Die behördeninterne Kontrolle [1 ed.] 9783428470389, 9783428070381

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Die behördeninterne Kontrolle [1 ed.]
 9783428470389, 9783428070381

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 593

Die behördeninterne Kontrolle Von

Martin Strößenreuther

Duncker & Humblot · Berlin

M A R T I N STRÖSSENREUTHER

Die behördeninterne Kontrolle

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 593

Die behördeninterne Kontrolle

Von Dr. Martin Strößenreuther

Duncker & Humblot * Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Strössenreuther, Martin: Die behördeninterne Kontrolle / von Martin Strössenreuther. Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Schriften zum Öffentlichen Recht; Bd. 593) Zugl.: Erlangen, Nürnberg, Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-07038-0 NE: GT

D 29 Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübemahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-07038-0

Vorwort Die Untersuchung wurde im Herbst 1989 von der Juristischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen als Dissertation angenommen. Sie wurde für die Drucklegung nur geringfügig verändert. Schrifttum und Rechtsprechung wurden im wesentlichen bis August 1989 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Helmut Lecheler für die großzügige Betreuung der Dissertation und für manchen hilfreichen Rat sowie Herrn Prof. Dr. Walter Leisner für die Erstattung des Zweitgutachtens. Besonders verpflichtet bin ich außerdem den zahlreichen Mitarbeitern aus verschiedensten Kommunal- und Staatsbehörden, die mir geduldig Rede und Antwort standen und durch ihre kritische Anteilnahme dazu beitrugen, der Abhandlung Praxisbezug zu geben. Schließlich möchte ich noch Frau Petra Funk, Μ . Α., und Herrn Rechtsreferendar Dieter Dauer für die mühevolle Durchsicht der Korrekturen danken. Nürnberg, Juni 1990 Martin Strößenreuther

Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Abkürzungen

18 Einleitung

21

1. Teil Begriff, Funktion und Arten der Kontrolle

25

1. Abschnitt Begriff und allgemeine Funktion der Kontrolle

25

A. Der Begriff der Kontrolle I. Semantischer Ursprung des Wortes „Kontrolle" II. Die Kontrolle als Soll-Ist-Vergleich III. Ergänzung um die Elemente Leitung, Steuerung oder Macht?

25 26 26 27

1. Begriffserweiterung in der Betriebswirtschaft

28

2. Begriffserweiterung im Rahmen politikwissenschaftlicher und juristischer Überlegungen zur Gewaltenteilung

29

3. Das Machtelement bei „Kontrolle" in der Gesetzessprache

30

4. Klarere Könturierung und bessere Anwendbarkeit des Kontrollbegriffs bei Verzicht auf das Machtelement

31

IV. Keine Kontrolle bei Identität von Kontrolliertem und Kontrolleur? ...

34

V. Keine „Kontrolle" bei sog. prozeßunabhängigem Soll-Ist-Vergleich? ... VI. Zugrundezulegender Kontrollbegriff (Zusammenfassung) B. Allgemeine Funktion der Kontrolle I. Kontrolle als Element von Entscheidungsprozessen 1. Die Entscheidung als Hauptmerkmal der öffentlichen Verwaltung ..

37 38 38 39 39

a) Die Entscheidung als Mittel zur Verwirklichung von SollVorgaben

39

b) Die Bedeutung der Entscheidung für die öffentliche Verwaltung

39

2. Die Struktur der Entscheidung und ihr Verhältnis zur Kontrolle

41

a) Die Entscheidung als Prozeß

41

b) Kontrolle als Element des rationalen Entscheidungsprozesses ...

43

c) Kontrolle in Ablaufmodellen

44

Inhaltsverzeichnis

8

II. Vorherige, begleitende und nachträgliche Kontrolle

46

1. Vorherige Kontrolle

47

2. Nachträgliche Kontrolle

47

3. Begleitende Kontrolle

48

ΙΠ. Vermittlung der weiteren Kontrollfunktionen durch — kontrollierte — Entscheidung

48

2. Abschnitt Die Kontrollmaßstäbe

50

A. Konditionalprogramme I. Begriff und Bedeutung II. Wenig Bedarf für begleitende oder nachträgliche Kontrolle bei Handeln nach Konditionalprogrammen ΠΙ. Zweckverwirklichung bei Entscheiden nach Konditionalprogrammen... B. Zweckprogramme

50 50 52 52 53

I. Bedeutung von Zweckprogammen für die öffentliche Verwaltung, „Recht- und Zweckmäßigkeitsprüfung"

53

Π. Besonderes Bedürfnis für die begleitende und nachträgliche Kontrolle von nach Zweckprogrammen getroffenen Entscheidungen

56

ΙΠ. Operationalisierung von Zielen; Entscheidung nach sich widersprechenden Zwecken; Zielsysteme

57

1. Operationale Ziele als Voraussetzung der Kontrolle der Zielerreichung?

57

2. Entscheidung und Kontrolle anhand sich widersprechenderziele ... 3. Entwicklung von Zielsystemen

60 60

a) Erstellung einer Zielhierarchie mit operationalen Unterzielen auf der untersten Ebene

61

b) Konflikt zwischen Operationalität im Zielsystem und sich wandelnden Umständen

62

4. Weitgehendes Fehlen von Zielsystemen in der Praxis

62

5. Stufenweise Konkretisierung auf den verschiedenen Hierarchieebenen

64

C. Darf Kontrolle das Programm in Frage stellen? I. Prüfungs- und Verwerfungskompetenz in bezug auf Rechtsnormen .. Π. Unbeachtlichkeit „unzweckmäßiger" Ziele? D. Zusammenfassung

65 65 68 69

Inhaltsverzeichnis

3. Abschnitt Eigen- und Fremdkontrolle A. Begriffsbildung

71 71

I. Eigenkontrolle

71

II. Fremdkontrolle

72

B. Fremdkontrolle und „unvermeidbare Selektivität"

73

C. Spezifische Funktionen der Fremdkontrolle

74

I. Geltendmachung von Verantwortlichkeit

74

1. Begriff der Verantwortlichkeit und ihr Zusammenhang mit Kontrolle

76

2. Entscheidungsfreiheit und Determination

77

3. Verantwortung als Mittel der Unsicherheitsabsorption in einer funktional-differenzierten Sozialordnung

78

4. Verantwortlichkeit als Sanktionsgrundlage zur Absicherung der Verantwortung

79

5. Zunahme der Verantwortlichkeit in hierarchisch höherer Stellung? II. Präventivfunktion der Fremdkontrolle 1. Allgemeine Annahmen und Überlegungen zur Notwendigkeit der Präventivfunktion a) Verbesserung der Eigenkontrolle durch die Präventivwirkung? .. b) Förderung der Bereitschaft, eine als zielgerecht erkannte Entscheidungsalternative als Entscheidung zu wählen 2. Konkrete Erfahrungs werte über die Präventiv Wirkung?

82 85 85 86 87 88

III. Entlastungsfunktion

89

IV. Führungsfunktion

91

D. Dysfunktionale Wirkungen der Fremdkontrolle I. Belastung des Arbeitsklimas und Erzeugung von Abwehrhaltungen .. II. Zielverschiebung durch inadäquate Kontrollmaßstäbe E. Zusammenfassung

91 92 94 95

4. Abschnitt Verwaltungsexterne, verwaltungsinterne und behördeninterne Kontrolle A. „Interne" und „externe" Kontrollen aus abstrakt systemorientierter Sicht .... B. Verwaltungsinterne und verwaltungsexterne Kontrolle der Verwaltung I. Verwaltungsexterne Kontrolle II. Verwaltungsinterne Kontrolle

98 98 99 100 100

III. Zweckmäßigkeit der Ausgrenzung der traditionell als verwaltungsextern behandelten Kontrollen 100

Inhaltsverzeichnis

10

C. Abgrenzung zwischen behördeninterner und behördenexterner Kontrolle .... I. Sinnvolle Trennung nach rechtlicher Selbständigkeit? II. Die Behörde als organisatorisch geschlossene Verwaltungseinheit ....

101 102 102

ΙΠ. Einordnung fachlich unabhängiger, aber formal-organisatorisch in die Behörde eingegliederter Kontrollinstanzen 1. Kommunale Vertretungsorgane (Gemeinde-/Stadtrat) 2. Rechnungsprüfungsämter

105 105 106

3. Beauftragte und Projektgruppen D. Die behördeninterne Kontrolle als Untersuchungsgegenstand (Zusammenfassung) 5. Abschnitt Zusammenfassungen der bisherigen Überlegungen

107 107

109

2. Teil Die einzelnen behördeninternen Kontrollen

112

1. Abschnitt Die Vorgesetztenkontrolle

113

A. Führungskonzepte in der öffentlichen Verwaltung I. Das autoritativ-hierarchische Führungsmodell und die Abkehr davon.... II. Führung der Verwaltung mit Delegation von Entscheidungsbefugnissen

114 114 117

1. Starre Abgrenzung durch Ausschluß des Weisungsrechts im Einzelfall — das „Harzburger Modell" 117 2. Vorbehalte der Praxis gegen die dogmatisch starre Delegation ... 118 3. Die in der Verwaltungspraxis heute übliche Delegationsregelung ...

119

4. Die Hamburger Regelung des Zeichnungsrechts

121

5. Zusammenfassung zu den Führungskonzepten und insbesondere zur Delegation B. Die Kontrolle der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten

122 123

I. Erforderlichkeit der Vorgesetztenkontrolle bei Delegation von Entscheidungsbefugnissen 123 1. Informationsgrundlage für Führungsentscheidungen

123

2. Geltendmachung von Verantwortlichkeit

124

Π. Bestimmungsfaktoren für Art und Umfang der Vorgesetztenkontrolle ... 1. Setzen von Zielen 2. Erlaß von Richtlinien zur Entlastung von Auslegungsschwierigkeiten

124 125 126

3. Verbesserung des Informationsflusses

126

4. Koordination

127

5. Einführung neuer Mitarbeiter

127

Inhaltsverzeichnis

6. Richtiger Einsatz der Mitarbeiter

127

7. Förderung der Mitarbeiter

128

8. Geltendmachung von Verantwortlichkeit

128

9. Erstellen der dienstlichen Beurteilung

128

10. Ausnahmsweise: Entscheidung im Delegationsbereich des Mitarbeiters IE. Folgerungen für Art und Umfang der Vorgesetztenkontrolle 1. Keine Totalkontrolle

129 129 129

a) Stichprobenkontrolle im Delegationsbereich der Mitarbeiter ..

129

b) Begrenzte Kontrolle auch hinsichtlich der Entscheidungsentwürfe der Mitarbeiter

130

2. Art und Umfang der Stichprobenkontrolle IV. Kontrollmittel

131 133

1. Vorlage der Ein-und Ausgangspost

134

a) Behandlung der Eingangspost

134

aa) Generelle Regelung der Verteilung der Eingangspost bb) Besondere Anordnung der Vorlage b) Behandlung der Ausgangspost

134 136 136

2. Zeichnungsvorbehalt

136

3. Gespräch mit dem Mitarbeiter

137

V. Beobachtungsfehler

139

VI. Soll-Maßstäbe: Was hat der Vorgesetzte im Rahmen der Aufsicht zu prüfen? 140 1. Kontrolle hinsichtlich der Tätigkeit des Mitarbeiters als Sachbearbeiter

140

a) Kontrolle der Einzelfallbearbeitung

141

b) Kontrolle des Mitarbeiterverhaltens hinsichtlich der Entwicklung seines Aufgabenbereichs

141

c) Kontrolle des Mitarbeiters hinsichtlich seiner Kooperationspflichten

142

d) Kontrolle des Verhaltens im allgemeinen

142

2. Kontrolle des Mitarbeiters hinsichtlich der Erfüllung seiner Aufgaben als Vorgesetzter VII. Kontrollplan und Kontrollakte VIE. Grundsatz der schonenden Kontrolle IX. Grenzen der Kontrollkapazität des Vorgesetzten 1. Stabsmodell: Der persönliche Berater oder Stab als Führungsgehilfe 2. Behördenpraxis: Verselbständigung von Stäben X. Zusammenfassung zur Vorgesetztenkontrolle

142 143 143 144 145 146 147

12

Inhaltsverzeichnis

2. Abschnitt Kontrolle durch Querschnittseinheiten A. Die Kontrolle durch das Organisationsamt I. Aufgaben Verteilung zwischen Organisationsamt und Fachamt 1. Organisation als mittelbare öffentliche Aufgabe, Qualifizierung zur Querschnittsaufgabe durch Ausgliederung aus dem Fachamt

148 149 149 149

2. Umfang der Zuweisung von Organisationsaufgaben an das Organisationsamt 149 a) Vor- und Nachteile der Zentralisation

150

b) Folgerungen für den Umfang der Ausgliederung von Organisationsaufgaben

150

c) Umfang der Ausgliederung im einzelnen

152

II. Folgerungen für den Umfang der Fremdkonrolle durch das Organisationsamt III. Anlaß für Kontrollen durch das Organisationsamt

153 154

1. Beteiligung bei bestimmten organisationsrelevanten Anträgen der Fachämter

154

2. Erstellung von Arbeitsverteilungsplänen

154

3. Bearbeitung des innerbehördlichen Vorschlagswesens

155

4. Anordnung durch die Verwaltungsführung

155

5. Durchführung von Organisationsuntersuchungen

155

6. Dagegen: Keine systematische Kontrolle bei den Fachämtern ohne besonderen Anlaß

156

IV. Kontrollmaßstäbe („Soll") 1. Allgemeine Ziele von Organisation a) Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Effektivität

156 157 157

aa) Relationalität

157

bb) Welche Kosten und Nutzen sind zu berücksichtigen? ....

157

b) Beachtung der legitimen Bedürfnisse der Mitarbeiter

159

2. Soll-Maßstäbe aus der Organisationstheorie?

160

3. Formale Hilfskriterien

161

a) Soll-Konzept aus eigener Organisationsuntersuchung

161

b) Orientierung an anderen Behörden mit ähnlichem Aufgaben-, bestand

161

c) Orientierung an den Ergebnissen behördenübergreifender Untersuchungen zur Verwaltungsvereinfachung 164 V. Kontrollmittel 1. Mündliche Befragung (Interview) 2. Organisationsuntersuchungen VI. Konsequenzen der Kontrolle VII. Zusammenfassung zur Kontrolle durch das Organisationsamt

165 165 166 169 170

Inhaltsverzeichnis

Β. Die Kontrolle durch den Beauftragten für den Haushalt (bzw. durch die funktionsgleiche Organisationseinheit bei nichtstaatlichen Behörden) I. Aufgabenbereich und Stellung in der Behörde 1. Aufgabenbereich

170 172 172

a) Aufstellung des Haushaltsplans

172

b) Ausführung des Haushaltsplans

172

2. Stellung in der Behörde II. Kontrolle im Rahmen der Aufstellung des Haushaltsplanes 1. Kontrollmaßstäbe

173 173 174

a) Allgemeine Überlegungen zu den möglichen Kontrollmaßstäben — abgeleitet aus der behördeninternen Zuständigkeitsverteilung b) Konkrete Sollvorgaben

174 175

aa) Das Haushaltsaufstellungsschreiben des Staatsministers der Finanzen

175

bb) Programmbudgets

177

cc) Mittelfristige Finanzplanung

177

dd) Fachliche Zweckmäßigkeit

179

ee) Plausibilität

181

ff) Bisherige Titelausschöpfung

181

2. Anlaß und Intensität der Kontrolle

183

3. Mittel der Kontrolle

184

a) Gespräch

184

b) Wirtschaftlichkeitsprüfungen

185

aa) Die Kosten-Nutzen-Analyse

185

bb) Die Nutzwertanalyse

186

cc) Die Kosten-Wirksamkeits-Analyse

187

4. Folgen der Kontrolle bei der Aufstellung des Haushaltsplans .... III. Kontrolle bei der Ausführung des Haushalts

188 189

1. Fremdkontrolle durch den Haushaltsbeauftragten bei Delegation der Bewirtschaftungsbefugnis 2. Maßstäbe der Kontrolle

189 189

a) Haushaltsplan und Haushaltsrecht

189

aa) Zweckbestimmung des Titels

190

bb) Wird zum richtigen Zeitpunkt gehandelt?

190

cc) Werden Sperren beachtet?

190

dd) Wirtschaftlichkeit als allgemeiner Maßstab?

191

b) Haushaltsvollzugsrichtlinien

191

c) Haushaltsausführungsschreiben des Finanzministeriums bzw. des ersten Bürgermeisters

193

14

Inhaltsverzeichnis

3. Anlaß und Intensität der Ausführungskontrolle a) Anlaß zur Kontrolle

193 193

b) Intensität und Schwerpunkte

194

4. Mittel der Ausfuhrungskontrolle

196

a) Auskunftsrecht des Haushaltsbeauftragten und korrespondierende Auskunftspflicht der Fachämter b) Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen 5. Folgen der Kontrolle a) Widerspruchsrecht des Beauftragten für den Haushalt

196 196 196 196

b) Berücksichtigung bei künftigen Anmeldungen

196

c) Geltendmachung eines Rückgriffs?

197

6. Verhältnis zur Rechnungsprüfung

197

IV. Zusammenfassung zur Kontrolle durch den Beauftragten für den Haushalt 197 V. Annex: „Controlling" in der öffentlichen Verwaltung

198

1. Begriff des Controlling

198

2. Controlling in der Verwaltungspraxis

199

a) Einzelne Investitionsvorhaben

199

b) Controlling zur vorgabengerechten Steuerung größerer Bereiche der Verwaltungstätigkeit? 200 3. Bewertung des Controlling 200 C. Die Kontrolle durch das Personalamt I. Aufgabenbereich des Personalamts

201 201

1. Gegenwärtige Praxis

201

2. Richtiges Maß der Zentralisierung

202

3. Folgerungen für den Bereich der vom Personalamt ausgeübten Fremdkontrolle 202 II. Personalbeurteilungen und Kontrolle

203

1. Funktion der Personalbeurteilung

203

2. Beurteiler

204

3. Überprüfung der Beurteilung durch das Personalamt

205

a) Gesamtüberprüfung der Beurteilungen beim periodischen Beurteilungstermin b) Überprüfung aus Anlaß von Beförderungsentscheidungen ΠΙ. Kontrolle bei Stellenbesetzungen/Beförderungen

205 206 206

1. Vorgehensweise bei der Stellenbesetzung

206

2. Kontrolle des vom Fachamt vorgeschlagenen Anforderungsprofils

207

a) Vergleich mit der Arbeitsplatzbeschreibung

208

b) Ermittlung der tatsächlichen Anforderungen

208

Inhaltsverzeichnis

3. Überprüfung der Richtigkeit der Beurteilungen?

209

4. Kontrolle bei der endgültigen Auswahl des Bewerbers

210

IV. Kontrolle vor Entlassungen V. Kontrolle der Arbeitsverteilungspläne VI. Kontrolle von Personalentwicklungsprogrammen VE. Zusammenfassung zur Kontrolle durch das Personalamt

213 213 214 214

3. Abschnitt Kontrolle durch „Beauftragte" A. „Beauftragte" als behördeninterne Fremdkontrolleure I. Der Begriff des Beauftragten Π. Ansätze zur Kontrollfunktion von Beauftragten B. Kontrolle durch den innerbehördlichen Datenschutzbeauftragten

215 215 215 215 216

I. Bedeutung der innerbehördlichen Institutionalisierung des Beauftragten

216

1. Sicherstellung der Beachtung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung

216

2. Erhaltung des Vertrauens der Bürger in den rechtmäßigen Umgang der Behörden mit personenbezogenen Daten 218 II. Schaffung von innerbehördlichen Datenschutzbeauftragten

218

1. Erforderlichkeit des Beauftragten

218

2. Stellung in der Behörde

220

a) Organisatorische Eingliederung b) Unabhängige Stellung

220 221

ΙΠ. Aufgabenbereich des innerbehördlichen Datenschutzbeauftragten

221

1. Beschränkung auf den dateigebundenen Datenschutz?

221

2. Fremdkontrolle durch den internen Datenschutzbeauftragten IV. Soll-Maßstäbe der Kontrolle des Datenschutzes 1. Gesetzliche Regelung des Datenschutzes a) Spezialgesetze und allgemeine Datenschutzgesetze

222 223 223 223

b) Begrenzter Anwendungsbereich der allgemeinen Datenschutzgesetze 223 c) Grundsätze der allgemeinen Datenschutzgesetze

224

aa) Erforderlichkeit der Datenverarbeitung zur rechtmäßigen Aufgabenerfüllung

224

bb) Technische und organisatorische Sicherungsmaßnahmen 225 d) Verwaltungsinterne Richtlinien

225

16

Inhaltsverzeichnis

2. Maßstäbe unmittelbar aus der Verfassung — Recht auf informationelle Selbstbestimmung 226 a) Anforderungen aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung 226 b) „Übergangsbonus"

227

V. Kontrollmittel

228

1. Behördliches Datenschutzregister

228

a) Inhalt des Registers

228

b) Eigenkontrolle der verarbeitenden Abteilung bei der Meldung zum Register 229 2. Besuche „vor Ort"

230

3. Anfragen des Beauftragten

231

4. Meldungen an den Beauftragten

231

VI. Anlässe zur Kontrolle

231

1. Eigeninitiative des Beauftragten

231

2. Institutionalisierte Beteiligung nach internen Richtlinien

231

3. Anstöße von Mitarbeitern oder Betroffenen

232

4. Aufforderung zur Stellungnahme durch ein Amt

232

VII. Folgen der Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten VIII. Zusammenfassung zur Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten ...

232 233

C. Die Kontrolle durch die innerbehördliche Gleichstellungsbeauftragte (»frauenbeauftragte") 233 I. Einrichtung und Stellung der Gleichstellungsbeauftragten/-stellen ....

234

1. Gesetzliche Verankerung

234

2. Einrichtung in der Praxis

234

3. Stellung in der Behörde

235

Π. Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten

236

ΙΠ. Kontrolle bei Personalentscheidungen 1. Soll-Maßstäbe

236 ,

236

a) Kontrolle der Einhaltung des Leistungsgrundsatzes?

236

b) „Frauenquoten" als Kontrollmaßstäbe

238

aa) Entscheidungsquote oder Ziel-/Ergebnisquote

238

bb) Leistungsbezogene Quotierung oder bloßer „Mindeststandard"? 239 2. Verfahren der Mitwirkung

240

a) Stellenausschreibung

240

b) Mitwirkung an der Personalentscheidung selbst

240

IV. Kontrolle sonstiger Aufgabenerfüllung bei anderen Ämtern

241

Inhaltsverzeichnis

1. Sonstige Aufgaben der Behörde, bei denen die Gleichstellungsbeauftragte die Beachtung des Gleichstellungsauftrags kontrolliert a) Teilzeitarbeit

241 242

aa) Teilbarkeit einer bestimmten Stelle?

242

bb) Konflikt mit der Wirtschaftlichkeit

242

b) Verwaltungssprache, insbesondere Vordruckgestaltung

243

c) Sonstige Aufgaben

244

2. Anlässe zur Kontrolle

244

a) Beteiligungstatbestände?

244

b) Kontrolle aufgrund von internen oder externen Beschwerden? ... V. Folgen der Kontrolle durch die Gleichstellungsbeauftragte

244 245

1. „Transparenz durch Sondervotum" — Vortragsrecht bei der Behördenleitung 245 2. Drohung mit „Streithelfern"

Verzögerungstaktik

durch Einschaltung von

245

VI. Zusammenfassung zur Kontrolle durch die Gleichstellungsbeauftragte

246

4. Abschnitt Kontrolle durch die Personalvertretung

247

5. Abschnitt Kontrolle „von unten"

249

A. Innerbehördliches Vorschlagswesen

249

B. Innerbehördliche Beschwerden

249

C. Remonstration gegenüber Weisungen und Richtlinien

250

6. Abschnitt Zusammenfassung und Bewertung A. Zusammenfassender Überblick über die behördeninternen Kontrollen I. Kontrolle durch Vorgesetzte Π. Kontrolle durch Abteilungen mit Querschnittsfunktionen

252 252 252 252

1. Ressourcen verteilende Querschnittseinheiten

253

2. Datenschutz- und Gleichstellungsbeauftragte

254

B. Bewertung: Verbesserungsansätze im Detail — prinzipielle Grenzen im Großen 254 Literaturverzeichnis

2 Strößenreuther

257

Verzeichnis der Abkürzungen a. A. Abb. Abs. ADV Anm. AöR BAG BAT BayBezO BayBG BayDSG Bay HO BayKommHV BayLbV BayLKrO BayORH BayPersVG BayVBl. BayVerfGH BayVGH BBG Bd. BDH BDSG BfH BGB BGH BMI BRRG BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BWVPr DBW ders.

anderer Ansicht Abbildung Absatz Automatisierte Datenverarbeitung Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Bundesarbeitsgericht Bundesangestelltentarifvertrag Bayerische Bezirksordnung Bayerisches Beamtengesetz Bayerisches Datenschutzgesetz Bayerische Haushaltsordnung Bayerische Kommunale Haushaltsverordnung Bayerische Laufbahnverordnung Bayerische Landkreisordnung Bayerischer Oberster Rechnungshof Bayerisches Personal Vertretungsgesetz Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Bundesbeamtengesetz Band Bundesdisziplinarhof Bundesdatenschutzgesetz Beauftragter für den Haushalt Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Bundesminister des Inneren Beamtenrechtsrahmengesetz Drucksache des Deutschen Bundestags Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Βaden-Württembergische Verwaltungspraxis Die Betriebswirtschaft derselbe

Abkürzungsverzeichnis

dies. Diss. DÖD DöH DÖV DSRegV DSWR DVBl. EDV GAB1.BW GG GMBl. HaR HGrG HvR JA JZ KAV KGSt. KKZ m. E. m. w. Nw. MAB1. MIFRIFI MittKGSt. NJW Nr. NZA ÖVD / Online OLG OVG RiA Rn. Sp. StabG u. U. VerwArch vgl. VG VOP VVDStRL VwGO VwVfG ζ. B. 2*

dieselben Dissertation Der öffentliche Dienst Der öffentliche Haushalt Die öffentliche Verwaltung Datenschutzregisterverordnung Datenverarbeitung, Steuer, Wirtschaft und Recht Deutsches Verwaltungsblatt elektronische Datenverarbeitung Gemeinsames Amtsblatt Baden-Württemberg Grundgesetz Gemeinsames Ministerialblatt Haushaltsaufstellungsrichtlinien Haushaltsgrundsätzegesetz Haushaltsvollzugsrichtlinien Juristische Arbeitsblätter Juristenzeitung Kommission für den Abbau von Staatsaufgaben und für Verwaltungsvereinfachung Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung Kommunal-Kassen-Zeitschrift meines Erachtens mit weiteren Nachweisen Ministerialamtsblatt der bayerischen inneren Verwaltung mittelfristige Finanzplanung Mitteilungen der KGSt. Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Öffentliche Verwaltung und Datenverarbeitung Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Recht im Amt Randnummer Spalte Stabilitätsgesetz unter Umständen Verwaltungsarchiv vergleiche Verwaltungsgericht Verwaltungsführung, Organisation und Personal Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz zum Beispiel

19

20

ZBR ZRP Zif. ZögU

Abkürzungsverzeichnis

Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Rechtspolitik Ziffer Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen

Einleitung Kontrolle ist ein im Zusammenhang mit der öffentlichen Verwaltung vielgebrauchter Begriff. Sie wird vor allem thematisiert als Kontrolle der Verwaltung durch die Rechtsprechung, durch das Parlament und — neuerdings verstärkt — durch die Rechnungshöfe l. Spärlicher ist die Behandlung der verwaltungsinternen Kontrolle. Unter diesem Stichwort werden dann regelmäßig vor allem das Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. VwGO) dargestellt und — meist schon erheblich knapper — die sog. nichtförmlichen Rechtsbehelfe, nämlich die Rechts- und Dienstaufsichtsbeschwerde, die Petition und die Gegenvorstellung 2. Kaum Aufmerksamkeit geschenkt wird den behördeninternen Kontrollen. Die juristische Literatur beschränkt sich in der Regel auf eine knappe Behandlung der Aufsicht, wobei der Akzent fast durchweg auch hier wieder auf der zwischenbehördlichen Aufsicht liegt 3 . Auch die Verwaltungslehre gibt meist nur knappe Darstellungen 4. Dabei wird oft ausdrücklich oder stillschweigend davon ausgegangen, daß Kontrolle zwei Personen voraussetzt, einen Kontrolleur und einen Kontrollierten. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob diese Gewichtung und Begriffsbildung der Problematik, die der Kontrolle des Verwaltungshandelns innewohnt, gerecht wird. Die Konzentration auf die Kontrolle von außen, insbesondere auf die gerichtliche Kontrolle, führt zu einer tendenziellen Gleichsetzung von Kontrolle mit Rechtskontrolle. Die Annahme, daß Kontrolle ein Zwei-Personen-Verhältnis voraussetze, trägt zum Negativimage der Kontrolle im Sinne einer Überwachung bei, schürt die Vorstellung, Kontrolle sei vor allem Ausdruck von Mißtrauen 5. Eng damit zusammen hängt der Glaube, daß ein negatives Kontrollergebnis stets auf den Kontrollierten zurückfallen müsse, daß es einen „Schuldigen" gebe. Es wird zu zeigen sein, daß diese Vorstellungen der modernen Verwaltung nicht gerecht werden, in der zunehmend unmittelbar zur Erreichung vorgegebener 1

Vgl. etwa zu diesen drei Bereichen Krebs, Kontrolle. 2 Vgl. etwa Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht ΙΠ, § 161. 3 Vgl. Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht II, § 77 II. 4 Siehe dazu Püttner, Verwaltungslehre, S. 351 bis 353; Τ hie me, Verwaltungslehre, Rn. 502 bis 509 (der lediglich die verwaltungsinterne Kontrolle insgesamt behandelt); Schwebbach, Kontrollen, Rn. 547 bis 563. 5 Ein in einer Querschnittseinheit tätiger Verwaltungspraktiker meinte in einem Gespräch (sinngemäß): „Kontrolle klingt so negativ. Man müßte ein anderes Wort dafür finden. Wir wollen den Ämtern ja helfen, sie unterstützen." Bei der Suche nach synonymen Begriffen wie Prüfung oder Überwachung mußte er aber feststellen, daß diese „auch nicht besser" sind. Man wird dem Problem eben nicht durch irgendeine „Neusprache" beikommen können, sondern nur durch einen Bewußtseinswandel in der Sache.

22

Einleitung

Zwecke gehandelt wird. Dabei werden oft Fehler gemacht, für die der Handelnde nicht ohne weiteres die „Schuld" trägt. Die Zweckmäßigkeit ist nur in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtlich (und damit gerichtlich) „kontrollierbar", so daß aus dem verengten Blickwinkel der Rechtskontrolle die Verwaltung in immer größeren Bereichen unkontrolliert bleibt. Außerrechtliche Maßstäbe kann allerdings die parlamentarische oder die Rechnungshofkontrolle zugrunde legen. Die Wirksamkeit dieser Kontrollen wird aber durch die Komplexität der heutigen Verwaltung eingeschränkt, die von außen schwer auch nur annähernd nachvollziehbar ist 6 . A l l diese Umstände drängen dazu, die verwaltungsinterne Kontrolle stärker ins Blickfeld wissenschaftlicher Betrachtung zu rücken: Sie ist grundsätzlich nicht auf die Frage der Rechtmäßigkeit beschränkt, sie ist nah an der Sache und kann daher Schwachstellen leichter erkennen als die externe Kontrolle. In Anbetracht der begrenzten externen Kontrollmöglichkeiten muß die Frage gestellt werden, ob und inwieweit hier intern Ausgleich geschaffen werden kann und muß 7 . Hierbei ist zu beachten, daß „die" Verwaltung kein monolithischer Block ist. Im meist dreistufigen Staatsaufbau bilden die einzelnen Behörden relativ selbständige Organisationsgebilde, die selbst wiederum eine oft komplexe innere Gliederung aufweisen. Sie sind meist so groß, daß der Behördenchef sie schon kaum mehr überblicken kann. Erst recht gilt dies aus Sicht einer übergeordneten Aufsichtsbehörde. Auch für diese stellt sich dann — ähnlich wie für die parlamentarische oder die Rechnungshofkontrolle — das Problem mangelnden Einblicks 8 . Es kommt also entscheidend darauf an, daß auch innerhalb der Behörden, wo die konkreten Umstände am besten bekannt sind, eine ausreichende Kontrolle stattfindet. Die vorliegende Untersuchung will versuchen, den innerbehördlichen Bereich — soweit ersichtlich erstmals — hinsichtlich der Kontrolle näher auszuleuchten. Dabei erscheint es wichtig, den Bezug zur Verwaltungspraxis zu wahren. Zu diesem Zweck hat der Verfasser zahlreiche Gespräche mit Praktikern einer Großstadtverwaltung, eines Landratsamts, einer Regierung und eines Finanzamts ge6 Dazu H. Lange, Rolle der Verwaltung, S. 52 f. 7 So schon Mayntz, Kontrolle, S. 98 ff.; auch der ehemalige Präsident des BRH Wittrock meint, daß es primär darauf ankomme, „die Prüfungen innerhalb der verschiedenen Bereiche dezentral zu organisieren" und auch „die Instrumente der Selbstkontrolle und der Aufsichtsführung bei den geprüften Institutionen immer wieder zu aktivieren. Damit reduziert sich das Problem der Lücke." (zit. nach Wirtschaftswoche, Heft 37/ 1984, S. 53). 8 Deutliches Indiz hierfür ist die Praxis der Regierung, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens selbst keine Baugenehmigungen zu erlassen, sondern die untere Baubehörde entsprechend anzuweisen. Dies liegt nach Äußerungen von Regierungsmitarbeitern vor allem daran, daß sie sich zu einem sachgerechten Erlaß gar nicht fähig fühlen. Daraus läßt sich schließen, daß die Regierung von außen viele Fehler vor allem in Fragen der Zweckmäßigkeit mangels entsprechender Fachkenntnis und Anschauung „vor Ort" gar nicht erkennen kann.

Einleitung

führt 9 . Diese können natürlich nicht den Anforderungen an eine repräsentative empirische Erhebung genügen. Die Durchführung gelenkter Interviews oder gar einer schriftlichen Befragung mit Fragebögen nach Bildung einer Stichprobe scheint aber beim derzeitigen Erkenntnisstand verfrüht. Anliegen der Arbeit ist es, die überhaupt existierenden innerbehördlichen Kontrollen zu ermitteln und zu systematisieren. Hierfür sind erhebliche theoretische Vorarbeiten erforderlich. In einem ersten Teil wird zu behandeln sein, was unter Kontrolle sinnvollerweise zu verstehen ist und welche Bedeutung der Kontrolle in der öffentlichen Verwaltung zukommt. Weiter wird darzulegen sein, welche grundsätzlichen Unterteilungen der Kontrolle zweckmäßig erscheinen und welche Funktionen die Kontrolle im allgemeinen und bestimmte Kontrollarten im besonderen haben. Es ist auch ein Blick auf die Maßstäbe der Kontrolle zu werfen, um festzustellen, inwieweit sich bereits aus der Struktur der möglichen Maßstäbe unterschiedliche Anforderungen an die Kontrolle ergeben. Schließlich ist näher auszuführen, warum die behördeninterne Kontrolle sich als eigenständiger Untersuchungsgegenstand anbietet und was im einzelnen hierunter zu fassen ist. In einem zweiten Teil sollen dann auf der Grundlage der allgemeinen Überlegungen die behördeninternen Kontrollen im einzelnen dargestellt werden. Soweit hier auf rechtliche Fragen einzugehen ist, wird grundsätzlich Bundes- und bayerisches Landesrecht zugrundegelegt 10, gelegentlich aber auch auf interessante Besonderheiten in anderen Bundesländern hingewiesen. Wegen des umfassenden Ansatzes der Untersuchung dürfen keine detaillierten Vorschläge zur Durchführung aller in Behörden anfallenden Kontrollen erwartet werden. Es geht vielmehr darum, einen Überblick über die bestehenden Möglichkeiten zu schaffen und Zusammenhänge zu verdeutlichen. Besonderer Wert wird dabei auf die Einbindung der Kontrolle in die Verwaltungstätigkeit insgesamt gelegt. Wem die Diskussionen über verstärkte Planung und über Führungskonzepte für die öffentliche Verwaltung bekannt sind, den wird es nicht überraschen, wenn auch in Fragen der Kontrolle Patentrezepte nicht anzubieten sind. Aller Erfahrung nach scheitert die Anwendung geschlossener Modelle an der Vielgestaltigkeit der Verwaltungsaufgaben und daran, daß in der Verwaltung Menschen tätig werden, deren unterschiedliche Fähigkeiten und Bedürfnisse sich durch konsequente Anwendung theoretisch entworfener Modelle nie optimal berücksichtigen lassen11. Jene Modelle haben ihre Berechtigung zur vereinfachenden 9 In den Fußnoten werden zur Illustration gelegentlich markante Zitate aus diesen Gesprächen wiedergegeben, wobei die Urheber aus Gründen der teilweise ausdrücklich erbetenen Diskretion namentlich ungenannt bleiben müssen. 10 Zur Methode, die Verwaltung in einem Bundesland zum Ausgangspunkt der Darstellung zu machen und so größere Übersichtlichkeit und Griffigkeit zu erreichen vgl. Lecheler, Verwaltungslehre, S. 17 f. h Vgl. in diesem Zusammenhang den Hinweis Küblers auf Untersuchungen, aus denen sich ergibt, „daß informelle Beziehungen besonders dort wuchern und vom Soll-

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Einleitung

Darstellung realer Phänomene, sie machen diese gedanklich faßbar. Im wesentlichen wird sich ihr Sinn in dieser Darstellungsfunktion aber auch erschöpfen. Für die Verwaltungspraxis kommt es daher mehr darauf an, daß die Mitarbeiter sich der fachlichen und organisatorischen Probleme bewußt sind und sensibel für wechselseitige Zusammenhänge werden. Die Schwierigkeiten der täglichen Arbeit werden hierdurch eher befriedigend bewältigt werden können als durch die Anwendung strenger Dogmen. Die vorliegende Untersuchung hat ihr Ziel bereits erreicht, wenn sie in diesem Sinne dazu beiträgt, einen bislang wenig durchsichtigen Bereich der öffentlichen Verwaltung transparenter zu machen.

schema der Organisation abweichen, wo detaillierte und starre Regeln die formale Zusammenarbeit kanalisieren wollen. Die Beschäftigten neigen gerade dann dazu, aus dem Korsett der Organisation auszubrechen" (Organisation Bd. 2, Rn. 718).

1. Teil

Begriff, Funktion und Arten der Kontrolle Will man die behördeninteme Kontrolle untersuchen, so sind zunächst verschiedene Begriffsklärungen erforderlich: Was ist unter Kontrolle zu verstehen? Wie ist die behördeninterne von sonstigen Kontrollen abzugrenzen? Weiter ist danach zu fragen, welche Zwecke Kontrolle erfüllen kann, insbesondere auch, mit welchen Arten von Kontrollen spezifische Zwecke erreicht werden können und welche — eventuell auch negativen — Wirkungen von Kontrolle oder zumindest bestimmten Kontrollen ausgehen können. 1. Abschnitt

Begriff und allgemeine Funktion der Kontrolle A. Der Begriff der Kontrolle Der Begriff „Kontrolle" wird bislang nicht einheitlich verwendet, insbesondere im Bereich der öffentlichen Verwaltung fehlt es an einer präzisen Begriffsbildung. Nach Frenkel deckt sich das Wort je nach Verwendung mit Begriffen wie Herrschaft, Leitung, eine Situation in der Hand haben, Lenkung, Aufsicht, Überwachung, Inspektion und Prüfung 1. Ähnlich äußert sich Schwarze, der die äußeren begrifflichen Grenzen in bloßer Kritik einerseits und völliger Beherrschung andererseits zutreffend beschrieben sieht2. In Anlehnung an Bergeron läßt sich eine sechsstufige Begriffsskala bilden: 1. Vergleich (Registrierung) — 2. Prüfung (Bestätigung) — 3. Überwachung, Aufsicht — 4. Beschränkung — 5. Leitung — 6. Herrschaft 3. Wegen dieser Begriffsvielfalt ist es erforderlich, den in dieser Untersuchung zugrundezulegenden Begriffsinhalt von Kontrolle festzulegen.

ι Frenkel, Verwaltungskontrolle, Rn. 6. 2 Schwarze, Systembildung, S. 895 m. w. Nw. 3 Bergeron, Fonctionnement, S. 50; er bezeichnet die sechs Stufen — in umgekehrter Reihenfolge gegenüber meiner Übersetzung: „1. domination; 2. direction; 3. limitation; 4. surveillance; 5. verification; 6. enregistrement ou, preferablement, collation." (zit. nach Krebs y Kontrolle, S. 5).

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1. Teil 1. Abschnitt: Begriff und allgemeine Funktion der Kontrolle

I. Semantischer Ursprung des Wortes „Kontrolle" Der sprachliche Ursprung des Wortes Kontrolle wird im mittellateinischen contra rotulus 4 oder im altfranzösischen contre role 5 gesehen, was mit Gegenrolle, Gegenliste oder Gegenbuch übersetzt werden kann 6 . Anhand dieses Schriftstücks wurde im 18. Jahrhundert die Richtigkeit von Angaben in einem Originalregister oder auch die Übereinstimmung einer Originalrolle mit der Realität überprüft 7. Nach der Wortgeschichte steht die Kontrolle in engem Zusammenhang mit dem staatlichen Finanzgebaren und versteht sie als Bestätigung der Richtigkeit von Geldbeständen, Zahlungen, Rechnungen etc. durch den Empfänger oder Kontrolleur 8 . I I . Die Kontrolle als Soll-Ist-Vergleich Bereits aus dem semantischen Ursprung ergibt sich damit, daß eine doppelte Betrachtung Grundelement der Kontrolle ist. Planungen, Daten, Ereignisse, Gegenstände, Maßnahmen etc. werden miteinander verglichen. Der heute im Kontrollbegriff zugrundegelegte Vergleich findet zwischen bestimmten Vorgaben (Normen, Zielvorstellungen — Soll-Wert) und einem tatsächlichen Sachverhalt (Ist-Wert) statt9. Der Soll-Ist-Vergleich wird weitgehend als zentrales Handlungsprinzip der Kontrolle oder sogar als deren konstituierendes Merkmal angesehen 10 . Hieraus ergeben sich drei Mindeststrukturelemente der Kontrolle 11 , die man auch als Stufen des Kontrollvorgangs ansehen kann 12 : 1. Ermittlung des Soll-Wertes (Kontrollmaßstab), 2. Ermittlung des Ist-Wertes (Kontrollobjekt) und 4

Gehrig, Parlament, S. 3; Schwebbach, Kontrollen, S. 285; Heinig, Budget I, S. 21. Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht III, § 161 I a; Eichhorn, Terminologie, S. 19. 6 Ebenda. 7 Eichhorn, Terminologie, S. 19; weitergehende historische Hinweise bei Heinig, Budget I, S. 21, wonach Gegenschreiber und -rechner schon in der assyrischen Beamtenhierarchie bekannt waren. s Krebs, Kontrolle, S. 4; auch wieder Heinig, Budget I, S. 21, der darauf hinweist, daß jenes Stück des englischen Kerbholzes, das dem Zahler im Exchequer bis ins 19. Jahrhundert als Quittung oder Ausweis gegeben wurde, counter-tally hieß. 9 Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht III, § 161 I a; Frese, Kontrolle, S. 53, der von Vergleich zwischen geplanten und realisierten Werten spricht. 10 W. Müller, Organisation, Sp. 1082; ähnlich Krebs, Kontrolle, S. 6; Frese, Kontrolle, S. 53; Morstein Marx, Verwaltungskontrolle, S. 385 ("Der Kern der Kontrolle liegt im Vergleich."). u Krebs, Kontrolle, S. 14 ff.; auch Hasenack sieht das „Wesen der Kontrolle . . . in dem sinnvollen Vergleich des Istzustandes (Istvorgang, Istergebnis) mit dem sachkundig festgestellten Sollzustand (SollVorgang, Sollergebnis)" (Vorwort, S. 6). ι 2 Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 497. 5

Α. Der Begriff der Kontrolle

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3. Feststellung eventueller Abweichungen im Wege des eigentlichen beurteilenden Vergleichs (Verfahren, das Soll- und Ist-Wert in Beziehung setzt). Werden derartige Abweichungen festgestellt, so schließt sich als weiterer Schritt meist die Beurteilung dieser Abweichungen nach ihrem Gewicht und ihren Ursachen an, die sog. Abweichungsanalyse13. Diese Bewertung, die über die reine Feststellung der Abweichung hinausgeht, ist zwar nicht mehr notwendiges Element des Soll-Ist-Vergleichs 14. Sie liegt aber typischerweise im Aufgabenbereich desjenigen, der den Soll-Ist-Vergleich durchfühlt, und kann deshalb ebenfalls zum Kernbestand des Kontrollbegriffs gezählt werden. Dieser Soll-Ist-Vergleich ist in nahezu allen Kontrollbegriffen enthalten, man könnte ihn den „kleinsten gemeinsamen Nenner der Kontrolle" nennen. Zieht man die eingangs15 genannte Begriffsskala Bergerons heran, so kommt das Fehlen eines Soll-Ist-Vergleichs im Kontrollbegriff lediglich dann in Betracht, wenn man Kontrolle mit — willkürlicher — Herrschaft gleichsetzt. Abgesehen davon, daß nicht einmal die absolute Monarchie eine unbeschränkte Macht für sich in Anspruch nahm 16 , kann jenes Kontrollverständnis jedenfalls für die vorliegende Untersuchung außer Betracht bleiben: In einer rechtsstaatlichen Demokratie bedarf es bei jedem Handeln der öffentlichen Gewalt entweder der konkreten Legitimation durch den Gesetzgeber oder der unmittelbaren Orientierung am Gemeinwohl 17 . Für Kontrolle im Sinne bindungsloser Macht ist damit kein Raum.

I I I . Ergänzung um die Elemente Leitung, Steuerung oder Macht? Es fragt sich, ob der Kontrollbegriff noch über den Soll-Ist-Vergleich hinausgehende Gesichtspunkte bezeichnen sollte. In Betracht kommt einerseits eine Begriffserweiterung um zusätzliche Handlungsmerkmale wie Leitung, Steuerung oder allgemein Beherrschung. Andererseits kann der Begriff auch weiter eingegrenzt werden, indem man unter Kontrolle nur bestimmte Soll-Ist-Vergleiche versteht, etwa solche, bei denen Ausführung und Kontrolle zwei verschiedenen Instanzen zugewiesen sind oder solche, die eine Ausführung steuernd „begleiten".

13 W. Müller, Organisation, Sp. 1084. 14 Krebs, Kontrollen, S. 16, Fn. 77, stellt mit Recht in Frage, daß die Bewertung der Abweichung", die Thieme, Verwaltungslehre, § 84 Β II, ohne weiteres als Stufe des Kontrollvorgangs nennt, notwendiges Element dieses Vorgangs ist. is Siehe oben A. 16 Scheuner, Kontrolle, S. 17 (m. w. Nw.) weist darauf hin, daß auch die absolute Monarchie sich „stets durch das natürliche Recht wie durch die überkommenen Fundamentalgesetze gebunden hielt". Ders., Verantwortung, S. 386 führt in Hinblick auf mittelalterliche Herrscher aus, daß bei diesen lediglich die irdische Instanz zur Geltendmachung ihrer Pflichten fehlte, sie aber nach dem damaligen Selbstverständnis Gott verantwortlich waren. 17 Vgl. Ryffel, Eigenverantwortlichkeit, S. 460.

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Teil 1. Abschnitt: Begriff und allgemeine Funktion der Kontrolle

Die Begriffserweiterung um Machtelemente entspricht dem historischen Prozeß, in dem oft Organen, denen zunächst nur ein Recht zur Kritik, also zum Soll-Ist-Vergleich zugewiesen war, im Laufe der Zeit Eingriffsbefugnisse zugewachsen sind 18 . Die Beeinflussung des Kontrollobjekts im Sinne der Kontrollmaßstäbe als Folge des Vergleichs rückt damit stärker ins Blickfeld. Diese Entwicklung legt es nahe, auch die Beeinflussungsmöglichkeit in den Kontrollbegriff aufzunehmen. 1. Begriffserweiterung in der Betriebswirtschaft Die Tendenz zur Erweiterung des Kontrollbegriffs findet sich zunächst im Bereich der Betriebswirtschaft. Dabei ist anzumerken, daß in den Wirtschaftswissenschaften Fragen der Kontrolle zwar stärker theoretisch durchdrungen sind als in der Verwaltungslehre, es aber auch hier an einer einheitlichen Begriffsbildung für Kontrolle fehlt. Vielfach werden wegen des Bedürfnisses nach präziseren Begriffen spezifische Bezeichnungen wie Prüfung, Revision und Controlling bevorzugt 19. Die anglo-amerikanische Managementliteratur zählt zu „control" auch die dem Vergleich nachfolgenden Korrekturaktivitäten, mit deren Hilfe die beim SollIst-Vergleich ermittelten Abweichungen beseitigt oder zumindest verringert werden sollen, die Realität also den Ziel vorgaben angenähert werden soll 20 . So verstanden ist Kontrolle ein Konzept zur Unternehmensführung 21. Dem entspricht in abstrakter Form auch die Betrachtung von Kontrolle durch Systemtheorie und Kybernetik. Der kybernetische Regelkreis dient dazu, zielgerechte Entscheidungen herbeizuführen: am Output (der Realität als Folge des bisherigen Ausführungshandelns) wird die Störgröße (Abweichung von der Vorgabe, dem Ziel) gemessen (d. h. es wird ein Soll-Ist-Vergleich vorgenommen); durch die Einwirkung des Reglers (Kontrolleur) auf die Regelgröße soll nun eine zielgerechte Entscheidung herbeigeführt werden, die schließlich zu einem neuen — möglichst zielkonformen — Output führt 22 . Auch in der deutschen Betriebswirtschaftslehre findet sich die Auffassung, die Entscheidung aufgrund des Vergleichsergebnisses sei Bestandteil der Kontrolle 23 . is Frenkel, Verwaltungskontrolle, Rn. 6, weist dazu auf die Geschichte des spartanischen Ephorats oder die allmähliche Verlagerung der Regierungsgewalt in Großbritannien vom König auf das Parlament hin. 19 Püttner, Verwaltungslehre, § 20 I 2. 20 Derlien, Zur systemtheoretischen Fassung, S. 198; Frese, Kontrolle, S. 51 f. 21 W. Müller, Organisation, Sp. 1082. 22 Zur Kontrolle im oder als Regelkreis nach Kybernetik und Systemtheorie siehe Thieme, Verwaltungslehre, § 84 A II (knapp) sowie ausführlicher Baetge, Kontrolltheorie, Sp. 1091 ff. (mit — auch graphischer — Darstellung verschiedener Anwendungen des Regelkreises im Unternehmen). 23 Grundlegend Grull, der die „Entscheidung über die Beseitigung von Abweichungen" ausdrücklich zur „Kontrolltätigkeit" zählt (Kontrolle, S. 15); ebenso Hill, Unterneh-

Α. Der Begriff der Kontrolle

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2. Begriffserweiterung im Rahmen politikwissenschaftlicher und juristischer Überlegungen zur Gewaltenteilung Die Auffassung, Kontrolle beinhalte auch Steuerungsmöglichkeiten bzw. allgemein Macht, herrscht auch dort vor, wo die Begrenzung staatlicher Macht durch ihre Verteilung auf mehrere oberste Staatsorgane im Vordergrund der Betrachtung steht. Kontrolle wird dort als „Prinzip wechselseitiger Machtbegrenzung" 24 verstanden. In Loewensteins Verfassungslehre wird die so verstandene Kontrolle zum Schlüsselbegriff einer „Dreiteilung der Staatsfunktionen", die sich — der veränderten VerfassungsWirklichkeit entsprechend 25 — von der klassischen Gewaltenteilung unterscheidet. Er unterscheidet dabei zwischen „politischer Grundentscheidung" (policy determination), „Aus- und Durchführung der Grundentscheidung" (policy execution) und „politischer Kontrolle" 26 (policy control) 27 . Diese Konzeption ist nicht an einer konkreten Verfassungsordnung ausgerichtet. Die politische Kontrolle kann dabei einmal durch die Beteiligung verschiedener Machtträger an derselben Grundentscheidung oder demselben Durchführungsakt erfolgen, also durch konkret gestaltende Mitwirkung, die in jedem Fall ein aktives Tun des „Kontrollorgans" erfordert (etwa Gesetzgebung im Zwei-Kammer-System). Zum anderen kann sie ausgeübt werden durch „autonome Kontrollmittel", die „nicht zwangsläufig zum Zug" kommen 28 (etwa ein Mißtrauensvotum oder ein Vetorecht). Man könnte hier auch von einer Mitwirkung durch Unterlassen sprechen. Bei dieser Kontrollauffassung, die bewußt an die Grundgedanken der Gewaltenteilungslehre anknüpft 29 , steht die Macht des „kontrollierenden" Organs im Vordergrund. Der Kontrollbegriff geht dabei so weit, daß Kontrolle gerade auch durch die Ausübung ureigenster Kompetenzen erfolgen kann 30 . So ist für Loewenmungsplanung, S. 17; dagegen auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht gegen eine Einbeziehung von Steuerungsmaßnahmen in den Kontrollbegriff etwa Frese, Kontrolle, S. 53; Saage, Überwachung, S. 290 (m. w. Nw.). 24 Krebs, Kontrolle, S. 7. 25 Loewenstein will an die Stelle der klassischen Dreiteilung der Herrschaftsordnung in Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung „eine andere Analyse der Machtdynamik setzen, die den Gegebenheiten der pluralistischen Massengesellschaft unseres Jahrhunderts gerecht wird." (Verfassungslehre, S. 40). 26 Krebs hält die Übersetzung in der deutschen Ausgabe der Verfassungslehre für mißverständlich, weil es ja nicht um die Kontrolle durch „politische" Organe oder anhand „politischer" Kontrollkriterien geht, sondern um die Hemmung und Mäßigung politischer Macht (Kontrolle, S. 7 f.). Es sei daher wohlrichtiger, von,»Politikkontrolle" zu sprechen (ebenda, S. 8, Fn. 24). 27 Loewenstein, Verfassungslehre, S. 40. 28 Ebenda, S. 47. 29 Loewenstein spricht von „Kontrolle durch ,checks and balances"4 und bezieht sich auf Montesquieus ,1e pouvoir arrete le pouvoir* (Verfassungslehre, S. 46). 30 Meyn, Kontrolle, S. 150.

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1. Teil 1. Abschnitt: Begriff und allgemeine Funktion der Kontrolle

stein die wichtigste Interorgan-Kontrolle des Parlaments gegenüber der Regierung die Ablehnung einer von der Regierung direkt oder indirekt unterstützten Gesetzesvorlage 31. Das Kontrollverständnis Loewensteins hat die weitere politikwissenschaftliche und staatsrechtliche Diskussion nachhaltig beeinflußt 32 , es wird zumindest begrifflich den meisten Untersuchungen, die sich später mit der Frage der Machtbegrenzung im modernen pluralistischen Staat beschäftigt haben, zugrundegelegt. So geht Scheuner davon aus, daß Kontrolle „die Form indirekter Leitung" und „laufende Überwachung" 33 bezeichnet. „Die Bezeichnung Kontrolle ist weit und elastisch aufzufassen. Sie umgreift die Beobachtungs- und Einwirkungsmethoden, mit denen das Verhalten des Verantwortlichen klargelegt und mit einer Stellungnahme oder Einwirkung beeinflußt wird." 3 4 Auch für Bäumlin ist das Machtelement wesentliches Merkmal der Kontrolle, die sich aus einem Zusammenwirken verschiedener Instanzen auf ein gemeinsames Ziel" 3 5 ergibt. Im politikwissenschaftlichen Bereich finden sich ähnliche Überlegungen. So meint Gehrig: „Zur parlamentarischen Kontrolle gehört... auch die Möglichkeit, die kritisch festgestellten Mängel auf irgendeinem Wege abstellen zu können. Kontrolle der Regierung bedeutet deshalb auch Beeinflussung der Regierung . . ." 3 6 . Er betont dabei allerdings, daß der Kontrolleinfluß nicht zu einer Beherrschung führen solle; es sei vielmehr Zweck jeder Kontrolle, den Machtinhabern bei der Ausübung ihrer Macht Grenzen zu setzen, ohne diese Macht ganz aufzuheben 37 . Auch hier steht also der Gedanke der Gewaltenteilung im Vordergrund. 3. Das Machtelement bei „Kontrolle" in der Gesetzessprache In Rechtsnormen findet sich bislang kaum der Begriff der Kontrolle. Das Grundgesetz nennt in Art. 45b Satz 1 den Wehrbeauftragten ein Hilfsorgan der „parlamentarischen Kontrolle". Dieser Beauftragte hat selbst keine formellen (Steuerungs-)Kompetenzen gegenüber der Bundeswehr. Das Parlament kann allerdings — theoretisch — durch ein konstruktives Mißtrauensvotum (Art. 67 GG) formell Konsequenzen aus den Kontrollergebnissen ziehen. Faktisch ist aber regelmäßig nur die informelle politische Einflußnahme bedeutsam. 31 Loewenstein, Verfassungslehre, S. 197. 32 So Meyn, Kontrolle, S. 145 f.; Krebs, Kontrolle, S. 8; Haeberle, Besprechung Krebs, S. 798 ("Pionierarbeit"). 33 Scheuner, Verantwortung, S. 390. 34 Ebenda (Hervorhebung von mir). 35 Bäumlin, Referate, S. 247 (Hervorhebung im Original; zitiert nach Krebs, Kontrolle, S. 9). 36 Gehrig, Parlament, S. 5. 37 Ebenda.

Α. Der Begriff der Kontrolle

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Gehäuft wird in Art. 15 Abs. 2 BayDSG der Begriff der Kontrolle verwendet. Dort sind mit Kontrolle konkrete, zweckgerichtete Maßnahmen gemeint, etwa solche, die Unbefugten den Zugang zu Datenverarbeitungsanlagen verwehren sollen. Sämtliche Kontrollen im Sinne dieser Vorschrift meinen mit Kontrolle auch — an Maßstäbe gebundene — Machtausübung. Tendenziell beinhaltet der — vereinzelt — in Rechtsnormen verwendete Kontrollbegriff also das Machtelement, wobei aber teilweise nur außerrechtliche, faktisch-politische Machtbeziehungen bedeutsam sind (so bei Art. 45b Satz 1 GG). 4. Klarere Konturierung und bessere Anwendbarkeit des Kontrollbegriffs bei Verzicht auf das Machtelement Ob die Erweiterung des Kontrollbegriffs um die Beeinflussungsmöglichkeit, insbesondere bei der Untersuchung behördeninterner Kontrollen, sinnvoll ist, erscheint aus verschiedenen Gründen zweifelhaft. Zunächst ist festzustellen, daß mit dem Element der Einflußnahme und damit der wie auch immer gearteten „Macht" ein Begriff zur Charakterisierung der Kontrolle herangezogen wird, der, wie Krebs zutreffend bemerkt, umstrittener und diffuser kaum sein könnte 38 . So ist bei bescheidenster Anforderung eine Einflußnahmemöglichkeit bereits dann anzunehmen, wenn der Kontrolleur — etwa gestützt auf seine Sachkompetenz — den Kontrollierten vom Sinn einer Änderung überzeugen kann 39 . Nach strengster Anschauung müßte man dagegen fordern, daß das Kontrollorgan die Anpassungsmaßnahme notfalls auch mit physischer Gewalt herbeiführen kann 40 . Für die Beurteilung, welches Maß an und welche Art von Einflußnahmemöglichkeit zu fordern ist, um von Kontrolle sprechen zu können, lassen sich kaum geeignete Kriterien finden 41 . Insbesondere würde der Blickwinkel unangemessen verengt, wenn man auf die klassische, hierarchiegestützte Sanktionsmacht abstellen würde. Diese verliert nämlich wegen der zunehmenden Komplexität der Vorgänge und der wachsenden Arbeitstei38 Krebs, Kontrolle, S. 12; vgl. dazu die Übersicht über die sehr unterschiedlichen „Ressourcen der Machtausübung" bei Bozem, Controlling, S. 280; auch Fürst, Entscheidungsprozesse, S. 243 ff.; Lawc / Liermann, Grundlagen, S. 79 ff. jeweils m. w. Nw. 39 Sehr anschaulich und instruktiv über Macht, Autorität und Gehorsam innerhalb von Organisationen Βosetzky ! Heinrich, Mensch, S. 130 ff. 40 So schreibt Gehrig, ein Befürworter des machtbezogenen Kontrollbegriffs: „Macht ist nichts anderes als das Vermögen, auf menschliches Verhalten einzuwirken. Oder mit M. Weber gesprochen: »Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht«" (Parlament, S. 20; Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 38). Weiter unten führt er aus: „Die Mittel der Kontrollmacht reichen ζ. B. von der Überzeugung in einem persönlichen Gespräch bis hin zum Sturz der Regierung.". 41 So bleibt auch Gehrig nichts anderes übrig, als festzustellen, daß Kontrolle „mehr sein muß als Kritik, Beherrschung der Regierung aber nicht sein darf." (Parlament, S. 29).

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Teil 1. Abschnitt: Begriff und allgemeine Funktion der Kontrolle

lung an Bedeutung gegenüber anderen Machtformen, insbesondere gegenüber der sog. Informationsmacht 42. Schon zur Vermeidung begrifflicher Willkür empfiehlt es sich daher, auf die Einflußnahme als Element des Kontrollbegriffs zu verzichten. Gewichtig gegen die Einbeziehung des Machtelements spricht aber vor allem, daß der die Einflußnahmemöglichkeit voraussetzende Kontrollbegriff Institutionen aus der Betrachtung der Kontrolle ausscheiden würde, denen allgemein Kontrollfunktionen zugesprochen werden. Dies gilt zumindest dann, wenn man wenigstens rechtliche oder politische Macht für den Kontrollbegriff fordert. Im Bereich der externen Verwaltungskontrolle müßte man dann insbesondere den Rechnungshöfen die Kontrollfunktion absprechen, weil diese keine rechtlich verbindlichen Entscheidungen treffen können und auch politisch keine den anderen staatlichen Funktionsträgern vergleichbare Machtstellung einnehmen43. Dies stünde aber in krassem Widerspruch dazu, daß die Rechnungshöfe allgemein als Kontrollinstitutionen anerkannt sind 44 . Bei der behördeninternen Kontrolle, die Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist, wären — zumindest bei strenger Linienorganisation — den sog. Querschnittsämtern bzw. -abteilungen (insbesondere dem Organisationsamt und dem Finanzbereich) keine Kontrollfunktionen zuzuschreiben. Sowohl die Literatur 45 als auch die Verwaltungspraxis geht aber davon aus, daß gerade diese Ämter wesentliche Kontrolltätigkeit ausüben. Selbst dann, wenn die kontrollierende Instanz rechtlich oder politisch Einfluß nehmen kann, bleibt die Einbeziehung des Machtelements — abgesehen von dessen Unscharfe — problematisch. Zählt man nämlich die Beeinflussung selbst noch zur Kontrolle, so läßt sich Kontrolle kaum noch von der Ausführung trennen, wenn man berücksichtigt, daß nahezu jede Entscheidung auch auf die Ergebnisse eines Vergleichs des bisherigen Zustands oder zumindest des „Entscheidungsentwurfs" mit Soll-Vorgaben gestützt ist 4 6 . Zugespitzt könnte man bei konsequenter « Vgl. Bozem, Controlling, S. 284; Krüger, Bedeutung, S. 297. 43 Dies wird von Krebs näher dargelegt (Kontrolle, S. 12 f.). 44 Statt vieler vgl. Tiemann, die von einer Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof spricht (Finanzkontrolle, S. 29). 45 Thieme, Verwaltungslehre, § 85 C; Püttner, Verwaltungslehre, § 21 I 2. 46 Teilweise erkennt auch Brunner dieses Problem: „Im Falle der internen Kontrollen, bei denen das Kontrollorgan gleichzeitig weisungsbefugtes Leitungsorgan ist, ist die Kontrollfunktion von der Durchführungs- oder auch der Entscheidungsfunktion kaum zu trennen. Denn das Kontrollorgan ist mit umfassenden Veranlassungs- und Handlungsbefugnissen ausgestattet, so daß die Feststellung des Kontrollergebnisses sofort mit der Setzung einer Grund- oder Durchführungsentscheidung verbunden werden kann." (Kontrolle, S. 75) Er bemerkt aber offenbar nicht, daß seine eigene Begriffsbildung bereits den Ausführungsakt umfaßt, wenn er feststellt: „Die Kontrolle enthält... verschiedene Elemente: Kontrollorgan, Kontrollunterworfener, Gegenstand, Maßstab, Verfahren, Ergebnis und Folgen" (Hervorhebung von mir) Die Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich daher nicht nur bei zeitlichem Zusammenfallen von Feststellungs- und Beeinflussungsakt. Etwas später zeigt sich denn auch ein Unbehagen gegenüber der eigenen Begriffsbildung, wenn Brunner schreibt: „Mit der Kundmachung des Feststellungsaktes

Α. Der Begriff der Kontrolle

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Anwendung des machtbezogenen Kontrollbegriffs sagen, daß nur willkürliche Entscheidungen in Ausübung der Entscheidungs- oder Ausführungsfunktion getroffen werden 47 . Um dieses Ergebnis zu vermeiden, schlägt Frenkel vor, „von Fall zu Fall" zu entscheiden, welcher Funktion die Entscheidung des Kontrolleurs zuzuordnen ist. Dabei sei davon auszugehen, „bei welchem der Beteiligten jeweils das Übergewicht des schöpferischen Einflusses auf den Entscheid liegt." 48 Damit würde aber der Grundbegriff wiederum mit einem extrem unscharfen Kriterium belastet, ohne daß hierfür eine hinreichende Notwendigkeit besteht. Frenkel selbst sieht sich nur deshalb zur Berücksichtigung des Machtelements im Kontrollbegriff veranlaßt, weil dieses „zu stark im Sprachgebrauch verwurzelt" sei 49 . Bedenkt man demgegenüber die — von Frenkel selbst zuvor eingeräumte — Bedeutungsvielfalt von Kontrolle, so kann diese Überlegung nicht überzeugen. Das gilt um so mehr, als verschiedenen anerkannten Kontrollinstitutionen der öffentlichen Verwaltung gerade keine rechtliche oder politische Macht zukommt 50 , was doch stark an einer „Verwurzelung" im Sprachgebrauch zweifeln läßt. Gegen die Einbeziehung der Steuerungsmöglichkeit in den Kontrollbegriff spricht schließlich, daß die eigenständige Bedeutung der Steuerungsmittel deutlich bleiben sollte. Krebs weist darauf hin, daß zumindest die Gefahr besteht, daß die einer Kontrollinstitution zukommende Macht fraglos hingenommen wird 5 1 . In Anbetracht dieser Erwägungen erscheint es schon zweifelhaft, ob auf der Ebene verfassungstheoretischer Überlegungen die Ausdehnung des Kontrollbein der vorgeschriebenen Form ist das Kontrollverfahren eigentlich beendet." (Kontrolle, S. 81 f.) Diese Zwiespältigkeit ist symptomatisch für den Umgang mit dem Kontrollbegriff und den fehlenden Mut zur klaren begrifflichen Abgrenzung. 47 Dem entspricht auch die Feststellung von Frese, Kontrolle, S. 54: „Ein Höhepunkt wird erreicht, wenn unter den Begriff jede Beeinflussung und Koordination der betrieblichen Elemente fallt. Jede betriebliche Aufgabe ist in diesem Sinne »Kontrolle« bzw. »Control«.". 48 Frenkel, Verwaltungskontrolle, Rn. 6. 49 Ebenda. 50 Siehe oben zu Beginn von 4). 51 Krebs, Kontrolle, S. 14: Nach seiner Auffassung spricht diese Überlegung sogar „entscheidend gegen eine mehr oder weniger pointierte Betonung der der Kontrolle innewohnenden Macht". Demgegenüber hegt Höhn eher gegenteilige Befürchtungen: Nach seiner Auffassung müssen „die aus dem Ergebnis der Dienstaufsicht zu ziehenden Konsequenzen . . . als unerläßlicher Bestandteil der Dienstaufsicht betrachtet werden", um der Gefahr vorzubeugen, „daß das Ziehen von Konsequenzen als gewissermaßen zweiter Akt . . . in Vergessenheit gerät" (Dienstaufsicht, S. 44). Höhn ist aber nicht konsequent: „Konsequenzen . . . , die nicht mehr, den betreffenden Mitarbeiter allein berühren", seien „nicht mehr... Bestandteil" der Dienstaüfsicht, „weil die Dienstaufsicht sich ausschließlich zwischen dem Vorgesetzten und dem ihm unterstellten Mitarbeiter abspielt" (S. 45). Offen bleibt, warum nun auf einmal die Gefahr, daß die Konsequenzen in Vergessenheit geraten, geringer sein soll. Man wird wohl eher folgern dürfen, daß Höhn selbst nicht so recht davon überzeugt ist, daß allein die Begriffsbildung eine derartiges Vergessen herbeiführt. 3 Strößenreuther

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Teil 1. Abschnitt: Begriff und allgemeine Funktion der Kontrolle

griffs auf die Frage der Macht angemessen war. Für die vorliegende Untersuchung, die sich mit der behördeninternen Kontrolle befaßt, verdient die klare formale Begriffsbestimmung, die nur durch Soll-Ist-Vergleich und Abweichungsanalyse gekennzeichnet ist 5 2 , eindeutig den Vorzug. Auf dieser Ebene spielt der Gewaltenteilungsgedanke, welcher der Hauptauslöser für die Überlegungen zur Macht ist, eine zumindest sehr untergeordnete Rolle.

IV. Keine Kontrolle bei Identität von Kontrolliertem und Kontrolleur? Eng mit der Frage, ob Macht zur Beeinflussung des Kontrollgegenstandes vom Begriff der Kontrolle erfaßt werden soll, hängt auch folgendes Problem zusammen: Kann nur dann von Kontrolle gesprochen werden, wenn der SollIst-Vergleich von einer Person oder Institution vorgenommen wird, die von der ursprünglich handelnden („ausführenden") verschieden ist? Erfordert Kontrolle eventuell darüber hinaus schon begrifflich, daß Kontrollierter und Kontrolleur voneinander unabhängig sind? Eine derartige Trennung von Kontrolleur und Kontrolliertem wird regelmäßig von den Vertretern eines machtorientierten Kontrollbegriffs gefordert. Diese Kombination verwundert nicht, da jener Kontrollbegriff im Zusammenhang mit dem Gewaltenteilungsgedanken entwickelt wurde, der die Existenz mehrerer Organe schon begrifflich voraussetzt. Im übrigen stellt sich auch die Frage nach der Beeinflussungsmöglichkeit bei Organidentität nicht, weil sie in diesem Fall per se gegeben ist. So meint Scheuner, daß „gegenüber der tätig werdenden Instanz . . . für die Ausübung der Kontrolle eine zweite, davon unabhängige Stelle vorhanden sein" muß 53 . Mit besonderem Nachdruck spricht sich Gehrig für die Trennung aus: „An erster Stelle ist hervorzuheben, daß unentbehrliche Voraussetzung für eine wirksame Kontrolle die Existenz eines Dualismus ist, daß das Kontrollorgan als autonomer . . . Machtträger im polaren Gegensatz zur Regierung stehen muß." 54 Auch Brunner, der hinsichtlich des Machtelements als Bestandteil der Kontrolle unentschlossen bleibt 55 , setzt voraus, daß an dem Kontrollverfahren „zwei Subjekte beteiligt sind: der Kontrollierte und der Kontrollierende oder der Kontrollunterworfene und das Kontrollorgan." 56 . Selbst Schwarze, der die Frage nach der Macht im Kontrollbegriff ausdrücklich unentschieden läßt, meint, daß „die Kontrolle mindestens einen Kontrolleur und einen Kontrollierten (verlangt), die

52 Siehe oben II. 53 Scheuner, Kontrolle, S. 10. 54 Gehrig, Parlament, S. 28. 55 Vgl. Fn. 46. 56 Brunner, Kontrolle, S. 74.

Α. Der Begriff der Kontrolle

35

beide wenigstens grundsätzlich unterscheidbar und voneinander unabhängig sind." 57 Auch gegen dieses Kriterium als Merkmal des Kontrollbegriffs bestehen aber erhebliche Bedenken. Zunächst ist festzustellen, daß der Sprachgebrauch auch den Begriff der „Selbstkontrolle" kennt, mit dem typischerweise gemeint ist, daß sich der Handelnde (Ausführende) selbst kontrolliert. Zwar muß Selbstkontrolle nicht immer bedeuten, daß Kontrolleur und Kontrollierter ein und dieselbe Person oder Institution ist. So wird teilweise von der „Selbstkontrolle der Verwaltung" gesprochen 58, was ζ. B. auch Kontrollen im Rahmen der Aufsicht der Regierung über ein Landratsamt beinhaltet. Der Begriff wird aber auch zur persönlichen Kontrolle, zur Bezeichnung der Eigenkontrolle 59 verwendet 60. So formuliert Ryffel: „Die Eigenverantwortlichkeit der Verwaltung ist ihre eigene Kontrolle, die in jedem einzelnen Beamten nach Maßgabe seiner Verantwortlichkeit lebendig ist." 61 . Diese Art der Selbstkontrolle begrifflich auszugrenzen, erscheint gerade bei einer Untersuchung der behördeninternen Kontrollen nicht gerechtfertigt 62 . Fordert man a priori die Trennung von Kontrollorgan und Kontrollunterworfenem, so besteht darüber hinaus die Gefahr, den Blick auf die eigenen Pflichten des Ausführenden zu verstellen. Primär muß es nämlich bereits dessen Aufgabe sein, sein Verhalten an den Soll-Vorgaben auszurichten. Dies erfordert aber, daß er sein Vorhaben („Entscheidungsentwurf 4) mit vorgegebenen Maßstäben vergleicht und damit selbst kontrolliert (diese Tätigkeit unterscheidet sich inhaltlich nicht von der eines vom Ausführenden verschiedenen Kontrollorgans). Die Pflicht des Ausführenden zur selbständigen Orientierung an den gesetzten Vorgaben droht in Scheuners Formulierung, daß Kontrollen „immer wieder eine Rückbezie57 Schwarze, Systembildung, S. 895. 58 In dieser Bedeutung etwa bei Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht ΙΠ, § 161 I a 2. 59 Zum Begriff der Eigenkontrolle siehe unten 3. Abschnitt Α. I. 60 Auch die Landesregierung Baden-Württemberg (Leitlinien, S. 97 ff.) kann sich hier nicht entscheiden und wird damit begrifflich in sich widersprüchlich. Unter der Überschrift „Vorbeugende Kontrolle" (2. Teil D IV, S. 107) stellt sie fest: „Der Umfang notwendiger Kontrollmaßnahmen kann beschränkt werden, wenn . . . klare und feste Regeln erarbeitet und vorgegeben werden" und „klare Zielvorgaben sind ebenfalls geeignet, den notwendigen Umfang von Kontrollmaßnahmen einzuschränken". Man geht also in der Überschrift zutreffend davon aus, daß sich auch der Ausführende selbst kontrollieren kann, und will daher „Kontrollmaßnahmen" — konsequent wäre: Maßnahmen der Fremdkontrolle — einschränken. 61 Ryffel, Eigenverantwortlichkeit, S. 461. 62 Auch Krebs lehnt jene begriffliche Eingrenzung generell ab (Kontrolle, S. 16, Fn. 75); vgl. auch Kübler, Organisation Bd. 2, Zif. 832 f., der die Tendenz zur Selbstkontrolle im Bereich kreativer, planerischer Arbeiten betont, allerdings auch ihre Grenzen und Schwächen anspricht (m. w. Nw.); Nordsieck spricht sogar davon, daß die „Selbstkontrolle . . . die ideale Kontrolle" sei (Betriebsorganisation, Sp. 83); auch schon Danert, Betriebskontrollen, S. 16:, Jeder einzelne im Betrieb soll zunächst seine eigene Tätigkeit kontrollieren.". 3*

3 6 1 .

Teil 1. Abschnitt: Begriff und allgemeine Funktion der Kontrolle

hung des Willens der Machthaber auf den Auftrag des Ganzen bewirken" sollen 63 , verdeckt zu werden, wenn man zugleich — wie Scheuner — voraussetzt, daß Kontrollen nur bei Soll-Ist-Vergleichen durch selbständige Organe vorliegen. Auch Meyn erkennt, daß hier die Frage aufgeworfen ist, warum nicht schon die selbständig entscheidende Instanz zur Ausrichtung ihrer Handlungen am Auftrag des Ganzen in der Lage sein soll 64 . Maßgeblich gegen die Aufnahme des „Trennungsmerkmals" in den Kontrollbegriff sprechen Überlegungen der behördlichen Praxis. Das Vorverständnis, Kontrolle müsse generell mit Macht verbunden sein und von einer vom Ausführenden verschiedenen Instanz ausgeübt werden, trägt zum Negativimage65 der Kontrolle bei und nimmt ihr damit Effizienz 66 . Mit einer derartigen Begriffsbildung wird nämlich unterstellt, der Handelnde sei selbst nicht in der Lage, seine Fehler zu erkennen, d. h. unfähig zur Eigenkontrolle und außerdem auch nicht bereit, sie zu korrigieren, wenn der Fremdkontrolleur ihn nicht mittels Machtausübung dazu veranlaßt 67. Daß derartige Annahmen die Akzeptanz von Feststellungen eines Kontrollorgans seitens des Kontrollierten behindern, bedarf keiner weiteren Ausführung. Daher sollte schon die Begriffsbildung davon ausgehen, daß sich die Kontrolle durch einen Dritten prinzipiell nicht von der Eigenkontrolle unterscheidet: Das Wesen der Kontrolle liegt nicht in mißtrauischer Überwachung, sondern darin, die Verwaltungsleistung zielgerechter zu machen, sie also im Sinne des Erwünschten zu verbessern. Ein derartiges Kontrollverständnis erleichtert es dem Kontrollierten, Änderungsvorschläge der Kontrollinstanz nicht als Gängelung anzusehen, sondern als Hilfestellung. Dies entspricht auch dem Selbstverständnis, das sog. Querschnittseinheiten in der Praxis meist haben, sich nämlich als Beratungs- und Dienstleistungseinheiten für die Fachämter bzw. -abteilungen anzusehen 68 . So stellen auch Wolff/ Bachof zutreffend fest, daß die Fiktion, die Organ-

63 Scheuner, Kontrolle, S. 15. 64 Meyn, Kontrolle, S. 171; Meyn zieht hieraus allerdings nicht die Konsequenz, bei seiner — von ihm selbst als vorläufig und hypothetisch bezeichneten — Bestimmung des Kontrollbegriffs auf das Kriterium der Trennung von Kontrolleur und Kontrolliertem zu verzichten (vgl. Kontrolle, S. 26). 65 Vgl. dazu auch Derlien, Erfolgskontrolle, S. 19, der auch aus Imagegründen lieber von „Programmevaluation" spricht. 66 Vgl. dazu die Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 107: „Kontrolle ist dann am wirksamsten, wenn Notwendigkeit, Inhalt und Form der Kontrolle vom Mitarbeiter akzeptiert werden." Gemeint ist hier die Fremdkontrolle; vgl. dazu auch die „dysfunktionalen Wirkungen" der Fremdkontrolle, unten 3. Abschnitt D. 67 Diese Unterstellung zeigt sich deutlich anhand der Begriffsbildung bei Schwab, der die Trennung von Kontrollorgan und Kontrollunterworfenem gerade nur bei menschlichem Handeln für erforderlich erklärt, während sie bei Kontrollmechanismen bei maschinellen Vorgängen für die Kontrolle entbehrlich sei (Kontrollsysteme, S. 198 f.). 68 So vertritt auch der damalige Präsident des BRH Wittrock die Auffassung, daß die „Effizienz unserer Arbeit... nicht in erster Linie dann gegeben (ist), wenn disziplinaroder strafrechtliche Folgen eintreten. Hauptaugenmerk unserer Tätigkeit ist es, in der Funktion eines Beraters eine wirtschaftliche und sparsame öffentliche Verwaltung sicher

Α. Der Begriff der Kontrolle

37

waiter der Aufsichtsbehörden seien weiser als die der beaufsichtigten, unangebracht sei; es gehe vielmehr darum, zum Teil andere Perspektiven und Interessen zu wahren 69 .

V. Keine „Kontrolle" bei sog. prozeßunabhängigem Soll-Ist-Vergleich? Vor allem in der betriebswirtschaftlichen Literatur wird teilweise als Kontrolle nur derjenige Soll-Ist-Vergleich bezeichnet, der den Entscheidungs- und Arbeitsablauf ständig begleitet und in ihn eingebunden ist. Dagegen sei ein einmaliger „prozeßunabhängiger" Vergleich eine Prüfung 70 . Auch diese Begriffseingrenzung erscheint zumindest dann nicht sachgerecht, wenn man einen klar umrissenen Begriff der Kontrolle entwickeln will, der die Vorgänge vollständig erfaßt, die nach ihrer Grundstruktur und ihrem Wesen gleichartig sind. Auch Soll-Ist-Vergleiche, die traditionell als „nachgängig" und „prozeßunabhängig" und damit als Prüfung bezeichnet werden, sind aber — aus anderem Blickwinkel — wieder in einen Entscheidungsprozeß eingebunden. So werden etwa die Ergebnisse der Rechnungsprüfung bei weiteren Entscheidungen, beispielsweise über die künftige Mittelvergabe, berücksichtigt 71. Ein in jeder Hinsicht prozeßunabhängiger Soll-Ist-Vergleich, aus dem keinerlei Folgerungen gezogen werden, wäre sinnlos. Ob ein Soll-Ist-Vergleich also „nachgängig" oder „mitlaufend" ist, hängt davon ab, ob man den kontrollierten Abschnitt des Entscheidungsprozesses als endgültig bewertet oder nicht 72 . An an eine derartig zustellen" (sie!; zitiert nach Wirtschaftswoche, Heft 37/1984, S. 53). Auch Banner, Personal- und Organisationspolitik, S. 131, betont, daß Querschnittseinheiten gegenüber den Fachdienststellen eine „Beratungshaltung (Klientenorientierung)" aufbauen müssen. 69 Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht Π, § 77 II a. 70 Loitlsberger, Grundlagen der Buchprüfung, S. 20 21 ; dem wohl folgend die KGSt., Rechnungsprüfung, S. 6 f., die sich allerdings in sich widersprüchlich äußert: „Unabhängig vom Entscheidungs- und Arbeitsablauf werden Ergebnis- und Verfahrenskontrolle auch als Prüfung... vorgenommen.. .. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Prüfung und Kontrolle ist die prozeßunabhängige Durchführung der Prüfung." (Hervorhebungen von mir). Kontrolle wird hier zunächst als Oberbegriff, der auch prozeßunabhängige Soll-Ist-Vergleiche einschließt, zugrundegelegt, im übernächsten Satz dann aber als Gegenbegriff zur prozeßunabhängigen Prüfung verwendet. 71 So etwa Birk, Steuerung, S. 870 f.; ein weiteres typisches Beispiel für die Relativität der „Prozeßunabhängigkeit" einer Kontrolle ist die Entscheidung über die Fortsetzungsfeststellungsklage (§113 Abs. 1 S. 4 VwGO): Das Gericht kann durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts dessen Wirkungen nicht mehr beseitigen, es kontrolliert insofern „prozeßunabhängig". Andererseits wird das für die Klage erforderliche Feststellungsinteresse u. a. dann bejaht, wenn der Kläger geltend machen kann, er habe künftig erneut mit einem gleichartigen Verwaltungsakt zu rechnen (sog. Wiederholungsgefahr). Ein Bedürfnis nach gerichtlicher Feststellung wird hier also gerade deshalb bejaht, weil diese Feststellung wieder Element einer künftigen Verwaltungsentscheidung ist; in Hinblick darauf ist die Kontrolle „prozeßabhängig". 72 So auch Krebs, Kontrolle, S. 36; sogar Hasenack, der jene Unterscheidung zwischen Kontrolle und Prüfung (bzw. Revision) selbst geprägt hat, räumt ein, daß nach „dem

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1. Teil 1. Abschnitt: Begriff und allgemeine Funktion der Kontrolle

unscharfe Bewertung sollte ein Grundbegriff, der einen zusammengehörigen Untersuchungsbereich umfassen soll, nicht geknüpft werden 73 . VI. Zugrundezulegender Kontrollbégriff (Zusammenfassung) Der Kontrollbegriff, der dieser Untersuchung zugrundegelegt wird, ist damit allein durch den Soll-Ist-Vergleich und die Abweichungsanalyse gekennzeichnet 74 . Er setzt weder voraus, daß der Kontrollierende vom Kontrollierten personenverschieden ist noch, daß der Kontrolleur eine Möglichkeit zur Einflußnahme besitzt noch, daß der Soll-Ist-Vergleich „mitlaufend" und „prozeßabhängig" ist. Ob und inwieweit diese Umstände vorliegen, ist für die Frage der Art und Effektivität konkreter Kontrollmaßnahmen von Bedeutung, nicht aber dafür, ob überhaupt Kontrolle vorliegt.

B. Allgemeine Funktion der Kontrolle Von dem, was begrifflich mit Kontrolle zu bezeichnen ist, sind ihre Funktionen zu unterscheiden. Genannt werden die Informationsbeschaffung in Entscheidungsprozessen 75, die Geltendmachung von Verantwortlichkeit 76 , aber auch die Entlastung des Kontrollierten 77 und die sog. Präventivfunktion, d. h. der Anreiz für den potentiell Fremdkontrollierten, sich vorgabengerecht zu verhalten 78. Vor der Untersuchung einzelner Kontrollen ist eine nähere Betrachtung dieser Funktionen erforderlich. Wie und unter welchen Voraussetzungen werden sie erfüllt? Welche Bedeutung haben sie für die öffentliche Verwaltung? Die Beantwortung dieser Fragen ist Voraussetzung einer angemessenen Beurteilung der vorliegend thematisierten behördeninternen Kontrollen.

allgemeinen Sprachgebrauch .. . Kontrolle als allgemeine Überwachung der übergeordnete Begriff ist" und in der konkreten Anwendung „eine solche scharfe Abgrenzung praktisch (anders als gedanklich) überhaupt nicht präzise möglich" ist (Vorwort, S. 9). 73 Treffend bezeichnet Krebs die Abgrenzung zwischen Kontrolle und Prüfung als „begriffliche Willkür" (Kontrolle, S. 16, Fn. 75); auch Bohret ! Junkers, Führungskonzepte, S. 120, verwenden Kontrolle als Oberbegriff. 74 Dazu im einzelnen oben II. 75 Frese, Kontrolle, S. 64 ff.; Blum, Interne Kontrolle, S. 234 f.; Blohm, Interne Revision, Sp. 1429; Brede, Kontrolle, Sp. 2218; Steinebach, Verwaltungsbetriebslehre, Rn. 165; Hirsch, Haushaltskontrolle, S. 46. 76 W. Müller, Organisation, Sp. 1082; Gehrig, Parlament, S. 26; Magier α, Staatsleitung, S. 271; siehe dazu unten 3. Abschnitt C I. 77 Püttner, Verwaltungslehre, S. 337; siehe dazu unten 3. Abschnitt C III. ™ Blohm, Interne Revision, Sp. 1429; Frese, Kontrolle, S. 80 ff.; Leffson, Wirtschaftsprüfung, S. 10; siehe dazu unten 3. Abschnitt C II.

39

Β. Allgemeine Funktion der Kontrolle

I. Kontrolle als Element von Entscheidungsprozessen Der hier zugrundegelegte Kontrollbegriff wird — wie dargelegt — durch den Vergleich zwischen gesollten Vorgaben und tatsächlichen Gegebenheiten gekennzeichnet. Schon diese Beziehung legt nahe, daß Kontrolle der Annäherung der Realität an die Vorgabe dienen muß. Wie sie diese Funktion erfüllt, ist näher zu untersuchen. Zu diesem Zweck ist zunächst zu fragen, in welcher Weise allgemein Vorgaben in die Wirklichkeit umgesetzt werden. Danach kann ermittelt werden, wie sich die Kontrolle hierzu verhält. 1. Die Entscheidung als Hauptmerkmal der öffentlichen Verwaltung a) Die Entscheidung als Mittel zur Verwirklichung

von Soll-Vorgaben

Soll die Realität einer Zielvorstellung angeglichen werden, so bedarf es dazu letztlich immer einer Tathandlung. Da von Umsetzung von Zielen nur die Rede sein kann, wenn die Handlung gezielt zum Zwecke der Angleichung ausgeführt wird (andernfalls erfolgt die Angleichung rein zufällig und damit unabhängig von der vorangegangenen Zielsetzung), setzt jener Realakt denknotwendig eine Entscheidung zu seiner Vornahme voraus 79 , die sich an den Vorgaben orientiert. Mindestens eine Entscheidung, nämlich die zur Vornahme der zielverwirklichenden Handlung ist also erforderlich, um einen Soll-Wert in die Realität umzusetzen. Bei abstrakteren Vorgaben bedarf es aber regelmäßig einer Kette von zunehmend konkreteren Entscheidungen, die jeweils ihrerseits wieder Soll-Werte für die weitere Konkretisierung darstellen. Die stets am Ende stehende Tathandlung muß nicht notwendig vom Entscheidenden selbst ausgeführt werden 80 . b) Die Bedeutung der Entscheidung für die öffentliche

Verwaltung

Um die Bedeutung der Entscheidung für die öffentliche Verwaltung zu ermitteln, ist der Blick auf die allgemeine Funktion der Verwaltung zu richten. Dazu ist zunächst allgemein festzuhalten, daß der Staat bestimmten Zwecken dient und demnach der Verfassungsprozeß als „Prozeß der Verwirklichung der Staats-

79 Krebs, Kontrolle, S. 28. 80 Diese Klarstellung erscheint gegenüber Brunner, Kontrolle, S. 66 erforderlich, der ausführt: „Um der Entscheidung tatsächliche Geltung zu verschaffen, muß sie in die Wirklichkeit umgesetzt werden.... Kurz: Die Entscheidung muß durchgeführt werden." Die abschließende Realhandlung muß nicht notwendig vom Staat ausgeführt werden. Es ist vielmehr sogar die Regel, daß die ein Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung, der Verwaltungsakt, vom Adressaten selbst freiwillig befolgt und damit durchgeführt wird. Das gleiche gilt für Entscheidungen auf höherem Abstraktionsniveau, etwa für Gesetze (ebenso Krebs, Kontrolle, Fn. 177, S. 28), deren Ge- und Verbote ohne weiter konkretisierende (staatliche) Entscheidung im Einzelfall gelten und dann auch ohne weiteren staatlichen Ausführungsakt befolgt werden.

4 0 1 .

Teil 1. Abschnitt: Begriff und allgemeine Funktion der Kontrolle

zwecke" angesehen werden kann 81 . Zur Realisierung der zunächst hochabstrakten Staatszwecke bedarf es einer fortschreitenden Reihe konkretisierender Entscheidungen 82 . Ein Teil dieser Entscheidungen ist dem Gesetzgeber durch das Grundgesetz bzw. die Landesverfassungen ausdrücklich oder zumindest über das Demokratiegebot, das Rechtsstaatsprinzip und den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG) 8 3 zugewiesen. Soweit der Gesetzgeber wirksam entschieden hat, fällt der Verwaltung nach ihrer verfassungsmäßigen Stellung die Aufgabe zu, diese Entscheidungen (die Gesetze) auszuführen. Sie hat also die vom Einzelfall losgelöste (vgl. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG) abstrakte gesetzgeberische Entscheidung in die Realität umzusetzen, d. h. im Einzelfall zu konkretisieren. Daneben existiert nach st. Rspr. des BVerfG ein „Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung", in dem die Verwaltung kraft ihrer aus dem Grundgesetz abgeleiteten Stellung ohne einfachgesetzliche Ermächtigung und frei von unmittelbarer Einflußnahme durch das Parlament tätig werden darf 84 . Auch in diesem Bereich nimmt die Verwaltung aber am Verfassungsprozeß teil und verwirklicht damit vorgegebene Staatszwecke. Damit hat die Verwaltung stets Vorgaben in die Wirklichkeit umzusetzen85. Diese Umsetzung erfordert, wie bereits dargelegt 86 , konkretisierende Entscheidungen. Daher ist die Entscheidung zentrales Wesensmerkmal der öffentlichen Verwaltung. Diesem theoretischen Befund entsprechen die Begriffsbildungen und Analysen der Verwaltung in der Literatur. So definiert Hans J. Wolff Verwaltung im materiellen Sinne als die Wahrnehmung von Angelegenheiten, „insbesondere durch Herstellung bindender Entscheidungen"87. Für Luhmann ist die „Herstel-

8» Erichsen, Zum Verhältnis, S. 255. 82 Vgl. Brunner, Kontrolle, S., 68: „Der Verfassungsprozeß stellt sich als eine fortschreitende Konkretisierung von Entscheidungen dar, in dem die allgemeineren Entscheidungen stufenweise der Wirklichkeit angenähert werden.". 83 Vgl. dazu vor allem die „Wesentlichkeitstheorie" des BVerfG (BVerfGE 49, S. 89 (126 f.) m. w. Nw.). 84 Vgl. etwa BVerfGE 68, 1 ff. (87) für den Bereich der Außenpolitik, soweit nicht die ausdrücklichen Mitwirkungsbefugnisse des Gesetzgebers gem. Art. 59 Abs. 1 Satz 1, 24 Abs. 1 GG gelten: ,Auch der Grundsatz der parlamentarischen Verantwortung der Regierung setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung voraus." Das BVerfG erkennt „zentrale Gestaltungsbereiche der Exekutive" an „in einem Handlungsbereich, der funktionell betrachtet nicht Gesetzgebung im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 darstellt" (vgl. auch BVerfGE 67, S. 100 ff. (139); VerfG Hamburg DÖV 1973, S. 745 ff., 747 f.). Auch Erichsen spricht sich für einen vom Gesetzgeber unantastbaren Kernbereich der Verwaltung aus (Zum Verhältnis, S. 254 ff.; m. w. Nw.), a. A. etwa Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 175; zum ganzen ausführlich Maurer und Schnapp, Verwaltungsvorbehalt. 85 So gehen auch Reinermann / Reichmann davon aus, daß in der öffentlichen Verwaltung kaum „durchgängig nicht programmierte Aufgaben" zu finden sein dürften (Führungskonzepte, S. 151). 86 Siehe oben 1 a. 87 Wolff! Bachof Verwaltungsrecht I, § 2 Π a 7.

Β. Allgemeine Funktion der Kontrolle

41

lung bindender Entscheidungen" das besondere und funktional wesentliche Kriterium der Verwaltung 88 · 8 9 . 2. Die Struktur der Entscheidung und ihr Verhältnis zur Kontrolle a) Die Entscheidung als Prozeß Mit Entscheidung wird teilweise der Vorgang der Entscheidungsfindung, teilweise dessen Ergebnis bezeichnet90. Entscheidungstheoretisch kann beides getrennt werden 91 . Will man die Wirkungsweise der Kontrolle mit Blick auf die Entscheidung, die ebenfalls — wie dargelegt — eine Beziehung von Ist- zu SollWerten herstellt, ermitteln, so verspricht die Betrachtung auch des Entscheidungsvorgangs größeren Erkenntnisgewinn als der isolierte Blick auf sein Ergebnis 92. Geht man davon aus, daß die Entscheidung der Konkretisierung von Vorgaben (d. h. von abstrakteren Vorentscheidungen) dient, so verbietet sich, den Entscheidungsvorgang allein durch den Willen oder gar die „Macht" des Entscheidenden zu charakterisieren, also als eine Art „inneren Ruck", den sich der Entscheidende selbst gibt. Wesentlich ist vielmehr die Informationsverarbeitung 93. Der Entscheidungsträger nimmt Informationen über die zu gestaltende Wirklichkeit und das zu erreichende Ziel bzw. die sonst beachtlichen Vorgaben auf. Diese werden zu

es Luhmann, Theorie, S. 67: Kern der Überlegungen Luhmanns ist, daß der Staat, insbesondere die Verwaltung, ein System ist, das dazu dient, bei fortschreitender Differenzierung der Funktionen in der Industriegesellschaft die Komplexität der Systemumwelt (Informationsaufnahme aus der Umwelt = Input) für diese Umwelt zu reduzieren, indem es für die Umwelt verbindliche Entscheidungen (= Output) zur Lösung bestehender Probleme trifft. Die vom Menschen nicht auf einmal verarbeitbare Komplexität der Umwelt wird auf ein handhabbares Maß reduziert, indem die einmal gefällte Entscheidung als verbindlich akzeptiert und damit grundsätzlich nicht mehr in Frage gestellt wird. Weitere Entscheidungen können auf dieser (normativen) Festlegung aufbauen und werden damit von der der ersten Entscheidung zugrundeliegenden Komplexität entlastet. Kritisch zu den Gedanken Luhmanns äußert sich Habermas, Theorie, S. 142 ff. 89 Vgl. auch Scholz, Verwaltungsverantwortung, S. 149: „Verfahrensmäßig erscheint die Verwaltungsverantwortung als Prozeß umfassender Informationsverarbeitung, komplexer Problemanalyse und Problemlösung, kurz: als Entscheidungsprozeß" (Hervorhebung im Original). 90 Dazu Scholz, Verwaltungsverantwortung, S. 149 f. m. w. Nw. 91 Diese theoretische Möglichkeit, die zum Zwecke der Analyse nützlich sein kann, wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß in der Praxis der Prozeß des Entscheidens regelmäßig in Zwischenentscheidungen zergliedert ist (Reduktion der Komplexität, vgl. Luhmann, Fn. 88). Die Kritik Pieroths (Verfassungsfragen, S. 659 ff. (664)) trifft insofern nicht (so auch Krebs, Kontrolle, Fn. 185, S. 29). 92 Vgl. dazu schon die Forderung Leisners, Gewaltenteilung, S. 411: ,3ei jedem einzelnen Staatsakt — vom Gesetz bis zum Verwaltungsakt — müssen . . . mehr als bisher die Phasen des „Verfahrens" unterschieden, ihr Zusammenhang bestimmt und ihr (politisches) Gewicht zueinander und im Verhältnis zur Enddezision geklärt werden.". 93 Luhmann, Theorie, S. 51 f.; Gottinger, Management, S. 18.

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1. Teil 1. Abschnitt: Begriff und allgemeine Funktion der Kontrolle

einer Entscheidung verarbeitet, die das abstrakt Gesollte in Hinblick auf eine bestimmte Situation konkretisieren. Gegen die Betonung des willkürlich-willentlichen ("dezisionistischen") Elements des Entscheidungsvorgangs sprechen neben der Einordnung der Entscheidung als Mittel der Konkretisierung von Vorgaben auch empirische und normative Gesichtspunkte: Entscheidungen werden häufig arbeitsteilig gefällt 94 , was die Beteiligten zur Rationalität 95 zwingt 96 . Die Entscheidung muß dabei von den an ihr Mitwirkenden als von den allgemein anerkannten abstrakten Prämissen gedeckt angesehen werden, um akzeptiert zu werden. Dies ist in der Praxis zumindest dann Voraussetzung, wenn die Beteiligten verschiedene Interessen wahrnehmen 97 . Auch verfassungsrechtliche Erwägungen zwingen dazu, Entscheidungen vor allem auch als — informationsverarbeitende — Prozesse anzusehen. Nur eine in dieser Weise gefällte und begründete Entscheidung entspricht den grundgesetzlichen Anforderungen aus Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 3 GG) 9 8 . Diese gebieten, eine gegenüber dem Bürger verbindliche Entscheidung über eine lückenlose Reihe von Vorentscheidungen auf die Entscheidung des durch Wahl legitimierten Parlaments zurückzuführen (vgl. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG) 9 9 , wobei es allerdings genügt, daß die Volksvertretung die „wesentlichen Entscheidungen"100 selbst trifft. Dieser Zusammenhang kann nur über einen die Vorgaben und die konkreten tatsächlichen Umstände berücksichtigenden Entscheidungsprozeß hergestellt und durch eine dies darstellende Begründung transparent gemacht werden 101 .

94 Krebs, Kontrolle, S. 31; angedeutet auch bei Luhmann, Theorie, S. 52. 95 Zum Begriff der Rationalität vgl. Leisner, Effizienz, S. 23 f. 96 Anschaulich dargestellt bei Luhmann, Rechtssoziologie, S. 287, am Beispiel des Gerichtsverfahrens, in dem das „Zusammen"-Wirken von Anwälten und Richtern in verschiedenen Rollen diese dazu anhält, sachgemäß zu argumentieren. 97 Vgl. das Beispiel der Gerichtsverhandlung, ebenda. 98 Dazu Magiern, Staatsleitung, S. 226 ff. 99 Da das Parlament die Verwaltung nur über Gesetze binden kann, sind dessen Vorgaben stets gesetzliche und rechtliche. Dies muß aber nicht zwingend bedeuten, daß die Beachtung der Vorgaben vollständig gerichtlich überprüfbar ist (vgl. dazu unten 2. Abschnitt Β I.). 100 Vgl. BVerfGE 49, S. 89 126 f. ιοί Dem entspricht die Feststellung Luhmanns (Rechtssoziologie, S. 285), daß „der juristische Entscheidungsprozeß typisch nicht am Ergebnis, sondern nur in seinen Einzelschritten und -argumenten überprüft werden kann." Das heißt nichts anderes, als daß die Herleitung aus Vorgaben sich aus dem Entscheidungsprozeß, nicht aus dem Ergebnis ergibt — man kann, wie jedem Juristen geläufig ist, in ein und demselben Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, die allsamt von „vertretbaren" Begründungen getragen und damit von der (gesetzlichen) Vorgabe gedeckt werden.

Β. Allgemeine Funktion der Kontrolle

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b) Kontrolle als Element des rationalen Entscheidungsprozesses Hat man nun festgestellt, daß Kontrolle ein Soll-Ist-Vergleich ist, daß die Entscheidung der Realisierung von Soll-Werten in der Realität dient und daß sie aufgrund eines informationsverarbeitenden Prozesses getroffen wird, so drängt sich die Frage nach der Struktur dieses Prozesses auf. Welche Elemente enthält das Verfahren der Entscheidungsfindung? Wie verhält sich die Kontrolle hierzu? Da Entscheidung im hier interessierenden Sinne einen Informationsverarbeitungsprozeß darstellt, in dem das abstrakt Gesollte für einen bestimmten Fall konkretisiert wird, setzt sie die Sammlung, Analyse und Bewertung von Informationen über die Vorgabe und über die zu gestaltende Wirklichkeit voraus 102 , eventuell auch über das bei der Entscheidungsfindung zu beachtende Verfahren („formale Vorgaben"). Der Prozeß wird in der Praxis regelmäßig durch viele Teilentscheidungen strukturiert, vor allem bei der Auswahl und Bewertung der zu verarbeitenden Informationen. Diese Merkmale sind Strukturelemente jeder rationalen zielverwirklichenden Entscheidung, auch wenn sie — insbesondere bei nicht arbeitsteiligen Ein-Personen-Entscheidungen — äußerlich nicht immer erkennbar sind. Aufgrund der verarbeiteten Information wird das Entscheidungsergebnis festgelegt, von dem angenommen wird, daß es der Verwirklichung der Vorgaben im Einzelfall am besten entspricht. Diese Festlegung stellt sich als Wahlakt aus verschiedenen Entscheidungsalternativen dar, die sich im Laufe der Informationssammlung und -bewertung entwickelt haben 103 . Welcher Alternative der Vorzug gegeben wird, richtet sich idealtypisch (d. h. ohne willkürlich-willentliche Einflüsse) danach, welche dem Gesollten in Hinblick auf die tatsächlich vorgefundenen Umstände am ehesten entspricht. Dies wird festgestellt, indem man die jeweilige Entscheidungsalternative mit der gesollten Vorgabe vergleicht. Hierin liegt aber nichts anderes als ein Soll-Ist-Vergleich und damit eine Kontrolle in dem hier definierten Sinne 104 . Damit ist auch die allgemeine Funktion der Kontrolle bestimmt: Kontrolle dient der „(Mit-)Bestimmung einer Entscheidung" 105 , wobei „staatliche Entscheidungsprozesse ... ihrer Struktur nach kontrollierte Wahlhandlungen" 106 sind 107 . 102 Krebs, Kontrolle, S. 31; Zimmer, Funktion, S. 88. 103 Auch Hardach stellt fest, daß die „eigentliche Entscheidung" nach „Vergleich der Möglichkeiten aufgrund von Alternativplänen" getroffen wird (Verantwortung, S. 107). 104 Siehe oben Α Π. los Krebs, Kontrolle, S. 34. 106 Ebenda; ebenso KGSt., Leitung, S. 4. 107 Diese Funktion der Kontrolle ist letztlich angesprochen, wenn Frese (Kontrolle, S. 64 ff.) die Kontrolle als „Informationsquelle für nachfolgende Entscheidungen" bewertet oder Tiemann (Finanzkontrolle, S. 46) die Kontrolle von sonstiger staatlicher Tätigkeit dadurch abgrenzen will, daß die Kontrolle „zur Erfüllung ihrer . . . Zielfunktion erst der Umsetzung" bedürfe und daher nicht „unmittelbar" gestaltend wirke.

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1. Teil 1. Abschnitt: Begriff und allgemeine Funktion der Kontrolle c) Kontrolle

in Ablaufmodellen

Häufig findet sich der Begriff der Kontrolle eingebunden in das Handlungsablaufschema Planung — Realisation — Kontrolle 108 ; die einzelnen Schritte werden teilweise zunächst als „Führungsphasen" bezeichnet109. Dieses Schema darf nicht in der Weise mißverstanden werden, daß nach „der" Kontrolle der Handlungsablauf abbricht. Wäre dies der Fall, so wäre die Kontrolle funktionslos, weil ihr keine Entscheidung mehr nachfolgt 110 . Der Ablauf muß vielmehr in der Weise offengehalten werden, daß auf die Kontrolle eine neuerliche Planung, Realisation etc. folgt, in der die durch die Kontrolle gewonnenen Informationen verwertet werden 111 . Will man dem Prozeß der Entscheidungsfindung gerecht werden, so kann man bei diesen Überlegungen nicht stehenbleiben. Wie schon dargelegt 112 zerfällt der Entscheidungsprozeß — und damit auch jede der genannten (Führungs-)Phasen — in zahlreiche Teilentscheidungen. Dementsprechend gilt das Handlungsmodell auch innerhalb der einzelnen Führungsphasen: So bedarf etwa die Planung ihrerseits der Planung, der Realisation durch Ausarbeitung der hierfür gewählten Planungsalternative und der Kontrolle dieser Ausarbeitung 113 . Ebenso können diese innerhalb der Phase bestehenden „Unterphasen" wieder nach dem Ablaufmodell gegliedert werden. Die Untergliederung läßt sich theoretisch beliebig weit fortsetzen. Inwieweit sie in der Praxis (erkennbar) durchgeführt wird, hängt von der Bedeutung und von der Komplexität des zu lösenden Problems ab 114 .

io» Eichhorn ! Friedrich, Verwaltungsökonomie I, S. 182 f.; Schwab, Kontrollsysteme, S. 200, betrachtet demgegenüber die Entscheidung als zusätzliche eigene Phase und kommt deshalb zum Schema Planung — Entscheidung — Realisation — Kontrolle. Die Entscheidung erscheint in dieser Reihe insofern aber etwas systemfremd, weil sie in dieser Reihung lediglich als Abschluß der Planung (Entscheidungsfindungsprozeß) angesehen werden kann und daher — anders als die drei anderen Phasen — keinen weiter strukturierbaren Prozeß darstellt. Die dreiteilige Phasenbetrachtung erscheint in sich homogener und ist daher vorzugswürdig (anders ohne nähere Begründung offenbar Krebs, Kontrolle, S. 34 ff.). 109 Eichhorn I Friedrich, Verwaltungsökonomie I, S. 183. no Siehe oben A V. m So im Ergebnis auch Krebs, Kontrolle, S. 34 f.; M agier α, Staatsleitung, S. 225; vgl. dazu auch Voßbein, Organisation, S. 88 f. 112 Siehe oben 1 a. h 3 Vgl. Schwab, Kontrollsysteme, S. 200 f.; auch Eichhorn / Friedrich, Verwaltungsökonomie I, S. 183 f. 114 Dementsprechend behandelt Thieme diese Dreiteilung auch als „besondere Entscheidungslehre" (Entscheidungen, S. 21, 91 ff.), die dort gelte, wo ausdrücklich Pläne aufgestellt werden. Diese Abgrenzung mag für die praktische Handhabung funktionell sein, weil sich ein Entscheider bei der Erledigung der „Alltagsentscheidungen" das planerische Element seines Entscheidens gar nicht bewußt machen wird. Der theoretische Befund, nach dem sich jeder Entscheidungsvorgang in Planung, Durchführung und Kontrolle aufgliedern läßt, ändert sich dadurch aber nicht.

Β. Allgemeine Funktion der Kontrolle

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Die Überlegungen zeigen, daß die Phasenbetrachtung davon abhängt, worauf sie bezogen wird. Soll beispielsweise eine Organisationsuntersuchung in einem bestimmten Amt, ζ. B. dem Grünflächenamt, durchgeführt werden, so kann mit Blick auf diese Aufgabenstellung alles, was zur Erstellung des Untersuchungsplanes dient, als Planungsphase bezeichnet werden. Bezieht man die Betrachtungen aber nicht auf die Organisationsuntersuchung insgesamt, sondern nur auf die Aufgabe, einen Untersuchungsplan für diese Untersuchung zu erstellen, so findet sich diesbezüglich wieder eine Planungs-, eine Realisations- und eine Kontrollphase115 — also innerhalb der „Planungsphase" der Gesamtuntersuchung. Die Planungsphase wird jeweils durch eine Entscheidung abgeschlossen, die als an Vorgaben orientierte Wahlhandlung durch Kontrolle bestimmt wird 1 1 6 . Da sämtliche in Hinblick auf eine übergeordnete Problemstellung bestimmten Phasen des Handlungsmodells ihrerseits durch dieses Ablaufmodell gegliedert sind, bestätigt sich auch hier der Befund 117 , daß der staatliche Handlungsablauf aus einer Vielzahl von Entscheidungen besteht und damit aus einer ebenso großen Zahl von Kontrollen. Das Handeln der Verwaltung als Handeln nach Vorgaben stellt sich damit als unablässig von Kontrolle begleiteter Entscheidungsprozeß dar 118 , wobei der Kontrolle die allgemeine Funktion zukommt, die konkretisierenden Entscheidungen auf die Vorgaben zurückzubeziehen (mittels eines Vergleichs). Rationales Entscheiden, verstanden als Handeln nach Zwecken oder sonstigen Vorgaben, ist stets kontrolliertes Entscheiden119.

115 Dabei schlägt die KGSt. (Organisationsuntersuchungen, S. 53 ff.) innerhalb der Planung eine Teilung in Zielplanung (S. 53 ff.) und sich daran anschließende Planung der Untersuchung selbst (S. 55 ff.) vor, wobei für beide bei umfassenden und komplexen Untersuchungsvorhaben auch noch Voruntersuchungen (also eine „grobe" Organisationsuntersuchung, die allein der Planung der eigentlichen Organisationsuntersuchung dient), die eventuell bereits als ,»Projekt" (d. h. mit einem speziell dafür gebildeten Mitarbeiterteam) organisiert werden können (S. 61). Dies macht deutlich, daß innerhalb dessen, was unter einem Blickwinkel als Planungsphase bezeichnet wird, unter anderem Blickwinkel das volle Ablaufmodell gefunden werden kann, unter Umständen auch mehrfach. 116 Siehe oben b. in Siehe oben 1 b. ι 1 8 So auch Reinermann ! Reichmann, Führungskonzepte, S. 150. n9 Vgl. auch Krebs, Kontrolle, S. 34: „Die Kontrolle i s t . . . notwendiger Bestandteil rationaler Entscheidungsprozesse. Dabei erfordert jeder Entscheidungsprozeß soviel Kontrollen wie er Teil-Entscheidungen voraussetzt." Man denke etwa an „die" (vergleichsweise wenig komplexe) gerichtliche Entscheidung, daß dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung zustehe. Diese setzt zahlreiche TeilEntscheidungen voraus, etwa über das Vorliegen eines Kaufvertrags, Unwirksamkeit einer Anfechtung, Übergabe und Übereignung der Kaufsache etc., die jeweils nach einer Kontrolle anhand der einschlägigen gesetzlichen Regelungen getroffen werden.

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1. Teil 1. Abschnitt: Begriff und allgemeine Funktion der Kontrolle II. Vorherige, begleitende und nachträgliche Kontrolle

In der Literatur finden sich oft zeitbezogene Einteilungen wie etwa in begleitende und nachträgliche 120, in vorherige, begleitende und nachträgliche 121 oder in vorherige, mitschreitende und nachherige 122 Kontrolle. Dabei bleibt meistens ungeklärt, worauf sich diese Begriffe beziehen, d. h. in Hinblick auf was Kontrolle vorherig, begleitend oder nachträglich sein soll. Als Bezugspunkte kommen die Entscheidung und ihre Durchführung in Betracht. Es wurde allerdings bereits festgestellt, daß auch der Entscheidungsbegriff nicht eindeutig festgelegt ist. Eine „Entscheidung" wie etwa ein Urteil, ein Beschluß oder ein Verwaltungsakt läßt sich nahezu beliebig in weitere VorEntscheidungen zerlegen. Andererseits kann selbst ein Urteil wiederum zur bloßen Vor-Entscheidung, zum Teil eines späteren Entscheidungsprozesses werden, in dem die Urteilsfeststellungen dann „präjudiziell" gelten 123 . Aus dieser Beliebigkeit des Entscheidungsbegriffs folgert Krebs zutreffend: ob man eine Kontrolle „als mitlaufend oder nachgängig ansieht, hängt von der Beurteilung der Endgültigkeit des kontrollierten Abschnitts des Entscheidungsprozesses ab." 1 2 4 Maßgeblich für die Einteilung in vorherige, begleitende und nachträgliche Kontrolle muß daher sein, ob der Gegenstand der Kontrolle, der „Ist-Wert", bereits als endgültig selbständig verbindlich angesehen wird (Entscheidung) oder erst als eine Möglichkeit von mehreren, die eventuell als endgültige ausgewählt wird (Entscheidungsalternative). Dies verweist auf das zweite Wesensmerkmal der Entscheidung: Die Entscheidung wird nicht nur durch die Wahl aus mehreren Möglichkeiten gekennzeichnet, sondern auch durch ihre Bindungswirkung für den Entscheider und für Dritte. Der Inhalt der Entscheidung wird verbindlich gemacht, um selbständig als weitere Handlungsgrundlage zu dienen und denjenigen, der sich danach richten darf und muß, von der zugrundeliegenden Informationsverarbeitung zu entlasten125. 120 Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 498. 121 Schwebbach, Kontrollen, Rn. 519; Püttner, Verwaltungslehre, S. 341. 122 Eichhorn / Friedrich, Verwaltungsökonomie I, S. 252. 123 Ist etwa zwischen zwei Parteien rechtskräftig festgestellt, daß eine der beiden Eigentümerin eines bestimmten Fahrzeugs ist, so ist dies in einem späteren Prozeß, in dem über die Herausgabe zu entscheiden ist, zugrundezulegen. Läge dagegen kein Feststellungsurteil vor, so müßte das Gericht des Herausgabeprozesses die Vorentscheidung über die Eigentümerstellung selbst treffen, ohne daß den Beteiligten bewußt würde, daß auch diese Feststellung als Entscheidung angesehen werden kann. 124 Krebs, Kontrollen, S. 36; vgl. auch v. Mutius, Steuerung, S. 185: „Zwar setzt auch diese Rechnungsprüfung im engeren Sinne nachträglich ein, . . . gleichwohl wird man faktische Vorwirkungen für künftiges Verwaltungshandeln nicht leugnen können, . . . " (Hervorhebungen im Original), m. w. Nw. 125 Dementsprechend übernimmt derjenige, der „für andere" entscheidet, Verantwortung für die zutreffende Informationsverarbeitung; dazu unten 3. Abschnitt C I 3; vgl. hierzu auch Luhmanns „Theorie der Verwaltung", nach der die Entlastung der Verwal-

Β. Allgemeine Funktion der Kontrolle

47

Nimmt man diese systemtheoretische Funktion der Entlastung durch Verbindlichkeit der Wahlhandlung hinzu, so kann folgendermaßen abgegrenzt werden: Eine Entscheidung liegt dann vor, wenn ihr Inhalt als selbständige Grundlage des weiteren Verhaltens (im System oder in seiner Umwelt) verwendet wird, ohne daß dieser in Frage gestellt wird. Mit anderen Worten: In Hinblick auf die Einteilung der Kontrolle kann von einer Entscheidung gesprochen werden, wenn ihr Inhalt nach den Regeln des Systems selbständig, also ohne Rücksicht auf die in ihm verdichtete Information als gültig betrachtet, wenn die Entscheidung also durchgeführt wird. Eine bloße Entscheidungsalternative, ein Entscheidungsentwurf liegt dagegen dann vor, wenn dieser erst nach Kontrolle anhand der Vorgaben für das weitere Handeln verbindlich gemacht werden soll 1 2 6 . 1. Vorherige Kontrolle Demzufolge kann diejenige Kontrolle als vorherige angesehen werden, die dazu dient, die Entscheidungsalternative auszuwählen, die zur später ungeprüft weiterzuverwendenden Handlungsgrundlage (zur Entscheidung) gemacht werden soll. 2. Nachträgliche Kontrolle Nachgängig ist eine Kontrolle, die später, nachdem die Entscheidung bereits vollständig durchgeführt wurde, nochmals prüft, ob die damalige Entscheidung richtig gewesen ist. Aufgrund eines negativen Kontrollergebnisses kann jene Entscheidung nicht mehr sinnvoll geändert werden, da ihre Durchführung für die Vergangenheit nicht mehr aus der Welt geschafft werden kann. Es ist allenfalls eine Kompensation der negativen Durchführungsfolgen denkbar. Hier kann Kontrolle also nicht mehr der Korrektur der kontrollierten Entscheidung selbst dienen, sondern nur noch Grundlage einer Folgeentscheidung sein.

tungsumwelt durch verbindliche Entscheidung die Funktion der Verwaltung ist (dazu näher oben Fn. 88). 126 Anzumerken ist, daß auch diese Abgrenzung im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten kann: Selbst ein rechtskräftiges Urteil oder ein bestandskräftiger Verwaltungsakt kann bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen (vgl. etwa §§153 VwGO; 579, 580 ZPO; 359, 362 StPO; 51 VwVfG) seine Verbindlichkeit verlieren, nachdem die ihm zugrundeliegende Informationsverarbeitung erneut kontrolliert wurde. Andererseits kann der bloße „Entscheidungsentwurf' des Sachbearbeiters für seinen insoweit entscheidungsbefugten Vorgesetzten in der Verwaltungspraxis bereits faktisch eine Entscheidung bedeuten, weil der Vorgesetzte, der formal die verbindliche Entscheidung trifft, die „vorbereitende" Informationsverarbeitung des Mitarbeiters gar nicht mehr kontrolliert (zumindest eine vollständige Kontrolle muß sogar ausgeschlossen sein, siehe unten 2. Teil, 1. Abschnitt Β III 1 b).

4 8 1 .

Teil 1. Abschnitt: Begriff und allgemeine Funktion der Kontrolle

3. Begleitende Kontrolle Zwischen vorheriger und nachträglicher Kontrolle steht die begleitende (oder mitschreitende). Manche Entscheidungen regeln das Verhalten über einen längeren Zeitraum. Dies gilt vor allem für größere Programme. Diese können zwar als Entscheidungen im systemtheoretischen Sinne anerkannt werden, weil die Beteiligten ihren Inhalt bei Beginn der Durchführung als maßgeblich anerkennen. Im Laufe der Durchführung werden aber derartig langfristige Entscheidungen regelmäßig doch wieder überprüft und dann, falls die Kontrolle Abweichungen ergibt, für die weitere Durchführung zur Annäherung an die Vorgaben korrigiert (kybernetische Regelung). In der Praxis ist eine derartige begleitende Kontrolle vor allem bei der Durchführung umfangreicher, längerfristig zu verwirklichender Pläne, die nach Zweckprogrammen 127 aufgestellt werden, erforderlich, weil die Prognosen über die Folgen der geplanten Maßnahmen, die Grundlage der Planaufstellung waren, mit großen Unwägbarkeiten belastet sind und sich daher bei der Durchführung oft als unzutreffend erweisen 128 . Zusammenfassend ist festzuhalten: Die vorherige Kontrolle dient der Auswahl einer Entscheidungsalternative zur verbindlichen Handlungsgrundlage für das System Verwaltung und eventuell für ihre Umwelt (Außenwirkung). Sie geht also der Entscheidung voraus. Die begleitende Kontrolle dient der Korrektur langfristig durchzuführender Entscheidungen, die zwar zunächst als verbindliche Handlungsgrundlage anerkannt sind, im Laufe ihrer länger dauernden Durchführung aber wieder in Frage gestellt und eventuell korrigiert werden können. Sie begleitet also die Durchführung einer Entscheidung. Die nachträgliche Kontrolle prüft, ob eine bereits vollständig durchgeführte Entscheidung richtig gewesen ist. Sie kann nur noch Kompensationsmaßnahmen nach sich ziehen oder Informationen dafür, wie künftige vergleichbare Situationen anders bewältigt werden können. Sie folgt also der Durchführung nach.

I I I . Vermittlung der weiteren Kontrollfunktionen durch — kontrollierte — Entscheidung Die bereits kurz genannten129 weiteren Kontrollfunktionen, nämlich die Funktion zur Geltendmachung von Verantwortlichkeit, die Präventiv- und die Entlastungsfunktion, gelten nur für bestimmte Arten der Kontrolle und können daher 127

Zum Begriff des Zweckprogramms siehe unten 2. Abschnitt B. 128 Zu diesen Schwierigkeiten und dem besonderen Bedürfnis für eine begleitende Kontrolle siehe unten 2. Abschnitt Β II. 129 Siehe oben B. (Eingangsabsatz).

Β. Allgemeine Funktion der Kontrolle

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erst behandelt werden 130 , wenn eine Einteilung in verschiedene Kontrollarten erfolgt ist. Auch die speziellen Funktionen setzen aber jeweils voraus, daß aufgrund des Kontrollergebnisses eine Entscheidung getroffen wird: Verantwortlichkeit kann erst mittels einer Entscheidung hinsichtlich des Kontrollierten (Sanktion?) geltend gemacht werden, die Präventivfunktion setzt voraus, daß bei der erwarteten Kontrolle mit einer entsprechenden Folgeentscheidung zu rechnen ist, der Kontrollierte wird nur dann durch die Fremdkontrolle 131 entlastet, wenn er sich darauf berufen kann, sein Handeln sei „abgesegnet" gewesen. Deshalb ergibt sich mit der Feststellung, daß Kontrolle den Zweck hat, staatliche Entscheidungen mitzubestimmen, zugleich, daß Kontrolle funktionslos ist, wenn ihr nicht eine Entscheidung nachfolgt — die Entscheidung ist notwendige Voraussetzung dafür, daß Kontrolle ihre weiteren Funktionen entfalten kann. Die nähere Betrachtung der weiteren Kontrollfunktionen setzt aber eine Differenzierung nach verschiedenen Kontrollarten voraus. Der vorliegende Kontrollbegriff erfaßt nämlich sowohl den Soll-Ist-Vergleich durch denjenigen, der die Entscheidung selbst treffen soll, als auch die Überprüfung dieser Entscheidungswahl durch einen anderen. Man kann insofern Eigen- und Fremdkontrolle unterscheiden. Nur in letzterem Fall kann aufgrund der Kontrolle Verantwortlichkeit geltend gemacht werden, kann Erwartung einer Kontrolle das eigene Verhalten präventiv beeinflussen oder kann das bestätigende Kontrollergebnis den Entscheider entlasten. Zunächst soll aber eine nähere Betrachtung der Unterschiede zwischen Eigenund Fremdkontrolle noch zurückgestellt werden. Bevor nämlich auf bestimmte Kontrollarten und deren spezifische Funktionen eingegangen werden kann, ist Klarheit über ein weiteres notwendiges Element von Kontrolle zu schaffen, das im Vorfeld jeglicher Differenzierung verschiedener Kontrollarten für jede Kontrolle von elementarer Bedeutung ist: der Maßstab der Kontrolle, das „Soll".

130 Siehe unten 3. Abschnitt C. 131 Zum Begriff siehe unten 3. Abschnitt A II. 4 Strößenreuther

2. Abschnitt

Die Kontrollmaßstäbe Wie eingangs festgestellt 132 ist unter Kontrolle allgemein ein Soll-Ist-Vergleich, verbunden mit einer Analyse eventueller Abweichungen zu verstehen. Blickt man auf die Soll-Maßstäbe, die der Kontrolle zugrundezulegen sind, so lassen sie sich konkret in verschiedenster Weise unterteilen. Thieme zählt exemplarisch „Sachrichtigkeit (Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit), Schnelligkeit, Termingerechtigkeit, Wirtschaftlichkeit, Schonsamkeit gegenüber den betroffenen Menschen" und — mit Einschränkungen — die „Einheitlichkeit der Leistungen, die von mehreren kontrollierten Instanzen erbracht werden," 133 auf. Derartige konkrete Einzelkriterien, denen Verwaltungsarbeit entsprechen soll, werden im Rahmen der einzelnen Kontrollen zu behandeln sein. Zunächst soll der Blick auf die beiden abstrakt möglichen Grundstrukturen der Soll-Vorgabe gelenkt werden: die Vorgabe kann ein Konditional- oder ein Zweckprogramm sein. Ersteres folgt dem „Wenn-Dann-Schema": wenn von der Vorgabe als „Tatbestand" umschriebene Umstände vorliegen, dann muß oder darf eine bestimmte Entscheidung getroffen werden. Dagegen gibt das Zweckprogramm an, welcher Zweck durch eine Entscheidung erreicht werden soll. Das rationale Entscheiden und damit auch die Kontrolle anhand dieser Maßstäbe ist so unterschiedlich, daß die beiden abstrakten Möglichkeiten der Vorgabenstruktur nähere Betrachtung verdienen.

A. Konditionalprogramme I. Begriff und Bedeutung Die sog. Konditionalprogramme sind, wie bereits erwähnt, dadurch gekennzeichnet, daß sie bei Vorliegen bestimmter Umstände eine bestimmte Entscheidung anordnen („Muß-Vorschrift") oder zumindest zulassen („Kann-Vorschrift"). Der Entscheidende muß also im Wege der Eigenkontrolle feststellen, ob die Umstände, die in der Vorgabe tatbestandlich umschrieben sind, vorliegen. Ist dies der Fall, so trifft er, sofern eine bestimmte Folge angeordnet ist, die entsprechende Entscheidung. Ist ihm aufgrund des Vorliegens der Tatbestandsmerkmale ein Ermessen eröffnet („Kann-Vorschrift"), so ist der Inhalt der Entscheidung 132 Siehe oben 1. Abschnitt A II. ι 3 3 Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 499.

Α. Konditionalprogramme

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noch nicht komplett festgelegt, ihr ist lediglich ein Rahmen gesetzt. Innerhalb dieses Rahmens erfolgt die Entscheidung nach Zweckmäßigkeitskriterien, es wird also noch eine Prüfung anhand von Zweckprogrammen „aufgeschaltet". Mit gutem Grund sind Rechtsnormen häufig als Konditionalprogramme formuliert 1 3 4 . Nach Maßgabe von Konditionalprogrammen getroffene Entscheidungen sind zuverlässiger voraussehbar, weil sich aus jenen Programmen ergibt, in welcher tatsächlichen gegenwärtigen Situation mit welcher Maßnahme zu rechnen ist. Damit ist ein höheres Maß an Orientierungsgewißheit, an Rechtssicherheit zu erlangen. Diese ist wiederum dort besonders zu fordern, wo der „Vorbehalt des Gesetzes" gilt, also vor allem für Maßnahmen, die in Rechte des Bürgers eingreifen 135 . Dementsprechend finden sich als Konditionalprogramme gestaltete Rechtsnormen auch vorrangig bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung 136 (Sicherheits- und Polizeirecht), die häufig Eingriffe in Individualrechte erfordert. In Hinblick auf die Kontrollerfordernisse verdient die Ist-Aufnahme besondere Beachtung: Wer kontrollieren will, ob eine Entscheidung dem Konditionalprogramm entspricht, muß feststellen, ob die genannten Voraussetzungen („Konditionen") tatsächlich vorliegen. Dagegen muß er grundsätzlich nicht ermitteln, welche Folgen die in Betracht kommende Maßnahme hat 137 . Allenfalls dann, wenn es nach dem Wortlaut des Programms zweifelhaft erscheint, ob die ermittelten tatsächlichen Umstände von den abstrakt umschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen erfaßt werden, wird der Entscheidende (Kontrollierende) im Wege der sog. teleologischen Auslegung danach fragen, ob die mit einer bestimmten Auslegung verbundenen Folgen „,generell... vernünftig und tragbar erscheinen" 138, ob sie also allgemein dem Zweck entspricht, zu dessen Verwirklichung das Konditionalprogramm letztlich aufgestellt wurde. Diese Beschränkung des Prüfungsumfangs führt zu einer erheblichen Entlastung: Die Beurteilung der Folgen ist regelmäßig nur mit umfangreichen nicht-juristischen Fachkenntnissen möglich und erfordert Vermutungen über zukünftig eintretende Umstände, die naturgemäß

134 Thieme, Entscheidungen, S. 43; Luhmann, Rechtssoziologie, S. 227. ι 3 5 Zutreffend stellt Leisner fest, daß der Schluß vom Zweck auf das Mittel über den Rechtsbegriff der Erforderlichkeit „nicht immer zu rechtsstaatlicher Eindeutigkeit" führt und der Rechtsstaat dort, „wo der »(Gegen)-Zweck der Freiheitssicherung« besonders hervortritt", auch eine spezielle normative Bestimmung der Mittel fordert (Effizienz, S. 46 f.). 136 Vgl. auch Mayntz, Kontrolle, S. 100. 137 Dies gilt nur, soweit nach dem Konditionalprogramm entschieden wird. Eröffnet das Vorliegen der Voraussetzungen eines solchen Programms ein Ermessen hinsichtlich des konkreten Inhalts der Entscheidung (Rechtsfolge), so muß sich der Entscheidende (Kontrollierende) in diesem Rahmen selbstverständlich Gedanken über die Wirkungen der Entscheidung machen, weil er diese ja zweckmäßig treffen muß; er hat nun noch eine Kontrolle anhand eines Zweckprogramms durchzuführen. 138 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 231; vgl. auch Thieme, Entscheidungen, S. 32. 4*

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1. Teil 2. Abschnitt: Die Kontrollmaßstäbe

mit weit größeren Unsicherheiten belastet sind als die Feststellungen gegenwärtiger Tatsachen139.

I I . Wenig Bedarf für begleitende oder nachträgliche Kontrolle bei Handeln nach Konditionalprogrammen Aus dieser Beschränkung ergibt sich auch, daß kein besonderes Bedürfnis für nachträgliche Kontrollen besteht: Während sich Prognosen über Entscheidungswirkungen im Laufe der Realisierung als falsch erweisen können, stehen die Tatsachen, nach denen mittels eines Konditionalprogramms entschieden wird, im Zeitpunkt der Entscheidung bereits fest. Einmal vorliegende Umstände können sich nicht „bewahrheiten", sie können allenfalls falsch ermittelt worden sein. Der Zeitablauf als solcher führt hier — anders als bei Prognosen — nicht dazu, daß „man es später besser weiß" (im Gegenteil: Je länger ein Vorfall zurückliegt, desto schwieriger ist er zu rekonstruieren). Die Kontrolle einer früheren, nach einem Konditionalprogramm getroffenen Entscheidung, stellt eine bloße Wiederholung des Prozesses der Entscheidungsfindung dar. Berücksichtigt man, daß die öffentliche Verwaltung im liberalen Rechtsstaat des ausgehenden 19. Jahrhunderts weitgehend auf die Gefahrenabwehr beschränkt war 1 4 0 und damit regelmäßig nach Konditionalprogrammen handeln konnte, so verwundert es nicht, daß die klassische Organisationstheorie 141, aber auch die juristische Betrachtung der öffentlichen Verwaltung davon ausgeht, der Verwaltungsvollzug sei „legislatorisch konditionierbar" 142 und bedürfe daher keiner ausgeprägteren nachträglichen Kontrolle 143 .

I I I . Zweckverwirklichung bei Entscheiden nach Konditionalprogrammen Anzumerken ist allerdings, daß auch beim Handeln nach Konditionalprogrammen nicht „zwecklos" gehandelt wird. Der Zweck des Handelns ist lediglich grundsätzlich nicht Richtschnur, sondern wird — idealiter — quasi automatisch 139 Zu bedenken ist, daß auch die Verantwortlichkeit entsprechend begrenzt wird, sofern der Entscheidende nur an Konditionalprogramme gebunden ist (vgl. dazu im Einzelnen unten 3. Abschnitt C I.). Er muß nicht für die Wirkungen seiner Entscheidung einstehen (vgl. dazu mit Beispielen Luhmann, Rechtssoziologie, S. 231 f.). Das heißt aber nicht, daß die Wirkungen niemand zu verantworten hat. Vielmehr trifft diesbezüglich denjenigen, der das Programm aufgestellt hat (etwa den Gesetzgeber), die Verantwortlichkeit: Er hat die Voraussetzungen in der Vorgabe so zu formulieren, daß die danach gefällte Entscheidung den an sich verfolgten Zwecken entspricht. 140 Vgl. etwa Maurer, Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 5. 141 Dazu Luhmann, Zweck, S. 36 ff. 142 Der lien, Zur systemtheoretischen Fassung, S. 200 m. w. Nw. 143 Derlien, ebenda.

Β. Zweckprogramme

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verwirklicht: Der Programmierende (etwa der Gesetzgeber) nimmt an, daß bei Vorliegen bestimmter Umstände (Tatbestand der Norm) stets eine bestimmte Maßnahme (Rechtsfolge) angebracht ist, um die hinter dem Konditionalprogramm stehenden Zwecke zu verwirklichen. Dementsprechend trifft auch den Normgeber die Verantwortung dafür, daß diese Zweckverwirklichung bei Anwendung der Norm eintritt 144 Das Konditionalprogramm ist also selbst wieder eine Maßnahme, ein Mittel zur Zweckverwirklichung, es wird nach einem Zweckprogramm aufgestellt. Für die Setzung eines Konditionalprogramms gelten somit wiederum die nachfolgenden Überlegungen zum Entscheiden und Kontrollieren beim Handeln nach Zweckprogrammen 145.

B. Zweckprogramme146 Bei den sog. Zweckprogrammen ist der Zweck selbst Grundlage des vorgabengerechten Entscheidens und damit Maßstab der Kontrolle. Er dient nicht lediglich als Auslegungshilfe in semantischen Zweifelsfällen, sondern ist unmittelbare Richtschnur des Handelns.

I. Bedeutung von Zweckprogrammen für die öffentliche Verwaltung, „Recht- und Zweckmäßigkeitsprüfung" In der öffentlichen Verwaltung nimmt die Bedeutung von Zweckprogrammen durch das Anwachsen von Leistungs- und insbesondere Gestaltungsaufgaben zu 1 4 7 . Zwar wäre theoretisch auch hier eine Formulierung von Konditionalprogrammen denkbar, indem man verschiedenste Situationen, in denen eine Gestaltung durch die öffentliche Verwaltung gefordert ist, abstrakt beschreibt und hieran eine inhaltlich bestimmte Gestaltungsentscheidung knüpft. Dies wäre allerdings ineffektiv: Die Situationen, die eine Gestaltungsplanung vorfindet, sind so unterschiedlich und meist auch so komplex, daß eine vorherige abstrakte Typisierung kaum möglich ist. Man denke nur an die Bauleitplanung, bei der es so viele verschiedene Plangestaltungen wie Bauleitpläne gibt. Der Gesetzgeber muß sich also in diesen Bereichen damit begnügen, die Zwecke anzugeben, die die Verwaltung mit ihren Einzelentscheidungen verwirklichen soll 1 4 8 . 144

Zur „Verschiebung" der Verantwortung durch Aufstellung von Soll-Vorgaben siehe ausführlicher unten 3. Abschnitt C I 2. 145 Dazu insbesondere unten ΙΠ. 146 Hierzu ausführlich aus systemtheoretischer Sicht Luhmann, Zweckbegriff, S. 257 ff. 147 Vgl. Mayntz, Soziologie, S. 56 f. 148 Vgl. etwa § 1 Abs. 4 und 5 BauGB, die die Ziele der Bauleitplanung vorgeben; anzumerken ist, daß in diesem Bereich Konditionalprogramme des Gesetzgebers nicht nur ineffektiv wären, sondern auch die Planungshoheit der Gemeinde in einer Weise

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1. Teil 2. Abschnitt: Die Kontrollmaßstäbe

Derartige als Zweckprogramme formulierte gesetzliche Grundlagen stellen in diesen Fällen auch eine mit Blick auf das Rechtsstaats- und Demokratiegebot ausreichende Legitimation des Verwaltungshandelns dar. Außerhalb der Eingriffsverwaltung gilt der Vorbehalt des Gesetzes nach der Rechtsprechung des BVerfG nur für die „wesentlichen Entscheidungen" in „grundlegenden normativen Bereichen" 149 . Die „wesentlichen" Vorgaben kann der Gesetzgeber im Bereich der Leistungs- und Gestaltungsverwaltung auch über Zweckprogramme geben 150 . In diesem Zusammenhang ist zugleich einer gelegentlich anzutreffenden Fehlvorstellung vorzubeugen: Vor allem mit Blick auf die gerichtliche Kontrolle, aber auch im Rahmen der Rechtsaufsicht wird zwischen Recht- und Zweckmäßigkeitsprüfung unterschieden. Dies dient der Abgrenzung der durch das Gericht bzw. die Rechtsaufsicht heranzuziehenden Kontrollmaßstäbe. Hieraus darf aber nicht geschlossen werden, daß die Zwecke, die die Verwaltung mit ihrem Handeln verwirklichen soll, außerrechtliche sind. Sie sind vielmehr — wenn auch oft in sehr abstrakter Weise 151 — in Gesetzen genannt und damit auch rechtlich, d. h. kraft ihrer Setzung durch das Parlament für die Verwaltung verbindlich 152 . Daß die Überprüfung der Zweckmäßigkeit dennoch nicht als Rechtskontrolle im Sinne von gerichtlicher Kontrolle angesehen wird, läßt sich also nicht damit begründen, die Zwecke selbst seien keine rechtlichen. Entscheidend dürfte vielmehr sein, daß die Beurteilung, welche Maßnahme bestimmte Zwecke am besten verwirklicht, regelmäßig nicht mit juristischem, sondern mit „multidisziplinärem Sachverstand" 1 5 3 bewältigt werden muß. Die juristisch-exegetische Gedankenführung einschränken würden, die mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG wohl nicht mehr zu vereinbaren wäre. 149 BVerfGE 49, S. 89 126 f. m. w. Nw. 150 Strittig ist der erforderliche Regelungsumfang vor allem im Bereich der Subventionsverwaltung (vgl. dazu Schnapp in: von Münch, Grundgesetz-Kommentar, Anm. 45 zu Art. 20 GG m. w. Nw.), wobei die hier diskutierten Fragen mittlerweile durch die schon genannte „Wesentlichkeitsrechtsprechung" zurückgedrängt worden sind (ebenda, Anm. 46; auch Bäumlin / Ridder in: Wassermann, Grundgesetz, Anm. III 62 zu Art. 20 GG); für die »Anerkennung eines umfassenden Vorbehalts des Gesetzes auch im Bereich der Leistungsverwaltung" dagegen Herzog in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Anm. VI 75 zu Art. 20 GG. 151 Vgl. etwa § 1 Satz 2 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft: „Die (wirtschafts- undfinanzpolitischen) Maßnahmen sind so zu treffen, daß sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenen Wirtschaftswachstum beitragen.". 152 So auch Götz, VVDStRL 34 (1976), S. 298 ff. 298 (Aussprache): „Ich gehe davon aus, daß dann, wenn unsere Gesetze der Verwaltung aufgeben, gleichzeitig für die Sicherstellung der Energieversorgung und für optimale Umweltbedingungen zu sorgen, . . . diese aufgetragenen Zwecksetzungen gesetzliche und rechtliche sind"; ebenso Zimmer, Funktion, S. 169: „Hat das Gesetz der Exekutive die Verfolgung eines bestimmbaren Zwecks rechtsverbindlich aufgetragen, so verfehlt jede Unzweckmäßigkeit als Gegenteil der Zweckmäßigkeit den Zweck und ist daher ohne weiteres gesetzwidrig.".

Β. Zweckprogramme

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ist auf die Auslegung von Konditionalprogrammen zugeschnitten154, auf die Konkretisierung abstrakt umschriebener Voraussetzungen in Hinblick auf bestimmte, tatsächlich vorliegende Umstände; dabei hat die „sachverständige" Ermittlung einzelner Umstände eher Hilfsfunktion. Demgegenüber bedarf es primär des Fachwissens anderer Disziplinen, wenn man feststellen will, welche Wirkungen von einer bestimmten Maßnahme voraussichtlich ausgehen155. Die Kenntnis dieser — voraussichtlichen — Wirkungen ist wiederum Grundlage für die Entscheidung über die Zweckmäßigkeit einer Maßnahme 156 . Da nun aber jener „multidisziplinäre" Sachverstand gerade in der öffentlichen Verwaltung, nicht aber bei den Gerichten bereitgehalten wird, erscheint es sinnvoll, die gerichtliche Kontrolle auf das zu beschränken, was herkömmlich als Rechtskontrolle bezeichnet wird. Inwiefern die Abgrenzung des Bereichs gerichtlicher Kontrollkompetenz im einzelnen angemessen ist 1 5 7 , kann hier dahingestellt bleiben, da die 153

Vgl. dazu Scholz, Verwaltungsverantwortung, insbes. S. 152 ff. sowie S. 216: „ . . . das Verwaltungsverfahren (hat) nicht nur juristischen, sondern auch metajuristischen Richtigkeitsansprüchen zu genügen"; ebenso Zimmer, Funktion, S. 161. 154 Vgl. hierzu auch die Kritik von Bäumlin / Ridder an der „Verrechtlichung" der „Zweck-Mittel-Rationalität" im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, insbesondere bei der „Erforderlichkeit". Nach ihrer Ansicht „ist das »Verhältnismäßigkeitsprinzip« der Schmelztiegel, in dem sich die begrifflichen Konturen von Recht und Politik auch weithin sichtbar auflösen" (in: Wassermann, Grundgesetz, Anm. III 74 zu Art. 20 GG). 155 Vgl. zu der hieraus resultierenden immer stärkeren Differenzierung in der Verwaltung Kunze, Sachgerechtigkeit, S. 233. 156 Vgl. auch Luhmann, Rechtssoziologie, S. 228, der zur zweckbezogenen Entscheidung des Juristen meint: „Immer noch denkt und argumentiert der Jurist gern teleologisch, ohne dabei die Rationalitätsproblematik oder gar die logische Problematik zu überblicken, in die er sich da verwickelt." Und weiter in Fn. 44: „ . . . dies ist zum Teil ein Problem der Fachgrenzen, denn die Probleme der Rationalisierung des Zweck / Mittel-Schemas werden in den Wirtschaftswissenschaften, nicht in der Rechtswissenschaft bearbeitet.". 157 Die herrschende Auffassung (etwa BVerwGE 65, S. 19 22 f. ; 62, S. 86 101 ff. ; 59, S. 188 190 ; umfassende Darstellung bei Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 17 ff.) richtet sich im wesentlichen nach der Normstruktur (Tatbestandsvoraussetzungen sind „rechtlich" kontrollierbar, die Rechtsfolgen werden auf ihre Zweckmäßigkeit geprüft) und gesteht der Verwaltung nur in wenigen Ausnahmefällen einen gerichtlich nicht voll überprüfbaren „Beurteilungsspielraum" hinsichtlich des Vorliegens von Tatbestandsvoraussetzungen zu, etwa bei Entscheidungen einer Instanz, in welcher „Elemente gesellschaftlicher Repräsentanz" verkörpert sind 0BVerwGE 39, S. 197 (204 f.)) oder sog. unvertretbaren Entscheidungen (wegen besonderer Fachkunde bei einem Prüfungsausschuß oder wegen nicht vermittelbaren höchstpersönlichen Eindrücken bei dienstlichen Beurteilungen oder mündlichen Prüftingen; vgl. BVerwGE 26, S. 65 (74 f.); 31, S. 358; 32, S. 237 (238 ff.); 35, S. 69 (73 f.)). Die grundsätzliche volle gerichtliche Nachprüfbarkeit von Auslegung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wird auch vom BVerfG bestätigt und in Hinblick auf das Rechtsstaatsgebot wohl sogar gefordert (vgl. BVerfGE 7, S. 129 (154); 11, S. 168 (191 f.); 17, S. 232 (246)). Hingewiesen sei auf die des öfteren vertretene Auffassung, daß auch die Konkretisierung sog. unbestimmter Rechtsbegriffe (also auf Tatbestandsseite) allgemein nicht vollkommen gerichtlich überprüfbar sei, weil auch hier der multidisziplinäre Sachverstand der Verwaltung zu treffenderen Ergebnissen komme als die Gerichte, die Verwaltung durch ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Regierung (und über diese gegenüber dem

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1. Teil 2. Abschnitt: Die Kontrollmaßstäbe

vorliegende Untersuchung die behördeninterne Kontrolle zum Gegenstand hat, die insgesamt158 derartigen Beschränkungen nicht unterliegt.

I I . Besonderes Bedürfnis für die begleitende und nachträgliche Kontrolle von nach Zweckprogrammen getroffenen Entscheidungen Eine rationale Entscheidung nach Zweckprogrammen ist erheblich schwieriger als eine solche nach Konditionalprogrammen. Bei letzterer kann sich der Entscheider darauf beschränken, die in Hinblick auf die Vorgabe maßgeblichen tatsächlichen Umstände zu ermitteln und diese dann mit jener Vorgabe zu vergleichen. Die Entscheidung nach einem Zweckprogramm setzt dagegen voraus: Feststellung der Umstände, die für die Zweckverwirklichung Bedeutung haben können, Entwurf verschiedener in Betracht kommender Maßnahmen, Beurteilung der voraussichtlichen Wirkungen der verschiedenen Maßnahmen (Prognose) und Vergleich dieser prognostizierten Wirkungen mit den vorgegebenen Zwecken (Zielen). Das Kernstück der entscheidungsvorbereitenden Eigenkontrolle liegt also im Vergleich zwischen Prognose und verfolgtem Zweck. Voraussagen sind aber, wie schon erwähnt 159 , mit erheblichen Unsicherheiten belastet 160 , die Wirkungen von Entscheidungen und ihrem Vollzug werden überoder unterschätzt, einzelne Folgen werden gar nicht bedacht. Daher bedarf eine am Maßstab der Verwirklichung bestimmter Zwecke getroffene Entscheidung in besonderem Maße der späteren Kontrolle 161 . Es muß immer wieder überprüft werden, ob die tatsächlich eingetretenen Wirkungen den vorausgesagten entsprechen oder die Prognosen falsch waren. In letzterem Fall muß die ursprüngliche Entscheidung entsprechend korrigiert werden. Luhmann stellt dazu fest: „Zweckprogramme erfordern eine ziemlich entscheidungsnahe, laufende Kontrolle, da ... die situationsabhängige Mittel wähl... immer wieder unerfreuliche KonsequenParlament) auch hier besser legitimiert sei und sie daher auch nach der verfassungsrechtlichen Funktionenordnung zur letztverantwortlichen Begriffsauslegung und -anwendung berufen sei (so etwa Zimmer, Funktion, S. 161: „ . . . die Exekutive (verfügt) . . . über . . . Tatbestands-, Rechtsfolge- und Gestaltungsermessen"; auch Scholz, Verwaltungsverantwortung, S. 217: „Legitimes Verwaltungsermessen erschöpft sich nicht im bloßen Rechtsfolgeermessen. Die öffentliche Verwaltung verfügt auch über Tatbestandsermessen . . . auch im Bereich unbestimmter Rechtsbegriffe ..."). 158 Dies schließt nicht aus, daß einzelne Fremdkontrollen innerhalb der Behörde auf die „Rechtskontrolle" beschränkt sein sollten, etwa die Vorgesetztenkontrolle in Behörden, die nach dem sog. Harzburger Modell organisiert sind (dazu unten 2. Teil, 1. Abschnitt A II 1). 159 Siehe oben 1. Abschnitt Β II 3. ι 6 0 Zu den Versuchen der betriebswirtschaftlichen Entscheidungslehre, diese Unsicherheiten zu erfassen, zu quantifizieren und dadurch in einen rationalen Entscheidungsprozeß einzubeziehen vgl. Bamberg / Coenenberg, Entscheidungslehre, S. 29,61 ff.; eine Anwendbarkeit für die öffentliche Verwaltung dürfte weitgehend ausgeschlossen sein. 161 Vgl. Groell, Kontrolle, S. 516.

Β. Zweckprogramme

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zen haben kann." 162 Sofern die ursprünglich gewählte Maßnahme ihrerseits ein Konditionalprogramm war 1 6 3 , muß der Programmierende also überprüfen, ob die inzwischen anhand dieses Programms getroffenen Entscheidungen den Zielen, die mit der Aufstellung des Programms verfolgt wurden, tatsächlich dienen. Für diese Art der Kontrolle haben sich die Begriffe „Programmevaluation" oder Erfolgskontrolle eingebürgert 164. Außerdem wird bei der Durchführung von Erfolgskontrollen auch darauf zu achten sein, ob die zu bestimmten Zwecken ergriffenen Maßnahmen („Programme") bedeutsame Nebenfolgen haben, an die nicht gedacht wurde 165 . Worauf der Kontrollierende dabei seine Aufmerksamkeit lenkt, wird von seinen Erfahrungen und seinen oft impliziten normativen Annahmen abhängen166.

I I I . Operationalisierung von Zielen; Entscheidung nach sich widersprechenden Zwecken; Zielsysteme 1. Operationale Ziele als Voraussetzung der Kontrolle der Zielerreichung? Häufig findet sich in der Literatur die Auffassung, eine Kontrolle der Zielerreichung setze voraus, daß die Ziele „operational" formuliert seien 167 . Damit ist gemeint, daß die Ziele „so konkret sein (müssen), daß der Entscheider in der Lage ist, mit Sicherheit zu sagen, ob eine bestimmte Maßnahme ein bestimmtes Ziel erreicht und in welchem Umfange das der Fall ist" 1 6 8 . Eine derartige Zielformulierung setzt aber einen umfangreichen Konkretisierungsprozeß voraus, der ebenfalls der Kontrolle bedarf, wenn sichergestellt sein soll, daß die operationalen Ziele so formuliert sind, daß ihre Erreichung auch die übergeordneten, nicht operational formulierten Ziele verwirklicht. In diesem Fall sind letztere Maßstab

162 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 232. 163 Vgl. dazu oben A. 164 Zu dieser Begriffsbildung Derlien, Erfolgskontrolle, S. 18 ff. 165 Dazu mit Beispielen Derlien, Erfolgskontrolle, S. 107 f. 166 Vgl. dazu Musto, Evaluierung, S. 19. 167 Etwa Püttner, Verwaltungslehre, S. 281. 168 Thieme, Entscheidungen, S. 46, auch S. 54; Bamberg / Coenenberg, Entscheidungslehre, S. 29 (aus betriebswirtschaftlicher Sicht); eingehender noch KGSt., Zielsuche, S. 19: Danach sind Ziele dann operational, wenn — „sie verfolgbar sind, d. h. es für sie mögliche Aktivitäten gibt", — „die Zielerreichung meßbar ist", wobei aber u. U. eine „Quantifizierung . . . auf ein bestimmtes Minimum oder Maximum" ausreichen soll, — „für die Zielerreichung ein Zeitpunkt oder Zeitraum festgelegt ist" und — „für Ziele, die innerhalb eines vorgegebenen Zeitraumes nicht sämtlich oder nicht in gleichem Umfang erreicht werden können, eine Prioritätsordnung besteht.".

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1. Teil 2. Abschnitt: Die Kontrollmaßstäbe

der Kontrolle 169 . Daher kann Kontrolle nicht generell operational Zielvorgaben voraussetzen 170. Diesen Überlegungen wird die Auffassung Luhmanns gerecht, nach der folgende „Unterfunktionen" der Kontrolle zu unterscheiden sind: Die Kontrolle „überwacht (1) die Umdeutung der Bestandsproblematik in Zwecke, (2) die Transformation der Systemzwecke in letztlich operational Unterzwecke und schließlich (3) die Verwirklichung der operational definierten Unterzwecke als Lösung der lösbar gemachten Probleme." 171 Für die behördeninterne Kontrolle hat die „erste Stufe" dieser Gliederung keine Bedeutung, weil der Verwaltung zumindest die „Systemzwecke" vorgegeben sind. Sie anhand des „Bestandsproblems" zu kontrollieren ist Angelegenheit von Verfassungsorganen, insbesondere des Parlaments („Krisenkontrolle" 172 ). Die zweite Stufe jener Gliederung, auf der kontrolliert wird, „ob die Leistungen für die Unterzwecke die Systemzwecke auch wirklich ausreichend fördern" 173 , ist hingegen auch behördenintern von Interesse. Die der Verwaltung vorgegebenen Zwecke sind regelmäßig noch nicht als operationale Ziele formuliert, sie muß diese Umformung also selbst vornehmen und damit auch kontrollieren. Häufig sind die Ziele seitens der demokratisch legitimierten Vertretungsorgane nur sehr allgemein vorgegeben 174, teilweise mag zweifelhaft sein, ob der Gesetzgeber insoweit überhaupt noch die „wesentlichen Entscheidungen", wie es das BVerfG fordert 175 , selbst getroffen hat 176 . Letzteres soll hier nicht weiter vertieft werden, jedenfalls liegen wesentliche Entscheidungsaufgaben der Verwaltung in der Operationalisierung von sehr abstrakt vorgegebenen Zwecken. Daher darf dieser Konkretisierungsprozeß auch nicht von der Kontrolle ausgenommen werden. Die entscheidungsvorbereitende Eigenkontrolle desjenigen, der die Unterziele operational formuliert, kann wiederum nur anhand von Prognosen über die vor169 So beim „strategischen Controlling", vgl. Weber, Controlling, S. 234 f. 170 Eher kann man Hübener / Halberstadt (Erfolgskontrolle, S. 81) zustimmen, daß nicht operationale Ziele die Sanktionierung — wohl im Sinne von persönlichem Verantwortlichmachen — verhindern. 171 Luhmann, Zweckbegriff, S. 326. 172 Ebenda, S. 333. 173 Ebenda, S. 328. 174 Vgl. dazu die Beispiele bei Püttner, Verwaltungslehre, S. 340, der dazu meint, daß in diesen Fällen „»Kontrolle« nicht möglich oder in Wahrheit nichts anderes als nachträgliches Steuern, Korrigieren oder Bewerten" ist. 175 BVerfGE 49, S. 89 126 f. m. w. Nw. 176 Der Umstand, daß sich der Gesetzgeber um die Entscheidung über konkrete Ziele „drückt", verdient auch politologische Aufmerksamkeit: Es wäre im einzelnen zu untersuchen, ob die eher methodischen Schwierigkeiten der Zielfindung Grund für die „ Z u r ü c k haltung" sind oder ob auch hier — ähnlich wie etwa beim Arbeitskampfrecht — der Gesetzgeber im Kraftfeld übermächtiger Lobbys vor seiner Entscheidungsaufgabe kapituliert.

Β. Zweckprogramme

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aussichtliche Nützlichkeit des Unterzieles für die Erfüllung des Oberzieles erfolgen und ist mit den hierfür typischen Unsicherheiten belastet. Die besondere begleitende oder nachträgliche Kontrolle der tatsächlich eingetretenen Wirkungen, die anhand operational formulierter Ziele („dritte Stufe" der Zielkontrolle) keine größeren Probleme mehr mit sich bringt, hat auf der „zweiten Stufe" eine besondere Schwierigkeit zu meistern: Sie muß die tatsächlich mit den letztlich erbrachten Durchführungsleistungen herbeigeführten Ergebnisse daraufhin überprüfen, ob diese wiederum „den Anforderungen übergeordneter Zwecke genügen." 1 7 7 Dies kann aber nicht durch einen direkten Vergleich zwischen Zweck und Ergebnis erfolgen, weil der (Ober-)Zweck nicht operational formuliert ist, was ja gerade Voraussetzung des unmittelbaren Vergleichs ist. Daher müssen "besondere Indikatoren entwickelt werden" 178 , die geeignet sind, die Erreichung übergeordneter Ziele anzuzeigen. Das Entwickeln dieser Indikatoren bereitet besondere Schwierigkeiten 179 . Insbesondere bei der Fremdkontrolle muß sorgfältig darauf geachtet werden, daß die Indikatoren auch tatsächlich die Zweckverwirklichung anzeigen. Andernfalls besteht die Gefahr der sog. Zielverschiebung 180 , einer dysfunktionalen Wirkung der Fremdkontrolle 181 . Anzumerken ist noch, daß zur Realisierung von Zwecken auch Konditionalprogramme entwickelt werden können. Wird etwa im Haushaltsplan ein Titel für Subventionen mit dem Zweck der Förderung der mittelständischen Wirtschaftsstruktur ausgewiesen, so ist nicht nur denkbar, hierzu operationale Unterziele zu entwickeln (ζ. B. Stabilisierung des Marktanteils von Unternehmen einer bestimmten Größe in einer bestimmten Branche). Es ist vielmehr auch erwägenswert, die Zielverwirklichung für den einzelnen Entscheider dadurch „operational" zu machen, daß man ihm Richtlinien an die Hand gibt, die die Voraussetzungen nennen, unter denen eine Subvention vergeben werden soll.

177 Luhmann, Zweckbegriff, S. 329. 178 Ebenda (Hervorhebung im Original); vgl. auch Gottinger, Management, S. 51 f. ("Problematik von Effektivitätsmaßen"). 179 Diese Schwierigkeiten deutet Luhmann mit folgendem Beispiel an: Ob das operationale Ziel, eine bestimmte Klassenfrequenz (bzgl. Schulklassen) zu erreichen, „es ermöglicht, weniger genau bestimmte pädagogische Ziele zu verwirklichen, ob sie sich als Unterziel bewährt angesichts der Entwicklungen der Pädagogik und der Lehrmethoden, der Erziehungsprobleme, des allgemeinen Wohlstandes und der Zahl der verfügbaren Lehrkräfte, ist eine sehr schwierige Frage, deren Beantwortung, mit allgemeinen Planungen des Ausbildungswesens verzahnt, ein kompliziertes Gerüst von indizierenden Kriterien sowie ein laufendes Beobachten der am Unterziel gewonnenen Ergebnisse unter verschiedenen Hinsichten erfordert" (Zweckbegriff, S. 329 f.). Vgl. zum Problem der Messung anhand von Indikatoren auch Hübener / Halber Stadt, Erfolgskontrolle, S. 73 ff.; Derlien, Erfolgskontrolle, S. 104. 180 Derlien, Verwaltungssoziologie, S. 829. 181 Siehe unten 3. Abschitt D.

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1. Teil 2. Abschnitt: Die Kontrollmaßstäbe

2. Entscheidung und Kontrolle anhand sich widersprechender Ziele Ein weiteres spezielles Problem der Entscheidung und Kontrolle am Maßstab von Zweckprogrammen liegt darin, daß regelmäßig mehrere Ziele zugleich anzustreben sind 182 , diese sich aber nicht gleichzeitig maximal verwirklichen lassen183. So sind etwa bei der Aufstellung von Bauleitplänen u. a. „die Belange des Umweltschutzes, des Naturschutzes und der Landschaftspflege", aber auch „die Belange der Wirtschaft" (§ 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7 bzw. 8 BauGB) zu berücksichtigen. In dieser Situation ist diejenige Maßnahme die zweckmäßigste, „bei der möglichst viele Ziele in möglichst großem Umfange realisiert werden." 184 . Damit nehmen die Schwierigkeiten, nach Zweckprogrammen rational, also kontrolliert zu entscheiden, erheblich zu: Der Entscheider muß nicht nur die Wirkungen verschiedener Maßnahmen mit Blick auf etliche Ziele prognostizieren, sondern darüber hinaus die einzelnen Ziele im Verhältnis zueinander gewichten 185 . Letzteres heißt oft ,Äpfel mit Birnen vergleichen", die verschiedenen Ziele sind meist „inkommensurable Größen" 186 . Da die Gewichtung aber dennoch unumgänglich ist, wird die Bildung von „Zielsystemen" vorgeschlagen 187, wodurch die Subjektivität des Wertungsvorganges zwar nicht aufgehoben, aber doch versachlicht werden kann. Insbesondere werden die Kriterien bewußt und die Wertung für Dritte transparent gemacht 188 . 3. Entwicklung von Zielsystemen Die von der KGSt. empfohlene Methode zur Entwicklung von Zielsystemen 189 soll kurz skizziert werden 190 ; dabei werden die von der KGSt. unterschiedenen Zwischen-, Unter- und Teilziele allgemein als „Unterziele" im Gegensatz zu den "Hauptzielen" bezeichnet.

182 Dazu auch Thieme, Entscheidungen, S. 44. 183 Vgl. zu dieser Problematik auch Leisner, Effizienz, S. 45 (mit Beispielen). 184 Thieme, Entscheidungen, S. 44. iss Dazu Thieme, Entscheidungen, S. 49 f.; KGSt., Zielsuche, S. 24; vgl. auch Hoefert, Grundlagen, S. 127 ff. 186 Thieme, Entscheidungen, S. 50. 187 KGSt., Zielsuche, S. 3; Thieme, Entscheidungen, S. 50. iss KGSt., Zielsuche, S. 25. 189 Eingehend dargestellt in Anlage 1 zu KGSt., Zielsuche, S. 15 ff.; zusammenfassender Überblick in KGSt., Verwaltungsorganisation, S. 63. 190 Dem entspricht im wesentlichen auch der Vorschlag von Thieme, Entscheidungen, S. 46 ff.; vgl. in diesem Zusammenhang auch die von Luhmann, Theorie, S. 95, angesprochene „Zweck / Mittel-Verschiebung": Zur Erreichung bestimmter Zwecke gefundene „Mittel (müssen) zumeist nochmals in Zwecke verwandelt und als Unterzwecke weiteren Suchprozessen zugrundegelegt werden usw., bis das Problem so weit verkleinert worden ist, daß auf der Stelle entschieden werden kann." (m. w. Nw.).

Β. Zweckprogramme

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α) Erstellung einer Zielhierarchie mit operationalen Unterzielen auf der untersten Ebene Bei der Ermittlung der Unterziele werden die deduktive und die induktive Methode unterschieden: Deduktiv 191 werden die Unterziele durch analytische Gliederung des Hauptzieles bestimmt. Die systematische Zerlegung erleichtert die angestrebte hierarchische Darstellung in einem Zielsystem. Allerdings hängt es meist von äußeren Bedingungen und subjektiven Wertungen ab, was zur Erreichung des Hauptzieles erforderlich ist; insoweit versagt die logisch-analytische Ableitung vom Hauptziel. Darüber hinaus besteht bei der Ableitung von einem Hauptziel die Gefahr, daß bei den ermittelten Unterzielen nicht berücksichtigt wird, ob sie — was wegen der Komplexität vieler öffentlicher Aufgaben unvermeidlich sein wird — weiteren übergeordneten Hauptzielen dienen oder aber schaden. Bei der induktiven Ermittlung 192 wird dagegen von den tatsächlich ausgeführten Tätigkeiten (Maßnahmen) der Mitarbeiter ausgegangen, die dann schrittweise zu Unterzielen und schließlich zu einem Hauptziel zusammengefaßt werden. Dabei sind Widersprüche, Überschneidungen und Undeutlichkeiten der Tätigkeitsbeschreibungen und Zuordnungen auszuräumen. Die Nachteile dieser praxisnahen Methode liegen darin, daß die Zuordnung zu Zielen höherer Ordnung schwierig sein kann und daß in dem induktiv gewonnenen Zielsystem der eventuell mangelund lückenhafte Ist-Zustand konserviert wird. Wegen der jeweiligen Vor- und Nachteile wird empfohlen, die beiden Methoden zu integrieren, indem nach beiden gleichzeitig vorläufige Zielsysteme entwikkelt und dann miteinander abgeglichen werden 193 . Ein so entwickeltes Zielsystem soll alle Aktivitäten der Verwaltungseinheit bestimmen und muß daher vollständig sein. Die enthaltenen Unterziele haben aber unterschiedliches Gewicht. Nicht alle Ziele können — insbesondere auch in Anbetracht der begrenzten Ressourcen 194 — vollständig erreicht werden. Wie bereits erwähnt 195 kann die maximale Realisierung eines Zieles diejenige eines anderen ausschließen196. Daher muß noch ermittelt werden, welche Ziele Vorrang 191 KGSt., Zielsuche, S. 20; Thieme, Entscheidungen, S. 46 ff.; kritisch Voßbein, Organisation, S. 109 f., der die Auffassung vertritt, „daß das sog. deduktive Konzept lediglich ein oberflächliches induktives Konzept darstellt, ein grundsätzlicher konzeptioneller Unterschied jedoch nicht besteht.". 192 KGSt., Zielsuche, S. 20 f.; Thieme, Entscheidungen, S. 48 f. 193 KGSt., Zielsuche, S. 21; Thieme, Entscheidungen, S. 49 (er spricht von einer „Harmonisierung der Zielsysteme"). 194 KGSt., Zielsuche, S. 22. 195 Siehe oben 2. 196 Thieme (Entscheidungen, S. 45) schlägt vor, diejenigen konkurrierenden „Ziele", für die sich ein genauer „Mindeststandard" angeben läßt, als „Restriktionen" für die

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1. Teil 2. Abschnitt: Die Kontrollmaßstäbe

gegenüber anderen haben sollen. Als Bewertungsmaßstab wird dabei zugrundegelegt, welchen Beitrag das jeweilige Unterziel einer Ebene der Zielhierarchie zur Erreichung des Hauptzieles leistet. Die Bewertung dieser Beiträge erfolgt durch verschiedene Fachleute bzw. politische Entscheidungsträger und bleibt damit — wie gesagt — ein subjektiver Vorgang, der allerdings durch gewisse Anforderungen an das Bewertungsverfahren transparent gemacht und versachlicht werden kann 197 . b) Konflikt

zwischen Operationalität im Zielsystem und sich wandelnden Umständen

Bei der Erstellung der Zielsysteme, insbesondere bei der Präzisierung von Unterzielen, deren Erreichung unmittelbar kontrollierbar ist, ist zu bedenken, daß Zielsysteme nicht kurzfristig aufgestellt oder geändert werden können und daher der Initiative und Disposition der nach den Zielen entscheidenden Mitarbeiter einen gewissen Spielraum lassen müssen, damit die Zielerfüllung auch bei sich wandelnden Umständen noch sachgerecht bleiben kann 198 . Die dadurch erforderliche Flexibilität der Unterziele steht in einem Spannungsverhältnis zu deren Präzisierung und Operationalisierung, da ja wiederum für die unmittelbar messende Kontrolle erforderlich ist. 4. Weitgehendes Fehlen von Zielsystemen in der Praxis Trotz der steigenden Bedeutung von zweckprogrammiertem Verwaltungshandeln 1 9 9 und den theoretisch begründeten Forderungen der Literatur nach ZielsysteVerwirklichung anderer Ziele zu behandeln. Diese würden dann bewirken, „daß bestimmte Entscheidungsalternativen verboten sind". Restriktionen ergeben sich nach Thieme (Entscheidungen, S. 64 ff.) aus der Knappheit der Ressourcen (Finanzen, Personal, Sachmittel), aus der Organisation, dem technischen Standard, Widerständen der Bürger, Rechts- und sonstigen Normen sowie der Zeit. Die KGSt. scheint eher dazu zu neigen, diese Faktoren in die operationale Formulierung der „beschränkten" Unterziele einfließen zu lassen (vgl. Zielsuche, S. 19, 22 f.). 197 KGSt., Zielsuche, S. 25; in der Betriebswirtschaftslehre werden noch weit höhere Anforderungen an Zielsysteme gestellt (vgl. dazu Bamberg ! Coenenberg, Entscheidungslehre, S. 26 ff. m. w. Nw.), insbesondere wird dort zusätzlich noch die Angabe einer sog. Risiko- oder Unsicherheitspräferenzrelation gefordert, um auch die Unsicherheit der Prognose über die Folgen der Entscheidungsalternativen im Verhältnis zu anderen Gesichtspunkten quantifizieren zu können — dies dürfte für die öffentliche Verwaltung wohl noch utopischer sein als die bereits genannten Anforderungen. 198 Ebenda, S. 19; ebenso Bohret ! Junkers, Führungskonzepte, S. 99; in diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß die Konkretisierung der Ziele so weit gehen kann, daß „Ziele unterer Stufe auch als Maßnahme angesprochen werden können" (so Thieme, Entscheidungen, S. 56); U. Becker geht davon aus, daß die Verwaltung „sich ohnehin nicht an einer geschlossenen Zielhierarchie orientieren (kann), sondern . . . von ihrer Funktion her offen bleiben (muß) sowohl für langfristige politische Entwicklungen als auch für kurzfristige Veränderungen politischer Prioritäten" (Organisationsaufgaben, S. 24).

Β. Zweckprogramme

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men im eben dargestellten Sinne sind solche Systeme in der Praxis kaum vorhanden 200 . Dies hat mehrere Gründe: Zunächst fehlen meist bereits ausdrücklich formulierte, politisch legitimierte Oberziele, aus denen Unterziele der Verwaltungstätigkeit abgeleitet werden könnten 201 . Die Verwaltung muß sich diese Ziele „beschaffen", indem sie in politischen Einzelentscheidungen202 implizit enthaltene Zielaussagen interpretiert oder die benötigten Ziele aus verwandten vorgegebenen Oberzielen oder der Richtung des politischen Prozesses ableitet 203 . Dabei werden evtl. nur durch verschwommene Kompromißformeln absichtsvoll verdeckte und ungelöste Zielkonflikte wieder aufbrechen 204. Weiter macht ein häufig stattfindender Aufgabenwandel die Entwicklung von über einen gewissen Zeitraum gültigen Zielsystemen besonders schwierig. Der Widerspruch zwischen interner Planung und mangelnder Planbarkeit (Prognostizierbarkeit) der Umwelt ist — auch durch Verbesserung von Planungsinstrumenten und -organisation nie (vollständig) auflösbar 205. Schließlich scheint in der Praxis aber auch allgemein der mit der Erstellung verbundene Aufwand als unverhältnismäßig empfunden zu werden, weil das Zutrauen in die Planbarkeit der Aufgabenerfüllung wohl eher abgenommen hat 2 0 6 , trotz — oder vielleicht gerade wegen — des generellen Bedeutungszuwachses des Planes für die öffentliche Verwaltung. Diese Skepsis hat ihre Ursache vor allem darin, daß trotz umfassender Erfassung bisher ausgeübter Tätigkeiten (induktiv) und der Zerlegung der vorgegebenen Hauptziele (deduktiv) zur Erreichung der Hauptziele

199 Dazu oben Β I. 200 Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 218; vgl. auch die ausführliche Darstellung des — aus dem Blickwinkel der Erfolgskontrolle unzureichenden — „Zielsystems" des Bundesraumordnungsprogramms bei Hübener / Η alber Stadt, Erfolgskontrolle; S. 83 ff. Selbst in der Privatwirtschaft, in der die Erstellung von Zielsystemen wegen des einheitlichen Unternehmenszieles der Gewinnmaximierung vergleichsweise einfacher ist, fehlen vielfach derartige Zielsysteme (vgl. dazu Bamberg / Coenenberg, Entscheidungslehre, S. 29 m. w. Nw.). 201 Zu den systemimmanenten Ursachen des Fehlens von in der Verwaltung verwendbaren politischen Zielvorgaben (insbesondere: Vermeidung einer Festlegung, an der man sich vom politischen Gegner messen lassen kann;,,Feuerwehrmentalität", d. h. nur Reaktion auf akute Krisen; Konfliktausgleich zwischen Individualinteressen; Neigung zu „Einfachstargumenten") siehe Banner, Zielsystem, S. 110 f.; auch Reinermann I Reichmann, Führungskonzepte, S. 153 ff.; Derlien, Erfolgskontrolle, S. 109 ff.; König, Evaluation, S. 28. 202 Vgl. dazu auch Derlien, Erfolgskontrolle, S. 110, der zeigt, daß teilweise aus den Maßnahmen ("Programmen") erst auf ihre nicht explizit genannten Ziele geschlossen werden muß. 203 Dazu Banner, Zielsystem, S. 113. 204 Derlien, Erfolgskontrolle, S. 110 f. m. w. Nw. 205 Budäus, Controlling, S. 577. 206 Auch Thieme stellt fest: „Allerdings ist nicht zu verkennen, daß in jüngerer Zeit gegenüber einer Planungseuphorie, wie sie zu Anfang der siebziger Jahre bestand, ein erhebliches Maß an Ernüchterung eingetreten ist. . . . Sicher . . . ist, daß durch Pläne nicht alles machbar ist." (Entscheidungen, S. 94 f.).

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1. Teil

. Abschnitt:

e K o n t r o l l e

erforderliche Unterziele übersehen werden 207 . Die Orientierung an dem damit unvollständigen Zielsystem ist der Erreichung des Hauptzieles dann eventuell weniger dienlich als ein unmethodisch improvisierendes Vorgehen 208 . Daher ist das Zutrauen zur eigenen sachgerechten Improvisation oft größer als zum Vorgehen nach detaillierten Zielvorgaben. 5. Stufenweise Konkretisierung auf den verschiedenen Hierarchieebenen Statt der Entwicklung umfassender Zielsysteme besteht auch die Möglichkeit, die Zwecke stufenweise auf den verschiedenen Hierarchieebenen zu konkretisieren. Dieses Vorgehen ist Teil der sog. Führung durch Zielvorgabe oder Zielvereinbarung (Management by Objectives) 209 . Danach zerlegen die jeweiligen Führungsebenen die ihnen vorgegebenen Zwecke und Ziele in konkretere Unterziele und geben diese an die jeweils nachgeordnete Hierarchieebene weiter. Die Mitarbeiter der nachgeordneten Ebene sind an diesem Konkretisierungsprozeß zu beteiligen; sie können durch ihren Sachverstand und ihre praktischen Erfahrungen zur Bildung realistischer und den Oberzwecken dienlicher Ziele beitragen 210 . Die Mitwirkung fördert darüber hinaus die Akzeptanz und im Idealfall die Identifikation mit den Zielen 211 . Insofern widerspricht eine (strenge) Operationalisierung „von oben" auch dem Sinn der Delegation 212 . Treffend stellt Guggenberger dazu fest: „Die Zweckhaftigkeit wird um so drückender, je enger und präziser der Zweck gefaßt ist, der einer Tätigkeit zugrunde liegt, je definitiver sich damit »Abweichungen« verbieten und je rigider sie sanktioniert werden." 213

207 Leisner geht davon aus, daß das Verwaltungshandeln „auf Zweckstrukturen (trifft), die sich nie voll . . . isolieren lassen" (Effizienz, S. 45 f.). 208 Vgl. dazu auch Bohret / Junkers, die mit Recht davon ausgehen, daß immer auch „vage formulierte, nur qualitativ faßbare Ziele" neben den quantifizier- und meßbaren bestehen, und daher die Gefahr besteht, daß jene unscharfen, aber dennoch bedeutsamen Ziele vernachlässigt werden, wenn operational formulierte Ziele vorgegeben werden (Führungskonzepte, S. 99). 209 Einen Überblick über die MbO-Konzepte bieten: Bohret / Junkers, Führungskonzepte, S. 73 ff.; Püttner, Verwaltungslehre, S. 280 ff.; Y Ollmuth, Leitung, Rn. 206; ausführlich Reichard, Managementkonzeption; umfassend zu den Anwendungsvoraussetzungen speziell in der öffentlichen Verwaltung Reinermann / Reichmann, Führungskonzepte (insbesondere auch mit eingehender Untersuchung der Vereinbarkeit mit Geschäftsordnungen, Haushaltsrecht und Personalrecht sowie der Eignung für verschiedene Aufgabentypen). 2 "> Dazu auch Engelhard, Programmbudgetierung, S. 140 (im Rahmen von ReformÜberlegungen); ähnlich auch das „decision making budget" der OECD, wonach jede Einheit die Altemativenwahl im vorgegebenen „Titelplafond" selbst bestimmt (dazu Denso, Verwaltungseffizienz, S. 93 f.). 211 Zur Möglichkeit der Beteiligung der Mitarbeiter und den damit verbundenen Vorteilen auch Lee he 1er, Personalführung, S. 87 f. 212 Laux / Lier mann, Grundlagen, S. 381 ff. 213 Guggenberger, Arbeit, S. 54.

C. Darf Kontrolle das Programm in Frage stellen?

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Das Verfahren ist weniger aufwendig als die Bildung umfassender Zielsysteme und ermöglicht damit auch eine schnellere Anpassung an veränderte tatsächliche Umstände oder politische Prioritätsbewertungen. Andererseits ist die Gefahr größer, daß Zielkonflikte oder -Überlappungen nicht erkannt und berücksichtigt werden. Die prinzipiellen Schwierigkeiten, die sich bei der operationalen Formulierung von Zielen der Verwaltungstätigkeit ergeben, bestehen hier in gleicher Weise. Das Verfahren der stufenweisen Zielkonkretisierung wird zwar in innerdienstlichen Richtlinien grundsätzlich anerkannt 214 (ohne daß damit notwendig das gesamte Managementmodell der „Führung durch Zielvereinbarung" übernommen wird), in der Verwaltungspraxis fehlt es aber oft dennoch an klaren Zielvorgaben für die sachbearbeitende Tätigkeit. Dies wird zum einen an den genannten grundsätzlichen Schwierigkeiten liegen, zum anderen dürfte auch die Vorgabe von Zielen nach wie vor ein Führungsmittel sein, das vielen Vorgesetzten nicht hinreichend vertraut ist. Auch hier gilt die allgemeine Erkenntnis, daß sich Änderungen im Führungsstil nicht „per Dekret" 215 von einem Tag auf den anderen herbeiführen lassen, sondern einen Bewußtseinswandel erfordern, der erhebliche Zeit, oft etliche Jahre benötigt 216 . C. D a r f Kontrolle das Programm in Frage stellen? Mit der Feststellung, daß die unmittelbare Vorgabe selbst (etwa die operational formulierten Unterziele) gemessen an den übergeordneten Vorgaben (etwa den Hauptzielen) nicht sachgerecht sein kann, ist die Frage aufgeworfen, ob und inwieweit der Entscheidende sich dennoch an ihr orientieren darf oder gar muß. Insbesondere für die Fremdkontrolle fragt sich, ob die Feststellung einer Abweichung von Soll-Werten der „unteren Stufe" ohne weiteres zur Kritik der abweichenden Entscheidung führen darf—oder ob sie zunächst zum Anlaß genommen werden muß, jene Vorgaben anhand derjenigen „höherer Stufen" zu kontrollieren. I. Prüfungs- und Verwerfungskompetenz in bezug auf Rechtsnormen Im Bereich von Rechtsnormen wird dieses Problem als Frage nach der Prüfungs-, Aussetzungs- und Verwerfungskompetenz behandelt: Darf oder muß ein 214 Vgl. dazu Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 108 f., 3. Teil Zif. A I, II. 215 Bohret ! Junkers, Führungskonzepte, S. 142; vgl. auch Bieding I Scholz, Personalführungssysteme, S. 94:,»Führungsstile können nicht durch einen Verwaltungsakt eingeführt oder geändert werden. Sie ergeben sich aus meist unbewußten menschlichen Reaktionen und Gewohnheiten.". 216 Bohret / Junkers nehmen einen Zeitbedarf von drei bis zehn Jahren an (Führungskonzepte, S. 143). 5 Strößenreuther

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1. Teil

. Abschnitt:

e K o n t r o l l e

Amtswalter Verordnungen oder förmliche Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht überprüfen? Hat er die Entscheidung bei Feststellung der Unvereinbarkeit auszusetzen und die Frage seinem Vorgesetzen vorzulegen? Oder darf er jene Norm gar selbständig als nichtig behandeln? Eine eingehende Behandlung dieses im einzelnen sehr umstrittenen Problemkreises würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen 217. Für das Verständnis der behördeninternen Kontrolle genügt es, die hier zugrundegelegte Auffassung über Normenkontrollkompetenz der Verwaltung, die der wohl überwiegenden Meinung entspricht, kurz zu skizzieren: Weitgehend ist anerkannt, daß der einzelne Mitarbeiter zur Prüfung der von ihm anzuwendenden Normen am Maßstab höherrangigen Rechts berechtigt 218 und, sofern Anlaß zu begründeten Zweifeln besteht, auch verpflichtet ist 2 1 9 . Hierfür spricht schon das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG), bei Beamten läßt sich die Prüfungskompetenz zusätzlich darauf stützen, daß diese grundsätzlich die volle persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen tragen (vgl. §§35 Abs. 1 BRRG, 52 Abs. 1 BBG) und sie verpflichtet sind, sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu bekennen und für deren Erhalt einzutreten (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 3 BRRG, 52 Abs. 2 BBG). Der Vollzug einer gegen höherrangiges Recht verstoßenden Norm ist eine objektiv rechtswidrige Handlung 2 2 0 , eventuelle gerichtliche Nichtigkeitsfeststellungen (z. B.nach § 47 VwGO, Art. 931 Nr. 2,100 Abs. 1 GG) sind nicht konstitutiv, sondern rein deklaratorisch. Bejaht man die Prüfungskompetenz, so muß man notwendig auch zulassen, daß der Mitarbeiter, der eine von ihm anzuwendende Norm für nichtig hält, die Entscheidung zumindest aussetzen 221 und die Frage seinem Vorgesetzten vorlegen kann. Andernfalls wäre die Prüfung sinnlos. Der Vorgesetzte kann den Mitarbeiter dann entweder anweisen, jene Norm anzuwenden222 oder die Frage, wenn er die Auffassung des Mitarbeiters teilt, seinerseits dem höheren Vorgesetzten vorlegen usw., bis die Angelegenheit bei der Behörden- oder Verwaltungsspitze vorliegt 223 .

217 Kopp, Gesetzes- und Verordnungsprüfungsrecht, S. 821, stellt fest, daß es „wenig Fragen des Verwaltungsrechts (gibt), die so umstritten sind"; auch Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz; Rn. 22 ff. vor § 9 VwVfG (m. w. Nw.). 218 Dazu Ipsen, Vorwirkungen, S. 2571; Merten, Normenkontrolle, S. 353 ff.; Kopp, Gesetzes- und Verordnungsprüfungsrecht, S. 823; Maurer, Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 46 jeweils m. w. Nw. 219 So Merten, Normenkontrolle, S. 355; Bachof, Prüfungs- und Verwerfungskompetenz, S. 15; Kopp, Gesetzes- und Verordnungsprüfungsrecht, S. 828. 220 Vgl. dazu Bachof, Prüfungs- und Verwerfungskompetenz, S. 15. 221 Vgl. Ipsen, Vorwirkungen, S. 2571. 222 Dazu, daß das Weisungsrecht auch bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes eingreift, vgl. Bachof, Prüfungs- und Verwerfungskompetenz, S. 3, Fn. 8. 223 Zur Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit nachkonstitutioneller formeller Gesetze auf dem Dienstweg bis zur Verwaltungsspitze vgl. Merten, Normenkontrolle, S. 356.

C. Darf Kontrolle das Programm in Frage stellen?

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Dagegen ist der Verwaltung die selbständige Nichtanwendung von Rechtsnormen (Verwerfungskompetenz) grundsätzlich verwehrt 224 . Für nachkonstitionelle formelle Gesetze steht dem BVerfG das Verwerfungsmonopol zu. Dies ist einhellig anerkannt gegenüber den Fachgerichten (Art. 100 Abs. 1 GG), muß aber auch gegenüber der Verwaltungsspitze (Bundes- bzw. Landesregierung) gelten (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG), will man die „Autorität der gesetzgebenden Gewalt" 225 nicht in Frage stellen 226 . Die Verwaltungsspitze muß das fragliche Gesetz also gegebenenfalls dem BVerfG zur Feststellung der Nichtigkeit vorlegen (gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG; §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG) 227 . Problematischer ist dies bei vorkonstitutionellen und/oder nichtförmlichen Gesetzen, weil hier eine Verwerfung die „Autorität der gesetzgebenden Gewalt" nicht berührt. Auch hier wird man aber innerhalb der Verwaltung allenfalls derjenigen Instanz eine Verwerfungskompetenz zusprechen können, die die Norm selbst erlassen hat (etwa eine Rechtsverordnung durch den sie erlassenden Minister). Hierfür spricht das Antragsrecht für Behörden zur gerichtlichen Normenkontrolle (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) 2 2 8 ; von einer Behörde, für die sich die Frage der Normanwendung regelmäßig in mehreren Fällen stellt, sollte im Interesse der Rechtssicherheit generell verlangt werden, daß sie nach Aussetzung der Verwaltungsverfahren eine Entscheidung nach § 47 VwGO herbeiführt 229 . Zusammenfassend ist mit Blick auf die behördeninterne Kontrolle festzustellen: der Entscheidende ist im Rahmen der entscheidungsvorbereitenden Eigenkontrolle nicht darauf beschränkt, die Entscheidungsalternativen anhand der in Betracht kommenden Normen auszuwählen, sondern kann auch die Wirksamkeit der Normen in Hinblick auf höherrangiges Recht prüfen, bei deutlichen Anzeichen für eine Unvereinbarkeit ist er hierzu sogar verpflichtet. Nachträgliche Kontrolle

224 Wolff / Bachof\ Verwaltungsrecht I, § 28 II a; Herzog in Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Anm. VI 41 zu Art. 20 GG; vgl. auch Kopp, Gesetzes- und Verordnungsprüfungsrecht, S. 822 m. w. Nw. (der selbst allerdings ein Verwerfungsrecht befürwortet, S. 828). 22 5 BVerfGE 4, S. 331 ff. 340. 22 6 a. A. Kopp, Gesetzes- und Verordnungsprüfungsrecht, S. 828 m. w. Nw.; die Befürworter einer Verwerfungskompetenz der Verwaltung stützen sich vor allem auf die Überlegung, daß eine Verwaltungsentscheidung weniger entgültig sei als eine gerichtliche und daher der Gedanke des Art. 100 Abs. 1 GG nicht herangezogen werden könne; vermittelnd Wolff / Bachof Verwaltungsrecht I, § 28 II a, die eine Verwerfungskompetenz bei „offensichtlicher" Verfassungswidrigkeit des Gesetzes zulassen wollen. 22 ? Besondere Probleme entstehen allerdings bei weisungsfreien Stellen, vgl. dazu Bachof, Prüfungs- und Verwerfungskompetenz, S. 11 f., Merten, Normenkontrolle, S. 356. 228 Hieraus ergibt sich freilich kein zwingender Schluß gegen die Verwerfungskompetenz der Behörde, vgl. Kopp, Gesetzes- und Verordnungsprüfungsrecht, S. 828. 22 9 Vgl. dazu auch BVerwG BayVBl. 1987, S. 310 f., BayVGH BayVBl. 1982, S. 654 m. w. Nw., die ausdrücklich ein eigenes Verwerfungsrecht des Landratsamts gegenüber einer kommunalen Satzung (hier: Bebauungsplan) ablehnen.

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1. Teil

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schon getroffener Entscheidungen muß aber den Entscheidenden, der eine Norm wegen — zumindest behaupteter — Nichtigkeit nicht angewendet hat, jedenfalls kritisieren: Selbst wenn die Norm tatsächlich nichtig war, hätte der Mitarbeiter sie nicht ohne weiteres nicht anwenden dürfen, sondern die Frage ihrer Gültigkeit auf dem Dienstweg vorlegen müssen.

I I . Unbeachtlichkeit „unzweckmäßiger Ziele"? Eine ähnliche Problematik liegt in der Frage, ob der nach Zweckprogrammen Entscheidende sich ohne weiteres nach Unterzielen richten darf oder gar muß auch auf die Gefahr hin, daß jene Unterziele in Hinblick auf die Hauptziele, denen sie ihrerseits dienen, unzweckmäßig sind. In der bei Rechtsnormen verwendeten Terminologie formuliert: hat der Entscheider bzw. Kontrolleur eine Prüfungs-, Aussetzungs- und Verwerfungskompetenz hinsichtlich der ihm vorgegebenen Ziele? Diese Fragestellung führt bei den operational formulierten Unterzielen auf erheblich unsichereres Terrain als bei den eben behandelten Rechtsnormen. Einerseits wird man grundsätzlich verlangen, daß der Entscheidende sich nach den Unterzielen richtet, zumal dann, wenn sie Elemente eines geschlossenen Zielsystems sind. Sie sind Ergebnis eines versachlichten Zielfindungs- und -bewertungsverfahrens, in das regelmäßig der Sachverstand mehrerer Fachleute eingebracht wurde, so daß eine „Vermutung" 230 für die Richtigkeit der operationalen Unterziele (am Maßstab der Hauptziele) spricht. Schon die Transparenz des Wertungsvorgangs anhand offengelegter Kriterien schafft eine gewisse Legitimation. Formal werden Zielsysteme regelmäßig von hierarchisch übergeordneten Instanzen innerhalb der Behörde vorgegeben und haben insofern den Charakter einer Richtlinie oder Weisung, die die nachgeordneten Mitarbeiter bindet. Andererseits entpuppt sich ein Unterziel eventuell erst in der konkreten Entscheidungssituation als unzweckmäßig. Wenn der Entscheider dann aufgrund seiner eigenen Fachkenntnisse mit Blick auf die Hauptziele handelt und die Unterziele unbeachtet läßt, kann er dafür nicht ohne weiteres gerügt werden — insgesamt betrachtet ist das Handlungsergebnis ja zielgerechter als dasjenige, das unter Beachtung der Unterziele erreicht worden wäre. Mit Blick auf die formal-hierarchische Verbindlichkeit, der auch eine fachliche Legitimation zugrundeliegt, sollte aber dennoch ein Weg beschritten werden, der dem der innerbehördlichen Normenkontrolle entspricht. Der Sachbearbeiter sollte also auch dann, wenn operationale Unterziele vorgegeben sind, die dahinterstehenden Hauptziele im Auge behalten und prüfen, ob die Unterziele diesbezüglich (noch) sachgerecht sind 231 . Kommt er dabei zu dem Ergebnis, daß dies nicht der 230 Luhmann, Zweckbegriff, S. 331.

D. Zusammenfassung

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Fall ist, so darf er sich aber nicht selbständig über das Zielsystem oder anderweitig gegebene Zielvorgaben hinwegsetzen, sondern muß seine Bedenken vor der Einzelfallentscheidung auf dem Dienstweg geltend machen 232 . Zu denken ist daneben aber auch an den Weg über das Vorschlagswesen, das eine Kontrolle des Zielsystems durch das Organisationsamt in Gang setzt 233 . Dies ermöglicht, daß letztlich diejenigen, die das Zielsystem entworfen haben, Gelegenheit bekommen, dieses — eventuell vor dem Hintergrund veränderter Umstände — zu korrigieren oder aber darzulegen, warum das problematisierte Unterziel doch zweckmäßig und daher zu beachten ist. Wegen der großen Unsicherheiten, die mit der Aufstellung von Zielsystemen verbunden sind 234 , sollten Abweichungen, die bei der nachträglichen Kontrolle schon getroffener Entscheidungen festgestellt werden, wesentlich eher als bei der Rechtskontrolle zum Anlaß genommen werden, die Zweckmäßigkeit des Unterzieles zu überprüfen. Dies ist jedenfalls dann geboten, wenn die abweichende Entscheidung entsprechend begründet wurde 235 . Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob und inwieweit der Entscheidende für das eigenmächtige Abweichen vom Unterziel zur Rechenschaft gezogen wird. D. Zusammenfassung I. Die möglichen Maßstäbe der Kontrolle lassen sich nach ihrer Struktur in Konditional- und Zweckprogramme unterteilen. 231 Auch Wolff / Bachof wenden sich ausdrücklich gegen eine apathische Haltung der Angewiesenen, „aus der heraus Anordnungen, die von oben kommen, auch dann nicht mehr in Frage gestellt werden, wenn die Zweckmäßigkeit eine andere Lösung erfordert" (Verwaltungsrecht Π, § 77 Π a). 232 Dementsprechend regelt die Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 102, Zif. A II 2: „Von gemeinsam festgelegten Zielen und Arbeitsprogrammen kann der Mitarbeiter nicht ohne Zustimmung des Vorgesetzten abweichen.... Kooperativem Führungsstil entspricht es allerdings, daß der Vorgesetzte sich um eine einvernehmliche Abänderung bemüht. Gelingt dies nicht, sollte er seine abweichende Entscheidung dem Mitarbeiter gegenüber begründen"; vgl. auch Steinbach, Bedeutung, S. 181. 233 Zur Kontrolle durch das Organisationsamt aus Anlaß eines Verbesserungsvorschlags siehe unten 2. Teil 2. Abschnitt Α ΠΙ 3. 234 Die KGSt. räumt ausdrücklich ein, „daß die Entwicklung solcher Zielsysteme ungewöhnliche Schwierigkeiten bereitet, jedenfalls dann, wenn daraus konkrete Handlungsanweisungen abgeleitet werden sollen" (Zielsuche, S. 3). 235 Vgl. dazu Luhmann, Zweckbegriff, S. 332: „Die bei der operationalen Kontrolle festgestellten Abweichungen dürfen nicht ohne weiteres gebrandmarkt und abgestellt werden.... Die Abweichungen müssen . . . zunächst aufgefordert werden, ihre besonderen Gründe zu nennen. Diese Gründe müssen dann unabhängig von den Entscheidungsprogrammen geprüft werden — sei es anhand jener Indikatoren, die den Bezug zu höheren Zwecken vermitteln, sei es auf Krisenverdacht hin" (letzteres bezieht sich auf die Infragestellung von „Systemzwecken" am Maßstab des „Bestandsproblems" des Systems, die erste der drei „Unterfunktionen" von Kontrolle nach Luhmann, die er auch als „Krisenkontrolle" bezeichnet; vgl. S. 326 ff., 333).

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1. Teil

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1. Konditionalprogramme geben die tatsächlichen Umstände an, bei deren Vorliegen in bestimmter Weise zu entscheiden ist (Wenn/Dann-Schema). Die Orientierung hieran erfordert nur die Kenntnis gegenwärtiger Umstände und damit keine besondere begleitende oder nachträgliche Kontrolle. Das Konditionalprogramm selbst wird allerdings zur Verwirklichung bestimmter Zwecke aufgestellt, die für denjenigen, der anhand dieser Programme entscheidet und kontrolliert, aber lediglich bei Auslegungszweifeln heranzuziehen sind. 2. Dagegen geben Zweckprogramme, die für die öffentliche Verwaltung zunehmend an Bedeutung gewinnen, die Ziele vor, die zu erreichen sind. Die Verwaltung muß selbst entscheiden, welche Maßnahmen in welcher Situation zu treffen sind, um diese Ziele zu verwirklichen. Die Orientierung an Zweckprogrammen erfordert Prognosen darüber, welche Wirkungen von in Betracht gezogenen Maßnahmen ausgehen werden. Anhand dieser vermuteten Wirkungen ist diejenige Maßnahme auszuwählen, die dem Zweckprogramm am besten entspricht (entscheidungsvorbereitende Eigenkontrolle). Wegen der Unsicherheiten derartiger Prognosen muß die Durchführung der gewählten Maßnahme daraufhin kontrolliert werden, ob und inwieweit sich die Prognose bewahrheitet. Bei einem Abweichen ist die Entscheidung in Richtung auf die Zweckverwirklichung zu korrigieren. Handeln nach Zweckprogrammen erfordert damit eine besondere, den Durchführungsprozeß begleitende Kontrolle. Die Verwaltung hat sich regelmäßig an mehreren Zielen zu orientieren, die sich nicht gleichzeitig maximal verwirklichen lassen. Insbesondere deshalb wird die Entwicklung in sich widerspruchsfreier Zielsysteme gefordert, die operational formulierte und im Verhältnis zueinander gewichtete Unterziele enthalten, an denen die Maßnahmen unmittelbar ausgerichtet und kontrolliert werden können. Derartige Zielsysteme fehlen in der Praxis jedoch weitgehend, was wohl vor allem auf den mit der Erstellung verbundenen Aufwand und die Starrheit dieser Systeme gegenüber sich ändernden Umständen und Aufgaben zurückzuführen ist. II. Problematisch ist, inwieweit der Entscheider bzw. Kontrolleur Vorgaben in Hinblick auf übergeordnete Normen und Ziele in Frage stellen darf. Soweit es sich um Rechtsnormen handelt, ist die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht stets zu prüfen. Bei Feststellung der Unvereinbarkeit ist die Angelegenheit auf dem Dienstweg vorzulegen, gegebenenfalls haben die hierzu berechtigten Organe eine gerichtliche Entscheidung über die Nichtigkeit der Norm herbeizuführen (gem. § 47 VwGO oder Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG). Sind dem Entscheider Unterziele vorgegeben, so sollte er auf dem Dienstweg auf eventuelle Zweifel an ihrer Dienlichkeit zur Erfüllung übergeordneter Ziele hinweisen. Insbesondere dann, wenn die Unterziele Elemente eines Zielsystems sind, darf er sich über diese aber nicht selbständig hinwegsetzen, da wegen des rationalisierten und transparenten Verfahrens bei der Systemerstellung eine gewisse „Vermutung" für die Richtigkeit der Vorgaben spricht.

3. Abschnitt

Eigen- und Fremdkontrolle Die Kontrolle läßt sich nach nahezu beliebigen Kriterien mannigfaltig unterteilen 2 3 6 . Vorliegend soll zunächst nur nach denjenigen Gesichtspunkten Kontrollarten gebildet werden, die zu grundsätzlichen Unterschieden führen und daher der Untersuchung konkreter Kontrollen vorangeschickt werden müssen. Dabei ist das Begriffspaar Eigenkontrolle — Fremdkontrolle zu betrachten. Diese Unterscheidung ist von allgemeiner Bedeutung wegen der „unvermeidbaren Selektivität" und der besonderen Funktionen der Fremdkontrolle 237 .

A. Begriffsbildung I. Eigenkontrolle Zunächst sind Eigen- und Fremdkontrolle zu unterscheiden. Mit Eigenkontrolle soll derjenige Soll-Ist-Vergleich bezeichnet werden, den der Entscheidende hinsichtlich seiner eigenen Entscheidung vornimmt. Bei Ein-Personen-Entscheidungen ist dabei die Kontrolle durch diese Person selbst gemeint. Kontrollobjekt können dabei die Entscheidungsalternativen, aus denen die Entscheidung selbst durch kontrollierende Auswahl zu treffen ist, oder auch früher getroffene eigene Entscheidungen sein. Bei nicht funktionsdifferenzierter Entscheidung durch Kollegialorgane (d. h. die Mitwirkenden sind gleichgeordnet, wobei mangels organisatorischer Differenzierung jeder alle Gesichtspunkte zu kontrollieren hat, ζ. B. bei Kammerentscheidungen eines Gerichts) schließt die Eigenkontrolle auch die wechselseitige Prüfung der Entscheidungsteilnehmer ein. Die Eigenkontrolle hat das eigene Entscheiden im eigenen Zuständigkeitsbereich zum Gegenstand. Der hierfür spontan vielleicht näherliegende Begriff der Selbstkontrolle erscheint deshalb weniger geeignet, weil dieser häufig mit anderem Bedeutungsgehalt verwendet wird. So handelt es sich nach Wolff/ Bachof bei der „Selbstkontrolle der Verwaltung" um „die Überprüfung von Verwaltungshandlungen durch die

236 Vgl. dazu Eichhorn / Friedrich, Verwaltungsökonomie I, S. 252 ff.; dort wird die Kontrolle nach 26 verschiedenen Kriterien bis zu vierfach unterteilt (teilweise auch gestaffelt), wobei anzumerken ist, daß sich diese Einteilung — soweit ersichtlich — nicht auf eine gefestigte Begriffsbildung stützen kann. 237 Siehe unten B. bzw. C.

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. Teil

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Verwaltung selbst" 238 . Es ist festzustellen, daß der Begriff der Selbstkontrolle zwar nicht generell in der eben wiedergegebenen Weite verwendet wird 2 3 9 , er aber selten und dann nur in besonderem Zusammenhang240 allein der Bezeichnung der eigenen Kontrolle der handelnden Person bzw. des handelnden Gremiums dient. Will man begriffliche Klarheit wahren und der fast babylonischen Sprachverwirrung, die in diesem Bereich durch die Verwendung desselben Begriffs für unterschiedliche Inhalte ohnehin schon besteht, nicht weiter Vorschub leisten, so empfiehlt sich die Verwendung des bisher wenig gebrauchten 241 Begriffs der „Eigenkontrolle" für die oben genannten Kontrolltatbestände.

I I . Fremdkontrolle Demgegenüber sollen alle Kontrollen, die nicht unter die Eigenkontrolle fallen, als Fremdkontrollen bezeichnet werden. Hierunter fallen, positiv ausgedrückt, alle Kontrollen, die das Handeln und Entscheiden einer vom Kontrollierenden verschiedenen Person oder Gruppe zum Gegenstand haben. Beispielhaft können hier genannt werden die verwaltungsexternen Kontrollen (etwa durch das Parlament oder die Gerichte), die hierarchischen Kontrollen innerhalb der Verwaltung 2 4 2 (etwa diejenige einer Regierung gegenüber einem Landratsamt), die Kontrollen im Rahmen der Staatsaufsicht, aber auch die behördeninternen Kontrollen, soweit sie seitens einer hierarchisch übergeordneten Stelle oder einer Quer-

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Wolff / Bachof \ Verwaltungsrecht III, § 1611 a 2; ebenso Tiemann (Finanzkontrolle, S. 43), die sicherheitshalber von „interner Selbstkontrolle" spricht, ohne daß deutlich wird, ob sie annimmt, daß es auch eine exteme Selbstkontrolle (schwer vorstellbar) oder eine interne Fremdkontrolle gibt; auch Scheuner (Verantwortung, S. 382) spricht von einer „inneren Selbstkontrolle der Verwaltung"; den gleichen Begriffsumfang voraussetzend auch Ryffel (Eigenverantwortlichkeit, S. 461), der eine „aus der Eigenverantwortlichkeit der Verwaltung sich ergebende Selbstkontrolle" nennt, wobei er allerdings auch feststellt, daß jene „Eigenverantwortlichkeit der Verwaltung . . . in jedem einzelnen Beamten nach Maßgabe seiner Verantwortlichkeit lebendig ist" (und damit eine Eigenkontrolle als Grundlage der Verwaltungs-Selbstkontrolle der Sache nach anerkennt). 239 So führt etwa Hirsch (Haushaltskontrolle, S. 47 f.) aus: „Träger der Kontrolle sind . . . die einzelnen Verwaltungsbehörden selbst (Selbstkontrolle) sowie die Oberste Verwaltungsführung (Regierung, Budgetbüro, Finanzminister).". 2 40 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 37 („Selbst-Kontrolle"); Luhmann, Rechtssoziologie, S. 285, der allerdings an anderer Stelle (S. 282) diese Selbstkontrollen nur als „Vorläufer und funktionale Äquivalente für Kontrollen" ansieht (konsequenterweise müßte er von der funktionalen Äquivalenz zu Fremdkontrollen sprechen); im Sinne des hier geprägten Begriffs der Eigenkontrolle spricht allerdings die KGSt. (Delegation — Kontra und Pro, S. 11) davon, daß der „Mitarbeiter... zu einer stärkeren Selbstkontrolle seines Arbeitsergebnisses veranlaßt wird.". 241 Ohne nähere Ausführungen allerdings auch genannt bei Schwebbach, Kontrollen, Rn. 560; Töpfer, Organisationsprinzipien, S. 122. 242 Diese wären bereits der „Selbstkontrolle" im Sinne der Begriffsbildung von Wolff! Bachof zuzurechnen.

Β. Fremdkontrolle und „unvermeidbare Selektivität"

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schnittsstelle im Bereich der Handlungsverantwortung einer Fachabteilung erfolgt. Soweit in der Literatur der Begriff der Fremdkontrolle überhaupt genannt wird, wird er in der Regel als Gegenbegriff zur „Selbstkontrolle" verwendet 243 . Meist bleibt es aber bei der Nennung in diesem Zusammenhang, ohne daß der Fremdkontrolle als solcher weitere Aufmerksamkeit geschenkt wird 2 4 4 . Daher bestehen die oben geäußerten Bedenken, die Anlaß zur Bildung des Begriffs der Eigenkontrolle waren, für den Begriff der Fremdkontrolle als Gegenbegriff zur Eigenkontrolle nicht. B. Fremdkontrolle und „unvermeidbare Selektivität" Die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdkontrolle liegt darin, daß die Fremdkontrolle spezifische, über die Grundfunktion der Entscheidungsmitbestimmung hinausgehende Funktionen erfüllt 245 und darin, daß sie „unvermeidlich selektiv" 246 ist. Aus dem Gedanken, daß die Verwaltung vorgegebenen, wenn auch teilweise sehr abstrakt formulierten Zwecken dienen soll, ist zu folgern, daß — systemtheoretisch — ein total kontrolliertes und dadurch die Vorgaben perfekt realisierendes Verwaltungshandeln anzustreben ist. Dies würde aber voraussetzen, daß der Kontrollierende einerseits sämtliche realen Umstände erfaßt und zutreffend bewertet und andererseits auch die Vorgaben in Hinblick auf diese Umstände vollständig in Betracht zieht und in (einzig) richtiger Weise auswählt und konkretisiert (durch Auslegung oder Entwicklung operationaler Unterziele). Beides ist in der Praxis unmöglich. Der Mensch kann die Komplexität der Realität stets nur reduzierend wahrnehmen: seine begrenzte Informationsverarbeitungskapazität führt dazu, daß er sich anhand der als wesentlich empfundenen Wahrnehmungen ein Bild macht. Dieser Reduktionsprozeß ist rational nicht vollständig analysierbar 247 . Eine Totalkontrolle ist damit in Hinblick auf die Feststellung der IstWerte schon erkenntnistheoretisch ausgeschlossen. Auch in Hinblick auf die Soll-Werte ist eine Totalkontrolle ausgeschlossen. Sie würde voraussetzen, daß hinsichtlich sämtlicher Zwecke, denen die Verwaltung dient, ein in sich widerspruchsfreier Katalog präziser und operationaler 243 Vgl. wieder Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht ΙΠ, § 161 I a 2. 244 Bei Krebs (Kontrolle, S. 37) wird die„Fremd-Kontrolle" kurz als solche behandelt, wobei Krebs sie an dieser Stelle allerdings mit dem selben Begriffsinhalt verwendet wie in der vorliegenden Untersuchung. Dies spricht für die Überlegung, daß sich über Fremdkontrolle als solche nur dann spezifische Aussagen machen lassen, wenn man die hier gewählte Begriffsbestimmung zugrundelegt. 245 Dazu unten C. 246 Begriff nach Derlien, Zur systemtheoretischen Fassung, S. 201 ff. 247 So auch Krebs, Kontrolle, S. 37.

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Soll-Vorgaben existiert, der für jeden real festgestellten Ist-Wert einen entsprechenden Soll-Wert enthält. Abgesehen davon, daß danή das Problem der Irrationalität bei der Vorgabenauslegung nur in die Entwicklung dieses Katalogs vorverlagert werden würde 248 , ist ein den eben genannten Anforderungen genügendes Vorgabensystem praktisch weder erstellbar noch uneingeschränkt wünschenswert 249 . Die nur begrenzt rationale Konkretisierung der Vorgaben schließt also eine eindeutig zielrealisierende Kontrolle ebenfalls aus. Die bisher genannten Hindernisse einer Totalkontrolle folgen unmittelbar aus der Begrenztheit der menschlichen Informationsverarbeitungskapazität und beschränken damit jede Art der Kontrolle. Davon zu unterscheiden ist die „unvermeidliche Selektivität", die nur der Fremdkontrolle zu eigen ist. Damit ist gemeint, daß die Fremdkontrolle insgesamt in ihrem Umfang hinter dem der Eigenkontrolle, die der Fremdkontrollierte bereits durchgeführt hat, zurückbleiben muß 2 5 0 . Wäre dies nicht der Fall, so müßte der Fremdkontrolleur den gesamten Informationsverarbeitungsprozeß, den der Kontrollierte bereits im Rahmen der Eigenkontrolle vorgenommen hat (bzw. zumindest haben sollte), wiederholen. Die Folge wäre „eine doppelte Rollenbesetzung für jeden Detailschritt im Entscheidungsprozeß" 251 oder zumindest eine „Verdopplung der Kapazität" 252 , was die „Arbeitsteilung und Organisation . . . ad absurdum" 253 führen würde.

C. Spezifische Funktionen der Fremdkontrolle Wie bereits angedeutet unterscheidet sich die Fremd- von der Eigenkontrolle aber nicht nur durch ihre spezifische „unvermeidliche Selektivität", sondern auch durch bestimmte Funktionen, die die Eigenkontrolle nicht erfüllt. Bei der Bestimmung von Funktionen ist zu beachten, daß eine konkrete Verhaltensweise meist etlichen Zwecken dient. Andererseits kann jede einzelne Funktion wiederum regelmäßig mit verschiedenen Mitteln erfüllt werden. Eine funktionale Aussage dient daher dazu, die Bedingungen zu bezeichnen, unter denen ein Mittel durch ein anderes ersetzt werden kann 254 . Stellt man etwa fest, daß die Fremdkon-

248 Siehe bereits oben zur Problematik der Setzung operationaler Ziele, 2. Abschnitt Β III. 249 Hätte man für alle real möglichen Situationen unmittelbar anwendbare Handlungsanweisungen, so wäre das Normensystem so kompliziert wie die Realität selbst und damit wiederum nicht anwendbar. 250 Vgl. auch Hübener / Halberstadt, Erfolgskontrolle, S. 17, 101. 251 Krebs, Kontrolle, S. 37. 252 Derlien, Zur systemtheoretischen Fassung, S. 202. 253 Ebenda; vgl. auch Lecheler, Personalführung, S. 43: „Es ist widersinnig, den gleichen Sachverhalt regelmäßig ein zweites Mal zur Entscheidung zu stellen oder einer Mit-,Entscheidung4 zu unterwerfen, die schon vom Arbeitspensum her keine wirkliche Entscheidung sein kann.".

C. Spezifische Funktionen der Fremdkontrolle

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trolle den Handelnden zu rationalerem Entscheiden zwingt, indem er seine Entscheidung rechtfertigen, also in nachvollziehbarer Weise begründen muß und daher sachfremde Erwägungen nur erschwert zugrundelegen kann, so wird man insoweit in der Kollegialentscheidung, die eine (sachliche) Diskussion voraussetzt, ein funktional äquivalentes Mittel entdecken. Ermittelt man nun aber darüber hinaus, daß die Fremdkontrolle auch dazu dient, eine Grundlage für Führungsentscheidungen zu schaffen, so bildet die Kollegialentscheidung diesbezüglich keinen funktional gleichwertigen Ersatz. Bei der organisatorischen Entscheidung darüber, welche Fremdkontrollen eingeführt, beibehalten oder abgebaut werden sollen, ist daher zu fragen, welche Funktionen jeweils konkret erfüllt werden müssen, mit welchen Mitteln diese erfüllt werden können und — falls mehrere Mittel zur Verfügung stehen — welches das insgesamt günstigste ist. Bei der Beantwortung der letzten Frage ist nicht nur positiv die Eignung des Mittels zur Erfüllung einer Funktion, sondern auch negativ zu berücksichtigen, welche dysfunktionalen Wirkungen dieses Mittel hat 2 5 5 . Selbst das relativ zu anderen günstigste Mittel kann noch einen gegenüber dem erreichbaren Nutzen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern. In diesem Fall wird man auf die Erfüllung der Funktion gänzlich verzichten müssen. Anzumerken ist, daß Fremdkontrollen generell nur dort gerechtfertigt sind, wo Funktionen benötigt werden, die nicht bereits von der Eigenkontrolle erfüllt werden; letztere erfolgt für vorgabengerechtes Entscheiden ohnehin 256 . Die Fremdkontrolle ist bei entsprechendem Sach- und Fachverstand und professioneller Orientierung der Bediensteten dann „überflüssig und manchmal geradezu absurd" 257 . I. Geltendmachung von Verantwortlichkeit Häufig wird Kontrolle mit Verantwortung 258 in Zusammenhang gebracht. So stellt W. Müller fest, daß „Kontrolle notwendiges Instrument zur Wahrnehmung

254 Vgl. Luhmann, Funktionen, S. 187, Fn. 36. 255 Zu den dysfunktionalen Wirkungen der Fremdkontrolle siehe unten D. 256 So auch Nordsieck, der feststellt: Selbstkontrolle ist stets die rationellste Arbeitskontrolle" (Betriebsorganisation, Sp. 83 f. — Hervorhebung im Original). „Stets müssen demnach besondere Gründe für eine andere Regelung vorliegen" (Sp. 83); vgl. auch Bayerischer Oberster Rechnungshof , Bericht 1987, Zif. 16.4.1 (S. 54): „Innerhalb desselben Behördenzugs sollte auf mehrfache Prüfung des gleichen Sachverhalts verzichtet werden.". 257 Bosetzky, Maxime, S. 197. 258 Ausführlich hierzu aus staatstheoretischer Sicht Saladin, Staatsprinzip; zur Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen aus ethischer Sicht sehr anregend Jonas, Prinzip Verantwortung (zum Problem der Verantwortbarkeit technologischer, irreversibler Entwicklungen).

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und Durchführung von Verantwortungsbeziehungen" 259 ist. Nach Gehrig ist „Kontrolle . . . nichts anderes als Geltendmachung der Verantwortlichkeit." 260 1. Begriff der Verantwortlichkeit und ihr Zusammenhang mit Kontrolle Zur näheren Betrachtung dieser Funktion fragt sich zunächst, was unter Verantwortlichkeit zu verstehen ist. In der Literatur ist die synonyme Verwendung mit dem Begriff Verantwortung weit verbreitet 261 . Traditionellerweise wird darunter die Rechenschaftspflicht oder — etwas enger — das Einstehenmüssen für Fehler verstanden. Der dafür vorausgesetzte Bezugspunkt hinreichend klarer normativer Vorgaben erfaßt allerdings nicht die gesamte Funktion, die der Verantwortung als Mittel der Unsicherheitsabsorption 262 in funktionell ausdifferenzierten Systemen wie der Verwaltung zukommt. Im Anschluß an Luhmann263 ist daher zwischen Verantwortung und Verantwortlichkeit zu unterscheiden, wobei mit letzterer die Rechenschaftspflicht bezeichnet wird 2 6 4 . Erstes wesentliches Element der Verantwortlichkeit ist die Bindung des Verantwortlichen an Vorgaben. Nach Laux wird „Verantwortung innerhalb einer Organisation als Selbstverpflichtung zur Erfüllung übernommener oder vorgegebener Aufgaben (Ziele und Funktionen) gedeutet." 265 Ausführlicher definiert Ryffel „die Verantwortlichkeit... als die gesollte Bereitschaft, bestimmte Normen als richtige oder doch maßgebende zu übernehmen und gemäß diesen Normen zu handeln oder bestimmte Handlungen zu unterlassen, allgemeiner formuliert: sich selbständig normgemäß zu verhalten." 266 Will der Verantwortliche dem entsprechen und sein Handeln auf die Vorgaben (Soll-Werte) ausrichten, so erfordert dies, wie bereits dargestellt 267 , Eigenkontrolle; sie ist also notwendige Bedingung verantwortlichen Verhaltens. Die so verstandene „Verantwortung soll sich in der Bereitschaft, die Folgen seines Handelns einschließlich der Haftung zu übernehmen, realisieren." 268 Dabei ist hervorzuheben, daß es sich um eine „(gesollte Bereitschaft" 269 zur Beachtung 259 w. Müllen Organisation, Sp. 1082. 260 Gehrig, Parlament, S. 26. 261 Vgl. etwa die im Text nachfolgenden Zitate von Gehrig und Laux; auch Scheuner spricht von Verantwortung und meint damit die Rechenschafts- und Einstandspflicht, also das, was hier mit Verantwortlichkeit bezeichnet wird (vgl. Kontrolle, S. 11). 262 Dazu unten 3. 263 Luhmann, Funktionen, S. 172 ff.; bei den nachfolgenden Zitaten ist zu beachten, daß darin Verantwortung oft synonym mit Verantwortlichkeit verwendet wird. 264 Wilke spricht hier von „sanktionsrechtlicher Verantwortung" (Verwaltungsverantwortung, S. 512). 265 Laux, Führung, S. 23; vgl. auch Gehrig, Parlament, S. 25. 266 Ryffel, Eigenverantwortlichkeit, S. 457. 267 Siehe oben A I. 268 Lawc, Führung, S. 23.

C. Spezifische Funktionen der Fremdkontrolle

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der Vorgaben und dementsprechend auch zur Übernahme der Folgen einer Abweichung handelt. Die Haftung hängt also nicht davon ab, daß der Handelnde tatsächlich zu pflichtgemäßem Handeln und zum Einstehen hierfür bereit war. Soll die Verantwortlichkeit unabhängig vom konkreten Willen des Handelnden realisiert werden, so muß sie von einem anderen geltend gemacht werden. Daher gehört „zu jeder Verantwortung . . . ein Gegenüber, dem zu ant-Worten ist, das zur Verantwortung zieht." 270 Die Geltendmachung der Verantwortlichkeit setzt also voraus, daß ein anderer als der verantwortlich Handelnde dessen Handeln (Ist) mit den Vorgaben (Soll) vergleicht, also eine Fremdkontrolle vornimmt. In bezug auf die Verantwortlichkeit hat die Kontrolle damit doppelte Bedeutung: zum einen ist die Eigenkontrolle notwendige Voraussetzung verantwortlichen Verhaltens, zum anderen ist die Fremdkontrolle erforderlich zur Geltendmachung der Haftung für zu verantwortendes Verhalten. 2. Entscheidungsfreiheit und Determination Teilweise wird betont, daß der Verantwortlichkeit eine „Ambivalenz" immanent sei, die darin liege, daß der Verantwortliche einerseits durch die Normbindung und die Rechenschaftspflicht gegenüber einer anderen Stelle abhängig sei, andererseits aber nur zur Rechenschaft gezogen werden könne, soweit er „eigenschöpferisch . . . entscheiden"271 könne. Gehrig erklärt: „Verantwortlichkeit ist Abhängigkeit und Unabhängigkeit in einem." 272 Diese scheinbare Paradoxie läßt sich folgendermaßen auflösen: der Handelnde ist lediglich dafür verantwortlich, daß er den ihn bindenden Vorgaben entsprechend handelt. Dabei hat er mehr oder weniger abstrakte Vorgaben zutreffend zu konkretisieren. Soweit ein anderer die Konkretisierung verbindlich vornimmt, etwa der Vorgesetzte im Wege einer Richtlinie oder Weisung, so ersetzt diese die übergeordnete abstraktere Vorgabe 273 . Muß beispielsweise ein Sachbearbeiter mit eigener Entscheidungsbefugnis im Bauamt darüber entscheiden, ob ein seit vier Wochen auf einer Wiese abgestellter Wohnwagen eine „bauliche Anlage" im Sinne des Art. 2 Abs. 1 S. 1 BayBO ist, so ist er für die zutreffende Auslegung mit Blick auf die tatsächlichen Umstände verantwortlich. Ist der konkrete Wohnwagen „richtigerweise" nicht als „bauliche Anlage" anzusehen, so hat der Sachbearbeiter einen von ihm grundsätzlich zu verantwortenden Fehler gemacht, wenn er den Wohnwagen als „bauliche Anlage" ansieht. Liegen aber etwa Richtlinien 269 RyffeU Eigenverantwortlichkeit, S. 457 (Hervorhebung von mir). 270 Gehrig, Parlament, S. 25. 271 Ebenda, S. 26. 272 Ebenda. 273 Die KGSt. (Delegation — Kontra und Pro; S. 9) stellt dementsprechend fest: „Man kann den Vorgesetzten — natürlich in Grenzen — mit einem Gesetzgeber vergleichen, der . . . durch allgemeine Regelungen einwirkt.".

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vor, nach denen Wohnwagen außerhalb des Straßenraums grundsätzlich als „bauliche Anlage" anzusehen sind, oder weist der Vorgesetzte den Sachbearbeiter an, jenen Wohnwagen als solche zu behandeln, so handelt der Angewiesene den ihn bindenden Vorgaben gemäß und damit verantwortlich. Die „falsche" Richtlinie oder Weisung „verschiebt" insoweit die Verantwortlichkeit auf den Richtlinien- oder Weisungsgeber 274, der bindend Angewiesene wird von der Verantwortlichkeit frei 275 . Zu beachten ist allerdings, daß eine Weisung — wie andere Vorgaben auch — nicht ohne weiteres bindend für den Handelnden ist, sondern er in gewissem Maße auch deren Vereinbarkeit mit übergeordneten Soll-Werten prüfen muß und insoweit auch verantwortlich ist 2 7 6 . Die Entscheidungsfreiheit, die als Voraussetzung der Verantwortlichkeit gemeint ist, liegt darin, daß eine den Verantwortlichen rechtlich bindende Vorgabe (sei es nun ein Gesetz, eine Verordnung, eine Satzung, eine Richtlinie oder eine Weisung) diesen nicht „automatisch" auch tatsächlich bestimmt. Der rechtlich Gebundene kann abweichend von der Vorgabe handeln, etwa weil er ihr nicht entsprechen will oder weil er sie inhaltlich verkennt (unzutreffend auslegt). Dieses „Verkennen" kann auch Ergebnis einer unzutreffenden Beurteilung der zu gestaltenden Wirklichkeit sein; in diesem Bereich liegen die Fehler vor allem dann, wenn nicht nach Konditionalprogrammen zu handeln ist, sondern allein die zu erreichenden Ziele (Zweckprogramm) vorgegeben sind. Besonders schwierig wird die Orientierung an solchen Vorgaben, wenn die jeweils maximale Verwirklichung mehrerer zu beachtender Ziele sich gegenseitig ausschließt (etwa Umweltschutz und Energieversorgung). 3. Verantwortung als Mittel der Unsicherheitsabsorption in einer funktional-differenzierten Sozialordnung Die Problematik des richtigen Erkennens der Realität verweist auf von Luhmann beschriebene soziale Funktion von Verantwortung als Mittel der Unsicherheitsabsorption 277. Ausgangspunkt ist die Rollenverteilung in einer funktional-

274

Vgl. Giere, Beaufsichtigung, S. 319 unten. 275 Vgl. auch BVerfGE 9, S. 268 ff. (281 f.): „Verantwortung kann nicht tragen, wer in seiner Entscheidung in vollem Umfang an die Willensentscheidung eines anderen gebunden ist"; dazu auch BVerfGE 45, S. 297 ff. 332, 334. 276 Vgl. dazu § 38 Abs. 2 BRRG: Der Beamte ist für die falsche Rechtsanwendung in seiner Entscheidung erst dann nicht mehr verantwortlich, wenn er auf Bedenken gegen die Weisung auf dem Dienstweg hingewiesen hat und die Weisung von einem höheren Vorgesetzten bestätigt worden ist (zu beachten ist aber auch § 38 Abs. 3 BRRG). Selbst dann bleibt seine Verantwortlichkeit für bestimmte schwere Rechtsverletzungen erhalten (vgl. § 38 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BRRG). Zur Prüfungs-, Aussetzungs- und Verwerfungskompetenz in Bezug auf Rechtsnormen siehe 2. Abschnitt CI; zur Frage, inwieweit der Mitarbeiter ihm vorgegebene operational formulierte Unterziele in Frage stellen darf siehe 2. Abschnitt C II; zum Remonstrationsrecht siehe unten 2. Teil, 5. Abschnitt C.

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differenzierten Sozialordnung. Aufgrund des Innehabens einer bestimmten Rolle oder — bezogen auf die staatliche Differenzierung — der Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe erwartet die Umwelt des Rolleninhabers von diesem bestimmte Stellungnahmen, Meinungsäußerungen, letztlich: Entscheidungen. Diese können aber stets nur „in Ungewißheit und ohne ganz vollständige Information" 278 abgegeben werden. In der Entscheidung werden damit unzureichende Informationen zu einer Darstellung verdichtet, die „einem anderen eine Handlungs- und Orientierungsgrundlage bietet, ohne daß er diesen informativen Hintergrund selbst kontrolliert." 279 Der Verantwortliche zieht also aus Informationen Schlüsse und teilt diese einem anderen mit; dieser andere orientiert sich dann nicht mehr an den zugrundeliegenden Informationen, sondern allein an den ihm mitgeteilten Folgerungen 280. Unter Verantwortung kann daher „der ungedeckte Informationswert einer Entscheidung, der Überschuß an Information, die jemand gibt, im Vergleich zu der, die er erhalten hat" 2 8 1 verstanden werden. Verantwortung absorbiert damit Unsicherheit für andere und entlastet das Bewußtsein der anderen von den in der verantworteten Entscheidung verarbeiteten Informationen. In diesem Sinne wird Verantwortung für die zutreffende Informationsverdichtung faktisch überall dort übernommen, wo eine Mitteilung (Entscheidung) ohne (vollständige) Prüfung von anderen ihrem Handeln zugrundegelegt wird. Dies setzt Vertrauen oder eine institutionalisierte Bindung voraus. In einer formalen Organisation wie der öffentlichen Verwaltung entsteht die Bindung dadurch, daß die Entscheidungszuständigkeiten für bestimmte Problembereiche exklusiv auf verschiedene Stellen verteilt werden, also „Schwerpunkte der Informationsverarbeitung" 2 8 2 gebildet werden 283 . Diese Stellen schaffen dann durch ihre Entscheidungen „formal-legitimierte Tatsachen zur weiteren Verwendung im System." 284 4. Verantwortlichkeit als Sanktionsgrundlage zur Absicherung der Verantwortung Die von der Verantwortungsübernahme zu unterscheidende Verantwortlichkeit betrifft, wie bereits dargestellt 285 , die Rechenschaftspflicht über eigenes Handeln und die Sanktionierbarkeit bei Abweichungen von Vorgaben. Diese Haftung 277

Luhmann, Funktionen, S. 172 ff.; dem Gedanken zustimmend Fonk, Regierungspräsidenten, S. 189. 278 Luhmann, Funktionen, S. 173. 279 Ebenda, S. 174. 2 »o Ebenda, S. 175. 281 Ebenda. 282 Ebenda, S. 179. 283 Wilke bezeichnet dies als „kompetenzrechtliche Verantwortung" im Gegensatz zur „sanktionsrechtlichen Verantwortung" (Verwaltungsverantwortung, S. 511 f.). 284 Luhmann, Funktionen, S. 179. 28 5 Siehe oben 1.

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resultiert daraus, daß der Verantwortliche die gegenüber anderen wirksamen (unsicherheitsabsorbierenden) Entscheidungen nicht aus eigener Machtvollkommenheit, sondern kraft übertragener Befugnisse trifft 2 8 6 . Diese berechtigen aber nur zur Entscheidung nach Maßgabe vorgegebener Programme. Verläßt der Verantwortliche diesen Rahmen, so hat er für die daraus entstehenden Folgen einzustehen. Verantwortlichkeit setzt also — theoretisch — hinreichend eindeutige Vorgaben voraus, nach denen das Handeln desjenigen, der Verantwortung übernommen hat, beurteilt werden kann 287 . Der Handelnde muß die Grenzen, die ihm gesetzt sind, erkennen oder zumindest erkennen können. Verantwortlichkeit ist damit auf vermeidbare Fehler beschränkt, also auf solche, die bei Beachtung aller Vorgaben nicht eingetreten wären. Zutreffend stellt Luhmann fest, daß damit nicht die gesamte Unsicherheitsabsorption, die die Verantwortung als soziale Funktion kennzeichnet, erfaßt wird, „weil Unsicherheit nicht nur vermeidbare Fehler betrifft und weil sie nicht allein auf rationalem Wege überwunden werden kann." 288 Sofern der Verantwortliche durch Vorgaben verpflichtet war, bestimmte Ziele zu erreichen (Bindung an Zweckprogramme), kann er grundsätzlich auch für die Folgen seines Handelns verantwortlich gemacht werden 289 . Dies setzt aber voraus, daß seinem Handeln konkrete Folgen auch zugerechnet werden

286 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 43 f.; Scheuner, Verantwortung, S. 380. 287 Vgl. oben 1.; auch Luhmann, Funktionen, S. 180: „Soll Verantwortlichkeit organisatorisch sichergestellt werden ..., so setzt das (unter anderem ein) genau formulierte(s) System von Erwartungen und Beurteilungsstandards . . . voraus.". 288 Luhmann, Funktionen, S. 180; auch Staerkle (Stabsstellen, S. 94) bemerkt, daß die Verantwortlichkeit hinter dem, was man unter Verantwortung verstehen mag, zurückbleibt: „ . . . neben der organisatorischen .Verantwortlichkeit' (ist) eine umfassendere und teilweise ethisch bestimmte »Verantwortung4 oder ein ,Verantwortungsbewußtsein' zu unterscheiden." Staerkle sieht das Problem allerdings weniger in der rational nicht voll auflösbaren Unsicherheitsabsorption, sondern darin, „daß ein Mensch . . . (selten) alle Maßnahmen treffen kann, die er für notwendig und wünschbar hält", insbesondere deshalb nicht, weil er „eingeschränkt (ist)... durch... Richtlinien und andere Anordnungen". Hierin liegt aber, wie bereits dargelegt wurde (vgl. oben 2.), gerade kein Problem, weil der Mitarbeiter, sofern er ihn bindende Anweisungen beachtet, seiner Verantwortlichkeit schon entspricht. 289 Diese „Folgenverantwortlichkeit" ist keineswegs mit jeder Entscheidung verbunden. Insbesondere bei Handeln nach reinen Konditionalprogrammen, wie sie typischerweise Rechtsnormen darstellen, trifft den Entscheidenden keine Verantwortlichkeit für die Folgen. Der Entscheidende hat nur zu kontrollieren, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm vorliegen, nicht ob die sich dann ergebende (Rechts-)Folge irgendwelchen vorgegebenen Zielen entspricht (so — dem theoretischen Ansatz nach zutreffend — Luhmann, Rechtssoziologie, S. 231; ebenso Mayntz, Soziologie, S. 57). Anzumerken ist allerdings, daß die Gerichte in der Praxis regelmäßig, wenn auch meist unausgesprochen, das so gewonnene Ergebnis an kaum näher spezifizierbaren Billigkeitsmaßstäben (letztlich dem Rechtsgefühl), eventuell unter Berufung auf die „billig und gerecht Denkenden" (vgl. etwa BGH NJW 1986, S. 1751 ff. (1754)) überprüfen und die danach getroffene Entscheidung dann mit mehr oder weniger kunstvollen Begründungen aus den Konditionalprogrammen rechtfertigen.

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können 290 , was bei zielorientiertem Verwaltungshandeln auf große praktische Schwierigkeiten stößt 291 . Für die Funktion der Fremdkontrolle als Mittel zur Geltendmachung von Verantwortlichkeit ergibt sich hieraus, daß der Kontrollierte nicht ohne weiteres für jedes nicht vorgabengerechte Verhalten „verantwortlich gemacht", also sanktioniert werden kann. Vielmehr ist weiter zu ermitteln, ob eventuelle Fehler vermeidbar gewesen wären 292 und ob, soweit der Mitarbeiter überhaupt eine Folgen- oder Wirkungsverantwortung trägt, dem Kontrollierten eventuelle Mißerfolge oder Erfolge (auch an positive Sanktionen wie etwa besonderes Lob ist zu denken!) konkret zuzurechnen sind. Das bedeutet, daß die Fremdkontrolle eventuell „Fehler" offenlegt, für die es keinen „Schuldigen" gibt, für die niemand verantwortlich gemacht werden kann 293 . Anzumerken ist allerdings, daß sich diese Forderungen faktisch auf den Bereich formeller Kontroll- und Verantwortungsbeziehungen beschränken müssen. Im informellen Bereich, dessen „soziale Sanktionen" den Betroffenen möglicherweise erheblich härter treffen als die formalen, fehlen naturgemäß entsprechend klare Vorgaben- und Zurechnungsprüfungen. Dies gilt aber auch für die Geltendmachung von politischer Verantwortlichkeit auf höchster Ebene, vor allem durch die Wahl und Abwahl von Abgeordnetenmehrheiten. Zwar läßt sich theoretisch auch hier die Geltendmachung von Verantwortlichkeit mittels Fremdkontrolle erkennen 294: die Wähler kontrollieren — der Idee nach —, ob und inwieweit die programmatischen Zielsetzungen, für deren Verwirklichung die Abgeordneten gewählt wurden, erreicht wurden und machen hiervon ihre neuerliche Wahlentscheidung abhängig 295 . Daß diese Beurteilung vielfach nicht davon abhängt, ob

290 Vgl. auch Hardach, Verantwortung, S. 114, der feststellt, daß das Problem der Verantwortlichkeit letztlich ein Problem der Zurechnung ist. 291 Dazu Mayntz, Kontrolle, S. 105 f., die in der Zurechnung von Erfolgen oder Mißerfolgen „das entscheidende Problem der Erfolgsmessung" von zielorientiertem Verwaltungshandeln sieht und dies an Beispielen anschaulich belegt. 292 Diese Auffassung dürfte auch der Annahme Zimmers zugrunde liegen, wonach für den „Mißerfolg der Realisierung" nur derjenige „in angemessener Weise verantwortlich gemacht werden kann", der über den für die Entscheidung eines Sachproblems „unerläßlichen Sachverstand verfügt" (vgl. Funktion, S. 171). Dies betrifft letztlich die Frage der individuellen Vermeidbarkeit einer Fehlentscheidung: Würde etwa von einem Richter verlangt, er solle höchstpersönlich ein Einfamilienhaus konstruieren, so kann er grundsätzlich nicht für statische Fehler verantwortlich gemacht werden, er kann diese wegen seiner mangelnden Fachkenntnisse nicht vermeiden. 293 Diese Erkenntnis, mit der sich mancher nur schwer abfinden können mag, hat im Grunde längst Eingang in die Rechtsordnung gefunden: So haftet ein Richter für ein Fehlurteil nur, wenn die darin liegende Amtspflichtverletzung in einer Straftat besteht (§ 839 Abs. 2 Satz 1 BGB). Der Richter entscheidet also verbindlich gegenüber anderen und übernimmt damit Verantwortung, wird aber nur für bestimmte, besonders schwere Regelabweichungen bei der Entscheidungsfindung verantwortlich gemacht. 294 Dazu Magiern, Staatsleitung, S. 274 f. 295 Vgl. dazu auch Zimmer, Funktion, S. 93. 6 Strößenreuther

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das Nichterreichen bestimmter Programmziele auf ein Versagen der parlamentarischen Mehrheit oder etwa auf kaum beeinflußbare äußere Umstände zurückzuführen ist 2 9 6 , daß die Ursachen- und damit Zurechnungsanalyse methodischen Anforderungen nicht genügen kann, ja daß die früheren Wahlaussagen weitgehend gar nicht mehr bekannt sind, bedarf keiner näheren Darlegung. Da sich die vorliegende Untersuchung aber mit behördeninternen Kontrollen befaßt, kann auf eine weitere Vertiefung dieser Problematik verzichtet werden. Es genügt hier, im Auge zu behalten, daß in der Praxis insbesondere im politischen Bereich die hier dargestellten Anforderungen an die Verantwortlichkeit nicht gelten 297 und unter den Bedingungen eines allgemeinen und gleichen Wahlrechts auch nicht gelten können. Dies steht der Forderung nach einer Beschränkung der Verantwortlichkeit auf das Einstehenmüssen für vermeidbare Fehler und zurechenbare Mißerfolge innerhalb einer Behörde aber nicht entgegen298.

5. Zunahme der Verantwortlichkeit in hierarchisch höherer Stellung? Im Zusammenhang mit Verantwortung und Verantwortlichkeit soll vorsorglich bereits an dieser Stelle einer weitverbreiteten Fehlvorstellung von der Verantwortlichkeit leitender Mitarbeiter entgegengetreten werden. Vielfach wird angenommen 2 9 9 , ein Vorgesetzter sei für die Fehler seiner Untergebenen verantwortlich. Luhmann führt, jene Vorstellung nährend, aus: Die Verantwortlichkeit sei nicht delegierbar und „wächst . . . mit der Höhe der Stellung. Jeder Vorgesetzte ist für seine Untergebenen verantwortlich, soweit sein Weisungsrecht reicht." 300 .

296 Dazu Hübener I Halber Stadt, Erfolgskontrolle, S. 18; vgl. dazu auch die Überlegungen bei Jänicke, Staatsversagen, S. 41 ff., der etwas polemisch, aber in der Sache durchaus bedenkenswert eine „Sündenbockrolle" der Politik diagnostiziert. Von einer gegenteiligen Tendenz geht Höhn aus: „Es würde von einer breiten Öffentlichkeit heute nicht mehr verstanden, wenn ein Minister zurücktreten müßte, weil in seinem Ministerium von einem Beamten ein noch so entscheidender Fehler gemacht worden ist, ohne daß ihm mangelnde Kontrolle vorgeworfen werden kann" (Verwaltung, S. 363). Daß die „breite Öffentlichkeit" derartige Zurechnungsfragen überhaupt stellt, erscheint aber wohl fraglich (vgl. dazu etwa auch die medienkritischen Überlegungen von Postman , Wir amüsieren uns, insbes. S. 126 f.). 297 Zum Hin- und Herschieben von Verantwortlichkeit auf Regierungs- und Parlamentsebene vgl. auch die anschauliche Darstellung bei Derlien, Erfolgskontrolle, S. 157 ff. 298 Vgl. auch Fonk, Regierungspräsidenten, S. 189: „Organisatorisch kann nur zwischen eindeutig zurechenbaren Leistungen und Fehlleistungen unterschieden werden, um über handbare Maßstäbe zu verfügen.". 299 So stellt die KGSt. (Delgation — Kontra und Pro, S. 10) fest, daß die Ansicht, der Vorgesetzte habe „die Verantwortung für alle in seinem Arbeitsbereich vorkommenden Fehler zu tragen", weit verbreitet ist (die KGSt. selbst wendet sich nachfolgend ausdrücklich gegen diese Auffassung). Vgl. auch Duppré, Sachverstand, S. 20. 300 Luhmann, Funktionen, S. 182; ob Luhmann allerdings tatsächlich ein Einstehenmüssen für fremde Fehlleistungen meint, erscheint zweifelhaft: , Je weiter hinauf man in der Hierarchie gelangt, desto unbestimmter werden die Verhaltensstandards . . . Es

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Zurechnungsgrundlage ist dabei allein die Weisungsbefugnis und das ihrer sachgerechten Ausübung dienende Kontrollrecht. Will man diese Auffassung konsequent durchhalten, so verlangt man vom Vorgesetzten Unmögliches, nämlich daß er seine Fremdkontrolle hinsichtlich sämtlicher Vorgänge mit der gleichen Gründlichkeit und Sorgfalt durchführt, mit der die ihm unterstellten Mitarbeiter ihre Entscheidungen im Wege der Eigenkontrolle treffen sollen. Dies würde, wie bereits ausgeführt 301, die Arbeitsteilung ad absurdum führen, Fremdkontrolle muß „unvermeidbar selektiv" bleiben. Mit der KGSt. ist damit ausdrücklich festzustellen: Der Vorgesetzte „kann bei der Vielzahl von Entscheidungen seiner Mitarbeiter nicht ohne weiteres für alle Fehler verantwortlich gemacht werden." 302 Davon ausgehend, daß Verantwortlichkeit ein juristischer Begriff ist 3 0 3 , läßt sich der Inhalt der Verantwortlichkeit des Vorgesetzten („Führungsverantwortung" 3 0 4 ) auch aus allgemeinen rechtlichen Überlegungen herleiten, wie sie sich im Haftungssystem des BGB niedergeschlagen haben. Das Zivilrecht kennt eine Haftung für fremdes Verschulden (d. h. fremde Pflichtverletzungen, vgl. § 276 BGB) nur innerhalb einer bestehenden schuldrechtlichen Sonderverbindung (§ 278 BGB). Grundlage dieser Verantwortlichkeit für eine fremde Pflichtverletzung ist die Überlegung, daß derjenige, der den Vorteil der Arbeitsteilung in Anspruch nimmt, auch deren Nachteil tragen soll, nämlich das Risiko, daß der an seiner Stelle handelnde Gehilfe schuldhaft rechtlich geschützte Interessen des Gläubigers verletzt 305 . Das Wesen der schuldrechtlichen Sonderverbindung besteht darin, daß der Haftende freiwillig (und regelmäßig im eigenen Interesse) mit demjenigen in Kontakt tritt, dem er aus diesem Kontakt an sich selbst verantwortlich (verpflichtet) ist. Soweit eine solche Verbindung nicht besteht, kennt das Zivilrecht — abgesehen von Tatbeständen der Gefährdungshaftung — nur eine Haftung für eigenes Verschulden (insbesondere in den §§ 823 ff. BGB). Die Verantwortlichkeit des Vorgesetzten knüpft, wie bereits festgestellt 306, an seinem Weisungsrecht an und ist damit mit der Haftung aus § 831 Abs. 1 BGB vergleichbar. Nach dieser Vorschrift haftet der Weisungsberechtigte bei Pflichtverletzungen seines Weisungsunterworfenen dann, wenn er diesen nicht sorgfältig fehlt also in dem Maße, als die Verantwortlichkeit wächst, eine wesentliche Voraussetzung ihrer praktischen Durchführung." (S. 183) Dies spricht dafür, daß auch Luhmann entsprechend dem hier vertretenen Ansatz an die Verletzung eigener Vorgesetztenpflichten und nicht an die Fehler der Untergebenen als solche anknüpfen will. So stellt Luhmann schließlich auch fest: „Der Vorgesetzte, der seinen Untergebenen zur Rechenschaft zieht, aktualisiert damit zugleich seine eigene Verantwortlichkeit." (S. 183). 3d Siehe oben B. 302 KGSt., Delegation — Kontra und Pro, S. 10. 303 So auch Scheuner, Kontrolle, S. 11, der allerdings für den hier mit Verantwortlichkeit umschriebenen Tatbestand den Begriff Verantwortung wählt. 304 So Höhn, Dienstaufsicht, S. 40; ders., Verwaltung, S. 352; KGSt., Delegation S. 6. 305 BGHZ 95, S. 132; Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, Anm. 1 zu § 278 BGB. 306 Siehe soeben (vorangegangene Seite). 6*

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ausgewählt oder überwacht (also fremdkontrolliert) hat 3 0 7 , er haftet also für die Verletzung eigener Pflichten. Die Begrenzung der Verantwortlichkeit von Vorgesetzten auf die Erfüllung ihrer Leitungs- und Führungspflichten ist in der organisationsrechtlichen Literatur inzwischen auch weitgehend anerkannt 308, Vogel sieht hierin zutreffend ein „allgemeines Prinzip organisationsrechtlicher Gerechtigkeit" 309 . Allerdings kann seiner Auffassung, es handele sich hierbei um einen Rechtsgedanken „aus der »besonderen Gedankenwelt des öffentlichen Rechts«", der im Zivilrecht ohne Parallele sei 310 , nicht gefolgt werden. Wie die eben angestellten Überlegungen zeigen, findet sich jenes Prinzip auch im Zivilrecht 311 ; es kann als allgemeiner Rechtsgedanke, nicht nur als ein solcher des öffentlichen Rechts angesehen werden. Die These, die Verantwortlichkeit wachse mit der Höhe der Stellung, ist daher problematisch. Sie mag zutreffen, sofern man damit ausdrücken will, daß die Verletzung von Vorgesetztenpflichten zu umfangreicherem Schaden führen kann als die von Sachbearbeiterpflichten. Der wesentliche Unterschied zwischen der Verantwortlichkeit des Vorgesetzten und derjenigen der nachgeordneten Mitarbeiter liegt aber nicht in ihrem Umfang, sondern in ihrem Inhalt 312 : während der Sachbearbeiter für Recht- und Zweckmäßigkeit seiner Ausführungsentscheidungen einzustehen hat, ist der Vorgesetzte als solcher für die Erfüllung seiner Leitungs- und Führungsaufgaben verantwortlich. Hieraus ist er verpflichtet, ein im einzelnen näher zu bestimmendes313 Maß von Fremdkontrollen durchzuführen sowie aufgrund der Ergebnisse dieser Kontrollen Entscheidungen zu treffen (ζ. B. den Erlaß detaillierterer Richtlinien zur Gesetzesauslegung oder zur Ermes-

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Auch Kölble, Sachverstand, S. 45, stellt fest, daß die Verantwortlichkeit des Vorgesetzten „einer Haftung für die culpa in eligendo et custodiendo vergleichbar" ist. 308 Vgl. Wolff! Bachof Verwaltungsrecht Π, § 73 III c 2 η m. w. Nw.; KGSt., Delegation, S. 6; Lecheler, Personalführung, S. 85 f.; Vogel, Verantwortlichkeit, S. 183 ff.; Fonk, Regierungspräsidenten, S. 190 f.; Höhn, Verwaltung, S. 352 f. 309 Vogel, Verantwortlichkeit, S. 189. 310 Ebenda, S. 183. 3Π Insbesondere liegt der Grund der Haftung für fremdes Verschulden nach § 278 BGB nicht darin, daß es „nur" um die vermögensrechtliche Pflicht geht, ein bestimmtes Schadensrisiko zu tragen oder auszugleichen (so aber Vogel, Verantwortlichkeit, S. 191), sondern darin, daß sich der Haftende zum eigenen Nutzen der Arbeitsteilung bedient (dementsprechend haftet auch der Staat für Amtspflichtverletzungen seiner Bediensteten, wenn diese hoheitlich tätig werden, § 839 BGB iVm Art. 34 GG). Soweit dies nicht der Fall ist, besteht auch die zivilrechtliche Haftung regelmäßig nur für Auswahl- und Überwachungsverschulden (§ 831 BGB), selbst wenn es „nur" um die vermögensrechtliche Schadensersatzpflicht geht (auch Fonk, Regierungspräsidenten, S. 190 f. erkennt, daß die Verantwortlichkeit des Vorgesetzten „dem zivilrechtlichen Auswahl- und Überwachungsverschulden vergleichbar" ist). 312 So auch Hardach, der davon spricht, daß der Unternehmensleitung, die Aufgaben an ihr nachgeordnete Dienststellen überträgt, „Verantwortungen anderer Art" bleiben (Verantwortung, S. 112). 313 Dazu unten 2. Teil 1. Abschnitt Β III.

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sensausübung oder die Herbeiführung der Um- oder Versetzung eines Mitarbeiters). Soweit er diesen Pflichten 314 nachkommt, ist er für dennoch von seinen Mitarbeitern getroffene Fehlentscheidungen nicht verantwortlich 315 . I I . Präventivfunktion der Fremdkontrolle Unmittelbar führt die Verantwortlichkeit, die in Folge einer Fremdkontrolle geltend gemacht werden kann, zur Haftung oder auch zur Belohnung. Mittelbar entfaltet die Fremdkontrolle — wegen der möglichen Geltendmachung von Verantwortlichkeit — eine sog. Präventivfunktion 316 . Diese liegt darin, daß „allein durch das Bewußtsein von der Existenz von Kontrollmaßnahmen . . . Organisationsmitglieder dahin beeinflußt werden (sollen), daß sie ihr Verhalten an den vorgegebenen Zielen und Regeln ausrichten." 317 1. Allgemeine Annahmen und Überlegungen zur Notwendigkeit der Präventivfunktion Die Notwendigkeit der Fremdkontrolle in Hinblick auf die Präventivfunktion beruht auf der Annahme, daß „das Fehlen von Kontrolle (also nur Vertrauen) . . . dem Durchschnittsbeamten gesteigerten Anreiz zur Bequemlichkeit und zur Leistungsminimierung" 318 , eventuell auch zum Mißbrauch von Entscheidungsbefugnissen biete. Präziser: Muß der Handelnde damit rechnen, für fehlerhaftes, nicht den Vorgaben entsprechendes Handeln zur Verantwortung gezogen, d. h. für durch Fremdkontrolle festgestellte Soll-Ist-Abweichungen haftbar gemacht zu werden, so wird ihn das zu pflichtgemäßem Verhalten veranlassen 319. Dabei kann es eventuell genügen, daß die „Verurteilung" durch die öffentliche Meinung erfolgt, das Fehlverhalten also letztlich sozial sanktioniert wird 3 2 0 . 314 Hinsichtlich des Inhalts dieser Pflichten ist Luhmann (Funktionen, S. 183) allerdings zuzustimmen: Sie werden „desto unbestimmter", , je weiter hinauf man in der Hierarchie gelangt". 315 Demgegenüber begründet Dold (Verantwortung, S. 246) seine Auffassung, der Behördenchef habe ohne Rücksicht auf eigenes Verschulden „seinen Kopf hinzuhalten", widersprüchlich: Er meint, der Behördenleiter würde dann „seine Führungsaufgabe emster und gründlicher wahrnehmen." . 316 Zutreffend sieht auch Leffson die potentielle Verantwortlichkeit, verstanden als Haftung, als Grundlage der Präventivfunktion an: „Die Haftung hat nicht nur die Funktion des Schadensausgleichs, sondern auch eine Präventivfunktion. Das Institut der Haftung soll den Urteilenden dazu bewegen, Tatbestände zu vermeiden, aus denen ihm die Gefahr einer Inanspruchnahme droht" (Wirtschaftsprüfung, S. 95). Vgl. auch Fonk, Regierungspräsidenten, S. 188: „Die Zuweisung von Fehlerverantwortlichkeit ist in erster Linie darauf ausgerichtet, »richtiges4 . . . Verhalten zu motivieren". 317 W. Müller, Organisation, Sp. 1083. 318 Püttner, Verwaltungslehre, S. 337. 319 So auch für die Finanzkontrolle v. Arnim, Finanzkontrolle, S. 38 f. 320 So Birk, Steuerung, S. 873 für die „Bemerkungen" des BRH (m. w. Nw.).

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Püttner stellt fest, daß „nach aller Erfahrung nur bei wenigen idealen Amtsträgern auf das Gefühl, letztlich doch einer Kontrolle unterworfen zu sein, verzichtet werden" 321 könne. Ob und inwieweit auf dieses Gefühl verzichtet werden kann, hängt allerdings nicht allein von den potentiell zu Kontrollierenden ab, sondern auch davon, welche Angelegenheiten sie wahrnehmen. Teilweise wird man auch ohne großen Idealismus des Amtswalters damit rechnen können, daß er den Vorgaben entsprechend handelt 322 . Will man im einzelnen feststellen, wo die Präventivfunktion erforderlich ist und wo nicht, so muß man danach fragen, bei welchen Aufgaben konkret damit zu rechnen ist, daß der Handelnde sich nicht selbständig an den Vorgaben orientiert 323 . Da die Präventivwirkung die Motivation des Amtswalters zu zielkonformem Handeln betrifft, ist sie nur bei solchen Angelegenheiten notwendig, bei denen damit zu rechnen ist, daß Motivationsmängel Ursache von Zielabweichungen sind. Der Amtswalter handelt den Vorgaben entsprechend, wenn er im Wege der Eigenkontrolle erkennt, welche Entscheidungsaltemative die zielgerechteste ist, und daraufhin tatsächlich diese Alternative als Entscheidung auswählt. Es lassen sich daher abstrakt zwei Quellen der Zielabweichung unterscheiden: einerseits unzureichende Eigenkontrolle, so daß der Entscheidende die richtige Entscheidungsalternative nicht erkennt, und andererseits fehlende Bereitschaft, dem erkannten Kontrollergebnis entsprechend zu entscheiden. a) Verbesserung der Eigenkontrolle

durch die Präventivwirkung?

Die Eigenkontrolle kann wiederum aus verschiedensten Gründen unzureichend sein. Liegt der Mangel etwa darin begründet, daß die Arbeitsmaterialien keine ausreichende Informationsbeschaffung erlauben, die Arbeitsbelastung objektiv zu hoch ist oder der Handelnde mit den Anforderungen der Stelle überfordert ist, so kann die Präventivwirkung nicht zu besserer Eigenkontrolle führen. Der Fremdkontrollierte kann in solchen Fällen „beim besten Willen" nicht vorgabengerechter handeln. Die Fremdkontrolle kann nur in den Fällen präventiv zu mehr Eigenkontrolle motivieren, in denen der Handelnde zwar an sich dazu in der Lage ist, aber ihm subjektiv die Bereitschaft fehlt. Das kann bei folgenden Fallgruppen angenommen werden: 321 Püttner, Verwaltungslehre, S. 337. 322 So hat auch die die Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 106 die Präventivwirkung nicht ausdrücklich in den Katalog der Ziele der Kontrolle aufgenommen (Zif. D Π). 323 Vgl. zum folgenden bereits Grull, der selbständig zielgerechtes Verhalten durch das „egoistische Interesse" gefährdet sieht, das „entweder durch Aneignen anvertrauter oder zugänglicher Güter, oder durch Nachlassen der Anspannung" befriedigt wird (Kontrolle, S. 113). Er folgert daraus zutreffend: „Soweit das egoistische Interesse als Gefahrquelle in Betracht kommt, ist die Wahrscheinlichkeit von Fehlern dort gering, wo die Aussicht auf Befriedigung des egoistischen Interesses gering ist" (Kontrolle, S. 115).

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aa) Mangelnde Motivation zur Eigenkontrolle ist einmal dort zu vermuten, wo die zur vorgabengerechten Entscheidung erforderliche Eigenkontrolle arbeitsintensiv ist. Sind die Soll-Vorgaben bereits so konkret, daß einfach feststellbare Tatsachen ohne Auslegungsprobleme subsumiert werden können, so ist kaum zu erwarten, daß der Amtswalter die Eigenkontrolle nicht vornimmt 324 . Erfordert die Entscheidung dagegen intensive Sachverhaltsuntersuchungen (Ist-Aufnahme) oder schwierige Zielkonkretisierungen (Soll-Ermittlung), so wird man auf die motivierende Präventivwirkung gelegentlicher Fremdkontrollen nicht verzichten. bb) Für die Bereitschaft, laufende Programme (Maßnahmebündel) auf ihre Zielgerechtigkeit zu überprüfen (Erfolgskontrolle, Evaluierung 325 ), hat Derlien festgestellt 326, daß die Programmverantwortlichen vor allem dann einen die notwendige Eigenkontrolle behindernden, JProgrammkonservativismus" entwickeln, wenn Programme seit langem laufen und bisher nicht kritisiert wurden. Wird schließlich doch eine Erfolgskontrolle vorgeschlagen, so entsteht oft die Befürchtung, daß negative Evaluationsergebnisse als persönliches Versagen ausgelegt und entsprechend sanktioniert werden 327 . Auch in solchen Fällen kann eine unabhängige Fremdkontrolle erforderlich sein 328 , obwohl eine vom Sanktions- und Unfehlbarkeitsdenken losgelöste, unbefangene Eigenkontrolle durch die Programmverantwortlichen selbst an sich wirtschaftlich günstiger wäre. cc) Schließlich wird eine Fremdkontrolle sinnvoll sein, soweit es um die Beachtung von Gesichtspunkten geht, die bisher generell bei der Verwaltungsarbeit zu wenig beachtet wurden (ζ. B. beim Datenschutz oder der Gleichberechtigung von Mann und Frau). Hier kann es sinnvoll sein, eine Blockade der geforderten Eigenkontrolle durch traditionelle, festgefahrene Denkstrukturen zu lösen, indem man spezifische Fremdkontrollen institutionalisiert 329 . b) Förderung der Bereitschaft, eine als zielgerecht erkannte Entscheidungsalternative als Entscheidung zu wählen Von den Fällen der Zielabweichung wegen unzureichender Eigenkontrolle sind die Fälle zu unterscheiden, in denen der Handelnde bewußt eine andere als die zielentsprechende Entscheidung wählt: Der Handelnde ist nicht bereit, die als zielgerecht erkannte Alternative auszuwählen. Gründe hierfür werden regel324 Dagegen stellt Höhn undifferenziert fest: „Im übrigen ist es eine bekannte Tatsache, daß die Selbstkontrolle des Mitarbeiters meist erlahmt, wenn die Kontrolle des Vorgesetzten nicht mehr ordnungsgemäß vorgenommen oder eingestellt wird" (Dienstaufsicht, S. 49 f.). 325 Zur Erfolgskontrolle anhand von Zweckprogrammen siehe oben 2. Abschnitt Β III. 326 Derlien, Erfolgskontrolle, S. 95 ff. 327 Derlien, Erfolgskontrolle, S. 96. 328 Vgl. dazu Zavelberg, Rechnungsprüfung, S. 109 f. 329 So etwa durch Einrichtung von Datenschutz- und Gleichstellungsbeauftragten, dazu näher unten 2. Teil, 3. Abschnitt, Β und C.

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mäßig Eigeninteressen am Entscheidungsinhalt sein, d. h. dem Handelnden kann die Entscheidung individuell nutzen oder schaden. Derartige Interessenkonflikte sollten möglichst vermieden oder zumindest gemildert werden. Die Rechtsordnung kennt hierfür so unterschiedliche Instrumente wie die Strafbarkeit der Bestechung (§ 334 StGB), der angemessenen Entschädigung des Beamten (die auch den Zweck hat, ihn von privaten Geldgebern unabhängig zu machen 330 ) oder den Ausschluß bestimmter Personen vom Verwaltungsverfahren (vgl. §§20, 21 VwVfG). Bestimmte Entscheidungsbefugnisse, vor allem solche zur Auszahlung von Geldern, bergen aber stets eine hohe Gefahr des Mißbrauchs in sich 331 . In derartigen Fällen wird die Präventivwirkung und damit eine Fremdkontrolle auch dann erforderlich sein, wenn dem Kontrollierten die Eigenkontrolle ohne großen Arbeitsaufwand möglich ist. 2. Konkrete Erfahrungswerte über die Präventivwirkung? Wenn die Präventiv Wirkung der Kontrolle auch oft genannt wird 3 3 2 und sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung auch begründen läßt, daß sie grundsätzlich existiert, so fehlt es doch an konkreten empirischen Aussagen darüber, unter welchen Bedingungen sich jene Wirkung in welchem Maße entfaltet. Die obigen Ausführungen hierzu bleiben vorläufig Hypothesen333. Es sei aber auf die bei Frese wiedergegebenen amerikanischen Studien hingewiesen 334 : Diese machen zumindest deutlich, daß über die vorliegend bereits angestellten Überlegungen hinaus eine ganze Reihe weiterer Faktoren eine Rolle dafür spielen können, in welcher Weise die bloße Erwartung von Fremdkontrollen das Verhalten der potentiell Kontrollierten beeinflußt. So wurde beispielsweise bei Laboratoriums-Experimenten mit Studenten und Angestellten größerer Unternehmen, die in ihren Betrieben im Rechnungswesen tätig waren und praktische Erfahrungen mit Kontrollmaßnahmen hatten, festgestellt, daß beide Gruppen auf bestimmte Kontrollmaßnahmen stark unterschiedlich reagierten: Hierarchische Kontrollen etwa hatten nur geringe nachweisbare Auswirkungen auf das Verhalten der Studenten, während bei den Angestellten einerseits die Zahl der im

330 Vgl. dazu etwa BVerfGE 44, S. 249 ff. 265 m. w. Nw. 331 Mit diesen Überlegungen hält auch Nordsieck, der ausdrücklich nur bei Vorliegen besonderer Gründe eine Fremdkontrolle neben der Eigenkontrolle als gerechtfertigt ansieht, Kassenkontrollen für erforderlich: „Gerade im letzten Fall kann bei mangelnder Kontrolle geradezu von Verführung zur Untreue gesprochen werden" (Betriebsorganisation, Sp. 83). 332 Frese, Kontrolle, S. 75 m. w. Nw.; Püttner, Verwaltungslehre, S. 337. 333 Generell gibt es über die Wirkungen von Anreizen auf Arbeitszufriedenheit und -leistung weitgehend nur Plausibilitätsannahmen ohne empirische Absicherung (vgl. Reichard, Leistungsanreizsystem, S. 219). 334 Frese, Kontrolle, S. 76 ff.; Hinweise auf zahlreiche weitere Untersuchungen aus dem anglo-amerikanischen Raum in Fn. 109 auf S. 76.

C. Spezifische Funktionen der Fremdkontrolle

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Ergebnis richtig gelösten Aufgaben, andererseits aber auch die Manipulation der von ihnen gleichzeitig zu fertigenden Aufzeichnungen über das Verfahren zunahm 335 . Die das Experiment Durchführenden sahen sich allerdings nicht in der Lage zu beurteilen, ob das teilweise unterschiedliche Verhalten der beiden Gruppen auf Unterschiede im Intelligenzgrad, in persönlichen Charaktereigenschaften, der Ausbildung, der Erfahrung oder auf andere Größen zurückzuführen sei 336 . Insgesamt scheint es aber trotz der teilweise aufwendigen Studien nicht möglich zu sein, „detailliertere Aussagen über die Art der Beeinflussung" zu machen 337 . Als gesichert kann nur gelten, daß Fremdkontrolle das Verhalten grundsätzlich in Richtung der Beachtung der hierbei zugrundegelegten Kriterien beeinflußt.

I I I . Entlastungsfunktion Des öfteren wird der (Fremd-)Kontrolle auch eine Entlastungsfunktion zugesprochen. So stellt Püttner fest, daß „ein gewisses Maß an Routinekontrolle . . . sogar als Absicherung gegen etwaige Vorwürfe willkommen sein" kann 338 . Laux meint in diesem Zusammenhang: „Theoretisch gehört zur Übernahme von Haftungsbereitschaft die Entlastung von Verantwortung im Fall der Erfüllung von Pflichten genauso untrennbar, wie die Möglichkeit von Sanktionen bei Nichterfüllung." 3 3 9 Da Verantwortlichkeit (verstanden als Einstehenmüssen für nicht pflichtgemäßes Verhalten) über Fremdkontrolle geltend gemacht wird 3 4 0 , setzt die von Laux angesprochene Entlastung ebenfalls Kontrolle voraus. Die genannten Zitate geben zwei Aspekte von Entlastung durch Fremdkontrolle wieder. Die von Püttner angesprochene »Absicherung gegen etwaige Vorwürfe" durch Routinekontrollen dürfte sich in Argumentationen wie der folgenden äußern: die übergeordneten Instanzen hätten die Entscheidungspraxis gekannt und bislang nicht kritisiert, also offenbar gebilligt. Sollte sich nun herausstellen, daß das eigene kontrollierte Verhalten dennoch falsch gewesen sei, so sei dies zumindest nicht vorwerfbar, weil man aufgrund der bisherigen folgenlosen Kontrollen davon ausgehen hätte dürfen, daß das Verhalten richtig gewesen sei. Derartige Rechtfertigungen sind aber nur eingeschränkt zu akzeptieren. Gerade die angesprochenen Routinekontrollen sind keine Total-, sondern nur Stichprobenkontrollen. Sie erfassen damit nicht die gesamte Arbeit, der Kontrollierte kann daher aus ihnen jedenfalls nicht ableiten, sämtliche seiner Einzeltätigkeiten

335 Frese, Kontrolle, S. 82. 336 Ebenda. 337 Ebenda, S. 83. 338 Püttner, Verwaltungslehre, S. 337. 339 Laux, Führung, S. 24. 340 V g l . o b e n

C I 1 .

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seien „abgesichert". Zunächst sind vielmehr nur die als Stichprobe gezogenen Vorgänge erfaßt. Eine umfassendere Absicherung kann sich aus der Stichprobenkontrolle allerdings dann ergeben, wenn die kontrollierten Vorgänge in konkreten Punkten zumindest eindeutig erkennbar, am besten ausdrücklich bestätigt wurden und der Kontrollierte hieraus für sein künftiges Verhalten verallgemeinernde Schlüsse ziehen kann. Stellt etwa ein Vorgesetzter aufgrund der Kontrolle ausdrücklich fest, daß die Praxis des Sachbearbeiters, Schreiben in einer bestimmten Form abzufassen, sachangemessen ist, so wird sich der Kontrollierte hierauf ähnlich wie auf eine Richtlinie oder Weisung berufen können. Das bestätigende Kontrollergebnis hat insofern ebenfalls eine „verantwortungsverschiebende" 341 und damit entlastende Funktion. Dementsprechend sind aber auch die Einschränkungen der Bindung des Mitarbeiters an Weisungen zu beachten: der Handelnde muß zumindest in gewissem Umfang auch seine unmittelbaren Vorgaben daraufhin kontrollieren, ob sie mit übergeordneten Soll-Werten vereinbar sind 342 . Insoweit ist er also auch für die Richtigkeit der erhaltenen Weisungen verantwortlich, er darf ihnen nicht „blind" folgen 343 . Für die „Absicherung" anhand von positiven Kontrollergebnissen muß das erst recht gelten: Der Kontrollierte darf sich nicht uneingeschränkt auf sie verlassen, zumal die nur bestätigenden Feststellungen als solche nicht die gleiche Bindungswirkung entfalten wie ausdrückliche Anweisungen. Neben dieser problematischen Absicherung ist noch ein anderer Aspekt von Entlastung zu beachten, den Laux meint, wenn er die „Entlastung von Verantwortung" als notwendige Kehrseite der Haftung herausstellt: Wird durch die Fremdkontrolle festgestellt, daß der Mitarbeiter den Vorgaben voll oder weitgehend entsprochen hat, so sollte dies auch positiv sanktioniert werden, „etwa im Sinne einer Anerkennung von Fall zu Fall" 3 4 4 . Der Vorgesetzte sollte sich nicht die Gelegenheit entgehen lassen, den Mitarbeiter durch berechtigtes Lob zu motivieren 345 .

341 V g l . o b e n C I 2 .

342 Vgl. oben 2. Abschnitt C I (zum Prüfungs-, Aussetzungs- und Verwerfungsrecht hinsichtlich von Rechtsnormen) und 2. Abschnitt C II (zum Recht des Mitarbeiters, Unterziele in Frage zu stellen). 343 Dazu näher unten 2. Teil, 5. Abschnitt, C. 344 Lawt, Führung, S. 24. 345 Zutreffend geht auch Thieme davon aus, daß positive Sanktionen effektiver als negative sind: „Ein System, das vorwiegend mit negativen Sanktionen arbeitet, kann sich niemals im personellen Bereich . . . ohne allzuviele negative Nebeneffekte durchsetzen." (Verwaltungslehre, Rn. 501 — Hervorhebung im Original); vgl. dazu auch R. Thieme, Vprhaltensbeeinflussung, S. 83 ff.

D. Dysfunktionale Wirkungen der Fremdkontrolle

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IV. Führungsfunktion Die Frage nach den Konsequenzen, die der Vorgesetzte aus Kontrollergebnissen zieht, weist auf die Bedeutung der Fremdkontrolle für Führungsentscheidungen hin. Geht man von einer weitgehenden Delegation der Sachbearbeitung aus 346 , so liegen die Führungsaufgaben des Vorgesetzten weniger darin, die Richtigkeit jeder Einzelentscheidung der nachgeordneten Mitarbeiter sicherzustellen, sondern mehr darin, die Mitarbeiter richtig einzusetzen, sie zu motivieren und in wiederkehrenden schwierigen Fragen zu entlasten, indem für deren Bearbeitung allgemeine Richtlinien aufgestellt werden. Letzteres erscheint insbesondere dort notwendig, wo mit Blick auf das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) eine einheitliche Ermessensausübung sichergestellt werden muß. Im einzelnen ist auf die Führungsfunktionen im Rahmen der Vorgesetztenkontrolle noch näher einzugehen 347 . Bereits hier ist aber festzuhalten, daß die Fremdkontrolle aus dem Blickwinkel der Führungsaufgaben ihr Hauptaugenmerk nicht so sehr auf die Richtigkeit der Einzelentscheidung des Mitarbeiters richten sollte, sondern sich für „typische" Fehlerquellen interessieren muß, die durch Führungsentscheidungen beseitigt werden können. Die Fremdkontrolle ist somit zugleich Informationsquelle für die Eigenkontrolle des Vorgesetzten, sie ist Grundlage der Wahl der richtigen Führungsentscheidung. Wird etwa die übermäßige Arbeitsbelastung eines Mitarbeiters festgestellt 348, so kann eine Änderung der Aufgaben Verteilung vorgenommen oder veranlaßt werden. Stellt sich heraus, daß vergleichbare Sachverhalte von verschiedenen Sachbearbeitern unterschiedlich behandelt werden, so kann durch den Erlaß einer Richtlinie eine Vereinheitlichung erreicht werden 349 (am besten nach Anhörung der betroffenen Mitarbeiter, deren Sachverstand hierbei nicht ungenutzt bleiben sollte). D . Dysfunktionale Wirkungen der Fremdkontrolle Kontrollmaßnahmen sind nicht allein anhand der Funktionen, die sie erfüllen, zu beurteilen. Auch mögliche unerwünschte Nebenwirkungen, die den Wert der Kontrollen mindern (sog. dysfunktionale Wirkungen), müssen beachtet werden.

346 Zur Delegation von Entscheidungsbefugnissen siehe unten 2. Teil, 1. Abschnitt, Α Π 3. 347 Siehe unten 2. Teil, 1. Abschnitt, Β Π. 348 Vgl, dazu Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 106, wonach die Kontrolle insbesondere auch „der Feststellung von Überlastungen und Unterforderungen des Mitarbeiters dienen" soll (Zif. D II). 349 Für die Koordination durch Richtlinien auch Höhn, Führungsprinzipien, S. 56.

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I. Belastung des Arbeitsklimas und Erzeugung von Abwehrhaltungen Fremdkontrolle wird häufig als Ausdruck von Mißtrauen empfunden 350 und kann damit die vertrauensvolle Zusammenarbeit behindern. Letztere ist aber erforderlich in Hinblick auf einen ungehinderten Informationsfluß und auf ein menschlich verträgliches Arbeitsklima, das sich auch positiv auf die Arbeitsmotivation 351 auswirken kann 352 . Zutreffend führt Thieme aus, daß Kontrolleur und Kontrollierter vor allem bei der behördeninternen 353 Kontrolle oft auch „laufend gemeinsam . . . Arbeitsergebnisse produzieren" 354 müssen und dafür „ein Mindestmaß menschlicher Gemeinsamkeit" 355 notwendig ist. Es wäre lebensfremd zu behaupten, Fremdkontrollen würden unabhängig von jeglichem Mißtrauen gegenüber dem Kontrollierten durchgeführt 356. Teilweise wird die „Intensität der Kontrolle" sogar ausdrücklich davon abhängig gemacht, „welches Vertrauen der Organisator des Entscheidungsprozesses gegenüber dem Entscheider haben kann." 357 Dies mag zwar isoliert betrachtet einleuchten, ist aber mit Blick auf die Abwehrhaltungen gegenüber von Fremdkontrollen, die ein solches KontrollVerständnis fördert, insgesamt bedenklich 358 . Tatsächlich dienen Fremdkontrollen, wie der obige Überblick über ihre Funktionen gezeigt hat, nicht allein der Geltendmachung von Verantwortlichkeit und der Prävention, sondern auch der Entlastung des Mitarbeiters und der Information der Führung über Probleme auf der nachgeordneten Ebene, die nicht stets ihre Ursache in

350 Vgl. Derlien, Verwaltungssoziologie, S. 829; Püttner, Verwaltungslehre, S. 337. 351 Zum Begriff der Motivation vgl. Lawt, Führung, S. 25; mit etwas anderem Akzent Kübler, Organisation Bd. 2, Rn. 688. 352 Vgl. auch Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 99, 1. Teil A; ein anschauliches Beispiel für die Negativwirkungen gängelnder Kontrolle findet sich bei Hegner, „magische Viereck", S. 71 f. 353 Thieme spricht von der verwaltungsinternen Kontrolle, nennt aber in diesem Zusammenhang ausdrücklich den direkten Vorgesetzten als Kontrolleur (Verwaltungslehre, Rn. 500), was in der vorliegend verwendeten Terminologie ein Fall der behördenintemen Kontrolle ist. 354 Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 500. 355 Ebenda. 356 So aber Höhn, Dienstaufsicht, S. 67, 74 ff.; auch KGSt., Delegation, S. 9: „Die Fachaufsicht ist keine Frage des Vertrauens oder Mißtrauens zwischen dem Vorgesetzten und dem Sachbearbeiter. Sie ist vielmehr eine Leitungsfunktion, zu deren Wahrnehmung der Vorgesetzte verpflichtet ist, gleichgültig, ob er dem betreffenden Sachbearbeiter besonderes Vertrauen entgegenbringt oder nicht." Die von Höhn vorgeschlagene „verschärfte Dienstaufsicht" (Dienstaufsicht, S. IIA ff.) ist mit dieser These allerdings unvereinbar: Es nicht mehr nachvollziehbar, daß vermehrte Stichprobenkontrollen zu dem Zweck, sich „davon zu vergewissern, ob sich der Mitarbeiter in seinem Verhalten auch wirklich ändere und sein fehlerhaftes Verhalten nicht wiederhole" (ebenda, S. 281), nicht Ausdruck eines Mißtrauens sein sollen. 357 Thieme, Entscheidungen, S. 119 f.; ders., Verwaltungslehre, Rn. 500. 358 So auch die Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 106: „Kontrolle darf nicht organisiertes Mißtrauen sein.".

D. Dysfunktionale Wirkungen der Fremdkontrolle

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mangelhafter Arbeitsleistung der Mitarbeiter haben müssen. Wenn dies bei der Durchführung von Fremdkontrollen ausdrücklich herausgestellt wird 3 5 9 , diese also weniger als Instrumente der Gängelung, sondern als Mittel zur Verbesserung der Verwaltungsleistung erscheinen (und auch tatsächlich gehandhabt werden!), so werden die Widerstände der Kontrollierten geringer sein. Dies wird allerdings nur bei Routinekontrollen überzeugen, bei Kontrollen aus besonderem Anlaß ist dagegen die zugrundeliegende Vermutung von konkreten Mängeln erkennbare und kaum zu bestreitende Ursache der Kontrollaktivitäten 360 . In bestimmten Fällen wird es allerdings geboten sein, einzelne Mitarbeiter intensiver als andere zu kontrollieren, etwa während ihrer Einarbeitungszeit 361 oder in rechtlich oder technisch besonders schwierigen Aufgabenbereichen 362. Hier wird das Maß der Kontrolle erkennbar nicht nur vom Informationsbedürfnis der Führung bestimmt, sondern auch davon, daß in die eigenständige Aufgabenerfüllung des konkret Kontrollierten weniger Vertrauen besteht. Um zu verhindern, daß hieraus Belastungen für das Arbeitsklima entstehen, sollte diese vermehrte Kontrolle ausdrücklich an jene abstrakten Kriterien geknüpft und bei deren Vorliegen unabhängig von der konkreten Person des Amtswalters durchgeführt werden (etwa generell in den ersten drei Monaten der Einarbeitung in einen neuen Aufgabenbereich). Auch wenn derartige Schematisierungen gerade von der Praxis teilweise als zu starr abgelehnt werden mögen, so ist doch zu bedenken, daß sie in der Situation der Fremdkontrolle das Arbeitsklima entlasten können, in dem sie vermeiden helfen, daß die Kontrollmaßnahmen als Ausdruck persönlichen Mißtrauens angesehen werden. Die Abwehrhaltung, die aus der Befürchtung von negativen Sanktionen resultiert, kann insbesondere auch dazu führen, daß die Fremdkontrollierten Informationen über den Ist-Zustand verfälschen, Sachverhalte schönen und verzerrte Berichte liefern 363 . Dies steht wiederum insbesondere der Funktion entgegen, Informationen für Führungsentscheidungen zu liefern. Insofern besteht also ein Spannungsverhältnis zwischen der Funktion der Geltendmachung von Verantwortlichkeit und derjenigen als Informationsquelle für die Führung. Es empfiehlt 359 Vgl. Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 107: „Die Durchführung der Kontrolle sollte . . . auch Gegenstand von Mitarbeiterbesprechungen sein." Diese Besprechungen geben gute Gelegenheit, die Funktionen der Kontrolle als Instrument zur Verbesserung der Verwaltungsarbeit darzulegen und dabei Widerstände gegen Kontrollmaßnahmen abzubauen. Vgl. auch Kübler, Organisation Bd. 2, Rn. 836; eine Zusammenstellung mißtrauensunabhängiger Gründe für Fremdkontrolle findet sich bei Gößl, Psychologie, Rn. 206. 360 Vgl. auch Püttner, Verwaltungslehre, S. 337: „Im allgemeinen wird auch eine Routinekontrolle leichter akzeptiert als eine Kontrolle aus besonderem Anlaß". 361 Gößl Psychologie, Rn. 209. 362 Die Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 107 nennt diese Tatbestände als mögliche Gründe für vermehrte Kontrollen. 363 Derlien, Verwaltungssoziologie, S. 829; Kübler, Organisation Bd. 2, Rn. 834 m. w. Nw.

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sich daher nicht nur in Hinblick auf das Arbeitsklima, sondern auch zur Verbesserung der aus der Kontrolle erlangten Informationen „jedenfalls kleinere . . . Mängel durchgehen" 364 zu lassen. Wenn der Mitarbeiter damit rechnen kann, nicht wegen jeder Kleinigkeit kritisiert zu werden, wird er seine Berichte unbefangener abgeben und damit dem Kontrolleur ein realistischeres Bild der Wirklichkeit offenbaren.

I I . Zielverschiebung durch inadäquate Kontrollmaßstäbe Eine weitere dysfunktionale Wirkung der Fremdkontrolle kann in der „Zielverschiebung" 365 liegen, die entsteht, wenn der Kontrolle Maßstäbe zugrundegelegt werden, die die tatsächlich zu realisierenden Soll-Vorgaben nicht angemessen wiedergeben. Diese Gefahr besteht besonders dort, wo die Verwirklichung nicht operational formulierter Ziele 3 6 6 kontrolliert wird. Hier müssen notwendig Indikatoren herangezogen werden, deren Aussagekraft über die Zielverwirklichung leicht falsch eingeschätzt werden kann 367 . Da an die Kontrollergebnisse oft Sanktionen geknüpft werden, richtet sich der Kontrollierte eher nach den Maßstäben der Fremdkontrolle 368 als nach denjenigen, die ihm tatsächlich für seine Entscheidung vorgegeben sind. Die Problematik sei an folgendem Beispiel verdeutlicht: Einem Sachbearbeiter sei das Ziel vorgegeben, möglichst vielen Arbeitssuchenden möglichst erfolgreich Stellen zu vermitteln. Orientiert sich nun die Kontrolle allein daran, wieviele Arbeitsverträge abgeschlossen wurden, so wird der Kontrollierte möglicherweise die Beratung und Befragung des einzelnen Arbeitssuchenden kurz halten und ihn dann auf die „erstbeste" freie Stelle, die ihm gemeldet ist, vermitteln. Der gewählte Indikator macht keine Aussage darüber, ob die Beschäftigung dauerhaft war oder ob der Arbeitsvertrag bereits nach kurzer Zeit wieder gekündigt wurde, etwa weil die Tätigkeit den Neigungen des Bewerbers nicht entsprach oder ihn

364 Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 500, wenn auch nur mit Blick auf das Arbeitsklima; ders., Entscheidungen, S. 120: Wegen der „menschlichen Dauerbeziehung" werden „Kontrolleur und Kontrollierter gewisse Kompromisse schließen.... Auch der Kontrolleur muß von seinen Idealvorstellungen Abstriche machen, wenn er nicht zu harte Gegenreaktionen des Kontrollierten provozieren will.". 365 Derlien, Verwaltungssoziologie, S. 829; auch Luhmann, Zweckbegriff, S. 335 f., der von der Gefahr der „Verzerrung des Programms durch die Kontrolle" spricht (m. w. Nw.). 366 Zum Begriff des operational formulierten Zieles, siehe oben 2. Abschnitt Β ΙΠ 1. 367 Zur Problematik des Auswählens aussagekräftiger Indikatoren, siehe oben 2. Abschnitt Β III 1. 368 Auch das bei Frese wiedergegebene Laboratoriums-Experiment bestätigt, daß „eine durchgeführte Revision das Verhalten der Kontrollierten in Richtung auf eine Beachtung der bei der Revision zugrundegelegten Kriterien beeinflußt." (Kontrolle, S. 82).

E. Zusammenfassung

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überforderte (was bei ausführlicherer Beschäftigung mit dem Einzelfall eventuell schon vorher bemerkt worden wäre). Der inadäquate Indikator „verschiebt" also das Ziel „Vermittlung von Dauerbeschäftigung" (als Unteraspekt der erfolgreichen Vermittlung) in Richtung auf „Vermittlung möglichst vieler Arbeitsvertragsabschlüsse". Derselbe Effekt kann sich ergeben, wenn von vorneherein nicht sachgemäße Unterziele formuliert werden 369 . Selbst wenn man den Kontrollierten das Recht einräumt, die Kontrollmaßstäbe als nicht sachgerecht zu kritisieren 370 , werden die meisten davon doch keinen Gebrauch machen und stattdessen den „Weg des geringsten Widerstandes" beschreiten. Es führt daher kein Weg daran vorbei, bei der Auswahl der Kontrollmaßstäbe sorgfältig darauf zu achten, daß sie auch tatsächlich den maßgeblichen Vorgaben entsprechen. Andernfalls besteht die Gefahr, daß die Kontrolle das Handeln von den zu verwirklichenden Soll-Werten wegführt statt es ihnen anzunähern. Soweit derartige Maßstäbe nicht gefunden werden, sollte man eher auf eine Fremdkontrolle verzichten als unter Anwendung unangemessener Kriterien mehr Schaden als Nutzen zu stiften. Besonders problematisch ist die Fremdkontrolle in Bereichen, in denen nur sehr abstrakte Zielvorgaben bestehen, der Mitarbeiter aber dennoch damit rechnen muß, später nach vorher nicht bekanntgegebenen Kriterien kontrolliert zu werden. Einerseits wird vom Mitarbeiter erwartet, daß er, gestützt auf sein Fachwissen und seine Erfahrungen, Ideen für Maßnahmen zur Zielverwirklichung entwickelt. Andererseits wird er doch versuchen, die Kriterien zu erfüllen, nach denen er potentiell kontrolliert wird. Zu diesem Zweck wird er „eine intensive und ständige Suche nach offiziellen und vertraulichen Informationen, aus denen sich auf die vermutlichen Erwartungen relevanter Personen und Gruppen (auch außerhalb der Behörde) schließen läßt" 3 7 1 , anstellen. Diese Nachforschungen werden aber trotz möglicherweise hohem Zeit- und Energieaufwand „doch in der Regel die subjektive Unsicherheit (nicht) beseitigen... können, was sich am Ende lähmend auf die Initiative auswirkt." 372 E. Zusammenfassung Zusammenfassend sind also bei der Untersuchung und Beurteilung behördeninterner Kontrollen folgende Gesichtspunkte zu beachten: 1. Es sind Eigen- und Fremdkontrolle zu unterscheiden: Die Eigenkontrolle führt der Handelnde selbst hinsichtlich seines eigenen Entscheidens und Verhal369

Zu den damit verbundenen Problemen siehe oben 2. Abschnitt Β III 3 a. Zum Recht und der Pflicht des Kontrollierten, sich nicht ohne weiteres auf Kontrollergebnisse zu verlassen, siehe oben C III. 37 1 Mayntz, Kontrolle, S. 104. 37 2 Ebenda, S. 105. 370

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tens durch. Sie kann dabei Entscheidungsalternativen (aus denen die Entscheidung erst ausgewählt wird), aber auch früher getroffene Entscheidungen zum Gegenstand haben. Demgegenüber wird bei der Fremdkontrolle das Entscheiden und Verhalten eines anderen überprüft. 2. Soll der Zweck der Arbeitsteilung nicht ad absurdum geführt werden, so muß der Umfang der Fremdkontrolle insgesamt hinter dem der Eigenkontrolle zurückbleiben (Fremdkontrolle ist „notwendig selektiv"). Fremdkontrolle wird daher regelmäßig Stichprobenkontrolle sein. 3. Die Fremdkontrolle erfüllt besondere Funktionen, die über die der Eigenkontrolle hinausgehen: Fremdkontrolle ist die Voraussetzung dafür, daß der Inhaber von Handlungsbefugnissen für die Verletzung der damit verbundenen Pflichten haftbar gemacht werden kann (Geltendmachung von Verantwortlichkeit). Im Zusammenhang damit kann die zu erwartende Fremdkontrolle die Bereitschaft des Kontrollierten steigern, sich an den der Kontrolle zugrundegelegten Maßstäben zu orientieren (Präventivfunktion). Daher ist darauf zu achten, daß diese Maßstäbe den Vorgaben entsprechen, die der Kontrollierte bei seinem Handeln und Entscheiden verwirklichen soll; andernfalls besteht durch die Kontrolle die Gefahr einer „Ziel Verschiebung". Weiter ist zu bedenken, daß die Nichterreichung von Vorgaben nicht notwendig vom Mitarbeiter verschuldet sein muß, sondern auch auf von ihm nicht beeinflußbaren Umständen beruhen kann. In diesen Fällen geht die „motivierende" Kraft von zu erwartenden Fremdkontrollen ins Leere. Die Fremdkontrolle kann den Kontrollierten aber auch entlasten, indem sie ihm bestätigt, den Vorgaben entsprechend gehandelt zu haben. Allerdings befreit ihn eine derartige Bestätigung nur eingeschränkt: Zum einen wird wegen der Selektivität der Fremdkontrolle nur ein Teil seines Handelns kontrolliert, zum anderen befreit ein fälschlicherweise bestätigendes Kontrollergebnis — ähnlich wie eine Weisung — nicht ohne weiteres von der eigenen Verantwortlichkeit. Schließlich ist die Fremdkontrolle wiederum Informationsquelle für die Bewältigung der Führungs- und Leitungsaufgaben; die zu deren Erfüllung zu treffenden Entscheidungen stützen sich auf die Ergebnisse jener Kontrolle. 4. Von der Fremdkontrolle können auch Wirkungen ausgehen, die ihrem Zweck, der Realisierung von Soll-Werten zu dienen, entgegenstehen (dysfunktionale Wirkungen). Neben der „Zielverschiebung" durch Anwendung unangemessener Kontrollmaßstäbe kann sie ein Klima des Mißtrauens und der Angst vor Sanktionen erzeugen, das die Zusammenarbeit und den offenen Informationsaustausch stört. Dies kann vor allem die Realitätssicht der Führung verzerren und dadurch zu nicht sachgerechten Leitungs- und Führungsentscheidungen führen. Daher ist bei Fremdkontrollen auch gegenüber den Kontrollierten stets die Bedeutung für die Verbesserung der Verwaltungsleistung durch sachgerechte

E. Zusammenfassung

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Information herauszustellen. Diese Funktion der Kontrolle kann unterstrichen werden, indem sie routinemäßig und nicht nur aus besonderem Anlaß durchgeführt wird. Im Interesse der offenen Information durch die Mitarbeiter muß dabei eventuell auch auf die Sanktionierung weniger bedeutender Abweichungen verzichtet werden, insbesondere dann, wenn es eher um Formales geht. Die Mitarbeiter sind auch — vor allem bei Zweckmäßigkeitsfragen — aufzufordern, Bedenken gegen Kontrollmaßstäbe mitzuteilen, so daß nicht sachgerechte Maßstäbe erkannt werden können.

7 Strößenreuther

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Verwaltungsexterne, verwaltungsinterne und behördeninterne Kontrolle Bevor nun auf die einzelnen behördeninternen Kontrollen eingegangen werden kann, ist der mit diesem Begriff gekennzeichnete Untersuchungsbereich zu bestimmen. Welche die Verwaltung betreffenden Kontrollen sollen untersucht werden? Es stellt sich die Frage, in welche Teilbereiche diese Kontrollen sinnvoll zerlegt werden sollen. Ziel der Einteilung muß es sein, diejenigen Kontrollen zusammenzufassen, von denen erwartet werden kann, daß sie eine gewisse Einheit bilden. Dies sichert die Möglichkeit, Funktionszusammenhänge und -ergänzungen, eventuell auch überflüssige Mehrfachkontrollen zu erkennen. In der Literatur wird häufig zwischen internen und externen Verwaltungskontrollen unterschieden. Es fragt sich, inwieweit diese Unterscheidung sinnvoll ist. A. „Interne" und „externe" Kontrollen aus abstrakt systemorientierter Sicht Zunächst sollte man sich allgemein über die Bedeutung der Begriffe „extern" und „intern" in Hinblick auf die Kontrolle Klarheit verschaffen. Der relative Charakter dieser Begriffe wird aus systemorientierter Betrachtung deutlich: Danach kann man die Träger der Kontrolle (Kontrolleure) als Systeme betrachten, die Subsysteme kontrollieren; Subsystem kann dabei ein Fachamt, ein Mitarbeiter oder auch eine Maschine sein 373 . In bezug auf jenes Subsystem ist Kontrolle extern, weil der Kontrolleur diesem nicht angehört (sie ist „subsystemextern"). Innerhalb des Subsystems vorgenommene Kontrollen sind dagegen — auf dieses bezogen — intern 374 („subsystemintern"). Allerdings kann es auch in diesem Subsystem weitere (Sub-)Subsysteme geben, in bezug auf die jene „interne" Kontrolle wieder extern ist (Bsp.: Kontrolliert der Bürgermeister einer kreisangehörigen Gemeinde einen vom Bauamt entworfenen Bescheid, so ist diese Kontrolle hinsichtlich des staatlichen Subsystems Gemeinde intern, hinsichtlich der gemeindlichen Subsystems Bauamt aber extern). 373 Zur Unterscheidung von System und Subsystem vgl. Siepmann / Siepmann, Verwaltungsorganisation, S. 24 f. 374 Blum, Interne Kontrolle, S. 234.

Β. Verwaltungsinterne und verwaltungsexterne Kontrollen

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Die Begriffe intern und extern sind also relativ und können sinnvoll nur gebraucht werden, wenn jeweils klar ist, auf welches System, auf welche Einheit sie sich beziehen. Man beachte in diesem Zusammenhang auch das oft auftauchende Begriffspaar Selbst- und Fremdkontrolle 375 , welches in gleicher Weise wie interne und externe Kontrolle verwendet wird 3 7 6 . Dementsprechend bedarf es auch bei diesen Begriffen jeweils der Klärung, worauf sie sich beziehen. B. Verwaltungsinterne und verwaltungsexterne Kontrollen der Verwaltung Für die Abgrenzung zwischen verwaltungsQx temer und -interner Kontrolle muß danach maßgeblich sein, was man als Verwaltung ansieht. Dies führt zu der allgemeinen Problematik der Bestimmung dessen, was öffentliche Verwaltung ist. Entsprechend der bekannten Schwierigkeit, dies positiv zu definieren 377 , der oft über eine negative Abgrenzung 378 oder die Feststellung, eine begriffliche Erfassung erscheine unmöglich 379 , aus dem Weg gegangen wird, wird auch die verwaltungsinterne Kontrolle kaum positiv bestimmt 380 . Typisch ist vielmehr der Weg, die verwaltungsexternen Kontrollen konkret zu benennen und alle sonstigen Kontrollen des Verwaltungshandelns ohne nähere Begriffsbestimmung als verwaltungsintern zu behandeln381.

375 Dazu oben 3. Abschnitt A I. 376 Aus diesem Grund erschien der Begriff der Selbstkontrolle auch nicht geeignet, um die Kontrolle im Bereich des nicht organisatorisch differenzierten Entscheidungsprozesses zu bezeichnen (vgl. oben 3. Abschnitt A I, S. 48). 377 Vgl. aber die Begriffsbestimmung von Wolff / Bachof \ Verwaltungsrecht I, § 2 ΙΠ: „Öffentliche Verwaltung im materiellen Sinn i s t . . . die mannigfaltige, konditional oder nur zweck-bestimmte, also insofern fremdbestimmte, nur teilplanende, selbstbeteiligt entscheidend ausführende und gestaltende Wahrnehmung von Angelegenheiten von Gemeinwesen und ihrer Mitglieder als solcher durch die dafür bestellten Sachwalter des Gemeinwesens.". 378 Vgl. etwa Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 6: Verwaltung ist „die Tätigkeit des Staates oder eines sonstigen Trägers öffentlicher Gewalt außerhalb von Rechtsetzung und Rechtsprechung". 379 So Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 1, wonach sich Verwaltung nicht definieren, sondern nur beschreiben lasse; ebenso Maurer, Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 8. 380 Vgl. allerdings die dürre Definition von Schwebbach, Kontrollen, Rn. 547, die den Begriff der Verwaltung voraussetzt: „Bei den verwaltungsinternen Kontrollen handelt es sich um Maßnahmen, die von der Verwaltung selbst vorgenommen werden.". 381 So etwa Thieme, Verwaltungslehre, § 85. 7*

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1. Teil 4. Abschnitt: Interne und externe Kontrolle

I. Verwaltungsexterne Kontrolle Als verwaltungsextern sind allgemein anerkannt die Kontrolle der Verwaltung durch den Gesetzgeber, die Gerichte, die Rechnungshöfe und die Öffentlichkeit 382. Dazu ist anzumerken, daß die Stellung der Rechnungshöfe im Verfassungsaufbau zwar umstritten ist, aber dadurch keine Zweifel daran entstehen, daß auch die von ihnen ausgeübte Kontrolle verwaltungsextern ist. Der Streit betrifft vor allem die Frage, ob die Rechnungshöfe lediglich Hilfsorgan des Parlaments oder Organ einer selbständigen Prüfungsgewalt („vierte Gewalt") 383 sind. Da die Rechnungshöfe von der Verwaltung völlig unabhängig sind (vgl. Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG, der den Mitgliedern des Rechnungshofes richterliche Unabhängigkeit garantiert und dadurch gewisse „Affinitäten" 384 zur Rechtsprechung schafft), wird eine Zugehörigkeit zu ihr zutreffenderweise kaum vertreten.

II. Verwaltungsinterne Kontrolle Soweit die verwaltungsinterne Kontrolle überhaupt definiert wird, geschieht dies unter der regelmäßig stillschweigenden Annahme, daß ein klar abgrenzbarer Begriff der Verwaltung überhaupt existiert 385 . Es wird dann festgestellt, derartige Kontrollen lägen vor „bei der Überprüfung von Verwaltungshandlungen durch die Verwaltung selbst' 386 bzw. dann, wenn die „Kontrollträger... sich im Verwaltungsbetrieb selbst" finden 387. Andere behandeln unter Verzicht auf eine Begriffsbestimmung einfach verschiedene Kontrollen, deren Einordnung als verwaltungsintern sich dann lediglich aus der Überschrift ergibt 388 .

I I I . Zweckmäßigkeit der Ausgrenzung der traditionell als verwaltungsextern behandelten Kontrollen Es fragt sich, ob und inwieweit die Einteilung in verwaltungsexterne und -interne Kontrollen zweckmäßig ist. Dafür ist zunächst zu ermitteln, worin sich 382 Übersicht bei Steinebach, Verwaltungsbetriebslehre, Rn. 174; Darstellung bei Thieme, Verwaltungslehre, in den §§86 bis 89 (Rn. 510 ff.) nach § 85 „Interne Verwaltungskontrolle"; Schwebbach, Kontrollen, Rn. 522 ff. 383 Dazu eingehend Krebs, Kontrolle, S. 178 ff. (m. w. Nw.); auch Thieme, Verwaltungslehre, § 87 Α Π (Rn. 522); Schwebbach, Kontrollen, Rn. 538. 38 4 Krebs, Kontrolle, S. 179. 38 5 Was aber umstritten ist, siehe oben Fn. 379. 386 Wolff / Bachof Verwaltungsrecht III, § 161 I a 2 (Hervorhebung im Original), wobei hier allerdings der Begriff der Selbstkontrolle der Verwaltung verwendet wird; vgl. auch Fn. 380. 387 Steinebach, Verwaltungsbetriebslehre, Rn. 168. 388 So etwa Thieme, Verwaltungslehre, § 85.

C. Abgrenzung zwischen behördeninterner und -externer Kontrolle

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die traditionell als extern bezeichneten Kontrollen durch Gerichte, Parlamente und Rechnungshöfe von den internen unterscheiden (die prinzipielle Ausgrenzung der Kontrolle durch die Öffentlichkeit versteht sich von selbst). 1. Die Kontrolle durch die Rechtsprechung unterscheidet sich von der durch die Verwaltung selbst in mehrfacher Hinsicht: Die Richter sind unabhängig (Art. 97 Abs. 1 GG), während die Kontrollorgane der Verwaltung — abgesehen von der Rechnungsprüfung 389 — weisungsgebunden sind. Die Gerichte sind auf die Prüfung von Rechtsfragen beschränkt, während verwaltungsintern auch die Zweckmäßigkeit des Handelns kontrolliert werden kann (außer etwa bei der Staatsaufsicht gegenüber den Gemeinden, soweit diese Aufgaben des eigenen Wirkungskreises erfüllen; vgl. Art. 28 Abs. 2 GG). Die Gerichte können die Verwaltungstätigkeit nur auf Antrag kontrollieren, während die Verwaltung selbst aus eigener Initiative Kontrollen durchführen kann. 2. Für eine selbständige Betrachtung der parlamentarischen Kontrolle spricht schon, daß dem Parlament nur die Regierung selbst verantwortlich ist und diese Verantwortlichkeit allein durch ein konstruktives Mißtrauensvotum (Art. 67 GG) gegenüber dem Bundeskanzler geltend gemacht werden kann. Dem Parlament fehlt im Gegensatz zur Verwaltung selbst jede Möglichkeit der rechtlich gesicherten Einflußnahme auf den Einzelfall. 3. Die Gründe, die für die Trennung zwischen parlamentarischer und verwaltungsinterner Kontrolle herangezogen wurden, gelten erst recht für die Abgrenzung der Rechnungshofkontrolle. Der Rechnungshof hat nicht einmal mittelbare Eingriffsbefugnisse, mit denen er aus den Kontrollergebnissen zu ziehende Konsequenzen durchsetzen könnte. Insgesamt läßt sich also feststellen, daß die getrennte Betrachtung der von der Verwaltung selbst durchgeführten Kontrollen und der herkömmlich als „extern" bezeichneten Kontrollen nicht allein durch die formale organisatorische Trennung, sondern auch durch maßgebliche strukturelle Unterschiede in der Kontrollfunktion gerechtfertigt ist.

C. Abgrenzung zwischen behördeninterner und behördenexterner Kontrolle Mit der Feststellung der Unterschiede zu den verwaltungsexternen Kontrollen ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob die verwaltungsinternen Kontrollen selbst derart homogen sind, daß eine weitere grundsätzliche Unterteilung nicht 389

Sofern man die Rechnungsprüfung überhaupt der Verwaltung zuordnet und nicht wegen der fachlichen Unabhängigkeit quasi als Unterbau der Rechnungshöfe wie diese als verwaltungsextern ansieht; die Frage muß für die vorliegende Untersuchung nicht geklärt werden, weil diese sich ohnehin auf die behördeninterne Kontrolle beschränkt.

1. Teil 4. Abschnitt: Interne und externe Kontrolle

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geboten erscheint. Berücksichtigt man die differenzierte Gliederung der Verwaltung, so tauchen an einer derartigen Einheitlichkeit Zweifel auf.

I. Sinnvolle Trennung nach rechtlicher Selbständigkeit? Rechtlich am naheliegendsten ist wohl die Trennung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Staatsverwaltung. Letztere wird von rechtlich selbständigen, vom Staat verschiedenen Körperschaften, Anstalten, Stiftungen oder Beliehenen ausgeführt, unterliegt aber jedenfalls der rechtlichen, vielfach auch der fachlichen Aufsicht durch die unmittelbare Staatsverwaltung. Die aufgrund des aufsichtlichen Kontrollergebnisses getroffenen Folgeentscheidungen des Staates haben dementsprechend nach heute wohl herrschender Ansicht 390 stets rechtliche Außenwirkung. Demgegenüber sind Weisungen höherer Behörden gegenüber nachgeordneten im Rahmen des hierarchischen Behördenaufbaus reine Innenrechtsakte. Ob aus diesem rechtlichen Unterschied allerdings so deutliche strukturelle Unterschiede auch hinsichtlich der Durchführung des Soll-Ist-Vergleichs, also der Kontrolle erwachsen, daß eine getrennte Untersuchung angezeigt ist, erscheint zweifelhaft. Es ist fraglich, ob etwa die Regierung gegenüber dem Landratsamt die Erteilung von Baugenehmigungen deshalb in tatsächlich anderer Weise kontrolliert als gegenüber einer kreisfreien Stadt, weil rechtlich im ersteren Fall innerhalb der Hierarchie, im letzteren Fall im Rahmen der Fachaufsicht tätig wird. Da die vorliegende Arbeit sich aber mit keinem der beiden Bereiche befassen soll, erscheint hier eine Klärung dieser Frage entbehrlich. Die begriffliche Einteilung sollte stets mit Blick auf das Erkenntnisinteresse vorgenommen werden. I I . Die Behörde als organisatorisch geschlossene Verwaltungseinheit Entscheidendes Augenmerk soll aber darauf gerichtet werden, daß die öffentliche Verwaltung durch einen mehrstufigen Behördenaufbau gekennzeichnet ist und die Behörde, obwohl sie selbst nicht rechtsfähig ist, eine innerhalb der Verwaltung deutlich abgrenzbare Organisationseinheit darstellt. Dazu ist anzumerken, daß Literatur und Rechtsprechung zahlreiche, nicht deckungsgleiche Behördenbegriffe definieren 391 , die in unterschiedlichen Zusammenhängen maßgeblich sind. 390

Knemeyer, Kommunalrecht, Rn. 327 m. w. Nw.; in einer neueren Entscheidung auch der BayVGH (Bay VB1.1985, S. 368 ff. 369 f. ), nachdem er früher bei fachaufsichtlichen Weisungen im Bereich gebundener Entscheidungen eine Bewertung als Verwaltungsakt mangels rechtlicher Außenwirkung ablehnte (BayVBl. 1977, S. 152 ff.). 391 Umfassende Übersichten bei Wolff/ Bachof\ Verwaltungsrecht II, § 76 I c; Lecheler, Verwaltungslehre, § 5 I 3 a, S. 110 ff., jeweils m. w. Nw.

C. Abgrenzung zwischen behördeninterner und -externer Kontrolle

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Einer Untersuchung behördeninterner Kontrollen muß der Behördenbegriff zugrundegelegt werden, der — zumindest bis zu einem gewissen Grade — verallgemeinerungsfähige Aussagen über bestimmte Kontrollen zuläßt. Berücksichtigt man weiter, daß interne Fremdkontrollen entscheidend von der organisatorischen Gestaltung des Systems abhängen, in dem sie stattfinden, so müssen unter dem Behördenbegriff solche Organisationseinheiten zusammengefaßt werden, die ähnliche Organisationsstrukturen aufweisen. Für diese Anforderungen bietet der organisationswissenschaftliche Behördenbegriff den geeigneten Ausgangspunkt. Danach ist eine Behörde gekennzeichnet durch 392 — die Zusammenfassung von Personal- und Sachmitteln zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben, — die Eingliederung dieser Einheit in die staatliche Organisation durch öffentlichrechtliche Organisationsvorschriften sowie — die organisatorische Selbständigkeit (Unabhängigkeit von Personenwechseln) und Selbständigkeit der Entscheidungen und Funktionen in einer fest umrissenen örtlichen und sachlichen Zuständigkeit. In Hinblick auf die Forderung nach vergleichbaren Organisationsstrukturen ist diese Definition um die Anforderung ergänzen, daß eine einheitliche Leitung besteht. Unter dem so gewonnenen Behördenbegriff sind Organisationseinheiten mit grundsätzlich vergleichbaren inneren Strukturen zusammengefaßt 393: sie stehen generell unter einheitlicher Leitung des Behördenchefs, sind größtenteils formal (noch?) streng hierarchisch aufgebaut, wobei aber eine Unterteilung in Fachabteilungen (je nach konkreten Fachaufgaben) und sog. Querschnittsabteilungen (zumindest für Finanzen, Personalangelegenheiten und Organisationsfragen) üblich ist (die Querschnittsabteilungen haben aber regelmäßig keine Weisungsbefugnis gegenüber den Fachabteilungen, sondern entfalten ihre Wirkungen quasi als Stäbe der Verwaltungsleitung). Diese Strukturähnlichkeiten legen es nahe, daß sich auch die Kontrollmechanismen innerhalb dieser Verwaltungseinheiten ähneln. Daher ist es sinnvoll, zwischen behördeninternen und -externen Kontrollen zu unterscheiden. In bezug auf die Behörde, verstanden als organisatorische Verwaltungseinheit unter einheitlicher Leitung, ist neben den genannten verwaltungsexternen Kontrollen (durch Parlamente, Gerichte, Rechnungshöfe und Öffentlichkeit) auch die Kontrolle durch andere Behörden, sei es im Wege der hierarchischen 392 Lecheler, Verwaltungslehre, § 5 I 3 a, S. 113. 393 Dem steht auch nicht entgegen, daß die unter dem Behördenbegriff zusammengefaßten Organisationsgebilde zu verschiedenartig sind, als daß insgesamt „einheitliche Gestaltungsempfehlungen" möglich wären (vgl. Kübler, Organisation Bd. 1, Rn. 6). Es geht vorliegend nicht um derartige einheitliche Empfehlungen, sondern um die Untersuchung grundsätzlich gegebener innerbehördlicher Kontrollstrukturen und -mechanismen. In Hinblick auf dieses Ziel ist eine vereinheitlichende Betrachtung „der" Behörde möglich.

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1. Teil 4. Abschnitt: Interne und externe Kontrolle

Überordnung, sei es im Rahmen der Staatsaufsicht, extern 394 . Als Behörden können dabei etwa angesehen werden: Ministerien, Regierungen, Landratsämter und Gemeindeverwaltungen. Zutreffend stellt Püttner fest, daß diese Abgrenzung sich „vor allem an praktischen Gesichtspunkten (orientiert). Für die einzelne Verwaltung und deren Leiter ist die Kontrolle durch unabhängige Beauftragte oder die Volksvertretung ebenso extern wie die Kontrolle durch eine höhere Behörde oder einen Prüfungsverband. Daß die Kontrollinstanz auch zur Verwaltung oder zu den Staatsorganen gehört, ist für den Charakter und die Wirkung der Kontrolle gleichgültig." 395 Weiter sprechen auch die unterschiedliche Rechtsqualität und Ausgestaltung der Zuständigkeitsregelungen für die Unterscheidung: Die Zuständigkeit der Behörden unterschiedlicher Hierarchiestufen ist in auch außerhalb der Verwaltung unmittelbar verbindlichen Normen geregelt. Übergeordnete Instanzen sind aufgrund ihrer hierarchischen Stellung zwar weisungsbefugt, dürfen eine Angelegenheit aber nur dann entgegen der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung „an sich ziehen" und abschließend selbst entscheiden, wenn sie kraft gesetzlicher Regelung zum Selbsteintritt berechtigt sind 396 . Demgegenüber ist die innerbehördliche Zuständigkeitsverteilung in nur innerdienstlich bindenden Vorschriften geregelt, die meist zur Disposition des Behördenleiters stehen und daher von diesem als Folgeentscheidung einer Kontrolle geändert werden können 397 . Der „Selbsteintritt" des Vorgesetzten in Angelegenheiten, die den Nachgeordneten Mitarbeitern grundsätzlich zur selbständigen Entscheidung übertragen sind, ist meist unter erheblich einfacheren Voraussetzungen zulässig 398 als nach den gesetzlichen Regelungen des Selbsteintrittsrechts übergeordneter Behörden.

394 Für diese Betrachtung auch Püttner, Verwaltungslehre, S. 345 f.; zur Relativität der Begriffe intern/extern vgl. die obigen Ausführungen (A). 395 Püttner, Verwaltungslehre, S. 346. 3% Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht Π, § 77 II d 4 m. w. Nw.: Im Selbsteintritt liegt eine „Durchbrechung der funktionellen (instanziellen) Zuständigkeit" (§ 72 IV b 4), so daß „der Selbsteintritt mit Außenwirkung der gesetzlichen Ermächtigung" bedarf (etwa nach Art. 3a BayVwVfG). 397 Vgl. Fonk, Regierungspräsidenten, S. 182 ff. (zum Umfang der Organisationsgewalt des Regierungspräsidenten); die Organisationsgewalt des Leiters einer Kommunalverwaltung ist umfassender, ermöglicht aber auch keine Veränderung der Zuständigkeiten im Außenverhältnis. 398 Vgl. KGSt., Delegation, S. 8, wonach dem Vorgesetzten „unbenommen bleibt, in Ausnahmefällen abweichend von den festgelegten Funktionen selbst zu entscheiden." Dieses Modell wird allerdings scharf kritisiert durch Höhn, der der KGSt. Inkonsequenz bei dem Bestreben, moderne Führungsprinzipien einzuführen, bescheinigt. Durch die Eingriffsrechte des Vorgesetzten sei, jede echte Delegation von Verantwortung unmöglich" (Führungsprinzipien, S. 50). Trotz dieser Kritik sind in der Verwaltungspraxis bislang aber die Eingriffsrechte des Vorgesetzten auch nach grundsätzlicher Einführung von Delegation der Verantwortung weitgehend erhalten geblieben (vgl. etwa Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 104, wonach sich der Vorgesetzte „die Zeich-

C. Abgrenzung zwischen behördeninterner und -externer Kontrolle

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Ähnliche Unterschiede bestehen bei der Rechtsnatur der Zuweisung von Entscheidungsbefugnissen: Während eine Behörde einer anderen die Entscheidungsbefugnis regelmäßig nur übertragen kann, wenn sie in einer Norm dazu ermächtigt wird, die mit der zuständigkeitsbegründenden gleichrangig ist (im Wege der Delegation oder des — sehr umstrittenen — zwischenbehördlichen Mandats), ist die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen durch innerbehördliches Mandat ohne weiteres durch interne Anordnung seitens des Behördenchefs möglich 399 . Insgesamt ist es damit zweckmäßig, die innerhalb dieser Behörde stattfindenden Kontrollprozesse zu einem eigenen Untersuchungsgegenstand zu machen und sie von den behördenexternen Kontrollen zu unterscheiden.

I I I . Einordnung fachlich unabhängiger, aber formal-organisatorisch in die Behörde eingegliederter Kontrollinstanzen Die Zusammenfassung der Kontrollen in einer unter einheitlicher Leitung stehenden Organisationseinheit als behördeninteme wirft allerdings noch einige Abgrenzungsfragen auf. Einordnungsprobleme entstehen immer dann, wenn bestimmte Instanzen zwar formal-organisatorisch in die Verwaltungseinheit eingegliedert, in fachlicher Hinsicht aber vom Behördenleiter unabhängig sind. 1. Kommunale Vertretungsorgane (Gemeinde-/Stadtrat) Dem Gemeinderat sind gesetzlich Kontrollbefugnisse zugewiesen400. Ihre Ausübung wird oft dadurch gesichert, daß der Rat seinen Mitgliedern einzelne Ämter zuordnet, die sie als sog. Pfleger zu überwachen haben. Diese Kontrollen wird man aber nicht als behördenintern bewerten. Leiter der Gemeindeverwaltung ist der erste Bürgermeister, er ist Behördenchef. Dies äußert sich vor allem in seiner eigenen, vom Gemeinderat nicht antastbaren Zuständigkeit für die laufenden Angelegenheiten401 und in seiner Organisationsgewalt 402. Auch wenn der Gemeinderat nach allgemeiner Auffassung der Verwaltung und nicht der Gesetzge-

nung in besonderen Einzelfällen durch Vermerk auf dem Vorgang vorbehalten" darf). Das von Höhn propagierte sog. Harzburger Modell wurde in der öffentlichen Verwaltung nirgends unverändert übernommen (dazu näher unten 2. Teil, Fn. 29). 399 Dazu Wolff! Bachof Verwaltungsrecht II, § 72IV b 2 m. w. Nw.; Schenke, Delegation, S. 124 ff.; siehe auch unten 2. Teil, Fn. 21. 400 Vgl. Art. 30 Abs. 3 BayGO: „Der Gemeinderat überwacht die gesamte Gemeindeverwaltung, insbesondere auch die Ausführung seiner Beschlüsse." Entsprechende Regelungen finden sich auf Landkreis- und Bezirksebene. 401 Vgl. etwa Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayGO. 402 Dazu Widtmann / Grasser, Gemeindeordnung, Anm. 2b, 3 zu Art. 46 GO Bay; Rauball ! Pappermann ! Roters, Gemeindeordnung, Anm. 1 zu § 53 GO NRW; SchmittJortzig, Kommunalrecht, Rn. 274, 361 f.

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1. Teil 4. Abschnitt: Interne und externe Kontrolle

bung zugeordnet wird 4 0 3 , steht er doch nicht als Leitungsorgan an der Spitze der Behörde, sondern eher neben ihr 4 0 4 . Die Kontrollen durch den Gemeinderat sind daher gegenüber der Gemeindeverwaltung als extern anzusehen. 2. Rechnungsprüfungsämter Einordnungsprobleme bereiten auch die kommunalen Rechnungsprüfungsämter. Organisatorisch sind sie nach den Gemeindeordnungen aller Bundesländer in die Gemeindeverwaltung eingebunden405, insofern also behördenintern. Der Verwaltungschef (Oberbürgermeister, Bürgermeister bzw. Gemeinde-/Stadtdirektor) ist der Dienstvorgesetzte der Mitarbeiter im gemeindlichen Rechnungsprüfungsamt 406 . Andererseits sind in einigen Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Saarland) Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit in bezug auf die Prüfungstätigkeit gesetzlich abgesichert 407. In den übrigen Flächenstaaten (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein) fehlt es an einer entsprechenden gesetzlichen Garantie; hier ist umstritten, ob dennoch eine fachliche Unabhängigkeit aus Sinn und Zweck der Prüfungstätigkeit abzuleiten ist 4 0 8 oder ob aus dem Fehlen einer entsprechenden Regelung geschlossen werden muß, daß es der Gesetzgeber bei den üblichen hierarchischen Weisungsunterstellungen belassen w i l l 4 0 9 . Weiter ist aber folgendes zu bedenken: Die organisatorische Eingliederung der örtlichen Rechnungsprüfung findet sich nur bei der Kommunalverwaltung, bei der staatlichen Verwaltung werden die gleichen Aufgaben dagegen von organisatorisch selbständigen Rechnungsprüfungsämtern vorgenommen, die Rechnungsprüfung fällt damit aus dem Rahmen der typischen Aufbauorganisation von Behörden. Sie steht auch in besonderem Zusammenhang mit der überörtlichen Rechnungsprüfung 410. Es empfiehlt sich daher, die Rechnungsprüfung nicht als 403 Wolff! Bachof Verwaltungsrecht II, § 86 VII e 1 m. w. Nw.; BayVerfGH, BayVBl. 1984, S. 621 ff. 623 ; a. A. Zimmer, Funktion, S. 281 f. m. w. Nw. 404 Vgl. auch Zimmer (Funktion, S. 281 ff.), der sich aus legitimatorischen Überlegungen gegen die „undifferenzierte Zuordnung der sog. Kommunalverwaltung zur bürokratischen Exekutive" wendet und feststellt, daß „die Selbstvertretungsorgane nach Organisation, Legitimation, Verantwortung und Kontrolle der Legislative näher als der bürokratischen Verwaltung" stehen (S. 282). Hiervon grenzt er die behördliche Verwaltungseinheit ab: ,Rieben den Selbstvertretungsorganen bestehen auf kommunaler Ebene meist auch bürokratische Verwaltungsstrukturen, . . . " (S. 282; Hervorhebung von mir). 405 Siedentopf ! Grunwald, Rechnungsprüfung, S. 29 f.; auch Neitz, Rechnungsprüfung, S. 50 ff. 406 Ebenda, S. 30. 407 Ebenda, S. 31. 408 So Neitz, Rechnungsprüfung, S. 92 f. 409 So Siedentopf ! Grunwald, Rechnungsprüfung, S. 31; vgl. hierzu auch die differenzierende Darstellung bei Schröer, Gemeindeprüfungsrecht, S. 18 ff. 410 So stellt Schröer fest: „Ein solches örtliches eigenes Prüfungsamt dient insofern auch der überörtlichen (fremden) Prüfungstätigkeit, als es für diese wesentliche Vorarbeit

D. Die behördeninterne Kontrolle als Untersuchungsgegenstand

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behördeninterne Kontrolle zu behandeln—selbst dann, wenn man der Auffassung folgt, die Rechnungsprüfungsämter wären in den Ländern, in denen dies nicht ausdrücklich gesetzlich ausgeschlossen ist, auch fachlich weisungsgebunden. Die Rechnungsprüfung bietet sich durch ihre eigenständige, von der laufenden Verwaltung jedenfalls losgelöste Prüfungstätigkeit für selbständige Untersuchungen an 4 1 1 . Eine zusammenhängende Betrachtung wird besser mit Blick auf die Rechnungshöfe erfolgen 412 . 3. Beauftragte und Projektgruppen Ebenfalls problematisch ist die Zuordnung der Kontrolle durch Beauftragte und Projektgruppen. Beiden wird häufig eine fachliche Unabhängigkeit ähnlich wie dem Rechnungsprüfungsämtern zugestanden413. Hier wird man die Stellung des jeweiligen Organs im Einzelfall untersuchen müssen. Zumindest die Kontrolle durch Projektgruppen wird man aber doch regelmäßig als behördenintern qualifizieren können, weil diese Gruppe von der Behördenleitung eingesetzt wird und diese sich damit der Projektorganisation bedient. Die Unabhängigkeit wird hier als Organisationsmittel selbst von der Leitung geschaffen und der Behörde nicht „von außen" (etwa durch Gesetz) vorgegeben. Das gleiche gilt meist auch für sog. Beauftragte. D. Die behördeninterne Kontrolle als Untersuchungsgegenstand (Zusammenfassung) Zusammenfassend ist damit die behördeninterne Kontrolle als Gegenstand der vorliegenden Untersuchung folgendermaßen zu umschreiben: Behördenintem sind diejenigen Kontrollen, die innerhalb einer organisatorischen Verwaltungseinheit unter einheitlicher Leitung durchgeführt werden. Dazu sind auch solche zu leistet. . . . die überörtliche Prüfung . . . (wird) die Tiefe ihrer eigenen Tätigkeit nach der Güte dieser Vorarbeit ausrichten können" (Gemeindeprüfungsrecht, S. 3). 411 Vgl. die synoptischen Darstellungen der Rechnungsprüfung in den verschiedenen Bundesländern bei Neitz, Rechnungsprüfung; Siedentopf / Grunwald, Rechnungsprüfung; Schröer, Gemeindeprüfungsrecht; im Hinblick auf spezielle Gemeindeordnungen bietet sich der Blick in die jeweilige Kommentarliteratur zu den Regelungen über die Rechnungsprüfung an. 412 Dementsprechend trennt auch Püttner die „behördeninterne" und die „Finanzkontrolle" (Verwaltungslehre, S. 351 ff. bzw. 361 ff.). 413 Vgl. Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 111 : „Die Projektgruppe arbeitet von der Linienorganisation abgelöst und selbständig Die Projektgruppe soll weitgehend weisungsfrei arbeiten können"; dazu auch Freibert, Behördenorganisation, Rn. 177: „Die Mitglieder der Projektgruppe . . . sind für die Dauer des Projekts nicht in die originäre Behördenorganisation eingebunden, unterliegen also nicht der Hierarchie der Linie." Dementsprechend stellt Püttner auch fest: „schwer einzuordnen sind beispielsweise projektbegleitende Kontrollteams mit einer gewissen Unabhängigkeit." (Verwaltungslehre, S. 346, Fn. 22).

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1. Teil 4. Abschnitt: Interne und externe Kontrolle

rechnen, die von Beauftragten und Projektgruppen vorgenommen werden, die kraft Einrichtung durch die Behördenleitung in fachlicher Hinsicht unabhängig sind. Nicht als behördenintern sind dagegen die Kontrollen durch die kommunalen Vertretungsorgane und diejenigen durch die Rechnungsprüfungsämter anzusehen.

. Abschnitt

Zusammenfassung der bisherigen Überlegungen A. Unter Kontrolle ist ein Soll-Ist-Vergleich verbunden mit der Analyse der Ursachen eventuell festgestellter Abweichungen zu verstehen. „Ist-Wert" kann ein tatsächlich schon vorliegender Gegenstand (Handlung, Verhalten, Entscheidung, äußere Umstände etc.), aber auch ein Entscheidungsentwurf sein. Die Soll-Werte lassen sich in Konditional- und Zweckprogramme unterteilen. Erstere machen das Handeln vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abhängig, letztere geben dagegen bestimmte Zwecke vor, die mit dem Handeln erreicht werden sollen. Das Entscheiden kann auch gleichzeitig an beide Arten von Programmen gebunden sein (etwa: „Wenn die Situation S vorliegt, dann dürfen Maßnahmen getroffen werden, die den Zweck Ζ erreichen."). In Hinblick auf ein Zweckprogramm kann der zu vergleichende Ist-Wert auch die Prognose über die Wirkungen einer bestimmten Maßnahme sein. B. Die allgemeine Funktion von Kontrolle liegt darin, eine den maßgeblichen Soll-Werten entsprechende Entscheidung zu ermöglichen, wobei sich die Entscheidung als zumindest teilrationaler, informationsverarbeitender Auswahlprozeß darstellt. Die Entscheidung wird im System Verwaltung dadurch gekennzeichnet, daß ihr Inhalt — jedenfalls bis zu einem gewissen Grad — verbindlich ist für die Verwaltung selbst, eventuell aber auch für ihre Umwelt. Damit wird das System und gegebenenfalls seine Umwelt entlastet, der Entscheider übernimmt Verantwortung für die zutreffende Informationsverarbeitung. Anhand dieser systembezogenen Definition der Entscheidung kann die Kontrolle in vorherige, begleitende und nachträgliche unterteilt werden. Die vorherige Kontrolle prüft verschiedene in Betracht gezogene Entscheidungsalternativen, um die Auswahl der besten (d. h. vorgabengerechtesten) als Entscheidung zu ermöglichen. Soweit die Entscheidung nach Zweckprogrammen getroffen werden soll, sind die zu vergleichenden „Ist-Werte" allein Prognosen. Die begleitende Kontrolle verfolgt die Realisierung einer längerfristig umzusetzenden Entscheidung und ist vor allem beim Handeln nach Zweckprogrammen erforderlich, um die ursprüngliche Entscheidung zu korrigieren, wenn die Verwirklichung Fehleinschätzungen offenlegt. Die nachträgliche Kontrolle, die nach abgeschlossener Realisierung einer Entscheidung erfolgt, kann Informationen für künftige Entscheidungen in ähnlichen Situationen liefern. C. Von der Eigenkontrolle, die der Handelnde hinsichtlich seines eigenen Verhaltens vornimmt, kann die Fremdkontrolle durch eine vom Handelnden und

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1. Teil 5. Abschnitt: Zusammenfassung der bisherigen Überlegungen

Entscheidenden verschiedene Person abgegrenzt werden. Diese Unterscheidung hat in mehrfacher Hinsicht Bedeutung: I. Fremdkontrolle muß in aller Regel in ihrem Umfang hinter der Eigenkontrolle zurückbleiben. Andernfalls wird der Sinn von Arbeitsteilung ad absurdum geführt. II. Fremdkontrolle erfüllt über die bloße Entscheidungsfindung hinausreichende Zwecke: 1. Fremdkontrolle ist die Voraussetzung der Geltendmachung von Verantwortlichkeit, verstanden als das Einstehenmüssen des Entscheiders für die Beachtung der Soll-Vorgaben. Die Verantwortlichkeit dient der Absicherung der dem Entscheider verliehenen Befugnis zur Entscheidung, d. h. zur für andere verbindlichen Informationsverdichtung. Er ist hierzu nicht aus eigener Machtvollkommenheit, sondern kraft übertragener Befugnis berechtigt, die er dementsprechend nur innerhalb der mit ihr verbundenen Vorgaben ausüben darf. Dabei ist allerdings zu beachten, daß Entscheidungen stets in einem mehr oder weniger großen Maße in Unsicherheit getroffen werden müssen. Der Entscheider übernimmt zwar aus systemtheoretischer Sicht für die Entscheidung insgesamt die Verantwortung, kann aber dennoch nicht für eine Fehlentscheidung verantwortlich gemacht werden, deren Fehlsamkeit allein auf jener rational nicht mehr auflösbaren Unsicherheit beruht. Das Einstehenmüssen für die Richtigkeit der Entscheidung beschränkt sich auf die rational mögliche Beachtung hinreichend konkretisierbarer Vorgaben. Dies ist besonders bei der begleitenden und nachträglichen Kontrolle von nach Zweckprogrammen getroffenen Entscheidungen zu bedenken: Für erst bei der Realisierung erkannte Mängel kann der ursprüngliche Entscheider nur verantwortlich gemacht werden, wenn er im Zeitpunkt der Entscheidung bei der Prognose ihrer Wirkung fachliche Standards, besonders auch in methodischer Hinsicht, nicht eingehalten hat. Soweit ihm diesbezüglich kein Vorwurf zu machen ist, dient die Kontrolle allein dazu, die ursprüngliche Entscheidung in Richtung der Zweckerreichung zu korrigieren. 2. Die Existenz von Fremdkontrolle, mit der Verantwortlichkeit geltend gemacht wird, kann auch eine sog. Präventivwirkung erzeugen, die den Kontrollierten zu selbständig vorgabengerechtem Verhalten anhält. Diese Wirkung ist allerdings nur dort erforderlich, wo der „freiwilligen" Orientierung an den Vorgaben Bequemlichkeitsstreben oder Eigeninteressen am Inhalt der Entscheidung entgegenwirken. 3. Fremdkontrolle kann den Mitarbeiter auch entlasten, wenn infolge der Kontrolle sein Handeln anerkannt wird. Dies enthebt den Mitarbeiter aber nicht ohne weiteres seiner eigenen Verantwortlichkeit (ähnlich wie bei einer Weisung). Insbesondere kann sich der Mitarbeiter nicht einfach darauf berufen, er sei schon des öfteren kontrolliert und nie beanstandet worden.

1. Teil 5. Abschnitt: Zusammenfassung der bisherigen Überlegungen 4. Schließlich ist die Fremdkontrolle auch (eine) Informationsgrundlage Führungsentscheidungen.

111 für

III. Andererseits kann die Fremdkontrolle auch „dysfunktionale" Wirkungen entfalten. Sie kann das Arbeitsklima belasten und dadurch die Motivation der Mitarbeiter verschlechtern. Dies gilt besonders dann, wenn die Fremdkontrolle vom Mitarbeiter als Ausdruck von Mißtrauen gerade gegenüber der eigenen Person empfunden wird. Daher sollte Fremdkontrolle möglichst losgelöst von der Person des Kontrollierten durchgeführt werden. Weiter führt die Präventivwirkung zu einer Orientierung vorrangig an den Maßstäben der Fremdkontrolle, so daß eine „Zielverschiebung" eintritt, wenn diese Maßstäbe nicht den an sich vorgegebenen Zielen entsprechen. Daher sollte eine Fremdkontrolle nur durchgeführt werden, wenn angemessene Kontrollkriterien entwickelt sind. D. Die Kontrollen der öffentlichen Verwaltung lassen sich in verwaltungsexterne und verwaltungsinterne unterteilen. Die verwaltungsinternen Kontrollen zerfallen wiederum in behördenexterne und behördeninterne. Die selbständige Untersuchung der letztgenannten bietet sich deshalb an, weil die Behörde nach außen als geschlossene Organisationseinheit auftritt (was sich insbesondere in ihrer einheitlichen Zuständigkeit äußert), viele Behörden sich in ihrer organisatorischen Grundstruktur ähneln und die Kontrollen durch andere Behörden aus Sicht der Mitarbeiter meist ebenso als „extern" angesehen werden wie etwa die gerichtliche Kontrolle.

2. Teil Die einzelnen behördeninternen Kontrollen Nach den allgemeinen Vorüberlegungen zum Begriff der Kontrolle, ihren Funktionen und Wirkungen, den von ihr zugrundezulegenden Maßstäben und ihrer Unterteilung nach verschiedenen Gesichtspunkten können nun die einzelnen behördeninternen Kontrollen betrachtet werden. Der verallgemeinernde Charakter der vorliegenden Untersuchung bringt es mit sich, daß die nachfolgenden Darlegungen nicht unmittelbar auf die einzelne Behörde angewandt werden können. Ziel und Zweck der Arbeit ist es, in Behörden typischerweise vorzufindende Kontrolleinrichtungen darzustellen und dadurch für die Lösung konkreter Kontrollprobleme, die immer nur mit Blick auf die jeweilige Einzelsituation möglich ist, Anhaltspunkte zu liefern. Die allgemeine Darstellung behördeninterner Kontrollen wird dadurch möglich, daß sich trotz aller Unterschiede in der konkreten Ausgestaltung innerhalb der meisten Behörden doch ähnliche Einrichtungen und Organisationsstrukturen finden. Dabei soll die vorherige Eigenkontrolle, also diejenige, die allein der Auswahl einer Entscheidungsalternative als verbindliche Entscheidung durch den Entscheider selbst dient 1 , nicht eigens dargestellt werden. Diese Form der Kontrolle wird typischerweise im Rahmen der Entscheidungslehre 2 behandelt und kann nicht als Problem gerade der behördeninternen Kontrolle angesehen werden. Es geht dabei vielmehr um die allgemeine Frage nach der richtigen Entscheidung. Speziell als behördeninterne Kontrollen sind dagegen zu behandeln die Fremdkontrolle durch den Vorgesetzten und durch sog. Querschnittseinheiten (insbesondere Organisationsamt, Personalamt, Finanzwesen), durch „Beauftragte" und durch die Personalvertretung. Schließlich wird zu fragen sein, ob und inwieweit auch die Mitarbeiter die Tätigkeit ihrer Vorgesetzten kontrollieren können und vielleicht sogar müssen.

ι Zur Eigenkontrolle siehe oben 1. Teil, 3. Abschnitt A I; zur vorherigen Kontrolle siehe oben 1. Teil, 1. Abschnitt Β II. 2 Hierzu insbesondere Thieme, Entscheidungen.

. Abschnitt

Die Vorgesetztenkontrolle Die Vorgesetztenkontrolle kann als die „klassische" Form der behördeninternen Fremdkontrolle angesehen werden, sie ergibt sich grundsätzlich schon aus dem hierarchisch-bürokratischen Behördenaufbau. Unbestritten schließt die Vorgesetzteneigenschaft das Recht und die Pflicht zur Kontrolle der Mitarbeiter ein 3 . Dennoch fällt es Praktikern besonders schwer, eine auch nur einigermaßen verallgemeinerungsfähige Antwort darauf zu geben, wie diese Kontrolle denn konkret ausgeübt werde. In der Verwaltung herrscht allgemein die Auffassung, die Handhabung der Kontrolle hänge völlig vom persönlichen Stil des jeweiligen Vorgesetzten ab 4 . Diese Ansicht vertreten gerade auch Verwaltungsangehörige mit Vorgesetztenstellung. Es fehlt in der Praxis insbesondere an allgemein angewendeten — oder auch nur bekannten — Kontrollgrundsätzen. Dies liegt aber nicht daran, daß derartige Grundsätze nicht entwickelt wären 5, sondern daran, daß den vorhandenen Überlegungen wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dabei läßt sich kaum beantworten, ob dies daran liegt, daß die Praktiker intuitives Handeln insbesondere bei der Führung bewußt vorziehen oder daran, daß die Aus- und Fortbildung diese Fragen wenig behandelt6. In der Literatur wird zutreffend festgestellt, daß „die Vorgesetztenkontrolle ein Teil der Führung und damit von der Führungskonzeption abhängig"7 ist. 3 Vgl. Püttner, Verwaltungslehre, S. 351. 4 So auch Steinbach, Bedeutung, S. 192. 5 Die Literatur gibt hier zumindest Anregungen, vgl. etwa Püttner, Verwaltungslehre, S. 337 ff.; Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 499 f.; ders., Entscheidungen, S. 118 f.; ausführlich und mit Beispielen, allerdings unter Zugrundelegung konsequenter Delegation von Entscheidungsbefugnissen Höhn, Dienstaufsicht, S. 197 ff. (in den Beispielen auf die gewerbliche Wirtschaft zugeschnitten, aber dem Konzept nach auch für die öffentliche Verwaltung überlegenswert); ders., Führungsbrevier, S. 127 ff.; ausdrücklich für die öffentliche Verwaltung ders., Verwaltung, S. 299 ff.; ders., Führungsprinzipien, S. 74 ff.; die von der Praxis besonders beachteten Veröffentlichungen der KGSt. haben sich allerdings bisher nicht speziell mit den Fragen der Vorgesetztenkontrolle befaßt, ein diesbezügliches Vorhaben wurde, wie auf Anfrage mitgeteilt, nicht fortgeführt. 6 Die KGSt. stellt dazu fest, daß „die Vor- und Ausbildung im allgemeinen nur auf bestimmte Fachgrundlagen ausgerichtet ist und eine Vorbereitung auf die Ausübung von Leitungsfunktionen nicht einschließt" (Leitung, S. 6). Man denke nur daran, daß etwa der „frischgebackene" Assessor in der Verwaltung meist sofort als Vorgesetzter etlicher Mitarbeiter beginnt, die übliche juristische Ausbildung sich mit Führungsfragen aber überhaupt nicht befaßt (zur besonderen Gefahr für derartige Anfanger durch sog. informelle Führer vgl. Kübler, Organisation Bd. 2, Rn. 713). 8 Strößenreuther

114

2. Teil 1. Abschnitt: Die Vorgesetztenkontrolle

Daher lassen sich Aussagen über die Vorgesetztenkontrolle erst dann machen, wenn man die in der jeweiligen Behörde gültige Führungskonzeption kennt.

A. Führungskonzepte in der öffentlichen Verwaltung Die Literatur ist reich an Führungskonzepten für die öffentliche Verwaltung 8 , die allerdings in der Praxis kaum je in reiner Form umgesetzt werden. Daher erscheint es für die vorliegende Untersuchung, die an die in der Praxis geübten behördeninternen Kontrollen anknüpft, nicht geboten, sich mit den einzelnen Führungskonzeptionen auseinanderzusetzen. Es genügt vielmehr, die für die aktuelle behördeninterne Situation typischen Grundstrukturen darzustellen und zu ihrem Verständnis die Hintergründe ihrer Entwicklung kurz zu beleuchten. Soweit hier von Führung die Rede ist, wird diese in einem weiteren Sinne verstanden. Sie umfaßt die sach- und aufgabenbezogene Steuerung von Verwaltungsbehörden (Leitung) und das personenorientierte Einwirken auf das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter (Führung im engeren Sinne)9. I. Das autoritativ-hierarchische Führungsmodell und die Abkehr davon Bis in die jüngere Vergangenheit war — zumindest formell — das traditionelle autoritativ-hierarchische Führungsprinzip vorherrschend 10. Dieses ist vor allem dadurch gekennzeichnet, daß der Behördenleiter seine nachgeordneten Mitarbeiter in den Grenzen der Rechtmäßigkeit beliebig anweisen darf und zumindest nach außen alle Angelegenheiten selbst entscheidet, dementsprechend allerdings auch die volle Verantwortung für das gesamte Handeln der Behörde trägt. Er hat also für seine eigenen Fehler und für die seiner Mitarbeiter einzustehen. Dieses Konzept der Totalverantwortung des Vorgesetzten auch für die Fehlleistungen der ihm nachgeordneten Mitarbeiter setzt zugleich voraus, daß er deren Tätigkeit umfassend kontrolliert. Eine derartig totale Kontrolle ist eventuell noch 7 Püttner, Verwaltungslehre, S. 351; vgl. auch Höhn, Dienstaufsicht, S. 1: „»hierarchische Kontrolle4 . . . ist . . . unlösbarer Bestandteil" der Führung des Vorgesetzten und „auf das engste mit der Organisationsstruktur des Unternehmens verbunden.". s Dazu Püttner, Verwaltungslehre, S. 271 ff.; VOllmuth, Leitung, Rn. 185 ff.; Vaubel, Personalführung, Rn. 399 ff.; Bohret / Junkers, Führungskonzepte; Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 388, 666 f. 9 Zu dieser Begriffsbildung vgl. Vaubel, Personalführung, Rn. 400; ebenso Vollmuth, Leitung, Rn. 185; Bohret I Junkers, Führungskonzepte, S. 20 ff. (mit umfassender Übersicht und graphischer Darstellung zahlreicher unterschiedlicher Begriffsbildungen von Management, Führung und Leitung). 10 Eingehend behandelt Höhn (Verwaltung, S. 1 bis 62) die historische Entwicklung des autoritären Führungsprinzips, wobei allerdings die Darstellung als angeblich 1970 noch herrschendem Führungsstil verzerrend sein dürfte.

Α. Führungskonzepte in der öffentlichen Verwaltung

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denkbar im kleinen Handwerksbetrieb, in dem der Meister mit einem Gesellen und einem Lehrling im selben Raum arbeitet 11. Sobald aber schwierigere Aufgaben zu erfüllen sind, die die besonderen Fachkenntnisse von Spezialisten erfordern, die Erledigung dieser Aufgaben nicht manuell, sondern vorrangig geistig erfolgt und darüber hinaus eine Organisation mit zahlreichen Mitarbeitern auf mehreren Hierarchieebenen erfordert, ist Totalkontrolle undurchführbar 12. Von den Kapazitätsgrenzen abgesehen würde sie auch, wie bereits dargelegt 13, den Sinn von Arbeitsteilung und Differenzierung wieder zunichte machen, sie ad absurdum führen. Bedingt durch den erheblichen Aufgabenzuwachs der öffentlichen Verwaltung 1 4 sind Behörden heute weitgehend Großorganisationen, in denen es ihrem Leiter, aber auch den ihm unmittelbar nachgeordneten Mitarbeitern unmöglich ist, sämtliche anfallenden Einzelvorgänge auch nur zu registrieren, geschweige denn, sie im Detail zu kennen. Daneben hat sich auch die Qualität der Aufgaben verändert. Das Schwergewicht der Verwaltungstätigkeit liegt heute nicht mehr auf den polizeistaatlichen Aufgaben der Gewährleistung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung, sondern im Bereich der Leistung und Gestaltung15. Dies erfordert u. a. eine vermehrte Zweckprogrammierung, da sich insbesondere Gestaltung, die per se zukunfts- und damit zielbezogen ist (beispielsweise die Raumordnung), nicht durch Konditionalprogramme bestimmen läßt 16 . Die Konkretisierung derartiger Zweckprogramme erfordert in besonderem Maße die Fachkenntnisse verschiedenster Disziplinen 17 und auch eigenschöpferische Kreativität. Schon die unmittelbaren Vorgesetzten der Sachbearbeiter der untersten Ebene der Hierarchie sind aus diesem Grund nicht ohne weiteres generell fachlich kompetenter als ihre nachgeordneten Mitarbeiter, die sich auf einen bestimmten Aufgabenbereich spezialisiert haben. Darüber hinaus hat sich auch das Selbstverständnis der Mitarbeiter in der Verwaltung gewandelt, sie sind selbstbewußter und weniger autoritätsgläubig 18. 11 Vgl. dazu Derlien, Zur systemtheoretischen Fassung, S. 202; so sieht auch Höhn die „soziologische Basis" der totalen Verantwortlichkeit des Vorgesetzten „im autoritär geführten kleinen handwerksmeisterlichen Betrieb sowie der kleinen und mittleren Behörde" (Verwaltung, S. 337). 12 Daher dürfte auch die Annahme Derliens y in Klöstern, Internatsschulen, Gefängnissen oder im Militär sei eine Totalkontrolle noch möglich (Zur systemtheoretischen Fassung, S. 202), bereits nicht zutreffend sein. Insbesondere die Großorganisation Militär ist nicht total kontrollierbar. 13 Siehe oben 1. Teil, 3. Abschnitt B. 14 Vgl. dazu Püttner, Verwaltungslehre, § 5 Π 2, S. 39. ι 5 Dazu Höhn, Verwaltung, S. 128 ff., insbes. 132 ff.; zu den „Verwaltungsaufgaben im modernen Leistungs- und Planungsstaat" auch Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 180 ff. 16 Dazu schon oben 1. Teil, 2. Abschnitt, Β I. 17 Siehe oben 1. Teil, 2. Abschnitt, Β I. is Vgl. hierzu Höhn, Verwaltung, S. 229 ff. (insbesondere zum Verlust von „Amts-" und „Fachautorität").

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2. Teil 1. Abschnitt: Die Vorgesetztenkontrolle

Die Möglichkeit der Selbstverwirklichung und -entfaltung auch im Beruf tritt in einer materiell befriedigten Gesellschaft in den Vordergrund des Interesses der Mitarbeiter 19 . Dieser Antrieb kann im Sinne der zweckmäßigen Aufgabenerfüllung gerade beim Handeln nach Zweckprogrammen genutzt werden, indem den Mitarbeitern abgegrenzte Aufgabenbereiche zur selbständigen Bearbeitung und Entscheidung übertragen werden. Vor allem aus diesen Gründen — dem quantitativen Aufgabenzuwachs, der qualitativen Aufgabenveränderung und der gewandelten Grundeinstellung der Mitarbeiter 20 wurden in der öffentlichen Verwaltung seit Ende der sechziger Jahre zunehmend die Entscheidungsbefugnisse und damit die auch die formale Verantwortung nach unten delegiert 21 . Diese Delegation stellte eine Anpassung 19 Vgl. hierzu die Bedürfnishierarchie nach Maslow (physiologische Bedürfnisse — Sicherheitsbedürfhisse — Bedürfnis nach Kontakt — Bedürfnis nach Bestätigung — Bedürfnis nach Selbstverwirklichung), derzufolge ab einem gewissen Grad der Befriedigung des Bedürfnisses einer nachgeordneten Stufe das nächsthöhere verstärkt die Motivation bestimmt; dargestellt bei v. Fircks, Motivation, Rn. 446 ff. mit kritischen Anmerkungen unter Rn. 448 (vor allem: keine hinreichend eindeutige Abgrenzung der einzelnen Rangstufen, unzureichende Darstellung des Zusammenwirkens verschiedener Bedürfnisse, zu geringe empirische Absicherung), aber auch dem Eingeständnis, daß die Theorie Maslows auf die Literatur zu Theorie und Praxis der Führung beträchtlichen Einfluß ausübe (Rn. 449); vgl. auch KGSt., Leitung, S. 8; Lawc, Führung, S. 25 ff.; Kubier, Organisation Bd. 2, Rn. 689 f.; Voßbein, Organisation, S. 66 ff. 20 Dazu auch die Begründung der „Neuordnung des Zeichnungsrechts" in Hamburg, Zif. I (abgedruckt bei KGSt., Delegation, Anlage 3, S. 36) wonach das „Zeichnungsrecht . . . an die allgemeinen und organisatorischen Entwicklungen angepaßt (werden muß). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß — die Anschauungen über die Stellung des arbeitenden Menschen in der Gesellschaft sich wandeln, — das Anwachsen und die zunehmende Schwierigkeit der Verwaltungsaufgaben zu immer stärkerer Arbeitsteilung und Spezialisierung zwingen, — die heutige Ausbildung darauf abzielt, die Mitarbeiter zu befähigen, Entscheidungen und Verantwortung mitzutragen.". 21 Delegation ist hier nicht im Sinne der im Verwaltungsrecht üblichen Terminologie zu verstehen. Nach dieser liegt Delegation dann vor, wenn „ein Hoheitsträger oder -organ seine ihm durch das Recht eingeräumte Befugnis zum Erlaß von Hoheitsakten auf ein anderes Subjekt überträgt" (Schenke, Delegation, S. 120). Die so verstandene Delegation verändert die Zuständigkeit im Außenverhältnis zum Bürger und erfordert daher eine Ermächtigung in einer Norm, die der zuständigkeitsbegründenden gleichrangig ist (vgl. Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht II, § 72 IV b 2, S. 24 f. m. w. Nw.; näher Schenke, Delegation, S. 124 ff.). Demgegenüber führt die Delegation von Entscheidungsbefugnissen nach dem vorliegend zugrundegelegten Delegationsbegriff nicht zu einer Zuständigkeitsänderung gegenüber dem Bürger, sondern betrifft lediglich die innerdienstliche Geschäftsverteilung (a. A. Lecheler, Personalführung, S. 85). Dieser Delegationsbegriff ist in der Verwaltungslehre und -praxis weit verbreitet (vgl. statt vieler KGSt., Delegation; Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 387; Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 103). Verwaltungsrechtlich liegt in diesen Fällen ein sog. Mandat vor, daß die Zuständigkeit des Behördenleiters bzw. der Behörde im Außenverhältnis unberührt läßt (vgl. BVerwG, DVBl. 1965, S. 163 f. (164), Rasch, Festlegung, S. 339; Wolff! Bachof, Verwaltungsrecht Π, § 72 IV b 5, S. 26 m. w. Nw.). Der Mandatar übt die Kompetenz des Mandanten in dessen Namen aus (Schenke, Delegation, S. 148). Bei der vorliegenden Untersuchung

Α. Führungskonzepte in der öffentlichen Verwaltung

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der formalen Organisation an die faktisch schon vorher geübte Praxis dar; die Vorgesetzten waren längst nicht mehr in der Lage, all das, was sie unterzeichneten, auch eingehend zu überprüfen, sie mußten sich auf ihre Zuarbeiter weitgehend verlassen 22. Die mit der Delegation verbundene Übertragung des Zeichnungsrechts auf die Sachbearbeiter legte damit nur offen, wer die Entscheidung tatsächlich getroffen hat.

I I . Führung der Verwaltung mit Delegation von Entscheidungsbefugnissen Während über die grundsätzliche Erforderlichkeit der Delegation von Entscheidungsbefugnissen und damit von Verantwortung Einigkeit besteht, ist deren konkrete Ausgestaltung umstritten 23 . 1. Starre Abgrenzung durch Ausschluß des Weisungsrechts im Einzelfall — das „Harzburger Modell" Durch besondere dogmatische Geschlossenheit zeichnet sich das von Höhn entwickelte sog. Harzburger Modell 2 4 aus. Es setzt voraus, daß jedem Mitarbeiter in einer Stellenbeschreibung 25 möglichst exakt abgegrenzte Aufgaben zugewiesen sind, die er selbständig zu erfüllen hat. Insbesondere ist dem Mitarbeiter die Rückdelegation verboten 26, d. h. er darf ihm zugewiesene Angelegenheiten nicht seinem Vorgesetzten zur Entscheidung vorlegen und sich so seiner Handlungsverantwortung entziehen. Umgekehrt soll es auch dem Vorgesetzten verwehrt sein, in die Entscheidungsfindung des Mitarbeiters einzugreifen, soweit jener die Grenzen seines Delegationsbereichs nicht überschreitet 27. In seiner Eigenschaft ist allein das sog. innerbehördliche Mandat von Bedeutung, das nach allgemeiner Meinung rechtlich unproblematisch zulässig ist, weil es die gesetzliche Zuständigkeitsordnung nicht aushöhlen kann und als organisatorische Notwendigkeit vom Gesetzgeber mit der Zuständigkeitsregelung grundsätzlich stillschweigend mit zugelassen ist 0Schenke, Delegation, S. 151; vgl. allerdings zu einem Fall der ausdrücklichen gesetzlichen Einschränkung BDH DÖV 1963, S. 144). 22 Vgl. auch Höhn, Dienstaufsicht, S. 8, der feststellt, daß wegen des Umfangs der Verwaltungstätigkeit eine „Totalkontrolle notwendig zur Lahmlegung der Verwaltung führen müßte" und die Verwaltung sich daher in der Praxis auch ohne die behördeninterne Delegation von Entscheidungsbefugnissen weitgehend auf eine Stichprobenkontrolle beschränkt. 23 Allgemein aus organisationswissenschaftlicher Sicht zur Delegation siehe Seidel / Redely Führungsorganisation, S. 35 ff. 24 Höhn, Verwaltung. 25 Dazu ausführlich Höhn, Stellenbeschreibungen. 26 Höhn, Verwaltung, S. 241 ff. 27 Dazu Höhn, Verwaltung, S. 301 ff.; Püttner weist daraufhin, daß dies „nach geltendem Staats- und Beamtenrecht kein definitives Verbot, sondern nur freiwillige Zurückhaltung sein kann" (Verwaltungslehre, § 16 II 4, S. 282).

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2. Teil 1. Abschnitt: Die Vorgesetztenkontrolle

als Vorgesetzter dürfe und müsse dieser allein seine Führungsaufgaben erfüllen, nämlich die sorgfältige Auswahl und Kontrolle der Mitarbeiter, Unterlassen einer Einmischung, Setzung von Zielen und Verhaltensrichtlinien, richtige Einführung, Information und eventuell Koordination 28 . Für die Erfüllung dieser Pflichten trägt er Führungsverantwortung. Der Vorgesetzte verletzt seine Führungspflichten also insbesondere auch dann, wenn er Angelegenheiten aus dem Delegationsbereich eines Mitarbeiters an sich zieht und selbst entscheidet; er kann hierfür verantwortlich gemacht werden. 2. Vorbehalte der Praxis gegen die dogmatisch starre Delegation Das Harzburger Modell ist in der Verwaltungspraxis nirgends geschlossen eingeführt worden 29 . Die KGSt. stellt fest, daß die „geschlossene Systematik, die die Strenge der Delegation zum Dogma erhebt, . . . den schwerfälligen Apparat der Verwaltung letztlich noch schwerfälliger machen (würde), anstatt ihn lebendiger und in der Abwicklung von Verwaltungsaufgaben flexibler und wirtschaftlicher zu gestalten."30 Sie erhebt außerdem rechtliche Bedenken insbesondere gegen das Verbot der Entscheidung des Vorgesetzten im Delegationsbereich des Mitarbeiters. Weiter wird kritisiert, daß die Dienstaufsicht und die Erfolgskontrolle in der von Höhn vorgeschlagenen Weise undurchführbar seien, weil Verwaltungsleistungen hierfür nicht genügend quantifizierbar seien31. Eine Auseinandersetzung damit, inwieweit die Bedenken gegen die Einführung des Harzburger Modells in der öffentlichen Verwaltung gerechtfertigt sind 32 , ist für die vorliegende Untersuchung nicht erforderlich. Hier geht es nämlich haupt28 Vgl. Höhn, Verwaltung, S. 352. 29 Zur „ E i n f ü h r u n g " des Harzburger Modells in der Bayerischen und Baden-Württembergischen Forstverwaltung sowie in einigen Landratsämtern vgl. VOllmuth, Leitung, Rn. 208; Bohret I Junkers, Führungskonzepte, S. 95; Lawt, Führung, S. 73: das Modell wurde nur mit erheblichen Abänderungen übernommen, insbesondere wurde auf Informationskataloge und Kontrollpläne verzichtet, die Änderung von Stellenbeschreibungen erleichtert und die Eingriffsmöglichkeit des Vorgesetzten bei außergewöhnlichen Fällen aufrechterhalten. 30 KGSt., Delegation, S. 14. 31 Ebenda. 32 Vgl. wiederum die Entgegnung Hohns auf die Kritik am Harzburger Modell durch die KGSt. (Höhn, Führungsprinzipien), die allerdings, wie Bohret / Junkers zutreffend feststellen, auf die rechtlichen und politischen Einwände der KGSt. nur ungenügend eingeht (Bohret I Junkers, Führungskonzepte; S. 96); das Harzburger Modell gegen die Einwände von Laux (Managementmodelle; mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur Kritik am Harzburger Modell in Fn. 13, S. 170) und der KGSt. verteidigend auch Schönfelder, Hierarchie (mit zahlreichen weiteren Nachweisen zu befürwortenden Stimmen in Fn. 3, S. 42); umfassende Kritik aus Sicht der betriebswirtschaftlichen Theorie und Praxis (mit empirischer Untersuchung in 13 Unternehmen) bei Guserl, Harzburger Modell; kritisch aus Sicht der öffentlichen Verwaltung Laux, Führung, S. 68 ff., 74 f.; Bohret / Junkers, Führungskonzepte, S. 88 ff.; Blume /Breuer, Das „Harzburger Modell", S. 31 ff.

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sächlich darum, die Vorgesetztenkontrolle innerhalb der heutigen Behördenstruktur zu untersuchen. Das Harzburger Modell markiert einen Extrempunkt der möglichen Gestaltung der Führungsstruktur und kann insofern als entgegenstehender Idealtypus zum rein „autoritären" Führungkonzept den Raum abstecken, innerhalb dessen die Führung der heutigen behördeninternen Verwaltungspraxis gestaltet wird. 3. Die in der Verwaltungspraxis heute übliche Delegationsregelung Die heutige Verwaltungspraxis ist durch eine weitgehende Delegation von Entscheidungsbefugnissen gekennzeichnet33, die aber nicht mit einem absoluten Eingriffsverbot für die Vorgesetzten verbunden ist. Es wird von diesem lediglich verlangt, nur in Ausnahmefällen im Delegationsbereich seiner Mitarbeiter zu entscheiden und von seinem Eingriffs- und Weisungsrecht nur sparsam Gebrauch zu machen34. Der Vorgesetzte soll seine Mitarbeiter also grundsätzlich in ihren Delegationsbereichen gewähren lassen35 — gerade auch dann, wenn „die delegierten Aufgaben nicht in der gleichen Weise ausgeführt . . . werden . . . , wie der Vorgesetzte selbst es getan hätte." 36 Die Umstände, unter denen der Vorgesetzte selbst entscheiden soll, werden unterschiedlich, aber selten trennscharf formuliert. Die KGSt. etwa sieht „erst" Anlaß für ein Eingreifen, wenn „Handlungen gegen Normen verstoßen oder aber unzweckmäßig und unwirtschaftlich sind." 37 Insbesondere die beiden letzten Kriterien sind derart weit und unbestimmt, daß sie nahezu jeden Eingriff des Vorgesetzten rechtfertigen. Besonders problematisch erscheint das Kriterium der "Unzweckmäßigkeit", weil die Einführung der Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf die Sachbearbeiterebene gerade auch auf die Einsicht gegründet ist, daß der Sachbearbeiter aufgrund seiner spezifischen Fachkenntnisse die 33 Vgl. VOllmuth, Leitung, Rn. 208 ff.; zu entsprechenden Richtlinien siehe Beyer, Führungsstil, S. 145 f.; Durié, Richtlinien, S. 65 f.; Gößl, Psychologie, Rn. 245 ff; zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen von Führungsrichtlinien im tatsächlichen Bereich siehe Eilsberger, Führungsrichtlinien, S. 324 ff. m. w. Nw. 34 Dazu Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 104: „Die besondere Aufgabenstellung der öffentlichen Verwaltung erfordert . . . eine flexible Handhabung der Delegation von Verantwortung. . . . Deshalb hat der Vorgesetzte . . . nach wie vor das Recht und die Pflicht, sich in besonderen Fällen bei begründetem Anlaß auch im Aufgabenkreis eines Mitarbeiters in die Bearbeitung einzuschalten, Weisungen zu geben oder sich die Zeichnung vorzubehalten. Derartige Eingriffe sollten sich aber auf Ausnahmefälle beschränken." Ähnlich schon die KGSt. (Delegation, S. 8): „Dem Vorgesetzten bleibt es unbenommen, in Ausnahmefällen abweichend von den festgelegten Funktionen selbst zu entscheiden." Auch Laux spricht sich dafür aus, insbesondere auch dem Verwaltungschef die Möglichkeit zu belassen, „auch im Einzelfall" durch eigene Entscheidung die Verantwortung zu übernehmen (Führungsmodelle, S. 171). 35 Vgl. ebenda Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 104. 3 6 KGSt., Delegation, S. 7. 37 Ebenda.

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2. Teil 1. Abschnitt: Die Vorgesetztenkontrolle

Zweckmäßigkeit von Einzelmaßnahmen oft besser beurteilen kann als der Vorgesetzte. Werden die Eingriffsvoraussetzungen in dieser Weise umschrieben, so ergibt sich aus ihnen kaum noch ein Unterschied zum herkömmlichen Weisungsund Eingriffsrecht des Vorgesetzten — es dürfte sich von selbst verstehen, daß dieser nicht tätig werden muß, wenn der Mitarbeiter recht- und zweckmäßig sowie wirtschaftlich handelt. Häufig wird das Eingriffsrecht in der Weise geregelt, daß der Vorgesetzte nur „in besonderen Fällen bei begründetem Anlaß" 3 8 im Delegationsbereich der Mitarbeiter entscheiden soll. Inhaltlich ähnlich sind auch negative Abgrenzungen, etwa die, daß der Vorgesetzte im delegierten Bereich „im Regelfall keine Entscheidungen"39 trifft. Diese Formulierungen legen zumindest das Prinzip offen, daß der Vorgesetzte in normalen „Alltagsangelegenheiten" nicht eingreifen soll, geben aber in zweifelhaften Fällen wenig Hilfe bei der Entscheidung, ob der Vorgesetzte nun tätig werden darf oder nicht. Nach einem Vorschlag Lechelers soll eine Einzelanweisung „beim Auftreten unvorhergesehener Fälle oder bei Planabweichungen"40 erfolgen, eine Entscheidung des Mitarbeiters dürfe der Vorgesetzte „nur aufheben, wenn diesem ein Verstoß gegen seine Dienstpflichten oder gegen materielles Recht nachgewiesen wird" 4 1 . Eine trennscharfe Abgrenzungsformel läßt sich wohl nicht finden. Folgendes sollte aber bedacht werden: die Rechtswidrigkeit einer Entscheidung des Mitarbeiters muß nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung immer zu einem Eingriff des Vorgesetzten berechtigen. Sofern der Vorgesetzte zu Unrecht die Rechtswidrigkeit annimmt, kann und muß der Mitarbeiter dies geltend machen, eventuell beim weiteren Vorgesetzten (sog. Remonstration). Hingegen sollte das Eingriffsrecht des Vorgesetzten hinsichtlich der Zweckmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit auf offenkundige Fehlentscheidungen beschränkt werden. Die Delegation von Entscheidungsbefugnissen beruht gerade auf der Erkenntnis, daß der Mitarbeiter für das „Alltagsgeschäft" oft die besseren Fachkenntnisse hat. In Hinblick darauf muß ihm ein gewisser Entscheidungsfreiraum eingeräumt werden, in den der Vorgesetzte nicht schon aufgrund geringfügiger Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit oder Wirtschaftlichkeit eingreifen sollte. Hierfür spricht auch, daß insgesamt gesehen der Schaden, den kleinliche Korrekturen in Hinblick auf die Motivation auslösen können, wahrscheinlich größer als der Nutzen im Einzelfall ist.

38 So etwa die Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 104, siehe Fn. 34. 39 So in 4.2.4 (6) 1 der Allgemeinen Dienstordnung der Stadt Nürnberg; ähnlich, aber nur als Soll-Vorschrift formuliert Nr. 4.3 der Ausführungsbestimmungen zur Dienstordnung der Regierung von Mittelfranken (vom 16. 5. 1977): „Die Vorgesetzten sollen in den Aufgabenbereich ihrer Mitarbeiter nicht durch Einzelweisungen eingreifen, wenn es sich um sog. Normalfälle handelt und der Mitarbeiter sachgerecht arbeitet.". Lecheler, Personalführung, S. 106. 4i Ebenda, S. 43.

Α. Führungskonzepte in der öffentlichen Verwaltung

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4. Die Hamburger Regelung des Zeichnungsrechts Auch die neuere Literatur hebt bei der Delegation besonders die Hamburger Regelung des Zeichnungsrechts hervor 42 . Der dadurch erweckte Eindruck, daß dort besonders weitgehend delegiert werde, ist irreführend. Das Hamburger Modell unterscheidet sich von dem Delegationsmodell, das etwa die KGSt. ursprünglich vorgeschlagen hat 43 , im weseiitlichen durch die dogmatische Konstruktion: Die KGSt. hat zunächst — vom traditionellen autoritativen Führungsmodell ausgehend — den Grundsatz der Entscheidungszuständigkeit des Behördenleiters aufrechterhalten und als „Ausnahme" hiervon den Mitarbeitern bestimmte Angelegenheiten zur selbständigen Entscheidung übertragen 44. Demgegenüber kehrt die Hamburger Regelung das Regel-Ausnahme-Schema um: Es gilt nun der Grundsatz, daß jeder Sachbearbeiter „für die Geschäftsvorfälle in seinem Aufgabengebiet zur Schlußzeichnung befugt (ist), s o w e i t . . . nichts anderes bestimmt ist." 4 5 Die Fälle, in denen der Behördenleiter oder andere Vorgesetzte ausnahmsweise die Schlußzeichnung vornehmen sollen, müssen besonders bestimmt werden 46 . Diese in der Konstruktion abweichende Lösung führt aber in der Praxis kaum zu Unterschieden 47. Insbesondere werden dem Behördenleiter und den Vorgesetzten auch bei der Hamburger Regelung das Recht zum Eingriff in den dem Mitarbeiter zugewiesenen Entscheidungsbereich im Einzelfall gewährt 48 . Allenfalls ist denkbar, daß Fälle, die bei der Delegationsregelung nicht bedacht worden sind, bei der „klassischen" Konstruktion beim Behördenleiter, bei der Hamburger Gestaltung dagegen vom Sachbearbeiter zu erledigen sind.

42 Vgl. etwa Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 507; VOllmuth, Leitung, Rn. 211. 43 KGSt., Delegation, S. 4 ff.; in einem späteren Bericht (Nr. 3 / 1975; S. 3 f.) befürwortet auch die KGSt. zumindest für das dort exemplarisch behandelte Bauordnungsamt die „Umkehr des Zeichnungsrechts" nach Hamburger Vorbild. 44 Ebenda, S. 8: „Die Sachbearbeiterfunktion und der Umfang der Entscheidungsbefugnisse sind im einzelnen durch Arbeitsplatzbeschreibungen festzulegen.". 45 Zif. Π 1 der Neuordnung des Zeichnungsrechts (abgedruckt bei KGSt., Delegation, Anlage 3, S. 36). 46 Vgl. Zif. II 3 der Neuordnung des Zeichnungsrechts (ebenda), in der es auch heißt: „Solche Ausnahmen sind nur in besonders begründeten Fällen vorzusehen und möglichst konkret zu beschreiben.". 47 Vgl. auch Bohret / Junkers, Führungskonzepte, S. 71 : „Bei konsequenter Durchführung unterscheiden sich Hamburger Regelung und KGSt-Vorschlag im Ergebnis nicht." Dem stimmt auch Vollmuth (Leitung, Rn. 211) zu, der allerdings meint, durch die „Umkehr" des Zeichnungsrechts sei in der Praxis einen schnellerer, wenn auch weniger behutsamer Umstellungsprozeß möglich. 48 Zif. II 4 der Neuordnung des Zeichnungsrechts (siehe Fn. 45): „Dem Behördenleiter und den Zwischenvorgesetzten bleibt es unbenommen, in außergewöhnlichen Einzelfällen über den generellen Ausnahmekatalog . . . hinaus Sonderregelungen zu treffen.".

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2. Teil 1. Abschnitt: Die Vorgesetztenkontrolle

5. Zusammenfassung zu den Führungskonzepten und insbesondere zur Delegation Wenn es nach all dem auch nicht möglich ist, „das" Führungsmodell der Praxis der öffentlichen Verwaltung allgemeingültig festzulegen 49, so läßt sich doch zusammenfassend eine Grundsituation darstellen, die als typisch für das formelle Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern angesehen werden kann: a) Die Befugnisse zur abschließenden Entscheidung sind weitgehend auf die Sachbearbeiter delegiert, soweit es um die üblichen laufenden Angelegenheiten geht 50 . Insoweit arbeiten die Mitarbeiter selbständig, ihnen ist die Schlußzeichnung zugewiesen. Meist ist dem Sachbearbeiter auch ausdrücklich die Rückdelegation verboten 51. b) Die Vorgesetzten als solche 52 haben spezielle Führungsaufgaben, insbesondere die sorgfältige Auswahl und Kontrolle der Mitarbeiter, Setzung von Zielen 49 Je nach ihrer Struktur finden sich bei den verschiedenen Behörden Besonderheiten, auf die im Interesse der Übersichtlichkeit der Darstellung nicht im einzelnen eingegangen werden kann. So findet sich in den Dienstordnungen von Gemeinden und Städten, einer in der Literatur vertretenen Meinung Rechnung tragend (vgl. etwa Bohret ! Junkers, Führungskonzepte, S. 91; Lawt, Führung, S. 70), etwa folgende Regelung: „Der Vorgesetzte trifft im Delegationsbereich seiner Mitarbeiter keine Entscheidungen. Im Rahmen der Verantwortlichkeit der kommunalen Wahlbeamten gegenüber dem Stadtrat sind jederzeit Ausnahmen möglich" (so Zif. 4.2.4 (6) der Allgemeinen Dienstordnung der Stadt Nürnberg). Diese Vorschrift bereitet auch rechtskundigen Mitarbeitern Kopfzerbrechen: Inwieweit die Verantwortlichkeit gegenüber dem Stadtrat Entscheidungen im Delegationsbereich erfordert, die sonst nicht vom Vorgesetzten getroffen werden dürfen, ist unklar (vgl. hierzu auch Schönfelder, Hierarchie, S. 65 ff., nach dessen Auffassung das Kommunalrecht überhaupt keine Eingriffszuständigkeiten in Delegationsbereich der Mitarbeiter fordert). Dieses Beispiel zeigt, daß die konkrete Führungskonzeption in einer Behörde immer nur mit Blick auf die jeweilige Dienstordnung beurteilt werden kann, diese allerdings oft Steine statt Brot gibt. 50 Aufgaben- und personenbezogene Kriterien zum Umfang der Delegation nennen Seidel / Redel, Führungsorganisation, S. 39 f. m. w. Nw. 51 Kritisch gegen die „einseitige Bindung des Mitarbeiters durch das Verbot der Rückdelegation" bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Weisungsbefugnis des Vorgesetzten Höhn, Führungsprinzipien, S. 51 ff.; dies führe zu einer „Anpassungsmentalität" an die vermutete Ansicht des Vorgesetzten, aus der sich, was „auf der Hand" läge, Gefahren für die Qualität der Verwaltungsleistung ergäben. Wenn man bedenkt, daß Höhn dem Vorgesetzten zwar die Weisungsbefugnis, nicht aber den Erlaß von Richtlinien und die Setzung von Zielen verwehren will, so erscheint jene Argumentation wenig konsequent: Wer annimmt, daß die „Anpassung" an vom Vorgesetzten gegebene Richtlinien und Ziele zweckmäßig ist, kann nicht zugleich die Anpassung an die Linie des Vorgesetzten, die in seinen Einzelweisungen zum Ausdruck kommt, ablehnen. Zu denken ist allenfalls an den von Mayntz beschriebenen Aufwand an Zeit und Energie, der mit dem „Erfühlen" vermuteter Ansichten verbunden ist (Kontrolle, S. 104 f.). Dies ist aber kein spezielles Problem der Weisungsbefugnis, sondern ein solches der Fremdkontrolle nach vorher nicht bekannten Kriterien (dazu bereits oben 1. Teil, 3. Abschnitt, D Π, S. 70 f.). 52 Soweit dem Vorgesetzten Entscheidungsbefugnisse belassen (bzw. — nach dem Hamburger Modell — zugewiesen) sind, hat er selbst Handlungsfunktionen und dementsprechend auch die Handlungsverantwortung.

Β. Die Kontrolle der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten

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und Verhaltensrichtlinien, richtige Einführung, Information und eventuell Koordination 53 . Für die Erfüllung dieser Pflichten tragen sie Führungsverantwortung. In ihrer Stellung als Vorgesetzte dürfen sie aber weiterhin durch Einzelanweisung oder eigene Entscheidung in den Delegationsbereich eingreifen, sollen dies allerdings auf besondere Ausnahmefälle beschränken. Insbesondere die unscharfe Beschreibung des Umfangs von Eingriffsrecht und -pflicht macht auch die der Praxis verständlicher, die Ausübung der Kontrolle durch den Vorgesetzten hänge von dessen persönlichem Stil ab.

B. Die Kontrolle der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten I. Erforderlichkeit der Vorgesetztenkontrolle bei Delegation von Entscheidungsbefugnissen Sowohl in der Literatur als auch in den Dienstordnungen und Richtlinien der Verwaltung wird betont, daß die Delegation von Entscheidungsbefugnissen und damit von (Handlungs-)Verantwortung die Kontrolle durch den Vorgesetzten nicht entbehrlich mache 54 . Die Kontrolle seiner Mitarbeiter gehört also weiterhin zu den Führungsaufgaben des Vorgesetzten. Dies hat im wesentlichen zwei Gründe: 1. Informationsgrundlage für Führungsentscheidungen Der Vorgesetzte kann seine Führungsaufgaben, etwa den richtigen Einsatz der Mitarbeiter, die Setzung von Zielen und das Aufstellen von Richtlinien, nur wahrnehmen, wenn er über die Delegationsbereiche informiert ist und deren wesentliche Probleme kennt. Diese Informationen kann er zum einen dadurch erlangen, daß seine Mitarbeiter sie ihm unaufgefordert geben55. Zum anderen 53 Dazu Höhn, Verwaltung, S. 352; KGSt., Delegation, S. 6; dies., Leitung, S. 3 ff.; Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 103. 54 So die Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 106, Zif. D I; KGSt., Delegation, S. 9, wonach die Fachaufsicht des Vorgesetzten und damit seine Kontrolltätigkeit „bei verstärkter Delegation von Entscheidungsbefugnissen zu intensivieren" sei; Höhn, Dienstaufsicht, S. 1; ders, Verwaltung, S. 214 („Delegation von Verantwortung bedingt eine exakte Handhabung der Kontrolle."). 55 In den Dienstordnungen werden die Mitarbeiter hierzu verpflichtet, so ζ. B. in Zif. 4.2.3 (6) der Allgemeinen Dienstordnung der Stadt Nürnberg: „Der Mitarbeiter hat seinem Vorgesetzten unaufgefordert die Informationen aus seinem Delegationsbereich zu geben, die der Vorgesetzte für den Gesamtüberblick und für seine eigenen Entscheidungen benötigt." Dazu auch Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 105, in denen es heißt, der Mitarbeiter habe seinen Vorgesetzten „über wichtige Entwicklungen und Entscheidungen in seinem Aufgabenkreis ..., insbesondere auch über dort auf getretene Schwierigkeiten, über vorhandene Rückstände und erhobene Beschwerden" zu unterrichten. „Er muß seinen Vorgesetzten über alle Angelegenheiten unterrichten, über die dieser Bescheid wissen muß, um entsprechend seiner Führungsverantwortung handeln

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2. Teil 1. Abschnitt: Die Vorgesetztenkontrolle

gibt aber die Kontrolle der Delegationsbereiche Aufschluß über dort bestehende Schwierigkeiten, die vom Vorgesetzten eine Führungsentscheidung verlangen 56. So kann die Kontrolle beispielsweise ergeben, daß ein Mitarbeiter mit den in seinem Aufgabenbereich anfallenden Angelegenheiten nicht ausgelastet ist und diesem daher weitere Aufgaben zugewiesen werden können 57 . Es kann sich zeigen, daß der Mitarbeiter sachlich überfordert ist; in diesem Fall wird der Vorgesetzte überlegen müssen, ob eine Fortbildung Abhilfe schaffen kann oder ob er eine Versetzung veranlassen muß. Die unterschiedliche Behandlung gleichgelagerter Fälle durch verschiedene Sachbearbeiter kann Anlaß für eine Richtlinie sein, die entweder festlegt, unter welchen Voraussetzungen wie zu entscheiden ist, oder die Mitarbeiter auffordert, sich gegenseitig über ihre Entscheidungspraxis zu informieren (Querinformation). 2. Geltendmachung von Verantwortlichkeit Die delegierte Verantwortung wird durch die Verantwortlichkeit für ein vorgabengerechtes Entscheiden abgesichert 58. Diese Absicherung wirkt zum einen repressiv über das Einstehenmüssen für Fehler, zum anderen präventiv, indem die potentiell drohende Haftung den Verantwortlichen dazu anhält, „verantwortlich", also den Vorgaben entsprechend zu handeln 59 . Wie bereits dargelegt 60 ist die Fremdkontrolle Voraussetzung der Geltendmachung der Verantwortlichkeit. Π . Bestimmungsfaktoren für Art und Umfang der Vorgesetztenkontrolle Die genannten Funktionen der Vorgesetztenkontrolle bei delegierter Entscheidungsbefugnis sind zugleich die Bestimmungsfaktoren für Art und Umfang der Kontrolle, da diese nur gerechtfertigt ist, soweit sie zur Erfüllung der Funktionen erforderlich ist. Dabei ist das Augenmerk auf die Informationsfunktion für Führungsentscheidungen zu richten. zu können"; ebenso in der Hamburger „Neuregelung des Zeichnungsrechts" (Zif. II Nr. 5 Satz 2) sowie bei KGSt., Delegation, S. 8. 56 Dazu Gößl Psychologie, Rn. 206. 57 Nach Erfahrungen der Praxis werden derartige Feststellungen allerdings meist nicht von den unmittelbaren Vorgesetzten in den Fachämtern gemacht, die tendenziell eher eine volle Auslastung oder Überlastung ihrer Mitarbeiter annehmen und auf Stellenvermehrung drängen. Die vorwiegend fachliche Orientierung verstellt oft den Blick für die Kosten und führt damit auch zu geringem Organisationsbewußtsein (vgl. dazu unten 2. Abschnitt A I 2 a). Eher ist eine Steigerung des Kostenbewußtseins im Fachamt von der globalen Kürzung bzw. Nichtauf Stockung der Haushaltsmittel zu erwarten (dazu unten 2. Abschnitt Β Π 1 b dd (1) ). 58 Siehe oben 1. Teil, 3. Abschnitt C I 4. 59 Siehe oben 1. Teil, 3. Abschnitt C II. 60 Siehe oben 1. Teil, 3. Abschnitt C I 1 .

Β. Die Kontrolle der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten

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Anlaß für derartige Führungsentscheidungen kann das Kontrollergebnis nur dann geben, wenn festgestellt wurde, daß die Arbeit des Mitarbeiters nicht vorgabengerecht ist (Soll-Ist-Abweichung) — sei es in Hinblick auf Ziele, auf einzuhaltende Verfahrens- oder Verhaltensregeln oder auf Konditionalprogramme. Die vom Vorgesetzten vorzunehmende Analyse der Abweichung kann die verschiedensten Ursachen aufdecken, die wiederum nach entsprechend unterschiedlichen Führungsentscheidungen verlangen. Will man also Anhaltspunkte für den konkreten Umfang und die Art der Vorgesetztenkontrolle erhalten, so ist zunächst zu ermitteln, welches Instrumentarium möglicher Führungsentscheidungen zur Verfügung steht und welche Abweichungsursachen damit beseitigt werden können. Die Führungsentscheidungen, die der Vorgesetzte treffen kann, können nach ihrem Inhalt und ihrer Wirkungsweise — ohne Anspruch auf Vollständigkeit — folgendermaßen eingeteilt werden 61 . 1. Setzen von Zielen Der Vorgesetzte kann konkrete Ziele setzen, die er als Unterziele aus den ihm und den Mitarbeitern vorgegebenen abstrakteren Zielen entwickelt 62 . Hierfür wird insbesondere dann Anlaß sein, wenn die Kontrolle ergibt, daß die Mitarbeiter Schwierigkeiten haben, sich selbst an den abstrakteren Zielen zu orientieren. Der Sachbearbeiter auf der untersten Hierarchiestufe muß sich bei fachlich schwierigen Teilaufgaben zu deren sachgerechter Erledigung stark spezialisieren 63 — gerade dann, wenn er nach Zweckprogrammen handeln soll und daher Prognosen über die Folgen der Entscheidungsalternativen erforderlich sind 64 . Von ihm kann meist nicht erwartet werden, daß er abstrakte Ziele, die oft noch in einem gegenseitigen Spannungsverhältnis stehen, zutreffend konkretisiert. Dem Sachbearbeiter fehlt oft der Überblick über die außerhalb seines Aufgabenbereichs liegenden Einflüsse auf die Verwirklichung der abstrakten Oberziele. In derartigen Fällen muß der Vorgesetzte konkretere Ziele setzen, an denen sich die Mitarbeiter orientieren können. Dabei muß die Konkretisierung nicht notwendig bis zur Operationalität im strengen Sinne gehen, sondern nur bis zu dem Grad, der als ausreichende Orientierungsgrundlage für die jeweiligen Mitarbeiter erforderlich erscheint. Zur Ermittlung dieses Grades kann die Kontrolle wertvolle Dienste leisten. Eine übermäßige Konkretisierung kann die Anpassungsfähigkeit der Mitarbeiter an sich ändernde Umstände unnötig erschweren 65. 61 Vgl. dazu auch KGSt., Leitung, S. 4 f. 62 Diese Führungsfunktion wird besonders vom sog. Management by Objectives betont, vgl. hierzu oben 1. Teil, 2. Abschnitt, Β III 5. 63 Vgl. dazu Kunze, Sachgerechtigkeit, S. 231. 64 Dazu bereits oben 1. Teil, 2. Abschnitt Β Π. 65 Zum Spannungsverhältnis zwischen Anpassungsfähigkeit und Operationalität der Zielformulierung bereits oben 1. Teil, 2. Abschnitt Β III 3 b.

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2. Teil 1. Abschnitt: Die Vorgesetztenkontrolle

Je nach Schwierigkeit, insbesondere nach dem Ausmaß sich gegenseitig behindernder Ziele, wird der Vorgesetzte die Entwicklung eines Zielsystems66 veranlassen oder aber ohne ein solches System einzelne Ziele vorgeben. Letzteres wird wegen des Aufwands, den die Erstellung eines Zielsystems erfordert, in der Praxis die Regel sein 67 . 2. Erlaß von Richtlinien zur Entlastung von Auslegungsschwierigkeiten Als weiteres Führungsinstrument kommt der Erlaß konditionalprogrammierender Richtlinien in Betracht. Auch sie geben dem Mitarbeiter eine Orientierungshilfe 6 8 . Eine solche Richtlinie kann etwa dazu dienen, den Mitarbeiter von Auslegungsschwierigkeiten bei bestimmten Rechtsnormen zu entlasten. Vor dem Erlaß derartiger Auslegungsrichtlinien wird es sinnvoll sein, die gutachtliche Stellungnahme des Rechtsamts bzw. des juristischen Staatsbeamten einzuholen. Insgesamt sollte aber sparsam und wohldosiert mit diesem Führungsmittel umgegangen werden. Richtlinien sind keine Arbeitserleichterungen für die Mitarbeiter, wenn sie ein so unübersehbares Ausmaß annehmen, daß sie bei wirtschaftlichem Arbeitsaufwand nicht mehr herangezogen werden können ("Dienst nach Vorschrift"!). 3. Verbesserung des Informationsflusses Zu den Führungsaufgaben gehört auch, die ausreichende Information der Mitarbeiter sicherzustellen 69. Dies kann entweder dadurch erfolgen, daß der Vorgesetzte den Mitarbeiter selbst informiert oder aber dadurch, daß er für einen verbesserten Informationsaustausch zwischen den Mitarbeitern sorgt (Querinformation). Derartige Führungsmaßnahmen sind dann veranlaßt, wenn die Kontrolle ergeben hat, daß die Abweichungen von den Vorgaben ihre Ursache in unzureichender Information haben. Hier ist anzumerken, daß die Information des Mitarbeiters über Vorfälle aus anderen Aufgabenbereichen diesen eventuell dazu befähigen kann, abstraktere 66

Zur Aufstellung eines Zielsystems siehe oben 1. Teil, 2. Abschnitt Β III 3 a. 67 Zum weitgehenden Fehlen von Zielsystemen in der Verwaltungspraxis siehe oben 1. Teil. 2. Abschnitt Β ΙΠ 4. 68 Die KGSt. spricht von „Hilfestellungen", die die Leitung den Mitarbeitern geben soll (Leitung, S. 5). 69 Entsprechende Verpflichtungen des Vorgesetzten finden sich regelmäßig auch in den Dienstordnungen, so beispielsweise in Zif. 4.2.4 (3) der Allgemeinen Dienstordung der Stadt Nürnberg: „Der Vorgesetzte ist verpflichtet, seinen Mitarbeitern rechtzeitig die Informationen zu geben, die sie zu einer sachgerechten Erfüllung ihrer Aufgaben brauchen." Hierzu auch Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 105, Zif. C I 2 a: der Vorgesetzte „muß sicherstellen, daß jeder Mitarbeiter die Informationen erhält, die er zur wirksamen Erfüllung seiner Aufgaben benötigt"; ebenso auch in der Hamburger „Neuregelung des Zeichnungrechts" (Zif. 2 Nr. 5 Satz 1) sowie bei KGSt., Delegation, S. 8.

Β. Die Kontrolle der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten

127

Zielvorgaben selbständig zu konkretisieren. Die Schwierigkeiten, derartige Ziele zu konkretisieren, ergeben sich, wie bereits angedeutet, ja vor allem aus dem fehlenden Gesamtüberblick des sachbearbeitenden Spezialisten70. Legt die Kontrolle also Orientierungsschwierigkeiten des Mitarbeiters offen, so kann diesen statt durch die Vorgabe konkreterer Unterziele möglicherweise auch durch verbesserte Information begegnet werden 71 . Ein Vorteil dieses Weges liegt in der Erhaltung der Anpassungsfähigkeit des Mitarbeiters, der allerdings damit erkauft werden muß, daß vom Mitarbeiter eine umfassendere und ihn dadurch stärker in Anspruch nehmende Informationsverarbeitung gefordert wird. 4. Koordination Eng mit der Frage des Informationsflusses hängt auch die Führungsaufgabe der Koordination zusammen. Wirken mehrere Mitarbeiter arbeitsteilig zur Erzielung eines (Gesamt-)Ergebnisses zusammen, so können bei der Kontrolle festgestellte Koordinationsmängel durch die Verbesserung des Informationsflusses (Selbstkoordination der Mitarbeiter durch Querinformation), durch Setzung von Unterzielen, durch Richtlinien oder durch Anweisungen behoben werden. 5. Einführung neuer Mitarbeiter Neue Mitarbeiter hat der Vorgesetzte in das ihnen zugewiesene Aufgabengebiet einzuführen. Die Kontrolle kann Anhaltspunkte für besondere Einarbeitungsschwierigkeiten liefern und damit zeigen, welche Erläuterungen noch erforderlich sind und worauf der Mitarbeiter besonders hingewiesen werden muß 72 . 6. Richtiger Einsatz der Mitarbeiter Der Vorgesetzte hat weiter dafür zu sorgen, daß die Mitarbeiter ihren Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechend eingesetzt werden. Auch hierfür können die aus der Kontrolle erlangten Informationen Grundlage sein. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der unmittelbare Vorgesetzte regelmäßig Entscheidungen über Beförderungen, Um- oder Versetzungen nicht selbständig treffen kann. Er muß vielmehr dem Behördenchef bzw. der hierfür zuständigen Querschnittsabteilung 70 Siehe oben 1. 71 Vgl. Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 105, Zif. C I 2 a: durch die Informationen „soll es den Mitarbeitern vor allem ermöglicht werden, ihren Beitrag so auszurichten, daß er sich in den Gesamtzusammenhang eines Aufgabenkomplexes einfügt. Darüber hinaus hat er (der Vorgesetzte) die Mitarbeiter auch über Zusammenhänge zu unterrichten, die über deren jeweiliges Aufgabengebiet hinausreichen.". 72 Vgl. hierzu die anschauliche praxisnahe Darstellung bei Wolf, Führungspraxis, S. 145 ff., der u. a. rät: „In der ersten Zeit wird man sich etwas öfter um ihn (den neuen Mitarbeiter) kümmern, ohne ihn jedoch zu bevormunden" (S. 147).

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2. Teil 1. Abschnitt: Die Vorgesetztenkontrolle

(etwa dem Personal- oder Organisationsamt) entsprechende Vorschläge unterbreiten. 7. Förderung der Mitarbeiter Zu den Führungsaufgaben gehört auch die Förderung der Mitarbeiter. Die Kontrolle kann Anhaltspunkte für besondere förderungswürdige Fähigkeiten, aber auch für Ausbildungsrückstände liefern. Diese Informationen sind Grundlage für die Entscheidung des Vorgesetzten, dem Mitarbeiter die Teilnahme an bestimmten Fortbildungsveranstaltungen vorzuschlagen 73. 8. Geltendmachung von Verantwortlichkeit Weiter gehört die Geltendmachung von Verantwortlichkeit 74 zu den Vorgesetztenaufgaben. Hierzu besteht dann Anlaß, wenn ein dem Mitarbeiter zurechenbarer Verstoß gegen Vorgaben festgestellt wird. Meist wird es in derartigen Fällen genügen, daß der Vorgesetzte den Mitarbeiter — unter vier Augen 75 — zur Beachtung der Vorgaben anhält und ihn auf mögliche Folgen weiterer Verstöße hinweist. Die Erwartung weiterer Kontrollen, die einschneidendere Maßnahmen nach sich ziehen können, wird oftmals genügen, um ein künftig vorgabengerechteres Handeln herbeizuführen (sog. Präventivwirkung 76 ). 9. Erstellen der dienstlichen Beurteilung Der unmittelbare oder der weitere Vorgesetzte erstellt faktisch auch die dienstliche Beurteilung von Beamten77. Dies kann er nur auf der Grundlage von Kontrollen 78 . Zutreffend stellt Geyer fest, daß es „bei der Leistungsbeurteilung letztlich um einen Fall des Soll/Ist-Vergleichs" 79 geht, es aber gerade hierfür an hinreichenden Maßstäben, insbesondere an bestimmten Leistungsvorgaben fehlt. 73

Vgl. auch Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 106, Zif. D II (Ziele der Kontrolle): Die Kontrolle soll „sowohl dem Vorgesetzten als auch dem Mitarbeiter Rechenschaft . . . über die Notwendigkeit und Möglichkeit zur Leistungsverbesserung geben, insbesondere auch durch die gezielte Entsendung zu Fortbildungsveranstaltungen. . 74 Dazu auch Fonk, Regierungspräsidenten, S. 189 unten. 75 Kritik sollte generell unter vier Augen geäußert werden, weil der Kritisierte dann eher zur Einsicht bereit sein wird und nicht vor anderen „am Pranger" steht; dies ist auch in Dienstordnungen niedergelegt, etwa in Zif. 4.2.4 (9) der Allgemeinen Dienstordnung der Stadt Nürnberg: „Kritik soll nicht in Gegenwart von Dritten geübt werden" (zur richtigen Ausübung von Kritik siehe von Fircks, Motivation, Rn. 490 f.; Kühler, Organisation Bd. 2, Rn. 839; Stopp, Mitarbeiter kritisieren, S. 20 ff. jeweils m. w. Nw.). ™ Hierzu bereits oben 1. Teil, 3. Abschnitt C Π. 77 Dazu GößU Psychologie, Rn. 327 ff.; Püttner, Verwaltungslehre, § 12 III 3, S. 214 f.; Lecheler, Verwaltungslehre, § 6 ΠΙ 6, S. 210 ff.; Köhnken / Kempf, Personalbeurteilungen, S. 142 ff. m. w. Nw.; auch unten 2. Abschnitt C II. ™ Vgl. Püttner, Verwaltungslehre, § 21 I 1, S. 351.

Β. Die Kontrolle der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten

129

Deshalb sollte sich der Vorgesetzte in besonderem Maße selbstkritisch fragen, welche Maßstäbe er tatsächlich zugrundelegt und ob diese sachgerecht sind. Die Kontrolle wirkt dysfunktional, wenn der Vorgesetzte „den unkritischen, loyalen und bienenfleißigen Mitarbeiter für »besser« (hält) . . . als seinen initiativenreichen, über neueste Methodenkenntnisse verfügenden und kritischen Kollegen." 80 Die Konzentration der Kontrolle auf,»korrekte" Kleidung, Loyalität, Fleiß, Pünktlichkeit usw., die in großen Organisationen häufig ist, ist regelmäßig Ausdruck von Bequemlichkeit und unzureichenden Vorstellungen über die Sachziele, deren Erreichen sich schwerer beurteilen läßt 81 . Solche Fehlgewichtungen wirken als Anreiz in die falsche Richtung und ersticken Initiative und „Kontrolle von unten" 82 . 10. Ausnahmsweise: Entscheidung im Delegationsbereich des Mitarbeiters Der Vorgesetzte ist nach der in der Verwaltungspraxis vorherrschenden Behördenorganisation berechtigt, ausnahmsweise auch im Delegationsbereich des Mitarbeiters zu entscheiden. Unter welchen konkreten Voraussetzungen er hierzu berechtigt ist, ist im einzelnen unterschiedlich, meist unscharf 83, teilweise gar nicht geregelt. Regelmäßig wird ein derartiger Eingriff aber wegen seiner demotivierenden Wirkung auf Fälle rechtswidriger oder offensichtlich zweckwidriger Entscheidungen des Mitarbeiters beschränkt bleiben müssen.

I I I . Folgerungen für Art und Umfang der Vorgesetztenkontrolle Anhand der bisher entwickelten Grundlagen lassen sich damit für Art und Umfang der vom Vorgesetzten auszuübenden Kontrollen über die Tätigkeit seiner Mitarbeiter folgende Feststellungen machen: 1. Keine Totalkontrolle a) Stichprobenkontrolle

im Delegationsbereich der Mitarbeiter

Die Vorgesetztenkontrolle kann bei Delegation von Entscheidungsbefugnissen, soweit sie Einzelentscheidungen der Mitarbeiter (Fachaufsicht) oder ihr Verhalten (Dienstaufsicht) prüft 84 , immer nur Stichprobenkontrolle sein 85 . Dies wird in den 79

Geyer, Personalsteuerung, S. 92. Mayntz y Funktionen, S. 381; dazu auch Luhmann, Verwaltungsreform, S. 333. si Vgl. Pippke, Karrieredeterminanten, S. 44. 82 Dazu näher unten 5. Abschnitt III. 83 Dazu oben A II 3. 84 Etwas anderes gilt für die spätere Erfolgskontrolle hinsichtlich der tatsächlichen Zielerreichung, dazu allgemein oben 1. Teil, 2. Abschnitt Β Π. 80

9 Strößenreuther

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2. Teil 1. Abschnitt: Die Vorgesetztenkontrolle

Dienstordnungen auch ausdrücklich so geregelt 86. Andernfalls würde die Delegation ihre Zwecke verfehlen: Sie soll u. a. die Mitarbeiter durch die Möglichkeit zu eigenverantwortlichem Handeln zu verbesserter Arbeitsleistung motivieren, in dem sie deren Bedürfnis nach Selbstverwirklichung und -bestätigung befriedigt 87 . Dies geschieht auch durch die Anerkennung, die in dem mit der Delegation entgegengebrachten Vertrauen zum Ausdruck kommt 88 . Diese Wirkungen würden sich nicht entfalten, wenn der Vorgesetzte jede Entscheidung des Mitarbeiters überprüfen würde. Ein derartiges Vorgehen würde zu Recht als Ausdruck des Mißtrauens aufgefaßt werden 89 , weil eine Totalkontrolle zur Erlangung der Information, die für die Führungsfunktionen benötigt werden, nicht erforderlich ist. Dies gilt auch hinsichtlich des dem Vorgesetzten verbleibenden Eingriffsrechts. Aus diesem darf, will man nicht die ganze Delegation in Frage stellen, nicht abgeleitet werden, daß der Vorgesetzte jede Einzelentscheidung seiner Mitarbeiter kontrollieren muß oder auch nur darf. Das Recht zur Entscheidung im Delegationsbereich des Mitarbeiters verbleibt dem Vorgesetzten allein zu dem Zweck, Fehlentscheidungen zu korrigieren, die aus Anlaß von in Hinblick auf andere Führungsfunktionen durchgefühlten Kontrollen entdeckt worden sind. Im übrigen zwingt auch die Entlastung des Vorgesetzten, die durch die Delegation von Entscheidungsbefugnissen erreicht werden soll, zu einer Beschränkung der Kontrolltätigkeit auf Stichproben. b) Begrenzte Kontrolle auch hinsichtlich der Entscheidungsentwürfe der Mitarbeiter Eine Entlastung des Vorgesetzten erfolgt aber nicht nur durch Delegation von Entscheidungsbefugnissen, sondern auch in den Bereichen, in denen der Vorgesetzte selbst entscheidungsbefugt ist. Hier findet meist eine Entscheidungsvorbereitung durch Mitarbeiter statt 90 , in der diese die maßgeblichen Informationen auswählen und damit faktisch (Vor-)Entscheidungen treffen, auch wenn der Vorgesetzte an diese Informationsauswahl formal nicht gebunden ist. Dies wird 85 So auch KGSt., Delegation, S. 10; Höhn, Verwaltung, S. 215; ausführlich ders., Dienstaufsicht, S. 134 ff. (Anm.: Höhn verwendet die Dienstaufsicht als Oberbegriff für die Aufsicht über fachliches Handeln und persönliches Verhalten.); Gößl, Psychologie, Rn. 209. 86 Z. B. § 11 Abs. 2 Satz 2 der Dienstordnung für die Regierung von Mittelfranken vom 16. 5. 1977: „Im Regelfall soll sich die Kontrolle auf einzelne Angelegenheiten beschränken.". 87 Siehe oben. 88 Vgl. etwa Zif. 4.2.1 (2) der Allgemeinen Dienstordnung der Stadt Nürnberg: „Die Delegation von Entscheidungsbefugnissen beruht auf Vertrauen.". 89 Dies führt wiederum zur Verschlechterung des Betriebsklimas und damit zur Verschlechterung der Zusammenarbeit (vgl. zu den sog. dysfunktionalen Wirkungen der Fremdkontrolle oben 1. Teil, 3. Abschnitt D). 90 Dazu KGSt., Chefentlastung, S. 8.

Β. Die Kontrolle der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten

131

deutlich, wenn man die Anforderungen der KGSt. an die vom Mitarbeiter vorzulegenden Entwürfe betrachtet: Danach sollen die Mitarbeiter einen eindeutig formulierten Vorschlag entwickeln, „dem der Vorgesetzte zustimmen oder den er ablehnen kann. Dabei sind Alternativen erwünscht. Argumente sind aufzuzählen und gegeneinander abzuwägen. . . . Die schriftlichen Ausarbeitungen müssen so kurz wie eben möglich und ohne Akteneinsicht verständlich sein. Bei mehrseitigen Ausarbeitungen müssen Zusammenfassungen oder Hervorhebungen der wesentlichen Aussagen das schnelle Studium sicherstellen." 91 Bei einer derartigen Vorlage wird sich der Vorgesetzte weitgehend darauf verlassen, daß sein Mitarbeiter die Informationen zutreffend verdichtet hat—andernfalls würde der Vorgesetzte durch die Vorbereitung nicht entlastet. Der Vorgesetzte wird also vielfach nur noch eine Plausibilitätskontrolle vornehmen, wozu die KGSt. in anderem Zusammenhang treffend feststellt: „Plausibel ist nicht immer richtig, sondern nur einleuchtend. . . . In Anbetracht des Ausbildungsniveaus sollte auch alles plausibel sein, was die Mitarbeiter erarbeiten." 92 Der Mitarbeiter trägt daher auch bei der Ausarbeitung von Entscheidungsentwürfen erhebliche Verantwortung, obwohl er formal nicht entscheidungsbefugt ist 93 . Auch hinsichtlich der entscheidungsvorbereitenden Tätigkeit des Mitarbeiters gilt damit der bereits allgemein dargelegte Grundsatz der „unvermeidlichen Selektivität" von Fremdkontrollen 94. 2. Art und Umfang der Stichprobenkontrolle Die konkrete Entscheidung darüber, in welchen Bereichen wie häufig Stichprobenkontrollen durchzuführen sind und ob sie angekündigt oder überraschend erfolgen sollen, ist davon abhängig zu machen, wo ein Bedürfnis für Führungsentscheidungen zu erwarten ist. Ausgehend von den in Betracht kommenden Entscheidungsinhalten95 lassen sich dazu folgende Grundsätze aufstellen: a) Vermehrte Kontrollen sind vor allem dort geboten, wo mit besonderen Schwierigkeiten zu rechnen ist, die durch allgemeine Entscheidungen und Richtlinien des Vorgesetzten verringert werden können. So wird der Vorgesetzte etwa darauf zu achten haben, ob die Mitarbeiter schwierige Rechtsprobleme bewältigen müssen und dies ohne klarstellende Richtlinien gelingt. Besondere Aufmerksam91 Ebenda. 92 KGSt., Delegation — Kontra und Pro, S. 12. 93 Die KGSt. bezeichnet diese Verantwortung für „die rechtlich und sachlich richtige, vollständige und rechtzeitige Erledigung der Arbeit", die unabhängig von der formalen Befugnis zur abschließenden Entscheidung besteht, als „Zuständigkeitsverantwortung" (Delegation, S. 6); Höhn kritisiert diesen Begriff als „terminologischen Fehlgriff 4 (Führungsprinzipien, S. 67 f.) und hält im übrigen eine Unterscheidung zwischen Verantwortung für abschließende Entscheidungen und Entscheidungsvorbereitung für überflüssig. 94 Siehe oben 1. Teil, 3. Abschnitt B. 95 Siehe oben II. 9*

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2. Teil 1. Abschnitt: Die Vorgesetztenkontrolle

keit verdient dabei die Anwendung novellierten Rechts, auf die die Mitarbeiter noch nicht „eingespielt" sind. b) Speziell problemverdächtig sind weiter Bereiche, in denen den Mitarbeitern nur relativ abstrakte Zweckvorgaben vorgegeben sind, eine weitere Konkretisierung aber grundsätzlich möglich erscheint 96. Hier ist zu prüfen, ob die Mitarbeiter Orientierungsschwierigkeiten haben und daher konkreterer Zielvorgaben bedürfen oder ob sie die bereits gegebenen Vorgaben trotz ihrer Abstraktheit ohne Probleme umsetzen. Indizien für eine unzureichende Zielvorgabe können dabei auch Motivationsmängel der Mitarbeiter sein, die sich darin äußern, daß sie „nicht so recht wissen, was die Arbeit überhaupt soll". Dementsprechend gelten konkret formulierte Ziele nicht nur als Mittel, mit denen die Erreichung übergeordneter Ziele erleichtert werden kann, sondern auch als Instrumente zur Motivation, „weil dadurch der Wille geweckt wird, das Mögliche zur Zielerreichung zu tun." 9 7 c) In Hinblick auf einen besonderen Koordinierungsbedarf sind dort verstärkt Stichprobenkontrollen veranlaßt, wo mehrere Sachbearbeiter gleichgelagerte Fälle behandeln (ζ. B. Sozialhilfeanträge, die nach den Anfangsbuchstaben der Namen der Antragsteller verschiedenen Sachbearbeitern zur Erledigung zugewiesen sind). Hier ist zu überprüfen, ob eingeräumtes Ermessen gleichartig ausgeübt wird. Ist dies nicht der Fall, so sind aus rechtlichen Gründen (Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG) Koordinierungsmaßnahmen 98 geboten. d) Vermehrte Kontrolle kann auch in Bereichen erforderlich sein, bei denen die Gefahr von Interessenkollisionen (im weitesten Sinne) groß ist, sei es aus Eigeninteresse am Entscheidungsinhalt, sei es wegen des großen Aufwands, den eine sorgfältige Aufgabenerledigung mit sich bringt, welcher einem Bequemlichkeitsstreben zuwiderlaufen kann. Hier ist die Kontrolle mit Blick auf ihre Präventivwirkung geboten99. Soweit allerdings erkennbar vorrangig zu diesem Zweck kontrolliert wird, ist es besonders wichtig, die Kontrollen losgelöst von der Person des einzelnen Mitarbeiters bei allen gleichartig Beschäftigten mit gleicher Intensität und Häufigkeit durchzuführen. Nachdem in diesen Fällen schon offensichtlich ist, daß die Kontrolle deshalb durchgeführt wird, weil man an der unumschränkt freiwilligen Leistungsbereitschaft zweifelt, muß wenigstens vermieden werden, 96 Wo eine Konkretisierung von vorneherein für kaum möglich gehalten wird (insbesondere im Bereich mancher Sozialarbeit, etwa bei der Betreuung von Familien in Obdachlosenlagern), ist eine Kontrolle trotz unzureichender Zielkonkretisierung weitgehend nutzlos. 97 KGSt., Chefentlastung, Anlage 3 (Motivationsfaktoren, die vom Chef beeinflußt werden können), S. 19; vgl. allerdings zu in der Literatur geäußerten Bedenken gegen die motivierende Wirkung vorgegebener, aber auch vereinbarter Ziele Bohret / Junkers, Führungskonzepte, S. 100 f. (m. w. Nw.). 98 Zu den verschiedenen Möglichkeiten der Koordinierung vgl. oben Π 4. 99 Zur Präventivwirkung und den Bereichen, in denen sie sich entfalten kann, siehe oben 1. Teil, 3. Abschnitt C II.

Β. Die Kontrolle der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten

133

daß die Kontrollmaßnahmen als Ausdruck persönlichen Mißtrauens aufgefaßt werden 100 . e) Besondere Kontrollmaßnahmen sind schließlich in der Einarbeitungszeit eines Mitarbeiters veranlaßt, damit sich der Vorgesetzte über die Notwendigkeit weiterer Einweisungsmaßnahmen und Informationen des neuen Mitarbeiters ins Bild setzen kann. Soweit keine der genannten Umstände vorliegen, wird sich der Vorgesetzte auf wenige Kontrollen beschränken können. Aus den Führungsaufgaben des richtigen Einsatzes der Mitarbeiter sowie ihrer Förderung und ihrer Motivation lassen sich keine besonderen Kriterien für die Art und Häufigkeit der Kontrolle ableiten. Der Vorgesetzte muß insoweit lediglich seinen allgemeinen Informationsbedarf decken, den er benötigt, um den Gesamtüberblick zu bewahren. Dabei ist zu berücksichtigen, daß nach allgemeiner Erfahrung häufig „das subjektive Informationsbedürfnis ungleich höher ist als der objektiv von der Aufgabenerfüllung her notwendige Informationsbedarf." 101 Diese Erkenntnis sollte zur Zurückhaltung bei Fremdkontrollen mahnen, die keinen Bezug zur Erfüllung einer konkreten Führungsaufgabe haben. Dabei ist auch zu bedenken, daß Fremdkontrolle auch dysfunktionale Wirkungen entfalten kann 1 0 2 und daß die zur Erfüllung der eigenen Aufgaben nicht erforderliche Information die Aufnahme- und Verarbeitungskapazität nutzlos bindet. Hinsichtlich der Befriedigung des Informationsbedarfs ist darüber hinaus zu berücksichtigen, daß die Mitarbeiter ohnehin zur unaufgeforderten Information des Vorgesetzten verpflichtet sind, soweit dies für dessen Gesamtüberblick erforderlich ist 1 0 3 . Der Vorgesetzte muß also zur Absicherung des notwendigen Informationsflusses sein Augenmerk nur darauf richten, ob die Mitarbeiter dieser Verpflichtung nachkommen oder ob ihm für die Führung wichtige Informationen vorenthalten werden. Stellt er letzteres fest, so muß er den Mitarbeitern darlegen, in welchem Maße und über welche Angelegenheiten er informiert werden soll.

IV. Kontrollmittel Kontrollmittel können nicht als abschließender Katalog aufgezählt, sondern nur beispielhaft angeführt werden 104 .

loo Vgl. die Überlegungen zu den dysfunktionalen Wirkungen der Fremdkontrolle oben 1. Teil, 3. Abschnitt D. ιοί So die KGSt., Chefentlastung, S. 5. 102 Siehe oben 1. Teil, 3. Abschnitt D. 103 Dazu oben I 1, Fn. 55 . 104 So auch die Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 107.

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2. Teil 1. Abschnitt: Die Vorgesetztenkontrolle

1. Vorlage der Ein- und Ausgangspost Die Vorlage der Ein- und Ausgangspost ist ein klassisches Kontrollmittel des Vorgesetzten. Während früher die Post oft noch vollständig über den Schreibtisch des Vorgesetzten wanderte, wird — parallel zur Erweiterung der Delegation von Entscheidungsbefugnissen — auch dieses Informations- und Kontrollmittel nur noch selektiv eingesetzt. a) Behandlung der Eingangspost Bei der Behandlung der Eingangspost läßt sich in der Praxis die generell geregelte Verteilung und die speziell angeordnete Vorlage unterscheiden. aa) Generelle Regelung der Verteilung der Eingangspost Für die Verteilung der Eingangspost kennen die Dienstordnungen regelmäßig relativ eingehende Regelungen. Hier geht es vor allem darum, daß die Eingänge möglichst schnell demjenigen zugeleitet werden, der sie bearbeiten soll 1 0 5 . Die Verteilungskriterien sind daher primär aufgabenbezogen, an die oberen Hierarchieebenen sollen neben speziell definierten Arten von Schreiben vor allem solche von „besonderer Wichtigkeit" oder „grundsätzlicher Bedeutung" geleitet werden 106 . Die Verteilungskriterien haben nur teilweise einen besonderen Bezug zur Kontrollaufgabe des Vorgesetzten gegenüber den ihm nachgeordneten Mitarbeitern. Ein solcher besteht insbesondere bei der Behandlung von Beschwerden, die regelmäßig höherrangigen Verwaltungsangehörigen vorzulegen sind (etwa den Referenten 107 oder Abteilungsleitern) 108 . Hier kann die Kontrolle durch die Öffentlichkeit zum Auslöser für eine behördeninterne Kontrolle werden 109 . Daneben ist oft (noch) die Vorlage der gesamten Eingangspost an den unmittelbaren Vorgesetzten der „untersten" selbständig entscheidenden Sachbearbeiter 105 Eine knappe Darstellung des typischen Verteilungssystems findet sich bei Wolf, Führungspraxis, S. 64. 106 Vgl. etwa § 17 Abs. 2 Satz 1 der Dienstordnung für die Regierung von Mittelfranken: „Eingänge von grundsätzlicher Bedeutung oder besonderer Wichtigkeit sowie Post der obersten Staatsbehörden und der Rechnungsprüfungsämter werden dem Regierungsvizepräsidenten zur Durchsicht vorgelegt.". 107 So etwa in Zif. 6.3.2.9 (2) der Allgemeinen Dienstordnung der Stadt Nürnberg. los Vgl. auch KGSt., Delegation, S. 10, wonach Beschwerden grundsätzlich dem weiteren Vorgesetzten vorzulegen sind. 109 Vgl. dazu auch Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 509 (insbesondere zur Dienstaufsichtsbeschwerde als Anlaß für eine behördeninterne Kontrollmaßnahme); Püttner weist daraufhin, daß in manchen Bereichen, etwa bei den Lehrern, behördeninterne Kontrollen fast nur nach externer Beschwerde (etwa seitens der Eltern der Schüler) durchgeführt werden (Verwaltungslehre, S. 338, Fn. 4).

Β. Die Kontrolle der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten

135

vorgesehen 110. Die KGSt. sieht eine derartig umfassende Eingangsdurchsicht durch den Vorgesetzten auch bei der Delegation von Entscheidungsbefugnissen vor, weil diese dem unmittelbaren Vorgesetzten „einen Überblick über die vom Sachbearbeiter eigenverantwortlich und abschließend zu entscheidenden Arbeiten sowie über die Tätigkeiten, in denen der Sachbearbeiter vorbereitend arbeitet", verschafft 111 . Dieses Verfahren wird scharf kritisiert von Höhn 112, nach dessen Auffassung darin eine „Totalkontrolle des Mitarbeiters" 113 liegt, die mit der Forderung der Begrenzung der Vorgesetztenkontrolle auf Stichproben, die auch die KGSt. vertritt 1 1 4 , unvereinbar sei. Diese Argumentation leuchtet nicht ein: mittels der Durchsicht der Eingangspost wird gerade nicht die Tätigkeit des Mitarbeiters kontrolliert, weil die Eingänge nicht von diesem gefertigt worden sind. Vorlage der gesamten Eingangspost stellt daher als solche noch keinen Widerspruch zum Grundsatz der Stichprobenkontrolle bei Delegation von Entscheidungsbefugnissen dar. Gewichtiger sind dagegen die Bedenken Wolfs, der die Vorlage des gesamten Posteinlaufs beim Vorgesetzten ablehnt, weil sie „immer wieder zum Hineinregieren verleitet" und eine der Ursachen der „schon beinahe sprichwörtlichen Überbelastung der Vorgesetzten" sein dürfte 115 . Aus diesen Gründen sollte im einzelnen überprüft werden, inwieweit die Post nicht doch direkt an die Sachbearbeiter geleitet werden kann. Der Gesamtüberblick über die Tätigkeit der Mitarbeiter wird vielfach auch über deren ohnehin bestehende Informationsverpflichtung 116 abgesichert sein. Die Praxis hält dennoch vielfach an der umfassenden Vorlage fest, wobei die Dienstordnungen in der Regel Spielräume für eine abweichende Regelung enthalten 117 . Diese sollten in Hinblick auf die genannten Bedenken genutzt werden 118 .

u° Beispiele: „Die Eingänge werden dem Dienststellenleiter sofort vorgelegt, sofern er nichts anderes bestimmt hat" (Zif. 6.3.2.9 (3) 1 der Allgemeinen Dienstordnung der Stadt Nürnberg). „ . . . obliegt die Durchsicht der Eingänge dem Sachgebietsleiter", wobei allerdings für „'bestimmte Arten von regelmäßig wiederkehrendem Schriftverkehr (ζ. B. formblattmäßige Mitteilungen)... die unmittelbare Zuleitung an die zuständigen Sachbearbeiter vorgesehen werden" soll (§17 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 der Dienstordnung für die Regierung von Mittelfranken). m KGSt., Delegation, S. 10. 112 Höhn, Führungsprinzipien, S. 75 ff. 113 Ebenda, S. 77. 114 KGSt., Delegation, S. 10. h 5 Wolf, Führungspraxis, S. 64. 116 Dazu oben I 1, Fn. 55. 117 Auch die Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien (S. 107, Zif. D VII), geht davon aus, daß die Eingangspost — anders als die Ausgangspost — "schon im üblichen Postlauf über den Vorgesetzten geleitet" werden kann (allerdings nicht muß). us Vgl. auch Gößl, Psychologie, Rn. 240.

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2. Teil 1. Abschnitt: Die Vorgesetztenkontrolle bb) Besondere Anordnung der Vorlage

Neben der Zuleitung der Eingangspost an den Vorgesetzten im Rahmen des allgemeinen Postlaufs ist in den Dienstordnungen üblicherweise auch vorgesehen, daß sich Abteilungsleiter, Referenten oder sonstige Vorgesetzte die Durchsicht der Eingangspost stichprobenweise vorbehalten können. In Betracht kommen dabei Anordnungen für bestimmte Schreiben oder aber eine Vorlage der gesamten Eingangspost „in einem bestimmten, begrenzten Zeitraum" 119 . b) Behandlung der Ausgangspost Für die Ausgangspost ist dagegen im allgemeinen nicht vorgesehen, sie stets vollständig über den Vorgesetzten zu leiten. Dies würde in der Tat dem Grundsatz der Stichprobenkontrolle 120 bei delegierten Entscheidungsbefugnissen widersprechen, da die Ausgangspost ja die Entscheidungen der Mitarbeiter beinhaltet. Hier erscheint nur eine selektive Kontrolle durch Anordnung der Vorlage der Ausgangspost für einen festgelegten, begrenzten Zeitraum angemessen121. Dagegen ist es in Hinblick auf die Delegation von Entscheidungsbefugnissen zumindest problematisch, die Vorlage bestimmter Arten von Schreiben anzuordnen. Der Vorgesetzte zieht in diesem Fall keine Stichprobe, die definitionsgemäß eine zufällige, möglichst repräsentative Auswahl aus einer Grundgesamtheit (hier der Gesamtheit des Handelns des Mitarbeiters) ist, sondern kontrolliert gezielt bestimmte, nicht repräsentative Entscheidungen. Dadurch verengt der Vorgesetzte faktisch den Delegationsbereich des Mitarbeiters und überschreitet damit seine Kompetenzen, da die Einteilung oder Änderung der Delegationsbereiche zumindest die Mitwirkung der Behördenleitung oder des Hauptamts bzw. des Organisationsamts (Organisationsabteilung) voraussetzt 122. 2. Zeichnungsvorbehalt Die KGSt. und teilweise auch die Verwaltungspraxis sieht — trotz der Delegation von Entscheidungsbefugnissen — die Möglichkeit ausdrücklicher Zeichnungsvorbehalte im Einzelfall vor 1 2 3 . Ein solcher Vorbehalt stellt — anders als

H9 So die Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 107, Zif. D VII. 120 Siehe oben ΠΙ 1 a. 121 So die Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 107, Zif. D VII; die KGSt. schlägt die „Vorlage der Ausgangspost eines oder mehrerer Tage" vor (Delegation, S. 10). 122 So fordert etwa Zif. 4.2.2 (3) der Allgemeinen Dienstordnung der Stadt Nürnberg das „Einvernehmen mit dem Organisationsamt"; nach dem Vorschlag der KGSt. ist die Arbeitsplatzbeschreibung, die den Delegationsbereich festlegt, „nach Vorbereitung durch das Fachamt vom Hauptamt vollständig und eindeutig aufzustellen, weil andernfalls der Effekt der Neuordnung gefährdet werden könnte" (Delegation, S. 9).

Β. Die Kontrolle der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten

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die bloße Durchsicht der Ausgangspost — bereits einen Eingriff in den Delegationsbereich dar, der folgerichtig nur unter den hierfür erforderlichen Voraussetzungen erfolgen darf. Diese sind, wie bereits dargelegt 124 , in der Praxis nur unscharf oder überhaupt nicht definiert. Geht man aber davon aus, daß ein Eingriff erst bei rechtswidrigem oder offenkundig zweckwidrigem oder unwirtschaftlichem Handeln des Mitarbeiters gerechtfertigt ist 1 2 5 , so bestehen gegen das „Kontrollmittel" des Zeichnungsvorbehalts erhebliche Bedenken: Der Zeichnungsvorbehalt wird angebracht, bevor der Mitarbeiter überhaupt entschieden hat (regelmäßig bereits bei der Durchsicht der Eingangspost). Mit Anbringung des Vorbehalts bindet sich der Vorgesetzte selbst. Die Schlußzeichnung soll nämlich zum Ausdruck bringen, daß der Zeichnende die Entscheidung voll verantwortet 126 . Will der Vorgesetzte diesem Anspruch gerecht werden, so muß er die spätere „Vorlage" (Entscheidung) des Mitarbeiters schon dann ändern, wenn er eine andere Entscheidung für auch nur geringfügig zweckmäßiger hält. Gerade solche Eingriffe sind aber bei der Delegation, die dem entscheidungsbefugten Sachbearbeiter einen gewissen eigenen Ermessenspielraum einräumen soll, zu vermeiden. Daher sollte auf den Zeichnungsvorbehalt möglichst verzichtet werden. Fällt die Angelegenheit in den Delegationsbereich des Mitarbeiters, so ist davon auszugehen, daß der Mitarbeiter kraft seines Fachwissens zur selbständigen Entscheidung in der Lage ist. Besonderen Schwierigkeiten, etwa bei der Handhabung bestimmter Rechtsnormen, kann der Vorgesetzte auch ohne Eingriff in die Einzelfallentscheidung mit allgemeinen Richtlinien begegnen. Sofern dies nicht möglich erscheint, muß der Delegationsbereich verändert werden. 3. Gespräch mit dem Mitarbeiter Als Kontrollmittel kommt schließlich auch das Gespräch mit dem Mitarbeiter in Betracht, das eventuell mit einem Besuch in dessen Dienstzimmer verbunden werden kann 127 .

123 KGSt., Delegation, S. 10; ebenso die Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 104, Zif. Β Π 1 b, die allerdings ausdrücklich anordnet, daß vom Zeichnungsvorbehalt nur sparsam Gebrauch gemacht werden soll. 124 Siehe oben Α Π 3. 125 Ebenda. 126 So auch Duric, Richtlinien, S. 65; Gößl, Psychologie, Rn. 230 ff.; Fonk stellt zutreffend fest, daß die „sogenannten Zeichnungsvorbehalte . . . in Wirklichkeit . . . Entscheidungsvorbehalte" sind (Regierungspräsidenten, S. 195); die Kerngedanken der motivierenden Wirkung der Delegation sind ihm allerdings fremd (die Schrift stammt aus dem Jahre 1967). Jedenfalls findet er es nicht bedenklich, daß sich „der spezielle Zeichnungsvorbehalt auch auf... einfach gelagerte und unbedeutende Vorgänge beziehen (kann), wenn sie nur das Interesse des Vorbehaltsberechtigten finden" (S. 198). 127 Vgl. Landesregierung Baden-Württemberg, Leitlinien, S. 107, Zif. D VII; Duric, Richtlinien, S. 67; allgemein zu Mitarbeitergespräch und -besprechung Quiskamp, Steuerungselemente, S. 13 m. w. Nw.

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2. Teil 1. Abschnitt: Die Vorgesetztenkontrolle

Besondere Bedeutung kommt dabei dem sog. Beurteilungsgespräch zu, das in § 54 Abs. 1 Satz 2 BayLbV ausdrücklich vorgesehen ist 1 2 8 und die dienstliche Beurteilung erst zu einem effektiven Kommunikations- und Führungsmittel 129 macht. Das Gespräch wird regelmäßig nicht von dem formell beurteilenden Dienstvorgesetzten, sondern von dem unmittelbaren oder weiteren Vorgesetzten des Beurteilten geführt 130 , der die Beurteilung auch faktisch angefertigt hat 131 . Ein gut vorbereitetes, überlegt und in Ruhe geführtes Beurteilungsgespräch 132 kann nicht nur die Akzeptanz der Bewertung erhöhen 133 , sondern auch Gelegenheit geben, die Ursachen für etwa nachlassende Leistungen des Mitarbeiters aufzuklären 134. Es ist damit ein wichtiges Instrument der Abweichungsanalyse und damit der Kontrolle. Nur wenn der Vorgesetzte die Ursachen mangelhafter Leistungen seiner Mitarbeiter kennt, kann er sachgerechte und hinreichend konkrete Führungsentscheidungen treffen. Er kann den Mitarbeiter dann beispielsweise auf bestimmte Weiterbildungsmöglichkeiten hinweisen oder ihm empfehlen, den Rat von Fachleuten (ζ. B. eines Arztes oder Psychologen) einzuholen; ein zu weites Eindringen in die Privatsphäre sollte allerdings vermieden werden 135 . In der Literatur werden darüber hinaus regelmäßige informelle Personalführungsgespräche zwischen Vorgesetztem und nachgeordnetem Mitarbeiter empfohlen 1 3 6 . Diese sollen über Einzelgespräche aus besonderem Anlaß 1 3 7 hinausgehen und „einer zusammenfassenden abschnittsweisen Erörterung von Fragen der Führung und Zusammenarbeit, der Zielsetzung und Zielerreichung sowie . . . der Beurteilung dienen" 138 . Solche Gespräche haben den Vorteil, daß Fehlentwicklungen schneller erkannt werden können und dem relativ seltenen Beurteilungsgespräch die Dramatik des „singulären Ereignisses" genommen wird. Die Praxis ist aber von der regelmäßigen und gründlichen Durchführung solcher Vorgesetzten-Mitarbeiter-Gespräche weit entfernt 139 . Zum einen scheuen die ι2« Siehe dazu auch Zif. 1.5 der materiellen Beurteilungsrichtlinien (MAB1. 1984, S. 131). 129 Dazu unten 2. Abschnitt C II 1 b. 130 Vgl. Zif. 1.5 Satz 6 der materiellen Beurteilungsrichtlinien (MAB1. 1984, S. 131). 131 Dazu unten 2. Abschnitt C Π 2. 132 Dazu Stopp, Beurteilungsgespräche, S. 268 ff. 133 Dazu Wolff/ Göschel, Beurteilung, S. 36: Wenn der Vorgesetzte „beispielsweise im Beurteilungsgespräch nicht in der Lage (ist), seine Beurteilung mit entsprechenden Tatsachen zu belegen,. .. dann kann die Beurteilung im Ergebnis durchaus richtig sein, beim Beurteilten entsteht trotzdem das Gefühl der Unzufriedenheit.". 134 Wolff/ Göschel, Beurteilung, S. 38. 135 Stopp, Beurteilungsgespräche, S. 269. 136 Reichard, Plädoyer, S. 197 (m. w. Nw.); Kühler, Bonner Modell, S. 99. 137 Anlaßgebundene Gespräche sind auch in den materiellen Beurteilungsrichtlinien in, Zif. 1.5 vorgesehen (MAB1. 1984, S. 131): „Der Vorgesetzte soll die Mitarbeiter bei Anlaß auf Mängel in ihren Leistungen hinweisen. Das Gespräch ist insoweit ein wichtiges Fühningsmittel" (Hervorhebung von mir). 138 Reichard, Plädoyer, S. 197 (Hervorhebung von mir).

Β. Die Kontrolle der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten

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Vorgesetzten die Gespräche: Vor allem in Großorganisationen versuchen Vorgesetzte oft, ihre, Arbeitsbeziehungen auf einer betont rational-mechanischen Ebene (zu) belassen, die Untergebenen als Objekte (zu) betrachten und sich nicht in ihre Schicksale verwickeln (zu) lassen." 140 Der Gefahr, in einem ausführlicheren Gespräch auch auf die persönliche Situation des Mitarbeiters eingehen zu müssen, wollen sich viele Vorgesetzte nicht aussetzen. Auch fällt es ihnen schwer, Schwächen eines Mitarbeiters offen anzusprechen 141 und Konfrontationen in Kauf zu nehmen l42 . Schließlich fürchtet der Vorgesetzte oft auch, daß ihm in einer Diskussion die Argumente ausgehen könnten, weil er vom Mitarbeiter und seiner Tätigkeit zu wenig weiß. Diese gesprächsverhindernde Unsicherheit ist ihrerseits auf den mangelnden bisherigen Kontakt zurückzuführen 143, so daß sich der Teufelskreis schließt. Wegen der Bedeutung des Gesprächs für die Kontrolle, insbesondere für die Feststellung der Ursachen unzureichender Leistungen, ist es wichtig, Vorgesetzten in der Aus- und Fortbildung zu vermitteln, welchen Stellenwert Personalführungsgespräche haben, wie sie zu führen sind und worauf der Vorgesetzte besonders achten sollte 144 . V. Beobachtungsfehler Die Vorgesetztenkontrolle ist besonders anfällig für Fehlbewertungen, die sich allerdings zumindest einschränken lassen, wenn der Vorgesetzte sich bewußt ist, wodurch die objektive Bewertung verzerrt werden kann. Als typische Beobachtungsfehler kommen in Betracht 145 : 1. Die Verhaltensweisen eines anderen, die von ihm erwartet werden, werden besonders intensiv wahrgenommen, die erwartungswidrigen dagegen übersehen oder umgedeutet (Hypothesen-Theorie der sozialen Wahrnehmung). 139

Vgl. dazu Wolff / Göschel, Beurteilung, S. 38, wonach Fünf- oder Zehn-MinutenGespräche die Regel seien (Ergebnis aus der Befragung von Führungskräften); nach Banner, Personal- und Organisationspolitik, S. 114, findet ein Beurteilungsgespräch, „wenn überhaupt, nur als oberflächliche Pflichtübung statt.". 140 Bosetzky, Zur Maxime, S. 197. 141 Kübler, Bonner Modell, S. 97. 142 Zur Chance für eine sachgerechte Entscheidung, die darin liegt, einen Konflikt offen auszutragen, vgl. Bosetzky I Heinrich, Mensch, S. 171 ff.; vgl. allerdings andererseits Köhler, Uberprüfung, S. 712 f. zu den negativen Reaktionen, mit denen bei der Eröffnung von Beurteilungen zu rechnen ist ("... bis hin zu — und das durchaus nicht selten — Verbalinjurien gegen den Beurteiler, gegen Lieferanten von Beurteilungsbeiträgen oder den eröffnenden Beamten ..."). 143 Vgl. Banner, Personal- und Organisationspolitik, S. 115, wonach die bis zur „Berührungsangst" gehende Kontaktscheu „ein unglaublich weit verbreitete(s) Verhaltensmuster" sei. 144 Einen knappen Leitfaden liefert Stopp, Beurteilungsgespräche, S. 268 ff. 145 Dazu eingehend Köhnken / Kempf, Personalbeurteilungen, S. 213 ff.; Wolff l Gosche l, Beurteilung, S. 37; Gößl, Psychologie, Rn. 363 ff. (mit Vermeidungsstrategien unter Rn. 383 f.).

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2. Teil 1. Abschnitt: Die Vorgesetztenkontrolle

2. Die Feststellung eines Handelns, das in einer bestimmten Situation erfolgt ist, wird unzutreffend verallgemeinert. So kann etwa zu beobachten sein, daß ein Mitarbeiter mehrere Arbeiten nur widerwillig ausführt. Der Vorgesetzte schließt nun auf eine allgemein geringe Arbeitsbereitschaft. Tatsächlich wurzelte der Widerwillen aber nur darin, daß die Arbeiten eintönige Routinetätigkeiten waren. 3. Der entgegengesetzte Beobachtungsfehler liegt dann vor, wenn von einem allgemeinen Eindruck auf bestimmte Einzelmerkmale geschlossen wird (sog. Halo-Effekt). 4. Aus persönlicher Sympathie oder Antipathie kann sich ein Milde- bzw. Strengeeffekt ergeben. 5. Schließlich wird häufig das eigene Verhalten unbewußt oder auch bewußt als „Normal"-Maßstab zugrundegelegt.

VI. Soll-Maßstäbe: Was hat der Vorgesetzte im Rahmen der Aufsicht zu prüfen? Die Maßstäbe, anhand deren der Mitarbeiter zu kontrollieren ist, ergeben sich aus dessen jeweiligem Aufgabenbereich. Der Vorgesetzte kontrolliert im Rahmen der Fach- und Dienstaufsicht die Einhaltung sämtlicher für den Mitarbeiter maßgeblichen Vorgaben; es versteht sich von selbst, daß diese hier nicht konkret aufgezählt werden können. In Anlehnung an Wolf 146 soll aber eine allgemeine Übersicht gegeben werden, die mit Hilfe der jeweiligen Anforderungen der von den Mitarbeitern besetzten Stellen im Einzelfall konkretisiert werden kann. Dabei kann unterschieden werden zwischen der Tätigkeit des Mitarbeiters als Sachbearbeiter und derjenigen als (Zwischen-)Vorgesetzter, sofern ihm noch Mitarbeiter nachgeordnet sind. 1. Kontrolle hinsichtlich der Tätigkeit des Mitarbeiters als Sachbearbeiter Bei der Tätigkeit des Mitarbeiters als Sachbearbeiter wird sich die Aufmerksamkeit des kontrollierenden Vorgesetzten auf unterschiedliche Gesichtspunkte richten: Der Vorgesetzte kann sich auf die sachgerechte Einzelfallbearbeitung, die Entwicklungsfähigkeit und -bereitschaft des Mitarbeiters in seinem Aufgabenbereich, seine Leistungen für die innerbehördliche Zusammenarbeit oder auf sein allgemeines Verhalten konzentrieren. Diese Einteilung bildet allerdings nur gewisse Schwerpunkte, sie darf nicht dazu führen, wechselseitige Zusammenhänge 146 Wolf Führungspraxis, S. 235 ff. (Anhang Nr. 2: Was ist im Rahmen der Aufsicht zu prüfen?).

Β. Die Kontrolle der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten

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außer acht zu lassen. So wird etwa nur der Mitarbeiter optimale Entscheidungen treffen, der sich bei Kollegen über bedeutsame Entwicklungen informiert und der sich fachlich und rechtlich auf dem Laufenden hält. a) Kontrolle der Einzelfallbearbeitung In bezug auf die Bearbeitung der Einzelfälle ist zu fragen, ob der Mitarbeiter die anhängigen Fälle bearbeitet und, soweit er hierzu befugt ist, entschieden hat. Dabei lassen sich folgende Gesichtspunkte hervorheben: aa) Sind die Angelegenheiten rechtmäßig und zweckdienlich behandelt? Von Bedeutung ist dabei neben der Beachtung der Gesetze, Verordnungen und Satzungen auch die von internen Richtlinien und Zielsetzungen. Weiter ist auf die Bearbeitungszeit zu achten: Ist sie generell unangemessen lang oder wurden Termine nicht eingehalten (Rechtzeitigkeit)? Schließlich ist auch zu prüfen, ob die Aktenführung in Ordnung ist; dabei sind nicht nur Unterlassungen zu beachten, sondern auch übermäßige Umständlichkeit, die wegen des damit verbundenen Zeitaufwands unwirtschaftlich ist. bb) Soweit der Mitarbeiter selbst entschieden hat, ist zu prüfen, ob dies von seiner Entscheidungsbefugnis gedeckt war. b) Kontrolle des Mitarbeiterverhaltens hinsichtlich der Entwicklung seines Aufgabenbereichs Der Mitarbeiter hat aber nicht nur die Einzelfälle als solche zu bearbeiten, sondern auch für eine effektive Gestaltung seiner Aufgabenerledigung insgesamt Sorge zu tragen. In diesem Zusammenhang ist besonders zu prüfen: aa) Hat der Mitarbeiter sich um Verbesserungsmöglichkeiten in seinem Aufgabenbereich bemüht, insbesondere auch hinsichtlich organisatorischer Fragen? Dabei ist insbesondere auch zu prüfen, ob er kritiklos an sachlich überholten Verfügungen oder (Unter-) Zielsetzungen festhält. Er darf sich über diese zwar nicht stillschweigend hinwegsetzen, muß aber ihre Aufhebung anregen, wenn er feststellt, daß diese Vorgaben nicht mehr zweckdienlich sind 147 . bb) Hält sich der Mitarbeiter über rechtliche und sachliche Weiterentwicklungen in seinem Aufgabenbereich auf dem Laufenden? Indizien für Mängel in diesem Bereich können sich aus der Einzelfallbearbeitung, aber auch im Gespräch ergeben.

147 Siehe oben 1. Teil, 2. Abschnitt C II.

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2. Teil 1. Abschnitt: Die Vorgesetztenkontrolle

c) Kontrolle des Mitarbeiters

hinsichtlich seiner Kooperationspflichten

Der Mitarbeiter ist weiter zur kooperativen Zusammenarbeit mit seinen Kollegen und Vorgesetzten verpflichtet. Dies erfordert neben einem offenen Erfahrungsaustausch insbesondere die Erfüllung von Informationspflichten und die selbständige Entscheidung im Rahmen der delegierten Entscheidungsbefugnis. aa) Ist der Mitarbeiter seiner Informationspflicht nach oben (gegenüber dem Vorgesetzten) und quer (gegenüber gleichgeordneten Mitarbeitern und anderen Abteilungen) nachgekommen? Dabei ist vor allem danach zu fragen, ob der Mitarbeiter dem Vorgesetzten bedeutsame Entwicklungen mitgeteilt hat, die letzterer kennen muß, um den Gesamtüberblick zu behalten. Hat der Mitarbeiter selbst bei Nachbarstellen oder seinem Vorgesetzten Informationen eingeholt, die für die sachgerechte Arbeit in seinem Aufgabenbereich erforderlich sind? bb) War der Mitarbeiter bereit, die ihm übertragene Verantwortung zu übernehmen? Hier ist zu fragen, ob der Mitarbeiter versucht hat, Entscheidungsbefugnisse zurückzudelegieren oder Angelegenheiten, die in seinen Aufgabenbereich fallen, auf andere Stellen „abzuschieben". d) Kontrolle des Verhaltens im allgemeinen Schließlich ist noch darauf zu achten, ob der Mitarbeiter sich allgemein angemessen verhalten hat, insbesondere auch im Umgang mit Bürgern. Dabei ist zu bedenken, daß sich hier je nach Aufgabenbereich durchaus unterschiedliche Anforderungen ergeben können und dem Mitarbeiter, soweit der Vorgesetzte keine sachlichen Gründe für ein bestimmtes Auftreten, bestimmte Kleidung etc. darlegen kann, hier auch ein gewisser Freiraum gegeben werden sollte. Es ist zu bedenken, daß eine Kritik an „Äußerlichkeiten" leicht als Gängelung empfunden wird, zumal wenn sie nicht überzeugend begründet werden kann. 2. Kontrolle des Mitarbeiters hinsichtlich der Erfüllung seiner Aufgaben als Vorgesetzter Soweit der Mitarbeiter nicht nur sachbearbeitend tätig ist, sondern auch selbst (Zwischen-)Vorgesetzter ist, ist auch die Einhaltung der sich hieraus ergebenden Pflichten zu kontrollieren. Insofern kann auf die bereits in Hinblick auf die Kontrollfunktion knapp skizzierten Führungsaufgaben (Setzung von Zielen, Erlaß von Richtlinien, Erteilung von Weisungen, Information, Koordination, Einführung neuer Mitarbeiter) 148 verwiesen werden. Daneben sind noch zu nennen: 148 Siehe oben II.

Β. Die Kontrolle der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten

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— Schaffung eines guten Arbeitsklimas, — richtige Ausübung der Kontrolle im Rahmen der Fach- und Dienstaufsicht, — Respektierung der Delegationsbereiche der Mitarbeiter (d. h. keine Eingriffe ohne hinreichenden Grund, keine Totalkontrolle des Handelns der Mitarbeiter). V I I . Kontrollplan und Kontrollakte In der Literatur werden gelegentlich die Schaffung eines Kontrollplanes und das Anlegen einer Kontrollakte empfohlen 149 . Der für jeden unterstellten Mitarbeiter anzulegende Kontroll/?/