Prüfungsergebnissen mehr, sondern enthalten regelmäßig Empfehlungen zu größtenteils noch nicht abgeschlossenen Sachverhalten 319. Beispielhaft seien hier die Zahlen aus den Bemerkungen 2008 320 angeführt: Die Bemerkungen bestanden aus insgesamt 24 einzelnen Prüfungsergebnissen (Teil II der Bemerkungen 321). Von den 24 Prüfungsergebnissen waren 22 mit einer Empfehlung versehen, wie in Zukunft in der Sache verfahren werden sollte. 20 von den 24 Ergebnissen – und damit über 80 Prozent – betrafen Sachverhalte, die noch nicht abgeschlossen waren und bei denen die politischen und exekutiven Verantwortlichen eine anstehende Entscheidung noch beeinflussen konnten. Von der Möglichkeit, Empfehlungen auf Grundlage des § 97 Abs. 2 Nr. 4 BHO auszusprechen, macht der Bundesrechnungshof folglich umfassend Gebrauch. 2. Beratungstätigkeit des BWV Bis zur Haushaltsrechtsreform konzentrierte sich die Beratungstätigkeit des BWV hauptsächlich auf die Erstellung von Gutachten zu Personal- und Organisationsfragen in der Bundesverwaltung 322. Seit der Bundeshaushaltsrechtsreform 1970 ist diese Art der Gutachtenerstellung jedoch merklich zurückgegangen, was vor allem mit der vermehrten Beratung durch den Bundesrechnungshof zusammenhängt 323. Der BWV wird insbesondere als Berater der Exekutive tätig, indem er entweder Stellung zu Gesetzesentwürfen der Bundesregierung nimmt oder Handlungsempfehlungen zu größeren Sachkomplexen für die Verwaltung erstellt. Die Auswirkungen der Gutachten und gutachtlichen Stellungnahmen des BWV lassen sich, ähnlich wie beim Bundesrechnungshof, nicht genau quantifi318 Vgl. zu den Daten der Vorlage des Berichts durch den BRH und der jeweiligen Entlastung der Bundesregierung durch den Bundestag, Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, Bd. II, S. 2808. 319 Auf diesen beratenden Charakter der Bemerkungen hat bereits Wittrock zu Zeiten seiner Präsidentschaft hingewiesen. So umfassten die Bemerkungen des Jahres 1983 insgesamt 113 Beiträge, von denen 91 Sachverhalte betrafen, wo der Vorgang noch nicht abgeschlossen war. Die Bemerkungen des Jahres 1985 umfassten 118 Beiträge, bei denen 91 Sachverhalte noch nicht abgeschlossen waren. Vgl. hierzu Wittrock, in: Pirker (Hrsg.), Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung, S. 155 (167). 320 Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2008, BT-Drs. 16/11000. 321 Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2008, BT-Drs. 16/11000, S. 102 ff. 322 Vgl. die Übersicht zu den Gutachten des BWV nach dem Stand vom 28. 6. 1957, in: BA, Best. B 136/7173 (Bundeskanzleramt) und die Übersicht des Sekretariats des Haushaltsausschusses zu den Gutachten des BWV nach dem Stand vom 28. 11. 1980 (Ausschuss-Drs. 9/5). 323 So auch die Wertung von Treuner, DVBl. 1992, S. 421 (424).

§ 2 Unter neuen Rechtsgrundlagen nach der Finanzrechtsreform 1970

239

zieren. So liegt es bei den Handlungshandbüchern des BWV in den Händen der Verwaltung, ob und wie sie die Hinweise beachtet oder konkreten Vorschlägen folgt 324. Die Stellungnahmen im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung werden von den Bundesressorts oftmals berücksichtigt. Als gesichert kann daher gelten, dass die Empfehlungen des BWV bei der Entscheidungsfindung zumindest diskutiert werden und ihnen häufig sogar gefolgt wird. Im Einzelnen ließen sich folgende Daten für die Beratungstätigkeit des BWV ermitteln: Ohne die Berücksichtigung der Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen seit dem Jahr 2003 hat der BWV von 1950 bis 2011 insgesamt 291 Gutachten und gutachtliche Stellungnahmen erstattet. Wie sich aus Tabelle 2 ergibt, hat die Anzahl der Gutachten nach der Bundeshaushaltsrechtsreform im Jahr 1970 jedoch spürbar abgenommen. Tabelle 2 Verteilung der von 1950 bis 2011 erstatteten 291 Gutachten des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bzw. des BWV (ohne Stellungnahmen zu Rechtsetzungsmaßnahmen seit 2003) 325 1950 – 1951

1952 – 1969 1970 –2011

Anzahl der Gutachten

31

146

114

Ø Anzahl Gutachten pro Jahr

15,5

8,6

2,8

Für die Jahre 1950 bis 1980 lässt sich aufgrund der Datenerfassung im Bundeskanzleramt 326 und im Sekretariat des Haushaltsausschusses des Deutschen 324

Vgl. zu den Auswirkungen der BWV-Gutachten auch Rienhardt, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 34 ff. 325 Das Datenmaterial ergibt sich aus der Auswertung der Zahlen bei Treuner, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 1 (21); Übersicht zu den Gutachten des BWV nach dem Stand vom 28. 6. 1957, in: BA, Best. B 136/7173 (Bundeskanzleramt); Übersicht des Sekretariats des Haushaltsausschusses zu den Gutachten des BWV nach dem Stand vom 28. 11. 1980 (Ausschuss-Drs. 9/5) und den auf den Internetseiten des Bundesrechnungshofes veröffentlichten Daten unter: http://bundesrechnungshof.de/bundesbeauftragter-bwv/ergebnisse-des-bwv-1 (Stand: 1. 6. 2012). 326 Übersicht zu den Gutachten des BWV nach dem Stand vom 28. 6. 1957, in: BA, Best. B 136/7173 (Bundeskanzleramt).

240

3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

Bundestages 327 eine Aufschlüsselung nach der auftragsersuchenden Stelle vornehmen (siehe hierzu Tabelle 3). Tabelle 3 Anzahl der Gutachten vor (1950 – 1952) und nach (1952 –1980) Einsetzung des BWV, aufgeschlüsselt nach auftragsersuchender Stelle 1950 – 1952 (Anz.)

1952 – 1980 (Anz.)

Anteil insgesamt (1950 –1980, in %)

Haushaltsausschuss des Bundestages

0

51

24,2

BM Verkehr

4

18

10,4

Präsident BRH / BWV

0

21

10,0

BM Finanzen

6

14

9,5

BM Inneres

6

9

7,1

Länder und Gemeinden

7

6

6,2

BM Wirtschaft

1

10

5,2

BM Ernährung und Landwirtschaft

4

7

5,2

Bundestag

1

7

3,8

BM Vertriebene, Flüchtlinge

1

6

3,3

Auswärtiges Amt

0

6

2,8

BM Justiz

0

4

1,9

Bundesregierung

0

4

1,9

BM Post

0

3

1,4

BM Gesamtdeutsche Fragen

1

2

1,4

BM Arbeit

0

2

0,9

BM Verteidigung

0

2

0,9

Sonstige

0

8

3,8

Summe

31

180

Auftragsersuchende Stelle

327 Übersicht des Sekretariats des Haushaltsausschusses zu den Gutachten des BWV nach dem Stand vom 28. 11. 1980 (Ausschuss-Drs. 9/5).

§ 2 Unter neuen Rechtsgrundlagen nach der Finanzrechtsreform 1970

241

Wie sich aus Tabelle 4 ergibt, hat der neue Schwerpunkt der Beratungstätigkeit des BWV seit dem Jahr 2003 – die Beteiligung an Rechtsetzungsmaßnahmen – einen bemerkenswerten Umfang 328. Tabelle 4 Beteiligung des BWV an Rechtsetzungsmaßnahmen und dazu ergangene Stellungnahmen von 1991 bis 2010 Jahr

Beteiligungen

Stellungnahmen

2003

596

123

2004

548

109

2005

347

66

2006

382

61

2007

363

58

2008

428

69

2009

341

29

2010

400

60

3405

575

3. Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes und des BWV Aus den Rechtsgrundlagen und Verfahren für eine Beratung durch den Bundesrechnungshof beziehungsweise den BWV lassen sich sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Beratungsinstanzen ausmachen. a) Beratungsadressaten Die möglichen Adressaten einer Beratung seitens des Bundesrechnungshofes oder des BWV sind formal zunächst deckungsgleich. Sowohl der Bundesrechnungshof als auch der BWV können ihre Empfehlungen dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung oder einzelnen Bundesministerien gegenüber aussprechen. In der Staatspraxis hat sich jedoch eine gewisse Aufgabenteilung zwischen beiden Beratungsinstanzen eingespielt. So ist der Bundesrechnungshof der hauptsächliche Ansprechpartner für die Beratung auf Initiative des Bundestages. Hierbei stützt er sich insbesondere auf die Vorschrift des § 88 Abs. 2 BHO, 328 Datenmaterial aus den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes im jeweiligen Folgejahr.

242

3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

seltener auf § 99 BHO. Die Bundesregierung und die Verwaltungsbehörden erhalten Empfehlungen des Bundesrechnungshofes fast ausschließlich durch die nicht öffentlichen Prüfungsmitteilungen, die allerdings teilweise mithilfe der jährlichen Bemerkungen öffentlich gemacht werden; zudem berät der Bundesrechnungshof die Exekutive gem. § 27 Abs. 2 S. 2 BHO während des Haushaltsaufstellungsverfahrens. Der BWV dagegen entfaltet seine Beratungstätigkeit in praxi – der besonderen Funktion als Beauftragter der Bundesregierung folgend – fast ausschließlich der Exekutive gegenüber. Dies geschieht schwerpunktmäßig durch seine Einbindung in Rechtsetzungsmaßnahem der Bundesregierung, aber auch durch seine generellen Handlungshandbücher für die Verwaltung. Beratungen für den Bundesrat spielen bei beiden Beratungsinstanzen nur mittelbar eine Rolle, so beispielsweise bei Gutachten des BWV, die auch Fragenstellungen zu föderalen Strukturen aufgreifen 329 oder beim Bundesrechnungshof durch etwaige länderbezogene Aspekte in den jährlichen Bemerkungen. b) Beratungsgegenstände Den Beratungen seitens des BWV und des Bundesrechnungshofes ist gemeinsam, dass sie sich auf die gesamte Bandbreite der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes beziehen. Ziel der Beratungen ist es, den Beratungsempfängern eine verbesserte Diskussions- und Entscheidungsgrundlage zu Fragen der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung zu geben sowie mögliche Fehler zu vermeiden. Generelle, eine Vielzahl von Sachverhalten betreffende Empfehlungen werden vom Bundesrechnungshof auf Grundlage des § 99 BHO 330 und vom BWV durch Handlungshandbücher für die Verwaltung ausgesprochen 331. Beratungen zu Einzelsachverhalten und bestimmten Projekten mit aktuellem Bezug erstattet der Bundesrechnungshof auf Grundlage des § 88 Abs. 2 BHO, durch die Vorschläge in den Prüfungsmitteilungen an Behörden und die jährlichen „Bemerkungen“ sowie seine Beteiligung im Haushaltsaufstellungsverfahren gem. § 27 Abs. 2 S. 2 BHO. Eine Kompetenz zur Einbindung in Rechtsetzungsmaßnahmen, wie sie dem BWV nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien zusteht, besitzt der Bundesrechnungshof nicht.

329 So etwa das Gutachten „Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern“, Bd. 9 der BWV-Schriftenreihe. 330 So beispielsweise der „Bericht des Bundesrechnungshofes gemäß § 99 BHO über die Aufgabenwahrnehmung in ausgewählten Servicebereichen in der Bundesverwaltung“, BT-Drs. 14/220. 331 So beispielsweise das Gutachten „Bundesfernstraßen, Planen, Bauen und Betreiben“, Bd. 11 der BWV-Schriftenreihe.

§ 2 Unter neuen Rechtsgrundlagen nach der Finanzrechtsreform 1970

243

c) Beratungsverfahren Die entscheidenden Unterschiede zwischen der Beratung durch den BWV und derjenigen des Bundesrechnungshofes finden sich im Beratungsverfahren. Der Bundesrechnungshof verfasst seine Prüfungsmitteilungen und seine Beratungsberichte nach § 88 Abs. 2 BHO, die Sonderberichte nach § 99 BHO und die Bemerkungen gem. § 97 BHO im Kollegial- beziehungsweise Senatsverfahren. Im Fall von § 88 Abs. 1 und Abs. 2 BHO sind dies immer die Zweier- und Dreierkollegien im Sinne des § 9 BRHG, in den Fällen der „99er-Berichte“ und den Bemerkungen ist zudem gem. § 13 BRHG der Große Senat beteiligt. Der BWV hingegen nimmt seine Beratung auch außerhalb des Kollegialverfahrens vor. Erkennbar wird dies durch das Delegationsmodell, das einem einzelnen Beamten des Bundesrechnungshofes ermöglicht, im Namen des BWV tätig zu werden. Ein weiterer Unterschied zwischen den Beratungsinstanzen ist, dass dem Bundesrechnungshof bei der Beratung von Exekutive und Legislative gem. § 88 Abs. 2 BHO die Restriktion auferlegt ist, nur aufgrund von Prüfungserfahrungen Empfehlungen und Vorschläge zu unterbreiten. Der BWV hingegen kann sich bei seiner Beratung auch auf Sachverständigengutachten, wissenschaftliche Untersuchungen oder allgemeine Erfahrungssätze berufen. d) Bewertung Trotz der Gemeinsamkeiten zwischen dem BWV und dem Bundesrechnungshof bei ihrer beratenden Tätigkeit sind die dargestellten Unterschiede von solchem Gewicht, dass sie die Tätigkeit des BWV in seiner jetzigen Struktur nicht obsolet erscheinen lassen. Selbst wenn der neue Schwerpunkt der Tätigkeit des BWV – die Gesetzesfolgenabschätzung – auf den Rechnungshof als Institution übertragen werden würde und die Restriktion, der Rechnungshof dürfe nur aufgrund von Prüfungserfahrungen beraten, so beratungsfreundlich interpretiert würde, dass er auch auf Erkenntnisse Dritter zurückgreifen dürfte, so bleibt doch der wichtigste Unterschied zwischen dem BWV und dem Bundesrechnungshof bestehen: Während der Bundesrechnungshof seine Beratung im Kollegialverfahren durchführen muss, gilt diese Anforderung für den BWV nach allgemeiner Meinung nicht. Der Vorteil für den BWV ist damit, dass er seine Beratung in vielen Fällen deutlich zügiger vornehmen kann, als wenn er auf die Einstimmigkeit im Kollegialverfahren beziehungsweise die Mehrheiten im Großen Senat angewiesen wäre. Der Nachteil ist jedoch, dass hierdurch ein Instrument ausgeschaltet wird, das nicht nur der Qualitätssicherung und politischen Ausgewogenheit dient, sondern auch dem gesetzlichen Regelfall für Entscheidungen im Bundesrechnungshof entspricht 332. Insofern erscheint es zweifelhaft, ob 332 Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Beratung außerhalb des Kollegialverfahrens siehe unten S. 246.

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

ein solches Vorgehen mit dem Bundesrechnungshofgesetz vereinbar ist, denn Entscheidungen des Bundesrechnungshofes werden gem. § 8 BRHG nur in Kollegien, Prüfungsgruppen, Senaten und dem Großen Senat getroffen. In Kollegien und Prüfungsgruppen können Entscheidungen nur einstimmig (§ 15 Abs. 1 BRHG bzw. für Prüfungsgruppen § 10 i.V. m. § 15 BRHG), in Senaten und dem Großen Senat nur mit Stimmenmehrheit ergehen (§ 15 Abs. 2 S. 1 BRHG). Entscheidungen einzelner Beamter sieht das Gesetz gem. § 9 Abs. 2 BRHG nur vor, wenn das Kollegium hierzu seine Einwilligung erteilt hat. Schlüssig zurückweisen lassen sich diese Bedenken nur, wenn man für die Tätigkeiten des BWV schon den Anwendungsbereich des Bundesrechnungshofgesetzes für nicht eröffnet erklärt, weil nicht der Rechnungshof als Institution, sondern nur einzelne Mitarbeiter als Bevollmächtigte im Namen des BWV tätig werden. Der BWV handelt wiederum nicht als Präsident des Bundesrechnungshofes, sondern lediglich als Beauftragter der Bundesregierung 333. Auch wenn es sich hierbei um eine rein formalistische Argumentation handelt, so ist sie dennoch vertretbar.

C. Die Diskussion um die rechtlichen Grenzen der Beratungstätigkeit In Folge neuer Rechtsgrundlagen für die beratende Tätigkeit der Finanzkontrolle und der vermehrten Beratung seitens des Bundesrechnungshofes seit der Finanzrechtsreform werden in der Literatur wieder zunehmend die rechtlichen Grenzen der Beratungstätigkeit diskutiert. Hierbei stehen zwei Fragen im Mittelpunkt: Zum einen, ob durch die Beratungstätigkeit die Unabhängigkeit der Finanzkontrolle beeinträchtigt wird, zum anderen, inwieweit die Beratungstätigkeit mit dem Grundsatz der Gewaltentrennung vereinbar ist. Bei der folgenden Untersuchung wird eine Unterscheidung zwischen der Beratung durch den Bundesrechnungshof oder den BWV nur dort getroffen, wo es aufgrund der voneinander abweichenden Ausgestaltung erforderlich ist. I. Die Gefährdung der Unabhängigkeit der Finanzkontrolle Die Unabhängigkeit wird oft als Lebenselixier wirksamer Finanzkontrolle bezeichnet 334. Ein in der Literatur diskutiertes Problem ist, inwieweit die Finanzkontrolle durch eine vorherige Beratung bei späteren Prüfungsfällen zur gleichen 333 Nicht überzeugend erscheint es daher, wenn Engels, in: Heuer, § 6 BRHG Rn. 13 ff. davon spricht, Mitglieder des Bundesrechnungshofes würden den BWV auf Grundlage des § 6 Abs. 3 BRHG unterstützen (§ 6 Abs. 3 S. 1 BRHG lautet: „Der Präsident wird bei der Erfüllung seiner Aufgabe durch die anderen Mitglieder unterstützt“). 334 von Arnim, DVBl. 1983, S. 664 (669).

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Sache bereits präjudiziert ist. Des Weiteren stellt sich die Frage, inwieweit die Unabhängigkeit der Rechnungshofmitglieder durch das Beratungsverfahren als solches eingeschränkt werden kann, insbesondere, wenn das Personal des Hofes Weisungen interner oder externer Art ausgesetzt ist. Für die rechtliche Bewertung ist es zunächst notwendig zu untersuchen, wer Träger der verfassungsrechtlich normierten Unabhängigkeit ist und in welchem Umfang sie gewährleistet ist. 1. Träger der Unabhängigkeit Nach dem Wortlaut des Grundgesetzes sind Träger der Unabhängigkeit die Mitglieder des Bundesrechnungshofes. Wer Mitglied des Bundesrechnungshofes ist, soll dabei aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung selbst abzuleiten sein, das heißt aus dem Sinn und Zweck der Unabhängigkeit zur Sicherung der verfassungsrechtlich übertragenen Aufgaben 335. Einfachgesetzlich bestimmt § 3 Abs. 1 BRHG, dass zu den Mitgliedern des Bundesrechnungshofes der Präsident, der Vizepräsident, die Leiter der Prüfungsabteilungen und die Prüfungsgebietsleiter zählen. Andere Beamte des Bundesrechnungshofes sollen dagegen nicht der Garantie des Artikels 114 Abs. 2 S. 1 GG unterfallen 336. Die Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofes als Institution ist zwar nicht durch Art. 114 Abs. 2 GG garantiert, sie ergibt sich aber mittelbar aus der unabhängigen Stellung der Mitglieder des Rechnungshofes 337. An dieser institutionellen Garantie nehmen wiederum auch die Nichtmitglieder des Bundesrechnungshofes teil 338. 2. Reichweite der Unabhängigkeit Nach herrschender Auffassung 339 entspricht die Garantie der richterlichen Unabhängigkeit zugunsten der Mitglieder des Bundesrechnungshofes im Wesentlichen der Garantie der richterlichen Unabhängigkeit gemäß Art. 97 GG. Auch wenn der Begriff der Unabhängigkeit für die Rechnungshofmitglieder nur entsprechend dem Richterstatus auszulegen ist, so ist jedenfalls zwischen sachlicher und persönlicher Unabhängigkeit zu unterscheiden 340. Die sachliche Unabhängigkeit bedeutet Weisungsfreiheit und ausschließliche Unterwerfung unter das Gesetz 341. Persönliche Unabhängigkeit meint namentlich die Unabsetzbarkeit und 335

Kube, in: Maunz / Dürig, Art. 114 Rn. 52. BVerwGE 128, 135 (138); Kube, in: Maunz / Dürig, Art. 114 Rn. 52. 337 Siekmann, in: Sachs, Art. 114 Rn. 31, Heun, in: Dreier, Art. 114 Rn. 21. 338 Butzer, in: Epping / Hillgruber, Art. 114 Rn. 24. 339 Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art. 114, Rn. 7a; Heintzen, in: von Münch / Kunig, Art, 114 Rn. 18; Heun, in: Dreier, Art. 114 Rn. 21; Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 114 Rn. 4; Schwarz, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 114 Rn. 110; Siekmann, in: Sachs, Art. 114 Rn. 31. 340 Butzer, in: Epping / Hillgruber, Art. 114 Rn. 25. 336

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Unversetzbarkeit der Mitglieder des Rechnungshofes 342. Aus der Unabhängigkeit, die dem Führungspersonal im Rechnungshof zukommt, leitet sich mittelbar sowohl die Unabhängigkeit der Institution „Bundesrechnungshof“ als auch diejenige der Nichtmitglieder ab 343. Fraglich ist, wie sich die Unabhängigkeitsgarantie auf die innere Verfassung im Bundesrechnungshof auswirken muss. Teilweise wird in der Literatur angenommen 344, aus der Unabhängigkeit der Mitglieder des Bundesrechnungshofes folge zwangsläufig das Organisationsgebot der Kollegialverfassung. In Ermangelung verfassungsrechtlicher Einschränkungen müsse davon ausgegangen werden, dass grundsätzlich alle Entscheidungen des Rechnungshofes vom Kollegialprinzip erfasst werden 345. Mehrheitlich nimmt die Literatur eine vermittelnde Position ein 346. Zwar gebe Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG vor, der Bundesrechnungshof müsse eine Kollegialbehörde sein, sodass sich für die innerorganisatorischen Gestaltungsmöglichkeiten beträchtliche Einschränkungen ergäben 347. So dürfe der Rechnungshof einerseits nicht als hierarchisch strukturierte Behörde aufgebaut sein. Andererseits sei auch die Kollegialverfassung nicht zwingend. Entscheidend für die Unabhängigkeit sei vielmehr die Weisungsfreiheit, die es auch in monokratischen Einheiten gebe 348. So entsprächen monokratische Entscheidungskompetenzen sogar oftmals eher dem Unabhängigkeitspostulat, aber die Weisungsmöglichkeiten in einer monokratischen Organisation seien der gebotenen Unabhängigkeit abträglich 349. Die Regelungen des BRHG und der GO-BRH über die Arbeitsteilung zwischen Präsident, Kollegien, Prüfungsgruppen, Senaten und dem Großen Senat seien damit verfassungsrechtlich zulässig, aber nicht zwingend vorgegeben 350. Allerdings wird auch größtenteils von dieser Auffassung die starke Stellung des Präsiden341

Siekmann, in: Sachs, Art. 114 Rn. 32. Heun, in Dreier, Art. 114 Rn. 22. 343 Butzer, in: Epping / Hillgruber, Art. 114 Rn. 24. 344 Eickenboom / Heuer, DÖV 1985, S. 997 (999); Klappstein, in: Schulze-Fielitz (Hrsg.), Fortschritte der Finanzkontrolle in Theorie und Praxis, S. 25 (36); Engels, in: BK, Art. 114 Rn. 160. 345 Klappstein, in: Schulze-Fielitz (Hrsg.), Fortschritte der Finanzkontrolle in Theorie und Praxis, S. 25 (36). 346 Butzer, in: Epping / Hillgruber, Art. 114 Rn. 28; Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, S. 87 ff.; Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 104 f.; Heintzen, in: von Münch / Kunig, Art. 114 Rn. 18; Heun, in: Dreier, Art. 114 Rn. 22; Schwarz, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 114 Rn. 113; Siekmann, in: Sachs, Art. 114 Rn. 35; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 424. 347 Siekmann, in; Sachs, Art. 114 Rn. 34; Stern, DÖV 1990, S. 261 (264). 348 Siekmann, in; Sachs, Art. 114 Rn. 35. 349 Schwarz, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 114 Rn. 113. 350 Heintzen, in: von Münch / Kunig, Art. 114 Rn. 18. 342

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ten als bedenklich eingeschätzt 351. Dies gelte beispielsweise, wenn der Präsident jederzeit von sich aus entscheiden könne, einem Zweierkollegium hinzuzutreten und er dadurch eine Entscheidung in seinem Sinne beeinflussen könne 352. 3. Gefahr der Präjudizierung durch Beratung Teilweise wurde im älteren Schrifttum 353 die Gefahr gesehen, dass die in Art. 114 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit beeinträchtigt werden könne, wenn sich der Rechnungshof beziehungsweise der BWV durch seine Beratungstätigkeit zu frühzeitig zu bestimmten Sachverhalten festlege und er die gleichen Sachverhalte später wieder einer Prüfung unterziehe. Ohne ausdrücklich auf die verfassungsrechtlich normierte Unabhängigkeit abzustellen, wird in Teilen der neueren Literatur 354 kritisch angemerkt, dass durch die Parallelität von Beratung und Prüfung die Unvoreingenommenheit der Rechnungshofmitglieder gefährdet sei. Derjenige, der sich im Vorfeld beratend geäußert habe, könne später nicht unbefangen prüfen. Je stärker die Finanzkontrolle durch ihre Beratungstätigkeit an Verwaltungsprozessen beteiligt werde, desto eher sei die Unvoreingenommenheit der Mitglieder des Rechnungshofes gefährdet und umso schwerer sei es für sie, bei späteren Prüfungen überzeugend Verstöße gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit zu rügen 355. Es sei unzutreffend zu behaupten, dass Beratungsgegenstand und Prüfungsgegenstand selten identisch seien 356. Bei einer Prüfung könne der Rechnungshof jederzeit auf Aspekte seiner vorherigen Beratung stoßen, die geeignet seien, die Unbefangenheit zu beeinträchtigen 357. Für nicht überzeugend wird auch der Einwand gehalten, der Bundesrechnungshof könne sich jederzeit im Rahmen einer Prüfung von sei351

Hierzu insbesondere Wieland, DVBl. 1995 S. 894 (899 ff.). Fuhrmann, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer (1989), S. 325 (328 f.); Kube, in: Maunz / Dürig, Art. 114 Rn. 56; Schwarz, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 114 Rn. 113; Siekmann, in: Sachs, Art. 114 Rn. 35; Wieland, DVBl. 1995, S. 894 (899 ff.). 353 Maunz, in: Maunz / Dürig, Rn. 30 der 4. Auflage, 1974 (1. – 13. Lieferung); Klein, DÖV 1961, S. 805 (808). 354 Vgl. den Diskussionsbeitrag von Arnims, in: von Arnim, Finanzkontrolle im Wandel, S. 313; Bertrams, NWVBl. 1999, S. 1 (5); Grupp, NWVBl. 1992, S. 265 (269); Dahm, Neues Steuerungsmodell, S. 271; Heintzen, in: von Münch / Kunig, Art. 114 Rn. 22; Kitterer, in: Schulze / Thieme (Hrsg.), Stellung der Rechnungshöfe, S. 136; Klein, DÖV 1961, S. 805 (808); Kratzenberg, Möglichkeit einer effizienten Ausführung von Haushaltsplänen, S. 166; Miß, Unabhängigkeit von Bundesrechnungshof und Abschlußprüfern, S. 62 ff.; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 432; Vogel, DVBl. 1970, S. 193 (197). 355 Dahm, Neues Steuerungsmodell, S. 271. 356 Vogel, DVBl. 1970, S. 193 (197). 357 Miß, Unabhängigkeit von Bundesrechnungshof und Abschlußprüfern, S. 63. 352

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nen einmal gemachten Vorschlägen distanzieren; auch wenn die Beamten im Rechnungshof über eine hohe Fachkompetenz verfügten, so könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei einem Prüfer durch eine vorherige Beratung eine psychologische Bindungswirkung entstehe 358. Dies gelte umso mehr, als dass kein Beamter ein Interesse daran habe, Fehler der eigenen Behörde aufzudecken, die einen Prestigeverlust der Behörde als Ganzes zur Folge haben könnten 359. Andere Auffassungen 360 dagegen bestreiten, dass die beratende Tätigkeit der Finanzkontrolle die Unvoreingenommenheit des Rechnungshofes und seiner Mitglieder gefährde. So wird argumentiert, die Unbefangenheit sei nicht beeinträchtigt, da sich kaum eine Identität des jeweiligen Beratungsgegenstandes und des Sachverhalts, der später einmal Gegenstand eines Prüfungsverfahrens sein kann, ergeben werde 361. Zudem unterläge die Beratung anderen Vorschriften als die Rechnungsprüfung, sodass die voneinander abgrenzbaren Vorgänge dem Gebot der Unvoreingenommenheit ausreichend gerecht würden 362. Auch sei es den Beamten des Rechnungshofes ohne Weiteres möglich, sich bei einer späteren Prüfung von den vorherigen Empfehlungen zu distanzieren 363; eine vorherige Beratung könnte den Rechnungshof sogar veranlassen, nachträglich besonders sorgfältig zu prüfen, da er mit dem Sachverhalt bereits vertraut sei 364. Irritierend ist es, wenn Teile der Literatur die Problematik der Unvoreingenommenheit unter dem Punkt der verfassungsrechtlichen Grenzen für die Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes diskutieren. So ist es zwar richtig, dass an einen Prüfer, der in gleicher Sache beratend und prüfend tätig wird, erhöhte Anforderungen an seine „innere Unabhängigkeit“ zu stellen sind. Zu dieser inneren Unabhängigkeit (oder auch Unvoreingenommenheit) zählt insbesondere, dass der betroffene Beamte des Rechnungshofes nicht schon mit einer fixierten Meinung an die zu prüfenden Sachverhalte herangeht. Doch lässt sich diese Form der Unabhängigkeit nur bedingt gesetzlich schützen oder gar verordnen 365. Sie ist vielmehr abhängig von individuellen Fähigkeiten wie Reflexionsvermö358

Miß, Unabhängigkeit von Bundesrechnungshof und Abschlußprüfern, S. 62. Miß, Unabhängigkeit von Bundesrechnungshof und Abschlußprüfern, S. 65. 360 Bank, DVBl. 1966, S. 362 (364); Duk-Yeon, Stellung und Funktion des Bundesrechnungshofes, S. 126; Kirchhof, NVwZ 1983, S. 505 (515); Kube, in: Maunz / Dürig, Art. 114 Rn. 115; Magiera, in: von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 97 f.; Vialon, FinanzArch Bd. 22 (1962/63), S. 1 (16); Wittrock, in: Stenografische Niederschrift der Veranstaltung „Möglichkeiten und Grenzen der Finanzkontrolle“ der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen e.V., S. 6. 361 Wittrock, in: Stenografische Niederschrift der Veranstaltung „Möglichkeiten und Grenzen der Finanzkontrolle“ der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen e.V., S. 6; Vialon, FinanzArch Bd. 22 (1962/63), S. 1 (16). 362 Kube, in: Maunz / Dürig, Art. 114 Rn. 115. 363 Vialon, FinanzArch Bd. 22 (1962/63), S. 1 (16). 364 Kube, in: Maunz / Dürig, Art. 114 Rn. 115. 359

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gen, Selbstkritik und geistiger Offenheit. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass jeder – ob Richter, Sachverständiger oder Rechnungshofbeamter – immer mit politischen, sozialen und ökonomischen Grundüberzeugungen einen Sachverhalt beurteilt. Wo Beurteilungsspielräume bestehen, wird diese innere Haltung daher häufig das Ergebnis mitbestimmen. Der verfassungsrechtliche Begriff der Unabhängigkeit zielt aber nicht auf den Schutz der inneren Unabhängigkeit, sondern vielmehr auf den Ausschluss des Drucks von außen. Daher sollte der verfassungsrechtliche Begriff der Unabhängigkeit auch nicht in diesem Sinne überdehnt werden, sondern sich an den hergebrachten Definitionen der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit orientieren. Dabei erfasst die persönliche Unabhängigkeit die Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit der Mitglieder des Rechnungshofes. Es ist nicht ersichtlich, wie durch die Parallelität beziehungsweise Überschneidung von Prüfung und Beratung diese persönliche Unabhängigkeit beeinträchtigt sein soll. Die sachliche Unabhängigkeit, also die Weisungsfreiheit und ausschließliche Unterwerfung unter das Gesetz, ist ebenfalls nicht berührt, solange die öffentliche Finanzkontrolle aus eigener Initiative und ohne Druck von außen beratend tätig wird. 4. Gefährdung der Unabhängigkeit durch verpflichtende Aufträge Anders als bei der gerade erläuterten „inneren Unabhängigkeit“, kann sich ein Konflikt mit der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit ergeben, wenn dem Rechnungshof oder dem BWV durch eine gesetzliche Regelung verbindliche Aufträge zur Durchführung einer Beratung oder einer Prüfung erteilt werden können. So wird in der Literatur mehrheitlich 366 darauf hingewiesen, dass eine solche Verpflichtung mit der verfassungsrechtlich zugesicherten Unabhängigkeit unvereinbar sei, da die Verpflichtung einer Weisung gleichkomme. Die Mitglieder des Rechnungshofes müssten frei entscheiden können, welche Gegenstände sie wann, wo und wie untersuchen wollten 367. Zudem könne die 365

Ähnlich auch Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 97 Rn. 40, der davon spricht die innere Unabhängigkeit eines Richters entziehe sich einer direkten rechtlichen Regelung und bleibe eine Geisteshaltung im Sinne einer moralischen Herausforderung. 366 Böning, in: Böning / v. Mutius, Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System, S. 39 (60 f.); Grupp, NWVBl. 1992, S. 265 (269), der davon ausgeht, dass die obligatorische Beratung verfassungswidrig ist, wobei er jedoch die Überlegung einbringt, die Beratungsaufgabe verfassungsrechtlich zu verankern; Karehnke, DÖH 12 (1971), S. 163 (164); Keller, DÖV 1979, S. 705 (707); Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 208; Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195 (225 ff.); Sigg, Stellung der Rechnungshöfe, S. 38 ff.; Stern, in: Festakt 275 Jahre Staatliche Finanzkontrolle, S. 9 (12 f.). 367 Müller, DVBl. 1994, S. 1276 (1279).

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Funktionsfähigkeit des Rechnungshofes durch verbindliche Aufträge so behindert werden, dass eine unbefangene und effektive Prüfung nicht mehr möglich sei 368. Sehr bedenklich seien daher die Regelungen in einigen Landeshaushaltsordnungen, nach denen dem Rechnungshof verpflichtende Beratungstätigkeiten oder auch verpflichtende Prüfungsaufträge erteilt werden können 369. Gegensätzlich zu dieser Auffassung fordert Bajohr 370, zur Stärkung der Legislative müsse diese das Recht erhalten, den Rechnungshof zu gutachtlichen Äußerungen und Prüfaufträgen zu verpflichten. Dabei solle dieses Recht auch auf das Ersuchen einer qualifizierten Minderheit im Parlament möglich sein, da ansonsten die Regierungsfraktion eine entsprechende Regierungskontrolle verhindere 371. Dem Einwand einer Überbeanspruchung und damit einer Lahmlegung des Rechnungshofes könne wirksam begegnet werden, indem die personellen und finanziellen Ressourcen des Rechnungshofes aufgebessert würden 372. Der Rechnungshof könne dann eine eigene Auftragsabteilung erhalten, die die Aufgabe hätte, Aufträge aus dem parlamentarischen Raum zu bearbeiten; allerdings solle diese Abteilung das Recht erhalten, entsprechende Ersuchen mit schriftlicher Begründung zurückzuweisen 373. Die Auftragsabteilung könne Experten anhören, Gutachten erstellen und Empfehlungen an die Regierung und den Gesetzgeber aussprechen 374. Zu Recht werden Regelungen, die den Rechnungshof oder dem BWV gesetzlich oder untergesetzlich dazu verpflichten, auf Ersuchen Dritter beratend tätig zu werden, als nicht vereinbar mit der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit qualifiziert. Bei solchen verpflichtenden Ersuchen handelt es sich um von außen erteilte Weisungen, die gegen das Gebot der sachlichen Unabhängigkeit verstoßen. Eine hierdurch beabsichtigte Stärkung des Parlaments kann den Eingriff in die Unabhängigkeit nicht rechtfertigen. Die Unabhängigkeit des Rechnungshofes und dessen Präsidenten muss verfassungsrechtlich höher bewertet werden als ein Ausbau der parlamentarischen Kontrolle, die im Rahmen des Entlastungsverfahrens bereits eine adäquate Position einnimmt. Aus diesem Grunde sind auch die entsprechenden Regelungen in einigen Landeshaushaltsordnungen, die verpflichtende Aufträge an die Finanzkontrolle vorsehen, verfassungskonform auszulegen beziehungsweise als verfassungswidrig zu werten. 368

Niekamp, DÖV 2004, S. 739 (741). Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195 (226). 370 Bajohr, VerwArch 91 (2000), S. 507 (532 ff.). Bajohr verweist dabei auf einen Beschluss der Konferenz der Landtagspräsidenten vom 4. 2. 1971, auf der ebenfalls eine verpflichtende Beratung gefordert wurde. 371 Bajohr, VerwArch 91 (2000), S. 507 (532). 372 Bajohr, VerwArch 91 (2000), S. 507 (534). 373 Bajohr, VerwArch 91 (2000), S. 507 (535). 374 Bajohr, VerwArch 91 (2000), S. 507 (537). 369

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Nicht verfassungskonform waren daher auch die Richtlinien für den BWV aus dem Jahr 1952/57 (Ziffer 1 S. 1 der Richtlinien: „Der BWV hat zu beraten“) und 1965 (Ziffer 1 S. 1 der Richtlinien: „Der Bundesbeauftragte wird beraten“). Es verstieß gegen die Unabhängigkeit des Präsidenten, dass die Regierung ihn nach dem Wortlaut der Richtlinien zur Beratung verpflichten konnte. Eine weitere – in der Literatur weniger beachtete 375 – Art der Gefährdung der sachlichen Unabhängigkeit kann sich ergeben, wenn die Mitglieder des Bundesrechnungshofes aufgrund der inneren Organisation direkten oder indirekten Weisungen der Führung des Hofes ausgesetzt sind. Insbesondere sind hier also Fälle gemeint, in denen der Präsident des Bundesrechnungshofes Weisungen – entweder in seiner originären Funktion an der Spitze des Rechnungshofes oder in seiner Sonderfunktion als BWV – an die Mitglieder des Rechnungshofes erteilen könnte. Denkbar sind direkte Weisungen in Form von Prüfungs- und Beratungsaufgaben an die Mitglieder des Bundesrechnungshofes oder die Einschaltung des Präsidenten in laufende Prüfungs- und Beratungsverfahren, so dass er mit seiner Stimme in den Kollegien des Bundesrechnungshofes Entscheidungen beeinflussen und verhindern kann; eine solche Einschaltung könnte als mittelbare Weisung verstanden werden 376. Gem. § 6 Abs. 1 S. 2 BRHG leitet der Präsident die Verwaltung des Bundesrechnungshofes und übt die Dienstaufsicht aus. Für die Verwaltung besteht gem. § 2 Abs. 2 S. 3 BRHG eine Präsidialabteilung. Anders als bis zur Haushaltsrechtsreform 1970 werden der Präsidialabteilung jedoch keine Prüfungsoder Beratungsaufgaben des Bundesrechnungshofes zugeordnet 377. Weisungen, die sich auf die reine Verwaltung beziehen, sind unter dem Aspekt der Unabhängigkeit jedoch unbedenklich. Kritisch wird hingegen zu Recht gesehen, wenn der Präsident bei der im Kollegialverfahren stattfindenden prüfungsakzessorischen Beratung (§ 88 Abs. 1 BHO i.V. m. § 90 Nr. 3, 4 BHO) sowie der Beratung auf Ersuchen Dritter (§ 88 Abs. 2 BHO) nach seinem Dafürhalten zu den Zweierkollegien hinzutreten darf. Für die Beratung an die Gesetzgebungsorgane ist dies sogar der Regelfall, da der Präsident von dem Generalvorbehalt § 14 Abs. 2 GO-BRH Gebrauch macht 378. Zwar liegt hierin noch keine echte Weisung, aber da das Kollegium nur einstimmig entscheiden kann, hat der Präsident die Möglichkeit, eine ihm möglicherweise nicht genehme Entscheidung zu verhindern, was einer Weisung nahekommt 379. Andererseits muss auch bedacht werden, 375 Blasius, VR 1990, S. 124 (128); ders., JZ 1990, S. 954 (960); Kube, in: Maunz / Dürig, Art. 114 Rn. 56; Siekmann, in: Sachs, Art. 114 Rn. 35; ausführlicher zu diesem Problem Wieland, DVBl. 1995, S. 894 ff. 376 Wieland, DVBl. 1995, S. 894 (901). 377 Engels, in: Heuer, § 2 BRHG Rn. 15. 378 Siehe dazu oben S. 183. 379 So auch Wieland, DVBl. 1995, S. 894 (901).

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dass durch dieses Verfahren eine gewisse Einheitlichkeit im Bundesrechnungshof sichergestellt wird 380. Auch wenn es der verfassungsrechtlich zugesicherten Unabhängigkeit mehr gerecht würde, wenn dem Präsidenten ein solches Mitbestimmungsrecht nicht eingeräumt wäre, so kann unter dem Hinweis, dass es sich hier nicht um ein echtes Weisungsrecht handelt, ein Verfassungsverstoß noch überzeugend abgelehnt werden. Unvereinbar mit der Verfassung sind wegen eines Verstoßes gegen die sachliche Unabhängigkeit dagegen echte Weisungsrechte, wie beispielsweise der Auftrag des Präsidenten an ein Prüfungsgebiet, eine bestimmte Prüfung oder Beratung durchzuführen. Dieser Überlegung folgend, sind auch die Kompetenzen des Präsidenten in seiner Funktion als BWV begrenzt. Ausgeschlossen ist wegen der Unvereinbarkeit jegliche Form der Weisung des Präsidenten an die Mitglieder des Bundesrechnungshofes, ein bestimmtes Gutachten oder eine gutachtliche Stellungnahme zu erarbeiten. Diese Restriktion kann auch nicht mit dem Argument ausgehebelt werden, der jeweilige Beamte werde nicht als Mitglied des Rechnungshofes, sondern als Mitarbeiter des BWV tätig. Hiermit würde die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit unzulässig unterlaufen werden. Solange aber der Präsident nur eine unverbindliche Bitte um Mithilfe stellt, kann der Beamte frei und unabhängig entscheiden, ob er sich in zeitlicher wie inhaltlicher Hinsicht imstande sieht, seine Arbeitskraft für den BWV einzusetzen. Dass der BWV seine Beratung auch außerhalb des Kollegialverfahrens ausführen kann, ist insofern unbedenklich, da mit überzeugenden Argumenten die Verfassung nicht zwingend ein Kollegialverfahren im Rechnungshof vorschreibt. Entscheidend ist allein die Weisungsfreiheit, die aber ebenso im monokratischen Organisationsaufbau ausreichend sichergestellt sein kann. Als Ergebnis ist damit festzuhalten, dass die derzeit ausgeübte Beratungspraxis des Bundesrechnungshofes nicht gegen die verfassungsrechtlich zugesicherte Unabhängigkeit der Rechnungshofmitglieder verstößt. Die Beratung durch den BWV ist unter dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit aber nur so lange verfassungsrechtlich zulässig, als der Präsident keinerlei Weisungen an die Mitglieder des Bundesrechnungshofes erteilt, bestimmte Gutachten in seinem Namen anzufertigen. II. Vereinbarkeit der Beratungsfunktion der Finanzkontrolle mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung Eine weitere rechtliche Grenze kann der Beratungstätigkeit der Finanzkontrolle durch den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung gesetzt sein. Ansatzpunkt ist dabei, inwieweit der Bundesrechnungshof und sein Präsi380

So auch Butzer, in Epping / Hillgruber, Art. 114 Rn. 28.

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dent als BWV im Rahmen ihrer Beratung in Zuständigkeitsbereiche eindringen und eindringen dürfen, die in den originären Zuständigkeitsbereich von Exekutive oder Legislative fallen. Denn mit ihrer Beratung unterbreiten der Bundesrechnungshof und sein Präsident der Exekutive und Legislative Vorschläge zu Sachverhalten, die sich noch in der politischen Diskussion befinden und zu denen entweder noch gar keine Entscheidung ergangen ist oder eine erneute Entscheidung in der Sache ansteht. In diesem Zusammenhang soll auch der Streit in der Literatur erörtert werden, ob beziehungsweise wie sehr, der Rechnungshof „politisch“ agieren darf. Denn umso umfangreicher, deutlicher und konkreter sich Bundesrechnungshof und BWV bei ihrer Beratungstätigkeit zu politischen Problemstellungen äußern, desto mehr berühren sie die Zuständigkeiten der legislativen und exekutiven Gewalt. Im Folgenden werden zunächst kurz Inhalt und Bedeutung des Gewaltenteilungsgrundsatzes im Verfassungsrecht erläutert und sodann im Überblick die Stellung des Bundesrechnungshofes im Gewaltensystem des Grundgesetzes dargestellt, bevor der Streitfrage nachgegangen wird, inwieweit der Rechnungshof und BWV durch ihre politikintensive Beratung den Gewaltenteilungsgrundsatz verletzten können. 1. Inhalt und Bedeutung des Gewaltenteilungsgrundsatzes Das Prinzip der Gewaltenteilung findet im Grundgesetz seine abstrakte Ausprägung in Art. 20 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG und wird durch Organisationsnormen und Aufgabenzuweisungen in der Verfassung konkretisiert. Die Gewaltteilung dient der gegenseitigen Kontrolle der Staatsorgane und damit der Mäßigung der Staatsherrschaft 381. Ferner soll sie garantieren, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von denjenigen Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen 382 . Allerdings ist das Prinzip der Gewaltenteilung im Grundgesetz nicht in reiner Form verwirklicht, sondern es bestehen zahlreiche Gewaltenverschränkungen und -balancierungen 383. Denn die Verfassung fordert nicht eine absolute Trennung, sondern die gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten 384. Die von der Verfassung vorgenommene Verteilung der Gewichte zwischen den drei Gewalten muss jedoch gewahrt bleiben, insbesondere darf keine Gewalt ein vom Grundgesetz nicht vorgesehenes Übergewicht über eine andere Gewalt 381 382 383 384

Ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 3, 225 (247). BVerfGE 68, 1 (86). BVerfGE, 95, 1 (15). BVerfGE 95, 1 (15).

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erhalten. Nach der sog. Kernbereichslehre des Bundesverfassungsgerichts 385 ist dabei der Kernbereich der verschiedenen Gewalten unveränderlich geschützt, das heißt keine Gewalt darf der für die Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben erforderlichen Zuständigkeiten beraubt werden 386. So zählt zur verfassungsrechtlichen Kernaufgabe des Parlaments, formelle Gesetze zu verabschieden, wofür es die demokratische Legitimation besitzt 387. Ein Eingriff in den Kernbereich der Gesetzgebung kann jedoch nach der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung nur äußerst selten angenommen werden 388. So gilt beispielsweise die richterliche Rechtsfortbildung so lange nicht als Eingriff in den Kernbereich der Legislative, als dass sich die Gerichte nicht vom Ziel und Zweck des Gesetzes entfernen 389. Zur verfassungsrechtlichen Aufgabe der Exekutive gehört der Vollzug von Gesetzen im Einzelfall 390. Der Exekutive wird dabeiein Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung eingeräumt, der einen vom Parlament grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt 391. Dazu zählt zum Beispiel die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht 392. Die Kontrollkompetenz der Legislative erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge und enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen. Aber selbst bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle denkbar, in denen die Regierung nicht verpflichtet ist, Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen. 385 Der Kernbereichslehre wird teilweise vorgeworfen, sie berge die Gefahr, das Gewaltenteilungsprinzip mit Ordnungsvorstellungen aufzuladen, die in der Verfassung keine Grundlage finden. Zudem könne sich ein Konflikt mit dem Demokratieprinzip ergeben, da das Parlament als einziges unmittelbar demokratisch legitimiertes Staatsorgan eine umfassende Kontrollbefugnis haben müsse. Vgl. zur Kritik an der Lehre vom Kernbereich auch Baer, Der Staat 40 (2001), S. 525 ff.; Horn, AöR 127 (2002), S. 427 (438 ff.). 386 Ständige Rechtsprechung des BVerfG. Vgl. BVerfGE 9, 268 (279 f.); 22, 106 (111); 34, 52 (59); 95, 1 (15). 387 BVerfGE 34, 52 (59); 49, 89 (124 ff.); 68, 1 (87). 388 So wurde von einer Mindermeinung innerhalb des BVerfG teilweise ein Eingriff in den Bereich der Gesetzgebung angenommen. Vgl. die abweichende Meinung der Richter Klein / Kirchhof / Winter, in: BVerfGE 92, 277 (341 ff.); abweichende Meinung des Richters Böckenförde, in BVerfGE: 93, 121 (149, 151 f., 157); abweichende Meinung der Richter Broß / Osterloh / Gerhardt, in: BVerfGE 109, 190 (244 ff.). 389 BVerfG NJW 2000, S. 3635 (3636); BVerfGE 96, 375 (394). 390 BVerfGE 83, 60 (72); 93, 37 (67). 391 BVerfGE 67, 100 (139). 392 BVerfGE 67, 100 (139).

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2. Stellung des Rechnungshofes im Verfassungsgefüge Die Stellung des Bundesrechnungshofes in der Gewaltenordnung des Grundgesetzes ist bis heute umstritten. Ältere Auffassungen 393 sahen den Rechnungshof teilweise als ein besonderes Organ der Rechtsprechung, als Teil der Exekutive 394 oder sogar Legislative 395. Heute herrschend ist die Ansicht 396, der Rechnungshof stehe außerhalb der klassischen Gewalten. Er stehe in gleicher Distanz zu Parlament und Regierung und nehme eine Mittlerstellung ein, die nicht mehr in die klassische Gewaltenordnung eingebaut sei, sondern ein Gegengewicht zum parlamentarischen Regierungssystem darstelle und sich in den Dienst der „checks and balances of power“ stelle. Die genaue Einordnung kann aber für die hier behandelte Streitfrage dahinstehen, wenn der Rechnungshof und dessen Präsident mit ihrer Beratungstätigkeit ohnehin nicht in den Kernbereich einer Staatsgewalt eingriffen. 3. Beratungsfunktion der Finanzkontrolle und unzulässige Eingriffe in Kernbereiche staatlicher Gewalt Der Rechnungshof und BWV könnten durch ihre Beratungstätigkeiten möglicherweise unzulässig in den Kernbereich von Exekutive oder Legislative eingreifen, da die mit der Beratung verbundenen Empfehlungen so weit in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen eingreifen, dass Regierung, Verwaltung und Parlament nicht mehr frei in ihren Abstimmungsprozessen und in ihrer Willensbildung sind. Die Zuständigkeiten der Gewalten sind dabei umso mehr berührt, desto stärker der BWV und Bundesrechnungshof eine politische 393 Beckensträter, Stellung der Rechnungshöfe, S. 191; Vialon, in: Kommentar zur RHO, S. 1090. 394 Dahlgrün, Die staatliche Finanzkontrolle, in: Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer (Hrsg.), Staats- und verwaltungswissenschaftliche Beiträge, S. 227 (231); Huber, Die institutionelle Verfassungsgarantie der Rechnungsprüfung, in: FS Arthur Niekisch, S. 331 (336). 395 Bank, DÖV 1962, S. 526 (528). 396 von Arnim, in: von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 39 (48); Blasius, JZ 1990, S. 954 ff.; Butzer, in: Epping / Hillgruber, Art. 114 Rn. 13; Eickenbohm/ Heuer, DÖV 1985, S. 997 (1000); Kisker, NJW 1983, S. 2167 (2170); Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 181; Lange, Verfassungsrechtliche Probleme im Zusammenhang mit der Rechnungsprüfung und dem Rechnungshof, S. 201; Rischer, Finanzkontrolle staatlichen Handelns, S.123; Schäfer, Stellung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, in: FS Schäfer, S. 147 (152); Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 448; Waechter, Demokratische Legitimation im parlamentarischen Regierungssystem, S. 241; Zavelberg, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer (1989), S. 43 (64).

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Kontrolle und Beratung ausüben und mittelbar an politischen Entscheidungen mitwirken. a) Politische Finanzkontrolle Schwierig gestaltet sich schon die Begriffsbestimmung, was politisch und was apolitisch ist. So lässt sich Recht nicht von Politik trennen, da jedes Gesetz von der politischen Parlamentsmehrheit verabschiedet wird. Da das Recht wiederum maßgeblich die Gesellschaftsordnung mitbestimmt, gibt es kaum gänzlich apolitische Räume. Erst recht kann keine staatliche Institution in einem politikfreien Raum agieren. Dies gilt auch für die Rechnungshöfe, die durch ihre Kontrolle der Staatsfinanzen einen zentralen Nerv des Staates berühren. Bei der Diskussion um den politischen Rechnungshof geht es jedoch insbesondere um die Frage, inwieweit er sich politischer Zielvorgaben und Richtungsentscheidungen annehmen darf. Seit Langem benutzt der Bundesrechnungshof in seinen Bemerkungen 397 die Formel, dass er politische Entscheidungen innerhalb des geltenden Rechts nicht beurteile. Mit § 53 Abs. 2 S. 2 Abgeordnetengesetz des Bundes (AbgG Bund) 398 hat der Gesetzgeber beispielsweise für die Rechnungsprüfung der Fraktionen dem Bundesrechnungshof ausdrücklich die Befugnis genommen, die politische Erforderlichkeit einer Maßnahme der Fraktion zu prüfen. Bei dieser Beschränkung handelt es sich allerdings nicht, wie in der Literatur teilweise vertreten wird 399, um die einfachgesetzliche Normierung der verfassungsrechtlichen Schranke der „Freiheit des Mandats“ nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG. Die Rechnungsprüfung entfaltet keinerlei imperativen Charakter und daher ist auch der Schutzbereich von Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nicht beeinträchtigt. Bei der Normierung des § 53 Abs. 2 AbgG Bund handelt es sich vielmehr – wie bei den Prüfungsmaßstäben in der BHO – um eine einfachgesetzliche Bestimmung der normgeprägten verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Art. 114 GG Abs. 2 GG. Doch noch über die Beurteilung politischer Sachverhalte hinaus geht es, wenn Rechnungshof und BWV durch ihre beratende Tätigkeit selbst in politische Entscheidungen eingebunden sind. Über Zulässigkeit und Grenze der in den politischen Bereich hineinwirkenden Tätigkeit der Finanzkontrolle herrscht in der Literatur Streit.

397

Erstmals verwandt in den Bemerkungen 1979, BT-Drs 8/3238. „Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages“ v. 21. 2. 1996 (BGBl. 1996, I, S. 326). 399 Becker, ZG 1996, S. 261 (268); Braun / Jantsch / Klante, Kommentar zum AbgG, § 53 Rn. 9 ff. 398

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aa) Expansive Auffassung Ein Teil der Literatur hält es grundsätzlich für unproblematisch, wenn die Finanzkontrolle in den politischen Bereich vordringt. Es entspreche nicht der Wirklichkeit, Rechnungshöfe als politisch neutral zu qualifizieren, da es ihre Funktion sei, den Grad an Richtigkeit und Rationalität bei staatlichen Entscheidungen zu erhöhen, was zwangsläufig politische Entscheidungen mit umfasse 400. Eine Grenzziehung in Bezug auf politische Entscheidungen sei kaum möglich, da nicht mit Sicherheit gesagt werden könne, was politisches Ziel und was lediglich Zweckerreichung, Vollzug oder Mitteleinsatz sei 401. Der Rechnungshof sei vom ersten Schritt an politisch, da seine Wirtschaftlichkeitskontrollen einer politischen Kontrolle ähnlich seien 402. Mithilfe von Wirtschaftlichkeitsanalysen und Erfolgskontrollen müsse der Rechnungshof Aufgabenkritik üben und ganze politische Programme ins Visier nehmen 403. Eine Antwort auf das, was wirtschaftlich angemessen sei, lasse sich nicht ohne eine wertende Gewichtung des politisch gesetzten Ziels erreichen 404. Wenn sich die Prüfer einer solchen Gewichtung versagten, weil sie einem Politisierungsvorwurf aus dem Weg gehen wollten, so sei von ihnen, was die Sicherung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit angehe, nicht viel zu erhoffen 405. Es müsse nicht nur an der Effizienz des Rechnungshofes gezweifelt werden, wenn er jegliche politische Entscheidungssphäre respektiere 406, sondern er bleibe außerdem in seiner Anpassungsfähigkeit hinter den Anforderungen moderner, parlamentarisch verfasster Demokratien zurück 407. Das Ergebnis einer strikten Zurückhaltung werde sein, dass er sich zum Schaden des Gemeinwesens in eine Randexistenz manövriere 408 und andere Institutionen wie besondere Kommissionen und Ausschüsse die Beratungsaufgabe wahrnähmen 409. Darüber hinaus lehre auch die Verfassungsgeschichte, dass der Kampf um das Budget eine hochpolitische, vielleicht sogar eine der wichtigsten Angelegenheiten in der parlamentarischen Demokratie war und ist 410. Durch eine konsequente Weiterentwicklung in eine politische Kontrolle werde die Finanzkontrolle ihr Gewicht und Ansehen erhöhen 411. Die Zurückhaltung 400 401 402 403 404 405 406 407 408 409 410 411

Krebs, in: von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 65 (79). Korthals, DÖV 2000, S. 855 (860). Bajohr, in: VerwArch 91 (2000), S. 507 (523 f.). Dieckmann, DÖV 1992, S. 893 (898). Kisker, NJW 1983, S. 2167 (2168). Kisker, NJW 1983, S. 2167 (2168). Kisker, NJW 1983, S. 2167(2168). Bajohr, in: VerwArch 91 (2000), S. 507 (531). Bajohr, in: VerwArch 91 (2000), S. 507 (539). Bajohr, in: VerwArch 91 (2000), S. 507 (538.) Schäfer, in: FS Schäfer (1975), S. 147 (167). Schäfer, in: FS Schäfer (1975), S. 147 (167).

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

des Rechnungshofes bei Bewertungen im Graubereich zwischen Recht und Politik sei nicht nur ohne Grund, sondern sie stehe sogar im Widerspruch zu dem Beratungsauftrag, der den Rechnungshöfen erteilt sei 412. Der verfassungsrechtliche Auftrag zur Wirtschaftlichkeitskontrolle zwinge den Rechnungshof dazu, bei seiner Tätigkeit keinen Aspekt des staatlichen Handelns diesen Maßstäben zu entziehen 413. Sofern die Rechnungshöfe einen rationalen Beitrag zur Diskussion leisteten, sei es ihnen nicht verwehrt, zu aktuellen politischen Themen Stellung zu nehmen 414. So könnten sie sich beispielsweise jederzeit zu Entstaatlichungsdiskussionen äußern, wenn entsprechende Prüfungserfahrungen vorlägen 415. Es müsse endlich mit dem Tabu gebrochen werden, dass der Rechnungshof wegen einer befürchteten Einmischung in die Politik keine generellen Vorschläge für die zukünftige Gestaltung der Verwaltung abgeben dürfe 416. Vielmehr sei es notwendig, dass die Rechnungshöfe ihre Vorstellungen von Reformen in die Diskussion einbrächten, da oftmals weder die Politik noch die Verwaltung allein die Kraft habe, Veränderungsprozesse aufzugreifen 417. Es müsse zulässig sein, wenn der Rechnungshof Subventionen in Frage stelle oder beispielsweise bemängele, eine wirksame Verfolgung von Umweltdelikten sei durch die unzulängliche Fassung von Straftatbeständen beeinträchtigt 418. Im Gegensatz zu den Parlamentariern liefen die Finanzkontrolleure zudem nicht Gefahr, dass sie bei unpopulären Vorschlägen die politische Unterstützung in der eigenen Partei oder von Gruppen und Verbänden verlören 419. Des Weiteren wird argumentiert, es sei ein Defizit, wenn der Rechnungshof sich auf den Haushalts- und Gesetzesvollzug konzentriere, obwohl die eigentliche Fehlentwicklung häufig schon bei der Gestaltung von Haushalt und Gesetz selbst beginne 420. Daher solle sich der Rechnungshof von seiner „Politikfurcht“ lösen und seine Arbeit schon bei der Vorbereitung von Gesetzen 421 sowie im Planungsstadium aufnehmen 422. Zukunftsorientierte Finanzkontrolle habe nicht nur die Aufgabe einer Haushaltsvollzugskontrolle, sondern auch diejenige einer Haushaltsgestaltungshilfe 423. Bedenken gegen die beratende Einbeziehung 412

Kisker, in: von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 195 (212). Müller, DVBl. 1994, S. 1276 (1278). 414 Krebs, in: von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 65 (79). 415 Krebs, in: von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 65 (79). 416 Dieckmann, DÖV 1992, S. 893 (897). 417 Dieckmann, DÖV 1992, S. 893 (897). 418 Dieckmann, in: Engelhardt / Schulze (Hrsg.), Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel, S. 43 (52). 419 Jakobs-Woltering, NVwZ 1995, S. 561 (562). 420 von Arnim, DVBl. 1983, S. 664 (666). 421 von Arnim, DVBl. 1983, S. 664 (667); Fricke, DÖV 2008, S. 226 (233). 422 Dieckmann, DÖV 1992, S. 893 (894). 413

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der Rechnungshöfe in den Entstehungsprozess finanzwirksamer Gesetzgebungsund Verwaltungsmaßnahmen bestünden nicht, da die Verantwortung stets bei denjenigen Gesetzgebungs- und Verwaltungsorganen verbliebe, die eine Entscheidung träfen 424. Die Finanzkontrolle sei „das letzte Bollwerk gegen ein mehr oder weniger tollwütig gewordenes Parlament bei der Aufgabenwirtschaft“ 425, und durch eine rechtzeitige Haushaltskontrollfunktion könnten die Rechnungshöfe finanziellen Schaden vom Land abwenden 426. Wenn sich sogar teilweise Abgeordnete beschwerten, dass ein kleiner Kreis von vielleicht fünf oder sechs Leuten ein Millionenprogramm beschließe und der Rest der Abgeordneten nur noch abstimme, so müsse dieser Missstand beseitigt und mehr getan werden als „die schlappe Erwähnung“ der Aufgaben des Rechnungshofes in Art. 114 GG 427. Zurückgewiesen wird von der expansiven Auffassung der Einwand, die beratende Tätigkeit des Rechnungshofes sei ein verfassungsrechtlich unzulässiger Eingriff in den Bereich der Exekutive. Die Äußerungen des Rechnungshofes seien unverbindliche Vorschläge, die das Verwaltungshandeln nur mittelbar bestimmen könnten 428. Wer eine Einschränkung des Rechnungshofes bei seiner Beratungstätigkeit analog des „self-restraints“ des Bundesverfassungsgerichts fordere, der verkenne, dass die Rechnungshöfe keine eigene Entscheidungskompetenz besäßen 429. Zwar folgten die Verwaltungsbehörden häufig den beratenden Empfehlungen des Rechnungshofes, aber in rechtlicher Hinsicht bleibe es dabei, dass die Verwaltung an die Äußerung des Rechnungshofes nicht gebunden sei 430 und dass die Beratungsempfänger die Äußerungen des Rechnungshofes schlicht ignorieren könnten 431. Allerdings müssten sich die beratenden Stellen mit dem Urteil des Rechnungshofes auseinandersetzen und würden so zugleich zur Rechtfertigung ihrer Entscheidung veranlasst 432. Falls zum Beispiel der Rechnungshof im Rahmen einer Erfolgskontrolle zu dem Ergebnis komme, das ursprünglich gesetzte Ziel müsse unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit politisch neu 423

Korthals, DÖV 2000, S. 855 (861). Vgl. den Diskussionsbeitrag von Magiera, in: von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 97 (97). 425 Vgl. den Diskussionsbeitrag von Feit, in: von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 94 (94). 426 Schröder, in: von Arnim / Lüder (Hrsg.), Wirtschaftlichkeit in Staat und Verwaltung, S. 293 (297). 427 Vgl. den Diskussionsbeitrag von Feit, in: von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 94 (94). 428 Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 123. 429 Dieckmann, in: Engelhardt / Schulze (Hrsg.), Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel, S. 43 (51). 430 Grupp, NWVBl. 1992, S. 265 (268). 431 Kisker, in: von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 195 (217). 432 Bertrams, NWVBl. 1999, S. 1 (5). 424

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

überdacht werden, dann werde lediglich die Selbstkontrolle von Legislative und Exekutive erleichtert 433. Mache der Rechnungshof auf Programmfolgen und Kosten aufmerksam, so sei dies als Hilfestellung für Politiker gedacht, deren eigener Wissensstand in einem Sachgebiet oftmals nicht ausreiche; die politische Entscheidung jedoch bleibe vollkommen unangetastet 434. Auch wenn die Beratung des Rechnungshofes teilweise wegen ihrer faktischen Wirkung einer dienstlichen Anweisung gleichkomme, so bleibe die Verantwortlichkeit der zuständigen Regierung beziehungsweise ihrer Minister gewahrt, soweit der Beratene über die Annahme oder Zurückweisung des Rates eigenverantwortlich entscheiden könne 435. Wenn sich die Verwaltung nach den Empfehlungen des Rechnungshofes richte und sich damit nicht dem Parlament, sondern dem Rechnungshof gegenüber verantwortlich fühlt, so sei dies kein verfassungswidriges Handeln des Rechnungshofes, sondern höchstens ein verfassungswidriges Handeln der Verwaltung 436. Andere Stimmen in der Literatur 437 gehen jedoch einen Schritt weiter und fordern den Ausbau der Kompetenzen des Rechnungshofes in Richtung von Zustimmungsvorbehalten und Vetorechten. So wird die Einführung von Zustimmungsvorbehalten für den Rechnungshof gefordert, die in Fällen Anwendung finden könnten, in denen die Politik die Staatsverschuldung oder Staatsquote anheben wolle oder eine Steigerung der Zahl von öffentlichen Bediensteten anstrebe 438. Die Einführung von Zustimmungsvorbehalten erfordere aber eine Verfassungsänderung, da aus Art. 114 Abs. 2 S. 3 GG eine solche Befugnis des Rechnungshofes nicht abgeleitet werden könne 439. Es könne auch darüber nachgedacht werden, den Rechnungshöfen Exekutivrechte zu geben, wie sie etwa Rechnungshöfen in anderen Staaten eingeräumt sind 440. Hierzu zählten Durchsetzungs- und Eingriffsbefugnisse, die es dem Rechnungshof erlauben – wie es auch in anderen Ländern üblich sei – Regierungs- und Verwaltungsentscheidungen unmittelbar aufzuheben, abzuändern oder gar zu ersetzen 441. Darüber hinaus kämen auch Vetorechte für den Rechnungshof in Betracht. Zum Beispiel könnte dem Rechnungshof bei bestimmten finanzwirksamen Maßnahmen einer Behörde ein Vetorecht mit aufschiebender Wirkung zugestanden werden 442; 433 434 435 436 437 438 439 440 441 442

Jakobs-Woltering, NVwZ 1995, S. 561 (562). Jakobs-Woltering, NVwZ 1995, S. 561 (562). Kirchhof, NVwZ 1983, S. 505 (515). Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 124. Kisker, NJW 1983, S. 2167 ff.; Korthals, DÖV 2002, S. 600 ff. Kisker, NJW 1983, S. 2167 (2171). Kisker, NJW 1983, S. 2167 (2171). Korthals, DÖV 2002, S. 600 (605). Korthals, DÖV 2002, S. 600 (605). Korthals, DÖV 2002, S. 600 (606).

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dieses Veto erzwinge dann eine nochmalige parlamentarische Beratung der umstrittenen Maßnahme 443. Denkbar sei es auch, dem Rechnungshof das gleiche Vetorecht einzuräumen, das dem Bundesfinanzminister nach § 28 Abs. 2 S. 2 BHO zusteht 444. Nach dieser Vorschrift kann der Bundesfinanzminister während des Haushaltsaufstellungsverfahrens Widerspruch einlegen, falls eine Entscheidung der Bundesregierung über Angelegenheiten von grundsätzlicher oder erheblicher finanzieller Bedeutung gegen oder ohne die Stimme des Bundesfinanzministers ergangen ist. Solche Vetorechte des Rechnungshofes seien verfassungsrechtlich zulässig 445. Die Rechtsordnung kenne zahlreiche gegenseitige Überschneidungen und Kontrollbefugnisse der Staatsgewalten und Verfassungsorgane untereinander 446. Sich überschneidende Kompetenzen seien nicht systemwidrig, sondern systemimmanent, solange die Balance zwischen den Gewalten nicht aus dem Gleichgewicht gerate 447. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit gelte umso stärker, wenn es sich um abgeschwächte Widerspruchsrechte mit suspendierender Wirkung handele. Solange Regierung und Verwaltung nicht in ihrer Handlungsfähigkeit und Verantwortung eingeschränkt seien, sondern die ersthöhere exekutive Instanz nach der Prüfung der Bedenken des Rechnungshofes endgültig entscheide, seien die Verantwortlichkeiten der Exekutive nicht aufgehoben 448. bb) Restriktive Auffassung Ein großer Teil der Literatur 449 nimmt dagegen eine restriktive Haltung zu der Frage ein, inwieweit die Finanzkontrolle auf politischem Terrain tätig sein darf. Eingewandt wird, dass eine vorgängige oder mitlaufende Kontrolle des Rechnungshofes und damit eine zu frühe Beteiligung einer Mitverantwortlichkeit am exekutiven Geschehen gleichkomme. Hierdurch werde nicht nur der Kompe443

Kisker, NJW 1983, S. 2167 (2171). Korthals, DÖV 2002, S. 600 (606). 445 Kisker, NJW 1983, S. 2167 (2171). 446 Korthals, DÖV 2002, S. 600 (605). 447 Korthals, DÖV 2002, S. 600 (605). 448 Korthals, DÖV 2002, S. 600 (606). 449 Blasius, NWVBl. 1997, S. 367 (370 ff.); Butzer, in: Epping / Hillgruber, Art. 114 Rn. 15; Carl, JA 1991, S. 126 (127); Dahm, Das neue Steuerungsmodell, S. 286; Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 190 (211); Engelhardt / Hegemann, in: Engelhardt/ Schulze / Thieme (Hrsg.), Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel, S. 15 (24); Gröpl, in: Isensee / Kirchhof, HStR Bd. V, § 121 Rn. 49; Heintzen, in: von Münch / Kunig, Art. 114 Rn. 5, 22; Heuer, in: von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 95 (96); Holtmann, ZParl 2000, S. 116 ff.; Kube, in: Maunz / Dürig, Art. 114 Rn. 102; Löwer, NWVBl. 2009, S. 125 (131); Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195 (250); Siekmann, in: Sachs, Art. 114 Rn. 28; Sigg, Stellung der Rechnungshöfe, S. 54; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 431; Tiemann, Stellung der Finanzkontrolle, S. 112. 444

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tenzbereich der Regierung vorzeitig geschmälert 450, sondern die Exekutive wälze ihre Verantwortung auf den Rechnungshof ab 451. Der Kernbereich der Regierung sichere ihre Entscheidungsunabhängigkeit gegen eine verfrühte Einflussnahme der Rechnungshöfe 452. Es dürfe keinesfalls zu dem Zustand kommen, dass die Rechnungshöfe bei allen finanziell gewichtigen Vorhaben und Maßnahmen der Regierung mit am Tisch säßen 453. Daher sei es auch problematisch, wenn Vertreter des Bundesrechnungshofes an den Gesprächen zwischen Berichterstattern des Haushaltsausschusses des Bundestages, Vertretern des Bundesfinanzministerium und des jeweiligen Fachressorts im Rahmen der Aufstellung des Bundeshaushaltes gem. § 27 Abs. 2 BHO beteiligt seien 454. Eine Beratung des Rechnungshofes im Gesetzgebungsverfahren lasse sich nicht widerspruchsfrei mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz vereinbaren, dass der Rechnungshof erst nach abgeschlossenen Verwaltungsentscheidungen zu prüfen habe. Insofern ließen sich die Rechnungshöfe bei einer Beratungstätigkeit bereits in die Verantwortung nehmen, worunter eine spätere, distanzierte Prüfung leide 455. Rechtspolitische Vorschläge, die dem Rechnungshof exekutive Rechte zuweisen wollen, verfehlten den Charakter der Rechnungshöfe und schwächten ihre Unabhängigkeit, Innovationsfreiheit und die Auskunftsfreudigkeit der geprüften Stellen 456. Zudem könne die Glaubwürdigkeit der Finanzkontrolle Schaden nehmen, wenn die Rechnungshöfe sich allzu sehr in das politische Tagesgeschäft einmischten 457. Keinesfalls dürfe es beim Rechnungshof zu einer Lage wie beim Bundesverfassungsgericht kommen, das heutzutage eine politische Institution sei, die unmittelbar politische Entscheidung treffen könne 458. Die Rechnungshöfe bereiteten politische Entscheidungen allenfalls vor, aber die letzte Entscheidungsgewalt müsse bei Parlament und Regierung verbleiben 459. Wenn sich der Rechnungshof zu sehr in exekutives und legislatives Handeln hineinziehen lasse, so verliere er seine neutrale Distanz zur unmittelbaren poli450

Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 431. Carl, JA 1991, S. 126 (127). 452 Löwer, NWVBl. 2009, S. 125 (131). Nicht ganz stringent erscheint es, wenn Löwer später davon spricht, Kontrolle müsse im Interesse ihrer Präventionswirkung zeitnah einsetzen. 453 Carl, JA 1991, S. 126 (127). 454 Heintzen, in: von Münch / Kunig, Art. 114 Rn. 22; auf dieses Problem verwies Heintzen in der Vorauflage (5. Auflage 2003) noch nicht. 455 Vgl. den Diskussionsbeitrag von Lange, in: von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 95 (96). 456 Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231, 270. 457 Heuer, in: von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 95 (96). 458 Rundel, in: von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 151 (162). Vgl. zu diesem Problem jüngst Störring, Das Untermaßverbot in der Diskussion, S. 58 ff. 459 Rundel, in: von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 151 (164). 451

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tischen Gestaltungsebene. Die Einbindung in politische Entscheidungsprozesse läge sowohl außerhalb seines Amtes als auch seines Vermögens 460. Es könne nicht angehen, dass mithilfe des Rechnungshofes politische Auseinandersetzungen geführt und bestanden werden können 461. Eine zu tiefe Verflechtung mit der Politik sei ein Rückfall in vorkonstitutionelle Zeiten der Rechnungsprüfung 462. Der Rechnungshof solle nicht einen ständigen Hilfsdienst für Regierung und Parlament ausüben, sondern als Informant der Volksvertretung lediglich gewisse Informationsdefizite beheben 463. Dass in den Rechnungshöfen teilweise eine Tendenz bestehe, sich der Regierung und dem Parlament als ständiger Berater oder gar als Stütze anzudienen, hänge auch damit zusammen, dass viele Rechnungsprüfer lieber Berater als Prüfer seien 464. So müsse der Prüfer dem Klischee standhalten, er sei rückwärtsgewandt, bürokratisch, kleinkariert und engstirnig; der Berater hingegen erstrahle als jung, dynamisch, fortschrittlich, weltoffen und erfolgreich 465. Aber Hauptaufgabe der Finanzkontrolle sei und bleibe nicht die Beratung, sondern das Prüfen, da jede Beratung nach den entsprechenden Gesetzeswortlauten grundsätzlich immer eine Prüfung voraussetze 466. Wer einen Rechnungshof wolle, der statt eines kritisch-konstruktiven Kontrolleurs ein kooperativer Coach ist, der müsse auch die Verfassung in diesem Sinne ändern 467. Politische Bewertungen seien allein dem demokratisch legitimierten Parlament vorbehalten 468. Da der Rechnungshof aber nicht durch demokratische Wahlen legitimiert sei, müsse er politisch enthaltsam und streng sachbezogen arbeiten 469. Das Volk ermächtigte ihre politischen Repräsentanten, und nur diese, dazu, in seinem Sinne Ziele zu setzen und danach zu handeln 470. Ein solches Handeln sei – auch durch den Rechnungshof – nicht überprüfbar 471. So sei beispielsweise ein von der Politik veranlasstes Forschungsprogramm in seiner Zielsetzung, das heißt vor allem in der Höhe der bereitgestellten Gelder, nicht überprüfbar. Der Rechnungshof habe sich darauf zu beschränken zu prüfen, ob Dinge wie Sekretariatsarbeiten oder Reisekosten korrekt seien oder eine wirtschaftlichere Erfüllung 460

Blasius, NWVBl. 1997, S. 367 (372). Blasius, NWVBl. 1997, S. 367 (372). 462 Blasius, NWVBl. 1997, S. 367 (372). 463 Blasius, NWVBl. 1997, S. 367 (372). 464 Blasius, NWVBl. 1997, S. 367 (370). 465 Blasius, NWVBl. 1997, S. 367 (370). 466 Blasius, NWVBl. 1997, S. 367 (368). 467 Blasius, NWVBl. 1997, S. 367 (372). 468 Dahm, Das neue Steuerungsmodell, S. 286. 469 Dahm, Das neue Steuerungsmodell, S. 286. 470 Engelhardt / Hegemann, in: Engelhardt / Schulze / Thieme (Hrsg.), Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel, S. 15 (24). 471 Engelhardt / Hegemann, in: Engelhardt / Schulze / Thieme (Hrsg.), Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel, S. 15 (24). 461

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

möglich gewesen wäre 472. Gäbe der Rechnungshof im Rahmen seiner Beratungsaufgabe Empfehlungen, deren Inhalt je nach politischer Couleur unterschiedlich bewertet werden könnten, so verlöre er schnell sein Prestige als neutraler Experte 473. Die stille Expansion des Rechnungshofes zu einem politisch mitgestaltenden Faktor, der sich in Prozesse der Gesetzgebung einschalte, verschiebe die Gewichte im System der Gewaltenteilung und werfe grundsätzliche Verfassungsprobleme auf 474. Das Einbringen des Rechnungshofes in die laufende parlamentarische Budgetberatung mit eigenen, öffentlichen und politisch wertenden Kommentaren zur Haushaltsplanung stelle eine neue Qualität in der historisch gewachsenen Tätigkeit der Rechnungshöfe dar 475. Sie nähmen mit dieser Form der generellen Richtungsvorgaben eine Dimension ein, die einer politischen Parlamentskritik und außergerichtlichen Normenkontrolle nahekomme. So liege beispielsweise die Entscheidung und Erwägung, ob eine ausgabenintensive Haushaltspolitik verfolgt werden soll, in der alleinigen Verantwortung der gestaltenden Politik 476. Wenn der Rechnungshof sich in diese Gebiete einmische, dann werde er zu einer selbst ernannten Nebenopposition 477 und wirke in ureigene Zuständigkeiten von Exekutive und Legislative, also in deren politischen Kernbereich hinein 478. Als besondere Ausprägung der exekutiven Eigenverantwortung, die vom Rechnungshof nicht beeinträchtigt werden dürfe, wird in Teilen der Literatur 479 die Ressortverantwortlichkeit des jeweiligen Bundesministers nach Art. 65 S. 2 GG vorgebracht. Ein Mitwirkungsrecht bei laufenden Verwaltungsangelegenheiten verstoße gegen die Ressortverantwortlichkeit gem. Art. 65 S. 2 GG, da der Minister in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt werde 480. Die mit der Selbstständigkeit korrespondierende Verantwortung gegenüber dem Bundeskanzler könne ein Bundesminister nur tragen, wenn er selbst entscheidungsbefugt sei und nicht durch die planende Überwachung des Rechnungshofes beeinflusst werde 481.

472

Engelhardt / Hegemann, in: Engelhardt / Schulze / Thieme (Hrsg.), Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel, S. 15 (24 f.). 473 Engelhardt / Hegemann, in: Engelhardt / Schulze / Thieme (Hrsg.), Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel, S. 15 (28). 474 Holtmann, ZParl 2000, S. 116 (116). 475 Holtmann, ZParl 2000, S. 116 (116). 476 Holtmann, ZParl 2000, S. 116 (127). 477 Holtmann, ZParl 2000, S. 116 (127). 478 Holtmann, ZParl 2000, S. 116 (119). 479 Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art. 65 Rn. 45; Klein, DÖV 1961, S. 805 (809); Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195 (247 f.). 480 Klein, DÖV 1961, S. 805 (809).

§ 2 Unter neuen Rechtsgrundlagen nach der Finanzrechtsreform 1970

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b) Stellungnahme Bei der Diskussion um die politische Finanzkontrolle muss zunächst die Tatsache zur Kenntnis genommen werden, dass politische Äußerungen des Rechnungshofes und des BWV an der Tagesordnung sind. Beide Instanzen bewerten durch ihre beratende Tätigkeit politische Sachverhalte und verbinden sie in der Regel mit entsprechenden Empfehlungen. Dies gilt umso mehr, da die Empfehlungen heutzutage fast ausschließlich laufende Sachverhalte betreffen, bei denen eine Entscheidung noch aussteht. Die Beratungsfunktion kann also schon naturgemäß politisch nicht neutral sein. In gewissem Umfang ist die beratende Tätigkeit dem Bundesrechnungshof im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung im Sinne des Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG bereits verfassungsrechtlich garantiert 482. Hieraus darf jedoch nicht gefolgert werden, dass jede Bewegung des Rechnungshofes auf politischem Terrain verfassungsrechtlich zulässig ist. Dem Gesetzgeber steht es offen, die Tätigkeiten des Bundesrechnungshofes einfachgesetzlich zu beschränken, solange die Gewährleistungen des Art. 114 Abs. 2 GG nicht ausgehöhlt werden. Die normgeprägte Gewährleistung verlangt sogar eine genauere einfachgesetzliche Determination. So ist es etwa verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn dem Bundesrechnungshof gem. § 53 Abs. 2 S. 2 AbgG Bund die Rechnungsprüfung bei den Fraktionen unter dem Aspekt der politischen Erforderlichkeit einer Maßnahme entzogen ist. Die Gewährleistungen des Art. 114 Abs. 2 GG – insbesondere die Wirtschaftlichkeitsprüfung – umfassen nicht zwingend eine Prüfung von politischen Zwecksetzungen. Nicht mit der Verfassung vereinbar wären dagegen einfachgesetzliche Vorschriften, die es dem Bundesrechnungshof unter dem Hinweis einer nicht erlaubten politischen Stellungnahme generell verbieten würden, Vorschläge oder Empfehlungen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in seinen Berichten auszusprechen. Auf der anderen Seite dürfen der Bundesrechnungshof und sein Präsident durch ihre beratende Tätigkeit nicht unzulässig in Kernbereiche staatlicher Gewalt eingreifen. Wann die Verletzung des Kernbereichs einer Staatsgewalt angenommen werden kann, richtet sich nach der Eindringtiefe in die verfassungsrechtlich geschützte Sphäre einer Gewalt. Die Eindringtiefe ist umso stärker, desto mehr eine Gewalt durch die Tätigkeit des Rechnungshofes und seines Präsidenten in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkt wird. Richtet man den Blick zunächst auf die derweil ausgeübten Beratungsformen des Bundesrechnungshofes und des BWV, so ist ihnen allen gemeinsam, dass sie in der Regel Empfehlungen an die Beratungsempfänger beinhalten. 481

So noch Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art. 65 Rn. 45, 11. Auflage 2008; in der 12. Auflage 2011 hat Brockmeyer seine Kritik allerdings deutlich verkürzt und abgemildert. 482 Vgl. dazu oben S. 172.

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

Das gilt für die Prüfungsmitteilungen, die sog. 88er- und 99er-Berichte an den Bundestag ebenso wie für die Änderungsvorschläge im Rahmen der jährlichen Bemerkungen und die Empfehlungen des BWV in Gutachten und gutachtlichen Stellungnahmen. Zweifelsohne spielt die Meinung des Rechnungshofes und des BWV im Willensbildungsprozess auf legislativer und exekutiver Ebene eine Rolle und kann von Befürwortern oder Gegnern als gewichtiges Argument angeführt werden. Wie der Blick in die Geschichte lehrt, geraten der Rechnungshof und insbesondere sein Präsident bei ihrer Beratungstätigkeit zwischen die politischen Fronten. Doch ginge es zu weit, hieraus eine faktische Bindungswirkung der Legislative oder Exekutive abzuleiten: Die Handlungsweise der Organe wird möglicherweise durch die Beratungstätigkeit beeinflusst, aber ihre Handlungsfreiheit bleibt unvermindert bestehen. Daher ist der expansiven Auffassung darin zuzustimmen, dass die Empfehlungen des Rechnungshofes und des BWV nichts daran ändern, dass die endgültige Entscheidung bei den zuständigen Gewalten verbleibt. Die beratende Funktion des Rechnungshofes ist nur ein Faktor im Meinungsbildungsprozess von Regierung, Verwaltung und Parlament. Der Staat ist auf Beratung angewiesen, da er unzählige Sachverhalte erfassen, bewerten und regulieren muss 483. Hierzu bedarf es immer auch den Rückgriff auf Experten mit Sachverstand im Detail. Beratung kann dabei intern, also durch die Verwaltung selbst, oder extern, also durch private Unternehmensberatungen, Sachverständige oder eben auch Rechnungshöfe erfolgen. So lässt sich die Bundesregierung in wirtschaftspolitischen Fragen beispielsweise seit 1963 von einem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung beraten 484. Dieser Rat wird im Schrifttum allgemein als verfassungsrechtlich zulässig betrachtet 485, da durch ihn kein ministerialfreier Raum mit exekutiven Befugnissen geschaffen wurde. Man mag darüber streiten, ob in den vergangenen Jahren die externe Beratung bei der Regierungstätigkeit ein zu hohes Gewicht erhalten hat, aber das Verantwortungsprinzip wird dadurch nicht verschoben. Bei allen faktischen Wirkungen, die durch die Beratungstätigkeit entstehen, bleibt in der parlamentarischen Demokratie immer derjenige verantwortlich, der letztlich die Entscheidung fällt; sei es das Parlament oder die Regierung. Sie können nicht damit überzeugen, nur auf Empfehlungen von Beratern oder Sachverständigen gehandelt zu haben. Dies ist nicht nur eine theoretische Überlegung, sondern wird auch vom Souverän so wahrgenommen, der bei Wahlen Entscheidungen über die vergangene und zukünftige Politik herbeiführt. Das Volk rechnet die politische Handlung 483 Vgl. zur sachverständigen Beratung des Staates im Überblick Voßkuhle, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. III, § 43 Rn. 1 ff. 484 „Gesetz zur Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ v. 14. 8. 1963 (BGBl., III, S. 700 –2). Vgl. zum Sachverständigenrat auch Strätling, in: Falk (Hrsg.), Handbuch Politikberatung, S. 353 ff. 485 Brohm, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. II, § 36 Rn. 29 m.w. N.

§ 2 Unter neuen Rechtsgrundlagen nach der Finanzrechtsreform 1970

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der Parlamentsmehrheit und Regierung zu und ist auch wenig tröstlich, wenn die Verantwortlichen auf Grundlage der Erkenntnisse von Experten gehandelt haben. Erinnert sei hier nur an das Beispiel der Umsetzung der arbeitsmarktpolitischen Reformvorschläge, der sog. „Hartz-Kommission“, durch die damalige Bundesregierung 486. Der Widerstand gegen diese Gesetzgebung hat maßgeblich zur negativen Vertrauensfrage von Bundeskanzler Schröder im Jahr 2005 beigetragen 487. Die repräsentative Demokratie erfüllt also insgesamt die an sie gestellten Erwartungen 488. Insgesamt sind die Erfahrungen, die der Rechnungshof bei seinen Prüfungen sammelt, ein unverzichtbarer Schatz für zukunftsgerichtete Empfehlungen. Wenn er oder der BWV seinen Sachverstand in der Form der Beratung einbringt, so ist er zwar eine Hilfestellung für Parlament und Verwaltung in der politischen Diskussion, aber ein Eingriff in den Kernbereich dieser Gewalten muss verneint werden. Vielmehr trägt die Finanzkontrolle zur Hemmung, Kontrolle und Mäßigung der Gewalten bei. Eine andere Bewertung ergibt sich freilich, wenn der Rechnungshof weitergehende Rechte wie Zustimmungsvorbehalte oder Vetorechte erhielte. Durch diese exekutiven Rechte würde die Handlungsfreiheit von Exekutive und Legislative deutlich eingeschränkt. Wenn die Verwaltung Auszahlungen von der Zustimmung des Rechnungshof abhängig machen müsste, Vorschriften nach einem Veto des Rechnungshofes nicht in Kraft treten könnten oder das Parlament vom Rechnungshof gezwungen werden könnte, sich mit bestimmten Fragen zu beschäftigen, so würde der Rechnungshof tatsächlich in die Kernbereiche der entsprechenden Gewalten hineinwirken. Eine solche Praxis könnte verfassungsrechtlich nur durch eine Verfassungsänderung legitimiert werden. 486

Die Bundesregierung aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen gab am 22. 2. 2002 einer 15-köpfigen Kommission unter dem Titel „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ den Auftrag, ein Konzept für eine verbesserte Arbeitsvermittlung und effizientere Arbeitsmarktpolitik auszuarbeiten. Die Kommission, die unter der Leitung des Personalvorstandes der Volkswagen AG, Peter Hartz, stand, legte ihren Abschlussbericht im August 2002 vor. Vgl. den vollständigen Bericht der Kommission unter: http://www .bmas.de/DE/Service/Publikationen/moderne-dienstleistungen-am-arbeitsmarkt.html (Stand: 1. 6. 2012). Der damalige Bundeskanzler Schröder führte den Wahlkampf 2002 unter anderem mit der Ankündigung, die Vorschläge der „Hartz-Kommission“ nach der Wahl eins zu eins umzusetzen. Vgl. dazu das Handelsblatt vom 16. 8. 2002 unter: http://www.handelsblatt.com/archiv/schroeder-will-hartz-konzept-1-1-umsetzen;555960 (Stand: 1. 6. 2012). 487 Der Widerstand gegen die sog. „Hartz-Gesetze“ als Bestandteil der sog. „Agenda 2010“ war für Bundeskanzler Schröder ein Grund, die Vertrauensfrage gem. Art. 68 GG im Deutschen Bundestag zu stellen (Vgl. dazu die Rede von Bundeskanzler Schröder auf der 185. Sitzung des Deutschen Bundestag am 1. 7. 2005, BT-Plenarprotokoll 15/185, S. 17456 ff.). 488 Vgl. zur Akzeptanz direkter demokratischer Instrumente jüngst Mehde, NdsVBl. 2012, S. 33 ff.

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3. Teil: Die beratende Funktion der Finanzkontrolle bis zur Gegenwart

Kritisch muss auch gesehen werden, wenn sich der Rechnungshof und sein Präsident vollkommen losgelöst von konkretem Prüfungs- oder Beratungssachverhalten zu richtungspolitischen Fragen und politischen Zwecksetzungen äußert. Sollte sich die Bundesregierung beispielsweise zu Steuersenkungen in größerem Umfang entschließen, da nach ihrem Dafürhalten damit das Wirtschaftswachstum gefördert werden kann, so erscheint es nicht angemessen, dass der Bundesrechnungshof sich ohne Prüfungs- und Beratungsanlass gegen Steuersenkungen ausspricht, da es aus seiner Sicht hierfür finanzwirtschaftlich kein Spielraum besteht. Im Fall einer solchen allgemeinpolitischen Kritik begibt sich der Rechnungshof weit auf das politische Terrain und äußert sich zu politischen Grundsatzentscheidungen, die – auch wenn sie mit guten Argumenten als unvernünftig zurückgewiesen werden können – in der alleinigen Entscheidungskompetenz der Regierung liegen. Zwar gilt auch in diesen Fällen, dass die Handlungsfreiheit von Regierung und Parlament nicht soweit beschränkt wird, dass ein Eingriff in den Kernbereich dieser Gewalten bejaht werden kann. Doch im Interesse seiner Reputation und Einflussmöglichkeiten sowie im Bewusstsein seines verfassungsrechtlichen Mandats, sollten der Rechnungshof und seine Repräsentanten bei allgemeinpolitischen Äußerungen zurückhaltend agieren und stets die Gestaltungsprärogative der Politik respektieren. Es kann bezweifelt werden, ob es der Wirksamkeit der Finanzkontrolle dient, wenn sie in der Hauptsache als Instrument der Opposition wahrgenommen wird. Es ist daher überzeugend, dem Bundesrechnungshof die Restriktion aufzuerlegen, dass er den Weg zur Verwirklichung eines politischen Zwecks beurteilen darf, nicht aber den Zweck als solchen 489. Insoweit die Präsidenten des Bundesrechnungshofes ihre politischen Äußerungen darauf stützen, sie seien in ihrer Funktion als BWV schließlich auch Beauftragter der Bundesregierung und damit politisch freier, so kann dies nur wenig überzeugen. Zum einen greift der BWV bei seiner Tätigkeit vollumfänglich auf das Personal des Bundesrechnungshofes zurück, so dass bei Stellungnahmen des BWV mittelbar immer auch der Bundesrechnungshof als Institution tätig wird. Zum anderen äußert sich der BWV in der Außenwahrnehmung immer als Präsident des Bundesrechnungshofes und nicht als Regierungsbeauftragter. III. Ergebnis Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist dem Bundesrechnungshof eine beratende Funktion bereits verfassungsrechtlich über Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG zugewiesen. Die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes und ihre einfachgesetzliche Ausgestaltung in der Bundeshaushaltsordnung verstößt weder gegen 489

Kube, in: Maunz / Dürig, Art. 114 Rn. 102.

§ 2 Unter neuen Rechtsgrundlagen nach der Finanzrechtsreform 1970

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die Unabhängigkeitsgarantie des Art. 114 Abs. 2 GG noch ist sie als Eingriff in den Kernbereich von Legislative oder Exekutive zu werten. Die Beratungsfunktion des BWV ist aufgrund der drohenden Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Mitglieder des Bundesrechnungshofes verfassungsrechtlich nur so lange zulässig, wie der Präsident den Mitgliedern des Bundesrechnungshofes keinerlei Aufgaben im Namen des BWV verbindlich zuweist.

Vierter Teil

Resümee § 1 Anfänge und Ausbau (1872 bis 1945) Seit der ersten gesetzlichen Normierung der Beratungstätigkeit im Gesetz über die preußische Oberrechenkammer im Jahr 1872 hat sich die Finanzkontrolle stetig weiterentwickelt. Sie löste sich mehr und mehr vom Bild des Prüfers, der nur Belege und Rechnungen „nachrechnet“, und entwickelte sich zu einem Wirtschaftlichkeitsberater von Regierung, Parlament und Verwaltung. Doch wahr ist auch, dass die Idee der beratenden Finanzkontrolle nicht erst aus den Zeiten moderner Begriffe wie Verwaltungscontrolling, Public Private Partnership und New Public Management stammt. Der Ansatz zur beratenden Rolle des Rechnungshofes ist fast so alt wie die staatliche Rechnungsprüfung selbst. Prüfende und beratende Funktion des Rechnungshofes und seines Präsidenten sind schon länger miteinander verbunden als man zunächst vermuten mag. So sollte schon die preußische Oberrechnungskammer nach der königlichen Instruktion von 1824 darauf achten, wo zur Förderung des Staatszwecks Änderungen in der Verwaltung nötig und ratsam sind. Zugleich stattete die Instruktion den Präsidenten der Oberrechnungskammer mit einer Gutachterfunktion aus. Im preußischen Oberrechnungskammergesetz von 1872 wurde die Beratungsfunktion des Rechnungshofes weiter gestärkt. Der Oberrechnungskammer wurde durch § 20 des Oberrechnungskammergesetzes nun noch deutlicher die Aufgabe eines zukunftsgerichteten Beraters der Regierung zugewiesen: Die Kammer sollte ihrem jährlichen Bericht gutachtliche Vorschläge beifügen, ob und wie im Wege der Gesetzgebung das Erreichen von Staatszwecken optimiert werden könne. Ferner wurde in § 12 b) des Oberrechnungskammergesetzes – in Anlehnung an die Instruktion von 1824 – geregelt, dass die Oberrechnungskammer ihre Prüfung auch darauf zu richten habe, ob zur Förderung der Staatszwecke Änderungen in der Verwaltung sinnvoll seien. Das Oberrechnungskammergesetz galt auch nach der Gründung des Deutschen Reiches im Jahr 1872 weiter und wurde erst 1923 durch die Reichshaushaltsordnung abgelöst. Mit der Reichshaushaltsordnung wurden die gesetzlichen Möglichkeiten zur Beratung durch den Rechnungshof nochmals deutlich ausge-

§ 1 Anfänge und Ausbau (1872 bis 1945)

271

baut. Eine wichtige Beratungsnorm wurde § 101 RHO, nach der sich der Rechnungshof auf Ansuchen der Reichsminister oder des Reichstages über Fragen gutachtlich zu äußern hatte, deren Beantwortung für die Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln durch Behörden von Bedeutung war. § 101 RHO in der Fassung von 1923 war wiederum die Vorlage für die von 1950 bis 1970 geltende Beratungsvorschrift des § 8 BRHG und für den seit der Haushaltsrechtsreform 1970 gültigen § 88 Abs. 2 BHO, auf dessen Grundlage der Bundesrechnungshof heutzutage regelmäßig Parlament und Regierung berät. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 4 RHO sollte der Reichsrechnungshof seine Prüfung auch darauf richten, ob auf Einrichtungen oder Personal in der Verwaltung verzichtet werden kann; dieser Norm folgend soll der Bundesrechnungshof gem. § 90 Nr. 4 BHO prüfen, ob die staatliche Aufgabe mit geringerem Personal- oder Sachaufwand oder auf andere Weise wirksamer erfüllt werden kann. Vorschläge, wie Mängel in der Verwaltung beseitigt oder wie Gesetze und Verordnungen geändert werden können, konnte der Reichsrechnungshof der Regierung oder dem Parlament gem. § 109 RHO vorlegen; der Bundesrechnungshof kann solche Berichte für Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat gem. § 99 BHO anfertigen. Allein schon an der Chronik der Vorschriften zeigt sich der rote Faden der beratenden Funktion der Finanzkontrolle. Prüfung und Beratung gehörten – wenn zunächst auch eingeschränkt – schon seit dem 19. Jahrhundert zusammen. Die Beratungsfunktion erhielt allerdings in der Weimarer Republik einen gewaltigen Schub. Dass zu Weimarer Zeiten die Bedeutung der Beratungsfunktion durch den Rechnungshof so enorm gewachsen ist, lag aber in erster Linie nicht an den gesetzlichen Möglichkeiten, sondern war dem Präsidenten des Reichsrechnungshofes Saemisch zu verdanken. Als dieser seitens der Reichsregierung im Jahr 1922 ersucht wurde, eine Sparaktion vorzubereiten, wurde das Tor zur Beratung nur einen Spalt geöffnet. Präsident Saemisch aber stieß es so zielgerichtet auf, dass der als Provisorium gedachte Reichssparkommissar zu einer Dauereinrichtung der Weimarer Republik wurde, dessen Aufgaben 1934 schließlich mit der Zweiten Novelle der Reichshaushaltsordnung in der Präsidialabteilung des Reichsrechnungshofes institutionalisiert wurden. Aufgrund der Personalunion von Reichssparkommissar und Präsident des Reichsrechnungshofes ist das Verhältnis zwischen beiden Einrichtungen von besonderem Interesse. So ging die personelle Verbindung über die Position des Präsidenten hinaus, da regelmäßig auch Beamte des Rechnungshofes für die Tätigkeit im Sparbüro abgestellt wurden 1; eine strikte personelle Trennung gab es mithin nicht. In sachlicher Hinsicht stellte sich die Zuständigkeitsverteilung bis 1934 so dar, dass der Sparkommissar für die Erstellung von Gutachten zuständig war, 1

Vgl. oben S. 43.

272

4. Teil: Resümee

die Vorschläge zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit in der laufenden Verwaltung enthielten. In dieser Funktion beriet er also die Reichsregierung, später auch Länder und Kommunen. Der Reichsrechnungshof hingegen prüfte die Ordnungsmäßigkeit bereits abgeschlossener Tatbestände. Der Rechnungshof schöpfte die ihm durch die Reichshaushaltsordnung eingeräumten Möglichkeiten zur Beratung bis zur Gründung der Präsidialabteilung im Jahr 1934 nicht aus. Der Sparkommissar galt als Berater, der Rechnungshof war der Prüfer. Fuchs 2 führt aus, der Rechnungshof habe sich den Wünschen der Ressorts um Beratung in Form von Gutachten versagt, sodass der Reichssparkommissar eine übergroße Zahl von Gutachten zu erstatten hatte, die ebenso der Reichsrechnungshof hätte bearbeiten können. Allerdings muss die Frage gestellt werden, ob der Rechnungshof sich tatsächlich weigerte, Beratungstätigkeiten zu übernehmen oder ob nicht Präsident Saemisch in seiner Eigenschaft als Reichssparkommissar die Beratungsfunktion so gezielt annahm und ausbaute, dass für den Rechnungshof auf diesem Gebiet kein Raum mehr blieb. So soll Saemisch gern Sachverhalte aufgegriffen haben, die einem Mitglied des Rechnungshofes bei der Prüfung bekannt geworden waren und diese vom Sparbüro weiterverfolgt haben lassen 3. Dommach meint, das Verhältnis von Sparbüro und Reichsrechnungshof sei nicht immer frei von Spannungen gewesen, da es bisweilen zu Konkurrenzsituationen zwischen den beiden Einrichtungen gekommen sei, wer als Erster ein aktuelles Thema behandeln durfte 4. Butzer 5 unterstreicht, die Spannungen seien zudem durch im Persönlichen liegende Dinge, wie beispielsweise Saemischs eher autoritär geprägten Führungsstil, ausgelöst worden. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass Saemisch bei der Zweiten Novelle der Reichshaushaltsordnung im Jahr 1934 eine präsidiale Geschäftsordnung durchsetzte, die das zuvor ausgeprägte Kollegialsystem spürbar schwächte. Mit der Auflösung des Sparbüros und dem Übergang der Aufgaben des Reichssparkommissars auf die Präsidialabteilung im Jahr 1934 erledigte sich die maßgebliche Ursache der Wettbewerbssituation zwischen Rechnungshof und Sparkommissar. Durch die Novelle wurde mit § 19 Abs. 2 RHO auch eine wichtige Beratungsvorschrift neu geschaffen, die es dem Präsidenten des Reichsrechnungshofes ermöglichte, an dem Haushaltsaufstellungsverfahren der Ministerien beteiligt zu werden. Diese Kompetenz hatte bisher nur der Reichssparkommissar nach den Richtlinien von 1926. Ohne die 2

Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, S. 183. Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (98). 4 Dommach, in: FS zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer (1989), S. 65 (86). 5 Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (99). 3

§ 1 Anfänge und Ausbau (1872 bis 1945)

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Tätigkeit des Reichssparkommissars wäre diese Kompetenz wohl nie gesetzlich normiert worden, und so hätte auch der Bundesrechnungshof heute aller Voraussicht nach nicht die Möglichkeit, auf Grundlage des § 27 Abs. 2 BHO an dem Haushaltsaufstellungsverfahren auf Bundesebene beteiligt zu sein. Der Ausbau der beratenden Tätigkeit seit der Weimarer Republik war, wie gezeigt, bei Weitem kein Selbstläufer. Der steinige Weg führte nicht nur, aber vor allem aufgrund Saemischs Wirken, insbesondere seiner Beharrlichkeit, zum Ziel. Bezeichnend ist, dass Saemisch schon in seinem ersten Antwortschreiben an die Reichsregierung vom Dezember 1922 selbstbewusst auftrat und persönlichen Zugang zum Kabinett anstrebte. Seine immer wieder an die Reichsregierung gestellten Forderungen nach mehr Personal, erleichtertem Zugang zu Behörden und Beteiligung an Gesetzesvorhaben verband er regelmäßig mit Rücktrittsdrohungen. Butzer 6 zeichnet ein sehr treffendes Persönlichkeitsbild von Saemisch: Er habe ein feines Gespür für die politische Dimension seiner Vorschläge bewiesen, sich bei Widerspruch nicht verkämpft, sondern sei als vollends gewachsener Pragmatiker durchsetzungsstark und zugleich geschmeidig vorgegangen. Besonders das diplomatische, teils vorsichtige Vorgehen in den geprüften Behörden ist auffällig. In den „Richtlinien für die mit der Prüfung von Behörden beauftragten Beamten des Reichssparkommissars“ 7 gab Saemisch vor, Reibungen mit den Beamten der geprüften Stelle müssten unter allen Umständen vermieden werden, die Prüfer sollten keine Vergleiche zu besser arbeitenden Behörden ziehen und jede Kritik an Maßnahmen der vorgesetzten Behörden sei vor Ort strengstens untersagt. Ohne die Persönlichkeit Saemisch wäre der Reichssparkommissar möglicherweise nur eine kurze Episode der Geschichte geworden. Freilich führt der Charakter allein in einer solch verantwortungsvollen, im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit stehenden Position nicht zwangsläufig zum Erfolg. Jede Handlung muss in ihren Kontext eingeordnet werden. Bei der wirtschaftlich äußerst angespannten Lage des Reiches, in der die Regierungen einem echten Sparzwang ausgesetzt waren, versprach man sich vom Reichssparkommissar bei der Umsetzung der Sparziele wertvolle Hilfe. Auch in der Öffentlichkeit fand die Forderung des Sparens großen Widerhall, vor allem, wenn es um Kürzungen bei ohnehin kritisch betrachteten Behörden und deren Personal ging. Keine Regierung wollte in der Öffentlichkeit als diejenige gelten, die den Reichssparkommissar für überflüssig befand und seine Tätigkeit beenden wollte. Wichtig war aber auch, dass Saemisch innerhalb des parlamentarischen Systems teils starken Rückhalt genoss. Der Finanzminister war im Kabinett eine wichtige Stütze, und im Reichstag setzten sich 6

Butzer, in: FG zu 50 Jahren Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2002), S. 54 (69 f.). 7 Erlass des Reichssparkommissars vom 9. 3. 1924, S. 1 ff. Vgl. auch Benninghoff-Lühl, Methode der Gutachten des Reichssparkommissars, S. 27.

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4. Teil: Resümee

der Spar- und Haushaltsausschuss – trotz teils kritischer Stimmen – mehrheitlich für den Reichssparkommissar ein. Tätigkeit und Ergebnisse des Reichssparkommissars werden in der Literatur vonseiten der Zeitzeugen und Politik unterschiedlich beurteilt. Peters 8 misst Saemischs Gutachten über die Gemeindeverwaltungen historische Bedeutung zu. Nordbeck 9 sieht in Saemisch einen Erzieher der deutschen Verwaltung zur Wirtschaftlichkeit und nennt die Grundgedanken der Gutachten „modern“ und bis heute beherzigenswert. Borzikowsky 10 bezeichnet Saemisch als ausgezeichneten Kenner der Verwaltung, dessen Gutachten von Sachkenntnis und zukunftsweisendem Weitblick getragen waren und bis in die Gegenwart hineinreichten. Gilles 11 nennt die länder- und kommunalbezogenen Expertisen „differenzierte Mammutdarstellungen“, deren fundierte Empfehlungen auch noch Jahrzehnte später, wie beispielsweise bei der württembergischen Gebietsreform der 1970er-Jahre, Grundlage für Reformmaßnahmen waren. Fuchs 12 spricht von umfassender und wertvoller Arbeit, deren Ergebnisse sich zum Teil wörtlich in Gesetzen und Ministerialerlassen wiederfanden. Auch Benninghoff-Lühl 13 verweist darauf, dass viele Anregungen des Reichssparkommissars Eingang in Verordnungen und Gesetze erhalten haben; ebenso ist von Pfuhlstein 14 der Auffassung, die Vorschläge des Reichssparkommissars seien in den allermeisten Fällen beachtet worden. Von Dungern 15 meint gar, der Reichssparkommissar habe einige deutsche Großstädte vor dem finanziellen Ruin gerettet und ihnen zu einer neuen blühenden Finanzkraft verholfen. Redakteure im Nachkriegsdeutschland 16 äußerten sich ebenfalls positiv zur Tätigkeit Saemischs. So kommentiert Dombrowski in der FAZ vom 27. Dezember 1960 17, dass unter „den mancherlei Gestalten, die im Laufe der letzten Jahrzehnte als Sparkommissare auftraten“ nur Staatsminister Saemisch „die Ärmel hochgekrempelt, wirklich den bürokratischen Teig durchgeknetet“ habe. Der Erfolg Saemischs, so Dombrowski, beruhe aber vor allem darauf, dass ihm erfahrene Beamte zur Seite standen und zudem Reichsfinanzminister Luther unbeirrt zu ihm gestanden habe. 8

Peters, Handbuch der kommunalen Wirtschaft und Praxis, Bd. 3, § 70, S. 562. Nordbeck, in: Männer der Deutschen Verwaltung, S. 315 (327). 10 Borzikowsky, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 4, S. 209 (217). 11 Gilles, in: Pirker (Hrsg.), Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung, S. 19 (30). 12 Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, S. 182. 13 Benninghoff-Lühl, Methode der Gutachten des Reichssparkommissars, S. 21 mit Nachweisen in Fn. 66. 14 von Pfuhlstein, in: FS Schäfer, S. 375 (381). 15 von Dungern, DÖV 1952, S. 46 (47). 16 Kommentar in „Der Volkswirt“ vom 10. 12. 1960, der von der „segensreichen Tätigkeit“ Saemischs spricht. 17 FAZ vom 27. 12. 1960. 9

§ 2 Wiederbelebung und Infragestellung (1945 bis 1970)

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Dagegen äußert sich Severing 18 kritisch zur Umsetzung der Gutachten. Den mit großem Fleiß und gründlichem Sachverstand erstellten Gutachten habe es an dem entscheidenden Schritt zur Vollendung gefehlt, da kein kategorischer Auftrag zur Durchführung mit ihnen verbunden gewesen sei. Parlamentarier des ersten Deutschen Bundestages äußerten sich in einer Plenardebatte 19 im Jahr 1950 rückblickend negativ bezüglich der praktischen Verwertung der Erkenntnisse des Reichssparkommissars. Zwar lobten die Abgeordneten die Qualität der Gutachten des Reichssparkommissars, aber sie waren sich einig 20, dass praktische Erfolge ausgeblieben seien. Zwar können die Implementierungserfolge der vom Reichssparkommissar bzw. der Präsidialabteilung erstatteten Gutachten nicht genau quantifiziert werden, aber der Einwand eines fehlenden praktischen Nutzens muss gleichwohl zurückgewiesen werden. An vielen Einzelfällen lässt sich belegen, wie Vorschläge aus den Gutachten von der Verwaltung aufgenommen und umgesetzt wurden 21. Als gesichert kann jedenfalls gelten, dass ohne Saemischs Wirken als Reichssparkommissar die Beratungsfunktion des Rechnungshofes und seines Präsidenten nicht den Umfang und Stellenwert erreicht hätte, den sie seit der Weimarer Republik einnimmt.

§ 2 Wiederbelebung und Infragestellung (1945 bis 1970) Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches kam die Verwaltung und mit ihr die Rechnungsprüfung und ihre Beratungstätigkeit zum Erliegen. Doch die Finanzkontrolle übernahm schon alsbald nach dem Kriegsende wieder ihre beratende Funktion. In den ersten Jahren nach dem Krieg war es sogar so, dass 18

Severing, Mein Lebensweg, Bd. 2, S. 378. Die Aussprache fand aufgrund eines Antrags des Zentrums (BT-Drs. 1/1460) statt, der die Einsetzung eines Bundessparkommissars forderte. Vgl. zur Debatte BT-StenBer, 1. WP / 96. Sitzung vom 27. 10. 1950 / S. 3527 ff. 20 BT-StenBer, 1. WP / 96. Sitzung vom 27. 10. 1950 / S. 3527 ff. Abgeordneter Bertram (S. 3528) von der Fraktion des antragsstellenden Zentrums war der Auffassung, die politischen Widerstände seien vom Reichssparkommissar „seinerzeit nur selten überwunden worden“. Für den CDU-Abgeordneten Dresbach (S. 3529) ist die Tätigkeit nicht „sehr viel über den Umfang eines wissenschaftlichen Seminars hinausgedrungen und ein Nutzeffekt eingetreten“. Der SPD-Abgeordnete Mellies (S. 3530) sah „irgendwelche praktischen Auswirkungen (...) wohl kaum“; der Staatsekretär im Bundesfinanzministerium, Hartmann (S. 3532), stimmte der Wertung zu, „daß ein besonders großer Erfolg (...) nicht herausgekommen ist“. 21 Saemisch, Reichssparkommissar, S. 1 ff.; Benninghoff-Lühl, Methode der Gutachten des Reichssparkommissars, S. 1 ff. 19

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die Beratung der Rechnungshöfe eine größere Rolle spielte als die klassische Rechnungsprüfung. So nutzten die Militärregierungen das vorhandene Wissen der Rechnungshöfe über Verwaltungsstrukturen und Abläufe, um sich beim Wiederaufbau der behördlichen Strukturen beraten zu lassen. Die Beratungsfunktion zeigte sich vor allem in der britischen Zone, wo der Zonenrechnungshof eine eigene Gutachtenabteilung unterhielt, die zum größten Teil Beamte aus der früheren Präsidialabteilung des Reichsrechnungshofes beschäftigte. Als das Vereinigte Wirtschaftsgebiet (VWG) gegründet wurde, kam es dann mit § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Errichtung eines Rechnungshofes im VWG wieder zu einer gesetzlichen Normierung der Beratungsfunktion. Wie in § 101 RHO wurde dem Präsidenten des Rechnungshofes eine gutachtende Funktion übertragen. Doch damit nicht genug. Angelehnt an den Reichssparkommissar, wurde der Präsident des Rechnungshofes in der britischen Zone, Mayer, zum Sparbeauftragten für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet ernannt. Auch wenn Mayer nicht lange in dieser Position weilte, so sieht man doch hier, wie die Idee des Reichssparkommissars weiterlebte. Mit der Gründung des Bundesrechnungshofes im Jahr 1950 bekam die Beratungsfunktion im Bundesrechnungshofgesetz eine neue Rechtsgrundlage. Neben den Beratungsvorschriften der RHO, die noch immer galten, entschied sich der Bundesgesetzgeber eine Vorschrift in das Bundesrechnungshofgesetz aufzunehmen, die § 101 RHO fast wortgleich entsprach. Nach § 8 Abs. 1 BRHG hatte sich der Präsident des Bundesrechnungshofes auf Ersuchen des Bundestages, des Bundesrates, der Bundesregierung oder des Bundesfinanzministers gutachterlich zu Fragen äußern, die die Bewirtschaftung öffentlicher Mittel betrafen. Obwohl damit der Bundesrechnungshof de jure über seinen Präsidenten die Möglichkeit hatte, zumindest auf Ersuchen beratend tätig zu werden, sollte doch die Idee eines eigenen Sparbeauftragten alsbald wieder auftauchen. Die Stärke, die Reichssparkommissar Saemisch während seiner Tätigkeit ausstrahlte, wirkte im öffentlichen Bewusstsein noch immer nach. So war es nicht einmal verwunderlich, dass die Bundestagsfraktion des Zentrums und der Bund der Steuerzahler im Jahr 1950 die Einsetzung eines Bundessparkommissars forderten. Doch zu diesem Zeitpunkt lehnte die Mehrheit in der Politik eine solche „Wiederbelebung“ des Reichssparkommissars noch ab. Sowohl die Bundesregierung als auch die übrigen Fraktionen im Bundestag äußerten sich in einer Debatte ablehnend zum Antrag des Zentrums. Doch die alten Personalstrukturen im Bundesfinanzministerium und im Bundesrechnungshof führten dazu, dass die Bundesregierung schon ein Jahr nach dem Antrag des Zentrums selbst mit Vorbereitungen begann, einen Sparbeauftragten einzusetzen. Ein kleiner Kreis der alten Garde trieb die Idee voran. An dessen Spitze agierten wohl insbesondere der langjährige Mitarbeiter im Reichssparkommissariat und spätere Leiter der Gutachtenabteilung des Zonen-

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rechnungshofes Hamburg, Fuchs, sowie der Ministerialdirigent im Bundesfinanzministerium und frühere Mitarbeiter im Reichsfinanzministerium, Oeftering. So wurde ein Beschluss samt Richtlinien zur Einsetzung eines Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV) ausgearbeitet, der sich maßgeblich an den Richtlinien für den Reichssparkommissar aus dem Jahr 1926 orientierte. Als das Bundesfinanzministerium die Richtlinien im September 1951 an das Bundeskanzleramt sandte, war dieses zunächst reserviert. Zwar war das Bundeskanzleramt mit einem BWV grundsätzlich einverstanden, aber man sah die Gefahr, mit dem BWV entstehe eine Art Überministerium, das alle Ermessensentscheidungen der Verwaltung überprüfen werde. Doch letztlich setzte sich der geplante Richtlinienentwurf mit leichten Modifizierungen durch. Als die Bundesregierung im Jahr 1952 beschloss, einen BWV zu beauftragen, war es sehr erstaunlich, dass diesmal nicht der Präsident des Rechnungshofes selbst auf die Übernahme dieser Sonderaufgabe drängte. Im Gegenteil: Präsident Mayer, der ja schon im VWG als Sparbeauftragter fungierte hatte, lehnte die Einrichtung strikt ab. Er war an der Vorbereitung der Funktion, die seine eigene Person betraf, nicht beteiligt und wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Als Mayer im Oktober 1951 erfuhr, er solle alsbald zum BWV beauftragt werden, teilte er seine schweren Bedenken mit, die eigentlich – nach altem Rollenverständnis – eher vonseiten der Regierung zu erwarten gewesen wären. Mayer argumentierte, mit der Einsetzung eines BWV in der vorgeschlagenen Struktur beteilige sich der Präsident an politischen Fragen, für die er keinerlei Zuständigkeiten besitze. Verbesserungen in der Verwaltungsstruktur seien eine ausschließliche Aufgabe der Regierung. Hier dürfe sich der Präsident des Bundesrechnungshofes unter dem Gesichtspunkt der klaren Trennung der Staatsgewalten nicht einmischen. Dies sei, so Mayer, wohl unter dem damaligen Präsidenten Saemisch nicht ausreichend berücksichtigt worden. Mayer verwies auf die bereits vorhandenen Beratungsmöglichkeiten des Bundesrechnungshofes nach § 8 Abs. 1 BRHG sowie auf §§ 101, 109 RHO, die seines Erachtens ausreichten. Auch sei er auf den Sitzungen des Bundeskabinetts fehl am Platze. Doch Mayer kam zu spät. Die Arbeiten waren bereits so weit fortgeschritten, dass er sich dem Druck der Politik beugte und im Jahr 1952 seiner Beauftragung zum BWV zähneknirschend zustimmte. Dies war allerdings ein Novum und zugleich im Vergleich zu Saemischs Verhalten „verkehrte Welt“: Der Präsident zog nicht von sich aus eine Aufgabe an sich, die ihm einen größeren Einflussbereich sicherte, sondern er stellte die Integrität und Unabhängigkeit seiner Person und diejenigen des Bundesrechnungshofes über die Möglichkeit, die Beratungsmöglichkeiten des Hofes auszuweiten. Die skeptische Haltung, die Präsident Mayer zum BWV an den Tag legte, wurde jedoch von seinen Nachfolgern nicht geteilt. Mit der neuen Struktur des BWV wurden zwei Organisationselemente verbunden: Die Präsidialabteilung, wie sie 1934 geschaffen wurde, blieb bestehen und sollte den BWV bei seiner Arbeit unterstützen. Zugleich aber wurde der BWV

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4. Teil: Resümee

wieder zu einer auf der Grundlage von Richtlinien arbeitenden Vertrauensperson der Bundesregierung gemacht; allerdings verfügte der BWV nicht – wie zuletzt der Reichssparkommissar – über ein externes „Sparbüro“ als eigenständige Dienststelle. Es handelte sich bei der Struktur ab dem Jahr 1952 somit um ein Gemisch aus der Organisationsform vor 1934 und nach 1934. Dieser Zustand blieb bis zur Haushaltsrechtsreform im Jahr 1970 bestehen. Im Zuge dieser entschied man sich im Bundesrechnungshof, die Präsidialabteilung aufzulösen. Rechtlich fokussierte sich die Beratung bis zur Haushaltsrechtsreform im Jahr 1970 demnach fast ausschließlich auf den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Dieser konnte als Berater gleich auf vier Rechtsgrundlagen tätig werden: § 101 RHO, § 8 BRHG, § 50 Abs. 4 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien und Ziffer 2 der Richtlinien 1952/57 für den BWV – sie alle ermöglichten dem Präsidenten eine beratende Tätigkeit. Ein entscheidender Unterschied zwischen dem neuen BWV und dem Reichssparkommissar war jedoch, dass erstmals auch der Bundestag und der Bundesrat Zugriff auf den BWV hatten. Der Reichssparkommissar hingegen war immer nur ein reines Organ der Reichsregierung, auf den weder der Reichstag noch der Reichsrat Zugriff hatten, und die damaligen Reichsregierungen setzten alles daran, einen solchen Zugriff der Legislative zu verhindern. In den Jahren bis zur Haushaltsrechtsreform waren jedoch nicht immer allen politisch Verantwortlichen die gesetzlich schon vorhandenen Beratungsmöglichkeiten nach der Reichshaushaltsordnung und dem Bundesrechnungshofgesetz bewusst. So forderte beispielsweise Bundeskanzler Adenauer kurz nach der Einsetzung des BWV, der Beschluss des Kabinetts müsse rückgängig gemacht werden, da eine Zugriffsmöglichkeit der Legislative auf den BWV ausgeschlossen sein solle. Doch Adenauer wurde von seinen Mitarbeitern darauf hingewiesen, dass dies an der Rechtslage im Ergebnis nichts ändere, da die Legislative ohnehin gem. § 101 RHO und § 8 BRHG die Möglichkeit habe, Gutachten vom Präsident des Bundesrechnungshofes zu erbitten. Auch hier erinnert man sich an die Weimarer Zeit: Obwohl der Reichsrechnungshof, wie Reichsarbeitsminister Braun im Jahr 1926 richtig herausstellte, auch auf Grundlage des § 101 RHO die Reichsminister, den Reichstag und den Reichsrat hätte beraten können, entzündete sich der Streit immer am starken Mann des Reichsrechnungshofes – im Fadenkreuz stand immer Präsident Saemisch in seiner Funktion als Reichssparkommissar. Dies war auch in der Bundesrepublik so. Die politischen Auseinandersetzungen zur beratenden Funktion der Finanzkontrolle entzündeten sich daher bis zur Finanzrechtsreform im Jahre 1970 hauptsächlich unter dem „Brennglas BWV“. Präsident Mayer trat während seiner Amtszeit als BWV in der Öffentlichkeit nicht weiter in Erscheinung. Dies hing sicherlich mit seiner ablehnenden Haltung zum BWV insgesamt zusammen. Aufgrund fehlender negativer Erfahrungen mit dem BWV wurde die Bundesregierung mutig und ging im Jahr 1957 einen Schritt weiter: Bundesfinanzminister Schäffer überzeugte das Bundeskabinett, es

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müsse verhindert werden, dass bei Präsidentenwechseln im Bundesrechnungshof die Arbeit des BWV unterbrochen werde. So beschloss die Bundesregierung am 13. Mai 1957 – ohne erkennbaren Widerstand aus den Bundesministerien oder dem Kanzleramt –, der jeweilige Präsident des Rechnungshofes solle im Einvernehmen mit der Bundesregierung nach seinem Amtsantritt BWV werden. Dies war ein Höhepunkt des Vertrauens der Bundesregierung in die Tätigkeit des BWV. Zu Weimarer Zeiten galt eine solche untrennbare Verbindung als undenkbar. Damals legten die jeweiligen Reichsregierungen besonderen Wert darauf, dass es sich bei der Tätigkeit des Reichssparkommissars um eine reine Aufgabenübertragung ad personam handele, womit das besondere Vertrauensverhältnis zwischen dem Reichssparkommissar und der Reichsregierung unterstrichen wurde. Allerdings schuf die Bundesregierung mit ihrem Beschluss aus dem Jahr 1957 auch nicht eine institutionalisierte Verbindung, wie sie mit der Präsidialabteilung im Reichsrechnungshof von 1934 bis 1945 bestanden hatte. Denn noch immer war nach den gültigen Richtlinien die Tätigkeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes als BWV von dessen Einverständnis abhängig, ob er die ihm angetragene Aufgabe übernehmen wollte. Insofern handelte es sich im weiteren Sinne nach wie vor um einen personenbezogenen Auftrag. Das zurückhaltende Amtsverständnis des Präsidenten Mayer als BWV blieb in der Geschichte der Bundesrepublik die große Ausnahme. Schon sein Nachfolger Oeftering trat wieder ganz in die Fußstapfen von Saemisch. Als Oeftering im Jahr 1957 Nachfolger von Präsident Mayer wurde, forderte er aus eigener Initiative den Bundesfinanzminister nicht nur auf, man möge ihn möglichst schnell zum BWV bestellen, sondern er wollte, wie es Saemisch nach den Richtlinien von 1923 und 1926 zustand, ein unbeschränktes Teilnahmerecht an Sitzungen des Bundeskabinetts. In der Bundesregierung stieß diese Forderung naturgemäß auf wenig Gegenliebe und so war man zunächst froh, als Oeftering nach nur kurzer Amtszeit zur Bundesbahn wechselte; die Regierung hoffte, dass sich der Nachfolger Oefterings mehr an der Bescheidenheit Mayers als an dem selbstbewussten Auftreten Saemischs orientiere. Diese Einschätzung sollte sich nicht bewahrheiten. Mit dem neuen Präsidenten Hertel musste die Bundesregierung erfahren, dass sie „die Geister, die sie rief“ nicht mehr loswurde. Als erstes griff Hertel die Forderung seines Vorgängers Oeftering nach einem ständigen Zugang zum Kabinett wieder auf. Die Bundesregierung lehnte dies ab. Hertel verhielt sich zunächst versöhnlich und ließ seine Forderung fallen. Doch sein weiteres Auftreten war mehr von Konfliktbereitschaft geprägt. Der Präsident hatte heftige Auseinandersetzungen mit dem Bundespostminister, dessen Ausgabenpolitik er kritisierte, und sogar mit seinem natürlichen Verbündeten, dem Bundesfinanzminister, geriet er aneinander. Als Hertel dann auch noch von den Mitwirkungsmöglichkeiten bei Gesetzesvorhaben, die ihm nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien eingeräumt waren, zunehmend Gebrauch machte, drehte sich der Wind endgültig

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gegen Hertel. Die Regierung war der Auffassung, Hertel mische sich in politische Entscheidungen ein, die seine Kompetenzen als Bundesrechnungshofpräsident weit überschritten. Bundesminister Strauss meinte sogar, mittlerweile sei es Praxis in seinem Haus, dass die Mitarbeiter immer erst den BWV kontaktierten, bevor sie eine weitreichendere Entscheidung treffen würden. Die Bedenken, die der damalige Präsident Mayer geäußert hatte, spürte die Regierung nun also am eigenen Leib. Sie sah, wie sehr ein weisungsunabhängiger BWV plötzlich ihre Politik kritisieren und zur Munition im politischen Tageskampf werden konnte. Das Bundesfinanzministerium, das fünf Jahre zuvor noch die Einsetzung eines BWV wohlwollend betrieben und rechtliche Bedenken zerstreut hatte, kam nun in Gutachten vom Dezember 1958 und Dezember 1960 zu der Überzeugung, die Konstruktion der Personalunion zwischen dem BWV und dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes verstoße gegen die Verfassung. Da Hertel jedoch ad hoc nicht aus seinem Amt entlassen werden konnte, legte sich die Regierung auf die Ultima-Ratio-Lösung fest, die Position des BWV bei nächstbester Gelegenheit schlicht abzuschaffen. Doch wie auch die Reichsregierung im Jahr 1926, die damals ebenfalls überlegte, den Reichssparkommissar einfach aus seinem Amt zu entfernen, sah sich auch die Bundesregierung dem Problem ausgesetzt, dass eine stille und leise Beseitigung des BWV letztlich unmöglich war. Nicht nur vonseiten des Präsidenten drohte Ungemach, sondern auch Opposition und Presse und damit letztlich die Öffentlichkeit, hätten der Regierung vorgeworfen, sie wolle sich nur eines unliebsamen Kritiker entledigen. Allerdings waren sich auch nicht alle Bundesressorts und deren Mitarbeiter vollkommen einig darüber, dass die Personalunion zwischen dem BWV und dem Bundesrechnungshofpräsidenten aufgehoben werden müsse. So teilte beispielsweise das Bundesinnenministerium die meisten Argumente, die das Finanzministerium in seinem Rechtsgutachten vom Dezember 1960 für eine Verfassungswidrigkeit ins Feld führte, nicht. So entschied Bundeskanzler Adenauer, der BWV müsse zumindest neu konstruiert werden. Der Bitte des Bundeskanzlers folgend, legte das Bundesfinanzministerium im Jahr 1961 seinen Vorschlag vor, wie die Organisationsstruktur des BWV neu gestaltet werden könne: Der Beauftragte solle nicht mehr der Präsident des Bundesrechnungshofes sein, sondern es solle eine Persönlichkeit gefunden werden, die organisatorisch dem Bundesinnen- oder Bundesfinanzministerium angegliedert und ausschließlich für die Bundesregierung tätig werde. Ein Initiativrecht oder gar eine Zugriffsmöglichkeit der Legislative sollte in der neuen Struktur nicht verankert werden. Doch Adenauer zögerte. Er befürchtete, Präsident Hertel werde umso unangenehmer für die Regierung, wenn diese die Aufhebung der Personalunion beschließe. Aus traurigem Anlass bot sich der Regierung schon alsbald die Gelegenheit, den BWV in seiner bestehenden Struktur abzuschaffen. Unerwartet und plötzlich

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verstarb Präsident Hertel im Juli 1963. Das Kabinett Erhard wusste, dass nun die Zeit für eine Entscheidung zu Lasten des BWV günstig war, da wegen der ausstehenden Nachbesetzung im Amt des Präsidenten des Bundesrechnungshofes von dieser Seite kein Widerstand drohte. So war das Schicksal des BWV im Jahr 1964 eigentlich besiegelt: Das Kabinett entschied am 6. Februar 1964, die Personalunion zwischen dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes und dem BWV aufzuheben. Das Bundesfinanzministerium, das Bundesinnenministerium und das Bundesjustizministerium wurden damit beauftragt, in gemeinsamer Abstimmung einen Vorschlag für einen neuen BWV zu unterbreiten. Doch die Regierung verfehlte ihr Ziel. Die angestrebte Aufhebung der Personalunion scheiterte. Zwei Gründe waren hierfür maßgeblich: Erstens hatte die Regierung keinen ausgereiften Vorschlag auf dem Tisch liegen, wie die Struktur eines neuen BWV auszusehen habe. Das Bundesfinanzministerium, das Bundesinnenministerium und das Bundesjustizministerium kamen nämlich ihrem Auftrag, einen Vorschlag für eine neue Konstruktion des BWV auszuarbeiten, nur unzureichend nach. Zwar gab es ein Treffen zwischen den Referenten der Ministerien, aber über grundsätzliche Erwägungen kam man nicht hinaus. Es wurde aber auch die Schwierigkeit erkannt, dass es dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes auch beim Wegfall seiner Tätigkeit als BWV unbenommen bleibe, nach § 101 RHO und § 8 BRHG beratend tätig zu sein. So gaben die beiden Vorschriften dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes ähnliche Kompetenzen zur Beratung, wie sie ihm in seiner Funktion als BWV zustanden. Hätte die Bundesregierung dem Präsidenten seine Stellung als BWV also entzogen, so wäre es ihm nicht besonders schwer gefallen, die entstehende Lücke zum größten Teil auszufüllen. Dies gilt allerdings mit der Einschränkung, dass der BWV nach Wortlaut der Richtlinien auch aus eigener Initiative beratend tätig werden konnte, wohingegen dieses ausdrückliche Initiativrecht dem Präsidenten nach § 8 BRHG und § 101 RHO nicht eingeräumt war. Hätte die Bundesregierung den Präsidenten wirklich spürbar schwächen wollen, so hätte sie auch die Vorschriften des § 8 BRHG und § 101 RHO ändern oder beseitigen müssen. Auch aus diesem Grunde wurde daher in den 60er-Jahren im Bundesfinanzministerium zeitweise überlegt, einen Normenkontrollantrag zur Verfassungsmäßigkeit des § 8 BRHG anzustrengen. Erschwerend kam hinzu, dass in den Ministerien selbst die Frage umstritten war, ob dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes seine Stellung als BWV entzogen werden solle. So fand Ministerialdirektor Ernst Féaux de la Croix aus dem Bundesfinanzministerium für seinen Vorschlag, einen Beauftragten für Wirtschaftlichkeitsfragen gänzlich vom Bundesrechnungshof und dessen Präsidenten zu lösen, im eigenen Haus keinen ausreichenden Rückhalt. Der zweite entscheidende Grund, warum die Aufhebung der Personalunion nicht durchgesetzt werden konnte, war der von allen Seiten zunehmende Druck auf die Regierung. Sowohl die SPD-Fraktion als Opposition als auch Teile der CDU forderten die Bundesregierung auf, sie solle den Präsidenten des Bundes-

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rechnungshofes alsbald zum neuen BWV bestellen. Entscheidenden Anteil an dem Weiterleben des BWV hatte vor allem der neue Präsident des Bundesrechnungshofes, Hopf, der seit dem 6. Juni 1964 Nachfolger von Hertel war. Hopf agierte sehr selbstbewusst. Als er mit Amtsantritt um die Erstattung eines Gutachtens gebeten wurde, lehnte er dies ab, da er schließlich nicht offiziell zum BWV beauftragt worden sei. Hopf übersah hierbei – wohl eher bewusst – dass er ein solches Gutachten auch auf Grundlage des § 101 RHO beziehungsweise § 8 Abs. 1 BRHG hätte erstatten können. Seiner konsequenten Linie blieb Hopf sogar treu, als er vom Bundeskanzler Erhard höchstpersönlich am 18. August 1964 gebeten wurde, die Aufgaben eines BWV vorläufig zu übernehmen. Eine nur vorläufige Beauftragung komme, so Hopf, für ihn nicht in Betracht. Ganz in der Tradition von Präsident Saemisch machte Hopf die Übernahme seiner Tätigkeit als BWV davon abhängig, dass die von ihm ausgearbeiteten neuen Richtlinien zum BWV vom Kabinett akzeptiert würden. Wie schon Oeftering und Hertel verlangt hatten, wollte auch Hopf ein unbeschränktes und zustimmungsfreies Teilnahmerecht des BWV an den Sitzungen des Bundeskabinetts durchsetzen; zudem forderte er als BWV, alle Protokolle der Kabinettssitzungen zu erhalten. Und auch die Praxis unter Präsident Saemisch wurde wieder als Argument bemüht: Die Teilnahmemöglichkeit an Kabinettssitzungen, so Hopf, habe sich schließlich auch unter dem Reichssparkommissar bewährt. Der Vergleich zu Saemisch war jedenfalls unter einem Gesichtspunkt durchaus stimmig: Wie schon 1923, als Saemisch die Fortführung seiner Aufgabe von der Erfüllung seiner Forderungen abhängig machte, war das gleiche Druckmittel auch bei Präsident Hopf erfolgreich. Nach zähen Verhandlungen entsprach die Bundesregierung dem Verlangen nach einer zustimmungsfreien Teilnahmemöglichkeit des BWV an Kabinettssitzungen zwar nicht, aber nach dem gefundenen Kompromiss hatte Hopf zumindest die Möglichkeit, mit Zustimmung des Bundeskanzlers an den Sitzungen teilzunehmen. Damit stand auch der unbefristeten Beauftragung des Präsidenten zum BWV nichts mehr im Wege. Dass das Verhältnis zwischen dem Rechnungshof und BWV, wie auch zu Weimarer Zeiten, nicht immer frei von Spannungen war, verdeutlichte die Diskussion, die es im Großen Senat des Rechnungshofes im Jahr 1965 zum Richtlinienentwurf von Präsident Hopf gab. Hopf wollte sicherstellen, dass er als BWV auf das gesamte Personal des Rechnungshofes zurückgreifen könne und nicht nur – wie seine Vorgänger – auf die Präsidialabteilung. Doch dies lehnten die übrigen Mitglieder des Bundesrechnungshofes ab. Schon in der Vergangenheit, so der Senat, habe man die Erfahrung gemacht, dass Prüfungsbeamte zu sehr ihrer Haupttätigkeit entzogen worden seien, um den BWV bei seiner Arbeit zu unterstützen. Dies dürfe nicht noch verstärkt der Fall werden. So wurden die Richtlinien nicht im Sinne Hopfs geändert, und es blieb bei der alten Regelung, nach der der BWV nur auf das Personal aus der Präsidialabteilung zurückgreifen konnte. Doch letztlich erreichte Präsident Hopf sein Ziel, da im Zuge der Haus-

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haltsrechtsreform die Präsidialabteilung in ihrer alten Struktur aufgelöst wurde, was zwangsläufig bedeutete, dass der BWV bei der Erstattung von Gutachten verstärkt den üblichen Personalkörper des Bundesrechnungshofs einspannen musste. Ähnliche Diskussionen dürfte es auch gegeben haben, als Präsident Engels im Jahr 2003 im Bundesrechnungshof eine Servicestelle für die Tätigkeit des BWV einrichten ließ. Dort sind vier Mitarbeiter fast ausschließlich zur Unterstützung des BWV eingesetzt. Die Geschichte wiederholte sich auch an anderen Stellen. Immer wieder zum Beispiel kritisierte der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages – sowie zuvor der Haushaltsausschuss des Reichstages – er erhalte die Gutachten des BWV zu spät. Eine Idee, die nicht nur in der Weimarer Zeit, sondern auch in der Bundesrepublik vorgebracht wurde, war die Vergesetzlichung der Aufgaben des Reichssparkommissars beziehungsweise des BWV. Als im Jahr 1967 die Entwürfe zu einer Haushaltsrechtsreform diskutiert wurden, gab es im Bundesfinanzministerium den Vorschlag, einen eigenen Paragrafen in die Bundeshaushaltsordnung aufzunehmen, in dem die Rechte und Pflichten eines Beauftragten für Wirtschaftlichkeit niedergelegt werden sollten. Doch wie auch schon bei den Diskussionen zur Novelle der Reichshaushaltsordnung im Jahr 1929 wurde der Vorschlag nicht realisiert. Wie damals wurde auch im Jahr 1967 eine Vergesetzlichung unter dem Hinweis abgelehnt, die dauerhafte Installation eines Wirtschaftlichkeitsbeauftragten sei nicht wünschenswert. Bei einer zusammenfassenden Betrachtung der Nachkriegsjahre bis zur Finanzrechtsreform im Jahr 1970 fühlt man sich häufig in die Zeit des Reichssparkommissars zurückversetzt. Die Verlängerung der Aufgabe des BWV seitens der Bundesregierungen war – dies wird bei Feierstunden und Festgaben zur Geschichte der Rechnungsprüfung gerne übersehen – bei Weitem keine Selbstverständlichkeit. So wie Saemisch zu seinen Zeiten, mussten auch die Präsidenten des Bundesrechnungshofes um ihre Position als BWV kämpfen. Die Präsidenten Oeftering, Hertel und Hopf ergriffen von sich aus die Initiative, um von der jeweiligen Bundesregierung die Aufgabe eines BWV übertragen zu bekommen. Die Regierung sah in ihm häufiger einen unangenehmen Kritiker als einen willkommenen Berater. Nur gab es für die Regierungen keinen Ausweg aus dem Dilemma, dass man den Beauftragten für Wirtschaftlichkeit nicht einfach mit einem Handstreich loswerden konnte. Dank dieses Umstandes und natürlich mithilfe der immer noch zahlreichen Unterstützer wurde die Organisationsstruktur für den BWV verteidigt.

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§ 3 Konsolidierung (1970 bis zur Gegenwart) Mit dem Inkrafttreten der Finanzrechtsreform im Jahr 1970 etablierte und verfestigte sich die Beratungsfunktion der Finanzkontrolle zunehmend. So bedeutete die Finanzrechtsreform zugleich das Ende der von Präsident Saemisch eingeleiteten starken Fokussierung der Beratungsfunktion auf die Position des Präsidenten. Diese präsidiale Konzentration war der wesentliche Grund, warum sich der Präsident des Rechnungshofes mehr als Berater etablierte als der Rechnungshof als Institution. Ihren Höhepunkt hatte sie erreicht, als der Präsident des Reichsrechnungshofes mit der Novelle zur Reichshaushaltsordnung im Jahr 1934 de jure in den Stand des Beraters erhoben und die innere Organisation im Reichsrechnungshof ganz auf den Präsidenten zugeschnitten worden war. Mit den Vorschriften der Haushaltsrechtsreform und der damit einhergehenden Auflösung der Präsidialabteilung in Form einer eigenständigen Gutachtenabteilung wurde die präsidiale Beratungsstruktur deutlich gelockert. Zugleich markierte aber die Reform einen neuen Höhepunkt der Beratungsfunktion der Finanzkontrolle: Dem Rechnungshof wurde durch die Verfassung die Aufgabe eines Wirtschaftlichkeitsprüfers eingeräumt – eine Aufgabe, die regelmäßig Beratungselemente aufweist. So nimmt der Bundesrechnungshof seine Beratungsfunktion heute auf Grundlage einer Vielzahl von Rechtsgrundlagen in der Bundeshaushaltsordnung wahr, und bei der Beratung im Rahmen von Prüfungsmitteilungen und Bemerkungen segelt er sogar mit verfassungsrechtlichem Rückenwind. Doch auch nach der Haushaltsrechtsreform waren Überlegungen, dem Präsidenten seine Sonderaufgabe als BWV zu entziehen, nicht sofort ad acta gelegt worden. Als Hans Schäfer im Jahr 1971 Nachfolger des altersbedingt ausscheidende Präsidenten Hopf wurde, forderte Bundesverteidigungsminister Schmidt, die Personalunion per Kabinettsbeschluss aufzuheben. Schmidt wollte einen neuen Beauftragten für Wirtschaftlichkeitsfragen, der mit einer eigenen Dienststelle dem Bundestag als echtes Beratungsorgan zur Seite gestellt werden solle. Den Parlamentariern, so Schmidt, fehle – wie er aus eigener Erfahrung wisse – oftmals das Verständnis für administrative Einzelheiten. Trotz der Ablehnung der Ämterverbindung war Schmidt also überzeugt, dass die Legislative auf eine Beratung durch eine unabhängige Stelle angewiesen sei. Minister Schmidt konnte sich damals jedoch mit seiner Forderung insbesondere aufgrund des Widerstandes von Bundesinnenminister Genscher nicht durchsetzen. Spannend wurde es dann, als Schmidt im Jahre 1974 selbst Bundeskanzler wurde und ihm damit die Macht zustand, die Richtlinien der Politik vorzugeben. Das Ziel Schmidts notierte Kanzleramtschef Schüler im Juli 1975 unmissverständlich: Beim Wechsel des Amtsinhabers solle der BWV abgeschafft werden,

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und bis dahin könne man ihn „leer laufen“ lassen. Drei Jahre später folgte die Probe aufs Exempel. Der Bundesrechnungshof erhielt mit Karl Wittrock seinen fünften Präsidenten. Vor dessen Amtsantritt schrieb Bundesfinanzminister Apel an Kanzler Schmidt und fragte ihn, ob er an seiner alten Position festhalten und den BWV abschaffen wolle. Doch Schmidt, ehemals ein scharfe Kritiker der Personalunion, zeigte sich plötzlich zahm: Aus dem Kanzleramt hieß es, der politische Lärm, der durch eine Abschaffung ausgelöst werde, lohne nicht und daher sei es sinnvoller, den BWV einfach „leer laufen“ zu lassen. Das schaffe man auch ohne direkten Kabinettsbeschluss. Somit verfiel Schmidt, wie schon seine Vorgänger, dem altbekannten Muster, dass aufgeschoben besser als aufgehoben sei. So wies der Kanzler seinen Finanzminister an, er möge eine neue Regelung für einen BWV vorschlagen. Bis zum Regierungswechsel im Jahr 1982 legte Apel jedoch – und auch das ist beim Betrachten der Vergangenheit nichts Neues – keinen Vorschlag vor. Nach dem Regierungswechsel im Jahr 1982 verfestigte sich die beratende Funktion des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten mehr und mehr. So erfolgte sowohl die Einsetzung der Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit als auch die Verabschiedung neuer Richtlinien im Jahr 1986 problemlos und ohne die aus der Vergangenheit bekannte Aufruhr. Auch die zunehmend offensive Öffentlichkeitsarbeit des Bundesrechnungshofes und des BWV wurde kaum kritisiert. Die beratende Tätigkeit des Bundesrechnungshofes hat seit der Haushaltrechtsreform spürbar zugenommen. So gehören etwa Beratungsberichte des Bundesrechnungshofes nach § 88 Abs. 2 BHO zur ständigen Informationsquelle des Haushaltsausschusses. Der Bundesrechnungshof wird über § 27 Abs. 2 BHO schon frühzeitig in die Haushaltsaufstellung der Bundesministerien eingeschaltet, und die Prüfungsmitteilungen und Bemerkungen des Bundesrechnungshofes beinhalten heute im Regelfall konkrete Empfehlungen und Vorschläge, wie Verwaltungsstrukturen oder Rechtsgrundlagen geändert werden sollten. Unter Präsident Engels wurde mit der BWV Servicestelle darüber hinaus eine Organisationseinheit geschaffen, die an zahlreichen Rechtsetzungsmaßnahmen der Bundesregierung beteiligt ist. Doch auch die neue Stabilität der vergangenen dreißig Jahre sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der beratende Bundesrechnungshof und dessen Präsident in seiner Eigenschaft als BWV nach wie vor mit Problemen konfrontiert sind, die schon zu Saemischs Zeiten aktuell waren. Hierzu gehören aus der jüngsten Vergangenheit insbesondere die Beteiligung des Bundesrechnungshofes und des BWV an Rechtsetzungsmaßnahmen der Bundesministerien. So bemängelte Saemisch seine nicht ausreichende Einbindung bei Gesetzesvorhaben genauso wie Präsident Wittrock im Jahr 1981 und der amtierende Präsident Engels im Jahr 2007. Ein wichtiger Grund für die stärkere Akzeptanz der beratenden Tätigkeit der öffentlichen Finanzkontrolle ist sicher, dass Fragen der Verwaltungsmodernisierung noch häufiger in den Mittelpunkt politischer Diskussionen gerückt sind.

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Bei der Vorbereitung und Umsetzung von Maßnahmen, wie beispielsweise Privatisierungen, neuen Steuerungsmodellen und Public-Private-Partnerships wird heutzutage mehr und mehr auch externer Sachverstand in Anspruch genommen, wie beispielsweise die Leistungen von Unternehmensberatungen oder größeren Anwaltssozietäten. In einem solchen politischen Rahmen wird auch dem Rechnungshof und dessen Präsidenten mehr Raum für Beratungen eingeräumt. Mehr als früher sehen Exekutive und Legislative die Beratung durch den Bundesrechnungshof und den BWV als willkommene Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Aufgaben.

§ 4 Beratung als eigenständige politische Größe und ihre rechtlichen Grenzen Bis zur heutigen Bedeutung der beratenden Funktion des Bundesrechnungshofes und dessen Präsidenten als BWV war es ein weiter Weg. Im Mikrokosmos Finanzkontrolle zeigt sich deutlich, wie sehr Recht immer auch Rechtsgeschichte ist. Das Recht kann seinen Zweck immer nur in dem Umfang erreichen, wie es die Betroffenen bereit sind anzuwenden. Ähnliche oder sogar wortgleiche Rechtsvorschriften werden je nach politischem System und seiner Verantwortungsträger entweder mit Leben gefüllt oder führen ein Mauerblümchendasein. Wie die geschichtliche Entwicklung auch gezeigt hat, war der Weg zum heutigen Stand der Beratungsfunktion alles andere als bequem und konfliktfrei, sondern er war mit vielen Hürden und Hindernissen gespickt, die es zu überwinden galt. Anteil an Fort- und Rückschritten, hatten viele: Kanzler, Minister und die Beamten ihrer Häuser, Presse und Öffentlichkeit und natürlich der Bundesrechnungshof und seine Mitarbeiter selbst. Eine ganz besondere Rolle kam hierbei zweifelsohne den jeweiligen Präsidenten des Bundesrechnungshofes zu. Sie waren es, die an „vorderster Front“ ihre Interessen gegenüber Regierung und Parlament vertreten und einfordern mussten. Dabei gingen sie mal forsch und temperamentvoll, mal ruhig und besonnen, aber doch immer mit dem nötigen Selbstbewusstsein vor. Sie alle wanderten bei ihrer Tätigkeit auf dem schmalen Grat zwischen einem abnehmenden Einfluss auf den politischen Entscheidungsprozess und dem Erfordernis eines starken Auftritts zur Verschaffung ausreichenden Gehörs. So offenbart die geschichtliche Erfahrung, wie ein allzu forderndes Auftreten schnell dazu führen kann, dass die Regierung die Beratungsmöglichkeiten für die Finanzkontrolle spürbar einschränken wollte. Es ist aber auch unverkennbar, dass durch ein zu bescheidenes Auftreten viele Erfolge, die in und mit der beratenden Funktion der Finanzkontrolle erreicht wurden, vereitelt worden wären. Auf der einen Seite steht der Reiz – und hier sollten persönliche Eitelkeiten nicht unterschätzt werden – „am großen Rad zu drehen“ und von der Teilnahme an Sitzungen des Bundeskabinetts über die frühestmögliche Beteiligung im Haushaltsaufstellungs-

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verfahren bis hin zu Gesetzesvorhaben in den exekutiven Bereich vorzudringen. Auf der anderen Seite stehen die Glaubwürdigkeit, Unabhängigkeit und Integrität des Rechnungshofes, die nur gewahrt und verteidigt werden können, wenn seine Akteure ihre politische Rolle nicht überspannen. Bisher jedoch haben der Hof und sein jeweiliger Präsident auf dem schmalen Grad einen sicheren Gang bewiesen. So ist die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten zu einer eigenständigen und einflussreichen politischen Größe im staatlichen Entscheidungsprozess geworden. Die Beratung durch den BWV beziehungsweise durch den Rechnungshof als Behörde ließ sich nie klar trennen, da die personelle Verbindung zu eng ist. Dies erschöpft sich nicht in der Position des Präsidenten, sondern ausschlaggebend ist, dass für die beratende Tätigkeit regelmäßig auf die Prüfungsbeamten des Hofes zurückgegriffen wird. Insbesondere nachdem in den 70er-Jahren die Präsidialabteilung als eigenständige Gutachtenabteilung aufgelöst wurde, ist der doppelgleisige Einsatz offenkundig. Die seit der Haushaltsrechtsreform zunehmende Parallelität der Beratungsfunktion von Bundesrechnungshof und BWV verwischt die Unterschiede zwischen beiden Beratungsinstanzen nicht nur für Außenstehende. Auch innerorganisatorisch sind die Überschneidungen durch das gewählte Delegationsmodell evident. Doch die auf den ersten Blick kaum wahrnehmbaren Unterschiede im Verfahren der Beratung durch BWV und Bundesrechnungshof können große Wirkungen entfalten. So nimmt der BWV für sich in Anspruch, eine schnelle und effiziente Beratung ohne die Einbindung in das aufwendige, oftmals beschwerlichere Kollegialverfahren durchführen zu können. Besonders hierin kann ein wesentlicher Vorteil der Beratungstätigkeit des BWV gegenüber der des Bundesrechnungshofes gesehen werden. Rechtlich halten lässt sich diese Konstruktion aber nur, wenn man für die Beratungstätigkeit des BWV den Anwendungsbereich des Bundesrechnungshofgesetzes mit dem Argument für nicht eröffnet erklärt, dass der BWV nur als besonderer Beauftragter der Bundesregierung agiert. Diese Argumentation mag zwar streng formal richtig sein, doch inhaltlich überzeugt sie kaum. Denn Beratungen nach dem Bundesrechnungshofgesetz sind grundsätzlich nur im Kollegialverfahren beziehungsweise Senatssystem möglich. Zwar ist das Kollegialverfahren nicht verfassungsrechtlich, aber eben einfachrechtlich für Entscheidungen im Bundesrechnungshof zwingend. Die rechtlichen Bedenken und Widersprüchlichkeiten ließen sich nur überzeugend ausräumen, wenn – wie es schon das Bundesfinanzministerium im Zuge der Haushaltsrechtsreform vorgeschlagen hat – die Tätigkeit des BWV gesetzlich in der Bundeshaushaltsordnung abgesichert wird. Neben diesen einfachrechtlichen Bedenken können sich auch in Bezug auf die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit Probleme ergeben. Konflikte mit der in Art. 114 Abs. 2 GG garantierten Unabhängigkeit sind beispielsweise denkbar, wenn Dritte (Legislative und Exekutive) oder die Leitung des Hauses den Mitgliedern des Bundesrechnungshofes verpflichtende Aufträge zur Prüfung

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4. Teil: Resümee

und Beratung erteilen dürften. Ein solches Weisungsrecht wäre mit der sachlichen Unabhängigkeit der Rechnungshofmitglieder unvereinbar. Die Herausforderungen, die durch die mögliche Überschneidung von Prüfung und Beratung an die „innere Unabhängigkeit“ des Personals im Bundesrechnungshof gestellt werden, können hingegen nicht als Beeinträchtigung der persönlichen oder sachlichen Unabhängigkeit in verfassungsrechtlicher Hinsicht gewertet werden. Problematisch ist allerdings, wenn dem BWV ein Weisungsrecht „in seinem Bereich“ zugestanden wird. Da er für seine Arbeiten vollständig auf das Personal des Bundesrechnungshofes zurückgreift, würde er im Falle eines verbindlichen Auftrages an Mitglieder des Rechnungshofes, ihn bei seinen Beratungstätigkeiten zu unterstützen, unzulässig in deren verfassungsrechtlich zugesicherte Unabhängigkeit eingreifen. Einen „verfassungskonformen BWV“ kann es daher nur geben, wenn jegliche Weisungsrechte im Sinne von verpflichtenden Unterstützungen zugunsten des BWV ausgeschlossen sind. Die Probleme, die den Rechnungshof und seinen Präsidenten in den vergangenen 87 Jahren begleitet haben, wurden oftmals durch die Frage ausgelöst, wie politisch der Rechnungshof und sein Präsident agieren dürfen. Letztlich lässt sich die Mehrheit der Diskussionen auf diese Kernfrage zurückführen. Dass diese Frage keinesfalls an Aktualität eingebüßt hat, verrät ein Blick auf die Tagesordnung der 37. Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages am 6. Mai 2009: Unter Punkt 4 der Tagesordnung wurde über die „Zuständigkeit und Kompetenz des Bundesrechnungshofes hinsichtlich politischer Bewertungen und Entscheidungen“ gesprochen. Der Blick auf die Geschichte lehrt, dass die Auseinandersetzungen umso mehr werden, desto tiefer der Rechnungshof und der BWV in politische Fragen eindringen oder – überspitzt formuliert – desto mehr sie sich „einmischen“. Eine solche Einmischung wird, auch das zeigen die Erfahrungen, von den politisch Verantwortlichen umso eher angenommen, desto konkreter beraten wird. Eine Stellungnahme zu gänzlich abgeschlossenen Tatsachen kann dabei schon aus der Natur der Sache niemals ein solches Aufsehen erregen wie ein Vorschlag, den der Rechnungshof und sein Präsident zu Sachverhalten unterbreiten, bei denen eine (erneute) Entscheidung der Verwaltung noch aussteht. Das gebetsmühlenartig wiederholte Selbstverständnis des Rechnungshofes, er bewerte keine politischen Entscheidungen, mag ehrenvoll im Sinne der Unabhängigkeit klingen, aber es entspricht nicht mehr der Wirklichkeit. An sich gibt es schon keinen politikfreien Raum mehr, wenn man sich mit einer politischen Entscheidung im Rahmen der Prüfung befasst. Es gibt ihn aber erst recht nicht mehr, wenn man sich im Rahmen einer Prüfung oder selbstständigen Beratung zu Sachverhalten äußert, bei denen die politische Entscheidung erst noch gefällt werden muss. Von besonderem Interesse ist dabei das Verhältnis des beratenden Rechnungshofes und des BWV zur Exekutive, insbesondere zu den Bundesregierungen. Aus der geschilderten historischen Entwicklung lässt sich ableiten, wie empfindlich

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Kanzler und Minister reagieren, wenn sie den Eindruck haben, der Rechnungshof oder BWV maße sich Zuständigkeiten an, die auf unzulässige Weise in ihre exekutiven Zuständigkeiten eingriffen. Was der Bundesrechnungshof und dessen Präsidenten in ihrer Eigenschaft als BWV als Pflicht zur frühzeitigen Beratung und Verhinderung von unwirtschaftlichem Mitteleinsatz auffassen, wurde von den Bundesregierungen oft als unzulässige politische „Einmischung“ verstanden. Die Bedenken, die der erste Präsident Mayer im Jahr 1951 gegen die Einsetzung eines BWV geltend machte, waren eine durchaus realistische Einschätzung der auftauchenden Probleme. Die beratende Funktion des Präsidenten, die sich beispielsweise in der Kritik an Haushaltsvoranschlägen und Stellenplänen der Ministerien oder Gutachten über Organisationsdefizite in der Bundesverwaltung äußerte, führte nicht nur zum Widerstand gegen den Präsidenten, sondern förderte teilweise auch dessen Ausgrenzung. Verfassungsrechtlich jedoch lassen sich diese Einwände seitens der Politik mangels Entscheidungskompetenz von Rechnungshof und BWV nicht als unzulässige Eingriffe in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung qualifizieren. Zweifelsohne bewegen sich beide Institutionen im Randbereich exekutiver Zuständigkeiten. Doch der Verfassungsgesetzgeber selbst hat sich mit der Haushaltsrechtsreform 1970 entschieden, dem Bundesrechnungshof die Prüfung der Wirtschaftlichkeit als Aufgabe zuzuweisen. Diese Wirtschaftlichkeitsprüfung, die immer Beratungselemente umfasst, gibt dem Bundesrechnungshof daher ein starkes Recht, sich zu exekutiven, mithin politischen Entscheidungen zu äußern. Doch ist die Frage berechtigt, ob die verfassungsrechtliche, einfachgesetzliche und untergesetzliche Möglichkeit zur Beratung so weitreichend sein darf, dass der Rechnungshof und der BWV politische Richtungsentscheidungen und Zwecksetzungen in einer Form kritisieren, die einer allgemeinpolitischen Kontrolle gleichkommt. In Anbetracht aus dem Ruder laufender Staatsfinanzen und einer besorgniserregenden Staatsverschuldung sowie ausufernder Kredite und Bürgschaften zur Stabilisierung der gemeinsamen Währung 22 ist es verständlich, dass sich der Bundesrechnungshof und dessen Präsident neben dem Bundesfinanzminister zum zweiten „Hüter der Staatsfinanzen“ aufschwingen wollen. Äußert sich der Rechnungshof mithilfe einer offensiveren Öffentlichkeitsarbeit zu finanzwirtschaftlichen Problemen, so entspricht er damit unter anderem auch dem Wunsch von Bürgern und Medien, die Meinung einer unabhängigen, in ihrem Fachwissen und ihrer Integrität unbestrittenen Instanz zu hören. In der Regel erhöht sich durch diese öffentlichkeitswirksamen Auftritte der politische Druck auf die Regierung, und die Opposition freut sich, mit der Hilfe der Ar22

Nach Berechnungen des Bundesrechnungshofes beläuft sich der deutsche Anteil an Krediten und Bürgschaften zur Stabilisierung der gemeinsamen Währung „Euro“ per Juni 2012 auf insgesamt 310,3 bis zu 426 Milliarden Euro. Vgl. hierzu http://www .sueddeutsche.de/wirtschaft/bundesrechnungshof-beziffert-euro-rettung-deutschlands -risiko-in-zahlen-1.1395436 (Stand: 29. 6. 2012)

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4. Teil: Resümee

gumente des Rechnungshofes die Regierung noch besser ins Visier nehmen zu können. Fraglich ist aber, ob dieses Vorgehen des Rechnungshofes tatsächlich der Wirksamkeit der Finanzkontrolle dient oder ob – in der Sprache der Ökonomie gesprochen – es sich um eine optimale Zweck-Mittel-Relation handelt. Zweck der Finanzkontrolle ist es, durch Prüfung und Beratung sparsames und wirtschaftliches Handeln des Staates zu fördern. Als Mittel können zwei denkbare Handlungsalternativen verglichen werden: Auf der einen Seite der offensive Auftritt eines Rechnungshofes, der weder die Öffentlichkeit noch die Kritik an politischen Grundsatzentscheidungen scheut, und auf der anderen Seite der im Diskreten wirkende Rechnungshof, der seinen Sachverstand gezielt zu Detailfragen einsetzt, um die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung von besseren, wirtschaftlicheren Lösungen zu überzeugen. Die Erfahrungen aus mehr als 60 Jahren beratender Finanzkontrolle in der Bundesrepublik Deutschland haben unter anderem gezeigt, dass die Einflussmöglichkeiten des Bundesrechnungshofes bei zu lauten Auftritten eher ab- als zunehmen. Andererseits wären viele Diskussionen über die Ausgaben des Staates weniger dynamisch verlaufen und Fortschritte für die beratende Funktion der Finanzkontrolle vereitelt worden, wenn der Bundesrechnungshof und dessen Präsidenten sich ausschließlich für den diskreten und stillen Weg entschieden hätten. Das optimale Verhältnis liegt wohl, wie so oft, in der berühmten aurea mediocritas – der goldenen Mitte.

Thesen 1. Bereits im 19. Jahrhundert sahen die gesetzlichen Grundlagen für die Rechnungsprüfung in Preußen auch eine Beratungsfunktion der Oberrechenkammer vor; die Vorschriften dienten als Vorlage für die Normierung der Beratungsfunktion des Rechnungshofes in der Reichshaushaltsordnung von 1923, dem Bundesrechnungshofgesetz von 1950 und der Bundeshaushaltsordnung von 1970. Es kann daher von einer Positivierung der Beratungstätigkeit des Rechnungshofes gesprochen werden. 2. Der historische Vorläufer des heutigen Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV) war der sogenannte Reichssparkommissar, der in Person des Präsidenten des Reichsrechnungshofes Friedrich Ernst Moritz Saemisch von 1922 –1938 amtierte. 3. Präsident Saemisch war maßgeblich an der Festigung und dem Ausbau der beratenden Tätigkeit des Reichsrechnungshofes beteiligt. Hierzu gehört insbesondere die im Jahr 1934 (durch die 2. Novelle der Reichshaushaltsordnung) erreichte Institutionalisierung der Beratungstätigkeit des Reichssparkommissars in der Präsidialabteilung des Reichsrechnungshofes; diese rechtliche Konstruktion der Konzentration der Beratungstätigkeit auf den Präsidenten des Rechnungshofes wirkte bis zur Finanzrechtsreform 1970 fort. 4. Die Initiative zur Schaffung eines BWV im Jahr 1952 wurde von wenigen Verantwortlichen im Bundesfinanzministerium und im Bundesrechnungshof (BRH) vorangetrieben; der erste Präsident des BRH Josef Meyer machte schwere Bedenken gegen seine Beauftragung zum BWV geltend, da er hierin eine unzulässige Beteiligung an politischen Fragen sah, für die ausschließlich die Bundesregierung zuständig sei. 5. Aufgrund zunehmender Konflikte zwischen der Bundesregierung und dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes als BWV Guido Hertel konkretisierte sich in den 1960er Jahren die Absicht der Regierung Adenauer, den BWV in seiner bisherigen Struktur wieder abzuschaffen. Der im Jahr 1964 gefasste Beschluss des Bundeskabinetts, die Personalunion von BWV und Bundesrechnungshofpräsident aufzuheben, scheiterte allerdings aufgrund fehlender ausgereifter Vorschläge für eine Neuausrichtung des BWV und wegen des zunehmenden innenpolitischen Drucks.

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Thesen

6. Bis zur Finanzrechtsreform im Jahr 1970 konnte der Präsident des Bundesrechnungshofes auf vier Rechtsgrundlagen beratend tätig werden: § 101 RHO, § 8 BRHG, § 50 Abs. 4 GGO der Bundesministerien und nach Ziffer 2 der Richtlinien für den BWV 1952/1957. 7. Mit der Finanzrechtsreform 1970 wurde der Bundesrechnungshof verfassungsrechtlich in die Rolle eines Wirtschaftlichkeitsprüfers gehoben; seitdem kann die Beratung als verfassungsrechtlicher Auftrag des Bundesrechnungshofes qualifiziert werden, da jede Wirtschaftlichkeitsprüfung denknotwendig Beratungselemente aufweist; entgegen der Auffassung der Mehrheit in der Literatur ist die Beratungstätigkeit dem Bundesrechnungshof also nicht nur über Art. 114 Abs. 2 S. 2 GG einfachgesetzlich zugewiesen. 8. Im Einzelnen kann der Bundesrechnungshof seit der Finanzrechtsreform 1970 in folgenden Formen beratend tätig werden: a) in der Form der prüfungsakzessorischen, nichtöffentlichen Beratung nach Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG i.V. m. §§ 88 Abs. 1, 90 Nr. 3, 4 BHO b) in der Form der prüfungsakzessorischen, öffentlichen Beratung im Rahmen der jährlichen Bemerkungen nach Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG i.V. m. §§ 88 Abs. 1, 90 Nr. 3 und Nr. 4, 97 BHO c) in der Form der nichtöffentlichen Beratung anhand von Berichten gem. § 88 Abs. 2 BHO d) in der Form der öffentlichen Beratung anhand von Sonderberichten gemäß § 99 BHO e) in der Form der nichtöffentlichen Beratung im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens gem. § 27 Abs. 2 BHO f) in der Form der Beratung gem. §§ 102 Abs. 3, 103 BHO im Rahmen des Erlasses von Verwaltungsvorschriften, der Änderung von Finanzvorschriften bei internationalen Organisationen und bei verschiedenen Entscheidungen der Bundesverwaltung 9. Seit Mitte der 1980er Jahre stabilisierte sich die beratende Funktion des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten als BWV, da Exekutive und Legislative die Beratungstätigkeit zunehmend als willkommene Unterstützung bei Fragen der Verwaltungsmodernisierung sahen. 10. Der Bundesrechnungshof wird heutzutage ebenso stark als Berater wie als reiner Prüfer tätig, da in der Regel mehr als Dreiviertel seiner Prüfungsmitteilungen zu Sachverhalten ergehen, die noch nicht abgeschlossen sind und er diese Mitteilungen regelmäßig mit Empfehlungen verbindet, wie die Verwaltung in Zukunft wirtschaftlicher handeln kann.

Thesen

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11. Die Beratung durch den BWV wird im Rahmen eines Delegationsmodells ausgeübt, bei dem die Prüfungsbeamten im Namen des BWV tätig werden; die Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes und des BWV wird damit de facto durch dieselben Personen ausgeübt. 12. Der entscheidende Unterschied zwischen der Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes und derjenigen des BWV ist, dass der BWV seine Beratungstätigkeit auch außerhalb des sonst für den Bundesrechnungshof durch das Bundesrechnungshofgesetz vorgesehenen Kollegialverfahrens durchführen kann; eine Vereinbarkeit der Tätigkeit des BWV mit dem Bundesrechnungshofgesetz lässt sich nur bejahen, wenn für die Tätigkeit des BWV bereits der Anwendungsbereich des Bundesrechnungshofgesetzes für nicht eröffnet erklärt wird. 13. Die derzeitige Beratung durch den Bundesrechnungshof verstößt nicht gegen die durch Art. 114 Abs. 2 GG geschützte Unabhängigkeit der Rechnungshofmitglieder, da dessen Mitglieder hierbei weisungsfrei handeln; die Beratung durch den BWV ist unter dem Gesichtspunkt der garantierten Unabhängigkeit nur solange verfassungsrechtlich zulässig, als der Präsident keinerlei Weisungen an die Mitglieder des Bundesrechnungshofes erteilt. 14. Durch ihre Beratungstätigkeit greifen weder der Bundesrechnungshof noch der BWV unzulässig in exekutive oder legislative Kernbereiche ein, da die Handlungsweise der Organe zwar beeinflusst werden kann, aber ihre Handlungsfreiheit und damit auch die Verantwortungsteilung im Kern nicht beeinträchtigt wird.

Anhang I: Lebenslauf des Reichssparkommissars und der bisherigen Präsidenten des Bundesrechnungshofes I. Friedrich Ernst Moritz Saemisch (Präsident des Reichsrechnungshofes von 1922 bis 1938) Friedrich Ernst Moritz Saemisch wurde am 23. Dezember 1869 in Bonn als Sohn eines Professors der Augenheilkunde geboren. Nach seinem Abitur an einem humanistischen Gymnasium in Bonn studierte Saemisch ab 1887 Rechtswissenschaft und Philosophie in Bonn, München, Berlin und Marburg. Nach seiner Zeit als Offiziersanwärter trat er 1894 als Gerichtsreferendar in den preußischen Justizdienst ein. Nach Stationen bei verschiedenen Gerichten wechselte Saemisch 1897 in den Verwaltungsdienst. Aufgrund einer schweren Lungenentzündung musste er seine Verwaltungslaufbahn 1904 zunächst abbrechen und konnte erst nach seiner Genesung im Jahre 1916 seinen Berufsweg fortsetzen. So trat er als Hilfsreferent in das Reichsschatzamt ein, wo er zum Geheimen Regierungsrat sowie später zum Vortragenden Rat aufstieg. Im Jahr 1919 wurde Saemisch zum Präsidenten des Landesfinanzamts der Provinz Hessen-Nassau ernannt. Von April bis November 1921 amtierte Saemisch als preußischer Finanzminister in der von Ministerpräsident Adam Stegerwald geführten Staatsregierung. Von 1922 bis 1938 war Saemisch Präsident des Rechnungshofs des Deutschen Reichs sowie Chefpräsident der preußischen Oberrechnungskammer. In Personalunion nahm Saemisch während seiner Zeit als Präsident auch die Sonderfunktion eines Reichssparkommissars ein. Saemisch verstarb am 23. Oktober 1945 in Freiburg im Breisgau. II. Josef Mayer (Präsident des Bundesrechnungshofes von 1950 bis 1956) Josef Mayer wurde am 28. August 1887 in Koblenz als Sohn eines Sanitätsrates geboren und verbrachte seine Gymnasialzeit am Jesuitenkolleg (Stella Matutina) in Feldkirch am Vorarlberg. Er studierte Rechtswissenschaft in Freiburg, Augsburg, Berlin und Bonn und legte die Erste Juristische Staatsprüfung im Jahr 1909, die Zweite im Jahr 1914 ab. Am ersten Weltkrieg nahm er zuletzt

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im Rang eines Leutnants der Reserve teil und erhielt das Eiserne Kreuz erster Klasse. Im Jahr 1919 trat Mayer in die preußische allgemeine Verwaltung ein. Seine Laufbahn führte ihn zunächst ins Reichschatzministerium. 1927 wechselte er ins Reichsministerium des Inneren. Nach einer Zwischenstation im Reichsministerium für die besetzten rheinischen Gebiete kam er nach dessen Auflösung in das Reichsministerium für Finanzen. Dort wurde Mayer 1932 Leiter des Generalreferats der Haushaltsabteilung und verblieb – seit 1941 in der Stellung eines Ministerialdirigenten – bis zum Kriegsende im Ministerium. Im Oktober 1946 wurde er in Hamburg Leiter des Zentralhaushaltsamtes für die britische Zone. Seit Ende 1948 oblag ihm die Führung des Rechnungshofes für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet. Am 1. April 1950 wurde Mayer zum ersten Präsidenten des neu gegründeten Bundesrechnungshofes ernannt, seit dem 17. Juni 1952 war er zugleich der erste Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland. Aufgrund seiner Verdienste für den Wiederaufbau der Finanzkontrolle in der Nachkriegszeit erhielt Mayer 1954 vom Bundespräsidenten das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband verliehen. Am 31. Dezember 1956 trat er als Präsident des BRH in den Ruhestand. Mayer verstarb im Alter von 74 Lebensjahren am 27. Juni 1961 in Frankfurt am Main. III. Heinz Maria Oeftering (Präsident des Bundesrechnungshofes von Februar bis Mai 1957) Heinz Maria Oeftering wurde am 31. August 1903 in München als Sohn eines Professors geboren. Nach dem Abitur studierte er Rechtswissenschaft. 1932 bis 1934 war er Regierungsrat am Reichsfinanzhof und von 1934 bis 1943 als Oberregierungsrat im Reichsfinanzministerium, zuletzt im Generalbüro für allgemeine Finanz- und Kreditfragen tätig. Von 1943 bis 1945 war er Soldat. Von 1945 bis 1947 war Oeftering zunächst Präsident der Rechnungskammer Hessen-Pfalz, nach Gründung des Landes Rheinland-Pfalz dann Präsident des Landesrechnungshofes Rheinland-Pfalz. Im Jahr 1948 wurde Oeftering Honorarprofessor für Steuerrecht an der Universität Mainz. Als Leiter der Abteilung Allgemeine Finanzpolitik und Öffentliche Finanzwirtschaft war er von 1949 bis 1957 im Bundesfinanzministerium. Nach nur kurzer Amtszeit als Präsident des Bundesrechnungshofes von Februar bis Mai 1957 war Oeftering von 1957 an bis zum Erreichen der Altersgrenze im Jahre 1972 Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn, von 1972 bis 1977 dann Präsident des Verwaltungsrates der Bundesbahn. Während seiner Amtszeit als Vorstandsvorsitzender wurde ein Großteil des Bahnnetzes elektrifiziert sowie unter anderem der Intercity (1971) eingeführt. In den Jahren 1959 und 1960 war er, als erster Deutscher, Präsident des Internationalen

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Eisenbahnverbandes. Für seine Leistungen beim Aufbau der Bundesbahn bekam er 1965 den Ehrendoktortitel der TU Berlin und 1963 das Bundesverdienstkreuz. Oeftering verstarb im Alter von 100 Jahren am 18. Mai 2004 in Frankfurt am Main. IV. Dr. Guido Hertel (Präsident des Bundesrechnungshofes von 1957 bis 1963) Guido Hertel wurde am 16. Mai 1903 als siebtes von neun Kindern in Berlin geboren. Sein Vater war, bevor er Dombaumeister in Köln wurde, Professor an der Technischen Hochschule Berlin. Ursprünglich wollte auch der junge Hertel wie der Großvater, Vater und Onkel Techniker werden, entschied sich dann jedoch nach seiner Schulzeit in Köln (Gymnasium an der Kreuzgasse und Apostelgymnasium), Rechtswissenschaft zu studieren. Hertel beendete sein Jurastudium in Köln und Freiburg 1924 mit dem Ersten Juristischen Staatsexamen. Es folgten 1925 die Promotion durch die Universität Köln und 1929 das Assessorexamen. Im unmittelbaren Anschluss trat er beim Landesfinanzamt Düsseldorf in die Reichsfinanzverwaltung ein. Im Februar 1933 wurde Hertel zum Regierungsrat ernannt und im selben Jahr für vier Jahre nach Bremen versetzt. Anschließend wurde Hertel Vorsteher des Hauptzollamtes Beuthen in Oberschlesien und danach Referent bei der Oberfinanzdirektion Brandenburg in Berlin. 1941 kehrte er nach Köln zurück, wo er bei der Oberfinanzdirektion Köln eingesetzt war. Hertel wurde während der nationalsozialistischen Diktatur nicht befördert, da ihn die Nationalsozialisten als politisch unzuverlässig einstuften. Als Reserveoffizier zog die Wehrmacht Hertel schließlich zum Kriegsdienst ein. Seine Verwendungen führten ihn nach Dänemark, Frankreich und zuletzt an die Ostfront. Bei der Verteidigung der oberschlesischen Stadt Gleiwitz geriet Hertel als Oberleutnant 1945 in russische Kriegsgefangenschaft, aus der er im Dezember 1948 entlassen wurde. Nach seiner Rückkehr in die Finanzverwaltung 1949 war Hertel zunächst als Regierungsrat bei der Oberfinanzdirektion Köln und als Finanzgerichtsrat beim Finanzgericht Düsseldorf tätig. Bereits ein Jahr später wurde er in das Bundesfinanzministerium berufen, um dort – im Range eines Ministerialrates – die Bundeszollverwaltung mit aufzubauen. 1953 wurde Hertel zum Ministerialdirigenten und Abteilungsleiter für den Zollbereich befördert und zwei Jahre später als Ministerialdirektor mit der Leitung der Zentralabteilung Personal, Organisation, Allgemeine Verwaltung und Recht des öffentlichen Dienstes betraut. Im Mai 1957 wurde er zum Präsidenten des Bundesrechnungshofs und zum Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung ernannt. Zu seinem 60. Geburtstag im Jahr 1963 empfing Hertel aus der Hand Bundeskanzler Ade-

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nauers das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland mit Stern und Schulterband. Nur kurze Zeit später verstarb Hertel am 26. Juli 1963 in Frankfurt am Main plötzlich und unerwartet. V. Volkmar Hopf (Präsident des Bundesrechnungshofes von 1964 bis 1971) Volkmar Hopf wurde am 11. Mai 1906 in Allenstein / Ostpreußen als Sohn eines Augenarztes geboren. Nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums, das er 1924 mit dem Abitur verließ, studierte Hopf an den Universitäten Jena, München und Königsberg Jura. 1930 bestand er sein Assessorexamen. Nach seinem beruflichen Einstieg in den Verwaltungsdienst wurde er 1932 Magistratsrat bei der Stadtverwaltung Königsberg. Ein Jahr später wurde Hopf Beigeordneter des Deutschen Städtetages. 1934 trat Hopf in die NSDAP ein und wurde Landrat im Kreis Franzburg-Barth in Pommern. In dieser Zeit arbeitete Hopf auch an dem Gesetzeskommentar „Das Neue Recht in Preußen“ mit. Im Mai 1940 wurde er zur Luftwaffe einberufen, in der er, nach seiner Ausbildungszeit als Flugzeugführer, Fluglehrer und schließlich Staffelkapitän, zuletzt im Range eines Oberleutnants diente. Parallel zu seinem Militärdienst übte Hopf noch Verwaltungstätigkeiten aus. So war er in den letzten beiden Kriegsjahren auch Landrat im Landkreis Kattowitz, wurde jedoch zwischenzeitlich in diesem Amt vertreten. Nach Kriegsende war Hopf zunächst zwei Jahre lang Gepäckträger am Bahnhof in Braunschweig, bevor er als Syndikus des Spitzenverbandes der deutschen Düngemittelindustrie beruflich weder Fuß fassen konnte. 1951 wechselte Hopf in die Haushaltsabteilung des Bundesinnenministeriums, wo er 1953 zum Ministerialdirigenten befördert wurde. Im Bundesinnenministerium war Hopf zudem maßgeblich an dem KPD-Verbotsverfahren beteiligt. 1955 wurde Hopf ins Bundesministerium der Verteidigung versetzt, wo er 1956 als Ministerialdirektor die Leitung der Finanz- und Haushaltsabteilung übernahm. Unter Bundesverteidigungsminister Strauß wurde Hopf im Jahre 1959 beamteter Staatssekretär. Unklar blieb die Rolle, die Hopf in der „Spiegel-Affäre“ im Herbst 1962 spielte. Während Strauß damals als Minister zurücktreten musste, blieb Hopf – nach kurzer Beurlaubung – Staatssekretär, war jedoch weiterhin kräftigen Angriffen ausgesetzt. Im März 1963 leitete die Bonner Staatsanwaltschaft im Zuge der Aufklärung der „Spiegel-Affäre“ ein Ermittlungsverfahren wegen Amtsanmaßung und Beihilfe zur Freiheitsberaubung gegen Hopf ein, das im Juni 1965 wegen fehlenden Nachweises eines Vorsatzes eingestellt wurde. Im Frühjahr 1963 gab sich Hopf, der sich zu Unrecht von den Medien verfolgt und von der Bundesregierung nicht ausreichend geschützt fühlte, amtsmüde und bat den neuen Verteidigungsminister von Hassel um seine Entlassung, die dieser

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jedoch nicht annahm und sich nunmehr in der Öffentlichkeit verstärkt vor Hopf stellte. Ein Jahr später, 1964, wurde Hopf dann Präsident des Bundesrechnungshofes und 1965 Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. Auch als Bundesrechnungshofpräsident sah er sich 1969 erneut mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bonn konfrontiert. Grund für die Anzeige, die erst später an die Öffentlichkeit gelangte, war eine Aussage Hopfs vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Beschaffung von HS-30-Schützenpanzern für die Bundeswehr unter dem ehemaligen Verteidigungsminister Strauß. Hopf hatte vor dem Ausschuss erklärt, dass er als Bundesrechnungshofpräsident das Prüfungsgebiet „Verteidigung“ aufgrund seiner früheren Tätigkeit im Bundesverteidigungsministerium vollständig an seinen Vizepräsidenten übertragen hätte. Später stellte sich jedoch heraus, dass Hopf einen kritischen Prüfbericht zu den Schützenpanzern selbst kommentiert hatte und der Bericht im Rechnungshof zunächst auf Eis gelegt wurde. 1970 bat der inzwischen erneut als amtsmüde geltende Hopf im Alter von 65 Jahren um die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand, die im Jahr 1971 erfolgte. Regulär hätte Hopf erst mit 68 Jahren ausscheiden müssen. 1974 erhob die Bonner Staatsanwaltschaft wegen seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss Anklage gegen Hopf, die jedoch von der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts Bonn aufgrund fehlenden hinreichenden Tatverdachts abgelehnt wurde. In persönlicher Hinsicht galt Hopf als äußerst sachlicher und nüchterner Denker mit preußischen Tugenden und einem gewissen Hang zum Überkorrekten, der jedoch in seiner direkten Art nicht frei von Humor war. Hopf wurde zudem Verhandlungsgeschick attestiert. Hopf verstarb am 23. März 1997 im Alter von 91 Jahren in Wiesbaden. VI. Dr. Hans Schäfer (Präsident des Bundesrechnungshofes von 1971 bis 1978) Hans Schäfer wurde am 26. Januar 1910 in Rhodt unter Rietburg in der Pfalz an der Weinstraße geboren. Schäfer wuchs in einem liberal geprägten und politisch engagierten Elternhaus auf; sein Vater – wie der Großvater von Beruf Winzer – war in den 1920er-Jahren Mitglied der Deutschen-Demokratischen Partei (DDP) und zwischenzeitlich Ortsbürgermeister der Gemeinde. Dieses Amt hatte schon sein Großvater bekleidet. Nach seinem Abitur 1929 studierte Schäfer Rechtswissenschaft in München, Marburg und Würzburg. 1933 bestand er das Referendarexamen. Von 1933 bis 1936 war Schäfer Referendar und wurde 1934 promoviert. Die Doktorarbeit wurde mit „magna cum laude“ bewertet; das Assessorexamen bestand Schäfer mit „lobenswert“. 1937 wurde Schäfer Referent für Urheber- und Patentrecht

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in der Zivilrechtsabteilung im Reichsjustizministerium. 1939 wechselte er im Range eines Landgerichtsrates für kurze Zeit in den Richterdienst, bis er 1939 zur Wehrmacht einberufen wurde. Dort war er zunächst bei der Kraftfahrzeugtruppe und dann bei der Heeresartillerie eingesetzt und nahm in den ersten drei Kriegsjahren als Gefreiter am West- und Ostfeldzug teil. 1942 schied Schäfer wegen eines Beinleidens aus der Wehrmacht aus und kehrte in das Reichsjustizministerium zurück. Nach Kriegsende war Schäfer zunächst zwei Jahre Weinbauer in seiner pfälzischen Heimat, bevor er ab 1947 Referent im Justizministerium Rheinland-Pfalz wurde. Während dieser Tätigkeit kommentierte Schäfer die Verfassung von Rheinland-Pfalz und veröffentlichte weitere Schriften im Staatsrecht. 1955 holte Innenminister Schröder Schäfer als Ministerialdirektor und Leiter der Abteilung „Verfassung, Staatsrecht und Verwaltung“ in das Bundesinnenministerium. Unter Minister Höcherl (CSU) stieg Schäfer 1962 zum Staatssekretär auf. 1967 trat Schäfer vom Amte des Staatsekretärs jedoch aus Protest gegen die geplante Umwandlung des Wahlrechts in ein reines Mehrheitswahlrecht und wohl auch aufgrund atmosphärischer Störungen zum neuen Minister Lücke, der die Änderung unterstützte, zurück. Nachdem Schäfer 1967 in die FDP eingetreten war, kandidierte er für die Liberalen bei der Bundestagswahl 1969 im Wahlkreis Bonn Bad Godesberg, konnte jedoch aufgrund von Stimmverlusten der FDP nicht über die Landesliste in den Bundestag einziehen. Mit dem neuen Bundesinnenminister Genscher kehrte er 1969 wieder als Staatssekretär in das Ministerium zurück. Von 1971 bis zu seinem Ruhestand im Jahre 1978 war Schäfer Präsident des Bundesrechnungshofes und Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. Neben seiner Beamtenlaufbahn übte der verheiratete Vater von zwei Töchtern noch verschiedene Ehrenämter aus. So war er zwischenzeitlich ordentliches Mitglied des Staatsgerichtshofes der Freien Hansestadt Bremen, Bundesvorsitzender der Deutschen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien sowie Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache. Am 6. Januar 1980 verstarb Schäfer unerwartet im Alter von 70 Jahren in Bad Kissingen (Unterfranken). VII. Karl Wittrock (Präsident des Bundesrechnungshofes von 1978 bis 1985) Karl Wittrock wurde am 29. September 1917 in Kassel geboren. Wittrock entstammte einer politisch der Sozialdemokratie verbundenen Familie; bereits sein Vater Karl Wittrock senior war zu Zeiten der Weimarer Republik in der Kasseler SPD aktiv. 1933 schloss sich der junge Wittrock der Sozialistischen

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Arbeiterjugend an, die jedoch bald darauf von den Nationalsozialisten verboten wurde. Nach dem Abitur in Kassel wurde Wittrock 1938 zur Wehrmacht eingezogen und nahm bis zu seiner Gefangennahme 1944 am Zweiten Weltkrieg teil. Nach der Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft studierte Wittrock von 1946 bis 1949 Rechtswissenschaft in Frankfurt am Main. 1946 trat Wittrock in die SPD ein und war in den Jahren 1947 und 1948 Vorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) in der amerikanischen Besatzungszone. In dieser Zeit lernte er auch den späteren Bundeskanzler Helmut Schmidt kennen, der zum damaligen Zeitpunkt SDS-Vorsitzender in der britischen Zone war. Nach dem großen Staatsexamen und seiner Zulassung als Anwalt wurde Wittrock für kurze Zeit Referent im hessischen Innenministerium, bevor er 1953 für den Wahlkreis Wiesbaden in den Zweiten Deutschen Bundestag gewählt wurde. Dort wurde er Mitglied im Rechtsausschuss und Vermittlungsausschuss. Seit 1956 gehörte er dem SPD-Fraktionsvorstand an; ab 1961 war er zudem Vorsitzender des Arbeitskreises Rechtspolitik der SPD-Fraktion. Von 1956 bis 1962 war Wittrock ehrenamtliches Mitglied des Magistrats der Stadt Wiesbaden und wurde im Jahr 1963 zum Regierungspräsidenten in Wiesbaden gewählt, womit er auch sein Bundestagsmandat niederlegte. Nach vierjähriger Amtszeit als Regierungspräsident wurde Wittrock 1967 als beamteter Staatssekretär in das Bundesverkehrsministerium berufen. 1974 verließ er das Ministerium und war bis zu seiner Ernennung zum Bundesrechnungshofpräsidenten im Jahre 1978 als Rechtsanwalt in Wiesbaden tätig. Wittrock war in der Zeit seiner Präsidentschaft maßgeblich an den Entwürfen zum neuen Bundesrechnungshofgesetz beteiligt. Mit dem Erreichen der Altergrenze von 68 Jahren schied er 1985 aus dem Bundesrechnungshof aus. Karl Wittrock verstarb am 1. Februar 2000 in Wiesbaden. VIII. Dr. Heinz Günter Zavelberg (Präsident des Bundesrechnungshofes von 1985 bis 1993) Heinz Günter Zavelberg wurde am 16. Oktober 1928 in Brühl geboren. Noch als Schüler nahm er am Zweiten Weltkrieg in der Funktion eines Luftwaffenhelfers teil. Nach dem Abitur studierte Zavelberg Rechtswissenschaft in Bonn und Köln und wurde im Jahr 1955 mit seiner Dissertation von der Universität Köln promoviert. Im Jahr 1956 wurde er Richter im OLG-Bezirk Köln und war zuletzt als Amtsrichter in Köln tätig. 1962 wechselte Zavelberg in das von Franz Josef Strauß geführte Bundesfinanzministerium, wo er zunächst als Referent im General- und Grundsatzreferat tätig war. Ab 1966 war Zavelberg als Referatslei-

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ter für die damals neu eingeführte, mittelfristige Finanzplanung verantwortlich, an deren Aufbau er maßgeblich beteiligt war. Darüber hinaus war Zavelberg in seiner Funktion für die konjunkturpolitische Steuerung des Bundeshaushalts zuständig und bereitete unter anderem das erste Haushaltssicherungsgesetz vor. Mit dem Regierungswechsel 1969 schied Zavelberg aus dem Finanzministerium aus und wurde finanzpolitischer Referent der CDU / CSU-Bundestagsfraktion. 1970 entschied sich Zavelberg, der CDU beizutreten und engagierte sich als Ratsherr in seiner Heimatstadt Brühl sowie als Vorsitzender der CDUMittelstandsvereinigung des Rhein-Erft-Kreises. Nach dem erneuten Regierungswechsel 1982 kehrte Zavelberg unter Minister Stoltenberg für kurze Zeit als Ministerialdirigent und Unterabteilungsleiter in die Haushaltsabteilung des Bundesfinanzministeriums zurück, bis er 1983 Vizepräsident des Bundesrechnungshofes wurde. Strauß konnte bei der Neubesetzung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Zavelberg, der unter ihm gedient hatte, gegen den Personalvorschlag Kohls durchsetzen, der den Posten mit seinem Staatssekretär Schreckenberger besetzen wollte. Im Jahr 1985 wurde Zavelberg – nach dem neuen Bundesrechnungshofgesetz erstmals durch den Bundestag und Bundesrat gewählt – der sechste Präsident des Bundesrechnungshofes. Im gleichen Jahr wurde er von der Bundesregierung auch zum BWV bestellt. Nach seiner Pension im Jahr 1993 beriet Zavelberg noch einige Jahre – unter anderem im Auftrag des Bundesrechnungshofes – mehrere Länder des ehemaligen Ostblocks bei dem Aufbau von Verwaltungsstrukturen. Hertel ist Vater von sechs Kindern und lebt in seiner Heimatstadt Brühl. IX. Dr. Hedda von Wedel (Präsidentin des Bundesrechnungshofes von 1993 bis 2001) Hedda von Wedel (geb. Czasche) wurde am 18. Juli 1942 in Quedlinburg geboren. Von Wedel studierte Rechtswissenschaft in Kiel und Göttingen. Nach ihrem Ersten Juristischen Staatsexamen 1965 folgten Studienaufenthalte in Bordeaux und in Italien am Bologna Center für internationale Beziehungen der John-Hopkins-Universität. Im Jahr 1969 wurde sie mit ihrer Dissertation von der Universität Göttingen promoviert. 1970 legte von Wedel die Zweite Juristische Staatsprüfung ab und trat 1971 in den niedersächsischen Verwaltungsdienst ein, wo sie zahlreiche Verwaltungserfahrungen sammelte. So war von Wedel beim Regierungspräsidenten Hildesheim, im niedersächsischen Innenministerium und als Vizeregierungspräsidentin tätig. Nach einem kurzen Abstecher in das Bundesministerium für innerdeutsche Angelegenheiten wurde sie von der damaligen Wirtschaftsministerin und späteren Treuhand-Chefin Birgit Breuel als Kabinettreferentin in das niedersächsische Wirtschaftsministerium berufen. 1983 wurde von Wedel beamtete Staatssekretärin im niedersächsischen Ministerium

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für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; mit dem Regierungswechsel 1990 in Niedersachsen wurde sie nach siebenjähriger Tätigkeit auf dieser Position in den vorläufigen Ruhestand versetzt. 1990 zog von Wedel, die seit 1971 Mitglied der CDU sowie der CDU-Mittelstandsvereinigung ist, über die niedersächsische Landesliste in den Deutschen Bundestag ein. Als Abgeordnete war von Wedel stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung sowie Mitglied des Rechtsausschusses. Darüber hinaus war sie in der Verfassungskommission Berichterstatterin über die Neugliederung des Bundesgebietes. Nach nur drei Jahren Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag wurde von Wedel 1993 zur Präsidentin des Bundesrechnungshofes gewählt. Dieses Amt hatte sie bis zum Jahre 2001 inne. Von 2002 bis 2008 war von Wedel Mitglied des Europäischen Rechnungshofes. In dieser Funktion war sie seit der Reform des Rechnungshofes im Jahre 2004 Berichterstatterin in der Prüfungsgruppe I „Agrarpolitische Bereiche“. Seit 2007 ist von Wedel eine der beiden stellvertretenden Vorsitzenden von „Transparency International Deutschland e.V.“ Seit 2009 ist sie zudem Mitglied im Aufsichtsrat der „Hypo Real Estate AG“. X. Prof. Dr. Dieter Engels (Präsident des Bundesrechnungshofes seit 2002) Dieter Engels wurde am 7. Februar 1950 als Sohn eines Beamten in Mechernich geboren. Nach seinem Abitur am Bonner Beethoven-Gymnasium studierte Engels von 1968 bis 1973 Rechtswissenschaft an der Universität Bonn, wo er im Anschluss an die Referendarzeit 1979 promoviert wurde. Seit 1978 war Engels zudem wissenschaftlicher Assistent am Strafrechtlichen Institut der Universität Bonn. 1983 schlug Engels die Beamtenlaufbahn der Bundestagsverwaltung ein und war zunächst beim Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages tätig und danach Geschäftsführer des Sekretariats des Untersuchungsausschusses zur Affäre um die Neue Heimat. 1989 folgte die Ernennung zum Sekretär des Haushaltsausschusses des Bundestages. Als Ministerialdirigent wurde Engels 1992 für die Tätigkeit als Verwaltungsleiter der SPD-Bundestagsfraktion von der Bundestagsverwaltung beurlaubt. Ende 1996 wechselte Engels zum Bundesrechnungshof und war zunächst als dessen Vizepräsident tätig, bevor er im Mai 2002 als Nachfolger von Hedda von Wedel zum Präsidenten gewählt wurde. Im selben Jahr wurde er Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung.

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Engels übt verschiedene Ehrenämter aus. So ist er seit 2001 Honorarprofessor an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Von 2005 bis 2008 war er Präsident der Europäischen Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden. Darüber hinaus ist Engels Vorsitzender des Bundespersonalausschusses und Mitglied im Vorstand der Deutschen Sektion des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften. Im Jahr 2008 erhielt er den Lehrpreis des Landes Rheinland-Pfalz. Engels ist Vater von zwei Kindern.

Anhang II: Richtlinien für den Reichssparkommissar und den BWV Richtlinien für den Reichssparkommissar vom 23. 11. 1922 1. Die Reichsministerien sowie die ihnen nachgeordneten oder sonst in ihrem Haushalt aufgeführten Behörden und Dienststellen sind verpflichtet, Ihnen alle verlangten Auskünfte (schriftlich oder mündlich) zu geben, Akten vorzulegen und Sie auch sonst in jeder gewünschten Weise zu unterstützen. 2. Sie sollen insbesondere befugt sein, Ihr Prüfungsrecht bei den einzelnen Behörden persönlich oder durch Vertreter auszuüben; von dem Vorhaben ist jeweils dem zuständigen Reichsminister Mitteilung zu machen, damit dieser über die Beteiligung an den Verhandlungen Bestimmung treffen kann. 3. Die Reichsministerien werden Ihnen von den Vorhaben wichtiger Verwaltungsmaßnahmen rechtzeitig Kenntnis geben, falls diese neue Ausgaben oder Mehrausgaben bedingen. Sie sollen berechtigt sein, zu solchen Maßnahmen Stellung zu nehmen. 4. Sie sollen befugt sein, zur Erfüllung Ihrer Aufgabe Hilfsarbeiter heranzuziehen. Kabinettsbeschluss vom 3. 12. 1923 1. Die Reichsregierung erneuert das in dem Kabinettsbeschluss vom 27. November 1922 – Rk. 9733 – ausgesprochene Ersuchen an den Präsidenten des Rechnungshofes, Staatsminister a. D. Saemisch, im Benehmen mit dem Reichsfinanzministerium (Etatsabteilung) den gesamten (ordentlichen und außerordentlichen) Haushalt und insbesondere die Haushalte und die Haushaltsführung der einzelnen Reichsministerien durchzuprüfen, der Reichsregierung Gutachten über das Ergebnis der Prüfung zu erstatten und bestimmte Vorschläge zu machen über Ersparnisse im Haushaltsplan, für eine Verbilligung und Vereinfachung der Verwaltung, insbesondere auch der Verminderung des planmäßigen und außerplanmäßigen Personals, gegebenenfalls unter Aufhebung entbehrlich werdender Behörden, sowie für eine wirtschaftlichere Gestaltung der Einnahmen.

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2. Der Sparkommissar ist im Rahmen seiner besonderen Aufgabe befugt, alle Ermittlungen anzustellen, die ihm zur Erfüllung dieser Aufgabe notwendig erscheinen. Er kann für Zwecke seiner Sonderaufgabe im Reiche insbesondere auch mit den Landesregierungen in unmittelbare Verbindung treten, um sich über Einrichtungen und Tätigkeit von Landesbehörden zu unterrichten. 3. Zur wirksamen Förderung seiner Aufgabe ist der Sparkommissar, bei Verhinderung sein Vertreter, an allen Kabinettssitzungen mit beratender Stimme und dem Recht der Antragstellung in allen organisatorischen, finanziellen und sonstigen mit seiner Aufgabe in Verbindung stehenden Angelegenheiten zu beteiligen. 4. Im übrigen wird die gesetzlich festgelegte Unabhängigkeit des Sparkommissars, Herrn Staatsminister a. D. Saemisch, als Präsident des Rechnungshofs durch diese Sonderaufgabe nicht berührt. Richtlinien für den Reichssparkommissar zu dem Kabinettsbeschluss vom 3. 12. 1923 1. Die Reichsregierung bestimmt, dass bei Ausführung des vorstehenden Kabinettsbeschlusses nach folgenden Richtlinien zu verfahren ist: a) Die Reichsministerien sowie die ihnen nachgeordneten oder sonst in ihrem Haushalt aufgeführten Behörden, Dienststellen und Beamten sind verpflichtet, dem Sparkommissar Auskunft (schriftlich oder mündlich) zu erteilen, Akten vorzulegen und ihn auch sonst in jeder gewünschten Weise zu unterstützen. b) Der Sparkommissar soll insbesondere befugt sein, sein Prüfungsrecht bei den einzelnen Behörden und Dienststellen persönlich oder durch Vertreter auszuüben. Vor dem Beginn einer Prüfung ist dem zuständigen Reichsminister allgemein Mitteilung zu machen, damit dieser Beauftragte zur Beteiligung an der Prüfung bestimmen kann. Im Laufe dieser Prüfung können der Sparkommissar und seine Vertreter auch ohne vorherige Verständigung dienstliche Besichtigungen und Prüfungen vornehmen. c) Unbeschadet der sich aus dem Kabinettsbeschluss vom 10. Oktober 1923 ergebenden Regelung haben die Reichsministerien den Sparkommissar ferner bei Bearbeitung aller Maßnahmen von organisatorischer oder finanzieller Bedeutung auf den von ihm in Angriff genommenen Gebieten ständig zu beteiligen und ihm fortlaufend Übersichten über alle in ihrem Bereich getroffenen Sparmaßnahmen und ihre Ergebnisse zu übermitteln. d) Der Sparkommissar ist befugt, Hilfskräfte heranzuziehen. Die Ressorts haben den Anträgen auf Stellung geeigneter Beamten zu entsprechen, soweit nicht unabweisbare dienstliche Interessen entgegenstehen. Diese Beamten und ihre Planstellen dürfen während ihrer Beschäftigung bei dem Sparkom-

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missar nur nach Anhörung des Sparkommissars und mit Zustimmung des Herrn Reichsministers der Finanzen in den Personalabbau einbezogen werden. Daneben werden die Reichsministerien dem Sparkommissar einen oder mehrere Beamte namhaft machen, die zu jeder Auskunftserteilung in erster Linie selbst bereitstehen und die Vermittlung mit den sonst zuständigen Dienststellen und Beamten zu übernehmen haben. Diese sind auch berufen, als Sparbeauftragter ihres Ressorts auf Grund ihrer Kenntnis der Verwaltung den Sparkommissar sowohl durch eigene Vorschläge wie durch tätige Mitwirkung bei Durchführung seiner Arbeiten zu unterstützen. 2. Die Reichsregierung ermächtigt den Reichsminister der Finanzen, die Präsidenten der Landesfinanzämter dahin anzuweisen, dass sie als Beauftragte des Sparkommissars im Rahmen und nach Maßgabe der ihm durch den vorstehenden Kabinettsbeschluss übertragenen Sonderaufgabe tätig werden. Hierbei können die Präsidenten sich geeigneter Hilfskräfte bedienen, die im Benehmen mit ihnen vom Sparkommissar bestellt werden. Dieser wird den Präsidenten die näheren Weisungen, insbesondere wegen des zeitlichen Beginns und der Art ihrer Inanspruchnahme unmittelbar erteilen. 3. Der Sparkommissar und seine Vertreter sind bei der Aufstellung der Haushaltsvoranschläge gutachtlich zu hören und es ist ihre Mitwirkung bei den Beratungen in Anspruch zu nehmen. 4. Die Reichsregierung ist damit einverstanden, dass der Sparkommissar, soweit ihm dies zur Sicherung der Durchführung seiner Aufgabe erforderlich erscheint, bei planmäßigen Anstellungen und Beförderungen auf seinen Wunsch von der Zentralausgleichsstelle vor deren Entscheidung gutachtlich gehört wird. Richtlinien für den Reichssparkommissar vom 14. 12. 1926 I. Die Reichsregierung richtet an den Präsidenten des Rechnungshofs des Deutschen Reichs, Staatsminister a. D. Saemisch, das Ersuchen, sie in allen Fragen der zweckmäßigen Gestaltung, Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung zu beraten und seine bisherige Tätigkeit als Reichsparkommissar im Benehmen mit dem Reichsfinanzministerium oder Reichsministerium des Inneren je nach Zuständigkeit fortzuführen. Dabei soll nach folgenden Richtlinien verfahren werden: 1. Der Reichssparkommissar wird durch Gutachten und Vorschläge auf eine zweckmäßige, vereinfachte und wirtschaftliche Gestaltung der Verwaltung und der gesamten Haushaltsführung hinwirken; dabei wird er sein Augenmerk auch auf die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen den einzelnen Reichsverwaltungen und die Scheidung der Aufgabenkreise von Reich, Ländern und Gemeinden richten. Der Reichsminister der Finanzen und für ihre Ressorts die übrigen Reichsminister werden jeweils besondere Ersuchen

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an den Reichssparkommissar richten; es bleibt ihm jedoch unbenommen, jederzeit nach Verständigung mit den Ressortministern auch von sich aus gegenüber der Reichsregierung gutachtliche Äußerungen abzugeben sowie Vorschläge zu machen und zu deren Vorbereitung die notwendigen Besprechungen mit den Ressorts abzuhalten. 2. Zum Zwecke der Erfüllung dieser Aufgaben ist der Reichssparkommissar berechtigt, bei den Reichsbehörden in allen Verwaltungszweigen Prüfungen, insbesondere auch örtliche Besichtigungen vorzunehmen oder durch sachkundige Beauftragte vornehmen zu lassen. Er hat sich hierzu mit den zuständigen Reichsministern vorher ins Benehmen zu setzen. Die Leiter der Behörden sind verpflichtet, ihm oder seinen Beauftragten jede gewünschte Auskunft zu erteilen und Einsichtnahme zu gestatten sowie ihm auch sonst in jeder Weise behilflich zu sein. Es können hierzu besondere Beamte bestellt werden, welche dem Reichssparkommissar oder seinen Beauftragten die erforderlichen Aufschlüsse zu geben oder zu vermitteln haben. Die Präsidenten der Landesfinanzämter werden den Reichssparkommissar bei seiner Tätigkeit selbst oder durch Beauftragte unterstützen. Die Reichsministerien werden den Reichssparkommissar bei organisatorischen oder finanziellen Maßnahmen beteiligen; das Reichsfinanzministerium wird ihn bei der Aufstellung der Haushaltsvoranschläge zuziehen. Die Reichsregierung ermächtigt den Reichssparkommissar, an die Landesregierung heranzutreten, um sich über Einrichtungen und Tätigkeit von Landes- und Gemeindebehörden zu unterrichten; er kann auf Wunsch der Landesregierung entsprechende Prüfungen auch bei den Landesverwaltungen vornehmen. 3. Der Reichssparkommissar wird zu den Sitzungen des Reichsministeriums für seine Person Einladung erhalten. Er kann in allen organisatorischen, finanziellen sowie sonstigen mit seiner Aufgabe in Verbindung stehenden Angelegenheiten Anträge stellen. Im Falle seiner Behinderung bedarf die Entsendung eines Vertreters der Zustimmung des Staatssekretärs in der Reichskanzlei. Er ist befugt, sich an den Sitzungen des Reichstags, des Reichsrats und des Reichswirtschaftsrats oder ihrer Ausschüsse zu beteiligen. II. Zum Zwecke der Durchführung dieser Aufgaben wird dem Reichssparkommissar ein Büro beigeordnet, das seinen Sitz in Berlin haben und dessen Haushalt dem des Rechnungshofs des Deutschen Reichs angegliedert werden wird. Die Reichsregierung wird die dazu erforderlichen Planstellen und Mittel im Reichshaushaltsplane für 1927 anfordern. Sollte durch einen Wechsel in der Person des Präsidenten des Rechnungshofs, im Wege gegenseitiger Vereinbarung oder durch Rücktritt des Staatsministers a. D. Saemisch das eingangs bezeichnete Verhältnis gelöst werden, so treten die mit Planstellen ausgestatteten Beamten des Büros des Reichssparkommissars zum Reichsfinanzministerium über, soweit sie nicht in anderen Ressorts Verwendung finden. Bis zur Bewilli-

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gung des Haushaltsplans werden die nötigen Beamten in der bisherigen Weise zur Verfügung gestellt werden. III. Mit der Durchführung dieses Beschlusses wird der Reichsminister der Finanzen beauftragt. Kabinettsbeschluss vom 8. 1. 1952 betreffend Einsetzung eines Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung 1. Die Finanzlage des Bundes macht die größte Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit in der gesamten Verwaltung, d. h. die Erreichung des höchsten Wirkungsgrades erforderlich. Um dieses Ziel zu erreichen, genügt nicht die Einschränkung und sorgfältige Bemessung der Ausgabemittel. Die Bundesverwaltung muss vielmehr auch durch organisatorische Maßnahmen rationell gestaltet werden. Nach § 8 des Gesetzes über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes vom 27. November 1950 (Bundesgesetzbl. S. 765) hat der Präsident des Bundesrechnungshofs auf Ersuchen des Bundestags, des Bundesrats, der Bundesregierung oder des Bundesministers der Finanzen sich über Fragen gutachtlich zu äußern, die für die Bewirtschaftung öffentlicher Mittel in der Bundesverwaltung von Bedeutung sind. Vorschläge für eine sparsame und rationellere Gestaltung der Bundesverwaltung kann der Bundesrechnungshof, abgesehen von einer besonderen Beauftragung im einzelnen Falle, jedoch von sich aus nur in Verbindung mit der Rechnungsprüfung, d. h. oft erst lange Zeit, nachdem die Ausgaben geleistet sind, machen (§ 96 Abs. 1 Ziff. 4 RHO). Es ist aber notwendig, dass eine Stelle geschaffen wird, die ohne Verknüpfung mit der Rechnungslegung schon vor der Leistung der Ausgaben von sich aus allgemeine Vorschläge für Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit machen kann. 2. Zu diesem Zweck übernimmt der Präsident des Bundesrechnungshofs, Herr Mayer, im Einvernehmen mit der Bundesregierung die Aufgaben eines „Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung“. Bei der Durchführung der Aufgaben bedient er sich der Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofs. 3. Die Aufgaben des „Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung“ und seine Tätigkeit richten sich nach den anliegenden „Richtlinien über die Aufgaben und die Tätigkeit des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung“.

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Richtlinien über die Aufgaben und die Tätigkeit des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung vom 8. 1. 1952 1. Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat die Bundesregierung in allen Fragen der Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung zu beraten mit dem Ziel, den Aufwand zu verringern und den Wirkungsgrad der Verwaltung zu steigern. Sein Aufgabengebiet erstreckt sich auf die gesamte Bundesverwaltung einschließlich der Sondervermögen und aller Behörden, Anstalten und Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die Mittel verwalten, deren Prüfung auf Grund der RHO und des Gesetzes über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofs vom 27. November 1950 oder anderer Bestimmungen dem Bundesrechnungshof obliegt. Er hat dabei auf wirtschaftlichen Einsatz der Haushaltsmittel hinzuwirken, Vorschläge für eine sparsame, nach zeitgemäßen Grundsätzen aufgebaute Organisation zu machen und zu prüfen, ob die Zielsetzungen der Bundesmaßnahmen auf wirtschaftlicherem Weg erreicht werden können. Dabei wird er auch sein Augenmerk auf die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen den verschiedenen Bundesverwaltungen und die Scheidung der Aufgabenkreise zwischen Bund, Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbände) richten. 2. Der Bundesbeauftragte wird auf Ersuchen des Bundestags, des Bundesrats, der Bundesregierung und des Bundesministers der Finanzen gutachtlich tätig werden. Ebenso sind die übrigen Bundesminister berechtigt, ein derartiges Ersuchen an ihn zu richten. Die Gutachten sind der ersuchenden Stelle unmittelbar zuzuleiten. Der Bundesbeauftragte soll jedoch auch von sich aus in sein Aufgabengebiet fallende Fragen aufgreifen und den zuständigen Bundesministern gutachtliche Äußerungen und Vorschläge machen. Bei der Erstattung seiner Gutachten ist er von Weisungen irgendwelcher Art unabhängig. 3. Der Bundesbeauftragte ist im Rahmen seines Aufgabengebietes berechtigt, Prüfungen und örtliche Besichtigungen vorzunehmen oder durch seine bevollmächtigten Mitarbeiter vornehmen zu lassen. Die zuständigen Bundesminister sind hiervon vorher zu unterrichten. Der Leiter jeder in Anspruch genommenen Stelle ist verpflichtet, den Bundesbeauftragten und seine bevollmächtigten Mitarbeiter in jeder Hinsicht durch Auskunft, Vorlage von Akten usw. zu unterstützen. Zu diesem Zweck kann auf Verlangen des Bundesbeauftragten ein besonderer Mitarbeiter bereitgestellt werden, der den Bundesbeauftragten und seine bevollmächtigten Mitarbeiter bei den örtlichen Feststellungen unterstützt und die erforderlichen Auskünfte und Einsichtnahmen vermittelt. 4. Die Bundesministerien beteiligen den Bundesbeauftragten bei organisatorischen oder finanziellen Maßnahmen von größerer geldlicher Tragweite. Er wird bei der Aufstellung der Haushaltsvoranschläge beteiligt.

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5. Der Bundesbeauftragte wird ermächtigt, an die Landesregierungen heranzutreten, um sich über Einrichtungen und Tätigkeit von Landes- und Gemeindebehörden mit deren Einverständnis zu unterrichten. Er kann in gleicher Weise wie für die Bundesverwaltung auf Antrag von Ländern auch für diese gegen Erstattung der Kosten tätig werden. In besonderen Fällen kann er mit Zustimmung des Bundesfinanzministers von der Kostenerstattung absehen. 6. Auf Antrag eines Bundesministers kann der Bundesbeauftragte mit beratender Stimme an den Sitzungen des Bundeskabinetts teilnehmen, soweit Angelegenheiten seines Aufgabengebiets behandelt werden. Insoweit ist er auch berechtigt, im Bundeskabinett Anträge zu stellen. 7. Der Bundesbeauftragte ist befugt, an den Sitzungen des Bundestages, des Bundesrats und ihrer Ausschüsse im Rahmen der Geschäftsordnung dieser Körperschaften selbst oder durch Beauftragte teilzunehmen. Er unterrichtet den Bundesminister der Finanzen von allen Aufträgen, die er von anderen Stellen erhält, und übermittelt ihm sämtliche von ihm erstatteten Gutachten und gemachten Vorschläge. 8. Eine besondere Behörde wird für den Bundesbeauftragten nicht eingerichtet. Er bedient sich für seine Aufgaben der Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofs. Änderung des Kabinettsbeschlusses am 22. 5. 1957 Ziffer 2 des Beschlusses wird von: „Zu diesem Zweck übernimmt der Präsident des Bundesrechnungshofes, Herr Mayer, im Einvernehmen mit der Bundesregierung die Aufgaben eines Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. Bei der Durchführung der Aufgaben bedient er sich der Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofes.“ geändert in: „Zu diesem Zweck übernimmt der jeweilige Präsident des Bundesrechnungshofes im Einvernehmen mit der Bundesregierung die Aufgaben eines Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung.“ Richtlinien für den BWV vom 7. 4. 1965 1. Der Bundesbeauftragte wird durch Vorschläge und Gutachten auf eine zweckmäßige, einfache und wirtschaftliche Gestaltung der Bundesverwaltung und der Haushaltsführung hinwirken und die Bundesregierung zur Erreichung dieses Ziels beraten. Das Aufgabengebiet des Bundesbeauftragten bezieht sich auf die

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gesamte Bundesverwaltung einschließlich der Sondervermögen und aller Stellen, die Mittel verwalten, deren Prüfung dem Bundesrechnungshof obliegt. Der Bundesbeauftragte wird dabei auch die Aufgabenabgrenzung zwischen dem Bund, den Ländern, den Gemeinden und Gemeindeverbänden und innerhalb der Bundesverwaltungen beobachten. Der Bundesbeauftragte wird von sich aus oder auf Ersuchen der Bundesregierung oder auf Ersuchen eines Bundesministers beratend tätig. Der Bundesbeauftragte hat den Deutschen Bundestag und den Bundesrat zu beraten, soweit es vom Deutschen Bundestag oder vom Bundesrat gewünscht wird. Schriftliche Gutachten sind der ersuchenden oder der vom Gutachten betroffenen Stelle unmittelbar zuzuleiten. An andere Stellen können Gutachten nur im Einvernehmen mit der ersuchenden oder betroffenen Stelle gegeben werden. 2. Die Bundesregierung und die Bundesminister beteiligen den Bundesbeauftragten bei organisatorischen oder finanziellen Maßnahmen von größerer Tragweite sowie bei der Aufstellung und Beratung der Haushaltsvoranschläge. 3. Der Bundesbeauftragte wird ermächtigt, an die Landesregierungen heranzutreten, um sich über Einrichtungen und Arbeitsweise von Landes- und von Gemeindebehörden mit deren Einverständnis zu unterrichten. Auf Ersuchen von Ländern kann er auch für diese gegen Erstattung der Kosten tätig sein. 4. Der Bundesbeauftragte kann an den Sitzungen des Deutschen Bundestages, des Bundesrates oder ihrer Ausschüsse selbst oder durch Beauftragte im Rahmen der Geschäftsordnung dieser Körperschaften teilnehmen. Der Bundesbeauftragte kann auf seine Anregung oder auf Anregung eines Bundesministers mit Zustimmung des Bundeskanzlers an den Sitzungen des Bundeskabinetts teilnehmen. Der Bundesbeauftragte erhält die Protokolle über die Sitzungen, an denen er teilnimmt. Auch kann er im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler Einsicht in andere Kabinettsprotokolle nehmen. 5. Der Bundesbeauftragte kann örtliche Erhebungen vornehmen oder durch Beauftragte vornehmen lassen; er unterrichtet hiervon vorher den zuständigen Bundesminister. Der Leiter jeder in Anspruch genommenen Stelle hat den Bundesbeauftragten und seine Beauftragten in jeder Hinsicht (z. B. durch Auskünfte, Vorlage von Akten, Bestellung von Mitarbeitern und bevollmächtigten Verbindungsleuten) zu unterstützen. 6. Der Bundesbeauftragte bedient sich für seine Aufgaben der Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofes. 7. Die Richtlinien vom 8. Januar 1952 / 13. Mai 1957 treten außer Kraft.

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Richtlinien für den BWV vom 26. 8. 1986 1. Der Präsident des Bundesrechnungshofs ist traditionell jeweils zugleich Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV). Über die Bestellung des BWV wird nach Ernennung des Präsidenten des Bundesrechnungshofs von der Bundesregierung entschieden. Die Bestellung setzt sein Einverständnis voraus. Er wird vom Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofs vertreten. 2. Der BWV wirkt durch Vorschläge, Gutachten oder Stellungnahmen auf eine wirtschaftliche Erfüllung der Bundesaufgaben und eine dementsprechende Organisation der Bundesverwaltung einschließlich ihrer Sondervermögen und Betriebe hin. Die Beratung nach Satz 1 erstreckt sich auch auf die Gesetzgebungstätigkeit des Bundes (§ 23 Abs. 2 GGO II). Der BWV kann nach vorheriger Unterrichtung des zuständigen Bundesministers örtliche Erhebungen vornehmen oder durch Beauftragte vornehmen lassen. Die Erhebungen sind von den betroffenen Stellen in jeder Hinsicht (zum Beispiel durch Auskünfte oder Aktenvorlage) zu unterstützen. 3. Der BWV kann auf Anregung der Bundesregierung, einzelner Bundesminister, des Bundestages, des Bundesrates oder aus eigener Initiative beratend tätig werden. Soweit er den Bundestag oder den Bundesrat berät, unterrichtet er gleichzeitig die Bundesregierung. An andere Stellen darf der BWV seine Vorschläge, Gutachten oder Stellungnahmen nur im Einvernehmen mit dem betroffenen Bundesminister weiterleiten, wenn aus dessen Geschäftsbereich Auskünfte oder Ergebnisse von Erhebungen verwendet worden sind. 4. Bei organisatorischen oder sonstigen Maßnahmen von erheblicher finanzieller Tragweite unterrichten die Bundesminister den BWV rechtzeitig in geeigneter Weise, soweit nicht der Bundesrechnungshof nach §§ 102, 103 BHO zu unterrichten ist. Der BWV kann an Kabinettssitzungen auf seine Anregung oder auf Anregung eines Bundesministers mit Zustimmung des Bundeskanzlers teilnehmen; er erhält die Protokolle über die Sitzungen, an denen er teilgenommen hat, und kann in andere Kabinettsprotokolle im Einvernehmen mit dem Chef des Bundeskanzleramtes Einsicht nehmen. 5. Der BWV ist ermächtigt, nach Zustimmung des zuständigen Bundesministers bei bundesunmittelbaren Juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Zuwendungsempfängern des Bundes im Sinne der Nr. 2 Abs. 1 tätig zu werden, sofern die Betroffenen damit einverstanden sind. Der BWV ist ermächtigt, an die Landesregierungen heranzutreten, um sich über Einrichtungen und Arbeitsweise von Landes- und Gemeindebehörden mit deren Einverständnis zu unterrichten. 6. Die Richtlinien vom 10. März 1965 werden aufgehoben.

Literatur und Materialien A. Literatur Adami, Nikolaus: Die Haushaltspolitik des Bundes von 1955 –1965, Bonn 1970. Alecke, Björn: Deutsche Geldpolitik in der Ära Bretton Woods, Münster 1999. Arnim von, Hans Herbert: Grundprobleme der Finanzkontrolle, DVBl. 1983, S. 664 ff. Arnim von, Hans Herbert: Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, Berlin 1988. Arnim von, Hans Herbert: Finanzkontrolle in der Demokratie. Einordnung der Rechnungshofkontrolle in das politisch-administrative System der Bundesrepublik Deutschland, in: von Arnim, Hans Herbert (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, Berlin 1989, S. 39 ff. Baer, Susanne: Vermutungen zu Kernbereichen der Regierung und des Parlaments, Der Staat 40 (2001), S. 525 ff. Bajohr, Stefan: Perspektiven der Finanzkontrolle: Parlamentarische Prüfungsaufträge an Rechnungshöfe, in: VerwArch 91 (2000), S. 507 ff. Bank, Bernhard: Zur Problematik der Gutachtertätigkeit des Rechnungshofes, seines Präsidenten und des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, DVBl. 1966, S. 362 ff. Baring, Arnulf / Görtemaker, Manfred: Machtwechsel. Die Ära Brandt-Scheel, Berlin 1998. Beckensträter, Friedrich Wilhelm: Die Stellung der Rechnungshöfe im System der Dreiteilung der Staatsgewalt, Frankfurt am Main 1961. Becker, Florian: Die Einschränkung der Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofes durch das Fraktionsgesetz, ZG 1996, S. 261 ff. Benninghoff-Lühl, Reinhard: Die Methode der Gutachten des Reichssparkommissars, Diss. iur., Köln 1956. Berber, Friedrich: Dokumentensammlung zum Völkerrecht, Band 2, Konfliktsrecht, München, Berlin 1967. Bertrams, Michael: 50 Jahre Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen, NWVBl. 1999, S. 1 ff. Bilfinger, Karl: Der Reichssparkommissar, Berlin und Leipzig 1928. Blasius, Hans: Der Rechnungshof als körperschaftlich-kollegial verfaßte unabhängige Einrichtung, JZ 1990, S. 954 ff.

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Literatur und Materialien

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324

Literatur und Materialien

Stern, Klaus: Bundesrechnungshof und Finanzkontrolle aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Der Präsident des Bundesrechnungshofes (Hrsg.), Festakt 275 Jahre staatliche Finanzkontrolle in Deutschland, Reden anlässlich des Festaktes am 13. Oktober 1989 im Kaisersaal des Römers zu Frankfurt am Main, S. 9 ff. Störring, Lars Peter: Das Untermaßverbot in der Diskussion – Untersuchung einer umstrittenen Rechtsfigur, Berlin 2009. Stolleis, Michael: Besatzungsherrschaft und Wiederaufbau deutscher Staatlichkeit 1945 – 1949, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 3. Auflage, Heidelberg 2003, S. 269 ff. Strätling, Ansgar: Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in: Falk, Svenja / Römmele, Andrea / Rehfeld, Dieter / Thunert, Martin (Hrsg.): Handbuch Politikberatung, Wiesbaden, 2006, S. 353 ff. Strube, Sonia: Die Geschichte des Haushaltsrechts vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Eine ökonomische Analyse im Lichte der Budgetfunktion, Berlin 2002. Tiemann, Susanne: Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes, Berlin 1974. Treuner, Jens-Hermann: Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, DVBl. 1992, S. 421 ff. Treuner, Jens-Hermann: Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, in: Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Festgabe 50 Jahre Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Stuttgart 2002, S. 1 ff. Vialon, Friedrich Karl: Streitfragen der öffentlichen Finanzkontrolle, Finanzarchiv Band 22, 1962/63, S. 1 ff. Vialon, Friedrich Karl: Haushaltsrecht, Kommentar zur Haushaltsordnung (RHO) und zu den Finanzbestimmungen des Bonner Grundgesetzes, 2. Auflage, Berlin, Frankfurt 1959. Vialon, Friedrich Karl: Öffentliche Finanzwirtschaft, Berlin, Frankfurt 1956. Vogel, Klaus: Verfassungsrechtliche DVBl. 1970, S. 193 ff.

Grenzen

der

öffentlichen

Finanzkontrolle,

Vogel, Klaus / Kirchhof, Paul: Kommentierung zu Art. 114 GG, in: Dolzer, Rudolf / Kahl, Wolfgang /Waldhoff, Christian (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg, 143. Aktualisierung Dezember 2009. Voß, Reimer: Johannes Popitz (1884 – 1945). Jurist, Politiker, Staatsdenker unter drei Reichen – Mann des Widerstands, Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2006. Voßkuhle, Andreas: Sachverständige Beratung des Staates, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III, 3. Auflage, Heidelberg 2005, S. 425 ff. Waechter, Kay: Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen im parlamentarischen Regierungssystem, Zur Wirkung von Verfassungsprinzipien und Grundrechten auf institutionelle und kompetenzielle Ausgestaltungen, Berlin 1994.

Literatur und Materialien

325

Wagner, Norbert Berthold: 50 Jahre Bundesrechnungshof – Zugleich ein Beitrag zu den organisatorischen Entwicklungslinien im preußisch-deutschen Rechnungskontrollwesen, in: AöR 126 (2001), S. 93 ff. Weber, Hartmut (Hrsg.): Die Kabinettsprotokolle der Bundesergierung, Band 13, 1960, bearbeitet von Ralf Behrendt und Christoph Seemann, München 2003. Weber, Hartmut (Hrsg.): Die Kabinettsprotokolle der Bundesergierung, Band 14, 1961, bearbeitet von Ulrich Enders und Jörg Filthaut, München 2004. Weber, Hartmut (Hrsg.): Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Band 15, 1962, bearbeitet von Uta Rössel und Christoph Seeman, München 2005. Weber, Hartmut (Hrsg.): Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Band 16, 1963, bearbeitet von Ulrich Enders und Christoph Seeman, München 2006. Weber, Hartmut (Hrsg.): Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Band 17, 1964, bearbeitet von Josef Henke und Uta Rössel, München 2007. Weinert, Rainer: NS-Staat II: Wie ein „Veilchen im Verborgenen“ – Der Reichsrechnungshof im 2. Weltkrieg, in: Pirker, Theo (Hrsg.), Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung: Entwicklung und Bedeutung der Rechnungshöfe im 20. Jahrhundert, Berlin 1987, S. 51 ff. Wieland, Joachim: Rechnungskontrolle im demokratischen Rechtsstaat, DVBl. 1995, S. 894 ff. Wiesner, Herbert / Leibinger, Bodo / Müller, Reinhard: Öffentliche Finanzwirtschaft, 11. Auflage, Heidelberg 2004. Winkler, Heinrich August: Weimar 1918 – 1933: Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, München 1993. Wittrock, Karl: Stenographische Niederschrift der Veranstaltung „Möglichkeiten und Grenzen der Finanzkontrolle – Zum Verhältnis von Bundesrechnungshof und Parlament“, Deutsche Vereinigung für Parlamentsfragen, Bonn 1981. Wittrock, Karl: Rechnungsprüfung 1713 – 1918: Die Anfänge moderner Haushaltskontrolle, in: Jeserich, Kurt G.A. / Pohl, Hans / von Unruh, Georg-Christoph (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 3, Stuttgart 1984, S. 931 ff. Wittrock, Karl: Das Ende des Reichsrechnungshofes und die Versuche eines Neubeginns, DÖV 1986, S. 329 ff. Wittrock, Karl: Aktuelle Probleme der Finanzkontrolle I: Das Bundesrechnungshofgesetz im Lichte historischer Rückblende, in: Pirker, Theo (Hrsg.), Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung: Entwicklung und Bedeutung der Rechnungshöfe im 20. Jahrhundert, Berlin 1987, S. 155 ff. Zavelberg, Heinz Günter: 275 Jahre staatliche Rechnungsprüfung in Deutschland – Etappen der Entwicklung, in: Zavelberg, Heinz Günter (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen: Geschichte und Gegenwart 1714 – 1989, Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer, Berlin 1989, S. 43 ff.

326

Literatur und Materialien

B. Materialien I. Stenografische Berichte (Weimarer Reichstag) WRT-StenBer, 1. WP /Bd. 357 /282. Sitzung vom 14. 12. 1922 WRT-StenBer, 1. WP /Bd. 357 /284. Sitzung vom 15. 12. 1922 WRT-StenBer, 1. WP /Bd. 374 (Anlage Nr. 4510, Nr. 5377) WRT-StenBer, 1. WP /Bd. 375 (Anlage Nr. 5377) WRT-StenBer, 3. WP /Bd. 415. (Anlage Nr. 3374, Nr. 4510) WRT-StenBer, 4. WP /Bd. 424 /60. Sitzung vom 21. 3. 1929 WRT-StenBer, 4. WP /Bd. 426 /132. Sitzung vom 26. 2. 1930 WRT-StenBer, 4. WP /Bd. 435 (Anlage Nr. 911) WRT-StenBer, 4. WP /Bd. 436 (Anlage Nr. 1053) WRT-StenBer, 4. WP /Bd. 439 (Anlage Nr. 1587) WRT-StenBer, 4. WP /Bd. 442 (Anlage Nr. 2080)

II. Verhandlungen des Ausschusses für den Reichshaushalt III. Wahlperiode 1924, 72. Sitzung am 22. 6. 1925 IV. Wahlperiode 1928, 101. Sitzung vom 11. 11. 1929 IV. Wahlperiode 1928, 104. Sitzung vom 26. 11. 1929 IV. Wahlperiode 1928, 105. Sitzung vom 12. 12. 1929 IV. Wahlperiode 1928, 108. Sitzung vom 18. 12. 1929 IV. Wahlperiode 1928, 175. Sitzung vom 31. 5. 1930 V. Wahlperiode 1930, 37. Sitzung vom 5. 2. 1931 V. Wahlperiode 1930, 106. Sitzung vom 4. 5. 1932

III. Bundestagsdrucksachen BT-Drs. 1/223

BT-Drs. 4/3605

BT-Drs. 10/3847

BT-Drs. 1/424

BT-Drs. 5/3040

BT-Drs. 11/2858

BT-Drs. 1/1141

BT-Drs. 5/4378

BT-Drs. 11/7432

BT-Drs. 1/1460

BT-Drs. 7/911

BT-Drs. 11/7691

BT-Drs. 1/2924

BT-Drs. 7/4297

BT-Drs. 12/1040

BT-Drs. 1/3341

BT-Drs. 8/5

BT-Drs. 14/220

BT-Drs. 2/1140

BT-Drs. 8/3238

BT-Drs. 14/1101

BT-Drs. 4/2048

BT-Drs. 10/2929

BT-Drs. 14/4226

BT-Drs. 4/3040

BT-Drs. 10/3323

BT-Drs. 14/8863

BT-Drs. 4/3440

BT-Drs. 10/3510

BT-Drs. 15/1495

Literatur und Materialien

327

BT-Drs. 15/4080

BT-Drs. 16/2400

BT-Drs. 16/11000

BT-Drs. 15/4081

BT-Drs. 16/6147

BT-Drs. 17/15

BT-Drs. 15/5781

BT-Drs. 16/7570

BT-Drs. 17/4641

BT-Drs. 16/840

BT-Drs. 16/7727

BT-Drs. 17/2290

BT-Drs. 16/7727

BT-Drs. 16/8800

IV. Bundesratsdrucksachen BR-Drs. 169/02 BR-Drs. 865/09

V. Stenografische Berichte (Deutscher Bundestag) BT-StenBer, 1. WP /79. Sitzung vom 26. 7. 1950 BT-StenBer, 1. WP /96. Sitzung vom 27. 10. 1950 BT-StenBer, 1. WP /186. Sitzung vom 17. 1. 1952 BT-StenBer, 1. WP /194. Sitzung vom 20. 2. 1952 BT-StenBer, 16. WP /3. Sitzung vom 22. 11. 2005

VI. Kurzprotokolle des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages Kurzprotokoll Nr.162 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 6. 2. 1952, 1.WP, S. 6. Kurzprotokoll Nr. 46 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 10. 11. 1954, 2. WP, S. 2 ff. Kurzprotokoll Nr. 8 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 12. 3. 1958, 3. WP, S. 19 ff. Kurzprotokoll Nr. 106 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 28. 1. 1960, 3. WP, S. 3. Kurzprotokoll Nr. 137 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 20. 10. 1960, 3. WP, S. 22.

VII. Kurzprotokolle des Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages Kurzprotokoll der 23. Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages vom 24. 9. 2004, 15. WP, S. 15.

328

Literatur und Materialien

VIII. Bundesarchiv Koblenz 1. Amtszeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Josef Mayer (1950 bis 1956) a) Akten des Bundeskanzleramtes (BA, Best. B 136/22588) Schreiben von Bundeskanzler Adenauer − 17. Juni 1952 Schreiben des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt Lenz − 18. Februar 1952 Schreiben des Leiters des Kanzler-Büros Petz − 28. März 1952 Vermerke des Referates 4 im Bundeskanzleramt − 2. Mai 1952 − 5. Juni 1952 Vermerke des Bundeskanzleramts (Verfasser und Abteilung unbekannt) − 23. Januar 1952 − 7. Februar 1952 − 15. März 1952 Schreiben von Bundesfinanzminister Schäffer − 15. Dezember 1951 − 21. März 1952 − 22. Januar 1954 Schreiben des Ministerialrats im Bundesfinanzministerium Kleberger − 22. März 1952 Schreiben des Bundesrechnungshofpräsidenten Mayer − 26. Februar 1952 Pressemitteilung des Bundes der Steuerzahler − 14. Oktober 1950

b) Akten des Bundesministeriums für Wohnungsbau (BA, Best. B 134/3227) Vermerke des Bundeskanzleramtes (Verfasser und Abteilung unbekannt) − 20. September 1951 − 4. Oktober 1951 − 5. Oktober 1951 Schreiben von Bundesfinanzminister Schäffer − − − −

13. September 1951 3. Oktober 1951 6. Oktober 1951 9. Oktober 1951

Literatur und Materialien

c) Akten des Bundesministeriums der Finanzen (BA, Best. B 126/16455) Vermerk des Abteilungsleiters I a im Bundesfinanzministerium − Dezember 1958 Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Mayer − 19. Oktober 1951

2. Amtszeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Heinz Maria Oeftering (1957) a) Akten des Bundeskanzleramtes (BA, Best. B 136/22588) Schreiben des Bundeskanzleramts − 3. Mai 1957 Vermerke des Referates 8 im Bundeskanzleramt − 30. März 1957 − 13. Mai 1957 Schreiben von Bundesfinanzminister Schäffer − 6. April 1957 Vermerk des Bundesfinanzministeriums (Verfasser und Abteilung unbekannt) − 15. Mai 1957 Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Oeftering − 19. März 1957

3. Amtszeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Guido Hertel (1957 bis 1963) a) Akten des Bundeskanzleramtes (BA, Best. B 136/1585) Schreiben von Bundespostminister Stücklen − 21. Oktober 1957 Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Hertel − 8. November 1957

b) Akten des Bundeskanzleramtes (BA, Best. B 136/4782) Vermerk des Referates 6 im Bundeskanzleramt − 24. März 1958

c) Akten des Bundeskanzleramtes (BA, Best. B 136/4858) Schreiben des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt Globke − 15. November 1958

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330

Literatur und Materialien

− 27. November 1958 Vermerk des Referates 4 im Bundeskanzleramt − 24. Mai 1958 Vermerke des Referates 6 im Bundeskanzleramt − 9. Juni 1958 − 13. Juni 1958 Vermerke des Referates 8 im Bundeskanzleramt − 30. Mai 1958 − 6. Juni 1958 Vermerk des Referates 10 im Bundeskanzleramt − 14. Januar 1959 Vermerk des Referenten Praß aus dem Referat 12 des Bundeskanzleramtes − Januar 1959 Vermerke des Bundeskanzleramtes (Verfasser und Abteilung unbekannt) − 20. Oktober 1958 − 27. Januar 1959 Schreiben von Bundesfinanzminister Etzel − 26. Juni 1958 − 6. Oktober 1958 Schreiben des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium Hartmann − 4. November 1958 − 11. Februar 1959 Vermerk des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium Hettlage − 24. Mai 1960 Schreiben von Bundesjustizminister Schäffer − 10. Januar 1961 Schreiben von Bundespostminister Stücklen − 24. November 1958 Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Hertel − 30. Mai 1958

d) Akten des Bundeskanzleramtes (BA, Best. B 136/7173) Schreiben des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt Globke − 5. Januar 1958 Vermerk des Referates 8 im Bundeskanzleramt − 29. November 1957 Vermerk der Unterabteilung A des Bundeskanzleramts − 12. August 1957

Literatur und Materialien Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Hertel − − − −

20. Juli 1957 23. Oktober 1957 20. Dezember 1957 17. Februar 1958

Schreiben des Bundes der Steuerzahler − 10. Dezember 1958

e) Akten des Bundeskanzleramtes (BA, Best. B 136/22588) Schreiben von Bundeskanzler Adenauer − 23. Juli 1957 Vermerke des Referates 8 im Bundeskanzleramt − 3. Juli 1957 − 6. August 1957 Vermerk der Unterabteilung A des Bundeskanzleramtes − 31. Mai 1957 Schreiben des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt Globke − 7. Juni 1957 Vermerk des Bundesfinanzministeriums − 7. Juni 1957 Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Hertel − 21. Juni 1957 − 19. Januar 1961

f) Akten des Bundesministeriums der Finanzen (BA, Best. B 126/8072) Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Hertel − 10. Oktober 1957

g) Akten des Bundesministeriums der Finanzen (BA, Best. B 126/16455) Schreiben des Präsidenten des Bundesfinanzhofes Heßdörfer − Sommer 1959 Schreiben des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium Hettlage − 11. Juli 1960 Entwurf des Ministerialrats im Bundesfinanzministerium Hecht − Januar 1959 Vermerk des Bundesfinanzministeriums

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Literatur und Materialien

− Dezember 1958 Gutachten des Bundesfinanzministeriums − 20. Dezember 1958

h) Akten des Bundesministeriums der Finanzen (BA, Best. B 126/16457) Schreiben des Ministerialdirektors im Bundeskanzleramt Vialon − 30. Oktober 1961 Schreiben von Bundesinnenminister Schröder − 29. September 1960 Schreiben des Bundesinnenministeriums − 25. August 1961 Schreiben von Bundesfinanzminister Etzel − 16. März 1961 Vermerk des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium Hartmann − 25. April 1960 Schreiben /Vermerke des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium Hettlage − 20. Mai 1960 − 19. November 1960 − 1. Dezember 1960 Vermerk des Ministerialdirektors im Bundesfinanzministerium Korff − 21. Oktober 1960 Schreiben /Vermerke der Abteilung I im Bundesfinanzministerium − 10. November 1959 − 5. Dezember 1960 − 11. Januar 1961 Vermerke des Referates I A/2 im Bundesfinanzministerium − März 1960 − Juli 1961 Gutachten der Abteilung VI im Bundesfinanzministerium − 22. März 1961 Schreiben /Vermerke des Bundesfinanzministeriums − − − − − − − −

26. August 1957 30. Oktober 1957 16. Dezember 1957 25. Januar 1958 29. September 1960 Juli 1961 4. Mai 1961 30. September 1961

Literatur und Materialien

i) Akten des Bundesministeriums der Finanzen (BA, Best. B 126/58284) Schreiben des Bundesfinanzministeriums − 11. April 1963

j) Akten des Bundesministeriums der Finanzen (BA, Best. B 126/51722) Schreiben von Bundeskanzler Adenauer − 12. September 1961 Vermerk des Bundesfinanzministeriums − 28. März 1962 Schreiben des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium Hettlage − 7. November 1961

4. Zeit der Vakanz (1963 bis 1964) a) Akten des Bundeskanzleramtes (BA, Best. B 136/22588) Vermerk des Referates 8 im Bundeskanzleramt − 25. Februar 1964 Schreiben von Bundesfinanzminister Dahlgrün − 27. April 1964 Vermerk des Ministerialdirektors im Bundesfinanzministerium Puhan − 7. April 1964 Vermerk des Ministerialdirektors im Bundesjustizministerium Roemer − 7. April 1964

b) Akten des Bundeskanzleramtes (BA, Best. B 136/22589) Vermerk des Referates II/4 im Bundeskanzleramt − 9. März 1967 Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Hopf − 29. Januar 1965

c) Akten des Bundesministeriums der Finanzen (BA, Best. B 126/51722) Schreiben von Bundeskanzler Adenauer − 5. September 1963 − 2. Oktober 1963 Schreiben /Vermerke von Bundesfinanzminister Dahlgrün

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334 − − − −

Literatur und Materialien 3. Oktober 1963 10. Dezember 1963 1. April 1964 14. April 1964

Vermerk des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium Grund − 26. Februar 1964 Vermerke des Bundesfinanzministeriums − 31. Juli 1963 − 24. Februar 1964 − 25. Februar 1964 Vermerk des Staatssekretärs im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Hüttebräuker − 2. August 1963 Schreiben des deutschen Botschafters in Dänemark Berger − 13. Oktober 1963 Brief von MdB Ritzel − 16. Januar 1964 Pressemitteilung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung − 26. Februar 1964

d) Akten des Bundesministeriums der Finanzen (BA, Best. B 126/58284) Ausarbeitung der Abteilung VI (Justiziariat) im Bundesfinanzministerium − 5. April 1964

5. Amtszeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Volkmar Hopf (1964- 1971) a) Akten des Bundeskanzleramtes (BA, Best. B 136/22588) Schreiben von Bundeskanzleramtschef Westrick − 15. August 1964 Vermerk des Ministerialrats im Bundeskanzleramt Hornschu − 20. November 1964 Vermerk des Leiters der Abteilung II im Bundeskanzleramt Prass − 23. Oktober 1964 − 20. November 1964 Vermerke des Referates 8 im Bundeskanzleramt − 24. Juli 1964 − 3. August 1964 − 30. Oktober 1964

Literatur und Materialien − 20. November 1964 Schreiben des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium Grund − 28. Dezember 1964 Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Hopf − 14. September 1964 − 20. Juli 1964 Schreiben des Bundestagsabgeordneten Müller − 5. November 1964 Schreiben des Landesvorsitzenden der CDU Rheinland Grundmann − 16. Oktober 1964

b) Akten des Bundeskanzleramtes (BA, Best. B 136/22589) Schreiben von Bundeskanzleramtschef Westrick − 11. März 1965 Vermerk des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt Knieper − 23. Februar 1967 Vermerk des Leiters der Abteilung II im Bundeskanzleramt Praß − 4. Februar 1965 Vermerk der Abteilung III im Bundeskanzleramt − 18. November 1969 Vermerke des Referates II/4 im Bundeskanzleramt − − − −

24. März 1965 31. März 1965 9. März 1965 9. März 1967

Vermerk des Referates 3 im Bundeskanzleramt − 2. Februar 1965 Vermerk des Referates IV/5 im Bundeskanzleramt − 26. Oktober 1970 Vermerk des Kanzleramtsministers Ehmke − 23. Februar 1971 Schreiben des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium Grund − 23. Februar 1965 Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Hopf − − − − −

29. Januar 1965 17. Februar 1965 19. März 1965 5. Dezember 1966 3. März 1971

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Literatur und Materialien

c) Akten des Bundesministeriums der Finanzen (BA, Best. B 126/51722) Schreiben von Kanzleramtsminister Westrick − 2. März 1965 Schreiben von Bundesfinanzminister Dahlgrün − 16. September 1964

d) Akten des Bundesministeriums der Finanzen (BA, Best. B 126/58284) Richtlinienentwurf des Bundesfinanzministeriums − 1. Februar 1965 Vermerk des Leiters der Abteilung I im Bundesfinanzministerium − 29. Januar 1965 Vermerke des Referates I A/2 im Bundesfinanzministerium − 17. Oktober 1964 − 1. Februar 1965 Ausarbeitung des Ministerialdirektors im Bundesfinanzministerium Féaux de la Croix − 12. Oktober 1964 Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Hopf − 29. Januar 1965

e) Akten des Bundesministeriums der Finanzen (BA, Best. B 126/16457) Vermerk des Referat VI C/2 im Bundeskanzleramt − 24. Januar 1967 Vermerke des Referates I A/2 im Bundesfinanzministerium − 8. August 1967 − 16. August 1967 − 5. Januar 1967 Stellungnahme des Referates I A/3 im Bundesfinanzministerium − 27. Februar 1967 Vermerk des Referates I A/7 im Bundesfinanzministerium − 31. August 1967 Vermerk des Referates II A/3 im Bundesfinanzministerium − 2. Januar 1967

Literatur und Materialien

6. Amtszeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Hans Schäfer (1971 bis 1978) a) Akten des Bundeskanzleramtes (BA, Best. B 136/22589) Schreiben /Vermerke von Bundeskanzleramtschef Schüler − − − − −

4. Juli 1975 31. Oktober 1977 3. November 1977 27. November 1977 9. Februar 1978

Vermerk von Kanzleramtsminister Ehmke − 18. Juni 1971 Vermerke des Referates IV/4 im Bundeskanzleramt − − − −

22. Juni 1971 17. August 1971 24. August 1971 14. September 1971

Vermerke des Regierungsdirektors Kühne des Referates IV/4 im Bundeskanzleramt − − − −

26. Juni 1975 8. Juli 1975 7. November 1977 20. Dezember 1977

Vermerke des Referates 44 im Bundeskanzleramt − 16. Januar 1978 − 27. Januar 1978 Vermerke des Bundeskanzleramts − − − −

4. November 1977 30. November 1977 21. Januar 1978 30. Januar 1978

Schreiben von Bundesinnenminister Genscher − 4. August 1971 Schreiben von Bundesverteidigungsminister Schmidt − 9. Juni 1971 Schreiben von Bundesfinanzminister Apel − 25. Oktober 1977 − 12. Dezember 1978 − 9. Januar 1978 Ausarbeitung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Finanzen − 10. September 1971

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Literatur und Materialien

Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Schäfer − 15. Juli 1971 − 13. Dezember 1977

7. Amtszeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Wittrock (1978 bis 1985) a) Akten des Bundeskanzleramtes (BA, Best. B 136/22589) Vermerke des Referates 44 im Bundeskanzleramt − − − −

2. Februar 1978 14. Februar 1978 22. Februar 1978 16. Juli 1981

Schreiben der Gruppe 13 im Bundeskanzleramt − 16. Juli 1981 Vermerk des Bundeskanzleramts − 1979 (genaues Datum nicht ermittelbar) Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Wittrock − 10. Juli 1981

8. Amtszeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Heinz Günter Zavelberg (1985 bis 1993) a) Akten des Bundeskanzleramtes (BA, Best. B 136/22589) Vermerk von Gruppe 11 im Bundeskanzleramt − 16. Januar 1986 Schreiben des Ministerialrats Piduch aus dem Bundesfinanzministerium − 7. März 1986

IX. Akten des Bundeskanzleramtes / Einsichtnahme nach dem Informationsfreiheitsgesetz 1. Amtszeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Heinz Günter Zavelberg (1985 bis 1993) Schreiben von Bundeskanzler Kohl − 5. Februar 1986 Schreiben des Bundeskanzleramtes − 5. März 1986 Vermerk der Abteilung I im Bundeskanzleramt − 5. Februar 1986

Literatur und Materialien Schreiben von Bundeskanzleramtschef Seiters − 9. März 1990 Schreiben von Bundesfinanzminister Stoltenberg − 18. August 1986 Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Zavelberg − 30. März 1990 − 23. April 1990

2. Amtszeit der Präsidentin des Bundesrechnungshofes Hedda von Wedel (1993 bis 2002) Schreiben des Bundeskanzleramtes − 26. Januar 1994 Schreiben von Bundeskanzleramtschef Steinmeier − 22. Februar 2002 Schreiben des Bundesfinanzministeriums − 3. Januar 1994 Schreiben der Präsidentin des Bundesrechnungshofes von Wedel − 10. September 1999 Schreiben des SPD-Fraktionsvorsitzenden Struck − 13. Dezember 2001

3. Amtszeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Dieter Engels (seit 2002) Schreiben von Bundeskanzler Schröder − 23. Mai 2002 Schreiben /Vermerke des Bundeskanzleramtes − 16. April 2003 − 13. Januar 2006 Vermerk des Referates 132 im Bundeskanzleramt − 3. April 2003 Vermerk des Referates O 1 im Bundeskanzleramt − 3. April 2003 Schreiben von Bundesfinanzminister Eichel − 30. April 2002 Rundschreiben des Unterabteilungsleiters II A im Bundesfinanzministerium − 24. November 2004

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340

Literatur und Materialien

Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Engels − − − −

20. Juni 2002 31. März 2003 13. Januar 2006 27. November 2007

X. Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.): Personal- und Organisationsaufgaben in der öffentlichen Verwaltung am Beispiel oberster Bundesbehörden, Band 1 der Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, 2. Auflage, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1988. Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.): Datenverarbeitung in der Bundesverwaltung – Feststellungen und Hinweise zu Mängeln und Risiken beim Einsatz der Informationstechnik, Band 3 der Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, 2. Auflage, Stuttgart, Berlin, Köln 1993. Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.): Datenverarbeitung in der Bundesverwaltung II – Hinweise für die Prüfung der Informationstechnik in der öffentlichen Verwaltung nach den Mindestanforderungen der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder (IT-Prüfungshinweise), Band 5 der Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Stuttgart, Berlin, Köln 1993. Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.): Typische Mängel bei der Ermittlung des Personalbedarfs in der Bundesverwaltung, Band 4 der Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, 2. Auflage, Stuttgart, Berlin, Köln 1993. Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.): Vergleichende Untersuchung über Auswirkungen der alternativen Verwendung von Beamten oder von Arbeitnehmern im Bundesdienst, Band 6 der Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Stuttgart, Berlin, Köln 1996. Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.): Erfolgskontrolle finanzwirksamer Maßnahmen in der öffentlichen Verwaltung, Band 2 der Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, 2. Auflage, Stuttgart, Berlin, Köln 1998. Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.): Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes, Band 8 der Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Stuttgart, Berlin, Köln 2001. Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.): Hochbau des Bundes – Wirtschaftlichkeit bei Baumaßnahmen – Empfehlungen für das wirtschaftliche Planen und Ausführen von Hochbaumaßnahmen des Bundes, Band 7 der Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, 2. Auflage, Stuttgart 2003.

Literatur und Materialien

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Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.): Bundesfernstraßen – Planen, Bauen und Betreiben, Empfehlungen für das wirtschaftliche Planen, Bauen und Betreiben von Bundesfernstraßen, Band 11 der Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Stuttgart 2004. Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.): Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern – Mischfinanzierungen nach Art. 91a, 91b und 104a Abs. 4 Grundgesetz, Band 9 der Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Stuttgart 2002. Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.): Prüfung der Vergabe und Bewirtschaftung von Zuwendungen – Typische Mängel und Fehler im Zuwendungsbereich, Band 10 der Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Stuttgart 2004. Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.): Zuwendungen des Bundes für Hochbaumaßnahmen – Empfehlungen für die wirtschaftliche Verwendung von Zuwendungen des Bundes für Hochbaumaßnahmen, Band 12 der Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Stuttgart 2005. Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.): Probleme beim Vollzug der Steuergesetze (Zusammenfassung) – Empfehlungen zur Verbesserung des Vollzuges der Steuergesetze in Deutschland, Band 13 der Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Stuttgart 2006. Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.): Einsatz externer Berater in der Bundesverwaltung – Empfehlungen zum wirtschaftlichen Einsatz externer Berater in der Bundesverwaltung, Band 14 der Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Stuttgart 2006. Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.): Gutachten über Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsetzung und der Pflege des Normenbestandes, Band 15 der Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Stuttgart 2010. Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.): Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes (Schwerpunkt Lebensmittel), Band 16 der Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Bonn 2011.

Personenregister Adenauer, Konrad 77, 96 f., 111, 115 f., 120, 124, 128, 139 ff., 147, 278, 280, 291 Anders, Georg 107 Apel, Hans 207 f., 210 ff., 285

Friedrich Wilhelm I 21, 23 Friedrich Wilhelm II 23 Fuchs, Arthur 67, 73, 80, 83, 90, 272, 274, 277 Fuchtel, Hans-Joachim 232

Berger, Hans 143 Bertram, Helmut 85 Brandt, Willy 139, 199 ff., 204, 206 Braun, Heinrich 46 f., 49 f., 278 Brettschneider, Georg 146, 150, 161, 201 Bucher, Ewald 150

Genscher, Hans-Dietrich 204 f., 208 f., 284, 299 Globke, Hans Josef Maria 99, 102, 104 f., 112 f., 120, 132, 141, 143 Grund, Walter 157, 159 Grundmann, Konrad 155 f.

Carl, Friedrich Johann Adolf 34 Cremer, Carl 45, 52, 55 Cuno, Wilhelm 35 f., 40 Czasche, Hedda siehe Wedel von, Hedda

Hartmann, Alfred 86, 113, 121 Hassel von, Kai-Uwe 145, 160, 297 Hauser, Norbert 227 f. Heinemann, Gustav Walter 199 Hermes, Andreas 29, 35 Hertel, Guido 102 ff., 154, 216, 279 ff., 291, 296 f. Hettlage, Karl 108, 124 f., 127, 131, 140 f. Heuer, Ernst 218 Hiehle, Johannes 212 Hilferding, Rudolf 40, 53 f. Hitler, Adolf 61 f., 70 Hopf, Volkmar 142 ff., 150 ff., 167, 200 ff., 210, 219, 282 ff., 297 f. Hornschu, Hans-Erich 107, 163 Hüttebräuker, Rudolf 142

Dahlgrün, Rolf 140, 142 ff., 149 Däubler-Gmelin, Herta 225 Dehler, Thomas 97 Diller, Karl 233 Ehmke, Horst 200 f., 203, 210 Ehrenberg, Herbert 213 Eichel, Hans 227 f. Engels, Dieter 221, 227 ff., 232 ff., 283, 285, 302 f. Erhard, Ludwig 143 f., 151 f., 161f., 281 f. Erzberger, Matthias 33 Etzel, Franz 77, 109 ff., 125 f., 133, 139 Féaux de la Croix, Ernst 134, 138, 153, 281 Friedrich II 22

Käss, Friedrich 144 f., 149 f. Kiesinger, Kurt Georg 162, 202 Knieper, Werner 163 Koch-Weser, Erich 34 Kohl, Helmut 207, 215 ff., 227

Personenregister Köhler, Heinrich 51 Köhler, Horst 233 Lafontaine, Oskar 227 Lahnstein, Manfred 214 Leber, Georg 213 Lechner, Hans 90 f., 148 Lenz, Otto 87, 95 Lübke, Heinrich 114 Luther, Hans 40 ff., 274 Maiziére de, Thomas 234 Marx, Wilhelm 41 f., 44, 48, 51 Matthöfer, Hans 207, 213 Mayer, Josef 74 f., 92 ff., 98 ff., 115, 117, 141, 165, 276 ff., 294 f. Merkel, Angela 233 Meseke, Hedda siehe Wedel von, Hedda Möller, Axel 199 Müller, Heinrich 70 f. Müller, Hermann 53 Oeftering, Heinz Maria 15, 90, 92, 99, 103 f., 154, 277, 279, 282 f., 295 f. Piduch, Erwin 218 f. Popitz, Johannes 48, 63 Riesser, Jakob 45 Ritzel, Heinrich Georg 92 f., 130, 144 Saemisch, Friedrich Ernst Moritz 16 ff., 35 ff., 61, 63, 65 f., 69 f., 73, 82, 84, 86 f., 91, 94, 98 f., 101, 121, 124, 140 f., 157, 215, 271 ff., 291, 294 Schäfer, Hans 202 ff., 216, 284, 298 f. Schäffer, Fritz 77, 80, 87 f., 91, 94, 96, 98 ff., 127, 278

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Scharping, Rudolf 225 Schäuble, Wolfgang 220 Scheel, Walter 199, 213 Schiller, Karl 199 f. Schmidt, Helmut 119, 199 f., 203 f., 206 ff., 211 ff., 284 f., 300 Schmücker, Kurt 160 Schoettle, Erwin 108 Schreckenberger, Waldemar 217 f., 301 Schröder, Gehard 105, 127 f., 299 Schröder, Gerhard Fritz Kurt 227 f., 233, 267 Schüler, Manfred 207 ff., 284, 300 Schwarz, Franz Xaver 62 Seebohm, Hans-Christoph 119 Starke, Heinz 140 f. Steinbrück, Peer 233 Stoltenberg, Gerhard 216, 220, 301 Stresemann, Gustav 39 ff., 44 Stücklen, Richard 109 f., 116 f. Vialon, Karl-Friedrich 124 f., 139 Wachsmann, Kurt 45 Waigel, Theodor 216 Wedel von, Hedda 224 ff., 301 f. Weizäcker von, Richard 225 Westrick, Ludger 150 ff., 157 ff. Wilhelm II 29 Wirth, Joseph 34 f. Wittrock, Karl 209 ff., 212 ff., 217, 285, 299 f. Zavelberg, Heinz Günter 217 f., 223 ff., 300 f.

Sachregister Antragsrecht – des BWV 90, 104, 154 – des Reichssparkommissars 42 Aufträge, verpflichtende 122, 249 ff., 287 f. Bemerkungen – der preußischen Oberrechnungskammer 26 f. – des Bundesrechnungshofes 78 f., 117, 121, 133, 174, 176, 182, 184, 186 ff., 191, 195, 197, 235 ff., 242 f., 256, 266, 284 f., 292 – des Reichsrechnungshofes 31, 61, 66 Beratung – Definition 17 – prüfungsakzessorische 177, 181, 251, 292 – Rechtsgrundlage im Grundgesetz 169 ff. – Rechtsgrundlagen in der Bundeshaushaltsordnung 175 ff. – selbständige 177 ff. – unselbständige 177 ff. Britische Zone 72, 74 Bund der Steuerzahler 85, 120, 130 f., 135, 208, 276 Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung – Beteiligung an Gesetzesvorhaben 125 f., 153, 167, 214, 221, 226 ff., 243, 273 – Delegationsmodell 229, 243, 287 – Normierung der Tätigkeit 166 f. – Personal 155, 160, 202, 208, 229 ff., 268, 282, 288 – Schriftenreihe 223 ff. – Servicestelle 228 ff., 283, 285

Bundeskabinett 90, 99, 102, 127, 134, 138 f., 145 ff., 150, 154, 156, 158 f., 204, 206, 210, 212 ff., 220, 227, 232, 277 ff., 282, 286, 291 Bundesnachrichtendienst 125 Bundesrat 28, 78 f., 84, 89, 96 ff., 112, 140, 155, 159, 166 f., 169, 176, 180, 182 f., 186, 188 ff., 209, 211, 217, 219, 221 f., 225 ff., 241 f., 271, 276, 278 Bundesrechnungshofgesetz 79 ff., 88, 90, 93, 96 f., 100, 128, 134, 137 f., 148, 153, 176, 180 ff., 192, 216 f., 231, 243 f., 245 f., 251, 271, 276 ff., 292 Bundessparkommissar 85, 146, 276 Bundestag – Haushaltsausschuss 85 ff., 91 ff., 97 f., 108, 110 f., 115, 123, 129 f., 144, 149, 155, 164, 167, 183, 186, 189 ff., 196, 204, 210 f., 117, 226, 236 f., 240, 283, 285 – Rechnungsprüfungsausschuss 180, 183, 189 f., 218, 232 f., 236 f., 288 – Sitzungen 80, 85 f., 94 ff., 233, 275 – Wahlen 76 f., 104, 106, 139, 162, 199 f., 207, 215 f., 227, 299 BWV siehe Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung Devisenzuflüsse 200 Erfolgskontrollen 186 f., 224, 256 Ermächtigungsgesetz 63 Euro, Stabilisierung des 16, 289 Finanzkontrolle – Begriff 17 – politische 256 ff.

Sachregister Finanzrechtsreform von 1970 165 ff., 175, 195, 198, 218, 244, 278, 283 f., 291 f. Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) 226 f., 233 f. Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, Allgemeiner Teil (GGO I) 115, 122 f., 214 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, Besonderer Teil (GGO II) 214 Geschäftsordnung der Bundesregierung 90 f., 97, 103 f., 158 Geschäftsordnung der Reichsministerien, Besonderer Teil (GGO II) 42, 88 Gewaltenteilung 38, 54, 92, 135 f., 252 ff., 264 Gutachtenabteilung 73, 75, 80, 121, 129 f., 202, 219, 276, 284, 287 Haushaltsausschuss des Bundestages siehe Bundestag Haushaltsplan 31, 45, 129 f., 167 Haushaltsvoranschläge 65 f., 75, 88, 93, 160 f., 194 f., 204 Kernbereich 254 f., 262, 264 ff., 289, 293 Kollegialprinzip 20, 26, 49, 58 f., 63, 77 f., 197, 206, 209, 230 f., 243, 246, 251 f., 272, 287, 293 Königliche Instruktion 22 ff., 26 f., 270 North Atlantic Treaty Organization (NATO) 112 f. NSDAP 39, 59, 61 f., 70 Oberrechenkammer, Preußische 22 f., 26 ff. Organisationsprüfungen 58, 74 f., 113, 121, 172 ff., 186, 236, 238 f. Personalunion 117, 120 f., 126, 133, 140 f., 145, 147 ff., 155, 161 ff., 166, 203 f., 206 ff., 212, 271, 280 f., 284 f., 291

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Postverwaltungsgesetz 110 Potsdamer Konferenz 72 Präjudizierung durch Beratung 247 ff. Präsidialabteilung – Auflösung als Gutachtenabteilung 202 – im Bundesrechnungshof 81, 88, 91, 94, 117, 124, 126, 131, 147, 155, 160, 194, 203, 210, 219, 251, 277 f. – im Rechnungshof in der britischen Zone 72 f. – im Reichsrechnungshof 64 f., 67 ff., 71, 271 f., 275 f. Prüfung – begleitende 45, 177 – Definition 17 – der Wirtschaftlichkeit 22, 30, 139, 173, 179, 187, 198, 265, 269, 289, 292 – laufende 93, 251 – Maßstäbe 168, 170, 172, 174, 177 f., 256 – nachherige 15, 170, 172, 178 Prüfungsgebietsleiter 181, 189, 193, 229 ff., 245 Prüfungsmitteilungen 174, 182, 226, 235, 242 f., 266, 284 f., 292 Prüfungsordnung des Bundesrechnungshofes 181, 183, 188 Rechnungsprüfung siehe Prüfung Rechtsetzungsmaßnahmen 231 ff., 239, 241 f., 285 Reichsrechnungshof – Denkschrift 55, 59 Reichstag – Haushaltsausschuss 29 f., 45, 51, 53, 56 f., 59, 274 – Sitzungen 50, 69 – Sparausschuss 34, 45, 48 Ressortprinzip 137 Sachverständigenkommission des Bundestages zur Vereinfachung der Verwaltung 105 ff.

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Sachregister

Sparbeauftragter für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet 75, 277 Sparbüro des Reichssparkommisars 43 f., 51, 58 f., 69, 88, 121, 202, 271 f., 278 Spiegel-Affäre 144 Staatsverschuldung 215, 260, 289 Teilnahmerecht an Kabinettssitzungen – des BWV 89, 154, 159, 222, 282 – des Reichssparkommissars 42, 279 Troeger-Kommission 165 Unabhängigkeit – persönliche 138, 153, 245, 249

– richterliche 26, 78, 92, 104, 118, 122, 137 f., 147, 167, 169, 245 – sachliche 138, 245, 249, 252 Unvoreingenommenheit 247 f. Vereinigtes Wirtschaftsgebiet 73 ff., 80, 276 f. Verwaltungsabbaukommission 41 f. Weisungsfreiheit 38, 112, 138, 206, 230, 245 f., 249ff., 280, 288, 293 f. Wirtschaftlichkeitsprüfung 139, 173, 175, 179, 187, 198, 265, 268, 289, 292 – Zweck-Mittel-Relation 172 f., 175, 290