Die Behandlung von Mängeln der Abwägung bei der Aufstellung von Bauleitplänen im Planerhaltungssystem des EAG Bau [1 ed.] 9783428531011, 9783428131013

Fatoş Özdemir widmet sich der Frage, ob die durch das BVerwG geprägte Abwägungsdogmatik durch das Europarechtsanpassungs

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Die Behandlung von Mängeln der Abwägung bei der Aufstellung von Bauleitplänen im Planerhaltungssystem des EAG Bau [1 ed.]
 9783428531011, 9783428131013

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1148

Die Behandlung von Mängeln der Abwägung bei der Aufstellung von Bauleitplänen im Planerhaltungssystem des EAG Bau Von

Fatos¸ Özdemir

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

FATOS¸ ÖZDEMIR

Die Behandlung von Mängeln der Abwägung bei der Aufstellung von Bauleitplänen im Planerhaltungssystem des EAG Bau

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1148

Die Behandlung von Mängeln der Abwägung bei der Aufstellung von Bauleitplänen im Planerhaltungssystem des EAG Bau

Von

Fatos¸ Özdemir

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Process Media Consult GmbH, Darmstadt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13101-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

¹Bei der Planung geht es durchweg um einen Ausgleich mehr oder weniger zahlreicher, in ihrem Verhåltnis zueinander komplexer Interessen, die çberdies meist in eigentçmlicher Weise miteinander verschrånkt sind, so daû dem einen Interesse nichts zugestanden werden kann, ohne in einer Art Kettenreaktion zahlreiche andere Interessen zu berçhren.ª BVerwG, Urteil vom 30. 04. 1969 ± 4 C 6.68.

Vorwort Mein Dank gilt an erster Stelle Herrn Professor Dr. Wolfram Cremer für die Betreuung der Promotion, die weiterführenden Diskussionen und Anregungen. Die Tätigkeit an seinem Lehrstuhl als Wissenschaftliche Mitarbeiterin hat mich geprägt und zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Auch hierfür möchte ich mich bei ihm bedanken. Herrn Professor Stefan Huster danke ich für die sehr zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Herrn Paul Malek und Herrn Thorsten Wonhöfer danke ich für ihre konstruktiven Anmerkungen nach dem Lesen der ersten Fassung des Manuskripts. Ebenso gilt mein Dank Frau Eva Garbers und Frau Dr. Julia Drolshagen für ihre Mühe beim Korrekturlesen der Arbeit. Vor allem aber gebührt mein Dank meiner Familie, die mich während der gesamten Zeit unterstützt hat und niemals Zweifel an der Fertigstellung der Arbeit aufkommen lassen hat. Meiner Nichte Dilara und meinem Neffen Volkan danke ich für ihre Geduld, die sie mir gegenüber aufgebracht haben. Meinen Eltern möchte ich dafür danken, dass sie stets an mich glauben und mich in meinen Entscheidungen bestärken und unterstützen. Ihnen ist die Arbeit gewidmet. Bochum, im September 2009

Fatos¸ Özdemir

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einleitung

15

A. Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Anlass des EAG Bau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Überblick über die wesentlichen Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 B. BauGB 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 C. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Zweiter Teil Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

23

A. Grundlagen des bauplanerischen Abwägungsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Verortung und Natur des Abwägungsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Kollision von Belangen: Konkurrierend oder konfligierend? . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Konkurrierende Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Konfligierende Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 III. Unterscheidung zwischen Handlungs- und Kontrollnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 B. Phasen der Abwägung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Zusammenstellung des Abwägungsmaterials: Ermittlung und Einstellung der Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Gewichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Planerische Gestaltungsfreiheit oder objektives Gewicht der Belange . . . . . . . . 35 2. Verhältnis öffentlicher zu privaten Belangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

12

Inhaltsverzeichnis III. Ausgleich bzw. Abwägung i. e.S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Verhältnis von Abwägung i. e.S. zur Gewichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 a) Notwendigkeit einer eigenständigen Abwägungsentscheidung? . . . . . . . . . . 37 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

C. Kontrolle der planerischen Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Kontrollmaßstab: Abwägungsfehlerlehre nach der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 34, 301 ff.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Kontrolldichte: Keine eigenständige Kategorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 III. Abwägungsfehler im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Abwägungsausfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Abwägungsdefizit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. Abwägungsfehlgewichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4. Abwägungsdisproportionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 IV. Anwendung der Abwägungsfehlerlehre auf Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis – Kritische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. BVerwGE 45, 309 ff., Flachglasentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Begriffe des Abwägungsvorgangs und des Abwägungsergebnisses . . . . . . . . 51 b) Bedeutung für den Kontrollmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c) Diskussion um die Theorie der Doppelprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 aa) Begründungsansätze für die Doppelprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (1) Ibler: Unterschiedliche Kontrollgegenstände für Vorgangs- und Ergebniskontrolle bei identischen Kontrollmaßstäben . . . . . . . . . . . . 56 (2) Funke: Identischer Prüfungsmaßstab aufgrund einer ex-ante- und ex-post-Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (3) Erbguth: Unterschiedlicher maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . 58 bb) Abwägungskontrolle beschränkt auf Abwägungsvorgang oder Abwägungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (1) Koch: Lehre von der Begründungs- und Begründbarkeitskontrolle . 60 (2) Heinze: Beschränkung der Rechtsbindung auf das Abwägungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 cc) Eigener Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Aufgabe der Unterscheidung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

Inhaltsverzeichnis

13

Dritter Teil Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

70

A. Grundlagen der Planerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I. Durchbrechung des Nichtigkeitsdogmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 III. Intention des EAG-Bau-Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 B. Systematik der Planerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I. Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 II. Verletzung materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 III. Systematik im Hinblick auf Abwägungsmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) Rechtslage vor dem Inkrafttreten des EAG Bau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Rechtslage seit dem Inkrafttreten des EAG Bau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB: Verletzung von § 2 Abs. 3 BauGB . . . . . . . . . 81 a) Bestimmung des rechtlichen Gehalts: Verfahrensvorschrift oder Vorschrift mit materiell-rechtlichem Charakter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 aa) Begriff der Verfahrensvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 bb) Lösungsansätze in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (1) Verfahrensrechtliche Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (2) Differenzierende Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (3) Materiell-rechtliche Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 cc) Eigener Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (1) Wortlaut von § 2 Abs. 3 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (2) Bedeutungszusammenhang im Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (a) Verhältnis von § 2 Abs. 3 BauGB zu § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (b) Wortlaut des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . 94 (aa) Zutreffende Ermittlung und Bewertung im Sinne materieller Richtigkeit und Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (bb) Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (c) Verhältnis von § 2 Abs. 3 BauGB zu § 1 Abs. 7 BauGB . . . . . . 95 (aa) Ermittlung des Abwägungsmaterials . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (bb) Bewertung des Abwägungsmaterials . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

14

Inhaltsverzeichnis (3) Entstehungsgeschichte und Regelungsabsichten des Gesetzgebers . . 99 (a) Unabhängige Expertenkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (b) Gesetzentwurf der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (c) Spätere Aufnahme des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB . . . . . . . 101 b) Ergebnis und Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. „Übrige Mängel“ des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB – Erfordernis oder Überfluss? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Handlungsperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Einstellung von Belangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 bb) Ausgleich i. e.S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Kontrollperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 c) Relevanz der Unterscheidung bei gleicher Fehlerfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4. Behandlung von Mängeln des Abwägungsergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 IV. Rügefrist des § 215 BauGB im Hinblick auf Abwägungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Bisherige Rügefristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Rügefrist für Mängel im Abwägungsvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Rügefrist für Mängel im Abwägungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

Vierter Teil Fazit im Hinblick auf die herkömmliche Abwägungsterminologie und Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

116

A. Terminologische Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 B. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

Erster Teil

Einleitung A. Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) I. Anlass des EAG Bau Am 20. 07. 2004 ist das Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuches an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau) in Kraft getreten.1 Das Ziel war die Anpassung des nationalen Rechts des Städtebaus und der Raumordnung an die Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme2, sog. Plan-UP-Richtlinie, und an die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten3, sog. Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie. Neben der Anpassung an die Richtlinien waren weitere Gesetzesänderungen im BauGB geplant. Insbesondere sollten Rechtsgrundlagen für den Stadtumbau und Maßnahmen der „Sozialen Stadt“ geschaffen werden. Ferner wurde die Vereinfachung des Bauplanungsrechts beabsichtigt. Zur Vorbereitung des EAG Bau wurde eine Unabhängige Expertenkommission einberufen, die Vorschläge zur Novellierung des Baugesetzbuchs unterbreitet hat.4 In Bezug auf das vorhandene System der Planerhaltung konstatierte die Expertenkommission ein kasuistisch geprägtes Recht der Planerhaltung, verursacht durch mehrfache Baurechtsnovellen. Um weitere kasuistische und differenzierende Regelungen zu vermeiden, sollte nach der Vorstellung der Kommission die Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien zum Anlass genommen werden, „die bisherige Kasuistik auf die sie tragenden Prinzipien zurück-

1

Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuches an EU-Richtlinien, BGBl. I S. 2414. ABl. EG Nr. L 197 vom 21. 07. 2001 S. 30. 3 ABl. EG Nr. L 156 vom 25. 06. 2003 S. 17. 4 Vgl. Bericht der Unabhängigen Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs. 2

16

1. Teil: Einleitung

zuführen und damit das Recht der Planerhaltung zu vereinfachen und überschaubarer zu gestalten.“5

II. Überblick über die wesentlichen Änderungen Das EAG Bau hat § 2 Abs. 3 BauGB novelliert.6 Die „Verfahrensgrundnorm“7 enthält als wesentliche Anforderungen, dass bei der Aufstellung der Bauleitpläne die für die Abwägung bedeutenden Belange (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten sind. Für die Belange des Umweltschutzes findet sich eine Konkretisierung in § 2 Abs. 4 BauGB. Danach hat die Gemeinde für jeden Bauleitplan eine Umweltprüfung8 als regelmäßigen Bestandteil des Planaufstellungsverfahrens durchzuführen, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden. Gemäß der neu eingeführten Regelung des § 4c BauGB haben die Gemeinden die erheblichen Umweltauswirkungen, die auf Grund der Durchführung der Bauleitpläne eintreten, zu überwachen, um insbesondere unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen frühzeitig zu ermitteln und in der Lage zu sein, geeignete Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen. Ebenfalls durch das EAG Bau neu eingeführt wurde § 6 Abs. 5 S. 3 BauGB, wonach dem Flächennutzungsplan eine zusammenfassende Erklärung über die Art und Weise, wie die Umweltbelange und die Ergebnisse der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung in dem Flächennutzungsplan berücksichtigt wurden, beizufügen ist. Darüber hinaus soll dargelegt werden, aus welchen Gründen der Plan nach Abwägung mit den geprüften, in Betracht kommenden anderweitigen Planungsmöglichkeiten gewählt wurde. Eine entsprechende Erklärung ist auch dem Bebauungsplan beizufügen, § 10 Abs. 4 BauGB. Im Zusammenhang mit der Neufassung der Vorschriften über die Bauleitplanung war, nicht zuletzt wegen der Einführung des neuen § 2 Abs. 3 BauGB, die Anpassung der Planerhaltungsvorschriften notwendig. Dementsprechend enthält § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB eine Beachtlichkeitsregelung mit Bezug auf § 2 Abs. 3 BauGB. Eine weitere wesentliche Änderung im Zuge des EAG Bau hatte § 215 BauGB, der die Fristen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften regelt, erfahren. Danach galt für die Geltendmachung der Verletzung beachtlicher Fehler i.S.v. § 214 BauGB eine einheitliche Frist von zwei Jahren. Diese Frist ist durch das Gesetz

5 Bericht der Unabhängigen Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs, Rn. 123 f. 6 Sofern nicht näher gekennzeichnet, sind die zitierten Vorschriften des BauGB Normen des genannten Gesetzes i. d. F. der Bekanntmachung vom 23. 09. 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Artikel I des Gesetzes vom 21. 12. 2006 (BGBl. I S. 3316). 7 So die ausdrückliche Bezeichnung in der Begründung des Regierungsentwurfs BTDrs. 15/2250, S. 42. 8 Zur Umweltprüfung in der Bauleitplanung eingehend Uechtritz, BauR 2005, 1859 ff.

B. BauGB 2007

17

zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21. 12. 2006 auf ein Jahr herabgesetzt worden.9 Die bisherige Unterscheidung des § 47 Abs. 5 VwGO a.F. zwischen Nichtigkeit und Unwirksamkeit als Rechtsfolge eines Verstoßes der im Normenkontrollverfahren zu überprüfenden Norm wurde aufgegeben. Nach der alten Rechtslage hatte jeder Verstoß gegen höherrangiges Recht grundsätzlich die Nichtigkeit der Norm zur Folge und führte demgemäß zur Nichtigerklärung gem. § 47 Abs. 5 S. 2 VwGO a.F. Konnten aber die festgestellten Mängel einer nach den Vorschriften des BauGB erlassenen Satzung oder Rechtsverordnung durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden, so sollte die Satzung oder Rechtsverordnung bis zur Behebung der Mängel für unwirksam – nicht für nichtig – erklärt werden, § 47 Abs. 5 S. 4 VwGO a.F. Das EAG Bau hat diese Unterscheidung aufgehoben. Nunmehr hat in einem Normenkontrollverfahren ein festgestellter beachtlicher Verstoß einer zu überprüfenden Rechtsvorschrift stets ihre Unwirksamkeit zur Folge, § 47 Abs. 5 S. 2 VwGO n.F.10

B. BauGB 2007 Das Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21. 12. 2006 ist am 01. 01. 2007 in Kraft getreten. Das Gesetz soll – wie dem Namen schon zu entnehmen ist – der Stärkung der Innenentwicklung der Städte und Gemeinden dienen. Um dem hohen Anpassungs- und Investitionsbedarf in den Bereichen Arbeitsplätze, Wohnbedarf und Infrastruktur gerecht zu werden, sollen Bebauungsplanverfahren der Innenentwicklung gegenüber Bebauungsplanverfahren, die eine Neuinanspruchnahme von Flächen vorsehen, schneller durchgeführt werden können.11 Hierfür wurde das beschleunigte Verfahren nach § 13a BauGB eingeführt. Im Interesse der Rechtssicherheit wurde die Antragsfrist für Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt. Dementsprechend wurde auch die Frist zur Geltendmachung von Mängeln der Bauleitpläne angepasst. Die durch das EAG Bau eingeführte einheitliche Frist von zwei Jahren wurde daher ebenfalls auf ein Jahr herabgesenkt. Ferner soll ein Normenkontrollverfahren, das einen Bebauungsplan zum Gegenstand hat, unzulässig sein, wenn die den Antrag stellende Person nur Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung (§ 3 Abs. 2 BauGB) oder im Rahmen der Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 und § 13a Abs. 2 Nr. 1 BauGB) nicht oder verspätet gel9 Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21. 12. 2006, BGBl. I S. 3316, in Kraft getreten am 01.01.2007. 10 Zu den übrigen Änderungen durch das EAG Bau vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, NJW 2004, 2553 ff., Finkelnburg, NVwZ 2004, 897 ff., Krautzberger, UPR 2004, 41 ff., Krautzberger/Stüer, DVBl. 2004, 781 ff, Schliepkorte/Tünnemann, ZfBR 2004, 645 ff., Steinkemper, NZBau 2004, 495 ff., Stock, ZfBR 2004, 537 ff., Upmeier, BauR 2004, 1382 ff. 11 Vgl. BT-Drs. 16/2496, S. 9.

18

1. Teil: Einleitung

tend gemacht hat, aber hätte rechtzeitig geltend machen können, und wenn auf diese Rechtsfolge im Rahmen der Beteiligung hingewiesen worden ist, § 47 Abs. 2a VwGO. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs soll damit der europarechtlich geprägten Entwicklung Rechnung getragen werden, die darauf zielt, die Beteiligungsrechte der Bürger im Verwaltungsverfahren zu betonen und zugleich den Rechtsschutz im Interesse der Investitions- und Rechtssicherheit unter Wahrung seiner Effizienz auf ein sachgerechtes Maß zu orientieren.12

C. Problemaufriss Die Planungshoheit für die Bauleitplanung obliegt der Gemeinde. Sie ist Bestandteil des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinde für Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Im Zentrum der Planung steht die planerische Gestaltungsfreiheit. Eine Planung ohne Gestaltungsfreiheit wäre ein Widerspruch in sich.13 Planerische Gestaltungsfreiheit ist gekennzeichnet durch eine fehlende Rangordnung der zu berücksichtigenden Interessen14 und durch eine fehlende gesetzliche Determinierung der zu treffenden Planungsentscheidung. Der Ausgleich der Interessen erfolgt vielmehr mittels planerischer Abwägung, die in § 1 Abs. 7 BauGB ausdrücklich vorgeschrieben ist. Bei dem Gebot gerechter Abwägung handelt es sich um einen dem Wesen rechtsstaatlicher Planung innewohnenden Grundsatz, der auch unabhängig von seiner Normierung allgemein gilt.15 Das Abwägungsgebot baut im Bauplanungsrecht eine Brücke zwischen dem Betroffensein eines Interesses und der Pflicht des Planers, dieses Interesse bei der Entscheidung über den Erlass und den Inhalt des Planes zu berücksichtigen. Als Mindestmaß einer rechtmäßigen Planung verlangt das Gebot, dass die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen werden. Eine beispielhafte Aufzählung der in der Abwägung zu berücksichtigenden Belange findet sich in § 1 Abs. 6 BauGB. Seit der grundlegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur bauplanungsrechtlichen Abwägung vom 12.12.196916 sind dem Abwägungsgebot drei Strukturmerkmale immanent, denen entsprechende Abwägungsfehler korrespondieren. Die Einzelgebote beziehen sich nach der Rechtsprechung sowohl auf den Abwä-

12

Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/2496, S. 10 f. Auf die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zu entscheidenden Fragen war das BauGB 2007 ohne Einfluss. Zu den weiteren Änderungen im Zuge des BauGB 2007 vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, NVwZ 2007, 121 ff. 13 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (304). 14 Schmidt-Aßmann, in: FS für Schlichter, S. 11. 15 BVerwG, Urt. v. 30.04.1969 – 4 C 6.68 – DVBl. 1969, 697 (699); BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (307). 16 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 ff.

C. Problemaufriss

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gungsvorgang als auch auf das Abwägungsergebnis.17 Dabei führt die fehlerhafte Abwägung grundsätzlich zur Unwirksamkeit des Bauleitplans. Damit jedoch nicht jeder Fehler beim Erlass von Bauleitplänen zur Unwirksamkeit der Planung führt, enthalten die §§ 214 – 215 BauGB auch für Verstöße gegen das Abwägungsgebot Regelungen, um die Folgen von Fehlern zu begrenzen und um Fehler zu beheben. Nach dem Recht der Planerhaltung sind nicht alle Mängel der Abwägung für die Rechtswirksamkeit des Bauleitplans beachtlich. Das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) hat den Wortlaut des Abwägungsgebotes, welches vorher in § 1 Abs. 6 BauGB verankert war, nicht verändert. Es hat aber § 2 Abs. 3 BauGB als Verfahrensgrundnorm mit dem Ziel eingeführt, dem „durch die gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensvorgaben hervorgerufenen Wechsel vom materiell-rechtlichen Abwägungsvorgang zu den verfahrensbezogenen Elementen des Ermittelns und Bewertens der von der Planung berührten Belange“18 gerecht zu werden. Die als Verfahrensvorschrift bezeichnete Regelung verlangt die Ermittlung und Bewertung der Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind. Auf diese Neuregelung musste der Gesetzgeber zwangsläufig mit einer gleichzeitigen Novellierung der Planerhaltungsvorschriften reagieren. Das ist mit der Novellierung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB, der die Verletzung von § 2 Abs. 3 BauGB zum Gegenstand hat, erfolgt. So marginal diese beiden Änderungen zunächst wirken, so prekär erweist sich bei näherer Betrachtung die Anwendung der durch das EAG Bau neu eingefügten Regelungen. Jedenfalls lassen sie Zweifel am Fortbestand der herkömmlichen Abwägungsdogmatik aufkommen. Die Problematik soll am folgenden Beispiel veranschaulicht werden: Beispiel: Die planende Gemeinde hat im Rahmen der Planung eines Gebietes das Abwägungsmaterial nicht hinreichend ermittelt. Dieser Mangel war offensichtlich und auch auf das Planungsergebnis von Einfluss.

Nach der vor dem EAG Bau geltenden Rechtslage läge ein Abwägungsdefizit vor, das nach der Planerhaltungsregelung des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB a.F. erheblich gewesen wäre. Anders gestaltet sich die Rechtslage nach dem Planerhaltungssystem des EAG Bau, wonach der Mangel zwar weiterhin erheblich respektive beachtlich ist, sich jedoch nach einer anderen Planerhaltungsregelung richtet. Ein unvollständiges Abwägungsmaterial stellt einen Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB dar. Die Beachtlichkeit eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 3 BauGB bestimmt sich nunmehr nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB. Im vorliegenden Beispiel wäre der Abwägungsmangel damit beachtlich gemäß § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB, obwohl die Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB a.F. in § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB weiterhin Bestand hat. Problematisch an dieser durch das EAG Bau bedingten systematischen Konsequenz ist, dass der bisherige rechtliche Charakter des Abwägungsgebotes in Frage gestellt wird. Denn bis zum Inkrafttreten des EAG Bau wies das Abwägungsgebot 17 18

BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (315). Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drs. 15/2250, S. 63.

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1. Teil: Einleitung

in der Bauleitplanung unbestritten einen materiell-rechtlichen Gehalt auf.19 Dementsprechend wurden Verstöße gegen das Abwägungsgebot als materiell-rechtliche Fehler qualifiziert.20 Angesichts der Verortung einer Fehlerfolgenregelung in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB für Verstöße gegen § 2 Abs. 3 BauGB drängt sich nunmehr die Annahme auf, dass das Abwägungsgebot seinen materiell-rechtlichen Charakter verloren hat und nunmehr einen verfahrensrechtlichen Charakter aufweisen soll. Eine etwaige Zuordnung des Abwägungsgebots zum Verfahrensrecht ergibt sich daraus, dass § 214 Abs. 1 BauGB generell die Beachtlichkeit der Verletzung von Verfahrensund Formvorschriften zum Gegenstand hat. Bestätigt wird diese Annahme der „Umetikettierung“ durch die Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB, wonach Mängel, die Gegenstand der Regelung in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB sind, nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden können. An die soeben aufgezeigte Problematik schließt sich die Frage an, welche Abwägungsmängel überhaupt noch in den Anwendungsbereich des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB fallen, wenn schon Ermittlungs- und Bewertungsmängel nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden dürfen. Die die Abwägung betreffende Novellierung durch das EAG Bau hat starke Bedenken im Schrifttum hervorgerufen. Es ist von einem vom Novellierungsgesetzgeber verfolgten paradigmatischen Wechsel zu einer Aufwertung des Verfahrensrechts die Rede.21 Dem Gesetzgeber wird vorgeworfen, „materielles Recht, nämlich die inhaltlichen Maßgaben des Abwägungsgebots, in Verfahrensrecht umzumünzen (§ 2 III BauGB) und verfahrensrechtlichen Kontrollrestriktionen zu unterwerfen“22. Das Bestreben, materielle Elemente des Abwägungsvorgangs in das Verfahrensrecht „umzuadressieren“23, sei „sachlich nicht zutreffend und systemwidrig“24. Andererseits wird die Auffassung vertreten, dass trotz des „neuen Verständnisses“25, das in der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung deutlich wird, im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens dem beabsichtigten Wechsel „der Boden entzogen“26 worden sein soll. Daran anknüpfend wird gefordert, es bezüglich der Abwägungsdogmatik bei der bisherigen Entwicklung durch die Judikatur und das Schrifttum bewenden zu lassen.27

19

Vgl. Erbguth, JZ 2006, 484 (489); Bönker, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 3 Rn. 92 und Rn. 104 ff.; Kment, AöR 2005, 570 (591); Koch, DVBl. 1989, 399 (400); Resch, JA 1995, 421 (422); Wickel/Bieback, Die Verwaltung 2006, 571 (572). 20 Pieper, Jura 2006, 817 (817). 21 Erbguth, DVBl. 2004, 802 (802), ähnlich Kraft, UPR 2004, 331 (331). 22 Erbguth, JZ 2006, 484 (491). 23 Kraft, UPR 2004, 331 (335). 24 Quaas/Kukk, BauR 2004, 1541 (1550). 25 BT-Drs. 15/2250, S. 62. 26 Hoppe, NVwZ 2004, 903 (904). 27 Hoppe, NVwZ 2004, 903 (905).

D. Gang der Untersuchung

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D. Gang der Untersuchung Gegenstand der vorliegenden Schrift ist die Behandlung von Mängeln der Abwägung vor dem Hintergrund der skizzierten Modifikationen des Baugesetzbuchs. Die Änderungen des Baugesetzbuchs, insbesondere durch das EAG Bau, werfen die Frage auf, ob und inwiefern die herkömmliche Abwägungsdogmatik der Revision bedarf. Dabei wird die vorliegende Untersuchung zeigen, dass es insofern maßgeblich darauf ankommt, ob der Abwägungsvorgang durch das EAG Bau seines materiellrechtlichen Charakters „entkleidet“28 worden ist und seitdem „nur“ noch verfahrensrechtlichen Charakter aufweist. Die Arbeit geht mit anderen Worten der Frage nach, ob die Abwägungsdogmatik des BauGB durch das EAG Bau einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel erfahren hat. Die Auswirkungen der Gesetzesänderungen durch das EAG Bau auf die bisherige Entwicklung der von der Planungsjudikatur des Bundesverwaltungsgerichts geprägten Abwägungsdogmatik, insbesondere die Behandlung von Abwägungsfehlern im Planerhaltungsrecht, können nur dann nachvollzogen werden, wenn Grundfragen der bauleitplanerischen Abwägungsdogmatik geklärt sind. Vor der Beantwortung der hier aufgeworfenen Kernfrage bedarf es daher zunächst der Auseinandersetzung mit der herkömmlichen bauleitplanerischen Abwägungsdogmatik (Zweiter Teil). Im Anschluss an einem Grundlagenteil zum Abwägungsgebot (A.) wird die Struktur der planerischen Abwägung unter Berücksichtigung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen beleuchtet (B.). Anschließend wird das Abwägungsgebot aus der gerichtlichen Kontrollperspektive inhaltlich untersucht. Dabei wird insbesondere der Frage nachgegangen, ob die in der Abwägungsfehlerlehre vorgenommene Unterscheidung zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis mit identischem Kontrollmaßstab ihre Berechtigung hat. Hierzu wird zunächst die bestehende Meinungsvarianz kritisch wiedergegeben und ein eigener Lösungsansatz entwickelt. An dieser Stelle setzt die Untersuchung ihren ersten Schwerpunkt (C.).29 Sodann befasst sich die Arbeit mit der Behandlung von Abwägungsfehlern im Recht der Planerhaltung nach Einführung des EAG Bau und setzt an dieser Stelle ihren zweiten Schwerpunkt (Dritter Teil). Nach der Ermittlung von Sinn und Zweck der Planerhaltung (A.) wird das Planerhaltungssystem im Gefüge des EAG Bau untersucht (B.). Nach einer Einführung in die grundlegende Systematik, wonach zwischen der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften (dazu I.) und der Verletzung von materiell-rechtlichen Anforderungen (dazu II.) unterschieden wird, wid28

Formulierung im Anschluss an Erbguth, JZ 2006, 484 (490). Die normtheoretische Einordnung von Planungsnormen im Rahmen der Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien wird in der vorliegenden Untersuchung außer Acht gelassen. Zur Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 77 ff.; Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 218 ff.; Sieckmann, Regel- und Prinzipienmodelle, S. 55 ff.; dazu aus planungsrechtlicher Sicht Just, Ermittlung und Einstellung, S. 11 ff. Von einer Überbewertung der Trennung zwischen Konditional- und Finalprogrammen spricht Müller, Abschied von der Planrechtfertigung, S. 88. 29

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1. Teil: Einleitung

met sich die Untersuchung dem Planerhaltungssystem im Hinblick auf Abwägungsmängel (dazu III.). Innerhalb dessen wird der Regelungsgehalt des § 2 Abs. 3 BauGB bestimmt, eine Abgrenzung der Planerhaltungsregelungen voneinander vorgenommen und die Frage erörtert, ob und gegebenenfalls nach welcher Regelung Mängel des Abwägungsergebnisses nach neuer Rechtslage zu beurteilen sind. Schließlich ist die Rügefrist des § 215 BauGB im Hinblick auf Abwägungsfehler zu betrachten (IV.). Es folgt dann die Ermittlung der Auswirkungen des EAG Bau auf die herkömmliche Abwägungsdogmatik aufgrund der zuvor gewonnenen Erkenntnisse (Vierter Teil). Hierbei ist die Frage zu beantworten, ob und gegebenenfalls inwiefern sich die Gesetzesänderungen auf den Handlungsmaßstab (I.), auf den Kontrollmaßstab (II.) und auf die Unterscheidung zwischen Mängeln im Abwägungsvorgang und im Abwägungsergebnis (III.) ausgewirkt haben. Die Arbeit schließt mit der Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse (Fünfter Teil) ab. Dieser Untersuchung wurde das Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. 09. 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Artikel I des Gesetzes vom 21. 12. 2006 (BGBl. I S. 3316), sowie die Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. 03. 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21. 12. 2006 (BGBl. I S. 2819), zugrunde gelegt.

Zweiter Teil

Die herkömmliche Abwägungsdogmatik Im Vordergrund der herkömmlichen Abwägungsdogmatik stand und steht die Überprüfung der Abwägung auf etwaige Abwägungsfehler anhand der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Abwägungsfehlerlehre aus der Kontrollperspektive. Zum besseren Verständnis der Arbeit wird zunächst in die strukturellen und begrifflichen Grundlagen des Abwägungsgebots eingeführt (dazu unter A.). Dem folgt eine genaue Auseinandersetzung mit den einzelnen zu durchlaufenden Phasen der Abwägung aus der Perspektive des Abwägungsadressats, namentlich der planenden Gemeinde (dazu unter B.). Sodann werden die vier potenziellen Abwägungsfehler (Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit, Abwägungsfehleinschätzung und Abwägungsdisproportionalität) nach der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Abwägungsfehlerlehre näher beleuchtet (dazu unter C.).

A. Grundlagen des bauplanerischen Abwägungsgebots I. Verortung und Natur des Abwägungsgebots Sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist, haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen (§ 1 Abs. 3 BauGB). Grundsätzlich liegt es im planerischen Ermessen der Gemeinde, in welche Richtung sie sich städtebaulich entwickeln möchte und welche städtebaulichen Ziele sie verfolgt.1 Aber auch der planerischen Gestaltungsfreiheit sind Schranken gesetzt. Die wichtigste Schranke stellt das Gebot der Abwägung dar.2 Das Abwägungsgebot ist in § 1 Abs. 7 BauGB enthalten. Es ist ein dem Wesen rechtsstaatlicher Planung innewohnender Grundsatz, dem nach Ansicht von Rechtsprechung3 und Literatur4 deshalb die Bauleitplanung auch dann Rechnung tragen müsste, wenn das Abwägungsgebot nicht ausdrücklich im BauGB normiert wäre. 1

Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 1 Rn. 26. Müller, Abschied von der Planrechtfertigung, S. 44. 3 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (307) unter Verweis auf BVerwG, Urt. v. 30.04.1969 – 4 C 6.68 – DVBl. 1969, 697 ff. 4 Hoppe, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 1; Manssen, Stadtgestaltung, S. 272; Schulze-Fielitz, Jura 1992, 201 (203) m.w.N. 2

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

Bei der Planung bleiben Divergenzen zwischen widerstreitenden öffentlichen und privaten Belangen nicht aus. Es bedarf in diesem Fall der Entscheidung über die Vorzugswürdigkeit und Priorität der widerstreitenden Interessen respektive Belange. Es bedarf der Abwägung. Mittels Abwägung entscheidet die planende Gemeinde, welchem Belang in der konkreten Situation der Vorzug zu geben ist.5 Daher ist die Abwägung ein Verfahren der Entscheidungsfindung, bei dem kollidierende Belange bewertend in Beziehung gesetzt und auf Grund dessen in der Entscheidungsfindung einige von ihnen gegenüber anderen vorgezogen werden.6 Der Abwägung bedarf es deswegen, weil das Recht nicht von vornherein bestimmt, welchem Interesse wann und unter welchen Voraussetzungen der Vorzug zu geben ist. Planung ist damit nicht einfach unter gesetzlich vorgegebene öffentliche Interessen subsumierbar.7 Dem steht die planerische Gestaltungsfreiheit der Gemeinde entgegen. Seine planspezifische Gestalt hat das Abwägungsgebot durch folgende Beschreibung des Bundesverwaltungsgerichts erfahren: „Bei der Planung geht es durchweg um einen Ausgleich mehr oder weniger zahlreicher, in ihrem Verhältnis zueinander komplexer Interessen, die überdies meist in eigentümlicher Weise miteinander verschränkt sind, so dass dem einen Interesse nichts zugestanden werden kann, ohne in einer Art Kettenreaktion zahlreiche andere Interessen zu berühren.“8

II. Kollision von Belangen: Konkurrierend oder konfligierend? Bei der Aufstellung von Bauleitplänen kommt es regelmäßig zur Kollision von Belangen. Denn neben den für die Planung sprechenden Belange lassen sich oftmals auch Belange, die gegen die Planung sprechen, anführen. Dann hat die planende Gemeinde nach dem bisher Gesagten – mittels Abwägung – eine Entscheidung darüber zu treffen, welcher der kollidierenden Belange gesichert werden soll, um Berücksichtigung im Plan zu finden, und welche Belange der Zurückstellung bedürfen. Aber nicht immer ist eine bestehende Kollision durch die Zurückstellung des einen oder des anderen Belangs lösbar. Die Verfahrensweise hängt von der Kollisionsart ab. Im Anschluss an eine in der Literatur vorgenommene Differenzierung können bei der Planung zwei Arten von Kollisionen auftreten. Die von der Planung betroffenen Belange – unabhängig davon, ob sie öffentliche oder private Belange sind – können mit dem Planungsvorhaben konkurrieren oder konfligieren. Diese Unterscheidung ist im Schrifttum, insbesondere bei Hoppe, im Rahmen der Ausfüllung des Abwägungs-

5 6 7 8

Koch, in: Abwägung im Recht, S. 20. Weyreuther, BauR 1977, 293 (297). Steiger, in: FS Wolff, S. 407. BVerwG, Urt. v. 30. 04. 1969, – 4 C 6.68 – DVBl. 1969, 697 (699).

A. Grundlagen des bauplanerischen Abwägungsgebots

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gebots anzutreffen.9 Freilich finden sich keine Definitionen oder auch nur präzisen Erläuterungen zur Unterscheidung von konkurrierenden und konfligierenden Belangen. Nachfolgend wird erstmals eine Inhaltsbestimmung der beiden Begriffe unternommen. 1. Konkurrierende Belange Konkurrierende Belange liegen vor, wenn Belange sich gegenseitig ausschließen bzw. widersprechen. Im Fall konkurrierender Belange kann die Abwägung nur im Sinne eines Vor- und Zurückstellens stattfinden, da die planende Stelle sich zwischen mehreren Belangen zu entscheiden hat. Die Entscheidung erfolgt nach dem Entweder-oder-Prinzip: Entweder die Gemeinde entscheidet sich für die Belange, die durch das Planungsvorhaben gefördert werden, oder die konkurrierenden Belange überwiegen so stark, dass eine Realisierung der Planung nicht zulässig ist und nur eine Abstandnahme von dem Planungsvorhaben in Betracht kommt.10 Verkennt die planende Gemeinde die Vorzugswürdigkeit des zurückgestellten Belangs, so verstößt sie gegen das Abwägungsgebot. Die konkurrierende Kollisionslage tritt im Rahmen der Bauleitplanung überwiegend bei der planerischen Umsetzung eines konkreten Einzelvorhabens auf. Beispiel: Die Gemeinde X beabsichtigt die Festsetzung eines Industriegebietes neben einem reinen Wohngebiet, damit sich dort ein konkretes Industrieunternehmen ansiedeln kann.

In der Regel ist diese Planung nicht realisierbar. Dies folgt nicht erst aus § 50 BImschG, sondern bereits aus dem allgemeinen Planungsgrundsatz, wonach die Festsetzung eines reinen Wohngebietes neben einem Industriegebiet dem Grundsatz der Trennung von unverträglichen Nutzungen widerspricht.11 Ist eine Durchbrechung des Grundsatzes unverträglicher Nutzungen nicht gerechtfertigt, ist eine konkurrierende Kollisionslage gegeben, über die nicht hinweg gewogen werden kann.

2. Konfligierende Belange Eine Kollision liegt aber bereits dann vor, wenn Belange von der Planung negativ berührt werden, jedoch die Planung nicht grundsätzlich ausschließen. Derartige Belange können gleichwohl ihre Berücksichtigung im Rahmen der weiteren Planung 9 Vgl. Hoppe, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 36, so aber auch Dirnberger, in: Spannowsky/Uechtritz, § 1 Rn. 176. Steiger unterscheidet zwischen zeitlicher und materieller Kollision. Die zeitliche Kollision beruhe auf einer finanziell oder sonst beschränkten Leistungsfähigkeit, die es nicht erlaube, alle Interessen gleichzeitig zu befriedigen. Die materielle Kollision beruhe auf der relativen oder absoluten Widersprüchlichkeit oder Ausschließlichkeit von Belangen. Eine zeitliche Kollision könne sich nachträglich als eine materielle erweisen. Siehe dazu Steiger, in: FS Wolff, S. 401 f. Erbguth, JZ 2006, 484 (485), differenziert zwischen divergierenden und konfligierenden Gesichtspunkten. 10 So genannte Nullvariante; vgl. hierzu Müller, Abschied von der Planrechtfertigung, S. 48. 11 Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 1 Rn. 110.

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

verlangen, auch wenn sie nicht gegenüber den von der Gemeinde favorisierten Belangen, die mit der Planung gefördert werden sollen, überwiegen. Solche von der Planung lediglich negativ berührten Belange sind als konfligierende Belange zu bezeichnen. In diesem Falle ist die Konfliktlösung nicht durch das Vor- und Zurückstellen der einen oder der anderen Belange lösbar bzw. ausreichend. Vielmehr findet in der Situation der konfligierenden Belange die Abwägung i.S. eines Ausgleichs respektive eines Kompromisses statt.12 Dann ist etwa die Dimension des Vorhabens, d. h. die erforderliche oder zweckmäßige Größe, von Bedeutung. Insbesondere bedarf es hier der Berücksichtigung von Planungsvarianten. Zumindest aber müssen sich anbietende oder aufdrängende Planungsvarianten abwägend dargelegt werden.13 Beispiel 1: Die Gemeinde G setzt im Bebauungsplan ein an das Grundstück des K angrenzendes Flurstück als Parkplatz fest und widmet es dem öffentlichen Verkehr. Das Grundstück des K ist mit einem Einfamilienhaus bebaut. K rügt den Lärm, den Staub und Abgase, die von dem Parkplatz ausgehen würden.14

In diesem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall hat der Vierte Senat im Hinblick auf das Abwägungsgebot darauf hingewiesen, dass im Falle von Festsetzungen, die der Verwirklichung von planerischen Zielen dienen, zugleich aber schwere Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zur Folge haben, der im Bebauungsplan zum Ausdruck kommende Interessenkonflikt nicht einfach unbewältigt bleiben dürfe.15 Der Bebauungsplan müsse die nachbarschädlichen Auswirkungen einer Festsetzung durch hinreichend wirksame und planerisch abgesicherte Maßnahmen, vornehmlich in Verbindung mit einer angemessenen Trennung der widerstreitenden Nutzungsarten, auf ein zumutbares Maß reduzieren.16 Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts unterstreichen, dass nicht immer eine Kollision von Belangen zu einer Abstandnahme von der Planung zwingt. Vielmehr kann mittels eines Kompromisses, beispielsweise durch Reduzierung der Dimension des Vorhabens, der konfligierenden Kollisionslage abgeholfen werden.17 Beispiel 2: Der Bebauungsplan weist das ursprünglich im Außenbereich gelegene Plangebiet überwiegend als allgemeines Wohngebiet und einen 30 m tiefen Geländestreifen im Osten als Mischgebiet aus. Entlang der östlichen Plangebietsgrenze sind ein Verkehrsgrünflächenstreifen und ein Lärmschutzwall festgesetzt. Im Osten des Plangebietes befindet sich ferner, getrennt durch eine Straße, ein Grundstück, auf dem ein Unternehmen betrieben wird und das gegenüber 12 Der Begriff des Ausgleichens i.S.e. Kompromisses ist der Abwägung nicht fremd, s. Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 1 Rn. 92, wo die Abwägung als Vorgang des „Ausgleichens („Kompromiss“)“ beschrieben wird. 13 BVerwG, Beschl. v. 22.04.1997 – 4 BN 1.97 – NVwZ-RR 1998, 217 (218). 14 Der Entscheidung des BVerwG, Urt. v. 01.11.1974 – 4 C 38.71 – BVerwGE 47, 144 ff. nachgebildet. 15 BVerwG, Urt. v. 01.11.1974 – 4 C 38.71 – BVerwGE 47, 144 (155 f.). 16 BVerwG, Urt. v. 01.11.1974 – 4 C 38.71 – BVerwGE 47, 144 (156). Neben der angemessenen räumlichen Trennung schlug das Bundesverwaltungsgericht die Festsetzung eines Grünstreifens vor, der die Einwirkungen des Parkplatzes hinreichend mildern könnte. 17 Zum Nebeneinander konfligierender baulicher Nutzungen, Hüting/Hopp, BauR 2004, 930 ff.

A. Grundlagen des bauplanerischen Abwägungsgebots

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dem Mischgebiet liegt. Es liegt im Geltungsbereich eines anderen Bebauungsplans, der das Grundstück und zwei Nachbargrundstücke als Industriegebiet ausweist. Gegen den neuen Bebauungsplan wendet sich ein Betriebsinhaber, dessen Unternehmen in dem Industriegebiet ansässig ist. Er befürchtet, in Zukunft bei heranrückender Wohnbebauung im Mischgebiet aufgrund behördlicher Anordnungen Einschränkungen unterworfen zu werden. Ferner bestehe die Gefahr der Auferlegung von baulichen Abschirmmaßnahmen im Falle der Überbauung des Mischgebiets. In Anbetracht dessen rügt er die unverhältnismäßige Berücksichtigung seiner Interessen.18

Zunächst ist von dem Grundsatz auszugehen, dass neben einem Baugebiet nur ein im Rang des Immissionsschutzes um eine Stufe abweichendes Baugebiet ausgewiesen werden kann.19 Im vorliegenden Fall wäre gegenüber dem bestehenden Industriegebiet die Ausweisung eines Gewerbegebiets als nächste Baugebietsstufe gerechtfertigt gewesen. Gleichwohl wurde die vorliegende planerische Festsetzung vom Normenkontrollgericht nicht beanstandet. Die nächste Baugebietsstufe durfte übersprungen werden, weil der Bebauungsplan zwischen dem Gewerbegebiet und dem Mischgebiet zusätzlich noch einen Lärmschutzwall festgesetzt hat.20 Auch das vorliegende Beispiel verdeutlicht, dass nicht immer eine Kollision von Belangen zu einer Abstandnahme des Plangebers von der Planung zwingt. Vielmehr konnte die Kollision – die Wohnbedürfnisse der in Zukunft in dem Plangebiet lebenden Personen kollidieren mit den Belangen der Inhaber von ansässigen Betrieben in dem betroffenen Industriegebiet – durch die Festsetzung des Lärmschutzwalls entschärft werden. Die Unterscheidung zwischen konkurrierenden und konfligierenden Belangen ist auch mit der Existenz des Gebots der Konfliktbewältigung21 zu begründen. Es besagt, dass der Bauleitplan die ihm zuzurechnenden Konflikte zu bewältigen hat. Dazu zählen auch die durch die Planung neu aufgeworfenen Konflikte.22 Ein Verstoß gegen das Gebot der Konfliktbewältigung liegt vor, wenn die nur durch die Planung mögliche Konfliktlösung in das Baugenehmigungsverfahren, in spezialgesetzliche Verfahren oder in Vereinbarungen verlagert wird.23 Nach diesem Gebot ist somit davon auszugehen, dass bei der Planung die Situation entstehen kann, in der Belange konfligieren, aber nicht zugleich konkurrieren. Würden die Belange konkurrieren, dann käme es immer (nur) auf ein Vor- und Zurückstellen der Belange an. Aber gerade das verlangt das Gebot der Konfliktbewältigung nicht. Es erwartet die Lösung der durch die Planung aufgeworfenen Konflikte mittels Kompromisses. Das Gebot kann somit nur dann zum Einsatz kommen, wenn die Situation der konfligierenden Belange vorge18 Das Beispiel wurde der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27.06.1989 – 8 S 1727/88 – UPR 1990, 105 ff. nachgebildet. 19 VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27.06.1989 – 8 S 1727/88 – UPR 1990, 105 (107). 20 Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27.06.1989 – 8 S 1727/88 – UPR 1990, 105 (107). „Der Lärmschutzwall berechtigt den Plangeber, eine Baugebietsstufe zu überspringen.“ 21 Grundlegend zum Gebot der Konfliktbewältigung Boeddinghaus, ZfBR 1984, 167 ff.; Hoppe/Beckmann, NuR 1988, 6 ff.; Weyreuther, BauR 1975, 1 ff. 22 Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 1 Rn. 115. 23 Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 1 Rn. 118.

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

funden wird. Im Beispiel 1 ist die Gemeinde dem Gebot der Konfliktbewältigung nicht nachgekommen, im Beispiel 2 hingegen wurde der durch die Planung hervorgerufene Konflikt durch die Festsetzung eines Lärmschutzwalls gelöst. Eine nähere Analyse der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.12.196924 und vom 05. 07. 1974, sog. Flachglasentscheidung,25 belegt ebenfalls die Unterscheidung zwischen konkurrierenden und konfligierenden Belangen. In der Entscheidung vom 12. 12. 1969 heißt es, eine Verletzung des Abwägungsgebotes liege vor, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. In der Flachglasentscheidung vom 05. 07. 1974 heißt es hingegen, das Abwägungsgebot verlange sowohl vom Abwägungsvorgang als auch vom Abwägungsergebnis, dass gewichtige Belange nicht übersehen werden und die Gewichtung verschiedener Belange in ihrem Verhältnis zueinander nicht in einer Weise erfolgt, durch die die objektive Gewichtigkeit eines dieser Belange völlig verfehlt wird. Während in dem Auszug der Entscheidung vom 12. 12. 1969 die Stufen der Abwägung enthalten sind und zwischen der Gewichtung und dem Ausgleich unterschieden wird, findet der vorzunehmende Ausgleich, die entscheidende Stufe der Abwägung, in der Flachglasentscheidung keine Erwähnung. Es fragt sich daher, ob und gegebenenfalls inwiefern sich beide Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts inhaltlich unterscheiden. Nach der zuerst genannten Entscheidung darf der vorgenommene Ausgleich zur objektiven Gewichtigkeit der einzelnen Belange nicht außer Verhältnis stehen; nach der Flachglasentscheidung wiederum darf bereits die dem Ausgleich vorausgehende Gewichtung nicht unverhältnismäßig zur objektiven Gewichtigkeit eines dieser gewichteten Belange sein. Die abweichende Formulierung in der Flachglasentscheidung liegt in der unterschiedlichen Kollisionsmöglichkeit von Belangen begründet. In der Flachglasentscheidung ging es um die Festsetzung eines Industriegebietes neben einem Wohngebiet. Es handelt sich hierbei um konkurrierende Belange, da sie sich wegen des Planungsgrundsatzes, wonach Wohn- und Industriegebiete möglichst nicht nebeneinander festgesetzt werden sollen, grundsätzlich gegenseitig ausschließen. Im Falle konkurrierender Belange wird die Abwägungsentscheidung bereits durch die vorgenommene Gewichtung bestimmt. Misst die planende Gemeinde einem Belang ein stärkeres Gewicht bei, obwohl die objektive Gewichtigkeit unter Berücksichtigung der Belange in ihrem Verhältnis untereinander dem widerspricht, dann kann auch der Ausgleich, hier die Bevorzugung des von der Gemeinde als gewichtiger bewerteten und die Zurückstellung des schwächeren Belangs, nur zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis stehen. Hier kann sich der Ausgleich, sofern die planende Gemeinde konsequent bleibt, nicht mehr als verhältnismäßig erweisen. Denn im Falle konkurrierender Belange führt eine unverhältnismäßige Gewichtung 24 25

BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 ff. BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 ff.

A. Grundlagen des bauplanerischen Abwägungsgebots

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bei konsequenter Haltung auch zum unverhältnismäßigen Ausgleich. Dies trifft eben nur zu, wenn die abwägungserheblichen Belange konkurrieren. Das war in der Flachglasentscheidung der Fall, so dass Ausführungen zum Ausgleich unterbleiben konnten. Auf die konfligierende Kollisionslage trifft diese Aussage indes nicht zu. In einigen Fällen kann die Kollision der konfligierenden Belange derart intensiv sein, dass zugleich die Situation konkurrierender Belange vorliegt. Mit anderen Worten, der konfligierende Belang erstarkt mangels Lösbarkeit des Konflikts zu einem konkurrierenden. Beispiel: Der aufgestellte Flächennutzungsplan einer Gemeinde stellt die Fläche zwischen einer Straße und einer Bahnlinie als Wohnbaufläche dar, obwohl eine eingeholte schalltechnische Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass auch bei Errichtung einer 4 m hohen Lärmschutzwand entlang der Bahnlinie die Orientierungswerte für ein allgemeines Wohngebiet überschritten werden. Passive Schallschutzmaßnahmen seien unabdingbar. Zur Minderung der Lärmbeeinträchtigung seien die Grundrisse so zu planen, dass schutzbedürftige Räume an den vom Lärm abgewandten Seiten angeordnet würden. Angesichts der Lärmbelastung wird die Ausweisung eines Gebiets mit möglichst geringem Schutzcharakter angeraten. Die höhere Verwaltungsbehörde äußert Bedenken hinsichtlich der Wohnbaufläche. Die Gemeinde begründet ihre Darstellung mit den sehr beschränkten Wohnbauflächenpotentialen in der Kernstadt und der beabsichtigten Stärkung der Kernstadt durch die Bereitstellung von Wohnbauflächen. Weiterhin entspreche es den Zielen der Raumordnung und Landesplanung, die öffentliche Infrastruktur, insbesondere den öffentlichen Nahverkehr, durch Errichtung von Wohnraum im fußläufigen Umfeld der Haltestellen zu stärken. Die gegen die Darstellung eingewandten Bedenken könnten durch geeignete Maßnahmen im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens beseitigt werden. Die Genehmigung des Flächennutzungsplans wird beantragt. Die höhere Verwaltungsbehörde genehmigt den Flächennutzungsplan mit Ausnahme der Darstellung der Wohnbaufläche. Sie hält den Flächennutzungsplan insoweit für abwägungsfehlerhaft. Die Bedenken bezüglich der Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse seien nicht hinreichend berücksichtigt und entsprechend dem tatsächlichen Gefahrenpotenzial abgewogen worden.26

Das Verwaltungsgericht bestätigte die Auffassung der höheren Verwaltungsbehörde und rügte, dass dem Flächennutzungsplan ein Abwägungsmangel anhaftet, soweit er die Wohnbaufläche zwischen der Bahnlinie und der Verkehrsstraße ausweist. Die an der Bahnlinie gelegene Fläche für Wohnbebauung vorzusehen, überschreite die durch das Abwägungsgebot gezogenen Grenzen der gemeindlichen Planungsfreiheit. Zum maßgeblichen Inhalt der Abwägung gehöre es auch, aufgekommene Bedenken hinsichtlich der Geeignetheit der Fläche für die beabsichtigte Nutzung zu prüfen und zu klären. Die endgültige Klärung der Frage, ob eine bestimmte Fläche als Baugebiet überhaupt geeignet ist, dürfe nicht dem nachfolgenden Bebauungsplanverfahren überlassen werden. Mit der Wohnbaufläche sei eine Darstellung aufgenommen worden, die auch nach dem Erkenntnisstand der Gemeinde möglicherweise nicht verwirklicht werden könnte. In der Nichtauflösung dieser Ungewissheit liege ein Abwägungsmangel. Es fehle an konkret geeigneten Maßnahmen zur Einhaltung der zuläs-

26 Dem Beispiel liegt die Entscheidung des VG Stuttgart, Urt. v. 16.07.2007 – 6 K 4152/03 – Juris, zugrunde.

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

sigen Lärmorientierungswerte.27 Zusätzlich wies das Verwaltungsgericht darauf hin, dass sich die Eignung der Fläche für Wohnzwecke angesichts der Ergebnisse der schalltechnischen Untersuchung und der im Rahmen dieser Untersuchung vorgeschlagenen gravierenden passiven Schallschutzmaßnahmen höchst fraglich erscheine.28 Der Ausführung des Verwaltungsgerichts kann entnommen werden, dass eine kollidierenden Konfliktlage – im vorliegenden Fall steht der Belang „Wohnbedürfnisse der Bevölkerung“ den Belangen „allgemeine Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse“ sowie „Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung“ gegenüber –, die sich grundsätzlich durch entsprechende Maßnahmen (beispielsweise Schallschutzmaßnahmen) lösen lässt, im konkreten Fall unlösbar ist, so dass nur noch die Abstandnahme einzig in Betracht kommt. Für den weiteren Verlauf der Arbeit ist die Differenzierung zwischen konkurrierenden und konfligierenden Belangen von Bedeutung. Die einzelnen Ausprägungen der innerhalb der Abwägungsdogmatik vorhandenen Meinungsvarianz können vielfach nur anhand dieser Differenzierung nachvollzogen respektive erklärt werden.

3. Zusammenfassung Die Abwägung beschränkt sich nicht auf das Vorziehen und Zurücksetzen bestimmter Belange. Sie wird auch als Ausgleich im Sinne eines Kompromisses zwischen den Belangen verstanden. Wann die Abwägung i.S. eines Vor- und Hintanstellens und wann i.S. eines Ausgleichs durchgeführt wird, hängt von der Art der Kollision der Belange ab. Liegt der Fall der konkurrierenden Belange vor, kann die Abwägung nur i.S. eines Vor- und Zurückstellens stattfinden, da die planende Gemeinde sich zwischen mehreren Belangen zu entscheiden hat, die einander ausschließen. Entscheidet sich die Gemeinde für einen Belang, dem sie keinen Vorrang hätte einräumen dürfen, liegt ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot vor. In der Situation der konfligierenden Belange findet die Abwägung i.S. eines Ausgleichs respektive eines Kompromisses statt. Hier hat die planende Gemeinde sich nicht zwischen mehreren Belangen zu entscheiden, dennoch liegt eine Beeinträchtigung von Belangen vor. Der hierdurch entstehende Konflikt ist durch Kompromisse oder Ausgleichsmaßnahmen zu lösen. Unterbleibt die Konfliktlösung, so liegt ebenfalls ein Verstoß gegen das Gebot der gerechten Abwägung vor.

III. Unterscheidung zwischen Handlungs- und Kontrollnorm Das Abwägungsgebot tritt, je nachdem wer Anwender des Gebots ist, in der Funktion entweder als Handlungsnorm oder als Kontrollnorm auf. Handlungsnormen be27 28

Vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 16.07.2007 – 6 K 4152/03 – Juris, Rn. 26 ff. Vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 16.07.2007 – 6 K 4152/03 – Juris, Rn. 33.

B. Phasen der Abwägung im Einzelnen

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stimmen die rechtliche Einbindung staatlicher Tätigkeit. Sie legen die Anforderungen an eine rechtmäßige Entscheidung fest und bestimmen das Verhältnis zwischen Normgeber und Normanwender. Die für die planende Verwaltung maßgeblichen Normen sind als Handlungsnormen zu qualifizieren. Aus der Perspektive der planenden Verwaltung (Handlungsperspektive) regeln sie ihre Tätigkeit mit dem Ziel der sachgerechten Planung. Kontrollnormen haben demgegenüber die Voraussetzungen (Kontrollmaßstab) und den Umfang der Kontrolle (Kontrolldichte) zum Gegenstand. Sie bestimmen das Verhältnis zwischen Normanwender und Kontrollinstanz.29 Mit Hilfe von Kontrollnormen wird die bereits durchgeführte Planung an der Rechtsordnung gemessen. Die Kontrolle wird durch die Aufsichtsbehörden oder durch die Gerichte (Kontrollperspektive) vorgenommen. Sie stellen fest, ob die ihnen vorliegende Planung rechtmäßig oder rechtswidrig ist, und ziehen gegebenenfalls die notwendigen Konsequenzen. Für die Gemeinde, die einen Bauleitplan aufstellt, ist das Gebot der gerechten Abwägung eine Handlungsvorschrift, die Anweisungen für die gemeindliche Planung erteilt. Als Handlungsnorm enthält die Regelung des § 1 Abs. 7 BauGB einen Handlungsmaßstab (i.S.v. Anforderungen), der von der planenden Gemeinde einzuhalten ist. Es handelt sich hierbei um die von der Literatur und Rechtsprechung gemeinsam aufgestellten, zu durchlaufenden Phasen, um zu einem gerechten Abwägungsergebnis zu gelangen.30 Für die Gerichte hingegen stellt das Abwägungsgebot eine Kontrollnorm dar, weil es der gerichtlichen Kontrolle als Überprüfungsmaßstab dient.31 Zur Überprüfung einer bauplanerischen Abwägungsentscheidung wurde vom Bundesverwaltungsgericht die so genannte Abwägungsfehlerlehre entwickelt, die seither als Kontrollmaßstab herangezogen wird.32 Zusammenfassend ist demnach § 1 Abs. 7 BauGB im Stadium der Planung als Handlungsnorm zu verstehen, fungiert aber nach Abschluss der Planung als Kontrollnorm bei der Überprüfung der Abwägungsentscheidung.

B. Phasen der Abwägung im Einzelnen Die Abwägung als Methode der Entscheidungsfindung ist ein mehrstufiger Prozess. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangt das Abwägungsgebot, dass eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange ver29 30 31 32

Just, Ermittlung und Einstellung, S. 81. Siehe nachfolgend Zweiter Teil, B. Vgl. Komorowski/Kupfer, VBlBW 2003, 49 (56). Siehe nachfolgend Zweiter Teil, C.

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

kannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.33 Diese Anforderungen sollen sich – so zumindest der regelmäßig klarstellende Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts – sowohl auf den Abwägungsvorgang als auch auf das Abwägungsergebnis beziehen.34 Die soeben aufgeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nahm die Literatur zum Anlass, der Abwägung eine genaue Struktur zuzuweisen. Nach der h.M. im Schrifttum vollzieht sich die Abwägung in drei Schritten respektive Phasen.35 Zunächst bedarf es der Einstellung der abwägungsrelevanten Belange in die Abwägung (1. Schritt), die dann ihrer Bedeutung entsprechend gewichtet werden (2. Schritt), um den Ausgleich zwischen den konfligierenden und konkurrierenden Belangen vorzunehmen (3. Schritt), damit letztlich eine Planungsentscheidung getroffen werden kann.

I. Zusammenstellung des Abwägungsmaterials: Ermittlung und Einstellung der Belange Die Abwägung setzt die Kenntnis über alle abwägungserheblichen Belange, sog. Abwägungsmaterial, voraus. Eine Legaldefinition des Begriffs des Abwägungsmaterials findet sich seit dem EAG Bau in § 2 Abs. 3 BauGB, wonach zum Abwägungsmaterial die Belange gehören, die für die Abwägung von Bedeutung sind. Hierunter fallen die betroffenen Belange, die „nach Lage der Dinge“ in die Abwägung eingestellt werden müssen.36 Die Formulierung unterstreicht, dass sich die Frage, auf welche Belange dies im konkreten Fall sachlich wie räumlich zutrifft, nicht (erschöpfend) generell, sondern nur für die jeweilige Planung im Hinblick auf das von ihr konkret verfolgte Planungsziel sowie auf die ihr vorgegebene Situation beantworten lässt.37 Dabei wird das notwendige Abwägungsmaterial tendenziell eher weit als eng verstan-

33 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34; 301 (309); BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (314 f.); BVerwG, Urt. v. 01.11.1974 – 4 C 38.71 – BVerwGE 47, 144 (146); BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 – 4 C 21.74 – BVerwGE 48, 56 (63 f.). 34 BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (315); BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 – 4 C 21.74 – BVerwGE 48, 56 (64); BVerwG, Urt. v. 29.09.1978 – 4 C 30.76 – BVerwGE 56, 283 (287). Zur Klarstellung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Anforderungen sich an den Abwägungsvorgang und an das Abwägungsergebnis richten, siehe unten Zweiter Teil, C.IV. 35 Brohm, Öffentliches Baurecht, § 13 Rn. 15 ff; Erbguth/Wagner, Grundzüge des Öffentlichen Baurechts, § 5 Rn. 147 ff.; Ley/Messer, Grundriss des Baurechts, S. 109; Peine, Öffentliches Baurecht, Rn. 365; Rothe/Müller, Das Verfahren, Rn. 452; Tettinger/Erbguth/Mann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 1005. 36 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (309). 37 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 09.11.1979 – 4 N 1.78, 4 N 2 – 4/79 – BVerwGE 59, 87 (101); BVerwG, Beschl. v. 24.08.1993 – 4 NB 12.93 – NVwZ-RR 1994, 490 (490).

B. Phasen der Abwägung im Einzelnen

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den.38 Zum notwendigen Abwägungsmaterial sind nur die Belange hinzuzuziehen, die mehr als geringfügig betroffen sind, bei denen der Eintritt der Betroffenheit wahrscheinlich ist und deren Betroffenheit für die planende Stelle bei der Entscheidung über den Plan als abwägungserheblich erkennbar ist.39 Entscheidend ist freilich nicht die gegenwärtige Betroffenheit, vielmehr kann die Betroffenheit der Belange in der Zukunft liegen, so dass bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials eine Prognose unerlässlich ist.40 Ist ein Belang von der Planung nicht betroffen, darf (und muss) er bei der Entscheidung über den Plan vernachlässigt werden.41 Des Weiteren muss die planende Gemeinde bei der Ermittlung des Abwägungsmaterials keine Belange einstellen, die sie nach den gegebenen Umständen nicht zu sehen brauchte.42 Schädlich ist die Nichtaufnahme eines einschlägigen Belangs in das Abwägungsmaterial zudem erst dann, wenn gewichtige Belange übersehen werden.43 Daher dürfen Belange geringeren Gewichts außer Acht gelassen werden.44 Zu ermitteln sind die öffentlichen und privaten Belange, die von der konkreten Planung berührt werden. Einen nicht abschließenden Katalog öffentlicher Belange enthält § 1 Abs. 6 BauGB. Jenseits von § 1 Abs. 6 BauGB sind insbesondere die den privaten Belangen zuzurechnenden grundrechtlich geschützten Interessen der von der Planung Betroffenen zu nennen.45 Häufig wird das Einstellen der Belange als eigenständiger, der Ermittlung nachfolgender Verfahrensschritt dargestellt, woraus sich ein 4-stufiges Strukturmodell der Abwägung ergibt.46 Nach Hoppe seien in der ersten Phase, der Ermittlung, die generell abwägungsbeachtlichen Belange mit bodenrechtlichem Bezug zusammenzustellen. In der zweiten Phase, der Einstellung, seien alle konkret abwägungsbeachtlichen Belange in die Abwägung einzustellen. Während die Ermittlung der Grobselektion diene, finde bei der Einstellung eine Feinselektion beschränkt auf die konkrete Abwägungsbeachtlichkeit der Belange statt.47 Die Einstellung stelle gegenüber der ers-

38 So in BVerwG, Urt. v. 22.06.1979 – 4 C 8.76 – BVerwGE 58, 154 (156); BVerwG, Beschl. v. 09.11.1979 – 4 N 1.78, 4 N 2 – 4.79 – BVerwGE 59, 87 (102). 39 BVerwG, Beschl. v. 09.11.1979 – 4 N 1.78, 4 N 2 – 4.79 – BVerwGE 59, 87 (103). 40 Erbguth/Wagner, Grundzüge des Öffentlichen Baurechts, § 5 Rn. 150. 41 Vgl. Stüer, Der Bebauungsplan, E Rn. 761. 42 BVerwG, Beschl. v. 09.11.1979 – 4 N 1.78, 4 N 2 – 4.79 – BVerwGE 59, 87 (103). 43 So die Formulierung in BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (315). 44 Weyreuther, BauR 1977, 293 (306). 45 Erbguth/Wagner, Grundzüge des Öffentlichen Baurechts, § 5 Rn. 148. 46 Vgl. Hoppe, NVwZ 2004, 903 (907); ders., DVBl. 1992, 853 (856); ders., in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 36 ff; Hoppe folgend Jochum, Amtshaftung, S. 65 ff. A. A. Stüer, Der Bebauungsplan, E Rn. 755 ff. 47 Vgl. Hoppe, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 47.

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

ten Phase einen weiteren Filter der konkreten Abwägungsbeachtlichkeit dar48 und sei die Entscheidung, bestimmte Belange in die Gewichtung aufzunehmen; sie „ist also Verbindungsglied und Zwischenstufe zur Gewichtung“49. Eine ausdrückliche Trennung zwischen Ermittlung und Einstellung der Belange ist der Abwägungsjudikatur indes fremd. Die Einstellung der ermittelten Belange in die Abwägung wird vielmehr vorausgesetzt, ohne dass die Rechtsprechung auf die Unterscheidung zwischen Grob- und Feinselektion abstellt. Es ist auch nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund erst im Rahmen der Einstellung an die Betroffenheit der ermittelten Belange angeknüpft werden soll.50 Vielmehr ist bereits bei der Ermittlung auf die Betroffenheit, die mehr als geringfügig und in ihrem Eintritt mehr als wahrscheinlich sein muss, zu achten. Nur solche Belange können als Teil des Abwägungsmaterials qualifiziert werden. Sodann sind die ermittelten Belange in das Abwägungsmaterial einzustellen. Vor diesem Hintergrund findet die Einstellung in der Abwägungsjudikatur keine besondere Erwähnung, da sie bei der Abwägung nicht bewusst wahrgenommen wird. Vielmehr folgt die Einstellung der ermittelten Belange einem Automatismus; sie findet zwangsläufig statt.51

II. Gewichtung Nach der Ermittlung des notwendigen Abwägungsmaterials folgt dessen Gewichtung. Das Gebot der Gewichtung verlangt, dass die planende Gemeinde die Bedeutung des jeweiligen Belangs richtig erfasst. Dabei hat sie die einzelnen Belange zu der konkret beabsichtigten Planung in Verhältnis zu setzen, um – im nächsten Schritt – auf dieser Grundlage eventuell kollidierende Belange ausgleichen zu können.52 Das Gewicht des betroffenen Belangs wird maßgeblich von der Intensität seiner Betroffenheit im konkreten Fall bestimmt. Die vorzunehmende Gewichtung zielt auf die Bestimmung einer Vorrangrelation, die nur im konkreten Fall Geltung beanspruchen kann. Eine abstrakte Werteskala, wonach sich das Gewicht der abwägungserhebli48

Hoppe, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 66. Hoppe, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 63: Das Einstellen sei das „Nadelöhr“, durch das die im Wege der Ermittlung gewonnenen Informationen in die Informationsverarbeitung aufgenommen werden. 50 So aber Hoppe, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 47. 51 Ähnlich Erbguth, JZ 2006, 484 (489). So im Ergebnis auch Dreier, Normative Steuerung, S. 56 Fn. 4 mit Verweis auf S. 69; Finkelnburg/Ortloff, S. 36 f. Auch die Rechtsprechung fasst beide Schritte zusammen, vgl. BVerwG, Beschl. v. 09.11.1979 – 4 N 1.78, 4 N 2 – 4.79 –, BVerwGE 59, 87 (101). 52 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (308 f.). Dort heißt es: „Die vielleicht auf das Gegenteil hindeutenden Worte „gerecht abzuwägen“ sind insofern missverständlich, als sie die Erkenntnis in den Hintergrund treten lassen könnten, daß es insoweit nicht nur um den Vorgang des Abwägens, sondern – ihm vorausgehend und in gewisser Weise in ihn eingeschlossen – um eine Bestimmung der (relativen) Gewichtigkeit der abzuwägenden Belange geht.“ 49

B. Phasen der Abwägung im Einzelnen

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chen Belange bestimmen lässt, existiert nicht. Das zu bestimmende Gewicht hängt immer von der konkreten Planungslage ab. In einer anderen Planungssituation und unter anderen Bedingungen kann sich eine gegenläufige Gewichtung ergeben. 1. Planerische Gestaltungsfreiheit oder objektives Gewicht der Belange Die Gewichtung der von der Planung berührten Belange ist ein Element der planerischen Gestaltungsfreiheit.53 Ob ein Belang gewichtig oder ungewichtig ist, hängt hauptsächlich von der Bewertung durch die planende Gemeinde ab.54 Demgegenüber soll nach Hoppe im Rahmen der Gewichtung jedem Belang das ihm zukommende objektive Gewicht unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten beigemessen werden.55 Die Gewichtung der einzelnen Belange sei objektiv vorgegeben und deshalb in vollem Umfang überprüfbar.56 Denn die Frage, ob die Bedeutung eines Belangs verkannt wurde, könne bei der Überprüfung der Gewichtung nur beantwortet werden, wenn die Bestimmung der objektiven Gewichtigkeit, die dem Belang zukommt, durch die überprüfende Kontrollinstanz möglich sei. Auch aus der Verwendung des Ausdrucks „objektive“ Gewichtigkeit ergebe sich, dass die Gemeinde bei der Bestimmung der Gewichtigkeit nicht unüberprüfbar frei sein könne. Demnach sei die Gewichtung der Gemeinde objektiv vorgegeben und damit auch nachprüfbar.57 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass bei dem Erfordernis der Bestimmung der objektiven Gewichtigkeit eines jeden Belangs kein Raum mehr für den planerischen Gewichtungsspielraum verbleibt, obwohl gerade die Gewichtung Ausdruck der planerischen Gestaltungsfreiheit sein soll.58 Im Ergebnis würde das bedeuten, dass die planerische Gestaltungsfreiheit bei der gesamten Bauleitplanung nur noch darauf reduziert wird, objektiv gleichgewichtige Belange vor- und zurückzustellen.59 Denn nur insoweit würde unter Zugrundelegung der These von der objektiven Gewichtigkeit der Belange ein etwaiger Spielraum der Gemeinde verbleiben. Das aber wäre mit dem „Wesen der Planung“ schlechterdings unvereinbar.60 Das bedeutet freilich nicht, dass den Gerichten jegliche Kontrolle bei der Gewichtung der Belange vorenthalten bliebe. Die These, wonach einem Belang kein objektives Gewicht zugeschrie53

BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (325); Brohm, Öffentliches Baurecht, § 13 Rn. 23. 54 Weyreuther, BauR 1977, 293 (306 f). 55 Hoppe, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 39 und 71. 56 Hoppe, BauR 1970, 15 (17). 57 Hoppe, BauR 1970, 15 (17). 58 So auch Papier, DVBl. 1975, 461 (465). Bei konsequenter Handhabung sei die planerische Gestaltungsfreiheit ausgeschlossen. 59 So auch die Kritik von Just, Ermittlung und Einstellung, S. 43. 60 Vgl. auch BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (304).

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

ben werden kann, schließt es nämlich mit Weyreuther nicht aus, dass ein Gericht feststellt, dass die Gemeinde die Belange in einer Weise gewichtet hat, durch die die objektive Gewichtigkeit eines dieser Belange völlig verfehlt wird.61 Die Erfüllung dieser Aufgabe ist möglich, ohne dass vorausgesetzt werden muss, dass die Gerichte imstande seien, die objektive Gewichtigkeit als solche präzise festzulegen.62 2. Verhältnis öffentlicher zu privaten Belangen Anknüpfend an obige These vom abstrakten Gleichgewicht aller Belange gibt es auch keinen grundsätzlichen Vorrang öffentlicher vor privaten oder privater vor öffentlichen Belangen, es gilt vielmehr der Grundsatz der abstrakten Gleichgewichtigkeit öffentlicher und privater Belange. Angesichts dieser prinzipiellen Gleichwertigkeit kann im Einzelfall auf die (teils schwierige) Unterscheidung zwischen den privaten und öffentlichen Belangen dahinstehen. So können auch private Belange aufgrund ihrer Bedeutung zugleich als öffentliche Belange qualifiziert werden.63 Die Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Belangen wirkt sich somit auf die Gewichtung nicht aus.

III. Ausgleich bzw. Abwägung i. e.S. 1. Inhalt Im letzten Schritt werden die Belange untereinander und gegeneinander abgewogen. Die Abwägung i. e.S. ist eine Ausgleichs-64 und Kompromissentscheidung über das Vorziehen und Zurückstellen widerstreitender öffentlicher und privater Belange.65 Das Ausgleichsgebot verlangt, dass der Ausgleich in einer Weise vorgenommen wird, der im Verhältnis zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange steht.66 Die eigentliche Abwägung besteht darin, den Ausgleich bzw. Kompromiss zwischen den von der Planung berührten Belangen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen.67 Im Rahmen ihres Planungsermessens entscheidet sich dann die Gemeindevertretung, welche der vorliegenden Belange vorgezogen, welche

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Vgl. auch BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (315). Weyreuther, BauR 1977, 293 (308). 63 Vgl. nur für den baurechtlichen Kontext Brohm, Öffentliches Baurecht, § 13 Rn. 13. 64 Zum Begriff des Ausgleichs vgl. Weyreuther, BauR 1977, 293 (297): Der Begriff des Abwägens im Zusammenhang mit der Bauleitplanung sei wegen seiner Doppeldeutigkeit verfehlt. 65 Papier, DVBl. 1975, 461 (464). 66 Ständige Rechtsprechung des BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (309); BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (325). 67 Hoppe, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 44. 62

B. Phasen der Abwägung im Einzelnen

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zurückgesetzt und welche überhaupt keine Berücksichtigung finden sollen.68 Dabei dienen die Schritte des Ermittelns und Gewichtens der Vorbereitung der Ausgleichsentscheidung. Denn das zunächst ermittelte und sodann gewichtete Abwägungsmaterial bildet die Basis der eigentlichen Abwägungsentscheidung.69 Während bei der Gewichtung zunächst die einzelnen Belange in Verhältnis zu der konkret beabsichtigten Planung gesetzt werden, wird anschließend daran anknüpfend ein sachgerechter Ausgleich der von der Planung betroffenen Belange gefunden.70 Die Abwägungsentscheidung und damit auch die Planungsentscheidung ist dann Ergebnis einer wertenden Berücksichtigung aller von der Planung betroffenen Belange,71 wobei der Grundsatz gilt, dass dem Belang mit dem stärksten Gewicht der Vorrang einzuräumen ist.72 Gewiss ist der Gemeinde aber auch im Hinblick auf den Ausgleich ein Gestaltungsspielraum einzuräumen.73 2. Verhältnis von Abwägung i. e.S. zur Gewichtung a) Notwendigkeit einer eigenständigen Abwägungsentscheidung? Freilich wird in der Literatur die Frage aufgeworfen, ob es nach der Gewichtung überhaupt noch einer eigentlichen Abwägungsentscheidung bedarf. Prägnant formuliert lautet die These: Die Gewichtung des Abwägungsmaterials bestimmt den Planungsinhalt, so dass keine sich anschließende Abwägungsentscheidung mehr notwendig ist.74 Begründet wird diese These damit, dass im Falle der richtigen Gewichtung der Belange bereits mit der Gewichtung die Planungsentscheidung und mithin der Planungsinhalt feststehe. Die Entscheidung über die Gewichtigkeit impliziere stets die Entscheidung über die Vorzugswürdigkeit.75 Die planende Gemeinde habe sich zwingend zu Gunsten des Belangs mit dem stärksten Gewicht zu entscheiden. Die Abwägungsentscheidung sei durch die Gewichtungsergebnisse bereits vorgegeben, so dass es keiner eigentlichen Abwägung mehr bedürfe.76 68

Rothe/Müller, Das Verfahren, Rn. 468. Hoppe, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 41. 70 Kupfer, Die Verwaltung 2005, 493 (502). 71 Heinze, NVwZ 1986, 87 (87). Der Ausgleich ist ein Vorgang der Integration der verschiedenen Belange und mündet unmittelbar in einen bestimmten Planinhalt, vgl. Komorowski/ Kupfer, VBlBW 2003, 49 (57). 72 So auch das OVG NRW, Urt. v. 12.04.1972 – 7 A 844.71 – DVBl. 1972, 687 (691). 73 Hoppe, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 40. 74 Weyreuther, BauR 1977, 293 (299 f.). 75 So auch Steiger, in: FS Wolff, S. 426. 76 Vgl. Weyreuther, BauR 1977, 293 (299 f.); ebenso Birk, Bauplanungsrecht, Rn. 623 ff.; Steiger, in: FS Wolff, S. 426. Auch Dreier verlangt die Aufgabe der Trennung zwischen Gewichtung und Ausgleich. Die Trennung „ist zwar logisch möglich und theoretisch nachvollziehbar, sie ist jedoch für die rechtlich adäquate Erfassung der Abwägung unnötig und damit aufzugeben.“ Dreier, Normative Steuerung, S. 64; ähnlich Schulze-Fielitz, Jura 1992, 201 (205), der davon spricht, dass eine Trennung nur „theoretisch-analytisch“ möglich sei. Im 69

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

So bringt insbesondere Weyreuther vor, dass zwar begrifflich zwischen dem Gewichten und der Abwägung i. e.S. unterschieden werden könne, die der Gewichtung folgende Abwägung i. e.S. jedoch ohne Substanz sei.77 Denn „sind die Gewichte bestimmt, so sind die Würfel gefallen; um das Ergebnis zu ermitteln, bedarf es keines (noch irgendwie gestaltenden) Abwägens, sondern einzig eines Rechenwerks.“78 Daher könnten das planerische Gewichten und das planerische Abwägen nicht mit der Eigenschaft voneinander getrennt werden, das Gewichten sei als etwas Gebundenes und das Abwägen als etwas Freies oder Freieres zu qualifizieren.79 Wenn das Gewichten und das Abwägen gestaltender Natur seien, was generell auf die Planung zutreffe, dann werde das Abwägen vom Gewichten – oder auch umgekehrt – gleichsam aufgesogen und müsse deshalb das eine, wenn das andere in Ausübung von Gestaltungsfreiheit zu geschehen hat, an dieser Freistellung notwendig teilnehmen.80 Daher reiche es aus, die Abwägung in zwei Schritten vorzunehmen: Zunächst sei das Abwägungsmaterial zusammenzustellen. Dem schließe sich die Stufe des Gewichtens (einschließlich des Abwägens) an. Für die These der Untrennbarkeit von Gewichtung und Abwägung i. e.S. kann auch die Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts herangezogen werden. Dies impliziert nicht zuletzt das Urteil vom 14.02.197581, in dem das Bundesverwaltungsgericht zum Inhalt des Abwägungsgebotes aus Handlungsperspektive wörtlich ausführt: „… verlangt das Abwägungsgebot, daß – erstens – eine Abwägung überhaupt stattfindet, daß – zweitens – in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß, und daß – drittens – weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.“82

Während das Bundesverwaltungsgericht das Erfordernis einer Abwägung überhaupt, die Einstellung an Belangen in die Abwägung und den Ausgleich zwischen den betroffenen Belangen durch Aufzählung (erstens, zweitens, drittens) strikt voneinander trennt, fehlt diese genaue Abgrenzung zwischen der Gewichtung und der Übrigen weist Schulze-Fielitz darauf hin, dass auch das Bundesverwaltungsgericht nicht mehr strikt zwischen diesen beiden Schritten unterscheide, sondern beide Stufen der Prüfung zu einem einheitlich wertenden Abwägungsakt „verschleife“. Das Bundesverwaltungsgericht bezeichne in der Flachglasentscheidung die Schritte der Abwägung als eine „theoretische Gliederung“, bei der die gebotene Trennung der einzelnen Stufen in der praktischen Handhabung meistens nicht streng vollzogen werden könne. 77 Weyreuther, BauR 1977, 293 (300). 78 Weyreuther, BauR 1977, 293 (299 f.). 79 Weyreuther, BauR 1977, 293 (300). 80 Vor diesem Hintergrund beschränkt Weyreuther die Abwägung auf zwei zu durchlaufenden Phasen: 1. Zusammenstellung des Abwägungsmaterials, 2. Gewichtung, einschließlich des Abwägens; vgl. Weyreuther, BauR 1977, 293 (300.). 81 BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 – 4 C 21.74 – BVerwGE 48, 56 ff. 82 BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 – 4 C 21.74 – BVerwGE 48, 56 (63 f.).

B. Phasen der Abwägung im Einzelnen

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Abwägung i. e.S. Eine solche Abgrenzung hätte das Bundesverwaltungsgericht einfach durch das Einschieben eines „viertens“ vornehmen können. Es liegt daher die Annahme nahe, dass das Bundesverwaltungsgericht bewusst keine Trennung zwischen der Gewichtung und der eigentlichen Abwägungsentscheidung vorgenommen hat.83 Noch deutlicher wird das implizierte Leugnen einer (strikten) Trennung zwischen Gewichtung und Ausgleich an folgender Passage der Flachglasentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.07.197484 : „Im übrigen aber verlangt das Abwägungsgebot sowohl vom Abwägungsvorgang als auch vom Abwägungsergebnis, daß gewichtige Belange nicht einfach übersehen werden … und die Gewichtung verschiedener Belange in ihrem Verhältnis zueinander nicht in einer Weise erfolgt, durch die die objektive Gewichtigkeit eines dieser Belange völlig verfehlt wird.“85

Auch hiernach würde das Abwägungsgebot – aus Handlungsperspektive – lediglich die vollständige Berücksichtigung des Abwägungsmaterials und dessen Gewichtung zum Inhalt haben. Zu der sich (eigentlich) anschließenden Abwägung i. e.S. fehlen jegliche Ausführungen. Schließlich ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 196986 im Hinblick auf die Trennbarkeit bzw. Untrennbarkeit der Gewichtung und der Abwägung i. e.S. allenfalls ambivalent, wenn es dort heißt: „Im Unterschied zur Auslegung und Anwendung der Planungs-Leitsätze ist die Frage, ob der jeweiligen Planung eine gerechte Interessenabwägung zugrunde liegt, der Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde und durch die Verwaltungsgerichte nicht uneingeschränkt zugänglich. Die vielleicht auf das Gegenteil hindeutenden Worte „gerecht abzuwägen“ sind insofern missverständlich, als sie die Erkenntnis in den Hintergrund treten lassen könnten, daß es insoweit nicht nur um den Vorgang des Abwägens, sondern – ihm vorausgehend und in gewisser Weise in ihn eingeschlossen – um eine Bestimmung der (relativen) Gewichtigkeit der abzuwägenden Belange geht. […] Das Gebot gerechter Abwägung ist verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Es ist verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.“87

Auch hier wird – an dieser Stelle aus Kontrollperspektive – zunächst zwischen den bei der Abwägung zu durchlaufenden Schritten getrennt. Jeder einzelne Schritt der 83 Auch Dreier stellt einen Zusammenhang beider Abwägungsschritte seit der Entscheidung BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 – 4 C 21.74 – BVerwGE 48, 56 (63 f.) fest, weil beide Schritte unter einen Punkt zusammengefasst werden, vgl. Dreier, Normative Steuerung, S. 57 f. 84 BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 ff. 85 BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (315). 86 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 ff. 87 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (309).

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

Abwägung wird in einem selbständigen Satz behandelt. Wird überhaupt keine Abwägung vorgenommen, ist das Abwägungsgebot verletzt (sog. Abwägungsausfall). Wird ein Belang nicht in die Abwägung eingestellt, obwohl es hätte eingestellt werden müssen, dann ist das Abwägungsgebot ebenfalls verletzt (sog. Abwägungsdefizit). Das Gebot der gerechten Abwägung ist aber auch dann verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt (sog. Abwägungsfehlgewichtung) oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belange außer Verhältnis steht (sog. Abwägungsdisproportionalität). Aber auch an dieser Stelle nimmt das Bundesverwaltungsgericht keine klare Trennung zwischen der Gewichtung und dem Ausgleich i. e.S. vor. Das wird daran deutlich, dass die Abwägungsfehlertatbestände des Abwägungsausfalls und des Abwägungsdefizits unmissverständlich als getrennt von einander bestehende Abwägungsfehlertatbestände aufgeführt werden, indem die jeweiligen Tatbestände in getrennten Sätzen beschrieben werden, die mit der Einleitung „Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn ..“ beginnen. Demgegenüber sind die Abwägungsfehlertatbestände der Abwägungsfehlgewichtung und der Abwägungsdisproportionalität, die die Phasen der Gewichtung und der Abwägung i. e.S. betreffen, in einem Satz aufgeführt und nicht in getrennten Sätzen beschrieben.88 Gleichwohl ist einzuräumen, dass die Verwendung des Begriffs „oder“ den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts eine gewisse Ambivalenz verleiht, so dass sie als Argumentationsstütze sowohl für die These der Untrennbarkeit von Gewichtung und Ausgleich i. e.S. als auch für die These der Trennbarkeit der beiden Phasen herangezogen werden könnte. Hinzu kommt die – ebenfalls ambivalente – Äußerung des Bundesverwaltungsgerichts in der Entscheidung vom 12. 12. 1969 zum Verhältnis der beiden Phasen, wonach die Gewichtung der eigentlichen Abwägung vorausgehe, aber auch in gewisser Weise in der eigentlichen Abwägung eingeschlossen sei.89 Die These von der Untrennbarkeit von Gewichtung und Abwägung i. e.S. ist keineswegs unumstritten. So räumt etwa Hoppe zwar ein, dass der Vorgang der Gewichtung und der Vorgang des Ausgleichs sehr eng miteinander verknüpft sind. Die Gewichtung sei dennoch von dem dem Verhältnismäßigkeitsprinzip unterliegenden Ausgleich konfligierender Belange zu trennen. Der Gewichtung werde der Fehler der Fehleinschätzung zugeordnet, dem Ausgleich hingegen werde der Fehler der unverhältnismäßigen Berücksichtigung von Belangen (Disproportionalität) zugeordnet.90 Demnach soll grundsätzlich der Gewichtung und der Abwägung i. e.S. jeweils eine eigenständige Bedeutung zukommen. 88 Gleiches konstatiert Erbguth, wenn er die vier Fehlertatbestände vorstellt und zugleich anmerkt, dass in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. 12. 1969 „die beiden zuletzt genannten Fehler sich sprachlich in einem Atemzug, d. h. in einem Satz aufgeführt finden, also in engen Zusammenhang gestellt werden“, vgl. Erbguth, JZ 2006, 484 (485). 89 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (309). 90 Hoppe, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 83. Zu den möglichen Fehlern im Rahmen des Abwägungsvorgangs nach der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Abwägungsfehlerlehre siehe unten Zweiter Teil, C.

B. Phasen der Abwägung im Einzelnen

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b) Stellungnahme Wenn nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts das Abwägungsgebot verlangt, dass die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange nicht verkannt werden darf, dann geht es zunächst um das Gewicht eines jeden einzelnen Belangs. Das Abwägungsgebot verlangt aber auch, den Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorzunehmen, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Damit werden alle Belange im Verhältnis zueinander – im Sinne einer „bilanzierenden Gesamtbeurteilung“91 – unter Beachtung ihrer objektiven Gewichtigkeit betrachtet. Bei der bilanzierenden Gesamtbeurteilung sind die Belange als vorzugswürdig oder nachrangig zu kennzeichnen und dabei die unterschiedlichen Folgen im Rahmen der angemessenen Problembewältigung planerisch zu erfassen.92 Demnach erscheint die Ansicht, dass eine Differenzierung zwischen der Gewichtung und der Abwägung i. e.S. überflüssig sei, prima facie überzeugend. Gleichwohl ist der Ansicht, durch die Gewichtung werde die Entscheidung vorgegeben, nur teilweise zuzustimmen. Sie trifft nur zu, wenn die Kollision der Belange ausschließlich als konkurrierende zu qualifizieren ist. Ist eine Abwägungsentscheidung zwischen sich ausschließenden Belangen zu treffen und ist bei der Gewichtung beispielsweise dem von der Planung berührten Belang mehr Bedeutung beigemessen worden als dem von der Planung verfolgten Belang, steht mit der Gewichtung bereits auch die Abwägung i. e.S. fest. Die planende Gemeinde hat sich in diesem Falle aufgrund des gewichtigeren, die Planung ausschließenden Belangs gegen die begehrte Planung zu entscheiden. Die anschließende Phase der Abwägung i. e.S. kann zu keinem anderen Ergebnis führen. In solchen Konstellationen kommt ihr keine eigenständige Funktion zu. Denn hier steht das Ergebnis der Abwägung i. e.S. durch die Gewichtung fest. Die Abwägung i. e.S. ist dann lediglich die Konsequenz der vorgenommenen Gewichtung. Problematisch wird die „Untrennbarkeitsthese“ aber bereits, wenn die Gemeinde im Rahmen der Gewichtung zu dem Ergebnis gelangt, die von der Planung betroffenen Belange, die zugleich auch konkurrieren, sind von gleichem Gewicht. Denn dann ist die Abwägungsentscheidung noch nicht alleinig durch die Gewichtung bestimmt, so dass hier auch die Abwägung i. e.S. nicht überflüssig ist. In diesem Falle entscheidet die planerische Gemeinde unter Rekurs auf die planerische Gestaltungsfreiheit, welchem Belang sie den Vorrang gewähren möchte. Hier trifft somit die Aussage der Untrennbarkeit beider Abwägungsphasen nicht zu. Der Abwägung i. e.S. kommt dann gegenüber der Gewichtung eine eigenständige Bedeutung zu. Zu berücksichtigen ist ferner die weitere Kollisionsmöglichkeit, namentlich die konfligierende Kollision von Belangen. Im Falle der konfligierenden Kollisionslage ist eine Trennung der Phasen sogar geboten, da sich allein durch die Gewichtung der von der Planung berührten Belange keine konkrete Abwägung i. e.S. herleiten lässt. 91 92

BVerwG, Beschl. v. 05.10.1990 – 4 B 249/89 –, NVwZ-RR 1991, 118 (122). BVerwG, Beschl. v. 05.10.1990 – 4 B 249/89 –, NVwZ-RR 1991, 118 (122).

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

Vielmehr findet eine Abwägung i. e.S. im Rahmen der planerischen Gestaltungsfreiheit unter Berücksichtigung der zuvor vorgenommenen Gewichtung statt. Anhand der Gewichtung ist lediglich geklärt, dass der von der Gemeinde bevorzugte Belang auch Vorrang genießt. Es bedarf dennoch der genaueren Bestimmung, inwiefern die konfligierenden Belange bei der Planung Berücksichtigung finden müssen, um den bestehenden Konflikt zu lösen. Insbesondere ist zu bestimmen, ob der bevorzugte Belang bzw. das Vorhaben vollständig verwirklicht werden soll oder ob die Kollision nicht gar Abstriche im Hinblick auf die Verwirklichung des Vorhabens fordert. Im Rahmen der Abwägung i. e.S. steht somit im Falle der konfligierenden Kollisionslage die Art und Weise der Verwirklichung des als gewichtiger anerkannten Belangs im Vordergrund. Innerhalb dessen gilt es auch zu bestimmen, welche Maßnahmen zum Schutze der konfligierenden Belange getroffen werden müssen. Damit handelt es sich bei der Unterscheidung zwischen Gewichtung und Ausgleich nicht nur um eine rein theoretische Trennung, vielmehr kommt ihr auch rechtliche Bedeutung zu. Denn es ist durchaus möglich, dass trotz richtiger Gewichtung der Ausgleich etwa angesichts der Dimension des Vorhabens oder aufgrund unterlassener Ausgleichsmaßnahmen unverhältnismäßig erfolgt.93

C. Kontrolle der planerischen Abwägung Im Mittelpunkt der Diskussion über die herkömmliche Abwägungsdogmatik steht die Abwägungsfehlerlehre des Bundesverwaltungsgerichts. Sie dient als Kontrollmaßstab der Überprüfung planerischer Abwägung. Zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts haben die Abwägungsfehlerlehre maßstabsbildend geprägt: In seinem Urteil vom 12.12.196994 hat das Bundesverwaltungsgericht die überragende Bedeutung95 des Abwägungsgebotes herausgearbeitet und die bis heute gültigen Grundstrukturen der Abwägungsfehlerlehre entwickelt. Die so genannte Flachglasentscheidung vom 05.07.197496 hat dieses Judikat des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt sowie durch die Unterscheidung zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis ausgeformt.

93 94 95 96

Ähnlich Blumenberg, DVBl. 1989, 86 (88). BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 ff. Vgl. BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (307). BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 ff.

C. Kontrolle der planerischen Abwägung

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I. Kontrollmaßstab: Abwägungsfehlerlehre nach der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 34, 301 ff.) Wann eine Verletzung des Gebots der gerechten Abwägung angenommen werden kann, wurde erstmals vom Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 12. 12. 1969 ausdrücklich bestimmt. Ausgerichtet an den Phasen der Abwägung unterscheidet das Bundesverwaltungsgericht zwischen vier Abwägungsfehlertatbeständen. Hieran anlehnend hat Hoppe97 jedem Verletzungstatbestand eine Bezeichnung zugewiesen, die seitens der Literatur98 und Rechtsprechung99 übernommen wurde: Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit, Abwägungsfehleinschätzung und Abwägungsdisproportionalität. Die (gerichtliche) Kontrolle der Abwägung erfolgt seither am Maßstab dieser vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten so genannten Abwägungsfehlerlehre.100 Nach der vom Bundesverwaltungsgericht erstmals in dieser Entscheidung entwickelten Abwägungsfehlerlehre ist das Abwägungsgebot verletzt, 1. „wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet“, 2. „wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß“, 3. „wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belange in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.“101 „Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet.“102 97

Hoppe, BauR 1970, 15 (17). Vgl. Rieger, in: Schrödter, § 1 Rn. 187; Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, Rn. 1410. 99 Vgl. BVerwG, Urt. v. 09.11.2006 – 4 A 2001.06 – BVerwGE 127, 95 (141), welches eine Abwägungsdisproportionalität zum Gegenstand hat; BVerwG, Urt. v. 18.09.2003 – 18.09.2003 – 4 CN 3.02 – BVerwGE 119, 45 (48), welches das Vorliegen eines Abwägungsausfall diskutiert; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 02.10.2007 – 8 C 11412.06 – Juris, Rn. 38, in dem Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit und Abwägungsfehleinschätzung nach der vom BVerwG aufgestellten Abwägungsfehlerlehre definiert werden. 100 Zur Bezeichnung der Abwägungsfehlerlehre als Kontrollmaßstab für die Abwägung, vgl. Krebs, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 4. Kap. Rn. 106. 101 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (309). 102 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (309). Die Literatur kritisiert an dieser Klarstellung die missverständliche Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn von der Verkennung der Bedeutung der betroffenen privaten Belange die Rede ist, vgl. Papier, DVBl. 1975, 461 (465). Hoppe erweitert den Kreis der Belange, deren Bedeutung nicht verkannt werden darf, auch auf die öffentlichen, siehe Hoppe, BauR 1970, 15 (17). Weyreuther erklärt diese Tatsache damit, dass es sich bei dem vom Vierten Senat zu 98

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

II. Kontrolldichte: Keine eigenständige Kategorie Es wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass Handlungs- und Kontrollnormen hinsichtlich ihrer Kontrolldichte nicht deckungsgleich seien, so dass nicht jede Verletzung einer Handlungsnorm zu einem Rechtsfehler führe, der nach der Kontrollnorm gerügt werden kann.103 Dabei werden unter dem Begriff „Kontrolldichte“ die Anforderungen des jeweiligen Kontrollmaßstabs104 bzw. die Kontrollintensität und Reichweite der Kontrolle105 verstanden. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 12. 12. 1969 in Anlehnung an § 114 VwGO festgestellt, dass sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Planung angesichts der der Gemeinde im Rahmen der Planung zustehenden Gestaltungsfreiheit darauf beschränke, ob im Einzelfall die gesetzlichen Grenzen der Gestaltungsfreiheit überschritten sind oder von der Gestaltungsfreiheit in einer der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.106 Daher sei auch die Frage, ob der jeweiligen Planung eine gerechte Interessenabwägung zugrunde liegt, der Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde und durch die Verwaltungsgerichte nicht uneingeschränkt zugänglich.107 In Anbetracht dessen hat das Bundesverwaltungsgericht die so genannte Abwägungsfehlerlehre entwickelt. Die Abwägungsfehlerlehre gilt seither als Maßstab zur Überprüfung der Einhaltung des Abwägungsgebotes. Ihre einzelnen Abwägungsfehlertatbestände stellen die Kontrolldichte dar. Nach der überwiegenden Ansicht der Literatur und des Bundesverwaltungsgerichts bleibt damit – gestützt auf die planerische Gestaltungsfreiheit – die aufsichtsbehördliche und gerichtliche Kontrolldichte hinter den Anforderungen des Abwägungsgebots zurück.108 Gegen die Verkürzung der Kontrolldichte im Hinblick auf die Anforderungen des Handlungsmaßstabs ist indes einzuwenden, dass der planerische Gestaltungsspielraum, der der planenden Gemeinde eingeräumt wird, nicht erst auf der Ebene der Kontrolle seine Wirkung entfaltet. Der planerische Gestaltungsspielraum besteht bereits auf Handlungsebene. Infolgedessen werden sowohl dem Handlungsmaßstab als

entscheidenden Fall um einen Konflikt zwischen öffentlichen Belangen handelte und dem die Handhabung bei privaten Belangen nicht unbesehen gleichgesetzt werden sollte. In der Entscheidung BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 ff., in der private Belange mit öffentlichen kollidierten seien beide Kollisionsarten mit übereinstimmenden Formulierungen zusammengefasst worden, vgl. Weyreuther, BauR 1977, 293 (300 in Fn. 44). 103 Hoppe, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 6 f. m.w.N. 104 Tettinger/Erbguth/Mann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 1336. 105 Vgl. Hoppe, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 94. Ähnlich Krebs, Kontrolle, S. 81, der den Begriff der gerichtlichen Kontrolldichte zunächst mit dem zulässigen Umfang gerichtlicher Rechtskontrolle definiert. 106 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (304). 107 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (308). 108 So auch Just, Ermittlung und Einstellung, S. 7. Zum Verhältnis zwischen Regelungs- und Kontrolldichte siehe auch Beckmann, DÖV 1986, 505 (507 ff.); Hoppe, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 6, 13; Weyreuther, BauR 1977, 293 (294 ff.).

C. Kontrolle der planerischen Abwägung

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auch dem Kontrollmaßstab gleichermaßen Schranken gesetzt.109 Zuzustimmen ist daher der Feststellung, dass die formale Unterscheidung zwischen Handlungsmaßstab und Kontrollmaßstab rechtssystematisch zutreffend ist, ihre Anforderungen indes identisch sind,110 so dass es keiner eigenständigen Kategorie der Kontrolldichte bedarf.111 Die Identität des Handlungs- und Kontrollmaßstabs des Abwägungsgebots wird anhand eines Vergleichs der bundesverwaltungsgerichtlichen Beschreibung der Anforderungen an die Abwägung aus Handlungsperspektive112 mit der bundesverwaltungsgerichtlichen Formulierung der Abwägungsfehlerlehre deutlich. Hierbei lässt sich feststellen, dass es sich bei der Formulierung der Abwägungsfehlerlehre um nichts anderes als die Negativformulierung des Handlungsmaßstabs handelt. Inwieweit die gerichtliche Kontrolldichte hinter den Anforderungen des Abwägungsgebots zurückbleiben soll, ist nicht erkennbar. Eine Divergenz des Kontrollmaßstabs liegt gerade nicht vor. Das hat freilich keinesfalls eine Einschränkung der planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde zur Folge. Denn die Identität des Handlungsmaßstabs mit dem Kontrollmaßstab bedeutet lediglich, dass aus Sicht der planenden Gemeinde im Rahmen der Bauleitplanung Grenzen einzuhalten sind, deren Überschreitung das prüfende Gericht festzustellen hat. Einen „überprüfungsfreien Raum“ gibt es somit nicht. Vor diesem Hintergrund ersetzt die Kontrollinstanz auch nicht die Abwägungsbzw. Planungsentscheidung der Gemeinde indem sie eine eigene Planungsentscheidung trifft, vielmehr hat sie nur über die Einhaltung der Grenzen zu entscheiden.113 Gleichwohl trifft es zu, dass nicht jede Verletzung der Handlungsnorm als Rechtsverletzung gerügt werden kann. Das hat seine Ursache schlichtweg in der Existenz der Planerhaltungsvorschriften, wovon aber die Kontrolldichte, die der Frage der Planerhaltung vorgeht, zu trennen ist. Anhand der Kontrolldichte wird festgelegt, wann ein 109 So auch Koch/Hendler, Baurecht, § 11 Rn. 32; Tettinger/Erbguth/Mann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 1336. 110 So Tettinger/Erbguth/Mann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 1336. Für eine vollinhaltliche Überprüfbarkeit der Ausgleichsentscheidung Büchner/Schlotterbeck, Baurecht, Rn. 236. A.A. Krebs, der zwar eine umfassende Kontrolle dann bejaht, wenn die Entscheidungsmaßstäbe mit den Kontrollmaßstäben identisch sind, aber gerade bei Ermessens- und Beurteilungsspielräumen eine Divergenz der Maßstäbe annimmt, vgl. Krebs, Kontrolle, S. 81 u. 92 ff. 111 Relevant wird die Kontrolldichte lediglich im Rahmen der Überprüfung der letzten beiden Phasen der Abwägung (Gewichtung und Abwägung i. e.S.) zur Feststellung einer etwaigen Abwägungsfehlgewichtung oder Abwägungsdisproportionalität. Denn die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials wird – auch nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts – von der planerischen Gestaltungsfreiheit nicht erfasst, vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301, (308); BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (322 f.). 112 Zu vergleichen ist bspw. BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 – 4 C 21.74 – BVerwGE 48, 56 (63 f.) mit BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301, (308). 113 A.A. Krebs, Kontrolle, S. 97, der nur im Falle einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte das Verbot für die Gerichte, die Entscheidung des staatlichen Organs durch ihre eigene zu ersetzen, bejaht.

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

Verstoß gegen das Abwägungsgebot vorliegt. Erst in der nächsten Stufe stellt sich innerhalb der Regelungen über die Planerhaltung die Frage, ob der festgestellte Verstoß beachtlich ist und deswegen gerügt werden kann.

III. Abwägungsfehler im Einzelnen Ungeachtet der Identität des Handlungs- mit dem Kontrollmaßstab soll dennoch im Folgenden das Abwägungsgebot in der Funktion als Kontrollnorm und in Gestalt der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Abwägungsfehlerlehre näher beleuchtet werden. 1. Abwägungsausfall Das Gebot gerechter Abwägung ist zunächst verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat (so genannter Abwägungsausfall).114 Das ist dann der Fall, wenn ein wertendes In-Beziehung-Setzen nicht erfolgt ist, wenn die Behörde die gebotene Abwägung unterlassen hat115. Der Abwägungsausfall macht die Planung rechtswidrig. Dass in einem Bauleitplanverfahren eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat, erscheint indes realitätsfern. Vielmehr wird unter dem Gesichtspunkt des Abwägungsausfalls überwiegend die Frage untersucht, ob im Falle vorausgegangener Abstimmungen, Absprachen usw. eine objektive sachgerechte Abwägung überhaupt noch möglich ist. So hat sich das Bundesverwaltungsgericht auch in der Flachglasentscheidung116 damit auseinandersetzen müssen, ob im Planverfahren getroffene Vorentscheidungen das Abwägungsgebot verletzt haben, weil „der Abwägungsvorgang im entscheidenden Zeitpunkt gewissermaßen verkürzt war und deshalb zu dieser Zeit eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat.“117 Hierzu machte das Bundesverwaltungsgericht deutlich, dass dem Planverfahren vorgeschaltete Besprechungen, Abstimmungen, Zusagen und Verträge für die Gewährleistung einer sachgerechten Planung und einer angemessenen Realisierung unerlässlich sein können.118 Zwar könne hierin ein Abwägungsausfall gesehen werden, der jedoch im Interesse effektiver Planung geboten sei.119 Der Abwägungsmangel, der durch vorangegangene, bindend gewordene Festlegungen begründet wird, könne ausgeglichen werden, wenn die Vorwegnahme der Entscheidung sachlich gerechtfertigt war, bei der Vorwegnahme 114 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (309); Stüer, Der Bebauungsplan, E Rn. 754. 115 Alexy, JZ 1986, 701 (712). 116 BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 ff. 117 BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (315 f). 118 BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (317). 119 BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (320 f.).

C. Kontrolle der planerischen Abwägung

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die planungsrechtliche Zuständigkeitsordnung gewahrt wurde und die vorweggenommene Entscheidung auch inhaltlich nicht zu beanstanden ist. Hierzu müsse die vorweggenommene Entscheidung ihrerseits dem Abwägungsgebot genügen.120

2. Abwägungsdefizit Der Fehlertatbestand des Abwägungsdefizits stellt das Pendant zur ersten Phase der Abwägung dar, welches verlangt, dass alle abwägungserheblichen Belange (Abwägungsmaterial) zusammengestellt und in die Abwägung eingestellt werden. Das Gebot gerechter Abwägung ist daher verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wurde, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste.121 Ursache für die fehlende Einstellung kann das Übersehen der Erheblichkeit bzw. Betroffenheit bestimmter Belange sein, so dass nicht alle abwägungserheblichen Belange ermittelt wurden, oder – rein theoretisch –122 dass zwar alle abwägungserheblichen Belange ermittelt, aber nicht in die Abwägung eingestellt wurden. Beispiel: Ein Bebauungsplan setzt ein allgemeines Wohngebiet und eine Fläche für die Landwirtschaft nebeneinander fest, ohne die landwirtschaftliche Nutzung auf eine wohnverträgliche Art der landwirtschaftlichen Nutzung zu beschränken. Durch diese Festsetzung ist ein Nebeneinander unverträglicher Nutzungen entstanden. Die Begründung des Plans enthält keine Aussage zu den konfligierenden Nutzungen.123

Aus der Ausweisung eines allgemeinen Wohngebiets unmittelbar neben der (uneingeschränkt) festgesetzten Fläche für die Landwirtschaft resultiert eine Konfliktlage, die wegen ihrer Verkennung seitens der planenden Gemeinde den Tatbestand des Abwägungsdefizits erfüllt. Das durch diese Festsetzungen entstandene Nebeneinander unverträglicher Nutzungen war nicht Gegenstand der Abwägung – jedenfalls enthält die Begründung des Plans hierzu keine Aussage –, obwohl es sich der planenden Gemeinde nach Lage der Dinge hätte aufdrängen und dementsprechend von ihr in die Abwägung hätte eingestellt werden müssen. Dabei gehört das Interesse, die Umgebung eines landwirtschaftlichen Betriebs von Wohnbebauung freizuhalten, zu den Belangen, die bei der Abwägung zu berücksichtigen sind. Bei landwirtschaftlichen Betrieben hängt die Betriebsweise von den Gegebenheiten des Marktes ab und ist einem ständigen Anpassungsdruck unterworfen. Eventuelle Betriebsänderungen sind daher im Rahmen der Bauleitplanung bei einer geplanten Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets unmittelbar neben einer landwirtschaftlichen Nutzfläche in 120 BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (309), wobei im Leitsatz und auch in den Entscheidungsgründen in diesem Zusammenhang die Rede von einem Abwägungsdefizit ist. Hiermit kann nur ein Defizit im Sinne eines Abwägungsmangels gemeint sein und nicht das Abwägungsdefizit im Sinne der zweiten Fehlerkategorie nach der Abwägungsfehlerlehre. 121 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (309). 122 Dazu oben Zweiter Teil, B.I. 123 Fall nachgebildet OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.02.2006 – 2 A 16.05 – BauR 2006, 1424 ff.

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

die Abwägung einzustellen. Die uneingeschränkte Ausweisung der Nutzfläche ermöglicht die landwirtschaftliche Nutzung in vollem Umfang (z. B. landwirtschaftliche Vollerwerbsnutzung mit Viehhaltung). Damit verstößt der Abwägungsvorgang zugleich gegen den Grundsatz der Trennung von unverträglichen Nutzungen, der auch in § 50 BImSchG zum Ausdruck kommt. Diese Regelung fordert, dass bei raumbedeutsamen Planungen für eine bestimmte Nutzung vorgesehene Flächen einander so zuzuordnen sind, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete so weit wie möglich vermieden werden.124 Darüber hinaus verstößt die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets unmittelbar neben einer – uneingeschränkt – ausgewiesenen landwirtschaftlichen Nutzfläche gegen das Gebot der Konfliktbewältigung, wonach verlangt wird, dass dem Bebauungsplan zurechenbare Interessenkonflikte von diesem angemessen ausgeglichen werden und nicht unbewältigt bleiben dürfen.125 Die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials wird von der planerischen Gestaltungsfreiheit nicht erfasst. Daher kann die Einschätzung der planenden Gemeinde, ob ein Belang von der Planung betroffen oder nicht betroffen ist und ob er zum Abwägungsmaterial hinzuzuziehen ist, nur richtig oder falsch sein, da es sich hierbei um Rechtsanwendung handelt.126 Im Rahmen der Kontrolle gilt zu prüfen, ob – für die Gemeinde erkennbar – Belange nicht ermittelt wurden, die schutzwürdig und mehr als geringfügig betroffen sind. Damit sind die höhere Verwaltungsbehörde und die Gerichte, die mit der Überprüfung der Abwägung befasst sind, nicht an das von der Gemeinde zusammengestellte Abwägungsmaterial gebunden.127 Eine Bindung wäre nur dann anzunehmen, wenn es um Fragen ginge, für deren Beantwortung die planende Gemeinde eine ausschließliche oder doch wenigstens hervorragende und deshalb bevorzugungswürdige Sachkunde besäße. Daran fehlt es bei der Bestimmung des abwägungserheblichen Materials.128 3. Abwägungsfehlgewichtung Der Abwägungsfehler in Gestalt einer Abwägungsfehlgewichtung ist das Gegenstück der zweiten Phase der Abwägung, die die Gewichtung der zuvor ermittelten und in die Abwägung eingestellten Belange verlangt. Innerhalb der Phase der Gewichtung gewinnt der Gestaltungsspielraum der Gemeinde an Bedeutung. Aber auch dem Gewichtungsspielraum sind Grenzen gesetzt. Sie werden überschritten, wenn einer der von der Planung betroffenen Belange in unvertretbarer Weise zu kurz kommt, wenn 124 So auch OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.02.2006 – 2 A 16.05 – BauR 2006, 1424 (1426). 125 So auch OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.02.2006 – 2 A 16.05 – BauR 2006, 1424 (1427). Siehe oben Zweiter Teil, A.II.2. 126 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (308); BVerwGE 45, 309 (322 f.); Weyreuther, BauR 1977, 293 (301). 127 So ausdrücklich in BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (323). 128 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (308).

C. Kontrolle der planerischen Abwägung

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sein Gewicht einfach verkannt wird, wenn das Verhältnis zwischen ihm und dem Planinhalt auch bei Berücksichtigung der planerischen Gestaltungsfreiheit und aller sonstigen Gegebenheiten nicht mehr stimmt.129 Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn Belange von hohem Gewicht als geringfügig und als zu vernachlässigende Größe bezeichnet werden. Dadurch wird die Bedeutung der Belange verkannt und die so vernachlässigten Belange werden deshalb in einer mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht mehr zu vereinbarenden Weise fehlgewichtet und die planerische Gestaltungsfreiheit der Gemeinde überschritten.130 Die Fehlgewichtung kann aber auch darauf beruhen, dass die Auswirkungen der Planung auf andere Belange unzureichend ermittelt wurden, so dass sie in unvertretbarer Weise als ein der Planung nicht entgegenstehender Belang beurteilt und damit fehlgewichtet wurden. Des Weiteren kann der Abwägungsfehler in Gestalt einer Abwägungsfehlgewichtung dadurch entstehen, dass die eingestellten Belange im Widerspruch zu einer normativ geregelten Bewertung oder Prioritätensetzung oder zu allgemein anerkannten Bewertungsgrundsätzen gewichtet und bewertet werden. Eine unverhältnismäßige Fehlgewichtung liegt auch dann vor, wenn allein aus dem Umstand, dass für den Plan öffentliche Belange und gegen ihn ausschließlich private Belange sprechen, Folgerungen zugunsten der Planung gezogen würden, weil den öffentlichen Belangen nicht von vornherein ein Vorrang eingeräumt werden kann.131 Die Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Belangen hat – wie bereits andernorts ausgeführt –132 für die Frage der Rechtmäßigkeit der Abwägung keine Bedeutung. Es obliegt der Gemeinde zu bestimmen, welches Gewicht den berücksichtigungsbedürftigen Belangen im konkreten Einzelfall jeweils als solchem und in ihrem Verhältnis zueinander zukommt. Daher liegt kein Verstoß gegen das Abwägungsverbot vor, „wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurücksetzung eines anderen entscheidet“133. Das ist Inhalt der planerischen Gestaltungsfreiheit. Dabei hat der durch die planerische Gestaltungsfreiheit abgedeckte Spielraum der Gewichtung aber Grenzen. Die Überprüfung der Gewichtung dient der Feststellung, ob diese Grenzen überschritten worden sind. Vor dem Hintergrund, dass die Grenzen, die dem Handlungsspielraum gesetzt werden, auch im Rahmen der Kontrolle gelten, ergibt sich – wie bereits zuvor festgestellt134 – kein Unterschied zwischen den Anforderungen, die an die Gewichtung gestellt werden, und den Anforderungen des Fehlertatbestandes der Abwägungsfehlgewichtung. 129

BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (326). Vgl. BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 – 4 C 21.74 – BVerwGE 48, 56 (65). 131 Vgl. BVerwG, Urt. v. 01.11.1974 – 4 C 38.71 – BVerwGE 47, 144 (148). So auch Just, Ermittlung und Einstellung, S. 57. 132 Siehe oben Zweiter Teil, B.II.2. 133 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (309). 134 Siehe oben Zweiter Teil, C.II. 130

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

4. Abwägungsdisproportionalität Die Planung ist rechtswidrig, wenn der Ausgleich der widerstreitenden Belange innerhalb der dritten Stufe der Abwägung in einer Weise vorgenommen wurde, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Das bedeutet, dass der mit der Planung verfolgte Vorteil nicht außer Verhältnis stehen darf zu den hintangestellten Belangen bzw. zu dem durch die Planung zu erwartenden Nachteil.135 Der Abwägungsfehler in Gestalt der Abwägungsdisproportionalität liegt somit vor, wenn eine fehlerhafte Gesamtabwägung vorgenommen wurde. Dann ist die Abwägung fehlerhaft, weil die Gesamtbewertung in einer Weise vorgenommen wurde, die zum objektiven Gewicht der Belange außer Verhältnis steht. Es wird davon ausgegangen, dass eine Abwägungsdisproportionalität stets auf einer Fehlgewichtung beruht. Vor diesem Hintergrund wird die Untrennbarkeit beider Fehlerkategorien vertreten.136 Bei dem Standpunkt der Untrennbarkeit von Abwägungsfehlgewichtung und Abwägungsdisproportionalität handelt es sich um die gleiche Kontroverse, die bereits im Rahmen der Theorie der Untrennbarkeit von Gewichtung und Abwägung i. e.S. erörtert worden ist,137 so dass sich ein erneutes Eingehen auf die hier angerissene Ansicht der Untrennbarkeit der beiden Fehlerkategorien erübrigt. Insoweit wird auf die dortigen Ausführungen, insbesondere auf die Unterscheidung zwischen konfligierenden und konkurrierenden Belangen, hingewiesen. Der einzige Unterschied der beiden Kontroversen liegt darin, dass die Theorie der Untrennbarkeit der Gewichtung und Abwägung i. e.S. aus der Perspektive der handelnden Gemeinde, also aus Handlungsebene, diskutiert wird, währenddessen die Theorie der Untrennbarkeit der Fehlertatbestände der Abwägungsfehlgewichtung und der Abwägungsdisproportionalität innerhalb der Kontrollebene vertreten wird. Auch bei der gerichtlichen Überprüfung einer Abwägungsentscheidung auf eine etwaige Abwägungsdisproportionalität kann lediglich festgestellt werden, ob eine verhältnismäßige Berücksichtigung von Belangen gegeben ist oder nicht. In einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts heißt es daher zutreffend zur Überprüfung der Abwägungsentscheidung: „Die Überprüfung des Abwägungsergebnisses hat – ganz allgemein – nicht zu fragen, ob das Ergebnis Beifall verdient oder ob es gar optimal ist; die Frage hat vielmehr … zu lauten, ob mit der vorgenommenen Abwägung „die objektive Gewichtigkeit eines“ der betroffenen Belange „völlig verfehlt wird“.“138

135 136 137 138

Papier, DVBl. 1975, 461 (465). So Schulze-Fielitz, Sozialplanung, S. 324. Siehe oben Zweiter Teil, B.III.2. Vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1978 – 4 C 30.76 – BVerwGE 56, 283 (290).

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IV. Anwendung der Abwägungsfehlerlehre auf Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis – Kritische Analyse Dem bisher aufgestellten Kontrollmaßstab zur Überprüfung einer Abwägungsentscheidung folgte seitens des Bundesverwaltungsgerichts in der Entscheidung vom 20.10.1972139 eine weitere Klarstellung. An der oben angeführten Abwägungsfehlerlehre festhaltend erklärte der Vierte Senat, dass das Gebot der Abwägung zwei sich nicht deckende Seiten habe. Die eine Seite beziehe sich auf das Abwägen als Vorgang und die andere auf das Abwägungsergebnis. Dabei sei das Abwägungsergebnis das, was bei dem Abwägungsvorgang „herauskomme“. Beide Seiten des Gebotes einer gerechten Interessenbewertung seien nicht deckungsgleich. Ein bestimmtes Interesse könne im Abwägungsergebnis gewahrt sein, auch wenn es beim Abwägungsvorgang übersehen worden sei. Aber auch allein die Berücksichtigung eines bestimmten Interesses führe nicht automatisch zu einem interessengerechten Abwägungsergebnis.140 1. BVerwGE 45, 309 ff., Flachglasentscheidung In der Flachglasentscheidung vom 05.07.1974141 wurde die Differenzierung zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis – anknüpfend an die Entscheidungen vom 12. 12. 1969 und vom 20. 10. 1972 – weiter präzisiert: Die in der Entscheidung vom 12. 12. 1969 umrissenen Anforderungen an das Abwägungsgebot sollen sowohl für den Abwägungsvorgang als auch für das Abwägungsergebnis gelten. Eine Ausnahme bestehe für die Notwendigkeit der Abwägung überhaupt; diese könne mit Rücksicht auf ihren Inhalt nur im Abwägungsvorgang praktisch werden.142 Im Übrigen aber verlange das Abwägungsgebot „sowohl vom Abwägungsvorgang als auch vom Abwägungsergebnis, daß gewichtige Belange nicht einfach übersehen werden […] und die Gewichtung verschiedener Belange in ihrem Verhältnis zueinander nicht in einer Weise erfolgt, durch die die objektive Gewichtigkeit eines dieser Belange völlig verfehlt wird.“143 a) Begriffe des Abwägungsvorgangs und des Abwägungsergebnisses Das Bundesverwaltungsgericht unterscheidet zwischen dem Abwägungsvorgang und dem Abwägungsergebnis. Dabei versteht es unter dem Begriff Abwägungsvorgang das „Planen als Vorgang“144 bzw. das „tatsächliche Abwägen von Belangen“145. 139 140 141 142 143 144

BVerwG, Urt. v. 20.10.1972 – 4 C 14.71 – BVerwGE 41, 67 ff. BVerwG, Urt. v. 20.10.1972 – 4 C 14.71 – BVerwGE 41, 67 (71). BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 ff. BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (315). BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45. 309 (315). BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (312).

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

Demgegenüber sei das Abwägungsergebnis der „Plan als Produkt“146 bzw. das „inhaltliche Abgewogensein eines Planes“147. Einer solchen Differenzierung ist mit der Maßgabe zuzustimmen, dass der Begriff des Abwägungsvorgangs auch dahingehend zu erklären ist, dass er alle Schritte umfasst, die zum Abwägungsergebnis führen.148 Das Abwägungsergebnis hingegen kann nur das Resultat des abwägenden Ausgleichs sein.149 Es ist die mittels Abwägung getroffene Entscheidung darüber, welche Festsetzungen bzw. Darstellungen der Plan enthalten soll. Das Abwägungsergebnis bestimmt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Vorhaben realisiert werden kann. Erst dann kann die Abwägungsentscheidung im Bauleitplan gezeichnet werden. Aus diesem Grunde dokumentiert der Plan (nur) das Ergebnis der Abwägung, das bereits mit der zuvor getroffenen Abwägungsentscheidung feststeht. Sind von der Bauleitplanung mehrere Flächen betroffen und wurden sie unabhängig voneinander beplant, dann dokumentiert der Plan gewiss mehrere Abwägungsentscheidungen. b) Bedeutung für den Kontrollmaßstab Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in der Flachglasentscheidung zu der Unterscheidung zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis sind im Sinne einer Doppelprüfung verfasst. Würde man die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellte Abwägungsfehlerlehre wörtlich nehmen, dann ist bei der Kontrolle der erfolgten Abwägung zunächst der Abwägungsvorgang am Maßstab der Abwägungsfehlerlehre zu überprüfen. Er ist auf die Fehlertatbestände Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit, Abwägungsfehleinschätzung und Abwägungsdisproportionalität zu untersuchen. Sodann wäre das Abwägungsergebnis ebenfalls auf das Vorliegen von Abwägungsdefizit, Abwägungsfehleinschätzung und Abwägungsdisproportionalität zu durchleuchten. Das Erfordernis, die Abwägung zweimal auf dieselben Abwägungsfehler – mit Ausnahme des Abwägungsausfalls – zu untersuchen, ist aber nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Viel nahe liegender erscheint prima facie die Annahme, ein fehlerhaftes Abwägungsergebnis resultiere stets aus einem fehlerhaften Abwägungsvorgang und ein fehlerhafter Abwägungsvorgang führe ohne weiteres zu einem fehlerhaften Abwägungsergebnis, so dass die Kontrolle entweder nur des Abwägungsvorgangs oder nur des Abwägungsergebnisses hinreichend sein müsste. Es stellt sich daher die Frage, warum zur Feststellung von beachtlichen Abwägungsmängeln nicht allein die Überprüfung des Abwägungsvorgangs oder des Abwägungsergebnis145

BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (313). BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (312). 147 BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (313). 148 Vgl. auch Hoppe, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 134. Abwägungsergebnis sei der durch die Abwägung gewonnene Norminhalt des Bauleitplanes; vgl. ders., in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 12; ähnlich Erbguth, JZ 2006, 484 (492): Der Plan ist das Abwägungsergebnis. 149 Ähnlich in Stüer, in: Hoppenberg/de Witt, B Rn. 837. 146

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ses ausreichend ist. Denn wenn die planende Gemeinde alle von der Planung betroffenen Belange zutreffend ermittelt, die ermittelten Belange in angemessener Weise gewichtet und konfligierende sowie konkurrierende Belange in einen angemessenen Ausgleich bringt, ist der Abwägungsvorgang fehlerfrei. Vor diesem Hintergrund fragt sich auch, aus welchem Grunde eine planerische Ausweisung, die sich nach der Überprüfung des Abwägungsvorgangs als rechtmäßig erweist, doch noch im Abwägungsergebnis rechtswidrig werden kann. In Betracht kommt der Fall einer fehlerhaften „Übertragung“ des erfolgten Ausgleichs in den Plan. Ein solcher Fehler kann indes nicht als Abwägungsfehler qualifiziert werden, weil er gerade nicht das Ergebnis einer Abwägung ist.150 Es ist aber auch nicht die Art von Fehler, die anhand der Abwägungsfehlerlehre festgestellt werden soll. Vielmehr ist hierin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Planrechtfertigung gemäß § 1 Abs. 3 BauGB zu sehen.151 Auch die in der Flachglasentscheidung vorgebrachte Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts zur Begründung der Doppelprüfung ist nicht überzeugend. Das Bundesverwaltungsgericht begründet die Sonderung des Abwägungsvorgangs vom Abwägungsergebnis mit der gesetzlichen Formulierung des Abwägungsgebots152 und dem Sachzusammenhang. Die Formulierung des Abwägungsgebots nehme eindeutig auf den Abwägungsvorgang Bezug. Daraus folge zwar nicht logisch zwingend, doch aber bei Beachtung des Sachzusammenhangs unabweisbar, dass darüber hinaus auch der sich ergebende Planinhalt dem Gebot der Abwägung – d. h. eines bestimmten Abgewogenseins – unterworfen werden solle. Es sei nämlich sachwidrig, wenn es nur darauf ankäme, dass die von der Planung betroffenen Belange seitens der planenden Gemeinde bedacht wurden, dagegen keinerlei Rolle spiele, was dabei im Ergebnis herauskomme.153 In seinem Begründungsansatz für die Doppelprüfung widerspricht sich das Bundesverwaltungsgericht indes gleich zweimal. Gerade durch die Formulierung, dass „auch der sich ergebende Planinhalt dem Gebot der Abwägung – d. h. eines bestimm-

150 Dennoch hat das Bundesverwaltungsgericht einen Fehler im Abwägungsvorgang festgestellt, wenn ein Bebauungsplan Festsetzungen enthält, die er nach dem Willen des Satzungsgebers nicht haben soll. Darin sei ein Abwägungsfehler im Abwägungsvorgang zu sehen, weil der Inhalt des Plans nicht von einer darauf ausgerichteten Abwägungsentscheidung getragen sei. Ein solcher Mangel sei auf das Abwägungsergebnis von Einfluss, weil der tatsächliche Wille im Fall der Umsetzung zu einer anderen Festsetzung führen würde. So auch Stüer, DVBl. 2005, 806 (810 f.): Enthält der Bebauungsplan Festsetzungen, die er nach dem Willen des Satzungsgebers nicht haben soll, dann liegt darin ein Abwägungsfehler, weil der Inhalt des Plans nicht von einer darauf ausgerichteten Abwägungsentscheidung getragen sei. 151 So auch Kupfer, Die Verwaltung 2005, 493 (499). Es sei eine falsche, weil dem Planungswillen der Gemeinde zuwiderlaufende Regelung in den betroffenen Bebauungsplan aufgenommen. Diese Regelung sei gerade nicht das Ergebnis eines differenzierten Vorgangs des Ermittelns, Bewertens und Austarierens, sondern das Ergebnis der Unachtsamkeit. 152 Der Wortlaut des zur Zeit des Urteils geltenden Abwägungsgebots ist bis zum heutigen Zeitpunkt identisch geblieben. 153 BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (315).

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ten Abgewogenseins – unterworfen werden soll“154, legt das Bundesverwaltungsgericht als Maßstab für die Abwägungsergebniskontrolle lediglich die Ausgleichsüberprüfung fest. Denn nur der Ausgleich kann mit dem „bestimmten Abgewogensein“ gemeint sein.155 Der zweite Widerspruch liegt darin, dass das Bundesverwaltungsgericht zunächst der Meinung ist, die Doppelprüfung dem Wortlaut des Gesetzes entnehmen zu können. Dann wiederum – zwei Sätze weiter – führt es aus, die Notwendigkeit der Doppelprüfung ergebe sich aus dem Sachzusammenhang. Es stellt sich bei der in der Flachglasentscheidung aufgestellten Theorie der Doppelprüfung überdies die Frage, ob und wie sich die einzelnen Anforderungen – mit Ausnahme der Abwägung überhaupt – an das Abwägungsergebnis richten können. Beispiel: Die planende Gemeinde beabsichtigt eine bisher unbebaute Fläche im Gemeindegebiet, für die bisher keine verbindliche Bauleitplanung existiert, als reines Wohngebiet festzusetzen. Im Rahmen der Abwägung ermittelt sie das notwendige Abwägungsmaterial. Zum notwendigen Abwägungsmaterial gehören u. a. die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung als für die Planung sprechender Belang. Gegen die Planung sprechen die Belange der Wirtschaft. In der Gemeinde fehlt es an Gewerbegebieten. Beide Belange sind ungefähr gleichgewichtig, da für beide Baugebiete gleichstark Bedarf besteht. Die Fläche eignet sich für beide Baugebietsarten. Die Gemeinde entscheidet sich für die Festsetzung eines reinen Wohngebietes. Die Festsetzung eines Gewerbegebietes wäre ebenfalls vom Abwägungsgebot gedeckt gewesen.

Im vorliegenden Beispiel ist die Festsetzung eines reinen Wohngebiets Ergebnis der Abwägung. Das Abwägungsergebnis lässt die Belange der Wirtschaft unberücksichtigt, die während des Abwägungsvorgangs dem notwendigen Abwägungsmaterial zugeordnet und zutreffend bewertet wurden. Gleichwohl ist dem Abwägungsergebnis kein Abwägungsmangel zu attestieren. Denn das Bundesverwaltungsgericht selbst räumt der planenden Gemeinde angesichts der planerischen Gestaltungsfreiheit das Recht der Bevorzugung des einen und damit die notwendige Zurückstellung des anderen Belangs im Falle der Kollision ein.156 Entscheidet sich somit die planende Gemeinde für den einen Belang („Wohnbedürfnisse“) und stellt den konkurrierenden Belang („Wirtschaft“) zurück, dann bleibt zwangsläufig der zurückgestellte Belang im Abwägungsergebnis unberücksichtigt. Nach der Theorie der Doppelprüfung richten sich die Anforderungen an eine gerechte Abwägung auch an das nun vorliegende Abwägungsergebnis. Das Abwägungsergebnis, wird es isoliert betrachtet, erteilt indes keine Auskunft darüber, ob es auf einer korrekten Zusammenstellung und Gewichtung des Abwägungsmaterials beruht. Genauso wenig wie das Ergebnis der Planung keine Auskunft darüber geben kann, ob es überhaupt auf der Grundlage einer Abwägung zustande gekommen ist, worauf auch das Bundesverwaltungsgericht hinweist. In Bezug auf den Abwägungsausfall hat daher das Bundesverwaltungsgericht bereits ausgeführt, dass die Theorie der Doppelprüfung keine Anwendung auf die Notwendigkeit der Abwägung überhaupt finde, da sie mit Rücksicht auf ihren Inhalt 154

BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (315). So auch Erbguth, DVBl. 1986, 1230 (1234). 156 BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (315). So auch schon in BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (309). 155

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allein im Hinblick auf den Abwägungsvorgang praktisch werde.157 Gleiches müsse für die Zusammenstellung und Gewichtung des Abwägungsmaterials gelten.158 Denn im Hinblick auf den im Abwägungsergebnis unberücksichtigten Belang kann allein anhand des Ergebnisses die Einhaltung der Anforderungen gar nicht festgestellt werden. Anhand des Abwägungsergebnisses ergibt sich nicht, ob die planende Gemeinde überhaupt die Belange der Wirtschaft bedacht hat oder ob sie erst im Rahmen des Ausgleichs zurückgestellt wurden. Andernfalls müsste ein Abwägungsfehler im Abwägungsergebnis bescheinigt werden. Hinzu kommt, dass das Bundesverwaltungsgericht dem doppelten Prüfungsmaßstab letztlich selbst nicht folgt. Vielmehr beschränkt es die Überprüfung des Abwägungsergebnisses alleinig auf den Fehlertatbestand der Abwägungsdisproportionalität.159 Auch der verwaltungsgerichtlichen Praxis ist regelmäßig die theoretische Unterscheidung zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis lediglich beim Einstieg in die Abwägungsprüfung zu entnehmen. Einleitend beginnt die Prüfung einer Abwägungsentscheidung regelmäßig mit der Wiedergabe der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Abwägungsfehlerlehre einschließlich der Theorie der Doppelprüfung. Anschließend finden nur die problematischen Abwägungsstufen Erwähnung, ohne dass irgendwie erkennbar wird, ob sich das prüfende Gericht gerade auf der Ebene des Abwägungsvorgangs oder des Abwägungsergebnisses befindet.160 c) Diskussion um die Theorie der Doppelprüfung In der Literatur wird zwar die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis nahezu durchgängig begrüßt; dagegen wird die durch das Flachglasurteil nahe gelegte Doppelprüfung nach Maßgabe der bundesverwaltungsgerichtlichen Konzeption verbreitet in Frage gestellt. Teils wird auch allein die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts als defizitär beurteilt. Unstreitig ist einzig, dass die Ergebniskontrolle nicht zur Feststellung geeignet ist, ob überhaupt eine Abwägung stattgefunden hat (Abwägungsausfall).161 Nachfolgend werden die die Diskussion prägenden Auffassungen skizziert und bewertet.162 Sie lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Innerhalb der ersten 157

Vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (315). Ähnlich Manssen, Stadtgestaltung, S. 275 f. 159 Vgl. BVerwG, Urt. v. 05.12.1986 – 4 C 13.85 – BVerwGE 75, 214 (253); BVerwG, Urt. v. 29.09.1978 – 4 C 30.76 – BverwGE 56, 283 (289 f.). 160 So auch Schulze-Fielitz, Jura 1992, 201 (206). Vgl. bspw. OVG Niedersachsen, Urt. v. 23.04.2008 – 1 KN 113.06 – Juris, Rn. 37 ff.; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 21.02.2008 – 2 K 258.06 – Juris, Rn. 35 ff.; VGH Bayern, Urt. v. 25.10.2005 – 25 N 642.02 – BayVBl. 2006, 601 (603 ff.). Erst wenn es auf die Erheblichkeit des festgestellten Abwägungsmangels innerhalb der Planerhaltung nach den §§ 214 ff. BauGB ankommt, wird wieder die Prüfungsebene – in der Regel die Ebene des Abwägungsvorgangs – deutlich. 161 Vgl. Ibler, DVBl. 1988, 469 (472). 162 Vgl. zur Diskussion in der Literatur auch Blumenberg, DVBl. 1989, 86 ff. 158

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

Kategorie wird die Doppelprüfung grundsätzlich befürwortet, sie wird jedoch unterschiedlich begründet. Die zweite Kategorie beschränkt die Abwägungsüberprüfung auf die Kontrolle nur des Abwägungsvorgangs oder auf die Kontrolle nur des Abwägungsergebnisses. Es findet danach keine Doppelprüfung statt. aa) Begründungsansätze für die Doppelprüfung (1) Ibler: Unterschiedliche Kontrollgegenstände für Vorgangs- und Ergebniskontrolle bei identischen Kontrollmaßstäben Ibler163 vertritt den Standpunkt, die kumulative Überprüfung des Abwägungsvorgangs und des Abwägungsergebnisses – mit Ausnahme des Abwägungsausfalls – sei wegen der unterschiedlichen Kontrollgegenstände erforderlich.164 Nach Ibler findet eine 3-stufige Kontrolle der Abwägung statt. Zunächst sei das Abwägungsergebnis auf Abwägungsfehler zu untersuchen. Konnte aufgrund der begrenzten Kontrollgegenstände bei der Ergebniskontrolle kein Abwägungsfehler ermittelt werden, bedürfe es der Überprüfung des Abwägungsvorgangs, die wegen mehrerer zur Verfügung stehenden Kontrollgegenstände aufwendiger sei. Schließlich erfordere die Abwägungsvorgangskontrolle bei Feststellung eines Abwägungsvorgangsfehlers angesichts der Planerhaltungsvorschrift eine Kausalitätsprüfung mit Blick auf das Abwägungsergebnis. Die Ansicht Iblers, die Überprüfung von Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis anhand eines identischen Kontrollmaßstabs sei durch unterschiedliche Kontrollgegenstände begründet, vermag nicht zu überzeugen. Es ist zwar richtig, dass der Abwägungsvorgang anhand sämtlicher Planungsunterlagen (Protokolle, Stellungnahmen, Begründung, usw.) zu überprüfen ist und bei der Überprüfung des Abwägungsergebnisses die zeichnerischen und schriftlichen Festsetzungen des Bauleitplans zu Grunde gelegt werden. Unterschiedliche Kontrollgegenstände allein vermögen freilich noch keine Doppelprüfung anhand eines vorbehaltlich des Abwägungsausfalls identischen Maßstabs zu begründen. Vielmehr ist dieser Ansatz bereits deshalb abzulehnen, weil dem Kontrollgegenstand des Abwägungsergebnisses, der zeichnerischen Festsetzung, nicht entnommen werden kann, ob alle abwägungserheblichen Belange in die Abwägung eingestellt wurden oder nicht; darüber gibt das Abwägungsergebnis schlicht keine Auskunft.165 Lediglich ein Abwägungsdefizit im Hinblick auf die Belange, die nicht durch Abwägen überwindbar sind, wäre – und insoweit ist Ibler zuzustimmen – feststellbar.

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Ibler, DVBl. 1988, 469 ff. Kontrollgegenstände des Abwägungsvorgangs seien die Planbegründung, die Planakte, insbesondere Protokolle, Stellungnahmen im Anhörungsverfahren, die Entwurfsbegründung und sonstige Unterlagen. Kontrollgegenstand des Abwägungsergebnisses sei der Plan als Produkt bzw. als Ergebnis der vorgenommenen Abwägung, Ibler, DVBl. 1988, 469 (472 f.). 165 Vgl. insoweit auch das Beispiel und die Ausführungen unter Zweiter Teil, C.IV.1.b). 164

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Auch die von Ibler zur Begründung herangezogene Kausalitätsprüfung, die im Rahmen der Planerhaltungsregelungen bei Vorliegen eines Abwägungsvorgangsfehlers gefordert wird, begründet die maßstabsidentische Überprüfung des Abwägungsvorgangs und des Abwägungsergebnisses nicht. Denn die Abwägungsfehlerlehre besteht unabhängig von den Regelungen über die Planerhaltung. Sie ist dem Planerhaltungssystem vorgeschaltet. Dessen ungeachtet ist die im Rahmen der Planerhaltung notwendige Kausalitätsprüfung für Mängel im Abwägungsvorgang erst durch das Gesetz zur Beschleunigung von Verfahren und zur Erleichterung von Investitionsvorhaben im Städtebaurecht166 im Jahr 1979 eingeführt worden. Die Flachglasentscheidung mit ihrer Theorie der Doppelprüfung hingegen erging bereits am 05.07.1974. Eine Doppelprüfung mit Maßstabsidentität erscheint somit nicht sachgerecht. (2) Funke: Identischer Prüfungsmaßstab aufgrund einer ex-ante- und ex-post-Betrachtung Funke begründet die kumulative Überprüfung des Abwägungsvorgangs und des Abwägungsergebnisses anhand eines identischen Prüfungsmaßstabs mit dem unterschiedlichen Betrachtungszeitpunkt. Bei der Beurteilung des Abwägungsvorgangs käme es auf eine ex-ante-Betrachtung an. Überprüft werde aus der Perspektive der planenden Verwaltung. Bei der Überprüfung des Abwägungsergebnisses müsse hingegen – aus einer ex-post-Betrachtung – zurückgedacht werden, „ob man aufgrund eines gerechten Abwägungsvorgangs zu diesem Ergebnis hätte kommen können.“167 Auch wenn der zeitliche Anknüpfungspunkt für die Ergebniskontrolle identisch sei mit dem Zeitpunkt, der für die Abwägungsvorgangskontrolle maßgeblich ist, könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Bauleitplan nachträglich wegen eines nicht mehr stimmigen Abwägungsergebnisses funktionslos und damit unwirksam werde.168 Ferner seien durch die interne Unbeachtlichkeitsklausel (§ 155 b Abs. 2 S.2 BBauG, dem heutigen § 214 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 BauGB bzw. § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB) einzelne Merkmale des Abwägungsvorgangs der gerichtlichen Überprüfung entzogen, so dass die eigenständige Kontrolle des Abwägungsergebnisses an Bedeutung gewinne.169 Gegen diese Auffassung sprechen im Wesentlichen zwei Aspekte. Zunächst ist ihr entgegenzuhalten, dass ein Bauleitplan nur ausnahmsweise nachträglich – aufgrund veränderter Umstände – nicht mehr haltbar ist.170 Der Regelfall ist die Stimmigkeit des Abwägungsergebnisses sowohl aus einer ex-ante-Betrachtung als auch aus einer ex-post-Betrachtung heraus. Inwiefern aber ein Bauleitplan nachträglich 166 Gesetz zur Beschleunigung von Verfahren und zur Erleichterung von Investitionsvorhaben im Städtebaurecht vom 06. 07. 1979, BGBl. I S. 949 ff. 167 Funke, DVBl. 1987, 511 (514). 168 Funke, DVBl. 1987, 511 (514). 169 Funke, DVBl. 1987, 511 (514). 170 Entweder ist die Funktionslosigkeit eines Planes durch Entfallen von planerischen Festsetzungen oder wegen faktischer Unvollziehbarkeit gegeben.

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

wegen eines nicht mehr stimmigen Abwägungsergebnisses funktionslos und damit unwirksam werden kann, wurde von Funke nicht dargelegt. Letztlich widerspricht die Auffassung der in § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB sowie in § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB enthaltenen internen Unbeachtlichkeitsklausel. Hieraus ergibt sich entgegen der Ansicht Funkes nicht, dass der eigenständigen Überprüfung des Abwägungsergebnisses mehr Bedeutung beigemessen werde, weil einzelne Teilanforderungen des Abwägungsvorgangs der gerichtlichen Kontrolle entzogen sein sollen. Das kann auch vom Gesetzgeber nicht gewollt sein. Ziel dieser Regelung ist vielmehr, den Grundsatz der Planerhaltung zu normieren. Denn erst wenn Mängel im Abwägungsvorgang festgestellt werden, ohne dass hier bereits Merkmale des Abwägungsvorgangs der gerichtlichen Prüfung versperrt bleiben, bleibt dieser Abwägungsmangel unerheblich, wenn ohne diesen Mangel die Gemeinde zum gleichen Abwägungs- und damit zum gleichen Planungsergebnis gekommen wäre. Somit ist auch Funke eine Vermengung der Abwägungsfehlerlehre mit den Regelungen über die Planerhaltung vorzuhalten. (3) Erbguth: Unterschiedlicher maßgeblicher Zeitpunkt Erbguth rechtfertigt die „Doppelprüfung“ unter Rekurs auf jeweils unterschiedliche der Prüfung zu Grunde zu legende Zeitpunkte. Vor der Einführung des § 155b Abs. 2 S. 1 BBauG 1979 – die Flachglasentscheidung erging 1974 – sei es einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Literatur gewesen, dass für Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis unterschiedliche Zeitpunkte maßgeblich waren. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Überprüfung des Abwägungsvorgangs sei derjenige der letzten Beschlussfassung im Gemeinderat gewesen. Für die Ergebniskontrolle hingegen sei der Zeitpunkt der Bekanntmachung ausschlaggebend gewesen.171 In dem Zeitraum zwischen Beschlussfassung und Bekanntmachung seien Änderungen der Sach- und Rechtslage denkbar, die zu einer nachträglichen Verschiebung der Gewichtigkeit einzelner Belange führen könnten, so dass das Abwägungsergebnis an einem Mangel leiden könnte, welcher dem Abwägungsvorgang nicht anhafte. Daher sei die kumulative Überprüfung des Abwägungsvorgangs und des Abwägungsergebnisses sinnvoll und schlüssig.172 Erbguths Ansatz, der ausschlaggebende Grund für die Maßstabsidentität für die Überprüfung von Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis sei der unterschiedliche Zeitpunkt, überzeugt jedenfalls heute nicht mehr.173 Zwar hat auch das Bundes171

Erbguth, DVBl. 1986, 1230 (1233). Erbguth, DVBl. 1986, 1230 (1233). 173 Kurz vor der Einführung des § 155b Abs. 2 S. 1 BBauG 1979 hatte das Bundesverwaltungsgericht noch entschieden, dass bei der Überprüfung des Abwägungsergebnisses auf die Sach- und Interessenlage im Zeitpunkt der abschließenden Bekanntmachung abzustellen sei; vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1978 – 4 C 30.76 – BVerwGE 56, 283 (288). In dem vom Bundesverwaltungsgericht zu entscheidenden Fall verzögerte sich die Bekanntmachung des Bauleitplans um drei Jahre. Die in diesen Zeitraum aufgetretenen Ereignisse wirkten sich so sehr auf 172

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verwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 29. 09. 1978 entschieden, die zeitliche Anknüpfung bei der Prüfung des Abwägungsvorgangs und des Abwägungsergebnisses könne unterschiedlich sein.174 Je mehr sich der zeitliche Abstand zwischen Beschlussfassung und Bekanntmachung ausdehne und je deutlicher es ist, dass zwischenzeitliche Ereignisse oder Entwicklungen die bisher gegebene Sach- und Interessenlage erschüttert haben können, um so mehr werde eine Gemeinde vor der Bekanntmachung eines Bauleitplanes vorsorglich erneut prüfen müssen, ob sein Inhalt noch vertretbar ist oder ob nicht in eine neue Abwägung eingetreten werden muss. Zugleich wird jedoch betont, dass es im Regelfall nicht praktisch werden würde, insbesondere wenn das Planverfahren zeitlich „normal“ ablaufe, es sei denn, zwischen Beschlussfassung und Bekanntmachung sind gravierende Ereignisse eingetreten. Ein auffallend großer Abstand zwischen Beschlussfassung und Bekanntmachung des Planes sei aber dann unschädlich, wenn ausgeschlossen werden könne, dass sich in dem Zeitraum die Sach- und Interessenlage in beachtlicher Weise geändert habe.175 Den maßgeblichen Zeitpunkt für die rechtliche Überprüfung des Abwägungsvorgangs und Abwägungsergebnisses bestimmt heute § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB. Danach ist für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bauleitplan maßgebend, ohne dass zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis zu differenzieren wäre. Maßgeblich ist sowohl für den Abwägungsvorgang als auch für das Abwägungsergebnis derselbe Zeitpunkt.176 Hinzu kommt, dass nicht der unterschiedliche Zeitpunkt das Bundesverwaltungsgericht dazu veranlasst hat, die Abwägungsfehlerlehre in der Flachglasentscheidung weiter zu präzisieren. Vielmehr führt das Bundesverwaltungsgericht in der o.g. Entscheidung als Begründung für die Doppelprüfung an, dass es offensichtlich sachwidrig wäre, wenn es bei allen Belangen einzig darauf ankommen sollte, dass sie von der planenden Gemeinde bedacht wurden, es dagegen keinerlei Rolle spielte, was dabei im Ergebnis herausgekommen ist.177 Die Doppelprüfung wird daher gerade nicht mit unterschiedlichen Zeitpunkten begründet.178

den Plan aus, dass der Inhalt des Bauleitplans nicht mehr vertretbar war. In diesem Fall hätte die Gemeinde nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts erneut in den Abwägungsvorgang eintreten müssen. Die Änderung des Abwägungsmaterials ist aber eine Ausnahme, vgl. Quaas/Kukk, in: Schrödter, § 214 Rn. 44. 174 Vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1978 – 4 C 30.76 – BVerwGE 56, 283 (288). 175 Siehe BVerwG, Urt. v. 29.09.1978 – 4 C 30.76 – BVerwGE 56, 283 (289). 176 Vgl. zu den Gründen Quaas/Kukk, in: Schrödter, § 214 Rn. 44; vgl. auch Battis, in: B/K/ L, § 214 Rn. 19, m.w.N. 177 Vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (315). 178 Eine Notwendigkeit der Doppelprüfung aus Gründen der Änderungen der Sach- und Rechtslage zwischen der Beschlussfassung über den Plan und der Bekanntmachung lehnt auch Manssen, Stadtgestaltung, S. 275, ab.

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

bb) Abwägungskontrolle beschränkt auf Abwägungsvorgang oder Abwägungsergebnis (1) Koch: Lehre von der Begründungs- und Begründbarkeitskontrolle Koch vertritt die These, dass die Überprüfung des Abwägungsvorgangs als Begründungskontrolle, die Überprüfung des Abwägungsergebnisses als Begründbarkeitskontrolle zu verstehen sei.179 Im Rahmen der Abwägungsvorgangskontrolle (Begründungskontrolle) sei zu prüfen, „ob das, was planerisch gedacht und erwogen wurde, den Plan inhaltlich trägt.“180 Freilich bedeute die Kontrolle des Abwägungsergebnisses (Begründbarkeitskontrolle) zu prüfen, ob irgendwelche rechtlich tragfähigen Gesichtspunkte – unabhängig von den Erwägungen der planenden Gemeinde – den Planinhalt stützen.181 Grundsätzlich sei die Überprüfung allein des Abwägungsvorgangs ausreichend. Bei Fehlerfreiheit des Abwägungsvorgangs sei die weitere Überprüfung des Abwägungsergebnisses nicht erforderlich, weil eine Entscheidung, die fehlerfrei begründet werde, zugleich begründbar sei.182 Wird ein Mangel im Abwägungsvorgang und somit eine abwägungsfehlerhafte Begründung festgestellt, dann sei die Begründbarkeitskontrolle gleichfalls überflüssig, weil der Begründbarkeit des Planes keine plankonservierende (planerhaltende) Wirkung zukomme.183 Zumindest bis zur Einführung der planerhaltenden Regelung für Mängel der Abwägung (§ 155b Abs. 2 S. 2 BBauG 1979184) sei eine Abwägungsergebniskontrolle nicht erforderlich gewesen. Eine eigenständige Funktion komme der Begründbarkeitskontrolle und damit der Abwägungsergebniskontrolle erst seit der Einführung einer Planerhaltungsregelung für Abwägungsfehler zu. Koch wäre nur dann zuzustimmen, wenn die Überprüfung des Abwägungsvorgangs am Maßstab der Abwägungsfehlerlehre faktisch ausreichen würde. Es stellt sich dann aber die Frage, ob es möglich ist, eine Abwägungsentscheidung ohne Rücksicht auf das Abwägungsergebnis zu überprüfen. Problematisch wird dies insbesondere bei der Untersuchung des Abwägungsvorgangs auf eine etwaige Abwägungsdisproportionalität. Der Fehlertatbestand der Abwägungsdisproportionalität ist erfüllt, wenn der Ausgleich der widerstreitenden Belange in einer Weise vorgenommen wurde, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.185 Hierfür ist das Abwägungsergebnis indes von Bedeutung, weil es das Resul179

Koch, DVBl. 1983, 1125 (1126); Koch/Hendler, Baurecht, § 17 Rn. 62 ff. Koch, DVBl. 1983, 1125 (1127). 181 Koch, DVBl. 1983, 1125 (1126); Koch, DVBl. 1989, 399 (400). 182 Koch, DVBl. 1983, 1125 (1128); Koch, DVBl. 1989, 399 (404). 183 Koch, DVBl. 1989, 399 (404). 184 Gesetz zur Beschleunigung von Verfahren und zur Erleichterung von Investitionsvorhaben im Städtebaurecht vom 06. 07. 1979, BGBl. I S. 949 ff. Die Regelung entspricht den heutigen §§ 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 214 Abs. 3 S. 2 BauGB. 185 Siehe oben Zweiter Teil, C.III.d). 180

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tat der Abwägung ist und nur das Resultat der Abwägung unverhältnismäßig sein kann. Vollends nicht zu überzeugen vermag die Auffassung Kochs, dass es sich bei der Abwägungsergebniskontrolle um eine Begründbarkeitskontrolle handele. Die Abwägungsergebniskontrolle wird seiner Ansicht nach erst im Rahmen der Planerhaltung relevant.186 Das Gesetz sieht im Falle eines Abwägungsvorgangsfehlers zum Zwecke der Planerhaltung die zusätzliche Notwendigkeit der Prüfung der so genannten Unbeachtlichkeitsklausel vor. Die interne Unbeachtlichkeitsklausel des heutigen § 214 BauGB gab es zum Zeitpunkt der Flachglasentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht. Erst im BBauG 1979 hat der Gesetzgeber die Unterscheidung zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis in § 155b Abs. 2 S. 2 BBauG übernommen. Danach waren Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Diese Regelung entspricht der des § 214 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 und Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB. Offensichtliche Mängel sind auf das Abwägungsergebnis von Einfluss, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel im Planungsvorgang die Planung anders ausgefallen wäre.187 Gleichwohl wird im Rahmen dieser Planerhaltungsregelungen gerade nicht das Abwägungsergebnis selbst untersucht. Vielmehr gilt es zwecks Planerhaltung zu prüfen, ob der zuvor anhand der Abwägungsfehlerlehre festgestellte Mangel im Abwägungsvorgang offensichtlich und auf das Ergebnis der Planung von Einfluss gewesen ist. So schreibt Koch selbst, dass im Rahmen der Begründbarkeitskontrolle zu prüfen sei, „ob irgendwelche rechtlich tragfähigen Gesichtspunkte geeignet sind, den Plan als Produkt zu stützen“188. Der fehlerhafte Abwägungsvorgang – die von der Gemeinde vorgebrachte Begründung – könne dahinstehen, wenn sich irgendeine andere Begründung anführen lässt, „die das Ergebnis trägt“189. Somit wird nicht das Abwägungsergebnis überprüft, vielmehr wird die vorhandene Begründung mit einem anderen, abwägungsfehlerfreien Abwägungsvorgang zu ersetzen versucht, damit das gefundene Abwägungsergebnis beibehalten werden kann. (2) Heinze: Beschränkung der Rechtsbindung auf das Abwägungsergebnis Heinze ist der Auffassung, dass lediglich die Kontrolle des Abwägungsergebnisses verfassungsrechtlich geboten sei. Soweit das Abwägungsgebot aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet werde, erstrecke es sich unmittelbar nur auf das Abwägungsergebnis. Dem Abwägungsgebot sei auch genügt, wenn die Entscheidung von einer nach der Entscheidung vollzogenen vorschriftsmäßigen Abwägung inhaltlich gedeckt werde.190 Die Forderung, einen bestimmten Abwägungsvorgang einzuhalten, 186 187 188 189 190

Koch, DVBl. 1983, 1125 (1130). BVerwG, Urt. v. 21.08.1981 – 4 C 57.80 – BVerwGE 64, 33 (39). Koch, DVBl. 1983. 1125 (1126). Koch, DVBl. 1983. 1125 (1126). Heinze, NVwZ 1986, 87 (89).

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

würde das Abwägungsgebot zum Verfahrensrecht machen.191 Das widerspreche aber seiner bisherigen Qualifizierung als materielles Recht. Daher habe das Gericht nur das Abwägungsergebnis und nicht den verwaltungsinternen Vorgang zu überprüfen.192 Der Nachweis der Abwägung sei auch aus dem Rechtsstaatsprinzip nicht ableitbar.193 Schließlich verlange das Abwägungsgebot lediglich eine rechtmäßige Entscheidung der Verwaltung. Daher sei es unerheblich, wie die Verwaltung zu dieser Entscheidung gelangt sei.194 Nicht entscheidend sein kann, dass sich aus dem Rechtsstaatsprinzip nur die Überprüfung des Abwägungsergebnisses ableiten lasse. Dies schon deshalb nicht, weil auch die Regelungen über die Planerhaltung bereits dem Wortlaut nach von der Überprüfung des Abwägungsvorgangs ausgehen. So hielt bereits § 155b Abs. 2 S. 2 BBauG 1979195 Mängel im Abwägungsvorgang nur dann für erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Das Baugesetzbuch vom 08.12.1986196 übernahm diese Regelung wörtlich in § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB. Seit dem EAG Bau197 findet sie sich in § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB unverändert wieder. Somit wird (auch) nach dem heutigen Wortlaut des Gesetzes weiterhin sowohl von der Überprüfung des Abwägungsvorgangs als auch von der Überprüfung des Abwägungsergebnisses ausgegangen. Ferner wird nur durch die Überprüfung des Abwägungsvorgangs das Abwägen an und für sich gewährleistet, so wie es § 1 Abs. 7 BauGB vorschreibt. Für den Fall der Überprüfung allein des Abwägungsergebnisses kann die Einhaltung von Mindestanforderungen an die Planung nicht kontrolliert werden. Aber gerade die Kontrolle des Abwägungsvorgangs kann die Einhaltung von Mindestanforderungen an eine rationale Planung gewährleisten.198 Auch dieser Ansicht ist ebenso wie Ibler – wenn auch mit anderer Stoßrichtung – entgegenzuhalten, dass allein anhand des Abwägungsergebnisses kein Abwägungsdefizit festgestellt werden kann. Ihm kann nicht entnommen werden, ob alle abwägungserheblichen Belange in die Abwägung eingestellt und zutreffend gewichtet wurden, da die maßgeblichen Kontrollgegenstände lediglich die zeichnerischen sowie schriftlichen Festlegungen sind. Schließlich besteht die Gefahr, dass die Beschränkung der Überprüfung auf das Abwägungsergebnis zu einer unsorgfältigen Planung durch die Gemeinde führt eben ob der Kenntnis um die nur eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit.199 191

Heinze, NVwZ 1986, 87 (89). Heinze, NVwZ 1986, 87 (90). 193 Heinze, NVwZ 1986, 87 (90). 194 Heinze, NVwZ 1986, 87 (90). 195 Gesetz zur Beschleunigung von Verfahren und zur Erleichterung von Investitionsvorhaben im Städtebaurecht vom 06. 07. 1979, BGBl. I S. 949 ff. 196 BGBl. I S. 2191. 197 BGBl. I S. 1359. 198 In diesem Sinne auch Schulze-Fielitz, Jura 1992, 201 (206). 199 So auch Funke, DVBl. 1987, 511 (512). 192

C. Kontrolle der planerischen Abwägung

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cc) Eigener Lösungsansatz Es stellt sich die Frage, ob das Erfordernis der kumulativen Prüfung in der unterschiedlichen Funktion des Abwägungsgebots begründet liegt. Das Gebot der Abwägung fungiert für die planende Gemeinde als Handlungsnorm und für die Kontrollinstanz als Kontrollnorm. Hieraus ergeben sich zwangsläufig auch zwei unterschiedliche Perspektiven, namentlich die Handlungs- und Kontrollperspektive. Die Kontrolle des Abwägungsgebots bedeutet zunächst die Überprüfung des Abwägungsvorgangs anhand der vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 12. 12. 1969 aufgestellten Maßstäbe. Aber dies ist nicht möglich. Die Rechtsprechung und auch ein großer Teil des Schrifttums gehen davon aus, dass der Abwägungsvorgang auf die Abwägungsfehler Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit, Abwägungsfehleinschätzung und Abwägungsdisproportionalität untersucht werden kann. Auf die ersten drei Fehlerkategorien trifft dies zu, auf die letzte hingegen nicht. Zur Feststellung einer Abwägungsdisproportionalität ist die Überprüfung des Abwägungsvorgangs nicht geeignet. Eine Abwägungsdisproportionalität, also ein unverhältnismäßiges Planungsergebnis, ist zwar Folge eines Mangels im Abwägungsvorgang, aber nur das Abwägungsergebnis selbst kann disproportional sein. Daher kann auch nur anhand des Planes, der das Abwägungsergebnis zum Inhalt hat, der Fehlertatbestand der Abwägungsdisproportionalität festgestellt werden.200 Daran ändert sich auch nichts, wenn darauf hingewiesen wird, die Disproportionalität des Abwägungsergebnisses beruhe immer darauf, dass im Abwägungsvorgang der Ausgleich in einer zum objektiven Gewicht einzelner zurückgestellter Belange außer Verhältnis stehenden Weise vorgenommen wurde. Aus Handlungsperspektive gehört der vorzunehmende Ausgleich (3. Stufe der Abwägung) zum Abwägungsvorgang. Dagegen lässt sich aus Kontrollperspektive erst anhand des vorgenommenen Ausgleichs, welcher mit dem Abwägungs- bzw. Planungsergebnis gleichzusetzen ist und schließlich im Plan dokumentiert wird, die Abwägungsdisproportionalität ermitteln. Ein zum objektiven Gewicht einzelner Belange außer Verhältnis stehender Ausgleich erfüllt dann den Tatbestand der Abwägungsdisproportionalität, der sich aber erst aufgrund des Ergebnisses feststellen lässt. Das bedeutet indes nicht, dass das Abwägungsergebnis der letzte Schritt und damit Bestandteil des Abwägungsvorgangs ist.201 Denn nicht das Abwägungsergebnis ist Teil des Abwägungsvorgangs, sondern aus Handlungsperspektive ist der Ausgleich der letzte Schritt des Abwägungsvorgangs, der aus Kontrollperspektive nur anhand des Abwägungsergebnisses überprüft werden kann. Diese Sichtweise hat zur Folge, dass der Abwägungsvorgang auf die Abwägungsfehlertatbestände Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit und Abwägungsfehlgewichtung zu überprüfen ist, wohingegen der Fehlertatbestand der Abwägungsdisproportionalität nur anhand des durch den Plan dokumentierten Abwägungsergebnisses festgestellt werden kann. 200

So – ohne jegliche Begründung oder Problematisierung – Sarnighausen, NJW 1993, 3229 (3230). 201 So aber Manssen, Stadtgestaltung, S. 281.

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

Dem soeben näher beschriebenen Ansatz könnte entgegengehalten werden, dass, wenn die planende Gemeinde im Rahmen der Bauleitplanung das notwendige Abwägungsmaterial vollständig zusammenstellt und es anschließend in vertretbarer Weise gewichtet, diese vorgenommene Gewichtung sich auch so im Abwägungsergebnis niederschlagen muss. Der planenden Gemeinde könnte dann nicht der Vorwurf der Abwägungsfehlgewichtung oder der Abwägungsdisproportionalität einer planerischen Ausweisung aufgrund des Abwägungsergebnisses gemacht werden. Dann würde sich in der Tat die Überflüssigkeit der kumulativen Überprüfung des Abwägungsvorgangs und des Abwägungsergebnisses annehmen lassen. Wurden alle abwägungserheblichen Belange im Abwägungsvorgang richtig gewichtet, kann das Abwägungsergebnis keine Abwägungsfehlgewichtung bzw. Abwägungsdisproportionalität mehr enthalten. Grundsätzlich verdient der Einwand Zustimmung, aber nur soweit die fehlerfreien Abwägungsvorgänge ausschließlich eine konkurrierende Konfliktlage zum Gegenstand haben. In einer solchen Konstellation ist – wie bereits an anderer Stelle erörtert –202 die Abwägungsentscheidung durch die vorgenommene Gewichtung vorgezeichnet. Anders gestaltet es sich im Falle der konfligierenden Kollisionslage. Denn dann ist die Phase des Ausgleichs von entscheidender Bedeutung. In diesem Falle ist die zusätzliche Überprüfung des Abwägungsergebnisses zwecks Feststellung einer etwaigen Abwägungsdisproportionalität unumgänglich. Im Ergebnis ist damit Erbguth beizupflichten, der neben seiner Theorie der unterschiedlichen maßgeblichen Zeitpunkte als Begründungsansatz für die notwendige kumulative Kontrolle sowohl des Abwägungsvorgangs als auch des Abwägungsergebnisses auch die These vertritt, dass die einzelnen Abwägungsfehlertatbestände auf Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis zu verteilen sind. Erbguth rechtfertigt dies mit der Unterscheidung zwischen dynamischen und statischen Komponenten der Anforderungen an das Abwägungsgebot. Dem Abwägungsvorgang sei eine dynamische Komponente, dem Abwägungsergebnis eine statische Komponente eigen.203 Daher seien die einzelnen Anforderungen an eine gerechte Abwägung jeweils nur einer der beiden Komponenten zuzuordnen. Während die ersten beiden Phasen der Abwägung (Ermittlung und Gewichtung des Abwägungsmaterials) den prozesshaften Charakter des Abwägungsvorgangs teilten, weise der Ausgleich der Belange einen statischen Charakter auf. Demzufolge sei der Abwägungsvorgang auf Abwägungsfehlerarten zu überprüfen, die den prozesshaften Charakter des Vorgangs teilten. Das seien Abwägungsfehler, die die Einstellung der Belange in die Abwägung und die Gewichtung von abwägungserheblichen Belangen betreffen. Das Abwägungsergebnis hingegen sei auf Fehler, die beim Ausgleich der zuvor gewichteten Belange unterlaufen sein könnten, zu untersuchen. Somit bleibe es bei der parallelen

202

Vgl. Zweiter Teil, C.III.d). Erbguth, DVBl. 1986, 1230 (1233). Insoweit Erbguth folgend Blumenberg, DVBl. 1989, 86 (90). 203

C. Kontrolle der planerischen Abwägung

65

Überprüfung von Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis, wobei unterschiedliche Maßstäbe anzulegen seien.204 Zwar ist gegen die Unterscheidung zwischen dynamischen und statischen Komponenten der Abwägung prinzipiell nichts einzuwenden. Mit dem Begriff Abwägungsvorgang werden die notwendigen Anforderungen an eine gerechte Abwägung zusammengefasst, so dass sich die Planung in der Tat beim Durchlaufen der einzelnen Phasen der Abwägung von Phase zu Phase stetig weiterentwickelt und deswegen zutreffend von einer Dynamik im Sinne einer Bewegung bzw. im Sinne eines Prozesses gesprochen werden kann. Das Abwägungsergebnis hingegen ist starr. Ist die Abwägungsentscheidung getroffen, steht das Abwägungsergebnis fest. An dem Ergebnis wird sich nichts mehr ändern, weil damit zugleich die Planung abgeschlossen wird.205 Soweit Erbguth indes den prozesshaften Charakter des Ausgleichs der Belange ablehnt, ist ihm zu widersprechen. Denn auch der letzte Schritt der Abwägung, der Ausgleich der Belange, ist aus Handlungsperspektive Teil des Abwägungsvorgangs. Auch der Ausgleich teilt das prozesshafte Schicksal der übrigen Anforderungen an das Abwägungsgebot. Schließlich wird erst im Rahmen dieser letzten Phase die Planung inhaltlich, insbesondere hinsichtlich seines Ausmaßes, bestimmt. In Anbetracht dessen ist diese Phase Teil, wenn nicht gar der wichtigste Teil, des Planungsprozesses. Dem Ausgleich den prozesshaften Charakter abzusprechen, ist demzufolge nicht nachvollziehbar. Vor diesem Hintergrund ist der Ausgleich somit genauso wie die übrigen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abwägung der dynamischen Komponente der Abwägung und damit – würde man bei der Zuordnung konsequent bleiben – dem Abwägungsvorgang zuzuordnen. Denn anknüpfend an die obigen Ausführungen kann erst aus Kontrollperspektive die Phase des Ausgleichs dem Abwägungsvorgang nicht mehr zugeordnet werden, weil sich ein unverhältnismäßiger Ausgleich nur anhand des Abwägungsergebnisses feststellen lässt. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass bei der Kontrolle einer Abwägungsentscheidung sowohl der Abwägungsvorgang an sich als auch das Abwägungsergebnis der Überprüfung bedürfen. Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in der Flachglasentscheidung sollten jedoch nicht dahingehend verstanden werden, dass die Abwägungsfehlerlehre gleich zweimal anzuwenden ist. Vielmehr sind die einzelnen Abwägungsfehlertatbestände auf beide Kategorien zu verteilen. Der Abwägungsvorgang ist auf das Vorliegen von Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit oder Abwägungsfehlgewichtung zu untersuchen. Eine Abwägungsdisproportionalität lässt sich hingegen ausschließlich mit Blick auf das Abwägungsergebnis feststellen.

204

Vgl. Erbguth, DVBl. 1986, 1230 (1233). So im Ergebnis auch Hoppe, in: H/B/G, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 136. 205 Vgl. Erbguth, DVBl. 1986, 1230 (1233).

66

2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

2. Aufgabe der Unterscheidung? Soeben wurde dargelegt, dass Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis zwar kumulativ, aber nicht anhand des identischen Kontrollmaßstabs überprüft werden. Der Überprüfung des Abwägungsergebnisses wurde insoweit eine eigenständige Funktion zugesprochen, als dass sie der Feststellung einer Abwägungsdisproportionalität dient. Bleibt zu untersuchen, ob die in der Flachglasentscheidung vorgenommene Differenzierung im Vergleich zum Prüfungsmaßstab, der sich aus der Entscheidung BVerwGE 34, 301 ff. ergibt, weiterführend und damit notwendig ist. Dies ist nur dann zu bejahen, wenn sich nicht alle Verstöße gegen das Gebot der Abwägung ohne die in der Flachglasentscheidung vorgenommene Unterteilung in Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis unter Anwendung des bereits entwickelten Kontrollmaßstabs feststellen lassen. Als Handlungsnorm verlangt das Abwägungsgebot, dass der planenden Gemeinde bei der Abwägung keine Abwägungsausfälle, Abwägungsdefizite, Abwägungsfehlgewichtungen und Abwägungsdisproportionalitäten unterlaufen. Anhand der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Abwägungsfehlerlehre soll die Verletzung des Abwägungsgebots festgestellt werden.206 Sie dient der Feststellung, welcher der vier Fehlertatbestände erfüllt ist. Alle Abwägungsmängel beruhen auf einem beim Abwägungsvorgang unterlaufenen Fehler. Das trifft auch auf den Fehlertatbestand der Abwägungsdisproportionalität zu. In diesem Falle wurde beim Abwägen der Ausgleich „unverhältnismäßig“ vorgenommen. Feststellen lässt sich die Abwägungsdisproportionalität aber erst am Planungsergebnis. Dann erst kann gesagt werden, dass der Ausgleich zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Nichts anderes wurde bis zur Flachglasentscheidung und der irreführenden Aussage, dass sich die Anforderungen der Abwägung sowohl an den Abwägungsvorgang als auch an das Abwägungsergebnis richten würden, bei der Kontrolle der Abwägung – wenn auch unbewusst – überprüft. Nach der einfachen Prüfweise ist der Abwägungsvorgang auf die Abwägungsfehlertatbestände Ausfall, Defizit und Fehlgewichtung und anschließend das Abwägungsergebnis bzw. den Plan auf den Fehlertatbestand der Disproportionalität zu untersuchen. Die Abwägungsdisproportionalität unter Heranziehung des getroffenen Abwägungsergebnisses zu beurteilen, ist quasi ein Automatismus. Es reicht aus, die Abwägungsentscheidung – einfach – auf die vier Fehlertatbestände zu überprüfen. Die Unterscheidung zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis ist für den Kontrollmaßstab weder weiterführend noch entscheidungsrelevant, ihr kommt insoweit keine eigenständige Funktion zu.

206 Vgl. die Abwägungsfehlerlehre in BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 (309); BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (314 f.): „Das Gebot gerechter Abwägung ist verletzt, wenn …. Es ist verletzt, wenn …“.

D. Zusammenfassung

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D. Zusammenfassung Die Abwägung ist ein Verfahren der Entscheidungsfindung, bei dem kollidierende Belange bewertend in Beziehung gesetzt werden, um eine Entscheidung über die Vorzugswürdigkeit von widerstreitenden Interessen zu treffen. Auch ohne Normierung in § 1 Abs. 7 BauGB würde das Abwägungsgebot als ein dem Wesen der rechtsstaatlichen Planung innewohnender Grundsatz Geltung beanspruchen. Im Falle konkurrierender Belange wird die Abwägungsentscheidung bereits durch die vorgenommene Gewichtung bestimmt. In der Situation der konfligierenden Belange hingegen findet die Abwägung i.S. eines Ausgleichs respektive eines Kompromisses statt. Hier hat sich die planende Gemeinde nicht zwischen mehreren Belangen in dem Sinne zu entscheiden, dass der eine Belang im Verhältnis zu einem anderen gänzlich vor- oder zurückgestellt wird. Dennoch liegt bei der Umsetzung des Planungsvorhabens ein Konflikt unter den Belangen vor, der durch Kompromisse oder Ausgleichsmaßnahmen zu lösen ist. Die Abwägung vollzieht sich in drei Phasen: Zunächst ist das notwendige Abwägungsmaterial zusammenzustellen (1.), welches sodann gewichtet wird (2.), um anschließend die Abwägung im eigentlichen Sinne (3.) durchführen zu können. Im Rahmen der Abwägung im eigentlichen Sinne wird eine Ausgleichsentscheidung im Verhältnis zur objektiven Gewichtigkeit der von der Planung berührten Belange getroffen. Entgegen einiger Stimmen in der Literatur sind die Phasen der Gewichtung und des Ausgleichs voneinander zu trennen. Nur im Falle der konkurrierenden Kollisionslage wird die Abwägungsentscheidung durch die Gewichtung vorentschieden. Ist hingegen eine konfligierende Kollisionslage gegeben, so ist durch die Gewichtung lediglich vorgegeben, welcher Belang Vorrang genießt. Dennoch muss im Rahmen der Abwägung i. e.S. die Art und Weise der Verwirklichung entschieden werden. Außerdem bedarf es der Abwägung für den Fall, dass die abwägungserheblichen Belange als gleichgewichtig eingestuft wurden. In seiner Entscheidung vom 12. 12. 1969 hat das Bundesverwaltungsgericht den Inhalt des bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebots genauer bestimmt, indem es die so genannte Abwägungsfehlerlehre aufgestellt hat. Seitdem gilt sie als Kontrollmaßstab für die Überprüfung der Abwägung bei der Bauleitplanung. Nach der Abwägungsfehlerlehre ist das Abwägungsgebot verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Es ist verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung des anderen entscheidet. Die sowohl von der Lite-

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2. Teil: Die herkömmliche Abwägungsdogmatik

ratur als auch von der Rechtsprechung angenommene Abwägungsfehlerlehre unterscheidet anknüpfend an die einzelnen Abwägungsstufen zwischen verschiedenen Arten von Abwägungsfehlern. Für den Fall der fehlerhaften Zusammenstellung des Abwägungsmaterials liegt der Fehlertatbestand des Abwägungsdefizits vor. Wird eine fehlerhafte Gewichtung vorgenommen, ist ein Abwägungsfehler in Gestalt der Abwägungsfehlgewichtung gegeben. Ist dagegen der Ausgleich unverhältnismäßig, so ist der Fehlertatbestand der Abwägungsdisproportionalität erfüllt. Wurde überhaupt keine Abwägung durchgeführt, dann ist ein Abwägungsausfall festzustellen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Flachglasentscheidung den Kontrollmaßstab eindeutig im Sinne einer Doppelprüfung bestimmt. Danach wäre bei der Überprüfung der Abwägung der Abwägungsvorgang auf die vier Fehlertatbestände Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit, Abwägungsfehleinschätzung sowie Abwägungsdisproportionalität zu überprüfen. Sodann müsste auch das Abwägungsergebnis diesem Kontrollmaßstab – mit Ausnahme des Abwägungsausfalls – unterzogen werden. Dieser Dualismus ist indes nicht erforderlich, weil auch ohne die Unterscheidung von Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis alle Abwägungsfehler festgestellt werden können. Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in der Flachglasentscheidung, die Anforderungen an das Abwägungsgebot würden sich sowohl an den Abwägungsvorgang als auch an das Abwägungsergebnis richten, sind im Sinne einer Verteilung der Abwägungsfehlertatbestände auf den Abwägungsvorgang und auf das Abwägungsergebnis zu verstehen. Es gibt Abwägungsfehler, die nur dem Vorgang oder nur dem Ergebnis entnommen werden können. So kann der Abwägungsausfall nur bei der Überprüfung des Abwägungsvorgangs festgestellt werden, weil das Planungsergebnis keine Auskunft darüber erteilt, ob die planende Stelle zu diesem Ergebnis mittels Abwägung gelangt ist; dem Abwägungsvorgang lässt sich diese Auskunft hingegen entnehmen. Liegt ein Mangel im Abwägungsergebnis vor, dann kann das nur bedeuten, dass im Abwägungsvorgang ein Fehler unterlaufen ist. Jedoch können nicht alle Mängel der Abwägung allein mit der Überprüfung des Abwägungsvorgangs festgestellt werden, weswegen zusätzlich die Überprüfung des Abwägungsergebnisses erforderlich ist. Das ist beim Fehlertatbestand der Abwägungsdisproportionalität der Fall. Anhand der Kontrolle des Abwägungsvorgangs lässt sich keine Abwägungsdisproportionalität feststellen, denn nur das Ergebnis kann disproportional sein. Zwar hat die planende Gemeinde aus der Handlungsperspektive auf der letzen Stufe der Abwägung den zur Abwägungsdisproportionalität führenden Ausgleich fehlerhaft vorgenommen, jedoch lässt sich die Disproportionalität – aus Kontrollperspektive – ausschließlich anhand des Abwägungsergebnisses ermitteln. Gleichwohl ist die Unterscheidung zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis für den Kontrollmaßstab zur Überprüfung der Abwägung nicht maßgeblich. Eine zweifache Überprüfung anhand eines identischen Kontrollmaßstabs findet nicht statt. Vielmehr reicht es aus, die Planungsentscheidung – einfach – auf die vier Abwägungsfehlertatbestände Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit, Abwä-

D. Zusammenfassung

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gungsfehlgewichtung und Abwägungsdisproportionalität zu untersuchen. Das Abwägungsergebnis auf eine Abwägungsdisproportionalität zu überprüfen, erfolgt intuitiv.

Dritter Teil

Das Planerhaltungssystem des EAG Bau Die im Zuge des EAG Bau eingeführte Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB und die dadurch bedingte Modifizierung der abwägungsrelevanten Vorschriften der Planerhaltung werfen die Frage nach der Änderung der herkömmlichen Abwägungsdogmatik auf. Daher sollen nach einer kurzen Beschreibung des Grundsatzes der Planerhaltung (unter A.) die abwägungserheblichen Bestimmungen über die Planerhaltung im Einzelnen, namentlich § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 sowie § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB, einer eingehenden Untersuchung zugeführt werden (unter B.). Die einheitliche Frist des § 215 BauGB ist für die Frage nach der Änderung der Abwägungsdogmatik – wenn auch am Rande – ebenfalls von Bedeutung. Daher wird an späterer Stelle auch auf sie eingegangen (unter C.). Die Novellierung des BauGB im Jahr 20071 hat bis auf die Herabsetzung der Fristenregelung des § 215 BauGB von zwei Jahren auf ein Jahr keine weiteren Vorschriften, die im Zusammenhang mit der Abwägung und damit auch mit dieser Untersuchung stehen, geändert. Somit beschränkt sich die Untersuchung auf die Frage, ob und inwiefern das EAG Bau die herkömmliche Abwägungsdogmatik einschließlich ihrer Abwägungsfehlerlehre modifiziert haben könnte.

A. Grundlagen der Planerhaltung Die Fehlerfolgen für die Verletzung von Vorschriften über die Aufstellung eines Flächennutzungsplans und Satzungen des Baugesetzbuchs sind in den §§ 214 – 216 BauGB geregelt. Die Regelungen des § 214 Abs. 1 bis 3 sowie § 215 BauGB enthalten das baurechtsspezifische Planerhaltungsrecht2 im eigentlichen Sinne. § 214 Abs. 4 BauGB und § 216 BauGB kommt lediglich ergänzende Bedeutung zu. Nach § 214 Abs. 4 BauGB können der Flächennutzungsplan oder die Satzung durch ein ergänzendes und nunmehr fehlerfreies Verfahren zur Behebung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden. § 216 BauGB enthält die Klarstellung, dass die für das Genehmigungsverfahren zuständige Behörde die Rechtmäßigkeit

1 Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21. 12. 2006, BGBl. I S. 3316, in Kraft getreten am 01.01.2007. 2 Zur Herleitung eines Rechtsgrundsatzes der Planerhaltung vgl. Hoppe, in: Abwägung im Recht, S. 133 ff.

A. Grundlagen der Planerhaltung

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des Flächennutzungsplans oder einer Satzung unabhängig von §§ 214 und 215 BauGB zu prüfen hat.3 Die Planerhaltungsvorschriften sollen der Fehleranfälligkeit von Bauleitplänen und sonstigen städtebaulichen Satzungen entgegenwirken.4 Sie begrenzen die Sanktionsmöglichkeiten im Falle der Aufdeckung von Rechtsfehlern, die der Gemeinde bei der Aufstellung von Bauleitplänen unterlaufen sind.5 Die häufig als kompliziert, kasuistisch und unübersichtlich qualifizierten6 Regelungen in den §§ 214 – 215 BauGB beschränken folglich die gerichtliche Verwerfungskompetenz. Sie bestimmen, welche Verstöße gegen die Vorschriften über die Aufstellung des Flächennutzungsplans und der Satzungen für die Wirksamkeit beachtlich sind und gegebenenfalls innerhalb welcher Frist die Verstöße gegenüber der Gemeinde gerügt werden müssen, damit sie nicht unbeachtlich werden.

I. Durchbrechung des Nichtigkeitsdogmas Nach der allgemeinen Fehlerfolgenlehre sind Normen, die rechtsfehlerhaft zustande gekommen sind, im Gegensatz zu Verwaltungsakten7 prinzipiell ipso iure nichtig.8 Die Nichtigkeit kann zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden. Der Grundsatz der Planerhaltung modifiziert diese Fehlerlehre für untergesetzliche Normen9 bzw. das Nichtigkeitsdogma zugunsten der Effektivität der Planung10. Ohne die Regelungen über die Planerhaltung wären Bauleitpläne nach der Fehlerfolgenlehre bzw. dem Nichtigkeitsdogma für untergesetzliche Normen bei jedem Gesetzesverstoß, auch wenn dieser von geringer Bedeutung ist, nichtig und damit unwirksam. Durch die Planerhaltungsvorschriften wurde somit ein Fehlerfolgensystem geschaffen, welches das Nichtigkeitsdogma durchbricht. Die Fehlerfolgenregelungen des BauGB sind auf die Fehleranfälligkeit von Bebauungsplänen sowie auf eine verwaltungsgerichtliche Praxis zurückzuführen, welche Bebauungspläne auch wegen der Verletzung marginaler Verfahrens- und Formvorschriften für nichtig erklärt hatte, obwohl sie inhaltlich nicht zu beanstanden waren.11 3

Battis, in: B/K/L, § 216 Rn. 1. Steinwede, Planerhaltung im Städtebaurecht, S. 82 ff. 5 Gaentzsch, UPR 2001, 201 (201). 6 Bericht der Unabhängigen Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs, Rn. 123; Gaentzsch, in: Spannowsky/Krämer, S. 133. 7 Die allgemeine Fehlerfolgenlehre wird auch bei Verwaltungsakten durchbrochen. Nur in seltenen Fällen sind Verwaltungsakte unwirksam und damit nichtig, § 44 VwVfG. Im Übrigen entfalten – auch rechtswidrige – Verwaltungsakte ihre Wirksamkeit und erlangen mit Eintritt der Unanfechtbarkeit Bestandskraft. 8 Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2807). 9 Ossenbühl, NJW 1986, 2805 ff. 10 Hoppe, in: Abwägung im Recht, S. 154. 11 Stock, in: E/Z/B/K, § 214 Rn. 3. 4

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

II. Entstehungsgeschichte Eine Fehlerfolgenregelung, wie sie in der jetzigen Form zu finden ist, kennt das BauGB nicht von Anfang an. Erstmals legte § 155a BBauG 197612 eine Fehlerfolgenregelung fest. Hiernach waren Fehler beim Zustandekommen von Satzungen unbeachtlich, wenn sie (nur) auf der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften beruhten und nicht schriftlich innerhalb eines Jahres seit Inkrafttreten geltend gemacht worden sind. Die zeitlich eingeschränkte Möglichkeit der Geltendmachung von Verfahrensmängeln und Verletzung von Formvorschriften sollte dem Interesse der Rechtssicherheit und dem Interesse der Bürger, die auf die Bestandskraft einer Satzung vertrauten, dienen.13 Durch die Regelung konnte unterbunden werden, dass noch nach vielen Jahren im Falle der Geltendmachung eines einzigen Verfahrensfehlers eine Vielzahl von Maßnahmen nachträglich in Frage gestellt wurden, die im Vertrauen auf den Bebauungsplan erfolgt waren.14 Auf Flächennutzungspläne fand § 155a BBauG 1976 keine Anwendung. Eine detaillierte Regelung zur Absicherung städtebaulicher Pläne und Satzungen brachte die so genannte Beschleunigungsnovelle15 durch die Neufassung bzw. Einfügung der §§ 155a bis 155c BBauG 1979. Der Anwendungsbereich der Unbeachtlichkeitsvorschriften wurde auch auf Flächennutzungspläne erweitert. Dabei wurden in die Unbeachtlichkeitsklauseln auch andere Rechtsmängel, und nicht nur die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, mit einbezogen. Ziel dieser Erweiterung war es, den verstärkt aufgetretenen gerichtlichen Nichtigkeitserklärungen von Satzungen im Städtebaurecht entgegenzuwirken.16 Die Aufhebung von Bauleitplänen und anderen Satzungen, die in ihrem Ergebnis nicht zu beanstanden waren, führte nach Auffassung des federführenden Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu unvertretbaren Belastungen der Gemeinden.17 Nach übereinstimmender Ansicht der Bundesregierung und des zuständigen Ausschusses war die Erweiterung und Verbesserung der Heilungsmöglichkeiten für Verfahrens- und Formfehler sowie sonstiger Vorschriften, die bei der Aufstellung von Bauleitplänen verletzt worden sind, ein notwendiger Beitrag zur Sicherung der Bestandskraft von Bauleitplänen und anderen Satzungen unter Aufrechterhaltung unverzichtbarer rechtsstaatlicher Anforderungen.18 12

BGBl. I S. 2221. Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 7/2496, S. 62, zu § 155b des Regierungsentwurfs. Vgl. auch Gaentzsch, in: Spannowsky/Krämer, S. 131. 14 Vgl. BT-Drs. 8/2451, zu § 155a des Regierungsentwurfs im Zusammenhang mit der Erweiterung von Heilungsvorschriften. 15 Gesetz zur Beschleunigung von Verfahren und zur Erleichterung von Investitionsvorhaben im Städtebaurecht vom 06. 07. 1979, BGBl. I S. 949 ff. 16 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 8/2451, S. 14; Ausschussbericht, BT-Drs. 8/2885, S. 35. 17 Siehe Ausschussbericht, BT-Drs. 8/2885, S. 35. 18 Siehe Ausschussbericht, BT-Drs. 8/2885, S. 35. 13

A. Grundlagen der Planerhaltung

73

Während Verstöße gegen das Abwägungsgebot bisher noch nicht von der Heilungsmöglichkeit des § 155a BBauG 1976 erfasst waren, wurden nunmehr Mängel der Abwägung in § 155b BBauG 1979 in einem eigenen Absatz (Abs. 2) behandelt. Die Mängel im Abwägungsvorgang wurden nur dann für erheblich erklärt, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (S. 2), wobei für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bauleitplan maßgeblich war (S. 1). Hintergrund des Gesetzgebers war die Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit der Flachglasentscheidung vom 05.07.197419, wonach sich die Anforderungen an die Abwägung sowohl an den Abwägungsvorgang als auch an das Abwägungsergebnis richten würden.20 Das Baugesetzbuch vom 08.12.198621 übernahm die Unbeachtlichkeits- und Heilungsregelungen der §§ 155a, 155b BBauG in die §§ 214 bis 215 BauGB. Der Vierte Abschnitt im Zweiten Teil des Dritten Kapitels war mit dem Titel „Wirksamkeitsvoraussetzungen“ überschrieben. Für Mängel im Abwägungsvorgang galt § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB, der mit § 155b Abs. 2 S. 2 BBauG 1979 wörtlich übereinstimmte.22 Jenseits dessen wurden Mängel der Abwägung, dazu zählten unstreitig sowohl Mängel im Abwägungsvorgang als auch Mängel im Abwägungsergebnis, gemäß § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren seit Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind. Auch diese Erweiterung wurde erneut mit der Fehleranfälligkeit von Bauleitplänen begründet.23 Vor der Einführung der Fristregelung des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB konnten weder erhebliche Mängel im Abwägungsvorgang noch Mängel im Abwägungsergebnis durch rügelosen Zeitablauf unbeachtlich werden. Eine Befristung der Geltendmachung materieller Mängel war bis zu diesem Zeitpunkt in den Heilungsvorschriften des BBauG nicht enthalten. Die in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 BauGB beschriebenen Verletzungen von Verfah-

19

BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 (315). Eine Klarstellung im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen Vorgang und Ergebnis nahm das Bundesverwaltungsgericht bereits in BVerwG, Urt. v. 20.10.1972 – 4 C 14.71 – BVerwGE 41, 67 ff., vor. Zur Unterscheidung zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis siehe auch im Zweiten Teil, C.II. 20 Vgl. BT-Drs. 8/2885, S. 46. Die Verfassungsmäßigkeit von § 155b Abs. 2 S. 2 BBauG 1979 ist zunächst mehrfach in Zweifel gezogen worden; vgl. Boecker, BauR 1979, 361 (370); Geulen, Kritische Justiz 1980, 170 (178 Fn. 38); Grave, BauR 1980, 199 (205 ff.); Gubelt, NJW 1979, 2071 (2075); Schrödter, in: Schrödter (4. Aufl.), § 155a Rn. 1 und 155 Rn. 10. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich die Vorschrift jedoch derart auslegen, dass sie verfassungsrechtlichen Anforderungen standhält, vgl. BVerwG, Urt. v. 21.08.1981 – 4 C 57.80 – BVerwGE 64, 33 ff; hierzu Schwerdtfeger, JuS 1983, 270 ff. Der Rechtsprechung zustimmend: Söfker, ZfBR 1979, 191 (193); ders., ZfBR 1981, 60 (65); Weyreuther, DÖV 1980, 389 (391 f.). 21 BGBl. I S. 2191. 22 BGBl. I S. 2309. 23 Vgl. BT-Drs. 10/6166, S. 134.

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

rens- und Formvorschriften wurden bereits unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres geltend gemacht worden sind. Der Grundsatz der Planerhaltung hat erst durch das BauROG 199824 begrifflich Einzug in das BauGB gefunden. Der bisherige Abschnittstitel „Wirksamkeitsvoraussetzungen“ wurde durch den Begriff „Planerhaltung“ ersetzt. Der Begriff der Planerhaltung geht auf Sendler25 zurück, der das Ziel, einen Plan möglichst aufrechtzuerhalten, erstmals als „Grundsatz der Planerhaltung“ bezeichnet hat. Der Gesetzgeber ging damit dem Vorschlag der einberufenen Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs nach, die den Grundsatz der Planerhaltung insbesondere durch die Einfügung des § 215a BauGB 1998, wonach Mängel durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden konnten, konkretisieren wollte.26 Die Novellierung des Baugesetzbuchs zur Anpassung an EU-Richtlinien (2004)27 hatte auch die Änderung der Planerhaltungsvorschriften zur Folge. Gemäß der Empfehlungen der Unabhängigen Expertenkommission sollte die europarechtlich vorgegebene Stärkung des Verfahrensrechts mit entsprechenden Regelungen zur Bestandssicherheit der Bauleitpläne verbunden werden.28 Dementsprechend wird seitdem in § 214 BauGB anstelle der bisherigen Überprüfung des Abwägungsvorgangs in Abs. 1 S. 1 Nr. 1 an die Überprüfung der verfahrensbezogenen Elemente des Ermittelns und des Bewertens der von der Planung berührten Belange angeknüpft. Darüber hinaus existiert aber weiterhin die bisherige Regelung über die Beachtlichkeit von Mängeln des Abwägungsvorgangs, die sich nunmehr in § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB wiederfindet. Das EAG Bau hatte ferner eine einheitliche Frist von zwei Jahren in § 215 BauGB vorgesehen, so dass sowohl die nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 BauGB beachtlichen Verletzungen der dort bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften als auch beachtliche Mängel nach § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB nach Ablauf dieser Frist unbeachtlich wurden, wenn die schriftliche Geltendmachung der Mängel innerhalb der Frist unterblieb.29 Das „Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte“30 (BauGB 2007), das am 01. 01. 2007 in Kraft getreten ist, hat die Bestimmungen über die Planerhaltung kaum verändert. Das BauGB 2007 belässt es bei der 24

BGBl. I S. 2081. Sendler, in: Kormann, 9 (28 ff). 26 BT-Drs. 13/6392, S. 73. Zu den Regelungen zur Planerhaltung im BauGB 1998 vgl. Dolde, in: Bauer/Breuer/Degenhart/Oldiges, 429 (437). 27 BGBl. I S. 1359. 28 BT-Drs. 15/2250, S. 31. 29 Die einheitliche Frist für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften des § 215 BauGB gilt auch für die nach § 214 Abs. 2 BauGB beachtlichen Verletzungen der Vorschriften über das Verhältnis des Bebauungsplans und des Flächennutzungsplans und für Verletzungen von Vorschriften, die im beschleunigten Verfahren, das durch das BauGB 2007 eingeführt worden ist, unterlaufen und nach § 214 Abs. 2a BauGB beachtlich sind. Diese Mängel sind für die gegenständliche Untersuchung ohne Bedeutung. 30 BGBl. I S. 3316 ff. 25

B. Systematik der Planerhaltung

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einheitlichen Fristenregelung, wobei die Rügefrist des § 215 Abs. 1 BauGB auf ein Jahr herabgesenkt wurde.

III. Intention des EAG-Bau-Gesetzgebers Wie bereits mehrfach dargelegt, erforderten die Änderungen der Vorschriften über die Aufstellung von Bauleitplänen, bedingt durch die Anpassung der bestehenden Vorschriften an EU-Richtlinien, auch die Novellierung des Rechts der Planerhaltung. Neben der Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien verfolgte der Gesetzgeber eine Anpassung des BauGB an das „europäische Rechtsverständnis, das der Einhaltung von Verfahrensvorschriften einen hohen Stellenwert einräumt, deren Zweck auf die Gewährleistung der materiellen Rechtmäßigkeit der Entscheidung gerichtet ist.“31 Ein solches Verständnis des Europarechts konstatierte bereits die Unabhängige Expertenkommission und schlug daher im Hinblick auf den Abwägungsvorgang eine Vorschrift vor, die die wesentlichen Verfahrensanforderungen an den Abwägungsvorgang enthält, deren Einhaltung zugleich die materielle Rechtmäßigkeit gewährleistet.32 Das europäische Rechtsverständnis soll durch die neu gefassten §§ 2 ff. BauGB und durch die Anpassung der Vorschriften über die Planerhaltung zum Ausdruck gebracht worden sein.33 Eine solche ausdrückliche Vermutungsregelung für die materielle Richtigkeit des Abwägungsvorgangs bei Einhaltung der Verfahrensschritte wurde indes entgegen dem Vorschlag der Kommission nicht ins BauGB aufgenommen.34

B. Systematik der Planerhaltung Das Planerhaltungsrecht unterscheidet zwischen beachtlichen bzw. erheblichen und unbeachtlichen Fehlern.35 Der überwiegende Teil der beachtlichen Fehler wird nach Ausbleiben der Fehlerrüge innerhalb einer Rügefrist unbeachtlich. Andere Mängel wiederum bleiben unabhängig vom Ablauf einer Rügefrist beachtlich. Die §§ 214, 215 BauGB unterscheiden zwischen der Verletzung von Verfahrensund Formvorschriften des BauGB (§§ 214 Abs. 1, 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB), der Ver31 Vgl. hierzu Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zu §§ 214 f. BauGB, BT-Drs. 15/2250 S. 62, aber auch schon im Allgemeinen Tei der Begründung, BT-Drs. 15/ 2250, S. 31. 32 Vgl. Bericht der Unabhängigen Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs, Rn. 135 ff., Gaentzsch, in: Spannowsky/Krämer, S. 132 ff. 33 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zu §§ 214 f. BauGB, BT-Drs. 15/ 2250, S. 62. 34 Gaentzsch, in: Spannowsky/Krämer, S. 140. 35 Die Regelung des § 214 Abs. 1 BauGB spricht von beachtlichen Verletzungen, demgegenüber ist in § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB von erheblichen Mängeln die Rede.

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

letzung von Vorschriften über das Verhältnis des Bebauungsplans zum Flächennutzungsplan (§ 214 Abs. 2, § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB) und der Verletzung des Abwägungsvorgangs (§ 214 Abs. 3 S. 2 BauGB), sofern der Mangel im Abwägungsvorgang nicht bereits als Mangel im Sinne von § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB qualifiziert werden kann. Ein nach § 214 BauGB beachtlicher Mangel kann – mit Ausnahme eines Mangels i.S.d. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BauGB – innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung gerügt werden, § 215 Abs. 1 BauGB. Unterbleibt innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 BauGB die Erhebung einer Rüge, wird der Mangel unbeachtlich. Nicht für alle Rechtsfehler, die bei der Aufstellung von Bauleitplänen auftreten können, lässt sich im Recht der Planerhaltung eine Fehlerfolgenregelung finden. Das liegt darin begründet, dass das BauGB keinen abschließenden Katalog über die Anforderungen für die Aufstellung von Bauleitplänen enthält. Daher sieht § 214 Abs. 1 BauGB eine Fehlerfolgenregelung vor, die auf die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften des Baugesetzbuchs begrenzt ist. Verstöße gegen landesrechtliche Verfahrens- und Formvorschriften werden nach dem jeweiligen Landesrecht behandelt. Für materiell-rechtliche Verstöße gilt grundsätzlich das Nichtigkeitsdogma, es sei denn, sie sind im Katalog der Planerhaltungsvorschriften enthalten. Schließlich führt nicht jeder erfolgreich gerügte Fehler zur Nichtigkeit. Liegt ein beachtlicher Mangel vor, ist der Flächennutzungsplan oder die Satzung unwirksam, solange der Mangel im ergänzenden Verfahren noch nicht behoben worden ist. Endgültig unwirksam und damit nichtig sind der Flächennutzungsplan oder eine Satzung nur, wenn der Mangel nicht im ergänzenden Verfahren gemäß § 214 Abs. 4 BauGB behoben werden kann.36

I. Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften In § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB findet sich ein abschließender Katalog der Verfahrensund Formvorschriften des BauGB, deren Verletzungen für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach dem BauGB beachtlich sind. Die Verletzung von in § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB nicht aufgeführten Verfahrens- und Formvorschriften ist für die Wirksamkeit des Bauleitplanes von vorneherein unbeachtlich. Zusätzlich enthält der novellierte § 214 Abs. 1 BauGB Ausnahmen von der Beachtlichkeit von Verstößen gegen Verfahrens- und Formvorschriften, so genannte interne Unbeachtlichkeitsklauseln, die mit der Formulierung „dabei ist unbeachtlich, wenn …“ eingeleitet werden. Interne Unbeachtlichkeitsklauseln sind Ausnahmen der sonst beachtlichen Verfahrensverstöße. Auch sie berühren die Rechtswirksamkeit des Planes nicht und sind damit einer gerichtlichen Kontrolle entzogen. Eine nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 BauGB beachtliche Verletzung der dort bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften wird unbeachtlich, wenn sie nicht 36

Battis, in: B/K/L, § 214 Rn. 23.

B. Systematik der Planerhaltung

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innerhalb von einem Jahr seit Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden ist. Die Unbeachtlichkeit der Verletzung durch Fristablauf tritt aber nur dann ein, wenn der Hinweis auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften sowie auf die Rechtsfolgen hingewiesen worden ist, § 215 Abs. 2 BauGB.

II. Verletzung materiellen Rechts Grundsätzlich behandeln die Planerhaltungsvorschriften keine materiell-rechtlichen Gesetzesverstöße. Eine Ausnahme gilt zum einen für Verstöße gegen Vorschriften über das Verhältnis des Bebauungsplans zum Flächennutzungsplan (Entwicklungsmängel), die unter den Voraussetzungen des § 214 Abs. 2 BauGB für unbeachtlich erklärt werden.37 Zum anderen finden sich Fehlerfolgen für Verstöße gegen das Gebot der Abwägung (Abwägungsmängel) in § 214 Abs. 3 BauGB. Im Übrigen bleibt es bei der Unwirksamkeitsfolge bei materiell-rechtlichen Gesetzesverstößen ohne Heilungsmöglichkeit nach § 215 BauGB.38 Während nach der bisher festgestellten Systematik eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften nur dann beachtlich ist, wenn die eventuell verletzte Vorschrift explizit in § 214 Abs. 1 BauGB aufgeführt ist, verhalten sich Verstöße gegen das materielle Recht in umgekehrter Weise. Grundsätzlich ist nämlich von ihrer Beachtlichkeit auszugehen.39

III. Systematik im Hinblick auf Abwägungsmängel Einer eingehenden Untersuchung bedarf es bei der Bestimmung der Systematik im Hinblick auf Abwägungsmängel im Planerhaltungssystem des EAG Bau. Denn seit dem Inkrafttreten des EAG Bau stehen Abwägungsmängel sowohl mit der Kategorie der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften als auch mit der Kategorie der Verletzung von materiellen Rechtsvorschriften im Zusammenhang.

37 Die hier aufgezählten Verstöße, es handelt sich dabei um inhaltliche Fehler, sind für die Rechtswirksamkeit der Bauleitpläne unbeachtlich. Vgl. Gaentzsch, UPR 2001, 201 (202); Stock, in: E/Z/B/K, § 214 Rn. 102 ff. 38 Stock, in: E/Z/B/K, § 214 Rn. 5 ff.; Sendler, in: FS Hoppe, S. 1021 f. 39 Dietlein, in: Dietlein/Burgi/Hellermann, § 4 Rn. 99.

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

1. Problemstellung a) Rechtslage vor dem Inkrafttreten des EAG Bau Bis zum Inkrafttreten des EAG Bau galt es als nahezu selbstverständlich, dem Gebot der Abwägung einschließlich seiner Anforderungen einen materiell-rechtlichen Gehalt zu attestieren. Dementsprechend wurden Verstöße gegen das Abwägungsgebot als materielle Fehler qualifiziert.40 Bei der Überprüfung der Abwägung erfolgte nämlich eine inhaltliche Würdigung der während des Verfahrens gewonnenen Informationen. Mängel des Abwägungsvorgangs oder des Abwägungsergebnisses fielen bis zum Inkrafttreten des EAG daher auch nicht unter den Anwendungsbereich des § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB a.F. Denn das Wortpaar „Verfahrens- und Formvorschriften“ erfasste alle Regelungen des BauGB, die sich auf den äußeren Ablauf des Planungsverfahrens bezogen und die von den Gemeinden für die Aufstellung von Bauleitplänen zu beachten waren.41 Dem standen die materiell-rechtlichen Vorschriften gegenüber, insbesondere das Abwägungsgebot.42 Für Mängel der Abwägung fand ausschließlich die Regelung des § 214 Abs. 3 BauGB a.F. Anwendung, wobei sie nur die Beachtlichkeit von Mängeln im Abwägungsvorgang zum Gegenstand hatte, da Mängel im Abwägungsergebnis unabhängig von einer weiteren Kausalitäts- und Offensichtlichkeitsprüfung stets beachtlich waren und erst nach Ablauf der Frist des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a.F. (nach sieben Jahren) unbeachtlich wurden. b) Rechtslage seit dem Inkrafttreten des EAG Bau Während der bisherigen Systematik eine deutliche Trennung zwischen der Einhaltung der Verfahrensschritte im Rahmen der Bauleitplanung und der materiell-rechtlichen Prüfung des Abwägungsgebots, die sowohl den Abwägungsvorgang als auch das Abwägungsergebnis umfasste, entnommen werden konnte, ist diese strikte Trennung im EAG Bau nicht mehr enthalten. Denn nach der neuen Gesetzeslage kommen im Rahmen der Bauleitplanung drei Konstellationen in Frage, wonach Mängel beachtlich sein können, die mit dem Abwägungsgebot im Zusammenhang stehen: 1. Mängel i.S.d. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB; 2. „Übrige“ Mängel i.S.d. § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB; 3. Mängel im Abwägungsergebnis. Nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB liegt ein beachtlicher Verfahrensfehler vor, wenn entgegen § 2 Abs. 3 BauGB die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten 40

Pieper, Jura 2006, 817 (817). Vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.02.1986 – 4 N 1.85 – BVerwGE 74, 47 (48). 42 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.1991 – 4 N 2.89 – UPR 1992, 185 (186). Vgl. auch Weyreuther, BauR 1977, 293 (298): „Die Abwägungskontrolle ist – nicht Verfahrens-, sondern – Sachkontrolle auch dort, wo sie sich auf den Abwägungsvorgang bezieht.“ 41

B. Systematik der Planerhaltung

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nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist. Daneben bestimmt die Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB, dass im Übrigen Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich sind, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Der neue Wortlaut der Planerhaltungsregelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB stimmt mit dem des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB in der Fassung der vor dem EAG Bau geltenden Rechtslage größtenteils wörtlich überein. Mit § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB a.F. stimmt aber auch die Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB in der seit dem EAG Bau geltenden Fassung nahezu wörtlich überein. Angesichts des bestehenden Zusammenhangs zum Abwägungsgebot und der ähnlichen Formulierung der beiden Planerhaltungsregelungen drängt sich die Frage nach dem Verhältnis der beiden Vorschriften zueinander und nach der Notwendigkeit von zwei Fehlerfolgenregelungen auf, die den Abwägungsvorgang betreffen. Vor dem Inkrafttreten des EAG Bau kam das Planerhaltungsrecht im Hinblick auf Mängel im Abwägungsvorgang mit nur einer Fehlerfolgenregelung aus. Hinsichtlich des Verhältnisses der beiden Vorschriften regelt § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB, dass Mängel, die Gegenstand von § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB sind, nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden können. Daher ist die im zweiten Halbsatz enthaltene Fehlerfolgenregelung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB nur auf die „übrigen Mängel“ des Abwägungsvorgangs anwendbar. Dem ersten Anschein nach hat der Gesetzgeber mit § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB eine eindeutige Abgrenzung beider Planerhaltungsregelungen getroffen. Denn die Vorschrift des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB hat eine Verletzung von § 2 Abs. 3 BauGB zum Gegenstand. Und § 2 Abs. 3 BauGB bestimmt, dass bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten sind. Somit fallen die bei der Ermittlung oder Bewertung des Abwägungsmaterials unterlaufenen Mängel ausschließlich in den Anwendungsbereich des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB. Alle „übrigen Mängel“ des Abwägungsvorgangs sind auf ihre Beachtlichkeit nach der Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB zu prüfen. Bei genauerer Überlegung stellt sich aber die Frage, welche Mängel überhaupt noch als „übrige Mängel“ in Betracht kommen. Es liegt nämlich die Annahme nahe, dass mit dem Gebot der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials in § 2 Abs. 3 BauGB die notwendigen Phasen der Abwägung aufgestellt sind, die bis zum Inkrafttreten des EAG Bau dem Abwägungsgebot selbst entnommen wurden. Wäre dies richtig, dann sind keine Mängel mehr im Abwägungsvorgang denkbar, die als übrige Mängel i.S.d. § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB in Frage kommen. Zwar fehlt in § 2 Abs. 3 BauGB der notwendige Ausgleich der abwägungserheblichen Belange als letzte Phase der Abwägung. Die in § 2 Abs. 3 BauGB unterbliebene Nennung der Phase des Ausgleichs hat indessen nicht zur Folge, dass die auf einen fehlerhaften Ausgleich zurückzuführenden Mängel als „übrige Mängel“ des Abwägungsvorgangs zu qualifizieren sind und daher in den Anwendungsbereich des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB fallen. Wie bereits im Rahmen dieser Untersuchung aufgezeigt

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

wurde, sind durch einen fehlerhaften Ausgleich bedingte Abwägungsmängel gerade keine Mängel des Abwägungsvorgangs, sondern ausschließlich Mängel im Abwägungsergebnis.43 Unterstellt, es handelt sich mit dem in § 2 Abs. 3 BauGB enthaltenen Gebot der Ermittlung und der Bewertung des Abwägungsmaterials um die herkömmlichen Anforderungen an den Abwägungsvorgang, dann sind folglich mit § 2 Abs. 3 BauGB die Anforderungen an den Abwägungsvorgang – mit der begründeten Ausnahme des Ausgleichs – abschließend bestimmt. Wenn aber Verstöße gegen § 2 Abs. 3 BauGB nach der Planerhaltungsregelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB behandelt werden sollen und aufgrund von § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden können, dann läuft prima facie die Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB leer. Die Vorschrift wäre mangels eigenständiger Funktion obsolet. Ob es sich aber bei dem in § 2 Abs. 3 BauGB enthaltenen Gebot der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials tatsächlich um die notwendigen Phasen der Abwägung handelt, hängt vom Regelungsgehalt der Vorschrift ab. Regelungsgehalt und Funktion von § 2 Abs. 3 BauGB sind indes unklar und strittig. Im Vordergrund der Diskussion steht die Frage, ob es sich bei § 2 Abs. 3 BauGB um eine Regelung mit verfahrensrechtlichem oder materiell-rechtlichem Charakter handelt. Denn nur bei der Annahme eines materiell-rechtlichen Charakters sind – zumindest nach der herkömmlichen Abwägungsdogmatik – das Gebot der Ermittlung und Bewertung als Anforderungen an eine gerechte Abwägung zu qualifizieren. Freilich lassen die Novellierung des § 2 Abs. 3 BauGB mit den Elementen des Ermittelns und Bewertens, die Bezeichnung dieser Regelung als Verfahrensgrundnorm44 und die Behandlung eines Verstoßes gegen die Verfahrensgrundnorm nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB Zweifel an der Aufrechterhaltung der bisherigen Abwägungsdogmatik aufkommen.45 Die Diskussion über den rechtlichen Charakter des § 2 Abs. 3 BauGB betrifft auch das Verhältnis der Regelung zu § 1 Abs. 7 BauGB, wonach bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. Die Beantwortung der Frage nach dem rechtlichen Charakter des § 2 Abs. 3 BauGB, insbesondere nach der Bedeutung der Begriffe des „Ermittelns“ und „Bewertens“ setzt die gleichzeitige Abgrenzung von § 1 Abs. 7 BauGB voraus. Denn die Anforderungen an eine gerechte Abwägung wurden bisher dem Abwägungsgebot selbst und damit der Regelung des § 1 Abs. 6 BauGB a.F. entnommen. Mit der Ermittlung des rechtlichen Charakters der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB wird daher zugleich das Verhältnis der neuen „Verfahrensgrundnorm“ zum Abwägungsgebot bestimmt. Die Abgrenzung der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB von 43

Vgl. oben Zweiter Teil, C.IV.1.c)cc). Vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 42. 45 Die bisherige Systematik ohne nähere Begründung brechend, Schmidt-Eichstaedt, Städtebaurecht, S. 525: „Alle Mängel beim Abwägungsvorgang (Ermitteln, Bewerten, Einstellen des Abwägungsmaterials) gehören zu den formellen Fehlern. Mängel im Abwägungsergebnis gehören zu den materiellen Fehlern.“ 44

B. Systematik der Planerhaltung

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§ 1 Abs. 7 BauGB wiederum lässt auf das Verhältnis der Planerhaltungsregelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB zu der des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB schließen. Eine weitere Frage wirft die Novellierung des Abschnitts über die Planerhaltung im Hinblick auf die Behandlung von Mängeln des Abwägungsergebnisses auf. Eine ausdrückliche Regelung darüber findet sich dort nicht. Es bedarf daher zur Ergründung einer eigenständigen Funktion des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB und zur Beantwortung der Frage, wie nunmehr Mängel des Abwägungsergebnisses nach dem Planerhaltungssystem des EAG Bau zu behandeln sind, der näheren Untersuchung der einzelnen, im Zusammenhang mit dem Gebot der Abwägung stehenden Fehlerfolgenregelungen, um auch letztendlich die in dieser Untersuchung aufgeworfene Kernfrage nach der Änderung der herkömmlichen Abwägungsdogmatik beantworten zu können. 2. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB: Verletzung von § 2 Abs. 3 BauGB a) Bestimmung des rechtlichen Gehalts: Verfahrensvorschrift oder Vorschrift mit materiell-rechtlichem Charakter? aa) Begriff der Verfahrensvorschrift Zur Beantwortung der Frage nach dem rechtlichen Charakter des § 2 Abs. 3 BauGB, d. h. ob es sich letztlich um eine materiell-rechtliche Regelung oder um eine reine Verfahrensvorschrift handelt, muss zunächst der Begriff der Verfahrensvorschrift näher beleuchtet werden. Eine bauplanungsspezifische Bestimmung des Begriffspaars „Verfahrens- und Formvorschriften“ ist seitens des Bundesverwaltungsgerichts mit der Entscheidung vom 21.02.198646 erfolgt. Danach gehören zu den Verfahrens- und Formvorschriften alle Vorschriften über die Bauleitplanung, die sich auf den äußeren Ablauf des Planungsverfahrens beziehen.47 Hierzu zählen dementsprechend keine Vorschriften, die materiell-rechtliche Anforderungen an die Bauleitplanung darstellen, was bisher nach allgemeiner Meinung auf das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 a. F. (§ 1 Abs. 7 BauGB) zutraf.48 Im Umkehrschluss wären als materiellrechtliche Vorschriften des Bauplanungsrechts diejenigen Normen zu qualifizieren,

46 BVerwG, Beschl. v. 21.02.1986 – 4 N 1.85 – BVerwGE 74, 47 ff. Die Entscheidung erging in Bezug auf § 155 a S. 1 BBauG 1976 bzw. § 155 a Abs. 1 BBauG 1979, auf die das heutige Planerhaltungsrecht, §§ 214 – 216 BauGB, zurückgehen. 47 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.02.1986 – 4 N 1.85 – BVerwGE 74, 47 (48). 48 Vgl. Dürr, in: Brügelmann u. a., § 214 Rn. 18. Ebenfalls in BVerwG, Beschl. v. 21.02.1986 – 4 N 1.85 – BVerwGE 74, 47 (49 f.), das Wortpaar „Verfahrens- und Formvorschriften“ sei der Gegensatz zu den materiell-rechtlichen Vorschriften, besonders zum Abwägungsgebot.

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

die den Inhalt des Planungsverfahrens betreffen.49 Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften in Gestalt eines Verfahrensfehlers liegt demzufolge vor, wenn die in einem Verfahren zu beachtenden Rechtsnormen, die nicht den Inhalt des Verwaltungsrechtsakts regeln, von den Erlassenden nicht beachtet wurden.50 bb) Lösungsansätze in Rechtsprechung und Literatur In der Literatur wird der rechtliche Charakter der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB unterschiedlich bestimmt. Erste Entscheidungen der Rechtsprechung zum neuen Recht der Planerhaltung sind ebenfalls nicht einheitlich51; höchstrichterliche Judikate52 fehlen gänzlich. Im Kern lassen sich drei Grundpositionen unterscheiden. Vertreten wird zum einen, dass es sich bei § 2 Abs. 3 BauGB um eine reine Verfahrensvorschrift handle53, und zum anderen, dass nur mit einem Element in § 2 Abs. 3 BauGB ein prozeduraler Vorgang innerhalb des Abwägungsvorgangs beschrieben werde, das andere Element hingegen nach wie vor als materiell-rechtliches Erfordernis zu qualifizieren sei.54 Vertreten wird aber auch, dass § 2 Abs. 3 BauGB eine Vorschrift mit einem rein materiell-rechtlichem Charakter sei.55 Im Folgenden unberücksichtigt 49 Das Bundesverwaltungsgericht spricht hier von sachlich-inhaltlichen Mängeln des Planes, vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.02.1986 – 4 N 1.85 – BVerwGE 74, 47 (50). 50 So auch Sachs, Verwaltungs-Archiv 2006, 573 (576). 51 In der Entscheidung des OVG NRW, Urt. v. 06.03.2006 – 7 D 124.05.NE – BauR 2006, 1707 (1710) wurde die nicht zutreffende Ermittlung nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB behandelt, ohne § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB zu diskutieren. Bei einer festgestellten Fehlgewichtung hingegen hält der Siebte Senat des OVG NRW, Urt. v. 16.12.2005 – 7 D 48.04.NE – Juris, Rn. 44, die Planerhaltungsvorschrift des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB für einschlägig. Das OVG Berlin-Brandenburg wendet bei einem zuvor festgestellten Mangel des Abwägungsvorgangs § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB an, Urt. v. 14.02.2006 – 2 A 16.05 – BauR 2006, 1424 (1427). Der BayVGH wiederum lässt es wegen der identischen Voraussetzungen offen, ob der festgestellte Abwägungsdefizit nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB zu behandeln ist oder § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB einschlägig ist, vgl. BayVGH, Urt. v. 25.10.2005 – 25 N 04.642 – BayVBl. 2006, 601 (603). 52 Bisher ist lediglich darauf hingewiesen worden, dass die Fehlerfolgenregelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB und die des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB die selben Anforderungen für ihre Beachtlichkeit enthalten. Vgl. BVerwG, Urt. v. 22.03.2007 – 4 CN 2.06 – BVerwGE 128, 238 (245). 53 Diese Position wird vertreten von Happ, NVwZ 2007, 304 ff.; Kuschnerus, Bebauungsplan, Rn. 177 u. 195: „Die Ermittlung und Bewertung der jeweils betroffenen Belange wird dem im Detail geregelten Verfahrensrecht zugeordnet“; Stelkens, UPR 2005, 81 (84 f.): Geboten sei ein enges Verständnis von § 2 Abs. 3 BauGB. Die Ordnungsgemäßheit des Ermittlungsverfahrens fingiere wegen § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB auch die materiell-rechtliche Ordnungsgemäßheit. Eine eigenständige Geltendmachung – insbesondere im Rahmen von § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB – sei nicht möglich. 54 So Kraft, UPR 2004, 331 ff.; Dürr, in: Brügelmann u. a., § 214 Rn. 20. 55 Zu den Vertretern dieser Position gehören Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 2 Rn. 64; Quaas/Kukk, BauR 2004, 1541 ff.; Uechtritz, ZfBR 2005, 11 ff.; zumindest ansatzweise Jäde, in Jäde/Dirnberger/Weiss, § 2 Rn. 17 ff. So auch Gaentzsch, in: Spannowsky/ Krämer, S. 137 f., wobei er seinen Standpunkt wieder aufgibt, wenn er ausführt, dass die

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bleiben soll die Auffassung, die § 2 Abs. 3 BauGB keinen substanziellen Regelungsgehalt zugesteht.56 (1) Verfahrensrechtliche Konzeption Die verfahrensrechtliche Konzeption findet ihre argumentative Grundlage in der Gesetzessystematik. Ein verfahrensrechtliches Verständnis ergebe sich daraus, dass § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB eingangs die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften voraussetzt und sodann in Nr. 1 auf § 2 Abs. 3 BauGB Bezug nimmt. Die Verwendung des Wortpaars „Verfahrens- und Formvorschriften“ lasse darauf schließen, dass es sich bei § 2 Abs. 3 BauGB um eine reine Verfahrensvorschrift handeln muss, deren Verletzung nur unter den Voraussetzungen von § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB beachtlich sei. Dadurch werde § 2 Abs. 3 BauGB ausdrücklich in die Kategorie der Verfahrensvorschriften eingereiht.57 Ein formelles Verständnis ließe sich zudem aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs entnehmen, in der die Ermittlung und Bewertung als „verfahrensbezogene Elemente“ bezeichnet werden.58 Angesichts des verfahrensrechtlichen Charakters seien die Elemente der Ermittlung und Bewertung im Sinne von „verfahrensrechtlich korrekt“ zu verstehen.59 Die materielle Richtigkeit und Vollständigkeit der Ermittlung und Bewertung fordere § 2 Abs. 3 BauGB hingegen nicht, vielmehr sei die materielle Richtigkeit und Vollständigkeit der Ermittlung und Bewertung – die Bewertung wird mit der Phase der Gewichtung gleichgesetzt – weiterhin Gegenstand des § 1 Abs. 7 BauGB.60 Regelungen der §§ 2 Abs. 4 sowie 4a BauGB explizieren würden, dass von § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB beide Seiten des Abwägungsvorgangs erfasst seien, dass „die materiellrechtliche Seite aber in den Hintergrund tritt, weil die Anforderungen an den Abwägungsvorgang durch ordnungsgemäßes Verfahren, nämlich vor allem eine den Vorschriften des Baugesetzbuches entsprechende Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung, erfüllt werden“. 56 Es sei nicht ersichtlich, mit welcher Formulierung dieses Ziel in § 2 Abs. 3 BauGB zum Ausdruck gebracht worden sein soll. Daher bescheinigt Hoppe der Bestimmung des § 2 Abs. 3 BauGB „keinen irgendwie erkennbaren substanziellen Regelungsgehalt“, Hoppe, NVwZ 2004, 903 (905). Jedenfalls könne nicht aus § 2 Abs. 3 i.V.m. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB geschlossen werden, dass materiell-rechtlich nur noch das Abwägungsergebnis unter dem Gesichtspunkt der Abwägungsdisproportionalität zu überprüfen sei, der Abwägungsvorgang hingegen ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der formellen Rechtmäßigkeit (Verfahrensmäßigkeit) untersucht werde, vgl. ders., NVwZ 2004, 903 (910). 57 Vgl. Happ, NVwZ 2007, 304 (306). 58 Vgl. Happ, NVwZ 2007, 304 (306) mit Verweis auf BT-Drs. 15/2250, S. 42 und S. 63 unter Hervorhebung der Tatsache, dass dort das Ermitteln und Bewerten in § 2 Abs. 3 BauGB als „verfahrensbezogene Elemente“ erklärt werden. 59 So Happ, NVwZ 2007, 304 (306 f.). Eine Ermittlung sei dann unzutreffend i.S.v. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB, „wenn die Gemeinde sich aufdrängende Ermittlungen nicht durchgeführt, insbesondere in solchen Fällen Auskünfte nicht eingeholt, Sachverständige nicht beigezogen, Augenscheine nicht eingenommen hat usw.“ Eine unzutreffende Bewertung würde darin liegen, dass eine Bewertung gar nicht oder nur durch ein unzuständiges Organ stattgefunden hat. Ein materielles Verständnis führe nur zu merkwürdigen Friktionen. 60 Vgl. Happ, NVwZ 2007, 304 (306).

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

Ein verfahrensrechtliches Verständnis von § 2 Abs. 3 BauGB und die soeben dargelegte Bestimmung des Gehalts von § 1 Abs. 7 BauGB hat für die Abgrenzung zwischen § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB und § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB zur Folge, dass die Regelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB nunmehr die Planerhaltungsregelung für die prozedurale Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials enthalten würde, wohingegen § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB die Planerhaltung für die materielle Ermittlung und Bewertung bestimmt. Nach der verfahrensrechtlichen Konzeption bliebe es dabei, dass das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB anhand der herkömmlichen Abwägungsfehlerlehre des Bundesverwaltungsgerichts auf die Abwägungsfehlertatbestände Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit, Abwägungsfehlgewichtung und Abwägungsdisproportionalität untersucht wird und ihre Fehlerfolge sich nach § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB richtet.61 Die verfahrensrechtliche Konzeption, die der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB einen nur formellen Regelungsgehalt entnimmt, vermag indes nicht zu überzeugen. Zwar ist die Position in sich konsistent, wenn sie ein rein formelles Verständnis der Vorschrift im Sinne von „verfahrensrechtlich korrekt“62 auslegt. Sollte mit der Ermittlung und Bewertung in § 2 Abs. 3 BauGB nur die formelle (prozessuale) Seite des Abwägungsvorgangs zum Ausdruck gebracht werden, kann die Regelung wahrlich nur dahingehend verstanden werden, dass die Behörde sich überhaupt auf die Suche nach dem relevanten Abwägungsmaterial begibt und dieses tatsächlich bewertet. Ein formelles Verständnis von § 2 Abs. 3 BauGB verlangt somit das „Ob“ der Ermittlung und Bewertung. Jedes darüber hinausgehende Verständnis würde den materiellen Charakter der Vorschrift eröffnen. Widerspruchsfrei ist die Ansicht demzufolge auch hinsichtlich der Schlussfolgerung, dass ein materielles Verständnis der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB bei ihrer Überprüfung die Frage zum Gegenstand hätte, ob inhaltlich richtig bzw. zutreffend sowie vollständig ermittelt und bewertet wurde.63 Gegen ein rein verfahrensrechtliches Verständnis sprechen freilich mehrere Gründe. Die verfahrensrechtliche Konzeption führt im Ergebnis zu einer Aufspaltung des Vorgangs des Abwägens in einen prozeduralen und materiellen Vorgang.64 Während die prozedurale Ermittlung und Bewertung in § 2 Abs. 3 BauGB enthalten sein soll, normiere § 1 Abs. 7 BauGB die materiell-rechtliche Ermittlung und Bewertung. Eine Trennung der formellen Seite von der materiellen erscheint prüfungsökonomisch indes nicht sinnvoll. Zudem stellt sich die Frage nach der Trennbarkeit zwischen formellem und materiellem Abwägungsvorgang. Problematisch hierbei ist nämlich, dass nach der herkömmlichen Abwägungsfehlerlehre im Rahmen der Kontrolle der Abwägungsentscheidung die Frage des „Ob“ einer jeden Anforderung an den Ab61 So auch Jäde, in Jäde/Dirnberger/Weiss, § 2 Rn. 17, wenn er ausführt, dass der in der wertenden Gegenüberstellung der Belange liegende genuin planerische Vorgang dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB zugeordnet bleibe. 62 So Happ, NVwZ 2007, 304 (306). 63 Vgl. Happ, NVwZ 2007, 304 (306). 64 So auch Kirchmeier, in: Ferner u. a., Hk-BauGB, § 214 Rn. 6; Kment, AöR 2005, 570 (591).

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wägungsvorgang mit erörtert wurde. So war bisher beispielsweise bei der Prüfung der (inhaltlich) vollständigen Ermittlung des Abwägungsmaterials unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Abwägungsdefizits zu prüfen, ob die planende Gemeinde das Abwägungsmaterial überhaupt ermittelt hatte. Wird diese Überprüfung auch im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit verlangt, würde sie nach der prozessualen Konzeption entweder doppelt stattfinden oder, sollte im Rahmen der Kontrolle im Prüfungsaufbau ein Verweis nach oben erfolgen, dann würde die Trennung der formellen Ermittlung und Bewertung etwas auseinanderzerren, was inhaltlich zusammengehört; es fände eine unnötige Aufspaltung statt. Dessen ungeachtet ist der herkömmlichen Abwägungsdogmatik eine Aufspaltung des Abwägungsvorgangs in einen formellen und materiellen Abwägungsvorgang fremd. Der verfahrensrechtlichen Konzeption ist noch eine weitere Überlegung entgegenzuhalten: In den Gesetzesmaterialien ist regelmäßig von einem „Wechsel vom materiell-rechtlichen Abwägungsvorgang zu den verfahrensbezogenen Elementen des Ermittelns und Bewertens der von der Planung berührten Belangen“65 die Rede. Durch die Verwendung des Begriffs „Wechsel“ kann gerade nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber den materiell-rechtlichen Abwägungsvorgang und das darauf bezogene Verfahren tatsächlich zu trennen beabsichtigte, indem Ersteres von § 1 Abs. 7 BauGB und Letzteres von § 2 Abs. 3 BauGB erfasst sein sollte. Der Begriff „Wechsel“ indiziert gerade keine Aufspaltung in eine verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Ermittlung und Bewertung. Vielmehr spricht die Verwendung des Begriffs dafür, dass der Gesetzgeber intendiert hat, Elemente der einen Kategorie in eine andere Kategorie zu verschieben. Auch die von Stelkens vertretene Variante der verfahrensrechtlichen Konzeption vermag nicht zu überzeugen. Innerhalb der verfahrensrechtlichen Konzeption weicht die von Stelkens bezogene Position insoweit ab, als er zwar auch der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB einen (nur) formellen Gehalt entnimmt, aber eine Indizwirkung bei Einhaltung der formellen Richtigkeit auf die materielle Richtigkeit unterstellt. Die Ordnungsgemäßheit der Ermittlung und Bewertung und damit die Einhaltung des § 2 Abs. 3 BauGB fingiere angesichts der Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB auch die materiell-rechtliche Ordnungsgemäßheit des Abwägungsvorgangs.66 Im Falle einer (materiell) fehlerhaften Ermittlung oder Bewertung der abwägungserheblichen Belange könne der materielle Mangel im Abwägungsvorgang aufgrund der Fiktion des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB nicht eigenständig geltend gemacht werden. Er könne deshalb keinen „übrigen“ Fehler im Sinne von § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB darstellen.67 Nach Stelkens bedarf es somit keiner selbständigen materiellen Überprüfung des Abwägungsvorgangs mehr, soweit es um die Phasen der Ermittlung oder Bewertung geht. Von § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB seien als „übrige Mängel“ alle Gewichtungsfehler erfasst, da die Phase der Gewichtung 65 66 67

Vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 63 u. S. 66. Stelkens, UPR 2005, 81 (82, 85). Stelkens, UPR 2005, 81 (85).

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nicht mit der Bewertung gleichzusetzen sei.68 Zu den „übrigen“ Mängeln des Abwägungsvorgangs gehörten ferner Fälle des vollständigen Abwägungsausfalls.69 Hiergegen spricht bereits, dass der herkömmlichen Abwägungsdogmatik eine Differenzierung zwischen den Phasen der Bewertung und Gewichtung fremd ist. Warum die Anforderungen an eine gerechte Abwägung um eine weitere Phase, die Phase der Bewertung, erweitert worden sein sollen und inwiefern sie sich von der Phase der Gewichtung unterscheidet, ist nicht nachvollziehbar. Ebenfalls vermag die These, wonach die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 2 Abs. 3 BauGB die materielle Richtigkeit der Ermittlung und Bewertung indiziere, nicht zu überzeugen. Denn allein die Tatsache, dass überhaupt ermittelt und bewertet worden ist, kann nicht die Vollständigkeit der Ermittlung und die inhaltliche Richtigkeit der Bewertung gewährleisten. Dass die Vollständigkeit und die inhaltliche Richtigkeit der Elemente nicht sichergestellt sind, soll am Beispiel der Ermittlung des Abwägungsmaterials aufgezeigt werden: Nach verfahrensrechtlichem Verständnis bedeutet „Ermitteln“ i.S.d. § 2 Abs. 3 BauGB, dass sich die planende Gemeinde überhaupt auf die Suche nach den von der Planung betroffenen Belangen begibt und zwar im Sinne eines Tätigwerdens. Begibt sich die planende Stelle auf die Suche nach den abwägungserheblichen Belangen, dann ist auch nur das Ermitteln überhaupt erfüllt. Das Tätigwerden an sich kann indes nicht gewährleisten, dass das Abwägungsmaterial auch vollständig ermittelt wurde. Die materielle Richtigkeit des Ermittelns wird entgegen der Ansicht Stelkens dadurch weder gewährleistet noch wird sie durch die Regelung indiziert. Ähnlich wie Stelkens gehen auch Quaas/Kukk im Falle eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 3 BauGB von einem Verfahrensfehler aus.70 Die Regelungen der §§ 2 Abs. 3, 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB würden im Wege einer gesetzgeberischen Fiktion Ermittlungs- und Bewertungsmängel als Verfahrensfehler behandeln. Die Fiktion könne aber nur gelten, soweit das Ermitteln und Bewerten tatsächlich nur Verfahrenscharakter habe.71 Sobald Mängel des Ermittelns und Bewertens auf das Abwägungs68 Bewertung sei die Feststellung, welche konkret ermittelten Belange, die abstrakt abwägungserheblich sein könnten, durch das konkrete Planvorhaben betroffen sein könnten und daher in die nach § 1 Abs. 7 BauGB zu treffende Abwägung mit einzustellen seien. Wohingegen die Gewichtung die Entscheidung darüber sei, mit welchem Rang ein abwägungsrelevanter Belang in die Abwägung mit eingestellt wird; vgl. Stelkens, UPR 2005, 81 (84). Daher sei die Grenze zum Bewertungsfehler, für den ausschließlich die Regelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB Anwendung finde, nur dann „unterschritten, wenn bereits die Abwägungserheblichkeit eines objektiv gewichtigen Belangs verkannt wird, dieser also gar nicht erst in die Abwägung mit eingestellt wird. Der hierin auch liegende Gewichtungsfehler stellt sich in diesem Fall nur als Fortsetzung des Bewertungsfehlers dar“, der wegen § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB nicht als „übriger“ Mangel geltend gemacht werden könne, siehe ders., UPR 2005, 81 (85). 69 Siehe Stelkens, UPR 2005, 81 (85). Aufgeführt sind ferner Fälle der Außerachtlassung sich aufdrängender Planungsalternativen sowie Fallgruppen der so genannten Fehleinstellung von Belangen (die Aufnahme objektiv nicht abwägungsrelevanter Belange in die Abwägung). 70 Vgl. Quaas/Kukk, in: Schrödter, § 214 Rn. 46. 71 Vgl. Quaas/Kukk, in: Schrödter, § 214 Rn. 46.

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ergebnis Einfluss hätten, sei zugleich ein materieller Abwägungsfehler gegeben, der nach § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB zu behandeln sei. Der Gesetzgeber habe durch die Anfügung des zweiten Halbsatzes erkannt, dass nicht alle Mängel im Abwägungsvorgang als Verfahrensfehler behandelt werden könnten.72 Folgte man der Auffassung, dass sämtliche Ermittlungs- oder Bewertungsmängel, die auf das Abwägungsergebnis von Einfluss sind, als Mängel im Sinne des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB zu qualifizieren sind, würde indessen die Regelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB leer laufen. Denn sie übersieht, dass auch § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB für die Beachtlichkeit eines Mangels neben dem Merkmal der Offensichtlichkeit die Ergebniskausalität verlangt. Bei Vorliegen eines Ermittlungs- oder Bewertungsfehlers, der offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss ist, ist zugleich der Tatbestand des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB erfüllt. Gleichwohl soll es sich um einen Abwägungsmangel i.S.d. § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB handeln. Zweifelhaft bleibt zudem die Handhabung, die rechtliche Natur eines Verhaltens respektive eines Handelns von der Ergebniskausalität abhängig zu machen. Einen materiellen Abwägungsmangel allein angesichts der Ergebniskausalität anzunehmen, überzeugt nicht. Die verfahrensrechtliche Konzeption hinsichtlich der Bestimmung des rechtlichen Charakters von § 2 Abs. 3 BauGB vermag somit insgesamt nicht zu überzeugen. (2) Differenzierende Konzeption In der Literatur wird bei der Bestimmung des rechtlichen Charakters von § 2 Abs. 3 BauGB aber auch zwischen den Elementen des Ermittelns und des Bewertens differenziert. So hält Kraft73 die Zuordnung des in § 2 Abs. 3 BauGB enthaltenen Gebots der Ermittlung der abwägungserheblichen Belange zu den verfahrensrechtlichen Anforderungen und die Einordnung des Gebots der Bewertung der abwägungserheblichen Belange als materiell-rechtliche Voraussetzung für „vertretbar“, um der systematischen Zuordnung des Gesetzgebers gerecht zu werden.74 Grundsätzlich stehe die systematische Zuordnung zur Disposition des Gesetzgebers.75 Unbedenklich sei die Qualifizierung der Ermittlung als formell-rechtliche Anforderung, dagegen sei das Gebot der Bewertung des Abwägungsmaterials wie bisher innerhalb der materiellrechtlichen Kategorie anzusiedeln.76 Ähnlich nimmt Dürr eine Doppelnatur des Abwägungsvorgangs an. Das Ermitteln, Einstellen und Bewerten seien zunächst verfahrensrechtliche Vorgänge. Da aber das Ergebnis des Bewertens dem materiell-recht-

72 73 74 75 76

Vgl. Quaas/Kukk, in: Schrödter, § 214 Rn. 46. Kraft, UPR 2004, 331 ff. Vgl. Kraft, UPR 2004, 331 (334 f.). Vgl. Kraft, UPR 2004, 331 (333). Kraft, UPR 2004, 331 (333).

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lichen Teil der Abwägung zuzuordnen sei, müsse auch das Bewerten der Belange zumindest teilweise dem materiellen Recht zugewiesen werden.77 Eine ausdrückliche Abgrenzung zu § 1 Abs. 7 BauGB wird von den Vertretern der differenzierenden Lösung nicht vorgenommen. Angesichts der Gleichsetzung der Bewertung mit der Gewichtung des Abwägungsmaterials ist dennoch davon auszugehen, dass die differenzierende Konzeption die Anforderungen der Ermittlung und Gewichtung nicht mehr § 1 Abs. 7 BauGB entnimmt, sondern nunmehr ausdrücklich in § 2 Abs. 3 BauGB verortet sieht.78 Für die Abgrenzung zwischen § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB und § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB hätte die differenzierende Konzeption vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Behandlung der Ermittlung und Bewertung zur Folge, dass die die Ermittlung betreffenden Mängel nach der Planerhaltungsregelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB zu behandeln wären, während Mängel der Gewichtung in den Anwendungsbereich des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB fallen würden.79 Gegen die unterschiedliche Bestimmung des rechtlichen Charakters von § 2 Abs. 3 BauGB spricht, dass schon nicht nachvollzogen werden kann, warum nur die Bewertung bzw. nur ein Teil der Bewertung des Abwägungsmaterials als materiell-rechtliche Anforderung qualifiziert werden soll, die Ermittlung der Belange hingegen problemlos den Verfahrensschritten und somit der formellen Prüfung zugeordnet werden kann. Beiden Elementen ist sowohl ein verfahrensrechtlicher als auch ein materiell-rechtlicher Charakter eigen, so dass sie hinsichtlich des rechtlichen Charakters das gleiche Schicksal ereilen müsste. Die Ermittlung fungiert zwar zum einen als Prozess zur Bestimmung der abwägungserheblichen Belange, zum anderen weist sie aber zugleich einen inhaltlichen Bezug zur Abwägung auf, da gerade im Rahmen der Ermittlung bestimmt wird, welche Belange von der Planung betroffen werden. Damit hat die Ermittlung des Abwägungsmaterials sowohl eine verfahrensrechtliche als auch eine materielle Komponente. Nichts anderes verbirgt sich hinter dem Schritt der Bewertung des Abwägungsmaterials. Auch diesem Element ist neben einem prozessualen Aspekt begriffsnotwendig ein wertender und damit inhaltlicher Charakter eigen. Der Qualifizierung nur dieser Anforderung des § 2 Abs. 3 BauGB als materiell-rechtliche kann daher nicht gefolgt werden. Dürr ist aber insoweit zuzustimmen, als er eine Doppelnatur des Abwägungsvorgangs annimmt. 77

Dürr, in: Brügelmann u. a., § 214 Rn. 20. Indirekt Kraft, UPR 2004, 331 (333). Anders Dürr, in: Brügelmann u. a., § 214 Rn. 20, der die Gewichtung als Ergebnis der Bewertung ansieht, wodurch sich aber hinsichtlich der Abgrenzung zu § 1 Abs. 7 BauGB nichts ändert. An anderer Stelle heißt es wiederum, dass der Begriff der Bewertung der Belange dem „früheren Begriff der Gewichtung der Belange“ zumindest teilweise entspreche; vgl. Dürr, in: Brügelmann u. a., § 214 Rn. 71. 79 So Kraft, UPR 2004, 331 (333), zumindest ausdrücklich hinsichtlich der die Gewichtung betreffenden Mängel. Die Aufgabe der bisherigen Systematik sei nicht geboten. Jedenfalls die Frage der zutreffenden Gewichtung des Abwägungsmaterials sei nach wie vor als Teil des materiell-rechtlichen Vorgangs zu verstehen. So im Ergebnis auch Dürr, in: Brügelmann u. a., § 214 Rn. 72. 78

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Schließlich steht der differenzierenden Sichtweise die Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB entgegen, wonach Mängel, die Gegenstand der Regelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB sind, nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden können. Angesichts der Tatsache, dass § 2 Abs. 3 BauGB sowohl das Gebot der Ermittlung als auch das Gebot der Bewertung enthält und § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB eine Verletzung von § 2 Abs. 3 BauGB voraussetzt, ohne sich auf eine Verletzung des Gebots der Ermittlung zu beschränken, ist eine Behandlung von Mängeln der Bewertung nach § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB schon nach der Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB ausdrücklich ausgeschlossen. Folgerichtig können Mängel der Abwägung, die die Ermittlung respektive die Bewertung des Abwägungsmaterials betreffen, nicht mehr Mängel i.S.d. § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB sein. Ein anderes Ergebnis würde auch sonst dem Wortlaut des Halbsatzes 2 widersprechen, der mit der Formulierung „im Übrigen“ zum Ausdruck bringt, dass jedenfalls nicht alle Mängel im Abwägungsvorgang hierunter fallen sollen. Hierdurch wird der Anwendungsbereich dieser Vorschrift von dem des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB, der Verstöße gegen Schritte des Ermittelns und Bewertens (§ 2 Abs. 3 BauGB) unter bestimmten Voraussetzungen für beachtlich erklärt, abgegrenzt. (3) Materiell-rechtliche Konzeption Vertreten wird aber auch ein materiell-rechtliches Verständnis von § 2 Abs. 3 BauGB. Unter Rekurs auf die bisherige dogmatische Einordnung des Abwägungsvorgangs als materiell-rechtliches Anforderungsprofil ordnet Erbguth80 die Schritte des Ermittelns und Bewertens als „unverrückbar materiell-rechtliche Anforderungen“81 ein. Während aber der Ermittlung „lediglich“ ein auch materiell-rechtlicher Charakter zukomme, sei das Element des Bewertens als eine rein materiell-rechtliche Anforderung zu qualifizieren.82 In dieser materiell-rechtlichen Ausrichtung habe der Abwägungsvorgang weiterhin Bestand. Lediglich in der gerichtlichen Kontrollperspektive und nur angesichts ihrer Stellung im Gesetz seien die Elemente verfahrensrecht-

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Erbguth, DVBl. 2004, 802 ff. Erbguth, DVBl. 2004, 802 (807). 82 Der Ermittlung von abwägungserheblichen Belangen sei ein „janusköpfiger Charakter“ eigen. Ermittlung bedeutete (auch) das Prozedere zur Bestimmung der Belange. Gleichwohl werde in § 2 Abs. 3 BauGB mit dem Gebot der Ermittlung eine materiell-rechtliche Anforderung aufgestellt Zugleich sei nämlich in dem Begriff auch ein materieller Gehalt eingeschlossen, der „eine erste Auswahlentscheidung hinsichtlich der grundsätzlichen Abwägungsrelevanz von Belangen“ zum Inhalt hat. Die Bewertung teile zwar die Prozesshaftigkeit des Abwägungsvorgangs, dennoch sei kein formales Verfahren gemeint, sondern „ein Prozess der materiellen Beurteilung, weil die abschließende Abwägungsentscheidung zuvor denknotwendig nach einer Bestimmung der Wertigkeit, eben des Gewichts der einzelnen Belange, verlangt.“ Der Gesetzgeber dürfe daher zumindest die Ermittlung nicht abschließend und die Gewichtung überhaupt nicht dem Verfahrensrecht zuordnen; vgl. Erbguth, DVBl. 2004, 802 (807). 81

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lich einzuordnen.83 Vor diesem Hintergrund bleibe es bei dem Kontrollmaßstab der herkömmlichen Abwägungsfehlerlehre.84 Weil aber die als inhaltlicher Maßstab allein verbliebene Abwägungsentscheidung eine Vorgewichtung der Belange bedinge, und die verfahrensrechtlich eingeordnete Bewertungsebene dies nicht mehr leisten könne, sei jene Vorgewichtung ein sonstiger Abwägungsvorgang i.S. § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB.85 Erbguths Ansatz enthält in seinem Kern die zutreffende Erkenntnis, dass der Ermittlung sowohl ein prozesshafter als auch ein materieller Charakter eigen ist. Den Doppelcharakter, den Erbguth bei der Ermittlung annimmt, weist auch die Phase des Bewertens des Abwägungsmaterials auf. Dass lediglich die Bewertung ein reiner Prozess der materiellen Beurteilung sein soll, die Ermittlung hingegen nicht, überzeugt nicht. Denn bei der Bewertung handelt es sich (auch) um einen Prozess. Der Bewertungsvorgang an sich (das „Ob“ der Bewertung) ist daher desgleichen prozedural einzuordnen. Erst die Frage, wie die planende Gemeinde die Belange letztlich bewertet hat, ist als Frage des Inhalts materiell-rechtlich zu beurteilen.86 Der Ansatz ist aber auch an anderer Stelle nicht ganz widerspruchsfrei, wenn Erbguth den Phasen der Ermittlung und Bewertung einen inhaltlichen Charakter attestiert, daher vom Fortbestehen der materiell-rechtlichen Ausrichtung des Abwägungsvorgangs ausgeht, der nur angesichts der Stellung im Gesetz einen verfahrensrechtlichen Vorgang darstelle, aber zugleich eine Reduktion der Inhaltskontrolle feststellt.87 Wenn der Abwägungsvorgang weiterhin materiell-rechtlich ausgerichtet sein soll und die Phasen der Ermittlung und Bewertung daher inhaltlich zu verstehen sind, dann reduziert sich die Inhaltskontrolle gerade nicht. Vielmehr wird dann doch nur die Überprüfung dieser Anforderungen, die inhaltlich bleibt, an den Standort „Verfahren“ verschoben. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Bewertungsebene die Vorgewichtung der Belange nicht mehr leisten kann.88 Inwieweit § 2 Abs. 3 BauGB von der Regelung des § 1 Abs. 7 BauGB ange-

83 Erbguth/Wagner, Grundzüge des Öffentlichen Baurechts, § 5 Rn. 144. Zwar werde durch die Herauslösung des Abwägungsvorgangs aus seiner bisherigen materiellen Einbindung und der Verschiebung in die Kategorie der Verfahrensvorschriften das Verfahren gestärkt. Das sei auch nicht zu beanstanden. Vorzuhalten sei dem Gesetzgeber, dass er die Sachgesetzlichkeiten seines Regelungsgegenstandes ignoriert habe, nämlich den unverrückbar inhaltlichen Charakter der Ermittlung und Bewertung als Gegenstand des Abwägungsvorgangs. So auch Erbguth, DVBl. 2004, 802 (807); ders., Jura 2006, 9 (14). 84 Erbguth/Wagner, Grundzüge des Öffentlichen Baurechts, § 5 Rn. 144. 85 Vgl. Erbguth, DVBl. 2004, 802 (808). 86 Vgl. auch schon oben Dritter Teil, B.III.2.a)bb)(1). 87 Vgl. Erbguth, DVBl. 2004, 802 (808). 88 So Erbguth, DVBl. 2004, 802 (808), weswegen jene Vorgewichtung der Belange ein sonstiger Abwägungsvorgang i.S.d. § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB sein soll. Anders aber Erbguth, JZ 2006, 484 (492). Hier moniert Erbguth selbst, dass es „nebelumwoben bleibt und bleiben muss“, welche weitere Mängel des Abwägungsvorgangs als „übrige“ Mängel im Abwägungsvorgang i.S.d. § 214 Abs. 3 BauGB überhaupt sein könnten.

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sichts der Qualifizierung der Vorgewichtung als sonstigen Abwägungsvorgang i.S.d. § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB abzugrenzen ist, bleibt ebenfalls unklar. Auch Kupfer spricht sich für einen materiell-rechtlichen Gehalt des § 2 Abs. 3 BauGB aus. Zwar kritisiert er die sich aus der Anknüpfung in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB an § 2 Abs. 3 BauGB ergebende verfahrensrechtliche Einordnung von Abwägungsmängeln als gesetzessystematische Inkonsistenz.89 Gleichwohl hält er die Einreihung der Phasen der Ermittlung und Bewertung und dementsprechend von Abwägungsmängeln, die sich auf den Abwägungsvorgang beziehen, angesichts bestehender struktureller Parallelen zum formalen Verfahren für vertretbar.90 Daher würden grundsätzlich Mängel der Ermittlung und Bewertung der Fehlerfolgenregelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB folgen. Hiervon ausgenommen seien indes die Mängel der Bewertung91, sofern sie im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Abwägungsergebnis stehen. In diesem Fall trete der Verfahrensbezug hinter den normativen Charakter der materiellen Abwägung i. e.S. zurück.92 Vorgeschlagen wird eine nach überwiegend verfahrensbezogenen Fehlern des Abwägungsvorgangs – dann Behandlung nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB – und nach vorrangig normativ-materiellen Fehlern des Abwägungsvorgangs – dann Behandlung nach § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB – differenzierende Rechtsanwendung.93 Problemlos würden daher Abwägungsausfall und Abwägungsdefizit in den Anwendungsbereich des § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB fallen. Bei den die Bewertung betreffenden Mängel soll zwischen der isolierten und der normativ-materiellen Abwägungsfehlgewichtung unterschieden werden, wodurch die von Kupfer auf Handlungsebene vorgenommene Differenzierung innerhalb der Phase der Bewertung auch auf Kontrollebene umgesetzt wird. Die Regelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB habe die isolierte Abwägungsfehlgewichtung, also die Mängel zum Gegenstand, die den ersten Bestandteil der Bewertung betreffen. Mängel der normativ-materiellen Abwägungsfehlgewichtung seien die Mängel, die innerhalb des zweiten Bestandteils der Phase der Bewer-

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Kupfer, Die Verwaltung 2005, 493 (503). Vgl. Kupfer, Die Verwaltung 2005, 493 (501). Es würden strukturelle Parallelen im Sinne einer Verfahrensmäßigkeit bestehen. Es seien aber ausschließlich die den Abwägungsvorgang betreffenden Mängel im Abwägungsvorgang Gegenstand von § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB. 91 Die Phase der Bewertung setzt Kupfer mit der Phase der Gewichtung gleich, vgl. Kupfer, Die Verwaltung 2005, 493 (501). 92 Der unterschiedlichen Behandlung von Mängeln der Bewertung bzw. Gewichtung liegt eine Unterteilung dieser Phase zu Grunde. Zunächst seien im Rahmen der Bewertung resp. Gewichtung die einzelnen Belange in Beziehung zum Planziel zu setzten. Sodann seien auch die gegenläufigen Belange zueinander im Hinblick auf das Planziel ins Verhältnis zu setzen. Während bei der Bewertung der einzelnen Belange die „Verfahrensmäßigkeit des Vorgehens“ kennzeichnend sei, trete bei der In-Verhältnis-Setzung der gegenläufigen Belange untereinander der normative Charakter des subjektiven Gewichtens in den Vordergrund, da „diese Phase des Abwägungsvorgangs qualitativ mehr als das verfahrensmäßige Erbringen der Vorarbeit“ sei; vgl. Kupfer, Die Verwaltung 2005, 493 (502). 93 Vgl. Kupfer, Die Verwaltung 2005, 493 (508). 90

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tung unterlaufen sind. Infolgedessen bestimme sich die Beachtlichkeit einer normativ-materiellen Abwägungsfehlgewichtung nach § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB. Gegen die Ansicht Kupfers spricht, dass der herkömmlichen Abwägungsdogmatik eine auf Handlungsebene gebotene Unterteilung der Phase der Gewichtung bisher fremd war. Aber auch die Abwägungsfehlerlehre kennt die Unterscheidung zwischen isolierten und normativ-materiellen Abwägungsmängeln nicht. Zweifel bestehen ferner an der Umsetzbarkeit dieser Differenzierung. Ob stets eine genaue Trennlinie zwischen der „Erbringung von Vorarbeit“, aber bereits auf der Stufe der Gewichtung, und der Gewichtung „der konfligierenden Belange im Verhältnis zueinander“ praktisch gezogen werden kann, bleibt zweifelhaft. Nicht nachvollziehbar bleibt zudem, warum nur dem zweiten Bestandteil der Gewichtung ein unmittelbarer Zusammenhang zum Abwägungsergebnis zugestanden wird. Schließlich fehlt es an einer genauen Abgrenzung zwischen § 2 Abs. 3 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB. Denn nur dann kann eine sinnvolle Abgrenzung zwischen § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB und § 214 Abs. 3 BauGB gewährleistet werden. Zwar sprechen die Gleichsetzung der Phase der Gewichtung mit der der Bewertung und die Betonung der nunmehr ausdrücklichen Normierung der Phasen der Ermittlung und Bewertung in § 2 Abs. 3 BauGB dafür, dass der Bestandteil der Bewertung, dessen Verletzung in den Anwendungsbereich des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB falle, ebenfalls von § 2 Abs. 3 BauGB erfasst sein soll. Freilich kann nicht ausgeschlossen werden, dass Kupfer diesen Bestandteil der Bewertung dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB selbst entnimmt. cc) Eigener Lösungsansatz Die Lösungsansätze der Literatur überzeugen nicht. Sie werden einer zweckmäßigen Grundlage für die Rechtsanwendung der §§ 1 Abs. 7, 2 Abs. 3 BauGB sowie der §§ 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB nicht gerecht. Die Frage nach dem rechtlichen Charakter der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB, der letztlich Aufschluss über das Verhältnis der beiden Planerhaltungsregelungen gibt, soll mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungskriterien beantwortet werden. (1) Wortlaut von § 2 Abs. 3 BauGB Prima facie impliziert der Wortlaut des § 2 Abs. 3 BauGB ein formelles Verständnis hinsichtlich der Elemente des Ermittelns und Bewertens. Wenn es sich beim Abwägungsvorgang und der Verfahrensvorschrift des § 2 Abs. 3 BauGB um zwei Seiten derselben Medaille handeln soll94, dann könnte die Regelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB bei grammatikalischer Auslegung so verstanden werden, als betreffe sie lediglich die verfahrensrechtliche und nicht die materiell-rechtliche Seite der Me94 So u. a. die Unabhängige Expertenkommission, vgl. Gaentzsch, in: Spannowsky/Krämer, S. 135.

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daille. Dann enthält die Regelung lediglich das Gebot zur Ermittlung und Bewertung. Gefordert wird dem Wortlaut nach (nur), dass die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind, überhaupt ermittelt und überhaupt bewertet werden. In diesem Falle ist nur das „Ob“ der Ermittlung und der Bewertung normiert, die Regelung berührt deswegen nur den äußeren Ablauf des Planungsverfahrens. Gleichwohl ist eine Auslegung der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB dem Wortlaut nach auch für ein über das rein formelle hinausgehendes Verständnis offen. Die Gebote der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials können darüber hinaus auch dahingehend ausgelegt werden, dass die Regelung zudem die inhaltliche und damit zutreffende Ermittlung und Bewertung verlangt. Einem materiell-rechtlichen Verständnis ist der Wortlaut des § 2 Abs. 3 BauGB jedenfalls nicht verschlossen. Damit sind dem Wortsinn nach beide Auslegungen möglich. Ausgehend von der oben genannten bundesverwaltungsgerichtlichen Definition des Wortpaars „Verfahrens- und Formvorschriften“ kann die Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB sowohl als eine sich auf den äußeren Ablauf des Planungsverfahrens beziehende Vorschrift eingestuft als auch der Kategorie der materiell-rechtlichen Vorschriften zugeordnet werden. (2) Bedeutungszusammenhang im Gesetz (a) Verhältnis von § 2 Abs. 3 BauGB zu § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB Die Systematik des Planerhaltungssystems legt zunächst erneut die Annahme nahe, dass es sich bei § 2 Abs. 3 BauGB nur um eine Regelung mit verfahrensrechtlichem Charakter handeln kann. Prima facie erscheint es deswegen nahe liegend, die Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB als reine Verfahrensvorschrift zu qualifizieren, weil sich die Fehlerfolgenregelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB, die einen Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB zum Gegenstand hat, innerhalb des Folgenkataloges für die Verletzungen von Verfahrens- und Formvorschriften befindet.95 Bei einem solchen Verständnis käme dann auch § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB eine eigenständige Funktion zu. Denn während § 2 Abs. 3 BauGB die verfahrensrechtliche Seite des Abwägungsvorgangs enthält und Verstöße gegen diese Verfahrensvorschrift nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB behandelt werden, würde § 1 Abs. 7 BauGB weiterhin die materiell-rechtliche Anforderung des Abwägungsvorgangs umfassen. Daher wäre die Existenz des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB insbesondere im Hinblick auf seinen zweiten Halbsatz berechtigt. Sie würde dann Folgen für (alle) Mängel im Abwägungsvorgang, die nicht bereits Gegenstand von Abs. 1 S. 1 Nr. 1 sind, also Verstöße gegen die materiell-rechtlichen Seite, zum Inhalt haben.

95 So auch Happ, NVwZ 2007, 304 (306), der die Zuordnung von § 2 Abs. 3 BauGB als Verfahrensnorm mit dem Wortlaut des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB, der die Regelung ausdrücklich den Verfahrens- und Formvorschriften zuweise, begründet.

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

(b) Wortlaut des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB (aa) Zutreffende Ermittlung und Bewertung im Sinne materieller Richtigkeit und Vollständigkeit Die soeben erfolgte systematische Auslegung von § 2 Abs. 3 BauGB sieht sich freilich aus einem anderen, ebenfalls systematischen Gesichtspunkt durchgreifenden Bedenken ausgesetzt. Denn aus der Systematik könnte sich auch ein materiell-rechtliches Verständnis herleiten lassen. Am Wortlaut des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB zeigt sich nämlich, dass § 2 Abs. 3 BauGB sowohl im Hinblick auf das Ermitteln als auch im Hinblick auf das Bewerten des Abwägungsmaterials über ein verfahrensrechtliches Verständnis hinausgehen muss, und zwar daran, dass die zutreffende Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials verlangt wird. Ein rein verfahrensrechtliches Verständnis von § 2 Abs. 3 BauGB ist – trotz der Einordnung in die Kategorie der Verstöße gegen Verfahrens- und Formvorschriften – ausgeschlossen, weil ein solches Verständnis auch ohne die Verwendung des Begriffs „zutreffend“ in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB erreicht worden wäre. Denkt man sich den Begriff „zutreffend“ aus der Regelung weg, ist eine Verletzung von § 2 Abs. 3 BauGB dann anzunehmen, wenn die von der Planung berührten Belange in wesentlichen Punkten – überhaupt – nicht ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist. Nur im Falle einer solchen Gesetzesformulierung erwiese sich ein verfahrensrechtliches Verständnis von § 2 Abs. 3 BauGB aus der Gesetzessystematik heraus als überzeugend. Die Verwendung des Begriffs „zutreffend“ in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB schließt damit, jedenfalls nach der Gesetzessystematik, einen verfahrensrechtlichen Charakter der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB aus. Vielmehr spricht die Gesetzessystematik wegen des Wortlauts des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB für einen materiell-rechtlichen Charakter der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB. Damit wird angesichts der Verwendung des Begriffs „zutreffend“ in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB der materiellrechtliche Charakter der Vorschrift indiziert. Demzufolge verlangt § 2 Abs. 3 BauGB auch die inhaltlich richtige Ermittlung und die inhaltlich richtige Bewertung des Abwägungsmaterials. Somit ist die Frage der zutreffenden Ermittlung im Sinne von inhaltlich richtig oder falsch und nicht (nur) im Sinne von verfahrensrechtlich korrekt zu beantworten. Gleiches gilt für die in § 2 Abs. 3 BauGB vorgeschriebene Bewertung. Sie ist im Sinne einer materiellen Bewertung zu verstehen und verlangt, dass dem ermittelten Abwägungsmaterial auch das zutreffende Gewicht beizumessen ist. Der Bedeutungszusammenhang zwischen § 2 Abs. 3 BauGB und § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB legt somit ein materiell-rechtliches Verständnis im Hinblick auf die Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB mehr als nahe. (bb) Konsequenz Das soeben dargelegte materiell-rechtliche Verständnis von § 2 Abs. 3 BauGB hat zur Folge, dass mit dem in der Regelung enthaltenen Gebot der Ermittlung und Bewertung entgegen der gesetzgeberischen Bezeichnung als Verfahrensgrundnorm –

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erstmals ausdrücklich – inhaltliche Anforderungen an das Gebot der Abwägung statuiert werden. (c) Verhältnis von § 2 Abs. 3 BauGB zu § 1 Abs. 7 BauGB Diese Sichtweise könnte zu einer Überschneidung mit § 1 Abs. 7 BauGB führen. Denn durch die Planungsrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wurden die (materiell-rechtlichen) ungeschriebenen Anforderungen an eine gerechte Abwägung genauer bestimmt und dem Abwägungsgebot, das seit dem EAG Bau in § 1 Abs. 7 BauGB normiert ist, selbst entnommen. In Anlehnung an diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vollzieht sich die Abwägung, wie bereits aufgezeigt,96 in drei Stufen: Nach der Ermittlung des Abwägungsmaterials (1. Phase) ist dieses zu gewichten (2. Phase), um anschließend einen gerechten Ausgleich vornehmen zu können (3. Phase). Es stellt sich nunmehr die Frage, wie sich die (materiellrechtlichen) Anforderungen des § 2 Abs. 3 BauGB zu den Anforderungen des Abwägungsgebots verhalten. Entweder sind mit der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB weitere bei der Abwägung zu durchlaufende Phasen aufgestellt worden oder es handelt sich bei den in § 2 Abs. 3 BauGB normierten Anforderungen um jene, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Planungsrechtsprechung in Bezug auf das Abwägungsgebot bereits entwickelt hat. Nach der ersten Variante käme es zu keiner Überschneidung mit § 1 Abs. 7 BauGB. Sie ist aber bereits deswegen abzulehnen, weil sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mit § 2 Abs. 3 BauGB weitere Anforderungen an die Abwägung aufgestellt werden sollten. Nach der zweiten Variante kann eine Überschneidung dann ausgeschlossen werden, wenn die Anforderungen, die bisher dem Abwägungsgebot entnommen wurden, aus dem Abwägungsgebot herausgenommen und nunmehr gar ausdrücklich § 2 Abs. 3 BauGB zu entnehmen sind. Vor diesem Hintergrund sollte auch im Hinblick auf eine etwaige Änderung der Abwägungsdogmatik das Verhältnis beider Vorschriften genauer bestimmt werden. Es ist daher im Folgenden zu prüfen, ob es sich bei den Elementen des Ermittelns und Bewertens um jene vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellte Anforderungen an eine gerechte Abwägung handelt. (aa) Ermittlung des Abwägungsmaterials Dass es sich bei der in § 2 Abs. 3 BauGB verlangten Ermittlung des Abwägungsmaterials um die erste Phase der Abwägung i.S.d. Rechtsprechung handelt, liegt angesichts der identischen Verwendung der Begriffe auf der Hand. Mit der Ermittlung des Abwägungsmaterials wurde nach der herkömmlichen Abwägungsdogmatik das Auffinden der abwägungserheblichen Belange im konkreten Planungsfall beschrieben.97 Nichts anderes kann mit dem Erfordernis der Ermittlung des Abwägungsmaterials in § 2 Abs. 3 BauGB gemeint sein.98 96 97 98

Siehe oben Zweiter Teil, B. Siehe oben Zweiter Teil, B.I. So auch Wirth/Müller/Galda, in: Kuffer/Wirth, 12. Kap. Rn. 89.

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

(bb) Bewertung des Abwägungsmaterials Schwieriger gestaltet sich die Einordnung der in § 2 Abs. 3 BauGB aufgestellten Pflicht zur Bewertung des Abwägungsmaterials innerhalb der herkömmlichen Abwägungsdogmatik. Die Materialien zum Gesetzgebungsverfahren sind ambivalent.99 Hinzu kommt die Tatsache, dass der Begriff des Bewertens der herkömmlichen Abwägungsdogmatik und auch der abwägungsrechtlichen Terminologie fremd ist.100 Wohl nicht zuletzt deshalb fällt der Umgang mit dem Begriff des Bewertens im Schrifttum kontrovers aus. Das Gebot der Bewertung des Abwägungsmaterials ähnelt innerhalb der Phasen der Abwägung begrifflich der Phase der Gewichtung i.S.d. Rechtsprechung. Vor diesem Hintergrund kommt eine etwaige Identität der Anforderungen nur im Hinblick auf die Gewichtung in Betracht. Im Schrifttum wird überwiegend der Begriff des Bewertens mit dem des Gewichtens gleichgesetzt, ohne dass diese Gleichsetzung problematisiert wird.101 Stelkens bestimmt die Bedeutung der Bewertung und damit das Verhältnis von § 2 Abs. 3 BauGB zu § 1 Abs. 7 BauGB unter Rekurs auf den systematischen Zusammenhang und gelangt dabei zu dem Ergebnis, dass die Bewertung nicht mit der Gewichtung gleichzusetzen sei. Aufgrund der Tatsache, dass in den §§ 1, 1a BauGB die materiell-rechtlichen Anforderungen an die Bauleitplanung, § 2 Abs. 3 BauGB aber in den Gesetzesmaterialien als „Verfahrensvorschrift“ verstanden wird, widerspreche es der Systematik, wenn § 2 Abs. 3 BauGB das „materiellrechtliche Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB vollständig in sich aufnimmt.“102 Vielmehr sei eine enge Verknüpfung der Bewertung mit der Ermittlung geboten. Die Bewertung könne daher ausschließlich die Entscheidung darüber sein, „ob ein bestimmter Belang objektiv abwägungsrelevant ist, so dass seine genaue Reichweite gegebenenfalls zu ermitteln und er jedenfalls in die Abwägung mit einzustellen ist.“ Nur so könne – wenn auch mühsam – der Begriff des „Bewertens“ als eine „Verfahrenshandlung“ eingestuft werden.103

99 Einerseits ist von einem Wechsel vom materiell-rechtlichen Abwägungsvorgang zu den verfahrensbezogenen Elementen des Ermittelns und Bewertens die Rede, andererseits soll die Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB der bisherigen sich aus dem Abwägungsgebot ergebenden Rechtslage entsprechen; vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 42. Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vgl. auch Dritter Teil, B.III.2.a)cc)(3)(b). 100 So auch Stelkens, UPR 2005, 81 (83). Die Formulierung des § 2 Abs. 3 BauGB ist an die Terminologie der Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme angelehnt. Das betrifft sowohl die Verwendung des Begriffs des „Ermittelns“ als auch des Begriffs des „Bewertens“, vgl. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/42/ EG. 101 Vgl. bspw. Erbguth, Jura 2006, 9 (14); ders., DVBl. 2004, 802 (807); explizit Kraft, UPR 2004, 331 (333); Kupfer, Die Verwaltung 2005, 493 (501); Rabe/Heintz, Rn. 45; Uechtritz, ZfBR 2005, 11 (14); Wirth/Müller/Galda, in: Kuffer/Wirth, 12. Kap. Rn. 91. 102 Siehe Stelkens, UPR 2005, 81 (84). 103 Stelkens, UPR 2005, 81 (84).

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Die Auffassung Stelkens erscheint zu konstruiert, daher ist sie abzulehnen. Konstruiert ist die Auffassung deshalb, weil ihr Ausgangspunkt zugleich das Ziel ist. Ausgehend von der „vermeintlich“ gesetzlichen Einstufung des § 2 Abs. 3 BauGB als Verfahrensvorschrift durch § 214 Abs. 1 BauGB wird eine Lösung zu finden versucht, die dieser Einstufung gerecht wird. Dem Ansatz ist vorzuwerfen, dass ein etwaiges neues Verständnis dem Ergebnis einer vorzunehmenden Auslegung anzupassen ist und nicht umgekehrt. Aufgrund der Verwendung des Begriffs „Verfahrensvorschrift wird der Begriff des Bewertens dahingehend ausgelegt, dass ein materiellrechtliches Verständnis und zugleich eine Gleichsetzung mit der Gewichtung ausgeschlossen sein soll. Dieses Verständnis hat zur weiteren Folge, dass der Fehlertatbestand der Fehlgewichtung nicht unter den Anwendungsbereich des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB fällt.104 Vielmehr kann diese Fehlerkategorie nur noch Gegenstand der Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB sein. Dem Ergebnis der Auslegung kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sie dem Willen des Gesetzgebers widerspricht. Denn durch den später hinzugefügten zweiten Halbsatz des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB sollte lediglich sichergestellt werden, „dass, auch soweit die Begriffe der Ermittlung und Bewertung etwa bei einengender Auslegung nicht alle Anforderungen an das Abwägungsgebot erfassen, die durch den bisherigen § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB erreichte Bestandskraft von Bauleitplänen zumindest erhalten bleibt.“105 Damit wird zugleich die Unsicherheit des Gesetzgebers hinsichtlich des Erfordernisses der Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB zum Ausdruck gebracht. Hingegen wollte der Gesetzgeber gerade nicht bewusst eine Planerhaltungsvorschrift für den Fehlertatbestand der Abwägungsfehlgewichtung regeln. Eine solche Absicht des Gesetzgebers ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Überdies erinnert die Auslegung, wonach unter Bewerten die Entscheidung über die Abwägungserheblichkeit zu verstehen sei, an die Phase der Ermittlung des Abwägungsmaterials. Nach der herkömmlichen Abwägungsdogmatik firmierte die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials unter dem Begriff des „Ermittelns“. Warum dies nicht mehr so sein soll, wird nicht nachvollziehbar dargelegt. Daher wird negiert, dass die Ermittlung neben der Bewertung des Abwägungsmaterials steht. Vor diesem Hintergrund muss „Bewertung“ über das von Stelkens propagierte Verständnis hinausgehen. Mithin ist „Bewertung“ nicht lediglich die Feststellung darüber, welche konkret ermittelten Belange nach Lage der Dinge in die Abwägung einzustellen sind.106 Vielmehr spricht die Verwendung des Begriffs „Bewerten“ für eine Gleichsetzung der Bewertung mit der Gewichtung. Denn beiden Begriffen ist ein wertender Charak104 Vgl. Stelkens, UPR 2005, 81 (84): „Bei Heranziehung des – systematisch gebotenen – engen Verständnisses des Begriffs der „Bewertung“ in § 2 Abs. 3 BauGB ist deutlich, dass alle „Gewichtungsfehler“ und damit auch der Fall der Abwägungsdisproportionalität nicht „Gegenstand der Regelung“ des § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sind, so dass sie von der Ausschlusswirkung des § 214 Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 BauGB nicht erfasst werden.“ 105 Vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 96. 106 Stelkens, UPR 2005, 81 (85).

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

ter eigen. Infolgedessen ist anzunehmen, dass sich hinter der Bewertung der abwägungserheblichen Belange nichts anderes als die nach der herkömmlichen Abwägungsdogmatik bekannte Phase der Gewichtung verbirgt. Für die Gleichsetzung spricht auch die Begründung des Regierungsentwurfs. Denn dort heißt es zu § 2 Abs. 3 BauGB, die Vorschrift entspreche inhaltlich der bisherigen sich aus dem Abwägungsgebot ergebenden Rechtslage, nach der die Berücksichtigung aller bedeutsamen Belange in der Abwägung zunächst deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende Bewertung voraussetzt.107 Damit wird ausdrücklich bestimmt, dass die Abwägungsschritte der Ermittlung und Bewertung, die bisher dem Regelungsgehalt des § 1 Abs. 6 BauGB a.F. zu entnehmen waren, nunmehr ausdrücklich in § 2 Abs. 3 BauGB normiert sind. Hingegen ist der Begründung des Regierungsentwurfs nicht zu entnehmen, dass diese Abwägungsschritte weiterhin dem Regelungsgehalt des § 1 Abs. 7 BauGB zuzuordnen sind.108 (cc) Zwischenergebnis Während das Bundesverwaltungsgericht den Inhalt des Gebots in § 1 Abs. 6 a.F. BauGB mit den oben dargelegten Phasen der Ermittlung, Gewichtung und Ausgleich näher umschrieben hat, beschränkt sich das nunmehr in § 1 Abs. 7 BauGB normierte, mit der bisherigen Fassung wortgleiche Abwägungsgebot auf die Anforderung der Abwägung an sich und somit auf die letzte Phase der Abwägung, namentlich auf den Ausgleich bzw. auf die Abwägung i. e.S. Die dem Ausgleich vorausgehenden Phasen sind nunmehr Regelungsgegenstand des § 2 Abs. 3 BauGB.109 Hingegen handelt es sich bei den Elementen der Ermittlung und Bewertung nicht um weitere Anforderungen an die Abwägung.110 Damit enthält § 2 Abs. 3 BauGB materiell-rechtliche Erfordernisse, eben die Ermittlung und die Bewertung. Zugleich hat das EAG Bau durch die Bestimmung in § 2 Abs. 3 BauGB den Regelungsgehalt des Abwägungsgebots verkürzt. Bei diesem Verständnis findet eine Überschneidung mit § 1 Abs. 7 BauGB nicht statt. Nach der Gesetzessystematik weist die Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB einen materiell-rechtlichen Charakter auf.

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Vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 42. So aber Hoppe, NVwZ 2004, 903 (905), der deswegen der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB „keinen irgendwie erkennbaren substanziellen Regelungsgehalt“ anerkennt. 109 So zunächst auch Erbguth, Jura 2006, 9 (15), wonach bei sachgerechtem und dem Willen des Gesetzgebers Rechnung tragendem Verständnis des Regelungszusammenhangs der Vorschriften durch das Ermitteln und Bewerten der Abwägungsvorgang gänzlich abgedeckt werde. Da aber bei diesem Verständnis kein Raum für § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB verbleibe, spreche „Vieles dafür, die materiellen Elemente des Abwägungsvorgangs nunmehr (prozessual) als notwendige (Vor-)Ermittlung und (Vor-)Gewichtung im Rahmen der eigentlichen Abwägungsentscheidung zu begreifen, so dass § 214 III 2 Hs. 2 BauGB insoweit Einsatz findet.“ 110 So auch BVerwG, Urt. v. 09.04.2008 – 4 CN 1.07 – DVBl. 2008, 859 (861), wenn es dort heißt, dass mit § 2 Abs. 3 BauGB keine neuen Anforderungen an das Verfahren bei Aufstellung eines Bebauungsplans eingeführt worden seien. 108

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(3) Entstehungsgeschichte und Regelungsabsichten des Gesetzgebers Weiterhin ist zu untersuchen, ob sich die Annahme eines materiell-rechtlichen Charakters des § 2 Abs. 3 BauGB mit den Regelungsabsichten des Gesetzgebers bei der Novellierung des BauGB durch das EAG Bau und insbesondere im Hinblick auf die Einführung von § 2 Abs. 3 BauGB deckt. Hierzu ist ein Blick auf die Entstehungsgeschichte erforderlich. (a) Unabhängige Expertenkommission Wie bereits angedeutet, war die vom Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen eingesetzte Unabhängige Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs der Meinung, aufgrund der umzusetzenden Richtlinien müsse das Verfahren eine größere Rolle für die Gewährleistung materiell-rechtlicher Richtigkeit der Verwaltungsentscheidung haben. So sollte an die Einhaltung des Verfahrens die widerlegbare Vermutung geknüpft werden, dass die mit dem Verfahren angestrebten Ziele – und damit die entsprechenden materiell-rechtlichen Anforderungen – gewahrt sind, insbesondere dass die Planung auf einer vollständigen und zutreffenden Ermittlung und Bewertung der Tatsachen beruhe. Nach Ansicht der Expertenkommission sind die Anforderungen an den Abwägungsvorgang in dem für die Ermittlung, Zusammenstellung und Bewertung der abwägungserheblichen Belange vorgeschriebenen Verfahren erfüllt.111 Abwägungsvorgang und das auf die Ermittlung, Zusammenstellung und Bewertung der Belange bezogene Verfahren seien zwei Seiten ein und derselben Medaille, wobei die Kommission vorschlug, der verfahrensrechtlichen Seite mehr Bedeutung beizumessen, indem die Fehlerhaftigkeit bzw. Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens die Fehlerhaftigkeit bzw. Ordnungsmäßigkeit der Abwägung indizieren sollte. Demzufolge bedürfe es keiner besonderen Regelung über die Beachtlichkeit von Fehlern im Abwägungsvorgang neben der Regelung über die Folgen des Verstoßes gegen auf den Abwägungsvorgang bezogene Verfahrensvorschriften.112 (b) Gesetzentwurf der Bundesregierung Der Gesetzgeber verfolgt mit der Novellierung des Rechts der Planerhaltung, wie anderenorts bereits dargelegt,113 neben der Integration europäischer Richtlinien die Anpassung an das europäische Rechtsverständnis, welches der Einhaltung von Verfahrensvorschriften einen hohen Stellenwert einräumt. Hierdurch soll die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung gewährleistet sein.114 Die europarechtlich gebote111 Bericht der Unabhängigen Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs, Rn. 138. 112 Vgl. Bericht der Unabhängigen Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs, Rn. 138. 113 Vgl. Dritter Teil, A.III. 114 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zu §§ 214 f. BauGB, BT-Drs. 15/ 2250, S. 62.

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ne Stärkung des Verfahrensrechts soll national dadurch umgesetzt werden, dass die Einhaltung eines ordnungsgemäßen Verfahrens die materielle Richtigkeit eines Bauleitplans indizieren könne.115 Unter Verweis auf die Empfehlungen der Unabhängigen Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs wird ausdrücklich hervorgehoben, dass zur Betonung des Verfahrens „anstelle der bisherigen Überprüfung des Abwägungsvorgangs an die Überprüfung der verfahrensbezogenen Elemente des Ermittelns und Bewertens der von der Planung berührten Belange angeknüpft wird“116. In diesem Zusammenhang ist in der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung von dem „durch die gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensvorgaben hervorgerufenen Wechsel vom materiell-rechtlichen Abwägungsvorgang zu den verfahrensbezogenen Elementen des Ermittelns und Bewertens der von der Planung berührten Belangen“ die Rede.117 Durch die Betonung der verfahrensrechtlichen Anforderungen werde dem Planaufstellungsverfahren insgesamt größere Bedeutung beigemessen. Sie komme sowohl in den Regelungen zur Beachtlichkeit von Verfahrensverstößen für die Rechtswirksamkeit von Bauleitplänen als auch in § 2 Abs. 3 und § 4a Abs. 1 BauGB zum Ausdruck.118 Zwar bezeichnet der Gesetzgeber die Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB als „Verfahrensgrundnorm“119 und spricht von einem Wechsel vom materiell-rechtlichen Abwägungsvorgang zu den verfahrensbezogenen Elementen des Ermittelns und Bewertens. Die Intention des Gesetzgebers impliziert daher zunächst wieder die Annahme, mit § 2 Abs. 3 BauGB werde lediglich das auf die Ermittlung und Bewertung der Belange bezogene Verfahren beschrieben. Dieses klare Konzept des Gesetzgebers wird aber brüchig, wenn er an anderer Stelle zu § 2 Abs. 3 BauGB erklärt, die Vorschrift entspreche „inhaltlich der bisherigen sich aus dem Abwägungsgebot ergebenden Rechtslage, nach der die Berücksichtigung aller bedeutsamen Belange in der Abwägung zunächst deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende Bewertung voraussetzt“.120 Wenn § 2 Abs. 3 BauGB der bisherigen Rechtslage entsprechen soll, es sich aber nach bisheriger Rechtslage bei den Elementen des Ermittelns und Bewertens um materielle Voraussetzungen der Bauleitplanung handelte, kann es sich bei § 2 Abs. 3 BauGB auch nur um eine Vorschrift mit materiell-rechtlichem Gehalt handeln. Nur dann kann § 2 Abs. 3 BauGB der bisherigen Rechtslage inhaltlich entsprechen. Zu Recht weist der Gesetzgeber auch darauf hin, dass vor der Abwägung i. e.S. das Abwägungsmaterial ordnungsgemäß ermittelt und zutreffend bewertet werden muss und dass sich aus der Verpflichtung zur Ermittlung der Belange in Absatz 3 keine Änderung zum geltenden Recht ergibt.121 115 116 117 118 119 120 121

BT-Drs. 15/2250, S. 28. Vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 32. BT-Drs. 15/2250, S. 63 u. S. 66. Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 15/2250, S. 62. Vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 42. BT-Drs. 15/2250, S. 42. Vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 42.

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Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber in seiner Begründung zum EAG Bau mit der Vorstellung des oben dargestellten Wechsels „vom materiell-rechtlichen Abwägungsvorgang zu den verfahrensbezogenen Elementen“ im selben Atemzug festlegt, wann der Tatbestand des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB erfüllt ist: „Mängel im Planungsprozess und damit Verfahrensfehler im Sinne der neuen Nummer 1 liegen vor, wenn die von der Planung berührten Belange überhaupt nicht ermittelt oder bewertet worden sind, die nach Lage der Dinge hätten ermittelt und bewertet werden müssen, oder wenn die Bedeutung der ermittelten Belange verkannt worden ist.“122 Nichts anderes wurde im Rahmen der bisherigen Überprüfung der Abwägung untersucht. Denn sowohl nach der Planungsrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als auch nach einhelliger Auffassung im Schrifttum gehörte, wie bereits aufgezeigt, die Frage, ob das Abwägungsmaterial überhaupt ermittelt und gewichtet wurde genauso zum Kontrollumfang im Rahmen der materiellen Überprüfung der Abwägung wie die Frage, ob die Bedeutung der ermittelten Belange verkannt worden ist. Insbesondere Letzteres ist nichts anderes als der Tatbestand der Abwägungsfehleinschätzung.123 Es bleibt damit festzuhalten, dass der Gesetzgeber zwar die Vorschrift des § 2 Abs. 3 BauGB in die Kategorie der Verfahrensvorschriften einreiht, gleichwohl von einem materiell-rechtlichem Verständnis der Regelung ausgeht.124 (c) Spätere Aufnahme des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB Gegen ein materielles Verständnis des Gesetzgebers kann auch nicht angeführt werden, dass durch die späte Wiederaufnahme des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB, dessen Wegfall ursprünglich vorgesehen war, während des Gesetzgebungsverfahrens den Absichten des Gesetzgebers der Boden entzogen worden sei.125 Die Anfügung des Halbsatzes 2 an § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB ist erst vom Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen empfohlen worden,126 nachdem der Bundesrat im Rahmen seiner Stellungnahme gebeten hatte, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob mit § 214 BauGB in der Fassung des Regierungsentwurfs sichergestellt ist, „dass die mit dem geltenden Recht erreichte Bestandskraft von Bauleitplänen mit den künfti-

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Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zu §§ 214 f. BauGB, BT-Drs. 15/ 2250, S. 63. 123 Vgl. Brohm, Öffentliches Baurecht, § 13 Rn. 18, Hoppe, BauR 1970, 15 (17). 124 Ähnlich BVerwG, Urt. v. 09.04.2008 – 4 CN 1.07 – DVBl. 2008, 859 (861), wenn dort ausgeführt wird, dass mit § 2 Abs. 3 BauGB keine neuen Anforderungen an das Verfahren bei Aufstellung eines Bebauungsplans eingeführt worden seien, sondern die Vorschrift inhaltlich der bisherigen sich aus dem Abwägungsgebot ergebenden Rechtslage, nach der die Berücksichtigung aller bedeutsamen Belange in der Abwägung zunächst deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende Bewertung voraussetzt, entspreche. 125 Vgl. auch Pieper, Jura 2006, 817 (820). So aber Hoppe, NVwZ 2004, 903 (905). Der Regierungsentwurf sah vor, den bisherigen S. 2 ganz zu streichen, vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 21 und S. 64. 126 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 15/2996, S. 45.

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

gen Regelungen zumindest erhalten bleibt.“127 Gegebenenfalls sollten notwendige Ergänzungen vorgeschlagen werden. Es galt zu prüfen, ob mit den in § 2 Abs. 3 BauGB verwendeten Begriffen alle Anforderungen des Abwägungsvorgangs abgedeckt werden.128 Daraufhin schlug die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vor, den Regelungsgehalt des bisherigen § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB in § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB in der Fassung des Regierungsentwurfs aufzunehmen.129 Angefügt wurde daher der Halbsatz: „im Übrigen sind Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind“. Die Wiederaufnahme in den Gesetzestext hatte in der Literatur die Bezeichnung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB als „Angstklausel“ zur Folge.130 In der Begründung zur Beschlussempfehlung des Ausschusses heißt es zwar, durch die Anfügung des Hs. 2 an § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB solle der Regelungsgehalt des bisherigen § 214 Abs. 3 BauGB – damit kann nur die vor dem EAG Bau geltende Fassung gemeint sein – aufgenommen werden. Dem neuen Halbsatz sollte aber lediglich ergänzende Bedeutung zukommen. Denn, so die Begründung des Ausschusses, die Neufassung des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB knüpfe an die Betonung der Verfahrenselemente des Ermittelns und des Bewertens der von der Abwägung berührten Belange an. Durch den Zusatz solle die Erhaltung der durch den bisherigen § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB erreichte Bestandskraft der Flächennutzungspläne und Satzungen sichergestellt werden, soweit die Begriffe der Ermittlung und Bewertung nicht alle Anforderungen an das Abwägungsgebot erfassen.131 Es ist aber davon auszugehen, dass durch die Begriffe „ermitteln“ und „bewerten“ der Abwägungsvorgang, mit der begründeten Ausnahme des Ausgleichs, gänzlich abgedeckt ist.132 Somit bleibt für den zweiten Halbsatz des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB zumindest im Hinblick auf die Ermittlung und Bewertung kein Anwendungsraum mehr. Mängel, die die Ermittlung oder Bewertung betreffen, sind trotz ihres materiellen Gehalts nach der Fehlerfolgenregelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB abzuhandeln. Ein spätes Abrücken des Gesetzgebers ist den Gesetzesmaterialien zu § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB daher nicht zu entnehmen. Vielmehr bleibt es nach Ansicht des Gesetzgebers (bzw. der Bundesregierung) bei der durch den Regierungsentwurf vorgesehenen Betonung der Verfahrenselemente des Ermittelns und Bewertens der von der Abwägung berührten Belange.133 Dafür spricht auch, dass der zweite Halbsatz mit den Worten „im Übrigen“ eingeleitet wird. Hierunter sollten nur diejenigen Män127 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates in BT-Drs. 15/2250, S. 87; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 15/2996 S. 70. 128 Vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 88. 129 Vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 96. 130 Erbguth, DVBl. 2004, 802 (806 in Fn. 52). 131 Vgl. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (14. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drs. 15/2250), Drs. 15/2996, S. 71. 132 Siehe oben Dritter Teil, B.III.1. 133 Vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 88; BT-Drs. 15/2996, S. 71.

B. Systematik der Planerhaltung

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gel im Abwägungsvorgang fallen, die nicht bereits von § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 2 Abs. 3 BauGB erfasst werden.134 b) Ergebnis und Konsequenzen Vorliegend sprechen systematische, aber auch entstehungsgeschichtliche Gesichtspunkte dafür, der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB trotz der Einreihung durch den Gesetzgeber in die Kategorie der Verfahrensvorschriften einen materiell-rechtlichen Charakter zu entnehmen. In der Zusammenschau ist daher der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB ein dahingehendes Verständnis beizumessen, dass sie zwei der bisher ungeschriebenen Anforderungen an eine gerechte Abwägung, namentlich die Ermittlung und Bewertung – wobei die Bewertung mit der Gewichtung gleichzusetzen ist – erstmals ausdrücklich normiert. Damit geht die Prüfung, ob § 2 Abs. 3 BauGB eingehalten worden ist, über die Frage des „Ob“ der Ermittlung und Bewertung hinaus. Vielmehr gilt es im Rahmen des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB – trotz der Einreihung in die Kategorie der Verfahrens- und Formvorschriften – zu prüfen, ob auch zutreffend, d. h. inhaltlich richtig, ermittelt und bewertet worden ist. Gleichwohl kann ein Mangel, der während der Ermittlung oder der Gewichtung unterlaufen ist, nicht mehr als Abwägungsfehler geltend gemacht werden. Das bestimmt § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB. Der materiell-rechtliche Charakter des § 2 Abs. 3 BauGB und die Identität der Phase der Bewertung mit der der Gewichtung hat zur Folge, dass sich § 1 Abs. 7 BauGB lediglich auf die Phase des Ausgleichs beschränkt. Die Phasen der Ermittlung und Bewertung hingegen sind seit dem EAG Bau ausdrücklich in § 2 Abs. 3 BauGB vorgeschrieben. Mängel, die die Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials betreffen, werden nach der Regelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB auf ihre Beachtlichkeit überprüft. Im Hinblick auf die Abwägungsfehlerlehre bedeutet die neue Systematik des Planerhaltungsrechts, dass die Abwägungsfehlertatbestände Abwägungsdefizit und Abwägungsfehlgewichtung entgegen der herkömmlichen Abwägungsdogmatik in ihren rechtlichen Folgen am Maßstab des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB zu messen sind. 3. „Übrige Mängel“ des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB – Erfordernis oder Überfluss? Dem Wortlaut des Gesetzes nach können bei der Bauleitplanung Mängel im Abwägungsvorgang unterlaufen, die nach § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB erheblich sein können, sofern die weiteren Voraussetzungen, namentlich Ergebniskausalität und Offensichtlichkeit, vorliegen, die aber nicht bereits gem. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB beachtlich sind. Diese Regelung ist mit § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB in der vor dem EAG

134

Pieper, Jura 2006, 817 (820).

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

Bau geltenden Fassung identisch. Im Gesetzesentwurf zum EAG Bau war zunächst ihr Wegfall vorgesehen.135 Es fragt sich, ob und inwieweit die Existenz dieser Vorschrift notwendig ist, ob überhaupt noch Raum für einen „übrigen“ Mangel im Abwägungsvorgang bleibt. Wie bereits angedeutet, läuft die Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB prima facie dann leer, wenn es sich mit den in § 2 Abs. 3 BauGB enthaltenen Geboten der Ermittlung und Bewertung um die herkömmlichen Anforderungen an den Abwägungsvorgang handelt und mit den in § 2 Abs. 3 BauGB aufgeführten Phasen des Ermittelns und Bewertens die Anforderungen an den Abwägungsvorgang abschließend beschrieben werden. Dass es sich bei der Ermittlung und Bewertung um die herkömmlichen Phasen der Abwägung handelt, wurde soeben begründet. Im Folgenden gilt noch zu untersuchen, ob mit den Elementen des Ermittelns und Bewertens der Abwägungsvorgang abgedeckt wurde. a) Handlungsperspektive Der Inhalt des Abwägungsgebotes wurde durch die Abwägungsjudikatur näher bestimmt. Danach wird von einer rechtmäßigen Abwägungsentscheidung verlangt, dass alle von der Planung berührten Belange ermittelt, bewertet (gewichtet) und in einen gerechten Ausgleich gebracht werden. aa) Einstellung von Belangen Der in § 2 Abs. 3 BauGB vorgefundenen Anlehnung an die Terminologie des Gemeinschaftsrechts wird vorgeworfen, die Vorschrift berücksichtige nicht die nach bisheriger Abwägungsdogmatik erforderliche Einstellung von Belangen als „zweite Phase“ der Abwägung.136 Hieraus lässt sich jedoch nicht schlussfolgern, dass die fehlende Phase der Einstellung der Belange in das Abwägungsmaterial als „übriger Mangel“ i.S.d. § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB zu werten ist. Wie bereits dargelegt, folgt das „Einstellen“ der abwägungserheblichen Belange der Ermittlung des Abwägungsmaterials.137 Mit der Ermittlung des Abwägungsmaterials ist dessen Zusammenstellung beschrieben. Dennoch bedarf es der selbstständigen Phase des „Einstellens“ nicht, denn werden die abwägungserheblichen Belange einmal ermittelt und auch als solche qualifiziert, dann werden sie ohne weiteres in die Abwägung eingestellt. Das Einstellen der Belange folgt einem Automatismus. Es handelt sich bei der Nichteinstellung somit allenfalls um einen theoretischen Fall.138

135 136 137 138

Zur Gesetzgebungsgeschichte vgl. Dritter Teil, B.III.2.a)cc)(3). So Battis/Krautzberger/Löhr, NJW 2004, 2553 (2556). Siehe oben Zweiter Teil, B.I. So auch Pieper, Jura 2006, 817 (817).

B. Systematik der Planerhaltung

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bb) Ausgleich i. e.S. Nachvollziehbar ist, dass der Ausgleich bzw. die Abwägung i. e.S. nicht in § 2 Abs. 3 BauGB als Anforderung enthalten ist. Denn ein die Rechtswidrigkeit auslösender Abwägungsfehler, bedingt durch einen unverhältnismäßigen Ausgleich, kann nur im Wege der Überprüfung des Abwägungsergebnisses festgestellt werden, obwohl er während des Abwägungsvorgangs unterlaufen ist.139 Vor diesem Hintergrund kann ein beim Ausgleich der abwägungserheblichen Belange unterlaufener Mangel auch nicht Gegenstand des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB sein.140 Denn sowohl in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB als auch in § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB geht es um die Beachtlichkeit von Mängeln im Abwägungsvorgang, bei denen das Abwägungsergebnis an sich vertretbar sein kann. Bei einem durch einen unverhältnismäßigen Ausgleich bedingten Abwägungsmangel (Abwägungsdisproportionalität) hingegen ist das Abwägungsergebnis schlichtweg nicht haltbar. cc) Zwischenergebnis Demzufolge steht aus Handlungsperspektive fest, dass mit der Ermittlung und Bewertung der Belange die Anforderungen an die Abwägung, mit Ausnahme der Abwägung i. e.S., abschließend beschrieben worden sind. Gestützt wird dieses Ergebnis durch die Motive des Gesetzgebers im Hinblick auf die nachträgliche (Wieder-)Aufnahme des § 214 Abs.3 S. 2 Hs. 2 BauGB in das Gesetz. Hintergrund für die Wiederaufnahme war, dass der Gesetzgeber (lediglich) nicht ausschließen konnte, mit der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials nicht alle materiellen Elemente des Abwägungsvorgangs abgedeckt zu haben. Hingegen kann den Gesetzesmaterialien nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber mit der Anfügung des zweiten Halbsatzes bewusst weitere Elemente des Abwägungsvorgangs außerhalb von § 2 Abs. 3 BauGB angesiedelt sieht. Mit diesem Ergebnis steht zugleich auch fest, dass der zweite Halbsatz des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB – zumindest aus Handlungsperspektive – entbehrlich ist. b) Kontrollperspektive Dennoch ist die Schlussfolgerung, dass die Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB leer läuft und damit obsolet ist, noch verfrüht. Denn es gilt zusätzlich noch aus der Kontrollperspektive zu prüfen, ob nicht vielleicht doch Mängel der Abwägung unter den Anwendungsbereich des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB fallen, die nicht bereits vom Anwendungsbereich des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB erfasst werden. Es bedarf daher der Untersuchung, welche Fehler als „übrige“ Mängel qualifiziert werden können. Dabei kann es sich nur um Mängel handeln, die zwar nicht die Er139 Siehe oben Zweiter Teil, C.IV.1.c)cc). Anders nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erstmals in BVerwG, Urt. v. 20.10.1972 – 4 C 14.71 – BVerwGE 41, 67 (71); eingehend in BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 ff. 140 So aber Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 1084.

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

mittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials sowie den Ausgleich selbst betreffen, aber dennoch im Zusammenhang mit dem Abwägungsvorgang stehen müssen. Nach dem im Laufe der vorliegenden Untersuchung gewonnenen Ergebnis kann demnach ausgeschlossen werden, dass die Beachtlichkeit der Fehlertatbestände des Abwägungsdefizits, der Abwägungsfehlgewichtung und der Abwägungsdisproportionalität jeweils am Maßstab des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB zu messen ist. Lediglich das Schicksal des Abwägungsausfalls ist im Hinblick auf den Anwendungsbereich des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB ungeklärt geblieben. Der Abwägungsausfall liegt vor, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat, wenn die letzte Phase der Abwägung (Abwägung i. e.S.) gänzlich fehlt. Damit geht zwar häufig auch der Umstand einher, dass weder ermittelt noch bewertet worden ist. Entscheidend für das Vorliegen eines Abwägungsausfalls ist jedoch das Fehlen einer mittels Abwägung getroffenen Entscheidung. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, ob die Fallgruppe des Abwägungsausfalls als Abwägungsmangel i.S.d. § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB zu qualifizieren ist. Zwar liegt es nahe, bei Vorliegen eines Abwägungsausfalls keinen Verstoß gegen § 1 Abs. 7 BauGB, sondern einen Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB anzunehmen, der dann wegen § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB ausschließlich der Fehlerfolgenregelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB unterfällt, da das vollständige Unterbleiben einer Abwägung auf die Nichtermittlung und die Nichtbewertung der von der Planung berührten Belange zurückzuführen ist. Trotz dieser Überschneidung mit § 2 Abs. 3 BauGB sollte gleichwohl die Nichtabwägung im Vordergrund stehen und zwischen der Nichtabwägung und der Nichtermittlung bzw. Nichtbewertung differenziert werden. Der kategoriale Unterschied besteht darin, dass ein Ermittlungs- und Bewertungsausfall vorliegt, weil die abwägungserheblichen Belange weder ermittelt und demzufolge auch nicht bewertet worden sind, hingegen ist ein Abwägungsausfall anzunehmen, wenn keine Austarierung der abwägungserheblichen Belange (Abwägung i. e.S.) stattgefunden hat. Der Abwägungsausfall geht damit einen Schritt weiter, ist aber Folge der Nichtermittlung und der Nichtbewertung. Aus diesem Grunde ist bei einem Abwägungsausfall die Annahme einer Verletzung von § 1 Abs. 7 BauGB angemessen. Der zentrale Vorwurf lautet, dass die planende Gemeinde entgegen dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB nicht abgewogen hat. Die Verletzung von § 1 Abs. 7 BauGB im Falle eines Abwägungsausfalls bedingt durch die fehlende Ermittlung und Bewertung von abwägungserheblichen Belangen wiegt schwerer als die von – dem Abwägungsgebot dienenden – § 2 Abs. 3 BauGB. Hier hat die zugleich vorliegende Verletzung von § 2 Abs. 3 BauGB zurückzutreten. Zwar passt der Wortlaut des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB nicht auf den Fehlertatbestand des Abwägungsausfalls. Denn danach sind Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und (kumulativ) auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Hat eine Abwägung nicht stattgefunden, so kann es auch kein Abwägungsergebnis geben.141 Gleichwohl bleibt es dabei, dass 141

Zwar mag es einen Bauleitplan geben, aber der ist nicht das Ergebnis einer Abwägung.

B. Systematik der Planerhaltung

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die gänzliche Nichtabwägung ausschlaggebend ist für den Tatbestand des Abwägungsausfalls und deswegen im Vordergrund steht und deren Fehlerfolge sich nach § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB bestimmt und nicht nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB.142 Nach alledem erweist sich allein die Annahme als überzeugend, dass nur der Fehlertatbestand des Abwägungsausfalls ein „übriger“ Mängel im Abwägungsvorgang im Sinne des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB sein kann.143 c) Relevanz der Unterscheidung bei gleicher Fehlerfolge Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass die Existenz der Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB ihre Berechtigung hat. Während § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB angesichts der Bezugnahme auf § 2 Abs. 3 BauGB die Beachtlichkeit von Abwägungsdefizit und Abwägungsfehlgewichtung zum Gegenstand hat, enthält § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB die Fehlerfolgenregelung für den Abwägungsausfall. Mit dem Nachweis der Existenzberechtigung ist zugleich eine Abgrenzung zu § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB erfolgt. Gleichwohl fragt es sich, ob es rechtspraktisch überhaupt der Abgrenzung zwischen § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB und § 214 Abs. 3 S. 2 142 So Stelkens, UPR 2005, 81 (85): Die „übrigen“ Mängel seien alle die Mängel, die sich auf den Abwägungsvorgang insgesamt beziehen. Dazu gehöre der Fall des vollständigen oder jedenfalls des teilweisen Abwägungsausfalls; ähnlich Hellermann, in: Dietlein/Burgi/Hellermann, § 4 Rn. 100 f., nach Ansicht von Hellermann verdeutliche § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB, dass § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht den gesamten Vorgang der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials erfasse. Da an der bisherigen Abwägungsdogmatik festgehalten werden solle, seien für die Fälle des Abwägungsausfalls und des Abwägungsdefizits nach der Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB zu behandeln; so im Ergebnis auch Dürr, in: Brügelmann u. a., § 214 Rn. 20. Auch der vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen eingesetzten Expertenkommission schwebte vor, dass Mängel im Abwägungsvorgang nur noch als Verstoß gegen auf den Abwägungsvorgang bezogene Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden können, vgl. Gaentzsch, in: Spannowsky/Krämer, S. 135. A.A. nach der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien, BT-Drs. 15/2250, S. 63, wonach der Fall der fehlenden Ermittlung oder Bewertung der Regelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB unterliegen soll. 143 A.A. VGH Mannheim, Urt. v. 27.09.2007 – 3 S 2875/06 – NVwZ-RR 2008, 369 ff., der bei der Feststellung eines Abwägungsdefizits einen Verstoß gegen § 1 Abs. 7 BauGB angenommen und dessen Beachtlichkeit nach § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB geprüft und festgestellt hat, ohne § 2 Abs. 3 BauGB oder § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB überhaupt zu erwähnen. Es wird ferner vertreten, dass der Fall, in dem die Gemeinde irrtümlich von falschen Rechtsgrundlagen ausgegangen ist, und der Fall, in dem die Gemeinde den planerischen Absichten widersprechende Festsetzungen getroffen hat, als „übrige“ Mängel i.S.d. § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB zu qualifizieren sind; vgl. Stock, in: E/Z/B/K, § 214 Rn. 139. Bracher, in: Gelzer/Bracher/ Reidt, Rn. 1084, beschränkt den Anwendungsbereich des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB auf den Fall, dass beim Ausgleich der abwägungserheblichen Belange Fehler unterlaufen sind. Problematisch an dieser Auffassung ist, dass die durch einen unverhältnismäßigen Ausgleich bedingten Mängel nur am Abwägungsergebnis festgemacht werden können und daher, wenn sie denn vorliegen, den Tatbestand der Abwägungsdisproportionalität erfüllen, für den das Recht der Planerhaltung keine Fehlerfolgenregelung vorgesehen hat.

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

Hs. 2 BauGB bedarf. Für die Entscheidung über die Wirksamkeit eines Bauleitplans, so scheint es zumindest auf den ersten Blick, kommt es auf eine Abgrenzung nicht an.144 Denn beide Vorschriften enthalten identische Voraussetzungen für die Beachtlichkeit eines Mangels. Beide Regelungen stehen unter dem Vorbehalt der Offensichtlichkeit und verlangen eine Ergebniskausalität.145 Dabei kann mit „Ergebnis des Verfahrens“ in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB nur das materielle Abwägungsergebnis gemeint sein.146 Ein solches Verständnis erschließt sich auch mit Hilfe der Gesetzesmaterialien. Dort heißt es in Bezug auf die beiden Tatbestandsmerkmale, dass „die Regelung dabei den Regelungsgegenstand im bisherigen § 214 Abs. 3 Satz 2“ BauGB übernehme.147 Ferner gilt für beide Vorschriften dieselbe Frist zur Geltendmachung der Verletzung nach § 215 Abs. 1 BauGB. Zwar verlangt § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB noch zusätzlich, dass die von der Planung berührten Belange in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind. Ist aber der Ermittlungs- oder Bewertungsfehler auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss, dann kann es sich doch nur um einen wesentlichen Punkt des Belangs handeln. Insofern kann daher von deckungsgleichen Voraussetzungen für die Beachtlichkeit der Mängel gesprochen werden.148 Aus diesem Grunde ist auch die Auffassung Stelkens ab144 So auch Kraft, UPR 2004, 331 (335): „Unabhängig von der Frage der systematischen Zuordnung von Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials – als Verfahrensrecht oder Relikt des materiellen Abwägungsvorgangs – ist der Umfang des gerichtlichen Kontrollauftrags unverändert geblieben. In beiden Varianten greifen Erheblichkeitsfilter (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2) mit identischen Maßstäben.“ 145 Im Hinblick auf die Offensichtlichkeit und die Ergebniskausalität ist Nr. 1 an die Formulierung von § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB a.F. angelehnt worden, so dass auf die hierzu ergangene Rechtsprechung Bezug genommen werden kann und der hierfür entwickelte Maßstab angewendet werden sollte, vgl. auch Kment, AöR 2005, 570 (595 f.). Der Vorbehalt der Offensichtlichkeit und die Ergebniskausalität in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB waren zunächst – zumindest in dieser Konzeption – im Gesetzgebungsverfahren zum EAG Bau nicht vorgesehen. Vielmehr sollten beide Merkmale im Tatbestand einer internen Unbeachtlichkeitsklausel stehen, so dass ein Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB grundsätzlich beachtlich gewesen wäre, vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 21. 146 So auch Happ, NVwZ 2007, 304 (305) mit weiteren Nachweisen. 147 BT-Drs. 15/2250, S. 63. 148 So auch Happ, NVwZ 2007, 304 (307); wohl auch Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 1058; Pieper, Jura 2006, 817 (819); im Ergebnis identisch nur mit umgekehrter Argumentation Quaas/Kukk, Schrödter, § 214 Rn. 17, und Quaas/Kukk, BauR 2004, 1541 (1550), wonach bei Feststellung, dass die von der Planung berührten Belange in wesentlichen Punkten unzutreffend ermittelt oder bewertet worden sind, zugleich die Offensichtlichkeit und die Ergebniskausalität vorliege, es sei nämlich dann „ausgeschlossen, bei solchen Fehlern anzunehmen, sie seien nicht „offensichtlich“ oder hätten das „Ergebnis des Verfahrens“ nicht beeinflusst.“ So auch die erste Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Zusammenhang mit der novellierten Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB, vgl. BVerwG, Urt. v. 22.03.2007 – 4 CN 2.06 – BVerwGE 128, 238 (245). Konkretisierend in BVerwG, Urt. v. 09.04.2008 – 4 CN 1.07 – DVBl. 2008, 859 (861), wenn das Bundesverwaltungsgericht zum Erfordernis der Wesentlichkeit ausführt, dass durch die Gemeinde nicht zutreffend ermittelte oder bewertete Belange bereits dann „wesentliche Punkte betreffen, wenn diese Punkte in der konkreten Planungssituation abwägungsbeachtlich waren.

B. Systematik der Planerhaltung

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zulehnen, wonach die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB und § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB über ein theoretisches Interesse hinausgehe, da die Voraussetzungen für die Unbeachtlichkeit eines Mangels wegen des Erfordernisses der Betroffenheit in wesentlichen Punkten nicht deckungsgleich seien.149 Daher ist die Abgrenzung zwischen § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB und § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB derzeit nur von dogmatischem Interesse, für die Entscheidung über die Wirksamkeit des Bebauungsplans kommt es dagegen nicht darauf an.150 Folgerichtig hat auch das Bundesverwaltungsgericht bei der Feststellung einer nicht hinreichenden Ermittlung der abwägungserheblichen Belange die Unwirksamkeit eines Bebauungsplans angenommen und zunächst offen gelassen, ob die unvollständige Ermittlung als Verletzung einer Verfahrensvorschrift oder als Mangel im Abwägungsvorgang zu qualifizieren ist.151 Erst an späterer Stelle der Entscheidung wird ausgeführt, es sei hierdurch gegen das Gebot des § 2 Abs. 3 BauGB, die abwägungserheblichen Belange zu ermitteln und zu bewerten, verstoßen worden, was gem. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB beachtlich sei. Das Bundesverwaltungsgericht weist aber zugleich auch darauf hin, dass sich nichts anderes daraus ergäbe, wenn der Fehler als Mangel im Abwägungsvorgang im Sinne des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB zu werten sei. Denn die Vorschrift enthalte keine über § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB hinausgehenden Anforderungen.152 Auch der VGH Bayern153 hat bei einem festgestellten Abwägungsdefizit154 angesichts der identischen Voraussetzungen in den Fehlerfolgenregelungen und der gleichen Fristenregelung die Frage offen gelassen, „ob der festgestellte Mangel nach der mit dem EAG Bau eingeführten Unterscheidung denjenigen Aspekten des Abwägungsvorgangs zuzuordnen wäre, die gemäß § 2 Abs. 3 BauGB n.F. nunmehr als Verfahrenspflicht ausgestaltet und deshalb nach der Planerhaltungsvorschrift des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB n.F. zu beurteilen sind, oder denjenigen Aspekten, die auch nach neuer Rechtslage zum materiell-rechtlichen Gehalt des Abwägungsgebots im Sinne des § 1 Abs. 7 BauGB n.F. gehören und für die deshalb die Planerhaltungsvorschrift des § 214 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 BauGB n.F. einschlägig ist“155. Es bleibt damit dabei, dass in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB und in § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB in der Sache identische Voraussetzungen für die Beachtlichkeit eines Mangels aufgestellt wurden. Von identischen Voraussetzungen für die Beacht149

Vgl. Stelkens, UPR 2005, 81 (84 f.). So – zumindest für die Praxis – Dürr, in: Brügelmann u. a., § 214 Rn. 20. 151 Vgl. BVerwG, Urt. v. 22.03.2007 – 4 CN 2.06 – BVerwGE 128, 238 (243). 152 Vgl. BVerwG, Urt. v. 22.03.2007 – 4 CN 2.06 – BVerwGE 128, 238 (245). 153 BayVGH, Urt. v. 25.10.2005 – 25 N 04.642 – BayVBl. 2006, 601 ff. 154 Es wurde auf Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes verzichtet, ohne dass die hierfür relevanten Gesichtspunkte ermittelt wurden; BayVGH, Urt. v. 25.10.2005 – 25 N 04.642 – BayVBl. 2006, 601 (602). 155 BayVGH, Urt. v. 25.10.2005 – 25 N 04.642 – BayVBl. 2006, 601 (603). 150

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

lichkeit von Abwägungsmängeln, unabhängig davon, ob sie sich nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB oder nach § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB richten, ist auch der Gesetzgeber ausgegangen, wenn er zur einheitlichen Frist des § 215 Abs. 1 BauGB schreibt, dass durch die Vereinheitlichung „eine im Einzelfall möglicherweise schwierige Unterscheidung zwischen Mängeln, die die Ermittlung und Bewertung nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB in der Fassung des Regierungsentwurfs betreffen, und sonstigen Mängeln des Abwägungsvorgangs nach § 214 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 BauGB“ nicht erforderlich sei.156 Aus dogmatischer Perspektive, namentlich für die Beantwortung der Frage, ob sich die herkömmliche Abwägungsdogmatik durch das EAG Bau geändert haben könnte, ist freilich eine Abgrenzung erforderlich.157 Ferner kann die Abgrenzung im Falle einer etwaigen Gesetzesänderung, die beispielsweise verschiedene Rechtsfolgen oder unterschiedliche Rügefristen für beide Planerhaltungsregelungen vorsieht, auch praktisch relevant werden. 4. Behandlung von Mängeln des Abwägungsergebnisses Im Abschnitt über die Planerhaltung des BauGB findet sich keine ausdrückliche Regelung über die Beachtlichkeit von Mängeln im Abwägungsergebnis. Insoweit ist der Gesetzgeber dem Vorschlag der eingesetzten Unabhängigen Expertenkommission gefolgt.158 Fehler im Abwägungsergebnis werden nahezu unstreitig weder von § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB noch von § 215 Abs. 1 BauGB erfasst. Nach Ansicht der Unabhängigen Expertenkommission sei dies auch nicht erforderlich. Mängel im Abwägungsergebnis qualifiziert die Expertenkommission als solche Fehler, die zu einem Ergebnis führen, das aufgrund des Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit schlechterdings nicht haltbar sei. Es handle sich um eine Abwägung, die einem Belang ein Gewicht beimisst, das ihm objektiv nicht zukommt, so dass die Zurückstellung anderer Belange demgegenüber unverhältnismäßig sei. Die Planung hätte so nicht beschlossen werden dürfen. Ein Fehler im Abwägungsergebnis müsse deshalb für die Wirksamkeit des Bauleitplans stets beachtlich sein.159 Aus denselben Gründen bedürfe es keiner Regelung über die Verfristung von Mängeln im Abwägungsergebnis.160 Mängel im Abwägungsergebnis sind demnach immer beachtlich.161 Begründet wird diese unterschiedliche Behandlung von Mängeln im Abwä156

Vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 96. So auch Stock, in: E/Z/B/K, § 214 Rn. 39b. 158 Gaentzsch, in: Spannwosky/Krämer, 131 (140 f.). 159 Vgl. Bericht der Unabhängigen Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs, Rn. 139, wobei darauf hingewiesen wird, dass Fehler im Abwägungsergebnis selten gerichtlich festgestellt werden, wovon man auch in Zukunft ausgehen könne. Vgl. auch Gaentzsch, in: Spannwosky/Krämer, 131 (135). 160 Bericht der Unabhängigen Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs, Rn. 143. 161 In BT-Drs. 15/2996, S. 71 heißt es zu § 215 BauGB: „…Im Übrigen sollen schwerwiegende Mängel der Abwägung in Bezug auf das Abwägungsergebnis, wenn deswegen das 157

B. Systematik der Planerhaltung

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gungsvorgang und Mängeln im Abwägungsergebnis auch damit, dass Mängel im Abwägungsergebnis unabhängig von der Einhaltung des Verfahrens eintreten können.162

IV. Rügefrist des § 215 BauGB im Hinblick auf Abwägungsfehler 1. Bisherige Rügefristen Eine Rügefrist wurde erstmals durch das BauGB 1986 bestimmt. Danach sah § 215 BauGB 1986 die Unbeachtlichkeit von Abwägungsmängeln vor, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren seit Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind. Die Rügefrist galt auch, wenn auch nicht ganz unstreitig,163 für Mängel im Abwägungsergebnis. Die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften waren innerhalb eines Jahres geltend zu machen. Bis zum EAG Bau blieb es bei den unterschiedlichen Fristen für die Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften sowie von Mängeln der Abwägung in § 215 BauGB. Das EAG Bau hatte eine einheitliche Frist von zwei Jahren eingeführt, die an § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO angelehnt war. Danach musste der Normenkontrollantrag innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntmachung gestellt werden. Die Rügefrist des § 215 BauGB sowie die Frist des § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO sind durch das BauGB 2007164 auf ein Jahr herabgesetzt worden. 2. Rügefrist für Mängel im Abwägungsvorgang Nach Ablauf der in § 215 BauGB enthaltenen Jahresfrist werden Mängel im Abwägungsvorgang bei unterbliebener Rüge unbeachtlich. Das gilt sowohl für Mängel, die Gegenstand der Regelung in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB sind und deswegen

Ergebnis der Planung schlechterdings unhaltbar ist, unbefristet geltend gemacht werden können.“ So auch die Literatur, vgl. Erbguth, DVBl. 2004, 802 (806). 162 Gaentzsch, in: Spannwosky/Krämer, 131 (135). Es kann auch dem Wortlaut der neuen Regelungen nicht entnommen werden, Mängel im Abwägungsergebnis, die auf Fehlern in der Ermittlung oder Bewertung beruhen, sind – im Sinne eines weiter fressenden Mangels – Gegenstand des § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Eine solche Auslegung hätte – unvertretbar – zur Folge, dass sich die Beachtlichkeit ebenfalls nach § 214 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 BauGB richtet und die Frist des § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB gilt, was bei einem rügelosen Ablauf der Frist zur Unbeachtlichkeit eines Abwägungsmangels führt, obwohl der Bauleitplan einen rechtswidrigen respektive gar „unsinnigen“ Inhalt aufweist, vgl. Stelkens, UPR 2005, 81 (82 f.), der die Frage aufwirft, ob Mängel des Abwägungsergebnisses von § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB erfasst werden. 163 Vgl. Schmaltz, in: Schrödter, (5. Aufl.), § 215 Rn. 7 m.w.N. zum Streitstand. 164 BGBl. I S. 3316.

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden können, als auch für die übrigen Mängel im Abwägungsvorgang i.S.d. § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB.165 3. Rügefrist für Mängel im Abwägungsergebnis Mängel im Abwägungsergebnis werden von § 215 BauGB nicht erfasst. Sie werden daher nicht nach Ablauf einer Rügefrist unbeachtlich.166 Bis zum Inkrafttreten des EAG Bau wurden innerhalb der Regelung des § 215 BauGB Mängel im Abwägungsvorgang und Mängel im Abwägungsergebnis gleich behandelt. Sowohl beachtliche Mängel im Abwägungsvorgang als auch Mängel im Abwägungsergebnis konnten nur innerhalb derselben Frist geltend gemacht werden. Eine Rügefrist für die Geltendmachung von Mängeln im Abwägungsergebnis, somit für Fälle der Abwägungsdisproportionalität existiert nach der neuen Gesetzeslage nicht mehr. Der Gesetzgeber ist damit der Unabhängigen Expertenkommission167 gefolgt und begründet die fehlende Heilungsmöglichkeit für den Fall einer Abwägungsdisproportionalität mit der Unhaltbarkeit der Planung.168 In einem solch schwerwiegenden Fall sei eine Heilung des Fehlers durch Ablauf einer Rügefrist nicht gerechtfertigt. Dem stehe auch nicht der Aspekt der Rechtssicherheit entgegen. Auch vor der Novellierung des BauGB erkannte das Bundesverwaltungsgericht das Problem der Heilung eines fehlerhaften Bauleitplans, der unter einem Mangel im Abwägungsergebnis leidet, nach rügelosem Ablauf der Sieben-Jahres-Frist und hielt die Frage der Beachtlichkeit eines schweren Mangels im Abwägungsergebnis für ernsthaft diskutabel.169

165 Schon bei der Herabsetzung der Rügefrist durch das EAG Bau von sieben auf zwei Jahre wurden Bedenken seitens des Schrifttums geäußert. Zwar sei es grundsätzlich unbedenklich, wenn der Gesetzgeber unter dem Aspekt der Bestandssicherheit von Bauleitplänen eine zeitliche Begrenzung für die Geltendmachung von Mängeln vorsieht, jedoch sei die gegebene Verkürzung der Rügefrist auf (zunächst) zwei Jahre „einschneidend“ und daher verfassungsrechtlich bedenklich, so Uechtritz, ZfBR 2005, 11 (17 f.). Uechtritz zieht eine Parallele zum kurzfristigen Eintritt der Bestandskraft von Verwaltungsakten und weist darauf hin, dass „beim Verwaltungsakt als individuell-konkrete Regelung dem Bürger die Belastung regelmäßig deutlich vor Augen stehe“. Die Festsetzungen eines Bebauungsplanes hingegen hätten keinen konkreten Adressaten. Er konstatiert weiter, dass sich die persönliche Betroffenheit eines Einzelnen erst bei einem konkreten Vorhaben, in der Regel innerhalb eines Baugenehmigungsverfahrens, herausstelle. 166 So auch Erbguth, DVBl. 802 (806); Stüer, in: Hoppenberg/de Witt, B Rn. 672. 167 Vgl. Bericht der Unabhängigen Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs, Rn. 139, 143. 168 Siehe BT-Drs. 15/2250, S. 65 f. 169 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 02. 01.2001 – 4 BN 13.00 – ZfBR 2001, 418 (418).

B. Systematik der Planerhaltung

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V. Fazit Nach der hier vorgenommenen Bestimmung des rechtlichen Charakters weist § 2 Abs. 3 BauGB einen materiell-rechtlichen Charakter auf. Während § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB Fehler bei der (materiellen) Ermittlung und Bewertung als Verfahrensfehler behandelt, richtet sich die Fehlerfolge des Abwägungsausfalls nach § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB. Die Vorschrift des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB ist damit nicht ohne Anwendungsbereich. Im Hinblick auf die Effektivität und Reichweite macht es für den Rechtsschutzersuchenden indes angesichts der identischen Voraussetzungen und der identischen Rügefrist keinen Unterschied, ob der Bauleitplan wegen eines (vermeintlich) formellen oder eines materiellen Verstoßes unwirksam ist, also ob ein Mangel der Regelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 3 BauGB oder der des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB unterfällt. Letztlich ist die Frage (nur) von rechtsdogmatischer Bedeutung. Um aber die Unsicherheiten, die im Umgang mit der neuen Regelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB entstanden sind, aus dem Weg zu räumen, erscheint eine Änderung der Planerhaltungsvorschriften sinnvoll: Zunächst drängt sich die Änderung des Wortlauts des § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB auf. Um zu gewährleisten, dass die Regelung auch die materiell-rechtliche Seite des Abwägungsvorgangs erfasst, ist statt der Formulierung „Verletzung von Verfahrensvorschriften“, eine Formulierung zu wählen, die weniger Verwirrung stiftet. Anlehnend an die amtliche Überschrift des § 214 BauGB, könnte man an die Einleitung des Abs. 1 mit den Worten „die Verletzung von Vorschriften über die Aufstellung des Flächennutzungsplans und der Satzungen“ denken. Problematisch hieran ist aber – und insofern ist Gaentzsch zuzustimmen –, dass eine solch weit gefasste Formulierung der Systematik des Planerhaltungsrechts widersprechen würde.170 Denn es gilt der nach der derzeitigen Gesetzessystematik der Vorschriften über die Planerhaltung der Grundsatz, dass eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften des BauGB nur dann beachtlich ist, wenn sie in § 214 BauGB ausdrücklich erwähnt sind. Die Verletzung einer materiellen Vorschrift des BauGB bei der Aufstellung von Bauleitplänen ist grundsätzlich beachtlich. Durch die oben vorgeschlagene Formulierung würden aber sowohl Regelungen mit formellem als auch Vorschriften mit materiellem Gehalt erfasst werden. Das verstößt gegen die inhaltliche und systematische Ausgestaltung der Fehlerfolgenregelungen und ist deshalb abzulehnen. Die hier favorisierte Lösung geht dahin, zunächst den Regelungsgegenstand des § 2 Abs. 3 BauGB in § 1 Abs. 7 BauGB wieder mit aufzunehmen, wobei die ausdrückliche Normierung der Phasen der Abwägung zu begrüßen ist. Hierdurch wird die Nr. 1 des § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB überflüssig. Auch der Wortlaut des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB wäre zu streichen. Daher würde für die Formulierung des Abwägungsgebots folgender Wortlaut vorgeschlagen:

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Gaentzsch, in: Spannowsky/Krämer, S. 137.

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3. Teil: Das Planerhaltungssystem des EAG Bau

„Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die zu ermittelnden und zu bewertenden privaten und öffentlichen Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind, gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.“

Für die entsprechende Planerhaltungsregelung empfiehlt sich folgende Formulierung: Mängel im Abwägungsvorgang sind nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.

Zwar widerspricht die hier vorgeschlagene Lösung den Regelungsabsichten des Gesetzgebers, den Verfahrensvorschriften ein stärkeres Gewicht beizumessen, also der Stärkung des Verfahrensrechts. Die Umsetzung dieses Ziels ist dem Gesetzgeber aber, wie gezeigt wurde, ohnehin nicht gelungen, auch nicht mit der Einführung der §§ 2 Abs. 3, 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB. Damit könnten aber alle Unklarheiten und Zweifel aus dem Weg geräumt werden.

C. Zusammenfassung Die Planerhaltungsvorschriften wirken der Fehleranfälligkeit von Bauleitplänen entgegen. Sie durchbrechen das Nichtigkeitsdogma zugunsten der Effektivität der Planung. Aufgrund der Neufassung der §§ 2 ff. BauGB durch das EAG Bau war auch die Anpassung der Vorschriften über die Planerhaltung erforderlich. Bis zum Inkrafttreten des EAG Bau wies das Abwägungsgebot in der Bauleitplanung unstreitig einen materiell-rechtlichen Gehalt auf, so dass Verstöße gegen das Gebot nicht unter den Anwendungsbereich des § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB a.F. fielen, da dieser nur die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften regelte. Vielmehr fand die Regelung des § 214 Abs. 3 BauGB a.F. abschließend Anwendung. Der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB liegt, entgegen der gesetzgeberischen Bezeichnung als so genannte „Verfahrensgrundnorm“, ein (auch) materiell-rechtlicher Charakter zu Grunde. Denn bei der Ermittlung und Bewertung handelt es sich um materiell-rechtliche Anforderungen an die Abwägung. Bei der in § 2 Abs. 3 BauGB verlangten Ermittlung des Abwägungsmaterials handelt es sich um die erste Phase der Abwägung. Bei der Bewertung des Abwägungsmaterials handelt es sich um die zweite Phase der Abwägung, die nach der herkömmlichen Abwägungsdogmatik unter dem Begriff „Gewichtung“ firmierte. Während bis zum Inkrafttreten des EAG Bau alle Phasen der Abwägung (Ermittlung, Gewichtung und Ausgleich) der Regelung des § 1 Abs. 6 BauGB a.F., also dem Abwägungsgebot selbst, zu entnehmen waren, werden die Ermittlung und Gewichtung erstmals durch § 2 Abs. 3 BauGB ausdrücklich normiert. Das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB enthält somit nunmehr lediglich das Gebot des Ausgleichs der abwägungserheblichen Belange.

C. Zusammenfassung

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Gegenstand der Planerhaltungsregelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB sind demzufolge Mängel, die die Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials betreffen. Hiervon sind die übrigen Mängel des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB abzugrenzen. Nur der Abwägungsfehler in Gestalt des Abwägungsausfalls stellt einen „übrigen“ Mangel dar. Beide Fehlerfolgenregelungen enthalten identische Voraussetzungen für die Beachtlichkeit eines Mangels und unterliegen der gleichen Frist des § 215 Abs. 1 BauGB von einem Jahr, so dass zumindest aus Sicht der Praxis einer genauen Abgrenzung kaum Bedeutung beigemessen werden wird. Auf Mängel im Abwägungsergebnis, d. h. im Falle einer Abwägungsdisproportionalität, findet keine Fehlerfolgenregelung der §§ 214 ff. BauGB Anwendung. Solche Mängel sind immer beachtlich. Sie können auch nicht, im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage, durch Fristablauf unbeachtlich werden. Aufgrund der durch die Änderung des Planerhaltungsrechts ausgelösten Unsicherheit sollte der Regelungsgegenstand des § 2 Abs. 3 BauGB in § 1 Abs. 7 BauGB mit aufgenommen werden und sodann nur eine die Abwägung betreffende Fehlerfolgenregelung Geltung beanspruchen.

Vierter Teil

Fazit im Hinblick auf die herkömmliche Abwägungsterminologie und Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse A. Terminologische Änderungen Angesichts der durch das EAG Bau herbeigeführten Modifizierung der Abwägungsdogmatik sind mehrere terminologische Änderungen innerhalb der herkömmlichen Abwägungsfehlerlehre geboten. Nach dem bisher Gesagten erfüllten die mangelhafte Ermittlung und die mangelhafte Bewertung des Abwägungsmaterials nach alter Rechtslage den Tatbestand des Abwägungsdefizits bzw. den Tatbestand der Abwägungsfehlbewertung (Abwägungsfehleinschätzung). Vor dem Hintergrund, dass die unzutreffende Ermittlung und Bewertung seit dem Inkrafttreten des EAG Bau keine unmittelbaren Verstöße gegen § 1 Abs. 7 BauGB darstellen, sondern nunmehr als Verstöße gegen § 2 Abs. 3 BauGB zu qualifizieren sind, bietet sich eine Namensänderung dieser beiden Fehlerkategorien an. Zwar stellen beide Vorgänge weiterhin Anforderungen an die Abwägung dar, um eine Trennbarkeit beider Vorschriften zu unterstreichen, empfehlen sich jedoch terminologische Änderungen. Denn lediglich ein Verstoß gegen die Abwägung i. e.S. und der Fall des vollständigen Abwägungsausfalls kommen jeweils als eine (unmittelbare) Verletzung des Abwägungsgebotes, als eine Verletzung von § 1 Abs. 7 BauGB in Betracht. Eine unzutreffende Ermittlung oder Bewertung des Abwägungsmaterials hingegen kann (nur) einen Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB darstellen. Daher ist die unzutreffende Ermittlung der von der Planung berührten Belange als „Ermittlungsdefizit“ zu bezeichnen, das bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB beachtlich ist. Der Begriff des Abwägungsdefizits ist demnach aufzugeben. Schließlich stellt ein Ermittlungsdefizit keinen Verstoß gegen das Abwägungsgebot dar, sondern missachtet allein die Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB. Gleiches gilt für den Fall der unzutreffenden Bewertung der von der Planung berührten Belange. Auch hier erscheint die Bezeichnung als Abwägungsfehleinschätzung überliefert, da die unzutreffende Bewertung ebenfalls bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen beachtlich gem. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB ist, weil sie nach neuer Rechtslage gegen § 2 Abs. 3 BauGB und nicht wie vor dem Inkrafttreten des EAG Bau gegen das Abwägungsgebot verstößt. Hierfür bietet sich die Bezeichnung dieser Fehlerkategorie als „Fehlbewertung“ oder „Bewertungsdefizit“ an.

B. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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Auch wenn die Begriffe „Abwägungsvorgang“ und „Abwägungsergebnis“ innerhalb der Planerhaltungsregelungen verwendet werden, kommt der Differenzierung weiterhin keine eigenständige Funktion zu. Innerhalb der Regelung des § 215 BauGB ist eine Zuordnung auch ohne die Differenzierung nach Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis möglich. Hinzu kommt eine weiterer Gesichtspunkt: Mit der Kategorie „Mängel im Abwägungsvorgang“ waren nach der vor dem Inkrafttreten des EAG geltenden Rechtslage die Abwägungsfehlertatbestände Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit und Abwägungsfehlgewichtung zusammengefasst, während sich hinter der Kategorie „Mangel im Abwägungsergebnis“ lediglich der Abwägungsfehlertatbestand der Abwägungsdisproportionalität verbarg. Nach der seit dem Inkrafttreten des EAG Bau geltenden Rechtslage unterfällt der Fehlerkategorie „Mängel im Abwägungsvorgang“ nach dem hiesigen Untersuchungsergebnis alleinig der Abwägungsfehlertatbestand des Abwägungsausfalls. Die Fehlertatbestände des Abwägungsdefizits und der Abwägungsfehlgewichtung können – folgte man der im Laufe der vorliegenden Untersuchung gewonnenen Erkenntnis – angesichts der Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB nicht (mehr) als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden.1 Diese behandelt das EAG Bau als Verfahrensfehler. Es bedarf damit der Einführung einer weiteren „Kategorie“, die die Mängel i.S.v. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB zusammenfasst.

B. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Die Abwägung wird in drei Phasen vollzogen. Zunächst sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln. Dem folgt die Bewertung der Belange, die nach der herkömmlichen Abwägungsdogmatik, ohne dass sie sich inhaltlich unterscheiden, unter dem Begriff der Gewichtung erfolgte. Schließlich sind die Belange unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit auszugleichen (Abwägung i. e.S.), d. h. es soll ein Ausgleich vorgenommen werden, der zu der objektiven Gewichtigkeit der einzelnen Belange nicht außer Verhältnis steht. Erstmals werden mit der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB Phasen der Abwägung kodifiziert. § 2 Abs. 3 BauGB normiert ausdrücklich zwei der drei zu durchlaufenden Phasen der Abwägung und wird somit auch Bestandteil der Abwägung. Es enthält das Gebot, das notwendige Abwägungsmaterial zu ermitteln und zu bewerten. Die letzte Phase, die Abwägung i. e.S., befindet sich als Kern des Gebotes, wie bisher auch, im Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) selbst. Bei der Kollision von Belangen wird zwischen konfligierenden und konkurrierenden Belangen unterschieden. Bei konfligierenden Belangen findet der Ausgleich in

1 Für die Beibehaltung der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Unterscheidung zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis sprechen sich Quaas/Kukk, BauR 2004, 1541 (1545) aus.

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4. Teil: Fazit und Zusammenfassung der Ergebnisse

Form eines Kompromisses statt, bei konkurrierenden Belangen erfolgt der Ausgleich in Form eines Vor- und Zurückstellens der Belange. Die Überprüfung der Abwägungsentscheidung erfolgt unter Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Abwägungsfehlerlehre. Anknüpfend an die Phasen der Abwägung sind nach dieser Fehlerlehre demzufolge vier Konstellationen möglich, die eine Verletzung des Abwägungsgebots darstellen: Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit, Abwägungsfehlgewichtung und Abwägungsdisproportionalität. Wegen der dogmatischen (Neu-)Zuordnung von Mängeln bei der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials, können sie nicht mehr als Abwägungsmängel bezeichnet werden. Nur der Fall des gänzlichen Ausfalls einer Abwägung und die Abwägungsdisproportionalität verletzen das Gebot der Abwägung unmittelbar. Daher wird die Bezeichnung im Falle eines beachtlichen Mangels bei der Ermittlung als „Ermittlungsdefizit“ und im Falle eines beachtlichen Mangels bei der Bewertung als „Fehlbewertung“ empfohlen. Die ersten drei Fehlertatbestände sind als Mängel im Abwägungsvorgang zusammenzufassen. Dagegen stellt die Abwägungsdisproportionalität einen Mangel im Abwägungsergebnis dar. Mängel im Abwägungsvorgang können, müssen aber nicht, auf das Abwägungsergebnis durchschlagen. Die Ergebniskausalität und das Erfordernis der Offensichtlichkeit sind Voraussetzungen für die Beachtlichkeit der Mängel im Abwägungsvorgang. Liegen sie vor, ist nicht zwangsläufig ein Mangel im Abwägungsergebnis gegeben. Mängel im Abwägungsergebnis werden nicht von § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB i.V.m. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB erfasst, auch dann, wenn sie auf eine unzutreffende Ermittlung oder Bewertung zurückzuführen sind. Die Unterscheidung zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis begründet nicht eine Doppelprüfung des vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Kontrollmaßstabs. Während § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB einen Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB zum Gegenstand hat, beinhaltet § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB demgegenüber eine Fehlerfolgenregelung für Verstöße gegen die Vorschrift des § 1 Abs. 7 BauGB. Im Hinblick auf die Rechtsfolge kann aber dahinstehen, ob ein Mangel i.S.d. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB oder ein Mangel i.S.d. § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB vorliegt. Beide Vorschriften setzen die Offensichtlichkeit des Mangels und eine Ergebniskausalität voraus. Für beide Vorschriften gilt die einheitliche Frist des § 215 Abs. 1 BauGB. Mängel im Abwägungsvorgang oder Mängel i.S.d. § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB werden bei unterbliebener Geltendmachung nach Ablauf von einem Jahr unbeachtlich. Ein Mangel im Abwägungsergebnis ist stets beachtlich.

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Sachregister Abwägungsausfall 23, 40, 43, 46, 55, 63, 91, 106 Abwägungsdefizit 19, 23, 40, 43, 47, 63, 91 Abwägungsdisproportionalität 23, 40, 43, 50, 63, 64, 105 Abwägungsergebnis 19, 28, 32, 42, 51, 65, 66, 110 Abwägungsfehler 23 Abwägungsfehlerlehre 23, 42, 44 Abwägungsfehlgewichtung 23, 40, 48, 64, 91, 97 Abwägungsmaterial 16, 19, 32, 37, 94 Abwägungsvorgang 18, 19, 28, 32, 42, 51, 65, 66, 80 Ausgleich 28, 32, 36, 38, 63, 79, 105 Bewertung 19, 80, 94, 96, 97 Einstellung 32, 33, 38 Ermittlung 19, 80, 94 Flachglasentscheidung 28, 42, 46, 51, 65, 66 Gebot der Konfliktbewältigung 27 Gewichtung 28, 32, 34, 37, 38, 42, 96, 97

Handlungsnorm 30, 44, 63, 66 Handlungsperspektive 38, 63, 105 konfligierende Belange 24, 25, 41, 64 konkurrierende Belange 24, 25, 41, 64 Kontrolldichte 31, 44 Kontrollmaßstab 31, 44 Kontrollnorm 30, 44, 63 Kontrollperspektive 39, 63, 105 materiell-rechtlicher Charakter 19, 88, 89, 94, 103 Nichtigkeitsdogma 71, 76 planerische Gestaltungsfreiheit 18, 23, 24, 35, 41, 42, 45, 48 Rügefrist 111 Verfahrensfehler 82, 86 Verfahrensgrundnorm 16, 19, 80, 94, 100 Verfahrensvorschrift 19, 82, 83, 96 wesentliche Punkte 108 zutreffend 94