Die Babenberger und ihre Nachbarn [1 ed.]
 9783205202752, 9783205206361

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Klaus Lohrmann

Klaus Lohrmann

Die Babenberger und ihre Nachbarn

Böhlau Verlag Wien Köln Weimar

Veröffentlicht mit freundlicher Unterstützung durch  : Österreichische Forschungsgemeinschaft Amt der N.Ö. Landesregierung Erzdiözese Salzburg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; ­detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung  : Albrecht der Sieghafte, Babenberger Stammbaum, Stiftsmuseum Klosterneuburg © Peter Böttcher, IMAREAL Krems © 2020 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien, Kölblgasse 8–10, A-1030 Wien Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Korrektorat  : Constanze Lehmann, Berlin Einbandgestaltung  : Michael Haderer, Wien Satz  : Michael Rauscher, Wien

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-20275-2

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Der Nachbar – der Fremde – der Feind – der Freund. . . . . . . . . . . . . . Wir-Gefühl 13 – Grundherrschaft und Adel 14 – Art der Nachbarschaft 15 – »Österreich« als Teil einer universalen Ordnung 15 – Entstehung von regna 16 – Adel als Träger der Strukturen 17 – Interessen des Adels und fürstliche Ideologie 18 – Dienstleute und Gemeinschaftsbewusstsein 20

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Der Ausgangspunkt der Betrachtungen. Das Ergebnis der Herrschaft der Babenberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Königreichsplan von 1245 21 – Reaktionen auf den Tod Friedrichs des Streitbaren 21 – Steirischer Adel 22 – Die Rolle Krains 23 – Der Entwurf der Erhe­ bungsurkunde 25 – Bemerkung zum Privilegium minus 26 – Vergleich mit dem Königreich Böhmen 28 – Das Verhältnis von Österreich und Steier 31

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Die Mark im Herrschaftsgefüge des Reiches und ihre Nachbarn . . . . . . . 34 Die Tradition der Babenberger und die adeligen Grunsherren 34 – Markgraf Burkhard 35 – Preßburg 907 und die Folgen 37 – Siedlungspolitik im Osten nach der Schlacht auf dem Lechfeld 37 – Die Einsetzung der Babenberger zu Markgrafen 40 – Die Politik Heinrichs des Zänkers 41 – Markgraf Heinrich I. und Heinrich, Herzog und König 44 – Königsschenkungen im Grenzraum zu Ungarn 45 – Die Brüder des Markgrafen 46 Ottonische Marken im Vergleich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Grenzorganisation im Südosten und der bayerische Adel 50 – Grafschaft und Mark 50 – Burkhard 50 – Mark an der Mur 51 – Krain 53 – Grafschaft und Mark an der Sann 54 Welcher Ordnung gehören die ottonischen Marken an  ?. . . . . . . . . . . . Universale Ordnung 55 – Gentile Fürsten 55 – Zusammenleben 56 – Lehnsbindung 57 – Tribut 58

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Die Ungarn werden Nachbarn der Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Die ungarische Landnahme 60 – Streifzüge vor 955 60 – Folgen der Lechfeldschlacht 61 – Neuorientierung der Ungarn 63 – Gründung von Martinsberg 64 – Gesetze Stephans I. 66 – Das Ostland nach Preßburg 907 66 – Vermutungen über Wien 67 – Sieg gegen die Ungarn 991 68 – Heirat Stephans mit der bayerischen Prinzessin Gisela 69 – Offensive Organisation gegen Ungarn im Wiener Becken 70 5

Inhalt

Das Königreich Ungarn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Erhebung Stephans zum König 73 – Die Stellung Ungarns zum Reich 74

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Organisatorisches aus der Zeit Heinrichs II. und Stephans des Heiligen.. . 78 Bayerische Einwanderer in Ungarn 78 – Mödling und das Gebiet im Süden Wiens und der ungarische Grenzraum 78 Erste Begegnung mit dem Nachbarn im Norden . . . . . . . . . . . . . . . . Die Rolle Markgraf Heinrichs in der Politik des Kaisers 81 – Grenze zu Mähren 82 – Polenfeldzug Kaiser Heinrichs 1015 und Markgraf Heinrich 83 – Ermordung Kolomans 1012 und die Grenzlage 85 – Kaiser Heinrich II. und das Hinterland der Mark 87 – Adalbert wird Markgraf 87 – Das Problem der Einsetzung von Markgrafen und gentilen Fürsten 88

81

Der Angriff auf Ungarn 1030 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Konfliktfelder – Parteiungen im bayerischen Adel 91 – Der Feldzug 92 – Der Kronprinz und die Friedenspartei 93 Markgraf Adalbert und Ungarn.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehe Adalberts mit einer Schwester Peters von Ungarn 97 – König Peters Herrschaft und Flucht 100 – Erhebung Heinrichs VII. zum Herzog von Bayern 104 – König Abas Feldzug in die Mark 1042 105 – Der Beginn des Heldenmythos der Babenberger als Ungarnsieger 109

97

Bemerkungen zu Böhmen und Mähren in der Mitte des 11. Jahrhunderts . 111 Wirtschaftliche und strategische Organisation im Weinviertel und im Gebiet von ­Nitra 111 – Mährischer und böhmischer Adel 113 – Burgen und suburbia in Böhmen 115 Die Kriege Heinrichs III. gegen Ungarn und die Rückkehr Peters.. . . . . 122 Wichtige Teilnehmer 122 – Zur Bedeutung von Burgen 123 – Die Wiedereinsetzung König Peters 131 – Die ungarische Mark 135 – Das Verhältnis Ungarns zum Reich 137 Ein neuer Nachbar. König Andreas I. von Ungarn. . . . . . . . . . . . . . . 143 Kritische Lage König Peters 143 – Andreas I. wird König von Ungarn 145 – Verhält­­nisse im Grenzbereich zur Mark der Babenberger 145 – Haltung Heinrichs III. 146 – Einstellung der Fürsten im Reich 147 – Herrschaften an der ungarischen Grenze 148 – Wieder­ errichtung der Heimenburg 151 – Die Ungarnfeldzüge Heinrichs III. in den fünfziger Jahren 154 – Herzog Konrad von Bayern unterstützt den ungarischen König 158 – Kämpfe in der karantanischen Mark 159 – Absetzung Herzog Konrads 160 – Kämpfe mit der wachsenden Adelsopposition 160 – Der Kaiser setzt sich durch 164 6

Inhalt

Der nachbarliche Aspekt der geschilderten Ereignisse . . . . . . . . . . .

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Andreas, sein Bruder Béla und die Nachbarn . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwierige Thronfolge in Ungarn 170 – Die Ehe Bélas I. mit Tuta von Vornbach 172 – Die Vornbacher und Pitten 175 – Konflikt zwischen den Brüdern Andreas und Béla 179 – Graf Tietpald und Mödling 179 – Der Ungarn-Feldzug 1061 181 – Pilgerweg durch Ungarn 184 – König Salomon und seine Vettern 186 – Kontakt der ungarischen Thronprätendenten mit Papst Gregor VII. 187 – Ranshofen August 1074 191

170

Der steirische Nachbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ostarrîchi angrenzende Gebiete der späteren Steiermark: Das Mürztal 195 – Südliches »Niederösterreich« gegen Karantanien gelegen 195 – Die Bedeutung Garstens im Grenzgefüge 197

195

Heinrich IV., Leopold II. und der Südosten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Leopold II. und die Thronstreitigkeiten in Ungarn nach 1077 200 – Streit mit Heinrich IV. 200 – Gegner des Königs: Ladislaus I. von Ungarn, Leopold II. und die Vornbacher Grafen 206 – Briefwechsel zwischen Ungarn und Gregor VII. 206 – Bischof Burchard von Halberstadt und seine Rettung durch Ulrich von Windberg  ? 207 – Ekbert I. und Pitten 209 – Pitten als Grenzraum zu Ungarn 214 – Ostarrîchi und die karantanische Mark 216 – Leopold II. im Kreis der Gegner Heinrichs IV. 218 – Gegenkönig Hermann von Salm, seine Gattin Sophia eine Vornbacherin  ? 220 – Die Babenberger und der steirische Markgraf Otakar II. 223 Das Verhältnis zu Böhmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Schlacht bei Mailberg 225 – Unterschiedliche Darstellung der politischen Voraussetzungen 225 – Vorurteile gegen Fremde und Wir-Bewusstsein 226 – Niederlage Leopolds II. 228 – Ausbleibende Folgen der Niederlage 229

225

Leopold III. Tradition und neue Wege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Welf IV. und seine Nachfolger als Herzöge von Bayern 230 – Verhältnis der Babenber­ ger zu den Welfen 230 – Welfische Heiraten in Bayern 232 – Erste Auseinanderset­ zung zwischen Babenbergern und Welfen 232 – Neuorientierung der Politik Leopolds III. 233 – Kremsmünster 1099 233 – Die Ordnung des Passauer Raums nach dem Tod Ulrichs des Vielreichen 1099 234 – Beginn der Eheschließungen zwischen Babenbergern und der Přemysliden 235 Ein böhmisch-mährischer Familienkonflikt in Grenznähe . . . . . . . . . .

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Inhalt

Landesherrschaft und Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Die Babenberger im bayerischen Machtgefüge 241 – Bedeutung der Eheschließung Leopolds III. mit der Salierin Agnes 242 – Die Belagerung von Preßburg 1108 243 – Kontakte zu Heinrich V. nach 1108 247 – Wachsende Gefolgschaft Leopolds III. 247 – Grenzkämpfe mit Ungarn 1118 249 – Kämpfe an der karantanisch-ungarischen Grenze 250 – De Rolle des Erzbischofs von Salzburg in der karantanischen Mark 250 – Leopold III. und die Beziehungen zu Böhmen 251 Leopold IV. und Heinrich II. als bayerische Herzöge und Markgrafen . . . 253 Die Rolle Leopolds IV. im staufisch-welfischen Konflikt 253 – Neuordnung in Bayern 254 – Herzog von Bayern und die Bedeutung der Mark 256 – Zunehmende Schwierigkeiten Heinrichs II. Jasomirgott 257 – Verhälnis von Bayern und Mark 259 – Die Rolle von Verwandten, Freunden und Getreuen im Ringen um die Macht in Bayern 260 – Änderung der Machtverhältnisse 261 – Das Verhalten der Dienstleute der Babenberger 264 – Der Blick der Babenberger nach Westen  : Traungau und Inn 265 – Ein Exkurs  : Was könnte mit dem ius illius terrae gemeint sein  ? 267 Der Fürst, der Adel und der ungarische Nachbar . . . . . . . . . . . . . . . 269 Dynastische Interessen und »Politik« im Land 269 – Beurteilug von Adelsunternehmungen gegen Nachbarn 269 – Ungarische Thronkämpfe in den dreißiger und vierziger Jahren des 12. Jahrhunderts 269 – König Béla II. und der Babenberger »Markgraf« Adalbert 270 – Der ungarische Thronprätendent und König Konrad III. 271 – Heinrich Jasomirgotts Auseinandersetzung mit dem Bischof von Regensburg, Otakar III. und eigenen Dienstleuten 1145 272 – Einnahme von Preßburg 1146 272 – Die Ausweitung des Konflikts: Heinrich II. verliert die Schlacht am Vierfeld gegen König Géza II. 274 – Der Bericht Ottos von Freising über die Ungarn anläßlich der Schlacht 276 Das Privilegium minus, Vladislav II. und Géza II. . . . . . . . . . . . . . . . Die Wende in den Verhandlungen über Bayern 1155/56 283 – Vladislav unterstützt Friedrich Barbarossas Pläne 283 – Barbarossa und Böhmen 284 – Die beabsichtigte Einbeziehung Ungarns in die Ordnung des Reichs 285 – Widerstand des bayerischen Adels 286 – Die Bedeutung des Privilegium minus in der »Politik« Kaiser Friedrichs I. Barbarossa gegenüber Ungarn 288

283

Die nachbarlichen Verhältnisse in den Jahren nach dem Privilegium minus .. 290 Heinrich Jasomirgott, Otakar III. und der ungarische Thronstreit von 1163/64 290 – Verhälnis zwischen Heinrich und Otakar 294 – Die Übernahme der Admonter Vogtei durch Heinrich Jasomirgott 294 – Konflikt mit Steier und Böhmen 1175/76 295 – Grundherrschaften im österreichisch-böhmischen Grenzraum 297 – Hadmar von Kuenring als Lehnsträger des böhmischen Herzogs 299 8

Inhalt

Wie kam es zur Herrschaft der Babenberger in der Steiermark? . . . . . . 301 Die Georgenberger Handfeste 301 – Grundsätzliche Entscheidung Herzog Otakars IV. von Steier für Herzog Leopold V. als Erben der Steiermark 301 – Rechtssicherheit für den steirischen Adel 301 – Die Mitwirkung des Kaisers 302 – Der Vertrag zwischen den Fürsten als enscheidendes Element 303 – Einsetzung der Babenberger als Herzoge von Steier 304 – Alernativen zu den Babenberger als Nachfolger der Otakare in Steier 304 – Die wichtigsten Bestimmungen in der Georgenberger Handfeste 306 Veränderte Nachbarschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Territorien in Mitteleuropa zu Beginnn des 13. Jahrhunderts 312 – Wirtschaftliche Konkurrenz 312 – Grundherrschaften in Ungarn 312 – Deutsche und aragonesische Zuwanderer nach Ungarn 314 – Der Konflikt von 1225 und der Grazer Vertrag 315 Nachbarliche Überfälle. Friedrich der Streitbare . . . . . . . . . . . . . . . 317 Nachbarliche Konflikte im Lichte neuer Siedlungsverhältnisse 317 – Durchlässigkeit der Grenzen 317 – Friedenswahrung und Übernahme der Herrschaft in einem benachbarten Territorium 318 – Aufstand gegen Herzog Friedrich den Streitbaren und Konflikte mit Böhmen 318 – Territoriale Streitigkeiten mit Bayern 319 – Angriff Friedrichs auf die Burg Vöttau 1233 321 – Kämpfe mit Ungarn in Österreich und Steier 321 – Verhältnisse in Ungarn, Spannungen zwischen Andreas II. imd Béla IV. 322 – Adelsopposition gegen Béla IV. 322 – Angebot der ungarischen Krone an Kaiser Friedrich II. 323 – Die Rolle Friedrichs des Streitbaren 323 – Selbständiger Angriff des Babenbergers auf Ungarn und eine Niederlage 324 – Sperre der Güterausfuhr nach Salzburg und Bayern durch Friedrich den Streitbaren 1235 325 – Beschwerden gegen den Herzog 326 – Manifest gegen Friedrich und Absetzung 326 – Vollzug zum Teil durch die Nachbarn 326 – Friedrich der Streitbare und die Mongolenkrise 328 – Niederlage der Ungarn 328 – Erpressungsversuche Herzog Friedrichs 328 – Sein Tod in der Schlacht an der Leitha, das österreichische Interregnum als Grenzproblem 330 Betrachtungen zur Nachbarschaft in der mitteleuropäischen »Staatenwelt«.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur- und Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

Die vorliegende Untersuchung entstand aus dem Plan, eine Siedlungsgeschichte des Herrschaftsgebietes der Babenberger zu schreiben. Das ursprüngliche Vorhaben erwies sich als zu wenig auf Kanten und Entwicklungen fokussiert. Es wurde aber während der Arbeiten der Blick auf die Bedeutung der Grenzregionen und mehr noch auf ihr Hinterland intensiver, das in einer deutlichen Korrespondenz zu den benachbarten Gebieten stand. Daraus ergab sich der Paradigmenwechsel zu einer Nachbarschaftsgeschichte der Mark bzw. des Herzogtums Ostarrîchi/Austria/Österreich. Von Anfang an stieß das Projekt auf das Interesse mehrerer KollegInnen am Institut für Österreichische Geschichtsforschung. Besonders anregend und der Arbeit förderlich waren die Gespräche mit Wolfgang Häusler, Martin Schaller und vor allem mit Paul Herold, der sich dankenswerterweise auch der Mühe des Gegenlesens des Manuskripts unterzog und dem ich einige kritische Überlegungen verdanke. Frau Sonja Lessacher danke ich für informative Gespräche zur ungarischen Geschichte. Der Oesterreichischen Nationalbank und dem Kulturamt der Stadt Wien danke ich für die finanzielle Unterstützung der Forschungsarbeiten. Der Verein für Geschichte der Stadt Wien war so freundlich, den Buchplan als Forschungsprojekt zu übernehmen, wofür dem ehemaligen Präsidenten Dr. Karl Fischer und dem Vorstand herzlich gedankt sei. Ein besonderer Dank geht unbekannterweise an den Gutachter einer vorläufigen Fassung des Manuskripts, der eine Empfehlung für die Förderung des Drucks durch die Österreichische Forschungsgemeinschaft gegeben hat. Sein kritisches, aber positives Gutachten gab in der Zielgeraden der Arbeiten noch einige Anregungen. Meiner Kollegin Adelheid Krah danke ich für die Einladung, ein Spezialproblem aus dem gesamten Stoff gesondert zu behandeln, nämlich den Beginn der sozialen und rechtlichen Angleichung der ungarischen Gesellschaft an die westlichen Nachbarn. Diese Untersuchung wird fast gleichzeitig mit diesem Buch unter dem Titel »Benachbarte Kollektive unterschiedlicher Lebensordnung. Zu den Anfängen der Angleichung der ungarischen Gesellschaft an den lateinischen Westen« erscheinen. Zuletzt gilt mein Dank Herrn Mag.  Gerhard Lindauer, der bei der Literatursuche und -beschaffung in effizienter Weise Hilfe leistete und damit zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat. Klaus Lohrmann im Oktober 2019

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Der Nachbar – der Fremde – der Feind – der Freund Karl-Markus Gauß schrieb am 24. Juni 2017 im Presse-Spectrum, einem Diskussionsund Literaturforum einer österreichischen Tageszeitung  : »Heute weiß ich, dass die Literatur die Kraft hat, uns nicht nur mit dem Ähnlichen, sondern auch mit dem Fremden, dem ganz anders Gearteten auf uns selbst zu bringen.« Was der Schriftsteller Gauß an dieser Stelle über Literatur sagte, gilt aus entwicklungspsychologischer Sicht für viele Begegnungen, die Menschen in ihrem Dasein erleben. Es ist keine großartige Erkenntnis festzustellen, dass sich menschliches So-Sein aus der Verarbeitung von Erfahrungen auf dem Humus der genetischen Voraussetzungen entwickelt. Schwierig und in wesentlichem Maße ideologisch wird die Sache, wenn dieses Modell nachlässig und intellektuell schlampig, wie es oft geschieht, auf Gruppen angewendet wird  : Wir-Gefühl und Gemeinschaftsseele werden zwar oft beschworen, ihre Inhalte sind kaum oder gar nicht definierbar.1 Vielleicht ist sogar die Tatsache wichtiger, dass auch ungeordnete Mengen von Personen erst in der Begegnung mit anderen, meist organisierten Gruppen, selbst als Gruppe entstehen, sich ihrer selbst vergewissern und sich im Vorgang der Begegnung dann verändern. Veränderung geschieht meist dann, wenn Fremdes zum notwendigen Leitbild oder zur Herausforderung wird. Diese mit dem Wir-Gefühl verbundenen, hier nur unzureichend skizzierten Probleme sind der Ausgangspunkt bei der Schilderung der frühen Geschichte einer Gemeinschaft, die seit langem die Etikette »Österreich« trägt. Die Erzählungen und die Wortwahl in Chroniken, Annalen und Urkunden lassen auf die Existenz eines Wir-Gefühls eines Personenverbandes mitunter sogar differenzierte Schlüsse zu. Immer wieder treffen wir auf die »Unsrigen«2, die lateinisch als nostrati bezeichnet werden und sich von den anderen unterscheiden, die zumeist ein kriegerisches Gegenüber sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass es die »Unsrigen« überwiegend mit »fremden« Nachbarn zu tun hatten und mit diesen Begegnungen und Reibungen zum Alltag gehörten. Dieses Buch beschäftigt sich mit den Babenbergern und ihren Nachbarn. Eine der Entwicklungslinien erreicht ihr Ziel, wenn im Herrschaftsgebiet der Babenberger die »Unsrigen« leben und diese sich den Bayern entfremdet haben. Es geht um die Entstehung und Definition von Grenzen und um die Nachbarschaft von Herrschaften, die Fürsten innehaben, die entweder schon Könige sind oder solchen im Laufe der Entwicklung ihrer Herrschaft immer ähnlicher werden. Weniger kompliziert, aber historisch auch weniger kompetent ausgedrückt  : Es geht um die Nachbarschaft von Staaten bzw. 1 Ein Versuch präziserer Definition der Gruppenidentität Grauss, Die Nationenbildung, 15. 2 Eggert, Pätzold, Wir-Gefühl, 15 f.; Buchner, Geschichtsbild, 49 ff.

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Der Nachbar – der Fremde – der Feind – der Freund

Gemeinwesen, die mit den lateinischen Begriffen regnum, provincia, marchia, ja sogar als res publica bezeichnet werden. Grenzen zwischen Höfen (Hofmarken) oder Grundherrschaften sind nicht das Thema dieser Darstellung, soweit sie nicht in der genannten Kategorie an der Grenzbildung beteiligt sind.3 Die Organisation der Grundherrschaft wird in diesem Zusammenhang ein wichtiges Thema sein. Als bedeutendste sozioökonomische Ordnung der fränkischen Gesellschaft spielte sie im nachbarlichen Wettbewerb und vor allem im Prozess der Angleichung von Lebensordnungen eine wesentliche Rolle. Im grundherrschaftlichen Verband wird alles produziert, gepflegt, verteilt, aber auch mit Verkehrs- und personellen Strukturen ausgestattet, um es in den verschiedenen Lebensbereichen effizient zu gestalten. Die Grundherrschaft ist aber auch die grundlegende Einheit der Herrschaftsbildung und daher strukturbildend mit der Adelsgesellschaft verbunden. Ich vertrete nicht den engeren auf Abstammungstraditionen fokussierten Adelsbegriff der Schule von Karl Schmidt, sondern den sehr pragmatischen Zugang Karl Ferdinand Werners,4 den er in seiner Beschreibung des Adels der Merowingerzeit ausgeführt hat. Damit erledigen sich auch einige Missgriffe der »Elitenforschung«, die insbesondere von der tschechischen Forschung in den fünfziger bis achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts geleistet wurden.5 Dieser Ausgangspunkt begrenzt die Bedeutung des Vergleichs der Herrschaftsverhältnisse innerhalb der »großfränkischen« Welt und außerhalb. Es gibt Angleichungsprozesse, die wir in der ungarischen Gesellschaftsentwicklung des 11. bis 13. Jahrhunderts durchaus erkennen können, doch verliefen sie weit weniger dramatisch als manchmal in der Literatur behauptet. Burkhard stand als Markgraf in Ostarrîchi (so erst 996 urkundlich genannt) wohl in den sechziger Jahren des 10.  Jahrhunderts einer Neuorientierung erfolgreicher ungarischer Herrscher gegenüber, die begannen, sich am lateinisch-fränkischen Westen zu orientieren. Auf den folgenden Seiten geht es um die Anfänge dieser Entwicklung6  – um die Möglichkeiten und Ergebnisse jenes Zeitraums in der österreichischen Geschichte, den man die »Zeit der Babenberger« nennt. Ich möchte nicht ein weiteres Buch zur Geschichte der Babenberger vorlegen, sondern die Beziehungen der relevanten Mächte in dem seit 996 als Ostarrîchi nachweisbaren Raum zu ihren Nachbarn darstellen, in ihrer Bedeutung erkennen und den Beginn der Verkettung von Umständen ausloten,7 der zur 3 4 5 6

Brunner, Der fränkische Fürstentitel, 209, zu verschiedenen Bedeutungen von marca – Mark. Werner, Adelsfamilien, 26 und 31 ff. Zuletzt zu dieser überholten Diskussion sehr kritisch Hruza, Die drei »Sizilischen Goldenen Bullen«, 235 ff. Ostarrîchi – Die Entstehung einer historischen Landschaft hat Georg Scheibelreiter diese Anfänge genannt. Zum älteren Gebrauch von Ostarrichi Wolfram, Grenzen und Räume, 220. 7 Mitterauer, Warum Europa  ?, 8, zitiert eine wegweisende Fragestellung Max Webers  : »Welche Verkettung von Umständen hat dazu geführt, dass gerade auf dem Boden des Okzidents, und nur hier, Kulturerscheinungen auftraten, welche doch – wie wenigstens wir uns gerne vorstellen – in einer Entwicklungsrichtung von universeller Bedeutung und Gültigkeit lagen  ?«

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Der Nachbar – der Fremde – der Feind – der Freund

Entstehung einer mitteleuropäischen Großmacht geführt hat, an deren Ausbildung sich im Lichte spätmittelalterlicher Ereignispolitik alle regionalen Mächte beteiligten. Man denke an die Jahrzehnte der von Böhmen her ausgeübten Vormachtstellung der luxemburgischen Herrscherdynastie im 14. und frühen 15. Jahrhundert oder an die kurze Zeit erfolgreicher Bemühungen des Matthias Corvinus, der als ungarischer König versuchte, ein mitteleuropäisches Reich aufzubauen. Man würde aber die Probleme verkennen, begnügte man sich damit, die Beziehungen der Machtgruppierungen in Ostarrîchi und insbesondere der Markgrafen/Herzoge zu den Nachbarn darzustellen. Diese sind zwar detailliert zu behandeln, doch die Frage, in welcher Weise diese nachbarlichen Beziehungen den Charakter der Gemeinschaft oder der Gemeinschaften in dieser Region an der Donau prägten, geht weit über diese Aufgabe hinaus. Die Mark gehörte zumindest bis in die Zeit des Markgrafen Adalbert (1018–1055) einem umfassend organisierten Verband an, der sich aus der großfränkischen Epoche des 9.  Jahrhunderts herleitete und insofern Hegemonie Nachbarn gegenüber beanspruchte, als seine Könige und Kaiser für die Ordnung der Ökumene verantwortlich waren. Römische Rechtsvorstellungen und die damit verbundene Art und Weise der Organisation der Gesellschaft gerieten niemals völlig in Vergessenheit und waren daher auch ein Argument für die Vormachtstellung der fränkischen oder auch sächsischen Imperatoren. Bedeutsamer war jedoch die Vorstellung, dass dieser spezifische Verband mit seinem Kaiser an der Spitze für das Wissen um das Erlösungswerk Christi zu sorgen hatte. Dieses nämlich war der zentrale Inhalt der Missionstätigkeit  : Christus hatte die Menschheit erlöst und die Apostel beauftragt, dieses Wissen unter allen Menschen zu verbreiten. Dieser Hintergrund sollte uns bewusst sein, auch wenn es in einem unspirituellen Zeitalter schwerfällt, dies widerspruchslos zu akzeptieren. Das Wissen um diese Überzeugung hilft aber zu begreifen, dass die römische Kaiseridee in ihrer mittelalterlichen Ausformung nicht auf Weltherrschaft ausgerichtet war, sondern auf die Ausbildung und Erhaltung einer Weltordnung, die durch Christi Willen vorgegeben war. Es ist daher verständlich, dass die Weitergabe christlicher Überzeugung an nichtchristliche Nachbarn kein Element der kulturellen Annäherung, sondern die Grundlage einer derart entstehenden Beziehung war. Die beiden wichtigsten Fragen, aus denen sich der gesamte Bogen an weiteren Problemen entfaltet, sind folgende  : An welchem Punkt der kulturellen und der politischen Entwicklung fand die Formation des »österreichischen« Herrschaftsverbandes statt  ? Um klarzustellen, worum es geht  : Die Babenberger waren Teil des ehemals großfränkischen Kultur- und Herrschaftsverbandes, aus dessen Gesamtheit sich noch neue »politische« Einheiten herauskristallisieren oder abspalten konnten, in dem aber keine Ethnogenesen im Sinne der Völkerwanderungszeit mehr stattfanden.8 Hier auf dem Boden fränkisch 8 Pohl, Das Awarenreich, 295, zählt die Elemente der Herkunftsmythen slawischer Völker auf, die sich deutlich von der regionalen Organisation von Teilen des Karolingerreiches unterscheiden.

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Der Nachbar – der Fremde – der Feind – der Freund

gewandelter römischer Vorstellungen eines Imperiums entstanden keine Völker mehr, sondern regna. Hinter dieser Feststellung steht die Skepsis gegenüber dem Rätsel, dass die Teile des westfränkischen Reiches quellengerecht als regna bezeichnet werden und sich im Osten »Stammesherzogtümer« mit zahlreichen Hindernissen bei der Entstehung eines Wir-Gefühls zur ostfränkischen Einheit zusammenschlossen. Dies soll hier aber nicht diskutiert werden. Anders auf Seiten des slawischen und ungarischen Gegenübers  ; dort fand gleichzeitig die letzte Phase einer gesellschaftlichen Formation statt, die zur Vorherrschaft latei­ nisch-­­fränkischer oder byzantinisch-griechischer Lebensordnungen führte und damit die Überbleibsel einer gentilen Ordnung überwand und letztlich auch in die Formierung von regna mündete. Der Prozess, der hier angedeutet ist, verlief nicht gradlinig. Zweifellos war die Ankunft von Geistlichen und adeligen Personen aus der fränkischen »Welt« für den Wandel in Ungarn von einiger Bedeutung  ; doch zeigt gerade diese Formu­lierung, dass trotz des nachweisbaren Ansehens einiger Persönlichkeiten ­unter den Einwanderern ihre Stellung in der damals in Gang befindlichen Entwicklung der ungarischen Gesellschaft nicht exakt zu beschreiben ist. Bei der Ausstellung der Gründungsurkunde von Martinsberg waren bayerisch-ostfränkische Heerführer (duces) in ehrenvoller Zeugenfunktion anwesend, die als Ankömmlinge galten, wie wir aus der Liste der nobiles advenae Meister Ákos und Simon de Kézas wissen.9 Fraglich bleibt, wie man diese Einwanderer im Vergleich zu den sogenannten Hilfsvölkern beurteilen soll.10 Wenig Klarheit gewinnt man aus dem bekannten Ratschlag Stephans an seinen Sohn, die Gäste gut zu behandeln. Der dort gezogene Vergleich mit der römischen Politik geht auf Cicero zurück und reflektiert nicht die universale Konzeption des zeitgenössischen, mittelalterlichen Kaisertums. Die gute Behandlung der Gäste gehörte jedenfalls nach Stephans Auffassung zu den Tugenden eines Königs. Ferner brachten die Gäste positiv eingeschätzte Fähigkeiten wie ihre Sprache und ihre Sitten mit, aber auch Waffen und erhöhten damit den Glanz des Hofes. Eigentümlich ist die Feststellung, dass sie die auswärtigen Leute von arrogantem Verhalten abschreckten. Meinte Stephan damit die sogenannten Hilfsvölker  ? Jedenfalls gab es am Hof Stephans ein »Vielvölkerverständnis«, das zur ungarischen Ordnung gehörte.11 Zweifellos fällt die Genese »Österreichs« aus der ostfränkisch-bayerischen Mark in eine Art »Achsenzeit«, also in den Zeitraum des gehäuften Auftretens neuer Gruppen innerhalb der römisch-fränkischen Ökumene und der Umformung gentiler Verbände. Religiöse Elemente spielten dabei eine Rolle, waren aber vermutlich nicht die einzige Triebfeder.   9 Diplomata Hungariae Antiquissima, 39 Nr. 5/II  ; Simonis de Kéza Gesta Hungarorum, 187 ff. Györffy, Wirtschaft und Gesellschaft, 174. 10 Die neueste umfassende Studie allerdings schon 1972 erschienen  : Göckenjan, Hilfsvölker. 11 Die berühmte Empfehlung Stephans an seinen Sohn ist auf der Grundlage der ungarischen Organisation und nicht des römisch-imperialen Verständnisses von der Herrschaft über viele Völker zu erklären. ­G yörffy, Wirtschaft und Gesellschaft, 173 (deutsche Übersetzung) und 259 (lateinischer Text).

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Der Nachbar – der Fremde – der Feind – der Freund

Die zweite grundsätzliche Frage betrifft den Träger des gruppenbezogenen Eigenoder Wir-Bewusstseins. Wenn wir die soziale Gruppe namhaft machen, deren Handeln die Entwicklung entscheidend vorantrieb, müssen wir aber auch fragen, ob es bei den Nachbarn ähnliche Verhältnisse, also eine entsprechende Gruppe gab  ? Würde man den oder die Träger eines solchen Bewusstseins kennen, könnte auch das vielfältige WirGefühl einen etwas konkreteren Inhalt bekommen  – nämlich die ausschlaggebende Bedeutung gemeinsamer Interessen. Sie bilden die Grundlagen der Motive für dieses Wir-Konstrukt. Aus der Verbindung von materiellen Motiven und einem noch zu definierenden ideologischen Angelpunkt ergeben sich die propagandistischen Aufgaben, um den Selbstfindungsprozess voranzubringen. Dazu gehört auch  : ältere, störend gewordene Bindungen abzuschütteln – im konkreten Fall  : Bestimmte Gruppen von Machtträgern in der Mark verstehen sich nicht mehr als Bayern. Zur komplexen Frage des ideologischen Angelpunktes  : Es hat wohl Herrschaftsträger und einflussreiche Gruppen gegeben, die es für wünschenswert hielten, dass ihre Freunde und Abhängigen ein Gemeinschaftsgefühl entwickelten, das für die Bewältigung bestimmter Aufgaben nützlich war. Diese Nützlichkeit konnte nur von solchen Leuten beurteilt werden, die eine gewisse Kontrolle über die neuralgischen Punkte der Lebensordnung hatten. Diese »Punkte« bestanden aus Aufgaben und Problemen, die von der Beschaffung von Nahrungsmitteln, über militärische und Siedlungsorganisation reichten und sich wehselseitig beeinflussten. Schließlich ging es um die Erfassung »der letzten Dinge«, also eine gemeinsame, metaphysisch begründete Ordnung des Lebens. Vorläufig wollen wir uns aber auf folgende Frage konzentrieren  : Wer weiß um eine entwickelbare Zusammengehörigkeit, wer fördert sie mit der passenden Auswahl einiger Fakten aus der Fülle der tatsächlichen Geschehnisse. Anders ausgedrückt  : Wer schafft die Traditionen, aus denen das Bewusstsein einer eigenen, kaum verwechselbaren Existenz hervorgeht  ? Träger des Wissens waren die adeligen Grundherren  : Sie organisierten die Produk­ tion, die dafür notwendige Arbeit samt der strukturnotwendigen handwerklichen Tätig­ keit, stellten vermutlich sogar die Verbindungen zu den regionalen und übergeordneten Märkten her12 und fungierten als Träger der Sicherheitsmaßnahmen, die vom Markgrafen, einem Adeligen mit besonderen auf »staatlichen« Traditionen beruhenden Rechten, organisiert wurden. Der Markgraf und der Klerus verkörperten und trugen diese Traditionen. Die adeligen Grundherren nahmen an den Versammlungen, insbesondere den Gerichtstagen teil  : Nach dem einleuchtenden Urteil Otto Brunners wird in diesen Versammlungen die Zusammengehörigkeit der Teilnehmer greifbar.13 Max Weltin spitzte diese Vorstellung zu und beschrieb damit ein fundamentales Charakteristikum einer hochmittelalterlichen politischen Gemeinschaft. Indem der Adel zu diesen Ver12 Kuchenbuch, Abschied von der der »Grundherrschaft«, 31. 13 Weltin, Begriff des Landes bei Otto Brunner, 386.

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sammlungen stieß, konstituierte er die Gemeinschaft.14 Ein wichtiges Element der Konstituierung war die Beziehung, welche die Teilnehmer zum (Gerichts-)Herren der Versammlung, dem Markgrafen, hatten. In einer engen Zusammenarbeit mit den Äbten der Klöster bildete sich im Laufe des 12. Jahrhunderts eine auf den Markgrafen/Herzog ausgerichtete Tradition dieser Gemeinschaft. Dabei handelt es sich um den roten Faden, anhand dessen die hochmittelalterliche Geschichte Österreichs in Abhängigkeit von jener der Babenberger in unterschiedlicher kritischer Distanz bis heute erzählt wird. Verschiedene schriftliche Zeugnisse, die in Göttweig, Melk und Klosterneuburg entstanden, wie etwa Annalen oder die Lebensgeschichte des heiligen Altmann, spielten dabei in einer gewissen Abhängigkeit voneinander programmatische Rollen. Sucht man nun bei den Boemi nach der Gruppe, die für die Herausbildung des Wir-Bewusstseins eine wichtige, vielleicht sogar die entscheidende Rolle spielte, stoßen wir beispielsweise bei Cosmas auf die Bezeichnung der Krieger und der Oberschicht als Boemi.15 Wir werden an einigen Beispielen zeigen können, dass wir diese Schicht in Abweichung von der langjährigen tschechischen Diskussion als Adel bezeichnen dürfen. Eine grundherrschaftliche Organisation adeliger Lebensform ist in Böhmen allerdings erst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts nachzuweisen. Die hochadeligen Burgkastellane wie die Hrabische, die Nachkommen der Brüder Hroznata und Mesko oder die Wrscho­ witze stützten ihre besondere Stellung auf Positionen mit Amtscharakter in Abhängigkeit vom Fürsten.16 Die Organisation des so »verwalteten« Grund und Bodens hatte durchaus Ähnlichkeit mit der in Bayern üblichen Ordnung.17 Trotzdem ist das Machtübergewicht des böhmischen Herzogs/Fürsten gegenüber dem Adel zu beachten, das im Vergleich zur bayerisch-fränkischen Ordnung deutlich hervortritt. Ferner sind böhmische Nachrichten bedeutsam, dass nämlich die Grundherrschaften im österreichisch-böhmischen Grenzgebiet erst im späten 12. Jahrhundert konkurrierend aufeinandertrafen.18 Auch in Ungarn gab es eine Führungsgruppe, die wie in Böhmen in einem direkten Verhältnis der Abhängigkeit vom König stand und interessante Entwicklungen bezüglich ihrer rechtlichen Stellung durchmachte, die später im Einzelnen an ausgewählten Beispielen gezeigt werden sollen. Auch diese einflussreichen Träger von Funktionen (vor allem Gespane = Grafen) sind wohl als Adelige zu betrachten. Simon von Kéza rechnet sie am Ende des 13.  Jahrhunderts natürlich zu den generationes, zu denen auswärtige generationes hinzukamen. Bei den generationes handelt es sich um die im Adel übliche wechselseitige Abhängigkeit von Abstammungsgemeinschaft und Traditionsverband. 14 Als Beispiel der oft in einzelnen Untersuchungen beschriebene und erklärte Personenverband Weltin, Vom »östlichen Bayern«, 205 f., hier 209 f. auch eine Auseinandersetzung mit Schlesinger, Die Entstehung, 180 (Grafschaft als Personenverband). 15 Graus, Die Nationenbildung, 180. 16 Kloss, Das räumliche Bild der Grundherrschaft, 188–198. 17 Unten 115 ff. 18 Hopf, Herren von Nürnberg-Raabs, 121ff.

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Es genügt aber nicht, bloß den Träger des gemeinsamen Denkens und Handelns zu benennen. Es ist auch nach dem Gegenstand der Gemeinsamkeit zu fragen, der Menschen verbindet. Das geschieht in Bezug auf die Landschaft und deren politische Deutung. Die römische Einteilung des Reichsgebietes in Provinzen war auch noch im Hochmittelalter von Bedeutung. Zumindest handelte es sich um eine Auswahl dessen was man davon noch wusste. Ottos von Freising resümierende Schilderung der militärischen Leistung Markgraf Adalberts als Eroberung Oberpannoniens,19 beruht auf einer Abwandlung der spätantiken Einteilung in Provinzen aus der Zeit Karls des Großen. Otto beschreibt damit die Ausdehnung des ostfränkischen Herrschaftsgebietes bis zur Raab mit einem Begriff traditioneller, politischer Geographie. Der Grenzraum zu Ungarn erhielt damit ein identitätsstiftendes Gewicht, das im Heldenmythos Adalberts und seines Sohnes Leopolds zu einem festen Bestandteil der ideologischen Basis für das Eigenverständnis wurde. Damit verschob sich auch der politisch-geographische Schwerpunkt der markgräflichen Tätigkeit von Noricum nach Oberpannonien. Die Interpretation Ottos von Freising legt nahe, dass der Markgraf mit diesem Erfolg für das Reich sich aus dem Macht- und Beziehungsgeflecht des bayerischen Adels zu lösen begann, also diesen Ablösungsprozess einleitete, und damit wird klar, warum Otto erst mit ihm »die Babenberger« ins Licht der Geschichte treten lässt. Peter Csendes urteilte, dass etwa damals, in den vierziger Jahren des 11.  Jahrhunderts, die Sammlung des Adels hinter dem Markgrafen intensiver und häufiger wurde.20 Er – der Markgraf, der »Fürst«, ist der Träger, der Mittelpunkt der späteren Tradition und initiiert in der verbindlichen Erinnerung jene Taten, die den Raum der Gemeinschaft unter seiner Führung erweitern und gegenüber den Nachbarn abgrenzen. Verständlich wird dieser Vorgang aber erst bei Betrachtung der Ausdehnung der adeligen Grundherrschaften, die auf der bayerischfränkischen Seite der Grenzräume die Raumstruktur definierten und formten. Eine weitere wichtige Rolle des Markgrafen betraf das möglichst enge Verhältnis zum König, das ihn über die bayerischen Verhältnisse hinaushob. Da der König während größerer Zeiträume selbst die Herrschaft in Bayern ausübte, bestimmte er häufig die bayerische »Politik« direkt und es fehlte zwischen dem König und dem Markgrafen die herzogliche Zwischengewalt. Zu einer Verselbständigung des bayerischen Adels bestand nicht nur an der Donau eine gewisse Chance, sondern auch in anderen Marken des Südostens – eine in dieser Hinsicht vorbildlich untersuchte Dynastie sind die Eppensteiner in der karantanischen Mark bzw. in Kärnten selbst.21 Wieder sind es der Markgraf und seine Freunde/Gefolgsleute, die in Fragen des grundherrschaftlich organisierten Land19 Ottonis episcopi Frisingensis Chronica VI, cap. 15, 275  : […] Albertus, qui postmodum Marchiam orientalem, id est Pannoniam superiorem, Ungaris ereptam Romano imperio adiecit […]. Anm. 4 Verweis auf den Feldzug Heinrichs III. im Jahre 1044 (Menfö) VI, cap. 32, 298. 20 Csendes, Österreich, Wien und das Reich, 177. 21 Klaar, Eppensteiner  ; Störmer, Früher Adel, 247 ff.; Gänser, Die Mark als Weg zur Macht  ; Krah, Migration nach Südosten, 47.

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besitzes Gegner sein konnten, aber in den Angelegenheiten der Mark meist zusammenwirkten. Um die Sache noch klarer zu sehen, müssen wir über verschiedene den Grund­herren im Sinne von Untertänigkeit nachgeordnete Gruppen von Leuten berichten, die beson­ dere Aufgaben hatten. Es handelt sich um die Meier, Prokuratoren, Ökonomiker, aber auch Inhaber von Ehrenämtern wie Speer- und Schwertträger, die Leuten wie den Grafen von Vornbach und im Rang Gleichartigen besondere Dienste leisteten. Wussten auch diese, wie ihre Herren, um das Ganze  ? Die Antwort ist nicht nur Spekulation. Wir kennen diese Leute aus Zeugenlisten, die anlässlich von Entscheidungen, die meist Besitzstreitigkeiten betrafen, schriftlich niedergelegt wurden. Sie waren auch anwesend, wenn sich Streitfälle zu prinzipiellen herrschaftspolitischen Problemen auswuchsen.22 Bei solchen Versammlungen wurden Urkunden verlesen und der Informationsstand der Anwesenden abgefragt – kurz zusammengefasst, diese Leute wussten in diesen Dingen Bescheid. Ihr Horizont endete nicht an den Wassern der Bäche, die ihre Grundherrschaft von der nachbarlichen schieden. Wir sind wohl mit diesen Betrachtungen in der Mitte der Bevölkerung angekommen. Bedenken wir, dass wir uns sozial schon in der Nähe oder überhaupt schon im Bereich der Zensualen befinden und damit schon über wichtige Schichten der Dörfer und Städte Aussagen machen können. Ahnungslos waren diese Leute gewiss nicht, welchen größeren Verbänden sie angehörten. Das Gebiet der späteren Mark gehörte zu der auf die römische Zeit ­zurückgehenden Lebensordnung der Ökumene. Auch die Vorstellung von einem universalen Herrschafts­ anspruch, der von einem Übergang der römischen Herrschaft auf andere Völker (insbesondere Franken) ausging, war erst in Entwicklung. Gerade in der Zeit Ottos  II. verbreitete sich diese grundlegende Herrschaftstheorie.23 Daher wäre es völlig verfehlt, das Verhältnis des Reichs zu Böhmen und Ungarn im Rahmen einer universalen Ordnung als eines zwischen Partnern auf gleicher Stufe zu verstehen. Dass sich diese neuen Völkerverbände in die ökumenische Ordnung einzufügen hatten, war kein Diskussionspunkt, sondern im Erlösungswerk Christi begründet, das die ganze Menschheit betraf. Es galt auch damals, zumindest bis in die Zeit Markgraf Adalberts († 1055), die christliche Ökumene unter einer universalen, von Gott legitimierten Herrschaft zu einen. Alle partnerschaftlichen Ansätze im Umgang mit neuen Völkern wurden durch diese universale Ausrichtung der Zielvorstellungen begrenzt. Um die Fülle der Faktoren, die bei der Entwicklung der Mark zu einem mitteleuropäischen Machtfaktor eine Rolle spielten, zu ordnen, wollen wir zunächst versuchen, das Ergebnis von 270 Jahren Herrschaft der Babenberger zu analysieren.

22 Störmer, Früher Adel, 148 und 151 zu Prokuratoren und Pröpsten  ; Lohrmann, Herrschaftsverhältnisse, 104, 123 f. und 169 zu maiores oder oeconomici. 23 LMA VIII, col. 944–946 Artikel Translatio imperii von Heinz Thomas.

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Der Ausgangspunkt der Betrachtungen Das Ergebnis der Herrschaft der Babenberger

Der Entwicklungsstand der herrschaftlichen und genossenschaftlichen Verhältnisse in den Herzogtümern Österreich und Steiermark und der Herrschaft Krain lässt sich nach dem Tod Friedrichs des Streitbaren (1230–1246) an den Anstrengungen und Argumenten der um die Nachfolge bemühten Mächte erkennen. Zu diesen verwirrenden Zu- und Umständen gehörte schon der sogenannte Königsreichplan von 1245, an dessen Details wir die beginnende »Verstaatlichung« der Herrschaft der Babenberger erkennen. Auch wenn dieser Plan nicht verwirklicht wurde, zeigt er in einer längeren Entwicklungslinie eine Situation, die sich vor allem aus einer Verkettung politischer Zufälligkeiten ergab. Als Herzog Friedrich der Streitbare am 15. Juni 1246 in der sogenannten Schlacht an der Leitha gegen die Ungarn fiel, überlebten ihn aus dem Familienkreis seine Schwester Margarete1 und seine Nichte Gertrud. Der Herrschaftsverband Friedrichs des Streitbaren umfasste nicht nur Österreich und die Steiermark, sondern auch die Andechser Gebiete in Krain.2 Dieser Herrschaftsverband wird auch im erwähnten Königreichsplan deutlich. Wir werden diesen in manchen Details erhellenden Vorgang gleich näher ins Auge fassen. Die Bedeutung des seit 1246 umworbenen Herrschaftsraums der Babenberger erkennt man daran, dass sich vielleicht mit Ausnahme Kärntens alle Nachbarn an dem Ringen um die Herrschaftsübernahme beteiligten. Auch der Kaiser selbst erhob Ansprüche  : In einem Brief an einen nicht namentlich erwähnten Bischof vom September 1246 behauptete er, dass der ducatus, also das Herzogtum, ihm zugefallen sei (ad nostrum est dominium devolutus).3 Herzog Friedrichs Tod schuf eine unsichere, für manche Betroffene sogar eine bedrohliche Lage. Unter den Klageliedern auf seinen Tod enthält eines ein recht beängstigendes Bild über die Verhältnisse in einer nun in verschiedene Länder zerschlagenen Herrschaft. Das Klagelied ist von einem Admonter Mönch geschrieben. Die Wortwahl des Dichters stimmt an einem wichtigen Punkt mit der Schilderung in den Annalen von Garsten überein, die Ausdrucksweise ist allerdings etwas differenzierter.4 In den Admonter Versen heißt es, dass Österreich allein in Trauer und Asche weinend dasitzt. Hingegen berichtet der Garstner Annalist über die Trauer, die in Österreich und Steier 1 Damals lebte noch Margaretes jüngerer Sohn Friedrich aus ihrer Ehe mit Heinrich (VII). Zur Schlacht und zu Friedrichs Tod Dienst, Die Schlacht an der Leitha, 14 ff. 2 Komac, Od mejne grofije do dežele, 303 f. 3 Schaller, Unbekannte Briefe Kaiser Friedrichs II., 421 f. 4 BUB IV/2 Nr. 1286, hier zitiert Continuatio Garstensis, 598  ; Dienst, Die Schlacht an der Leitha, 14.

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Der Ausgangspunkt der Betrachtungen

herrsche, so als handle es sich um ein Land (quasi terra una), das von seinen Fürsten und Erben verlassen war Das Bewusstsein zweier verschiedener Herrschaftseinheiten war trotz des seit 1198 herrschenden gemeinsamen Herzogs lebendig. In Admont beklagte man das Auseinanderbrechen der Herrschaften und die Übernahme der Herrschaftssitze durch Fremde.5 Der Autor wünschte sich und seinen Zeitgenossen den Erhalt der Einheit von Öster­ reich und der Steiermark. Diese war durch den Tod Friedrichs so gefährdet, dass er meinte, man fühle sich auf den eigenen Besitzungen fremd. Die Steiermark werde gering geschätzt, obwohl sie doch in militärischen Angelegenheiten nicht zurückstehe.6 Lhotsky fasste sein Urteil über die politischen Anspielungen dieser Verse in seiner Quellenkunde zur österreichischen Geschichte zusammen  : »Besonders die erste Klage darf als schöner Beweis für das Zusammengehörigkeitsgefühl der beiden Länder Steiermark und Österreich angesehen werden  : die gemeinsame Angst, voneinander getrennt zu werden.«7 Man sollte aber nicht übersehen, dass der steirische Adel zehn Jahre zuvor seine Selbständigkeit beim Kaiser erbeten hatte. 1237 hatte Kaiser Friedrich II. nach der Absetzung Friedrichs des Streitbaren auf Bitten des steirischen Adels die Einheit der beiden Herzogtümer aufgehoben.8 Die Entstehung des Klageliedes in Admont im Ennstal und die ähnliche aber doch deutlich anders gelagerte Stimmung im Grenzgebiet zu Österreich im Gebiet von Steyr/ Garsten verweist auf einen Grenzraum im Bereich der Herrschaft des älteren Adels im Süden der Mark und in den nördlichen Grafschaften der Steiermark. Dort ­entstanden schon vor der Übernahme der Herrschaft Leopolds  V. in der Steiermark engere Verbindungen, die noch öfter unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden. Die Übernahme der Vogtei über Admont durch Heinrich Jasomirgott 11689 oder die Inter­essen Otakars II. (etwa 1080–1122) im südlichen Niederösterreich10 zeigen, wie im Grenzraum Besitz- und Herrschaftsverhältnisse die Entstehung neuer Einheiten begünstigten. Im Gebiet Garsten/Steyr/Traungau waren damals die Bindungen an Öster­ reich bereits enger, wie man an den Auseinandersetzungen des Wittelsbachischen Herzogs Ludwig I. und Friedrichs des Streitbaren erkennen kann.11 Es ist verständlich, dass man von Admont und letztlich auch noch von Garsten aus auf die Gefahr einer Trennung der beiden Herrschaftsgebiete besonders sensibel reagierte. Man kannte hier offenbar die unterschiedliche Behandlung der beiden Herzog­   5 Klagelied MGH SS 11, 50 Z. 35 (rechte Spalte)  : In diversa spargitur terre dominatus, propriis in sedibus regnat incolatus. Ficker, Friedrich II., 141 f.   6 Klagelied MGH SS 11, 50 Z. 30–34 (rechte Spalte).  7 Lhotsky, Quellenkunde, 235.  8 Hausmann, Friedrich II. und Österreich, 257 und unten 303.  9 Reichert, Landesherrschaft, 137. 10 Gutkas, Der Besitz, 198 ff. 11 Siehe dazu unten 319 f.

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Das Ergebnis der Herrschaft der Babenberger

tümer, die sich vor allem aus der Tatsache ergab, dass das Privilegium minus von 1156 mit seinen ohnehin heikel zu interpretierenden Erbfolgemöglichkeiten nicht für die Steiermark galt. Das Verlangen der steirischen Ministerialen nach Selbständigkeit in der Krise der Jahre 1236–1238 oder die vorübergehende Aufteilung des Erbes Friedrichs des Streitbaren in der Zeit von 1254 bis 1260 zwischen Přemysl Otakar II. und Béla IV. zeigen, dass die Sorgen in Admont zu Recht bestanden. Die Beziehungen zwischen dem Adel in Österreich und jenem in der Steiermark (südlich von Semmering und Wechsel) waren noch nicht so entwickelt, dass die Steirer mit den Österreichern gemeinsame Sache gemacht hätten.12 Etwas weniger konkret, aber für unser heutiges Verständnis deutlicher ausgedrückt heißt dies, dass Österreich und Steiermark noch zu keiner Einheit zusammengewachsen waren. Diese zeitgenössischen Äußerungen widersprechen zum Teil dem Bild, das Karl Lechner vom politischen Erbe der Babenberger gezeichnet hat. Dass aus »der alten kleinen Mark« die »monarchia et terra Austria« geworden war, ist durch die Einzelheiten des Königreichsplans argumentierbar. Dass sich im Süden unter dem gleichen Fürstenhaus die alte karantanische Mark angeschlossen habe, ist zwar nicht unrichtig, verwischt aber die tatsächlich bestehenden Probleme. Dem entspricht die wichtige Beobachtung, dass nur die steirischen Ritter aus dem Pittener Gebiet und aus dem Traungau sich Friedrich dem Streitbaren angenähert hatten.13 Die Ungarn warnte der Dichter des Klagelieds vor den Folgen ihrer Sünde, denn Béla IV. erhob sofort nach dem Tod seines Nachbarn sogar einen Anspruch als Sieger. Hausmann meint, dass der ungarische König die babenbergischen Länder als Kriegsbeute betrachtete.14 Überkommenen Gewohnheiten panegyrischer, politischer Schriftstellerei entsprach es, wenn Friedrich mit den bekanntesten biblischen und homerischen Helden verglichen wurde.15 Die Verbindung zwischen Österreich und der Steiermark war auch dem Garstener Annalisten ein Anliegen, der zum Tod Friedrichs aber, wie wir gesehen haben, differenziert Stellung nahm. Friedrichs Erbe bestand also wie gesagt aus den Herzogtümern Österreich und Steier und der Herrschaft Krain, deren Bestehen als Mark seit 973 nachweisbar ist.16 Die drei Länder bildeten einen durch den Herzog zusammengehaltenen Herrschaftsverband, der 1245 neu organisiert werden sollte. Es ging damals um die Erhebung dieses Herrschaftskomplexes zu einem Königtum im Einvernehmen mit Kaiser Friedrich  II., ein Plan, 12 So die grundlegende Erklärung der Teilung des babenbergischen Erbes Härtel, Böhmens Ausgriff nach Süden, 207. 13 Zum Traungau Weltin, Vom östlichen Baiern, 222 f. 14 Hausmann, Friedrich II. und Österreich, 286. 15 Vgl. auch Juritsch, Babenberger, 673 ff. 16 Stieldorf, Marken und Markgrafen, 121–128. Zu den Anfängen Štih, Erste Erwähnung von Krongut in Krain, 183–192. Entwicklungen neuer Herrschaften seit dem 12. Jahrhundert Komac, Od mejne grofije, 303 ff. (deutsche Zusammenfassung).

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Der Ausgangspunkt der Betrachtungen

der aber scheiterte.17 Der Entwurf zur Erhebungsurkunde ist in der Briefsammlung des Petrus de Vinea, des Protonotars und Kanzlers Kaiser Friedrichs II., erhalten.18 Dadurch kennt man diesen Plan des Kaisers und des Herzogs recht detailliert und erfährt auch einiges über den Entwicklungsstand des Herrschaftskomplexes der Babenberger etwa ein Jahr vor dem Tod Friedrichs des Streitbaren. Erst seit etwa 50 Jahren gehörte die ehemalige karantanische Mark, die Steiermark, zum Herrschaftsgebiet der Babenberger. Zwölf Jahre vor dem Tod des letzten Sprosses der Otakare von Steyr (früher meist als Traungauer bezeichnet) wurde die Mark 1180 zum Herzogtum erhoben. Die Bestätigung der adeligen Lebensordnung in der Georgenberger Handfeste von 1186, die der kinderlose Otakar IV. im Zusammenhang mit dem für die Zeit nach seinem Tod vereinbarten Dynastiewechsel gewährte, stärkte die kollektive Identität des steirischen Adels, die sich von jener des österreichischen Adels unterschied. Die Formierung der steirischen Ministerialität als Machtfaktor ging mit dem Erwachen eines steirischen »Landesbewusstseins« etwa in der Mitte des 12. Jahrhunderts, während der Regierungszeit Otakars III. (1129–1164), Hand in Hand.19 Das Verhältnis dieser zu steirischen Landherren gewordenen Ministerialen zum Kaiser berührt die Nachbarschaftsfrage zu Österreich in besonderer Weise. 1237 kam es nämlich, wie schon kurz erwähnt, zu einer vorübergehenden Separierung der steirischen Ministerialität von der Gemeinschaft mit Österreich. Wir werden bei der Darstellung der steirisch-österreichischen Beziehungen im Lichte der Georgenberger Handfeste und der Übernahme der Herrschaft in der Steiermark durch Leopold  V. dazu Genaueres erörtern.20 Was Krain betrifft, so hatte Herzog Leopold VI. 1229 dortigen Besitz von Heinrich, dem Andechser Markgrafen von Istrien, erworben. Im selben Jahr heiratete sein Sohn, Friedrich der Streitbare, Agnes von Andechs-Meranien. Am 3. März 1232 führte Herzog Friedrich erstmals auch den Titel eines dominus Carniole.21 Unter dem Land Krain verstanden Kaiser und Herzog die Weichselburger-Andechser Besitzungen, die Agnes in die Ehe mit Friedrich dem Streitbaren gebracht hatte.22 Friedrich durfte nach dem Plan von 1245 Krain in ein Herzogtum umwandeln. Als Herzog war angeblich ein Verwandter des Babenbergers namens Anselinus vorgesehen. Über seine Stellung im Land gibt es eine umstrittene, aber recht plausible Hypothese, dass er zu den Andechs-Meraniern gehörte, also zur Verwandtschaft der von Friedrich dem Streitbaren erst wenige 17 Gründe dafür Hausmann, Friedrich II. und Österreich, 274–282  ; Lechner, Babenberger, 294 f.. 18 BUB IV/2 283 Nr. 1265  ; kurz dazu Ficker, Friedrich II., 122 f. 19 Dopsch, Die Länder und das Reich, 280 f. verlegt diese Entwicklung in die Zeit Markgraf Otakars III. (1139/40–1164). 20 Härtel, Böhmens Ausgriff nach Süden, 214, mit Anm. 36. 21 BUB II 132 Nr. 295  ; BUB IV/2, 159 f. Nr. 1120  ; Lechner, Babenberger, 213  ; Levec, Die krainischen Landhandfesten, 250. 22 Komac, Od mejne grofije, 309 in der deutschen Zusammenfassung.

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Das Ergebnis der Herrschaft der Babenberger

Jahre zuvor geschiedenen Agnes von Meranien.23 Noch war Agnes nicht mit Ulrich III. verheiratet, der nach der Eheschließung seit 1248/51 als Herr in Krain nachzuweisen ist und 1256 Herzog von Kärnten wurde.24 Die Gründung eines dem Königreich Österreich untergeordneten Herzogtums Krain sollte diese wichtige Verbindung nach Süden dem geplanten Herrschaftsverband sichern. Wie sollte dieser Herrschaftskomplex nach den Plänen von 1245 organisiert werden und welche Vorteile erhofften sich die Partner  ? Wir müssen von einem Abtausch von Interessen des Kaisers und des Herzogs ausgehen, der durch die zeitgenössischen Nachrichten belegbar ist. Folker Reichert vermutet, dass die Anregung, den babenbergischen Herrschaftskomplex zum Königreich zu erheben, vom Herzog ausging.25 Ihm ging es um die engere Zusammenfassung der Macht in seinem Herrschaftskomplex, dem Kaiser hingegen um seinen Einfluss in den babenbergischen Gebieten. Für die Absichten des Kaisers war es nicht unbedingt notwendig, Österreich und Steiermark zu einem Königreich zusammenzufassen. Mit der Zustimmung zu den Plänen des Babenbergers sicherte er sich gegen die Anwendung der libertas affectandi das Privilegium minus ab  ; also gegen die freie Verfügung des kinderlosen Fürsten über seine Nachfolge. Sie scheint in den Regelungen der Nachfolge im geplanten Königreich nicht mehr auf. Der Entwurf, der auf den Zeitraum zwischen dem 29.  Juni 1245 und Anfang Juli ­ erzogs datiert wird,26 beginnt mit der Feststellung, dass sich der Kaiser den Bitten des H von Österreich und Steiermark bzw. des Grafen (!) von Krain geneigt zeige. Ein B ­ ericht aus Garsten klärt darüber auf, was vor sich ging.27 Herzog Friedrich erhielt bei Gele­gen­ heit einer feierlichen Versammlung am 23. April 1245 in Wien vom Bamberger Bischof Heinrich28 im Auftrag des Kaisers einen königlichen Ring. Dieser Ring war ein Zeichen für das ihm zugesicherte Königreich. Zu Pfingsten, am 4. Juni 1245, gab es ein mit großem Pomp arrangiertes Treffen mit dem Kaiser in Verona. Friedrich der Streitbare erhoffte, die ihm versprochene Königswürde zu erlangen. Doch die Verhandlungen konnten nicht zu Ende geführt werden und die Sache blieb unerledigt liegen  ; ihr ­Abschluss wurde auf künftige Zeiten verschoben. Das Problem, das den Aufschub erforderte, bestand in der Person der Gertrud, der Nichte des Babenbergers. Sie war nicht nach Verona gekommen. Im Mai 1245 hatte nämlich Kaiser Friedrich dem Herzog befohlen, mit Gertrud in Verona zu erscheinen.29 23 BUB IV/2, 283 ff. Nr.  1265, bes. 287 (Anselinus)  ; Hausmann, Friedrich  II. und Österreich, 281 f. mit Anm. 245. 24 Jaksch, Geschichte 1, 394 und 2, 6 Komac, Od mejne grofije, 308 f. 25 Reichert, Landesherrschaft, 375 mit Berufung auf Redlich, Die Pläne einer Erhebung Österreichs, 89. 26 BUB IV/2, 283 ff. Nr. 1265. 27 Continuatio Garstensis 597 Z. 37 ff. 28 Zu ihm Guttenberg, Das Bistum Bamberg 1, 175 f. Hier auch Erwähnung der Ringübergabe in Wien. Heinrich wurde, solange er zur kaiserlichen Partei gehörte, von Papst Innozenz IV. nicht anerkannt. 29 BUB IV/2 275 Nr. 1261.

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Der Ausgangspunkt der Betrachtungen

Der Kaiser nannte die Nichte des Herzogs in diesem Schreiben seine künftige Gemahlin. Durch diese Eheschließung hatte Kaiser Friedrich nicht nur die Möglichkeit, die Länder nach Herzog Friedrichs Tod einzuziehen, sondern er hatte einen zusätzlichen, allerdings etwas problematischen Rechtstitel auf deren dauernde Erwerbung, nämlich die weibliche Erbfolge nach dem Privilegium minus, wenn diese überhaupt in der ursprünglichen Fassung von 1156 stand. Dieser Vorteil aus einer Ehe mit Gertrud für den Kaiser war schwierig umzusetzen, da durch die Bestimmungen des Königreichsplans das Privilegium minus keine Gültigkeit mehr hatte. Zudem war fraglich, ob man die Regelung von 1156 auf Gertrud anwenden konnte. Da Gertrud zu den Schlussverhandlungen in Verona nicht erschien und damit die Ausführung des Plans zumindest aufgeschoben werden musste, erhielt Friedrich der Streitbare als Trostpflaster eine Bestätigung des Minus.30 Es ist nicht auszuschließen, dass damals eine der viel diskutierten Manipulationen am Text der Barbarossa-Urkunde stattfand. An dieser Stelle sei eine Anmerkung erlaubt  : Es gibt zwar keinen eindeutigen Nach­weis, dass der Text des Privilegium minus Verfälschungen enthält  ; doch ist die Überlieferung der Urkunde durchaus problematisch. Ferner scheint es im Lichte der Auseinandersetzung um die Herrschaft in der Mark nach 1246, aber auch schon zuvor, bedenklich, einfach mit rechtshistorischen »Axiomen« vorhandene Zweifel an der Authentizität des überlieferten Textes zu übergehen.31 Einer der am schwierigsten zu beurteilenden Punkte ist die Übergabe Bayerns und des zum Herzogtum erhobenen Österreichs an Heinrich den Löwen und Heinrich Jasomirgott als beneficium – als Lehen. Roman Deutinger analysierte mehrfach die Betrachtung eines Fürstentums als Lehen im 12. und 13.  Jahrhundert. Zum Privilegium minus kommt er zu folgendem Urteil  : »Für die Gleichsetzung eines ducatus mit einem beneficium ist vielmehr das Privilegium minus eines der frühesten Zeugnisse, wenn nicht überhaupt das früheste.«32 Es ist möglich, dass die Barbarossa-Fassung bereits diese Gleichsetzung enthielt. Es wäre aber genauso gut denkbar, dass sie erst im Transsumpt Kaiser Friedrichs II. von 1245 formuliert wurde. Denn die textliche Übereinstimmung zwischen der Fassung von 1156 und 1245 ist nicht bewiesen. Überdies kennen wir die Originale der beiden Urkunden nicht. Die heute als gültig betrachtete Edition des angeblich ursprünglichen Textes basiert auf einer Abschrift, die wahrscheinlich 1249/50 vom Notar Otto von Mödling am Hofe der Gertrud, der Nichte Friedrichs des Streitbaren, geschrieben wurde und in einer Klosterneuburger Handschrift überliefert ist.33 Vorlage dafür könnte das Transsumpt von 1245 gewesen sein  : Immerhin bot diese Fassung damals den neuesten Text. Entscheidend für 30 BUB IV/2 Nr. 1263  ; Lechner, Die Babenberger, 294. 31 Trotz traditioneller Ergebnisse eröffnet klare Einsichten in die Probleme Maleczek, Das Privilegium minus, 103–141. 32 Deutinger, Das Privilegium minus, 182. 33 Maleczek, Das Privilegium minus, 111, hier auch zur Klosterneuburger Handschrift, 929.

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Das Ergebnis der Herrschaft der Babenberger

unsere Bedenken bleibt aber die Tatsache, dass die heute für echt gehaltene Version des Minus s p ä t e r als das Transsumpt entstand. Die Gleichsetzung des ducatus mit einem beneficium könnte erstmals im Transsumpt formuliert worden sein und das wäre 1245 selbstverständlich. Zu bemerken wäre noch  : Die übliche Verknüpfung dieses Detailproblems der Urkunde von 1156/1245 mit Verfassungsfragen des 12. Jahrhunderts im Sinne einer Nutzung der Lehnsideologie für den Aufbau des »spätstaufischen Staates« ist bedeutungsvoll, aber als Entwicklungsphänomen neu zu überdenken.34 Zurück zum Königreichsplan  : Die beiden Friedriche versuchten, mit dem Königreich einen Raum zu schaffen, in dem manche Differenzierungen zwischen Österreich und Steiermark ausgeglichen werden sollten So hieß es nun zur Frage der Nachfolge in der Königsherrschaft  : Friedrichs des Streitbaren Nachfolger sollten nicht durch die Wahl von Geistlichen, Herzögen, Grafen oder anderen Adeligen bestimmt werden, sondern es sollte immer der Älteste ex generatione des Babenbergers folgen. Diese generatio wird dann näher beschrieben als die rechtmäßigen Abkömmlinge des künftigen Königs oder jene seiner Nachfolger. Der Ausschluss von Geistlichen und Adel wurde wohl vom Herzog verlangt, da er ja bereits mit diesen Familien zum Teil schlechte Erfahrungen gemacht hatte und man sieht, dass die allgemeine Entwicklung dahin zielte, den Einfluss der Landherren bei wichtigen Entscheidungen zu stärken.35 Ob mit dem maior natu seu senior als N ­ achfolger der älteste Sohn gemeint war oder der Älteste unter den Überlebenden der generatio, ist nicht mit Sicherheit als Primogenitur zu deuten. Allerdings erklärt der folgende Text, dass mit generatio die legitime Deszendenz Friedrichs bzw. seiner Nachkommen ­beschrieben werde. Oswald Redlich versteht dies als geplante Einführung der Primogenitur in Österreich und Steiermark.36 Die jüngeren Söhne oder Mitglieder der Familie erhielten ihren Besitz vom König zugewiesen. Krone und Weihe empfing der König am Kaiserhof oder durch einen kaiserlichen Bevollmächtigten. Der Ausschluss von Angehörigen der Dynastie von der Nachfolge und des Adels von einer Wahl machte den König von herrschafts­ internen Strukturen unabhängig. Die für das künftige Königreich vorgesehene Lösung war kein besonders zu beachtender Einzelfall, sondern war Ausdruck einer umfassenden Entwicklung, deren charakteristisches Merkmal die Überhöhung des Fürsten über den adeligen Personenverband war. Selbst der im Spirituellen fußende Einfluss der Geistlichkeit brachte die Gewinne aus dem Investiturstreit allmählich ins Wanken. Reinhard Härtel stellte in solchen Zusammenhängen fest, dass Ottokars Herrschaftsstil ab den 1260erJahren zunehmend autokratische Züge erhielt, wogegen der Adel – wie anderswo – die Modernisierung zum »institutionellen Flächenstaat« in dieser Weise nicht mitmachen

34 Deutingers kurze Charakterisierung dieser grundsätzlichen Fragen zeigt die Notwendigkeit einer neuen Analyse recht klar. Deutinger, Das Privilegium minus, 183. 35 Zu diesen wesentlichen Auseinandersetzungen Reichert, Landesherrschaft, 36 f. 36 Redlich, Die Pläne einer Erhebung, 89.

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Der Ausgangspunkt der Betrachtungen

wollte.37 Dass in dieser wahrscheinlichen Entwicklung die neuerliche Zuweisung der Gerichtsbarkeit an den fürstlich/königlichen Machtbereich ein weiteres wichtiges Element darstellt, liegt auf der Hand und zeigt, dass der Gerichtsbarkeitspassus des Privilegium maius, nämlich die Ableitung jeglicher richterlichen Tätigkeit von der Zustimmung des Herzogs, erst eine frühe Phase in dieser Entwicklung war.38 An diesem Punkt der Betrachtung erkennt man, dass eine Entwicklungsgeschichte, die sich an den Einschnitten der dynastischen Ablösen orientiert, den Blick auf sich längerfristig entfaltende Ordnungsfaktoren verstellt. Die monarchia der Könige und Fürsten begann sich in einer besonderen Intensität in der Zeit Leopolds VI. und Friedrichs des Streitbaren auszubilden.39 Bezüglich Přemysl Otakars II. ist in einer der neueren Monographien von seinen »proto-absolutistischen Neigungen« die Rede.40 Die Entwicklung setzte sich also nach dem Tod Friedrichs des Streitbaren fort – man könnte spekulieren, wann dieser Schritt zum Abschluss kam. Begleitet wurde der Vorgang von einer ebenfalls schon lange in Gang gekommenen Umformung der Vorstellung von der kaiserlichen Gewalt, die seit Friedrich Barbarossa betont im Dienste der Kontrolle fürstlicher Macht stand. Der Königmacher Kaiser Friedrich II. ist ein anderer Kaiser als seine Vorgänger im 11. Jahrhundert. Vergleicht man den Herrschaftskomplex des letzten Babenbergers mit ähnlich entwickelten regna der Nachbarschaft, bieten sich dazu aus chronologischen Gründen und solchen, welche die Bindungen zum Reich betreffen, Böhmen und Mähren, aber nicht Ungarn an. Zwei Urkunden aus der Zeit Kaiser Friedrichs II., die geplante Königserhebungen in Burgund und Sardinien schriftlich belegen, sind inhaltlich so fragmentarisch und geradezu dürr, dass ein Vergleich mit dem ausführlichen Königreichsplan gar nicht möglich ist.41 Auch die gerade in den letzten Jahren wieder intensiv diskutierte Sizilische Goldene Bulle vom 26. September 1212 erweist sich isoliert betrachtet als wenig geeignetes Vergleichsobjekt.42 Man muss die späteren Urkunden Friedrichs betreffend die Bestätigung und Erhebung Wenzels I. dazulegen, um den Text der Sizilischen Goldenen Bulle als ausreichende Information zu nutzen. Die Urkunden von 1216 und 123143 müssen bei einem Vergleich des böhmischen Königtums mit dem Königreichsplan für Österreich und Steiermark mit betrachtet werden. 37 Härtel, Böhmens Ausgriff, 228, zur Balance des Landesfürsten Otakar mit dem Adel. 38 BUB IV/2 286  : Ceterum, ut pacem et iustitiam, que sunt regnorum omnium fundamenta possis in predicto regno tuo constantius confovere, presentis tibi privilegii auctoritate concedimus […]. 39 Zu erinnern ist an die Deutung babenbergischer Herrschaft von Lechner, Babenberger, 297. 40 Hoensch, Přemysl Otakar II., 168. 41 Hausmann, Kaiser Friedrich II., 284 Anm. 250 und 251. Für Wilhelm von Baux (Burgund) MGH Const. 2, 65 Nr. 54. 42 Wihoda, Die sizilischen Goldenen Bullen, 121 ff. 43 MGH D Friedrich II. 410–413 Nr. 377  ; Wihoda, Die sizilischen Goldenen Bullen, 217 ff. (Goldene Bulle von Ulm) MGH Const. 2, 189 Nr. 154 vom Juli 1231.

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Das Ergebnis der Herrschaft der Babenberger

Zu vergleichen ist vor allem die Stellung des Königreichs Böhmen bzw. des babenbergischen Herrschaftsbereiches zum Kaiser. Durch die geplante Gründung des Königreichs der Babenberger sollte dem Kaiser und dem Reich nichts an Glanz44 und Rechten entzogen werden. Der Kaiser forderte auch von Friedrichs Nachkommen Treue zum Reich ein und leitete daraus ab, dass die Ehre und das Recht des Imperiums in den Ländern des Babenbergers nicht vernichtet oder geschmälert werden sollten. Der König sollte Krone und Weihe ausschließlich vom Kaiser an dessen Hof oder durch einen von diesem ernannten Beauftragten empfangen. Aus dieser Formulierung wird m. E. die Zugehörigkeit des neuen Königreichs zum Reich deutlich. Auch betreffend Böhmen hob der Kaiser 1212 hervor, dass sich Böhmen seit alters her um das Reich verdient gemacht habe und er dem Přemysl Otakar  I. die von seinem Onkel Philipp gewährte Erhebung zum König vor allem deswegen bestätige, weil er kürzlich Friedrich II. bei der sogenannten Kaiserwahl in Nürnberg oder Naumburg unterstützt habe.45 Im Rahmen der Bestätigung gewährte (concedimus) Friedrich dem böhmischen König und seinen Nachfolgern das regnum Boemie aus Freigiebigkeit ohne finanzielle Gegenleistung. Wer zum König gewählt worden war, sollte vom Kaiser die Regalien empfangen. Der Kaiser und seine Umgebung wussten offenbar noch genau, dass die materiellen Gegenleistungen des neuen böhmischen Fürsten zu den Bindungen zwischen ihm und dem König/Kaiser gehörten. Mit dem Verzicht darauf gewährte der Kaiser dem König zumindest das Gefühl einer gewissen Unabhängigkeit. Im Gegensatz zu den Versuchen Friedrich Barbarossas, in die Wahlgewohnheit der böhmischen Großen einzugreifen, wurde nun die Wahl des böhmischen Königs durch den Adel nur dann bestritten, wenn die Přemysliden in konkreten Situationen darin eine Einschränkung ihres Erbrechtes auf die Krone sahen.46 Trotz aller Vergünstigungen hatten die Könige die Hoftage in Bamberg und Nürnberg aufzusuchen. Die Bindung an das Reich ist auch daran deutlich zu erkennen. Wenzel  I. wurde im Juli 1231 noch einmal von Kaiser Friedrich als König von Böhmen bestätigt. Zuvor leistete er noch zu Lebzeiten des Vaters dem Kaiser einen Lehenseid.47

44 BUB IV/2 285  : Ut tamen ex honore (nämlich aus der Existenz des Königreiches), quem tibi libenter adicimus, nichil honori vel iuri nostri dyadematis aut imperii subtrahatur […]. Hier ist die rechtliche und repräsentative Unverletzlichkeit der Krone und des Reiches gemeint. Görich, Die Ehre, 2 ff. Hervorzuheben ist, dass in dieser Formulierung nicht nur vom Reich, sondern auch von der Krone die Rede ist. Die Krone erlebte um 1200 eine Renaissance ihrer Bedeutung, wie an ihrer Rolle im Herzog-Ernst-Epos oder in der Einfügung des Waisen in die Krone durch Philipp von Schwaben zu erkennen ist. LMA VII col. 624 f. Beginn des Lemma mit der vorletzten Zeile. 45 Wihoda, Die Sizilischen Goldenen Bullen, 95 ff. zum imperator electus. 46 Wihoda, Die Sizilischen Goldenen Bullen, 243 f. Zur Auseinandersetzung mit Friedrich Barbarossa unten 284 f. 47 MGH Const. 2 189 Nr. 154 Z. 27 ff.

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Der Ausgangspunkt der Betrachtungen

Es ist durchaus denkbar, dass die Lehnsbindung ältere Elemente des Bindungsgefüges zwischen dem Reich und dem böhmischen regnum ersetzen sollte. Es ist hier davon die Rede, dass der böhmische König gewählt wurde. Als 1216 der erst elfjährige Wenzel, ältester Sohn Přemysl Otakars I., zum König erhoben wurde, war dafür ausschlaggebend, dass sein Onkel Markgraf Heinrich und die Gemeinschaft der Großen und Adeligen ihn durch eine gemeinsame Willensäußerung mit Zustimmung des Königs wählten. Besonders wurde betont, dass Wenzel der erstgeborene Sohn war.48 Martin Wihoda, der sich eingehend mit den Ereignissen um die Entstehung dieser »Goldenen Bulle von Ulm« beschäftigte, sah auf älteren Überlegungen aufbauend vor allem eine Auseinandersetzung um die Grundlagen der Nachfolgeregelungen  ; sollte das Senioratsprinzip aus dem 11. Jahrhundert angewendet werden, also die Nachfolge des ältesten Familienmitglieds, oder die modernere Primogenitur  ?49 Der König, der hier als Romanorum rex urkundete, übergab das gesamte böhmische Königreich dem Wenzel in seinen Grenzen samt allen Rechten, die dazugehörten, wie sie seine Vorgänger ausgeübt hatten. Dabei wurde von Königen und Herzogen als Vorgängern gesprochen. Es ergibt sich aus den Böhmen betreffenden Ausführungen die Erkenntnis, dass das wesentlich früher unter anderen Umständen entstandene ungarische Königtum auf anderen Voraussetzungen beruht als das böhmische. Trotz der Versuche des 11. Jahrhunderts und einer programmatischen Erklärung Friedrich Barbarossas zu Beginn seiner Regierungszeit, Ungarn enger an das Reich zu binden, wahrte der ungarische König mit seltenen Ausnahmen eine Distanz zum ostfränkisch-deutschen König, die sich deutlich vom Zusammenhang zwischen Böhmen und dem Reich unterschied. Diese hier nur angedeuteten Verhältnisse werden im Laufe unserer Darstellung sorgfältig untersucht werden.50 Welche Schlüsse lassen sich aus der Beobachtung der allgemein angesprochenen Verhältnisse ziehen  ? Der große Herrschaftskomplex der Babenberger umfasste 1246 ein ausgedehntes Gebiet, in dem fast alle ottonischen Marken lagen, die in den neunhundertsechziger und -siebziger Jahren erstmals genannt sind.51 Der gesamte Herrschaftskomplex gehörte zum Reich und zwar in einer Weise, die keiner besonderen Konstrukte bedurfte, um diese Abhängigkeit rechtswirksam und den Zeitgenossen augenfällig zu machen. Die weitere Geschichte des Gebietes zeigt recht deutlich, dass die Nachbarn im Norden und Osten, Böhmen und Ungarn, es in den Auseinandersetzungen mit dem österreichischen Herrschaftskomplex mit einem Teil des Reiches zu tun hatten, was zu »unsymmetrischen« Auseinandersetzungen führen konnte. Allmählich waren dies aber Begegnungen mit einer selbständig erstarkten Macht, die gleichwertig neben den beiden benachbarten Königreichen stand. 48 MGH D Friedrich II. XIV, 2 412 Nr. 377 Z. 11 ff. Hoensch, Geschichte Böhmens, 82. 49 Wihoda, Die Sizilischen Goldenen Bullen, 217 ff., bes. 222. 50 Vgl. unten S. 285. 51 Siehe Näheres dazu unten 46 ff.

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Das Ergebnis der Herrschaft der Babenberger

Im Inneren des Komplexes gab es noch soziale und herrschaftsstrukturelle Disharmonie (Stichwort Steirer und Österreicher), die von den Nutznießern der Gemeinsamkeit mit Sorge betrachtet wurde. Das sorgte für eine auffällige Labilität und führte, wie erwähnt, zu einer vorübergehenden Selbständigkeit der Steiermark in der Krise 1237 und zur Aufteilung des babenbergischen Erbes zwischen Böhmen und Ungarn (1254–1260), was einige Leute wie z. B. Otakar aus der Geul gar nicht schätzten.52 Denn noch im 13. Jahrhundert waren die üblichen Gräuelgeschichten über Ungarn weit verbreitet. 1237 wurden das Eigenbewusstsein und die Selbständigkeit der steirischen Landherren durch die Bestätigung ihrer Privilegien und die Aufnahme in die dicio des Kaisers aktualisiert.53 Bayern war in den letzten beiden Jahrzehnten vor 1246 zu einem manchmal sogar unangenehmen Nachbarn geworden.54 Die angestrebte Lösung Österreichs vom ­Passauer Bischofssprengel seit 1207 müsste auch auf mögliche Zusammenhänge mit der Verselbständigung Österreichs von Bayern untersucht werden. Dabei ist ins Auge zu fassen, dass unter den Angehörigen des Passauer Domkapitels um 1200 nur ein Graf aus der Mark nachweisbar ist. Es handelt sich um Gebhard von Plain und Hardegg, der 1210 als Domherr erwähnt wurde und 1222 Bischof von Passau wurde.55 Sein Vorgänger Ulrich  II. (1215–1221) war einst Protonotar Leopolds VI. In den ausführlichen Darstellungen von Juritsch und Lechner über Leopolds VI. Versuch, ein Wiener Bistum zu gründen, sind die Hinweise auf eine Parallele bedeutsam  ; die österreichischen Klöster wollten nämlich vom Passauer Bischof unabhängig werden. Die Vogteirechte sollte der Herzog ausüben.56 Offensichtlich ging es um eine neue Positionierung der Kirche in den Herzogtümern der Babenberger, an der nicht nur der Fürst, sondern auch die Geistlichkeit interessiert war. Neue Nachbarn gab es im Süden, wo Leopold VI. durch Käufe und Heiratspolitik in Krain und Cordenons/Pordenone Herrschaft und Besitz erwarb. Die Grenze gegen Ungarn verlängerte sich durch den kroatischen Nachbarn unter ungarischer Herrschaft beträchtlich57, und mit den friaulischen Besitzungen geriet der österreichische Herrschaftskomplex in den Wirkungsbereich Venedigs. Das geplante Königreich gehörte weiterhin der zeitgenössisch verstandenen römischen Weltordnung an, eine Vorstellung, die sich in der Zeit Friedrichs II. († 1250) in 52 Ottokars österreichische Reimchronik 1 31 Vers 2315 ff. 53 StUB 2, 462 Nr. 354. Friedrich II. stellt im Zuge seiner Abreise aus den Gebieten Friedrichs des Streitbaren im April 1237 für die Ministerialen und Landleute der Steiermark ein Privileg aus. Der entscheidende Passus lautet  : […] universos et singulos tam ministeriales quam ceteros in eodem ducatu Styrie con(sti)tutos fideles nostros sub nostram et imperii recepimus dicionem. 54 Siehe unten zu den Ereignissen um das Jahr 1225 und dem damit verbundenen Grazer Vertrag S. 313 ff. 55 Oswald, Das alte Passauer Domkapitel, 37 f. mit Anm. 5  ; Tyroller, Genealogie, 123 f. Nr. 22. 56 Lechner, Babenberger, 201 ff.; Juritsch, Geschichte der Babenberger, 383–388, 391, 394 f., 428. 57 Zur Entstehung der ungarischen Herrschaft in Kroatien vgl. Hóman, Ungarisches Mittelalter 1, 35 ff. Ein kurzer Überblick bei Hoesch, Geschichte der Balkanländer, 56 f. Hausmann, Die steirischen Otakare. Kärnten und Friaul, 247 ff. (Friaul).

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Der Ausgangspunkt der Betrachtungen

einem krisenhaften Wandel befand. Trotz des Interesses, das der Kaiser an den Herrschaftsgebieten des kinderlosen Babenbergers hatte, bestimmten vor allem die Absichten Friedrichs des Streitbaren den Text. Die bestehenden rechtlichen Unterschiede zwischen den beiden Herzogtümern wären fast beseitigt, vor allem aber die Bindung des steirischen Adels an den Herzog verstärkt worden.58 Erheblich ist auch die Reihenfolge der rechtlichen Abläufe – zuerst erfolgte die Umwandlung der Territorien in ein Königreich und dann erst die Rangerhöhung des Herzogs zum König.59 Diese Vorgangsweise deutet auf das Vorherrschen einer transpersonalen Vorstellung über die Grundlagen der territorialen Herrschaft, die auch für das Herzogtum galt. Es stellt sich aber die Frage, welche Summe konkreter herrschaftlicher und sozialer Elemente sich hinter der Fassade des Abstraktums »transpersonal« verbirgt. Die bereits dargelegten Vorstellungen von Max Weltin zur prägenden Rolle des Adels bieten dazu einen wesentlichen Zugang. Bei der großen Zahl der Familien der Landherren kann man ihre Tätigkeit auf verschiedenen Gebieten der Organisation oder der Gerichtsbarkeit nur mehr institutionell verstehen. In gleicher Weise stützte sich auch die Herrschaft des Fürsten in geringerem Maße als früher auf in der Wiege erworbene Würden, sondern auf die Zugehörigkeit zu diesem Gefüge aus Organisation, militärischer Leitung und Gerichtsbarkeit nebst einer Fülle von Rechten, die man aus Regalien und Vogteirechten ableiten kann. Diese Denkfiguren prägten neben den »Namen« der Fürsten und Großen die Entscheidungen in der Gesellschaft. Auch für Böhmen gilt, dass diese Art des Königtums nicht dem aus fränkischen Wurzeln erwachsenen deutschen Königtum gleichgestellt werden kann, das man als hegemoniales Großkönigtum bezeichnet hat, da mit ihm traditionell ein Anspruch auf die Kaiserwürde des Westens erhoben wurde.60 In der lateinischen Terminologie gebrauchte etwa der Papst den Begriff regulus – Kleinkönig. Die Voraussetzung für den Gebrauch dieser kritisch gemeinten Bezeichnung bestand dann, wenn sich der ungarische König in Abhängigkeit vom Großkönig begab. So hatte schon Papst Gregor VII. den ungarischen König als regulus bezeichnet.61 Ein später Ausdruck dieser Betrachtungsweise war König Rudolfs I. Entscheidung, Ungarn nach der Ermordung Ladislaus IV. (10. Juli 1290) als erledigtes Reichslehen zu betrachten und seinen Sohn Albrecht I. damit zu belehnen.62 Dabei berief er sich auf das Lehnsangebot Bélas IV. an Kaiser Friedrich II. während des Mongolensturms 1241.63 Wir können also von einer Gleichstellung Ungarns, Böhmens 58 Wichtige Punkte der hier gebotenen beurteilenden Zusammenfassung Reichert, Landesherrschaft, 376. 59 Darauf verwies auch Hausmann, Kaiser Friedrich II., 282. 60 Dazu im Zusammenhang mit unseren Themenstellungen Prinz, Die Stellung Böhmens, 102 ff., bes. 105 mit dem Hinweis auf den von Martin Lintzel geprägten Begriff des »Überkönigtums«. 61 Das Register Gregors VII. 2/1 229 f. Nr. II,70. Brief Gregors an Herzog Géza  : rex subdidit se Teutonico regi et reguli nomen obtinuit  ; Schieffer, Gregor VII. und das Reich der Deutschen, 33. 62 Niederstätter, Die Herrschaft Österreich, 99. 63 Varga, Ungarn und das Reich, 261 ff. Zum Lehnsangebot bes. Anm. 227. Vgl. auch die Bemerkung Nie-

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Das Ergebnis der Herrschaft der Babenberger

und Österreichs ausgehen, die sich unabhängig von der Frage der Zugehörigkeit zum Reich entwickelte.

derstätter, Die Herrschaft Österreich, 424 Anm.  137. Hier ist irrtümlich davon die Rede, dass das Lehnsangebot von Ladislaus stammte (richtig Béla IV.), Kristó, Die Árpádendynstie, 247.

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Die Mark im Herrschaftsgefüge des Reiches und ihre Nachbarn Kehren wir nach diesem Blick auf das Ende der Zeit der Babenberger zum Anfang zurück. Es erhebt sich nun die Frage, wie sich unter dem Einfluss der vielfältigen nachbarlichen Beziehungen und Bindungen aus der von Otto I. wieder ins Leben gerufenen Mark an der Donau ein Herzogtum und schließlich ein Komplex mehrerer Herrschaften entwickelte. Es ist bemerkenswert, dass die Mark der Babenberger in ihren Wandlungen des 12. und 13. Jahrhunderts auch das politische oder biologische Aussterben der Dynastie überstand. Der Adel in Österreich und die nächsten Nachbarn aus dem Traungau und dem Pittener Gebiet spielten bei der Erhaltung des Herrschaftsgebietes eine wichtige Rolle. Max Weltin wies in einer Fülle von Spezialuntersuchungen überzeugend, aber auch suggestiv und doch etwas einseitig nach, dass der Adel das entschei­dende Kollektiv als Träger gemeinsamer Organisation und Unternehmungen war. Zusammen­ fassend stellte er dies in einem Unterkapitel des einschlägigen Bandes der Österreichischen Geschichte »Landesfürst und Adel – Österreichs Werden« dar.1 Doch gab es auch unter diesen Familien und ihren Mitgliedern »unsichere Kantonisten«, ganz zu schweigen von dem Streben des steirischen Adels nach eigener Anerkennung. Wir werden sehen, in welch vielfältiger Weise der Adel an der Ausbildung des Herrschaftskomplexes und dessen Überlebensfähigkeit beteiligt war. Seine allmähliche Loslösung aus dem bayerisch-fränkischen Herrschafts- und Bindungsgefüge ist ebenso bedeutsam wie seine Rolle in den von teilweise militärischen Aufgaben geprägten grundherrschaftlichen Besitzstrukturen. Die Unterschiede zur adeligen oder besser grenzbewachendenkriegerischen Organisation der Nachbarn waren offenbar beträchtlich. Von ungarischer Seite war der Grenzraum als Ödland mit dahinterliegenden künstlichen und natürlichen Hindernissen gestaltet. Da gab es keinen Platz für landwirtschaftliche Tätigkeit. An der böhmischen Grenze erfüllte der Nordwald ebenso die Funktionen von Öde und Verhauen. Grundherrschaftlich ausgerichteter Adel spielte in diesen Gebieten erst später eine Rolle – in Böhmen am Ende des 12. Jahrhunderts, in Ungarn ist diese Entwicklung erst um 1200, also nicht viel später fassbar. Trotz dieser offensichtlichen Bedeutung des Adels in der Mark darf man nicht übersehen, dass er sich über die Aufgaben in der Gefolgschaft des Markgrafen/Herzogs oder seiner jeweiligen meist fürstlichen Gegner definierte. Eine rein militärisch ausgerichtete Betrachtung erfasst diese Aufgaben nicht ausreichend, gerichtliche und davon in gewisser Abhängigkeit stehende vogtrechtliche Tätigkeiten gehörten dazu. 1 Dopsch, Die Länder und das Reich, 218 ff.

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Die Mark im Herrschaftsgefüge des Reiches und ihre Nachbarn

Es erhebt sich die Frage, ob der Markgraf schon 976 über ein derartiges dynastisches Ansehen verfügte, dass eine künftige dramatische Machtentfaltung erkennbar wird. Da zwei Söhne Leopolds wenige Jahrzehnte später als Herzog von Schwaben (Ernst I.) und Erzbischof von Trier (Poppo) höchste Würden innehatten, ist an ihrer wohl traditionsbedingt ausgeprägten Machtstellung nicht zu zweifeln.2 Auffallend spät vollendete ein angeblicher Sohn Leopolds I. 1051 seinen Aufstieg in eine Spitzenfunktion des Reiches als Erzbischof von Mainz. Dieser Erzbischof Leopold, der den Namen seines Vaters trug, wurde von einigen Forschern für einen Babenberger gehalten, die Zuordnung ist möglich, aber nicht mit Sicherheit zu erweisen.3 Sieht man von diesem Leopold ab, weisen aber auch die Würden eines Herzogs von Schwaben und Erzbischofs von Trier auf die außergewöhnliche Stellung der Dynastie hin. Johannes Fried hat aus diesen Verhältnissen eine kühne, aber durchaus diskutierbare Hypothese angedeutet  : Kaiser Heinrich II. dachte einige Zeit vielleicht an einen Babenberger als seinen Nachfolger.4 Den Ausgangspunkt unserer Darstellung bildet die Einrichtung der Mark an der Donau etwa 15 Jahre nach der bekannten Schlacht auf dem Lechfeld gegen magyarische Krieger im Jahre 955. Wohl der bayerische Herzog Heinrich der Zänker und nicht sein Onkel Kaiser Otto der Große († 973) erhob um das Jahr 970 einen Protegé seines damals bereits verstorbenen Vaters Heinrich zu einem Markgrafen. Burkhard  – so hieß dieser Mann, der damals vielleicht schon Burggraf von Regensburg war5 – erhielt damit militärische Aufgaben in einer Grenzmark, die noch Jahrzehnte später bayerische Mark hieß und wohl schon 100  Jahre früher von den dort lebenden Leuten als Ostarrîchi bezeichnet wurde.6 Im Osten der Mark lebte ein gerade im Zerfall befindlicher Stammesverband, der nach der führenden Gruppe Ungarn genannt wurde.7 Etwa 20 Jahre zuvor ist dieser Burkhard erstmals genannt und das in auffälligen Zusammenhängen. Zwischen 947 und 955 förderte der bayerische Herzog Heinrich I., der 2 Lohrmann, Gottinesfeld, 43 ff. 3 Zuletzt vorsichtig Deutinger, Die Familie Markgraf Liutpolds I., 159, gestützt auf Heinemeyer, Erzbischof Liutpold von Mainz, 62 f., der diese Zuordnung im Lichte der schwierig zu interpretierenden Quellen mit zu großer Sicherheit vornimmt. Vgl. auch Deutinger, Babenberger-Spuren in Mainfranken, 69 f. 4 Fried, Der Weg in die Geschichte, 616  ; Lohrmann, Gottinesfeld, 47. 5 Friedl, Die Burggrafschaft Regensburg, 1 und 10. Es stehen mehrere wahrscheinliche Daten der Ersterwähnung des Burggrafen zur Diskussion. Zur Stellung als Burggraf Arnoldus de S. Emmerammo lib. I, 553  : Erat quidam vir ingenuus, Burchardi marchiocomitis et prefecto Ratisbonensis vasallus. Über die Abfolge des Erwerbs dieser Würden können wir aus dieser Information keine Schlüsse ziehen. Zu bedenken ist, dass dieser Text erst in der Zeit Kaiser Heinrichs III. (1039–1055) entstand. Hansy, Frühe Babenberger, 10. 6 In den Annales Altahenses maiores, 28, 32, 35, 57 und 75 wurde die Mark der Babenberger als Boiaria orien­talis marcha bezeichnet. Die erste Nennung der etwa 1070 verfassten Annalen gehört zum Jahre 1041, als auch Markgraf Adalbert als marchio Baioariorum bezeichnet wurde. Zur Ostarrîchi-Nennung von 996 NÖUB 1, 161 ff., 14b. Zu den Anfängen auch Stieldorf, Marken und Markgrafen, 133 f. Zu Ostarrichi im 9. Jahrhundert Wolfram, Grenzen und Räume, 220. 7 Varga, Ungarn und das Reich, 36 ff.

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erwähnte Bruder Ottos des Großen, Burkhards Eheschließung mit einer Dame aus dem Geschlecht der Liutpoldinger. Der bekannteste Vertreter dieser Fürstendynastie war Arnulf der Böse,8 der Wiederbegründer des bayerischen Herzogtums.9 Herzog Heinrich I. war mit Arnulfs Tochter Judith verheiratet und Burkhard mit Judiths Schwester. Ihren Namen kennen wir nicht. Diese Geschichte erzählt Widukind, der auch über die sozioökonomischen Verhältnisse Burkhards zu berichten weiß – dieser sei ein miles ­mediocris substantiae gewesen.10 Es handelte sich also um eine nach Herkunft und Vermögen unauffällige Person, die auf diese Weise in den Kreis führender Machtträger in Bayern aufstieg. Es ist zu vermuten, dass Burkhard in seinem Fortkommen ganz auf Herzog Heinrich angewiesen war. Er wurde sein socius und amicus. Widukind charakterisiert mit dieser nebenbei eingestreuten Geschichte die Verlässlichkeit Herzog Heinrichs gegenüber seinen Partnern. Burkhard verdankte seine Einsetzung zum Burggrafen von Regensburg wohl seiner Schwägerin Judith, der Witwe Herzog Heinrichs I.,11 die Erhebung zum Markgrafen ihrem Sohn Heinrich dem Zänker, der damals schon seine selbständige Herrschaft angetreten hatte.12 Welche Rolle Kaiser Otto dabei spielte, ist nicht klar. Die Forschung hat die ottonische Initiative früher selbstverständlich angenommen, neuerdings wurde fundierte Kritik an dieser Sicht geübt.13 Festzuhalten ist eben, dass Burkhard ein Mann war, der das Vertrauen Herzog Heinrichs  I. und seines Sohnes Heinrichs des Zänkers genoss. Wir werden sehen, dass auch andere Grafen, nämlich im karantanischen Grenzbereich enge Beziehungen zum Zänker hatten. Die »bayerische, östliche Mark« gehörte damals nach landläufiger Einschätzung zu Bayern. In der Zeit der karolingischen Organisation im 9. Jahrhundert bildete das Gebiet östlich von Traun und Enns einen Teil des bayerischen Ostlands, zu dem auch das Awarenreich nördlich der Drau gehörte. Ferner war der gesamte Raum mit Karantanien verbunden.14 Für die lateinische Bezeichnung des Gebietes plaga orientalis war vermut-

  8 Arnulf der Böse war ein Sohn des 907 bei Pressburg gegen die Ungarn gefallenen Liutpold.  9 Reindel, Liutpoldinger 203 f. Nr. 103. Deutinger, Die Schlacht bei Pressburg, 58 ff. 10 Widukindi gesta Saxonum II cap. 36 97  ; NÖUB 1, 202, im Kommentar zur Erstnennung des Babenbergers Leopold als Markgraf charakterisiert Zehetmayer Burkhard als »eher unbedeutenden Adeligen«  ; Scheibelreiter, Die Babenberger, 71. 11 Dies gilt für beide Datierungsvorschläge betreffend die Einsetzung Burkhards 955 oder 960/61  ; Friedl, Die Burggrafschaft Regensburg, 11. 12 Zehetmayer kommentiert in diesem Punkt sehr richtig  : »Aus dieser Stelle (nämlich dem Bericht des Widukind) geht hervor, dass er (Burkhard) dem engeren Umkreis des Baiernherzogs und seines Sohnes angehört hat, was für die Übertragung der Markgrafenwürde an Burkhard eine Rolle spielt.« NÖUB 1, 202. 13 Stieldorf, Marken und Markgrafen, 442 f. Näheres zu diesen Zusammenhängen unten im Abschnitt »Ottonische Marken im Vergleich«. Eine Neuordnung seit den vierziger Jahren, die vor allem von der Entstehung neuer Grafschaften gekennzeichnet ist, beschreibt Schlesinger, Entstehung, 197 f. Hier die bayerischen Betreffe. 14 So Wolfram, Grenzen und Räume 219. Mit Bezug auf die lateinische Bezeichnung plaga orientalis aus dem Jahre 870.

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lich schon die volkssprachliche Bezeichnung Ostarrîchi in Gebrauch.15 Dieses von ­einem Obergrafen im Traungau verwaltete Gebiet verlor nach der bayerischen Niederlage vor Pressburg 907 seine Herrschaftsorganisation, scheint aber als traditionelle Vorstellung von »Raumordnung« dieses Gebiets bis in das 11. Jahrhundert weitergewirkt zu haben. Wie die neuerliche Organisation dieses Raumes zu deuten ist, soll in den folgenden Zeilen kritisch betrachtet werden. Die fränkisch-bayerische Organisation im Raum östlich der Enns mit dem wahrscheinlichen Zentrum an der Traisen verschwand nach der Niederlage gegen die Ungarn 907, als eine große Zahl von Vertretern der bayerischen Führungsschicht fiel. Welche Konsequenzen für den Raum zwischen Enns und Wienerwald daraus folgten, ist umstritten.16 Richtig ist wohl die Annahme, dass eine Fortsetzung der bayerisch-fränkischen Herrschaftsordnung unmöglich war. Die toten Grafen und Bischöfe von 907 hinterließen eine fühlbare Lücke, die wohl eine gewisse Unsicherheit auslöste.17 Das Aussetzen der Herrschaftsorganisation ist auch aus den Bemühungen um ihre neuerliche Einrichtung zu erschließen, die etwa sechzig Jahre später begann. Spurlos ging der Sieg der Ungarn keineswegs an der karolingischen Mark vorüber. Györffy dürfte die Sache zwar ein wenig schematisch, aber doch realistisch sehen, wenn er meint, dass sich zwischen Melk und der Ennsburg bis 970 ein Grenzödland der Ungarn erstreckte. Dass die Ungarn seiner Meinung nach das Gebiet des heutigen Niederösterreichs zu einer ihrer Grenzprovinzen mit Ödland machten, beschreibt die Vorgänge wohl zu umfassend.18 Trotz der veränderten Verhältnisse gab es ehemals untertänige, vor allem bäuerliche Siedler.19 Wir werden diese Frage im Kapitel über die Entstehung der Nachbarschaft mit den Ungarn noch einmal aufgreifen. Infolge der Niederlage der Ungarn 955 am Lechfeld bei Augsburg blieb ihr Siedlungsund Herrschaftsgebiet auf das Karpatenbecken beschränkt und das »Donauland östlich der Enns stand erneut der Herrschaftsbildung von Kirche und Adel Baierns offen.«20 Bekannt sind im Zuge dieser Wiederherstellung von Herrschaftsansprüchen die Bemühungen des Bischofs Pilgrim von Passau, durch »Überarbeitung« älterer Urkunden seine tatsächlichen und angeblichen Besitz- und Herrschaftsrechte aus der Karolingerzeit im Osten in Erinnerung zu rufen und durchzusetzen. Um den Bischof scharten sich auch bayerische Grafen wie Meginhart, Pabo und Markward.21 15 Wolfram, Salzburg, 84, nach einer zeitgenössischen Glossierung von oriens, Morgenland mit oosstrriihi. 16 Näheres dazu unten S. 38. 17 Treffend zusammengefasst, Csendes, Der niederösterreichische Raum, 98 f. 18 Györffy, Der Donauraum, 46 und 47. 19 So etwa Brunner, Die »dunkle« Zeit, 31, mit Hinweisen auf einen bayerischen Nachrichtendienst. Es könnte sich dabei um Zensuale Freisings gehandelt haben. NÖUB 1, 177, censuales in orientali plaga, wie es in der Freisinger Tradition 1315n heißt. 20 Weltin im Kommentar zu nrr. 12–12g im NÖUB 1, 144. 21 NÖUB 1, 144, Nr. 12g. Fichtenau, Zu den Urkundefälschungen, 174 f.

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In diesen Jahren erhielt auch der Regensburger Bischof Wolfgang eine Schenkung Kaiser Ottos II. in der Mark.22 Die Schilderung der näheren Umstände der Landschenkung im Gebiet der Erlauf, der Zustand des dort gelegenen Steinakirchen, die Neuansiedlung der Bayern und schließlich die Erbauung einer Fluchtburg für die Siedler gewähren einen informativen Einblick in die Entwicklung und in die Verhältnisse in der Mark am Beginn der Herrschaft der Babenberger. Steinakirchen war im Verlauf der Jahre zu einem unbewohnten Gebiet geworden. An diesem Ort verschwanden auch die bäuerlichen und handwerklich tätigen Untertanen. Wir wissen nicht, ob dies eine allgemeine Entvölkerung war, die zu einem teilweise bewusst geförderten Grenzödland von Seiten der Ungarn führte.23 Erst Bischof Wolfgang schickte vor 97624 wieder bayerische Siedler an die Erlauf. Zu deren Schutz vor der Bedrohung der Ungarn stimmte Otto der Errichtung einer Burg zu und schenkte dem Bischof den dafür nötigen Grund und Boden. In der schriftlichen Fassung der Zustimmung trägt sie bereits den Namen Zuisila. Sie lag auf einem Hügel am Zusammenfluss der Kleinen Erlauf und der Erlauf und war das Kernstück der Entwicklung der Stadt. Die Gefährdung durch ungarische Kriegsherren ist in weiterem Rahmen nachweisbar. 985 schilderte Pilgrim von Passau ausführlich die Schäden, die er und seine Untertanen (ecclesia sua familia) durch die benachbarten barbarischen Heiden erlitten hatten. Fichtenau nahm mit Bálint Hóman an, dass diese Verwüstungen im Zusammenhang mit dem Aufstand Heinrichs des Zänkers im Jahre 976 standen.25 In diesem Umfeld gewinnt die damalige Einsetzung Leopolds I. einen noch präziseren Sinn. Die Burg Zwisila-Wieselburg wurde auf einem durch die Böschungen der beiden Erlaufflüsse gebildeten Hügel errichtet.26 In der Urkunde heißt es, dass sie zum Schutz der in Steinakirchen erst kürzlich angesiedelten bayerischen Untertanen des Bischofs von Regensburg erbaut wurde. Es handelte sich demnach um eine Flucht- oder Fliehburg, mit einer entsprechenden Aufnahmekapazität für die bäuerlichen und handwerklich tätigen Bewohner. Als strategische Anlage bestand hier schon um 900 ein Hausberg, eine Wallburg oder dergleichen. Beeindruckende Erinnerung an diese Zeit ist ein noch stehender Kirchenbau der ottonischen Zeit, das Wieselburger Oktogon.27 Die Zugehörigkeit der Mark zu Bayern ist nicht mit einer dauerhaften, straff hierarchisch organisierten Struktur im Sinne einer Verfassung zu erklären, sondern mit der 22 NÖUB 1, 205, ff. Nr. 17 = MGH D Otto II. 231f. Nr. 204  ; Kupfer, Königsgut, 92 f., Lechner, Babenberger, 53. 23 So etwa Csendes, Der niederösterreichische Raum, 100. 24 Die Urkunde wurde abweichend vom Datum 14. Oktober 979 schon 976 in Saalfeld ausgestellt. NÖUB 1, 207. 25 Fichtenau, Zu den Urkundefälschungen, 168 und 176, Anm. 79, hier auch der Zusammenhang mit der Urkunde für Wolfgang. 26 Brunner, Herzogtümer und Marken, 169. 27 NÖUB 1, 212 f.; Kupfer, Königsgut, 92 f.

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wachsenden Beteiligung des bayerischen Adels und der Geistlichkeit an der Herrschaftsund Lebensordnung in der Mark. Wie die Grenzorganisation im Allgemeinen, bot auch das Grenzgebiet an der Donau Familien, die nach Ausdehnung ihrer Machtstellung trachteten, gute Möglichkeiten der Entfaltung. Es ist aber für diese Leute bezeichnend, dass sie neben dem Ausbau ihrer Stellung in neuen Siedlungsgebieten der Mark ihre älteren Besitzungen in Bayern als eine Art Rückversicherung weiterhin innehatten und sogar erweiterten.28 Die Babenberger und die Eppensteiner verlagerten ihren Schwerpunkt allmählich in das Markengebiet. Diese Entwicklung bestimmten auch die zugleich oder später zu ihrer Gefolgschaft stoßenden Edelfreien und Dienstleute unterschiedlichster Qualität. Ein frühes Beispiel dafür sind die Haderiche, die nach Meinung Weltins zugleich mit den Babenbergern in die Mark kamen. Die Schwarzenburger im Nordgau gehören wohl zur gleichen Familie.29 Zugehörigkeit und Selbständigkeit eines Gebietes sind daher in dieser Zeit vorrangig durch Studien zum dort ansässigen Adel zu klären, wobei auch das Verhältnis zu anderen Mächten wie dem König oder die Kirchenorganisation gründlich zu analysieren ist. Die erwähnten Passauer Aktivitäten in der Mark setzten einen deutlichen bayerischen Akzent. Die Absichten Pilgrims von Passau griffen allerdings über die Mark hinaus und waren auf die Wiederherstellung der Zuständigkeit für Pannonien gerichtet. Diese zunächst kirchenpolitisch erfüllten Überlegungen gingen wohl mit Bestrebungen zur Herrschaftsbildung im gleichen Gebiet Hand in Hand. Diese Feststellungen weisen uns bereits den Weg, in welcher Weise wir an geeigneter Stelle die allmähliche Loslösung des Markengebietes von Bayern erklären können. Nämlich diesen  : Adelige Grundherren gaben ihren bayerischen Besitz und ihre dortigen Funktionen mit der Zeit oder manchmal auch plötzlich auf und übernahmen Aufgaben als Parteigänger und/oder Gefolgsleute des Markgrafen. Die Übertragung der Würde eines Markgrafen an jene bis heute »Babenberger« genannte Dynastie ist ein wichtiger Punkt in der Diskussion um die Darstellung der Entwicklung der Bindung zwischen Bayern und der Mark. Die Tradition dieser Familie ist wohl einer der Gründe, dass sie bereits in der Zeit Heinrichs II. (1002–1024) höchste Würden im Reich bekleideten. Damit stießen sie erneut in eine Spitzenstellung des über Bayern hinaus einflussreichen Adels vor. Es wäre ein Mangel an Umsicht, die Erlangung der schon erwähnten Würden eines Herzogs von Schwaben oder des Erzbischofs von Trier für jenen entscheidenden Rangvorteil zu halten, der die maßgebende Voraussetzung für die Entwicklung und Etablierung einer unabhängigen Herrschaft war. Immer28 Ein bekanntes Beispiel für diese Vorgangsweise sind die Eppensteiner in Kärnten und in der karantanischen Mark. Krah, Migration nach Südosten, 41  ; Gänser, Die Mark als Weg zur Macht, 97 ff. Dezidiert dazu Störmer, Früher Adel, 244 ff. Auch die Haderiche sollen bereits mit den Babenbergern in den Osten gekommen sein, siehe die folgende Anmerkung. 29 Weltin in Dopsch, Die Länder und das Reich, 225. Zur Frage ihrer Verwandtschaft mit den Edelfreien von Schwarzenburg-Rötz im Nordgau Jedelhauser, Die Edelfreien, 116 ff.

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hin hatten auch die zu Herzögen von Kärnten aufgestiegenen bayerischen Eppensteiner mit Adalbero (1053–1057) einen Bischof von Bamberg aufzuweisen. Leopolds I. Einsetzung zum Markgrafen fällt mit einiger Sicherheit in das bekannte Jahr 976, das zum »roten Faden« der österreichischen Geschichtsschreibung gehört.30 Im Unterschied zur Einsetzung Burkhards war die Übertragung der Grenzorganisation an Leopold I. eine Initiative des Kaisers, nämlich Ottos II., und eine Maßnahme, um die Macht Heinrichs des Zänkers zu beschränken. Die Ereignisse um die Einsetzung des Babenbergers werden nach dem Schema Ursache und Wirkung in folgender Abfolge geschildert  : Karl Lechner prägte die in der österreichischen Forschung vorherrschende Erzählung. Ein missglückter Aufstand Hein­richs des Zänkers im Jahre 976, der von Markgraf Burkhard unterstützt wurde, führte zur Absetzung des Markgrafen und zum Aufstieg Leopolds I.31 Michael Doeberl hat hingegen die Empörung des Zänkers auf die Begünstigung Leopolds durch Kaiser Otto II. zurückgeführt. Diese Ansicht hat dann in etwas verschwommener Weise Riezler übernommen.32 Otto förderte ebenso den wohl mit Leopold verwandten, im Nordgau mächtigen Berthold von Schweinfurt. Die Wirklichkeit dürfte der Auffassung Doeberls näherstehen, allerdings stellt sich die Situation wesentlich komplexer dar, als bisher angenommen. Andrea Stieldorf hält in ihrer Schilderung der »Markenpolitik« Ottos II. lapidar fest, dass die Eingriffe des Kaisers in die Herrschaftsstrukturen des Südostens von Beginn seiner Regierungszeit an noch vor dem ersten Aufstand Heinrichs des Zänkers zu fassen sind.33 Auf dem Reichstag in Worms im Juni 973 scheint das Verhältnis zwischen Herzog Heinrich dem Zänker und dem gerade zur Alleinherrschaft gelangten Otto II. noch ungetrübt gewesen zu sein. Am 27. Juni erhielt Heinrich die Burg oder Burgsied­lung Bamberg, die im Volksfeld in der Grafschaft Bertholds von Schweinfurt lag.34 Berthold erlebte in den vorangegangenen Jahrzehnten einen beträchtlichen Zuwachs an Macht durch die Einsetzung als Graf im Volksfeldgau, dem Radenzgau und schließlich im Nordgau.35 Intervenientin bezüglich Bambergs war Ottos Mutter Adelheid, die als Förderin der Interessen der bayerischen Liudolfinger galt und damit auch des verbliebenen Einflusses des alten bayerischen Herzogshauses, der Luitpoldinger. Offensichtlich er30 Ein wichtiges Indiz dafür ist die Mettener Urkunde, in der Leopold am 21.  Juli erstmals als Markgraf genannt wird. NÖUB 1, 200, Nr. 16b = MGH D Otto II. 149 Nr. 133. Zur Bedeutung dieser Schenkung Brunner, Herzogtümer und Marken, 101. 31 Lechner, Die Babenberger, 36. 32 Doeberl, Entwicklungsgeschichte 1, 124  ; Riezler, Geschichte Bayerns I/1, 557. Vgl. dazu auch Handbuch der bayerischen Geschichte 1, 297. 33 Stieldorf, Marken und Markgrafen, 445. 34 MGH D Otto II. 53 Nr. 44 und Regesta imperii II/2 Nr. 622. Zu Berthold und Bamberg Seibert, Adelige Herrschaft, 847. 35 Seibert, Adelige Herrschaft, Kartenskizze 845.

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wartete der junge Otto Unterstützung seiner Politik von dieser Seite. Zur Förderung dieser Gruppe gehörte auch eine ausgedehnte Schenkung an Bischof Abraham von Freising in Krain, über die am 30. Juni eine Urkunde ausgestellt wurde.36 Doch schon eine Woche später wurde Sand im Getriebe sichtbar. Am 4. Juli 973 starb der berühmte Bischof Ulrich von Augsburg.37 Um seine Nachfolge entbrannte ein verlogenes Ränkespiel. In der Vita des verstorbenen Bischofs wird berichtet, wie zugunsten Heinrichs, des Sohnes des Grafen Burkhard, in die Nachfolgeregelung gegen die Wünsche des Augsburger Domkapitels eingegriffen wurde.38 Den Rat zu diesem Ränkespiel gab der schwäbische Herzog Burchard II., dessen Gattin Hadwig eine Schwester Heinrichs des Zänkers war. Gerhard, der Autor der Vita Bischof Ulrichs bezeichnet diese Hadwig als Tochter der Judith, der Witwe des bayerischen Herzogs Heinrichs I. (Bruder Ottos des Großen). Diese wiederum war, wie erwähnt, über ihre namentlich unbekannte Schwester eine Tante des künftigen Augsburger Bischofs Heinrich.39 Diese verwandtschaftlichen Zusammenhänge bilden den Kern des politischen Kreises um Heinrich den Zänker, der seine Macht ohne Rücksicht auf die Interessen Ottos II. auszuweiten suchte. Die Anhänger des künftigen Bischofs Heinrich behaupteten, der Kaiser sei mit dieser Nachfolgeregelung einverstanden. Der schlecht oder gar nicht informierte Otto II. stimmte Ende September 973 nach einigen Tagen Bedenkzeit und wohl auch mit wachsendem Ärger dem Fait accompli zu. Als der schwäbische Herzog Burchard im November 973 starb, folgte ihm Otto, ein Enkel Ottos des Großen und Sohn Liudolfs, der 954 das Herzogtum Schwaben als Initiator eines Aufstands gegen den Vater verloren hatte. Damit endete der Einfluss Heinrich des Zänkers auf Schwaben.40 Ausführlich berichtet schließlich der Niederaltaicher Annalist zum Jahre 974 von Beratungen Herzog Heinrichs des Zänkers und Bischof Abrahams mit den böhmischen und polnischen Fürsten Boleslaw und Mieszko mit dem Ziel, Otto II. zu stürzen.41 Der Aufstand Heinrichs des Zänkers 976 war keine Überraschung für Otto II. Konsequenzen aus den bayerischen Verhältnissen hätte der Kaiser bereits 973 und 974 ziehen können. Offenbar überzeugten ihn erst die Ereignisse von 976 von der Gefährlichkeit der Lage. Tatsächlich dürfte Leopold I. erst 976 anstelle Burkhards eingesetzt worden sein. Abgesehen von den Anhaltspunkten, die wir aus der erwähnten Mettener Urkunde dafür gewinnen, gibt es keine klaren Beweise für einen solchen Verlauf der Ereignisse. 36 MGH D Otto II. 56 Nr. 47. Vgl. dazu unten 53. Zu Abraham Reindel, Luitpoldinger, 221 und 253. 37 Uhlirz in Allgemeine deutsche Biographie 39, 215 ff.; Bölling in NDB 26, 582 f. 38 Gerhardi Vita S.  Oudalrici cap.  28, 415  ; Reindel, Luitpoldinger 204 Nr.  102. Auch die genealogische Einordnung Bischof Heinrichs von Thomas Zotz, LMA 2, col. 941 (Artikel Burchard II.) deutet in diese Richtung. 39 Gerhardi Vita S. Oudalrici cap. 28, 415  ; NÖUB 1, 202 (Kommentar zu 200 Nr. 16b  : Mettener Urkunde). 40 Zu diesem Einfluss Zotz, LMA 2, col. 941 (Artikel Burchard II. von Schwaben). 41 Annales Altahenses maiores 12 zum Jahr 974. Uhlirz, Jahrbücher Otto II. und Otto III., 54, mit einer Fülle weiterer Quellen in Anm. 17.

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Ein wenig bedenklich könnte die Tatsache machen, dass der Annalist aus Niederaltaich zum Jahre 976 über die Einsetzung Ottos von Schwaben zum neuen Herzog von Bayern berichtet, über den Wechsel in der Mark aber schweigt.42 Karl Brunner gab zum Eingreifen des Königs in die Verhältnisse einer Mark eine wichtige allgemeine Erklärung  : Der König stellte nämlich neben den Herzog königliche Amtsträger, die aus jenem Teil des Adels kamen, der in Konkurrenz zum Fürsten (Herzog) stand. Die Marken dienten nicht nur zur äußeren Verteidigung, sondern auch der inneren Sicherung der königlichen Politik.43 Ein solcher Fall lag mit einiger Sicherheit in Bayern vor. Zugespitzt können wir urteilen, dass Burkhards Stellung sich eng an den bayerischen Herzog anlehnte, hingegen der Babenberger zu den Stützen Ottos II. zählte – wir werden in der folgenden Erörterung sehen, wie es mit den Beziehungen zum neuen bayerischen Herzog stand. Nach dem missglückten Aufstand flüchtete Heinrich der Zänker nach Böhmen. Als Folge einer neuen Niederlage 977 wurde er dem Bischof von Utrecht zur Bewachung übergeben und damit für einige Jahre bis zu seiner Flucht im Jahre 985 aus dem Verkehr gezogen. Der 976 zum Herzog in Bayern eingesetzte Otto war ein Enkel Ottos des Großen und lebte bis 982.44 In den sechs Jahren seiner bayerischen Herrschaft kam es vereinzelt zu einem Zusammenwirken mit dem Markgrafen Leopold I. So intervenierten sie 977 gemeinsam beim Kaiser zugunsten Pilgrims des Bischofs von Passau.45 Aus diesen vereinzelten Nachrichten lassen sich keine Schlüsse auf das Verhältnis der beiden Fürsten im Sinne einer Ober- und Unterordnung ziehen. Entscheidend war für beide wohl ihre konfliktfreie Beziehung zu Otto  II. Allerdings wurde 977 eine Angelegenheit entschieden, die für die Organisation des Grenzgebietes von Bedeutung war. In der Sache ging es nämlich um die Schenkung der Ennsburg an Bischof Pilgrim. Der Kaiser reagierte damit auf die Klagen des Bischofs, dass Passau durch die Unruhen in Bayern, die Angriffe der Slaven und anderer Feinde schwere Schäden erlitten habe. Die Ennsburg lag im Traungau, wo Markgraf Leopold die Grafschaft innehatte. Leopolds Verfügungsgewalt erstreckte sich also insgesamt auf einen erheblichen Teil Bayerns, der sich vom Hausruck nach Osten erstreckte, wobei wir die Ostgrenze nicht mit Sicherheit angeben können, sie aber am Westrand des Wienerwaldes annehmen. Anders stellten sich die Dinge dar, als Heinrich der Zänker nach dem Tod Ottos II. die Freiheit erlangte, sich Ende Juni 985 mit den Kaiserinnen Adelheid und Theophanu versöhnte und wieder zum Herzog von Bayern eingesetzt wurde.46 Die Minderjährigkeit Ottos III. gab dem Zänker für verschiedene politische Manöver Spielraum. Nach dem 42 Annales Altahenses maiores, 13. 43 Brunner, Oppositionelle Gruppen, 187 f. 44 Handbuch der bayerischen Geschichte 1, 300 f. 45 NÖUB 1, 133 ff., Nr. 12d und 136 ff., Nr. 12e. Kommentar 147 f. 46 Regesta imperii II/3 Nr. 969 l.

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neuerlichen Scheitern als Kandidat für die Königswürde baute er zielstrebig seine Macht als Herzog von Bayern aus. Dies hatte unmittelbare Auswirkungen auf das Verhältnis von Herzog und Markgraf. Am 30. September 985 intervenierte Heinrich der Zänker zusammen mit dem dama­ ligen Herzog von Kärnten, der als Herzog von Bayern sein Vorgänger gewesen war, zugunsten Pilgrims des Bischofs von Passau. Die ebenfalls intervenierende Theophanu, Mutter des fünfjährigen Ottos III., hatte die Regentschaft für das Kind inne. Die in der Urkunde geregelten Angelegenheiten betrafen Passauer Gefolgsleute und Untertanen in der Mark Leopolds  I.47 Die als ingenui bezeichneten Leute, die sich wegen des Mangels an Dienstleuten als coloni auf den passauischen Gütern angesiedelt hatten, waren offenbar Freie. Bedeutsam ist die Entscheidung, dass diese passauischen freien Kolonen künftig von der districtio (Ausübung der Gerechtsame) der königlichen Amt- bzw. Dienstleute frei waren. Die im Einzelnen nicht genannten Abgaben und Dienste sollten künftig dem Vogt des Bischofs von Passau zustehen. Wenig später wurde auf einer Gerichtsversammlung Heinrichs des Zänkers in Leo­ polds Mark von Bischöfen und Grafen das Thema wieder aufgegriffen und die Verhältnisse durch die im Grenzgebiet lebenden Leute vielleicht sogar in rechtlich verbindlicher Weise festgehalten. Diese wurden nämlich zu den bestehenden Rechten und Abgabenverhältnissen in der Art eines Weistums befragt. Dabei werden die allgemeinen Formulierungen in der Urkunde von 985 verständlicher. Was künftig dem Passauer Vogt zu überlassen war, waren die dem Markgrafen zustehenden Geschenke und Abgaben, Reise- und Übernachtungskosten und sonstige Dienste.48 Absicht und Folgen dieser Beratungen und Entscheidungen schätzte Stefan Weinfurter sehr klar ein  : »Das im Diplom Ottos  III. (30.  September 985) zugesicherte Recht wurde also zur Anwendung gebracht, und es kann kein Zweifel bestehen, dass dies durchaus im Sinne des bayerischen Herzogs war, dem es offenbar um eine Beschränkung der Rechte des Markgrafen ging.«49 Damit wird die Grundlinie des Verhältnisses zwischen Herzog und Markgraf in der Zeit Heinrichs des Zänkers deutlich sichtbar. Solange der Zänker lebte, machten die Machtverhältnisse es möglich, dass er die Position, die Leopold nach den Vorstellungen Ottos II. ausfüllen sollte, unterlief und schwächte. Diese Schlussfolgerung führte in konsequenter Verfolgung des Grundgedankens zu der keineswegs überzogenen oder überraschenden Aussage, dass sich Leopold I. auch nach der Rückkehr des »Zänkers« in seiner Stellung behaupten konnte.50 Selbstverständlich war das wohl nicht  !

47 NÖUB 1, 139 ff., Nr. 12 f.; Regesta imperii II/3 Nr. 977  ; Uhlirz, Jahrbücher Otto II. und Otto III., 473 f. Handbuch der bayerischen Geschichte 1, 301. 48 NÖUB 1, 142, Nr. 12g. 49 Weinfurter, Die Zentralisierung der Herrschaftsgewalt, 252. 50 Handbuch der bayerischen Geschichte 1, 306.

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Hinzuweisen ist auf eine grundlegende Tendenz in der Ausübung der Herrschaft Heinrichs des Zänkers  – die Ausweitung und verbesserte Effizienz der herzoglichen Herrschaft in Bayern. Sie kommt am besten in den sogenannten Ranshofener Gesetzen zum Ausdruck und beinhaltet auch eine erstaunlich straffe Unterordnung der Grafen unter den Herzog. Man kann daraus Schlüsse auf das Verhältnis zu den Markgrafen ziehen, die, wie wir gesehen haben, auch in anderen Quellen erkennbar werden. Wenn die Ranshofener Gesetze wohl auch normatives Programm waren, können wir ihre Zielsetzungen auch in konkreten Entscheidungen in Einzelfällen feststellen.51 Für die künftige Gestaltung des Grenzraums gegen Ungarn wurde ein siegreicher Feld­zug Heinrichs des Zänkers im Jahre 991 bedeutungsvoll, da nun das »System Mark« mit seinen offensiven und defensiven Strategien an den Ostabfall des Wienerwaldes ins Wiener Becken vorrückte.52 Am 10. Juli 994 starb Markgraf Leopold an den Folgen eines Pfeilschusses, der seinem Verwandten Heinrich von Schweinfurt zugedacht war.53 Bei einem Gütertausch zwischen Otto III. und dem Bischof Gottschalk von Freising ist am 16. August 995 erstmals davon die Rede, dass genannte Besitzungen, aber auch die Kremsburg in der Mark und in der Grafschaft des Grafen Heinrich lagen.54 Für diesen Tausch intervenierte noch Heinrich der Zänker in den letzten Tagen seines Lebens. Er starb am 28. August 995 in Gandersheim.55 Der Intervenient vom 16. August könnte aber auch sein Sohn Heinrich als bayerischer Herzog der Vierte gewesen sein. Heinrich  IV. übte nämlich schon zu Lebzeiten des Vaters eine Mitregierung aus.56 Was wissen wir über das Verhältnis der beiden Heinriche, des bayerischen Liudolfingers und des Babenbergers  ? Die urkundlichen Nachrichten über die Tätigkeit des Herzogs in der Mark sind hinsichtlich der Frage nach dem Verhältnis zum Markgrafen wenig aufschlussreich. Die Unterstützung des Freisinger Bischofs beim Erwerb der Besitzungen in Neuhofen/Ybbs als Petent entspricht dem, was man vom bayerischen Herzog erwarten konnte.57 Bei dieser am 1.  November 996 ausgestellten Urkunde handelt es sich um jenes Diplom, in dem die Bezeichnung Ostarrîchi für die Mark der Babenberger erstmals urkundlich nachgewiesen ist. Am 29. April 998 intervenierte Herzog Heinrich für einen verdienstvollen Gefolgsmann namens Engilrich, der sich anlässlich Kaiser Ottos  III. Romzug ausgezeichnet hatte. Vor dem Abmarsch nach Italien könnten Herzog Heinrich IV. und 51 Weinfurter, Die Zentralisierung der Herrschaftsgewalt, 258 f.; Brunner, Herzogtümer und Marken, 84 f. 52 Lechner, Babenberger, 47  ; Györffy, König Stephan, 85, mit etwas problematischen Ausführungen  ; siehe aber unten 79. 53 Lechner, Babenberger 54  ; BUB IV/1 Nr. 554. 54 NÖUB 1, 160 f., Nr. 14a. 55 Handbuch der bayerischen Geschichte 1, 303, Anm. 4. 56 Handbuch der bayerischen Geschichte 1, 303. 57 NÖUB 1, 162, Nr. 14b.

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Engilrich in Auseinandersetzungen mit den Ungarn eingegriffen haben, worauf wir noch in anderem Zusammenhang zurückkommen werden.58 Am selben Tag erhielt auch der Herzog selbst eine Landschenkung im heute niederund oberösterreichischen Grenzgebiet nördlich der Donau.59 Aus diesen Vorgängen dürfen wir schließen, dass Herzog Heinrich Interesse an den Angelegenheiten in der Mark hatte und persönlich in manche Konflikte eingriff. Der Spielraum des Markgrafen könnte dadurch etwas eingeschränkt gewesen sein. Wir wissen nicht, wie eigenständig der Markgraf und der entstehende Personenverband in der Mark handeln konnten, doch dürften die bayerischen Herzoge in der Lage gewesen sein, beträchtlichen Einfluss auf diese auszuüben.60 Herzog Heinrich wandte seine Aufmerksamkeit den östlichen Gegenden zu, da seine Schwester Gisela vermutlich seit 996/97 mit dem späteren ungarischen König Stephan verheiratet war.61 Diese Voraussetzungen änderten sich 1002 mit der Erhebung Herzog Heinrichs zum ostfränkischen König. Die neuen Konstellationen ermöglichten es den Söhnen Leopolds I., ihr Potential an Macht, Repräsentation und Tradition auszuspielen. Markgraf Heinrich erhielt am 1. November 1002, bald nach der Wahl des neuen Königs, die erste Königsschenkung, die an die Babenberger kam.62 Das Gebiet lag östlich des Wienerwaldes zwischen den Flüssen Dürrer Liesing und Triesting und diente wohl der Entwicklung der Infrastruktur für mögliche Auseinandersetzungen mit den östlichen Nachbarn, den Ungarn. Ich glaube nicht, dass der primäre Grund für die Schenkung in einer Belohnung für den Markgrafen zu suchen ist, die sich dieser bei der Wahl des bayerischen Herzogs zum König verdient hatte.63 Dieser Umstand kann zwar eines der Motive gewesen sein, wichtiger scheint mir aber, dass der Babenberger mit dieser Gebietsschenkung an einer neuralgischen Stelle des Grenzlandes strategische und materielle Entwicklungsmöglichkeiten erhielt. Ob die nördlich der Donau liegenden Güter zwischen Kamp und March, die zu gleicher Zeit an den Markgrafen geschenkt wurden, dabei eine bestimmte Aufgabe erfüllten, wissen wir nicht  ; denkbar wäre ein solcher Zusammenhang. Wenn wir auch die Bedeutung der Königsschenkungen kaum realistisch beurteilen können  – dazu ist unser Wissen über die materiellen Verhältnisse dieser Zeit viel zu gering – bleiben doch die topographischen Fakten der Schenkung von 1002 bedenkens­ wert.64 Markgraf Heinrich konnte an den Ausbau der Grenzsicherung gehen. Eine grö58 NÖUB 1, 225 ff, Nr. 19a mit einem Kommentar zu Engilrich, 231  ; Dienst, Osterriche, 8. 59 NÖUB 1, 227, Nr. 19b  ; ausführlich zum Inhalt Dienst, Osterriche, 5 ff.; Merta, König, Herzog, 115 f. 60 So Zehetmayer in seinem Kommentar zu den Urkunden Nr. 19 in NÖUB 1, 232, mit dem wichtigen Hinweis auf Merta, König, Herzog, 113 ff. 61 Boshof, Gisela, 94. 62 NÖUB 1, 253 f., Nr. 21  ; Kupfer, Königsgut, 105 f., ders., Frühe Königsschenkungen, 70 ff. 63 Csendes, König Heinrich II., 4 f. 64 Kupfer, Frühe Königsschenkungen, 71  ; Feigl, Bedeutung und Umfang, 53  ; zuletzt Lohrmann, Gottinesfeld, 49 f.

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ßere Selbständigkeit des Markgrafen wurde vor allem durch die Tatsache begünstigt, dass es über Jahre keinen Herzog von Bayern gab und König Heinrich im regionalbayerischen Raum nur begrenzte Wirksamkeit entfalten konnte. Eine bloße Betrachtung der Situation in der Mark nimmt allerdings nur einen Teil der bemerkenswerten, vielleicht sogar außergewöhnlichen Karrieren von Heinrichs Brüdern ins Blickfeld. Poppo, der kurz vor 1015 wohl unter Mitwirkung Heinrichs II. zum Propst des Bamberger Domkapitels gewählt oder erhoben und 1016 Erzbischof von Trier wurde, stand unter den Brüdern dem Kaiser am nächsten. Einige Schwierigkeiten bietet die Feststellung des Jahres, in dem die Hochzeit seines Bruders Ernst mit Gisela, der späteren Gattin Konrads II., stattfand. Ernst wurde 1012 nach dem Tod von Giselas Bruder Hermann III. Herzog von Schwaben. Die Eheschließung fand wahrscheinlich 1010, vielleicht sogar etwas früher statt. Das wichtigste Argument dafür ist das Alter des älteren Sohnes aus dieser Ehe  : Ernst II. erhob sich 1025 zum ersten Mal gegen seinen Stiefvater und wäre, wenn die Hochzeit seiner Eltern erst später stattgefunden hätte, 13 Jahre alt gewesen.65 Ernst I. folgte nach dieser Abfolge der Ereignisse seinem Schwager in der Würde eines Herzogs von Schwaben. Dass König Heinrich bei dieser Erhebung mitwirkte, ist anzunehmen  ; ob dies auch für die schwäbischen Großen galt, wissen wir nicht. In argumentativer Verbindung mit der unfreundlichen Haltung Kaiser Heinrichs gegen die salischen Konrade, von denen ja der ältere Konrad dann doch sein Nachfolger wurde, schloss Johannes Fried aus dem kaiserlichen Zusammenwirken mit den Söhnen Leopolds I., dass die Babenberger jene Familie waren, die der Kaiser wohl am meisten förderte.66 Ja er ventilierte sogar kurz den Gedanken, dass ein Babenberger ihm sogar in der Königsherrschaft folgen könnte.67 An den Markgrafen Heinrich direkt ging nur eine Schenkung Heinrichs II., allerdings legt eine Analyse weiterer Urkunden nahe, dass er mittelbar Vorteile aus anderen Schenkungen zog. Die Übergabe von Gütern am Wienfluss (Gottinesfeld) an Bamberg erfolgte unter Mitwirkung des erwähnten Bamberger Dompropstes Poppo, Markgraf Heinrichs Bruder. Durch diese Besitzverschiebung wurden die Aktivitäten des Markgrafen in diesem Raum vielleicht sogar gefördert.68 Eine weitere Sichtung von Königsschenkungen, nicht nur im Bereiche der Mark, könnte der Diskussion über die materielle Grundlage der Macht der Babenberger neue Facetten hinzufügen.69 Zurück zu den Beziehungen zwischen dem Herzog von Bayern und dem Markgrafen  ! 65 Wolfram, Konrad II., 51 und 375, Anm. 23. 66 Fried, Der Weg in die Geschichte, 616. 67 Fried, Der Weg in die Geschichte, 621. 68 Lohrmann, Gottinesfeld, 46. 69 Nur erwähnt seien hier die Schenkungen Heinrichs II. an seinen miles P(ilgrim) MGH D Heinrich II.2 Nr. 2 und an Tegernsee Ebda Nr. 194. Kupfer, Königsgut, 104 und 106.

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Diese hingen vor allem vom Verhältnis der beiden zum König ab und konnten einem raschen Wandel unterliegen. Daher ist eine grundsätzliche Skepsis gegenüber der Vorstellung von einem rechts- oder verfassungsgeschichtlich, also einem beinahe »zeitlos« zu deutenden Verhältnis angebracht. Zugleich muss man ernsthaft bedenken, dass die bloße Gründung einer Mark, wenn sie auch eine bayerische war und einen ähnlichen Vorgänger hatte, eine neue Einheit in die Welt setzte, eine Einheit, aus der sich unter Umständen Neues herauskristallisieren konnte. Die Eingriffe des bayerischen Herzogs zugunsten des Bischofs von Passau oder des einen oder anderen bayerischen Vertrauten zeigen, dass diese Machtfaktoren vor allem im Sinne des Herzogs wirken sollten. Die Übertragung bestimmter Abgaben vom Markgrafen auf den Passauer Bischof zeigte ja diese Absicht des Herzogs. Die Bischöfe hatten wenig und der Adel fast keine Möglichkeiten in diesen wichtigen Bereichen einzugreifen. Wir wissen aber, dass der Adel bei den Beschlüssen anwesend war und er im Rahmen eines Gerichtstages seine Zustimmung geben konnte. In den ersten Jahrzehnten des Bestehens der Mark waren die adeligen Grundherren, wenn überhaupt, nur in geringem Maß an der Entwicklung der Loslösung von Bayern beteiligt. Zum Teil gilt das auch für Leopold I. und seine Söhne, die ihre bayerischen Grafschaften und Besitzungen zunächst einmal nicht aufgaben. Die Charakterisierung der »Babenberger« als einflussreiche Angehörige des bayerischen Adels ist durch ihre Betrauung mit der Donaugrafschaft und jener im ­Traungau gerechtfertigt. In der Zeit Heinrichs II. ist Markgraf Adalbert als Graf auch im Künzig­ gau und im Schweinachgau nachweisbar.70 Der Verweis Ottos von Freising, dass sein Ururgroßvater Adalbert (1018–1055) von dem berühmten Heinrich, einem »älteren Babenberger« und Heerführer Karls des Dicken, abstammte, räumte zumindest einem der Söhne Leopolds I. eine ganz besondere Stellung im ostfränkischen Gefüge der Repräsentation ein.71 Eine fränkisch-bayerische Verankerung der Babenberger würde ja auch keinen Sonderfall darstellen, da die in Bayern tätige Führungsschicht, wie sie sich im 9. Jahrhundert ausbildete, zu ihrer Ahnenreihe auch fränkische Zweige zählte.72 Die Babenberger verhielten sich wie andere bayerische Adelsdynastien, bei ihrem Aufstieg im Grenzgebiet konnten sie sich auf Traditionen von beachtlichem Gewicht stützen. Daher konnten die Söhne Leopolds I. sehr rasch in enger Verbindung mit dem ostfränkischen Königtum ihr »hochadeliges«, vielleicht sogar »fürstliches« Ansehen in neue aktuelle »politische« Erfolge umsetzen. Diese dynastischen Erfolge bildeten die zunächst wichtigste Grundlage dafür, dass die von Otto dem Großen neu errichtete Mark zu einem von Bayern unterscheidbaren Ganzen wurde. Damit wurden die Marken zu 70 Lechner, Babenberger, 65. 71 Zu der fränkischen Geschichte der Babenberger mit der dazugehörigen bedeutenden Herkunft vgl. Scheibelreiter, Ostarrichi, 28, mit einer Diskussion zur bayerischen und fränkischen Identität der Babenberger. Wichtig der Hinweis auf die babenbergischen Namen in der Generation nach Leopold I.: Heinrich, Poppo und Adalbert. 72 Ein Beispiel sind die Eppensteiner  : Störmer, Früher Adel, 246 f.

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Räumen, in denen sich bei Entwicklung, die von den Markgrafen und ihrer Umgebung als günstig eingeschätzt wurde, herrschaftspolitische Verhältnisse ausbildeten, die zum Kern neuerer Machtzentren werden konnten. Biologische »Zufälligkeiten« haben in diesen Zusammenhängen immer Interpretationsbedarf. Hinter der plausiblen Erklärung vom Aussterben einer Dynastie steckt häufig die politische Interpretation eines Todesfalls. Die Nutznießer übersehen dann gerne einen Nachkommen mit guten Argumenten und schlechten Karten. Um diese Behauptung nicht als theoretisches Hirngespinst hinzustellen, wollen wir zum Vergleich das Schicksal anderer ottonischer Marken im Südosten73 (aber auch des Nordgaus, der späteren Oberpfalz und ihrer (Mark)grafen) betrachten.

73 Zu den Zusammenhängen ist die zusammenfassende Darstellung Wolfram, Salzburg, Bayern, Österreich, 393 ff. zu vergleichen. Recht umfassend zu den südöstlichen Marken Stieldorf, Marken und Markgrafen, 121 ff. Vgl. auch die folgende Anmerkung.

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Seit den siebziger Jahren des 10. Jahrhunderts sind uns in den folgenden Jahrzehnten Schenkungsurkunden im Südosten des Reiches im ungarischen Grenzbereich überliefert, die für Bischöfe, Äbte und weltliche Würdenträger bayerischer Adelsfamilien ausgestellt wurden. Sie waren die Träger der Herrschafts- und der Siedlungsorganisation sowie der damit verbundenen landwirtschaftlichen Produktion und last but not least waren sie auch diejenigen, die die strategischen Mühen von Landgewinn und die Auseinandersetzungen mit Feinden auf sich zu nehmen hatten.1 Die Bedeutung des Landgewinns samt der damit verbundenen Chance auf eine Vergrößerung der Gefolgschaft für die adeligen Grundherren in einer Mark sei an dieser Stelle ausdrücklich betont. Diese Vorgänge versahen die meisten Historiker trotz mancher Unklarheiten in der Ausdrucksweise der Quellen mit der Etikette, dass es sich um Markengründungen der ottonischen Herrscher handelte. Andrea Stieldorf erwähnte unter den Forschern der letzten Jahrzehnte, die an der Vorstellung von der entscheidenden Rolle des Kaisers festhielten, so einflussreiche Historiker wie Hagen Keller oder Gerd Althoff. Stieldorf verblüfft dagegen mit einem statistischen Ergebnis  : Der Begriff marca als Bezeichnung für eine Randzone des Reiches ist in nur 13 Fällen von 1804 Urkunden nachzuweisen. Was die topographische Festlegung von geschenkten Gütern in Königsurkunden betrifft, bedeutet das, dass deren Lageangabe sich meist auf einen comitatus und nicht auf eine marca bezog. Stieldorf schließt daraus, dass »marca offenbar keine notwendige Angabe zur Lagebezeichnung eines Ortes war, vielmehr wurde es dann verwendet, wenn sich die betroffenen Orte in der jeweils aktuellen G r e n z l a g e [Sperrung vom Verf.] befanden«. Am ehesten sollte man marca mit Grenze übersetzen. Sieht man etwas weiter ins 11. Jahrhundert hinein, halte ich es jedoch für richtiger, Mark als ein strategisches System gebildet aus Personen, Hilfsbauten (nicht unbedingt Wehrbauten) und rechtlichem Potential zu betrachten. 973 verwendete die Kanzlei Ottos II. zwar den slawischen Begriff Chreine (Krain) für die Bezeichnung eines Grenzgebietes, wie die Leute, die dort lebten, es nannten, übersetzte ihn aber nicht lateinisch als marca. Die Region hieß Chreine und nicht der Grenzsaum.2 Für die karantanische Mark ist am 13. April 1000 der Gebietscharakter von marchia eindeutig nachzuweisen. Güter lagen in der provincia Karinthia und in der marchia comitatuque des Markgrafen Markward.3 Hier ist eindeutig von Gebieten – dem Herzogtum und der Markgrafschaft die Rede.

1 Vgl dazu die Urkundenaufstellungen bei Stieldorf, Die Ottonen, 11 f. und 19 ff. 2 Stieldorf, Die Ottonen, 13 f. 3 MGH D Otto III. 785 Nr. 355.

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Richtig ist aber die Folgerung, dass bei der Organisation an der ungarischen Grenze nicht ausschließlich nach Marken zu suchen ist, sondern vor allem nach Grafschaften. Damit entfällt die Suche nach dem angeblichen Wandel eines Gebietes zur Mark, das sich im Lichte einer solchen Betrachtung als Scheinproblem erweist. Zur Diskussion könnte man allerdings die Möglichkeit stellen, ob der Gebrauch des Begriffes Mark etwa ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts schon als Zeichen für die Entstehung eines regnum, eines Landes, brauchbar ist. Die Einrichtung derartiger »Grenzherrschaften« im Südosten Bayerns fallen in die sechziger und siebziger Jahre des zehnten Jahrhunderts, also in den frühen Abschnitt der selbständigen Herrschaft Heinrichs des Zänkers in Bayern.4 Dabei interessieren uns die Bindungen dieser Grafen und Markgrafen als Träger adeliger Traditionen, ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu Königen und Herzögen und schließlich die Herrschaftsfunktionen ihrer Verwandten als Bischöfe und Äbte. Die Bindungen Markgraf Burkhards an den bayerischen Zweig der Liudolfinger (die Nachkommen von Kaiser Ottos I. Bruder Heinrich) und die mit ihnen verschwägerten Luitpoldinger bildeten in dieser Weise die Voraussetzungen für seine Einsetzung als Markgraf in der Mark an der Donau. Bei dieser klaren Struktur der persönlichen Bindungen Burkhards und seiner damit verbundenen Machtstellung erweist sich die in der neueren Literatur immer wieder auftauchende Frage, ob er mit der Grenzorganisation beschäftigt war oder nicht, als nicht wirklich notwendige Kapitulation vor den dürren Aussagen der Quellen.5 Was wir im Deutschen gewohnheitshalber gar nicht mehr wahrnehmen, zeigt uns der lateinische Ausdruck für Burkhards Würde deutlich  : marchiocomes. In der ersten Phase seiner Regierungszeit übte Heinrich der Zänker Druck auf die Stellung der Ungarn östlich von Enns/Ybbs aus, was bekanntlich zu Ostern 973 (23. März) zu einer Gesandtschaft Gézas von Ungarn nach Quedlinburg an den Hof Ottos  I. führte.6 Bedenkt man das zitierte Urteil über die Markgrafen als Vertraute des Königs zur Überwachung der Herzoge, trifft das auf Burkhard gar nicht zu.7 Die Initiative zur Einsetzung Burkhards und anderer Markgrafen ging wohl vom bayerischen Herzog aus, wenn auch manche Formulierung in den Königsurkunden, wie »unser Markgraf« (der Markgraf des Königs) auf ein gemeinsames Handeln von König und Herzog hindeuten.8 Burkhard war ein Vertrauter Heinrichs des Zänkers, der eine mili4 Handbuch der bayerischen Geschichte 1, 295, mit Anm. 120 zieht das Jahr 967 als Beginn seiner selbständigen Regierung mit guten Gründen in Erwägung. Dem folgt auch Varga, Ungarn und das Reich, 47. 5 So Stieldorf, Marken und Markgrafen, 445, mit Anm.  483. Zu pessimistisch in der Beurteilung der Aussagekraft der Quellen Scheibelreiter, Ostarrichi, 25. 6 Varga, Ungarn und das Reich, 49  ; Wolfram, Salzburg, 394 f. 7 Brunner, Oppositionelle Gruppen, 187 f. 8 MGH D Otto I. 530 Nr. 389 marchio noster  ; die Formulierung reverendus marchio in der bekannten WachauSchenkung an den Bischof von Passau von 972 wurde von Bischof Pilgrim stilisiert. NÖUB 1, 196, Nr. 16 = MGH D Otto I. 577 Nr. 423.

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tärische Initiative gegen die Ungarn ergriffen hatte. Welche Rolle sollte denn Burkhard in dieser Situation spielen, wenn nicht eine organisatorisch-militärische  ? Was wissen wir vergleichsweise über die näheren Umstände der Einsetzung von Markgrafen im Südosten  ? Der Hintergrund der Einrichtung dieser Marken bzw. Grafschaften war die Schaffung einer militärischen Organisation des Grenzbereichs gegen Ungarn. Zunächst zur sogenannten Mark an der Mur, die meist als karantanische Mark bezeichnet wurde. Am 7.  März 970 ist ein Markward, der von den Genealogen als der Dritte gezählt wird und aus der Adelsdynastie der Eppensteiner stammte, als Markgraf erwähnt.9 Der Zeitpunkt der Ausstellung der Urkunde fügt sich in die Vorstellungen von einer damals stattfindenden Organisation der Marken im Grenzraum zu Ungarn gut ein. Die Güter, die Otto der Große dem Erzbischof Friedrich von Salzburg überließ, darunter der Ort Leibniz, lagen in der Grafschaft des Markgrafen Markward im Ostland. Der Begriff plaga orientalis war seit der späteren Karolingerzeit gebräuchlich, sein erstes Vorkommen wurde auf etwa 870 datiert.10 Der Empfänger der Schenkung, Erzbischof Friedrich, gilt als Vertrauter Kaiser Ottos I.11 Er stammte aus der Familie der Sighardinger, die wiederum einen Zweig der bedeutenden Dynastie der Ebersberger bildete. Markward war über seine Schwester Richgardis mit den Ebersbergern verschwägert. Kaiserin Adelheid und Herzog Heinrich der Zänker traten als Petenten zugunsten des Erzbischofs auf. Ob man daraus überzeugende Schlüsse für länger wirksame Parteienbildung in Bayern ziehen kann, ist zweifelhaft, da sich unter dem Einfluss der »Tagespolitik« die Wirkung von Seilschaften rasch ändern konnte. Ferner musste die Verfolgung von Gruppeninteressen nicht immer zu Konflikten führen. Die zu vermutende Herkunft der Eppensteiner aus dem fränkischen Adel der Karolingerzeit,12 und der Aufstieg von Markwards Sohn Adalbero zum Herzog von Kärnten (1012) zeigen, dass in der Dynastie des Markgrafen ein beträchtliches Entwicklungspotential steckte, das man jenem der Babenberger an die Seite stellen kann. So war Bischof Adalbero von Bamberg (1053–1057) ein Sohn des genannten Herzogs von Kärnten.13 Zu Beginn des 10. Jahrhunderts (916) sind sie als Grafen im Raum der Isar (Viehbachgau) nachweisbar,14 wo ihr damaliger Besitzschwerpunkt zu suchen ist, der erst 1108 vom letzten Eppensteiner Heinrich   9 MGH D Otto I. 530 Nr. 389 …predia in comitatu Marchuuardi marchionis nostri in plaga origentali constituta  ; Regesta imperii II/1 Nr.  514  ; Tyroller, Genealogie Tafel 6 (Eppensteiner). Stieldorf, Marken und Markgrafen 445, die Markwards Erhebung 972 datiert, ist zu korrigieren. Richtig auf S. 129, wo auch die Ersterwähnung als Markgraf besprochen ist. Vgl. auch Giesler, Ostalpenraum Teil 2, 173. 10 Wolfram, Grenzen und Räume 220, zur Ausdehnung des bayerischen Ostlandes vgl. ebda. die Karte S. 221. 11 Dopsch, Geschichte Salzburgs 1, 208 ff. Störmer, Adelsgruppen 172. 12 Störmer, Früher Adel 246 f. 13 Guttenberg, Das Bistum Bamberg 100 f. mit einigen Ungenauigkeiten. 14 MGH D Konrad I. 29 Nr. 31 […] proprium iuris nostri in comitatu Marchwardi in pago Viohbach  ; Krah, Migration nach Südosten, 44.

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an Heinrich von Schaumburg kam, der sich über Teile der Besitzungen mit dem Bischof von Bamberg einigen musste.15 Schon 927 ist ein Markward (II.), der schon aufgrund seines Namens wohl der Familie zugerechnet werden kann, in Kärnten nachweisbar.16 Herzog Adalbero wurde 1035 als Herzog von Kärnten abgesetzt.17 Ihm folgte in der karantanischen Mark Arnold von Wels-Lambach und wohl 1056 die Otakare, die sich auch nach Steyr nannten.18 In Kärnten konnten die Eppensteiner trotzdem ihre Machtstellung behaupten und 1077 setzte König Heinrich IV. Liutold, einen Enkel des abgesetzten Adalbero zum Herzog von Kärnten ein. Der Herzog bzw. sein Bruder und späterer Nachfolger Heinrich III. knüpften wie auch schon ihr Vater durch Heirat und die Übernahme der Vogtei über Aquileia Beziehungen zu den Marken Krain, Istrien und Verona. Diese Bemerkungen können nicht die komplizierten Verhältnisse in den südöstlichen Marken darstellen, sondern sollen auf die Eppensteiner als außergewöhnlich einflussreichen Machtfaktor hinweisen.19 Da die Dynastie mit dem Tod Herzog Heinrichs III. 1122 ausstarb, waren es ihre Nachfolger in der karantanischen Mark, die Markgrafen von Steyr, welche die Entwicklung der Mark vorantrieben. 1122 gilt in der steirischen Geschichtsschreibung als eines der Schlüsseldaten in der Ausbildung des Landes Steiermark. Im ausgehenden 10. und 11.  Jahrhundert lässt sich kein wesentlicher Unterschied betreffend der dignitas und der Herrschaftstraditionen zwischen Babenbergern und Eppen­steinern ausmachen. Zu diskutieren wäre allenfalls, wie bedeutsam die Erinnerung an den mainfränkischen Heerführer Heinrich (ein sogenannter älterer Babenberger) und an das tragische Schicksal seiner Söhne in der Fehde mit den Konradinern war und damit eine große Tradition schuf. Dass Otto von Freising im 12. Jahrhundert von jenen über 300 Jahre zurückliegenden Ereignissen wusste, macht trotz der Parteilichkeit eines Nachfahren nachdenklich.20 Als die Eppensteiner, wie erwähnt, 1077 als Herzoge von Kärnten in die erste Reihe der Fürsten zurückkehrten, blieb die karantanische Mark trotzdem unter der Leitung des älteren Sohnes Otakars I., Adalbero, dem 1086 sein Bruder Otakar II. folgte.21 Damit wur15 NÖUB 2/1, 381, Nr. +10/1 Einleitung Thiel zu MGH DD Heinrich V. Ich danke der MGH München für die Möglichkeit, in Thiels Manuskript Einsicht nehmen zu können. Zum letzten Eppensteiner Dopsch, Herzog Heinrich »von Eppenstein«, 122–131, bes. 127 f. zur Zeugungsunfähigkeit Heinrichs. 16 Gänser, Die Mark als Weg zur Macht 1, 97 ff. 17 Krah, Die Absetzung, 309–369. 18 Zu Otakar I. MGH D Heinrich III. 499 n. 367 bona […] quae in marcha et in comitatu Otacharii marchionis sita sunt  ; Dopsch, Die steirischen Otakare, 110  ; zu Arnold und seinem Sohn Gottfried vgl. die Diskussion bei Giesler, Ostalpenraum 2. Teil, 174. 19 Tyroller, Genealogie, 108 ff., Tafel 6. Eine Bemerkung bei Dopsch, Herzog Heinrich »von Eppenstein«, 124. 20 Ottonis episcopi Frisingensis Chronica Lib. VI, 15 275  ; zur Sache  : Unterfränkische Geschichte 1, 195–198. 21 So zuletzt Haider, Zu den Anfängen, 307  f mit Anm.  103 auf S.  108  ; vgl. auch Dopsch, Die steiri-

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den sie zu Begründern der Landesherrschaft in der Steiermark, die 1180 zum Herzogtum erhoben wurde. Schon hier sei vorausblickend auf die nachbarlich/verwandtschaftlichen Beziehungen von Otakaren und Babenbergern verwiesen, die im otakarischen Besitz im südlichen Niederösterreich in den Tälern von Traisen und Gölsen greifbar werden.22 Wir wenden uns nun der Landschaft Krain zu. Otto  II. schenkte am 30.  Juni und am 23. November 973 dem Bischof Abraham von Freising mehrere Güter, die im Herzogtum Heinrichs II. des Zänkers lagen, und in der Grafschaft des Grafen Pabo (Papo), die Carniola genannt und von den dort lebenden Leuten als Creina marcha bezeichnet wurde.23 In der zweiten Ausfertigung von November hieß es  : in regione vulgari vocabulo Chreine et in marcha et in comitatu Paponis comitis sitam.24 Die zweite Fassung lässt den Schluss zu, dass Krain etwa zur selben Zeit wie Ostarrîchi und die karantanische Mark ebenfalls eine Mark war. Pabo heiratete in die Dynastie der Freisinger Vögte, der mächtigen »Ebersberger«, ein. Pabo ist bald nach 957 selbst als Vogt in Freising nachweisbar.25 Damit stand er in engem Kontakt zu Bischof Abraham von Freising, der ja seinerseits zum Kreis der Mächtigen um Heinrich den Zänker und seine Mutter Judith ge­ hörte.26 Die Einsetzung Pabos zum Grafen in der Mark Krain geht auf dieses bayerische Machtzentrum zurück, das ja auch für die Erhebung Burkhards zum Markgrafen an der Donau sorgte. Es ist möglich, dass Pabo zu den Leuten Heinrichs des Zänkers beim Aufstand von 976 gehörte. Unter den complices et fautores des Zänkers ist auch ein Babo genannt.27 Was Tradition und Ansehen der Ebersberger betrifft, ist auf ihre Funktionen zur Zeit König Karlmanns in den siebziger Jahren des 9. Jahrhunderts zu verweisen.28 989, als Otto  III. Freising eine weitere Schenkung gewährte, ist als Graf in Krain ein gewisser Waltilo erwähnt. Er gehörte wohl nicht zu den Ebersbergern, unter denen dieser Name nicht gebräuchlich war. Waltilo gehörte aber zu den Beteiligten am Aufstand Heinrichs des Zänkers, die von den Bischöfen, die Kaiser Otto II. die Treue hielten, exkommuniziert wurden.29 Wir dürfen annehmen, dass auch Waltilo seine Position zunächst verlor, 985 oder etwas später aber wieder in seine Funktion in Krain eingesetzt schen Otakare, 113 f. Pirchegger, Herzog Heinrich III. von Kärnten, 419–423  ; die spätere Datierung zu 1086/87 auch bei Pirchegger, Geschichte der Steiermark 1, 148. 22 Gutkas, 198–202. 23 MGH D Otto II. 56 Nr. 47. 24 MGH D Otto II. 78 Nr. 66. 25 Tyroller, Genealogie 66 Nr. 12 unter der Rubrik einer Willibirg, deren Namen Tyroller erschlossen hat. 26 Diese Zusammenhänge werden gerade durch MGH D Otto II. 56 Nr. 47 klar. Štih, Zu den ersten Empfängern von Krongut in Krain, 186. Heinrich der Zänker war ja auch Intervenient zugunsten Abrahams von Freising. Merta, König, Herzog, 111. 27 Uhlirz, Jahrbücher Otto II. 79 mit dem Zitat Anm. 18. Unter diesen Leuten befand sich auch jener Waltilo, den Štih, Zu den ersten Empfängern von Krongut, 118, als Markgrafen in Krain bezeichnet. 28 Štih,Slowenische Geschichte,76 f. 29 Siehe oben Anm. 27.

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wurde.30 1002 und 1004 ist er noch als (Mark)Graf erwähnt.31 Danach können wir wieder Ebersberger als Markgrafen nachweisen, nämlich Ulrich und seinen Sohn Eberhard.32 Auch im Falle Krains stellen wir fest, dass die Sorge um die militärische Organisation und andere Interessen des Reiches einer führenden bayerischen Dynastie anvertraut wurde, deren traditionelle Wurzeln durchaus bayerisch-fränkisch zu beschreiben sind. Interessant ist, dass sie aus dem Kreis um den Liudolfinger Heinrich I. kamen, der durch eine Heirat mit der Luitpoldingerin Judith eine kompakte Gruppe von Machtträgern schuf, die alte und neue Herrschaftsverhältnisse in Bayern repräsentierte. Am 24. Oktober 980 wurde erstmals eine Grafschaft an der Sann genannt.33 Kaiser Otto II. übergab dem Grafen Wilhelm mehrere Güter, die in der Grafschaft des Grafen Rachwin lagen.34 Wilhelm hatte ohne Intervention von mächtiger Seite den Kaiser um diese Schenkung gebeten  – ein Hinweis auf eine eigene einflussreiche Position. Graf Rachwin erhielt 985 15 Königshufen in Rosswein bei Marburg. Es möge an dieser Stelle genügen, darauf hinzuweisen, dass auch Rachwin zu einer der bedeutenden Adelsfamilien Bayerns gehörte.35 Die genannten Schenkungen gehörten zur Herrschafts- und Siedlungsorganisation im Grenzgebiet gegen Ungarn.36 Graf Wilhelms gleichnamiger Sohn war mit Hemma von Gurk verheiratet. In einer Schenkung Konrads II. an den Grafen Wilhelm ist von Gütern die Rede, die in Wilhelms eigener Mark lagen.37 Neben der Grafschaft/Mark an der Sann hatte er auch die Grafschaft Friesach inne. Er wurde von Konrad II. unterstützt und vom Kaiser zum Gegenspieler Herzog Adalberos von Kärnten aufgebaut38 (Zuordnung erst 1103 Starchand als marchio Saunie). Wilhelm wurde einige Monate nach der Absetzung Adalberos von diesem erschlagen.39 Zwischen der karantanischen Mark und der Grafschaft/Mark an der Sann lag die erwähnte Grafschaft des Grafen Rachwin. Als Mark »jenseits des Waldes« ist sie seit dem Ende des 11. Jahrhunderts nachweisbar. Von der wohl gewichtigen Verwandtschaft Rachwins war schon die Rede.

30 Štih, Zu den ersten Empfängern von Krongut 188, Anm. 24. 31 MGH DD Heinrich II. 35 f. Nr. 32 und 83 Nr. 67. 32 MGH DD Heinrich III. 25 f. Nr. 19, 29 Nr. 22 und 31 Nr. 24  ; Tyroller, Genealogie 68 Nr. 24 und 70 Nr. 38. Vgl. auch Hasenöhrl, Deutschlands südöstliche Marken, 432. 33 Giesler, Der Ostalpenraum Teil 2, 175. 34 MGH D Otto II. 264 Nr. 980  ; Tyroller, Genealogie 118 Nr. 3. 35 Pirchegger, Geschichte der Steiermark 1, 127, rechnet ihn zu den Aribonen, was allerdings ohne nähere Zuordnung nicht viel besagt. Sicher gehörte er aber zu den Mächtigen in Bayern. 36 Regesta imperii, II/3 Nr. 978. Kommentar zur Schenkung an den Grafen Rachwin 17. Oktober 985. 37 MGH D Konrad II. 35 Nr. 32. 38 Dopsch, Hemma von Gurk, 16  ; Krah, Die Absetzung, 356 mit Anm. 163. 39 Krah, Die Absetzung, 368.

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Welcher Ordnung gehören die ottonischen Marken an ? Die Markgrafen waren gegenüber ihren Nachbarn keine »bilateralen Partner«, sondern Vertreter einer Weltordnung, die auf den Grundlagen römisch-fränkischer und schließlich ottonischer Reichsideologie beruhte. Diese an endzeitlichen Zielen orientierte Ordnung räumte dem Markgrafen eine nach Hegemonie und wohl auch nach Herrschaft strebende Aufgabe gegenüber dem zunächst gentil organisierten Nachbarn ein. Zumindest entsprach dies der »politischen« Theorie. Diese findet sich in den Kapitularien der Karolingerzeit. Daraus ergibt sich einer der wichtigsten Aspekte dieser Art von Nachbarschaft, der noch für die Babenberger und ihre Nachbarn von entscheidender Bedeutung war  : Hochrangige Angehörige des im Vergleich zum archaisch organisierten Nachbarn intensiv entwickelten Gefüges der westlich-lateinischen Welt übten Druck auf diesen Nachbarn aus. Letztlich handelte es sich um die Durchsetzung der Anerkennung der fränkisch-imperialen Ordnung durch die Slawen und später die Ungarn. Die Überlegenheit der ökonomisch-strategischen Lebensordnung, die sich aus der bipartit organisierten Grundherrschaft ergab (Produktion auf dem Herren- und Bauernland), zwang die Nachbarn zur Angleichung an diese Lebensform. In diesem Rahmen wird auch über die vergleichsweise sekundäre Frage diskutiert, ob der Kaiser bzw. der ostfränkische König eine hegemoniale Stellung gegenüber den Nachbarn einnahm. Die komplexe Aufgabe, das Verhältnis zu den Nachbarn zu organisieren, fiel den im Grenzbereich zuständigen obersten Grafen zu. Im Falle der plaga orientalis war für die benachbarten gentilen Fürsten der Obergraf im Traungau zuständig. Nach dem Vorbild der römischen Föderaten stand dem Obergrafen auch die Leitung in diesen Gebieten zu, die einen Teil der Mark als organisierter Größe bildeten. Die Mark war nicht mehr bloße Grenze, sondern ein über diese hinausgehender Raum, eine regionale politischmilitärische Organisationsform.1 Charakteristisch ist ihre Strukturierung nach Grundherrschaften als ökonomische und von militärischen Notwendigkeiten bestimmte Einheiten. In den abhängigen Fürstentümern herrschten gentile Herzöge (duces), die grundsätzlich nicht weniger als ein König bedeuteten. Solche gentilen duces beherrschten slawische Völker von der Ostsee bis zur Adria.2 Von den Herrschern gingen die Initiativen für politische Entscheidungen aus, an denen aber die politischen Handlungsberechtigten, 1 Wolfram, Grenzen und Räume, 217–219, dessen Ausführungen zur Entwicklung und Bedeutung der karolingischen Marken ich in diesem Abschnitt folge. Dort die einschlägigen Zitate aus Wolfram, Salzburg, Bayern und Österreich. 2 Wolfram, Salzburg, Bayern und Österreich, 168 f.

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Welcher Ordnung gehören die ottonischen Marken an ?

der populus, mitwirkten. Die notwendige fränkische Zustimmung erteilte gewöhnlich der Grenz- oder Obergraf als Stellvertreter des fränkischen Königs. In wichtigen Fällen, wie etwa der Erhebung eines neuen Fürsten, war der König selbst beteiligt. Diese Vorgangsweise stellte eine Zwischenstufe engerer Bindung an die fränkische Herrschaft dar, die schließlich zur Ablöse der Herrschaft des Fürsten durch das ministerium, also die Wahrnehmung eines königlichen Auftrags durch einen Grafen, führen konnte. Diese Entwicklung ergab sich aus dem prinzipiellen Auftrag an den Verantwortlichen in der Mark, seinen Einfluss in das Neuland auszudehnen und damit für die Grundlage der Einrichtung neuer Grafschaften zu sorgen. Wenn diese Ordnung auch aus der Zeit Karls des Großen und seiner Nachfolger stammt, lassen sich modifizierte, aber doch ähnliche Vorgänge auch später im Bereich der ottonischen Marken beobachten. Die Zuständigkeit des Markgrafen an der Donau für die ehemalige Avaria, die inzwischen zur Ungaria oder quellenmäßig korrekt zu Oberpannonien geworden war, zeigt diese in der prinzipiellen Organisation verankerte militärische Unruhe und Bereitschaft zur Offensive. Vorwegnehmend verweise ich auf die von der traditionellen Einschätzung teilweise abweichenden Vorstellungen betreffend die Funktionen einer Burg. Es wird an mehreren Beispielen zu zeigen sein, dass Burgen bei der Vorbereitung von offensiver Kriegsführung eine größere Rolle spielten als bei defensiven Aufgaben, sieht man einmal vom Typus der weitläufigen Fluchtburg ab. Die angedeutete Grenzstruktur musste konkret geordnet werden. Gerd Tellenbach stellte die Frage nach Formen und Mitteln der Herrschaft über auswärtige Staaten und Völker. Im Text spricht er dann schon im ersten Satz präziser von Oberherrschaft und den Beherrschungsmitteln, die im Früh- und Hochmittelalter zur Verfügung standen.3 Tellenbach meint an dieser Stelle Räume, die Christian Lübke gestützt auf Peter Moraw definiert hat. Es geht um politisch erlebte Räume, die von einer Hegemonialmacht bestimmt werden und die sich so weit erstrecken, bis die Kleinen (Vertreter schwächerer Herrschaften) nach Gewohnheit den Hof einer anderen Hegemonialmacht aufsuchen.4 Die ungarische Führungsschicht versuchte 955, vor allem in den vierziger Jahren, den Anschluss an die oströmische Hegemonie (z. B. der berühmte Bulcsú der ­Lechfeldschlacht), dann aber erfolgreicher und für die Zukunft prägender mit Géza, dem Vater Stephans des Heiligen, die Integration in den lateinischen Westen, also in die fränkische Weltordnung.5 Wie man sich diese Integration vorzustellen hat, war und ist Gegenstand tiefschürfender Diskussionen. Wenn wir diese kurz Revue passieren lassen, dürfen wir nicht vergessen, nach der spezifischen Entwicklung der Verhältnisse in der

3 Tellenbach, Vom Zusammenleben, 711. 4 Lübke, Außenpolitik im östlichen Mitteleuropa, 23, mit Anm. 8. Hier die Zitierung Moraw, Regionen und Reich, 23. 5 Siehe dazu im folgenden Kapitel 63 f.

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Welcher Ordnung gehören die ottonischen Marken an ?

Mark zu fragen, die sich zunehmend auch innerhalb der fränkisch-römischen Ordnung als Identität mit eigenen Interessen und Bestimmungen formte. Für unsere Frage nach der Nachbarschaft wichtig ist die Feststellung, dass auch Tellenbach den Marken eine große Bedeutung beimisst. Er stellt die Marken vor allem im Zusammenhang mit der Frage zur Diskussion, ob das abendländische Mittelalter wirksame Beherrschungsmethoden entwickelt hat. Auch in ottonischer Zeit wurden mächtige Grafen an der Grenze oder Markgrafen und Markenherzöge mit der Beaufsichtigung (custodia) der ihren Amtssprengeln benachbarten abhängigen Fürsten und Völker beauftragt. Mächte dieser Art, wie das fränkisch ausgeprägte Kaiserreich, verfügten nach Tellenbachs Urteil über einen Kranz den Grenzen vorgelagerter Tributär- und Lehensstaaten.6 Im Grenzgebiet zu Ungarn traf das nicht zu. Doch könnte man die zeitweiligen Versuche, Ungarn an das Reich zu binden, als die Schaffung einer Vasallitäts- bzw. Tributärbindung betrachten. Die Grenz- und Markgrafschaften des ostfränkischen Reiches grenzten im Südosten direkt an das ungarische Grenzödland. Stellt man die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem ostfränkischen König/Kaiser und dem ungarischen König, darf man als Antwort, so wie schon früher erörtert, nicht die Beschreibung eines Zustands erwarten, sondern muss mit einer Entwicklung der Beziehungen rechnen. Lehensrechtliche Formen wurden angeblich seit dem 8. und 9. Jahrhundert für die Gestaltung solcher Herrschaftsverhältnisse angewandt.7 Hinsichtlich Ungarns gehört diese Frage zu den zentralen Themen unserer Darstellung. Die vielen Möglichkeiten der Ordnung des Verhältnisses zwischen dem ostfränkisch-deutschen Reich und den Ungarn bedürfen einer begleitenden Betrachtung bei der Schilderung der Entwicklung. Ebenso unterlag die Gestaltung der Beziehung zu Böhmen immer wieder Veränderungen, die in Auswahl an den passenden Stellen darzustellen und zu diskutieren sein werden. Dabei muss man bei der Feststellung und Deutung einer angeblichen oder tatsächlichen Lehnsbindung sehr umsichtig sein. Allgemein ist zu sagen, dass die deutsche Forschung zum Lehnswesen seit Jahren unter dem Eindruck von Susan Reynolds Überlegungen und Ergebnissen zu diesem Thema neue kritische Zugänge sucht und daher eindeutige Aussagen zu Rechtsverhältnissen dieser Art umgangen werden. Auch das kritiklos der älteren Lehre folgende Herstellen von angeblich zur Lehnsbindung gehörenden Abhängigkeiten, wie Heerfolge oder die Fahrt zum Hof, muss heute in jedem Fall überprüft werden.8 Es ist immer die grundsätzliche Frage zu stellen, ob die Anerkennung eines böhmischen Fürsten durch den Kaiser mit einer Verleihung Böhmens an ihn gleichgesetzt werden kann. Schon Tellenbach erkannte, dass die Verpflichtung zur 6 Tellenbach, Vom Zusammenleben, 717. 7 Wolfram, Die ostmitteleuropäischen Reichsbildungen, 77, und Tellenbach, Vom Zusammenleben, 715. 8 Vgl. dazu die kritische Auseinandersetzung hinsichtlich der angeblichen Lehnsbindungen zwischen Ungarn und dem Reich Varga, Ungarn und das Reich, 113.

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Welcher Ordnung gehören die ottonischen Marken an ?

Hoffahrt eines abhängigen Fürsten auch ohne oder neben der Lehnsbindung bestehen konnte.9 Verwirrend konnten sich auch die tributären Verhältnisse gestalten. Es handelt sich dabei nicht nur um Gaben oder Geschenke des abhängigen Nachbarn an die Großmacht, sondern wir kennen auch Geldübergaben des byzantinischen Kaisers an »lästige« Völker, die in der Nähe oder gar vor den Mauern Konstantinopels auftauchten. Umgekehrt waren die Böhmen seit 806 verpflichtet, 500 Mark und 120 auserlesene Ochsen an das fränkische Reich zu zahlen.10 Besonders die Lehnsverhältnisse wurden häufig als eine verfassungsrechtlich relevante Form der Eingliederung in die die »Ordnung« vertretende Großmacht betrachtet. So meinte man, dass gegenüber Ungarn jedenfalls seit Konrad II., eine engere Bindung an das ostfränkische Reich versucht wurde, die in der Zeit Heinrichs  III. kurze Zeit verwirklicht wurde. Die Gestaltung der Grenzräume ließ Hoffnungen auf Machtexpansion zu. Die hier tätigen Herrschaftsinhaber mit adeligem Selbstverständnis waren die Träger und Nutznießer dieses Bewusstseins. Für Teile Ungarns und Mährens konnte man mit einem Rückgriff auf vergangene Herrschaftsverhältnisse Gebietsforderungen stellen. Wenn diese Vorstellungen sich aus der karolingischen Großreichspolitik speisen, bedeutet das noch nicht, dass wir einfach annehmen dürfen, es hätte dafür eine umfassende ideolo­ gische Basis gegeben. Diese oft als Hegemonie, präziser als auctoritas bezeichnete Vorrangstellung des Vertreters der fränkischen Weltordnung findet sich in den ­Q uellen nicht.11 Wir werden diesen Gedanken noch eingehender diskutieren. Festzuhalten ist aber immerhin, dass aus den Gebieten Bayerns, die von einer bayerisch-fränkischen Rechtsordnung zusammengehalten wurden, nachbarliche Einflüsse ausgeübt wurden, die man recht konkret in Ungarn nachweisen kann. Der Markgraf ist der Vertreter dieser fränkischen Ordnung und trotzdem ist er nicht nur das, sondern sehr bald auch eine Bezugsperson für den abhängigen Nachbarn. So war das ja auch schon in karolingischer Zeit. Es gab aber Veränderungen  : Die wechselseitigen Eheschließungen sind ein Element, an dem man die Verselbständigung des markgräflichen Wirkens erkennen kann. Eine derartige Verbindung berührt aber ein weiteres Problem  ; es erhebt sich nämlich die Frage, wie ebenbürtig sich der benachbarte Fürst und der Markgraf gegenüberstanden  ? Die Entwicklung entfaltete sich in bezeichnender Weise. Im 11. Jahrhundert griffen der ostfränkische König und sein Markgraf in die Streitigkeiten der Árpáden bei Nachfolgeproblemen ein oder versuchten, traditionell begründete territoriale Gewinne zu behalten  9 Tellenbach, Vom Zusammenleben, 718. 10 Hoensch, Geschichte Böhmens, 34  ; erwähnt bei Prinz, Die Stellung Böhmens, 102  ; Cosmae chronica Lib. II cap. 8 93 f. im Zusammenhang mit dem Beginn der Kämpfe mit Heinrich III. 11 So Tellenbach, Vom Zusammenleben, 711.

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oder verlorene Gebiete zurückzugewinnen. Gegen Ende des 12. Jahrhundert geht es um Auseinandersetzungen in Grenzräumen, die allmählich den Eindruck erwecken, dass sich ebenbürtige Nachbarn gegenüberstehen. Trotzdem bleibt die Zugehörigkeit des seit 1156 bestehenden Herzogtums zum Reich noch einige Jahrzehnte ein nicht zu überbietendes »As« im meistens todernsten Spiel mit dem ungarischen Nachbarn.

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Die letzten Jahre des 9. Jahrhunderts gelten als der entscheidende Zeitpunkt der »ungarischen Landnahme«. Das willkürlich gewählte, aber in etwa zutreffende Jubiläumsjahr 896 ist Ergebnis einer programmatischen Aktion des ungarischen Parlaments, die 1892 und 1893 ihren Abschluss fand.1 Zu Beginn besiedelten die Ungarn vor allem den östlichen Teil des Karpatenbeckens. Erst in der folgenden Zeit nahmen sie Pannonien und die mährischen Gebiete um Pressburg und Neutra in Besitz.2 Was in der ungarischen Tradition als Jubiläum gilt, die Landnahme eben, erweist sich bei kritischem Urteil des damaligen Geschehens als eine Flucht der Ungarn aus ihren »Wohngebieten« zwischen den Karpaten im Westen und dem Dnjestr, eventuell sogar dem Dnjepr im Osten, dem sogenannten Land »Etelköz« nach Pannonien.3 Die Verlagerung des Lebensschwerpunktes der Ungarn in das Karpatenbecken hatte neben den Auseinandersetzungen zwischen Byzanz, den Bulgaren und Petschenegen wohl auch wirtschaftliche Gründe.4 Aus der Zusammenschau von archäologischen Fundinterpretationen und Quellen aus arabischen, byzantinischen und fränkischen Schriften gewann vor allem György Györffy in jahrzehntelanger Forschung ein nicht immer klares Bild der sozio-ökonomischen Zwänge, unter denen der Wandel in der ungarischen Gesellschaft im 9. und vor allem im 10.  Jahrhundert seinen Anfang nahm. Auf dieser Grundlage gelangte er zu einer vergleichsweise rationalen Deutung der sogenannten Streifzüge der Ungarn  : Veränderungen in der Tierhaltung und beim Betreiben von Ackerbau zwangen die ungarische Stammesgemeinschaft, nach Möglichkeiten Ausschau zu halten, bei der Landnahme verlorene, lebenswichtige Güter zu ersetzen. Räuberische Überfälle erbrachten Beute, ferner Tributzahlungen und schließlich Geldzuflüsse aus dem Verkauf von Gefangenen.5 Die Vorteile davon genossen allerdings nur die Stammesführer und ihre Krieger. Wie komplex die sogenannte »ungarische Gesellschaft« aufgebaut war, zeigen sogar lakonische Nachrichten fränkischer Herkunft. 881 stießen Ungarn wohl auf bayerische Kämpfer. Der Ort der Auseinandersetzung wird mit Wien oder dem Wienfluss gedeu1 Zuletzt zusammenfassend Lohrmann, Benachbarte Kollektive 120. Zur modernen Festlegung erschien 2013 im Internet die Darstellung  : Die ungarische Landnahme als Beispiel für die Konstruktion historischer Traditionen unter https://ungarischegeschichte.wordpress.com/ (letzter Zugriff  : 14.05.2019), mit Berufung auf Holger Fischer, Eine kleine Geschichte Ungarns. 2 Györffy, Die Landnahme der Ungarn, 78. 3 Kellner, Die Ungarneinfälle, 85  ; so auch Györffy, Wirtschaft und Gesellschaft, 31  : »Die landnehmenden ungarischen Stämme, die flüchtend eingewandert sind […].« 4 Dazu skizzenhaft Györffy, Stephan der Heilige, 15. 5 Eine gute Zusammenfassung der Verhältnisse Varga, Ungarn und das Reich, 38  ; Györffy, Stephan der Heilige, 38 ff.

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tet.6 Eine vorläufige Untersuchung der Salzburger Annalen spricht eher dafür, dass die Siedlung gemeint ist, denn im Allgemeinen wurde vom Verfasser zum Namen eines Gewässers erklärend Bach, Fluss oder See hinzugesetzt. Wenia steht aber für sich allein ohne nähere Kennzeichnung. Getrennt von den Ungarn agierten 881 Kawaren, die ad Culmite kämpften. Meist lokalisiert man dieses Treffen bei Pöchlarn.7 Es gab neben dem ungarischen Stammesverband (die sogenannten sieben Stämme) noch drei kawarische Stämme, die zunächst selbständig auftraten, 894 aber schon unter der Führung Leventes, eines Sohnes Árpáds, also eines Ungarn standen.8 Die sogenannten Streifzüge der Ungarn wurden vor und nach der Landnahme auch deshalb durchgeführt, weil der Stammesverband von anderen Mächten für militärische Zwecke angeworben wurde. Unter diesen befand sich auch der ostfränkische König, zuletzt Kaiser Arnulf († 899),9 aber auch der oströmische Kaiser, der einen Angriff auf die Bulgaren mit Hilfe der Ungarn führte. Die unglücklich verlaufene Aktion, die schließlich auch zu einem Verrat des byzantinischen Herrschers an den Ungarn führte, war der letzte Akt, der mit der Flucht der Ungarn auf Raten in das Karpatenbecken endete. Auch hinter der Auseinandersetzung von 881 könnte eine Beteiligung der Ungarn an den bayerisch-mährischen Auseinandersetzungen stecken.10 Letztlich brachte aber diese riskante Überlebenspolitik der Ungarn keinen Erfolg und ein innerer und äußerer Wandel der gesellschaftlichen Organisation und der Beziehungen zu den nachbarlichen Großmächten wurde unausweichlich. Die Entstehung der Nachbarschaft zu den Ungarn ist also mit diesem Wandel verbunden. Wie differenziert und bedächtig die Schlacht am Lechfeld 955 beurteilt werden muss, zeigt sich an der Geschichte Bulcsús, der damals einer der Führer des ungarischen Heeres war. Sieben Jahre zuvor war er in Konstantinopel getauft worden, wobei Kaiser Konstantin VII. sein Taufpate war.11 Allerdings soll er einige Jahre nach seiner Rückkehr in die ungarischen Gebiete das Christentum verlassen haben. Bei aller Widersprüchlichkeit der konkreten Abläufe solcher Aktionen ist aber klar, dass die Anführer des ungarischen Heeres 955 keine Heiden waren, sondern sich zumindest aus »politischen« Gründen der christlichen Kultur ringsum anzupassen begannen. Die Niederlage bei Augsburg (Lechfeld)   6 Annales ex Annalibus Iuvavensibus antiquis excerpti, 742  ; Lohrmann – Opll, Regesten Nr. 4.  7 Wolfram, Grenzen und Räume, 325  ; Förstemann, Altdeutsches Namenbuch 2/1 col. 1750 unter Kulm mit vier Nachweisen in der Steiermark. Möglich wäre auch eine Identifizierung mit Kulmariegel, einer Bergkuppe im karantanisch-awarisch/ungarischem Grenzgebiet Plank, Pitten, 36. Havlik, Mähren und die Ungarn, 108 sehr präzise »bei Kulmit«. Die Lokalisierung bei Pöchlarn leitet sich von einem mons, qui apud Uuinades Colomezza vocatur ab. NÖUB 1, 22, Nr. 3a = MGH D Ludwig der Dtsch., 9 f. Nr. 8  ; Plank, Steinhauser, Colomezza, 16 f.  8 Györffy, Die Landnahme der Ungarn, 74.  9 Györffy, Stephan der Heilige, 38 und 39 f. 10 Varga, Ungarn und das Reich, 27. 11 Varga, Ungarn und das Reich, 43 mit Anm. 16.

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hatte nicht nur Bulcsú zu verantworten, sondern auch Angehörige der Árpádendynastie  : Fajz und Lél.12 Bulcsú und Lél wurden in Regensburg hingerichtet. 955 wurde Taksony, der Großvater Stefans des Heiligen, Großfürst der Ungarn. Die folgenden Jahre waren durch bedeutsame neue Orientierungen bestimmt. Taksony richtete seine Aufmerksamkeit noch nach Osten, bevorzugte aber nach kriegerischen Misserfolgen den Weg einer friedlichen Koexistenz. Die Eingliederung der Ungarn in die Völkerfamilie des oströmischen Kaisers erwies sich aber aus aktuellen politischen Gründen als nicht gangbar. Im Zuge der Entwicklung der sich gegenüber den Byzantinern abkühlenden Beziehungen sei der Verlust der Geschenke des Kaisers an die Ungarn erwähnt, die man auch als Tribut gedeutet hat.13 Der byzantinische Einfluss wurde geschwächt, auch deshalb, weil der nun an die Spitze der Ungarn tretende Zweig der Árpáden seine Interessen im Westen der Donau hatte. Damit trat trotz der Niederlage am Lechfeld der Westen bei der Gestaltung einer neuen Organisation in den Vordergrund. Die Wendung nach dem Westen hatte vielleicht auch eine geographische Voraussetzung. Göckenjan beschreibt die östlichen Grenzen des ungarischen Siedlungsgebietes im Karpatenbecken als dichte Waldgebiete und nennt im Westen die Sumpfgebiete östlich des Neusiedlersees und die Überschwemmungsgebiete der westungarischen Donauzuflüsse.14 Die »waldreichen Ausläufer der Ostalpen« boten den Ungarn zu wenig Schutz. Im Lichte der monströsen Vorstellungen, die z. B. Regino von Prüm über die Ungarn verbreitet hatte,15 verdient der Bericht Ottos von Freising Aufmerksamkeit, dass sich die Ungarn ihrerseits von den Bayern und den ostfränkischen Herrschaftsinhabern bedroht fühlten.16 Die strate­gischen Maßnahmen Heinrichs des Zänkers und die weit ausgreifenden Pläne des Bischofs von Passau waren ja keine Friedensschalmeien. Die politische Theorie der fränkischen Markenpolitik war nämlich auch in ottonischer Zeit zu einem guten Teil darauf ausgerichtet, den Gegner an einem günstigen Kampfplatz in einem Scharmützel oder gar einer Schlacht zu besiegen.17 Man verbarrikadierte sich nicht nach der slawischen und ungarischen Methode hinter Verhauen und anderen in die Landschaft gesetzten Hindernissen, sondern sorgte durch Fluchtanlagen (Motten, Hausberge und erste burgartige Bauten) für die nichtkriegerische Bevölkerung. Auch wenn die Bayern nicht sofort nach 955 im Wienerwald erschienen, mussten die Ungarn wissen, dass hier eine beträchtliche Schwachstelle bei ihrer Verteidigung bestand. Eine ihrer Methoden bestand bekanntlich in der Schaffung von Ödland. Wir finden solches zwar vereinzelt auch westlich des Wienerwaldes, das in Urkunden des späten 10. Jahrhunderts nachzu12 Györffy, Stephan der Heilige, 46. 13 Györffy, Stephan der Heilige, 45. 14 Göckenjan, Hilfsvölker, 5. 15 Reginonis Chronica, 282 f.; Lohrmann, Benachbarte Kollektive, 122. 16 Ottonis episcopi Frinsingensis chronica Lib. VI cap. 20, 281. 17 Brunner, Die »dunkle« Zeit, 31.

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weisen ist  ; doch die spärlich überlieferten Einzelfälle ergeben kein zusammenhängendes Bild.18 Für Taksony, seinen Sohn Géza und schließlich für den ersten ungarischen König Stephan wurde ab nun zunehmend bedeutsam, was die Franken und die Bayern unter Ordnung verstanden, und das bezog sich auf die Kirchenorganisation und auf die Rechtsordnung. Die ungarische Kirche erhielt mit Gran/Esztergom im Jahre 1001 ein von der Bistumsorganisation des Reiches und von Bayern unabhängiges Erzbistum. Diese Unabhängigkeit hatte aber während der folgenden Jahrzehnte durch die in Ungarn tätigen Geistlichen Grenzen. Denn es wirkte eine große Anzahl von Klerikern in Ungarn, die nicht nur aus dem ostfränkischen Reich, sondern auch aus den Reformzentren des Westens kamen. Dadurch war die ungarische Kirche eng mit den Strömungen in der lateinischen Kirche verbunden. Die Anfänge der lateinischen Mission in Ungarn gehören in die frühen siebziger Jahre des 10. Jahrhunderts  ; dieser ging ein Scheitern der griechischen Bemühungen voran, dem eine politische Entfremdung zwischen Byzanz und Ungarn entsprach.19 Großfürst Géza nahm mit Otto I. im August 972 Kontakt auf und informierte den Kaiser über seine Absicht, sich im lateinischen Sinne zum Christentum zu bekehren. Die wahrscheinlichste Ursache dafür waren die Aktivitäten Heinrichs des Zänkers in den Grenzräumen gegen Ungarn,20 die, wie wir gesehen haben, mit den Markengründungen für den östlichen Nachbarn eine gefährliche Situation schufen. Otto beauftragte einen als Bischof bezeichneten Bruno, den Kontakt mit Géza herzustellen.21 Brunos Identität wird kontrovers diskutiert  : In der ungarischen Forschung gilt er als der St.  Gallener Mönch Prunwart, der vom Mainzer Erzbischof zum Missionsbischof der Ungarn geweiht worden sei.22 973 nahm eine ungarische Gesandtschaft von zwölf Adeligen am Hoftag in Quedlinburg teil und dokumentierte damit das Interesse der Ungarn an engeren Kontakten mit dem Reich. Es ist hier nicht der Ort, die Geschichte der weiteren Missionierung und den Aufbau der ungarischen Kirche darzustellen. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass der Einfluss der bayerischen Kirchen, vor allem Passaus, nur im Rahmen verschiedener Strömungen in der lateinischen Kirchenorganisation erkennbar ist. 18 Abgesehen von den Klagen Pilgrims von Passau hören wir 976/979, dass bei Steinakirchen im Gebiete der Erlauf ein Ödland bestand, das die Ungarn geschaffen oder verursacht hatten. NÖUB 1, 205, Nr. 17 = MGH D Otto II. 231 Nr. 204. 19 Györffy, Stephan der Heilige, mit interessanten Details, aber zum Teil kaum haltbaren Hypothesen, 61 ff. Einige Berichtigungen bei Varga, Ungarn und das Reich, 46 ff. Es geht dabei um Ungarns angeblich wichtige Rolle zwischen dem westlichen und östlichen Kaisertum, die Varga in den einzelnen Entscheidungen nicht erkennen kann. 20 Varga, Ungarn und das Reich, 47, gegen die »weltpolitischen« Theorien, wie sie z. B. Györffy vertrat  : Györffy, Stephan der Heilige, 62. 21 Ottos Empfehlungsbrief an Pilgrim von Passau  : MGH D Otto I. 586 f. Nr. 434. 22 Varga, Ungarn und das Reich, 48.

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Die Gründung eines eigenen ungarischen Erzbistums war für den Bischof von Passau wohl eine Enttäuschung. Die Bedeutung des Erzmärtyrers Stephan in Ungarn zeigt aber, dass Passau durchaus einflussreich blieb, wenn auch die hochfliegenden Pläne Bischof Pilgrims scheiterten.23 In einem umfassenderen Entwicklungszusammenhang betrachtet, war die aus dem Westen übernommene Praxis der Schenkungen an kirchliche Einrichtungen eines der wichtigsten Elemente des beginnenden Umbaus der sozio-ökonomischen ­Grundlagen der ungarischen Gesellschaft. Der unter massivem Einfluss der Gewohnheiten der Kanzlei Heinrichs II. entstandene Text der Gründungsurkunde von Pannonhalma/Martinsberg, der teilweise 1002 geschrieben und auf 1001 datiert wurde, zeigt diese Veränderungen bereits recht deutlich. Martinsberg, das erst seit 1823 Pannonhalma genannt wurde, spielte als symbolischer Mittelpunkt Ungarns eine wichtige Rolle.24 Die Bedeutung des Klosters beruhte auf Traditionen aus der Gründungszeit, wie die Initiative der Errichtung durch Géza oder die Funktion des Klosters in der von Stephan dem Heiligen geschaffenen Ordnung. So versammelte sich 1078 der ungarische Adel in Martinsberg und beschloss dort unter Leitung König Ladislaus  I. das sogenannte zweite Gesetzbuch, das den Sammlungen Stephans des Heiligen folgte.25 Ich werde auf wichtige sozialgeschichtliche Beobachtungen an Stephans Gesetzgebung gleich näher eingehen. Zweifellos stand Martinsberg unter westlichem Einfluss. Welche personellen Kontakte das Kloster überwiegend prägten, lässt sich nicht präzise bestimmen. Gábor Varga hält es für denkbar, dass Géza Martinsberg für die im Jahre 995 aus dem böhmischen Benediktinerstift Břevnov vertriebenen Mönche gegründet hat.26 Die dafür herangezogenen Annales Posonienses enthalten keine Nachricht zur Herkunft der Mönche in Martinsberg. Bezüglich Břevnovs hat Dana Koutná-Karg auf Einflüsse aus Niederalt­ aich hingewiesen. Neben allgemeinen reformorganisatorischen Argumenten wies sie auf Einträge in bayerischen Nekrologen hin, die Břevnov betreffen.27 Diese Einträge sind allerdings wesentlich jünger und können die Verhältnisse in der Gründungsphase von Břevnov nicht zweifelsfrei beleuchten. Auch die Tätigkeit des heiligen Gunther, der seine späte spirituelle Laufbahn in Niederaltaich begann und in Břevnov begraben wurde, kann zur Beantwortung unserer Fragestellung nur ein Hinweis sein. Seine Tätig23 Vgl. zu dieser Entwicklung Varga, Ungarn und das Reich, 51–57. 24 Der Name Pannonhalma wurde 1823 von dem aus Siebenbürgen stammenden Gelehrten Ferenc Kacinczy entwickelt, der ein studierter Kenner der französischen und deutschen Literatur war. Pannonhalma ist daher eine komplexe ungarische Übersetzung des Begriffes Heiliger Berg Pannoniens, der sich aus dem lateinischen Wortlaut der Stiftungsurkunde ergibt. 25 The laws of the medieval kingdom of Hungary, 86, Anm. 1. 26 Varga, Ungarn und das Reich, 62. Er beruft sich dabei auf Bogyay, Břevnov und die Ungarnmission, 143, wo es allerdings um sehr allgemeine Zusammenhänge geht. 27 Koutná-Karg, Die Anfänge des Klosters Břevnov, 222.

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keit am Hofe Stephans des Heiligen gibt zwar Anlass zu Spekulationen für Beziehungen zwischen Niederaltaich, Břevnov und Martinsberg, doch soll er den ungarischen König zur Gründung von Bakonybel bewogen haben.28 Unklar bleibt die Identifizierung des ersten Abtes Anastasius. Bei der auf Herbst 1002 zu datierenden Gründungsurkunde von Martinsberg handelt es sich um einen Text mit zahlreichen Interpolationen, die in das 12. Jahrhundert datiert wurden.29 Das Privileg wurde auf Intervention, mit Rat und Zustimmung des Abtes Anastasius vom König ausgestellt. Anastasius wurde 1006 Erzbischof von Gran. Der König verlieh seinem Kloster die Rechte von Monte Cassino. Im Beisein einiger bedeutender Leute, wie Dominicus dem Erzbischof von Gran und anderen, die als duces bezeichnet wurden, erhielt das Kloster die Zehente verschiedener (Geld)Angelegenheiten, von Gütern, Landstrichen, Weingärten, aus der Getreideproduktion und von verschiedenen Gefällen. Die zu allererst genannten negotia könnten sogar Einnahmen aus Tributen umfasset haben Die Zehente, die Martinsberg erhielt, lagen auf vom König eroberten Gütern in der Grafschaft Somogy. Stephan schenkte den Besitz an das Bistum Vezprém und erhielt dafür die erwähnten Zehentabgaben und schenkte sie an Martinsberg. Direkte Landschenkungen hätten die alten Sippenchefs kaum verstanden, die nach herrschender Lehre am traditionellen Gemeinschaftsbesitz der Sippen und Stämme festhielten. In diesem angenommenen, aber doch wahrscheinlichen Wandel der Besitzrechte lag der entscheidende Schritt zur neuen sozialen Ordnung. Erst in einem etwas späteren Nachtrag wurde die Schenkung von zehn Dörfern an Martinsberg erwähnt.30 Das Kloster erhielt schließlich Immunität. Dem klassischen Formular entsprechend war es allen Herrschaftsträgern, auch jenen des Königs, verboten, ohne Erlaubnis des Abtes sich in Prozesse, die Güter und Untertanen des Klosters betrafen, einzumischen. Damit entstand eine Klosterherrschaft, die vielleicht nicht sofort, aber mit der Zeit den westlichen Verhältnissen entsprach. Es handelt sich um eine bemerkenswerte Ergänzung der Maßnahmen des Königs, zu denen auch eine Stärkung der Gewalt der Grafen/Gespane gehörte, die aber durch diese Verfügung wieder begrenzt wurde. Stephan verstand also die zweifachen Grundlagen, aus denen die Träger der Ordnung ihr herrschaftliches Handelns im lateinischen Westen ableiteten  : Amtsträger, die dem König verantwortlich waren und eine mächtige Ausstattung der Institutionen, welche die Metaphysik dieser Gedankenwelt trugen. 28 Pfeffer, Der heilige Gunther, 98 ff., bes. 109 f. 29 Diplomata Hungariae Antiquissima, 26 ff. Nr.  5/II. Die Urkunde wurde von dem früheren Notar in der Kanzlei Ottos III. »Heribert C« verfasst. Zu seinem Weg an den Hof König Stephans Györffy, Stephan der Heilige, 124. Die Verfälschung des 12. Jahrhunderts gelang so sorgfältig, dass man den Verfasser des verlorenen Originals an der Schrift erkennen kann. Die Rolle der Urkunde in der Veränderung der ungarischen Gesellschaftsstrukturen Lohrmann, Benachbarte Kollektive 153. 30 Diplomata Hungariae Antiquissima, 41.

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Zuletzt sei zum Thema Martinsberg bemerkt, dass in der Gründungsurkunde des Klosters die Herzöge Poznano, Cuntio und Orzio genannt sind.31 Den ersten wird man wohl mit dem im Kapitel 41 der Compositio genannten Paznan identifizieren dürfen. Hinter dem Cuntio dürfen wir Konrad von Altenburg aus dem Kapitel 42 vermuten.32 Auch Orzio wird mit einem Einwanderer identifiziert.33 Die Veränderungen im Sinne fränkischer und bayerischer Ordnung fanden nun auch einen Niederschlag in der Gesetzgebung Stephans. Einen Neuansatz bei der Regelung der Besitzstrukturen bedeutete die allgemeine königliche Erlaubnis, dass ein Erblasser seine Besitzungen teilen, sie nach Belieben seiner Frau, den Kindern, anderen Verwandten, aber auch der Kirche überlassen konnte. An solchen Verfügungen durfte nach dem Tod des Besitzers nichts verändert werden. Damit näherte Stephan das nun auch in Ungarn geltende Recht jenem der westlichen Nachbarn an.34 Nicht auszuschließen ist, dass diese Veränderungen auch mit der Einwanderung der erwähnten hospites zusammenhingen, die aus dem Westen, vor allem aus Bayern und Schwaben, kamen. Einige der Familien kamen schon zur Zeit Gézas nach Ungarn.35 Besonders sind Geistliche aus Bayern zu erwähnen. Die bayerischen Einflüsse in Ungarn erreichten damals einen bemerkenswerten Umfang, der sich auf vielen Gebieten der Lebensordnung nachweisen lässt. Damit bildeten sich jene Verhältnisse aus, die 1044 zur vorübergehenden Übernahme bayerischen Rechts in Ungarn führten.36 Im Rahmen unserer zentralen Fragestellung nach der Bedeutung der Nachbarschaft erhebt sich nun nachdrücklich die Frage, wie seit den sechziger Jahren des 10. Jahrhunderts die Nachbarschaft zwischen den Ungarn und den Bayern entstanden ist und wie man sich die nach 907 herrschenden Verhältnisse vorzustellen hat. Von diesen Entwicklungen sind auch die organisatorischen Bemühungen bezüglich der Mark an der Donau und in den südöstlichen Marken betroffen. Eine klug abwägende Einschätzung der Situation in den Jahrzehnten nach 907 gibt Peter Csendes. Aus den archäologischen Forschungsergebnissen ergibt sich der Schluss, dass das Siedlungswesen im Donauraum weiter bestand und sich sogar weiterentwi31 Varga, Ungarn und das Reich, 82, mit Anm. 98. 32 Chronici Hungarici Compositio, 297. 33 Diplomata Hungariae Antiquissimi, 500 (Register  : Orzius)  : dux Alemannus (lateinische Bezeichnung wohl von Györffy. 34 The Laws of the Medieval Kingdom 3 Nr. 6  ; ausführlich dazu Lohrmann, Benachbarte Kollektive 140 ff. 35 Györffy, Stephan der Heilige, 77, der in den Familien Vecellin, Chunt und Pazman bzw. Heder Schwaben sieht, da ihre Einwanderung mit der Tätigkeit des Bischofs Brun in Verbindung bringt, den er für einen St. Gallener Mönch hält. So bezeichnet er auch die eingewanderten Ritter als Schwaben. Zurückhaltend in der Zuordnung und Datierung Schünemann, Die Deutschen in Ungarn, 41. Simon von Kéza erwähnt auch comes Tiboldus de Fanberg, qui Grauu Tibold est vocatus. Offensichtlich leitete er diese Adelsdynastie seiner Zeit von den inzwischen berühmt gewordenen Vohburgern ab. Simonis de Kéza Gesta Hungarorum, 188. 36 Zur Klärung dieser schwierigen Frage Lohrmann, Benachbarte Kollektive 130 f. und unten 137.

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ckelte.37 Trotz dieser Feststellung räumt er auch ein, dass das Land östlich der Enns Aufmarschgebiet der Ungarn war, das zum Grenzödland umgestaltet wurde. Die Ungarn errichteten aber kein »System«, das die zerschlagene karolingische Ordnung ersetzte. Wie bereits erwähnt, hatte der Tod einer unbekannten, aber wohl größeren Zahl von adeligen Organisatoren in der Pressburger Schlacht zum Zusammenbruch dieser Ordnung geführt. Andererseits scheint aber eine Erweiterung des Siedlungsgebietes der Ungarn nicht stattgefunden zu haben. Der Burgbesitzer »Gizo«, der angeblich auf dem Melker Berg saß, und die daraus folgende Vorstellung, es würde sich bei diesem Burgherren um den ungarischen Großfürsten Géza handeln, der von Leopold I. vertrieben wurde, ist Folge einer falschen Lesung im Breve Chronicon Melicense.38 So beschreibt Georg Juritsch in seiner Geschichte der Babenberger, wie der Ungar Gizo von Leopold I. aus der Melker Burg vertrieben wurde. Die Kritik von Karl Uhlirz an dieser Darstellung läuft zwar auf das Richtige hinaus, ist aber an sich wenig überzeugend.39 Der Historiker György Györffy, der Jahrzehnte über Fragen der Siedlungsgeschichte und des ungarischen Grenzschutzes arbeitete, vertrat entschieden die Ansicht, dass sich zwischen Melk und der Ennsburg ein Grenzödland erstreckte und östlich bis zum Wienerwald Grenzwächtersiedlungen bestanden. Auch im karantanischen Grenzgebiet soll die Entwicklung ähnlich verlaufen sein.40 Wir haben bereits erwähnt, dass sich an einzelnen Orten die Entstehung von Ödland nachweisen lässt, eine durchgehende Entwicklung in diesem Sinn kann daraus nicht abgeleitet werden. Im Rahmen dieser Diskussion ist der ungarische Name für Wien – nämlich Bécs – ein sehr wichtiges Argument dafür, dass die Ungarn Wien als einen wichtigen Ort wahr­ genommen haben.41 Die Bedeutung dieses Wortes ist nicht widerspruchsfrei geklärt, entscheidend ist aber folgende Beobachtung  : Bécs ist nicht von Wenia abgeleitet, die Ungarn gaben dem Ort also einen eigenen Namen.42 Unter diesen Voraussetzungen gewinnt der nach der Erzählung des Jans Enikels auf dem Berghof sitzende Heide gewisse historische Konturen. Jans berichtet von der ehemals heidnischen, zahlenmäßig geringen Bevölkerung Wiens. Immerhin gab es dort aber einen Hof, den ein Heide bewohnte und den man Berghof nannte.43 Der Berghof befand sich im heutigen Häuser­ 37 Csendes, Der niederösterreichische Raum, 100. 38 Weitgehende Aufklärung dieser berüchtigten Stelle in der Melker Chronik gelang Weltin, Probleme, 459 und besonders 460. Zur ungarischen Forschung kritisch Varga, Ungarn und das Reich, 59, mit Anm. 104, aber auch Weltin, Probleme, 459, Anm. 160 mit Bezug auf Györffy. 39 Uhlirz, Jahrbücher Ottos II., 238, mit Zitierung älterer Kritik. 40 Györffy, Der Donauraum, 47. Die von ihm als Beispiel für die ungarische Grenzorganisation dargelegte Namens-Ableitung des bei Leibniz liegenden Ortes Tillmitsch von den petschenegischen Tulmatzoi, die dort als Grenzwächter tätig gewesen sein sollen, dürfte allerdings nicht zutreffen, ebda., 50. 41 Csendes, Der niederösterreichische Raum, 101 f. 42 So etwa auch Csendes, Der niederösterreichische Raum, 102. 43 Jansen Enikels Werke, Fürstenbuch, 600 Vers 65 ff. Wienn was ê ein heidenschaft und hêt an lituen niht die kraft,

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block Judengasse – Sterngasse – Mark-Aurel-Straße und Hoher Markt. Nach dem Tod des Heiden übernahmen Christen die bestimmende Rolle in Wien und errichteten die Kirche St. Ruprecht.44 Diese Geschichte kann man natürlich nicht einfach auf die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts und damit auf die Ungarn beziehen. Sie passt genauso gut auf die Zeit der Awaren. Es ist daher schwierig, eine Vorstellung zu entwickeln, in welche wirtschaftliche und strategische Landschaft Markgraf Burkhard kam  – die Pläne Heinrichs des Zänkers und der bayerischen Bischöfe wogen damals wohl mehr als die Wirklichkeit. Jedenfalls wird die Quedlinburger Gesandtschaft der zwölf ungarischen Würdenträger von 973 oft mit dem offensiven Vorstoßen Heinrichs des Zänkers nach Osten gesehen.45 Diese Gedankenverbindung ist nicht unwahrscheinlich, denn die Einrichtung der Grenzherrschaften im Südosten des Reiches war, wie schon dargestellt, damals bereits im Gange. Heinrich der Zänker behielt diese Entwicklung zumindest in seinem Blickfeld, da er an den Schenkungen in den Markengebieten mitwirkte.46 Nach der Rückkehr des Zänkers 985 gibt es eine konkrete Nachricht von einem Sieg des Herzogs gegen die Ungarn, über den in den Regensburger Annalen allerdings in sehr knappen Worten berichtet wird  : Victoria super Ungaros Heinrici ducis. Und in Garsten wusste man  : Heinricus dux de Ungaris triumphavit.47 Trotz der lakonischen Kürze der Mitteilung beflügelte der Text die Phantasie sogar der Bearbeiterin der Regesta imperii Ottos III., die jene Nachrichten ausführlich kommentierte. Der kriegerische Erfolg sei von großer Bedeutung gewesen und habe das Ausmaß gewöhnlicher Grenzkämpfe weit überschritten. Markgraf Leopolds Kräfte hätten zur Abwehr der Magyaren nicht ausgereicht und Heinrich der Zänker habe zum Schutz Bayerns eingreifen müssen. In den Quellen ist allerdings nirgends die Rede davon, dass die Ungarn angegriffen hätten. Die näheren Umstände oder die Vorgeschichte der Kämpfe sind unbekannt.48 Dass im Zuge dieser Kämpfe die bayerische Organisation bis an den Ostabhang des Wienerwaldes vorrückte, muss etwas korrigiert werden. Helmuth Feigl meint, dass es sich um ein Überspringen des Wienerwaldes handelte. Damit erlangten die Bayern eine wan dâ niht wan ein hof lac er was ein heiden des sîn pflac. Der hof wart der Perchhof genant, der ist noch manigem bekant. 44 Ladenbauer-Orel, Der Berghof, 27, und zu den Grabungsergebnissen im Berghof 25 ff. 45 Varga, Ungarn und das Reich, 47. 46 Siehe oben im Kapitel über die Einrichtung der Marken. 47 Regesta imperii II/3 518 f. Nr. 1027a. Datierung 991. 48 Völlig aus der Luft gegriffen ist auch die Andeutung angeblicher Ereignisse in Uhlirz, Jahrbücher Ottos III., 142, Anm. 51. Außer den Stoßseufzern Bischof Pilgrims von Passau über die Verwüstungen, welche die Ungarn verursachten, haben wir keinen Anlass, Aggressionen aus dem Osten zu vermuten. NÖUB 1, 139, Nr. 12 f. Urkunde Ottos III. für den Bischof von Passau, deren Text Pilgrim beeinflusst hat. Dort ein ausführliches Lamento über die den Ungarn anzulastenden Verwüstungen im Bistum. Vgl. auch Regesta imperii II/3 458 Nr. 977.

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Ausgangsposition an seinem Ostabhang, dem sogenannten Gebirgsrandweg, die weitere strategische Unternehmungen erlaubte.49 Zu den verschiedenen Versuchen Gézas seit 972/73, die lateinische Missionierung der ungarischen Führungsschichten in Gang zu bringen, traten vermutlich 996 die Verhandlungen über eine Eheschließung zwischen Waik, später Stephan, einem Sohn Gézas, und Gisela, einer Tochter Heinrichs des Zänkers. Damit war die gentil organisierte ungarische Gesellschaft nicht nur mit den spirituellen Grundlagen des lateinisch-fränkischen Herrschaftsaufbaus konfrontiert, sondern der ungarische Großfürst und spätere König näherte sich dem sozialen und politischen Netzwerk der westlich-lateinischen Ordnung an. Das ist wohl jener Zustand, den einige heutige Historiker etwas unscharf als hegemoniale Beziehung oder Herrschaft bezeichnen.50 Es handelt sich dabei um das Ergebnis einer Interaktion, der Begegnungen vorausgegangen sein müssen, die Änderungen der bisherigen Einstellungen bewirkten. Wie bereits angedeutet, bestand der entscheidende Schritt nicht nur im Wechsel von einer Art Heidentum (das erst hinsichtlich protomonotheistischer Strukturen beschrieben werden müsste) zu einem in den Herrschaftsbahnen kanalisierten Christentum, sondern auch von der byzantinischen Welt zur lateinischen.51 Zweck und Ziel der sozialen und rechtlichen Veränderungen in der ungarischen Gesellschaft war die beabsichtigte und beginnende Entmachtung der Sippenoberhäupter.52 Ebenso differenziert zu betrachten ist das Konnubium des Géza-Zweiges mit den bayerischen Liudolfingern  – offenbar ein unter geänderten politischen Bedingungen gegenüber 973 abweichender Plan. Damals hatte sich Géza am königlichen Zweig der Liudolfinger orientiert. Offenbar hatte die Wahrnehmung neuer Konflikte zu diesen Friedensüberlegungen struktureller und tagespolitischer Natur geführt. Der Beginn der Verhandlungen über die Eheschließung mit Gisela fiel in die Zeit nach dem Tod Heinrichs des Zänkers am 28.  August 995.53 Wahrscheinlich ist der Februar 996, als sich auch Otto III. vor einem Romzug in Regensburg aufhielt, der entscheidende Zeitpunkt gewesen. Zu den Vereinbarungen gehörte auch die Taufe Waiks/Stephans, die am 26. Dezember dieses Jahres in Köln vollzogen wurde. Die Taufe spendete Adalbert von Prag, Kaiser Otto war Taufpate und Bischof Brun von Augsburg, Bruder Herzog Heinrichs IV. von Bayern, des späteren Königs und der Gisela, war anwesend.54 Obwohl der Kaiser an diesen Vorgängen beteiligt war, ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Eheschließung Stephans eine bayerische Prinzessin betraf und damals noch nicht abzusehen war, dass ihr Bruder nur wenige Jahre später ostfränkischer König sein würde. 49 Lohrmann, Gottinesfeld, 48  ; zum Überspringen des Wienerwaldes Feigl, Bedeutung und Umfang, 53. 50 Vgl. dazu die Diskussion zum fränkischen König als »Überkönig« Prinz, Die Stellung Böhmens, 105. 51 Zum Ende der griechischen Orientierung der Ungarn 957/58 Györffy, König Stephan, 45 f. 52 Lohrmann, Benachbarte Kollektive 139. 53 Györffy, Stefan der Heilige, 97, über die Gesandtschaft Gézas nach Regensburg im Jahre 996. 54 Uhlirz, Jahrbücher Otto III., 509 f.

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Géza starb im Frühjahr 997, bald nach der Eheschließung Stephans mit Gisela. Er hinterließ seinem Sohn eine beachtliche militärische Macht, Zugriff auf ökonomische Ressourcen, aber auch eine Gesellschaftsordnung, die noch gentilen Regeln unterworfen war. In diese Ordnung hatten sich nun auch die bereits in Ungarn lebenden Ritter aus Schwaben und Bayern einzufügen. Die Bayern kamen erst mit dem Gefolge Giselas nach Ungarn. Der Ritus mit dem Gürten des Schwertes, wie er für König Stephan überliefert ist, ging wohl auf das Vorbild dieser adeligen Krieger zurück. Der Erzählung nach sollen die schwäbischen Brüder Hunt und Pazman diese Überlieferung weitergegeben haben.55 Diese rituellen Kampfvorbereitungen standen mit dem Krieg in Verbindung, den Stephan gegen seinen Konkurrenten und Verwandten Koppany führen musste. Die wohl bayerische »Leibgarde« Giselas war an der Ausrufung Stephans zum G ­ roßfürsten beteiligt. Vecellin soll sogar an der Spitze von Stephans Heer gestanden und in der Schlacht Koppany getötet haben.56 Die schwere Reiterei der Schwaben und Bayern, die schon durch einige Ungarn ergänzt wurde, war am Sieg wesentlich beteiligt.57 Dass sich damals auch Bayern aus der Mark der Babenberger an den Kämpfen beteiligten, ist möglich, aber nicht nachzuweisen. Zur Diskussion steht ein gewisser Engilrich, der am 29. April 998 eine Schenkung Ottos III. zwischen der Großen Tulln und Anzbach erhielt.58 Heide Dienst geht davon aus, dass sich Engilrich an diesen Kämpfen mit den Ungarn Verdienste erworben hatte und auf Bitten Herzog Heinrichs die Schenkung erhielt.59 Das Fehlen einer administrativ-topographischen Angabe erklärt Dienst mit der Lage der geschenkten Besitzungen im Grenzgebiet. Die Güter befanden sich am Westrand des Wienerwaldes. Wenn der Sieg des Zänkers 991 tatsächlich der bayerischen Besiedlung des Wienerwaldes den Weg öffnete, wurde damit ein jahrelang andauernder Prozess begonnen, der nach dem Ausweis der Schenkungen König Heinrichs II. bis 1002 bzw. 1015 reichte. Es wäre verfehlt, in der Taufe und der Heirat Stephans mehr zu sehen als den Beginn eines Wandels in der ungarischen Gesellschaft. Vor allen Dingen scheinen die in jüngeren Untersuchungen immer wieder in den Vordergrund gestellten friedlichen Verhältnisse einer näheren Untersuchung zu bedürfen.60 Soweit wir über die Raumorganisation am östlichen Abhang des Wiener Waldes und im Wiener Becken in der Zeit um das Jahr 1000 etwas aussagen können, gewinnen wir nicht den Eindruck defensiver Maßnahmen der Sieger von 991. Die Unruhe im Wiener Becken wurde eher von den Bayern als von den Ungarn verursacht. Der Ausbau der ungarischen Verteidigungsmaßnahmen 55 Györffy, Stephan der Heilige, 99  ; Simonis de Kéza, Gesta Hungarorum, 189  ; Chronici Hungarici Compositio, 313. 56 Simonis de Kéza, Gesta Hungarorum, 189  : Hic (Wecelinus) Cupan ducem in Simigio interfecit. 57 Györffy, Stephan der Heilige, 100. 58 NÖUB 1, 225 ff., Nr. 19a = MGH D Otto III. 711 f. Nr. 287. 59 Dienst, Ostarriche, 8 f. 60 Dubski, Das Heilige römische Reich, 79 f.

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wird in dieser Hinsicht von der deutschen und österreichischen Forschung kaum zur Kenntnis genommen. Wir müssen damit rechnen, dass im Zuge der neu entstandenen Grenzräume gegen Osten, gleich wie weit sie konkret gereicht hatten (Fischa/Leitha), das ungarische Grenzwächtersystem neu geordnet wurde. Ottos von Freising Bemerkungen zur Einrichtung der Grenzhindernisse stellen zwar einen unmittelbaren Zusammenhang mit den Folgen der Schlacht auf dem Lechfeld her, sind aber als der Beginn der Arbeiten an diesem Abwehrsystem zu betrachten, das erst im 11. Jahrhundert voll ausgebildet war.61 Ottos Formulierung könnte so verstanden werden, dass die Ungarn infolge der Niederlage über die Errichtung solcher Anlagen einmal nachdachten. Die Organisation gegen und für nachbarliche Überfälle war in den beiden einander gegenüberstehenden Gesellschaften trotz aller Annäherung Stephans des Heiligen an die westliche Lebensordnung auch weiterhin eine grundsätzlich andere. Es ist auch während des 11.  Jahrhunderts nicht klar zu erkennen, dass die Verteidigung ungarischen Gebietes durch Krieger erfolgte, die im Grenzgebiet oder den dahinterliegenden Räumen über Grundherrschaften mit landwirtschaftlichen Einrichtungen verfügten. Ob die unter der Führung von Gespanen (comites) kämpfenden Krieger von Ackerbau und Viehzucht lebten, die grundherrschaftlich organisiert waren, ist nicht mit Sicherheit zu klären. In den Grenzgebieten mit ihren Sümpfen und Verhauen, in denen auch künstlich Überschwemmungen hergestellt werden konnten, scheint für landwirtschaftliche Tätigkeit wohl kein Raum gewesen zu sein. Leider wissen wir erst aus Quellen des frühen 13.  Jahrhunderts, dass z. B. die Jobagionen von Martinsberg (den Ministerialien vergleichbar) 10 Joch Boden besaßen, den sie für ihren Dienst als Jobagionen erhielten. Gewöhnlich gehörten die Jobagionen zu einer Burg des Königs und besaßen entweder vom König oder von einer geistlichen Einrichtung eine Art »Lehnsgut«.62 Dieses Gut wurde halbiert, wenn der Krieger nicht mehr in der Lage war, seine Dienste zu erfüllen. Wer erfüllte in der Mark der Babenberger kriegerische Aufgaben  ? Als 1042 der ungarische Herzog des Gebiets nördlich der Donau im Rahmen eines Kriegszugs König Abas das Land im Norden des Flusses verwüstete, trat ihnen der Markgraf mit einer Schar von Leuten entgegen, die aufgrund ihrer Bezeichnung als scutati (Schildträger) und ihrer Ausrüstung trotz ihrer gefolgschaftlichen Organisation als schwer bewaffnete Berufskrieger zu bezeichnen sind. Ihnen schlossen sich aber Edelleute und Männer an, die sich, ohne etwas von der drohenden Gefahr zu wissen, auf ihren Gehöften aufgehalten hatten. Diese Leute waren adelige Grundherren, die in der Lage waren, kriegerische Aufgaben zu erfüllen, ohne aber zum »professionellen« Gefolge des Markgrafen 61 Ottonis episcopi Frisingensis chronica Lib. VI cap. 20 281 Z. 20. Aus Verzweiflung überlegten die Ungarn suum […] vallibus et […] munire. Weltin, Probleme, 472, mit Anm. 261. Schünemann, Die Deutschen in Ungarn, 25, mit der Feststellung, dass das Gyepüsystem erst im 11. Jahrhundert voll ausgebildet war. 62 Györffy, Wirtschaft und Gesellschaft der Ungarn, 124. Das Buch leidet unter dem Verzicht auf Anmerkungen, die durch die nach Kapiteln geordneten Literaturangaben nur unzureichend ersetzt werden.

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zu gehören. Der Zusammenstoß scheint außerhalb des Grenzgebietes stattgefunden zu haben.63 Unsere Betrachtungen erwecken den Verdacht, dass die beiden Systeme der Aufbringung von Kriegern wohl unterschiedlich waren, aber nicht in einem unüberbrückbaren Maße differierten. Auf beiden Seiten bestand die gleiche Notwendigkeit, den Krieger in die Lage zu versetzen, sich auszurüsten und zu ernähren. Für die ungarische Seite ist es schwierig zu beurteilen, ab wann das Kriegsvolk in der beschriebenen Weise tätig war. Györffy stellte hinsichtlich der Jobagionen fest, dass der Begriff jobaggy erst zwischen 1116 und 1131 erstmals in einem Testament nachzuweisen ist.64 Im Rahmen dieser Chronologie wäre es durchaus möglich, dass die ostfränkisch-bayerische Ministerialität bei der Formierung des Kriegerstandes der Jobagionen eine Rolle als Vorbild spielte.

63 Annales Altahenses maiores, 30  ; Näheres dazu unten 106, dort auch der einschlägige lateinische Wortlaut. 64 Györffy, Wirtschaft und Gesellschaft der Ungarn, 124.

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Die Erhebung des Großfürsten Stephan zum König 1000/1001 löste in der Forschung einige Fragen aus, die in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts zu wissenschaftlichen Kontroversen führten, die erst kürzlich unter dem Aspekt neu behandelt wurden, dass manche Fragen zur Königserhebung falsch gestellt wurden.1 Dem Ereignis am nächsten steht ein kurzer Bericht Thietmars von Merseburg. Gábor Varga übersetzte ihn zuletzt folgendermaßen  : »Durch die Gnade und auf Ermunterung des vorher genannten Kaisers (Ottos III.) nahm Waic, der Schwager des Bayernherzogs Heinrich, der in seinem Reich Bistümer errichtete, Krone und Salbung an.«2 Varga wollte mit dem Begriff »annehmen« seine Auffassung ausdrücken, dass Stephan bei dem geschilderten Vorgang der aktiv Handelnde war. Wenn Thietmar auch nicht über eine Kronensendung berichtet,3 deutet die Formulierung, Waic habe die Krone durch die Gnade des Kaisers angenommen, darauf hin, dass die Einrichtung einer königlichen Herrschaft über Ungarn, die man auch mit dem abstrakten Begriff »Krone« kennzeichnete, der kaiserlichen gratia bedurfte.4 Der ungarische König gehörte demnach in einer für uns nicht recht verständlichen Weise zum kaiserlichen Ordnungsgefüge des lateinischen Westens. Nicht übergehen möchte ich das grammatisch-logische Übersetzungsproblem, dass Waic Krone und Salbung durch die Gnade des Kaisers nur e r h a l t e n konnte  ; zur A n n a h m e bedurfte er dieser Gnade nicht. Aus der Schilderung Thietmars geht also ein gewisser Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Kaisers und der Erhebung zum ungarischen König, aber keine zwangsläufige Kausalität hervor. Vargas Interpretationsversuch führt in diesem Fall auf einen Irrweg. Die Gründung von Bischofssitzen als Voraussetzung für die neue Königsgewalt stellt allerdings eine bedeutsame Facette der Vorgänge dar. Keine neuen Aspekte liefert vorläufig die Beschäftigung mit der bekannten Frage nach der Lanze, die der ungarische König erhalten haben soll  ; wir werden im Verlaufe unserer Darstellung auf dieses Herrschaftszeichen noch stoßen. Gehörte Ungarn als Königreich nun dem kaiserlichen Ordnungsgefüge im Westen an, ist zu fragen, welche Folgen dies für den herrschaftlichen Spielraum des Königs hatte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zu gleicher Zeit in Gran ein Erzbistum als Mittelpunkt einer Kirchenprovinz errichtet wurde. Dies bedeutet wiederum eine Stärkung des 1 Varga, Ungarn und das Reich, 69 ff. Zunächst handelt es sich um einen kritischen Forschungsbericht, der 75 f. auf der Grundlage einer genauen Lesung des viel diskutierten Berichts des Thietmar von Merseburg zu einer quellengerecht formulierten Fragestellung führte. 2 Thietmari Chronicon  Lib. IV cap. 59, 198  : Inperatoris autem predicti gratia et hortatu gener Heinrici, ducis Bawariorum, Waic in regno suimet episcopales cathedras faciens, coronam et benedictionem accepit. 3 So die richtige Schlussfolgerung Vargas aus dem Thietmar-Bericht Varga, Ungarn und das Reich, 74. 4 Natürlich ist der abstrahierende Begriff »Krone« gedanklich von der materiellen Krone abgeleitet.

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Gedankens, dass ein solcher Sprengel oberster »Kirchenverwaltung« in den weltlichen organisatorischen Verhältnissen wirksam wurde und man die Kirchenprovinz als patria verstehen konnte.5 Zweifellos bedeutet die Einrichtung von Gran als eigenes Erzbistum ein Element der ungarischen Unabhängigkeit, im Gegensatz zu Böhmen, dessen Bistum Prag zur Kirchenprovinz Mainz gehörte. Bevor wir auf die komplexe Frage der möglichen Zugehörigkeit Ungarns zum Reich im Rahmen einer Weltordnung (nicht Weltherrschaft) eingehen, sei noch eine Korrektur zu der zuletzt von Varga vertretenen Pannonien-Theorie angebracht, aus der er folgerte, dass sich Ungarn »an das Reich angegliedert« habe.6 Dieser Theorie fehlt die Basis, da Stephan bis zu seinem Tod ausschließlich die Titel rex Hungarorum oder rex Hungariae führte. Erst in den Lebensbeschreibungen Stephans vom Ende des 11.  Jahrhunderts und der Zeit um 1100 und vereinzelt in Urkunden ist von der Pannonia die Rede.7 Dass in den Quellen des Reiches der ungarische König überwiegend als rex Pannonicus bezeichnet wurde, kann ich nicht bestätigen. Eine flüchtige Auswahl – Niederaltaicher Annalen, Hermann von Reichenau und Wipo –, die wohl für den Gebrauch einer klaren politisch-topographischen Terminologie informativ sind, verwenden diesen Begriff nur ein einziges Mal und dann zur Beschreibung der ungarischen gens und nicht der Königsherrschaft  : […] dissensiones inter gentem Pannonicam et Baioarios […] factae sunt.8 Eine gründliche Behandlung dieser Frage steht aus, sofern sie zur Klärung des Verhältnisses zwischen Ungarn und dem Reich überhaupt etwas beiträgt. Die Frage einer päpstlichen Mitwirkung an der Erhebung Stephans ist von Bedeutung, da gerade um die Jahrtausendwende das Zusammenwirken zwischen Otto III. und Papst Silvester II. eines der zentralen Elemente bei (dem großen Welttheater) der Erneuerung des römischen Reiches spielen sollte. Die mit der Königserhebung zusammenhängende Gründung der Kirchenprovinz Gran kam nur mit päpstlicher Mitwirkung zustande. Die Erzählung von der Abhängigkeit des ungarischen Königtums vom Papst hingegen gehört in den Kontext des Investiturstreites, d. h. konkret zur Entstehung eines besonderen und engen Verhältnisses zwischen den Königen Géza  I. (1074–1077), Ladislaus I. (1077–1095) und Gregor VII (1073–1085). Grundlage dieser Ideologie ist die Heiligsprechung Stephans 1083 und die Biographie des heiligen Königs schon in der ältesten Fassung der Stephanslegende.9 Zur Zeit der Einrichtung des ungarischen Königtums geht es demnach um seine Einbindung in die kaiserliche Ordnung, die da5 Benson, The bishop elect  : Provincia = regnum 41–69  ; Fried, Otto III. und Boleslav Chrobry, 66, Anm. 5, der hervorhebt, dass das Reich Boleslav Chrobrys und Ungarn sich mit dem Umfang der Kirchenprovinzen Gnesen und Esztergom deckten. 6 Varga, Ungarn und das Reich, 82 ff. bes. 83. 7 Diplomata Hungariae Antiquissimi  : Register Pannonia. 8 Gesta Chuonradi II. cap. 26, 44. 9 Im Mittelpunkt steht das bekannte Kapitel 9 der Legenda maior Sancti Stephani SRH 2, 412. Dazu in einem etwas problematischen Regest Regesta imperii II/5 Nr. 942. Problematisch scheint im ausführlichen

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mals zwar neu verstanden, vermutlich aber doch programmatisch auf das Frankenreich bezogen wurde  : die renovatio regni Francorum König Heinrichs II. Daraus ergibt sich die Aufgabe, den Nachweis zu führen, ob es diese Einbindung tat­sächlich gab und wie wir sie zu verstehen haben. Thietmar von Merseburg war jeden­ falls der Auffassung, dass Stephans Erhebung zum König von der gratia des Kaisers abhing. Einen Hinweis auf eine derartige Abhängigkeit gab in einem etwas anderen Zusammenhang Wipo, der Autor der Taten Kaiser Konrads II., der Gesta Chuonradi II imperatoris. Er zählte die Bischöfe und weltlichen Fürsten auf, die nach seiner Ansicht 1024 nach dem Tod Heinrichs II. in den Königreichen Einfluss besaßen und nach fränkischer Gewohnheit den neuen König wählten. Zu Ungarn machte Wipo eine erst um 1046 niedergeschriebene Bemerkung, dass nämlich Heinrich III. Ungarn durch seinen berühmten, herrlichen Sieg bezwungen und nach dem Siege durch hohe Klugheit für sich und seine Nachfolger gewonnen habe  : »Damals (also 1024) wollte Ungarn noch nicht einmal auf uns hören.«10 Wir werden diese außergewöhnlichen Bindungen Ungarns an den ostfränkischen König nach der Schlacht bei Menfö 1044 noch darstellen, die in dieser Zeit tatsächlich eine Unterordnung Ungarns unter den Überkönig/Kaiser bedeuteten. Wipo schrieb diese Einschätzung der Ereignisse auch genau zu dieser Zeit nieder. Wipo meint an dieser Stelle, dass Heinrich III. nach seinem Sieg eine Befehlsgewalt in Ungarn ausübte. Wie können wir aber das zuvor bestandene Verhältnis deuten  ? In der Zeit vor den vierziger Jahren des 11. Jahrhunderts gehörte der ungarische König zum Gefüge der lateinischen Ordnung. Dafür spricht wohl die Rolle Ottos III. bei Stephans Erhebung, auch wenn ihre Bedeutung nicht völlig klar ist. Trotz der Mitwir­kung Ottos III. war Ungarn bis zum Tod Stephans des Heiligen ein selbständiges König­reich, das jenseits aller ideologischen Zielsetzungen des Königs traditionelle Lebensformen bewahrte. Erst nach 1038, dem Todesjahr Stephans, entstanden infolge der Thronstrei­ tig­keiten in Ungarn, in die Heinrich III. eingriff, engere Bindungen zwischen dem König/Kaiser und Stephans Nachfolger Peter Orseolo. Dass wir aus dem von Johannes Fried ausführlich diskutierten Bild Ottos  III. mit zwei Königen zu seinen Füßen aus dem Aachener Liuthar-Evangeliar anderes schließen dürfen, bestreite ich. Die reichhaltige Forschung zu Grundlagen, Wirkung und Bedeutung des Kaisertums konnte bis heute keine widerspruchsfreie Darstellung hervorbringen. Aus dem kritischen Ansatz, Idee und Wirklichkeit des Kaisertums auseinanderzuhalten, wurde erkennbar, dass es einerseits Vertreter des Gedankens einer einheitlichen Organisation des christlichen, lateinischen Westens gab, andererseits aber schon in der

Kommentar der Verzicht, auf die Hintergründe der Entstehung der Stephanslegende einzugehen. Dazu Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 298 f. 10 Gesta Chuonradi II., 12 f.

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Zeit des karolingischen Frankenreichs Könige unabhängig von der fränkischen Ordnung herrschten.11 Trotz der vermuteten Ansprüche Ottos III., eine Erneuerung des römischen Reiches herbeizuführen,12 scheint gerade zu seiner Zeit eine Veränderung im Urteil über die Stellung des Kaisers vor sich gegangen zu sein. Wichtig sind Frieds Zitate zum Verständnis der kaiserlichen Aufgaben. In einem Ämtertraktat, dessen ursprüngliche Fassung aus der Karolingerzeit stammt (?), der aber um das Jahr 1000 überarbeitet wurde, zeigt sich zumindest eine unbestreitbare Differenzierung  : In der älteren Fassung unterstand ein König dem Kaiser, in der jüngeren offenbar nicht mehr, denn es hieß, dass der Patricius dem König oder dem Kaiser unterstehen konnte.13 Vielleicht ist diese Veränderung eine Parallele zur Tatsache, dass die ottonischen Markgrafen oder Großgrafen keine herrschaftlichen Funktionen gegenüber den benachbarten gentilen Herrschern mehr ausübten. Das imperial wirkende Vorgehen Heinrichs III. gegenüber König Peter in Ungarn ist wohl nur als Erinnerung auf karolingische Traditionen zurückzuführen  ; einflussreicher sind die konkreten Konflikte unter den Nachkommen Stephans des Heiligen, aber auch eine Aktualisierung kaiserlicher Vorherrschaft, die sich von den karolingischen Vorgängern unterscheidet.14 Offenbar lösten Fragen dieser Art Frieds Beschäftigung mit dem Widmungsbild des Aachener Liuthar-Evengeliars aus. Im Zentrum des Bildes ist Otto III. als Kaiser dargestellt, am unteren Bildrand je zwei weltliche und geistliche Fürsten und über ihnen, aber deutlich unter dem Kaiser, zwei gekrönte Gestalten mit geschulterten Lanzen mit Fahnen. Am Ende einer sich über Jahrzehnte hinziehenden Forschungstradition setzte sich die Auffassung durch, dass es sich dabei um Könige handelte. Fried identifizierte sie mit Boleslaw Chrobry und Stephan dem Heiligen.15 Dabei macht natürlich die Quali­ fizierung Boleslaws als König gewisse Schwierigkeiten, doch können wir in unserem Zusammenhang diese Frage beiseitelassen. Die Erhebung Waiks/Stephans zum König von Ungarn bedeutet griffig modern gesprochen den Beginn des Weges der Ungarn in die europäische Ordnung. Doch ist die 11 Holtzmann, Der Weltherrschaftsgedanke, 251–264  ; Löwe, Kaisertum und Abendland, 529–562   ; Hageneder, Weltherrschaft im Mittelalter, 257–278  ; dazu Fried, Otto  III. und Boleslav Chrobry, 59 Anm. 15. 12 Vgl. dazu die kritische Darstellung von Knut Görich in NDB 19, 663 (Artikel Otto III.), ausgehend von der Siegelumschrift Renovatio Imperii Romanorum. Das Programm sieht er im Dienst römischer »Politik«, die es notwendig machte, den Papst unter kaiserlichen Schutz zu stellen. Dagegen steht die Theorie von einer realitätsfernen Politik Ottos III. mit dem Ziel einer festen Residenz in Rom und der Anbindung der östlichen Nachbarländer an das Imperium. Weinfurter, Heinrich II., 80, mit Bezug auf Görich, Otto III., 267–270. 13 Fried, Otto  III. und Boleslav Chrobry, 58  : Die kaiserliche Herrschaft über Könige wurde durch einen unbestimmten »Vorrang« des Kaisers abgelöst. 14 Ausführlich dazu, im einzelnen aber zu diskutieren Varga, Ungarn und das Reich, 107 ff. 15 Fried, Otto III. und Boleslav Chrobry, 142.

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Beschreibung der Verhältnisse auf diese Weise unscharf. Entschlüsselt man den mittel­ alterlichen Europa-Begriff, stellen wir fest, dass sich der wohl geographische Begriff Europa mit fränkischer Herrschaft füllt. So spricht Adam von Bremen in den siebziger Jahren des 11. Jahrhunderts vom siegreichen Kaiser Karl, der sich alle Reiche Europas unterworfen habe.16 In den Fuldaer Annalen wird der Raum, in dem 888 die reguli (Kleinkönige in Burgund und Westfranken) aufstiegen, beschrieben als Europa vel regno Karoli sui patruelis.17 Europa wird also der kaiserlichen Herrschaft Karls III. des Dicken, des Onkels Arnulfs, gleichgehalten. Ungarn fügte sich damit in die fränkische Ordnung ein, die auf Karl den Großen zurückzuführen war. Diese Auffassung beruht allerdings auf überwiegend traditionellen Vorstellungen, die eher der Sinngebung als der Herrschaftsabsicherung dienten. Die Angehörigen dieses Ordnungsgefüges waren dem aktuellen Großkönig fränkischer Tradition nicht notwendig u n t e r w o r f e n .

16 Magistri Adam Bremensis Gesta cap. 16, 184  : […] quod victoriosissimus Karolus, qui omnia regna Europae subiecerat […]. 17 Annales Fuldenses zu 888, 146.

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Organisatorisches aus der Zeit Heinrichs II. und Stephans des Heiligen Die Erhebung des bayerischen Herzogs zum König im Jahre 1002 veränderte die Rolle Bayerns im Verband des Reiches beträchtlich. Wie König Heinrich mit seinem gleichnamigen Schwager umsprang, ihn je nach politischer Lage als bayerischen Herzog einund absetzte, wird in der Forschung seit langer Zeit als Beispiel für die vom König geförderte Schwächung des bayerischen Herzogtums angeführt.18 Auch wurden jetzt erst die Folgen der Loslösung Kärntens von Bayern fühl- und erkennbar. Was das Verhältnis zu Ungarn betrifft, hatte die Verschwägerung der Könige zur Folge, dass weitere Träger weltlicher und kirchlicher Organisationen aus Bayern nach Ungarn kamen. Daraus ein friedliches, nachbarliches Verhältnis abzuleiten, das auf umfassendem Vertrauen beruhte, ist bei kritischer Sichtung der einschlägigen schriftlichen Zeugnisse nicht gerechtfertigt.19 Unter den Urkunden Heinrichs II. spielte die Schenkung an Markgraf Heinrich vom 1. November 1002 eine wichtige Rolle. Aus der Lokalisierung der dort genannten Gewässer zog man Schlüsse auf Verteidigungsmaßnahmen gegen die Ungarn. Zuerst ist von einem predium die Rede, dessen Lage zwischen der ­D ürren Liesing und der Triesting beschrieben wurde. Dieser Besitz lag am Ostabhang des Wienerwaldes am Übergang in das Wiener Becken, am sogenannten Gebirgsrandweg.20 Seine strategische Funktion gegenüber dem Osten wird durch die weitere Entwicklung der Besiedlung und die Niederlassung bedeutender adeliger Familien bestätigt.21 Zu erwähnen ist die Burg Mödling, wohin der ungarische König Andreas I. (1046–1060) 1060 wegen der Bedrohung durch seinen Bruder Béla den Kronschatz schickte. Seinen Sohn Salomon brachte ein Graf Diepold an den Hof der Regentschaft Heinrichs IV.22 Aus dem eben zitierten Bericht des Berthold von Reichenau ist allerdings nicht mit Sicherheit zu schließen, dass die Burg Mödling ein Stützpunkt Diepolds war. Doch sind seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts in und um Mödling Ministerialen der 18 Weinfurter, Heinrich II., 62, mit dem wichtigen Hinweis auf die mit der Schwäche des Lützelburger Herzogs von Bayern (Heinrich  V.) zusammenhängende wachsende Bedeutung des Babenbergers Heinrichs I., 103. 19 So Dubski, Das Heilige Römische Reich, 79, und 85 bei der Beurteilung der allgemeinen Lage 1012, als Koloman sein Martyrium erlitt. 20 NÖUB 1, 253 f., Nr. 21. Kommentar 276 f. Zur Lokalisierung und deren Bedeutung Kupfer, Frühe Königsschenkungen, 70 ff. Zum Gebirgsrandweg Csendes, Die Straßen Niederösterreichs, 214 ff. 21 Weltin, Ascherichsbrvgge, 350 mit Anm. 81  ; der Kuenringer Anshalm war auch am Ostabhang des Wienerwaldes tätig  : Dienst, Tradition, 90. 22 Die Chronik Bertholds, 189, zum Jahre 1060. Graf Diepold gehört zu der später als Vohburger bezeichneten bayerischen Dynastie.

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Grafen von Vohburg nachweisbar.23 Daraus folgt, dass wir Mödling als Burg Diepolds betrachten dürfen.24 Weltin meint, dass Diepold zu den mächtigen bayerischen Adeligen gehörte, die während und bald nach den Ungarnkriegen Heinrichs III. in die Mark kamen.25 Eine in diesem Kontext verwirrende Nachricht liefert Simon de Kéza  : Er berichtet unter den nach Ungarn eingewanderten Geschlechtern von einem comes Tiboldus de Fanberg – in diesem Namen erkennt man die verballhornte Form des Namens Diepold von Vohburg. Kéza datiert die Einwanderung Diepolds in die Zeit Gézas, also in das 10. Jahrhundert und stiftet damit einige Verwirrung.26 58 Jahre nach der Schenkung König Heinrichs II. erfahren wir von der Existenz einer Burg Mödling in einem schon in der Karolingerzeit besiedelten Gebiet. Chronologisch dazwischen liegen die intensiven, offensiven Kämpfe Heinrichs III. in den vierziger Jahren in Ungarn, die durch den Thronstreit Peter Orseolos und Samuel Abas ausgelöst worden waren. Wenn man auch der Auffassung sein kann, dass der Gebirgsrandweg als befestigte Linie vielleicht erst damals entstand, bin ich doch eher geneigt, den Abfall des Wienerwaldes in das Wiener Becken schon zu Beginn des Jahrhunderts für einen strategisch bedeutsamen Ort zu halten. Die Burg Mödling hatte wohl gegenüber dem vorgelagerten Gebiet die Funktion eines sicheren Verstecks für herangeführte Bewaffnete oder, wie wir gesehen haben, für Flüchtlinge aus Ungarn. Würdigt man auch alle Verbindungen, die zwischen König/Kaiser Heinrich II. und Stephan dem Heiligen bestanden, dann erheben sich gewisse Zweifel an den angeblich friedlichen Verhältnissen östlich des Wiener Waldes. Trotz der strategischen Linie am Abfall des Wienerwaldes wurde die grundherrschaftliche Organisation weiter nach Osten vorgetrieben.27 Die organisatorische Entwicklung ist an der Pertinenzformel vom 1. November 1002 ablesbar, wo von Kirchen die Rede ist. Die Erwähnung von ecclesiae im geschenkten Gebiet kann nicht bloß als Formalismus verstanden werden, sondern entsprach wohl der Wirklichkeit. Die Grenzorganisation der ungarischen Seite unterschied sich in dieser Zeit noch beträchtlich von der bayerischen. Trotz der Einwanderung von alemannischen und bayerischen Familien in der Zeit Gézas und Stephans, die große Landschenkungen erhielten, können wir vorerst kein grundherrschaftliches System auf der ungarischen Seite erkennen. Die Gesetze Stephans und die komplizierte Ausstattung von Martinsberg/Pannonhalma zeigen, wie wir gesehen haben, erstmals einen gewissen Einfluss dieser Organisationsform in Ungarn, die allerdings bei ihrer Anwendung auf erhebliche Schwierigkeiten stieß. Ebenso zeigen noch die späteren Kämpfe, in denen die Ritter Heinrichs III. mit Verhauen, Überschwemmungen und anderen Hindernissen konfrontiert waren, die tra23 Weltin, Die Urkunden des Archivs der niederösterreichischen Stände (7), 38. 24 Weltin, Ascherichbrvgge, 351, mit vorsichtiger, indirekter Beweisführung. 25 Weltin, Die Urkunden des Archivs der nierösterreichischen Stände (7), 38. 26 Simonis de Kéza Gesta Hungarorum, 188. 27 Kupfer, Frühe Königsschenkungen, 71.

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Organisatorisches aus der Zeit Heinrichs II. und Stephans des Heiligen

ditionelle Verteidigungstechnik, wie sie die Ungarn aus ihrer skythischen ersten Heimat mitgebracht hatten (weitestgehend entvölkerte Landstriche im Grenzraum) und später von slawischen Vorbildern (Verhaue etc.) übernommen hatten.28

28 Die Beschreibungen der alten ungarischen Kampftechniken sind als antike oder frühmittelalterliche Topoi mit Misstrauen zu betrachten. Bogyay, Lechfeld, 6.

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Erste Begegnung mit dem Nachbarn im Norden

Markgraf Heinrich  I. (994–1018) spielte seit der Erhebung des bayerischen Herzogs Heinrich zum König im Jahre 1002 eine wichtige Rolle in den Planungen des neuen Herrschers. Von der Interpretation der Landschenkung des Königs an den Markgrafen am 1. November dieses Jahres war bereits die Rede, nämlich von ihrer topographischen Bedeutung für Auseinandersetzungen mit Ungarn und der Möglichkeit, dass der Babenberger die Schenkung als Gegenleistung für die Unterstützung von Heinrichs Erhebung erhalten habe.1 Die Schenkung vom 1.  November 1002 besteht bekanntlich aus zwei Teilen. Die zwischen der Dürren Liesing und der Triesting gelegenen Besitzungen »des Baiernherzogs und Thronanwärters Heinrich am Ostabfall des Wienerwaldes« hatte Markgraf Heinrich wohl schon länger im Auge und verlangte sie wohl für seine Unterstützung bei König Heinrichs Erhebung.2 Der Markgraf erhielt damals auch 20  Hufen, die er auswählen konnte, nördlich der Donau zwischen Kamp und March. Kupfer erklärt diese Schenkung mit Grenzschutzaufgaben, die der Markgraf in dieser Gegend wahrzunehmen hatte, geht aber der Frage nach der konkreten Situation nicht weiter nach.3 Die Fläche von 20 Hufen konnte in dem weiten Gebiet zwischen den Flüssen bestenfalls für Stützpunkte des Markgrafen in einem heiklen Raum genutzt werden. Damit tritt nun Böhmen bzw. der mährische Raum erstmals in unser Blickfeld. Von Mähren kann nicht die Rede sein, da es als herrschaftliche Einheit damals nicht bestand. Eine Begegnung mit dem babenbergischen Markgrafen fand ziemlich spät statt, weil gegenüber Böhmen die Interessen des bayerischen Adels besonders aus dem Regensburger Raum vorherrschten.4 Dies geht traditionell auf die Zeit Ludwigs des Deutschen zurück. Die Amts- und Machtträger des bayerischen Ostlandes waren damals nicht für die Böhmen, sondern für den altmährischen Raum zuständig. 905/906 verlor Altmähren mit dem Ende der Dynastie Mojmirs II. seine Selbständigkeit in den Kämpfen mit den Ungarn.5 Der bayerische Gegenschlag von 907, mit dem Herzog Liutpold die überkommene Ordnung wieder herstellen wollte, endete mit der Niederlage bei Pressburg.6 Die Herrschaftsorganisation in Mähren im 10.  Jahrhundert ist Gegenstand verschiedener Hypothesen, ganz ähnlich wie das auch bezüglich des Gebietes der späteren Mark der 1 2 3 4 5

Csendes, König Heinrich II., 3 ff.; Lohrmann, Gottinesfeld, 49. Vgl. auch oben 45. Kommentar im NÖUB 1, 276. Kupfer, Königsgut, 105. Handbuch der bayerischen Geschichte 1, 225 und 265. Wihoda, Die mährischen Eliten, 11  ; Měřinský, Mähren, 137 f., Havlík, Mähren und die Ungarn, 115 ff. problematisierend aber auch problematisch. 6 Wihoda, Die mährischen Eliten, 11  ; Reindel, Die bayerischen Luitpoldinger, 62–70 Nr. 45.

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Fall ist. Man nimmt an, dass nach der Niederlage der Ungarn auf dem Lechfeld ihr Einfluss auch in Mähren zurückging. Eventuell endete in dieser Zeit die tributäre Abhängigkeit der Mährer. Ob damals auch Mähren von der Konsolidierung der böhmischen Herrschaft betroffen war, ist Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion. Wenn dies der Fall gewesen ist, wurde diese Entwicklung um die Jahrtausendwende, also zur Zeit, als die Babenberger in der Mark ihre Möglichkeiten kennenlernten, durch die Großmachtpolitik des Boleslaw Chrobry unterbrochen. Die Herrschaftsverhältnisse im Norden der Mark waren unklar, als sich einige bayerische Machtträger anschickten, den Raum des alten Ostlandes wieder mit Herrschaft zu erfüllen. Trotz aller Unklarheit wusste man, dass das Gebiet im Norden Mähren war. Dementsprechend wurde im Passauer Weistum von 985/91 die Ausdehnung der Passauer Hofmark Zeiselmauer so beschrieben, dass sie nämlich im Norden jenseits der Donau bis zur mährischen Grenze (et ita ultra Danubium usque ad Marevinos terminos) reichte.7 Die Angabe bleibt leider relativ, da wir keinen festen Punkt kennen, um diese Grenze festlegen zu können. Zurück zur Schenkung von 1002  : Soweit sie das Gebiet zwischen Kamp und March betrifft, hängt sie wohl mit einem sich zuspitzenden Konflikt im böhmisch-mährischen Raum zusammen. Die Schenkung für Markgraf Heinrich wurde in Haselbach (Neuburg/ Donau) ausgestellt, am 12.  November befand sich König Heinrich bereits in Regensburg. Dort suchte den König ein gewisser Wladiwoj auf. Dieser war seit etwa Mitte des Jahres 1002 böhmischer Fürst. Es handelt sich um einen weitestgehend unbekannten Vertreter der böhmischen Fürstendynastie, der längere Zeit in Polen gelebt hatte und wohl deshalb das Vertrauen des damals mächtigsten Fürsten in Ostmitteleuropa, Boleslav Chrobry, genoss, der wohl als treibende Kraft hinter Wladiwojs Wahl zum »Herzog« stand.8 Martin Wihoda meint, dass sich Boleslav Chrobry mit diesem Coup eine verlässliche Rückendeckung bei seinem geplanten Krieg gegen Meißen zu sichern versuchte. Die Rechnung ging nicht auf, Wladiwoj erschien auf dem Reichstag in Regensburg, wo er sich Heinrich  II. unterwarf und Böhmen als Lehen empfing.9 Den Wortlaut von Thietmars Bericht kann man zwar auf Böhmen beziehen, zwingend ist das aber nicht. Es heißt nämlich, dass Wladivoj das, was er vom König verlangt hatte, als beneficium erhielt.10 Ob es sich dabei um Böhmen handelte oder andere Güter und Rechte, geht aus dieser Formulierung nicht eindeutig hervor. Auf der Suche nach den Ursachen für diesen Gesinnungswandel dieses seltsamen böhmischen Fürsten, den Thietmar auch als wahrhaftigen Säufer schildert, stellte Barbara Krzemienska die Frage, ob nicht ein wichtiges Ereignis das überraschende Zusam 7 Marian, Zur Besitzgeschichte, 138.  8 Wihoda, Die mährischen Eliten, 14.  9 So Wihoda, Die mährischen Eliten, 14, und Hirsch, Jahrbücher Heinrich II. 1, 232. 10 Thietmari Chronicon Lib. V cap. 23, 249  : […] que postulavit ab eo (a rege) in beneficium acquisivit […].

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menwirken des böhmischen Fürsten mit dem ostfränkischen König ausgelöst habe.11 Sie dachte an die Schenkung für den Babenberger Markgrafen Heinrich, die sie allerdings wenig umsichtig interpretierte. Für die von ihr angedachten mährischen Implikationen könnte man wohl an die Schenkung der 20 Hufen zwischen Kamp und March denken, daraus sind aber keine bedeutenden strategischen Landgewinne zu folgern. Ein Zusammenhang mit der Expansion des Boleslav Chrobry ist nicht wahrscheinlich. Freilich erlangte dieser Grenzraum von bömisch/mährischer, ungarischer und »österreichischer« Seite große Bedeutung. Zunächst erhebt sich die Frage, ob und welche Rolle Markgraf Heinrich in der jahrelangen Auseinandersetzung des Königs mit dem polnischen Fürsten Boleslav Chrobry spielte  ? Nachdem Boleslav für kurze Zeit (1003/1004) sich auch in Böhmen als Herrscher durchgesetzt hatte, unternahm Heinrich II. im Spätsommer/Herbst 1004 gegen ihn einen Feldzug. Im Zuge dieser Unternehmung wurde Prag erobert, Boleslav flüchtete und dem Přemysliden Jaromir, der an der Eroberung beteiligt war, wurde vom König die väterliche Würde, nämlich die Herrschaft über Böhmen, übertragen.12 Von einer Belehnung hören wir bei Thietmar nichts. Mähren hingegen blieb noch bis 1018/20 unter polnischem Einfluss.13 Die Frage der Grenze zu Mähren werden wir bei der Schilderung der Koloman-Tragödie im Jahre 1012 wieder ins Auge fassen.14 Im Juli 1015 sammelte sich das Heer des Kaisers zu einem Feldzug gegen Boleslav.15 Eigene Heere führten auch der böhmische Fürst Udalrich und der Babenberger Markgraf Heinrich. Udalrich sollte zusammen mit den Bayern zum Kaiser kommen.16 Er war wohl an der Spitze seiner Böhmen unterwegs. Die Kriegerhaufen der Böhmen und Bayern agierten nicht weit auseinander. Eine Vereinigung mit der kaiserlichen Streitmacht war nach dem Übergang über die Oder in Polen geplant. Dazu kam es aber aus verschiede­ nen Gründen nicht, wie Thietmar wenig konkret formulierte.17 Die Beteiligung des Babenbergers war wohl nicht in seiner Nachbarschaft mit dem »polnischen Mähren« begründet. Obwohl sie (Udalrich und die Bayern) den Kaiser nicht begleiteten, zeigten sie sich dennoch dienstwillig in seiner (des Kaisers) Nachbarschaft. Denn Udalrich griff die Burg Landeskrone an, an deren Fuße Biesnitz (Görlitz) lag. Thietmar nennt diese Burg 11 Krzemienska, Krize ceského státu, 506 f. Thietmar erzählt an der zitierten Stelle, dass Wladiwoj numquam sine potu unam horam perdurare valuerit. 12 Hirsch, Jahrbücher Heinrich II. 1, 318 f. und 323. 13 Diese Frage scheint nun gelöst  : Krzemienska, Wann erfolgte der Anschluss Mährens, 237 (1019/20). In diesem Sinne auch Wihoda, Die mährischen Eliten, 16. 14 Siehe unten 85. 15 Regesta imperii II/4 Nr. 1866 f. 16 So etwas missverständlich Thietmar Lib. VII cap. 19, 420  : Othelricus quoque, qui cum Bawariis (soll wohl Boemis heißen) ad caesarem venire debuit. Dazu auch Zeissberg, Die Kriege Kaiser Heinrichs  II., 403.; Görich, Eine Wende im Osten, 106, mit Anm. 59. 17 Thietmar Lib. VII cap. 19, 420  : ob multas causarum qualitates dimisit.

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Businc.18 Die Lage der Burg beweist, dass Udalrich in der Nähe des Kaisers (sua vicinitate) tätig war.19 Er nahm Frauen und Kinder, aber auch 1000 Mann gefangen und steckte die Burg in Brand. Udalrich befand sich also mit seinem Heer im polnischen Kriegsgebiet. Als aber Markgraf Heinrich erfuhr, dass Gefolgsleute des Boleslav in seiner Nähe Beute gemacht hätten, verfolgte er mit den Bayern die Kriegsleute, tötete 800 und nahm ihnen ihre Beute ab.20 Barbara Krzemienska schloss aus der Formulierung, dass sich der Raubzug in der Nähe des Markgrafen Heinrich abgespielt habe, der Schauplatz sei in der Nähe der Mark des Babenbergers zu suchen. Sie meint auch, dass Markgraf Heinrich durch Kämpfer aus Mähren aufgehalten wurde. Es werden aber an dieser Stelle nur die milites des Boleslav erwähnt – von seinen mährischen Kämpfern wird an anderer Stelle berichtet. Über den Ort, wo der Beutezug stattgefunden hatte, erfahren wir nichts. Die auf den Aufenthaltsort des Markgrafen Heinrich bezogene Stelle (iuxta se) beschreibt m. E. die Nähe zu dem begangenen Raubzug und nicht die Nähe zum Besitzschwerpunkt des Markgrafen  : Die hätte Thietmar mit der Formulierung iuxta suum umschreiben müssen.21 Auch die einleitende Formulierung über das Zusammenwirken Udalrichs mit den Bayern lässt eher den Schluss zu, dass Heinrich in der Nähe des böhmischen Herzogs agierte. Wir dürfen daher annehmen, dass sich dieser Vorgang nicht im mährisch-babenbergischen Grenzraum abspielte. Festzuhalten ist, dass Markgraf Heinrich an der Spitze eines bayerischen Kriegerverbandes stand. Seit dem Jahre 1009, als Heinrich, der ­Bruder der Königin Kunigunde, abgesetzt worden war, gab es keinen eigenen Herzog von ­Bayern. Der König behielt das Herzogtum in eigener Hand.22 Markgraf Heinrich übernahm wohl im Kriegsfall die Aufgaben des Herzogs.23 Der Babenberger war fest im bayerischen Herrschaftsgefüge verankert  ; auch sein Bruder Adalbert wird 1010 als Graf im Schweinachgau und 1011 in dieser Funktion im Künziggau, der südlich von Passau lag, genannt.24 Die besondere Position der Babenberger in Bayern, die durch ihre bedeutsamen kriegerischen Aufgaben gegenüber den Nachbarn entstand und sich weiterentwickelte, hatte vielleicht schon damals erste Auswirkungen auf die Orientie18 Thietmar Lib. VII 19, 420  : Namque Othelricus quandam urbem magnam Businc dictam petiit. Biesnitz ist heute ein Bezirk der Stadt Görlitz an der deutsch-polnischen Grenze. Zur Identifizierung des Ortes Jecht, Die erste Erwähnung der Oberlausitz, 188–199  ; Krzemienska, Wann erfolgte der Anschluss Mährens, 233. 19 Die von Krzemienska mit philologischer Beratung interpretierte Textstelle Krzemienska, Wann erfolgte der Anschluss Mährens, 231, Anm. 106, scheint mir nicht stichhaltig. 20 Thietmar VII. cap. 19, 420. Handbuch der bayerischen Geschichte 1, 312, oberflächlich ohne nähere Angaben Lechner, Babenberger, 63  ; ausführlich Wihoda, 15  ; NÖUB 1, 274 f., zu Heinrich und den bayerischen Kriegern. 21 Krzemienska, Wann erfolgte der Anschluss Mährens, 230, mit der ausdrücklichen Übersetzung des iuxta se  : in der Nähe seines eigenen Gebietes. 22 Handbuch der bayerischen Geschichte 1, 309, Anm. 55. 23 Am Feldzug im August/September 1005 nahm noch der bayerische Herzog Heinrich teil. Thietmar cap. VI 22 (16) 300. Regesta imperii II/4 Nr. 1601c Görich, Eine Wende im Osten, 106, mit Anm. 59. 24 Lechner, Babenberger, 65  ; MGH DD Heinrich II. 252 Nr. 215, 269 Nr. 232.

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rung bayerischer Adeliger in das bayerische Ostland.25 Deren Tätigkeit in Ostarrîchi, der allmählich expandierenden Mark, machte sie zu jenen Leuten, die durch erlauchte Herkunft und Leistungen aus dem Volk ein wenig hervorragten.26 Noch waren sie alle Bayern – die Feststellung des Zeitraumes und die Umstände, unter denen sich der Adel zum »populus« und der Babenberger zum »Fürsten« in der Mark wandelte, ist ein altes Thema der Forschung und wird auch aus unserem Blickwinkel im Detail zur Lösung der Frage etwas beitragen. Im Jahr der Feldzugs gegen Boleslav gab es über diese Beobachtung hinaus eine besonders enge Zusammenarbeit des Kaisers mit den Babenbergern. Knapp vor dem Feldzug war der locus Gottinesfeld über Vermittlung des Bamberger Dompropstes Poppo, wohl mit Zustimmung seines Bruders, Markgraf Heinrich, an Bamberg geschenkt worden.27 Wenn wir in dem geschilderten Fall keine Beunruhigung an der Grenze zu Mähren feststellen können, bedeutet das natürlich nicht, dass hier zu allen Zeiten Ruhe herrschte. Die Nervosität in diesem Raum vermittelt die überzogene Reaktion einiger Einheimischer, die zum Martyrium des Pilgers Koloman führte. Über die unabhängig von konkreten Vorfällen bestehende Furcht vor Feinden ist erst kürzlich ausführlich diskutiert worden.28 Nach dem Bericht des Thietmar von Merseburg erfüllte sich nämlich das tragische Geschick des Pilgers Koloman im bayerisch-mährischen Grenzbereich. In den Niederalt­ aicher Annalen und den etwa fünfzig Jahre später entstandenen Melker Annalen wird Kolomans Martyrium nach Stockerau verlegt und in das Jahr 1012 datiert.29 Thietmar von Merseburg wiederum berichtet von erstaunlichen Naturwundern am Schauplatz der Ermordung Kolomans und die Initiative des Markgrafen Heinrich, den Leichnam in Melk zu bestatten.30 Für unsere Belange interessiert uns vor allem die Tatsache, dass die Markgrafschaft des Babenbergers Heinrich an das Siedlungsgebiet der Mährer grenzte, das damals unter polnischem Einfluss, ja wahrscheinlich sogar unter der Herrschaft von Boleslav Chrobry stand. König Heinrich II. befand sich seit 1004 in einem immer wieder angefachten Krieg mit dem polnischen Fürsten. Es gibt zwar vor 1015 keinen konkreten Bericht über eine Beteiligung des Markgrafen Heinrich an den Kämpfen, wir dürfen aber annehmen, dass die herrschaftspolitisch informierten Leute in der Mark die Gefährlichkeit der Situation wahrgenommen haben.

25 Dieser Prozess wurde hinsichtlich Kärntens und der karantanischen Mark eingehend von Gerald Gänser und Adelheid Krah am Beispiel der Eppensteiner beschrieben. Vgl. oben 19. 26 Lohrmann, Herrschaftsverhältnisse in der Grie, 69, mit Anm. 16. 27 Lohrmann, Gottinesfeld, 40, mit der Diskussion der Datierung 5. Juli 1015. 28 Dubski, Das Heilige römische Reich, 84. 29 Annales Altahenses maiores, 17  ; Annales Mellicenses, 497, zum Jahr 1012  : Beatus Cholomannus martyrizatus est, et suspensus apud Stocchaerouwe. 30 Thietmari Chronicon VIII, 493.

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Aus dem Jahr 1017 stammt die Nachricht, dass mährische Gefolgsleute des Boleslav eine Schar bayerischer Krieger umzingelten und umbrachten.31 Diese Stelle dient als wichtiger Hinweis, dass sich zumindest Teile des altmährischen kriegerischen Adels Boleslaw angeschlossen hatten. Offen bleibt, wie freiwillig dieser Dienst geleistet wurde. Der Überfall fand vor dem Beginn des sorgfältig vorbereiteten Feldzugs gegen Boleslaw statt, also vor dem 8. Juli.32 Nachdem sich der böhmische Herzog Udalrich auf den Weg zum Kaiser gemacht hatte, marschierte ein Heer der Mährer nach Böhmen.33 Zwischen Anfang August und 15. September 1017 fielen die Mährer in Böhmen ein, eroberten eine Stadt oder Burg und zogen unverletzt mit reicher Beute ab. Markgraf Heinrich griff die Mährer an und tötete mehr als 1000  Leute.34 Wer dieser Markgraf Heinrich war, können wir nicht mit Sicherheit feststellen. Dass der Babenberger Heinrich mährische Krieger auf dem Heimweg angriff, ist nicht unwahrscheinlich. Möglich wäre aber auch, dass der Angreifer der Markgraf auf dem Nordgau Heinrich von Schweinfurt war.35 Es ist aufgrund des Todestages des Schweinfurters am 18. September nicht auszuschließen, dass er bei dieser Unternehmung den Tod fand. Allerdings wäre es ein wenig befremdlich, dass Thietmar darüber nichts mitteilt. Eine Beteiligung des Schweinfurters würde nicht dafür sprechen, dass die Auseinandersetzung im mährischen Grenzraum stattfand. Dubski erwägt die Möglichkeit, dass die Bevölkerung im Grenzgebiet Furcht vor den Böhmen und Spionen hatte, denn Markgraf Heinrich griff ja an der Seite des Königs gegen Boleslav ein, der die Kontrolle über das mährische Gebiet 1012 und in den folgenden Jahren innehatte. Er meint, im Zuge der Kämpfe sei die Mark aber nicht bedroht gewesen.36 Wie bereits angedeutet, war die Situation in der Mark durchaus gefährlich, da Markgraf Heinrich in den strategischen Überlegungen des Königs vermutlich eine wichtige Rolle spielte. Thietmar nennt Heinrich, offenbar seine gesamten Leistungen resümierend, einen fortis armatus, als dieser am 23. Juni 1018 starb.37 Königlicher Politik entsprechend bestanden die drängenden Probleme gegenüber dem von Boleslaw Chrobry beherrschten Mähren, das in seinen südlichen Teilen bis zum Wagram reichte. Als An31 Thietmari Chronicon Lib. VII, cap. 57 (42), 470  : Interea Mararenses Bolizlavi milites magnam Bawariorum catervam dolo circumvenientes incautam occidunt […]. Wihoda Die mährischen Eliten, 15, mit Anm. 47. 32 Regesta imperii II/4 1051 Nr. 1907a. 33 Hirsch, Jahrbücher Heinrich II. 3, 55 f. 34 Thietmari Chronicon VII, cap. 61, 474. Regesta imperii II/4 Nr. 1908c. Zu diesen Ereignissen Krzemienska, Wann erfolgte der Anschluss Mährens, 234 f., Anm. 127. 35 Dieser wurde wahrscheinlich bald nach seiner Absetzung als Markgraf in einem verkleinerten Gebiet (Cham und Nabburg) wieder als Markgraf eingesetzt. Doeberl, Die Markgrafschaft, 17. Der Schweinfurter starb am 18. September 1017. Meyer, In der Harmonie von Kirche und Reich, 223, mit Anm. 60. Thietmar VII, cap. 63, 424 f. 36 Dubski, Das Heilige römische Reich, 85. 37 BUB IV/1 Nr. 557  ; Lechner, Babenberger, 64.

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führer bayerischer Kontingente errang er bemerkenswerte Erfolge und scheint sich gerade in dieser militärischen Funktion am Ende seiner Lebenszeit als eine Art Stellvertreter des Königs in Bayern etabliert zu haben. Die Wiedereinsetzung Heinrichs V. in Bayern erfolgte wohl schon Ende 1017, seine Thronsetzung im Juni 1018 (nach Markgraf Heinrichs Tod  ?)  ; an den Verhandlungen war Erzbischof Poppo von Trier beteiligt.38 In der Zeit, da Heinrich als Markgraf wirkte, sind in den Königsurkunden Grundherren wie der bekannte Pilgrim aus dem Jahre 1002 oder grundherrschaftliche Organisationen, wie z. B. jene von Tegernsee erkennbar. Es ist sogar möglich, dass sich die weitere Entwicklung von Pilgrims Besitz im späteren Mostviertel in der Ministerialenordnung des Bamberger Bischofs Gunther verfolgen lässt.39 Dass sich aus diesen spärlich nachzuweisenden Ansätzen militärischen Potentials in der Mark einmal die Gefolgschaft der Babenberger zugunsten ihrer Fürstenherrschaft entwickeln sollte, war noch nicht abzusehen. Heinrich agierte im bayerischen Rahmen. Sein Gefolge bestand aus Bayern, gleich ob sie in der Mark ansässig waren oder westlich der Enns. Ein neues von Bayern unterschiedenes Wir-Bewusstsein der Grundherren in der Mark entwickelte sich seit der Zeit um 1040 in den Kämpfen an der mährischen Grenze, in weit höherem Maße aber angesichts des ungarischen Gegenübers. Heinrichs  I. Herrschaft und »Amtsausübung« vollzog sich im Rahmen königlich-bayerischer Politik, die vom Markgrafen an exponierter Stelle von Heinrich I. wahrgenommen wurde. Im Lichte der günstigen Position, die der verstorbene Markgraf und seine Brüder Ernst und Poppo beim König einnahmen, erscheint eine Nachricht im Zusammenhang mit der Nachfolge Adalberts als Markgraf auf den ersten Blick unerwartet. In einer Aufzeichnung des Bamberger Klosters Michelsberg wird sprachlich ein wenig verkorkst berichtet, dass Adalbert, der Graf der Mark (comes marchie), aus seinem Eigenbesitz eine curtis in Zeil (im unterfränkischen Volksfeldgau) aus seinem Besitz der Gewalt des Kaisers Heinrich für die Mark mit voller Gewalt übergab.40 Die Herausgeber des Babenberger Urkundenbuchs haben sinngemäß von einer Anerkennung in der österreichischen Mark gesprochen. Adalbert gab demnach für die Anerkennung seiner Nachfolge ein Stück Land, das vielleicht sogar aus dem Besitz der Dynastie in der späten Karolingerzeit stammte. Seine Nachfolge in der Mark war demnach nicht selbstverständlich. 38 Hirsch, Jahrbücher Heinrich II. 3, 74 mit Anm. 4. Thietmari Chronicon Lib. VII, cap. 66, 480 Dezember 1017  : Heinricum etiam, quondam Bawariorum ducem et tunc VIII annos et pene tot menses  ; sua depositum culpa, pristinis imperator restituit honoribus die dominica, sicut ei firmatum est prius a Poppone Treverensi archiepiscopo. Die Wiedereinsetzung Heinrichs V. erstreckte sich über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren, der vermutlich schon 1015 begann. 39 Dieser Zusammenhang beruht auf der Vermutung, dass Bischof Gunther mit jenem P(ilgrim) verwandt war. Dies wurde jüngst bestritten. NÖUB 1, 356 f. Zu Tegernsee ebda., 236 ff., Nrn. 20b – 20e. 40 BUB IV/1 Nr. 559  : […] quia Adalbertus comes marchie quandam curtem nomine Zilin de suo proprio Heinrici imperatoris dominio pro ipsa contulit ad integrum marchia[…]. Lechner, Babenberger, 65  ; Zehetmayer, Die babenbergischen Markgrafen, 19.

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Erste Begegnung mit dem Nachbarn im Norden

Tatsächlich erhoben Otto III. und Heinrich II. in einigen Fällen nicht einen Sohn eines verstorbenen Markgrafen zum Nachfolger, sondern öfter bewährte Leute aus konkurrierenden Familien. Für den sächsischen Bereich hat Knut Görich einige Beispiele zusammengestellt.41 Die direkte Abhängigkeit der Markgrafen vom König in Sachsen hat mit der starken Stellung des Königs im Norden zu tun. Dem entspricht die Situation in Bayern in der Zeit Heinrichs II., den man als den eigentlichen »Herzog« auch nach seiner Erhebung zum König betrachten kann. Es scheint so, dass Adalbert um die Nachfolge mit dem Kaiser verhandeln musste. Es ist auch möglich, dass diese Vorgangsweise des Kaisers bei der Neubesetzung der Mark mit der Tatsache in Verbindung zu bringen ist, dass es mit Heinrich V. seit 1017/18 wieder einen Herzog von Bayern gab. Solche Verhandlungen um die Würde eines Markgrafen sind in mehreren Fällen nachzuweisen. Dabei wurden von den Kandidaten Geldzahlungen angeboten. Thietmar berichtet, dass im Rahmen der Erhebung eines Nachfolgers für den ermordeten Ekkehard von Meißen Boleslaw Chrobry für die Erhebung zum Markgrafen eine »unermesslich hohe Geldsumme« angeboten habe. Auch Werner von Walbeck, der sogar Nachfolger seines Vaters als Markgraf war, zahlte dem König 200 Pfund. Knut Görich hielt es für ungewöhnlich, dass Herzog Udalrich Böhmen von Heinrich  II. unentgeltlich erhielt.42 Damit ist wohl klar, dass Adalbert den König für die Einsetzung in die Würde des Markgrafen brauchte und ihm dafür eine Gegenleistung in Form der Überlassung einer curtis erbrachte. Eine feste Erbfolge gab es damals in der Funktion eines Markgrafen wohl nicht. Die Feststellung Karl Lechners, dass nach dem Tode des Markgrafen Luitpold 994 sein ältester Sohn Heinrich ohne weitere Umstände und ohne Schwierigkeiten in der Mark nachfolgte, mag besonderen Umständen zuzuschreiben sein. Auf eine selbstverständliche und allgemein übliche Vererbung der Würde sollte man nicht schließen.43 Wohl keinem Zweifel unterliegt es, dass Adalbert ein Sohn des ersten Markgrafen Leopold war, wenn auch eine Bemerkung Ottos von Freising Verwirrung gestiftet hat. Er erklärte nämlich im Zusammenhang mit dem Ende des Adalberts aus der Familie der sogenannten älteren Babenberger, dass von diesem jener Adalbert abstamme, der den Ungarn Ober-Pannonien entrissen habe.44 Die gewagte Behauptung, dass Otto erst mit Adalbert die Reihe der Markgrafen eröffnet, ist nur insofern von Bedeutung, als Otto die Begründung der Dynastie seinem Ururgroßvater zuschreibt. Dessen bekannte Brüder Heinrich, Ernst und Poppo begründeten ja keine babenbergischen Zweigfamilien, sieht man einmal von Ernst II., einem Sohn des älteren Ernst ab, der den bekannten Aufstand gegen seinen Stiefvater Konrad II. unternahm. Ernst und Poppo waren dem Freisinger Bischof als Brüder Adalberts bekannt.45 41 Görich, Eine Wende im Osten, 113, mit Anm. 91. 42 Görich, Eine Wende im Osten, 116, mit Anm. 106, hier auch die genannten Beispiele. 43 Lechner, Babenberger, 56. 44 Ottonis episcopi Frisingensis Chronica Lib. VI cap. 15, 275. 45 Ottonis episcopi Frisingensis Chronica Lib. VI 28, 291  : Haec [Gisela, die Gattin König Konrads II.] primum Ernusto duci Suevorum, fratri Alberti superioris Pannoniae marchionis, nupta fuit.

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Der Angriff auf Ungarn 1030

In den Jahren, da eine gewisse Unruhe im Grenzraum zu Mähren feststellbar ist, blieb es im Osten ruhig. 1018/19, als in Ostarrîchi der neue Markgraf eingesetzt wurde, begann Ungarn für die Pilger, die aus dem Westen ins Heilige Land zogen, eine wichtige Rolle zu spielen. Der Landweg bot eine Reihe von Vorteilen, welche die Unabhängigkeit und Versorgung der Reisenden betrafen. Ungarn übernahm damit eine konkrete Funktion bei der Verwirklichung spiritueller Vorstellungen der Christen des lateinischen Westens. Odilo von Cluny und Bern von Reichenau spendeten dem ungarischen König und seiner Gattin Gisela dafür großes Lob.1 Wir dürfen vermuten, dass diese Veränderungen in Ungarn nur wenig Breiten- und Tiefenwirkung unter jenen Gruppen der Gesellschaft zeigten, die an den maßgeblichen Entscheidungen beteiligt waren. In diesen Verhältnissen liegen wohl die Ursachen von Misshelligkeiten zwischen Ungarn und Bayern begründet, über die Wipo berichtet. Im Bemühen, diese Misshelligkeiten zu erklären, die vor dem Juni 1030 ausbrachen, versuchten Historiker in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts diese Vorgänge in den Rahmen einer zielgerichteten Handlungsweise König Konrads II. gegenüber den östlichen Nachbarn des Reiches einzupassen. Von ungarischer Seite war die Rede von »einer mit Machtmitteln betriebenen deutschen Reichspolitik« oder von »aggressiver Großmachtspolitik«.2 Bálint Hóman meinte sogar, Konrad habe den ungarischen König als seinen Vasallen betrachtet und ihn zum Treueid zwingen wollen.3 Diese sehr allgemeinen Erwägungen, insbesondere ihre verfassungsgeschichtlichen Voraussetzungen finden in den Quellen keine Stütze. Um den Feldzug des Kaisers nach Ungarn mit angemessener Sorgfalt zu erklären, müssen wir, soweit dies möglich ist, die Dimensionen eines mit Sicherheit nachzuweisenden bayerisch-ungarischen Konflikts zu erfassen suchen. Diese Auseinandersetzung ist allerdings im Zusammenhang mit weiter gespannten Problemfeldern wie der Politik Konrads II. gegenüber Venedig und Aquileia zu betrachten.4 Die Beziehungen zu Byzanz spielten ebenso eine Rolle, insbesondere das Misstrauen Stephans des Heiligen gegen eine Gesandtschaft Konrads II. an den byzantinischen Kaiser, die als Pilger getarnt den Weg über Ungarn wählten und an der Durchreise gehindert wurden.5 1 2 3 4

Györffy, König Stephan der Heilige, 175. Kritisch dazu Varga, Ungarn und das Reich, 94, Anm. 151–153 mit Beispielen. Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 247. Varga, Ungarn und das Reich, 95 f.; Wolfram, Konrad II., 246–249. Die Bedeutung des kleinräumigen Konflikts Boshof, Das Reich und Ungarn, 44. 5 Wolfram, Konrad II., 248  ; Krah, Absetzung, 339.

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Der Angriff auf Ungarn 1030

Die Entstehung der Streitigkeiten setzt Wipo in das Frühjahr 1030, etwa gleichzeitig mit dem Osterfest, das der Kaiser in Ingelheim feierte. »Zu derselben Zeit […]« beginnt Wipos Bericht, mit Bezug auf das Datum Osterns.6 Auf eine etwas längere Vorgeschichte weist die Chronik Hermanns von Reichenau hin. Er erzählt, dass Kaiser Konrad nach Ungarn ging, da schon längst Feindseligkeiten mit dem König von Ungarn entstanden waren.7 Auslöser für diese Streitigkeiten könnte Stephans Forderung gewesen sein, seinem Sohn Emmerich das Herzogtum Bayern zu überlassen, das ihm über seine Mutter Gisela, die Schwester Kaiser Heinrichs II. und Tochter Heinrichs des Zänkers, als Erbe zustand. Angeblich erhoben nach dem Bericht Aventins Gesandte des ungarischen Königs diese Forderung. Harry Bresslau hat eine Reihe von Argumenten zusammengestellt, die für die Richtigkeit dieser Darstellung sprechen.8 Die Sache trug sich wohl 1029 in Regensburg zu.9 Zur Diskussion 1027 oder 1029 ist zu bemerken, dass Konrads Sohn Heinrich, der spätere Kaiser, 1027 zum Herzog von Bayern erhoben wurde.10 Konrad habe hierauf die Forderung des ungarischen Königs abgelehnt. Nun erklärten die Gesandten dem Kaiser und dem König (gemeint ist Heinrich III.) den Krieg und reisten ab. Diese harschen Forderungen könnten die Voraussetzung für die von Wipo erwähnten Streitigkeiten gewesen sein. Da Stephan für seinen Sohn Bayern oder zumindest ausgedehnte Besitzungen11 gefordert hatte, ist es nachvollziehbar, dass Wipo von einem bayerisch-ungarischen Konflikt spricht. Die Schuld dafür weist er allerdings den Bayern zu. In diesem Punkt lassen sich unsere Berichte schwer aufeinander abstimmen.12 Es ist aber durchaus möglich, dass Konrads Zurückweisung der Forderungen als »rechtswidriges Unrecht« gegenüber Stephan betrachtet wurde, jenes Unrecht nämlich, von dem Wipo anlässlich der Friedensverhandlungen nach dem missglückten Feldzug berichtet.13 Wir werden auf die Hintergründe dieser interessanten Verhandlungen noch zurückkommen.

  6 WIPO, Gesta Chuonradi cap. 26, 44.   7 Herimanni Augiensis Chronicon 664 zum Jahre 1030  : Counradus imperator, iam dudum inimicitiis cum Stephano Ungariorum rege conflatis, Pannoniam petiit et quantum fluminibus et paludibus non obstantibus poterat, Rabam usque devastavit.  8 Aventin, Annales Bojorum V, 6, 2 und 5  ; Bresslau, Jahrbücher Konrad II. 1, 296 bes. Anm. 6. Ihm folgt Varga, Ungarn und das Reich, 96 f. Zur Diskussion auch Regesta Imperii III/1 72 Nr. 142b. Wolfram, Konrad II., 248, mit Anm. 114.   9 Zur Datierung Bresslau, Jahrbücher Konrad II. 1, 297, am Ende der Anm. 6. Varga, Ungarn und das Reich, 96, datiert 1027, geht aber auf das Problem nicht ein. 10 Bresslau, Jahrbücher Konrad II. 1, 212 f. 11 Heidrich, Die Absetzung, 78, hält etwaige Hoffnungen Stephans und seines Sohnes Emmerich auf die bayerische Herzogswürde für unrealistisch, meint aber  : »wohl aber konnte Emmerich Anspruch auf das Allodialerbe seiner Mutter Gisela erheben.« 12 Auf dieses Problem verweist auch Appelt in Reg. Imperii III/1 72 Nr. 142b. 13 Wipo beurteilt die Handlungsweise des jungen Königs Heinrich als recht und weise, als er mit dem ungari-

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Die bayerischen Besitzstreitigkeiten und die vielleicht damit zusammenhängende Einsetzung Heinrichs III. zum Herzog von Bayern finden ihren Platz in der Auseinan­ dersetzung, die Konrad II. um Venedig führte und die ihn in einen Gegensatz zu Stephan dem Heiligen brachte. Die Verbindung vermutete schon Bálint Hóman, der in der Aufnahme des aus Venedig vertriebenen Otto Orseolo in Konstantinopel eine Gefahr einer Koalition gegen Konrad sah, der auch der byzantinische Kaiser angehörte.14 Er meinte, dass diese Konstellation dem Salier nicht nur in Venetien, sondern auch in Kärnten gefährlich werden könne. Diese Erwägung habe Konrad bei der Besetzung des bayerischen Herzogtums geleitet sowie bei der ungarnfeindlichen Politik, die im Plan des Bündnisses mit Byzanz zum Ausdruck gekommen sei. Ingrid Heidrich hat in ihrer Studie zur Absetzung des Kärntner Herzogs Adalberos im Jahre 1035 mit guten Gründen vermutet, dass dessen Rolle im Konflikt mit Ungarn zu den Voraussetzungen zu seinem Sturz gehören.15 Im Werben des Saliers um eine byzantinische Braut sieht Herwig Wolfram allerdings nicht primär Bündnisabsicht, sondern eine Fortsetzung der Bemühungen der Ottonen, eine Gleichstellung mit dem oströmischen Basileus zu erreichen, die durch Eheschließungen mit byzantinischen Prinzessinnen plakativ unterstrichen wurde.16 Wipo berichtet weiter, dass Stephan viele Angriffe und Beutezüge ins Land der Noriker, also nach Bayern, unternommen habe.17 Es ist klar, dass die Mark des Babenbergers Adalbert davon besonders betroffen war. Aus diesem Raum und den dort engagierten bayerischen Adeligen kam wohl das Ansinnen an den Kaiser, etwas gegen diese Störungen zu unternehmen. Der Markgraf, vielleicht auch der mit Konrad II. eng verbundene Graf Arnold von Wels-Lambach, der vom König 1025 an der ungarischen Grenze Besitzungen erhielt18, und schließlich Graf Wilhelm II. von der Sann gehörten zu den »Kriegstreibern« gegen Ungarn, wie Herwig Wolfram zur Diskussion gestellt hat.19 Die Unsicherheit bezüglich Arnolds hat ihre Ursache darin, dass es keinen Hinweis darauf gibt, dass er die geschenkten 50 Hufen bei Pframa im Marchfeld je nutzte und damit tatsächlich eine Aufgabe im Grenzraum übernahm.20 schen König Freundschaft schloss, da diesem rechtswidrig Unrecht geschehen war. Gesta Chuonradi cap. 26, 44. 14 Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 245 f. Zur folgenden Einschätzung bes. 246. Von Nachteilen für Ungarn bei der Entwicklung des Verhältnisses Reich – Venedig – Byzanz spricht auch Boshof, Das Reich und Ungarn, 44 f. 15 Heidrich, Die Absetzung, 93. 16 Wolfram, Gesandtschaft, 162. Zur politischen Situation im Südosten ebda., 164 f. 17 Gesta Chuonradi cap. 26, 44  : Stephanus rex Ungarorum multas incursiones et praedas in regno Noricorum, id est Baioariorum, faceret. 18 MGH D Konrad II. 36 Nr. 33 = NÖUB 1, 259, Nr. 21d. 19 Wolfram, Konrad II., 250, und 406, Anm. 130. 20 Siehe dazu den Kommentar von Weltin in NÖUB 1, 278, zu Nummer 21d. Der Gedanke, der Wels-Lambacher wollte sich nicht in die Abhängigkeit des Markgrafen Adalbert einpassen, ist erwägenswert, zumal er zehn Jahre später Markgraf der karantanischen Mark wurde.

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So waren wohl die Voraussetzungen, als Konrad mit einem anscheinend sehr großen Heer gegen die Ungarn zog. Fest steht, dass er sich am 21. Juni 1030 auf dem Weg nach Ungarn befand und in Niederaltaich übernachtete.21 Ein Argument für die bedeutende Größe des Heeres ist die Tatsache, dass sich sogar Lothringer unter den Rittern befanden  : Graf Heinrich und sein Gefolge stammten aus dem Westen des Reiches.22 Wipo berichtet zwar, dass König Stephan dem Kaiser nicht gewachsen war und daher Bittgebete und Fasten in ganz Ungarn anordnete, doch erfährt man aus der Legenda maior Stephans, dass er nach Beratung mit den Bischöfen und dem führenden Adel Bewaffnete aus ganz Ungarn sammelte, um das Vaterland (die patria) zu schützen. Im Sinne seiner Heiligenlegende war ihm natürlich klar, dass er ohne die Hilfe Christi nichts ausrichten könne und so kam es zu den Gebeten, die sich auch an die Gottesmutter Maria richteten.23 Stephans Maßnahmen und die bestehende Struktur der ungarischen Verteidigung erwiesen sich als erfolgreich. Wipo berichtet, dass Konrad in das durch Waldungen und Flüsse geschützte Land nicht eindringen konnte. Er musste sich auf Raubzüge und Brandschatzungen an den Grenzen beschränken, die er für das erlittene Unrecht als Vergeltung übte. Dann kehrte er wieder heim. Mehr wusste man darüber allerdings in Niederaltaich  : Ohne Heer und ohne Erfolg kehrte der Kaiser aus Ungarn zurück, weil dieses, von Hunger bedroht, bei oder in Wien in ungarische Gefangenschaft geraten war.24 Fraglich ist, wie groß dieses Heer bei seiner Flucht noch war. Wenn wir auch annehmen müssen, dass es etwas verkleinert war, würde ich seine Gefangennahme eher außerhalb der Siedlung vermuten. Die Siedlung Wien  – von einer Stadt können wir noch nicht sprechen  – befand sich damals in einem gefährdeten Gebiet, in dem sich erst allmählich adelige und geistliche Grundherrschaften bildeten, die Ausdruck einer beginnenden Stabilisierung waren.25 Wipos Bemerkungen zu den Verhandlungen, die der junge König Heinrich mit den Ungarn in der Folge führte, geben einen Hinweis, dass es unter den politisch führenden Leuten im Reich und wohl auch in Bayern unterschiedliche Auffassungen über die Behandlung der Ungarn gab. Der Feldzug Konrads II. fand offenbar auf den Ratschlag bayerischer Gegner der Ungarn statt, zu denen Herwig Wolfram auch den Markgrafen

21 Annales Altahenses maiores 18  : Chunradus imperator in Ungariam cum exercitu properans natali sancti Albani in dominica die in monasterio Altahensi pernoctavit. Das Datum gibt der Herausgeber mit 21. Juni an. 22 Bresslau, Konrad II. 1, 298, bes. Anm. 2. 23 Gesta Chuonradi cap. 26, 44 berichtet, dass Stephan in seinem ganzen Königreich Bittgebete und Fasten anordnete. Legenda maior sancti Stephani. SRH 2, 389 f. 24 Diese Übersetzung folgt Wolfram, Konrad  II., 250, der Vienni als Lokativ übersetzt und dies mit der Logik der Berichtes in den Niederaltaicher Annalen begründet. 25 Lohrmann, Die Besitzgechichte, 49, (Wiental/Gottinesfeld) und 60 (vielleicht schon der St. Petener Besitz an der Als).

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Adalbert rechnet.26 Ihnen stand eine »Friedenspartei« gegenüber, über die man, wie erwähnt, anlässlich der Absetzung Adalberos von Kärnten im Jahre 1035 einiges erfährt. Initiator der Verhandlungen mit dem ungarischen König nach dem missglückten Feldzug war Bischof Egilbert von Freising, den Wipo ausdrücklich als Heinrichs Vormund bezeichnet  ; Heinrich war damals gerade 14 Jahre alt. Egilbert kam aus der Umgebung von Konrads Vorgänger Heinrich II. und er hielt an einer friedlichen Politik gegenüber Ungarn fest.27 Ob man seine Bemühungen als »eigene bairische Politik« bezeichnen kann,28 ist zweifelhaft, da es ja auch andere bayerische Machthaber gab, die Konfrontationen nicht ausweichen wollten. Egilbert stand spätestens seit 1009 in engem Kontakt zu König Stephan  ; für den ungarischen König waren Notare aus der Kanzlei Egilberts tätig, die, nachdem der Freisinger Bischof seine Funktion als Kanzler König Heinrichs II. verloren hatte, nach Ungarn gegangen waren.29 Dass Heinrich III. dieser Gruppe zuneigte, ist wahrscheinlich, denn die amicitia, die mit Stephan zustande kam, erfolgte ohne Wissen des Vaters. Heinrich nahm Stephan auch deswegen in die amicitia auf, weil der ungarische König unaufgefordert (ultro) um Huld gebeten hatte. Es bestand demnach ein Gratial-Verhältnis zwischen dem 14-jährigen König und dem ungarischen Herrscher. Dieser Inszenierung stand inhaltlich eine Gebietsabtretung gegenüber. Und zwar handelte es sich um das nördlich der Donau liegende Grenzgebiet zwischen der Fischamündung in die Donau und der March.30 Adalbero von Kärnten gehörte dieser Gruppe von bayerischen Dynasten an, die an einem Ausgleich mit Ungarn interessiert waren. Er soll neben Bischof Egilbert zu den Drahtziehern der Verhandlungen von 1031 gehört haben. Als Konrad II. 1035 genau wissen wollte, warum sich sein Sohn Heinrich der Absetzung Herzog Adalberos widersetzte, kam ein Eid zur Sprache, den der junge König wahrscheinlich im Zusammenhang mit den Entschädigungen für König Stephan geleistet hatte  : der Kärntner Herzog sollte damals keine Schäden aus den Gebietsverlusten an Ungarn erleiden.31 Als der Kaiser dieses erfuhr, warf er den Bischof, der seinen Sohn ja beraten hatte, wutentbrannt zur Tür hinaus. Letztlich klar wird die politische Haltung Adalberos, wenn der Berichterstatter G. an den Wormser Bischof Azecho schreibt, dass der Herzog 26 Wolfram, Konrad II., 250. 27 Wolfram, Konrad  II., 251. Heidrich, Die Absetzung, 78 f., charakterisiert den Bischof Egilbert von Freising, der 1029 Erzieher Heinrichs  III. wurde, als einen um den Frieden mit den Ungarn bemühten Zeitgenossen. Er habe damit die Politik des Bischofs Bruno von Augsburg fortgesetzt, der wie der Kaiser Heinrich II. ein Bruder der Königin Gisela von Ungarn war. 28 Diese Einschätzung von Trillmich, in  : Quellen des 9. und 11. Jahrhunderts zur Geschichte der Hamburgischen Kirche und des Reiches, 584 f., Anm. 236. 29 Varga, Ungarn und das Reich, 87. 30 Kupfer, Königsgut, 119 mit Berufung auf Wolfram Konrad II. (damals noch nicht erschienen) 31 Brief eines Geistlichen an Bischof Azecho von Worms, Monumenta historica ducatus Carinthiae 3, 106  ; Vgl. dazu auch unten 94.

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nach seiner Absetzung sich nun mit Kroaten und Mirmidonen (Ungarn) zum Kampf rüstete.32 Im Zuge der nun ausbrechenden Kämpfe erschlug Adalbero persönlich einen Parteigänger des Kaisers, den bereits erwähnten Grafen Wilhelm II. von Friesach, den Herrn im Sanngau.33 Im Raum von Eckartsau/Pframa lag die erwähnte Güterschenkung, die Graf ­Arnold II. von Wels-Lambach von Konrad II. 1025 erhielt, deren Bedeutung aber schwierig einzuschätzen ist.34 Damit ist auch zweifelhaft, ob vor allem e r der Leidtragende in Konsequenz dieser Verhandlungen war. Letztlich verlor Markgraf Adalbert den mittelbaren Zugriff auf Güter im Grenzgebiet, die adelig-grundherrschaftlich organisiert waren.35 Arnold könnte aber trotz dieser Bedenken hinsichtlich seiner Grenzinteressen zur kriegerisch gesinnten Gruppe im bayerischen Adel gehört haben. Dafür spricht auch seine Einsetzung zum Markgrafen in der karanthanischen Mark im Jahre 1035. Der damals als Herzog von Kärnten abgesetzte Eppensteiner Adelbero vertrat ähnliche Interessen wie Egilbert von Freising und gehörte daher zu den Vertretern eines friedlichen Verhältnisses zu den Ungarn, wie es zur Zeit Heinrichs II. bestanden hatte.36 Um die Bedeutung Arnolds  II. von Wels-Lambach in Bayern und der ihm wohl zugedachten Rolle im Grenzgebiet gegen Ungarn zu verstehen, muss man mehr über die Machtgrundlagen dieser Adelsdynastie wissen. Einen ersten Einblick in die Besitzungen und damit in das materielle Potential Arnolds II. gibt ein Vertrag, den er mit Bischof Christian von Passau in der Zeit 992/93 schloss. In diesem Vertrag wurden die Nutzungsrechte des Klosters Kremsmünster und seiner grundherrlichen »familia« in den gräflichen Wäldern geregelt, die südlich der Traun im Gebiet zwischen Alm und Krems lagen.37 In den Aufzeichnungen über diesen Vergleich sind in den beiden überlieferten Fassungen 37 bzw. 35 Zeugen genannt, die Aufschlüsse über die jeweiligen Bindungen an Arnold bzw. Christian/Kremsmünster geben können. Insbesondere aus der Liste, die in der Lambacher Fassung erhalten ist, handelt es sich bei einem Teil dieser Zeugen um Leute, die zum Personenverband gehörten, auf den sich der Einfluss der Wels-Lambacher im Traungau gründete.38 Wohl schon in dieser Zeit war die Burg in Lambach ein wichtiger Stützpunkt der Dynastie, von der es in der Vita Bischof Adalberos heißt, dass sie auch als Zollstelle diente. Arnolds gleichnamiger Sohn war zu Beginn des 11. Jahrhunderts Inhaber der Burg.39 Der Bruder Arnolds II. Aribo gebot auf 32 Wolfram, Konrad II., 104  ; die Ereignisse schildert auch Jaksch, Geschichte Kärntens bis 1335 1, 178 f. 33 Jaksch, Geschichte Kärntens bis 1335 1, 179  ; zu Wilhelm II., 165 f. 34 MGH D Konrad II. 36 Nr. 33  ; Wolfram, Konrad II., 251  ; Kupfer, Königsgut, 120. Vgl. aber oben 91. 35 Kupfer, Königsgut, 119  : Abtretung bedeutete die Übergabe von Stützpunkten an Ungarn. 36 Wolfram, Konrad II., 251. 37 Zauner, Einforstung der Wälder, 115 und Karte 120. 38 Weltin Vom »östlichen Bayern«, 211  ; NÖUB 1, 278  : Hinweis auf die ansehnliche Gefolgschaft des Lambachers. 39 Vita sancti Adalberonis, 14.

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der Ennsburg.40 Die Wels-Lambacher verfügten infolgedessen über ein ansehnliches ritterlich-militärisches Potential, das Konrad II. nutzen wollte. Nicht erst seit 1035, als er Arnold II. die karantanische Mark übertrug, sondern, wie erwähnt, schon 10 Jahre zuvor, als er Arnold die Schenkung im kritischen Grenzbereich im March/Donau-Eck machte.41 Eine »heldische« Dynastie war geboren, die schließlich mit Gottfried, dem Sohn Arnolds, ihren Höhepunkt wiederum in Kämpfen mit den Ungarn nach dem Tod Stephans des Heiligen erfuhr. Diesmal aber an der ungarisch-karantanischen Grenze. Der Niederaltaicher Annalist berichtet ausführlich über einen noch zu besprechenden Feldzug König Abas von Ungarn, der ihn längs der Donau bis zur Traisen führte, und fügt daran folgende Nachricht  : »Um dieselbe Zeit zogen einige aus Ungarn gegen Kärnten und machten unermessliche Beute. Als aber der Markgraf Gottfried herzukam und sie angriff, wurden sie niedergemacht bis auf wenige, die heimlich entflohen.« Die Grenzverhältnisse zwischen der karantanischen Mark und Ungarn sind recht unklar.42 Bevor wir uns der Frage zuwenden wollen, warum Markgraf Adalbert zumindest für einige Zeit der kriegerischen Gruppe unter den Fürsten angehörte, müssen wir noch einige Anmerkungen zu den Folgen des 1031 von Egilbert und König Heinrich erreichten Friedens machen. Im Jahre 1034 erwirkte Egilbert vom Kaiser eine allgemeine Besitzbestätigung für Freising, zu der noch weitere Güter hinzugefügt wurden.43 Es handelte sich um Königshufen an der Url in der Nähe von Mauer, von denen eine Markgraf Adalbert in beneficium hatte. In diesem Fall kann man die Formulierung wohl so verstehen, dass diese Hufe tatsächlich als Lehen vom König an Adalbert vergeben worden war. In der Nähe lagen weitere zur Schenkung gehörige 30 Joch Landes, die der Wels-Lambacher Aribo von Ennsburg (Ensinburc) als Lehen vom König innehatte. Das ist nun der zweite Besitz, den die Lambacher östlich der Enns aufgeben mussten. Die Bemerkungen bei Brunner und Kupfer, dass die weltlichen Großen bei dieser Transferierung von Besitz keine bedeutenden Verluste zu beklagen hatten, mag richtig sein, sie verschleiern aber einen wichtigen möglichen Zusammenhang.44 Wir wollen nämlich festhalten, dass der Besitz kriegsfreudiger Herren an den »Friedenstifter« mit den Ungarn, Egilbert, gelangte. Ich möchte diese Beobachtungen als Hinweis sehen, dass die Vertreter eines friedlichen Zusammenlebens mit den Ungarn vorübergehend Recht behielten und gefördert wurden. Wir befinden uns in dieser Zeit in einer bis zum Tod Stephans andauernden Periode ohne Unruhen im Grenzraum.45 Die Urkunde von 1034 enthält auch eine Besitzbestätigung für den Freisinger Bischof, die zwischen Amstetten und der Eisenwur40 Weltin, Vom »östlichen Bayern«, 214  ; Dopsch, Die steirischen Otakare, 105. 41 Zu diesen Folgerungen Weltin, Vom »östlichen Bayern«, 213. 42 Annales Altahenses maiores, 31, zum Jahr 1042  ; Posch, Die Leistungen, 70. Die von Posch geschilderten Umstände würden einer grundlegenden, neuen Untersuchung bedürfen. 43 MGH D Konrad II. 287 ff. Nr. 211. 44 Brunner, Herzogtümer, 180  ; Kupfer, Das Königsgut, 123. 45 Varga, Ungarn und das Reich, 100  ; Kupfer, Königsgut, 123.

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zen gelegene Güter betraf. Dieses Gebiet wurde im Süden von den Bergen, die gegen Karantanien hin lagen, begrenzt und gehörte zur Grafschaft des Markgrafen Adalbert. Die unmittelbare Nachbarschaft bildete die Grafschaft Ennstal, in der der karantanische Herzog Adalbero über größere Besitzungen verfügte. Im Rahmen der Erklärungsversuche für den Angriff Konrads II. auf Ungarn spielte, wie schon erwähnt, seit der Untersuchung Ingrid Heidrichs zur Absetzung Herzog Adalberos von Kärnten im Jahre 1035 die Analyse der herrschaftlichen Gegebenheiten im Südosten, dem Einflussbereich des Herzogs von Kärnten und des Patriarchen von Aquileia, eine wichtige Rolle. Zwanzig Jahre später ergänzte Adelheid Krah Heidrichs Zustandsschilderung mit der plausiblen Annahme, dass die Gebietsabtretungen an den König von Ungarn 1031 auch karantanisches Herzogs- und Markengebiet betroffen haben könnten.46 Eine wichtige Rolle in der Argumentation spielte dabei der erwähnte Eid, den der jugendliche Heinrich III. damals dem Kärntner Herzog gleistet hatte. Er habe, wie Heinrich selbst entschuldigend erklärte, nur geschworen, dass der König ihn (Adalbero) an seinen Gütern nicht schädigen werde, außer diese seien ihm gerichtlich aberkannt worden.47 In dieser eidlichen Zusage sah Krah einen möglichen Verzicht des jungen Königs auf eine Beteiligung Adalberos an einer Entschädigung Stephans des Heiligen für erlittenes Unrecht.48 Wie diese Dinge auch gelegen sein mögen, wichtiger ist für uns die Fragestellung, ob und in welcher Weise die Entwicklung der Eppensteiner Herrschaft im Herzogtum und in der Mark Karantanien zu einer Nachbarschaft mit den Babenbergern geführt hat. Wir werden die Erzählung später wieder aufnehmen.49

46 Heidrich, Die Absetzung, 93  ; Krah, Absetzung, 362. 47 Dazu auch Wolfram, Konrad II., 103 ff. 48 Krah, Absetzung, 365. 49 Unten 195.

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Die Rolle des Markgrafen Adalbert gegenüber Ungarn ist im Rahmen der Entwicklung der kaiserlichen Politik zu deuten. Zu erinnern ist an die schon von Otto von Freising gepflegte oder sogar begründete Tradition, dass Adalbert als heldenhafter Markgraf den Ungarn Teile Pannoniens entrissen hatte. Am Ende des 15. Jahrhunderts findet sich in Ladislaus Sunthaims Kommentar zum Babenberger Stammbaum neuerlich diese Kennzeichnung des Markgrafen. Auch auf der entsprechenden Darstellung des Babenberger Stammbaumes ist Adalbert im Kampf mit den Ungarn abgebildet. Auch Herwig Wolfram rechnet Adalbert, worauf bereits hingewiesen wurde, im Zusammenhang mit dem Feldzug Konrads II. zur bayerischen Kriegspartei.1 Adalbert scheint dann in den ruhigen Jahren bis zum Tod Stephans (1038) in Übereinstimmung mit dem Kaiser eine friedliche Haltung gegenüber Ungarn eingenommen zu haben. Der deutlichste Hinweis auf diese veränderte Situation ist seine Verschwägerung mit dem ungarischen Thron- und Nachfolger Peter Orseolo, die Otto von Freising erwähnt.2 Näher an den Ereignissen schrieb Hermann von Reichenau, der berichtet, dass Peter im Zuge von Abas Aufstand im Jahre 1041 zuerst »zu unserem Markgrafen Adalbert, dem Gemahl seiner Schwester, flüchtete.«3 Hierauf reiste er weiter an den Hof Heinrichs III., dem er sich unterwarf. Bei der Analyse dieser interessanten Ehe mit der Dame aus dem Hause der Orseolos wollen wir die überholte Konstruktion einer Ehe Adalberts mit einer Glismond übergehen.4 Adalbert kann die Schwester Peters erst nach 1026 geheiratet haben. Sie fand nämlich in diesem Jahr Aufnahme am Hofe ihres Onkels Stephan in Ungarn, als ihr Vater, der Doge Otto Orseolo, aus Venedig verbannt wurde.5 Politisch bemerkenswert konnte diese Eheschließung erst nach 1031 sein, nachdem Stephans Sohn Imre/Emmerich bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen war. Stephan setzte nämlich seinen Neffen Peter unter dramatischen Umständen als Nachfolger durch. Gegenspieler Stephans war sein Vetter Vászoly, der sich zurückgesetzt fühlte, da er das älteste Familienmitglied war, das nach

1 Wolfram, Konrad II., 250. 2 Ottonis episcopi Frisingensis chronica Lib. VI cap. 32, 298  : Heinrich III. habe Peter aufgenommen intercessione Alberti marchionis, cuius levir erat. 3 Herimanni Augiensis Chronicon, 674 zu 1041  : Qui [Peter] vix fuga lapsus primo ad marchionem nostrum Adalbertum sororis suae maritum profugus venit […], 4 Deutinger, Die Familie Markgraf Liutpolds I., 150, mit Anm. 3. 5 Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 245. Otto flüchtete nach Konstantinopel, seine Kinder Peter und seine Schwester (nach Hóman eine Froila) fanden am Hofe Stephans des Heiligen eine neue Heimat.

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dem Erbfolgerecht zum Nachfolger gemacht werden sollte.6 Die Folgen dieses Konflikts sollten das Reformwerk Stephans für viele Jahre verzögern, wenn sich auch Peter zunächst einmal durchsetzte. Wann Adalbert die Ehe schloss, wissen wir nicht. Die Jahre nach 1031 halte ich für wahrscheinlicher als die Jahre davor. Vielleicht besteht sogar ein Zusammenhang zwischen der Eheschließung und dem Ausgleich, den der Bischof von Freising und der Mitregent Heinrich III. mit König Stephan in diesem Jahr in Form einer amicitia zustande gebracht hatten.7 Markgraf Adalbert war insofern betroffen, als ja dieser amicitia wegen der Gebietsstreifen zwischen Fischa und Leitha vorläufig verloren ging. Mit Peters Einsetzung zum Thronfolger in diesem Jahr 1031 kam in Ungarn eine Machtverschiebung in Gang, die auch den direkten Nachbarn im Westen betraf, auch wenn Adalbert die vornehme Venetianerin schon vor 1031 geheiratet hat. Ambros Heller vermutete, dass Peters Schwester Adelheid hieß.8 Auch Ladislaus Sunthaym berichtet darüber in seiner Kürzestbiographie Adalberts. Dass Adalbert mit einer Adelheid verheiratet war, scheint aus dem ältesten Nekrolog des Stiftes Melk hervorzugehen. Dort ist zum 26.  Jänner eine Adelheida marchionissa eingetragen. In einem Zusatz aus dem 14.  Jahrhundert wird erklärt, dass es sich dabei um die Gattin Adalberts handle, nämlich jenen Markgrafen Adalbert, der (dem Stift Melk) das heilige Kreuz gestiftet habe.9 Die in den Nekrologen von Melk und Klosterneuburg verzeichnete Adelheid wird treffender mit der Gemahlin des Markgrafen Ernst identifiziert, deren Tod in den Melker Annalen zum Jahre 1071 verzeichnet ist.10 Trotzdem ist es nicht völlig unwahrscheinlich, dass Adalberts damalige Gattin, die Schwester des ungarischen Königs, Adelheid hieß  : ihr Vater Otto Orseolo hatte den Namen Otto bei seiner Firmung erhalten  ; sein Pate war Otto III.11 1001 fungierte Otto III. auch als Taufpate der bis dahin ungetauften Schwester des Otto Orseolo. Damit sollte eine weitere Stärkung des Treubandes zwischen Otto  III. und dem Dogen von Venedig erfolgen.12 Unter diesen Umständen wäre es möglich, dass Otto Orseolo seine Tochter nach der »Kaiserin« Adelheid nannte. Die 999 verstorbene Witwe Kaiser Ottos des Großen galt ja als ottonische Macht- und Lichtgestalt. Otto Orseolo selbst heiratete  6 Varga, Ungarn und das Reich, 100 f.; Györffy, Stephan der Heilige, 200.  7 Krah, Absetzung, 361 f. und Anm. 181 mit den Zitaten aus den Annales Altahenses maiores und Hermann von Reichenau  ; Wolfram, Konrad II., 251 f.  8 Heller, Markgraf Adalbert, 118.   9 MGH Necr. 5, 552. Vgl. zum Zusatz aus dem 14. Jahrhundert Lechner, Babenberger, 330, Anm. 15. Im Klosterneuburger Nekrolog MGH Necr. 5, 10 fehlt diese Erklärung. 10 Annales Mellicenses, 499, Adelheid geschrieben wie im Nekrolog Adalheida marchionissa. 11 Cronaca Veneziana, 151 f.; Uhlirz, Jahrbücher Otto II. und Otto III. 2, 197 f.; Kristó, Makk, Die ersten Könige Ungarns, 79. 12 Cronaca Veneziana, 163  : ad perfecte namque fidei vinculum confirmandum, filiam ducis adhuc caticumina de sacro baptismatis lavacro cesar suscepit ; Uhlirz, Jahrbücher Otto II. und Otto III. 2, 375  ; Althoff, Die Ottonen. 198 f.

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um 1009 eine Schwester Stephans des Heiligen, der Ehe entsprossen Peter und die spätere Gemahlin Adalberts. Die einzige Frau, deren Namen man kennt und die zweifelsfrei Gattin des Markgrafen Adalbert war, hieß Frovvila, wie sie als Witwe in einer Schenkungsurkunde Heinrichs IV. im Jahre 1058 bezeichnet wurde.13 In zwei Landschenkungen Heinrichs  III. an Adalbert aus den Jahren 104814 und 105115 ist als die Gemahlin des Markgrafen eine Dame namens Froiza genannt. Das Ehepaar erhielt die Güter gemeinsam. Allerdings stand anstelle des Namens Froiza zur Zeit der Ausstellung mit Sicherheit ein anderer Name, der aufgrund der Gründlichkeit der Rasur nicht mehr erkennbar ist. In den nun leeren Raum trug man den Namen Froiza ein. Die Korrekturen in beiden Urkunden können erst nach 1051 vorgenommen worden sein.16 Ein möglicher Zeitpunkt für die Veränderung wäre die Vorbereitung der Urkunde Heinrichs  IV. für Frovvila im Jahr 1058 gewesen. Frovvila und Froiza sind jedenfalls verschiedene Formen desselben Namens.17 Vielleicht diente die Eintragung des Namens Froiza der Sicherung der materiellen Verhältnisse der Witwe, die möglicherweise durch Adalberts Nachfolger Ernst, der wohl der Sohn einer der Vorgängerinnen der Frovvila/Froiza war, schlecht behandelt wurde. Dabei würde es sich um keinen Einzelfall handeln. 1048 und 1051 erhielt demnach Adalbert Schenkungen zusammen mit seiner Gemahlin, bei der es sich aber nicht um Frovvila/Froiza handelte. Dass es sich lediglich um einen Namenswechsel der Dame handelte, ist zwar nicht auszuschließen, aber nicht recht wahrscheinlich. Ferner ist anzunehmen, dass die Gattin Adalberts, deren Name ursprünglich an dieser Stelle stand, die Schwester des ungarischen Königs Peter war. Denn 1040/41 bezeichnete Hermann von Reichenau Peter und Adalbert als Schwäger.18 Wir folgern, dass die letzte Gattin Adalberts und die Schwester König Peters verschiedene Personen waren. Die Orseola war seine zweite Gemahlin und Vorgängerin der Frovvila. Sie könnte die Mutter des Markgrafen Ernst gewesen sein. Die Mutter des im Jahr 1043 verstorbenen Leopolds war sie jedenfalls nicht. Wäre nämlich Leopold schon im Jahr der Ankunft der Venezianerin in Ungarn geboren worden, wäre er bei seinem Tod erst 17 Jahre alt gewesen. Da wir Adalberts Eheschließung erst später ansetzen müssen, hätte der Sohn aus dieser Verbindung kaum seine berühmten Heldentaten gegen Ungarn und Böhmen leisten können. Leopolds Mutter war die erste Frau Adalberts, mag 13 NÖUB 1, 339 ff., Nr. 25d = MGH D Heinrich IV. 1, 49 f. Nr. 40. 14 MGH D Heinrich III. 287 f. Nr. 215 und NÖUB 1, 334 f. Nr. 25. 15 MGH D Heinrich III, 379 Nr. 278 und NÖUB 1, 336 f. Nr. 25a. 16 NÖUB 1, 344, Kommentar von Roman Zehetmayer. 17 Förstemann, Altdeutsches Namenbuch, Personennamen 1 col. 517 f. Der Name wird aus gotischem frauj-­a hergeleitet. Es bedeutet Herr – dominus. Köbler, Gotisches Wörterbuch, 165. 18 Herimanni Augiensis Chronicon, 674 (zu 1041).

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sie nun Glismond oder Mathilde geheißen haben.19 Abseits dieser Erwägungen ist es für unser Thema von großer Bedeutung, dass es zu einer Verschwägerung mit dem venetia­ nischen Zweig der ungarischen Königsfamilie gekommen ist. Neben seinen Aufgaben als Markgraf im Dienste Heinrichs  III., worauf der Kaiser bei Gelegenheit verwies,20 wurde er in einer nun verwandtschaftlich verdichteten Nachbarschaft in die ungarischen Querelen hineingezogen. Peters Herrschaft führte zu Unruhen in Ungarn, vor denen er 1041 flüchtete. Der Niederaltaicher Annalist berichtet ausführlich über die seiner Meinung nach Hauptursache der Unzufriedenheit einer Mehrheit der Fürsten, nämlich die Missachtung der Königin Gisela, der Witwe des verstorbenen Königs. Peter hatte sich durch einen ihm von Stephan abverlangten Eid verpflichtet, die Königin in Ehren zu halten und ihre Besitzrechte zu achten. Auch gegen Leute, die Gisela böswillig angriffen, verpflichtete er sich zur Hilfe und gleiches schworen alle, die Fürsten eines Landstrichs waren.21 Dem bayerischen Berichterstatter lag die Schilderung des Schicksals der bayerischen Prinzessin in der weiteren Erzählung natürlich besonders am Herzen. Ein Jahr hielt sich Peter an seine Versprechungen. Danach nahm er ihr aber die Güter (praedia), die sie von ihrem Gatten erhalten hatte, und ihr Geld.22 Sie musste schwören, dass sie niemandem von dem ihr verbliebenen Rest etwas ohne Peters Erlaubnis gebe. König Peter beschränkte sogar ihre freie Bewegung, indem er ihr eine bewachte Burg als Wohnort zuwies. Drei Jahre ertrug sie diese Behandlung, ohne dass sich an ihrer Bedrückung etwas änderte. Offenbar hatte er Sorge, dass sich um Stephans Witwe ein Kreis von ihm feindselig gesinnten Anhängern sammeln könnte. Diese Sorge war wohl berechtigt, denn Gisela rief schließlich die Fürsten des Königreiches zusammen und erinnerte diese an den zu ihrem Schutze geschworenen Eid.23 In ihrer Sorge, eines erbärmlichen Eidbruches schuldig zu werden, rieten sie dem König, von der schlechten Behandlung der Königin abzulassen, doch änderte sich Peters Verhalten nicht. Die Fürsten erklärten nun offen, ihren Eid erfüllen und den König sogar verlassen zu wollen, wenn dieser nicht nachgeben sollte. Als dies auch keinen Erfolg hatte, kam es zum Bruch. Peter hatte einen Ratgeber und Gefolgsmann namens Budo, den man für den Urheber aller Übel hielt. Die Fürsten verlangten seine Auslieferung, um 19 Deutinger, Die Familie Markgraf Liutpolds I., 150, mit Anspielung auf Dienst, Die Dynastie, 30 (Mathilde). 20 NÖUB 1, 256, Nr. 21b = MGH D Heinrich III. 149 Nr. 118. Der König weist in der Schenkung eines Gutes an Adalbert darauf hin, dass dies ob servitutis ipsius et fidelitatis meritum geschehen sei. 21 Annales Altahenses maiores, 24. Die den Eid leistenden Fürsten nennt der Annalist principes regionis. Schünemann, Die Deutschen in Ungarn, 62 f., Dobschenzki, Königin Gisela 17ff. 22 Zu dem damals in Entwicklung befindlichen Begriffs praedium  : Sutt, Slavery in Árpád-era Hungary, 45 f. Paedium war offenbar eine grundlegende Wirtschaftseinheit, die meist aus Königsschenkungen stammte. 23 Annales Altahenses maiores, 25  : Cum hoc toto triennio passa fuisset, et ipse nihil de iniuria minuisset, ipsa principes regni convocavit et facti sibi iuramenti eos communuit.

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ihn mit dem Tode zu bestrafen. Da der König gegen die Fürsten mit dem Rücken zur Wand stand, lieferte er den Budo aus, der getötet wurde, ja sogar seine Kinder wurden geblendet. »Darüber erschrak der König gewaltig und floh in derselben Nacht mit Wenigen in das Land der Baiern, obschon er wusste, dass diese ihm mit Recht feindlich gesinnt seien, weil er ohne Grund ihre Feinde unterstützt hatte.« Zum Beweis für die üble Gesinnung Peters wies der Annalist auf die Hilfe hin, die er dem böhmischen Herzog Břetislav im Herbst 1040 gegen König Heinrich III. geleistet hatte.24 Der Annalist bezeichnete König Heinrich als senior Peters und identifizierte ihn, um den grammatischen Schwierigkeiten seiner Formulierung zu entgehen, als rex noster. Es ist nicht eindeutig zu beantworten, ob man die Bezeichnung senior für Heinrich III. ausschließlich lehnsrechtlich verstehen darf. In Urkunden, die Heinrich für italische Empfänger ausstellte, werden kaiserliche Vorgänger als seniores bezeichnet.25 1040 wird Bischof Dietrich II. als Beistand des Klosters Kaufungen erwähnt und dabei als senior bezeichnet.26 Die wenigen Beispiele weisen auf eine weite Bedeutung des Begriffs senior hin – auf ein klares Verhältnis der beiden Könige als Lehnsherr und Lehnsträger kann aus der Verwendung des Wortes senior nicht mit Sicherheit gefolgert werden. Wie schon erwähnt, berichtet Hermann von Reichenau über Peters Flucht etwas konkreter, nämlich dass er zunächst zu seinem Schwager Adalbert kam.27 Hermann von Reichenau nennt Adalbert marchio nostrum, also unseren Markgrafen. Dieses Wir-Gefühl bezieht sich in diesem Fall wohl auf die Teutonici und nicht auf die Bayern, bedeutet aber jedenfalls eine Abgrenzung von Ungarn.28 Die direkte Beziehung des Markgrafen zum König wird deutlich, ergibt sich aber eher aus den aktuellen Verhältnissen als aus einem verfassungsgeschichtlichen Konstrukt. Nach Hermanns weiterem Bericht kam Peter zu König Heinrich, warf sich ihm zu Füßen und erlangte Versöhnung und Huld. Es ist durchaus möglich, dass Markgraf Adalbert in diesem Moment der Geschehnisse zwischen den Königen vermittelte. Das Verhältnis zwischen Heinrich und Peter war nämlich zuvor keineswegs spannungsfrei. Schon im Winter 1039/40 erwähnt Hermann von Reichenau einen Raubzug Peters in die Gebiete »seines Reiches«. In der Formulierung des Genitivs »sui regni« kann sich das »suus« nur auf das Subjekt des davorstehenden Satzes beziehen und das ist Heinrich III. Das regnum, auf das Peter losging, war demnach das ostfränkische.29 Dass Peter Böhmen überfiel, ist unwahrscheinlich, da er

24 Der gesamte hier übersetzte und geschilderte Bericht  : Annales Altahenses maiores, 27 f. 25 MGH DD Heinrich III. 236 Nr. 188, 361, 397 Nr. 292. Am deutlichsten im ersten Fall, wenn der Bischof von Ascoli den Kaiser anspricht  : Domine senior meus imperator. 26 MGH D Heinrich III. 79 Nr. 61. 27 Herimanni Augiensis Chronicon, 674. 28 Zur Gleichsetzung der »Unsrigen« mit den Teutonici Herimanni Augiensis Chronicon, Einleitung, 623. 29 Herimanni Augiensis Chronicon, 672. Heinrich III. unternahm einen Kriegszug nach Böhmen. Fürst Bře­ tislav stellte einen Sohn als Geisel und versuchte, die Verhandlungen hinauszuzögern. Dann fährt Her-

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im folgenden Jahr Břetislav gegen Heinrich unterstützte.30 Allerdings ist diese Nachricht etwas unsicher, da sie nur bei Cosmas zu finden ist. Bálint Hóman sieht einen weiteren Konflikt zwischen Heinrich  III. und Peter im Bündnis des ungarischen Königs mit König Stephan  I. von Kroatien, den er bei der Unterwerfung Zaras unterstützt haben soll. In diesem Bündnis sieht Hóman einen Konfliktstoff mit Heinrich III. Vielleicht von diesem Gedanken beeinflusst, aber auch im Hinblick auf den Tod des Herzogs von Kärnten, Konrad, und seines 1035 abgesetzten Vorgängers Adalbero hält Hóman es für möglich, dass sich Peters Winterüberfall 1039/40 auf das Reich gegen Kärnten richtete, wobei in einem solchen Fall vor allem an die karantanische Mark zu denken ist.31 Geht man wie Hóman von einer verwandtschaftlich gefestigten Freundschaft zwischen dem Markgrafen Adalbert und Peter von Ungarn aus, scheint die südliche Variante des Raubzugs im Bereich des Möglichen zu liegen. Dazu könnte dann auch eine Intervention Adalberts zugunsten Peters beim König passen, als Peter nach seiner Vertreibung und der Machtergreifung Abas an Heinrichs Hof kam. Dieser verzieh nämlich Peter und nahm ihn in seine Huld auf. Diese Bemerkung des Reichenauers beweist ja in ihrem Wortlaut, dass es Spannungen gab. Bern, der Abt von Reichenau, hielt diese Entscheidung Heinrichs für lobenswert.32 Die Darstellung dieser Aussöhnung auf der Reichenau und in Niederaltaich betrifft das komplexe Problem der Beziehungen Ungarns zum Reich, denen wir uns später zuwenden werden. Zunächst noch ein Wort zu den Parteiungen in Ungarn, die hinter Peters Schicksal und Abas Machtergreifung zu erkennen sind. Die Parteiungen, die sich in der ersten Zeit der Herrschaft Peters nach 1038 oder schon in den letzten Lebensjahren König Stephans ausbildeten, sind aus den zeitgenössischen bzw. etwas jüngeren Quellen nicht recht zu erkennen. Zu Lebzeiten Stephans hatte Peter nach Emmerichs Tod das Kommando über das königliche Heer übernommen  : dux nennt ihn der Verfasser der älteren Stephans-Vita. Mit zahlreichen Kombinationen, über deren Stichhaltigkeit wir uns kein Urteil erlauben, hat Györffy ihn zum Kommandanten einer warägisch-russischen Leibgarde des Königs gemacht.33 Die Fürsten, die sich zum Schutz der Gisela eidlich verpflichtet hatten, distanzierten sich wohl allmählich von Peter, der ja erst später gegen die Königinwitwe und ihre Habe vorging. mann fort  : Petrus rex Ungariorum, hieme terminos regni sui invadens praedis, incendiis et captivitate depopulatur. Steindorff, Jahrbücher Henrich III. 1, 76. 30 Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 1, 90, mit Anm. 1  ; Varga, Ungarn und das Reich, 102. Von den dort genannten Zitaten nur Cosmae Chronica Boemorum, cap. XI 99, stichhaltig, wo davon die Rede ist, dass drei Legionen aus Ungarn nach Mähren kamen. 31 Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 249. 32 Steindorff, Jahrbücher Heinrichs  III. 1, 118, mit Anm.  3  ; Schmale, Die Briefe des Abtes Bern 59 Nr. 27  ; Diplomata Hungariae antiquissima 131 ff. Nr. 34  ; Varga, Ungarn und das Reich, 104, mit Anm. 21. 33 Györffy, König Stephan, 199.

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Die Gründe dafür stellt Hóman recht einseitig dar  : Königin Gisela habe aus ihrem reichen Vermögen als Witwe Schenkungen gemacht und so wurde sie zur Sparsamkeit angehalten. Ein Teil dieser Güter sei ihr genommen worden. Hóman meint, Peter habe damit die wirtschaftlichen Grundlagen des ungarischen Königtums im Sinne König Stephans geschützt und zitiert dabei eine einschlägige Bestimmung aus den Gesetzen des verstorbenen Königs.34 Wir wollen hier in der Erzählung innehalten und uns die Frage stellen, was denn diese Vorgänge bedeuten könnten. Im Hintergrund dieser Schilderung werden die Konturen eines komplexen Konfliktes sichtbar. Da gab es die zur Macht gelangten »Venetianer«, die Leute, auf die sich Peter verlassen konnte  ; an ihrer Spitze der erwähnte Getreue des Königs namens Budo. Zunächst befanden sie sich wohl im Kreis der Gefolgsleute Stephans, verfochten dann aber immer stärker eigene Interessen, die wohl auf eine Revision der Landverteilung Stephans zielten. Gegen beide Gruppierungen standen jene Leute, die dann für kurze Zeit die Oberhand gewinnen sollten  – der ebenfalls mit dem verstorbenen Stephan verschwägerte Samuel Aba, angeblich aus einer ursprünglich kawarischen (kumanischen  ?) »Fürstendynastie«.35 Die Gruppe um Aba ist in ihrer prinzipiellen Ausrichtung schwer zu fassen, da ihre Repräsentanten angeblich auch Slawen und »Deutsche« umfassten.36 Es handelte sich offenbar um eine Partei am Hof des Königs, die in Aba ihren führenden Repräsentanten fand. Wir haben mit Peters Aufnahme in die Huld des ostfränkisch-deutschen Königs den Ereignissen ein wenig vorgegriffen und nehmen den Faden der Erzählung der Ereignisse in Ungarn nun wieder auf. Hier nahm man Peters Flucht zum Anlass, Samuel Aba, Palatin König Stephans, zum König zu erheben. Es ist aber wahrscheinlich, dass die Leute, die Aba unterstützten, bereits am Sturz Peters beteiligt waren. Zwei Fürsten, Ztoizla und Pezili, spielten dabei nach dem Bericht aus Niederaltaich eine entscheidende Rolle.37 In einem späteren ungarischen Bericht aus dem 14. Jahrhundert sind drei Fürsten genannt  : Wisce, Toyzlau und Pezli.38 Sie strebten danach, die Freiheiten und die Rechte des Volkes wieder herzustellen und unterstützten die Absicht, Ungarn dem königlichen Stamm zurückzugeben. Abas Ehe mit einer Schwester Stephans des Heiligen, die ihm wohl Kinder geboren hatte, machte ihn nach dieser Auffassung zu einem Mitglied der königlichen Dynastie. Hóman bezeichnet die Leute, die Aba unterstützten, als zwei »deutsche« und slawische Würdenträger am Hof.39 Offenbar gehörten sie zu einer Hofpartei, die das Machtvakuum ausfüllen wollte und dabei neuerlich die vertriebenen Nachkommen Vászolys überging. Während Peter heftig kritisiert wurde, bleibt die Erzählung des Nie34 Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 249. 35 Ausführlich zu dieser Frage Kristó, Makk, Erste Könige Ungarns, 92 ff. 36 Hóman, Geschichte 1, 250. 37 Annales Altahenses maiores, 28. 38 Chronici Hungarici Compositio, 326. 39 Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 250.

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deraltaichers über Aba und seine ersten Maßnahmen neutral, eher sogar wohlwollend, wenn es etwa heißt, dass er die unrechtmäßigen Erlässe Peters aufhob.40 Auf der Reichenau hingegen kritisierte Hermann die Erhebung Abas als ein Unrecht gegenüber dem legitimen König  ; das stimmt mit der Haltung des Abtes Bern überein, der ja Peters huldvolle Aufnahme durch Heinrich III. dem König hoch anrechnete.41 Schlechte Stimmung entstand zwischen Heinrich III. und Aba bereits zu Weihnachten 1041/42, als eine ungarische Gesandtschaft in Straßburg erschien, um die Lage zu erkunden.42 Aba fürchtete wegen der Aufnahme Peters in Heinrichs Gnade um seine Herrschaft und wollte sich vergewissern, ob er Feindschaft oder Frieden zu erwarten habe. Der Niederaltaicher Annalist behauptete, dass Heinrich in diesen Worten Abas superbia, also seinen Hochmut erkannte. Ich halte Aba eher für besorgt als hochmütig, muss aber zugeben, dass Heinrichs Behandlung Peters und die Vorgangsweise Abas wenige Wochen später den Berichterstatter aus dem ursprünglichen Konzept bringen konnte. Wir sahen, dass er Aba zunächst recht freundlich gegenüberstand, ihn aber nun als Gegner betrachten musste. Heinrich antwortete auf die Erkundigungen, dass er zwar gegen Aba nichts unternehmen wolle, solange dieser keine unfreundlichen Akte setzte, warnte ihn aber vor einem feindlichen Verhalten. Im Raum stand eine Drohung, wenn sie auch an bestimmte Voraussetzungen gebunden war. Heinrich war misstrauisch geworden und schickte mit den ungarischen eigene Boten, die sich ein Bild von der Lage machen sollten. Unmittelbar nach dieser Mitteilung setzt die negative Suada des Nie­ der­altaichers gegen Aba ein  : Er sammelte ein Heer, »das die Unseren überfallen und denselben durch Plündern allen möglichen Schaden tun sollte.«43 Um diese Vorbereitungen geheim zu halten, schränkte er die Bewegungsfreiheit aller Fremden, die sich in Ungarn befanden, ein  – der Kaufleute, der Boten, ja sogar der Gesandten des Königs. Ein solches Vorgehen gelte bei allen Völkern als rechtwidrig (quod ubivis gentium nefas est). Diese umfangreichen Maßnahmen erforderten nur wenige Wochen, ein sehr kurzer Zeitraum, der in den folgenden Überlegungen eine Rolle spielt.44 Zwei Monate nach der Straßburger Versammlung, am 21.  Februar, erhob der König den Luxemburger Heinrich VII. (1042–1047) in Basel zum Herzog von Bayern.45 40 Annales Altahenses maiores, 26. 41 Varga, Ungarn und das Reich, 104  ; der Brief des Abtes Bern Steindorff Heinrich III. 1, 118  ; Dipolamata Hungariae antiquissima 131 ff. Nr. 34 bes. der Vergleich Heinrichs mit David, 132, und die Erwähnung der konkreten Ereignisse 133. 42 Annales Altahenses maiores, 29 zu 1042. 43 Annales Altahenses maiores, 29  : Nam omnes copias multitudinis, quam habuerat, continuo clam vocari iusserat, fide corrupta nostrates invasurus et, quicquid cladis latrocinando posset, facturus […]. 44 Annales Altahenses maiores, 29  ; Varga, Ungarn und das Reich, 105  ; Schünemann, Die Deutschen in Ungarn, 65. 45 Annales Altahenses maiores, 31; Handbuch der bayerischen Geschichte 1, 314  ; Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 1, 147.

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Dieser war ein Neffe des 1026 gestorbenen bayerischen Herzogs Heinrichs V. und der Königin Kunigunde, Gattin Kaiser Heinrichs II. Der seit den Forschungen von Steindorff immer wieder gegebene Hinweis, dass die Unruhen im ungarischen Grenzbereich der Anlass waren, nach 15 Jahren wieder einen bayerischen Herzog einzusetzen, überzeugt nicht recht.46 Der aktuelle Beutezug Abas bis zur Traisen, von dem gleich die Rede sein wird, war in Basel wahrscheinlich noch gar nicht bekannt, da Aba erst am 15. Februar, nur sechs Tage vor der Einsetzung des neuen Bayernherzogs, in Tulln übernachtete. Ferner ist zu bedenken  : Den folgenden Feldzug führte der König und nicht der gerade eingesetzte bayerische Herzog an. Dass er offenbar über den Kopf des bayerischen Adels hinweg eingesetzt worden war und die Förderung seiner Verwandten beim Erwerb fürstlicher Würden des Reiches in den folgenden Jahren, deutet eher auf einen »reichspolitischen« Zusammenhang größerer Dimension. Allerdings konnte man infolge Peters Flucht unangenehme Reaktionen aus Ungarn nicht ausschließen. Von daher ist wohl auch der frostige, zurückhaltende Empfang der Delegation Abas zu erklären. Für eine Teilnahme Heinrich  VII. an den ungarischen Feldzügen 1042–1044, fehlen die Nachweise.47 Es sei vermerkt, dass auch Steindorffs detaillierte Darstellung in den Jahrbüchern Heinrichs III. keinen Hinweis dieser Art enthält. In Niederaltaich berichtete man nur über seine Erhebung 1042, seine Beteiligung am Aufstand gegen den erkrankten König 1045 und seinen Tod 1047. Im März und im Juli 104548 intervenierte er zusammen mit Kaiserin Agnes zugunsten des Markgrafen Siegfried, als dieser Landschenkungen an der Grenze gegen Ungarn erhielt. Die Urkunden wurden in Neuburg an der Donau (Bayern) und Aachen ausgestellt, also nicht auf dem Weg nach oder von Ungarn zurück. Mitte Februar 1042 unternahm also König Aba den erwähnten Beutezug am Südufer der Donau, nachdem er »seinem Herzog« befohlen hatte desgleichen am Nordufer zu tun. Abas unermessliches Heer zog heimlich durch Wälder und erreichte die Traisen. Der Annalist betrachtete die wölfische List des Zuges durch die Wälder als »slawische« Sitte. Spielte er auf die slawischen Anhänger Abas bzw. ein entsprechendes Gefolge an oder unterlief ihm einfach ein Irrtum  ? Der Bezug auf die Slawen könnte auch durch das labile Machtgefüge, besonders im Gebiet der heutigen Slowakei begründet sein. Man könnte sogar an die alte Taktik des Einsatzes der Hilfsvölker als »Kanonenfutter« denken. Jedenfalls begannen Aba und seine Leute an der Traisen mit den Plünderungen, kehrten um und bewegten sich dabei nach Osten bis in die Gegend von Tulln, wo sie nach vollendetem Beutezug am 15. Februar übernachteten. Die Opfer lagen teilweise noch im 46 Brunner, Herzogtümer und Marken, 182. 47 Gegen den folgenden Befund Handbuch der bayerischen Geschichte 1, 314. Die Zitate in Anm. 89 enthalten keine entsprechenden Nachrichten. 48 NÖUB 1, 261 f., Nr. 21e = MGH D H III. 167 f. Nr. 133 und 265 ff. Nr. 21h = MGH D H III. 177 Nr. 141.

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Bett, andere, die schon aufgestanden waren, pflegten ahnungslos gegenüber dem kommenden Unheil in ihren Häusern der Ruhe. Ein Bild der Winterruhe im landwirtschaftlichen Umfeld. Nur wenige wehrten sich, wurden aber von der großen Zahl der Feinde übermannt. Aba kehrte mit bemerkenswert reicher Beute nach Ungarn zurück.49 Anders erging es dem Herzog im Norden der Donau. Wie es der Zufall gerade wollte, waren Markgraf Adalbert und sein Sohn Leopold gerade in diesem Raum. Sie hatten kaum 30  Gefolgs- und Dienstleute (manus militum et servitorum) bei sich, die als Schildträger (scutatores), also Schwerbewaffnete zu Pferd bezeichnet werden und jeweils zwei oder drei leicht bewaffnete Fußgeher mit sich führten. Insgesamt ergab das etwa 100  Mann. Allerdings befanden sich in dieser Gegend auch einige Edelfreie (nobiles) und ihre fortes (Krieger) auf ihren predia.50 Mit diesen Leuten erhöhte sich die Zahl der Streiter auf etwa dreihundert. Neben dem landesfürstlichen Gefolge brachen also auch adelige Grundherren mit ihren Gefolgsleuten auf, um gemeinsam mit dem Markgrafen die Kämpfe zu führen.51 Fraglich ist, ob die im Gefolge Adalberts kämpfenden Leute als spezialisiert Bewaffnete bereits zu den Ministerialen gehörten. Anderthalb Jahrzehnte später, 1056, begegnen wir dem berühmten Azzo als serviens des Markgrafen Ernst, Adalberts Sohn. Ob die adeligen Grundherren zusammen mit den Bauern gegen die Ungarn kämpften, erfahren wir aus dem Bericht des Niederaltaichers nicht.52 Die Zahl von dreihundert Kämpfern legt aber den Gedanken nahe, dass nicht ausschließlich die Grundherrn zu ihren Waffen gegriffen hatten, sondern auch einige ihrer Leute, die besondere Aufgaben erfüllten und aufgrund ihrer gehobenen Stellung Waffen führten. Es handelte sich wohl um jene, die in den Traditionsnotizen als maiores, villici oder oeconomici bzw. sogar als praepositi erwähnt werden. Die Ungarn stellten drei Gruppen (Legionen) zum ersten Treffen, weitere sieben Grup­pen waren anwesend (in Summe 10  Legionen). Dass auf ungarischer Seite tausende Krieger unterwegs waren, scheint nicht recht glaubhaft.53 Zahlenmäßig überlegen waren die ungarischen Kräfte mit Sicherheit. Trotz dieser ungünstigen Ausgangsposition gelang es, eine große Zahl der Ungarn zu töten und die Überlebenden bis zur March zurückzudrängen, in deren Fluten die meisten ertranken.54 Der Annalist aus Niederaltaich führt den im Lichte des Kräfteverhältnisses unerwarteten Sieg auf den Beistand Gottes zurück. Die moderne Forschung orientiert sich weniger an einer Schlacht »Gottes und der Menschen«. In einer einschlägigen Studie wies Leopold Auer darauf hin, dass der 49 Annales Altahenses maiores, 29 f.; Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 1, 149 f.; Scheibelreiter, Die Babenberger, 108. 50 Annales Altahaneses maiores, 30. Zehetmayer, Zum Gefolge des Adels, 26, mit Anm. 22. 51 Weltin, Der hochmittelalterliche österreichische und steirische Adel, 117, mit Anm. 64. 52 Vgl zu dieser Frage Auer, Zum Kriegswesen, 20 f. 53 Berechnungen aus dem 19. Jahrhundert gingen von 1000 Mann pro Legion aus. Gegen 10.000 Mann hätte wohl auch der größte Heldenmut der 300 nichts ausgerichtet. 54 Scheibelreiter, Die Babenberger, 109.

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mehrfach geschilderte erfolgreiche Widerstand gegen eine erhebliche ungarische Übermacht mit der Wirkung eines gepanzerten Reiterheeres zu erklären sei. Der Begriff der Schwerbewaffneten meine eine derartige Formation, gegen welche die leichte Reiterei der Ungarn im Nahkampf unterlegen war.55 Vom Raubzug des dritten ungarischen Heeres in die karantanische Mark und dem Sieg des Markgrafen über die Ungarn war schon die Rede. Eine Schätzung der Zahl der ungarischen Kämpfer wurde versucht. Ob der Begriff der Legion dabei hilfreich ist, ist fraglich.56 Wenn wir mit einem größeren Heer der ungarischen Reiter und Bogenschützen rechnen müssen, stellt sich die Frage, woher diese Kämpfer kamen und unter welchen sozialen Bedingungen sie ihre Kriegeraufgaben erfüllten  ? In Györffys sozialgeschichtlichen Erwägungen spielt die Zahl 20.000 eine recht plausible Rolle.57 Ferner wären Fragen nach der Pferdezucht näher zu behandeln. Dazu sind lediglich vereinzelt Hinweise zu finden. So hält Bogyay fest, dass die Ungarn auch zu ungünstigen Jahreszeiten zu Streifzügen und Kämpfen aufbrechen konnten, da sie in ihrer groß angelegten Pferdezucht anspruchslose und zähe Pferde hervorbrachten – eine Tarpanrasse mit inner-asiatischem Taki-Einschlag.58 Trotzdem bleibt bei den anzunehmenden gewaltigen Unterschieden in der Größenordnung der Heere unklar, warum dreihundert Leute tausende Ungarn niedermachen konnten  ? Vergleicht man die Verhältnisse in der bayerischen Mark, auf welche die Ungarn stießen, mit jenen im ungarischen Grenzbereich, zeigt es sich, dass im Gebiete der Mark ein fast unbesiedeltes Zwischenland (das sogenannte Grenzödland) mit dahinter natürlichen oder künstlichen Hindernissen fehlte. Die Besiedelung scheint zwar schwach gewesen zu sein, doch die Aktivierung von 300 Kämpfern in kürzester Zeit zeigt, dass wir bei der Einschätzung der zur Verfügung stehenden Potentiale recht vorsichtig sein müssen. Für die Verhältnisse charakteristisch ist aber die Tatsache, dass die Kämpfer direkt von den Grundherrschaften aufbrachen. Der ungarische Herzog war allerdings schon ein Stück ins Land vorgedrungen, als er von Adalbert und seinen Kriegern gestellt wurde. Zu bedenken ist, dass seit 1031 ein Streifen des Gebietes westlich der March an die Ungarn abgetreten worden war.59 Da die Königsschenkungen in diesem Gebiet erst knapp vor 1031 gewährt wurden, war seine grundherrschaftliche Organisation damals

55 Auer, Zum Kriegswesen, 19, und zu den Ereignissen des Jahres 1042  : 18. 56 Laut Niermeyer, Mediae latinitatis lexicon 1, 778, unter legio kann es sich um einen Heeresteil von 1000 Mann (unter den Belegstellen auch der Bericht der Annales Altahenses maiores) oder um einen unbestimmter Größe handeln. Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 1, 150, mit Anm. 5, neigt der Interpretation unbestimmte Größe zu. 57 Györffy, Wirtschaft und Gesellschaft, 95 und 208 weiterführende Literatur. Vgl. auch die Zahl der Krieger in der Schenkungsurkunde für Pécsvárad ebda. 97 (200 milites). 58 Bogyay, Lechfeld, 20. 59 Vgl. oben 93.

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wohl noch nicht sehr weit fortgeschritten. Die betreffenden Grundherrschaften der aktiven Grundherren lagen wohl etwas weiter im Westen. Es erhebt sich trotz einer dichten Forschung zu den Problemen der Kriegsführung die Frage, wie diese Siedlungslandschaft mit ihren villae und landwirtschaftlichen Flächen auf feindliche Einfälle vorbereitet war  ? Ich bin geneigt, in einer Kampftruppe wie den erwähnten scutatores eine wirksame Offensivtruppe zu sehen. Die große Bedeutung der Schwerbewaffneten könnte einer der Hinweise auf die Zweitrangigkeit von Defensivmaßnahmen sein. Von derartigen Überlegungen nicht betroffen sind natürlich die Fluchtburgen, Hausberge und vergleichbare Einrichtungen für die weitestgehend waffenlosen Siedler in abhängiger oder untertäniger Stellung.60 Bei der Bedeutung der offenen Feldschlacht oder der Offensive ist es fraglich, ob die zur Vorsicht mahnende Nachbarschaft der Ungarn überhaupt einen Einfluss auf die Entstehung und Entwicklung der Kulturlandschaft in der Mark hatte. Ich meine damit Organisationsformen und Bauten, die auf strategische Zwecke gerichtet waren. Offenbar vertraute man den Menschen, die ohnehin auf den grundherrschaftlich organisierten Besitzungen ihrer Arbeit nachgingen. Vorläufig können wir für unsere allgemeinen Überlegungen den Schluss ziehen, dass die grundherrschaftliche Organisation des genutzten Raums gewisse strategische Spielräume eröffnete. Dies vor allem deswegen, weil ein nichtgeistlicher Grundherr wohl in den meisten Fällen zu den edelfreien Leuten oder zu den entstehenden Dienstmannschaften gehörte. Auch manche geistliche Einrichtung verfügte schon vor der Mitte des 11. Jahrhunderts über Dienstleute, für die besondere Rechte und Verpflichtungen galten und die man auch als bewaffnete Kämpfer einsetzte.61 Abgesehen von den mit den Grundherrschaften verbundenen Humanressourcen trug der herrschaftliche Befestigungsbau und die ökonomisch motivierte Anlage und Pflege von Verkehrswegen und ihrer Hilfsmittel wie Brücken und Furten zur Entstehung einer strategischen Infrastruktur bei.62 Von strategischen Motiven getragen war sicherlich die Pferdezucht im Rahmen der Grundherrschaften bzw. der Import geeigneter Tiere. Der wichtigste Reflex auf diesen Bereich in den Quellen waren die in den Pertinenzformeln der Urkunden fast immer genannten Weiden. Für die Topographie der Kriegsbereitschaft bedeutet das, dass nicht nur die Grenzräume von diesen Aktivitäten erfasst waren, sondern das gesamte Land. In diesem Zusammenhang sind auch die Befestigungsbauten zu betrachten, die mit den siedlungstechnischen und wirtschaftlichen Einrichtungen verbunden waren. 60 Kühtreiber, Reichhalter, Hausberge, Motten und Burgställe zitiert nach Nowotny, Das nordwestliche Weinviertel im frühen Hochmittelalter, 202, Anm. 42. 61 Für unseren Raum besonders wichtig das Recht der Bamberger Dienstleute von 1057/1063  : NÖUB 1, 353 ff., Nr. 27a, bes. 354. 62 Mitterauer, Burgbezirke, 220.

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Es ist jedoch damit zu rechnen, dass die Güterschenkungen des ungarischen Königs an die bayerischen, schwäbischen und lateinischen hospites auch auf der ungarischen Seite zu einer sich allerdings langsam ausbreitenden grundherrschaftlichen Organisation führten. Die Veränderungen in der ungarischen Kampftechnik unter westlichem Einfluss, die zur selben Zeit feststellbar sind, hängen wohl mit der zunehmenden Bedeutung der Grundherrschaften in Ungarn zusammen. Diese Angleichung an die westliche Kampfesweise machte erst gegen Ende des 12.  Jahrhunderts bemerkbare Fortschritte. Noch 1146, als Heinrich Jasomirgott an der Leitha gegen Géza  II. kämpfte, bestand lediglich die »Leibgarde« des Königs aus schwer gepanzerten Reitern.63 Was nun den Bericht aus Niederaltaich betrifft, ist hervorzuheben, dass der Autor die Rolle Adalberts und Leopolds deutlich in den Mittelpunkt stellt  ; Karl Brunner spricht davon, dass die Propaganda der Babenberger damals massiv einsetzte.64 Wir werden im Folgenden aber hören, dass die Leistung der beiden Babenberger den Tatsachen entsprach, denn Heinrich III. zeigte sich wenige Monate später, nachdem er die vorteilhafte Lage gegenüber Ungarn genutzt hatte, ihnen gegenüber huldvoll und freigiebig.65 Zuvor sei aber noch einer späten Erinnerung an dieses glänzende Geschehen heldenhafter Verteidigung gedacht. Im liber fundatorum des Stiftes Zwettl wird zu Beginn über die Umstände berichtet, unter denen Azzo, der wahrscheinliche Ahnherr der »Kuenringer«, in die Mark der Babenberger kam.66 Der Markgraf steckte in schwierigen Verhältnissen, die ihn verzweifeln ließen. Erzbischof Poppo von Trier schickte seinem Bruder »Leopold« (Markgraf war damals allerdings Adalbert) einen Verwandten namens Azzo, der ein großer Kriegsmann war. Ihm verdankte der Markgraf einen grausamen Sieg über die Feinde und es folgte eine angemessene Belohnung des Helden. Die Geschichte wurde etwa 1230 niedergeschrieben, als man wegen des Vorgehens der Kuenringer gegen Friedrich den Streitbaren im Stift Zwettl in einem beträchtlichen Argumentationsnotstand gegenüber dem Fürsten war und daher die entscheidende Bedeutung des Gründergeschlechts im Heldenzeitalter des Landes betonte. Azzo könnte tatsächlich im Rahmen der Ungarn-Feldzüge Heinrichs  III., die zwischen 1042 und 1045 bzw. zu Beginn der fünfziger Jahre stattfanden, eine wesentliche Rolle gespielt haben. Die blutige Verfolgung der Feinde findet ihr reales Gegenstück in den schon erwähnten in Niederaltaich geschilderten Ereignissen zum Jahre 1042, als die kleine Schar unter Adalbert und seinem Sohn Leopold eine große Zahl von Ungarn tö63 Schünemann, Die Deutschen in Ungarn, 126 f. und unten 276. 64 Brunner, Herzogtümer und Marken, 182. 65 Landschenkung für Adalbert NÖUB 1, 256, Nr. 21b  ; Erhebung Leopolds des Jüngeren zum Markgrafen Herimanni Augiensis Chronicon, 676. 66 Ausführlich dazu Dienst, Tradition und Realität, 42–44. Zuletzt Kupfer, Weinviertel, 37. Azzo ist erstmals 1056 als serviens des Markgrafen Ernst (1055–1075) nachgewiesen  : MGH D Heinrich IV. 1, 4 f. Nr. 3  ; NÖUB 1, 258, Nr. 21c.

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tete und weitere in der March ertrinken ließ.67 Der im Zwettler Text genannte Leopold wäre also Leopold der Jüngere, der bereits am 9.  Dezember 1043 starb.68 Ihm gelang 1041 die Rückeroberung einer Burg, die von Mährern (Böhmen) seinem Vater entrissen worden war und im Grenzgebiet der böhmischen und bayerischen Marken lag.69 Diese militärische Tat war weit und breit bekannt und gehört zu den eine Tradition prägenden Heldenstücken des jungen Leopold. Steindorff stellte die Frage, ob die Eroberung der Grenzburg und der folgende Einfall von Bewaffneten aus der Mark in Südböhmen in der entscheidenden Phase des Kampfes Heinrichs III. gegen Herzog Bretislaw eine Rolle spielte, entschlug sich aber der Antwort.70 Der böhmische Burgherr war in die Gefangenschaft des jungen Leopold geraten. Dieser lieferte ihn dem Kaiser aus, der ihn dem Fürsten Břetislav zurückgab.71 Nun berichtet der Niederaltaicher Annalist nach der Schilderung von Leopolds Heldentat, dass der König dem jungen Leopold kurz darauf in Regensburg als Dank Geschenke überreichte, darunter jenes ausgezeichnete Ross mit einem kostbaren Sattel, das er von Břetislaw I. wohl im Zuge des Friedenschlusses erhalten hatte. Ich sehe darin eine anspielungsreiche Ehrung des siegreichen Leopold.72

67 Annales Altahenses maiores, 30  : Fast alle Feinde wurden getötet, praeter qui fugati incurrerunt gurgitem fluminis Maraha dicti […]. 68 Dienst, Tradition und Realität, 68 f. 69 Annales Altahenses maiores, 28. Zur Identifizierung des Ortes der Burg mit dem Oberleiserberg Lechner, Babenberger, 72, Mitscha, Oberleis, 36 f. Zuletzt skeptisch, ob die Frage überhaupt lösbar sei, Kupfer, Weinviertel, 20. 70 Steindorff, Heinrich III. 1, 110. Er meint, ein Urteil über den Beitrag des Babenbergers zur Unterwerfung Břetislaws müsse dahingestellt bleiben. 71 Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 1, 112. 72 Annales Altahenses maiores, 28. Den Zusammenhang sieht auch Dienst, Werden und Entwicklung, 81, und spricht von einem wesentlichen Anteil des jüngeren Leopold an der Unterwerfung Břetislavs im Oktober 1041.

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Bemerkungen zu Böhmen und Mähren in der Mitte des 11. Jahrhunderts Darüber hinaus ist der Streit um diese Burg ein wichtiger Mosaikstein in der Auseinan­ dersetzung um eine neue Ordnung im Donau-/March-/Waag-Gebiet, an der sich Bře­ tislav von Böhmen, Peter und Aba, die verfeindeten Könige von Ungarn, Markgraf Adalbert und schließlich der ostfränkische »Großkönig« Heinrich III. beteiligten. In den vierziger Jahren des 11. Jahrhunderts entstanden Herausforderungen und fielen Entscheidungen für die Herrschaft der Babenberger auch östlich des Wienerwaldes und in den Gebieten an der March, also nach moderner Topographie im Weinviertel. Diese Einschätzung der Entwicklung finden wir auch hundert Jahre später bei Otto von Freising, der in seiner Chronik resümierend berichtet  : jener Adalbert, »der nachmals die Ostmark, das ist Ober-Pannonien, den Ungarn entrissen und dem römischen Reich einverleibt hat.«1 Das blieb in Erinnerung, die dichte Gemengelage von Interessen und Problemen aller Beteiligten war vergessen. Heide Dienst meint wohl mit Blick auf die Melker Annalen, dass damals für die Annalisten die Geschichte Österreichs begann.2 Das deckt sich mit der erwähnten Bemerkung Karl Brunners zu den frühesten Darstellungen im Sinne babenbergischer Propaganda.3 Bei der Wirkungsweise dieser Konflikte wird der Zusammenhang zwischen der Entstehung eines Eigenbewusstseins unter dem Einfluss nachbarlicher Konkurrenz und Bedrohungen bzw. ihrer erfolgreichen Bewältigung deutlich. Ein wichtiger Punkt in der Geschichte von den Kämpfen mit dem ungarischen Herzog4 im Norden der Donau war die Anwesenheit der Babenberger Vater und Sohn. Sie und ihr kleines Häuflein Bewaffneter wurden zum Kristallisationspunkt eines Wir-Bewusstseins, das in der Folge auf komplexe Probleme der Nachbarschaft stieß  : Der Expansionswille des seit oder vor 10215 unter böhmischer Herrschaft stehenden Mähren in die traditionellen altmährischen Räume bis zur Waag traf auf die Herrschaft des ungarischen Herzogs im Norden der Donau.6 Das von den a d e l i g e n G r u n d h e r r e n wohl auch ihren leitenden Dienstleuten (maiores, oeconomici aber auch schon ministeriales oder servi mit militärischen Aufgaben) mitgetragene Wir-Bewusstsein in der Babenbergermark war damals bestimmt nicht neu, indem es sozusagen erst durch die aktuelle Herausforderung 1 2 3 4 5

Ottonis episcopi Frisingenses chronica Lib. VI, cap. 15, 275. Dienst, Tradition, 68. Brunner, Herzogtümer und Marken, 182. Zum ungarischen Herzog Kristó, Az XI. századi hercegség (franz. Zusammenfassung). Cosmae Chronica Lib. I, cap. XL, 75  ; Krzemienska, Wann erfolgte der Anschluss Mährens, 195–243, mit ausführlicher Darstellung der Forschungsdiskussion. 6 Zum Herzog Kristó, Az XI. századi hercegség (franz. Zusammenfassung).

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entstanden wäre, sondern es existierte bereits im Verband eines bayerischen Bewusstseins. So bezeichnete der Niederaltaicher Annalist die markgräfliche Gefolgschaft und die Grundherren, die gegen die Ungarn kämpften, als »die Unsrigen«.7 Schenkungen Heinrichs  II. an Niederaltaich in den Jahren 1011 und 1019 zeigen, dass das Kloster selbst Grundherr in diesem Abschnitt um Absdorf nördlich der Donau war.8 Hier befand sich auch ein Erdwall, der den dortigen Siedlern Schutz bot. Wenn der Niederaltaicher Annalist beim Bericht über die Kämpfe von den nostrati spricht, meint er natürlich vor allem die Bayern. Es ist aber innerhalb dieses bayerischen Rahmens zu berücksichtigen, dass die adeligen Herrschaftsträger, die sich an den Kämpfen beteiligten, in der Nachbarschaft der Niederaltaicher Besitzungen saßen.9 Bei den Beziehungen zu Niederaltaich ist etwa an Vogteirechte, d. h. Herrschaftsrechte benachbarter Grundherrn zu denken. Abgesehen von der wohl überwiegend bayerischen Herkunft dieser Herren müssen wir auch mit einem Gemeinschaftsbewusstsein rechnen, das sich um Niederaltaich gruppierte. Doch zählten auch der Markgraf und sein Sohn im bayerischen Kloster zu den »Unsrigen«. Es zeigt sich gerade in den geschilderten Kämpfen und ihrer späteren Beurteilung etwas Neues  : Erfolge dieser Art, wie der Sieg gegen die ungarischen Scharen oder die Rückeroberung der Grenzburg zu Böhmen, führten dazu  – wie Peter Csendes feststellte10  –, dass sich wohl der überwiegende Teil der Adeligen und ihrer Gefolgsleute in der Mark zunehmend um den Markgrafen scharte. Der Rückeroberung der besagten Burg folgte ein Beutezug nach Böhmen, an dem sich Leopold gar nicht mehr persönlich beteiligte. Offenbar beflügelte die erfolgreiche Unternehmung unter seiner Führung die Gefolgsleute zu eigenem Handeln als Ausdruck eines neu entstehenden oder aktualisierten Gemeinschaftsbewusstseins. Ich halte es doch – in Ergänzung der Forschungen von Otto Brunner zur strukturellen Bedeutung des Adels für die Entstehung des Landes – für bemerkenswert, dass für das »Hinübergleiten« der Identität von einer bayerischen zu einer »österreichischen« in Ostarrîchi die Rolle des babenbergischen Markgrafen bzw. seines Sohns als Kristallisationspunkt in diesen Schilderungen so intensiv hervortritt. In weitere Fragen der »politischen« Topographie führt uns der Wortlaut, wie in Niederaltaich die Lage der eroberten Burg beschrieben wurde  : in terminis marcharum Boiemiae et Boiariae. Sie lag also im Grenzbereich der böhmischen und der bayerischen Mark. Letztere war die Mark der Babenberger  ; das hier als böhmische Mark bezeichnete Gebiet war Mähren, wie ich im Folgenden ausführen werde. Von der marcha Boiemiae ist nur an dieser Stelle die Rede, Moravia kennt der Annalist nicht. Der Begriff marcha   7 Annales Altahenses maiores, 30  : Nostratium autem, quamvis non adhuc essent trecenti.   8 NÖUB 1, 313 ff., Nr. 23 und 317 ff.Nr. 23a. Lechner, Babenberger, 62  ; Kupfer, Weinviertel, 14  ; Marian, Zur Besitzgeschichte, 134 ff., Zehetmayer, Besitz und Stellung, 154.   9 NÖUB 1, 320 f. Vgl. etwa zu Absdorf Zehetmayer, Besitz und Stellung, 153 und NÖUB 1 Nrn. 21 und 21a = MGH Heinrich II. 25 Nr. 22 und Konrad II. 301 Nr. 221. 10 Csendes, Österreich, Wien und das Reich, 177.

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Boemica konnte auch die böhmische Grenze meinen, wie dies in der Beschreibung der nördlichen Pfarrgrenze von Gramastetten der Fall war.11 Břetislavs Vater Udalrich hatte, wie schon erwähnt, aus dem Gebiet an der March die dort herrschenden Polen um 1020/21 verdrängt oder eine Landschaft betreten, die bereits von Polen und ihren mährischen Gefolgsleuten verlassen war. Dort errichtete er ein eigenes Herrschaftsgebiet, das mit Böhmen verbunden war.12 Dieser Vorgang gilt als Mährens Anschluss an Böhmen.13 Břetislav, der als Vertreter seines Vaters in Mähren wirkte14, nahm mit nach Osten und Süden gerichteten expansiven Maßnahmen Traditionen des altmährischen Reiches auf.15 Teile des altmährischen Raums waren seit dem beginnenden 10. Jahrhundert Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen Ungarn und Polen. Wir können auf die Details hier nicht eingehen.16 Die Übernahme und Durchsetzung der böhmischen Herrschaft in Mähren ist ein Prozess, der sich über mehrere Jahrzehnte erstreckte. Udalrich hatte Mähren seinem Sohn Břetislav bereits vor 1021 übergeben.17 Dies berichtet Cosmas im Zusammenhang mit Břetislavs Brautraub in diesem Jahr. Dies ist die bekannte Erzählung, dass die Polen aus den Burgen Mährens vertrieben und die Gefangenen zu je hundert mit Ketten gefesselt und nach Ungarn und weiter verkauft worden waren.18 Begebenheiten dieser Bedeutung, die zu Umwälzungen der Herrschaftsverhältnisse führen, lassen sich besser im Fortschreiten eines Prozesses erklären, als mit einem punktuellen militärischen Ereignis. Břetislav ist jedenfalls als »Verwalter« der altmährischen Gebiete mit expansiven Zielsetzungen zu betrachten. Der komplexe, vielschichtige Vorgang der Angliederung Mährens an die böhmische Fürstenherrschaft führt uns wiederum in die lange Zeit umstrittene Frage nach den Charakteristika des böhmischen und mährischen Adels.19 Žemlička beschreibt als einen wesentlichen Teil dieses Prozesses, dass Břetislav die mährische Aristokratie durch aus Böhmen kommende Militärs, Beamte und Verwalter ersetzte. Diese Leute sollten dann zu einem Bestandteil der sich neu herausbildenden 11 UbOE 2 129 Nr. 92  : […] contra septentrionem usque ad marcham boemicam  ; Dobias, Seit wann bilden die natürlichen Grenzen, 29, mit Anm. 64  ; RBP Nr. 479. 12 Hoensch, Geschichte Böhmens, 52, mit Anm. 16. 13 Měřinský, Mähren und seine premyslidischen Teilfürsten, 139. Zur Datierung 1021 Krzemienska, Wann erfolgte der Anschluss Mährens, 237–241, mit der Konklusio aus dieser Studie. 14 Žemlička, Dux »Boemorum« und rex Boemie, 108, charakterisiert Břetislavs Wirken in Mähren als eine Art »Militärverwaltung«. 15 Zur Grenz- und Ausdehnungspolitik, die von Mähren ausging  : Měřinský, Mähren und seine přemys­li­ dischen Teilfürsten, 140 ff., unter Berücksichtigung altmährischer Prägungen. 16 Krzemienska, Krize ceského státu, 497–529, mit einer etwas oberflächlichen deutschen Zusammenfassung 530–532. 17 Vgl. zur Datierung im vorigen Absatz. 18 Cosmae chronica lib. I, cap. 40, 75. 19 Ein übersichtlicher Einstieg in die Wissenschaftsgeschichte  : Hlavácek, Adel und Nichtadel, 158–161, mit Angabe der wichtigsten Literatur seit dem 19. Jahrhundert. Die Arbeit folgt aber überholten Grundlagen.

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mährischen Elite werden.20 Zu berücksichtigen ist allerdings ein Bericht des Cosmas über ein Ereignis, das erst im Jahr 1055 stattfand. Damals folgte auch aufgrund einer Wahl »hoher und niedriger Böhmen« Spytihněv seinem Vater Břetislav als Herrscher nach. Er stieß dessen Nachfolgeordnung in Mähren um und versuchte selbst die Herrschaft in die Hände zu nehmen. Dabei ging er gegen seine jüngeren Brüder vor, die flüchteten oder sich den Verhältnissen anpassten. Streitigkeiten dieser Art prägten das umkämpfte Verhältnis von Böhmen und Mähren, das sich zwischen einer Unterordnung Mährens und einer Gleichrangigkeit zweier Herrschaftsgebiete bewegte. Für strukturgeschichtliche Einblicke in diesem Zusammenhang scheint es aber bedeutsamer, dass Spytihněv dreihundert der besten und edelsten Herren (trecentos viros, quos ipse novit meliores et nobiliores) aus den mährischen Burgsiedlungen (ex omnibus civitatibus) zu sich befahl.21 Diese mit lateinischer Terminologie umschriebenen Leute herausragender Stellung kamen aus civitates. Diesen bedeutungsreichen Begriff könnte man in diesem Zusammenhang als befestigte Siedlungen, als Burgstädte wiedergeben.22 Die von Cosmas gebrauchten Begriffe civitas, castrum und urbs scheinen, was ihre strategischen Funktionen anlangt, ähnliche Einrichtungen zu bezeichnen. Unter einem lächerlichen Vorwand nahm der Fürst die 300 wohl mährischen Adeligen gefangen und kerkerte sie auf böhmischen Burgen ein.23 Der Umfang dieser Aktion und die soziale Charakterisierung der Betroffenen deuten auf eine Ausschaltung des mährischen Adels.24 Es ist heute keine Frage mehr, dass es sich bei diesen Leuten um Adelige handelt, wenn die alte Diskussion auch da und dort noch ein leichtes Nachbeben verursacht. Die Funktionen und die Lebensformen der führenden Personen sind mit dem benachbarten bayerisch-fränkischen Adel zu vergleichen. Dabei sollte man, wie schon erwähnt, sich nicht in allzu enge und rigorose Adelsdefinitionen versteigen. Ein Unterschied ist allerdings deutlich  : Wie in Ungarn stand der Adel einem Fürsten gegenüber, dessen Macht lange Zeit eine Beteiligung des Adels an wichtigen Entscheidungen nicht zuließ und dessen Gewaltausübung eher an Terror denn an Herrschaft gemahnt. Doch auch in diesem Punkt müssen wir relativieren  : Die Großen entschieden in Böhmen über die Fürstennachfolge und hatten damit eine wichtige Funktion in eigenen Händen.25 In Ungarn nahm der Adel an beratenden Sitzungen teil, über die wir noch Näheres hören werden. 20 Žemlička, Dux »Boemorum« und rex Boemie, 108. 21 Wihoda, Die mährischen Eliten, 9, übersetzt ex omnibus civitatibus mit »aus allen Städten«. 22 Niermeyer 1, 241 unter civitas – die hier vorgeschlagene Übersetzung unter Punkt 6. 23 Cosmae chronica lib. II, cap. 15, 106 spricht von civitates Boemie. 24 Cosmae chronica lib. II, cap. 15, 105 und Měřinský, Mähren und seine přemyslidischen Teilfürsten, 145, mit Anm. 14. Anders Wihoda, Die mährischen Eliten, 17  : die meisten kamen aus Böhmen. Ein Versuch »mährische Adelige« konkret zu benennen ebda., 10. 25 Besonders verdienstvoll ist die Übersicht des polnischen Historikers Pauk, Der böhmische Adel im 13. Jahrhundert, 248–287. Die Untersuchung setzt schon mit dem 11. Jahrhundert ein, 252 f. Hlavácek, Adel und Nichtadel, 158–161, und zuletzt kritisch und informativ Hruza, Die drei »Sizilischen Goldbullen«.

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Sehen wir uns ein Beispiel der herrschaftlichen Funktionen des böhmischen Adels näher an. Cosmas schildert um die Mitte des 11. Jahrhunderts adelige Herrschafts- und Siedlungsverhältnisse in Böhmen, die sich von den bayerischen Gegebenheiten nur geringfügig unterscheiden. Man muss bei der Darstellung etwas weiter ausholen, da sich weitere Informationen über den Adel Böhmens aus dem Bericht erschließen.26 Im Zuge der Gefangennahme der mährischen nobiles versicherte sich Spytihněv auch seiner Schwägerin, der damaligen ersten Frau seines Bruders Vratislav. Er übergab sie einem Grafen Mistis, der sie auf einer seiner Burgen namens Lescen, einer stark befestigten Anlage, in Gewahrsam nahm. Er behandelte sie aber nicht, wie es einer hohen Frau gebührte.27 Mit dem Grafen Mistis haben wir einen der böhmischen Mächtigen kennengelernt, der sich um die Gefangene kümmern sollte. Die schlechte Stimmung zwischen Mistis und Vratislav, die deswegen entstand, konnte sich zunächst nicht entladen, da der Přemyslide sich als Vertriebener in Ungarn bis 1058 aufhielt und von dort seine zweite Gattin Adelheid, vermutlich eine Árpádin, mitbrachte. Als Spytihněv 1061 starb, erhoben die böhmischen Mächtigen Vratislav II. auf den Thron. Bald danach erschien Graf Mistis am herzoglichen Hof und lud trotz allen dro­­ henden Ungemachs Vratislav zur Weihe der von ihm gestifteten Peter-und-Pauls-Kirche ein. Mistis berichtete, dass er die Kirche mit Erlaubnis Spytihněv erbaut habe. Vratislav verbarg seinen Groll gegen Mistis, sagte sein Kommen zu und meinte, er werde gemäß Mistis Wünschen damit die civitas erfreuen.28 Im Rahmen des Berichts über die Kirchweihe kam Cosmas auf topographische Details der gesamten Anlage zu sprechen. Gleich zu Beginn des Berichts wird Mistis als comes urbis Beline (Burggraf ) bezeichnet. Zur urbs oder civitas gehörte ein suburbium, in dem die neu erbaute Kirche stand. Mit dem suburbium war eine Siedlung gemeint, die sich in der Nähe einer Burg befand.29 Vratislav begab sich nach der Weihe zum Essen in die Burg, der Bischof und der Graf speisten in der curtis, die vor der Kirche lag. Bedeutet die Verwendung des Begriffes curtis eine Erinnerung an die Organisationsform des predium, bevor die Burg erbaut wurde  ? Jedenfalls kennen wir die Begrifflichkeit aus Bayern, wo sie beispielsweise für Vornbach, aber auch für die Besitzungen der Herrn von Grie im südlichen Waldviertel gebraucht wird.30 Der weitere Verlauf der Ereignisse lässt nach dem Bericht des Cosmas auch Schlüsse auf die Herrschaftsverhältnisse zu. Während des Essens flüsterte ein Bote Vratislavs dem 26 Zur Sache Jan Klápště, The Czech Lands, 44. 27 Cosmae chronica lib. II, cap. 15, 106. Die Burg bezeichnet Cosmas als castrum munitissimum. 28 Cosmae chronica Lib. II cap. 19, 111. 29 Niermeyer Band 2, 1307 unter suburbium  : »in Bezug auf eine Siedlung nahe einer Burg, eines Klosters oder eines befestigten Fleckens«. 30 Zu Vornbach UbLOE 1 628 Nr. 3  : Hermann von Winzenburg schenkte alles, was er in eodem castello et in suburbio eius habuit  ; zu den Verhältnissen in der Grie Lohrmann, Herrschaftsverhältnisse, 100  ; Tremel, Die Curtis, 3 ff., bes. 4 f.

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Grafen ins Ohr, dass ihm der Befehl über den Burgbereich entzogen worden sei. An seiner Stelle sei der bedeutendste Mann am Hof eingesetzt worden – ein gewisser Koyata, Sohn eines Wisebor. Mistis gestand dem Herzog zu, dass er über seine Burg nach Belieben verfügen könne, doch könne er der Kirche, die der Graf gestiftet hatte, nichts von dem entziehen, was sie heute erhalten hatte. In dieser Feststellung werden verschiedene Frontstellungen erkennbar, die sich im Dreieck von Herrscher, Adel und Kirche bilden konnten. Wie in Ungarn konnte die spirituelle und organisatorische Tätigkeit der Kirche in gewissem Umfang die Ausübung der Macht eines Fürsten beschränken. Jan Klápště hat diese Ereignisse geschildert und beurteilte den Bericht des Cosmas als älteste Nachricht über den Wohnsitz eines Adeligen abseits der Burgherrschaft, mit der er vom Fürsten beauftragt war.31 Die Gestaltung und Organisation des Wohnsitzes lassen erste Anzeichen selbständiger Entscheidungen des Adels erkennen. In diesem Sinne ist Klápštěs Analyse der komplexen Vorgänge um Bilina bemerkenswert. Mistis war seiner Meinung nach ein selbstbewusster Kastellan. Bilina gehörte nicht zu den bedeutenden Sitzen im Land, doch lud er Vratislav zur Weihe einer Kirche ein, die er an seinem Wohnsitz mit dem Einverständnis Spytihněvs II. erbaut hatte. Unabhängig davon bewirtete er den zuständigen Bischof, bei dem es sich um Severus handelte, einen Geistlichen, der sich schon als Ratgeber Herzog Udalrichs, Vratislavs II. Großvater, bewährt hatte. Die Kirche war zur Zeit ihrer Weihe mit Besitz ausgestattet, der als gemeinsames Gut der Kirche und des Mistis betrachtet wurde. Mistis bezweifelte sein Recht, Güterschenkungen zu machen, auch nach seiner Absetzung nicht. Klápště zieht daraus den Schluss, dass die Gründung einer Eigenkirche ein Weg war, um erworbenen Eigenbesitz zu sichern. Diese Sicherung bedeutete wohl, dem Fürsten Eingriffsmöglichkeiten zu verwehren. Der Bischof erwies sich dankbar, indem er dem Mistis einen Fluchtweg wies, der erfolgreich war und diesem das Leben rettete. Cosmas verschweigt uns, wie Mistis in den Besitz der Güter gekommen war.32 Die Burganlage, die wohl aus einer curtis entstanden oder in diesen hoch differenzier­ ten »Wirtschaftskörper« hineingebaut worden war, stand unter der Herrschaft des böhmischen Herzogs/Fürsten. Die Mitwirkung des Burggrafen an der Entwicklung der Anlage und die Ausübung eigener Herrschaft sind nicht ganz klar. Die Gründung einer Kirche in der Anlage bedurfte der Zustimmung des Herzogs  ; war diese aber einmal gegeben, waren die Möglichkeiten eines Zugriffs des Herrschers zumindest begrenzt. Wie kam der Graf in seine Funktion  ?33 Schlüsse darauf erlauben die Ereignisse um Bilina in einem Konflikt, den wir im Folgenden behandeln werden.34 Zuvor sind aber noch 31 Klápště, The Chech Lands, 46. Er spricht vorsichtig von residence of the elite. 32 Die Erörterung bei Klápště, The Chech Lands, 45. 33 Etwas anders die Interpretation von Klápště, Adel, Burg und Herrschaft, 225, der einige von Cosmas überlieferte Details übergeht. 34 Siehe unten 121.

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grundsätzliche Fragen zur herrschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnung der Grenzgebiete zwischen Böhmen/Mähren und Ostarrîchi zu stellen. Die Grenzbildung, das Bewusstsein, zu welcher Seite man gehörte, hing nach herrschender Lehre vom Verhalten und daher vom Spielraum der Grundherren, d. h. der Adeligen ab. Max Weltin dachte sich die Entstehung der mährisch-österreichischen Thayagrenze folgendermaßen  : »Dagegen dürfte sich die Thayagrenze ganz von selbst und allein dadurch ergeben haben, dass die zunächst reibungslos verlaufende Besitzergrei­fung des Weinviertels durch den Adel der babenbergischen Mark um die Jahrhundertmitte auf die gegenläufigen böhmisch-mährischen Herrschaftsbildungen gestoßen zu sein scheint.«35 Diese theoretisch einleuchtende Einschätzung der Grenzentwicklung erweist sich bei genauerer Betrachtung als weniger klar. Bevor wir die Einzelheiten der Grenzentwicklung des 11. Jahrhunderts näher betrachten, ist festzustellen, dass die Berührung entgegengerichteter Rodungs- und Siedlungstätigkeit im böhmisch-österreichi­schen Grenzgebiet erst im ausgehenden 12. Jahrhundert in der Gegend von Gmünd/Weitra nachweisbar ist.36 Dabei ist aber zu betonen, dass dieser Grenzraum durch den Nordwald geprägt war, der eine ganz spezifische Grenzsituation schuf. Die an den wenigen Königsschenkungen in Umrissen erkennbare grundherrschaftliche Organisation einiger Siedlungen und Flecken im Weinviertel erreichte erst nach den Vorstößen gegen die werdende Markgrafschaft Mähren (1041/42) und den siegreichen Interventionen Heinrichs III. zugunsten König Peters von Ungarn (1042–1044) einen bedeutenderen Umfang.37 Nach diesen grundlegenden Entscheidungen herrschte in beiden Grenzräumen Ruhe. Mähren gegenüber soll nach dem Bericht des Cosmas von Prag in den Jahren vor der Schlacht bei Mailberg 1082 sogar Freundschaft zwischen den Leuten nördlich und südlich der Thaya geherrscht haben.38 In bestimmten Landstrichen scheint es tatsächlich Nachbarn gegeben zu haben, die adelige Grundherren waren. Allerdings war die Ordnung der Herrschaftsverhältnisse auf der böhmischen Seite und die Rolle der böhmischen und mährischen »Burgen« (civitates) umstritten. Ihre wirtschaftlichen und ordnenden Funktionen sind ziemlich unklar. Öfter finden wir allerdings Hinweise auf den direkten Zugriff des böhmischen Fürsten gegenüber den »befestigten Siedlungen«.39 Historische Wirklichkeit und Forschungsproblematik sind in diesem Punkt eng verbunden jedoch dringend auseinanderzuhalten. Damit wird es nicht möglich, »die gegenläufigen böhmisch-mährischen Herrschaftsbildungen« generell nachzuweisen, weil wir böhmische Grundherrschaften erst im späten 12.  Jahrhundert quellenmäßig erfassen können. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass die 35 Weltin, Probleme, 472. 36 Unten 299. 37 Kupfer, Weinviertel, 17 ff. 38 Cosmas, Chronik lib. II cap. 35, 131. Näheres dazu unten 225. 39 Zur Terminologie vgl. oben 114 und zur Herrschaft des böhmischen Fürsten über eine urbs unten die Geschichte von Bilin unten 120 f.

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Hinweise, die Cosmas im Zusammenhang mit den Verhältnissen an der Thaya vor der Schlacht bei Mailberg 1082 gibt, auf schon damals bestehende Grundherrschaften an beiden Flussufern deuten könnten. Die Schilderung des Cosmas zeigt ja, dass hier eine den Nachbarn abschreckende Grenzgestaltung nicht möglich war. Im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um das Weinviertel stellte Weltin allerdings auch fest, dass der mährische Adel dabei so gut wie keine Initiative zeigte und seinen bayerischdeutschen Standesgenossen und deren Gefolgsleuten diesen Raum kampflos überlassen hat.40 Hingegen muss man eventuell mit der zum alten Markenkonzept gehörigen Aggressivität des Adels in der Mark rechnen. Ich stütze mich dabei auf einen Hinweis in einer »überarbeiteten« Urkunde Heinrichs III. vom 10. Juli 1056, nach der das Bistum Passau den Flecken (Klein)baumgarten erhielt.41 Zu dieser Siedlung gehörten nützliche Einrichtungen gegen die Böhmen, die man auch für Eroberungen verwenden konnte. Wenn wir diesen Zusatz auch nur grob datieren können (etwa 1063  ?), enthält er einen bemerkenswerten Hinweis auf eine wenig friedliche Stimmung in der Mark gegenüber Böhmen.42 Wir werden auf diese mit den Kämpfen gegen die Ungarn zusammenhängenden Ereignisse, die unterschiedliche Strategien des Kaisers und von Teilen des bayerischen Adels erkennen lassen, noch einmal zurückkommen. Die Unruhen im Grenzgebiet zu Mähren hatten nicht nur kleinräumige, lokale Ursachen. Immerhin versuchte der spätere böhmische Fürst Břetislav seit er zum »Organisator« im einst polnischen Mähren eingesetzt worden war, das Gebiet im traditionellen, »altmährischen« Sinn zu erweitern.43 Das Konfliktpotential war hoch, denn auch Stephan der Heilige sah in Mähren Möglichkeiten von Gebietserweiterungen zugunsten Ungarns.44 Die Beteiligung Břetislavs am Feldzug Heinrichs  III. im Jahre 1042 gibt einen weiteren Hinweis  : Auf seinen Rat drang das Heer des Königs in das Gebiet des ungarischen Herzogs nördlich der Donau vor.45 Die auf Herrschaftserweiterung im altmährischen Gebiet gerichtete Politik behielt Břetislav  I. als Herzog von Böhmen nach dem Tod seines Vaters Udalrich (1034) bei. Im Herbst 1040 sagte Heinrich  III. dem böhmischen regnum den Krieg an  ; der fol40 Weltin, Probleme, 471  ; die von Karl Lechner und Hans Hirsch vertretene Ansicht, dass es zwischen Deutschen und Slawen zu entscheidenden Kämpfen gekommen sei, ist nach Weltins Ansicht »nicht zu sehen.« 41 NÖUB 1, 364, Nr. 28b  ; zur umstrittenen Lokalisierung Baumgartens, 370 f. Kommentar von Weltin. 42 So würde ich diese Bemerkung verstehen und die Feststellungen von Kupfer, Weinviertel, 22 und 331 f., zuspitzen, wenn er davon spricht, im nördlichen Weinviertel ein Aufeinandertreffen der böhmisch-mährischen Herrschaftsbildungen zu erkennen. Der locus Baumgarten wurde übergeben cum omni utilitate, quae contra Boemes quoquo modo haberi et conquiri potest. 43 Zur Einsetzung Břetislaws oben 113  ; Měřinský, Mähren und seine přemyslidischen Teilfürsten, 139 f. 44 Ein Hinweis bei Krzemienska, Wann erfolgte der Anschluß Mährens, 242. 45 Annales Altahenses maiores, 31  : Pertransierunt etenim terram ex aquilonali parte Danubii fluminis suasu et consilio Boemici ducis […].

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gende Feldzug verlief für den König erfolglos.46 In Zuge dieser Auseinandersetzung sollen Einheiten des böhmischen Fürsten die schon kurz erwähnte Burg im mährischösterreichischen Grenzgebiet besetzt haben.47 Der Rückgewinn der Burg48 trug nach Auffassung Měřinskýs zur Verfestigung der mährischen Südgrenze nach den Regensburger Friedensverhandlungen im Herbst 1041 bei. Umstritten ist, wo diese Südgrenze zu suchen ist.49 Ein fester Punkt der Lokalisierung des engeren Grenzraums zwischen Bayern und Mähren ergibt sich aus dem Ort Stockerau, wo 1012 das Martyrium des heiligen Koloman stattfand. Die Niederaltaicher Annalen nennen Stockerau und Thietmar von Merseburg spricht von der Grenze zwischen Bayern und Mähren.50 Wo genau die 1041 erwähnte Grenzburg lag, wissen wir nicht. Die seinerzeit diskutierte Hypothese, dass es sich um die Anlage Gars-Thunau gehandelt habe, wurde aufgegeben.51 Älter, aber m. E. richtiger ist die Lokalisierung der Wehranlage (Burg) auf dem Oberleiserberg. Ernst Klebel hat aus der Geschichte der 13 Pfarren, deren Zehent 1135 vom Markgrafen Leopold III. an Bischof Reginmar von Passau gegeben wurde, geschlossen, dass die von Leopold zurückeroberte Burg auf dem Oberleiserberg lag.52 Mitscha-Märheim unterstützte diese Schlussfolgerung durch den archäologischen Befund der Besiedlung des Berges und der dort befindlichen früh- und hochmittelalterlichen Reste von Wehranlagen.53 Ein weiteres Argument für den Oberleiserberg könnte die vom Grafen Rapoto erbaute Kirche in Ernstbrunn sein, die er zwischen 1045 und 1065 an Bischof Eigilbert von Passau schenkte. Die Sicherung der babenbergisch-bayerischen Herrschaft in diesem Raum durch die Eroberung der erwähnten Burg veranlasste möglicherweise den »Diepoldinger« Rapoto zur Gründung einer Kirche in der Nähe des Oberleiserberges.54 Auf dieser nördlichen Linie haben wir in den vierziger Jahren des 11. Jahrhunderts die Grenze Mährens und der Mark zu suchen.

46 Annales Altahenses maiores, 23, zum Jahr 1040  ; Herimanni Augiensis Chronicon, 672 f. Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 1, 89–97. 47 Měřinský, Mähren und seine přemyslidischen Teilfürsten, 142  ; vgl. oben 110. 48 Annales Altahenses maiores, 28, zum Jahr 1041  : Tempore autem praenotatae expeditionis Liutpold, filius Adalperti marchionis Baioariorum, congregata multitudine, quanta potuit, urbem quandam invadit, quae in terminis marcharum Boiemiae ac Boioariae sita patri suo pridem vi fuerat ablata […]. 49 So ist Heide Dienst einmal der Auffassung gewesen, dass 1041 beim Friedenschluss mit Břetislav dieser die Tayagrenze anerkannte, was den Altaicher Annalen nicht zu entnehmen ist. Dienst, Werden und Entwicklung, 81, zitiert nach Weltin, Probleme, 471, Anm. 247. 50 Annales Altahenses maiores, 17, zum Jahre 1012. Der Ort Stockerau wird also nicht nur in jüngeren Melker Berichten genannt. Weltin, Probleme, 470. 51 Friesinger, Das südöstliche Waldviertel. 52 Klebel, Zur Rechts- und Verfassungsgeschichte, 49  ; BUB IV/1 Nr. 674. 53 Mitscha-Märheim, Oberleis, 36. 54 FRA II/69 558 f. Nr. 426. Skeptisch gegenüber allen Lösungsvorschlägen Kupfer, Weinviertel, 20 und 29  ; ebenso Scheibelreiter, Die Babenberger, 107.

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Für das Verhältnis des Markgrafen Adalbert zum Verband der bayerischen Kämpfer ist zu bemerken, dass nach dem Bericht des Annalista Saxo zum Jahre 1040 Markgraf Otto von Schweinfurt die Bayern zum Angriff gegen die Böhmen führte.55 Es scheint von einiger Bedeutung zu sein, dass in jener Zeit, als die »Heldentaten« der Babenberger in der bayerischen Mark vermerkt wurden, sie nicht mehr das bayerische Heer befehligten, so wie das 1015 für den Markgrafen Heinrich wahrscheinlich zu machen ist. Auch diese Beobachtung lässt die beginnende Entfremdung des Markgrafen Adalbert von bayerischen Angelegenheiten erkennen bzw. vermuten. Nach der Auseinandersetzung zwischen den Böhmen und Heinrich III. im Jahre 1041 ging es in Regensburg um die Unterwerfung Břetislavs unter den König. Břetislav leistete einen Treueid als Vasall Heinrichs  III., der auch von einer amicitia begleitet war, König und Fürst hatten dieselben Freunde und Feinde.56 Die Herrschaft in Mähren, das auf diese Weise in den vierziger bis fünfziger Jahren nun als Teil des böhmischen regnum verstanden wurde, trug der přemyslidische Adel.57 Měřinský hingegen rechnet auch Vertreter der alten mährischen führenden Familien zur herrschenden Schicht.58 Aus den geschilderten Verhältnissen geht der Markencharakter Mährens hervor. Das Olmützer Gebiet sollte die Verteidigung und wohl auch Angriffe gegen Polen und Ungarn möglich machen, das Brünn-Znaimer Gebiet diente in diesem Sinne gegen die bayerische Ostmark. Nach Měřinskýs Urteil war Mähren ein »erheblich exponiertes, an das böhmische Přemyslidenreich als Grenzmark angeschlossenes« Gebiet.59 In diesem Punkt ist die Einschätzung Wihodas etwas zu differenzieren  : trotz des dominierenden Einflusses der Přemysliden knüpfte Břetislav an altmährische Traditionen an. Aus den Versuchen von Weltin und Csendes, die Verhältnisse im Weinviertel in der ersten Hälfte des 11.  Jahrhunderts zu enträtseln, kann mit systematischer Einbeziehung der böhmisch-mährischen, aber auch der ungarischen Expansionspläne nun ein konkreteres Bild gezeichnet werden, das sich aus der Beteiligung Břetislav I. am Ungarnzug Heinrichs III. im Jahre 1042 ergibt.60 Zum mährischen Kriegsvolk im Dienste Břetislavs ist zu ergänzen, dass in den Kämpfen des Jahres 1040 Pricos, der Graf, der uns bereits bekannten Burg Bilina, von Her55 Steindorff, Jahrbücher Heinrichs III. 1, 94 ff. Annalista Saxo, 382, Zeile 18  ; Herimanni Augiensis Chronicon, 673, ohne Nennung Ottos. 56 Steindorff, Jahrbücher Heinrichs  III. 1, 112, Anm.  4  : iusiurandum regi fecit, ut tam fidelis illi maneret, quam miles seniori esse deberet, omnibus amicis eius fore se amicum, inimicis inimicum […]. 57 So zuletzt Wihoda, Die mährischen Eliten, 16 f., mit der vorsichtigen Einschätzung, dass 1019 nicht nur die Polen, sondern auch die Mährer von den Böhmen aus Mähren vertrieben worden seien, und damit sei alles erloschen, was noch in irgendeiner Form mit dem geistigen Erbe des Großmährischen Reiches zusammenhing. 58 Měřinský, Mähren und seine přemyslidischen Teilfürsten, 142 f. 59 Měřinský, Mähren und seine přeyslidischen Teilfürsten, 143. 60 Weltin, Probleme, 471, mit Verweis auf Csendes in Anm. 244.

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zog Břetislav zum Anführer der »mährischen Haufen und über die drei aus Ungarn gesandten Hilfslegionen« gesetzt wurde.61 Bilina war eine Grenzburg gegen Sachsen und in diesem Zusammenhang ereilte Pricos sein Schicksal. Markgraf Ekkehard II. (1038–1046) von der sächsischen Ostmark und Meißen62 hatte Pricos anlässlich des Angriffs auf Böhmen im Jahre 1040 offenbar erfolgreich mit Geld bestochen, sodass der böhmische Burggraf die Burg nicht verteidigte. Schwer verstümmelt und geblendet wurde er schließlich ertränkt. Zur Geschichte der Burg und ihres Grafen ist zu vermerken, dass sie in der Verfügung des böhmischen Fürsten zu militärischen Zwecken stand, und dieser Versuche eigener Konfliktlösung durch den Burggrafen martialisch bestrafte. Auch Graf Mistis und sein Nachfolger Koyata konnten sich vor Misshandlungen durch Vladislav II. nur durch die Flucht entziehen.63 Sicher ist jedenfalls, dass die böhmischen Burgen des 11. Jahrhunderts keine »Adelsburgen« im umfassenden Sinn waren, sondern der straffen Herrschaft des Fürsten unterstanden. Damit ist über die wirtschaftliche, respektive vogtrechtliche Bedeutung der Burgherrschaft nicht alles Wesentliche ausgesagt. Wir haben ja gesehen, dass Bilina 20 Jahre später in die Auseinandersetzung neuer sozia­ ler und herrschaftspolitischer Entwicklungen geriet.

61 Cosmae Chronica Lib. II cap. 11, 98 f. Ich folge der Übersetzung von Georg Grandauer Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit 65, 100. 62 NDB 4 431 Artikel Ekkehard II. von Walter Schlesinger. 63 Reitinger, Vratislav, 30.

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Die Kriege Heinrichs III. gegen Ungarn und die Rückkehr Peters Abas Überfall von 1042, der von jenem geheimnisvollen, zumindest namenlosen Herzog im Norden der Donau begleitet wurde, blieb keine regionale Angelegenheit der Mark, sondern führte zu einem Feldzug des Königs und der ostfränkischen Großen nach Ungarn. Schon zu Ostern 1042 legte König Heinrich den Fürsten aus dem gesamten Reich die Frage vor, wie man den Unternehmungen der Ungarn begegnen könnte. Diese waren einer Meinung  : Man müsse die Ungarn mit Krieg überziehen und die Gnade Gottes versuchen, der keinem ein gerechtes Urteil verweigert gegen die, die grundlos Verwüstungen im regnum Teutonicum angerichtet hatten.1 Die Fürsten des Reiches waren über den gewaltsamen Einfall Abas und die damit verbundenen Verwüstungen empört. Doch es ging nicht nur darum  ; denn auch in Niederaltaich wusste man, dass Heinrich  III. Peter Orseolo wieder als König einsetzen wollte. Peter befand sich auch im »riesigen« (ingens) Heer Heinrichs III. Es beteiligten sich aber auch Fürsten an dem Heereszug, die wahrscheinlich andere Absichten als der König hatten. Břetislav, der erfolgreiche Erneuerer der böhmischen Macht, riet Heinrich, am Nordufer der Donau voranzugehen. Dieser Ratschlag entsprach auch seinem Ziel, den mährischen Einfluss möglichst weit nach Osten auszudehnen.2 Die Einsetzung Peter Orseolos als ungarischer König passte nicht in Břetislavs Pläne  ; unter seinen ritterlichen Kriegern befand sich nämlich ein Árpáde, den Bálint Hóman mit dem späteren König Béla I. (1060–1063) identifizierte.3 Ján Steinhübel meint dagegen, dass der namentlich nicht genannte Árpáde Domoslav, ein Sohn Ladislaus des Kahlen war, bis 1029 selbst Fürst von Nitra.4 Jedenfalls hatten König Heinrich und der Böhme unterschiedliche Vorstellungen von der Neuordnung der Verhältnisse in Ungarn. Über die spezielle Rolle Adalberts und seines Sohnes sind wir im Einzelnen nicht informiert, dürfen aber annehmen, dass sie ihren Part übernommen haben. Die Frage der Teilnahme am Gesamtfeldzug sollte nicht mit Weltins Erwägungen über schwache Kräfte der Babenberger vermischt werden.5 Die Auslösung des Konflikts im Jahre 1042 mit seiner über mehrere Jahre reichenden Dauer hatte tiefere und komplexere Ursachen als einfache Grenzstreitigkeiten. 1 Annales Altahenses maiores, 31  ; Varga, Ungarn und das Reich, 106, mit Anm. 28. 2 Annales Altahenses maiores, 31, der Übergang an das Nordufer der Donau erfolgte consilio Boemici ducis  ; Měřinský, Mähren und seine přemyslidischen Teilfürsten, 143, beurteilt Břetislavs Politik in dieser Weise. 3 Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 281  : »wahrscheinlich Béla«. So vermutet auch Varga, Ungarn und das Reich, 106. 4 Steinbühel, The Duchy of Nitra, 15–29. Der Text im Internet ohne Seitenangabe. Zu den entscheidenden Behauptungen (Domoslav) fehlt der Quellennachweis. 5 Weltin, Ascherichsbrvgge, 345, mit Bezug auf den geschilderten Beutezug König Abas.

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Zu entscheidenden Aktionen im ungarischen Thronstreit reichten die militärischen Kräfte der Babenberger wohl nicht aus. Mit Blick auf dieses Problem ist Weltin und seiner Skepsis gegenüber der babenbergischen Macht Recht zu geben. Wochenlange taktische Märsche und Scharmützel im ungarischen Grenzraum überstiegen sicher die Beharrlichkeit der markgräflichen Gefolgschaft, die sich nach den dominierenden Vorstellungen der Historiker erst damals hinter Adalbert zu sammeln begann.6 Einen Raubzug »alten Stils«, wie ihn Aba im vergangenen Winter durchgeführt hatte, konnte der Markgraf, wie wir gesehen haben, durchaus zum Stehen bringen. Für die Herbstunternehmung 1042 entscheidend ist aber, dass Heinrich III. neben der Durchsetzung der »gerechten von Gott unterstützten Sache« auch danach trachtete, Peter auf den Thron zurückzuführen. Dieser und die anschließenden Feldzüge bis 1044 waren eine Antwort auf Grenzstreitigkeiten u n d Einmischung in die ungarische Königsherrschaft. Das Heer, mit dem der König Ende August nach Ungarn aufbrach, soll recht zahlreich gewesen sein. Hier befand sich, wie erwähnt, auch Fürst Břetislav mit seinen Böhmen. Die Anwesenheit eines árpádischen Prinzen im Gefolge des Bretislav wirft m. E. ein Schlaglicht auf die Bedeutung des mährischen Grenzgebietes und daher auch des heutigen Weinviertels. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Břetislav schon in der Zeit, da er von seinem Vater als »Verwalter« Mährens eingesetzt worden war, altmährische Ideen aufgreifen und das als Mark organisierte Land bis zur Waag nach Osten ausdehnen wollte.7 Mit diesen Absichten kollidierte er mit den ungarischen Bemühungen, die Herrschaft Ungarns im Norden der Donau zu stabilisieren. Es ging also um die Herrschaftsordnung jenes umstrittenen Gebietes, zu dem auch das Weinviertel gehörte. Im Rahmen dieser Konflikte vollzog sich die Ausdehnung der Mark nach Nordosten auf Kosten mährischer und ungarischer Ansprüche. Hermann von Reichenau berichtet über den Kriegszug, dass Heinrich  III. die Festungen Hainburg und Pressburg zerstörte.8 Anderes wusste man in Niederaltaich  : Unter den neun vom König eroberten strategisch wichtigen Einrichtungen befanden sich zwei der bayerischen Mark nächstgelegene Burgen, die vor der Ankunft des Heeres von den Bewohnern in Brand gesteckt wurden.9 Der Annalist spricht nur von urbani und 6 Vgl. etwa die grundlegenden Bemerkungen zur Bedeutung der Ungarnfeldzüge Heinrichs  III., in deren Zuge die späteren Vohburger, die Grafen von Kling oder einzelne Zweige der »Vornbacher« in die Mark kamen, von Weltin, Ascherichsbrvgge, 350 ff., und Kupfer, Weinviertel, 66 ff., 166 ff. und 200 ff. 7 Měřinský, Mähren und seine přemyslidischen Teifürsten, 139. 8 Herimanni Augiensis, Chronicon, 674  ; Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 1, 160. Dieser Bericht über die Zerstörung der Heimenburg im Jahr 1042 gilt als älteste zweifelsfreie Nennung der Anlage, die damals noch in Altenburg zu suchen ist. Zu diesen Fragen vor allem Scholz, Probleme z. B., 15 f. Ausführlich dazu unten 124 anlässlich des Wiedererrichtung 1051. 9 Annales Altahenses maiores, 32. Darunter versteht man unter Einbeziehung von Hermanns Bericht die Heimenburg und die Brezesburg. Auf die Diskrepanz beider Berichte machte aufmerksam Dienst, Schriftliche Quellen über »Hainburg«, 341.

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nicht von Ungarn. Die Heimenburg lag seit dem Friedensschluss von 1031, der mit Gebietsabtretungen an Ungarn verbunden war, auf ungarischem Gebiet. Es ist durchaus möglich, dass die Leute, die im Raum der Heimenburg lebten, Bayern waren, die sich schon vor 1031 angesiedelt hatten. Die Anlage der Wallburg »Am Stein«, dem Standort der Pfarrkirche von Deutsch-Altenburg, in der Zeit um 1020 ist umstritten. Die Datierungsfrage verbindet sich mit einem zentralen Grenzproblem  : wäre es denkbar, dass erst Stephan der Heilige und da vor allem einer seiner bayerischen Gefolgsleute aus dem Kreis seiner Gattin Gisela die Heimenburg bald nach 1031 erbaut hätte  ? Zur Burg gehörte eine materiell ergiebige Grundherrschaft, wie wir aus einer der beiden Urkunden Heinrichs III. erfahren, die er am 25. Oktober 1051 zugunsten des Marienstiftes zu Heimenburg ausstellte.10 Die Burg zog damals Nutzen aus verschiedenen Einkünften, die zu einem Drittel dem neugegründeten Stift gehören sollten. Seit wann der Burg diese materiellen Gewinne, vielleicht auch Abgaben, zuflossen, wissen wir nicht. Teile kamen wohl aus einer Grundherrschaft, deren Beschreibung in der Pertinenzformel allerdings keine individuellen Besonderheiten enthält. Ob die abgabentechnische Verbindung von Burg und Stift darauf schließen lässt, dass sich auch die 1050 errichtete neue Burg noch in Deutsch-Altenburg »Am Stein« befand, ist nicht mit Sicherheit zu beantworten.11 Die Marienstiftung erhielt den Zehent von den Gütern in dem den Ungarn abgewonnenen Land, was mit der Festigung der Herrschaft des Reiches begründet wurde  ;12 dies ist bereits ein erster Hinweis auf die Absichten Heinrichs III., das Grenzgebiet gegen Ungarn effizienter zu organisieren. Was bezweckte Heinrich mit dem Niederreißen der ungarischen Festungen  ? Und im Falle, dass die Burgbewohner die Heimenburg niederbrannten, stellt sich die auf dasselbe Problem hinauslaufende Frage, welchen Gefahren die wohl in ungarischen Diensten stehenden castellani von Hainburg und Pressburg durch die Zerstörung vorbeugen wollten  ? Wir begegnen damit den in den Quellen eher zufällig erwähnten Grundlagen der Kriegsführung der Zeit, über welche die zeitgenössischen Gewährsleute keine programmatischen Abhandlungen schreiben wollten. Stefan Scholz hat sich in einer recht polemischen Studie über Hainburg diesen Fragen mit unausgesetztem Blick auf die spärlichen Nachrichten in den Quellen angenähert und dabei auch die Frage nach dem strategischen Sinn und Zweck einer Burg wieder einmal gestellt.13 Voraussetzen möchte ich, dass eine vermeintliche oder tatsächliche »Kette« von Festungen einen Feind nicht aufhalten konnte, da dieser sich wohl von den strategischen Bauwerken fernhielt. Etwaige Burgbesatzungen konnten zwar herbeieilen, um den Geg10 NÖUB 1, 269 f., Nr. 21j = MGH D Heinrich III. 378 Nr. 277. 11 Zu diesem wenig befriedigenden Schluss kommt Scholz, Probleme, 28. 12 NÖUB 1, 270, mit der bekannten Formulierung decimum mansum rectamque fructuum decimationem totius regionis in finibus Ungarorum gladio ab hostibus adquisitae […].… 13 Zur Forschungsgeschichte der Festungen im Grenzraums gegen Ungarn Scholz, Probleme, 52 ff.

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ner zu stellen, doch weisen unsere Quellen darauf hin, dass den Ungarn die Umgehung der Festungen meist gelang. Dabei gingen sie auch mit List und heimlich vor.14 Die Belagerung einer Burg war vor allem dann sinnvoll, wenn dort eine Besatzung lag, die den Frieden und die landwirtschaftliche Prosperität der Umgebung gefährdete. Krieger in einer Burg konnten aber an der Donau den Schiffen gefährlich werden, die entweder ritterliche Kämpfer transportierten oder, was häufiger der Fall war, Nahrungsmittel für die am Flussufer dahinziehenden kriegerischen Scharen mitführten. Gerade die Ungarn­züge Heinrichs III. waren durch unangenehme Erfahrungen mit der Versorgung ge­prägt.15 Der Schutz für die mit Nahrungsmitteln beladenen Schiffe mag ein wichtiger Grund für die Zerstörung der beiden Burgen gewesen sein. Sie waren für ein am Land dahinziehendes Heer kaum störend. Wenn man den richtigen Punkt wählte, kam man auch unbehelligt zwischen Hainburg und Pressburg über die Donau. Um die Burgen zu zerstören, stieß man zuerst im Süden auf die Heimenburg und musste danach an einer der Furten die Donau überqueren. Die Brezesburg (Pressburg) lag am Nordufer und war nur vom Ufer aus zu erreichen. Umgekehrt hatten auch die Ungarn zu befürchten, dass sich nach einer Eroberung von einigermaßen intakten Burgen für die Sieger die Möglichkeit ergab, Leute in der Burg zusammenzuziehen, die Unruhe in der Umgebung stiften konnten. Vergleichsweise zu erwähnen wäre die Bedeutung der Burg Raabs in der Auseinandersetzung zwischen dem Fürsten Břetislav II. und seinen mährischen Verwandten im Jahre 1100.16 Dass die unter ungarischem Befehl stehenden Burgleute die Festungen verbrannten, bezog sich wohl auf die Gefährdung der Schiffe, die auch die Ungarn benutzten  : Denn der zweite Angriff der Ungarn im Jahre 1050 auf die im Bau befindliche Heimenburg erfolgte durch ein angeblich riesiges Heer, das sich wenigstens zum Teil per Schiff annäherte  ; anders wäre es wohl nicht zu erklären, dass die Ungarn ihre Toten mit sechs Schiffen vom Ort der Tragödie wegführten.17 Scholz schloss aus der Lage der Heimenburg an der Donau auf ihre weitreichende Offensivfunktion, weil der Strom seit der Karolingerzeit die ideale Nachschub- und Auf­marschroute für militärische Unternehmungen im Osten war. Die Berichte über die Feldzüge Heinrichs III. gegen Ungarn zeigen, dass diese Voraussetzungen auch noch im 11. Jahrhundert zutrafen.18 Scholz legt dabei großen Wert auf den Gedanken, dass die Heimenburg als Operationsbasis für militärische Unternehmungen gegen die Brezes14 Scholz, Probleme, 59, listet die einzelnen Quellenberichte auf und stellt die resümierende Frage, warum es den Kriegerscharen der Árpádenkönige gelungen sei, mindestens dreizehnmal völlig ungehindert die vermeintliche »Grenz- oder Wehrlinie« im Osten Österreichs zu durchbrechen. 15 Die Bedeutung der Schiffe auch schon 907 nach dem Bericht des Aventin, der allerdings mit Vorsicht zu behandeln ist. Der Transport des Nachschubs fand beim Avarenfeldzug Karls des Großen 791 auf der Donau statt. Wolfram, Grenzen und Räume, 235. 16 Hopf, Die Herren von Nürnberg-Raabs, 34 ff., und unten 236 f. 17 Annales Altahenses maiores, 46. 18 Scholz, Probleme, 68, mit Anm. 341 zur älteren Literatur.

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burg fungiert habe. Belagerungsgerät und Nahrungsmittel konnten dort bereitgehalten werden. Auch als Versammlungsort zu Beginn eines Unternehmens mag die Heimenburg eine Rolle gespielt haben.19 An diesem wichtigen Beispiel zeigt sich, dass auch der Bau einer Burg nicht nur als eine defensive Maßnahme betrachtet werden darf. Die Festung hatte ihre Offensivfunktionen, was durchaus den Zielen des im Grenzraum herrschenden Adels entsprach, der ja seine Macht erweitern und erst in zweiter Linie bewahren wollte. So hat Gerald Gänser für seine Darstellung der Eppensteiner Herrschaft in der karantanischen Mark den überlegten und zutreffenden Titel gewählt  : »Die Mark als Weg zur Macht.« Ein Gedanke dem Adelheid Krah in ihrer Besitzanalyse der Eppensteinischen Güter folgte.20 Wenn auch viele Details in der Kriegsführung dieser Zeit unaufgeklärt bleiben, müssen solche »strategischen« Nachrichten immer auf ihren Sinn und Zweck geprüft werden. Besonders dann, wenn sich die Quellen widersprechen, der Widerspruch aber am Hintergrund der Geschichte gar nichts ändert. Gemeint ist die nicht übereinstimmende Berichterstattung Hermanns von Reichenau und jene aus Niederaltaich. Trotzdem hat die Niederaltaicher Darstellung größere Wahrscheinlichkeit für sich  ; an den modernen Topos von der verbrannten Erde glaube ich nicht. Um unsere Erwägungen über Sinn und Funktion von Burgen im Kriegsfall zu ergänzen, möchte ich eine Bemerkung aus den Niederaltaicher Annalen aufgreifen. Anlässlich des bevorstehenden Angriffs Heinrichs  IV. gegen Béla im Jahre 1063 ließ der ungarische König nicht nur die üblichen Verhaue quer über die Straßen ziehen, sondern er bereitete sich auch zum Kampfe vor, indem er Burgen befestigen ließ (urbesque muniens ad bellandum se praeparabat)21. Der springende Punkt ist, was wir unter der Befestigung von Burgen zu verstehen haben  ? Es scheint sinnvoll, dass der König dort eine Besatzung hielt, die bei Bedarf von dieser geschützten Festung aus in die Kämpfe eingreifen konnte, bzw. dort Waffen und Nahrungsmittel einlagern ließ. Überlegt man sich die vielfältigen Strategien, die mit Hilfe einer Burg verwirklicht werden konnten, wirkt das zweiteilige Schema Offensiv- und Defensivaufgabe zu grob und letztlich zu phantasielos, um die Kriegswirklichkeit des 11. Jahrhunderts zu erfassen. Dass wir uns mit dieser Auffassung nicht bloß im Bereich von gewagten Schlussfolgerungen bewegen, beweist uns die berühmte Stelle in Brunos Sachsenkrieg über den Burgenbau Heinrichs IV. in Sachsen. Neben der Harzburg gab es mehrere andere Burgen, bei deren Errichtung der König weniger auf Schönheit und Pracht, als auf Festigkeit (fortia) sah. Nun folgt ein bezeichnender Ausruf des Autors  : »Heilig, ja wahrhaft heilig wäre er, wenn er diese Befestigungen gegen die Heiden errichtet hätte, denn schon längst wären sie dann alle Christen oder christlichen Fürsten auf ewige Zeiten zinspflichtig.« 19 Scholz, Probleme, 70 f. 20 Krah, Migration nach Südosten, 42 f. 21 Annales Altahenses maiores, 63.

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Heidnische Slawen, die als Nachbarn sächsische Burgen belagerten, konnten wohl durch eine gelungene Verteidigung nicht veranlasst werden, sich taufen zu lassen oder Tribute zu zahlen. Noch klarer wird die Sache, wenn Bruno erklärt, was die sächsischen Landsleute über den Burgenbau dachten  : Sie unterstützten die Bauarbeiten sogar mit Geld und Dienstleistungen, weil sie es gleichsam für ein Zeichen ansahen, dass er (der König) einmal gegen fremde Völker kriegerisch vorgehen werde. In den Grenzgebieten dachte man bei der Beurteilung eines Burgenbaus zunächst an offensive Strategien gegen das feindliche, nicht zum eigenen Grundkonsens gehörige Kollektiv. Die unerwartete Verwendung einer Burg zur Etablierung eigener (Zwangs)herrschaft zeigt in der detaillierten Schilderung Brunos große Ähnlichkeiten, mit den erwähnten Überfällen, welche die Besatzung der Burg Raabs verübte.22 Zurück zum Feldzug des Jahres 1042. Die weitere Bewegung des Heeres im Norden der Donau erfolgte nach der Zerstörung von Pressburg. Der Angriff am Nordufer der Donau vermied die Verhaue und Sümpfe im Süden der Donau zwischen Fischa und Raab, die in der Vergangenheit Angriffe schwierig gemacht hatten. Zugleich stieß das Heer in jener Richtung vor, wo sich Břetislav eine Erweiterung seiner Herrschaft vorstellte.23 Das Heer gelangte auf diese Weise bis zum Fluss Gran und ein Teil der Ritter richtete zweimal unter den Ungarn ein Blutbad an24 und eroberte dabei angeblich sieben weitere civitates. Die Einwohner dieser Siedlungen waren bereit, sich Heinrich zu unterwerfen, lehnten aber die Einsetzung Peters als König ab.25 Břetislav bat darum, dem in seinem Gefolge befindlichen Neffen Stephans des Heiligen die Herrschaft zu übergeben. Der König verzichtete auf sein ursprüngliches Vorhaben und setzte den Árpáden als Herzog ein.26 Hóman hält für wahrscheinlich, dass dieser Árpáde der spätere König Béla I. war.27 Nach dem Abzug Heinrichs III. vertrieb ihn allerdings König Aba nach Böhmen.28 Die Rolle Břetislavs in diesem Feldzug unterstreicht die Beobachtung, dass Heinrich III. meist mit Unterstützung der böhmischen Fürsten gegen Ungarn vorging.29 Dass Břetislav einen árpádischen Prinzen förderte, der von ihm in einer gewissen Abhängig22 Brunonis Saxonicum Bellum, 212. Zu Raabs unten 236 f. 23 Annales Altahenses maiores, 31. 24 Herimanni Augiensis Chronicon, 674  : usque ad Grana flumen vastavit seu in deditionem accepit  ; et pars exercitus bis numero Ungariis incursantibus congrediens, strages magnas effecit. 25 Annales Altahenses maiores, 31 f. 26 Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 1, 161  ; Herimanni Augiensis, Chronicon, 674. Zur Verwandtschaft Annales Altahenses maiores, 32  : (civitates), quas rogatu Bratezlavi et consensu incolarum fratueli Stephani regis, qui cum eodem duce (Břetislav) advenerat, dedit. 27 Hóman, Geschichte, 281. 28 Herimanni Augiensis Chronicon, 674  : quem [ihn, der bei den Böhmen in Verbannung lebte] tamen Ovo statim post discessum regis resistere non valentem in Boemiam repulit. 29 Žemlička, Dux »Boemorum« et rex Boemie, 109.

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keit stand, war ein kluger Schachzug, um eine bis zur Waag reichende Einflusssphäre Böhmens zu schaffen. Markgraf Adalbert war an dem Feldzug wohl beteiligt, da er abgesehen von seinen Aufgaben im Grenzraum zu Ungarn ja auch der Schwager des vertriebenen Königs Peter war, den er 1041 als Flüchtling aufgenommen hatte. Allerdings wird er nur seine engere Gefolgschaft aus der Mark dem König zugeführt haben. Der Eingriff des Königs in die ungarischen Verhältnisse setzte König Aba gehörig unter Druck – es machte eben einen Unterschied, ob der Gegner ein benachbarter Markgraf bzw. ein Herzog war (der böhmische Herrscher) oder der in ostfränkischen Traditionen stehende König. Trotzdem konnte der Erfolg zunächst nicht genutzt werden und Aba stellte den Ausgangspunkt der Lage nach dem Abzug Heinrichs III. wieder her. Als sicher konnte er seine Position aber angesichts der weiter bestehenden Bedrohung nicht einschätzen. So erschienen zu Pfingsten 1043 ungarische Gesandte in Paderborn, um durch weitreichende Angebote und Zugeständnisse einen neuerlichen Feldzug des Königs nach Ungarn zu verhindern. Aba versprach die Freilassung von Gefangenen, Zahlung eines »Wergeldes«, offenbar für die Toten, und eine große Summe, die in Gold übergeben werden sollte. Es ist möglich, dass diese Zahlungen auch eine Entschädigung für Gefangene umfassten, die bereits als Sklaven verkauft worden waren.30 Heinrich III. wich einer Entscheidung aus, vertagte sie auf seine Ankunft in Regensburg und machte weitere Vereinbarungen von Einschätzungen seiner satrapae abhängig, welche Schäden die Ungarn im Vorjahr angerichtet hätten.31 Die von Heinrich mit dem Schutz der Grenzräume beauftragten Leute waren wohl der Markgraf, dessen Sohn und eventuell andere bayerische Große vom Schlage der Tiemonen/Meginharde (Vornbacher) oder der Diepoldinger.32 Die ungarischen Gesandten machten bei neuerlichen Verhandlungen in Regensburg weitere Zusagen  ; König Heinrich betrachtete aber das Verlangen Abas nach einer eidlichen Verpflichtung auf die vereinbarten Friedensbedingungen als Beleidigung und nahm dies zum Anlass, um im Juli den Feldzug zu beginnen, für den er seit den Paderborner Verhandlungen wohl nur einen Vorwand gesucht hatte. Die Donau führte wegen starker Regenfälle Hochwasser und das Heer wurde bis in den Grenzbereich mit Schiffen auf der Donau transportiert.33 Nach den bisherigen schlechten Erfahrungen mit den Angriffen am Südufer der Donau wundert man sich 30 Zur Frage der Sklaven recht problematisch Györffy, Wirtschaft und Gesellschaft, 160 ff., besonders zu erkennen an der »gepressten« Interpretation des Artikels 7 aus dem 1. Gesetz König Stephans, 168. Hier versucht er zu beweisen, dass die servi nicht als Sache betrachtet werden. 31 Annales Altahenses maiores, 32 f.; Scheibelreiter, Die Babenberger, 110, mit einer Bemerkung zu den satrapae. 32 Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 1, 177 mit Anm. 3  ; Annales Altahenses maiores, 32 f. 33 Steindorff, Jahrbücher Heinrich  III. 1, 179  ; Annales Sangallenses maiores, 84, zum Jahr 1043  : Rex praedictus Petrum avito solio restituere cupiens, ingentem classem summis viribus instruit, atque fortunam belli temptaturus, iterum Pannoniam per Danubium intravit.

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über die Entscheidung, es noch einmal auf diesem Weg zu versuchen. Eine Erklärung könnte darin liegen, dass auf dem Nordufer wirkliche Entscheidungen offenbar nicht herbeigeführt werden konnten. Weltin meinte dazu plausibel  : »[…] doch war es in diesem Teil Ungarns [heutige Slowakei] kaum möglich, die feindliche Hauptmacht entscheidungssuchend zu stellen«.34 Im Vorjahr hatte Aba einfach Heinrichs und Břetislavs Kandidaten vertrieben. Immerhin verwendeten die ostfränkischen Kämpfer 1043 machinae gegen die Befestigungswerke der Ungarn, gegen Hindernisse also, mit denen der Fluss Repcze (so der Name der Rabnitz in Ungarn) verbaut worden war, um den Übergang zu verhindern. Es könnte sich um Belagerungsmaschinen oder anderes technisches Kriegsgerät gehandelt haben. Die Ungarn und der König lagen sich in gesicherten Positionen gegenüber, die zunächst Verhandlungen notwendig machten. Die Bitten der Ungarn richteten sich nach dem Zeugnis des Niederaltaicher Autors nicht nur an den König, sondern auch an die Fürsten, unter denen wir auch Adalbert und dessen Sohn Leopold vermuten dürfen.35 Für Heinrichs Zielsetzungen war es wenig erfreulich, dass er Aba weiterhin als König anerkennen musste, allerdings gab es auch Gewinne. Der ungarische König musste jenen Teil seines Reiches herausgeben, den der junge Heinrich 1031 im Rahmen eines Freundschaftsvertrags (causa amiciciae) König Stephan nach dem missglückten Feldzug seines Vaters überlassen hatte. Hermann von Reichenau berichtet, dass Aba das Gebiet bis zur Leitha abtrat. Nördlich der Donau handelte es sich zum Teil um jenes Gebiet, das 1025 als Schenkung an den Grafen Arnold von Wels-Lambach gegangen war,36 im Süden um den Raum zwischen Fischa und Leitha.37 Die Einrichtung der im Jahre 1045 nachgewiesenen Ungarischen Mark, die auch das 1043 gewonnene Gebiet einschloss, wurde vielleicht schon im Jahre 1043 vorbereitet.38 Als Heinrich III. im November 1043 in Ingelheim seine Hochzeit mit Agnes von Poitou feierte, wurde der junge Leopold zum Markgrafen erhoben.39 Die Herausgeber des Babenberger Urkundenbuches ver34 Weltin im Kommentar NÖUB 1, 279. 35 Annales Altahenses maiores, 33  : Es kamen demütige Gesandte der Ungarn […] ….pacem et veniam pro delictis orantes, et quicquid regi et optimatibus placeret, se facturos spondent. 36 MGH D Konrad II. 36 Nr. 33. 37 Annales Altahenses maiores, 33  : […] et partem regni retradere, quae quondam Stephano data fuerat causa amiciciae[…]. Herimanni Augiensis Chronicon, 676  : regnique usque ad Litaha flumen partem accipiens […]. 38 Eine genaue Beschreibung des von den Ungarn zurückgewonnenen Gebietes in einer der Urkunden Heinrichs III. für das Marienstift im Raum der Heimenburg vom 25. Oktober 1051 NÖUB 1, 270, Nr. 21j, wo es heißt, dass es sich um einen Landstrich in finibus Ungarorum gladio ab hostibus adquisitae in pago Osterriche […] handelte. Csendes, Regio, 43  ; Dienst, Schriftliche Quellen über Hainburg, 343 (linke Spalte) Urkunde mit deutscher Übersetzung. Dass es sich dabei um den Raum der kurzfristig bestehenden Ungarischen Mark handelte vgl. Kupfer, Weinviertel, 17  ; Varga, Ungarn und das Reich, 106 f. 39 Herimanni Augiensis Chronicon, 676, zum Jahr 1043. BUB IV/1 Nr.  567, Lechner, Babenberger, 73  ; Brunner, Herzogtümer, 182 und 464 (Anm. 156)

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standen dies als Erhebung zum Markgrafen der neu eingerichteten Ungarischen Mark.40 Seit der Kritik an der Vorstellung von der systematischen Einrichtung von Marken gegen Böhmen und Ungarn meint z. B. Karl Brunner, dass Leopold zum Markgrafen der bestehenden Mark berufen wurde.41 Dass dies neben dem Vater möglich war, beweist die gleichzeitige Erwähnung des Lambachers Gottfried als Markgraf der karantanischen Mark, obwohl sein Vater Arnold noch lebte.42 Weltin, der wie Brunner meint, dass der junge Leopold zum Markgrafen der bestehenden Mark der Babenberger erhoben wurde, erwähnte weitere Beispiele für die Bekleidung der Würde, d. h. des Ranges eines Markgrafen zu Lebzeiten des Vaters. Das älteste dieser Beispiele bezieht sich auf das Jahr 1072 und auf Leopold II., der als Markgraf bezeichnet wurde, als seinVater Ernst noch lebte. Die weiteren Beispiele betreffen Leopold  IV.43 Die Frage ist insofern von Bedeutung, als sich mit der Ausbildung der Erblichkeit der Funktion eines Markgrafen und deren Anerkennung durch den König ein bedeutsamer Schritt in der Entwicklung zu einer eigenen herrschaftlichen Identität vollzog. Für Brunner und Weltin spricht des Letzteren Feststellung, dass es keine oder nur gezwungene Erklärungen dafür gibt, weshalb dem jüngeren Leopold in der Ungarischen Mark nach seinem Tod nicht sein Vater Adalbert, sondern Markgraf Siegfried folgte.44 Diese Argumentation hat allerdings die Schwäche, dass der König in den vierziger Jahren des 11. Jahrhunderts vermutlich noch einen großen Spielraum bei der Neubesetzung von derartigen Funktionen hatte. Bei dem Mangel an Gefolgschaft, den Adalbert möglicherweise zu beklagen hatte, wäre es von Heinrich III. nicht sinnvoll gewesen, ihn nach dem Tod seines Sohnes mit der Organisation der Ungarischen Mark zu beauftragen. Zu Adalberts angeblich geringer Gefolgschaft ist zu bemerken, dass die Nachrichten über kleine bayerische Kontingente, die sich gegen riesige ungarische Heere behaupteten, im Verdacht stehen, Propaganda für die bayerischen Helden zu betreiben. Ob die Ungarische Mark schon im November 1043 eingerichtet wurde, kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Die Möglichkeit ihrer Gründung auch zu diesem Zeitpunkt halte ich nicht für abwegig. Die Hochzeitsfeierlichkeiten des Königs mit Agnes boten einen Rahmen für die feierliche Einrichtung einer neuen Mark, indem man einen zu Hoffnungen berechtigenden jungen Mann zu ihrem ersten Markgrafen erhob. Es war wohl Dank für die 1042 geleistete Abwehr der Ungarn im Norden der Donau. Für die Erstürmung der Burg auf dem Oberleiserberg hatte er ja schon 1041 ein präch40 BUB IV/1 14 Nr. 567. 41 Brunner, Welche Marken  ?, 164  : »Von einer eigenen Mark Leopolds ist in den Quellen nicht die Rede« und 166  : »[…] kam vorübergehend das Konstrukt zur Sprache, schon der junge Leopold hätte in Ingelheim die Ungarnmark bekommen […].« 42 MGH D Heinrich III. 124 f. Nr. 98 vom 8. Nov. 1042. 43 Weltin, Ascherichsbrvgge, 346 mit Anm. 55. 44 Weltin, Ascherichbrvgge, 346.

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tiges Pferd erhalten, das der böhmische Fürst zuvor dem König übergeben hatte.45 Auch Adalbert blieb nicht unbedankt  : Am 1.  Dezember erhielt er für seine Verdienste ein Gut (predium) im Gebiete der Pielach (Bribesendorf ).46 Sollte es sich so verhalten, dass der Sohn durch eine eigene Mark geehrt wurde, war zu erwarten, dass er seinen Vater überleben würde und dann war es wohl recht wahrscheinlich, dass bei seinem guten Ruf beide Marken wieder vereinigt würden. Die Gründung einer eigenen Mark könnte dem Bedürfnis des Königs entsprungen sein, dem jungen Babenberger ein »strategiepolitisch« sinnvolles Geschenk als Anerkennung zu machen. Damit würde sich auch die Frage erübrigen, ob nicht Heinrich III. durch die Einrichtung einer Österreich vorgelagerten Mark im Osten den tüchtigen Adalbert, den er selbst geehrt hatte, nun vergrämt hätte  ?47 Durch den frühen Tod Leopolds am 9. Dezember 1043 kam es anders.48 Heinrich berief vor dem 7. März 1045 den Spanheimer Siegfried zum Markgrafen der Ungarnmark und Adalbert erhielt einen neuen Nachbarn.49 Wir werden auf diese Nachbarschaftsproblematik noch zurückkommen. Trotz mancher Argumente für die Einrichtung der Ungarischen Mark nach der Abtretung des Gebietes zwischen Fischa und Leitha im Jahre 1043 ist die Frage der Datierung nicht zu entscheiden. Abgesehen von der Gebietsabtretung mussten die Ungarn weitere Zugeständnisse machen  : sie hatten die Gefangenen, die sie 1042 gemacht hatten, herauszugeben oder das Wergeld zu bezahlen – wohl wenn diese zu Tode gekommen, vielleicht auch, wenn sie verkauft worden waren. Zur Beschwichtigung der Beleidigung des Königs erklärten sie sich zur Zahlung von 400 Goldpfund und zur Übergabe von 400 Gewändern bereit. König Stephans Witwe Gisela sollte schließlich alles zurückerhalten, was ihr durch die Nachfolger Peter und Aba entzogen worden war. Heinrichs kriegerische Bemühungen von 1043 hatten also einigen Erfolg, das Hauptziel, die Wiedereinsetzung Peters, war allerdings nicht geglückt. Bleibende Erinnerung war der Gewinn Oberpannoniens, der den Markgrafen Adalbert zum »Siegreichen« machte. Die Einsetzung Peters konnte im nächsten Jahr mit Unterstützung einer Adelsopposition gegen Aba in Ungarn durchgesetzt werden.50 Andererseits gab es in Bayern Leute, die an einer Fortsetzung von Abas Herrschaft durchaus interessiert waren. Aventin berichtet über zwei Regensburger Kaufleute, Brüder Bischof Nitkers von Freising, denen König Aba für ihre Unterstützung bei der geplanten Übergabe von Regensburg ein Herzogtum und eine Präfektur versprochen hatte. Sie sollen dann auch eine Rolle bei den Verbindungen zu Aba während des folgenden Feldzugs gespielt haben.51 Der Annalist 45 Annales Altahenses maiores, 28  ; Scheibelreiter, Die Babenberger, 107. 46 Zuletzt NÖUB 1, 256 f., 21b, Kommentar, 278 f. 47 Brunner, Welche Marken  ?, 165. 48 Annales Altahenses maiores, 34  ; Herimannus Augiensis Chronicon, 676. 49 Hausmann, Siegfried, Markgraf der »Ungarnmark«, 146. 50 Dazu auch Lechner, Babenberger, 73 f. Boshof, Das Reich und Ungarn, 49  ; Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 1, 203. 51 Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 1, 206, mit Anm. 2 und 3.

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von Niederaltaich berichtet, dass die meisten ungarischen Fürsten bereuten, dass sie 1041 die Verschwörung gegen Peter initiiert hatten. Sie wollten vor Gott büßen, was sie gegen Peter verbrochen hatten, und sich mit ihm versöhnen. Aba sollte gefangen oder tot dem König übergeben werden. Über diese Absichten informierte ein Verräter König Aba, der einige Verschwörer töten ließ. Andere entkamen und begaben sich an den Hof Heinrichs III. und forderten ihn auf, Ungarn zu erobern. Zu dieser Zeit kursierten in der Umgebung des ostfränkischen Königs Nachrichten, dass Aba seine Versprechungen vom Vorjahr bereits gebrochen habe. Heinrich entschloss sich zu einer neuerlichen Aktion gegen Ungarn, die aber möglichst geheim ablaufen sollte.52 Gegen die Ratschläge seiner Untergebenen (praeter consilium pene omnium suorum subditorum) beschloss er die Fahrt gegen Ungarn, indem er göttlicher Eingebung folgte.53 Ziel war, die Erfüllung der Verträge von 1043 zu erzwingen. Der Altaicher Annalist berichtet von einer listigen Vorgangsweise Heinrichs, die seiner Absicht entsprach, eine geheime Aktion durchzuführen. Offenbar täuschte er einen nicht gegen Ungarn gerichteten Aufenthalt in der Mark vor, aus der er sich an der Spitze von Bayern und Böhmen zurückzog. Wirkliche Klarheit gewinnen wir aus dieser Darstellung nicht.54 Weniger anspielungsreich, aber deutlicher heißt es bei Simon von Kéza, der gegen Ende des 13. Jahrhunderts schrieb, dass das Heer nach Ostarrîchi marschierte, indem der König verschleierte, dass er Ungarn betreten wolle und vortäuschte, mit Aba ins Einvernehmen kommen zu wollen. Simon kannte den Text aus Niederaltaich, formulierte ihn aber nach seinem Verständnis um.55 Das Heer bestand also überwiegend aus Böhmen unter der erprobten Führung des Břetislav und Kämpfern aus Bayern, bei denen sich auch des Königs Onkel, Bischof Gebhard von Regensburg, befand.56. Vom bayerischen Herzog Heinrich VII. hören wir nichts.57 Sonst hatte Heinrich III. nur seine zum Hof gehörige Ritterschaft bei sich. Mit Hilfe der ungarischen Gegner Abas in seinem Gefolge gelang es Heinrich die Verhaue an der Repcze (Rabnitz) zu umgehen. Er gelangte an die Raab in der Nähe von Györ, wo die Entscheidungsschlacht – ein Gottesurteil – stattfinden sollte. Damit berühren wir einen Charakterzug dieser Auseinandersetzung, der nicht vernachlässigt werden sollte, da er auf die nachbarlichen Beziehungen und die herrschaftliche Verzahnung Ungarns mit dem Reich ein eigenartiges Licht wirft. Wir haben gerade darauf hingewiesen, dass man in Niederaltaich mit Blick auf den späteren Sieg 52 Annales Altahenses maiores, 34f., beginnend mit Item in Ungaria prorupit discordia intestina […]. 53 Annales Altahenses maiores, 35  ; Steindorff, Jahrbücher Heinrichs III. 1, 204, Anm. 2. 54 Annales Altahenses maiores, 35  : Perrexit enim rex, quasi pactum exacturus et de marcha Baioarica reversurus, geminum tantummodo ducens exercitum, Noricum et Boiemicum. 55 Simonis de Kéza Gesta Hungarorum, 176, cap. 50. 56 Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 252, erwähnt die angebliche Versammlung des Heeres in Österreich. Steindorff, Jahrbücher Heinrichs III. 1, 204 f., zu Břetislav und Gebhard, 204. 57 Erst 1045 ist von ihm die Rede, als er sich an einem Aufstand gegen den kranken Heinrich III. beteiligte. Annales Altahenses maiores, 40.

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Heinrichs betonte, dass der König im Lichte der widrigen Verhältnisse auf Eingebung Gottes gehandelt habe Auch Heinrichs Verhalten nach dem Sieg gab in der historischen Forschung Anlass, um der Vorstellung vom Eingreifen Gottes zugunsten der Gerechtigkeit breiten Spielraum einzuräumen. Schon vor dem Sieg behauptet der Niederaltaicher, dass Gott die Ungerechtigkeit vernichten wolle und dass es sich dabei um einen Akt der Gnade handele, der die Wünsche der Menschen bei weitem übertreffe. An diesem Schwerpunkt der Erzählung orientierte sich die Einschätzung der metaphysischen Grundlagen von Heinrichs Herrschaft. Der Niederaltaicher Annalist sah schon in Heinrichs Feldzug gegen die Ungarn von 1042 die Herausforderung zu einem Gottesurteil. Die Fürsten waren der Meinung, dass ihnen Gottes Gnade eine gerechte Entscheidung in der Schlacht nicht verwehren würde, da die Ungarn ja grundlos Verwüstungen im Reich angerichtet hatten. Heinrich und die Fürsten beschlossen einen Rachefeldzug, dessen Ziel ein gerechtes Vorgehen Gottes gegen die Ungarn war. Nur der Sieg Heinrichs III. über die Ungarn konnte Gerechtigkeit herstellen. Varga meint, in Heinrichs Vorgehen gegenüber Ungarn in den Jahren 1041–1044 friedensstiftende Absichten zu erkennen.58 Zweifellos wurzelt in dieser Zeit die Herstellung von Gerechtigkeit und Friedensstiftung in gemeinsamen spirituellen Grundvorstellungen. Ein wirklicher Friede konnte nur ein gerechter sein. Diese Aufgabe fiel nicht zufällig dem künftigen Kaiser zu, der aber die Herstellung des Friedens widerspruchsfrei mit temporalen Elementen wie Vorherrschaft und Rache (Strafe) verbinden konnte. Im Jahr darauf schließlich wendete Heinrich alle erdenklichen diplomatischen Tricks an, um die unwillkommenen Angebote ungarischer Gesandter wirkungslos zu machen. Das von den Ungarn erstebte Abkommen scheiterte an der Weigerung König Heinrichs, den bevorstehenden Frieden zu beschwören. Diese angebliche Anmaßung löste dann den Feldzug aus. Heinrich griff also wieder auf die Taktik des Vorjahres zurück. Der Niederaltaicher Annalist verbindet in seiner ausführlichen Schilderung zum Jahre 1044 endzeitliche Aspekte des Geschehens mit einer »politischen« Erzählung, die nach den »Hintergründen« fragt und diese aufdeckt. Bisher hatte Heinrich auf eine spirituelle Darstellung seiner Absichten bei den Ungarnkämpfen verzichtet. Erst 1044, als die Wiedereinsetzung Peter Orseolos zum ungarischen König gelang, inszenierte sich Heinrich als siegreich und demütig barfuß im härenen Gewande. Es ist bemerkenswert, dass dieser Aspekt der Herstellung von Frieden und Gerechtigkeit in der Darstellung des Hermann von Reichenau beinahe fehlt. Denn in einem seiner Briefe an König Heinrich führte Abt Bern von Reichenau aus, wie gottlos und verbrecherisch Abas Handeln zu beurteilen sei.59 Abas Taten betrachtete er als Teufelswerk, sie sind aber recht handfest beschrieben. 58 Ausführlich dazu Varga, Ungarn und das Reich, 111 f., bes. mit Anm. 50. Zum Verständnis des Feldzuges von 1042  : Annales Altahenses maiores, 31. 59 Diplomata Hungariae Antiquissima, 131 ff. Nr. 34 bes. 132 Zeile 28  : Quem ille pseudorex Ovo, periurus, falsus, homicida, mendax imitatus a diabolo […] missus […].

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Obwohl Heinrich  III. 1044 noch nicht zum Kaiser gekrönt war, war seine Bestimmung für die Herrschaft über das imperium seit seiner Salbung in Aachen (1027/28) zum König eindeutig festgelegt. Konrad II. verwendete Bleibullen zur Besiegelung von Urkunden, die auf der Rückseite Heinrich als »Hoffnung des Imperiums« zeigten.60 Heinrichs Politik gegenüber Ungarn ist von einem kaiserlich-hegemonialen Charakter geprägt, zu dem der Einklang mit der göttlichen Ordnung wesensmäßig dazugehört. Zumindest der Niederaltaicher Annalist sah das so. Gott habe allen Völkern mit dem Kampf gegen die Ungarn ein Beispiel gegeben, dass sie ihre Fürsten und vor allem den König ehren sollen. Diese allgemeine Forderung konnte sich nur auf König Peter und seine Hofpartei beziehen, von denen sich wohl einige im Heer Heinrichs III. befanden. Heinrich verwirklichte dieses Ziel. Allerdings nahm dieses herrschaftliche Handeln in der Folge konkretere Formen an, die den Eindruck erwecken, dass Heinrich ein auf verfassungsartiger Grundlage entwickeltes Verhältnis zwischen Ungarn und dem Reich begründen wollte. Werfen wir aber zunächst einen Blick auf den Verlauf der kriegerischen Ereignisse, bevor wir uns mit den umfangreichen Bemühungen um eine differenzierte Ordnung befassen. Ungarische Gesandte versuchten also vergeblich, Heinrich III. zu veranlassen, seinen Feldzug aufzugeben. Am 5. Juli 1044 kam es schließlich bei Menfö südlich von Györ zur Schlacht, die auch für Heinrich wegen der angeblichen Masse der ungarischen Streiter recht risikoreich war und nach bedrohlichem Beginn mit einem Sieg endete.61 Welche Bayern an der Schlacht beteiligt waren, erfahren wir aus keinem Bericht. Wie bereits festgestellt wurde, fehlt zumindest eine Nachricht, dass der bayerische Herzog Heinrich VII. an dem Feldzug beteiligt war. In den Lexikonartikeln wird resümierend immer wieder behauptet, dass sich der Herzog an den Kämpfen gegen die Ungarn beteiligte.62 Über Markgraf Adalbert fehlen zum Feldzug von 1044 ebenfalls Nachrichten. Unter den Toten des 5. Juli befand sich nach dem Ausweis des Salzburger Nekrologs neben einem Subdiakon Eberhard und einem Arnold ein Graf Sizo, den man im Allgemeinen mit dem Grafen Sieghard, dem Vogt von St. Peter in Salzburg und Schenker von Gütern im Raum Wien (Hernals, Dornbach), identifiziert.63 Dem ungarischen Bericht des Simon de Kéza zufolge war auch der Blutzoll der Sieger hoch. Er und andere Autoren machten für die ungarische Niederlage auch einige Ungarn verantwortlich, die aus Freundschaft zu König Peter die Fahnen fortgeworfen hätten und geflohen seien.64 60 Keller, Zwischen regionaler Begrenzung, 105. 61 Ein ausführlicher Bericht Annales Altahenses maiores, 36 f. Kürzer Herimanni Augiensis Chronicon, 676. Vgl. auch zu den Schlachtenberichten Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 1, 207–209. 62 Z. B. Reindel, Heinrich VII. NDB 8, 342 f. 63 Lohrmann, Besitzgeschichte, 60 ff.; ders.: Der Dornbacher Besitz, 189, mit Anm. 12. 64 Simonis de Kéza Gesta Hungarorum, 176  ; Bilderchronik 1, 52 und 2, 118.

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Die dem Sieg von Menfö folgenden herrschaftsrechtlichen Maßnahmen, wie die Thronsetzung Peters durch Heinrich  III., die Versöhnung zwischen dem Orseolo und den politisch relevanten Gruppen (der Niederaltaicher verwendet den wohl bezeichnenden Begriff populus) der Ungarn,65 die Ergebung der Ungarn gegenüber dem siegreichen König und schließlich die Gewährung des »teutonischen« Rechts, müssen in ihrer Gesamtheit neu analysiert werden. Doch davon später. Zunächst interessiert uns als vordringliches Nachbarschaftsproblem die viel diskutierte Ungarnmark. Fraglich ist erst einmal, wie diese Fülle von »hegemonialen Handlungen« mit den Markgrafen, die den Ungarn benachbart waren, zusammenhängen kann. Vor der Erörte­ rung rechtlicher und herrschaftssymbolischer Spitzfindigkeiten ist auch daran zu erinnern, dass Heinrich III. nach der Regelung der Herrschaftsverhältnisse eine wohl dem Schutz Peters dienende Besatzungsmannschaft in Ungarn zurückließ und damit seine Macht demonstrierte.66 Ob Siegfried schon damals, im Sommer 1044, Markgraf der Ungarischen Mark war, ist zweifelhaft. Es ist möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich, dass der Sieg bei Menfö die Voraussetzung für die Einrichtung einer Mark gegen Ungarn schuf. Es ist aber bemerkenswert, dass keiner der schreibenden Zeitgenossen die wichtige Tatsache der Erhebung eines neuen Markgrafen in einem dramatischen Umfeld der Erinnerung für würdig hielt.67 Dies ist ein erster Hinweis darauf, dass es sich bei der Ungarnmark um ein kurzlebiges »Projekt« gehandelt hatte. Siegfried ist lediglich in der Zeit vom 7. März 1045 bis zum 15. Juli dieses Jahres als Markgraf nachgewiesen.68 In der ersten und der letzten Urkunde erhielt er selbst umfangreiche Landschenkungen im Grenzbereich zwischen Fischa und Leitha bzw. in der Nähe der Ungarnstraße (platea Ungarica). Summiert man nur die Zahl der dem Siegfried geschenkten Königshufen, kommt man auf 330, eine hohe, aber der Bedeutung der Maßnahme entsprechende Zahl. Wir müssen dies wohl als Hinweis nehmen, dass die Ungarnmark nicht nur tatsächlich existierte, sondern auch Ergebnis grundsätzlicher Überlegungen zur Grenzpolitik gegenüber dem östlichen Nachbarn war.69 Die vor allem von Friedrich Prinz gegen die »Markentheorie« 65 Annales Altahenses maiores, 37  : […] et in templo Deiparae virginis, ubi erat congregatio principum, et regis ad populum et populi ad regem facta est reconciliatio. 66 Annales Altahenses maiores, 37  : Nach der Erlaubnis für den Gebrauch der scita Teutonica wird berichtet, dass der König relinquens illis suorum praesidia ipse domum rediit et Radasponam venit. 67 So auch Weltin in seinem Kommentar NÖUB 1, 280, »die zeitgenössische Historiographie nahm keine Notiz« von der Gründung der Ungarischen Mark. Siegfried war nach Weltins Ausführungen wahrscheinlich in der zweiten Jahreshälfte 1044 zum Markgrafen eingesetzt worden. 68 Hausmann, Siegfried, 115  ; Lechner, Babenberger, 76 und Kupfer, Weinviertel, 17 f. NÖUB 1, 261 f., Nr. 21e, 262 ff., Nr. 21 f, 264 f., Nr. 21g und 265 ff., Nr. 21h. 69 So kommt Kupfer, Weinviertel, 448, zu dem Schluss, dass Heinrich III. den Spanheimer Graf Siegfried mit dem Aufbau einer Markgrafschaft betraute. Zur Identifizierung mit Siegfried, Graf im Pustertal, siehe die folgende Darstellung.

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Karl Bosls entwickelten Argumente haben für die Marken gegenüber Böhmen ihre Berechtigung – doch ist eine Differenzierung der Grenzsituation zu Böhmen und Ungarn dringend geboten. Daher mögen die Marken Cham und Nabburg, vor allem aber die »böhmische Mark« Mystifikationen sein – die Ungarische Mark war sicher keine.70 Die mit 150  km2 Königsgut ausgestattete Mark sollte die Herrschaft König Peters in Ungarn schützen und das scheint der tatsächliche Grund für ihre Einrichtung gewesen zu sein.71 Die anscheinend sang- und klanglos erfolgende Einstellung des Projektes scheint dementsprechend mit dem Ende von Peters Herrschaft in Ungarn zusammenzuhängen. Doch zunächst weiter in der Geschichte der Ausstattung des Markgrafen  : Als Heinrich  III. 1045 aus Ungarn zurückkehrte, legte er noch einmal 230  Hufen nach, womit die genannte Gesamtzahl erreicht wurde. In der betreffenden Urkunde wird deutlich, dass der König Verhältnisse an der ungarischen Grenze mit dem Ziel einer effizienten Ordnung plante. Siegfried durfte seine Besitzungen nicht, wie bisher üblich, frei wählen, sondern sie sollten ihm von einem königlichen nuntius zugewiesen und ausgemessen werden.72 Waren Siegfried die 100 Hufen vom März zu wenig Anreiz  ? War die Macht Adalberts und sein Ansehen im bayerischen Adel bereits zu groß, als dass es sich für Siegfried gelohnt hätte, sich der Mühe und den Gefahren der Grenzkriege zu unterziehen  ? Wir müssen auf den Spuren der Fragen von Friedrich Hausmann weitergehen, der Siegfried für einen Spanheimer gehalten hat. Welchen Einschätzungen König Heinrichs verdankte er seine Einsetzung als Markgraf und wie standen seine Chancen, sich im bereits entstandenen Machtgefüge an der Donau durchzusetzen  ? Hausmann hat aufbauend auf älteren Vermutungen plausibel dargelegt, dass Heinrich III. dem aus dem rheinischen Adel stammenden Siegfried, der in die führende Schicht des Kärntner Adels eingeheiratet hatte und schon das Vertrauen Konrads  II. genoss, die neue heikle Aufgabe anvertraute.73 Hausmann vermutet, dass Siegfrieds Verlagerung seiner Aktivitäten nach Kärnten mit der Absetzung des Eppensteiners Adalbero 1035 zusammenhing. Die Gleichsetzung des Markgrafen an der ungarischen Grenze mit dem Spanheimer in Kärnten bleibt aber letztlich eine Hypothese, die von Hausmann vorsichtig und etwas bedenklich formuliert wurde  : »Nichts spricht auch dagegen, dass der König den Spanheimer 1044 oder 1045 mit der Leitung der Ungarnmark betraute.«74 Siegfried bleibt als der einziger Kandidat dieses Namens aus dem Adel des Reiches über, der als dieser Markgraf in Frage kommt. Urkundlich fand diese »organisatorische Maßnahme« der Gründung einer Mark ihren Niederschlag, doch kam die Sache offenbar über das Planungsstadium nicht hinaus. Immerhin gewähren die einschlägigen Urkunden den 70 Prinz, Kaiser Heinrich III., 545 ff. 71 Zur Fläche Dienst, Das Privileg, 64, die Fläche der Königshufe mit 48–50 ha berechnet. 72 NÖUB 1, 266, Nr. 21h  ; Weltin, Probleme, 475. 73 Hausmann, Siegfried, 147 f. Klaar, Die Herrschaft der Eppensteiner, 90. 74 Hausmann, Siegfried, 148 und 166 f., zum Zusammenhang mit der Absetzung Herzog Adalberos 1035, siehedas Zitat 148.

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Einblick, dass die Mark auf dem Boden des 1031 verlorenen und 1043 zurückgewonnenen Gebietes eingerichtet werden sollte. Ihre Funktion erfüllte sie dann nicht mehr als Mark, sondern wieder im Rahmen der Herrschaft der Babenberger. Die konkrete Ordnung an der Grenze oblag den Gefolgsleuten der Diepoldinger-Rapotonen und der Grafen von Kling.75 Wenden wir uns nun, wie angekündigt, den weiteren Maßnahmen Heinrichs III. bezüglich Ungarns zu. Eine etwas unklare Rolle spielte dann im Jahre 1045 eine dem ungarischen König gehörige vergoldete Lanze, als das Verhältnis Heinrichs III. zu Ungarn noch einmal in einer »öffentlichen« Zeremonie geregelt wurde. Vorläufig wollen wir nur festhalten, dass in der Schlacht von Menfö dem ungarischen König Aba diese lancea regis deaurata entrissen wurde. Arnulf von Mailand betrachtete die Gewinnung der Lanze als Zeichen für den Triumph über die Ungarn.76 Nach einer Vorherrschaft des Reiches gegenüber den Ungarn und ihrem König klingt auch der erwähnte Bericht über das teutonische Recht. Hermann von Reichenau spricht bei dieser Gelegenheit vom bairischen Recht.77 Wollte Heinrich eine radikale Umformung der Rechtsverhältnisse in Ungarn  ? In Niederaltaich war man über die Rechtsverhältnisse in Ungarn zumindest oberflächlich informiert. Es heißt über Aba, dass er im Einvernehmen mit den Bischöfen und Fürsten die Dekrete König Peters, die dieser ungerecht und nach seinem Gutdünken erlassen habe, aufhob. Diese Willkür kann sich nur gegen jene Gesetze gerichtet haben, die Stephan der Heilige mit seinen geistlichen und weltlichen Ratgebern verfügt hatte.78 Das Ziel von Abas Vorgehen war möglicherweise die Wiederherstellung der Rechtslage zur Zeit Stephans. Wir wissen, dass Stephan in einigen Materien vom bayerischen Recht beeinflusst war.79 Es ist aber unwahrscheinlich, dass diese wenigen Stellen in den Gesetzen Stephans der Grund dafür sind, dass Hermann und der Niederaltaicher von bayerischem und teutonischem Recht sprachen. Die meisten Forscher gehen davon aus, dass die Rechtssätze Stephans durch das bayerische Recht ersetzt wurden. So kommt Kristó zu dem Urteil, dass die in Ungarn eingeführten bayerischen Gesetze Besitz und Macht der herrschenden Schicht mehr schützten als die Gesetze Stephans.80 In dieser Einschätzung wird die große Bedeutung dieser Maßnahme 75 Zu den Diepoldingern Weltin Ascherichsbrvgge, 350. Zu den Grafen von Kling und den Herren von Hainburg-Prellenkirchen Kupfer, Weinviertel, 166 f. 76 Annales Altahenses maiores, 37, und Arnulf von Mailand, Liber gestorum recentium lib. III, cap. 4, 171  : Cuius unum insigne tropheum aurata indicat lancea Ungarorum regi violenter extorta et Rome in apostolorum templo suspensa. 77 Annales Altahenses maiores, 37  : concessit rex (Heinrich III.) scita Teutonica  ; Herimanni Augiensis Chronicon, 678  : […] Ungarios petentes lege Baioarica donavit […]. 78 Annales Altahenses maiores, 26  : […] rex […] cum communi episcoporum et principum consilio omnia decreta rescindi statuit, quae Petrus iniuste secundum libitum suum disposuit […]. 79 Schiller, Das erste ungarische Gesetzbuch, 391 unter B. 80 Kristó, Die Árpádendynastie, 86.

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fassbar. Heinrich III. versuchte, auf diesem Wege die gesellschaftlichen Strukturen der Ungarn den Verhältnissen in der Nachbarschaft anzugleichen  ; und dies stringenter als es Stephan mit seiner auswählenden Methode aus verschiedenen Rechten des Westens erreicht hatte. Die diesbezüglichen Ansätze Stephans waren Heinrich offenbar zu wenig wirksam oder er kannte diese nur ungenügend oder gar nicht. Der radikale Schritt war ein Versuch Heinrichs III., in Unkenntnis der in Ungarn vorhandenen Rechtsgrundlagen die durch die Thronkämpfe entstandene unklare Rechtslage zu beseitigen.81 Unter welchen Voraussetzungen war dieser Eingriff in die Rechtsverhältnisse überhaupt möglich  ? Der populus terrae in Ungarn unterwarf sich dem siegreichen König Heinrich und versprach Dienstbarkeit. Heinrich nahm die Leute mit freundlicher Miene auf und übergab sie ihrem König Peter. Der placidus vultus war ein an die Umstehenden gerichtetes Zeichen der königlichen Milde, die zu den Tugenden des Herrschers gehörte.82 Wie immer man diesen Vorgang interpretiert, mit Sicherheit ist zu erkennen, dass diese Ordnung nicht aus der Stellung des ungarischen Königs abgeleitet wurde, sondern der clementia, der Milde und der Machtstellung des ostfränkischen Großkönigs zuzuschreiben war. Der einzige selbständige ungarische Akt fand nach der Thronsetzung in der Kirche statt  : die Aussöhnung zwischen König Peter und dem Volk. Die Erzählung von der Bitte der Ungarn um das bayerische Recht versüßte vielleicht nur die bittere Pille, dass Heinrich das Recht Stephans des Heiligen kassierte und dafür den Ungarn das bayerische Volksrecht in seinem aktuellen Entwicklungsstand aufzwang. Spätere ungarische Berichterstatter fanden die Angelegenheit unverständlich bis unerfreulich und berichteten, indem sie den Wortlaut der Niederaltaicher Annalen zitierten und das Adjektiv veränderten, dass nämlich Heinrich den Ungarn den Gebrauch des u n g a r i s c h e n Rechts erlaubt habe.83 Wenn die Niederaltaicher Annalen und Hermann von Reichenau über die Vorgänge korrekt berichteten, war für kurze Zeit auf beiden Seiten des Leithaflusses das gleiche Recht in Gebrauch. Auch die Rolle, die Heinrich bei der Krönung und Thronsetzung Peters spielte, deutet auf eine Hegemonie des ostfränkischen Königs gegenüber dem ungarischen. Er bekleidete Peter mit den königlichen Abzeichen (man kann dies als Investitur auffassen), nahm ihn an der Hand und setzte ihn auf den Thron. Kurz und bündig erzählt Hermann von Reichenau, dass Heinrich den ungarischen König restituierte.84 Bei allen diesen Demonstrationen fehlt noch jenes Element, das man bei traditioneller Sicht der Ereignisse erwarten würde  : eine gefolgschaftliche Bindung König Peters an den ostfränkischen König oder gar ein Lehnsband. Unterwerfung (deditio) und Dienstbarkeit (servitium) 81 Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 253. Varga, Ungarn und das Reich, 110, Anm. 45, ein wichtiger Beitrag zur Diskussion. Zuletzt Lohrmann, Benachbarte Kollektive 131. 82 Fichtenau, Arenga, 41–45 oder die Legitimationsformel divina ordinante clementia. 83 Chronici Hungarici Compositio, 133  : concessit H u n g a r i c a scita servare […]. 84 Annales Altahenses maiores, 37, Herimanni Augiensis Chronicon, 678. Zur Sache auch Jäger, Rechtliche Abhängigkeitsverhältnisse, 104.

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versprachen die besiegten Ungarn, Peters Verhältnis zu Heinrich III. folgte anderen Vorstellungen. Die Situation ist auch ohne Argumentation mit der Lehnsbindung klar  : Der ungarische populus war bereit, die Demonstration einer deditio über sich ergehen zu lassen und wurde dem von Heinrich eingesetzten König unterstellt. Die Einbeziehung des Landes in die »fränkisch-römische« Welt war erfolgt. Ob sich dieser Vorgang »moderner« interpretieren lässt, nämlich als Bindung Ungarns an die Herrschaft der Teutonici, ist recht zweifelhaft. Wenn der Niederaltaicher in diesem Zusammenhang konsequent an dieser Stelle Heinrich caesar nennt, so bezieht sich das wohl eher auf die traditionelle Ordnung des westlichen Kaisertums. Offenbar vermied der Annalist den rechtlich eindeutigen Begriff des Imperators, da Heinrich eben noch nicht in Rom gekrönt worden war. Diese Titulatur gebrauchte nicht nur der Niederaltaicher, auch der zeitgenössische Arnulf von Mailand bezeichnete Heinrich III. als caesar.85 Zuletzt kommen unsere beiden wichtigsten Gewährsleute auf Abas Schicksal zu sprechen. Aba flüchtete nach der Niederlage in ein Dorf, wo er in einem vom Blitz getroffenen, brennenden Hof beinahe umkam. Er versteckte sich, wurde aber ergriffen und nach einem gemeinsamen Urteil der Ostfranken und der Ungarn mit dem Tode bestraft.86 Hermann von Reichenau erzählt nur von Abas Gefangennahme durch König Peter und der Todesstrafe.87 Hóman nennt als Gericht den königlichen Rat.88 Aus der ungarischen Bilderchronik des 14. Jahrhunderts erfahren wir, dass Aba von einigen Ungarn, denen er als König Schaden zugefügt hatte, in einem Dorf erschlagen wurde. Später wurde er unter wunderbaren Umständen in einem Kloster, das auf den Familien- bzw. Sippengütern der Abas errichtet worden war, endgültig bestattet.89 In der Diskussion über das Verhältnis zwischen Ungarn und dem auf fränkischen Traditionen beruhenden Großreich spielten dann die Vorgänge während des Pfingstfestes 1045 eine besondere Rolle. Peter hatte Heinrich für Pfingsten nach Ungarn eingeladen, wohin der König nach einer recht gefährlichen und von beängstigenden Erscheinungen geprägten Reise auch gelangte. Der Annalist aus Niederaltaich schildert die folgenden für die Anwesenden gedachten symbolischen Handlungen  : Im Rahmen eines Festaktes übergab Peter Heinrich III. das Königreich Ungarn, symbolisiert durch eine vergoldete Lanze,90 wohl jene, die Ritter im königlichen Heer im Jahr zuvor erbeutet hatten. Johannes Fried hat im Rahmen seiner Forschungen zum Verhältnis Ottos III. zu Boleslaw Chrobry und Stephan dem Heiligen unser Wissen über die ungarische Lanze zusammengefasst.91 85 Arnulf von Mailand, Liber gestorum recentium, 169. 86 Annales Altahenses maiores, 37. 87 Herimannus Augiensis Chronicon, 678. 88 Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 253. 89 Bilderchronik 1, 52 und 2, 118. 90 Annales Altahenses maiores, 40. 91 Fried, Otto III. und Boleslav Chrobry, 136 ff.

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Heinrich wurde wiederum als Caesar und Herr bezeichnet. Der Zeremonie wohnten Ungarn und Franken bei. Der Niederaltaicher beschrieb unscharf  ; er unterschied nur zwischen dem populus des ungarischen Königs und dem »Unseren« (coram populo suo et nostro). Nach dem Gastmahl bot Peter dem König sogar eine große Menge Goldes. Heinrichs Stellung gegenüber Ungarn wird in dieser Erzählung mit einem imperialen, aber keinem Lehnsbegriff beschrieben. Etwas anders Hermann von Reichenau  : Er berichtet ebenfalls von großen Geschenken und der Übergabe bzw. Rückstellung des Königreichs Pannonien an Peter, wobei die Großen (principes) der Ungarn ihm und seinen Nachfolgern eidlich Treue (fidelitas) zusicherten.92 Die Formulierung, Peter habe das Königreich Heinrich III. zurückgestellt, nahm die Übergabe Ungarns an ihn vom vergangenen Sommer als Ausgangspunkt. Offenbar folgte eine neue Regelung  : Peter erhielt nämlich nun das Königreich auf Lebenszeit von Heinrich zurück.93 Die Sache macht den Eindruck einer Präkarie, jedenfalls den einer Variante einer Landleihe. Älterer Forschung folgend vertreten auch Autoren, die der Lehnstheorie kritisch gegenüberstehen, die Auffassung, dass durch diesen Akt ein Lehnsverhältnis entstand.94 Ja Varga vertritt die zu erwägende Interpretation einer Eingliederung in das Reich nach einer bekannten Stelle bei Wipo. Wipo berichtete, dass Ungarn 1024, als Konrad II. zum König gewählt wurde »nicht auf uns« (das Reich nämlich) hören wollte. Das änderte sich erst nach dem Sieg von Menfö, als es Heinrich III. gelang, sich und seinen Nachfolgern Ungarn zu sichern.95 Der erwähnte Treueid, den die Großen leisteten, könnte im Zusammenhang mit der Deditio (Unterwerfung) im Jahr zuvor stehen. Eine bedeutsame Folge dieser Akte ist diese  : Nicht nur der ungarische König, sondern auch der Adel wurde in ein Verhältnis der Abhängigkeit zum künftigen Kaiser gebracht. Es schiene mir allerdings eine zu enge Verfolgung eines Gedankenprinzips zu sein, das Verhältnis zweier Mächte, wenn sie sich auch in ihrer Wirkungsreichweite klar unterschieden, bloß aus der Landleihe zu erklären. Die Behandlung Ungarns als Kirchenlehen, als Präkarie ist ein den Verhältnissen nicht angemessener, den Problemkreis verkürzender Gedanke. Trotzdem muss man einräumen  : Die einzelnen Elemente der Beziehung zwischen Peter und Heinrich betreffen auch Gewohnheiten und Rechtsakte, die wir aus grundherrschaftlichen Verhältnissen kennen  : so z. B. die Geschenke, wobei wir aber nichts von Geschenken an den ungarischen König hören – das erinnert schon wieder an Tributzahlungen. Schließlich handelte es sich um große Mengen Goldes.96 Dazu passen auch die verschiedenen Unterwerfungsakte. 92 Herimanni Augiensis Chronicon, 678  : […] eique (dem König Heinrich) regnum Pannoniarum, principibus Ungariorum fidelitatem illi et successoribus eius iuramento firmantibus reddidit. 93 Herimanni Augiensis Chronicon, 678  : quod tamen ab eo ipse, dum viveret, possidendum recepit. 94 Varga, Ungarn und das Reich, 112, Boshof, Das Reich und Ungarn, 52. 95 Varga, Ungarn und das Reich, 113. Gesta Chuonradi, 534 f. 96 Annales Altahenses maiores, 40. Zur Geschenkpraxis im grundherrschaftlichen Bereich Kuchenbuch, »Abschied von der Grundherrschaft«, 13 ff., bes. 15 mit einem überzeugenden Beispiel.

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Wir erkennen also in den bis jetzt geschilderten Vorgängen eine Fülle von Maßnahmen, die sich auf das Verhältnis Ungarns und seines Königs zum Reich beziehen. Nur aus einer Art von Prekarie diese Verhältnisse zu charakterisieren, unterschätzt andere Elemente der Überordnung. Trotzdem muss man einen Gedanken Tellenbachs ernst nehmen, der zu diesem Problem meinte  : Es würde sich lohnen, die Entwicklung des Lehnsgedankens, insbesondere die Auffassung des Lehnsobjektes in zwischenstaatlichen Beziehungen im Einzelnen zu verfolgen.97 Wie wir sehen werden, bestand ja gar nicht die Möglichkeit, ein enges Rechtsprinzip durchzusetzen, auch wenn Bayern und sonstige Ostfranken in Ungarn als hospites an wichtigen Unternehmungen und Entscheidungen mitwirkten. Wir werden auf die vielfältige Bedeutung der advenae, der lateinischen und vor allem der »fränkischen« (vor allem Bayern und Schwaben) Ritter noch mehrfach zurückkommen. Zu berücksichtigen ist auch, dass Gábor Varga entschieden Kritik an der Vorstellung übte, dass Heinrich III. nach dem Sieg von 1044 ein Lehensverhältnis zwischen dem Reich und Ungarn begründete. Auf der Grundlage der Bemerkung des Altaicher Annalisten, dass der Sieg Heinrichs bei Menfö ein Gottesurteil gewesen sei, deutete er die folgenden Maßnahmen vor allem im Sinne einer spirituell begründeten Hegemonie des Saliers. Vor diesem Hintergrund ist die Unterwerfung des ungarischen populus, die milde Aufnahme durch den Caesar und die Thronsetzung Peters in Stuhlweißenburg zu verstehen.98 Betrachtet man diese Lehnsdiskussion ein wenig distanziert, kann man sich nicht dem Urteil entziehen, dass ein in der Tradition historischer Forschung diskutiertes Thema überdimensional aufgeblasen  – und die reichen Informationen der Quellen missachtet werden. Kaiserliches Handeln – und anders können wir diese Vorgänge nicht deuten – steht heilsgeschichtlichem Wirken immer nahe. Trotzdem muss man auch die »säkulare« Seite im Sinne einer Nachahmung Karls des Großen in unsere Erklärungen mit einbeziehen. Der nun nach der Schlacht milde Kaiser übergibt einer Art gentilem König bzw. Fürsten die Herrschaft, nachdem der Frieden und die göttliche Ordnung hergestellt waren. Brauchte man in diesem Umfeld zusätzliche Konstrukte  ? Bestimmt nicht um die Sache zu erklären und zu begründen, vielleicht aber, um alltägliche Probleme zu lösen  ! Ereiferte man sich über den Besitz von Burgen und Flussübergängen, konnte man seinen Standpunkt vielleicht einleuchtender und zwingender mit der Verantwortung für die göttliche Ordnung begründen. Mit der Aufgabe, diese Probleme im Detail zu lösen, schien diese Denkweise wohl auch dem mittelalterlichen Gläubigen zu »vollmundig« und daher absurd, d. h. als Ausdruck eines Missverhältnisses zwischen einem Problem und seiner Behandlung.

97 Tellenbach, Zusammenleben, 715, Anm. 19. 98 Varga, Ungarn und das Reich, 109.

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Zur deditio der Ungarn ist noch einmal zu bemerken, dass sich die entscheidende Gruppe, wohl jene, die im Rat des Königs mitwirkte,99 Heinrich unterwarf, – so darf man wohl die vom Niederaltaicher Annalisten erwähnte »Bevölkerung des Landes« präziser umschreiben. Erst nach dieser Unterwerfung versöhnten sich die führenden Ungarn mit König Peter. Diese Versöhnung fand in der Marienkirche in Stuhlweissenburg im Beisein von ungarischen Fürsten statt.100  

 99 Im sogenannten senatus  ; Györffy, Stephan, 161. 100 Annales Altahenses maiores 42  : Interea p o p u l u s t e r r a e […] venit et caesari victori se dedidit. Dann ist von der Krönungskirche die Rede, ubi erat congregatio principum, et regis ad populum et populi ad regem facta est reconciliatio.

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Ein neuer Nachbar König Andreas I. von Ungarn

Die Abhängigkeit König Peters von Heinrich III. wird auch in der Nachricht des Niederaltaicher Annalisten greifbar, dass er den Ungarn eine, wahrscheinlich überwiegend bayerische Schar als Schutz zurückgelassen hatte.1 Zu schützen waren wohl auch jene Ungarn, auf deren Bitten Heinrich ihnen das deutsche Recht gewährt hatte  : Eine Gruppe am Hof Peters, die wahrscheinlich von Anfang an mit einer beträchtlichen Gegnerschaft in Ungarn rechnen musste. Zu den Gegnern gehörten Leute mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen, wie die Herrschaft in Ungarn einzurichten wäre. Zunächst aber war der wachsende Widerstand gegen Peter und seine »Leibgarde« das gemeinsame Merkmal der Unzufriedenen. In der Ungarischen Bilderchronik wird die Geschichte tendenziell ein wenig umgestaltet  : Der Kaiser kehrte völlig zufriedengestellt nach Regensburg zurück und ließ König Peter unter der Obhut der Seinen in Ungarn.2 Wohl die mächtigsten Träger einer zunehmend feindlichen Haltung gegen König Peter waren jene ungarischen Großen, die König Aba bekämpft und deshalb die Unternehmungen Heinrichs III. unterstützt hatten. Ihre Haltung zu Peter war während der Kämpfe unklar – wir erinnern uns an die Leute, die nördlich der Donau, im Nitraland, zunächst eine Einsetzung Peters zum König verweigert hatten. Offenbar wurden sie dann von der Entwicklung überrollt und fügten sich in das Unvermeidliche. In der ungarischen Chronik des 14. Jahrhunderts und in der Bilderchronik ist von der Tyrannei Peters die Rede, die einige ungarische Magnaten veranlasste, etwas für die Befreiung Ungarns zu tun. Sie sehnten sich nach den in Polen und Russland lebenden drei Söhnen Vászsolys. Die Magnaten Visca, Buna und Buhna schickten ihnen durch Boten Geschenke von ihren Gütern. Mit Andreas, Béla und Levente hofften sie, dem Land wieder das Geschlecht des heiligen Stephan zurückzugeben. Das war, wie sich zeigen sollte, ein realistischer und durchführbarer Plan, der den Weg aus den folgenden chaotischen Streitigkeiten der verschiedensten Gruppen ermöglichte. Zu den Ursachen für die 1046 beginnende kritische Lage Peters gehörte auch die Kirchenorganisation, die von zugewanderten Geistlichen eingerichtet worden war. Nach dem Bericht der ungarischen Chroniken gab es eine große Zahl von Ungarn, die das kirchlich-westliche System beseitigen wollten. Im Zuge dieser Entwicklung übernahm ein gewisser Vatha, Herr der Burg Békés, die Führung. Er war der erste, der sich den Götzen weihte, seinen Schädel rasieren ließ und nach heidnischer Sitte drei Zöpfe trug.3 1 Annales Altahenses maiores, 37  ; Schünemann, Die Deutschen in Ungarn, 70, nennt sie Peters Leibwache. 2 Bilderchronik 1, 52 und 2, 118. 3 Bilderchronik 1, 55 und 2, 119  ; Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 250.

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Ein neuer Nachbar

Der Aufstand des konservativen, wohl reaktionären Vatha4 richtete sich gegen die Verbindung von Königsherrschaft und Kirchenverwaltung nach fränkisch-bayerischem Vorbild. Ob diese Bewegung wirklich heidnisch war oder sich nur alter Symbolik bediente, bleibt offen. Gegen die Kirchenorganisation aus dem Westen war sie jedenfalls gerichtet. Kéza beschreibt die Ziele der von unzufriedenen Adeligen ins Land geholten Árpáden Andreas und Levente, die durch Boten in Ungarn bekannt machten, dass alle Teutonici und Lateiner beseitigt und heidnische Riten wieder eingeführt werden sollten.5 Nur sechs Jahre waren seit dem Tod Stephans des Heiligen vergangen, als Heinrich III. seinen Schützling Peter in Stuhlweißenburg zum Thron führte. Peter war, wie wir im Einzelnen sehen konnten, zu offensichtlich von der westlichen Macht gestützt  ; die Erhaltung des »Systems« seines Vorgängers, das ja bekanntlich gewaltsam durchgesetzt worden war, erweckte den Widerstand weiter Kreise der ungarischen und der ihnen verbündeten »Warlords«. Auch der Umgang der ungarischen Machtträger mit den Zuwanderern, den hospites, ist ein in seiner Vielschichtigkeit trotz einiger Untersuchungen nicht zufriedenstellend behandeltes Thema. Die freundliche Politik der Ungarn gegenüber Zuwanderern, die in den Ratschlägen Stephans des Heiligen für seinen Sohn und in Aussicht genommenen Nachfolger Emmerich ihren Ausdruck fand, bestand in einer guten Behandlung der hospites. Dieses Verhalten hat wahrscheinlich in der Kooperation mit »Hilfsvölkern« seine traditionellen Wurzeln.6 Kéza begründet diese »Willkommenskultur« mit der Tatsache, dass das eigentliche Ungarn nicht mehr als 108 Sippen und Geschlechter hatte. Daher gab es auch Geschlechter aus lateinischen und alemannischen Ländern, die aufgrund ihrer Bezeichnung als progenies in herrschender Stellung erkennbar werden.7 Da auch die Geistlichkeit aus der fränkisch-lateinischen Welt kam, ergab sich eine Situation und eine Stimmung in der beschriebenen Gruppe des ungarischen Adels, die wir als Unbehagen gegenüber dem in Gang befindlichen Angleichungsprozess an die westlichen Nachbarn beschreiben können. Dieser sich oberflächlich innerhalb einiger Jahrzehnte vollziehende Prozess war durch die Nachbarschaft erzwungen und führte zu Parteiungen und gegensätzlichen Einschätzungen des richtigen Ortes der Ungarn in der christlichimperial dominierten Weltordnung. Diese archaisch gewordene Ordnung des Nachbarschaftsverhältnisses gegenüber den Franken und ihrer Kirche fand Gegner, die auf dialektisch entstandenen Wegen Veränderungen in Gang setzten. Das heißt, es gab zum Teil heftige Gegenbewegungen zu den von Stephan dem Heiligen geschaffenen Verhältnissen, doch führten gerade die daraus entstehenden Konflikte mit ihren chaotischen 4 Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 256 f. Die Ungarische Bilderchronik 1, 56 und 2, 120 berichtet von einer alten ungarischen Tradition, nach der es den Christen (in Ungarn) verboten war, jemanden aus dem Geschlechte des Vatha zu heiraten. 5 Simonis de Kéza Gesta Hungarorum, 177, Zeile 27 ff. 6 Györffy, Wirtschaftsgeschichte, 259 f.; Györffy, Stephan der Heilige, 198. 7 Simonis de Kéza Gesta Hungarorum, 187 f.

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König Andreas I. von Ungarn

Folgen zu Rechtsstrukturen in Ungarn, die sich wieder an Stephans Gesetzgebung und ihren Vorbildern orientierten. Wie veränderten sich die für die Entwicklung der Nachbarschaft mit den Babenbergern wichtigen Herrschaftsverhältnisse in Ungarn im Verlauf der folgenden Jahre  ? Innerhalb eines Jahres verlor Peter die königliche Unversehrtheit durch Blendung und die Herrschaft an Andreas  I., den Sohn Vászolys. Der Niederaltaicher Annalist und Hermann von Reichenau berichteten ausführlich über die Vorgänge in Ungarn im Jahre 1046. In Niederaltaich beurteilte man das Geschehen als eine Verschwörung gegen König Peter. Hermann berichtet ebenfalls kritisch über die Königserhebung des Andreas. Seine Anhänger erschlugen viele Ankömmlinge, die für Peter kämpften und die Hermann mit dem korrekten Ausdruck advenae bezeichnete. In welcher Weise Markgraf Adalbert oder die Ungarische Mark von der Verfolgung der Anhänger Peters betroffen waren, erfährt man aus den Berichten nur in Andeutungen. Dass die nach dem Niederaltaicher Bericht besitzlosen, zu Fuß aus Ungarn flüchtenden Fremden in diese Gebiete gelangten, ist zu vermuten. In Niederaltaich wusste man, dass sehr viele Fremde getötet wurden. Einige entkamen zu Fuß, nackt und bloß.8 Auch Peter versuchte, in die Mark zu flüchten, geriet aber in Gefangenschaft. Um einen neuerlichen Versuch, seine Herrschaft zurückzugewinnen, zu verhindern, wurde Peter geblendet.9 Peters Fluchtversuch in die Mark war nicht nur eine Folge seiner engen Bindungen an die bayerische und schwäbische Ritterschaft in Ungarn, sondern auch wegen der nach wie vor bestehenden Verschwägerung mit dem Markgrafen Adalbert eine logische Entscheidung.10 Hausmann erwähnt in seiner bekannten Studie zu Markgraf Siegfried, dass es im Herbst 1046 zu Kämpfen im Grenzbereich zu Ungarn gekommen sei. Angeblich hätten sich an diesen Auseinandersetzungen andere Leute als der Markgraf beteiligt.11 Diese Behauptung lässt sich nicht belegen, vielleicht handelt es sich um eine Verwechslung mit den von Bischof Gebhard von Regensburg geführten Kämpfen im Winter 1049/50.12 Wir haben allerdings gute Gründe daran zu zweifeln, dass Siegfried jemals die ihm zugedachte Aufgabe wahrgenommen hat. Dass die Kämpfe zwischen Andreas und Peter im Grenzraum unübersichtlich und gefährlich waren, erfährt man auch aus der erwähnten Schilderung des Niederaltaichers. In einem Traditionsstrang der ungarischen Geschichtsschreibung ist darüber hinaus davon die Rede, dass Andreas Krieg geführt habe mit den Bayern, den Böhmen und den Polen,

  8 Annales Altahenses maiores, 43. Hermann berichtet über die Ermordung und Beraubung der Ankömmlinge, die für König Peter gekämpft hatten. Herimanni Augiensis Chronicon, 680.   9 Simonis de Kéza Gesta Hungarorum, 178  ; Bilderchronik 1,59 und 2,121. 10 Mit Froiza war Adalbert erst nach 1051 verheiratet, denn in den beiden Urkunden NÖUB 1, 334 f., Nr. 25 und 336 f. Nr. 25a stand an der Stelle ihres Namens ein anderer. Es ist zu vermuten, dass jene Dame, deren Namen wir nicht kennen, die Schwester König Peters gewesen ist. Vgl. auch oben S. 97 ff. 11 Hausmann, Siegfried, 147. 12 Dazu ausführlich Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 2, 109 ff. bes. 111.

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diese besiegt und drei Jahre lang als tributpflichtig behandelt habe.13 Diese drei Jahre entsprechen in auffälliger Weise dem Zeitraum, in dem Heinrich III. an der ungarischen Grenze inaktiv war. Offenbar wurde der Plan einer Mark gegen Ungarn während der Kämpfe Peters und Andreas’ begraben – die neuen Verhältnisse, die seit der Krönung des neuen Königs herrschten, bezogen sich auch auf das Reich. Die Veränderungen waren Heinrich schon 1047 klar, als er den Erklärungen und Friedensschalmeien der Gesandten Andreas I. misstraute und auf die erste Gelegenheit wartete, gegen ihn vorzugehen.14 Varga hat aus dem Vorgehen Andreas’ gegen Peter eine Verpflichtung Heinrichs III. zur Unterstützung seines »Lehnsmanns« Peter abgeleitet.15 Trotz des Zusammenbruchs von Peters Herrschaft, womit an sich die Voraussetzungen einer Fortdauer des spezifischen Verhältnisses zwischen Heinrich und den Ungarn bzw. ihrem König geschwunden waren, blieben zunächst die 1044/45 einem »politischen« Augenblick geschuldeten Verhältnisse erhalten. Auf längere Sicht gesehen führten sie allerdings zu einer neuen Gestaltung der Beziehungen des ungarischen Königtums zu den abendländischen Mächten. Schon Andreas suchte die Nähe zur neuen universalen Macht des Westens, nämlich zum Papsttum.16 Das Verhalten Andreas’ I. gegenüber Heinrich ist zwiespältig  : In der schwierigen Phase der Konsolidierung der neu erworbenen Herrschaft machte er umfassende Zugeständnisse im Sinne der mit Peter bestehenden Bindungen (Tribut, Dienst etc.). Er reduzierte aber seine Angebote, sobald sich seine Lage besserte, und er sich teilweise recht erfolgreich gegen den König zur Wehr setzen konnte. Während von Markgraf Adalbert in den letzten Kämpfen gegen Aba keine Rede war und seit März 1045 bekanntlich ein Markgraf Siegfried im Grenzraum gegen Ungarn wirken sollte, tauchte Adalbert etwa 1050 wieder aus der Versenkung anlässlich des Wiederaufbaus der Heimenburg auf. D. h., er war direkt an der Grenze tätig. Diese Ereignisse seien ein wenig näher betrachtet. Hermann von Reichenau berichtet, dass König Andreas 1047 häufig Gesandte an den Kaiser geschickt habe. Er ließ durch sie beteuern, »er habe das Reich von den Ungarn nur gezwungen angenommen«, entschuldigte sich wegen der Gewalttätigkeiten gegenüber Peter, teilte mit, dass die Verschwörer gegen jenen von ihm erschlagen seien, zum Teil dem Kaiser ausgeliefert werden sollten, und trug dem Kaiser seine Unterwerfung (subiectio), jährlichen Zins und ergebene Dienstbarkeit an, wenn er ihm erlaube, das Reich zu behalten«.17 Varga arbei13 Simonis de Kéza Gesta Hungarorum, 178, Absatz 57  : Cum igitur Andreas diadema regnis suscepisset, cum Noricis, Boemis et Polonis guerram dicitur tenuisse, quos superans debellando tribus annis fecisse dicitur censuales. In späteren Darstellungen seit dem 14. Jahrhundert ist anstatt von Bayern von Austria die Rede. 14 Herimanni Augiensis Chronicon, 686, eine ausführliche Schilderung der Angebote des neuen ungarischen Königs an Heinrich III. Dazu unten 146. 15 Varga, Ungarn und das Reich, 115 und 116. Konkrete Zusammenhänge auch 120. 16 Varga, Ungarn und das Reich, 117 f. 17 Hermann von Reichenau, 686  ; Steindorff, Jahrbücher Heinrich  III. 2, 12 f. Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 261.

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König Andreas I. von Ungarn

tete aus dieser Sicht der Ereignisse heraus, dass Andreas die Hauptverantwortung für die Ereignisse im Jahre 1046 den ungarischen Großen zuschob, die gegen ihren Treueid von 1045 verstoßen hatten.18 Damit sei Ungarn zu einem meineidigen Land geworden, das die Rache des Kaisers herausforderte. Wenn wir die Angebote des Andreas bloß als leicht durchschaubare Taktik beurteilen, zielt das am Kern der Sache vorbei  : Die »nachhaltige« Annäherung der ungarischen Herrschafts- und Gesellschaftsverhältnisse an die kaiserliche Ordnung konnte auch durch die Beseitigung von Peters Herrschaft nicht verändert werden. Eine weitere Krise war durch die Umstände entstanden, unter denen Andreas an die Herrschaft gekommen war. Der reaktionäre Einfluss der Gegner Peters richtete sich auch gegen die christlichen Strukturen der ungarischen Ordnung Stephans des Heiligen. Bischöfe und Mönche wurden verfolgt und ermordet.19 Das förderte die Absicht des Kaisers, kompromisslos in Ungarn einzugreifen. Doch die Versprechungen Andreas’ ließen darauf hoffen, dass auch unter den gegebenen Umständen mit den Ungarn zu verhandeln war. In dieser Ambivalenz der Verhältnisse liegen die Gründe für die unterschiedliche Einstellung, wie man dem ungarischen König begegnen sollte. Für Adalbert und die Mark handelte es sich um eine Frage vitalen Interesses  : Konnte man den Nachbarn östlich der Leitha mit Verhandlungen beruhigen und die grundherrschaftliche Nutzung des Landes bis zur March und Leitha ausüben oder war man Aufmarschgebiet gegen einen lebens- und ordnungbedrohenden Feind  ? Andreas selbst sorgte trotz erfolgreicher Kämpfe gegen Heinrich III. dafür, dass die reaktionären Kräfte die Grundlage der westlichen Orientierung Ungarns nicht zerstören konnten. In einem Bericht der Vita des heiligen Gerhard heißt es, dass Andreas I. nach seiner Krönung, also etwa 1046/47, den Ungarn unter Androhung der Todesstrafe befohlen habe, heidnische Riten aufzugeben, sich zu Christus zu bekehren und entsprechend den Gesetzen König Stephans zu leben.20 Als Maßnahme in diesem Sinne lässt sich die Gründung der Abtei Tihany am Plattensee deuten, in der Andreas als christianissimus sceptrifer bezeichnet wird.21 Wir werden andererseits sehen, dass Otto von Freising noch 100 Jahre später ein durchaus ambivalentes Bild von der ungarischen Gesellschaft zeichnete.22 An der Entscheidung für einen Feldzug gegen Andreas waren auch einzelne Fürsten beteiligt. Schon Ernst Steindorff war der Auffassung, dass auch die 1047 auf dem Fürstentag in Speyer erfolgte Einsetzung Welfs  III. zum Herzog von Kärnten den Vorbe18 Varga, Ungarn und das Reich, 116. Der Niederaltaicher Annalist berichtet über diese Angebote des An­ dreas nichts, äußerte sich aber an anderer Stelle über die Betrübnis des Kaisers bezüglich der Machtergreifung des Andreas und das damit verbundene Ende der 1045 aufgerichteten Ordnung. Annales Altahenses maiores, 46, zum Jahr 1050. 19 Annales Altahenses maiores, 43  : Pontifices etiam terrae illius pene omnes hac sunt tempestate prostrati, necnon cum clericis monachorum nonulli. 20 Legenda S. Gerhardi SRH 2 508  ; Lohrmann, Benachbarte Kolektive 130. 21 Diplomata Hungariae Antiquissima 149 Nr. 43/I. 22 Zu der bekannten Schilderung der ungarischen Verhältnisse in den Gesta Friderici vgl. unten 276 ff.

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Ein neuer Nachbar

reitungen der Konfrontation mit Andreas diente.23 Hermann von Reichenau berichtet über Welfs Erhebung zum Herzog und setzt fort, dass Heinrich um dieselbe Zeit einen Zug nach Ungarn vorbereitete.24 Diese Vorbereitungen musste er aber abbrechen, da ihm währenddessen gemeldet wurde, dass Herzog Gottfried von Lothringen zusammen mit Graf Balduin von Flandern und anderen Fürsten im Westen einen Krieg gegen ihn vorbereite und bereits gegen die benachbarten Bischofssitze vorgegangen sei, um dem Kaiser zu schaden. So verschob Heinrich den Feldzug gegen die Ungarn. Die Verschiebung änderte aber nichts an seiner feindlichen Haltung. Weinfurter erwog die Möglichkeit, dass Heinrichs III. unversöhnliche Politik gegen Andreas I. sogar die Verschwörung des bayerischen Herzogs Konrad im Jahre 1052 auslöste.25 Der Adel Bayerns trug in erster Linie die Last der Kämpfe und einige dieser Herren waren an einer Friedenslösung interessiert (vgl. die Friedensverhandlungen, die Adalbert 1051 führte  !26), zumindest dann, wenn die Sicherung des Status quo wichtiger als die Erschließung neuer Einflussgebiete war. In dieser Unzufriedenheit lagen zum Teil die Ansätze zu den Divergenzen in der Ungarnpolitik, die später z. B. zwischen Angehörigen der Meginhard’schen Dynastie (Vornbacher) und Heinrich  IV. zu beobachten sind. Wir werden die verschiedenen Zielvorstellungen, in welchem Verhältnis die Ungarn zum Reich stehen sollten, im Detail behandeln. Zunächst steht aber noch eine andere Frage an  : Wie entwickelten sich in diesen Jahren die Herrschafts- und Besitzverhältnisse im Grenzgebiet gegen Ungarn unter dem Einfluss einer doch bedenklichen, vielleicht sogar bedrohlichen Lage  ? Während eines Aufenthalts in Regensburg, wo der Kaiser das Osterfest im April 1048 feierte, erhielt Abt Ratmund von Niederaltaich drei Königshufen am Unterlauf der Thaya, also etwa im Gebiet des bereits beschriebenen »Dreiländerecks«, wo sich die Interessen der Mährer, des nördlich der Donau tätigen ungarischen Fürsten und der bayerischen Mark der Babenberger überschnitten.27 Die südlich von Hohenau gelegenen Königshufen befanden sich in einem Gebiet, das seit 1043 wieder zum Reich gehörte. Die Hufen wurden, wie Erwin Kupfer jüngst bemerkte, keinem Komitat zugeordnet.28 Von einer Mark oder Grafschaft Siegfrieds ist in dieser Urkunde keine Rede. Offenbar herrschte nach dem Scheitern des Projektes 1045 noch keine klare Ordnung. In dieser exponierten Lage befanden sich auch benachbarte Güter eines Ulrich, Sohn des Grafen Tiemo I., eines Angehörigen der Sippe der Meginharde, die gegen Ende des Jahrhun23 Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 2, 14. 24 Herimanni Augiensis Chronicon, 684  : Per idem tempus [bezieht sich auf die Erhebung Welfs III.] cum expeditionem in Pannonias ad Petrum ulciscendum disponeret[…]. 25 Weinfurter, Herrschaft und Reich der Salier, 93. So auch Varga, Ungarn und das Reich, 123. 26 Varga, Ungarn und das Reich, 124. 27 NÖUB 1, 317, Nr. 23b, Kommentar 321  ; Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 2, 64  ; Kupfer, Weinviertel, 19 und 67. 28 Kupfer, Weinviertel, 19.

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derts als Vornbacher fassbar werden. Seine Besitzungen grenzten an die gegenständlichen Güter, die Heinrich  III. 1048 an Niederaltaich schenkte. Ulrich hatte demnach im heiklen Grenzbereich gegen Ungarn und Mähren Besitz, der aber auch an Güter von Niederaltaich grenzte. Es ist möglich, dass er Vogt von Niederaltaich war, was zur benachbarten Lage der beiden Güterkomplexe passen würde.29 Mit Sicherheit war sein Vater Tiemo einer der Grafen im Schweinachgau und wahrscheinlich auch Vogt dieses Klosters. 1040 wurde Tiemo in einer von Niederaltaicher Mönchen geschriebenen Urkunde als praeses noster, also als »unser Graf« bezeichnet.30 In dieser Urkunde erhielt das Kloster die Kirche von Richnach, deren Güter in den benachbarten Grafschaften Markgraf Adalberts und Tiemos lagen. Die Grafschaften gehörten, so wie Niederaltaich selbst, zum Schweinachgau. Inhaber der Grafenrechte in einer der Grafschaften war damals Markgraf Adalbert.31 Nicht zu klären ist die Frage, wie weit der Schweinachgau im Osten reichte. Die Sache ist insofern von Interesse, als nördlich der Donau im heutigen Oberösterreich befindliche Gebiete zur Mark Adalberts gehörten. Wir erkennen aus der geschilderten Situation  : Die späteren Vornbacher wirkten mit den Babenbergern aufs engste zusammen – Grafschaften und Vogteirechte teilten sie im Raum zwischen Regensburg und Passau unter sich auf und Niederaltaich kam dabei eine bedeutende Rolle zu. Und diese Konstellation spiegelte sich in den Verhältnissen des nordöstlichen Weinviertels an der Schwarza im Grenzraum zum Nitraland und Mähren. Für die Frage des Verhältnisses des Markgrafen in Ostarrîchi zu Bayern ist von Bedeutung, dass möglicherweise im Zusammenhang mit dem Tod Adalberts 1055 sich die Babenberger aus dem niederbayerischen Donauraum zurückzogen.32 Seine Grafschaft im Schweinachgau lag im bayerischem Wald, einem Teil des Nordwaldes. Es handelte sich um eine Grenzgrafschaft, wo er wohl schon 1010 wirkte.33 Wir müssen die Aufgaben Adalberts an der ungarischen und böhmischen Grenze differenziert beurteilen, dürfen sie aber nicht isoliert betrachten. Etwa 1050 ist Ulrich als Zeuge in einer Geisenfelder Tradition genannt.34 Wenn wir uns an den Bericht aus Niederaltaich über die Heldentaten Adalberts und seines Sohnes Leopold im Jahre 1042 erinnern, sehen wir in dieser Konstellation in Niederaltaich und im Schweinachgau ein Beispiel für ein frühes Zusammenwirken von Meginharden und Babenbergern, in dem sich die Besitzverhältnisse an der March spiegeln. Diese Funk29 NÖUB 1, 317 ff., Nr. 23b  ; Kupfer, Weinviertel, 19  ; zur Vogtei Loibl, Herrschaftsraum 373  ; NÖUB 1, 321. 30 MGH D Heinrich III. 33 Nr. 25  ; Loibl, Herrschaftsraum, 140. Die Interpretation, er sei hier als Vogt genannt, ist zu überdenken. 31 MGH D Heinrich III. 33 Nr. 25  : Bona vero ista in Sueinikgouva sunt sita, in comitatibus Adalberti marchionis et Dieotmari presidis […]. Neukam, Die Frauen, 19 f. 32 Loibl, Herrschaftsraum, 263. 33 MGH D Heinrich II. 252 Nr. 215  ; Loibl, Herrschaftsraum, 261. 34 Monumenta Boica 14 183 Nr. 5.

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tionen und die Besitzverteilung zeigen, warum der Niederaltaicher Annalist von den »Unsrigen« nicht nur als Bayer spricht. Grundherrschaften schaffen bei der Bewältigung kollektiver Aufgaben (z. B. das Graben eines Mühlbachs) durch ihre rechtliche, soziale, finanzielle und bewaffnete Organisation ein Wir-Bewusstsein und begründen damit ein starkes Gefühl von Zusammengehörigkeit, das auch durch religiöse Gewohnheiten, die sich etwa in einem benachbarten Kloster ausbildeten, eine besondere Ausformung erhielt. Das Studium der Hof- und Ministerialenrechte, die im 11. Jahrhundert entstanden, erlaubt in einzelnen Fällen einen genauen Einblick in die von der Organisation abhängigen, mental bestimmten Verhaltensweisen der zu den Grundherrschaften zugehörigen Personen.35 Die Vornbacher treten in der Mitte des 11.  Jahrhunderts in der Mark deutlich als Träger von Aufgaben im Grenzbereich hervor. Dazu gehört auch die Erwähnung von Ulrichs Bruder Meginhard, der im Kamptal und wohl auch in der Gegend um Spitz in der »Etappe« eine wichtige Rolle spielte.36 Festgehalten sei die Tatsache, dass 1048 Bischof Gebhard III. von Regensburg die Schenkung an Niederaltaich als Bittsteller bei seinem Neffen, dem Kaiser, unterstützte.37 Unter Umständen handelt es sich um einen Fingerzeig auf kriegerische Absichten des Bischofs, die anderthalb Jahre später an der ungarischen Grenze nachzuweisen sind.38 Sein Interesse an der Grenzlandschaft ist jedenfalls bemerkenswert. Nach dem 1047 aufgegebenen Feldzugsplan des Kaisers gegen Ungarn hatte Heinrich längere Zeit keine Gelegenheit, die damals erwogenen Maßnahmen zu verwirklichen. Die Gesamtlage war für kriegerische Unternehmungen ungünstig und im Augenblick auch kein überzeugender Grund zum Losschlagen gegeben. Das änderte sich Ende des Jahres 1049, als Bischof Gebhard III. Krieg an der ungari­ schen Grenze führte. Hermann von Reichenau berichtet zum Jahre 1050, dass sich Gebhard im ungarischen Grenzgebiet aufhielt, in Ungarn eindrang und Beute machte. Ein riesiges Heer der Ungarn fiel daraufhin in »unser« Gebiet ein39 und damit sind wohl die östlichen Ausläufer der bayerischen Mark gemeint. Bemerkenswert ist die Beschreibung eines Gebietes als fines nostri  : Das Wir-Bewusstsein wird an dieser Stelle durch eine topographische und nicht durch eine personenbezogene Kategorie ausgedrückt. Zu dieser Zeit hatte sich die Ungarnmark bereits als »Fehlplanung« erwiesen, da Markgraf Siegfried nach Hausmanns Einschätzung bereits ins Pustertal gegangen war.40 Der Kai35 Hofrecht der Wormser Kirche, 660  ; zu Niederaltaich vgl. z. B. die Aufgaben eines Vogtes. Dendorfer, Die Abtei und ihre Vögte, 93 f. 36 Lohrmann, Herrschaftsverhältnisse, 119  ; dazu auch Zehetmayer, Niederaltaich, 167, mit Anm. 123. 37 NÖUB 1, 317, Nr. 23b  : […] rogatu quoque venerandi Ratisponensis episcopi Gebehardi […]. 38 Neben Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 2, 111 vgl. die Bemerkung Kupfer, Weinviertel, 357, mit Anm. 3117. 39 Hermanni Augiensis Chronicon, 690. Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 2, 110 f., datiert Winter von 1049 auf 1050. 40 Hausmann, Siegfried, 147.

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ser selbst musste in irgendeiner Weise tätig werden, da er ja auch nach dem Bericht aus Niederaltaich die Herrschaft Andreas’ in Ungarn für Unrecht hielt. Bösewichter hätten ihm Ungarn entzogen, das durch Gottes Gericht unter seine Herrschaft gekommen war. Deshalb berief König Heinrich Mitte Juli 1050 die bayerischen Fürsten nach Nürnberg, um sich mit Ihnen über die weitere Vorgangsweise zu beraten.41 Diese beschlossen, die Haimenburg wieder aufzubauen. Ein Vorgängerbau wurde, wie bereits erwähnt, 1042 durch Heinrich III. oder von Ungarn, welche die Burg besetzt hielten, zerstört.42 Steindorff meint aber, dass die Heimenburg nach der Einsetzung Peters 1044/45 wieder aufgebaut worden war und die neue Burg im Zuge der Unruhen im Winter 1049/50 von den Ungarn zerstört wurde.43 Nach dem Nürnberger Beschluss übernahmen Mitte September 1050 bayerische Bischöfe und Fürsten (Grafen) unter der Führung Bischof Gebhards III., des bayerischen Herzogs Konrad und des Markgrafen Adalbert den Wiederaufbau der Heimenburg.44 Die Mitwirkung Adalberts lässt darauf schließen, dass er im Grenzgebiet seine Funktion wieder ausübte. Mit der Wiedererrichtung der Burg kamen im Reich und natürlich besonders in Bayern wohl auch Gespräche über die künftige Beziehung zu Ungarn in Gang. Die aggressive Vorgangsweise des Kaisers gegen Andreas in den nächsten Jahren und die erwähnte Bemerkung des Niederaltaicher Annalisten über Heinrichs »Gott gegebene« Herrschaft in Ungarn zeigen, dass es um eine Unterordnung Ungarns ging. Der Bericht über die Nürnberger Motive zur Wiederrichtung des Heimenburg ist ganz klar  : Die kaiserliche Hegemonie verwirklichte die göttliche Ordnung. Die wichtigsten Mitwirkenden waren zunächst der jüngst eingesetzte Herzog von Bayern, der Bischof von Regensburg und der »österreichische« Markgraf. Offenbar waren die Beteiligten voller Hoffnung, die Zustände nach König Peters zweiter Thronbesteigung 1044/45 rasch wieder herstellen zu können. Doch die folgenden Unternehmungen bereiteten Mühe und verliefen unerfreulich. Die Probleme begannen schon mit dem Burgenbau. In Niederaltaich wusste man, dass die Bauleute beim Burgenbau von Bewaffneten beschützt wurden. Es handelte sich um eine kleine Gruppe von Kriegern, ausschließlich aus Bayern bestehend, die sich in gefährlichen Umständen bewährten. Am 22. September 1050 überfielen Ungarn das Lager der Bayern (der Unsrigen). Der Pfeilhagel, der sich über die Zelte ergoss – in ein Zelt schlugen mehr als 200 Pfeile ein –, illustriert die ungarische Kriegsführung. Die Bayern hingegen gingen nach ein paar Tagen in »geschlossener Schar« zum Gegenangriff über. Wieder einmal besiegten wenige Bayern ein 41 Annales Altahenses maiores, 46. 42 Hermanni Augiensis Chronicon, 674 spricht konkret von der Heimenburg und der Brezesburg. Anders ist der in den Annales Altahenses maiores, 32, erwähnte Sachverhalt nicht zu erklären. Die beiden Burgen wurden als nächstgelegen von der bayerischen Mark bezeichnet, lagen also damals im ungarischen Bereich. 43 Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 2, 111. 44 Hermannn von Reichenau, Chronik, 692  : Gebehardus Ratisponensis episcopus cum Counrado duce Baioariae et Adalberto marchione […] Heimenburg reaedificant  ; Steinbach, Jahrbücher Heinrich III. 2, 111.

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angeblich unermessliches Heer der Ungarn.45 Als göttliche Zeichen deutete man nicht nur die Windrichtung, die einen Brand der neuen Burg verhinderte, sondern auch das Erscheinen einer Turteltaube, die während der Kämpfe um die Mauern flog. Die Turteltaube gilt nicht nur als Symbol für Liebe und Treue, sondern auch für einen Abwehrzauber, der in diesem Fall recht passend wäre.46 Der bayerische Gegenangriff in unum conglobati wurde, wenn wir den soziostrukturellen Wurzeln der Zusammensetzung des Heeres folgen, von Berufskriegern geführt. Im gegenständlichen Fall müssen wir mit »Vasallen« des Regensburger Bischofs, des Herzogs von Bayern und des Markgrafen rechnen. In diesen exponierten Kämpfen des Jahres 1050 lässt sich noch keine Exklusivität der markgräflichen Krieger im Grenzeinsatz erkennen. Allein aus praktischen Gründen dürfen wir aber annehmen, dass die Leute aus der Mark zahlenmäßig am bedeutendsten waren, und zwar unabhängig davon, wer ihr Gefolgschaftsherr war. So dürfen wir bezüglich der Regensburger einen Kämpferverband von bischöflichen Leuten, wohl schon Ministeriale, vermuten, die im Gebiet an der March Grundherren waren und mit den strategisch-topographischen Verhältnissen vertraut waren.47 Das etwa 1057/1063 aufgezeichnete Recht der Ministerialen des Bischofs von Bamberg im Haager Raum gibt uns in diesem Punkt einen wichtigen Fingerzeig.48 Wir kennen in einzelnen Fällen in Umrissen die Organisation der Regensburger Grundherrschaften im 11. Jahrhundert im Gebiet der Babenberger. Überlieferungsprobleme der Quellen und fehlende nähere Angaben erschweren allerdings die Entwicklung konkreter Vorstellungen. Im Weinviertel war ein Richwin begütert, der zum Gefolge Bischof Gebhards gerechnet wird.49 Sein Besitz, den er als Lehen besaß, lag in unmittelbarer Nähe »ungarischer Gemarkungen«, also im Grenzgebiet und im Umfeld weiterer Regensburger Güter. Wir werden von Richwin noch hören.50 Die hier angeschnittene kurze Betrachtung führt aber wieder zu der grundsätzlichen Überlegung unserer Darstellung  : Diese Kriegerverbände, seien sie nun Edelfreie oder Dienstleute, konnten nur im Umfeld funktionierender Grundherrschaften mit Nutzung von Immunitäts- und Vogteirechten und all jener Einnahmen, die sich aus den königlichen Aufträgen in der Mark ergaben, ihren Aufgaben nachkommen. Alle diese organisatorisch notwendigen Einrichtungen wirtschaftlicher und strategischer Natur, auch des Hinterlandes, prägten das alltägliche Verhalten, im Sinne von eigenem Charakter. Die besondere Bedeutung des Markgrafen in diesem Herrschaftsgefüge teilweise sogar fürstlicher Grundherren hielt der Zeitgenosse Lampert von Hersfeld mit seinen Erinne45 Annales Altahenses maiores, 46  : tandem in unum conglobati obviam iverunt. Zur Kriegsführung der Franken und Ungarn Auer, Kriegswesen, 17. 46 Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 8, col. 696. 47 Kupfer, Weinviertel, 21 f. 48 NÖUB 1, 353 ff., Nr. 27a. 49 NÖUB 1, 369. Kupfer, Weinviertel, 21 f. 50 Siehe unten 165.

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rungen an den heldenhaften Markgrafen Ernst und Otto von Freising 100 Jahre später mit seinem berühmten Urteil über »Adalbert den Siegreichen« fest.51 Die eindeutige topographische Festlegung der wieder errichteten Heimenburg bereitet dem modernen Betrachter einige Probleme  : Wo nämlich die wieder erbaute oder neuerbaute Burg stand, lässt sich nicht eindeutig klären. Die alte Wallburg lag im heutigen Deutsch-Altenburg, die neuere Burg befand sich und ihre Ruine liegt heute noch auf dem Schlossberg im Süden der Stadt Hainburg. Trotzdem ist es möglich, dass die Burg zunächst am alten Standort wieder errichtet wurde. Weder die archäologischen und baugeschichtlichen Befunde noch die schriftlichen Nachrichten reichen für eine sichere Klärung dieser Frage aus.52 Die günstigere Position des neuen Standortes im Verhältnis zu Pressburg, die Weltin herausgestrichen hat, ist eines der Argumente, die vielleicht doch für den Schlossberg sprechen. In diesem Zusammenhang gelangen wir allerdings zu der bereits ausführlich erörterten Frage, welche Bedeutungen Burgen und die an ihrem Fuße gelegenen Städte (suburbia) für kriegerische Auseinandersetzungen im Grenzgebiet hatten. Bezüglich Pressburgs sei darauf hingewiesen, dass es häufig das Ziel von Vorstößen des »ostfränkischen« Königs in Auseinandersetzungen mit den Ungarn war. Hermann von Reichenau berichtet bezüglich der Kämpfe, dass Gebhard, Konrad und Adalbert an der Niederwerfung der Angreifer beteiligt waren. Konrad genoss damals das Vertrauen des Kaisers. Er stammte aus der mächtigen lothringischen Dynastie der sogenannten Ezzonen.53 Nach den Berichten aus Niederaltaich und der Reichenau hatte Heinrich III. 1049 Konrad in Bayern als Herzog eingesetzt  ;54 kurz zuvor war sein Bruder Otto als Herzog von Schwaben gestorben. An den ungarischen Verhältnissen war Konrad/Kuno persönlich interessiert, da seine Base mit Béla, dem Herzog von Nitra und späteren König verheiratet war.55 Ihren Namen kennen wir nicht, ihre Mutter war aber jene Richenza, die infolge des Friedens von Bautzen 1013 den polnischen Piasten ­Mieszko  II. Lambert heiratete und damit die Schwiegertochter Boleslaw Chrobrys wurde.56 Die durch die folgenden Ereignisse abnehmende Begeisterung der bayerischen Führung an ungarischen Feldzügen betraf auch den Herzog, dessen Kritik an den Feldzügen in einer feindseligen Haltung gegen den Scharfmacher an der ungarischen Grenze, Bischof Gebhard, ihren Ausdruck fand. Hóman scheint vor allem am Beginn des Krieges (Feldzug 1051) die ungarnfreundliche Haltung des bayerischen Herzogs zu

51 Lamperti Annales, 219, zu 1075  ; Ottonis episcopi Frisingensis chronica Lib. VI cap. 15, 275. 52 Dazu Weltin Ascherichsbrvgge, 349, bes. Anm. 75  ; darauf aufbauend und in kritischer Auseinandersetzung Scholz, Hainburg, 27 ff. 53 Kimpen, Ezzonen und Hezeliniden, 4–6, zur Bedeutung und zum umfangreichen Besitz  ; Hlawitschka, Die Verwandtenehe, 19–51. 54 Annales Altahenses maiores, 45, und Herimanni Augiensis Chronicon, 689. 55 Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 262. 56 Hlawitschka, Königin Richza von Polen, 471.

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überschätzen. Im Folgenden wollen wir die schrittweise Veränderung in der Haltung Konrads im Auge behalten. Im August 1051 befand sich Heinrich III. auf dem Weg nach Ungarn, als er Maria Himmelfahrt in Passau feierte und ein Marktprivileg für Metten ausstellte. Metten lag im Donaugau in der Grafschaft Adalberts, des österreichischen Markgrafen.57 Daraus kann eine Anwesenheit Adalberts in Passau nicht mit Sicherheit erschlossen werden. Der sich anschließende Feldzug gegen die Ungarn wurde vom Altaicher Annalisten als beschwerliche und mühsame Heerfahrt beschrieben.58 Damit ist zur Genüge ausgedrückt, dass die Unternehmung für Heinrich III. keineswegs glanzvoll verlief. Die genaue Beschreibung der Ereignisse liefert über unsere Kernfragestellung hinaus wertvolle Erkenntnisse zu den Bedingungen, unter denen ein solcher Feldzug stattfand. Offenbar etwas stromabwärts von der Heimenburg schickte der Kaiser den Bischof Gebhard, den bayerischen Herzog Welf und den böhmischen Herzog Břetislav über die Donau nach Norden. Scholz vermutet, wie schon erwähnt, zwischen Hainburg und Pressburg einige Furten, die den Übergang über die Donau ermöglichten.59 Der Böhme Břetislav war ja, wie wir bereits gehört haben, in militärischen Aktionen am Nordufer der Donau erfahren. Břetislavs Teilnahme führt zu der Nachricht, nach der Heinrichs Heer zahlenmäßig groß und vielfältig zusammengesetzt war. Der Niederaltaicher Annalist berichtet von Bayern, Langobarden, Sachsen, Schwaben, Franken und Slawen im Heer.60 Ob sich Herzog Konrad an der Unternehmung beteiligte, wissen wir nicht. Hermann erwähnt Polen im Heer des Kaisers, eine Nachricht, welche die Frage aufwirft, wie sich Béla, der Bruder Andreas’ mit engen Beziehungen nach Polen, in dieser Konfrontation verhielt  ? An der erwähnten Zusammensetzung des kaiserlichen Heeres zeigt sich, dass unter Führung des Kaisers die »großfränkischen« Traditionen noch immer aktiviert werden konnten. Die Art der Hegemonie stellte einen Reflex auf die alte Lebensordnung im lateinischen Westen dar. Die Ordnung des fränkischen Großreichs war zerfallen – es scheint aber eine Erinnerung an die »fränkische Welt« gegeben zu haben. Doch fiel die praktische Bewältigung der Herausforderungen, welche die »Unterworfenen« stellten, nicht leichter. Dieses Macht- und Ordnungsgefüge stand noch immer hinter der Mark der Babenberger, wenn sich auch ein neues Verständnis vom Reich ausbildete, das von einem für die Zeit spezifischen fürstlichen Widerspruch geprägt sein konnte, wie wir im Folgenden sehen werden. Der Kaiser selbst blieb im Süden der Donau. Starke Regenfälle verursachten Überschwemmungen, die das Heer zu einer Umgehung der ungangbaren Gebiete im Süden zwangen. Hermann von Reichenau berichtet von einem Umweg per Carentani fines, die 57 MGH D Heinrich III. 376, Nr. 275  ; Juritsch, Babenberger, 64. 58 Annales Altahenses maiores, 47 f., 1051/52. 59 Scholz, Probleme, 66. 60 Annales Altahenses maiores, 47.

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ich aus Gründen der topographischen Stimmigkeit mit Hóman eher als karantanische Mark denn als Kärnten interpretieren würde.61 Die Versorgung des Heeres, das nach Hermanns ausführlichem Bericht groß war,62 erfolgte durch Lastpferde, mit denen die Verbindung zu den Schiffen auf der Donau hergestellt wurde. Auf den Schiffen befanden sich die Nahrungsmittel für das Heer.63 Der Transport scheint aber mit der Dauer des Feldzugs immer schlechter funktioniert zu haben, denn im Heer breitete sich Hunger aus. Der Kaiser entschloss sich zu einem ruhmlosen Rückzug, den Hermann in seinem Bericht allerdings mit einigen Heldentaten im kaiserlichen Heer etwas freundlicher darzustellen versucht. Über die Akteure der Unternehmung im Norden der Donau, an der Bischof Gebhard beteiligt war, berichtet Hermann, dass sie nach erfolgreichen Kämpfen in die Heimat zurückgekehrt waren. Er verschwieg aber, dass Gebhard durch einen auf Kaiser Heinrich gefälschten Brief listig zur Heimkehr veranlasst wurde.64 Ferner versuchte Hermann, die an sich trostlose Lage mit einem tendenziös dargestellten Detail zu verschleiern. Andreas habe nämlich »von unserem Markgrafen Adalbert« den verlangten (erbetenen) Frieden übermittelt bekommen. Der ungarische König wurde als Bittsteller dargestellt, wenn wir den etwas nebulos formulierten Text richtig verstehen. Daran fügte sich die Feststellung, dass sich Andreas und Adalbert den Frieden wechselseitig gewährten. Es existiert eine Übersetzungstradition dieser Stelle seit 1851,65 die zu folgender aktuellen Fassung führte  : »da schickte König Andreas und erbat von unserem Markgrafen Adalbert den Frieden und gewährte ihn von seiner Seite.« Offenbar war die Konstellation zwischen dem Kaiser und dem ungarischen König so vielschichtig und vertrackt, dass unser Gewährsmann im Unklaren war, was im Einzelnen vor sich gegangen war. Weniger an unklaren Details orientiert ist die Aussage der Melker Annalen, wo es lapidar heißt, dass König Andreas und Markgraf Adalbert Frieden geschlossen hätten.66 61 Herimanni Augiensis Chronikon, 694, mit der Übersetzung »Umweg durch das Kärntner Land«. Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 263. Seine genaue Wegbeschreibung ist durch die Quellen nicht gedeckt, doch die Interpretation »er (Heinrich  III.) zog durch die Steiermark« trifft wohl das Richtige. Weltin meint, dass der Umweg durch das Pittener Gebiet führte und das Heer dann die Raab-RabnitzVerhagungen überwand. NÖUB 1, 282. 62 Über den Niederaltaicher Annalisten hinaus berichtet Hermann auch von Burgundern im Heer Heinrichs III. Herimanni Augiensis Chronicon, 694. 63 Zur Bedeutung der »Lebensmittelschiffe« Scholz, Probleme, 68, 70 f. 64 Die Schreiben vom September 1051 (Gebhard an den Kaiser, vorgeblich der Kaiser an Gebhard) Diplomata Hungariae Antiquissima, 140 und 141, Nrn. 39 und 40. Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelaters 1, 264  ; Bilderchronik 1,62 und 2,123, 149 f. fälschlich zum Jahr 1053. 65 Herimanni Augiensis Chronicon, 694 f. Übersetzt von K. Nobbe (Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, 42, Leipzig 1941, 50  : »so schickte der König Andreas und ließ unseren Markgrafen Adalbert um Frieden bitten und ertheilte solchen dagegen seinerseits.« Es handelt sich um Karl Friedrich August Nobbe (1791–1878), der die Übersetzung erstmals 1851 vorlegte. Zu ihm Allgemeine Deutsche Biographie, 23, Leipzig 1886, 749 f. 66 Annales Mellicenses, 498  : Andreas rex et Adalbertus marchio pacificantur.

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Andreas begann die Verhandlungen mit Adalbert, nachdem Gebhard, Welf und Břetislav, die wahrscheinlich die führenden Kriegstreiber waren, den Kriegsschauplatz verlassen hatten. Herzog Konrad wird von Hermann nicht erwähnt, der Niederaltaicher benennt keinen Teilnehmer an dem Feldzug namentlich. Da auch der Kaiser heimgekehrt war, stand zunächst der Markgraf dem ungarischen König als Gesprächspartner zur Verfügung. Die Verhandlungen wurden wohl mit Wissen des Kaisers geführt, denn andernfalls hätte der in solchen Fragen übersensible Heinrich wahrscheinlich unangenehm reagiert. Auch die Berichterstattung Hermanns, der ja die Politik des Kaisers in günstigem Licht darstellte, ist Adalbert gegenüber freundlich. Für den Reichenauer Mönch war er an der genannten Stelle des Berichts »unser Adalbert« (Andreas rex a nostro marchione Adalberto […]) und in den ungarischen Angelegenheiten »zuständig«, wenn dieser heutigen Verhältnissen angepasste »Beamtenjargon« erlaubt ist. Im Munde eines nachdenklichen Mannes vom Bodensee könnte »unser« Adalbert bedeuten, dass er von Hermann als Franke – Ostfranke – Deutscher betrachtet wurde und als solcher gegenüber Andreas handelte. Hätte Adalbert dies nicht als königlicher Markgraf getan, sondern als Bayer (Markgraf der bayerischen Mark), hätte er vermutlich nicht recht in Hermanns Wir-Vorstellung gepasst. Dabei ist nicht auszuschließen, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, dass der Kaiser den Markgrafen Adalbert in Bayern als secundus a duce, als den zweiten nach dem Herzog betrachtete. Trotzdem hatte Heinrich III. mit seiner Absicht Erfolg, bayerische Herzoge zu bestellen, die auf mächtige Leute im Land und seiner Umgebung keinen oder nur sehr wenig Einfluss hatten. Das waren wohl die Voraussetzungen für eine zunehmende Selbständigkeit der Mark, die im Angebot des ungarischen Königs an den Markgrafen erkennbar werden. Das Schweigen über Konrad könnte man als Hinweis betrachten, dass sich der Herzog aus der Umgebung des Kaisers zurückgezogen hatte. Nach den Forschungen von Althoff,67 dass ein solcher Rückzug eine kritische Haltung zu den Absichten des Herrschers ausdrückte, scheint Konrad seine weitere Mitwirkung an künftigen Aktionen gegen Ungarn bereits damals überdacht zu haben. Steindorff nennt das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Andreas und Adalbert wenig differenziert einen »österreichisch-ungarischen« Sonderfrieden, der einen ersten Schritt zu einem Frieden mit dem Kaiser hätte bedeuten können.68 Das für den ungarischen König günstige Ergebnis des Feldzugs von 1051 veranlasste ihn, seine zunächst weitgehenden Zusagen zu reduzieren. Heinrich III. entschloss sich daher zu einem weiteren Feldzug gegen Andreas. Anfang Juli 1052 hielt sich der Kaiser in Regensburg auf, zog nach Passau weiter und stellte am 24. Juli in Persenbeug eine Urkunde aus.69 Wenige 67 Althoff, Spielregeln, 29 f. 68 Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 2, 179. 69 MGH DD Heinrich III. 401 Nr. 296, 406 ff. Nrn. 298 und 299 (Regensburg)  ; 408 f., Nr. 300 (Passau)  ; 409, Nr. 301  : (Persenbeug).

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Tage später begann er, Pressburg zu belagern. Aufmerksamkeit verdient die Beschreibung der Lage der Burg  : in finibus utriusque regni. Ob dieser Formulierung eine akribische Wortwahl zugrunde lag oder wir mit einer »eingeschliffenen« Gewohnheit rechnen müssen und auf diese Weise eine politisch-geographische Einheit als regnum bezeichnet wurde, ist nicht völlig klar. Denn auch hinter einer sprachlichen Gewohnheit steht zumindest eine Denkfigur aus einer der vielen Schichten der Vergangenheit. Die diesbezügliche Argumentation lässt immer einen gewissen Spielraum zu. Es ist eine richtige Beobachtung, dass eine Abhängigkeit des ungarischen Königs vom ostfränkischen König erst 1044/45, also nach der Auseinandersetzung bei Menfö konstruiert wurde. Zuvor waren diese durch den Eid der ungarischen Fürsten oder durch die Beschreibung als Präkarie/Lehnssymbolik ausgedrückten Bindungen noch nicht vorhanden. Das Verhältnis Böhmens zum großfränkischen Imperium Karls des Großen und Ludwigs des Frommen und dann zum ostfränkischen Reich war enger, nach der überwiegend vertretenen Lehre sogar ein Lehnsverhältnis.70 Trotzdem finden wir in den Annalen von Niederaltaich zum Jahre 1040 die Nachricht, dass Heinrich III. dem r e g n u m Boemicum den Krieg an­sagte.71 Nach Herwig Wolfram musste die Wahrnehmung eines eigenen regnum nicht einer Lehnsbindung widersprechen.72 Die pax, über die Hermann am Ende des Feldzugs von 1051 berichtet, war wahrscheinlich ein Waffenstillstand bis zum nächsten Jahr, dessen Inhalt wohl im Verzicht auf Überfälle von regionaler Bedeutung bestand. Was Herzog Konrad betrifft, ist es durchaus möglich, dass die schweren Kämpfe bei der Erbauung der Heimenburg im Jahre 1050 eine kritische Haltung gegenüber der aggressiven Vorgangsweise gegen Ungarn ausgelöst hatten und er sich am Feldzug 1052 nicht mehr beteiligte. Wir wollen die Beschreibung der Lage Pressburgs von 1052 trocken übersetzen  : die Burg lag an der Grenze beider Länder (des Reiches und Ungarns). Eine neuerliche Eroberung oder Zerstörung Pressburgs schien geboten, um die Weiterfahrt der kaiserlichen Donauflotte zu ermöglichen und eine gefährliche Massierung ungarischer Krieger oder ihrer Grenzwächter an einem befestigten Ort zu verhindern.73 Die Belagerung dauerte nach ungarischen Berichten zwei Monate und wurde von Schiffen aus geführt.74 Aus einer ungarischen Chronik des 14.  Jahrhunderts stammt eine an ein modernes Agentenkunststück erinnernde Geschichte über einen Zothmund, der ein erfahrener Schwimmer und Taucher war und unter Wasser die kaiserlichen Schiffe 70 Z. B. Žemlička, Dux »Boemorum«, 101, mit Anm. 19. 71 Annales Altahenses maiores, 23  : rex (Heinrich III.) bellum indixit Boemico regno. 72 Wolfram, Die ostmitteleuropäischen Reichsbildungen, 77  : »Die Reiche der Böhmen, Polen und Ungarn waren eigenständige Regna, und zwar unbeschadet des Umfangs und der Dauer lehnsrechtlicher Bindungen an den Herrscher des ostfränkisch-deutschen Reiches.« Das meist vom Großkönig ausgeübte Recht der Zustimmung zur Wahl des Fürsten rückte Böhmen vergleichsweise näher an das Reich. 73 Die starke Besetzung der Pressburg durch die Ungarn als Grund für die Belagerung führt an  : Riezler, Geschichte Baierns 1, 467. 74 Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 2, 180 f.

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anbohrte und zum Sinken brachte.75 Auf der bekannten Darstellung dieser ungewöhnlichen Unternehmung ist nicht nur der offensichtlich ratlose Kaiser Heinrich abgebildet, sondern auch der Taucher dargestellt, der an einer Art Taucherbrille zu erkennen ist.76 Schünemann hat in einer knappen Untersuchung zur Ungarischen Bilderchronik diese Erzählung aus einer Volkstradition hergeleitet. Ferner hielt er die Belagerung von der Donau aus für aussichtslos, da der Südhang des Berges kaum überwunden werden konnte. Auch seien damals Schiffe nicht für Belagerungen eingesetzt worden, sondern nur als Transportschiffe.77 Dieses Urteil deckt sich im Wesentlichen mit den chronologisch näherstehenden Berichten. Obwohl wir solche Details erfahren, wissen wir nicht, wer aus der Mark an der Belagerung teilnahm. Das Eingreifen des Papstes Leo IX., um den Frieden herzustellen, führte letztlich zu einem neuerlichen Rückzug des Kaisers, dessen Regierungstätigkeit in dieser Zeit deutlich Züge des Scheiterns trägt.78 Noch im selben Jahr wurden auch die Konturen eines Konflikts um den bayerischen Herzog Konrad sichtbar. Egon Boshof arbeitete Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts in mehreren Untersuchungen heraus, dass Heinrich  III. gegen Ende seiner Regierungszeit einer wachsenden Opposition mehrerer Fürsten gegenüberstand. Nicht zuletzt rief er durch Misserfolge ein Murren unter ihnen hervor. Der unrühmliche Ausgang des Ungarnfeldzugs 1052 begünstigte die Opposition »bestimmter Kreise des bayerischen Adels« gegen die Ungarnpolitik des Kaisers.79 Zielscheibe dieser Opposition war Bischof Gebhard III. von Regensburg, dessen feindliche Haltung gegenüber dem ungarischen König wir bereits kennengelernt haben. Gebhards Hauptgegner war der bayerische Herzog Konrad, der sich gegen Heinrich III. stellte und nach seiner Absetzung 1053 nach Ungarn flüchtete und von dort aus weiter Einfluss auf die bayerische Opposition ausübte. Aus diesen Verhältnissen zog Boshof einen auch für unsere Fragestellungen wichtigen Schluss. Eine Adelsgruppe um Konrad strebte einen Ausgleich mit Ungarn an. Zu ihr gehörten unter anderen die Grafen von Scheyern, Pfalzgraf Aribo und sein Bruder Poto, und später ergriff auch der Herzog von Kärnten Welf III. Partei für den abgesetzten Konrad.80 Wieder stellt sich die schon einmal angeschnittene Frage, ob tatsächlich das Herzogtum Kärnten von den schweren Kämpfen betroffen war. Zentrales Ereignis im Zuge eines Feldzugs unter Konrads Führung war die Eroberung der Hengist­ burg  – ein strategisch wichtiger Punkt in der karantanischen Mark. Im Rahmen der Diskussion über die Ungarnpolitik der bayerischen Adelsopposition fährt Boshof fort  : 75 Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 2, 181 Chronici Hungarici Compositio, 346. 76 Bilderchronik 1, 61. 77 Schünemann, Die Deutschen in Ungarn, 142 f. 78 Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 2, 180 f. Resignierend der Bericht aus Niederaltaich, Annales Altahenses maiores, 48  : Rursus ad Ungros expeditio, sed nihil honoris vel utilitatis adquisitum regno. 79 Boshof, Das Reich in der Krise, 280. 80 Boshof, Das Reich in der Krise, 281, ders., Das Reich und Ungarn, 54.

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»damit ließe sich auch einleuchtend erklären, dass es dem Markgrafen Adalbert von Österreich bereits 1051 einmal gelungen war, einen Separatfrieden mit König Andreas abzuschließen.«81 Die kritische Betrachtung der näheren Umstände gibt hinsichtlich der Haltung des Kaisers zu denken  : Der Feldzug im Jahre 1051 fand nach dem Bericht Hermanns von Reichenau im Herbst statt. Die Fülle schwierig umzusetzender Maßnahmen, vor allem die Überwindung der Verhagungen an der Repcze beanspruchte doch eine gewisse Zeit. Die Verhandlungen zwischen Adalbert und Andreas fielen daher vermutlich erst in die Zeit Oktober/November. Der Markgraf handelte wohl im Einverständnis mit Heinrich III. Dafür spricht, dass in der Schenkung von dreißig Bauernhöfen in Grafenberg, die der Kaiser für den Markgrafen und seine Gattin am 12.  November 1051 in Regensburg verbriefte, der Herrscher auf die treuen Dienste Adalberts hinwies.82 Diese Tatsache lässt es denkbar erscheinen, dass Heinrich unter gewissen Umständen Verhandlungen für nützlich hielt und nicht nur von Rache wegen des Schicksals seines Schützlings Peter getrieben wurde.83 Erst die Opposition Herzog Konrads, die sich ja im Zuge der Kritik am Vorgehen gegen Ungarn formierte, gab der Kriegspartei erneuten Aufschwung. Über Adalbert erfahren wir in den nun ausbrechenden Kämpfen nichts mehr. Wahrscheinlich war er bereits zu alt, um sich an solchen Auseinandersetzungen zu beteiligen  ; der Zustand seines Skeletts lässt darauf schließen, dass er sich am Ende seines Lebens kaum mehr bewegen konnte.84 Dass sein Sohn Ernst nicht unter den Verschwörern zu finden ist, könnte man auf Übereinstimmung mit der kaiserlichen Haltung gegenüber den Ungarn zurückführen. Bleiben wir noch bei Konrads Unternehmungen, die er von Ungarn aus im karantanischen Grenzland ausführte. Zur Vorgeschichte  : Als eines der letzten Ereignisse des Jahres 1052 berichtet Hermann von Reichenau, dass zwischen Bischof Gebhard von Regensburg und Herzog Konrad von Bayern Zwietracht entstand, die länger anhielt.85 Über den Beginn dieser Feindschaft berichtet auch der Annalist aus Niederaltaich, allerdings erst nach dem Jahreswechsel 1052/53. Die Streithähne wurden zu Ostern (11. April) nach Merseburg befohlen, wo Konrad durch einen Fürstenspruch als Herzog von Bayern abgesetzt wurde.86 Hermann von Reichenau weiß darüber hinaus, dass der Kaiser

81 Boshof, Das Reich in der Krise, 282. 82 NÖUB 1, 336, Nr. 25a  : ob devotum servicium Adalberti marchionis […]. 83 In diesem Sinne auch Juritsch, Babenberger, 65. 84 Jungwirth, Die Skelette der Babenberger, 232, Nr. 254c. Der Markgraf litt an einer generalisierten Arthrosis und ein verheilter Schenkelhalsbruch konnte nachgewiesen werden. Das 1051 erwähnte servitium konnte nur mehr in Verhandlungen bestehen. 85 Herimanni Augiensis Chronicon, 700  : Discordia inter Gebehardum Ratisponensem praeesulem et Counradum Baioariae ducem mota et agitata. 86 Annales Altahenses maiores, 48  ; Riezler, Geschichte Baierns 1, 468.

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mit dem Herzog schon früher verfeindet war.87 Steindorff führt dies auf Differenzen bezüglich des Ungarnkrieges zurück. Auch die von Steindorff zitierte Erzählung aus Brauweiler über die von Konrad angeblich verschmähte Tochter des Kaisers führte letztlich zur Feststellung, dass Konrad sich eiligst mit den Ungarn in Freundschaft verband.88 Herzog Konrad stellte sich also gegen die Politik des Bischofs, die gegenüber den Ungarn einen aggressiven Charakter aufwies. Höhepunkt der Auseinandersetzung mit dem Bischof war die Brandschatzung der bischöflichen Burg Parkstein im Nordgau.89 Diese Vorgangsweise betrachtete man als schwerwiegendes Vergehen, das schließlich der vielleicht wichtigste Grund für Konrads Absetzung war. Die Unternehmungen des Kaisers und Gebhards gegen Ungarn waren ein entscheidender Konfliktstoff, denn es gab eine größere Gruppe im bayerischen Adel, die ein friedlicheres Vorgehen gegenüber Ungarn für nützlicher hielt.90 An den Bericht Hermanns von Herzog Konrads Absetzung schließt sich die bereits erwähnte Schilderung des allgemein zunehmenden Murrens gegen den Kaiser an, die sich allerdings in recht allgemeinen Floskeln erschöpfte.91 Die ungarischen Kontakte Konrads entstanden oder wurden zumindest begünstigt durch seine Verwandtschaft mit Béla, dem Bruder des Andreas.92 Konrad konnte aus dieser kritischen Stimmung gegen den Kaiser Vorteile ziehen und warb in Bayern auch nach seiner Absetzung erfolgreich um Unterstützung. Die Leute, die sich ihm anschließen wollten, verpflichtete er zur Treue durch einen Eid.93 Er flüchtete hierauf mit einer offenbar stattlichen Gefolgschaft über den südlichen Weg (per Carinthanos) nach Ungarn. Auch die damals nach Ungarn gelangten bayerischen und schwäbischen Ritter sollen zu Ahnherrn berühmter Adelsfamilien geworden sein.94 Zu den bedeutendsten Parteigängern Konrads gehörten die aus der Familie der bayerischen Pfalzgrafen stammenden Brüder Poto und Aribo.95 Sie flüchteten zusammen mit Konrad nach Ungarn.96 Noch im Jahre 1053 besetzte Konrad die Hengistburg in der 87 Herimanni Augiensis Chronicon, 702. Steindorff, Jahrbücher 2, 218 mit Anm. 2. 88 Brunwilarensis monasterii fundatio, 398 ff.; Steindorff, Jahrbücher Heinrich  III. 2, 218 mit Anm.  1. Konrad war Vogt von Brauweiler  ; die Ezzonen erichteten 1024/25 das Kloster auf ihrem Eigengut. Daher spricht Steindorff von einer im Interesse der Ezzonen befangenen Erzählung. 89 Annales Altahenses maiores, 48. Zur Burg Parkstein Dendorfer, Adelige Gruppenbidung, 245. Zum Konflikt NÖUB 1, 367. Besonders zu den Rechtsfolgen des Niederbrennens von liegendem Besitz mit Verweis auf Brunner, Land und Herrschaft, 96 f. 90 Boshof, Das Reich in der Krise, 281  ; zu ergänzen wäre der erst später zur Opposition gestoßene Richwin aus dem niederösterreichischen Weinviertel Kupfer, Weinviertel, 21 f. 91 Herimanni Augiensis Chronicon, 702  : Quo tempore (zur Zeit von Konrads Absetzung) regni tam primores quam inferiores contra imperatorem magis magisque mussitantes, iam dudum eum ab inchoatae iusticiae […]. 92 Varga, Ungarn und das Reich, 124, mit Anm. 104. 93 Annales Altahenses maiores, 48 f. 94 NÖUB 1, 368  ; Kritisch zum Thema Weltin in  : Dopsch, Die Länder und das Reich, 263. 95 Annales Altahenses maiores, 48 f. 96 Posch, Die Herrschaft Riegersburg und Graf Poto, 136.

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karantanischen Mark97 und im folgenden Jahr unternahm er einen Raubzug nach Krain und fiel an der östlichen Grenze in Bayern ein. Dabei verwüstete er mehrere Grundherrschaften und führte eine unzählbare Menge von Gefangenen mit sich fort.98 Trotz seiner Entmachtung als Geächteter sollte Poto nach dem Tod Heinrichs III. noch einmal eine wichtige Rolle bei einem Unternehmen Heinrichs IV. zugunsten der Könige Andreas und Salomon spielen.99 Aufmerksam macht die Tatsache, dass Poto ein Gut zwischen Straßgang und der Mur, also in der karantanischen Mark (im Gebiet der heutigen Stadt Graz) besaß, das ihm das Pfalzgericht aberkannte. Der Kaiser schenkte es am 6. März 1055 dem Salzburger Erzbischof.100 Auffällig ist dies insofern, als sich im Jahr 1053 der Hauptstoß von Konrads Unternehmung gegen die im Süden von Graz gelegene Hengistburg richtete, die damit im Umfeld von Potos Besitz lag. Er gehörte sicher zu den an Grenzfragen interessierten Leuten. Unabhängig von der Streitfrage, wo die Hengistburg präzise lag, gibt uns der Bericht von Niederaltaich ein anderes Rätsel auf. Zusammen mit Ungarn in seinem Gefolge fiel Konrad in das Land der Charionen, also in Krain ein, und besetzte nach der Verwüstung mehrerer Ortschaften die Hengistburg. Diese Burg befindet sich aber nicht in Krain, sondern südlich von Graz entweder im Gebiet von Hengsberg oder auf dem Wildoner Berg.101 Hermann von Reichenau beschrieb die Ereignisse in einer anderen logischen Abfolge. Zum Reichstag in Tribur wollte der in Merseburg abgesetzte Herzog nicht kommen, sondern erregte einen Aufstand gegen den König. Etwas übergangslos berichtet er hierauf, dass sich Konrad den Ungarn anzuschließen versuchte und in Kärntner Gebiet eingefallen war  ; aus diesem Grund wurden ihm seine Kärntner Besitzungen von König Heinrich III. entzogen.102 In Tribur erschienen auch Gesandte Andreas’ I., deren Angebot von Geld, weiteren Gebietsabtretungen und Beteiligung an den kaiserlichen Kriegszügen eine friedliche Lösung möglich machte. Für ernsthafte Absicht Frieden zu schließen, sprechen auch die in diese Richtung zielenden Bemühungen Gebhards von Regensburg, des früheren Scharfmachers im Konflikt mit Ungarn.103 Die Verhandlungen führten aber zu keinem  97 MHDC 3, 126 f., Nr. 307  ; Annales Altahenses maiores, 49.  98 Annales Altahenses maiores, 49 und 50.  99 Vgl. vorläufig NÖUB 1, 368, und den dort gegebenen Quellenhinweis Ekkehardi Chronica, Recensio I bes. 186 f. Siehe unten 183. 100 MGH D Heinrich III., 454 f., Nr. 332. 101 Annales Altahenses maiores, 49 Ipse [Konrad] vero adiunctis sibi Ungris Charionas invadit et  […]urbem quandam, Hengistiburg dictam, occupavit. Zur Hengistburg  : Posch, Wo stand die Hengistburg  ? 163–167. Vgl. auch Weltin, Pittener Gebiet, 26 f., mit Anm. 52. 102 Herimanni Augiensis Chronicon, 704. 103 Herimanni Augiensis Chronicon, 704, 706. Die Gesandtschaft aus Ungarn trug ihr Angebot suffragante Ratisponense episcopo vor. Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 2, 228 f.

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Erfolg, da der nach der Eroberung der Hengistburg nach Ungarn zurückgekehrte Konrad den ungarischen König überredete, das in Tribur verhandelte Bündnis mit dem Kaiser nicht abzuschließen. Der Krieg wurde noch im Jahre 1053 im südlichen Teil des Grenzbereiches, also im karantanischen Gebiet, fortgesetzt. Konrad fiel mit Unterstützung Andreas’ I. in e i n e n Te i l Kärntens ein (quandam Carentani partem) und besetzte diese Landschaft. Handelte es sich bei diesem Teil um das von dem Niederaltaicher erwähnte Krain  ? Wichtiger sind allerdings die herrschaftspolitischen Begleiterscheinungen dieses Überfalls. Es wurden nämlich durch die Machenschaften einiger Großer, die diesen Teil besaßen, andere Vornehme vertrieben.104 Bei den Vertriebenen handelte es sich um Gegner des abgesetzten Konrad. Es ist möglich, dass jene, die jetzt die Oberhand behielten, später, nämlich im Jahre 1055, an einem Aufstand gegen den Kaiser teilnahmen. Die Besatzung, die der ehemalige Herzog von Bayern in der Hengistburg zurückgelassen hatte, wurde 1054 durch die häufigen Angriffe der Ritter des Landes (provinciales) so erschöpft, dass sie die Burg zerstörten und nach Ungarn flüchteten.105 Wer diese Angriffe leitete und lenkte, ist unklar. Klaar vertritt in seiner Geschichte der Eppensteiner in Kärnten die Auffassung, dass Herzog Welf III. oder der Markgraf Otakar I. im Falle ihrer Beteiligung erwähnt worden wären. So hält er es für möglich, dass der Sohn des 1035 abgesetzten Herzogs Adalbero, nämlich Markward von Eppenstein die Angriffe geleitet habe.106 Zurück zu den Ereignissen im Grenzraum der bayerischen Mark. Wieder kommen erstaunlich genaue Nachrichten aus Niederaltaich. Der Annalist berichtet über Angriffe der Ungarn auf das Markengebiet. Nach einem erfolgreichen Raubzug, der die Ungarn 1054 wieder in das Land der Charionen führte, kam es auch zu mehreren Angriffen unter des früheren Herzog Konrads Leitung auf den östlichen Landstrich Bayerns, also auf das Markengebiet. Dabei wurde eine große Zahl von Grundherrschaften verwüstet und viele Leute als Gefangene weggeführt.107 Die Provinzialen eilten zu den Waffen und lieferten den Ungarn ein blutiges Gefecht mit Toten und Verwundeten. Es gelang zwar nicht, den Ungarn die Beute abzunehmen, die bereits in Sicherheit gebracht worden war, doch kam es in der Folge zu keinen weiteren Raubzügen.108 Festzuhalten ist, dass 104 Herimanni Augiensis Chronicon, 706. Andreas hatte den ehemaligen Herzog freundlich in Ungarn aufgenommen und dieser besetzte mit Hilfe des Andreas quandam Carentani partem, quorundam etiam primatum, qui eam possidebant, machinatione aliis expulsis primoribus […]. 105 MHDC 3, 127, Nr. 309  ; Annales Altahenses maiores, 49, zu 1054 (um Weihnachten). 106 Klaar, Die Herrschaft der Eppensteiner, 99. 1054 war Otakar I. wohl noch nicht Markgraf. 107 Annales Altahenses maiores, 50. Die Übersetzung von loca mit Grundherrschaft folgt einem Gedanken von Alois Schmid, Die Schenkung von Schwarzenfeld, 7, mit Anm. 22  ; Vgl. Lohrmann, Gottinesfeld, 43. Wenn mit der Bezeichnung loca Königsgüter gemeint sind, passt das in verwickelter Weise zu den Grenzschenkungen an Siegfried von 1045. 108 NÖUB 1, 391.

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die Kämpfer aus der Mark offensichtlich ohne den Markgrafen aktiv wurden.109 Die zum Jahr 1054 in Zwettl beschriebene Gesandtschaft des Kaisers nach Ungarn ist offenbar eine Verwechslung mit dem Feldzug von 1060, den Bischof Eppo von Naumburg, Markgraf Wilhelm und Markgraf Ernst anführten.110 Eine Schwächung des militärischen Potentials des Kaisers bedeutete der Tod des böhmischen Fürsten Břetislav am 10. Jänner 1055. Noch in den letzten Tagen vor seinem Tod hatte er einen neuen Feldzug gegen Ungarn vorbereitet. Seine Interessen im Gebiet nördlich der Donau waren wohl eine Triebfeder dafür, dass er sich als verlässlicher Krieger an der Seite Heinrichs III. erwies und bewährte.111 Auf ausdrücklichen Wunsch des verstorbenen Břetislav wählten die böhmischen (Fürsten) seinen ältesten Sohn Spytihněv II. (1055–1061) zum böhmischen Fürsten. Anfang März erschien der neue Fürst in Regensburg und wurde vom Kaiser in seine Würde eingesetzt.112 Damals besaß ein bedeutender Gefolgsmann des Markgrafen Adalbert namens Haderich113 in der Gegend des Mailberger Waldes und der Pulkau und weiter nördlich einen Komplex von Reichslehen – zumindest wurden Haderichs Güter als beneficium bezeichnet. Der König übergab ihm am 3. März 1055 drei Königshufen als Eigenbesitz (tradidimus in proprium).114 Es handelt sich um jene Urkunde, in der es heißt, dass die Hufen in der marchia Boemia in der Grafschaft eines Adalbero lagen. Die Annahme der Existenz einer Mark gegen Böhmen ist heute aufgegeben und soll hier nicht weiter diskutiert werden.115 Einige der Lehen und Besitzungen lagen im Pulkautal. Ihre Lage in den Orten Hadres und Obritz ist durch die spätere Schenkung an das von den »Haderichen« ­gegründete Klein-Mariazell nachzuweisen.116 Grenzstrategische Fragen scheinen bei unserem Wissenstand müßig, da die Umwandlung von drei Königshufen von Lehnsbesitz in Eigen wohl keine bemerkenswerten Umwälzungen im Grenzraum vermuten lassen. Trotzdem sollte man die Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass eine Veränderung der Herrschafts- und vielleicht auch der Machtverhältnisse im ostarrîchisch-böhmisch/mährischen Grenzraum zu gleicher Zeit stattfand, als Spytihněw zum Herzog/ Fürsten Böhmens eingesetzt wurde und seine jüngeren Brüder Otto und Konrad Teile 109 Die Behauptung von Juritsch, Babenberger, 67, dass Adalbert die ungarische Nachhut ereilte und in einem Gefecht Sieger blieb, ist nicht verifizierbar. 110 Auctarium Zwetlense, 539, zum Jahr 1054. Als Gesandte sind Bischof Eberhard (Eppo) und Markgraf Wilhelm genannt. Zu den Ereignissen 1060 Annales Altahenses maiores, 56 f. 111 Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 2, 289 f.; Hoensch, Geschichte Böhmens, 54 f. 112 Zur Datierung Annales Altahenses maiores, 50f., zum Jahr 1055 mit dem Bericht über die Versammlung in Regensburg. 113 NÖUB 1, 337 ff., Nr. 25b  ; zu Haderich ebda. Kommentar 342  ; zur Rolle dieser Familie Weltin, Probleme, 477. 114 NÖUB 1, 338, Nr. 25b Zeile 4 (ex beneficio ipsius) und Zeile 12. 115 Brunner, Herzogtümer und Marken, 187  ; ders., Welche Marken  ? 161  ; Kupfer, Weinviertel, 63 f. Vgl. unten die Bemerkungen zur Mark Kamba 171. 116 NÖUB 2/1, 368 ff., Nr. 9/2.

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von Mähren erhielten. Interessant ist der ältere Name für Obritz, nämlich Adalbrehtisdorf.117 In dieser Bezeichnung finden wir den Namen Adalbert. Daraus ergibt sich eine Bestätigung für die zuletzt akzeptierte Erklärung, wer der geheimnisvolle Markgraf Adalbero in der »böhmischen Mark« war. Man geht nämlich von einer Verschreibung des Namens Adalbert aus, womit der Inhaber des Komitats wohl der Babenberger war.118 Im Jahr 1055 starben mit dem unruhigen bayerischen Herzog Konrad von Zutphen und dem Kärntner Herzog Welf  III. zwei Fürsten, die in den letzten Jahren auch im ungarischen Grenzbereich für instabile Verhältnisse verantwortlich waren.119 Noch zu Lebzeiten Konrads stand Welf III. damals im Mittelpunkt der späten Phase des »süddeutschen« Aufstandes gegen Heinrich III. An diesem Aufstand beteiligten sich mächtige Fürsten und im Grenzraum wirkten Herrschaftsinhaber in der bayerischen Mark wie Bischof Gebhard von Regensburg und eben der Kärntner Herzog Welf. Während des Italienaufenthalts in der zweiten Jahreshälfte 1055 löste Herzog Welf, angeblich weil er in Roncaglia vergeblich auf den Kaiser wartete, die Unruhen aus und kehrte früher aus Italien nach Bayern zurück.120 Die Verschwörer versuchten nach dem Bericht aus Niederaltaich, »den gottbegnadeten Herrscher des Lebens und zugleich des Reiches zu berauben und den Chuono (Konrad), der zu den Ungarn geflohen war, an seine Stelle zu setzen.«121 Die besten Freunde des Kaisers (imperatoris amicissimi) waren an dieser Tat beteiligt. Die Sache verlief für den Kaiser glücklich. Konrad, den die A ­ ufständischen zu ihrem princeps gewählt hatten, starb an der Pest und büßte, wie der N ­ iederaltaicher feststellte seine Bosheit mit dem Tode.122 Für die Verschwörer unangenehmer war die Tatsache, dass Welf III. aufgrund einer Krankheit von Reue ergriffen wurde und abgesehen von Versuchen den Kaiser zu versöhnen, mehrere seiner Parteigänger und Vasallen verriet.123 Welf starb, Gebhard musste sich vor dem Kaiser verantworten und kam in Gefangenschaft, aus der er erst 1056 wieder freikam.124 Auf die Bekenntnisse Welfs ist wohl das Todesurteil gegen einen Ebbo zurückzuführen, dessen Gut in Oisnitz (St. Joseph-Weststeiermark) lag, das Heinrich  III. am 20.  Februar 1056 dem Bischof von 117 118 119 120 121 122 123 124

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Zu diesen Besitzungen Kupfer, Weinviertel, 63 f., bes. 64. Kupfer, Weinviertel, 21. Annales Altahenses maiores, 51 f. Annales Altahenses maiores, 51, Schneidmüller, Die Welfen, 125  ; MHDC 3, 127 Nr. 310  ; Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 2, 318 ff. MHDC 3, 128 Nr. 312  ; Annales Altahenses maiores, 51  : Igitur Deo dignum augustum vita simul et regno privare, Chuononem […]in locum eius subrogare conantur. Weltin übt in seinem Kommentar an dem Bericht aus Niederaltaich Kritik, Konrad sei zum Haupt der Verschwörung gewählt worden. NÖUB 1, 368. Die Nachricht über seinen elenden Tod gleich im Anschluss an den Bericht über den Aufstand. MHDC 3, 128 f. Nr. 313  ; NÖUB 1, 368 f. Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 2, 322 f., zur Begnadigung Gebhards, 345.

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Brixen übergab.125 In dieser Urkunde ist Otakar I. erstmals in der karantanischen Mark erwähnt.126 Die Frage, ob Otakar eine Rolle bei dem Aufstand spielte, wird durch die erwähnte Mitteilung virulent, dass bedeutende Persönlichkeiten aus einem Teil Kärntens andere Vornehme vertrieben – vielleicht handelt es sich um einen Hinweis auf die heftigen gerade geschildeten Machtkämpfe. König Heinrich reagierte auf diese gefährliche Situation in einigen Fällen sehr hart, wie das Schicksal des Ebbo zeigt, in anderen zeigte er sich gnädig  : So vergab er seinem Neffen Konrad (Chuono) die Teilnahme am Aufstand 1056 auf dem Reichstag in Worms.127 Konrads Bruder war Heinrich, der lothringische Pfalzgraf. Es ging um einen Ausgleich widersprechender Interessen und Standpunkte in Kärnten, denn dieser einst aufständische Konrad ist wohl mit jenem Konrad III. identisch, den die Regentschaft für Heinrich IV. am Weihnachtstag 1056/57 zum Herzog von Kärnten erhob.128 Allerdings konnte sich dieser in seiner Funktion nie durchsetzen.129 Die Wormser Versammlung diente, wie die dort im Juli 1056 ausgestellten Urkunden zeigen, dem Versuch, die Verhältnisse nach dem Aufstand zu klären und die Ordnung im Sinne des Kaisers wiederherzustellen. Dies betraf nicht nur Kärnten, sondern auch die bayerische Mark und besonders ihre Ostgrenze an der March. Hier ereilte, wie bereits kurz erwähnt, einen der Verschwörer namens Richwin sein Schicksal. Weltin vermutet in ihm einen Vasallen des Bischofs von Regensburg. Er war in Gaubitsch und Großkrut begütert und seine Besitzungen lagen im Grenzraum gegen Mähren und Ungarn und gehörten zu einem Raum, der in einer mittelbaren Verfügungs­gewalt des Regensburger Bischofs gelegen war und damit seinen kriegerischen Unternehmungen diente.130 Wieder zeigt sich hier die für die postfränkische Gesellschaft und für ihre strategischen Aufgaben bezeichnende Verbindung zwischen ­Siedlungstätigkeit und ihrer grundherrschaftlichen Organisation. Daraus ergab sich eine brauchbare Grundlage für die Versorgung, die Passierbarkeit von Wegen und Gewässern und vielleicht sogar für die Betreuung von ritterlicher Mannschaft. Richwin war zum Tode verurteilt worden und am 14. Dezember 1055 verfügte der Kaiser über seinen Besitz in Gaubitsch und Großkrut in ausgemessenen Grenzen und fünf Waldhufen bei Gaubitsch, die er als Lehen innehatte. Der planmäßig organisierte Besitz scheint in die Zeit der Vorbereitung der Feldzüge der vierziger Jahre zurück125 MGH D Heinrich III. 499 Nr. 367  : predium […] Odelisniz […], que in marcha et in comitatu Otacharii marchionis sita sunt [sic  !]. 126 Dopsch, Die steirischen Otakare, 110. 127 Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. 2, 346. 128 MHDC 3, Nr. 316 mit Zitaten aus den Niederaltaicher Annalen und Lampert von Hersfeld. 129 Klaar, Die Herrschaft der Eppensteiner, 100 f. 130 Kupfer, Weinviertel, 357, formulierte hinsichtlich der kaum fassbaren Regensburger Besitzrechte im Weinviertel  : »Erste definitive Hinweise stammen erst aus frühhabsburgischer Zeit und scheinen einer unbestimmten Remineszenz an das Wirken des Bischofs Gebhard von Regensburg und seiner Gefolgsleute im Marchfeld in der Zeit nach 1050 zu entspringen.«

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zugehen und liefert abgesehen von der grundherrschaftlichen Strukturierung wiederum Hinweise auf das aktive Vorgehen gegen Ungarn vom Boden der Mark aus.131 Zu diesen Schenkungen gehört auch Besitz in Herrnbaumgarten oder Kleinbaumgarten. Eine diesbezügliche Besitzbestätigung, die auch die Güter in Gaubitsch und Großkrut umfasste, stellte Heinrich IV. am 25. Oktober 1063 dem Bistum Passau aus.132 Beide »Baumgarten« liegen im Grenzbereich und passen als Typus in unsere Grenzgeschichte. Dabei spielt es keine wesentliche Rolle, welcher der beiden Orte gemeint ist.133 Auch die Frage, ob Richwin auch diese Güter besessen hatte, ändert nichts am prinzipiellen Befund, dass der grundherrschaftlich organisierte Besitz in der Mark bis an die Grenzen reichte. Der nun westlich der March eingekehrte Friede, man könnte nach den Informationen über Richwins Schicksal von Friedhofsruhe sprechen, währte aber nicht lange. Denn auch die Herrschaft Andreas’ I. stand auf derart unsicheren Grundlagen, dass er bald in die Zwangslage kam, sich stärker an die Weltmacht im Westen anlehnen zu müssen.

131 NÖUB 1, 360–363, Nrn. 28 und 28a. Kommentar im Zusammenhang mit der gesamten Aufstandsbewegung, 367 ff., bes. 369, und Kupfer, Weinviertel, 21 f. 132 MGH D Heinrich IV. 1, 150 f., Nr. 114. 133 Kommentar zu dieser Urkunde NÖUB 1, 370 f. Kupfer, Weinviertel, 331 f.

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Der nachbarliche Aspekt der geschilderten Ereignisse Ein Aspekt der geschilderten Ereignisse verdient eine gewisse Aufmerksamkeit  : Die Vertreter der bayerischen Opposition suchten Rettung und schließlich sogar Hilfe und Unterstützung bei ihren Nachbarn, den Ungarn, besonders bei König Andreas. Die Verbindung zwischen den Aufständischen und ihrem Fluchtland war diesmal charakteristisch ausgeprägt, da ja gerade die Kriegsführung gegen die Ungarn der Kern der oppositionellen Kritik war. Konrads sogenannte Flucht nach Ungarn ist logisch mit dem Konflikt verbunden, den er und seine Gesinnungsfreunde gegen den Kaiser und Gebhard von Regensburg (später zusammen mit dem Bischof ) führten. Das von Boshof kritisch dargestellte Denkmodell der Friedenswahrung als großkönigliche/kaiserliche Aufgabe1 scheint mit den praktischen Anforderungen der Grenzsicherung in den Marken des Südostens nicht recht kompatibel gewesen zu sein. Gewisse Parallelen zu den Streitigkeiten zwischen Ludwig dem Deutschen auf der einen Seite und dem Adel des Grenzgebietes bzw. seinem Sohn Karlmann auf der anderen sind kein Zufall.2 Andere Vorstellungen vom Zusammenleben der Menschen diesseits und jenseits der Leitha leitete jene Herrschaftsträger in Bayern, die den Ausgleich mit Andreas suchten. Doch unterschied sich auch die »Politik« Andreas’ deutlich von jener seines Vorgängers Peter, aber auch von jener der Zeit vor Stephan dem Heiligen. Peters Stellung als ungarischer König wurde von Heinrich III. bestimmt. Die Übergabe Ungarns an den Salier und die an eine Prekarie gemahnende Überlassung der Herrschaft an Peter auf Lebenszeit und die Erlaubnis, bairisches/teutonisches Recht zu verwenden, zeigen auf deutliche Weise die Abhängigkeit Ungarns vom Reich. König Andreas hingegen hatte zwar die Macht Heinrichs III. zu fürchten, zumal er als Nutznießer von Vathas angeblich heidnischem Aufstand die Herrschaft über Ungarn erlangt hatte und die Grausamkeiten, die insbesondere gegen die aus dem Westen stammende Geistlichkeit in Ungarn gerichtet waren, zunächst nicht verhindert hatte. Sein späteres Einschreiten gegen diese Morde, die jene Herrschaftsgrundlagen in Ungarn gefährdeten, die Stephan der Heilige geschaffen hatte, war sicher auf die prinzipielle Einsicht in die Grundlagen seiner Herrschaft zurückzuführen, teilweise aber auch auf die zu erwartende Haltung des Königs, der gerade dabei war, seine Krönung zum Kaiser vorzubereiten. Die Erklärungen und Entschuldigungen bezüglich der geschehenen Gräuel, welche die Gesandtschaft Andreas’  I. vorbrachte, lassen darauf schließen, wie bedroht die Lage des neuen ungarischen Königs war. Das Vorgehen gegen König Peter und die Priester musste in den Augen Heinrichs Frevel 1 Boshof, Salier, 95, besonders aber Varga, Ungarn und das Reich, 111 f. 2 Wolfram, Grenzen und Räume, 253 f.

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Der nachbarliche Aspekt der geschilderten Ereignisse

gegen die göttliche Ordnung und den Frieden bedeuten. In diesem Punkt folgten die in den Grenzräumen Bayerns herrschenden Fürsten dem König nicht bis zur letzten Konsequenz. Andreas verfügte offenbar auch über eine weit wirksamere Unterstützung der Ungarn und der ihnen angeschlossenen Völker als sein Vorgänger. Dabei scheint es sich noch nicht um strukturelle Veränderungen in dieser Gesellschaft zu handeln  ; die älteren Lebensformen waren trotz der Tätigkeit König Stephans noch gültig und bildeten das Fundament der gesellschaftlichen und militärischen Formationen. Flucht und das Bemühen um Unterstützung beim Nachbarn waren geradezu alltägliche Erscheinungen im Leben der um ihre Herrschaft ringenden Fürsten, wenn sie zu Hause in Schwierigkeiten gerieten. Denken wir nur an das Schicksal Andreas’, der nacheinander in Böhmen, Polen, Lodomerien und Kiew Schutz und Unterkunft fand. Oftmals war mit dem Aufenthalt an einem fremden Hof eine Beteiligung an kriegerischen Unternehmungen zugunsten des schutzgewährenden Nachbarn verbunden. Béla, der jüngere Bruder Andreas’, erlangte durch seine Heldentaten im Dienste des polnischen Fürsten seinen geradezu sagenhaften Ruf als großartiger Krieger, der vielleicht in seinem Beinamen Benyn seinen Niederschlag fand. Nach seinem siegreichen Duell gegen den Anführer der Pomoranen erhielt er Richeza, eine Tochter Mieskos II. († 1034) zur Frau.3 Meist waren solche Aktivitäten ursprünglich erzwungen, die Fürsten auf der Flucht konnten jedoch häufig aus derartigen Konstellationen Vorteile ziehen. Durch die Einbindung in das Heer des Nachbarn und schließlich den Ehepartner, der Ansprüche auf Herrschaft mitbringen konnte, kam es zu vorübergehender oder auch länger andauernder Einmischung in die nachbarlichen Angelegenheiten. Dieses rasche Schwanken von der Gewichtung der Macht zwischen den Böhmen, Polen und Ungarn wurde vom Reich bereits durch die ehelich-familiären Verhältnisse mitbestimmt  ; denn die Ehefrauen der slawischen und ungarischen Fürsten kamen häufig aus den herzoglichen Dynastien der »fränkischen Welt«. In diesem Zusammenhang ist an ein oft behandeltes Problem zu erinnern, nämlich die Zuwanderer in Ungarn. Wir hatten bereits Gelegenheit, mehrfach auf diese Erscheinung hinzuweisen. Am bekanntesten wurden die tatsächlichen oder vermeintlichen Ahnen bedeutender ungarischer Adelsfamilien, die als Fremde nach Ungarn kamen. Zur Quellenlage hat Max Weltin recht pessimistisch Stellung bezogen  : Für die Zeit vor dem 12.  Jahrhundert haben die Klitterungen des Geschichtsschreibers Simon de Kéza eine gewisse Geltung erlangt, der die Genesis des ungarischen Hoch- und Niederadels dargestellt hat. Sein Bericht krankt an offenkundigen Anachronismen, auch das Namenmaterial hat er vielleicht zusammenhanglos aus bayerischen Annalen und Chro-

3 Simonis de Kéza Gesta Hungarorum, 172. 14ff.: ubi Béla Pomoramiae ducem duelle devincens, filia Miskae sibi datur in uxorem.

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Der nachbarliche Aspekt der geschilderten Ereignisse

niken übernommen  ; dennoch war ihm die Forschung dankbar und ist nicht allzukritisch mit ihm umgegangen.4 Auch Schünemann widmet in seiner Studie zu den Deutschen in Ungarn diesen Familien ein eigenes Kapitel. In einem an der Geschichte der ungarischen Königsherrschaft des 11. Jahrhunderts orientierten Abschnitt setzt er sich kritisch mit den Behauptungen Kézas und anderer Chronisten auseinander.5 Sie hatten erst ab der dritten Generation führende Funktionen in Ungarn inne, Erik Fügedi schließt aber nicht aus, dass sie von ihrer Ankunft an in königlichen Diensten standen. Auch andere Dynasten, die nach Kézas Vorstellungen schon früh nach Ungarn gekommen waren, scheinen erst später eingewandert zu sein  ; zwei steirische Familien spielten dabei eine nicht überraschende nachbarliche Rolle.6

4 Weltin in Dopsch, Die Länder und das Reich, 263. Simonis de Kéza Gesta Hungarorum, Kapitel De nobilibus advenis, 97 ff. 5 Schünemann, Die Deutschen in Ungarn, 41, betrifft Familien, die angeblich mit Gisela nach Ungarn gekommen waren. 6 Fügedi, Das mittelalterliche Königreich, 496, mit Anm. 76 zu den Familien Hahót und Héder.

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Andreas, sein Bruder Béla und die Nachbarn

Im Jahre 1047 war Levente, jener Bruder des Königs Andreas gestorben, der mit ihm nach Ungarn zurückgekehrt war.1 In der bedrohlichen Lage, in der sich Andreas befand, wandte er sich an seinen in Polen lebenden Bruder Béla und bat ihn, möglichst bald nach Ungarn zu kommen. Er versprach Béla, dass dieser sein Erbe und Nachfolger in der Regierung sein sollte. Dieser kam und die Brüder teilten das Land so, dass Andreas als König zwei Drittel des Gebietes erhielt und Béla ein Drittel. Diese Teilung brachte nach dem Urteil der ungarischen Quellen viele Zerwürfnisse über das Land. Béla war damit dux nördlich der Donau und übte damit jene im 11. Jahrhundert entstandene Gewalt neben dem König aus.2 Bélas Biographie hatte, wie wir gehört haben, durchaus kriegerische Elemente und er galt als heldenhafter Kämpfer, der die Schlagkraft der ungarischen Scharen sicherlich erhöhte.3 Als aber Andreas I. 1053 Vater eines Sohns wurde, der den Namen Salomon erhielt, bestimmte er diesen zu seinem Nachfolger. 1057 wurde das Kind sogar zum König gekrönt.4 Noch gab es aber keinen Frieden mit der Regentschaft im Reich. Bei den Bemühungen um einen Frieden spielte ein Eheangebot Andreas’ eine wichtige Rolle  : Salomon sollte eine Schwester Heinrichs IV. heiraten. Bei der Schilderung der weiteren Ereignisse erhebt sich die Frage, ob es eine ­eigene Politik bayerischer Dynasten gegenüber Ungarn gab, die sogar in einem gewissen Widerspruch zu den Absichten des Königs bzw. der Regentschaft stehen konnte. Bei Betrachtung der Eheschließungen der Árpáden in der Zeit Bélas I. (1061–1063) und seines Neffen Salomon (1063–1074) drängt sich der Verdacht auf, dass die späteren Auseinandersetzungen zwischen Heinrich IV. und etwa Ekbert von Vornbach im Rahmen des Investiturstreites im Lichte einer unterschiedlichen Behandlung von Fragen der ungari­ schen Herrschaftsordnung eine ihrer Wurzeln hatte. Man sollte aber diesen Aspekt nicht von vornherein in den Mittelpunkt rücken. Nach dem Bericht der Niederaltaicher Annalen schickte der ungarische König An­ dreas I. etwa Ende März 1058 öfter Gesandte an die Regentschaft für Heinrich IV. Um ein dauerhaftes, friedliches Verhältnis zu erreichen, ließ er durch seine Boten den Vorschlag unterbreiten, die Schwester Heinrichs IV. sollte seinen Sohn Salomon heiraten. Die Reaktion der Regentschaft war anscheinend zögerlich, denn der Niederaltaicher Annalist begann die Schilderung der weiteren Vorgangsweise folgendermaßen  : »Sobald 1 Bilderchronik 1, 60 und 2, 122  ; Kristó, Makk  ; Az Arpad-haz uralkodoi, 71. 2 Bilderchronik 1, 61 und 2, 122  ; Kristó, Die Árpádendynastie, 89 f.; Steinbühel, The Duchy of Nitra, 15–29  ; Varga, Ungarn und das Reich, 117. 3 Bélas Heldentaten in Polen Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 255, und oben 168. 4 Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 267.

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das endlich dem Adel gefiel«. Offenbar gab es im »ostfränkisch/deutschen« und im bayerischen Adel verschiedene Ansichten, wie man in einer derart heiklen Lage vorgehen sollte. Eine der entscheidenden Fragen betraf die Einschätzung der künftigen Rolle Bélas  I., der durch die Krönung Salomons eine unerwartete Zurücksetzung erfahren hatte. Es ist zu vermuten, dass einige bayerische Große dazu neigten, Béla als künftigen Machtfaktor sehr ernst zu nehmen. Dafür spricht die Eheschließung Bélas  I. mit der Vornbacherin Tuta, die noch ausführlich zur Sprache kommen wird. Heinrich IV. kam mit seiner Mutter Agnes an die ungarische Grenze und ließ die Großen beider Reiche den Frieden durch einen Eid befestigen, übergab seine Schwester und kehrte bald ins fränkische Reich zurück.5 Näheres über diese Fahrt erfahren wir aus den damals ausgestellten Urkunden. Im September/Oktober 1058 stellte Heinrich IV. einige Urkunden in Trübensee und im Raum St.  Pölten aus und auf dem Marchfeld wurde wechselseitig der künftige Frieden beeidet.6 Das Ergebnis bedeutet wohl, dass es Agnes und ihrer Umgebung mit einiger Mühe gelungen war, ein durch Eide abgesichertes Bündnis mit Andreas abzuschließen. Die am 20.  September 1058 auf dem Marchfeld ausgestellte Urkunde bezieht sich auf Güter in der bayerischen Mark Cham, die mit einem interessanten Wortlaut beschrieben wird, der sich deutlich von den Beschreibungen der Mark der Babenberger unterscheidet. Es hieß hier nämlich  : marcha Kamba versus Boemiam que pertinet ad ducatum Bavvaricum. Vergleichbare Formulierungen für Ostarrîchi fehlen. Immerhin geht aus dem Wortlaut hervor, dass es tatsächlich eine Mark Cham gab. Mir scheint es dabei eine nebensächliche Frage zu sein, ob diese Mark zur »Markenpolitik Heinrichs III.« gehörte oder nicht. Die Formulierung marcha Kamba meint einen organisierten Raum, denn eine Grenze hat keinen Namen. Das Wort marcha ohne erklärenden Zusatz kennzeichnet eine Linie oder einen Saum gegen ein jenseits liegendes Gebiet. Der Beitrag von Friedrich Prinz kritisiert vielleicht mit Recht die Vorstellung von einer umfassenden Markenpolitik Heinrichs III.7 Die Ungarnmark hingegen war ein zwar missglücktes, aber trotzdem seriöses Projekt des Königs an der ungarischen Grenze. Interessant ist die Zuordnung Chams zum Herzogtum Bayern und die damit sichtbar werdende hierarchische Ordnung Herzogtum – Mark.

5 Annales Altahenses maiores, 54 f.: Hoc ubi tandem regni primatibus complacuit, rex cum matre in fines Ungarie venit, utriusque regni primores iureiurando pacem firmare fecit sororem tradidit et mox se in Franciam recepit. 6 MGH DD Heinrich IV. 1, 46 ff. Nrn. 37–42. Vgl. dazu Lechner, Babenberger, 84 f., mit Ausführungen zu Königsurkunde Nr.  42, die als Grundlage für eine der berühmtem Fälschungen Rudolfs  IV. 1358/59 diente. Helleiner, Ein Deperditum, 412–418. Die Zeremonie auf dem Marchfeld ist durch MGH D Heinrich IV. 1, 47 f., Nr. 38 nachgewiesen  ; die Urkunde wurde für das Kloster Ebersberg ausgestellt, die Ortsangabe lautet actum Marahafelt. 7 Prinz, Kaiser Heinrich III., 544 f., bes. 545. Ob die verfassungsrechtliche Kritik an einer Mark Cham von Brunner, Welche Marken  ? 162 zutrifft, ist nicht eindeutig zu beantworten. Die Berufung von Prinz auf Brunner, Der fränkische Fürstentitel, 207 ff., scheint mir nicht recht stichhaltig.

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Eine ähnliche herrschaftstopographische Lageangabe in einer Urkunde Heinrichs IV. stammt angeblich aus dem Jahre 1073. Ob die Erklärung zur Lage von Fischamend mit dem Hinweis, der Ort liege iuxta Danubium versus Ungariam aus dieser Zeit stammt, ist nicht eindeutig festzustellen.8 Keinen Bezug nehmen die Annalen aus Niederaltaich auf die Begleitmusik der Vorgänge im Jahre 1058  : Das lange Jahre gute Verhältnis zwischen König Andreas und seinem als Helden gerühmten Bruder Béla, Herzog von Nitra, war durch die Krönung des Knaben Salomon zum König erschüttert.9 In diesem Jahr 1058 soll Bélas Gattin, die vielleicht Ryksa hieß und die Tochter König Mieszkos II. Lambrecht von Polen und Mutter der späteren Könige Géza I. und Ladislaus I. war, gestorben sein. Dieses Datum ist durch keine Quelle belegt und beruht vor allem auf der Theorie einer zweiten Ehe Bélas, die uns im Folgenden beschäftigen wird. Der Streit zwischen den Brüdern führte zum Treffen von Várkony, wo Andreas seinem Bruder listig die Wahl zwischen der Herrschaft in Ungarn oder im Herzogtum Nitra anbot. Béla musste das Herzogtum wählen, denn hätte er die Krone Ungarns gewählt, wäre er von den Anhängern Andreas’ umgebracht worden.10 Béla flüchtete mit den Söhnen und seiner Gefolgschaft nach Polen, um ein Heer gegen Andreas aufzustellen. Damals oder etwas früher begannen Bélas Verhandlungen mit den Grafen von Vornbach über die Eheschließung mit einer Dame aus dieser Dynastie. Als zweite Ehefrau Bélas gilt die Gründerin des Stiftes Suben namens Tuta. An sie erinnert eine Grabplatte in der ehemaligen Subener Stiftskirche, die allerdings erst im 15. Jahrhundert angefertigt wurde. Dieses Grabmonument für Tuta stammt aus der Zeit des Propstes Matthäus Meermoser (1422–1456). Die Umschrift lautet  : Hye leyt die hochgeporen chünichleychis geschlechtes czu Ungern genant Tuta stifterin decs gegenwertigen gotshaus hie czu Suben gestorben MCXXXVI Kls. May.11 Diese Zuschreibung gehört zum ehrenvollen Gedenken in Suben an die Stifterin. Es handelt sich dabei um eine offenbar jahrhundertelang gepflegte Tradition und deshalb ist der Nachweis zu führen, ob Tuta tatsächlich zum ungarischen Königshaus in Beziehung stand. Konkret lautet die Frage, ob sie mit einem ungarischen König verheiratet war  ? Urkundliche und historiographische Nachrichten fehlen, die eindeutig von einer Ehe zwischen Béla I. und Tuta berichten. Die Forschung musste sich daher auf Quellenbelege für Personen konzentrieren, die als Nachkommen des Ehepaars identifiziert werden können.12 In der Historia Welforum wird über eine Schwester der ungarischen Königs  8 NÖUB 1, 377 Nr.  30a = MGH D Heinrich IV. 1, 336ff. Nr. † 263  ; Kommentar in NÖUB 1, 381f.  9 Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 1, 95 ff.; Varga, Ungarn und das Reich, 125 f. 10 Bilderchronik 1,65  ; Kristó, Die Árpádendynastie, 91. 11 Lohrmann, Geschichte und Bedeutung, 311. Das irrtümlich angegebene Todesjahr 1136 ist nicht erklärbar. 12 Die wichtigsten Beiträge lieferten Claudia Mohr in  : Die Traditionen des Klosters Oberaltaich, 11 f., Jungmann-Stadler, Hedwig von Windberg, 245 f., Loibl, Der Herrschaftsraum, 106 ff., Lohrmann, Ge-

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tochter Sophia erzählt. Nach dem Bericht entführte ein Graf diese Schwester aus einem Kloster und zeugte mit ihr den Regensburger Domvogt Friedrich.13 Der Entführer war Domvogt Friedrich II. und der Sohn aus dieser Verbindung der Dritte dieses Namens.14 Über Sophia, die namentlich genannte Schwester der entführten Prinzessin, erfahren wir aus der Welfenchronik, dass sie die Schwester des ungarischen Königs Koloman (1095–1116) war. Dem widerspricht aber eine Nachricht des Niederaltaicher Annalisten. In den Kämpfen des Jahres 1060 hatte Markgraf Wilhelm von Meißen im Kampf gegen Béla große Tapferkeit bewiesen, geriet aber doch in Gefangenschaft. Béla nutzte diese Situation, um eine Eheschließung zwischen Wilhelm und seiner Tochter anzubahnen.15 Lampert von Hersfeld berichtet präzise, dass Prinz Géza, hier biblisch Ioas genannt, seinen Vater bat, dem Markgrafen Wilhelm seine Schwester Sophia zur Frau zu geben und ihn nicht nach Kriegsrecht zu behandeln. Damit steht fest, dass Sophia und daher auch ihre Schwester Töchter Bélas  I. und nicht Gézas  I. gewesen sind. Dies bestätigt auch der Annalista Saxo, der Sophia als Schwester des Ladislaus und nicht Kolomans bezeichnet.16 Die Eheschließung ist wohl als Friedensschluss zwischen Béla und Wilhelm zu verstehen. Domvogt Friedrich II. hatte laut dem Bericht der Welfenchronik eine Tochter Bélas I. aus dem Kloster entführt. Wir kennen die Gattin des Domvogts aber auch aus den ältesten Eintragungen des Klosters Oberaltaich. Sie wurde damals mit dem Namen Adelheid bezeichnet, ob sie schon in Ungarn so geheißen hatte, wissen wir nicht. Domvogt Friedrich war zusammen mit dem ihm verwandten Aschwin von Bogen der Gründer von Oberaltaich.17 Friedrich und Adelheid traten gemeinsam als Schenker auf.18 Nach Friedrichs Tod in den späten achtziger Jahren des 11. Jahrhunderts schenkte Adelheid mit ihren Kindern weitere Güter an Oberaltaich. Eine Tochter hieß Tuta, ein erster Hinweis auf die mütterliche Herkunft Adelheids.19 Wir wollen vorläufig festhalten  : Eine Tochter Bélas I. hatte selbst eine Tochter mit Namen Tuta, die denselben Namen führte wie die Vornbacherin der Subener Grabplatte, die zur ungarischen königlichen Familie gerechnet wurde. Ein feines Indiz, das aber nur neben anderen Argumenten ein wenig schichte und Bedeutung, 311 ff. Etwas zurückhaltend in der Beurteilung dieser Ergebnisse Hlawitschka, Die Verwandtenehe, 32, mit Anm. 58, allerdings ohne Bezugnahme auf die Ergebnisse von Cornelia Mohr. 13 Historia Welforum cap.  15, 52  : […]  aliam sororem eius quidam comes ex claustro quodam sanctimonialium abstractam duxit et ex ea Fridericum Ratisponensem advocatum genuit […]. 14 Zählung von Claudia Mohr, Die Traditionen des Klosters Oberaltaich, 110*ff. Friedrich ist erstmals 1075 als advocatus von Regensburg genannt. Tyroller, Genealogie, 237, Nr. 2. 15 Annales Altahenses maiores, 58. 16 Annalista Saxo 528 Z., 7 f. 17 Die Traditionen von Oberaltaich, 110*f. 18 Die Traditionen des Klosters Oberaltaich, 11 ff. Nr. 1d, mit dem wichtigen Kommentar, der die Grundlage des heutigen Forschungsstandes bildet. Et ipse Frid(erich) et Adalheit uxor eius de proprio tradiderunt Berindorf et Landolfasdorf et unum mansum Ascinheim. 19 Die Traditionen des Klosters Oberaltaich, 16 f. Nr. 1i.

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Gewicht bekommt, betrifft eine Eintragung im Nekrolog von Oberaltaich  : dort ist nämlich das Totengedenken an den ungarischen »Überkönig« Stephan den Heiligen zum 15. August eingetragen. Daraus lässt sich vorsichtig und diskret der Einfluss der mit dem gewissen Grafen Friedrich verheirateten ungarischen Prinzessin erkennen.20 Nach Friedrichs Tod heiratete Adelheid den Grafen Udalschalk I. vom Lurngau. Ein Sohn aus dieser Ehe war Altmann, der 1125 Bischof von Trient wurde. Um 1110 übergaben die Eheleute ihrem Sohn Altmann das Stift Suben.21 Das Wort filio nach Altmanno wurde offenbar vom Schreiber versehentlich ausgelassen. Denn in der nächsten Schenkungsnotiz heißt es  : […] qualiter Adelheid comitissa tradidit cum filio suo Altmanno Cholomunzi.22 Anschließend an diese Eintragung vermerkte der Schreiber einer Urkunde Altmanns, dass in der Kirche in Suben Altmanns Eltern begraben wurden.23 Zuletzt sei noch auf eine Salzburger Urkunde hingewiesen. Am 20. Dezember 1153 wurde Tuta in einer Urkunde Erzbischof Eberhards von Salzburg als regina bezeichnet.24 Hier war die Rede davon, dass Suben recht heruntergekommen war und von Bischof Altmann von Trient erneuert wurde. In diesem Zusammenhang wurde auch erwähnt, dass die Königin Tuta mit Bischof Altmann blutsverwandt war.25 Béla I. war nachweisbar der Vater Adelheids, was sich aus der Tatsache ergibt, dass sie eine Halbschwester der ungarischen Prinzessin Sophia war. Die Mutter Adelheids war die Vornbacherin Tuta, als deren blutsmäßiger Nachkomme Bischof Altmann von Trient bezeichnet wurde. Da Udalschalk nicht aus der Vornbacher Umgebung stammt – er war ein Angehöriger der Grögling-Hirschberger  –, ist die Verwandtschaft Altmanns mit Tuta nur über Adelheid zu erklären.26 Daher war Tuta die Mutter Adelheids und Gattin Bélas I. Damit sind auch das Grabmal in Suben für Tuta mit der Erklärung, sie stamme aus dem königlich ungarischen Geschlecht, und die Erwähnung der regina Tuta 1153 gerechtfertigt und hinlänglich erklärt. Auf dieser festen Grundlage können wir nun nach den Umständen dieser Eheschließung fragen. Dazu ist auf eine interessante Einzelheit in der Folge der Kämpfe im Jahre 1060 zu verweisen. Die Regentschaft Heinrichs IV. schickte Sachsen und Bayern nach Ungarn, um König Andreas und seinen Sohn Salomon gegen Béla zu unterstützen. Von der Eheschließung Sophias, der Tochter Bélas I. und des Markgrafen Wilhelm und dem dahinter zu vermutenden Friedensschluss war bereits die Rede. Doch starb Wilhelm 20 Die Traditionen des Klosters Oberaltaich, 86, mit Anm. 41  ; MGH Necr. 3, 233 zu August 15. 21 UbOE 1 425 Nr. 1  : quod comes Vdalscalchus et coniunx Adalheit tradiderint Altmanno suo Subuna. 22 UbOE 1 425 Nr. 2. 23 UbOE 1 425 Nr. 3  : ecclesiam ad Subuna […] ubi etiam corpora parentum nostrorum in pace sepulta sunt. 24 SUB 2, 426 Nr.  305  : […]  quod pie memorie Tridentinus episcopus Altmannus Subensem ecclesiam a quadam regina Tuta nomine de qua secundum carnem genus duxit, primo fundatum […]. 25 Traditionen Oberaltaich, 12. Loibl, Herrschaftsraum, 106  : Hier auch die Beweisführung von Tutas Zugehörigkeit zu den Vornbachern. 26 Zu Udalschalk Tyroller, Genealogie Taf. 16 und 225, Nr. 8.

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1062 bald nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft und Sophia heiratete seinen Bruder Ulrich, den Markgrafen von Krain und Istrien. In solche Bemühungen Bélas wäre wohl die Ehe mit Tuta miteinzubeziehen, die aus einem mächtigen Geschlecht stammte, das auch in der Mark, direkt an der ungarischen Grenze begütert war. Ihr Vater und ihr Großvater, Tiemo I. und II., waren 1040 bzw. 1049 bereits verstorben.27 Die Verhandlungen führte entweder ihr Onkel Meginhard, der in Sachsen verheiratet war und 1066 starb, oder ihr Vetter Graf Heinrich (†  vor 1090), der älteste Sohn Tiemos II. In der Beurteilung, wie man sich gegenüber Ungarn verhalten sollte, gab es offensichtlich unterschiedliche Auffassungen zwischen der Regentschaft für Heinrich  IV. und einigen bedeutenden Adelsfamilien im »ostfränkischdeutschen« Reich. Zusätzliche Spannungen hatte auch ein anderer Onkel der Tuta namens Friedrich zu verantworten  : Er hatte bei einem Besuch des Hofes Gertrud von Haldesleben entführt und sie geheiratet. Der König gewährte ihm trotzdem seine Gnade, doch wurde Friedrich 1059 oder 1060 von Vertrauten des Königs ermordet.28 Es ist denkbar, dass diese zerrütteten Beziehungen, die zur Zeit der Regentschaft entstanden, zwischen Heinrich IV. und Ekbert I. zu den Kämpfen führten, die mit Ekberts und anderer Vornbacher Flucht nach Ungarn endeten. Noch einmal ist auf die Koinzidenz der Ereignisse aufmerksam zu machen  : Etwa zur gleichen Zeit als die Regentschaft für Heinrich IV. der Verlobung seiner Schwester Judith mit Salomon, dem bereits gekrönten Sohn Andreas’ zustimmte, heiratete Béla I. eine Dame aus einer der mächtigsten bayerischen Familien, die in diesen Jahren in der Mark Ostarrîchi gezielte Besitz- und Heiratspolitik betrieb. Die Frage, ob sich diese Aktivitäten schon damals auch auf das später zur Herrschaft der Grafen von Neuburg-Vornbach (Ekbert I. und seine Nachkommen) gehörige Gebiet zwischen Semmering und Piesting bezogen, ist nicht zu beantworten. Weltin wies auf eine Schenkung der Brüder Eberhard und Adalbero an Göttweig hin, die ein Dorf im Gebiet des heutigen Neunkirchen betraf.29 Tatsächlich hieß ein Sohn Ekberts I. Eberhard  – der Gebrauch dieses Namens unter seinen Gefolgsleuten ist wahrscheinlich.30 Ein einziger interpretationsbedürftiger Hinweis ist aber für weitreichende Schlussfolgerungen doch ein wenig dünn. Richtiger ist wohl die Vorstellung, dass erst seit 1081, als unter der Führung Markgraf Leopolds II. die königsfeindliche Partei in der Mark die Oberhand gewann, die Ekberte ihre Besitzungen und ihre Macht im Pittener Gebiet ausbauten. Ergebnis dieser Herrschaftsorganisation war eine Grenzlinie, die anstelle des früheren breiten Grenzstreifens Ungarn vom nordöstlichen Zipfel der karantanischen

27 Tyroller, Genealogie Taf. 9. 28 Notae genealogicae Bavaricae, 77. 29 FRA II/69, 174 f., Nr. 30. Bemerkungen dazu NÖUB 1, 382. 30 Weltin, Das Pittener Gebiet im Mittelalter, 24, mit Anm. 35.

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Mark trennte. Der Ausbau der Herrschaft der Ekberte in diesem Raum begann also erst 20 Jahre nach der ungarischen Ehe Tutas.31 Davor lassen sich zwischen der Piesting und dem Semmering, das zum Grenzland gegen Ungarn gehörte, andere Einflüsse nachweisen. 1058 überließ die Regentschaft für den achtjährigen Heinrich IV. im Pittener Grenzland dem königlichen Getreuen Kuno zehn Königshufen, die er sich an der Schwarza auswählen durfte. Der Besitz lag in der karantanischen Mark in der Grafschaft des Markgrafen Otakar I.32 Kuno war Pfalzgraf von Bayern und wurde nach Rott am Inn genannt. Er war auch Zeuge jener Notiz, in der 1057/62 einige Rechte der Bamberger Ministerialen aufgezeichnet wurden. Unter Kunos milites gab es auch einen Eberhard.33 Ob dieser miles ein Vorfahre der Brüder Eberhard und Adalbero war, die das erwähnt Dorf im Neunkirchner Gebiet an Göttweig schenkten, lässt sich nicht nachweisen. So bleibt nur die Hypothese, dass diese milites vermutlich nach 1081 Gefolgsleute der Ekberte wurden. Wir sehen zwar in den Details der Siedlungs- und Herrschaftsentwicklung im Grenzraum gegen Ungarn nicht klar, können aber aus einzelnen Nachrichten auf Unternehmungen mehrerer bayerischer Grafen und Edelfreier Rückschlüsse ziehen. Die Kriege der vergangenen Jahre mit dem Ziel des Kaisers, eine Kontrolle über Ungarn herzustellen, entsprangen keiner bayerischen Initiative. An den Kämpfen waren aber Bayern oftmals beteiligt und wirkten auch als Ratgeber, die wohl auch eigene Interessen im Grenzgebiet verfolgten. Wir dürfen annehmen, dass den Anführern der bayerischen Verbände im Zuge ihres kriegerischen Reichsdienstes klar wurde, welche Möglichkeiten ihnen zu einer machtvollen Entwicklung ihrer strategischen und materiellen Grundlagen im Grenzgebiet und dem weiten dazugehörigen Hinterland offenstanden. Wie wir gesehen haben, war es für die Mächtigen nicht immer einfach, ihren Weg in der Zwickmühle zwischen erwünschter Machterweiterung, verpflichtender Unterstützung des Kaisers und Beobachtung der Chancen in Ungarn selbst zu finden. Letztlich lief es auf die Frage der Anwendung friedlicher oder gewaltsamer Mittel hinaus. Davon war auch der Markgraf Ostarrîchis betroffen, wie wir an Adalberts Verhandlungen mit König Andreas im Jahre 1051 sehen konnten. 1058 gelang Andreas schließlich der Friedensschluss mit der Regentschaft für Heinrich IV., der von Adalberts Nachfolger, dem Markgrafen Ernst mitgetragen wurde. Schon bald nach dem Antritt seiner Herrschaft als Markgraf bat Ernst am 29. Dezember 1056 (nach dem damaligen Jahresbeginn am 25. Dezember, also bereits im Jahre 1057) die Regentin Agnes (formal natürlich den sechsjährigen König) um eine Schenkung an seinen Dienstmann Azzo, dessen Anfänge und kriegerische Tätigkeit in der Mark im Rahmen der Ungarnkriege

31 Weltin, Das Pittener Gebiet im Mittelalter, 29, mit Anm. 68. 32 NÖUB 1, 375 f., Nr. 30. Kommentar 382  ; Weltin, Das Pittener Gebiet im Mittelalter, 23. 33 NÖUB 1, 355, Nr. 27a. Zur Identifizierung Kunos, 380, und Brunner, Ius, 178.

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Heinrichs III. erklärt werden.34 Ernst wurde von dem ihm verschwägerten Wilhelm IV. von Weimar-Orlamünde, Markgraf von Meißen unterstützt, der in einem Vertrauensverhältnis zu Kaiserin Agnes stand.35 Es handelt sich um jenen Wilhelm, der, wie berichtet, wenige Jahre später die ungarische Prinzessin Sophia heiraten sollte. 1058, im Jahr des Friedensschlusses mit Andreas, erhielt Ernst nach einer Theorie von Ernst Klebel das Kloster Metten.36 Diese heute verlorene Urkunde wurde anlässlich der Herstellung der berühmten Fälschungen in der Kanzlei Herzog Rudolfs IV., (darunter das Privilegium maius) 1358/59 beseitigt. Der Fälschungskomplex enthält aber nach den Untersuchungen von Karl Helleiner Hinweise auf eine tatsächlich einst vorhandene Urkunde Heinrichs IV., deren Kern eine Schenkung war.37 So ist als Empfänger mehrfach Markgraf Ernst genannt und in der Korroboratio (Aufzählung der Beglaubigungsmittel) ist von einer tradicio, eben einer Schenkung die Rede, auf die der Kontext der Fälschung keinen Bezug nimmt. Ferner spielt der Ausstellungsort Thürnbuch eine wichtige Rolle in Helleiners Argumentation für die einstige Existenz einer echten Vorlage, denn dieser Ort passt genau in das Itinerar der Hofgesellschaft und war zu unbedeutend, um von einem späteren Fälscher erfunden zu werden. Wenn Klebels Bezug auf Metten richtig ist, erhielt Ernst damit im Zentrum der Grafschaft im Unteren Donaugau, in dem Metten lag, wichtigen Besitz. Bis 1051 ist sein Vater Adalbert dort als Graf nachzuweisen. Für Ernst fehlen derartige Belege und ab 1060/70 waren bereits die Grafen von Bogen in dieser Funktion.38 Der Besitz von Metten könnte einen Ersatz für die verlorene Grafenwürde darstellen und den weiteren Einfluss in Bayern gesichert haben. 1058 gab es in Bayern außer der Kaiserin Agnes keinen Herzog, das Land unterstand mit ihrer Person direkt der königlichen Herrschaft, d. h. der Regentschaft. Es ist denkbar, dass Ernst in Bayern eine Rolle zu übernehmen hatte, wie sie schon möglicherweise sein Onkel Heinrich I. innehatte. Denn, wie wir noch sehen werden, stand er bei den Ereignissen des Jahres 1060 in Ungarn an der Spitze der bayerischen Ritter.39 Die Entwicklung der Herrschaft der Babenberger war damals nicht ausschließlich auf Ostarrîchi ausgerichtet. Die Aufgaben, die den Markgrafen an der ungarischen Grenze 34 Dienst, Tradition, 42 ff., Darstellung der Legende, und 69 Deutung der Geschehnisse auf die Heldentaten Leopold des Jüngeren. 35 Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 1, 97 mit Anm. 87. Wilhelm war ein Halbbruder der marchionissa Adelheid, der Gattin des Markgrafen Ernst  ; Lechner, Babenberger, 86. 36 BUB IV/1 Nr. 575  ; Klebel, Zur Rechts- und Verfassungsgeschichte, 41 und 108, Anm. 154. 37 Helleiner, Ein Deperditum, 412–418. 38 Lechner, Babenberger, 83, und Handbuch für bayerische Geschichte 1, 417 mit Anm. 72  ; Für Adalbert Belege bei Klebel, Zur Rechts- und Verfassungsgeschichte, 108, Anm. 158. 39 Annales Altahenses maiores 56  : […] in Ungariam mittuntur ex latere regis episcopus Eppo de civitate Citiza, marchio Saxonicus, marchio Baioaricus et alii quam plurimi. Warum Lechner, Babenberger, 85, nur annimmt, dass Ernst an diesen Kämpfen beteiligt war, ist im Lichte des klaren Niederaltaicher Berichtes nicht nachvollziehbar. Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 1, 193.

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übertragen waren, trugen zu ihrem beachtlichen Ruf unter den Beobachtern am Königshof und im Reich bei. Zugleich verloren Adalbert und seine Nachfolger nicht aus den Augen, dass sie ihre Macht auch weiterhin in Bayern ausdehnen konnten. Der Vorgang der Verselbständigung der Mark war aus der Sicht der Babenberger nur ein Element ihres Strebens nach Machtgewinn. Eine Beschäftigung mit der Frage, warum die Babenberger bei der Erhebung zur bayerischen Herzogswürde lange Zeit übergangen wurden, könnte interessante Konstellationen erkennen lassen. Vermutlich waren sie durch ihre vielfältigen Beziehungen zu den bayerischen führenden Dynastien ein Machtfaktor in Bayern, der das Misstrauen des jeweiligen Königs gegen sie förderte. Der Rückzug Adalberts aus den bayerischen Grafschaften, den vielleicht Ernst vollendete, und der sichtbar werdende Aufbau einer neuerlichen, diesmal selbständigen Machtstellung in der Mark veränderte die Voraussetzungen der Beteiligung an der Verteilung der Macht in Bayern für die Babenberger für einige Jahrzehnte. In dieser Phase der Entwicklung wäre es vielleicht sogar möglich gewesen, dass ein bayerischer Herzog aus dem Hause der Babenberger Bayern zum Nebenland der Mark gemacht hätte. Die Regentin Agnes und der Markgraf unterstützten mit dem Friedensschluss von 1058 zugleich eine ungarische Partei um Salomon und seine Mutter Anastasia von Kiew, die in Ungarn nicht mehr unbestritten war. Dies führt uns zurück zu den bereits skizzierten Verhältnissen. Die Eheschließung Bélas I. mit Tuta fand wohl im Jahr 1059/60 statt. Allerdings war Béla damals auf der Flucht vor Andreas in Polen.40 Vielleicht fand die Eheschließung erst nach den dramatischen Ereignissen 1060 statt, die zum Tod des Königs Andreas und zu Bélas Thronbesteigung führten. Aus den obigen Ausführungen über das Pittener Gebiet ist zu folgern, dass der Aufbau der Vornbacher Machtstellung im ungarisch/karantanischen Grenzbereich wegen der fehlenden Koinzidenz mit der Eheschließung Tutas nicht in Zusammenhang steht. Unabhängig davon bedeutet aber die Entstehung der Herrschaft der Ekberte im Pittener Gebiet, die auch für die im 12. Jahrhundert so wichtige Entwicklung des nun steirischösterreichischen Verhältnisses bedeutsam war, eine neue Grenzherrschaft gegenüber Ungarn. Diese Frage wird weiter unten ausführlicher behandelt. Tuta hatte außer Ekbert einen zweiten Vetter, der die Machtstellung der Vornbacher in der Mark und benachbarten Gebieten durch Heirat und Gebietserwerbungen ausweitete und stabilisierte. Es handelt sich um den Grafen Ulrich, dessen Familie etwas später nach der nördlich von St. Pölten liegenden Burg Radlberg bezeichnet wurde. Er festigte in der Nachfolge seines Vaters Meginhard die starke Stellung der Vornbacher im Kamp- und Traisental bzw. am Manhartsberg.41 Die Bedeutung dieser Räume ist 40 Büdinger, Ein Buch ungarischer Geschichte, 4  ; Varga, Ungarn und das Reich, 126 f. Kristó, Die Árpádendynastie, 91. 41 Zu Meginhard und seinen Nachkommen Jungmann-Stadler, Hedwig von Windberg, 255 ff.; Loibl, Der Herrschaftsraum, 371 f. und 373 f.; NÖUB 1, 414 ff. Lohrmann, Herrschaftsverhältnisse, 116 ff.

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charakteristisch für die Mischung von wirtschaftlich ertragreichen Gebieten mit Grenzlandschaften, die aber nur wenig durch »trutzige« Burgen gekennzeichnet sind. Auch sein Vetter Ekbert  I. hatte nicht nur im Pittener Gebiet, sondern auch im südlichen Waldviertel und in der Gegend von Melk Besitzungen.42 Ein weiterer Besitzkomplex ging auf den Grafen Heinrich zurück, dessen Sohn Dietrich sich dann nach Kreuzenstein nannte, und zusammen mit seinen Pittener Verwandten die mächtige Stellung der Vornbacher im Hinterland des Grenzraums gegen Ungarn vervollständigte.43 Trotz einiger Besitzungen war Ekbert zur Zeit von Tutas Eheschließung noch kein Machtfaktor im Osten – noch lebte sein Onkel Meginhard, der 1066 mit seinem Bruder Pilgrim ermordet wurde. Meginhards gewaltsamer Tod könnte ein Hinweis darauf sein, dass andere Familien seiner wachsenden Machtstellung mit Misstrauen begegneten. Meginhards Sohn Ulrich war noch nicht verheiratet, seine Eheschließung wird auf 1067/1075 datiert44 und die Gründung des Stiftes Göttweig hatte nicht einmal das Planungsstadium erreicht, da der künftige »genius fundationis« Altmann noch nicht Bischof von Passau war. Die Dynasten planten in weit gespannten Grenzräumen, ihren Besitz und ihr Gefolge zu vergrößern und ihren Platz unter den Großen und Mächtigen auch jenseits der Grenzen zu festigen. Den erwähnten Feierlichkeiten anlässlich des Friedenschlusses zwischen der Regentschaft und Andreas im September 1058 wohnte Béla nicht bei und drückte damit seine Unzufriedenheit mit der Vorgangsweise Andreas’ aus.45 Die Bemerkung des Niederaltaichers zum Misstrauen »der Unsrigen« gegenüber Béla zeigt ihn auf der Seite der Regentschaft, die Salomon unterstützte. Béla begab sich offenbar zur Sammlung eines Heeres nach Polen und begann nach seiner Rückkehr, die Gebiete seines Bruders zu verwüsten. Andreas bereitete offensichtlich seine Flucht ins ostfränkische Gebiet vor, schickte den Kronschatz in das castrum Medilhecka und ließ seinen Sohn durch den Grafen Tietpald zu Heinrich IV. bringen.46 Kamillo Trotter führte etwa 1930 den Beweis, dass Tietpald mit einem 1059 nachzuweisenden gleichnamigen Grafen des Augstgaues zu identifizieren ist.47 Nach Trotters Beweisführung tauchte der Name Diepold nur in jenem baye42 Lohrmann, Herrschaftsverhältnisse, 118 f. 43 Loibl, Der Herrschaftsraum, 378, zu Heinrich, und 114 zu Dietrich von Vornbach/Vichtenstein/Kreuzenstein. 44 NÖUB 1, 413 f,. Nr. 33. 45 Annales Altahenses maiores, 56  : cui conventioni [Versammlung auf dem Marchfeld] regis frater, Bel nomine, cum filio non intererat, ideoque nostratibus semper suspecti erant. Schünemann, Die Deutschen in Ungarn, 78  ; Varga, Ungarn und das Reich, 126. 46 Die Chroniken Bertholds von Reichenau, 189  : Hic Andreas a fratre nimis iniuratus, tandem febre pulsatus omnes thesauros suos in castrum Medelekka, necnon et filum suum Heinrico regi per Tietpaldum comitem transmisit. Weltin, Aschrichsbrvgge, 350. 47 Trotter, Die Grafen von Vohburg, 54 f. Nr. 3. Vgl. oben S. ###.

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rischen Geschlecht auf, das später als die »Vohburger« bezeichnet wurde. Unter diesen Umständen ist es sehr wahrscheinlich, dass es dieser Diepold war, der den ungarischen Königssohn an den Hof der Regentschaft geleitete.48 Obwohl er noch 1059 wegen einer schwäbischen Grafschaft mit dem Augsburger Bischof Heinrich und wahrscheinlich auch mit der Regentschaft stritt,49 stellte er sich für die ungarischen Angelegenheiten der Regentin Agnes zur Verfügung. Ein solches Geschäft übernahm man wohl nur dann, wenn man etwas mit Ungarn zu tun hatte. Noch einige Bemerkungen zu Mödling. Das castrum Medilhecka oder Medelekka, wie es in der zweiten Fassung von Bertholds Chronik genannt wird, war Mödling und nicht Melk. Max Weltin, der diese Identifizierung vertrat, nannte Mödling einen Stützpunkt Diepolds I.50 Als Beweis für diese Annahme dienten Gefolgsleute der »Vohburger«, die sich später nach Liechtenstein, Mödling, und Pertronell nannten. Ferner gab es einen Heinrich Span, dessen Bruder Gottfried von Wetterfeld ebenfalls zu den ritterlichen Leuten im Gefolge der »Vohburger« gehörte. Diese Familien seien zusammen mit den Grafen während der Ungarnkriege Heinrichs III. oder kurz danach zur Sicherung der Grenze gegen Ungarn in den Osten gekommen.51 Die Vohburger waren demnach eine bayerische Dynastie, die in den ungarischen Angelegenheiten auf Seiten der Königinmutter Agnes und damit der Familie des Königs Andreas agierte. Der Vergleich mit den Vornbachern legt nahe, dass bayerische Dynastenfamilien auf verschiedenen Wegen günstige Positionen im ungarischen Herrschaftsgefüge aufzubauen versuchten. Dies scheint zunächst ohne Konflikte abgelaufen zu sein. So heiratete Ulrich von WindbergRadlberg, der Sohn des erwähnten mächtigen Meginhard, eine Mathilde, die von einigen Forschern für eine Dame aus Diepolds Familie gehalten wird.52 Noch gab es Spielraum gegenüber einem konkurrierenden Mitbewerber und Zusammenarbeit empfahl sich bei der Fülle der anstehenden Aufgaben. Erst der von beinahe allen Beteiligten verantwortungslos auf Zuspitzung und Eskalation gerichtete Umgang mit der Investitur der Bischöfe ermunterte zu Streitigkeiten, die auch andere divergierende Interessen betrafen. Im Zusammenhang mit der Flucht in die Burg Mödling, um Salomons Schatz zu retten, ist allerdings zu beachten, dass Mödling und seine Umgebung zum Einflussgebiet der babenbergischen Markgrafen gehörten. Ob Diepold, wenn er tatsächlich in der Burg Mödling einen wichtigen Standort hatte, diese Position in einer gewissen Abhängigkeit von Markgraf Ernst ausübte, ist unklar. Was die Parteinahme für Andreas und seinen 48 So auch Tyroller, Genealogie, 181, Nr. 4 (Kapitel  : Die Rapotonen). 49 Annales Augustani, 127, zu 1059. 50 Die ältere Identifizierung Meyer von Knonau Heinrich IV. 1, 195 mit Anm. 56. Max Weltin spricht von einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Mödling handelt. NÖLA 9, 38, Kommentar zu Nr. 133. 51 Weltin, NÖLA 9, 38. 52 NÖUB 1, 415, Kommentar zu Nr. 33. Ulrichs Vater Meginhard vererbte seinem Sohn Besitz am Manhartsberg und hinterließ ihm eine mächtige Stellung im Raum des südlichen Waldviertels, vermutlich bis zur Donau bei Spitz.

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Sohn Salomon betrifft, waren sich der Babenberger und der Vohburger wohl einig. Ernst beteiligte sich an den Maßnahmen, die Kaiserin Agnes 1060 zugunsten des Königs Andreas ergriff. Die Person Diepolds II. und seine Tätigkeit im ungarischen Grenzraum erlaubt eine weitere interessante Beobachtung. Ausgangspunkt ist die wohl richtig erschlossene Tatsache, dass Diepold etwa in den vierziger Jahren, zur Zeit der Offensive Heinrichs III. gegen König Aba, in den Osten aufbrach. Der Grenzbereich bot offenbar zwei Möglichkeiten des Machtgewinns  : man konnte sich auf der Seite des Babenbergers engagieren oder eine entwickelbare Position in Ungarn anstreben. Am nützlichsten war es, beide Ziele zu verfolgen. Diepolds Übernahme der Burg Mödling und die Tätigkeit seiner Gefolgsleute im Grenzraum gegen Ungarn gehören zu den Unternehmungen in Zusammenarbeit mit dem babenbergischen Markgrafen. Diepold gehörte aber auch angeblich zu den sogenannten »Ankömmlingen«, Angehörige der fränkischen, vor allem der bayerischen und schwäbischen Nobilität, für die das »Überspringen« der Grenze nach Ungarn eine naheliegende Erweiterung ihres Engagements an den Grenzen des Reiches im Südosten bedeutete. Über sie berichtet Simon de Kéza am Ende des 13. Jahrhunderts. Als ersten adeligen Zuwanderer nennt er unseren Tiboldus, den er näher als »von Fanberg« beschreibt. Nach der von Kéza eingehaltenen Chronologie des Gästekapitels soll er schon im 10. Jahrhundert zur Zeit Gézas in Ungarn eingewandert sein.53 Der Vorname Tibold oder Diepolt und die Bezeichnung als Graf machen es wahrscheinlich, dass es sich um einen Angehörigen der mächtigen Rapotonen-Diepoldinger handelt, die sich später nach Vohburg nannten. Kamillo Trotter rechnet diesen Tibold zu den Rapotonen.54 Schon Ambros Heller identifizierte den Herzog Géza mit dem König Géza I. (1074–1077).55 Nach Kéza leitete sich von der deutschsprachigen Bezeichnung Tibolds als Graf ein späterer Geschlechtsname in Ungarn ab  : Grauu, Grab oder Grak. Rätselhaft ist die Herleitung der Familie von einem Ort namens Bobocha. Die Familie kam, so Kéza, nämlich aus Deutschland. Betrachten wir nun die Ereignisse des Jahres 1060 etwas näher. Die Lage des ungarischen Königs Andreas wurde zunehmend schwierig. Von den Verwüstungen, die Bélas Kriegszüge anrichteten, war bereits die Rede. Ferner soll Andreas nach der Aussage verschiedener Berichte alt und krank gewesen sein. Tatschlich muss man eher von einer fieberhaften Erkrankung ausgehen. Andreas war 1060 etwa 45 Jahre alt. Es ist aber auch zu bedenken, dass die uns überlieferten Erzählungen über diese Vorgänge zum Teil erst 53 Simonis de Kéza Gesta Hungarorum, 188. Nach der Erzählung über Gézas Taufe beginnt die Stelle, in der Tibold erwähnt ist mit der zeitlichen Festlegung  : Tunc eo tempore […]. 54 Trotter, Die Grafen von Vohburg, 54 f., Nr. 3. Eine Vermutung in die gleiche Richtung schon Heller, Die Ostmark 280  : »[…] ja wenn Simon von Kéza recht berichtet, war er bereits vom ungarischen Könige mit Lehen bedacht worden.« 55 Heller, Die Ostmark, 280, Anm. 6  : »Herzog »Geicha« scheint kaum ein früherer als Béla’s Sohn Géza gewesen zu sein.

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zweihundert Jahre später entstanden sind. Die älteste Nachricht über den schlechten Gesundheitszustand Andreas’ enthalten die Annales Posonienses, die damit die Krönung Salomons begründen  : Andreas rex infirmatur et Salomonem filium suum coronavit.56 Offenbar schlossen spätere Kompilatoren aus diesem Bericht, dass der König alt war.57 Jedenfalls berichtet Lampert von Hersfeld in diesem Zusammenhang, dass Andreas seine Frau und Salomon mit einigen Kostbarkeiten zu König Heinrich schickte und um militärische Unterstützung bat.58 Wir haben über die Flucht Anastasias und Salomons bereits durch den zutreffenderen Bericht Bertholds von Reichenau gehört. Der Annalist aus Niederaltaich erzählt von der Witwe des ungarischen Königs, die wahrscheinlich zu Beginn des Jahres 1061 am königlichen Hoflager mit ihrem Sohn und der Schwiegertochter in Regensburg eintraf.59 Salomon und seine Braut blieben beim König, der die beiden bei der geplanten Rückgewinnung Ungarns mit dem Rat seiner Fürsten unterstützen wollte. Die Witwe Anastasia schickte der König in die Mark, wo sie aus den Mitteln des Königs erhalten werden sollte. Gerne würden wir Näheres darüber wissen, wie die Versorgung der ungarischen Königswitwe abgelaufen ist. Zu vermuten ist, dass dem Markgrafen zwar die Obsorge für sie zufiel, die Mittel dafür aber aus Königsgut in der Mark stammten. Lampert setzt in seinem Bericht fort, dass der König ein Heer unter der Führung des Markgrafen Wilhelm IV. und Eppo, dem Bischof von Zeiz versammelte und nach Ungarn schickte. Die ausführliche Darstellung aus Niederaltaich wurde bereits besprochen.60 Schünemann sah die Entwicklung der Ereignisse etwas friedlicher und stützte sich dabei auf eine Darstellung aus Zwettl, die er vielleicht ein wenig zu vertrauensvoll betrachtete.61 Zunächst sei es nämlich um den Versuch gegangen, zwischen den Brüdern den Frieden herzustellen. In der ebenfalls viel später entstandenen Zwettler Bemerkung hieß es, dass König Heinrich Wilhelm und Eppo nach Ungarn schickte, um Frieden zwischen Andreas und Béla zu stiften  ; doch hatten sie dabei keinen Erfolg. Der schärfer werdende Gegensatz führte schließlich zum Krieg, der in einem Gemetzel endete. Béla vertrieb seinen Bruder, verfolgte ihn bis zum Tod und setzte die Gesandten gefangen.62 In Niederaltaich wusste man offenbar von den Verhandlungen nichts. 56 Annales Posonienses, 572, zum 5. Oktober 1058. 57 Die einschlägigen Zitate Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 1, 192 f., mit Anm. 51. 58 Lamperti Annales, 77 f. 59 Annales Altahenses maiores, 57 f.: Illuc [hierher nach Regensburg] ergo occurrit vidua regis Ungarici cum filio nuruque […]  ; Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 1, 205. 60 Lamperti Annales, 78  ; Annales Altahenses maiores 56. 61 Schünemann, Die Deutschen in Ungarn, 78. 62 Auctarium Zwetlense, 539. Eberhardus Neubergensis episcopus et Willelmus marchio missi a rege Heinrico in Pannoniam ad pacificandum regem Andream cum fratre suo Belone, non valuerunt  ; sed magis crescente discordia bellum inierunt, magnaque cede hinc inde patrata, Belo fratrem suum Andream regem iam grandevum ignominiose expulit, et ad mortem perduxit, ipsosque legatos custodie tradidit.

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An den Kämpfen nahm, wie bereits erwähnt, auch Markgraf Ernst teil  : der König schickte auch den bayerischen Markgrafen nach Ungarn.63 Die Heldentaten verrichteten aber andere. Die Entscheidung fiel am ungarischen »Landestor« von Moson-Wieselburg, wo die Deutschen (Teutonici) gegen die zahlenmäßig überlegenen Ungarn unterlagen. Markgraf Wilhelm und der bayerische Graf Poto erlangten hier, wie erwähnt, ihren Ruf als Helden, als sie sich erst nach langem Kampf den Ungarn ergaben. Bélas älterer Sohn Géza war von Wilhelms Kampfkraft und Heldenmut so beeindruckt, dass er seinem Vater empfahl, ihm die ungarische Prinzessin Sophia zur Frau zu geben.64 Poto war, wie schon erwähnt, am Aufstand gegen Heinrich III. im Jahre 1053 beteiligt, verlor einen Teil seiner Besitzungen, erlangte aber die Verzeihung des Königs.65 Seine Rolle bei den Ereignissen 1060 in Ungarn zeigt den comes Poto in einer angesehenen Stellung. Auch er wurde unter die adeligen Einwanderer gerechnet. Aufmerksam macht die ihn betreffende Erzählung in der Compositio. Er sei in der Zeit Salomons nach Pannonien gekommen. Urspünglich hieß er Ernst, wurde dann aber »Poth« genannt, weil er zwischen Kaiser Konrad (sic) und den ungarischen Königen Andreas und Salomon als »Bote« tätig war.66 Diese Erklärung erinnert an die Sicht der Ereignisse in Zwettl. Kaiserin Agnes gab zu Beginn des Jahres 1061 ihre Herrschaft in Bayern auf.67 Ob die Niederlage bei Wieselburg die Ursache dafür war, lässt sich nicht beweisen. Der nun als Herzog eingesetzte Otto von Nordheim soll bei den Planungen und schließlich der Ausführung eines Feldzugs gegen Béla im Jahre 1063 eine bedeutende Rolle gespielt haben. Die einschlägige Behauptung stammt von Lampert, dessen Nachrichten kritisch zu betrachten sind.68 Als wichtigen Beweis für Ottos bedeutende Rolle bei der Einsetzung Salomons strichen Meyer von Knonau und Max Büdinger die Schenkung des sagenumwobenen »Schwertes Attilas« an den bayerischen Herzog heraus. Anastasia, die Witwe Andreas’  I. und Mutter Salomons, schenkte das Schwert Otto von Nordheim.69 Lampert schrieb die Geschichte dieses Schwertes nieder, als er über Liupold von Meersburg berichtete, der bei einem Sturz von diesem Schwert durchbohrt wurde. Dabei kam er auf die Schenkung an Herzog Otto zu sprechen, auf dessen Rat und Betreiben König Heinrich IV. den ungarischen König Salomon wieder auf den väterlichen Thron, nämlich den Thron Andreas’ I., gesetzt habe.70 Im folgenden Jahre wurde der etwa 63 Annales Altahenses maiores, 56. 64 Zum Kampf Annales Altahenses maiores, 58, zu Gézas Intervention Lamperti Annales, 78. 65 Posch, Die Herrschaft Riegersburg, 138. 66 Chronici Hungarici compostio, 297 f., Nr. 42. 67 Annales Altahenses maiores, 59. Es handelt sich um das letzte zum Jahr 1061 berichtete Ereignis. 68 Lamperti Annales, 130  ; Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich  IV. 1, 343, mit Anm.  70 und 348. Handbuch der bayerischen Geschichte 1, 318. 69 Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 1, 348  ; Büdinger, Ein Buch ungarischer Geschichte, 17. 70 Lamperti Annales 130. NÖUB 1, 392  : Kommentar mit Hinweis, dass sich diese Waffe vielleicht mit dem Säbel Karls des Großen in der Schatzkammer identifzieren lässt. Weltliche und geistliche Schatzkammer,

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12-jährige Salomon im Zuge des Ausgleichs mit seinem Vetter Géza, der von der ungarischen Geistlichkeit vermittelt wude, von diesem, der acht Jahre älter war, noch einmal in Fünfkirchen gekrönt.71 Die Selbständigkeit Ungarns gegenüber dem Reich soll nach Boshof durch die Beteiligung der ungarischen Großen zum Ausdruck gekommen sein. Allerdings stammen diese Nachrichten aus der ungarischen Compositio des 14.  Jahrhunderts.72 Varga kritisiert diese Auffassung und versteht die Krönungen Salomons in den Jahren 1063 und 1064 als Festkrönungen, die es Salomons bisherigen Gegnern ermöglichte, ihren Gesinnungswechsel oder ihre Anpassung an die Verhältnisse in feierlicher Atmosphäre zu demonstrieren.73 Egon Boshof interpretiert dieses Ergebnis als eine Fortsetzung der Bemühungen Heinrichs III., Ungarn vom Reich abhängig zu machen. Er weist auf das politische Übergewicht des Reiches hin – es gelang aber keine rechtliche Bindung durchzusetzen.74 Die gerade hinsichtlich des Feldzugs von 1063 gut informierten Niederaltaicher Annalen erwähnen allerdings den von Lampert an prominente Stelle gerückten Otto von Nordheim im Zusammenhang mit seiner Schilderung des Feldzugs mit keinem Wort. Das Schweigen betreffend den Markgrafen Ernst zeigt, dass die militärischen und herrschaftlichen Aufgaben gegenüber Ungarn trotz des Wirkens des Markgrafen Adalbert nicht ausschließlich auf die Mark übergegangen waren. Die neue, seit 1062 an die Macht gelangte Regentschaft unter der Führung Annos von Köln, aber auch Ottos von Nordheim, versuchten damals mit Hilfe der veränderten Mächtegruppierungen offenbar, stärkeren Einfluss in Ungarn auszuüben. Eine weitere Facette der Nachbarschaft bietet der Pilgerzug nach Jerusalem, der durch das Ungarn des Königs Salomon und seiner Vettern führte. Der ausführliche Bericht aus Niederaltaich setzt das Unternehmen in das Jahr 1065.75 Mehr als 12.000 Teilnehmer sollen sich auf den Weg gemacht und die March bei Angern nach Ungarn überquert haben. Stephan der Heilige hatte Ungarn für die Pilger ins Heilige Land geöffnet. Györffy betrachtet diese neue Pilgerstraße, die seit 1018/19 bestand, wohl mit Recht als die Anbindung Ungarns an Europa und damit als Beginn einer neuen Epoche der nachbarlichen Beziehungen zu den westlich-lateinischen Mächten. Die Fahrt durch Ungarn gab dem Handel zwischen Ungarn und dem Westen wichtige Impulse. Der sich erschließende Landweg nach Osten gewährte höhere Sicherheit als der Seeweg, der zusätzlich zu den Gefahren der Benutzung von Schiffen die Reisenden der Habgier von Schiffseignern und dem Angriff von Seeräubern aussetzte. Odilo von Cluny und Bern von Reichenau waren voll des Lobes über Stephan und dankten ihm für die Unterstützung, die er 170, Nr. 159, weist zwar auf die Bezeichnung »Attilas Schwert« hin, weitere Zusammenhänge werden nicht erwähnt. 71 Varga, Ungarn und das Reich, 129  ; Büdinger, Ein Buch ungarischer Geschichte, 18. 72 Chronicon Hungarici compositio, cap. 97, 362. 73 Varga, Ungarn und das Reich, 129. 74 Boshof, Das Reich und Ungarn, 56 f. 75 Annales Altahenses maiores, 66  ; NÖUB 1, 392.

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den Pilgern gewährte.76 Diese Errungenschaft überlebte auch die Krisenjahre nach 1038. Die Öffnung für Pilger begünstigte aber auch andere Absichten. Konrad II. schickte im Herbst 1027 eine Gesandtschaft nach Konstantinopel, die für den Kronprinzen Heinrich um eine byzantinische Braut werben sollte. König Stephan sah Ungarn durch diesen Plan gefährdet, denn er verwehrte den Gesandten den Durchzug.77 Über die Entstehung und Entwicklung des Handels mit Ungarn im 11.  Jahrhundert wissen wir wenig. Die grundlegende Bemerkung Roman Sandgrubers, dass die Donau im Sinne der Logik des Warenverkehrs eigentlich in die verkehrte Richtung fließt, mag aus der Sicht der Babenberger vielleicht Berechtigung haben. Aus der Zeit Bélas  I. (1060–1063) und Ladislaus  I. (1077–1095) stammen die ersten Hinweise auf eine handwerkliche Warenproduktion und den mit dieser zusammenhängenden Handel in Ungarn. Simon de Kéza berichtet über die Abhaltung von Wochenmärkten, die König Béla einführte. Zu dem Marktgetriebe gehörte auch eine Ordnung des Münzwesens.78 Im zweiten Gesetz Ladislaus’ des Heiligen wurde der Handel außerhalb der Märkte verboten.79 Eine Fernhandelsstraße führte vielleicht schon im 11. Jahrhundert von Gran über Veszprém in die benachbarten Gebiete Karantaniens und Slawoniens.80 Nach diesem kurzen Blick auf Pilger, Handwerker und Händler zurück zu den besser bekannten »politischen« Problemen. Bei der folgenden Darstellung der Nachbarschaftsverhältnisse zwischen Ungarn und der Mark in den sechziger und siebziger Jahren müssen wir kritisch die bekannte Beurteilung des Markgrafen Ernst in den Annalen Lamperts im Auge behalten. Als Ernst in der Schlacht an der Unstrut nach einer schweren Verwundung schließlich starb, nannte ihn der Annalist marchio Baioariorum und charakterisierte ihn als einen im Reich hoch angesehenen Mann, der durch zahlreiche Siege gegen die Ungarn berühmt war.81 Man sollte dieses Urteil nicht für bare Münze nehmen, aber auch in der Kritik maßvoll sein. Ein träger Feigling war Ernst gewiss nicht. Allerdings widersprach sein Verhalten bisweilen dem Heldenideal der Zeit.82 Der Ausgleich zwischen Salomon bzw. Géza und Ladislaus beseitigte keineswegs die Gegensätze im ungarischen Machtkampf. So berichtet der den Ereignissen geographisch fernstehende Sigbert von Gembloux, dass die Ungarn 1070 einen Aufstand gegen Salomon planten, aus Furcht vor Heinrich IV. aber von der Sache Abstand nahmen.83 Die großpolitische Lage in Ungarn wurde dadurch bestimmt, dass Géza die Zusam76 Györffy, Stephan der Heilige, 174 f. 77 Wolfram, Gesandtsschaft, 162 ff. 78 Simonis de Kéza gesta Hungarorum, 180. Sandgruber, Ökonomie und Politik, 37 zur Donau. 79 Decreta Ladislai regis Lib. II Artikel 7, 14  : De negotiatoribus et mercatoribus  ; Kubinyi, Die Anfänge, 8. 80 Kubinyi, Die Anfänge, 9. 81 Lamperti Annales, 219  : Ibi Ernost marchio Baioariorum, vir in regno clarissimus et multis sepe adversus Ungarios victoriis insignis graviter vulneratus est. 82 Vgl. unten 188. 83 Sigeberti Chronica, 362, zu 1070  : Ungari contra Salomonem regem suum rebellionem meditantur  ; sed terrore

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menarbeit mit den Byzantinern suchte und Salomon die Unterstützung des westlichen Großkönigs hatte.84 Varga stellt die Sache mit guten Gründen weniger schematisch dar. Géza und Ladislaus übten einige Jahre die Regentschaft für Salomon aus.85 Varga geht in seiner Einschätzung noch weiter und spricht von einer »politischen Führung« der Brüder. Er verwirft ferner Boshofs Ansicht, dass damals ein politisches Übergewicht des Reiches bestanden habe.86 Nach ungarischem Recht erlangte Salomon erst als 16-Jähriger im Jahre 1068 die vollen Herrschaftsrechte. Die ersten Nachrichten über Kritik an Salomon stammen aus den folgenden Jahren. Die Situation verschärfte sich, als der angeblich aus Schwaben stammende Vid, der wichtigste Berater Salomons, einen Anschlag auf Géza für richtig hielt.87 1074 kam es tatsächlich zu einem Aufstand gegen Salomon, als der König auf Rat des Vid einen neuerlichen Überfall auf Géza plante, bei dem dieser geblendet werden sollte.88 Die Rolle des Vid und viele Einzelheiten der in den nächsten Monaten stattfindenden Kämpfe kennen wir aus den ungarischen Chroniken, die in den wichtigsten Punkten auf Simon de Kéza zurückgeführt werden können. Einige wurden dann im 14.  Jahrhundert in der sogenannten Compositio aus älteren Chroniken zusammengefasst.89 Diese Berichte sind kaum überprüfbar und können daher nur bezüglich jener Vorgänge als glaubhaft gelten, die auch durch Briefe, Urkunden und andere historiographische Berichte, besonders jene des Lampert von Hersfeld, bestätigt werden bzw. sich in deren Schilderung einfügen lassen. Am 26. Februar 1074 verlor Géza eine Schlacht, die bei Kemey stattfand, gegen Salomon.90 Seine Verbündeten, unter ihnen sein Bruder Ladislaus, trafen nicht rechtzeitig am Schauplatz des Geschehens ein. Die Niederlage veranlasste Géza, ein Schreiben an Gregor VII. zu senden, in dem er wohl um die Gunst des Papstes warb. Von Gregors etwas zurückhaltender Antwort wird gleich die Rede sein. Einge Tage nach seiner Niederlage gelang Géza doch der Zusammenschluss mit seinen Verbündeten und es kam am 14.  März 1074 zu einer neuerlichen Schlacht, dies-

Heinrici imperatoris, cuius soror nupserat Salomoni, refrenantur. Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 2, 120 und 384 setzt dieses Ereignis in das Jahr 1072. 84 Boshof, Das Reich und Ungarn, 57. 85 Varga, Ungarn und das Reich, 130. 86 Varga, Ungarn und das Reich, 132. 87 Büdinger, Ein Buch ungarischer Geschichte, 34  ; zu Vid auch Kristó, Die Árpádendynastie, 94, mit der Herleitung des Geschlechtes Gutkeled von den schwäbischen Brüdern Gut und Keled. 88 Büdinger, Ein Buch ungarischer Geschichte, 36 f. 89 Zur Entstehung der Chronik Kézas und der Compositio Alexander Domanovszky in den Vorreden zu Simonis de Kéza Gesta Hungarorum, 131, und zu den Chronici Hungarici compositio, 219. 90 Chronici Hungarici Compositio, 383.

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mal bei Mogyoród, nordöstlich von Pest. Salomon wurde geschlagen und flüchtete nach Wieselburg an die Westgrenze Ungarns.91 Seine angeblichen Verbündeten Markward von Eppenstein, den Heinrich IV. zu Salomon geschickt haben soll, und Svatopluk, ein Sohn des Otto von Olmütz/Mähren, gerieten in Gefangenschaft.92 Markwards Mitwirkung an den Kämpfen in Ungarn ist möglich, wir haben dafür aber keinen zeitlich nahestehenden Beweis, der sich auf Quellen stützt. Jedenfalls war damals seine Funktion als Herzog von Kärnten umstritten. Er wurde aber von Heinrich IV. gegenüber dem Zähringer Kärntner Herzog Berthold bevorzugt.93 Salomon hielt nach der Niederlage lediglich seine Stellung im Westen mit den Burgen Wieselburg und Pressburg. Bemerkenswert war allerdings der Schritt Gézas, zumindest auszuloten, zu welchen Hilfestellungen der Papst bereit war. Géza versuchte damit, eine Unterstützung zu gewinnen, die er in ihrer Problematik wahrscheinlich nicht einschätzen konnte. Die Kor­ res­pondenz, die der Papst im Herbst 1074 mit König Salomon führte, zeigt deutlich, dass Gregor die Bindung Ungarns an das Reich schwächen wollte, um an ihre Stelle eine neue Ordnung zu setzen. Die Art dieser neuen Ordnung stellt für den modernen Betrachter ein erhebliches Problem dar, denn es ist heute fast unmöglich, den Gedankengängen Gregors in zureichender und angemessener Weise zu folgen. Trotzdem müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass es die Vorstellung von einer wohl heilsgeschichtlich begründeten Weltordnung gab, die in einer freiwilligen Unterordnung gegenüber der Kirche bestand. Diese unterschied sich nach dem Zeugnis einiger Passagen aus Gregors Briefen deutlich von der temporalen Herrschaft des Kaisers und ihren Zwängen.94 Auch in Ungarn bestand das Neue dieser Sicht darin, dass der König selbst eine dem Papst nachgeordnete Stellung einzunehmen hatte. König Stephan hatte noch auf gleicher Ebene wie die Vertreter der Kirche über die vorhandene Ordnung gewacht.95 Gregors Brief an Herzog Géza vom 17. März 1074 enthält eine charakteristische Beurteilung des Verhältnisses zwischen einem Träger weltlicher Würden und der apostolischen Kirche. Noch war der Konflikt in Ungarn im Gange, der Papst konnte ja über den Sieg Gézas und Ladislaus’ bei Mogyoród noch nicht informiert sein. Gregor formulierte daher recht allgemein und vorsichtig. Er meinte, in Gézas Haltung eine lobenswerte Verehrung des apostolischen Stuhls zu erkennen. Zugleich stellte der Papst aber fest, dass die Leute, die aus dieser Treue und Ergebenheit der Kirche gegenüber Wünsche 91 Der älteste Bericht bei Simonis de Kéza Gesta Hungarorum, 181. 92 Chronici Hungarici Compositio, 391  : Marchart vero dux Teutonicorum et Sentepolug dux Bohemorum capti sunt, militibus suis interfectis et ipsis graviter vulneratis. Varga, Ungarn und das Reich, 133 und 143. 93 Vgl. dazu die Geschichte in Lamperti Annales, 153, betreffend die Absetzung Bertholds im Jahre 1073, die Heinrich IV. abstritt. Nach Lamperts Meinung wusste aber Berthold, dass dies eine Lüge war. 94 Ausführlich dazu Varga, Ungarn und das Reich, 136 f,,. bes. 138. 95 Vgl. zu der für diese Überlegungen wichtige Datierungsfrage die Einleitung zu Stephans Gesetzen The laws Vol. I, 1–3  ; Lohrmann, Benachbarte Kollektive 141.

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formulieren, dies keineswegs tun, um zweifelhafte Schutzmittel und Wohltaten für sich selbst zu wünschen.96 Erst gegen Ende des Schreibens ließ er sich herbei, eine Art Zusage zur Unterstützung zu geben  : Wenn nämlich einer von Gézas Feinden etwas Böses gegen ihn im Schilde führen solle, so werde »dieser kein Gehör (beim Papst) finden und der Unwille der päpstlichen Gnade gegen ihn losbrechen.«97 Die Lage nach Mogyoród fasste Varga zusammen  : Salomons Gemahlin hielt sich im Herrschaftsbereich ihres Bruders König Heinrich auf. Er selbst begann, mit seinem Schwager über Hilfeleistungen zu verhandeln. Herzog Géza ritt mit seinem Bruder Ladislaus und dem Heer nach Stuhlweißenburg, wo er zum König erhoben wurde.98 Abgesehen von der Korrespondenz mit dem Papst nützte Géza die Möglichkeit, seine Stellung zu sichern. Trotz Salomons Niederlage rechnete Géza mit weiterem Widerstand. Zu den folgenden Unternehmungen und Kämpfen sind phantasievoll ausgeschmückte Berichte in den spätmittelalterlichen Chroniken Ungarns überliefert. Die im Raum Ödenburg und Wieselburg lebenden Grenzwächter, die Petschenegen nämlich, wandten sich an Géza mit der Bitte, ihnen ein Privileg zu gewähren. Sie würden dafür Salomon vollständig von der Umgebung abschneiden, dass er aus dem Raum Wieselburg und Pressburg nichts unternehmen könne, um wiederum die Herrschaft in Ungarn zu erlangen.99 Géza ging auf diesen Handel ein und die Petschenegen machten sich mit ihrem Fürsten Zultan gegen Salomon auf den Weg. König Salomon hingegen versprach dem marchio Theutonicorum Geld für seine Unterstützung.100 Der Autor der Compositio bestätigt in seinem Bericht etwas später, dass es sich bei dem Markgrafen um den Nachbarn Ernst handelte.101 Als der Markgraf den Petschenegen entgegenzog und ihr schreckliches Äußeres erblickte, geriet er in Furcht. Er erinnerte sich wohl, wie erbärmlich Markgraf Wilhelm, Graf Poto und Graf Markward gegen die Ungarn angeblich zugrunde gegangen waren. Tatsächlich hatten jene ja, wie berichtet, ein Heldenstück geleistet. Daher erklärte Ernst, dass er während der Fastenzeit nicht kämpfen werde, versprach aber seine Hilfe, wenn sich die Petschenegen als stärker erweisen sollten. Er erstieg hierauf mit seinem Heer den Hügel Bachi (Parn 96 Diplomata Hungariae Antiquissimi 192 Nr. 66, 2.26f.: […] quoniam, qui debita fide et devotione apostolice reverentie vota concipiunt, nequaquam dubia ab eis presidia et benefcia prestolantur.  97 Diplomata Hungariae Antiquissimi 192 Nr. 66, Z. 34ff.: Et si quis inimicorum tuorum aliquid adversum te moliri prave temptaverit, procul dubio non solum nostra carebit audientia, sed indignationem apostolice gratie in eum exasperari sentiet. Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrichs IV. 2, 386 f.; Büdinger, Ein Buch ungarischer Geschichte, 42.  98 Varga, Ungarn und das Reich, 133  ; zu Géza Chronici Hungarici Compositio, 394, cap. 124.  99 Chronici Hungarici Compositio, 395, cap. 125. 100 Chronici Hungarici Compositio, 396  : Rex autem Salomon marchionem Theutonicorum promissa pecunia in auxilium ascivit. An diese Stelle schließt der im Folgenden wiedergegebene Bericht an. 101 Chronici Hungariae Compositio, 397  : Marchio itaque predictus nomine Hernuh iratus voluit venire super Salomonem, sed timens imperatorem cessavit et tristis reversus est ad propria.

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dorfer Platte), von dem aus er dem Kampfgeschehen zusah. Die Petschenegen verloren den Kampf, viele wurden getötet und im Morast des Neusiedlersees ertränkt, wenigen gelang mit dem Fürsten Zultan die Flucht. Danach verlangte Ernst von Salomon Geld, das er nicht erhielt. Salomon drohte ihm sogar, er werde ihn beim Kaiser anklagen, weil er es aus Furcht vor den Petschenegen nicht gewagt habe, sich zu zeigen. Ernst wollte Salomon verärgert angreifen, unterließ dies aber aus Angst vor dem Kaiser und kehrte in finsterer Stimmung nach Hause zurück. Die ganze Geschichte, die sich auch in späteren Bearbeitungen der ungarischen Geschichte des 15.  Jahrhunderts findet,102 ist nicht glaubwürdig. Ernst beteiligte sich ja wenige Monate später neuerlich an einem Ungarnzug. Auch das angesprochene Schicksal Wilhelms, Potos und Markwards ist eine undifferenzierte Zusammenschau verschiedener Phasen in den Kämpfen um die ungarische Krone seit den sechziger Jahren. Das Argument mit der Fastenzeit hält allerdings einer Überprüfung stand. Im Jahre 1074 begann die Fastenzeit am 5. März. Die Schlacht von Mogyoród am 14. März fiel tatsächlich in diesen Zeitraum. Die Geschichte von Ernsts Geldforderung macht den Eindruck, dass der ungarische Erzähler Ressentiments gegen den Nachbarn pflegte. Die Erzählung findet sich nicht bei Simon de Kéza, der in den achtziger Jahren des 13. Jahrhunderts schrieb. Erst in der aus den dreißiger bzw. fünfziger Jahren des 14. Jahrhunderts stammenden Compositio wird die Geschichte erstmals erzählt. Die Ungarn hatten mit dem letzten Babenberger, Friedrich dem Streitbaren, vor allem zur Zeit des Mongoleneinfalls und um 1300 mit dem Habsburger Herzog Albrecht üble Erfahrungen gemacht. Man kann zwar auch diesen beiden nicht den Vorwurf der Trägheit oder Feigheit machen, trotzdem können sie die Auslöser für die Erfindung dieser Geschichte sein.103 Der Beweis dafür wäre allerdings noch zu führen. Die Vorgänge fallen in das Jahr 1074. Weltin datiert sie hingegen im Niederösterreichischen Urkundenbuch zum Jahr 1073.104 Auch die Schilderung des weiteren Verlaufs der Auseinandersetzung zwischen den Thronprätendenten in den ungarischen Chroniken beruht offenbar auf Verwechslungen. Die auf der Compositio fußenden Erzählungen berichten von einer Flucht der königlichen Familie in die Steiermark, wo Salomon seine Mutter und Gattin im Kloster Admont ließ und selbst nach Wieselburg zurückkehrte.105 Es ist immerhin fraglich, ob in dem gerade gegründeten Kloster, dessen Kirche am 29. September 1074 geweiht worden war, bereits hochmögende und wohl auch gefährdete Gäste versorgt und geschützt wer102 Chronica Hungarorum, 109 ff. Kommentar dazu in II. Commentarii, 385 ff. 103 Chronici Hungarici Compositio, 396 f. Über Ernst eine kurze Bemerkung NÖUB 1, 394. Zu Friedrich dem Streitbaren und dem Mongoleneinfall in Ungarn unten ###. 104 NÖUB 1, 394. 105 Chronici Hungarici Compositio, 397, cap. 126  : Postea autem rex Salomon metuens Geysam regem et ipsius fratrem cum rebus et familia Stiriam introivit et in claustro Agmund matre et uxore delrelictis in Musun est revertus.

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den konnten.106 Zu bedenken ist allerdings, dass Salomon mit der Unterbringung der beiden Frauen in Admont sie nach Karantanien brachte, wo jener Eppensteiner Markward die tatsächliche Macht in Händen hielt, der ihn kurz zuvor unterstützt hatte. Zu fragen wäre auch nach der möglichen Rolle, die der karantanische Markgraf Otakar I. in den ungarischen Kämpfen und der Aufnahme von Salomons Familie in Admont gespielt haben könnte.107 Die Behauptung, die beiden Damen hätten sich in Admont aufgehalten, lässt sich vielleicht darauf zurückführen, dass 70 Jahre später die ungarische Königstochter Sophie, die den Sohn Konrads III. heiraten sollte, nach dem Scheitern des Projektes tatsächlich in Admont lebte.108 Ob Salomon und seine Gattin persönlich in Nürnberg erschienen und um die Unterstützung des Königs baten, ist aus den Chroniken nicht ersichtlich. Lampert von Hersfeld berichtet, dass König Heinrich eiligst eine Heerfahrt nach Ungarn vorbereitete, da er von Salomons Niederlagen gegen Géza erfahren habe und nur mit Mühe nach Verlust seines Heeres aus dem Land entkommen sei. Heinrich entschloss sich zur Hilfe wegen seiner Verschwägerung mit Salomon und eigener Vorteile. Ausschlaggebend war wohl Salomons Versprechen, einen großen Teil seines Königreiches abzutreten, wenn er nach Besiegung der Feinde wieder in sein Lehen eingesetzt werde.109 Die Nachrichten erreichten Heinrich  IV. nach dem 20.  April 1074, dem Ostersonntag. Der König sah sich aber nach seinem Eintreffen in Regensburg veranlasst, den Feldzug aufzuschieben, da ihn die Nachricht von einem Feldzug Wilhelms des Eroberers gegen Lothringen erreichte. Lamperts Ausführungen legen nahe, dass Ungarn durch die erfolgreiche Kriegsführung Andreas’ I. und Bélas I. die bestehende Bindung zum Reich abgeschüttelt hatte. Nun in der Auseinandersetzung zwischen ihren Söhnen kam die Option einer Lehnsbindung wieder auf den Tisch, soweit die Wortwahl Lamperts eine Deutung der rechtlichen Situation zulässt. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass in Lothringen kein Angriff des englischen Königs zu befürchten war, hielt sich Heinrich IV. in Worms auf. Mitte Juli erschienen hier ungarische Gesandte mit erweiterten Angeboten Salomons. Sie baten Heinrich um Hilfe und erinnerten ihn an die Verwandtschaft mit Salomon und die gemeinsam verlebte Jugend. Mit der Stellung von 12 Geiseln sicherte Salomon Heinrich IV. Treue zu, weil er von nun an als Tributpflichtiger seinem Gebot gehorchen werde, wenn er in seine Herrschaft als Lehen (regnum beneficio) eingesetzt werde. Ferner wollte er Heinrich als Pfand seiner unverbrüchlichen Treue sechs stark befestigte Burgsiedlungen (munitissi106 List, Stift Admont, 25. 107 Die sogenannte Gründungsurkunde Admonts mit der Erwähnung eines Otaker marchio Stirensis als Zeuge und eines Adalbero, Bruder eines Otakar marchio de Stire, wirft die Frage nach der Reihenfolge der ersten »traungauischen« Markgrafen auf. SUB II, 207 ff., Nr. 140. 108 Siehe dazu unten ###. 109 Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrichs IV. 2, 387 f. Lamperti Annales 195 […] quia magnam ei partem regni sui pollicitus fuerat, si eius beneficio expugnatis hostibus in regnum restitueretur.

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mae civitates) in Ungarn übergeben.110 Das Versprechen einer herrschaftlichen Bindung Ungarns an das Reich sollte in dem brieflichen Angriff des Papstes auf Salomon im Herbst noch Bedeutung gewinnen. Im August 1074 war es dann so weit, dass Heinrich nach Ungarn aufbrach  ; allerdings war das Heer klein. Wenn die chronologische Zuordnung einer Zensualenstiftung des Königs an die St. Pankraz-Kapelle in Ranshofen zu diesem Feldzug richtig ist, kennen wir die darüber ausgestellte Notiz, die eine charakteristische und vielsagende Zeugenliste aufweist.111 Sie beginnt mit Ernest marchio, dem bayerischen Markgrafen, gefolgt von einem marchio Adalbero, bei dem es sich um den Markgrafen der karantanischen Mark und älteren Sohn Otakars  I. handelte.112 Die Nachbarn Ungarns waren also in Ranshofen anwesend. Ob Adalbero seinen Vater Otakar I. vertrat oder mit ihm zusammen die markgräfliche Würde ausübte, ist nicht zu entscheiden. Auch die folgenden Zeugen erwecken keineswegs, wie Max Weltin sich ausdrückte, den Eindruck eines »zusammengewürfelten Haufen[s]«. Unter ihnen fällt der uns bereits bekannte Graf Poto von Botensteine auf, einer der Helden im Ungarnfeldzug von 1060. Zusammen mit ihm reiste sein Bruder, der ehemalige bayerische Pfalzgraf Aribo nach Ranshofen, hier als Graf von Haigermoos bezeichnet. An der Spitze der Grafen stand Rapoto, Graf von Cham, der in moderner Zählung der Diepoldinger-Rapotonen als der Dritte bezeichnet wird. Tobias Küss hat in der jüngsten Studie zu den Diepoldingern die Ranshofener Notiz als wichtigen Nachweis Rapotos  III. gewürdigt.113 Rapoto war ein Sohn jenes Diepold, der 1060 Salomon und seiner Mutter Anastasia bei der Flucht nach Mödling half, das vermutlich in seinem Besitz oder eines seiner Gefolgsleute war.114 Auch Diepold I. und seine Söhne gehörten zu den aufsteigenden Dynasten, die zu dieser Zeit (in den mittleren Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts) in den Grenzlandschaften des Reiches Macht und Ruhm zu erwerben suchten. Dazu gehörte auch Rapotos Besitz in Krain, das ja ebenfalls als Mark organisiert war.115 Nach Rapoto ist Graf Ulrich (Udalrich) von Radlberg verzeichnet, damals noch ein jüngerer Mann, erst seit kurzer Zeit mit der schon erwähnten Mathilde verheiratet, die vielleicht mit Rapoto III. verwandt war. Die anlässlich ihrer Eheschließung ausgehandelte Besitzregelung wird auf 1067/1075 datiert.116 Der nächste Zeuge ist Graf Gebhard von Vornbach, ein Neffe Ulrichs. Im gerade erwähnten Ehevertrag Ulrichs wurde er als puer und Neffe des Grafen Ekbert bezeichnet. Das Datierungsproblem, dass dieser »Knabe« 1074 schon an einem Feldzug 110 Lamperti Annales, 197 f. 111 NÖUB 1, 389, Nr. 31c mit der Datierung August 1074. Kommentar 394 f. 112 Diskussion dazu Dopsch, Die steirischen Otakare, 111 f. 113 So Küss, Die älteren Diepoldinger, 74 und 79. 114 Siehe oben 179 ff. 115 MGH D Heinrich IV. 1, 125, Nr. 96, Štih, Der bayerische Adel, 27, und Küss, Die älteren Diepoldinger, 31 und 33. 116 NÖUB 1, 413, Nr. 33. Die Herkunft Mathildes ist nicht zu klären  ; ebda. 415.

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teilgenommen haben soll, wäre zu lösen, wenn man puer in diesem Fall nicht als Knabe, sondern als Ritter oder junger Fürst übersetzt.117 Letzter Zeuge ist Sighard von Tengling aus der Familie der Siehardinger, der auch jener 1044 bei Menfö gefallene Sieghard/ Sizzo angehörte.118 Die in Ranshofen versammelten Grafen waren alle Leute mit Erfahrung in den Ungarnkämpfen und der »Grenzpolitik« an der March. Es ist daran zu erinnern, dass ein gleichnamiger Onkel Ulrichs Besitz im umstrittenen »Dreiländereck« Mähren, Ungarn, Mark hatte. Der Feldzug brachte keinen Erfolg. Die Voraussetzungen eines Eingreifens des Königs in die ungarischen Verhältnisse wurden immer schwieriger. Wir werden im folgenden Abschnitt noch zwei Versuche Heinrichs IV. kennenlernen, seine Interessen bzw. seine Vormachtstellung in Ungarn geltend zu machen, die aber ebenfalls scheiterten. Papst Gregor VII. wandte sich am 28. Oktober 1074 in einem Brief an König Salomon, in dem er auf das Verhältnis Ungarns zu den Mächten des lateinischen Westens zu sprechen kam. Einleitend erklärte der Papst, er hätte das ihm zugegangene Schreiben des Königs freundlicher aufgenommen, wenn er nicht durch seinen unüberlegten Vertrag mit König Heinrich IV. den heiligen Petrus verletzt hätte. Anlass für diesen mehr als kritisch formulierten Brief waren die Vorschläge, die Salomon dem deutschen König gemacht hatte. Besonders störte den Papst, dass Salomon Ungarn als Lehen bezeichnet bzw. die Unterwerfung unter das Reich angeboten hatte. Gregor erklärte, das Königreich Ungarn sei von König Stephan dem heiligen Petrus übergeben worden und auch Heinrich  III. habe durch seine Lanzenschenkung anerkannt, dass die ungarische Königswürde in ihrem Ursprung auf den Apostolischen Stuhl zurückgehe.119 Diese Darstellung der Sachlage richtete sich gegen den politischen Handel, der zwischen Heinrich IV. und Salomon stattgefunden hatte, nach dem der ungarische König das Königreich vom rex Teutonicorum als Lehen genommen habe. Tatsächlich spricht der Papst von der Königsherrschaft als beneficium, das vom Papst und nicht vom König herrühre.120 Ich möchte an dieser Stelle nicht neuerlich auf die Lehnsfrage eingehen – es genügt festzustellen, dass die Einordnung Ungarns in das fränkisch-abendländische Herrschaftsgefüge mit verschiedenen Zielsetzungen, je nach den Vorstellungen des Betreibers des Programms, verfolgt werden konnte. Der Papst argumentierte, dass Stephan der Heilige Ungarn dem heiligen Petrus geschenkt habe und auch Heinrich III. habe durch die Übersendung der bekannten Lanze anerkannt, dass die ungarische Königswürde auf den Apostolischen Stuhl zurückgehe. Er bezeichnete Salomons Lehnsnahme seiner Herrschaft vom Reich als Irrtum. Die Königsherrschaft in Ungarn unterlag aber auch nach Gregors Meinung 117 Loibl, Der Herrschaftsraum, 380, berührt das Problem, bleibt aber bei der Übersetzung »Knabe«. Du Cange 6, 558, unter puer, hier auch als miles oder in der Mehrzahl als filii principum wiedergegeben. 118 Vgl. oben 134. 119 Das Register Gregors VII. 2/1, 144 ff., Nr. II,13. 120 Das Register Gregors VII. 2/1, 144 f., bes. 145 Nr. II,13  ; Varga, Ungarn und das Reich, 138.

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keinem Zustimmungsrecht des Papstes oder einer anderen Form der Abhängigkeit. Der Papst ergriff dementsprechend trotz seiner Mahnung an Salomon nicht Gézas Partei. So verweigerte er Géza den Königstitel, Salomon hingegen betrachtete er als den König. Der Papst gab Salomon immerhin die Möglichkeit, sein Fehlverhalten zu korrigieren. Und was sollte dieser korrigieren  ? Wenn Salomon das Wohlwollen des heiligen Petrus und des Papstes erlangen wollte, müsse er anerkennen, dass er das Szepter seines regnum nicht dem beneficium der königlichen Majestät, sondern der apostolischen verdanke.121 Durch keine Furcht vor und Liebe zu anderen Personen werde er sich davon abbringen lassen, für Gottes honor einzutreten. Es wäre m.  E. eine einseitige Interpretation, in dieser machtbewussten Argumentation und Sprache nur die väterliche Sorge um die spirituelle Ordnung der Welt zu sehen. Man hat ja Gregor zugestanden, dass er es verstand, auch politische Mittel zu gebrauchen, um seinen Willen durchzusetzen. Die Verwendung des Begriffes beneficium könnte ein Versuch sein, eine gewisse Abhängigkeit des ungarischen Königs von Petrus und seinem Stellvertreter, dem Papst, begrifflich zu erfassen. Eine konkrete Deutung als Lehen scheint auch im Lichte der italischen Verhältnisse ein nicht angemessener Vorgriff auf künftige Entwicklungen. Dabei spielt die schriftliche Beschreibung der Lehnsbindung und die damit verbundene Gelehrsamkeit (Entstehung der Rechtssschulen in Italien) eine besondere Rolle.122 Am 26. November 1074 schenkte Heinrich IV. dem Bischof von Freising 100 Hufen in dem ihm von Salomon abgetretenen Gebiet, das mit folgenden Ortsangaben recht präzise zu erfassen ist  : Bruck/Leitha, Königsbrunn, Neudorf (bei Parndorf ) Deutsch Haslau, d. h. im Gebiet zwischen der Leitha und dem Neusiedler See.123 Die bischöflichen Leute, die in diesem Gebiet wirtschaften sollten, mussten in den dort liegenden Burgen, besonders aber in Wieselburg Dienste leisten. Wir sehen wieder einmal, dass das bayerische Know-how bei der Einrichtung von Grundherrschaften durchaus strategische Aspekte miteinschloss. Ein Erfolg dieser Regelung blieb aus. Mag sein, dass der Investiturstreit die Entfaltung der freisingischen Herrschaft hinderte oder der Machtgewinn Gézas und Ladislaus’ Salomon recht bald zu einer Nebenfigur in Ungarn machte. Der Einfluss des rex Romanorum in Ungarn war im Schwinden. Für das Eingreifen des Großkönigs/Kaisers in Ungarn waren Bayern und die Mark in einem gewissen Wechsel die wichtigsten Träger der konkreten Unternehmungen. Wenn die Passivität des Markgrafen Ernst nach der Entscheidung von Mogyoród den Tatsachen entspricht, gab es hier an der Ostgrenze ein Problem, das vielleicht mit dem 121 Das Register Gregors VII 2/1, 145, Zeile 14 ff. Nr. II, 13  : Quod si verum est, qualiter gratiam beati Petri aut nostram benivolentiam sperare debeas, tu ipse, si iustitiam vis adtendere non ignoras, videlicet te non aliter eam habiturum nec sine apostolica animadversione diu regnaturum, nisi sceptrum regni quod tenes correcto errore tuo apostolice non regie magestatis beneficium recognoscas. 122 Dazu etwa Keller, Das Edictum, 250 f. 123 NÖLA 1, 387 ff., Nr. 31b  ; Regesta imperii III/2,3 Nr. 719  ; Varga, Ungarn und das Reich, 143 f.

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Wechsel der Machtverhältnisse in Bayern zusammenhing. Seit 1070 war Welf IV. Herzog von Bayern, der einem Netzwerk angehörte, zu dem mit den Jahren auch König Géza, Gregor  VII. und als Vermittler zwischen ihnen Welfs  IV. Vater Azzo von Este gehörten.124 Heinrich IV. konnte unter bestimmten Umständen Schwierigkeiten bei der Zusammenstellung eines Heeres auch in Bayern gegenüberstehen.

124 Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 2, 387 und der Brief Papst Gregors VII. an Herzog Géza Das Register Gregors VII. 2/1 84 Nr. I, 56.

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Wenden wir uns nun jenem Gebiet zu, das sich im Laufe des 12.  Jahrhunderts zum Herzogtum Steiermark entwickelte. Es gehört zum Allgemeinwissen in österreichischer Geschichte des Mittelalters, dass Leopold V. nach dem Tod Otakars IV. 1192 Herzog der Steiermark wurde, nachdem schon 1186 mit der Georgenberger Handfeste Rechte und Pflichten des künftigen Herrschers gegenüber dem steirischen Adel festgelegt worden waren. Weniger prominent ist die vorausgehende Entwicklung (zweite Hälfte des 11. und des frühen 12. Jahrhunderts) der nachbarlichen Beziehungen der Babenberger zu den »Otakaren«, den Markgrafen von Steier bzw. »Traungauern«, wie sie auch heute noch von manchen Historikern bezeichnet werden. Direkter Nachbar der Babenberger war nicht das Kerngebiet der karantanischen Mark, das Grazer Becken, sondern das Mürztal. Der Beginn einer bedeutsamen wechselseitigen Wahrnehmung fällt etwa in das letzte Viertel des 11.  Jahrhunderts. In der marcha orientalis herrschte seit 1075 Leopold II. und als bedeutender Macht- und Ordnungsfaktor tritt das im Zeitraum zwischen 1072 und 1083 gegründete Kollegiatsstift Göttweig hervor. Dieses Wissen verdanken wir Schenkungen und anderen Rechtsakten schon aus dieser frühen Zeit, so dass wir auch über damalige geographische Begriffe und Vorstellungen einiges erfahren. Die Informationen stammen aus zum Teil vereinzelten und unzusammenhängenden Eintragungen im bekannten Traditionskodex, dem Schenkungsbuch des Kanonikerstiftes. Es ist kein statischer Befund, der uns überliefert ist  : Mit dem Fortschreiten der Jahrzehnte drang die Göttweiger Organisation insbesondere bei der Einrichtung von Pfarren nach Süden in die Wälder und gegen die Alpen vor und auf diese Weise gewinnen wir ein zwar fragmentarisches aber doch nützliches Bild einer entstehenden Kultur- und Wirtschaftslandschaft im oberen Traisental. Zu den ältesten Schenkungen Bischof Altmanns an Göttweig gehörte Besitz bei Heuberg. Dieser Ort liegt heute im Gemeindegebiet von Pyhra, südöstlich von St. Pölten. Der Besitz war als beneficium an einen Meginhard ausgegeben.1 Es wäre eine zu gewagte Konjektur, diesen Meginhard mit dem Vater Ulrichs von Radlberg gleichzusetzen. Bei der Erschließung der waldreichen Gegend in südlicher Richtung und besonders des Heuberger Waldes spielten schon vor dieser Schenkung Passauer Dienstleute eine wichtige Rolle.2 Die Lage beschrieb der Göttweiger Schreiber mit den beiden Perschlingbächen und der Richtungsangabe versus Karinthum.3 Die Erwähnung bereits kultivierter und noch unkultivierter Landstriche zeigt, dass es um ein Gebiet geht, das schon in den 1 FRA II/69 151 Nr. 4  : ad Houperga, quod episcopus dedit et Meginhardus in beneficium habebat. 2 FRA II/69 406 Nr. 265. 3 FRA II/69 154 Nr. 6.

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sechziger Jahren des 11. Jahrhunderts landwirtschaftlich genutzt wurde. Im Zuge dieses Vordringens zu den Alpen im Süden kam es zu Auseinandersetzungen der Ministerialen in Passauer Diensten und der neuen Ordnung, die von der Göttweiger Organisation ausging. Auch im Rahmen einer Grenzbeschreibung der Pfarre Pyhra, die in ihrer ursprünglichen Fassung vor Bischof Altmanns Tod 1091 entstand, heißt es, dass der Süden des Pfarrgebietes versus Carinthiam lag.4 Diese Formulierung stammt wohl erst aus den dreißiger Jahren des 12.  Jahrhunderts, als die Entwicklung der Besiedlung der Waldgebiete bereits fortgeschritten war. Hier lagen Besitzungen des steirischen Markgrafen, eines Mitglieds der bekannten Familie der Haderiche und Rudolfs von Perg. Es war dies die Zeit, als der Südosten der Pfarre Pyhra abgetrennt und als neue Pfarre Michelbach eingerichtet wurde. Adalbert Fuchs, Abt von Göttweig, Historiker und der Herausgeber des umfangreichen Göttweiger Quellenmaterials, war der Auffassung, dass die gerade genannten Güter des österreichischen Markgrafen durch die Heirat Elisabeths, der Tochter Leopolds  II., an Otakar  II. gelangt waren.5 Mit Rücksicht auf diese Verhältnisse identifizierte Erwin Kupfer den marchio mit dem karantanischen Markgrafen.6 Schon sein Vater Otakar I. hatte aber Besitz in der Mark der Babenberger, nämlich eine Kirche in Behamberg mit dazugehörigen Höfen in der Gegend von Amstetten.7 Sein Sohn Otakar II. scheint im Zeitraum zwischen 1105 und seinem Tod 1122 die Erschließung des Gebietes an der Gölsen vorangetrieben zu haben.8 Damals entstand die Kirche St. Veit.9 Otakars Interesse im Süden des Herrschaftsbereiches seines Schwagers Leopolds III. wurde wohl von seiner in der Nachbarschaft gelegenen zentralen Machtstellung im Gebiet Steier/Garsten gesteuert10 und nicht aus dem benachbarten Mürztal, in dem der Markgraf von Steier noch nicht Fuß gefasst hatte. Leopold und Otakar waren zunächst Nachbarn beiderseits der Enns. Die von den Alpen markierte Nachbarschaft wurde erst später in der Zeit Otakars III. (1129–1164) bedeutsam. Das in Göttweig erwähnte benachbarte karantanische Gebiet war, wie schon angedeutet, vor 1122 nicht die karantanische Mark an der Mur. In der Gründungszeit des Klosters Göttweig waren die Eppensteiner in der Grafschaft Mürztal um Aflenz der bedeutendste Machtfaktor, wo 1025 Beatrix, die Gattin des uns bereits bekannten Adal  4 FRA II/69 155 Nr. 7 in der Anmerkung s nach Codex B. Die Bestätigung Bischof Reginmars von Passau datiert 1125/30 NÖUB 2/1, 101–106, Nr. 3/5 bes. 105 (Karte S. 103) […] versus australem partem semitam que vocatur Pechstich inter confinia allodiorum marchionis, Haderici et Rudolfi et ita versus Carinthiam.  5 Fuchs, Der älteste Besitz, 73.  6 Kupfer, Araburg, Kaumberg und Kleinmariazell (im Erscheinen).   7 Es handelt sich um die bekannte und viel diskutierte Tauschurkunde Otakars  I. und Bischof Altmanns. NÖUB 2/1, 1 f., Nr. 1 mit Kommentar 64.   8 FRA II/69, 549–554, Nrn. 413–418.   9 Zur Gründung von St. Veit Fuchs, Der älteste Besitz, 73  ; FRA II/8, 119 ff. Kommentar zu Nr. 9. 10 Weltin, Die steirischen Otakare 192 ff. mit einer Fülle von Belegen in Anm. 35.

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bero von Eppenstein (Konrad II. setzte ihn 1035 als Herzog von Kärnten ab) 100 Hufen erhalten hatte.11 Um 1040 entstand in St. Marein ein kirchlicher Mittelpunkt, den Herzog Heinrich III. von Kärnten († 1122) an seine Stiftung St. Lambrecht schenkte.12 Der östlich gelegene Pittener Raum gehörte hingegen schon 1058 zur Grafschaft Otakars I. und zur karantanischen Mark.13 Nur wenige Kilometer südlich im Bereich der steirisch-niederösterreichischen Kalkalpen verlief die Bistumsgrenze zwischen Passau und Salzburg. Auf der Salzburger, karantanischen, Seite lag die Grafschaft im Mürztal. Trotz des hier aufragenden Alpenriegels war dieser Grenzraum sehr durchlässig. Es bestand also eine Ehe zwischen Elisabeth, einer Tochter Leopolds II., und dem Markgrafen Otakar  II.14 Fraglich ist, wann und unter welchen Umständen diese Ehe zustande kam. Otakar  II. galt in der frühen »heißen« Phase des Investiturstreites als »Gregorianer« und Leopolds  II. kritische bis unfreundliche Haltung gegenüber Heinrich IV. ist bekannt. So geht es um die Frage, ob nicht diese Konstellation die Voraussetzung für die Eheschließung bildete, wobei das Jahr 1081, die Absage Leopolds  II. an den König, einen chronologischen Orientierungspunkt darstellt. Zu den Gegnern Heinrichs IV. gehörte einige Jahre auch König Ladislaus von Ungarn. Mit dieser Ausrichtung dreier benachbarter Herrscher zeichnet sich ein Konflikt ab, der Heinrich IV. einige Zeit zu schaffen machte. Unsere Fragestellung nach den politischen Motiven der Eheschließung wird durch die Tatsache erschwert, dass ihr Datum nicht eruierbar ist. Heinz Dopsch versuchte aus der Tatsache, dass Elisabeth Mitgründerin des Klosters Garsten war, die Hochzeit vor das Jahr 1082 zu setzen.15 Dieses Jahr hielt er nach dem erwähnten Tauschvertrag zwischen einem Otakar und Bischof Altmann für einen wichtigen Hinweis zum Gründungsdatum. Dopsch ging noch davon aus, dass es sich bei diesem Otakar um den Zweiten dieses Namens handelte, was Siegfried Haider vor einigen Jahren richtigstellte und den Vater Otakar I. als Tauschpartner erkannte.16 Aus der Gedenkeintragung für Elisabeth im Kloster Garsten geht hervor, dass sie Mitgründerin des Kanonikerstiftes war.17 Diese Information aus dem Nekrolog gehört zu der gegen Ende des 12. Jahrhunderts entstandenen Gründungstraditon Garstens.18 Die Errichtung des 11 MGH D Konrad  II., 36 f., Nr.  34 und Regesta imperii III/1 Nr.  34. Klaar, Eppensteiner, 27 f. Regest Nr. 32. 12 Klaar, Die Herrschaft der Eppensteiner, 60, Regest Nr. 82. 13 NÖUB 1, 375 f., Nr. 30. Gvzbretdesdorf liegt in marcha Karentana et in comitatu Otachres marchionis. Regesta imperii III/2,3 Nr. 154. Der Ort wird mit Schwarzau am Steinfeld identifiziert. 14 Genealogia marchionum de Stirie 72 Z. 13  : Igitur Otachyr marchyo accepit uxorem Elyzabet, sororem marchionis Austrie Liupoldi […]. 15 Dopsch, Die steirischen Otakare 115. 16 Haider, Zu den Anfängen, 304, die Konklusio einer ausführlichen Diskussion, Bezug auf ältere Literatur mit fehlerhafter Zuordnung, 297, mit Anm. 27. 17 MGH Necr. 4 361 zum 28. November  : Anniversarium fundatorum nostri monasterii Ottokarii et Elisabethae marchionum Austriae et Styriae. 18 Haider, Zu den Anfängen, 329.

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Stiftes durch das Ehepaar wird als nachbarliche Gemeinsamkeit dargestellt, die angeblich durch die Markgrafen Österreichs und der Steiermark erfolgte. Diese Interpretation gehört in die Zeit der Abfassung des Nekrologs (12. Jh.), denn sie setzt das enge Zusammenwirken bei der Einrichtung des Benediktinerstiftes Garsten zwischen Otakar II. und Leopold III. voraus. Dabei spielte Göttweig mit der Entsendung Wirntos, des späteren Abtes von Vornbach, und Bertholds, des ersten Abtes von Garsten eine wichtige Rolle.19 Der Gründer des Kanonikerstiftes Garsten war, wie erwähnt, Otakar  I.; eine Beteiligung der Schwiegertochter Elisabeth ist nicht recht wahrscheinlich. Ob Elisabeth zur Zeit von Leopolds II. Absage an Heinrich IV. im Jahre 1081 mit Otakar verheiratet war, lässt sich nicht ermitteln. Ein Zusammenhang zwischen der Ausbildung einer antiheinricianischen Allianz zwischen Leopold II. und Otakar II. und der diskutierten Eheschließung ist aus dem überlieferten Schriftgut daher nicht erkennbar. Noch einmal zurück zu den otakarischen Besitzungen im Gölsental, die nach dem Landbuch von Österreich und Steyr Elisabeth als Mitgift in die Ehe mitgebracht hatte.20 Im Rahmen der Neu- und Umgruppierungen der Gefolgschafts- und Machtverhältnisse in der Mark zugunsten Leopolds  III. spielten im Wiental ein Brüderpaar Pabo und Erchenger von Gottinesfeld und ein Rüdiger von Hietzing eine gewisse Rolle.21 1114 sind sie als Zeugen in einer Klosterneuburger Schenkung genannt. Ihre Mutter war die Schwester des damaligen Burggrafen von Mödling namens Otto. Nun tauchen in der umstrittenen Tauschurkunde Altmanns von Passau und Otakars ein Pabo und ein Erchenger als Zeugen auf. Bei den bestehenden Datierungsproblemen dieser Urkunde wäre es möglich, dass die Zeugenliste wesentlich spätere Verhältnisse wiederspiegelt.22 Pabo und Erchenger sind nicht unter den milites des Markgrafen Otakar I. genannt, sondern unter den familiares. Diese umstrittene Kategorisierung der weltlichen Zeugen dieser Urkunde spielt hier keine Rolle.23 Um 1075 ist ein Abrant als Petent bei Markgraf Otakar  I. genannt, der einen Wald an die Kirche in Garsten schenkte. Der Vater dieses Abrant hieß Erchenger.24 Etwa 60 Jahre später übergab ein Erchenger, ein familiaris des Markgrafen, seinen Sohn Hartmann dem Stift Garsten zur 19 Lenzenweger, Berthold, 17 ff. 20 Dopsch, Die steirischen Otakare, 113  ; Gutkas, Der Besitz der steirischen Otakare, 198, mit Zitierung des Landbuchs  : der marchgrave Liupolt von Osterrich gab sin tochter dem marchgraven Otacker von Steyr und gab im darzu sin aigen swaz des ist in der gegent ze Willehalmspurch untz in di Piestenicke. MGH Deutsche Chroniken III, 710. 21 FRA II/4 Nr.  124. Die drei Genannten werden als Zeugen einer Schenkung des Burggrafen Otto von Mödling an Stift Klosterneuburg angeführt und als sororii, also Schwestersöhne Ottos bezeichnet. Dienst, Babenberger-Studien, 77 ff.; Lohrmann, Gottinesfeld, 61 f. Kupfer, Weinviertel, 185, bezüglich Rudolfs von Hietzing. 22 NÖUB 2/1, 2, Nr. 1/1. 23 Die Traditionsurkunden des Klosters Garsten, 59, Kommentar zu K 5  ; 60, in der Zeugenliste Erchenger, Babo  ; Weltin, Die steirischen Otakare, 192, mit Anm. 34. 24 Die Traditionsurkunden des Klosters Garsten 156 Nr. T 103.

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Erziehung als Vorbereitung für ein mönchisches Leben.25 Aus der Feststellung ist mit einiger Vorsicht der Schluss zu ziehen, dass die Gottinesfelder Brüder aus der Gefolgschaft der Otakare kamen, dann aber auch in der Umgebung Leopolds III. nachzuweisen sind.26 Wie schon die Eheschließung zwischen Otakar II. und der Babenbergerin Elisabeth ganz allgemein ein Zusammenwirken der beiden markgräflichen Dynastien erkennen lässt, wird das am Umfeld des Pabo und des Erchenger noch deutlicher. Die Erschließung des Gebietes zwischen Heiligenkreuz bzw. dem Traisen- und Gölsental war eine gemeinsame Leistung einiger Gefolgsleute, die Verbindungen zu Otakar und Leopold III. hatten. Man könnte dieses Gebiet durchaus als ein Hinterland des Grenzgebietes im Wiener Becken betrachten. Die Besitzanalyse von Heiligenkreuz lässt ja auch die Verbindung dieser Räume erkennen. Zudem breitete sich Heiligenkreuzer Besitz auch jenseits der Grenze in Ungarn aus. An diesem Beispiel wird eine Nachbarschaft erkennbar, die durch Zusammenarbeit charakterisiert ist. Wenn es auch zur Zeit Otakars III. (1129–1164) 1145 zu Zerwürfnissen mit dem Nachbarn Heinrich Jasomirgott kam, der allerdings damals Herzog von Bayern war, überwogen aufs Ganze gesehen die freundlichen Beziehungen. Im Lichte dieses Konfliktes stellt sich die Frage, ob die Entwicklung der Herrschaft der Otakare und ihrer Gefolgsleute eine mögliche Ausdehnung des karantanischen Einflusses ins heutige Niederösterreich umfassen hätte können  ? 1122 war dem steirischen Markgrafen Leopold dem Starken das Erbe der Eppensteiner zugefallen. Durch dieses Erbe sei es, wie es Dopsch formulierte, zur Zusammenfassung der sogenannten obersteirischen Grafschaften mit der alten Karantanischen Mark an der Mur gekommen.27 Zumindest scheint seit damals zwischen den Otakaren und den Babenbergern neben der Nachbarschaft beiderseits der Enns im Gebiet Steyer/Garsten eine neue Nachbarschaft beiderseits des Alpenhauptkamms entstanden zu sein, die im Süden die Grafschaft Mürztal und das Admonter Gebiet umfasste. Die erwähnte Durchlässigkeit dieser Abgrenzung wird durch die otakarischen Besitzungen im Gölsental und durch die Admonter Vogtei Heinrichs Jasomirgott erkennbar. Es ist denkbar, dass die Verzahnung von Besitz und Einfluss in den Grenzräumen Begehrlichkeiten auf Ausdehnung der jeweiligen Machtstellung auf Kosten der Nachbarn weckte.

25 Die Traditionsurkunden des Klosters Garsten 124 Nr. T 53. 26 NÖUB 2/1, 300 f., Nr. 7/37 hier 301 unter den Zeugen Pabo et frater eius Erchinger de Gottinisvelde  ; Lohrmann, Gottinesfeld, 56 f. 27 So Dopsch, Die steirischen Otakare, 115.

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Zu den Schwierigkeiten, die zwischen dem König und Vertretern vor allem des lothringischen, bayerischen und sächsischen Adels seit den letzten Jahren der Regierungszeit Heinrichs  III. bestanden,1 kam nun der Ausbruch der Auseinandersetzung zwischen Papst Gregor  VII. und König Heinrich  IV. etwa zum Jahreswechsel 1075/1076. Der sich prinzipiell zuspitzende Konflikt förderte die Bildung von Parteien und griff damit grundsätzlich in das Macht- und Herrschaftsgefüge des Reiches ein. Gerade bezüglich der Aktivitäten des Reiches, die Ungarn betrafen, waren die Absichten Heinrichs III. auf Kritik bei Vertretern des bayerischen Adels gestoßen. Bezeichnend für den Handlungsspielraum des Markgrafen im Osten waren die Verhandlungen, die Markgraf Adalbert 1051 mit König Andreas geführt hatte. Auch Markgraf Ernst scheint nicht durchgehend die kriegerischen Maßnahmen der Regentschaft und des jungen Königs unterstützt zu haben. Leopold II. ging den gleichen Weg, den manche vor ihm und andere zugleich mit ihm in einem Konflikt mit dem König gegangen waren  : Verständigung mit dem ungarischen König. Fast nichts wissen wir über das Verhalten Leopolds II. im Thronstreit zwischen Salomon und dessen Vettern Géza und Ladislaus. Was man über eine angebliche Interessengemeinschaft Leopolds und Ladislaus’ zu wissen glaubt, beruht im Falle Leopolds auf einer offenbar tiefgehenden Unzufriedenheit mit Heinrich und im Falle Ladislaus’ auf einer Gegnerschaft zu Heinrich IV., die ihre Ursachen in den Streitigkeiten um die ungarischen Thronansprüche hatte, und ihren Ausdruck in seiner Eheschließung mit Adelheid, der Tochter des Gegenkönigs Rudolf von Rheinfelden, fand. Dies brachte den ungarischen König in die Nähe der Fürstenopposition, die sich in umfassender Weise bei der Unterstützung der sächsischen Gegner Heinrichs IV. nach der Schlacht an der Unstrut (9. Juni 1075) gebildet hatte.2 Es erhebt sich die Frage, ob aus dieser Konstellation eine durchgreifende Verbesserung des Verhältnisses zwischen dem ungarischen König und dem Markgrafen entstand  ? Ein wichtiges Indiz dafür fehlt, nämlich eine Verbindung zwischen den Babenbergern und den Árpáden durch eine Eheschließung. Die erste bekannte Verschwägerung der Dynastien fällt nach dem Bericht Ottos von Freising erst in das Jahr 1132.3 Zur Entwicklung im Einzelnen  : Pfingsten des Jahres 1078 fiel auf den 27. Mai. König Heinrich IV. feierte das Fest in Regensburg, wo auch Markgraf Leopold II. anwesend war. Hier gab es einen seltsamen Vorfall, den offenbar auch der Berichterstatter Berthold 1 Boshof, Das Reich in der Krise, 265–287. 2 Weinfurter, Canossa, 66 ff. 3 Ottonis episcopi Frisingensis chronica Lib. VII. cap. 21, 342  : Verum Béla rex ascito sibi Alberto Leopaldi marchionis folio, qui eius sororem habebat […].

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von Reichenau bagatellisierte und der mangels weiterer Berichte auch von der modernen Forschung nicht erklärt werden konnte. Berthold schreibt, dass der Markgraf vom König »einigermaßen [ein wenig oder beträchtlich] beleidigt worden war«. Die Intensität der Beleidigung wird mit der Formulierung in aliquantulum ausgedrückt.4 Berthold, der gewöhnlich am König kein gutes Haar lässt, schildert die Sache recht vorsichtig. Leopolds Reaktion, nämlich das Verlassen des Hofes, deutet eher darauf hin, dass er von sich aus seinem Missfallen an der königlichen Politik Ausdruck verlieh. So schildert jedenfalls Gerd Althoff im Allgemeinen den Beginn von Misshelligkeiten, wenn sich jemand auf eine Auseinandersetzung mit dem König vorbereitete.5 Scheibelreiters Interpretation dieses Vorfalls zielt etwa in die gleiche Richtung.6 Für möglich halte ich es, dass Heinrichs Vorgehen gegen den Vornbacher Grafen Ekbert I.7 im Winter 1077/78 Unruhe in Bayern und in der Mark hervorgerufen hatte, was auch Leopold II. nicht gleichgültig ließ. Dafür spricht, dass die Missstimmung zwischen dem König und dem Markgrafen erst nach dem vielleicht sogar unangemessenen Vorgehen des Königs gegen Ekbert offen erkennbar wurde. Im Sommer 1076 hatte Heinrich IV. in einer Schenkung von 60 Hufen im Bereich des Waldes Rogacs an Leopold II. noch darauf hingewiesen, dass er den Markgrafen zu jenen rechne, die ihm die Treue halten.8 1078 handelte es sich um eine ernsthafte Wende im Verhalten des Markgrafen und nicht nur um eine vorübergehende, »atmosphärische« Störung im Verhältnis zum König. Der Vorfall scheint zumindest eines zu lehren  : Die Kritik Leopolds an Heinrich IV. beruhte nicht auf einer Parteinahme für den Papst. Denn der Bericht über einen Streit, der das »Gesprächsthema« der Zeit berührte, nämlich die Auseinandersetzung zwischen König und Papst, hätte diesen »Aufreger« doch nicht mit einer ausweichenden Formulierung übergangen. Noch dazu war Berthold in diesen Fragen hochsensibel und parteiisch und hätte sich kaum die Gelegenheit entgehen lassen, den König als Spötter über einen päpstlichen Parteigänger anzuschwärzen. Die Pfingstfeier 1078 fiel in eine bewegte Zeit. In Goslar feierte zur selben Zeit der 14 Monate zuvor zum König erhobene Rudolf von Rheinfelden dieses Fest.9 Hier beriet er sich mit sächsischen und thüringischen Fürsten und bereitete eine Heerfahrt gegen Heinrich IV. vor. Es kam aber auch eine Gesandtschaft des französischen Königs Philipp

4 Lechner, Babenberger, 112, mit Anm. 16  ; Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 3, 132, mit Anm. 52.; Die Chronik Bertholds von Reichenau 330  ; Brunner, Herzogtümer und Marken 317  ; Auer, Mailberg 2  ; Scheibelreiter, Die Babenberger, 136 f.; Regesta imperii III/2 138 Nr. 944. 5 Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung, 29 f. Althoff meint, man kündigt die familiaritas auf, indem man sich entfernt. Seine Beispiele betreffen das Verlassen des königlichen Heeres. 6 Scheibelreiter, Die Babenberger, 136. 7 Unten 218. 8 NÖUB 1, 431, Nr. 36a  ; MGH D Heinrich IV. 369 Nr. 285. 9 Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 3, 132 f.

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nach Goslar.10 Für das Ausloten künftiger Koalitionen waren wohl die Boten des neuen ungarischen Königs Ladislaus von größerer Bedeutung. Bernold von Konstanz berichtet zum Jahre 1090, dass im Mai dieses Jahres die Königin von Ungarn starb, die eine Schwester des Herzogs Berthold von Schwaben, also eine Tochter Rudolfs von Rheinfelden gewesen war.11 Schon Meyer von Knonau hielt es für möglich, dass die ungarische Gesandtschaft in Goslar bereits zu Pfingsten 1078 erste Verhandlungen über eine künftige Ehe zwischen Rudolfs Tochter Adelheid und dem neuen König von Ungarn führte.12 Damit wurde eine Beziehung zu den Gegnern Heinrichs IV. angebahnt und Ladislaus näherte sich der Fürstenpartei um Rudolf von Rheinfelden, zu der bald auch Leopold II. gehören sollte. Die Leute dieser Gesinnung waren nicht in erster Linie Gregorianer, schon gar keine entschiedenen, sondern Gegner Heinrichs IV. Wenn an ihnen etwas den Gregorianern ähnelte, dann eine gewisse Begeisterung für die Mönchs- und Klerikerreform, ein »Mainstream« zeitgemäßen Verhaltens, den Lampert von Hersfeld kritisierte.13 Zurück zu den Vorgängen in Regensburg und ihren Folgen. Der Ablauf des Geschehens weist, wie gesagt, darauf hin, dass der Babenberger den aktiven Part in der beginnenden Auseinandersetzung übernommen hatte. Die Unterwerfung (deditio), zu der sich Leopold II. gegenüber dem König 1079 bereitfand, wurde durch einen Heereszug Heinrichs IV. in die Mark erzwungen.14 Die Unterwerfung passt gut in das Bild, das wir uns vom Verlauf der Niederschlagung eines Aufstands machen. Das öffentliche Szenario, mit dem der Unterwerfungsakt verbunden war, drückte die Beilegung des Konflikts für die umstehenden Großen verständlich aus, mochte dieser Vorgang auch nur von vorübergehender Bedeutung sein. Es ist recht wahrscheinlich, dass Bertholds Bericht, nach dem die Beleidigung vom König ausging, die tatsächlichen Verhältnisse umgekehrt darstellt. Den Pfingsteklat von Regensburg hatte Leopold II. zu verantworten, der damals vom König abfiel. Die Formulierung ist klar  : Leopold zog sich beleidigt vom Hof zurück. Der Markgraf verharrte in seiner Opposition bis 1084, auch wenn ihn die Verhältnisse 1079 zwangen, eine Zeitlang stillzuhalten und nicht offen gegen den König aufzutreten. Der Heereszug Heinrichs IV. im April/Mai dieses Jahres richtete sich wohl auch gegen Ladislaus I., der Gegnern Heinrichs IV. Unterschlupf gewährt hatte.15 In einem Brief vom März 1079, der später noch genauer zu besprechen ist, schrieb der Papst an Ladislaus, dass er wisse, der König betreue aus eigenem Antrieb die zu ihm geflüchteten bayerischen Grafen. Es 10 Augustin Fliche, La règne de Philippe 1er, roi de France (1060–1108) Paris 1912, 331. 11 Die Chronik Bernolds von Konstanz, 481, mit Anm. 409. 12 Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 3, 133 f., bes. Anm. 53 auf S. 134. 13 Lamperti Annales, 132, Zeile 11–27. 14 Die Chronik Bertholds von Reichenau, 358. 15 Siehe unten 206.

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bedurfte demnach gar nicht der päpstlichen Intervention, um Ladislaus zur Hilfestellung für die Vornbacher Grafen zu veranlassen. Die Augsburger Annalen enthalten zum Jahre 1079 die etwas zweideutig formulierte, Berthold ergänzende Bemerkung, dass Heinrich IV. damals in ungarisches Gebiet eindrang.16 Berthold von Reichenau berichtet lediglich, der König habe die Bewohner des östlichen Baiern und der Tiefebene von Norikum (sinus Norici) ausgeplündert. Vom östlichen Pendant zu Noricum, von Pannonien nämlich, ist keine Rede. Den Markgrafen Leopold zwang Heinrich  IV. zusammen mit gewissen anderen Leuten zur Unterwerfung.17 Der aus Passau vertriebene Graf Ekbert von Vornbach und seine Verwandten befanden sich damals bereits in Ungarn, wie man aus dem erwähnten päpstlichen Brief vom März 1079 weiß.18 Der Angriff des Königs dauerte bis Pfingsten (12. Mai) 1079. Es wäre möglich, dass Heinrichs IV. Erscheinen in der Mark die Flucht der Vornbacher nach Ungarn erst ausgelöst hatte. Zweifel an dem weiteren Vorrücken Heinrichs IV. bis nach Ungarn hegte Max Büdinger.19 Meyer von Knonau widersprach dieser Auffassung, allerdings ohne Quellenbeweis, sondern an »Autoritäten« orientiert, wie Giesebrecht, Vancsa und Huber.20 Aus der Zeit der Unternehmung sind keine Urkunden Heinrichs überliefert.21 Robinson hat in seiner Berthold-Ausgabe angemerkt, dass die Kombination von Bertholds Nachricht und jener der Augsburger Annalen nahelege, dass Leopold II. sich mit Ladislaus verbündete, eine Schlussfolgerung, die etwas zu weit geht.22 Es ist nicht auszuschließen, dass Heinrich  IV. damals noch einmal einen Versuch unternahm, seinen Schwager König Salomon zu unterstützen. Die erwähnten Verhandlungen der Gesandten des Königs Ladislaus mit Rudolf von Rheinfelden über eine Heiratsverbindung zwischen den königlichen Familien sind eine zweite, nicht zu unterschätzende Tatsache, dass es Spannungen zwischen Heinrich und Ladislaus gab. Ob diese Konstellation zu einer Annäherung an Leopold II. führte, wissen wir nicht. Wir kennen keine Nachrichten zu dieser Frage. Karl Lechner hielt Ladislaus für einen »ent16 Annales Augustani, 129, zu 1079.: Rex Ungariae fines invasit. Es war wohl Heinrich  IV., der in Ungarn eindrang, und nicht der ungarische König, der in ein nicht näher gekennzeichnetes Gebiet einfiel. 17 Die Chronik Bertholds von Reichenau, 358, mit Anm. 761. Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 3, S. 207 mit Anm. 59. Die Chronik Bertholds, 358  : In orientalibus Pagoarie et Norici sinus partibus, incolas illos devastando et Liuppaldum marchionem ad deditionem sibi cum aliis quibusdam coartando, usque in pentecosten ferme commoratus est. Zu der vielleicht etwas problematischen Übersetzung von sinus Norici als Mark siehe unten 218. 18 Der bekannte Brief Gregors VII., in dem er dem König Ladislaus die exilierten Grafen ans Herz legte, ist mit 21. März 1079 datiert. Das Register Gregors VII. 2/2, 441–442, Nr. VI,29. 19 Büdinger, Ein Buch ungarischer Geschichte, 69, Anm.  3  ; vgl. die philologische Interpretation oben Amn. 17 20 Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 3, 207 Anm. 59. 21 MGH DD Heinrich IV. 409 Nr. 311 und 410 Nr. 312 zwischen dem ersten Viertel des Jahres und dem 23. Juli 1079 klafft eine Lücke. 22 Die Chronik Bertholds von Reichenau, 358, Anm. 761.

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schiedenen Parteigänger Papst Gregors VII.« Dieses Urteil hält einer genaueren Lektüre der Quellen nicht stand. Gregor behandelte den ungarischen König, ebenso wie seinen Vorgänger, wie ein rohes Ei. Das geht aus seinen Briefen an Ladislaus und Nehemia, den Erzbischof von Gran, hervor.23 Die Gesandtschaft Ladislaus’, die den Papst über seine Thronbesteigung zu informieren hatte, gab keine Erklärung zur Stellung Ungarns gegenüber Rom ab. Gregor forderte Nehemia auf, er möge den König beeinflussen, seinen Willen, dem Papst geneigt zu sein und ihm die schuldige Achtung entgegenzubringen, klarer ausdrücken. Dann erst werde er, Gregor, dem König gütig antworten und »seiner Hoheit [excellentiae suae] zu seinem und des gesamten Reiches Vorteil der heiligen und apostolischen Autorität Eifer mit aller Liebe und Gütigkeit zu erweisen Sorge tragen.« Das macht den Eindruck, dass man zunächst auf der Suche nach einem modus vivendi war. Ein glühender Gregorianer war der ungarische König wohl nicht. Ebenso vorsichtig formulierte der Papst seine Forderungen gegenüber Ladislaus in seinem bekannten Schreiben wegen der drei »Vornbacher« und ihres Gefolges. Leopold II. und Ladislaus waren aus verschiedenen Gründen Leidtragende der Politik Heinrichs  IV., die außer ihrer Gegnerschaft zu ihm wenig Gemeinsames aufzuweisen hatte. Die hier aufgeworfenen konkreten Fragen zu den Ereignissen der Jahre 1078/79 sind von einer strukturbezogenen Untersuchung der längerfristigen Veränderungen der benachbarten Gesellschaften Ungarns und des Ostzipfels des römisch-deutschen Machtkomplexes zu trennen. Vorläufig wäre zu dieser Betrachtungsweise lediglich zu bemerken, dass sich die Organisation der beiden Kollektive noch beträchtlich voneinander unterschied, auch wenn Klostergründungen in Ungarn den Eindruck einer Annäherung erwecken. Dass Ladislaus als Gegner Heinrichs  IV. auftrat, lag, wie gezeigt wurde, an den Machtkämpfen in der ungarischen Königsfamilie. Nachdem im Sommer/Herbst 1074 die Kämpfe mit Salomons Niederlage geendet hatten, übernahm dieser lediglich über die im westlichen Grenzbereich liegenden Gebiete um Wieselburg, Ödenburg und Pressburg die Herrschaft. Trotzdem blieb Salomon auch in den Augen seiner Gegner, wie auch des Papstes, der legitime König. Géza hingegen, der wohl zum König gekrönt und geweiht worden war, wurde in den Briefen des Papstes weiterhin als Herzog tituliert. Interessant ist der Titel, den Géza in der interpolierten Gründungsurkunde für das Kloster des Heiligen Benedikt de iuxta Gron führte. Nach Györffys Untersuchungen wurde ein Großteil der Urkunde 1075 formuliert. Die Intitulatio scheint von den Einschüben des 13. Jahrhunderts nicht berührt worden zu sein.24 Es heißt hier »Ich Magnus, auch Geisa, zunächst Herzog der Ungarn, später von Gottes Gnaden zum König geweiht, 23 Lechner, Babenberger, 336 Anm. 12. Das Register Gregors  VII. 2/1, 339 f., Nr.  IV,25 und 2/2, 441 f., Nr. VI,29 = Diplomata Hungariae antiquissima, 220, Nr. 75 (an Nehemia) und 223, Nr. 77 (an Ladislaus). 24 Diplomata Hungariae Antiquissima, 206 ff., Nr. 73/II, Vorbemerkung, 212. Der Urkundetext mit der Intitulatio beginnt 213. Ego Magnus, qui et Geisa, in primis Hungarorum dux, postea vero gracia Dei rex consecratus, Bele regis filius.

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Sohn des Königs Béla.« Die Bitten der Großen und ihre Beteiligung an der Erhebung des Königs, die für Géza und Ladislaus eine wichtige Rolle spielten, finden in diesen urkundlichen Formulierungen keinen Platz. Nicht vergessen sollte man, dass der Jüngere, nämlich Ladislaus, sich spätestens seit 1074 beim ungarischen Adel als Heerführer den Ruf eines Helden verschafft hatte. Es wurde oben ausführlich über die bewaffnete Auseinandersetzung des Jahres 1074 berichtet, die mit der Königserhebung Gézas endete. Auch danach nahm Ladislaus als Herzog eine wichtige Funktion bei der Einengung von Salomons militärischem Spielraum ein. Am 26. April 1077 starb Géza und ein wenig später reagierte Ladislaus auf Bitten des ungarischen Adels und übernahm die Königsherrschaft in Ungarn. Die Darstellung der Ereignisse in der Compositio Chronici Hungarici und in der Legende des Ladislaus hebt die Bescheidenheit des neuen Herrschers hervor, der die Rechte des Verlierers Salomon zumindest nicht öffentlich verletzen wollte.25 So verzichtete er angeblich auf die Prozession unter der Krone, solange Salomon noch lebte.26 Motiv für diese bescheiden und nobel erscheinende Geste war die für Ladislaus unangenehme Situation, dass Salomon ja völlig zu Recht die Krone trug, was sich auch in den Briefen Gregors VII. zeigt, der Salomon konsequent als König und Géza I. als Herzog bezeichnete. Der Hintergrund dafür sei hier lediglich kurz referiert  ; wichtig ist nämlich die Frage nach Ladislaus Kontakten zu den führenden Personen und Mächten im gerade ausgebrochenen Streit zwischen temporaler und spiritueller Lebensordnung, soll heißen zwischen weltlicher oder geistlicher hegemonialer Stellung. Wir wollen uns noch einmal dem bereits angesprochenen Thema zuwenden, wie der Papst die Rolle Ungarns in der laufenden Konfrontation mit Heinrich IV. sah. Schon am 9. Juni 1077, wenige Wochen nach König Gézas Tod, kam Papst Gregor VII. in einem Brief an Nehemia, den Erzbischof von Gran, erstmals auf den neuen König Ladislaus zu sprechen.27 Der Papst bezeichnete die Erhebung Ladislaus’ als Wahl. Der Erzbischof sollte Ladislaus dazu bewegen, seine Absichten offenzulegen und dem apostolischen Stuhl die schuldige Reverenz zu erweisen. Offenbar bemühte sich der Papst gegenüber Ladislaus, den aus den Briefen an Géza zu erkennenden Weg fortzusetzen, nämlich die freiwillige Unterordnung des Königreichs Ungarn zu erreichen. Es ist hervorzuheben, dass dieser Versuch einer Anbindung Ungarns an das patrimonium Petri ein transpersonales, gewissermaßen institutionalisiertes Verhältnis sein sollte. Die Zuordnung Ungarns zur spirituellen Herrschaft des Petrus erlaubte zwar einigen interpretatorischen Spielraum bei der Beschreibung dieses Verhältnisses, das Ziel einer Überordnung der geistlichen Gewalt lässt sich aber leicht aus den Texten herausschälen. Ladislaus verstand offenbar, dass er Gregor gegenüber vorsichtig zu agieren hatte. 25 Chronici Hungarici Compositio, 403 f.; Legenda sancti Ladislai regis, SRH Band 2, 518. 26 Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 281. Chronici Hungarici Compositio, 405. 27 Das Register Gregors VII. 2/1, 339 f., Nr. IV,25.

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Wie aus dem bereits erwähnten, im Folgenden aber noch genauer zu betrachtenden Brief des Papstes an Ladislaus vom März 1079 zu erkennen ist, hatte der ungarische König tatsächlich durch Gesandtschaften mit Gregor Kontakt aufgenommen. Die Kommunikation schien in den Augen des Papstes aber noch durchaus verbesserungsfähig zu sein. Er erwartete von Ladislaus, dass er dem heiligen Petrus dienen wolle und dem Papst gehorche. Die Haltung Ladislaus’ gegenüber dem losbrechenden Streit zwischen dem König und dem Papst richtete sich aber vor allem gegen Heinrich IV., den Schwager seines Gegners Salomon. Diese Sicht der Dinge, dass nämlich die »politischen« Überlegungen des ungarischen Königs wichtiger waren als seine Einstellung zur Kirchenreform und ihrem unangenehmen Konfliktpotential, ergibt sich aus der Beobachtung, dass Ladislaus später, im Jahre 1091, unter veränderten Bedingungen bereit war, mit Heinrich IV. zu kooperieren. Schon 1090 veränderten sich die bestehenden Beziehungen zur Familie des inzwischen gefallenen Gegenkönigs Rudolf durch den Tod der Königin Adelheid und ihres Bruders Berthold.28 Ladislaus spielte also zu Beginn seiner Regierung eine gewisse Rolle in der sich gegen Heinrich bildenden Koalition. Dabei ging es auch um die Beziehungen zu Leopold II. und zu den Vornbachern, die wir zunächst als einzige bayerische Dynastie unter Heinrichs Gegnern finden.29 Die Einbindung des ungarischen Königs in das »ostbayerische« Netzwerk wird durch die Tatsache deutlich erkennbar, dass sich seit dem Spätwinter/Frühjahr 1078 der Vornbacher Graf Ekbert mit seinem Vetter Ulrich (von Radlberg) und dessen Bruder Konrad in Ungarn am Hofe Ladislaus’ aufhielt.30 Der bekannte Brief Papst Gregors VII. vom 21. März 1079 an Ladislaus enthält nicht nur die Anfangsbuchstaben der Namen der vertriebenen Grafen. Das auch in der Literatur der letzten Jahre oft erwähnte päpstliche Schreiben zeigt, welche Bedeutung der Papst der Unterstützung seiner bayerischen Parteigänger zumaß. Meyer von Knonau war dies vor mehr als 100 Jahren deutlich bewusst – seither wurden die späteren Passagen des Briefes nicht mehr beachtet.31 In mehrfacher Wiederholung drängte der Papst den ungarischen König, seine Schützlinge aus dem bayerischen Hochadel zu unterstützen. Wie Gregor feststellte, hatte Ladislaus schon in 28 Das neue, bessere Verhältnis des Ladislaus zu Heinrich IV. ist seit Ende 1091 nachzuweisen. Die kroatische Politik scheint für die neue Konstellation entscheidend gewesen zu sein. Zu den lockerer werdenden Bindungen des ungarischen Königs an die Gegner Heinrichs IV. seit 1090  : Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 358. 29 So eine jüngere Darstellung von Hubertus Seibert, Vom königlichen dux, 239–241, der Hinweis auf die Vornbacher, 241. Diese Sicht ist mit Rücksicht auf die Haltung der Babenberger oder der Otakare kritisch zu prüfen. Möglicherweise trifft Seiberts Urteil nur für den Zeitpunkt Sommer/Herbst 1077 zu. 30 Wie Heinrichs IV. Vorgehen 1077/78 gegen seine Vornbacher Gegner und die Umgestaltung der Machtverhältnisse im Passauer Gebiet durch ihre Exilierung auf Leopolds II. Verhalten Einfluss ausgeübt haben könnte, vgl. unten 218. Der Bericht des Berthold von Reichenau über die Belagerung von Ekberts Burgen endet mit der Mitteilung, dass Ekbert ad regem Ungariorum cum uxore suisque omnibus fugatum exulare coegit. Die Chronik des Berthold von Reichenau, 301 f., mit Anm. 538, 302. 31 Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 3, 185 f.

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den vergangenen Monaten die Grafen aus eigenem Antrieb unterstützt.32 Der Aufenthalt in Ungarn provoziert zumindest zwei Fragen. Zunächst  : Wie kam Ekbert I. auf die Idee, an den Hof des Königs Ladislaus zu fliehen  ? Zunächst ein allgemeiner Hinweis, der zwar nicht überrascht, aber in das Gesamtbild der Beziehungen zwischen dem Reich, Bayern und Ungarn passt  : Erfolglose Aufständische gegen den ostfränkisch-deutschen König, die von Bayern aus agierten, wichen häufig nach Ungarn aus. Die Möglichkeit, dass Ekbert und seine Verwandten ihre Flucht erst dann nach Ungarn fortsetzten, als Heinrich IV. die Mark und Leopold II. angriff und zur vorübergehenden Unterwerfung zwang, wurde ja schon angedeutet. In welcher Weise unterstützte Ladislaus die Vornbacher  ? Betrachtete er sie als adelige Ankömmlinge, die als hospites ehrenvolle, militärische Aufgaben in Ungarn übernehmen sollten  ? Der Papst meinte vielleicht diese Möglichkeit, wenn er schrieb, Ladislaus solle ihnen ein reiches Geschenk zukommen lassen. Es standen ja nach den Kämpfen der vergangenen Jahre genügend Besitzungen der Verlierer zur Verfügung, die vom König konfisziert worden waren. Simon von Kéza berichtete allerdings in seinem einschlägigen Kapitel über die adeligen Ankömmlinge (de nobilibus advenis) über die Vornbacher nichts. Es lassen sich aber auch andere Ursachen für die Flucht nach Ungarn anführen  : 15 Jahre zuvor war im Jahre 1063 Béla I. gestorben, über dessen zu vermutende zweite Ehe mit der Vornbacherin Tuta bereits berichtet wurde. Der Einfluss der Witwe in Ungarn war wohl nicht bedeutend, zumal auch ihre Kinder, soweit man über sie überhaupt etwas weiß, an den Ereignissen in Ungarn nicht beteiligt waren. Ihr Sohn Koloman war der erste Propst von Suben und ihre Tochter Adelheid war mit dem Regensburger Domvogt Friedrich II. verheiratet.33 Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in ihren späteren Jahren lag in Bayern. Das deutet darauf hin, dass die Witwe Tuta Ungarn wohl bald verließ. Ob in dieser Vorgeschichte ein Anknüpfungspunkt für Ekbert lag, sich in Ungarn Hilfe zu erwarten, lässt sich nicht beantworten. Zumindest sollte man diesen Aspekt nicht aus den Augen verlieren, denn immerhin war die Vornbacherin die Stiefmutter des nun herrschenden Königs Ladislaus. Ekbert und seine mit ihm flüchtenden Vettern müssen gewusst haben, dass Ladislaus aufgrund der Probleme mit Salomon kein Freund Heinrichs IV. war. Die politische Lage und die Verschwägerung mit dem ungarischen Königshaus lassen die Flucht der Vornbacher Grafen nach Ungarn sinnvoll erscheinen. Einen Hinweis auf ein schlechter werdendes Verhältnis zwischen Ekberts Vetter Ulrich und Heinrich  IV. könnte die abenteuerliche Geschichte von der Rückführung 32 Egon Boshof, Südosteuropa in der späten Salierzeit, 73, rechnet mit einigen bayerischen Großen, die sich in Ungarn im Exil befanden. Ausdrücklich erwähnt sind allerdings nur die drei Vornbacher Grafen Ekbert, Ulrich und Konrad mit ihren Gefolgsleuten (milites). Eine ausführliche Darstellung mit dem Schwerpunkt auf den Verhältnissen in Passau nach der Vertreibung der Vornbacher Loibl, Der Herrschaftsraum, 151– 155. 33 Lohrmann, Geschichte und Bedeutung, 311 ff., und oben 172 ff.

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Bischof Burchards in sein Bistum Halberstadt bieten. Bei allen Zweifeln, die an der Stichhaltigkeit der Geschichte bestehen, sollen doch einige ihrer Details in Erwägung gezogen werden. Der Bischof galt zusammen mit Otto von Nordheim als Führer des Sachsenaufstands gegen Heinrich IV., der infolge der Schlacht an der Unstrut 1075 in die Gefangenschaft des Königs geriet und dem Bamberger Bischof Rupert zur Bewachung übergeben wurde.34 Lampert von Hersfeld und Bruno, der Autor des gegen Heinrich IV. polemisierenden »Sachsenkrieges«, berichten über die Befreiung des Bischofs und seine Rückkehr nach Halberstadt. Der König wollte den Bischof in Ungarn verschwinden lassen und bat, wie Lampert schreibt, seine Schwester Judith, die Gattin des entmachteten Salomon, um Unterstützung bei der Durchführung dieses Plans. Nach Bruno beteiligte sich Salomon selbst an der geplanten Entführung. Die Vorbereitungen dazu fielen in den Mai/Juni 1076, denn die Befreiung Bischof Burchards begann am 24. Juni in einer am Donauufer gelegenen Kirche. In dieser Zeit befanden sich Vornbacher noch im Raum Passau. Lampert erzählt im Rahmen der Vorgeschichte, dass es einen miles des Bischofs namens Udalrich gab, der den Bischof über die Absichten des Königs informierte und ihm einen Rettungsplan darlegte. Udalrich wusste über das Vorhaben Heinrichs Bescheid, da er dem König »außerordentlich teuer und lieb« war. Er war in Bayern reich begütert und besaß nahe dem Donauufer eine feste Burg und Güter.35 Auch Bruno kennt diesen Udalrich (Odelrich).36 Die Identifizierung Udalrichs ist strittig. Aufgrund der Erwähnung seines Reichtums in Bayern identifizierte man ihn mit dem Rapotonen Udalrich dem »Vielreichen«.37 Eine gewisse Prominenz erlangte die Erwähnung Udalrichs in der Gründungsgeschichte von Baumburg, wo es heißt, dass der Graf Udalrich von Passau, sehr mächtig und reich war, so dass er von den Leuten »Vilrich«, also der Vielreiche genannt wurde.38 Jener Udalrich, der Bischof Burchard bei seiner Flucht half, wurde von Lampert ebenso als predives bezeichnet. Das schien dafür zu sprechen, dass jener Udalrich der Passauer Graf war. Dagegen spricht aber Lamperts Feststellung, dass der heldenhafte Befreier ein miles des Bischofs Burchard war, was für Udalrich den Vielreichen wohl nicht zutrifft. Bruno weiß von keiner Gefolgschafts- oder Lehnsbindung an Burchard.

34 Kleinen, Bischof und Reform, 144 ff., bes. 148 f. 35 Lamperti Annales, 266  : Habebat idem episopus militem quendam Uodalricum nomine, multis in Baioaria possessionibus predivitem, regi quoque adprime carum et acceptum […] Edocet preterea possessiones suas et castellum munitissimum haud procul ab littoribus Danubii fluminis abesse […]. 36 Brunonis Saxonicum Bellum, 79  : Tunc Othelricus quidam dixit ei stare quandam domum desertam non longe a litore monuitque eum, ut hanc arte qualibet temptaret intrare. 37 Lamperti Annales, 266, Anm. 2, mit Belegstellen zu Udalrich dem Vielreichen. 38 Fundatio monasterii Baumburgensis 1062 Z., 27 f.: comes Udalricus de Pactavia, et prepotens ac predives, ita ut vulgo Vilrich appellaretur.

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Unter diesen Umständen müssen wir nach einem anderen mächtigen Mann mit Besitz an der Donau suchen, der unser Udalrich sein könnte. Umfangreiche Güter an der bayerischen Donau besaß der auch nach Windberg genannte dominus Udalrich, der spätere auch nach Radlberg genannte Vogt von Göttweig.39 Wie steht es in seinem Fall um eine Lehnsbeziehung zu Halberstadt  ? Der Herausgeber von Lamperts Annalen hielt die Beschreibung des Udalrich als einen miles (Lehnsmann) des Halberstadter Bischofs für einen Irrtum. Dabei könnte es sich um einen sehr plausiblen, konkret zu fassenden Irrtum gehandelt haben. Man weiß nämlich, dass der Bruder des Udalrich, Hermann von Winzenburg, der ebenfalls nach Windberg genannt wurde, Lehen des Bischofs Udo von Hildesheim besaß. Dieser Udo war ein Bruder der Mathilde, der Mutter Udalrichs und Hermanns, und seit 1079 Bischof von Hildesheim.40 Andererseits muss es sich bei dieser Feststellung gar nicht um einen Irrtum Lamperts handeln, denn Ulrich von Windberg könnte durchaus Lehen von seinem Onkel besessen haben. Diese Theorie kann erklären, wie Ulrich in Opposition zum König geriet. Es ist trotz dieser Überlegungen festzuhalten, dass die Identifizierung des helfenden Udalrich mit Ulrich von Windberg lediglich eine Hypothese ist. Wann und unter welchen Umständen gelang es Ekbert  I., seine Güter im Pittener Gebiet zu erwerben und damit eine neue Machtstellung nun im Grenzraum der karantanischen zur babenbergischen Mark und zum Königreich Ungarn aufzubauen  ? Seine enge Verbindung mit Ulrich von Windberg/Radlberg bestand schon vor der Flucht vor Heinrich IV. So bezeugte er den Ehevertrag des Ulrich Ende der sechziger oder Anfang der siebziger Jahre des 11.  Jahrhunderts, von dem schon mehrfach die Rede war. Im südlichen Waldviertel hatte er auch in einem Dorf namens Iringesperg, heute Eibetzberg, Besitz. Der Name des Dorfes geht auf einen Iring zurück, der nach dem Tod des letzen Ekbertiners als Stammvater der Vornbacher gefeiert wurde.41 Nach seiner Flucht aus dem Raum Inn/Passau im Jahre 1078 ist er erst in den neunziger Jahren recht oft bezeugt, allerdings unter gänzlich veränderten Umständen. Seine Umgründung des Stiftes Vornbach in ein Benediktinerstift im Jahr 1094 und seine Schenkungen zeigen, dass er über seine Besitzungen am Inn wieder verfügen konnte. Umfangreicher waren jedoch die geschenkten Güter im Pittener Gebiet. Trotz dieser günstigen Verhältnisse konnte er seine frühere, machtvolle Stellung und die seiner näheren und ferneren Verwandten zwischen Isar und Hausruck nicht mehr im ursprünglichen Umfang wiederherstellen. Die Dynastie verfügte nämlich nicht mehr über die Grafschaften im Inn- und Donaugebiet. Wie gerade festgestellt, machte Ekbert bald nach 1094 umfangreiche Schenkungen an Vornbach, die Neunkirchen, Gloggnitz und andere Siedlungen im Gebiet nördlich

39 UbOE 1, 627 f., Nr. 2  ; Loibl, Herrschaftsraum, 374. 40 Jungmann-Stadler, Hedwig von Windberg, 257. 41 FRA II/69, 185 f., Nr. 45,46  ; Lohrmann, Herrschaftsverhältnisse, 115.

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des Semmerings betrafen.42 Die Herrschaftsorganisation dieses Pittener Gebietes interessiert uns von zwei Aspekten her. Zum einen gehört Pitten zum Grenz- und Nachbarschaftsbereich zu Ungarn, zum anderen unterschied sich die herrschaftliche Zuordnung des Pittener Adels von dem des steirischen insofern, als sich seit der Regierungszeit Friedrichs des Streitbaren die Leute zwischen Piesting und Semmering überwiegend zur Gefolgschaft (zu den Parteigängern) des österreichischen Herzogs bekannten. Diese Besonderheit könnte aber schon früher zu erkennen sein und es erhebt sich die Frage, ob die Herrschaft der drei Ekberte, die bis 1158, dem Todesjahr Ekberts III. dauerte, diese auf ihre Weise intensive Nachbarschaft prägte. Wie erlangte Ekbert I. die ausgedehnten Herrschaften nördlich des Semmerings, worauf beruhte seine Machtstellung und gab es Konkurrenten  ? Bis vor wenigen Jahren blieb die Vorstellung unbestritten, dass es sich bei den Pittener Besitzungen um Güter handelte, die der karantanische Markgraf aus der Dynastie der Wels-Lambacher Arnold II. und sein Sohn Gottfried besessen hatten. Mathilde, eine Tochter des im Jahre 1050 ermordeten Gottfried, heiratete Ekbert und auf diese Weise soll er 1056 nach dem Tod Arnolds II. in den Besitz der Pittener Güter gekommen sein.43 An dieser Auffassung übte Maximilian Weltin vor knapp 20 Jahren sorgfältige Kritik. Die Verbindung zwischen dem Markgrafen Gottfried und Pitten sei erst aus viel jüngeren Nachrichten zu entnehmen  : eine besondere Rolle spielte dabei die zu Beginn des 13. Jahrhunderts entstandene Lebensgeschichte des Bischofs Adalbero von Würzburg, dem Bruder Gottfrieds.44 In dieser sogenannten Vita Adalberonis ist von der urbs Pitten die Rede, also von einer Burg. Diese wurde in alter Zeit gegen feindliche Einfälle aus Pannonien gebaut und könnte eine Fluchtburg gewesen sein. In Adalberos Lebensgeschichte heißt es weiter, dass Gottfrieds Tochter mit Ekbert I. verheiratet war, dem nach dem Tod ihrer Brüder dieser Besitz als Heiratsgut zufiel.45 Weltin stellte aber fest, dass Ekbert die Besitzungen nördlich des Semmerings ohne Zustimmung seiner Gattin Mathilde an Vornbach schenkte.46 Wenn es um den von ihr in die Ehe gebrachten Besitz ging, ist in so vielen Fällen die Zustimmung der Ehefrau nachzuweisen, dass man diesem Umstand doch einige Bedeutung zumessen muss. Dass es sich dabei um eine grundsätzliche Form der Abwicklung solcher Schenkungen handelt, zeigt die Bemerkung Weltins, dass die Klöster möglichst alle Angehörigen des Schenkers bei Güterübertragungen eingebunden wissen wollten.47 Weltin folgert weiter, dass dem Autor der Vita des Bischofs Adalbero um 1200 natürlich bekannt war, dass 42 UbOE 1 626 Nr. 1. 43 Weltin, Das Pittener Gebiet im Mittelalter, 24, mit kritischen Bemerkungen zur älteren Literatur. 44 Weltin, Das Pittener Gebiet im Mittelalter, 25, besonders wichtig der Bezug auf die Vita des Bischofs Adalbero. 45 Vita sancti Adalberonis 130 Z., 14 f. 46 Weltin, Das Pittener Gebiet im Mittelalter, 27. 47 Weltin, Das Pittener Gebiet im Mittelalter, 27.

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sich die Ekberte, also Ekbert selbst und seine Nachkommen, jahrzehntelang auch nach Pitten genannt hatten und ihm daher in Bezug auf die Herkunft des Pittener Besitzes ein Irrtum unterlaufen sei. Es gebe demnach keinen Beweis, dass Ekberts Pittener Besitz durch seine Ehefrau von den Wels-Lambachern an ihn kam. Auch die Gegenprobe passt in dieses Bild  : In derselben Schenkung an das Kloster Vornbach übergab Ekbert Güter zwischen Inn und Enns samt Grundholden, die seiner Gattin Mathilde zum Teil aus der Familie ihres Onkels, des Bischofs Adalbero, zugefallen waren.48 Unter den von Weltin klar dargelegten Umständen müssen wir davon ausgehen, dass Ekbert auf andere Weise in den Besitz der Güter um Pitten gelangt ist und wir dem Bericht Bertholds glauben können, dass er mit seinen Vettern ad regem Ungariorum und nicht nach Pitten geflüchtet ist.49 Den Besitzübergang auf die Vornbacher und den Zeitpunkt wird man neu überdenken müssen. Direkt nach Arnolds Tod 1055 finden wir keine Spuren Ekberts im Raum Pitten. Hier war damals der bayerische Pfalzgraf Kuno von Rott begütert, wie wir aus der erwähnten Schenkung Heinrichs IV. aus dem Jahre 1058 wissen.50 Kuno und sein gleichnamiger Sohn waren später in der Auseinandersetzung des Königs mit dem Papst Parteigänger König Heinrichs. Zunächst waren sie Zeugen einer Schenkung des Bischofs Gunther von Bamberg im Haager Gebiet nahe der Enns, die zwischen 1057 und 1063 datiert wird. In der Forschung prominent ist sie wegen der bei dieser Gelegenheit aufgezeichneten Rechte der Ministerialen Bambergs, die hier, in der Nähe des Ennswaldes lebten. Im Gefolge Kunos befand sich ein Ritter namens Eberhard.51 Vielleicht handelt es sich um denselben Eberhard, der noch zu Lebzeiten Bischof Altmanns († 1091) das Dorf Agilstreifing ihm und dem Göttweiger Vogt Ulrich übergab. Dieses Dorf wird im Gebiet des heutigen Neunkirchen verortet – es lag also im Pittener Gebiet.52 Eberhard, der einen vornbach/neuburgischen Namen trägt (so hieß der älteste Sohn Ekberts I.), trat später als Konverse in Göttweig ein und machte seine Schenkung zusammen mit seinem Bruder Adalbero. Diesen Namen kennen wir in der Dynastie der Wels-Lambacher, es war der Name des Bischofs von Würzburg.53 Die Beziehungen zu 48 UbOE 1 627 Nr. 1  : Tradidit […] quicquid inter Enum et Enesim fluvios inveniri potest illorum mancipiorum, que coniugi sue in partem ceciderunt de familia patrui sui Adalberonis episcopi. Zauner, Die Grafen von Lambach, 60. 49 Weltin deutet diese Stelle in seinem Kommentar NÖUB 1, 383, dass Ekbert mit der Gattin und den Seinen nach Pitten gegangen sei. 50 NÖUB 1, 375 f., Nr. 30 = MGH D Heinrich IV. 1, 56 Nr. 45  ; Weltin, Das Pittener Gebiet im Mittelalter, 23. 51 NÖUB 1, 353 f., Nr. 27a, 355 Zeugenliste  : palatinus comes Chono et filius eius Chono, Noppo, Eberhart, Perenhart, Timo milites eius […]. Brunner, Ius, 178. 52 FRA II/69, 174 ff., Nr. 30. 53 Auf die Wels-Lambacher und Vornbacher Namen wies hin Weltin, Das Pittener Gebiet im Mittelalter, 24, mit Anm. 35.

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den Wels-Lambachern treten noch deutlicher hervor, denn Adalbero hatte einen Sohn Gottfried.54 Diese Edelfreien bilden einen Anhaltspunkt, dass die Wels-Lambacher im Pittener Gebiet Besitz hatten. Ob allerdings damit bewiesen ist, dass Ekbert  I. durch seine Gattin, die Wels-Lambacherin Mathilde in den Pittener Besitz gekommen ist, bleibt zweifelhaft. Die Gründe dafür haben wir bereits dargelegt. Am Zusammenfluss von Schwarza und Pitten liegt Haderswörth, wohl eine Gründung der Schwarzenburg-Nöstacher, wo ein Angehöriger der Familie namens Heinrich wohl schon vor 1080 an Göttweig ein Gut schenkte.55 Der Besitz lag offenbar dicht am Niemandsland des ungarischen Grenzraums (Lanzenkirchen). Wir müssen am nordöstlichen Zipfel der karantanischen Mark mit einigen mächtigen adeligen Familien rechnen, die sich spätestens zur Zeit der Kämpfe Heinrichs III. mit Andreas I. im Grenzgebiet engagierten, um hier oder vielleicht sogar jenseits der Grenze ihre Macht und ihren Einfluss zu steigern. Weltin deutete mehrfach an, dass man am ehesten 1081 bzw. in der direkt folgenden Zeit (etwa 1082/83) mit dem Beginn einer Herrschaftsbildung der Vornbacher im Pittener Gebiet rechnen kann. Aus der immer wieder zitierten Stelle über die Vertreibung der Parteigänger Heinrichs IV. nach der Absage Leopolds II.56 ist zumindest zu schließen, dass für Leute wie Kuno von Rott das Leben im Umfeld des Babenbergers ungemütlich wurde. Altmann zog seine Güter ein und verwendete sie zur Ausstattung von Göttweig.57 Es ist denkbar, dass Ekbert durch ähnliche Maßnahmen in der karantanischen Mark in den Besitz der Pittener Güter kam. Ein Zusammenwirken Otakars II., der sich im Dienste der Reform einen Namen machte, und Leopolds II. dabei ist recht wahrscheinlich.58 Dafür spricht auch die Rolle Göttweigs im Raum Neunkirchen. Nach der Erwähnung Ekberts im Brief Papst Gregors vom 21. März 1079 wird er frühestens 1090 in einer Schenkung des nobilis Pilgrim von Reding für Göttweig genannt.59 Pilgrim besaß zwei Weingärten in Mauer. Ekbert, der wohl auch dort über Besitz verfügte, bezeugte die Schenkung zusammen mit seinem Sohn Eberhard und einem Hezil, der sich an anderer Stelle nach Pitten nannte.60 Die Verwandtschaft zwischen Pilgrim und der nach Pitten/Schwarzau und ebenfalls Reding genannten Familie

54 FRA II/69, 215 f., Nr. 76 (1108–1114)  : Gottfrieds Mutter Hadamut, die Witwe des Adalbero, übergibt fünf Hufen in Mechters. 55 FRA II/69, 208 f., Nr. 67. Bemerkungen dazu und Datierung NÖUB 1, 382, die mit Recht von der Datierung in der Edition der Göttweiger Traditionsbücher (nach 1097) abweicht. 56 Vita Altmanni cap. 25, 236 Z., 39 ff. […] omnes fautores Heinrici de sua potestate expellit, omnes apostolicae sedi et eius legato obdientes armis defendit. 57 Weltin, Das Pittener Gebiet im Mittelalter, 23, mit Anm. 31. 58 Zur Regierungszeit Otakars II. (1077–1122) zuletzt Zehetmayer im Kommentar NÖUB 2/2, 66. 59 FRA II/69, 179 f., Nr. 36 (1090–1108). 60 FRA II/69, 310 Nr. 173 (1120/1122). Als domnus FRA II/69, 420 Nr. 281.

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ist nicht gesichert.61 Bezüglich Ekberts lässt sich für die Zeit um 1080 und auch etwas später kein fester Punkt gewinnen. Der zweite Flüchtling von 1078, Ulrich von Windberg, konnte sich auf seine Besitzungen und die von seiner Frau herrührenden Güter am Kamp, an der Traisen (Radlberg) und am Manhartsberg zurückziehen. In der Schlacht bei Mailberg fielen am 12. Mai 1082 ritterliche Gefolgsleute Ulrichs, für deren Seelenheil er eine Hufe in Doppl, heute im Süden des Linzer Stadtgebietes gelegen, an Göttweig schenkte.62 Es ist daher recht wahrscheinlich, dass Ulrich selbst an der Schlacht teilgenommen hat. Die in derselben Aufzeichnung erwähnte Schenkung einer Bauernstelle in Kammern für seine verstorbenen Söhne ist nicht notwendig auf Mailberg zu beziehen. Am 9. September 1083 war er wohl zusammen mit seinem Bruder Hermann bei der Weihe der Göttweiger Marienkirche anwesend.63 Die damals angeblich angefertigte Besitzbestätigung Bischof Altmanns entstand erst etwa 1140 oder nach 1164.64 Trotzdem dürfte die Nachricht über die Anwesenheit der beiden Vornbacher richtig sein, denn ein von den Fakten wenig belasteter, Jahrzehnte später tätiger Fälscher hätte sicher den Markgrafen unter den bedeutenden Anwesenden vermerkt  – Leopold  II. ist aber nicht erwähnt und war wohl tatsächlich abwesend. Eine schlechte Stimmung zwischen Altmann und Leopold nach der Blamage von Mailberg und der folgenden materiellen Katastrophe in Teilen der Mark könnte durchaus eine Ursache für eine Verstimmung Leopolds und sein Fernbleiben gewesen sein. Die Schlacht und die Kirchweihe sind recht brauchbare Beweise, dass sich Ulrich nicht sehr lange am Hofe des Ladislaus aufhielt. Immerhin verfügte er im Raum Göttweig und am Kamp über genügend Besitz, um sich dort eine angemessene Lebensführung leisten zu können. Auch Ekbert verfügte in der Mark und im Pittener Gebiet über solche notwendigen Ressourcen. Es wäre sogar möglich, dass Ulrich erst im Zuge des Umbruchs von 1081 die Vogtei über Göttweig übernahm. Unter den vier Nennungen Ulrichs als Vogt in den Göttweiger Schenkungsbüchern befindet sich jedenfalls keine, aus der man die Übernahme dieser Funktion vor 1081 schließen müsste.65 Ulrichs Tätigkeit im Umfeld Göttweigs beweist jedenfalls eine enge Verbindung zu Bischof Altmann  ; die Teilnahme an der Mailberger Schlacht seine guten Beziehungen zu Leopold II. Dies stützt wieder die Einschätzung, wann Ekbert I. seine Pittener Machtstellung aufbauen konnte.

61 Loibl, Herrschaftsraum, 77. 62 FRA II/69, 183 Nrn. 40–42. Die Lokalisierung von Doppl nach dem Kommentar von Fuchs mit Verweis auf die Göttweiger Urbare S. 17 Nr. 2. 63 NÖUB 2/1, 116, Nr. 3/9  : […] sub presentia comitis Odalrici de Ratilenperge ipsius tunc loci advocati et Hermanni comitis fratris ipsius Odalrici […]. 64 NÖUB 2/1, 123, Anmerkung*. 65 FRA II/69 Nrn. 5, 8, 30, 40–42.

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Ergänzend sei noch auf die Hypothese eingegangen, dass der dritte Graf C. aus Papst Gregors Brief nicht Ulrichs Sohn Konrad, sondern sein gleichnamiger Bruder war.66 Wir wissen aus der Hausgenealogie der Vornbacher, dass Heinrich  IV., der im April 1081 nach Italien ging67, vielleicht schon damals Konrad, einen der Söhne des Grafen Meginhard V. († 1066) gefangen mit sich führte. Konrad erkrankte später in Gefangenschaft, wurde freigelassen und starb 1084 in Basel. Für die Annahme, dass 1079 Ulrichs Bruder Konrad und nicht sein Sohn zu den Exilierten gehörte, spricht eine Göttweiger Schenkungsnotiz, die auf die Zeit um 1100 datiert wird. Der erste Zeuge war Chunradus puer, advocati Odalrici filius. Wenn diese vom Herausgeber Adalbert Fuchs vorgeschlagene Datierung richtig ist, könnte Ulrichs Sohn Konrad frühestens 1086 geboren sein. 1079 war er jedenfalls noch nicht auf der Welt.68 Der damals genannte Graf C. kann daher nur der Sohn Meginhards  V. sein. Da Heinrich  IV. diesen Grafen Konrad im April 1081 gefangen nach Italien führen konnte, befand sich dieser nicht mehr im Schutz des ungarischen Königshofes. Diese Überlegung stimmt mit den Schlüssen über die Aufenthaltsorte des Ulrich von Radlberg überein. Mit Ekbert I. hingegen gelang der Aufbau eines Machtbereiches im Grenzraum zu Ungarn. Dabei griffen die Ekberte mit ihren Besitzungen vielleicht auch über die Grenzen hinweg nach Westungarn.69 Der als Beweis dafür herangezogene Brief des Gerhoch von Reichersberg enthält die Bemerkung, dass Graf Ekbert III., der Enkel Ekberts I., ultra vallem Ungaricvm Besitzungen hatte, die zu Ungarn gehörten. Gerhochs Feststellung war ein wichtiges Argument dafür, dass bestimmte, umstrittene Zehnte dem Stift Reichersberg zustanden. Er behauptete dies gegenüber Gottfried, dem Abt von Admont, der vom Salzburger Erzbischof Eberhard  I. diese Zehnte erhalten hatte. Dieser wäre vielleicht sogar vorsätzlich von den im Pittener Gebiet tätigen Zehenteinnehmern falsch informiert worden und zwar in folgender Weise  : die Zehente ultra vallem Ungaricum konnten Reichersberg nicht übertragen worden sein, da diese Besitzungen des Grafen (Ekbert III.) zu Ungarn gehörten.70 Weltin hat die Vorstellung, dass mit dem vallis Ungaricum eine Grenzlinie gemeint sei, verworfen und deutet den Begriff als das Tal des Ungarbaches bei Kirchschlag in der Buckligen Welt. Es ist auch in diesem Fall denkbar, dass der Ungarbach die Grenze zu Ungarn markierte. Damit würde der Besitz der Ekberte zu Ungarn gehören, wie dies

66 Lohrmann, Geschichte und Bedeutung. 315 f. 67 Boshof, Salier. 247. Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 3, 351 ff. 68 FRA II/69, 208 Nr. 67 mit den entsprechenden Kommentaren in der Vorbemerkung. 69 Brief Gerhochs von Reichersberg SUB II 433 Nr. 309  ; Weltin, Das Pittener Gebiet im Mittelalter, 29 mit Anm. 72. 70 SUB II. 432 f.. Nr. 309 […] ne nobis decimas ullas permitteret ultra vallem Ungaricum, eo quod illa terra licet a comite [Ekbert] sub titulo proprietatis posessa, non esset sua sed Ungarorum. Classen, Gerhoch 373 Reg. 99  : Datierung 1159 Juni bis 1161 August.

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die Zehenteinnehmer feststellten.71 Weiter im Norden lag an der Grenze der erwähnte Besitz in Haderswörth, offenbar bildete der Ungarbach einen südlicheren Abschnitt desselben Grenzverlaufs. Wir erkennen hier eine Entwicklung, die Weltin als Entstehung einer Grenzlinie beschrieb.72 Die Pittener Grafen waren die bedeutendsten Grundherren mit einem entsprechenden repräsentativen Umfeld (Ekbert besaß z. B. einen Speerträger) im Grenzraum und führten von hier aus zusammen mit ihren Gefolgsleuten auch Angriffe auf ungarisches Gebiet aus. So beteiligte sich im Jahre 1118 Graf Ekbert II. an einem Feldzug gegen Ungarn, einer expeditio ungarica. Am Beginn der Unternehmung übergab er dem Stift Vornbach für den Fall seines Todes ein Gut in Muntriching.73 Otto von Freising berichtet, dass der ungarische König Stephan II. mit dem üblichen gewaltigen Heer in die Grenzgebiete des Reiches eindrang und von hier mit reicher Beute wieder zurückkehrte. Unter der Führung Markgraf Leopolds III. wurde er verfolgt  : Otto erwähnt den böhmischen Herzog als Verbündeten.74 Dabei handelt es sich um Leopolds Schwager Bořivoy II., der 1117 zum zweiten Mal Herzog von Böhmen geworden war und dies bis 1120 blieb.75 Die gemeinsame Aktion der Grafen aus dem karantanischen Gebiet, des böhmischen Herzogs und des Markgrafen in Ostarrîchi macht den Eindruck einer Reaktion des Reiches auf einen Überfall alten Stils auf das Grenzgebiet. Doch das scheint nicht die ganze Wirklichkeit dieser Jahre zu treffen. In diesem Fall wirkten drei Fürsten zusammen, deren Beziehungen nicht bloß über ihre Funktionen im Reich zu erklären sind. Sie handelten auch gemeinsam, da sie ihre Interessen in diesem Raum wahrnehmen wollten – Interessen, die gegenüber dem traditionellen Reichsdienst eine selbständige Dimension hatten. Zu denken geben allerdings die ungarischen Besitzungen Ekberts. König Ladislaus konnte nicht nur aufgrund des mahnenden Schreibens Gregors  VII. zugunsten Ekberts  I. und seiner Vettern die Grafen als hospites betrachten. Ganz in der Tradition Stephans des Heiligen und der ihm nachfolgenden Förderer der fränkisch-deutschen adeligen Krieger könnte er diesen »Gästen« Land im Grenzgebiet überlassen haben, um sie damit in die ungarische Grenzorganisation einzuspannen. Betrachtet man allerdings das Verhalten Ekberts II. im Jahre 1118 hätte Ladislaus mit solchen Absichten die Vornbacher à la longue von Böcken zu Gärtnern gemacht. Freilich hatten sich seit den späten siebziger Jahren die »politischen« Begleitumstände solcher »Freundschaften« gewaltig gewandelt. Der einstige Streit zwischen Papst und Kaiser war abgeflaut – zwar vertrat man auch noch in der Zeit Heinrichs V. gewisse Standpunkte zugunsten der tempora71 Vgl. dazu die Karte »Das westungarische Grenzgebiet im 12./13. Jahrhundert«  : Weltin in Dopsch, Die Länder und das Reich, 265, und NÖUB 2/1, 778 f. Zum Verständnis der Sache wichtig Fichtenau, Studien zu Gerhoh, 12. 72 Weltin, Das Pittener Gebiet im Mittelalter, 29. 73 NÖUB 2/1, 289, Nr. 7/25. 74 Ottonis episcopi Frisingensis chronica Lib. VII cap. 15, 330 f.; Dopsch, Die Länder und das Reich, 263. 75 Cosmae Chronica Lib. III, cap. 43, 217 f. (zum Jahr 1117) und Lib. III, cap. 46, 219 (zum Jahr 1120).

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len Herrschaft, doch die Notwendigkeit, Kompromisse zu finden, war unabweislich geworden. Dies förderte extreme Vorschläge, die bis zur Selbstentäußerung reichten, doch focht man die Widersprüche im Streit auf weitaus entwickelteren Ebenen aus als in der Frühzeit des Investiturstreites. Jedenfalls gab es keine Voraussetzungen, um alte, von vornherein etwas brüchige Bündnisse, wie jenes zwischen dem König von Ungarn und den Vornbacher Grafen, aufrechtzuerhalten. Das Mosaik der Herrschaften der Ekberte zwischen Semmering und Piesting war allerdings durch die Besitzungen von Gefolgsleuten anderer Dynasten unterbrochen. Im nördlichen Teil dieses Gebietes dominierten Gefolgsleute der Otakare. Die Burgenforschung im Pittener Gebiet hat viele Details der Herrschaftsgeschichte dieses Raums bekannt gemacht. Die bisher in drei Bänden publizierten Untersuchungen zu einzelnen Burgen, Dörfern und ihren Herrschaften zeigen die dichte Durchdringung eines Gebietes, die von Gefolgsleuten verschiedener Zweige der Grafen von Vornbach getragen wurde.76 Allerdings ist das Übergewicht der »Ekberte« deutlich ausgeprägt. Die außerhalb Pittens liegenden Besitzungen dieser ritterlichen Kämpfer und Organisatoren weisen auf den Raum an der Traisen (mit Einschluss von Radlberg), aber auch nach Bayern an den Inn, in das Kerngebiet Vornbacher Herrschaft. Als Beispiel seien die Edelfreien von Flatz herausgegriffen. Neben ihrem Besitz im Neunkirchner/Ternitzer Gebiet waren sie in Obritzberg begütert. Dort am Osthang des Dunkelsteinerwaldes verfügten auch andere Vornbacher Gefolgsleute über Besitz  : So waren im Süden die Herren von Karlstetten begütert. Sigehard von Flatz nannte sich auch nach Krummnussbaum und zwischen ihm und Liutgard, der Tochter des Göttweiger Vogtes Ulrich bestanden enge Beziehungen- sie hatte sogar in Flatz selbst Besitzungen.77 Die Besitzstreuung dieser Familien zeigt, dass sie ursprünglich, wie die Vornbacher selbst, nicht zum Adel der karantanischen (steirischen) Mark gehörten. Erst um 1120 sind einige von ihnen als Teilnehmer an den steirischen Landtagen nachzuweisen. Mit dieser Veränderung hängt die Entstehung der Grenze an der Piesting zwischen den beiden Marken zusammen.78 Wir begegnen der interessanten Tatsache, dass sich Grenzräume und -linien (Flüsse  !) nun auch innerhalb des Reichsgebietes ausbilden konnten. Die Schwerpunkte der Mark Ostarrîchi und der karantanischen Mark lagen um das Jahr 1000 noch weit voneinander entfernt, wie die frühen Erwähnungen nahelegen. Mit der Ausdehnung der Markengebiete rückten sie nicht nur gegenüber Ungarn vorwärts, sondern gerieten auch in immer engere »Tuchfühlung« zum markgräflichen Nachbarn. Lässt sich eine Chronologie der Entwicklung nachweisen  ? Lechner beschrieb den Vorgang als ein Vorschieben der Grenze Karantaniens bzw. der karantanischen Mark bis zu Piesting und datierte ihn auf

76 Wehrbauten unter dem Wienerwald 3 Bände. 77 Weltin, Wehrbauten und Adelssitze 3, 36. 78 Weltin, Wehrbauten und Adelssitze 3, 37.

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das Ende des 10. und den Beginn des 11. Jahrhunderts.79 Das entspricht durchaus den Ergebnissen der jüngsten Burgenforschung. Kaiser Heinrich  II. schenkte am 23.  April 1020 dem Salzburger Erzbischof Hartwig sechs Königshufen am Ursprung eines Flusses Viscaha, also an der Fischa oder der Fischach. Die Lokalisierung ist umstritten  – es könnte sich um das Quellgebiet der niederösterreichischen Fischa handeln oder aber um den Austritt der Fischach aus dem Wallersee bei Seekirchen.80 Ich folge den Argumenten von Heinz Dopsch und bevorzuge die Salzburger Lokalisierung, womit dieser Beleg für die Pittener Entwicklung ausscheidet.81 Einen guten Monat später schenkte der Kaiser fünf Königshufen zwischen den Flüssen Piesting und Triesting an das bayerische Kloster Tegernsee. Das Gebiet lag in der Mark des Markgrafen Adalbert.82 Hier lagen auch die 50  Königshufen, die Adalbert selbst am 10. Juni 1035 erhielt.83 Die Piesting diente in beiden Fällen zur Kennzeichnung der Südgrenze des Gebietes, in dem die Hufen lagen. Ob hier zu dieser Zeit schon eine Abgrenzung zur karantanischen Mark bestand, lässt sich aus diesen Formulierungen nicht schließen. Ebenfalls für Pitten unbrauchbar erwies sich die topographische Zuordnung der Ungarnkämpfe des Lambacher Markgrafen Gottfried im Jahre 1042, die von der Forschung heute mit Berufung auf die ungarische Compositio in das Gebiet von Pettau verlegt werden.84 Trotzdem ist es recht wahrscheinlich, dass zur Zeit der Herrschaft der WelsLambacher die karantanische Mark weiter nach Norden in das Pittener Gebiet vorgeschoben wurde. Wie erwähnt, heißt es 1056 vom Gebiet um Schwarzau, dass es in der karantanischen Mark lag. Von Norden her kamen aber die erwähnten SchwarzenburgNöstacher, die in Haderswörth/Lanzenkirchen Besitz hatten. 1058, also zu einer Zeit, als in Ostarrîchi Markgraf Ernst am Ruder war und in der karantanischen Mark Otakar I., der zwei Jahre vorher erstmals als Markgraf nachzuweisen ist, erhielt der bayerische Pfalzgraf Kuno Königsgut am Fluss Schwarza.85 Der Pittener Raum und die direkt nördlich anschließenden Gebiete wie das Steinfeld gerieten seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert unter die Herrschaft von Gefolgsleuten der Vornbacher/Ekberte und der karantanischen Markgrafen. Nachdem sich bereits früh 79 Lechner, Die salzburgisch-passauische Diözesanregulierung, 63. 80 MGH D Heinrich II. 537 Nr. 423  ; Weltin, Das Pittener Gebiet im Mittelalter, 22. Wichtig für die ältere Diskussion der Literatur SUB II 125 Nr. 71. 81 1300 Jahre Seekirchen, 120 ff. Auch die Herausgeber des Niederösterreichischen Urkundenbuches haben die Urkunde nicht in die Sammlung aufgenommen. 82 NÖUB 1, 240 ff., 20e = MGH D Heinrich II. 552f. Nr. 431. 83 NÖUB 1, 254 ff., Nr. 21a = MGH D Konrad II. 301f. Nr. 221. 84 NÖUB 1, 383. 85 NÖUB 1, 376, Nr. 30  : Das Gebiet an der Schwarza lag in marcha Karentana et in comitatu Otachres marchionis. Zu den Schwarzenburg-Nöstachern, 382.

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im Norden die Piesting als Grenzfluss abgezeichnet hatte, bedeutete die Erbauung der Burg Starhemberg durch Markgraf Otakar III. zwischen 1140 und 1145 die Markierung einer Grenze, die dem Flusslauf der Piesting folgte.86 Allerdings liegt in der Durchdringung des Gebietes südlich der Piesting mit Burg- und Adelsherrschaften, die von Familien mit karantanischen und »österreichischen« Traditionen getragen wurden, eine der Ursachen, dass Ostarrîchi und die entstehende »Steiermark« nur wenig später den Grundstein zu einem Zusammenwachsen der beiden Marken im Osten zu einem mächtigeren Herrschaftsraum legten. Dieser von österreichisch-babenbergischer Seite meist als »Erwerbung der Steiermark« beschriebene Vorgang ist noch ausführlich zu erörtern. Zunächst wollen wir aber den Faden wieder bei den Regensburger Pfingstfeierlichkeiten des Jahres 1078 aufnehmen. Leopolds beleidigtes Verlassen der Regensburger Feierlichkeiten erklärte sich, wie bereits angedeutet, vermutlich mit dem brutalen Vorgehen des Königs gegen die Vornbacher zum Jahreswechsel 1077/78. Einige ergänzende Bemerkungen seien dazu gestattet. Im Bericht der Reichersberger Annalen zu diesem Jahr ist von einer achtmonatigen Belagerung der Neuburg am Inn die Rede.87 Dies deckt sich mit der ausführlichen Erzählung in der Chronik Bertholds von Reichenau, dass Heinrich IV. im Winter 1077/78 zusammen mit böhmischen Kriegstruppen drei Burgen des Grafen Eckbert belagerte.88 Der König erzwang schließlich ihre Übergabe. Von der Neuburg heißt es, dass sie zerstört wurde. Zu Beginn des Jahres 1078 berichtet Berthold, dass Heinrich IV. noch mit der Belagerung einer Burg beschäftigt war, die nur für die Feier des Weihnachtsfestes in Regensburg unterbrochen worden war. Es handelte sich dabei wohl um die Neuburg. Recht tendenziös heißt es im Folgenden, dass der König in diesen Tagen ziellos bis zur Fastenzeit im östlichen Baiern umherirrte. Berthold bezeichnet die Gegend in illis Norici sinus orientalis partibus.89 Zu 1079 gibt es die schon erwähnte parallele Stelle, in welcher dieselben geographischen Begriffe benutzt werden. Hier wurde der sinus Noricus als norische Tiefebene übersetzt, womit die Mark der Babenberger gemeint sein soll.90 Wenn diese Übersetzung stichhaltig ist, böte diese topographische Festlegung der königlichen Aktionen einen Hinweis, warum sich das Klima zwischen Heinrich und Leopold verschlechterte. Allerdings läge der Umkreis des Umherirrens König Heinrichs bis in den Raum Enns/Ybbs und vielleicht darüber hinaus ziemlich weit im Osten. Und das würde bedeuten, dass die Leute des Königs nicht irrtümlich im sinus Noricus Schaden angerichtet hatten, sondern eine bewusste Unternehmung gegen die Mark führten. Unabhängig von der Frage, wie sich der Konflikt zwischen Heinrich und Leopold konkret entwickelt hatte, können wir davon ausgehen, dass die Wahl Rudolfs von 86 Schedl, Starhemberg ###. 87 Annales Reicherspergenses, 347, recte 447, zu 1078, rechte Spalte. 88 Die Chronik Bertholds von Reichenau, 301 f. 89 Die Chronik Bertholds von Reichenau, 313. 90 Die Chronik Bertholds von Reichenau, 358.

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Rheinfelden zum König im März 1077 am Beginn einer aktualisierten Formierung der Mächte stand. Die Nachrichten über die Parteienbildung sind naturgemäß von eigenen Interessen gefärbt und dies gilt auch für die Informationen, die Bayern betreffen. Rudolfs Anhänger Berthold von Reichenau schätzt die Situation in Bayern eigentümlich ein  : »Und außer dem Erzbischof von Salzburg und einem gewissen Grafen Eckbert gab es fast keinen Bayern, der es nicht nach seinem Willen mit ihm (König Heinrich) gehalten und übereingestimmt hätte.«91 Rudolfs Lage sollte in dieser Passage möglichst schwierig dargestellt werden. Der sonst meist sehr kritische Hubertus Seibert übernimmt diese Einschätzung, obwohl die Haltung Welfs IV. selbst, Bischof Altmanns von Passau und der beiden von Berthold genannten Fürsten doch ein gewisses Potential auch auf Seiten Rudolfs erkennen lässt.92 Wir haben gesehen, dass es nicht lange dauerte, ehe sich mit Leopold  II. ein weiterer Mächtiger in Bayern zu den Parteigängern Rudolfs gesellte. 1079 kam es dann zur geschilderten Unterwerfung Leopolds  II. Was Leopold in der zweiten Jahreshälfte 1079 und 1080 verhandelte, vorbereitete und sonst politisch trieb, ist unbekannt. Erst nach dem 15./16. Oktober 1080, als Rudolf von Rheinfelden in der Schlacht von Hohenmölsen den Tod fand, knüpfte der Markgraf bei der sich nächst bietenden Gelegenheit an seine frühere Haltung gegenüber Heinrich IV. an. Heinrich ging Ende März/Anfang April 1081 nach Italien und Leopold verkündete im Frühjahr oder Frühsommer 1081, dass er Heinrich die Gefolgschaft aufsage.93 Die Rolle Bischof Altmanns von Passau dabei ist nicht völlig klar.94 Er soll Anfang 1081 nach Passau zurückgekehrt sein, fand dort aber keine Möglichkeit, seine Funktion als Bischof auszuüben, und begab sich deshalb zu Leopold in die Mark.95 In Melk notierte man, dass Bischof Altmann und der Markgraf gemeinsam mit anderen Fürsten eine Schwurgemeinschaft gegen den König bildeten.96 Ausführlicher der Autor der Vita Altmanni, der berichtet, dass Leopold II. auf einer Versammlung des Adels der Mark dem König mit einem Eid die Herrschaftsrechte verweigerte. Daran anschließend heißt es, dass er Bischof Altmann mit Lobgesängen preisen ließ.97 91 Die Chronik Bertholds von Reichenau, 290  : Et ferme nullus de Pagoariis erat preter archiepiscopum Iuvavensem er comitem quendam Eggibertum, quin iuxta voluntatem illius ipsi assisteret et consentiret. Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 3, 40. 92 Seibert, Vom königlichen dux, 219 f. 93 Vita Altmanni cap. 25, 236  ; ausführlich und kritisch Brunner, Herzogtümer und Marken, 325  ; Lechner, Babenberger, 112. 94 Pohl, Die Welt der Babenberger, 116 (»angeblich unter dem Einfluss Altmanns«). 95 So Lechner, Babenberger, 110, ohne Belege. 96 Annales Mellicenses Jahre 1081, 500, rechte Spalte  : Altmannus antistes marchioque Lupoldus aliique principes iurabant contra regem Heinricum. 97 Vita Altmanni cap. 25, 236  : Interea marchio Liupaldus coadunatis primoribus sui regiminins in villa, quae Tulana dicitur, dominium Heinrici tyranni iureiurando abnegat, Altmannum praesulem magnis laudibus praedicat […].

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Markgraf Leopold II. trat durch seinen Abfall von Heinrich IV. mit allen Konsequenzen in die Reihe der oppositionellen Fürsten. Wie schon erwähnt, wird in der Forschung nachdrücklich auf jene Stelle der Lebensbeschreibung Bischof Altmanns hingewiesen, in der es heißt, dass Leopold die Anhänger Heinrichs aus der Mark vertrieb und die Anhänger des Papstes mit Waffengewalt unterstützte.98 Dies war nicht nur leeres Gerede eines Jahrzehnte später schreibenden Göttweiger Mönchs, sondern entsprach Leopolds Handeln nach der Absage. Von den möglichen Folgen dieser Entscheidung für die Vornbacher Grafen Ekbert und Ulrich war bereits die Rede. Die weiteren Ereignisse fügen sich in diese Entwicklung recht gut ein. Am 6. August 1081 wählten oppositionelle Fürsten in Ochsenfurt, einige Kilometer Main aufwärts von Würzburg, den Luxemburger Hermann von Salm zum König. Die Melker Annalen berichten über dieses Ereignis ohne Polemik gegen Hermann.99 Dies ist gegenüber einer Reihe anderer Berichte deutlich herauszustreichen. Den Eindruck einer großen Fürstenversammlung versucht natürlich Bernold von Konstanz zu vermitteln, die Augsburger Annalen erwähnen die Mitwirkung Welfs IV. in Ochsenfurt.100 Der neue König war mit einer Sophia verheiratet. Dies ist seit 1877 bekannt, als Wilhelm Giesebrecht auf eine von ihr durchgeführte Schenkung an Göttweig aufmerksam gemacht hat.101 Als Witwe schenkte sie nach 1088 dem Stift Göttweig ein Gut »Meginoldsdorf«, das Adalbert Fuchs am Traunfeld bei Linz zu finden glaubte.102 Dieser nicht leicht zu erklärende Kontakt mit Göttweig veranlasste Witte dazu, sie für eine Vornbacherin zu halten, und zwar für die Schwester der Grafen Ulrich und Hermann.103 Wenn sich das tatsächlich so verhält, gehörte Sophie der Göttweiger Vogtfamilie an. Nach dem Tod des Gegenkönigs Hermann 1088 schenkte sie ein Gut, das jenes des Meginold  98 Im Zusammenhang mit der Parteinahme Ungarns und der Otakare  : Kupfer, Krongut, Grafschaft und Herrschaftsbildung, 150 f.  99 Annales Mellicenses, 500, linke Spalte  : Hermannus rex constituitur. Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 3, 417, mit Anm. 126. 100 Die Chronik Bernolds von Konstanz, 427  : Eodem tempore (1081) principes regni Teutonicorum, scilicet archiepscopi, episcopi, duces, marchiones et comites, conventu facto, Heremannum nobilem virum sibi in regem elegerunt. Anm. 183 spricht der Herausgeber von einer Übertreibung des Autors. Annales Augustani, 130, zu 1081  : Interim vero rege absente (Heinrich IV. in Italien) dux Welf aliique regis adversarii Herimannunum quendam regem sibi fecerunt. 101 Wilhelm Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit III/2, 1179. Dazu Hlawitschka, Die Verwandtenehe, 21, mit Anm. 13. 102 FRA II/69 399 Nr. 259. 103 Witte, Genealogische Untersuchungen, 446 f., Anm.  3. Im Zuge seiner Wissenschaftsgeschichte bezüglich des Problems »Sophie« kommt Hlawitschka, Die Verwandtenehe, 31 f., auf den Versuch Emil Kimpens zu sprechen, Sophie mit Tuta, der Gründerin von Suben, zu identifizieren, die als regina bezeichnet wurde. Tuta bekam ihren königlichen Titel aber als Gattin des ungarischen Königs Bélas I. Hlawitschka bleibt dieser Erkenntnis gegenüber allzu skeptisch. Zu diesem Problem zuletzt Lohrmann, Geschichte und Bedeutung, 311 ff., und oben 172 ff.

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genannt wurde, dem Stift Göttweig  ; dabei fungierte ihr Sohn Otto als Zeuge.104 Die Zurechnung Sophies zur Göttweiger Vogtfamilie bekommt eben durch ihren Namen Sophie eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Die Bezeichnung predium Meginoldi deutet auf einen Manegold/Megingold als Besitzer. Am Ende des 13. Jahrhunderts ist ein Mengotus de Retelperge in einer Göttweiger Urkunde als Zeuge genannt.105 Ein Megingold/Manegold könnte schon im Gefolge Ulrichs von Radlberg oder dessen Vaters Meginhard gewesen sein. Dieser »erschlossene« vornbachische Gefolgsmann Megingold könnte der Besitzer dieses Gutes gewesen sein. Wenn Sophie ein Gut schenkte, dessen Name auf eine Benennung nach einem Vornbacher Gefolgsmann schließen lässt, wäre dies ein Hinweis auf ihre Zugehörigkeit zur Göttweiger Vogtfamilie. Sophies Mutter Mathilde, die Gattin des Vornbachers Meginhards V. († 1066) stammte aus dem Geschlecht der Grafen von Reinhausen  ; in dieser Familie ist der Name Sophie nachweisbar  : Mathildes Schwester Beatrix hatte eine Tochter namens Sophie.106 Die »Vornbach-Radlbergerin« Sophie stellte eine Verbindung zwischen Leopold und dem neuen Gegenkönig her oder bekräftigte bereits vorhandene Kontakte. Eine weitere Verbindung könnte über den Donauwörther Manegold hergestellt werden, der als Gregorianer aus seiner schwäbischen Heimat in die Mark flüchtete.107 Die Ereignisse des folgenden August zeigen, in welch hohem Maße Leopold II. mit den Gegnern Heinrichs IV. zusammenarbeitete. Unmittelbar nach der Wahl Hermanns von Salm zum König in Ochsenfurt oberhalb Würzburgs am Main, kam es bei der Ortschaft Höchstädt am 11.  August 1081 zu einer Schlacht zwischen Anhängern Heinrichs IV. und Hermanns Gefolge.108 Unter der Führung des Herzogs von Schwaben, des Staufers Friedrich  I. und des Pfalzgrafen Kuno hatten Heinrichs Parteigänger einige feste Plätze in Bayern und Donauwörth erobert.109 Manegold, ein Gegner des Saliers aus einer bedeutenden adeligen Familie, die sich nach Donauwörth nannte, ist seit die-

104 FRA II/69, 399 Nr. 259. Wichtig Witte, Genealogische Untersuchungen, 446 f., Anm.  3, und Hlawitschka, Die Verwandtenehe, 34 ff. Nach Otto, der auch die Investitur vornahm, ist als Zeuge ein Wichpoto genannt. Kurz zuvor war dessen Frau in Göttweig begraben worden und er übergab dem Kloster ein Gut im Machland. FRA II/69 400 Nr. 260. Der Name Otto begegnet im Umfeld weitschichtiger Verwandtschaft Hermanns von Salm. Sein Vetter Heinrich II., der erste Pfalzgraf bei Rhein, war mit Adelheid, der Tochter Ottos I. von Weimar, verheiratet. Fuchs, Allgemeine Deutsche Biographie, 8. 105 FRA II/51 168 Nr. 164 vom 18. Februar 1281. 106 Hlawitschka, Die Verwandtenehe, 35 f. Für die Stellung der Beatrix wichtig Anm. 74. Unter seinen manchmal etwas weit hergeholten Argumenten scheint mir dieses zutreffend. Zu Sophia, einer Tochter der Beatrix, ebda., 37, mit Anm. 76. 107 Vgl. zu ihm unten 221 f 108 Chronik des Klosters Petershausen, 116, cap. 40. Inde cum abirent [die Anhänger Heinrichs IV.], ecce Herimannus rex cum exercitu Suevorum supervenit, eosque in loco qui vocatur Hôste comprehendit. Die Wahl Hermanns hatte am 6. August stattgefunden. 109 Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 3, 420.

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ser Zeit in der Mark der Babenberger nachweisbar.110 Hermann siegte in der Schlacht von Höchstätt und zog hierauf weiter nach Augsburg, das er belagerte. Der Augsburger Annalist, ganz auf Heinrichs Seite, nannte unter den Belagerern, den »Begünstigern der Schlechtigkeit«, auch den Markgrafen Leopold.111 Die Belagerung endete mit einem Vertrag, der nach Ansicht der Augsburger betrügerisch war. Die dicht ineinandergreifende Abfolge der Ereignisse lässt sogar darauf schließen, dass Leopold II. an der Wahl Hermanns teilgenommen hatte.112 Diese Handlungsweise verbindet sich auch logisch mit der Tullner Absage an Heinrich IV. An den geschilderten Auseinandersetzungen interessant ist die Tatsache, dass die Leute Herzog Friedrichs und Pfalzgraf Kunos auch Plätze in Bayern eroberten. Offenbar nahm die Zahl der bayerischen Burg- und Grundherren zu, die sich gegen Heinrich stellten. Leopold II. gehörte offenbar einem wachsenden Netzwerk von Gegnern des Saliers an. Dieses Netzwerk soll allerdings 1084 nach der Rückkehr Heinrichs IV. aus Italien eine militärische Niederlage erlitten haben, die zur Unterwerfung Leopolds II. geführt habe.113 In den Iburger Annalen ist Leopold  II. als einziger der Gegner Heinrichs  IV. namentlich genannt.114 Wir dürfen also eine führende Stellung Leopolds unter den oppositionellen Fürsten vermuten. Für die Zeit bis zu seinem Tod 1095 liegen keine weiteren Nachrichten vor. Die Art seiner Mitwirkung an der Berufung von Benediktinern nach Melk im Jahr 1089 beträfe zwar ein einschneidendes Ereignis mit interessantem Hintergrund, doch erfahren wir nur recht allgemein von Schenkungen der Vorfahren Leopolds III. an Melk.115 Zur Berufung der Mönche gibt es nur den lakonischen und nichtssagenden Bericht der »Kurzgefassten Melker Chronik«.116 Mächtig und reich muss er gewesen sein, denn so wird er von Bernold von St. Blasien bei seinem Tod 1095 charakterisiert.117 Auffällig ist die Titulatur des Markgrafen, der als marchio des östlichen Reiches bezeichnet wurde. Altmann wurde 1085 als Bischof von Passau abgesetzt. Erwin Kupfer hielt die bemerkenswerte Tatsache fest, dass nach dem Jahre 1078 das königliche Urkundenwesen für 110 Lohrmann, Herrschaftsverhältnisse, 171. 111 Annales Augustensis, 130, zu 1081  : marchio Liupaldus et alii nequitiae eorum fautores. Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 3, 421, mit Anm. 129  ; Dienst, Werden und Entwicklung, 91. 112 Schmidt, Die Wahl Hermanns von Salm, 483, ist in diesem Punkt unklar. Jedoch schickte der gerade gewählte König Hermann sofort (statim) ein Heer gegen die Anhänger Heinrichs IV. Dieses Heer siegte bei Höchstädt und zog zur Belagerung von Ausgsburg weiter, an der auch Leopold II. teilnahm. 113 Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 3, 576, mit Anm. 63. Kritisch dazu Brunner, Herzogtümer und Marken, 326. Lechner, Babenberger, 113 und 327, Anm. 22 mit Quellenangaben. 114 Annales Yburgenses, 438  : Nachdem der Kaiser nach Deutschland zurückgekehrt war, heißt es […] et mox expeditionem movit contra Liuppoldum marchionem Baioariae et alios, qui ab eo defecerant. 115 Lohrmann, Vornbacher und Babenberger, 357 und 374. 116 BUB IV/1 Nr. 587. 117 BUB IV/1 Nr. 588  ; Brunner, Leopold III., 32 Die Chronik Bernolds von Konstanz, 525  : Liutolfus (sic) ditissimus marchio de orientali regno, in causa sancti Petri fidelissimus contra scismaticos, diem clausit extremum.

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mehr als 25 Jahre in Niederösterreich nicht mehr präsent war.118 Schon diese allgemeine Feststellung nährt den Verdacht, dass Leopold  II. auch nach 1084 in einer gewissen Distanz zu Heinrich  IV. verharrte. Der entschiedene Vertreter der päpstlichen Sache, Bernold von Konstanz, bezeichnet Leopold  II. anlässlich seines Todes 1095 als einen der treuesten Streiter für die Sache des heiligen Petrus gegen die Schismatiker.119 Für diese Parteinahme Leopolds, auch in seinen späteren Jahren, spricht auch die Schenkung Sophies an Göttweig nach 1088. Zumindest zum Zeitpunkt der Schenkung hielt sie sich mit ihrem Sohn Otto in der Mark auf. Allein diese Tatsache bedeutet wohl, dass Leopold II. nichts gegen die Witwe des verstorbenen Gegenkönigs unternahm. Es wäre aber möglich, dass die Schenkung schon in die Zeit Leopolds III. fällt.120 Hlawitschka stellte in hypothetischer Verfolgung von Klebels Gedankengängen zur Diskussion, ob nicht auch eine zweite Sophie aus dem Kreis der Grafen von Reinhausen in die Mark gekommen war, um hier im Verein mit den ihr verschwägerten Vornbachern zugunsten Göttweigs tätig zu sein.121 Die geschilderten Ereignisse, besonders seit der Absage Leopolds II. von 1081, deutete, wie schon erwähnt, Max Weltin als Hinweis auf die Entstehung einer Opposition gegen Heinrich  IV. im äußersten Südosten des Reiches. Die Verbindungen zu König Ladislaus von Ungarn wurden bereits besprochen. Die Eheschließung zwischen Elisabeth, einer Tochter Leopolds II., und dem steirischen Markgrafen Otakar II. betrachtete Kupfer als möglichen Baustein beim Aufbau dieser Opposition.122 Aus chronologischen Gründen ist ein solcher Zusammenhang aber auszuschließen. Die Übereinstimmung zwischen Leopold II. und seinem Schwiegersohn, die auch später auf Leopold III., den Bruder Elisabeths, zutrifft, ist in einem länger wirksamen Zeitraum zu betrachten. Doch auch dieser Gegenstand unserer Neugier verbirgt sich im Schweigen der Quellen. Besonders gegen Ende seines Lebens hielt sich Otakar  II. (†  1122) häufig in der Nähe Leopolds III. bzw. in der Mark der Babenberger auf. Wie schon erläutert, übernahm Otakar II., der Markgraf von Steier, 1086 oder kurz danach die Herrschaft in der karantanischen Mark. Er trat für die päpstliche Sache ein und unterstützte vor allem Erzbischof Gebhard von Salzburg und seinen gregorianisch gesinnten Nachfolger Tiemo. Das Gebiet um Steyr wurde vor allem wegen des 1107 umgegründeten Kanonikerstiftes Garsten zu einer Kontaktzone von Leopold III. und seinem Schwager Otakar. Garsten wurde zu einem Benediktinerkloster, das in den Anfangszeiten Göttweig unterstellt war. Hier wird die Nachbarschaft der Markgrafen von

118 Erwin Kupfer, Königsgut, 157  ; ders.: Krongut, 149. 119 Wie Anm. 117  ; Lechner, Babenberger, 117, ohne weitere Schlussfolgerungen. 120 Die Schenkung wird von Fuchs auf 1088–1106 datiert. FRA II/69, 398 Datierung zu Nr. 259. 121 Hlawitschka, Die Verwandtenehe, 50. Ernst Klebel, Eichstätt und Herrieden im Osten, 334 f. 122 Kupfer, Krongut, Grafschaft und Herrschaftsbildung, 150.

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Heinrich IV., Leopold II. und der Südosten

Steier mit den Babenbergern zunächst im Raum der Styraburg und Garstens konkret greifbar. Otakar  II. hatte im Zuge der Auseinandersetzung zwischen König und Papst mit seinem Bruder und Vorgänger Adalbero gewaltsame Begegnungen. In der Mark seines Schwiegervaters ist er durch die Göttweiger Aufzeichnungen in den Schenkungsbüchern nachweisbar. In den achtziger Jahren des 11.  Jahrhunderts war er Zeuge einer Schenkung, die im Zuge der Beilegung des bekannten Streits zwischen Walchun von Perg und Bischof Altmann um das Gut Rottersdorf etwas später an Göttweig gelangte. Es könnte sich dabei um eine Hufe im Raum St.  Pölten gehandelt haben.123 Otakar marchio war der erste Zeuge und es liegt nahe, sein Auftreten mit seinen Besitzungen im südlichen Niederösterreich in Verbindung zu bringen. Soweit die Quellen ein Bild vom Zusammenwirken beider Dynasten erkennen lassen, hielt sich Otakar II. auch später öfter im Umkreis seines Schwagers Leopolds III. auf und nahm als Zeuge, vielleicht auch als Berater an besitzrechtlichen Entscheidungen teil. Als alter Mann war er bei jenem bekannten Prozess zugegen, als 1122 in Gars/ Kamp Verhandlungen über die ehemaligen Güter des im Raum von Kottes mächtigen Waldo geführt wurden.124 Wie die Schwäger 25 Jahre zuvor zusammenwirkten, wissen wir nicht. Von Konflikten oder gar gemeinsamen militärischen Aktionen mit und gegen Heinrich IV. erfahren wir nichts. Die Anwesenheit Otakars II. 1094 in Vornbach, als Ekbert I. eine größere Schenkung an das neu organisierte Kloster am Inn machte, ist so zu erklären, dass ein Teil der geschenkten Güter und Pfarren im Pittener Gebiet lagen. Vielleicht waren auch die alten Verbindungen aus der »heißen Phase« des Investiturstreites von Bedeutung.

123 FRA II/69 169 Nr. 21. Von Fuchs fälschlich auf Otakar I. (III.) bezogen. Zur Zählung der Markgrafen von Steier Dopsch, Die steirischen Otakare, 107 ff. 124 Lohrmann, Herrschaftsverhältnisse, 113.

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Das Verhältnis zu Böhmen

Die berühmte Schlacht bei Mailberg am 12.  Mai 1082 war der dramatische Höhepunkt der Parteinahme Markgraf Leopolds II. gegen König Heinrich IV. Die Rolle des böhmischen Herzogs Vratislav  II. als Vollstrecker von Leopolds Absetzung zeigt den böhmischen Fürsten als Parteigänger Heinrichs  IV. Doch unter diesem Aspekt allein ist die Frage nach dem Verhältnis der Mächte zu beiden Seiten der Thaya nur unzureichend zu beantworten. Die beiden wichtigsten Berichte zu den Ereignissen und ihrer Vorgeschichte – die Lebensgeschichte Altmanns von Passau und die Chronik des Prager Domdekans Cosmas – weichen bei der Darstellung der Ursachen des Feldzugs gegen Leopold deutlich voneinander ab. Der Göttweiger Autor der Bischofsvita erklärt den Konflikt aus dem Fortschreiten der Auseinandersetzung zwischen Papst und König und den sich daraus ergebenden Parteiungen, Cosmas hingegen spricht von Irritationen an der Thayagrenze. Der Prager Chronist sah in den Grenzverhältnissen aber keinen aus länger wirksamen Strukturen abzuleitenden Konflikt. Den Ausbruch des Konflikts kommentiert er etwas erstaunt, indem er auf die bisherige Freundschaft Leopolds II. und des Diarchen von Mähren Konrad, einem der beiden mährischen Fürsten, verweist. Cosmas bezeichnete Konrad als Diarchen, da er zusammen mit seinem Bruder Otto die Herrschaft in Mähren ausübte.1 Es ist aber durchaus wahrscheinlich, dass in früheren Jahrzehnten das Verhältnis zwischen den Böhmen und dem Kriegeradel in der Mark weniger freundlich war. Zunächst ist es eine vielleicht überraschende Beobachtung, dass Cosmas von Prag vor dem Konflikt von 1082 die Babenberger mit keinem Wort erwähnt. Erst dann berichtet er, dass Markgraf Ernst, den er mit dem Namen Lucz bezeichnet, der Vater Leopolds II. war.2 Diese seltsame Bezeichnung des Markgrafen Ernst als Lucz (Lutz) könnte »berühmter Krieger« bedeuten, was vielleicht mit dem Ruf des Ernst als Sieger über die Ungarn zusammenhängen könnte. Kriegerische Begegnungen im böhmisch/mährischen und ostbayerischen Grenzraum gab es ja, wie erwähnt, schon früher, als nämlich im Jahre 1041 Leopold, dem Sohn des Markgrafen Adalbert, die Rückeroberung einer Burg im Grenzbereich der böhmischen und bayerischen Mark gelang.3 Der einschlägige Bericht stammt aus Niederaltaich, bei Cosmas sucht man eine Erwähnung dieses Ereignisses vergeblich. Als sich bald danach, noch 1041 Fürst Břetislav I. dem König Heinrich III. unterwarf, gab es zunächst einmal keinen Anlass für feindliche Begegnungen der bisherigen Kontrahenten. Man arbeitete 1 Cosmae Chronica Lib. II cap. 35, 131, […] inter Lupoldum et Conradum diarcham Moravie […]. 2 Cosmas, Chronica Lib. II cap. 35, 131, […] contra orientalem marchionem Lupoldum filium Lucz. 3 Siehe oben ### und Annales Altahenses maiores, 28.

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Das Verhältnis zu Böhmen

im großpolitischen Zusammenhang fränkischer Tradition bei den Eingriffen in Ungarn zusammen. Cosmas berichtet im Folgenden über die topographischen Verhältnisse im Grenzbereich zwischen Mähren und Ostarrîchi. Die Thaya floss durch ebenes Land, war ein schmaler Fluss und bildete daher kaum ein Hindernis beim Überschreiten dieser Grenze, d. h. beim Erreichen des gegenüberliegenden Ufers. Daher gingen in der Nacht Bösewichte aus beiden Völkern über den Fluss, raubten Vieh und verwüsteten Siedlungen (villas vastantes). Cosmas schob keineswegs nur jenen Leuten die Schuld an den unruhigen Verhältnissen zu, die aus Ostarrîchi in Mähren Schaden anrichteten  : Auch die böhmischen Bösewichte hausten ähnlich unerquicklich südlich der Thaya.4 Die Herrscher hätten nach Cosmas allerdings unzureichend reagiert und den schädlichen Zündstoff nicht ersticken wollen. Konrad schickte wiederholt Gesandte an Leopold II., um den Streit beizulegen. Dieser aber reagierte laut Cosmas mit »aufgeblasenem« Hochmut. Wenn wir auch an dieser Stelle eine tendenziöse Berichterstattung des Cosmas vermuten dürfen, ist es trotzdem durchaus möglich, dass Leopold tatsächlich so reagierte. Mit den Anhängern König Heinrichs war er im Jahr zuvor auch nicht gerade zimperlich umgesprungen. Cosmas wird ja seine Geschichten über die Deutschen in der Chronik nicht nur finsteren Vorurteilen verdankt haben. Trotzdem wird in den wohl von Cosmas erfundenen Reden böhmischer Adeliger ihre misstrauische Haltung gegen die anderswo Geborenen deutlich greifbar. So fragte ein Graf Koyata, der sich 1068 gegen die Erhebung eines Sachsen zum Prager Bischof aussprach, den Herzog Vratislav  : »Meinst du, dass uns ein Ausländer mehr liebt und es mit diesem Lande besser meint als ein Eingeborener  ?« Und dann kommt die angeblich nicht abweisbare Schlussfolgerung  : »Liegt es doch in der Natur des Menschen, dass ein Jeder, er sei, woher er wolle, nicht nur sein Volk lieber hat als ein fremdes, sondern auch, wenn er könnte, auswärtige Flüsse in sein Vaterland leiten würde.«5 Hier wird von einem Zeitgenossen das Nebeneinander verschiedener Bindungen missachtet und einzig dem Angehörigen des eigenen Volkes vertraut. Selbst die Entstehung von Völkern und ihres Wir-Bewusstseins ist auf diese Weise nur zu einem Teil erklärbar. Cosmas selbst vergisst in solchen Passagen, dass er selbst an anderen Stellen mit Recht auf die entscheidenden Eingriffe des Kaisertums und damit auf die Zugehörigkeit Böhmens zur westlich-fränkischen Welt hinweist. Über Peter, den Sohn eines zum Christentum übergetretenen Juden Podiva, der ein gelehrter Geistlicher war, berichtet er, dass dieser Deutsch und Latein konnte.6 »Multikultureller« geht es wohl nicht mehr  ! 4 Dahingegehend ist Auer, Schlacht bei Mailberg, 4, zu berichtigen, wenn er meint, in dem Bericht die Tendenz der böhmischen Chronisten zu erkennen, der Gegenseite die Schuld zuzuschanzen. 5 Cosmae Chronica Lib. II cap. 23, 116  : An putas, quod alienigena plus nos diligat et melius huic terre cupiat quam indigena  ? Humana qippe sic est natura, ut unusquisque quacumque sit terrarum, plus suam quam alienam non solum diligat gentem, verum etiam si quiret, peregrina flumina in patriam verteret. 6 Cosmae Chronica Lib. II cap. 29, 123.

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Jedenfalls reichten Konrad die Übergriffe an der Thaya und er wandte sich an seinen Bruder Vratislav und bat ihn um Hilfe gegen den Übermut der Deutschen. Hier wird nun tatsächlich böhmisches Wir-Gefühl fassbar, das sich gegenüber der superbia Teutonicorum herauskristallisierte. Diese Gefühle gegen die Teutonici hinderten aber nicht daran, dass bekanntlich nach Cosmas Freundschaft zwischen Konrad und Leopold II. bestand. Auch der nun um Hilfe angerufene Vratislav hatte zur Zeit, als Altmann begann, auf dem Göttweiger Berg eine Kirche zu errichten, eine »Tafel von wertvoller Ziselierarbeit, auf welcher das Bildnis der heiligen Mutter Gottes in griechischem Stil dargestellt war«, geschickt.7 Vratislav war dieser Hochmut der Deutschen unter den drängenden Umständen offenbar gleichgültig, denn er wandte sich an den Regensburger Bischof Otto um Hilfe, der sein Amt seit 1061 ausübte und ein geeichter Parteigänger Heinrichs IV. war.8 Der schickte professionelle Kämpfer, die sich gegen Sold für Vratislav schlugen. Bei dieser Darstellung der Ereignisse bleibt das Schweigen des Cosmas über die Rolle des Königs, der Leopold II. als Markgrafen abgesetzt und dem Böhmenherzog die Mark übertragen hatte, rätselhaft. Dass der Prager Domdekan diesen Hintergrund nicht kannte, ist auch nicht durch die Tatsache zu erklären, dass er diese Passage seiner Chronik etwa vierzig Jahre nach den Geschehnissen niederschrieb. Es besteht nur die Möglichkeit, dass Cosmas über die tatsächlichen Abläufe absichtlich schwieg oder der Verfasser der Vita Altmanni eine seiner Einschätzung nach passende Politstory übertrieben darstellte. Das Schweigen in Böhmen über die Hintergründe des Konflikts könnte man mit der Problematik des Investiturstreites in Böhmen erklären  : Entweder war dem Cosmas die Ignoranz des Königs und des Adels auf diesem Gebiet peinlich oder auch er verstand nicht, worum es in der Sache ging. Es ist immerhin auffallend, dass die prominenten Vorgänge bei Ausbruch des Kampfes zwischen König und Papst nicht erwähnt werden. Cosmas beschreibt nach einem Bericht zum Jahre 1074 übergangslos die Geschichte der Schlacht bei Mailberg im Jahre 1082. Trotz einer oft detaillierten Darstellung der Streitigkeiten zwischen Herzog Vratislav und seinem jüngsten Bruder Jaromir/Gebhard, dem Bischof von Prag, und genauer Schilderung einer Bischofswahl nach überkommenen Regeln, kommt er auf das Investiturproblem nicht zu sprechen. Cosmas ist also auch beim Streit mit dem Markgrafen an dem sich aus der Fürstenopposition oder dem Investiturstreit ergebenden Konflikt mit dem König im Hintergrund überhaupt nicht interessiert.9 Für das Desinteresse des Cosmas an den Streitfragen dieser Jahre spricht

7 Vita Altmanni cap. 29, 238, Z. 8–13. Übersetzung Fleck, Die Vita Altmanni, 129  ; zur Sache Lohrmann, Herrschaftsverhältnisse, 185, mit Anm. 544. 8 Manfred Heim, Otto von Riedenburg in  : NDB 19 (1999), 693. 9 Zum Investiturstreit und zur späten Kirchenreform in Böhmen Hoensch, Geschichte Böhmens, 70.

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Das Verhältnis zu Böhmen

auch seine Ignoranz gegenüber der Forderung nach Ehelosigkeit der Priester. Er war verheiratet und hatte einen Sohn, der später Bischof von Olmütz wurde.10 Wenn diese Beurteilung der Situation des Cosmas auch stimmen mag, besteht kein Grund, die Deutung in der Vita Altmanni als Erfindung abzutun – trotzdem ist es geraten, die Geschichte kritisch zu betrachten. In Göttweig war man nicht nur aufgrund der von Altman geprägten Traditionen an diesen einstigen Streitigkeiten, die bereits 50 Jahre zurücklagen, hochgradig interessiert. Die Verknüpfung mit den feindlichen Positionen der Auseinandersetzung zwischen Heinrich IV. und seinen Gegnern wird bei der Schilderung des Angriffs von Vratislav deutlich  : Der Herzog drang in das Gebiet Altmanns und Leopolds ein. Man könnte die eigenartige Kennzeichnung Altmanns als Gebietsherrn in der Mark damit erklären, dass sie zu seinem Bischofssprengel gehörte (noch war er ja Bischof von Passau). Kombiniert man beide Vorgeschichten der Schlacht, ergibt sich eine immer wieder als richtig erkannte Erklärung  : Ein regionaler Konflikt war in eine umfassendere Problematik eingebettet. Der Angriff der přemyslidischen Brüder im Verein mit den Regensburger Söldnern stärkte das Gefühl in Ostarrîchi, man müsste sich hinter dem Markgrafen versammeln und zusammenhalten. Das betraf nach dem Bericht des Cosmas nicht nur die ritterliche Mannschaft, sondern auch alle anderen, vom Sau- bis zum Rinderhirten, die sich mit eisernen Gegenständen bewaffnet zum Kampf bereithalten sollten.11 Der Markgraf versuchte, das gesamte Potential, das auf den Grundherrschaften vorhanden war, zu aktivieren  : Die Hirten stellten offenbar die unterste Stufe dar und sollten als Beweis dienen, dass alle ohne Ausnahme zum Kampf aufgeboten wurden. Offenbar war das Heer der Böhmen geordneter, denn das Gefolge Vratislavs im Zentrum der Schlacht führte den Schwertkampf zu Fuß.12 Dieses berühmte Absitzen von den Pferden durchzieht ja als eine Art Erfolgsgeschichte die Erzählungen von den mittelalterlichen Kämpfen. Kurzum, diese Strategie zwang die Leute aus Ostarrîchi zur Flucht  : Beide Darstellungen berichten über die Niederlage Leopolds II. Auch die Niederlage war ein Gemeinschaftserlebnis  : Nostrates victi fugam ineunt (Die Unsrigen wandten sich besiegt zur Flucht). In der Folge dürfte es zu erheblichen Verwüstungen gekommen sein, so dass Altmann alle Hände voll zu tun hatte, um Opfer und Schäden zu pflegen und zu lindern.13 An solchen Vorgängen lässt sich erkennen, dass auch die Anstrengungen bei der Linderung der Folgen einer Niederlage durchaus das Wir-Gefühl stärken konnten. Altmanns Biograph wollte damit vor allem das Verantwortungsbewusstsein und das soziale Gewissen (ein moderner Begriff für die Sorge um die Armen und die vom Schicksal Geschlagenen) seines Helden herausstreichen. Die Geschichte, dass nun alle zu Altmann 10 So Grandauer, Des Dekans Cosmas Chronik von Böhmen VI, mit Anm. 9. 11 Cosmas Chronica Lib. II cap. 35, 132. 12 Cosmas Chronica Lib. II cap. 35, 133. 13 Vita Altmanni cap. 25, 237.

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Das Verhältnis zu Böhmen

kamen und um Hilfe baten, ist insofern interessant, als Leopold II. in dieser schwierigen Situation nicht gefragt wurde  ; zumindest könnte man das aus dem Schweigen des Autors der Vita Altmanni schließen. Altmann verkaufte die gesamte Ausstattung seines Bischofssitzes und ernährte damit tausend Arme auf dem Berg Göttweig. Damit trug er vor allem zu seinem eigenen geistlichen Ruhm bei, aber auch zum Wir-Bewusstsein der Versorgten. Ob Vratislav zu irgendeinem Zeitpunkt an der zusätzlichen Übernahme der Herrschaft in der Markgrafschaft interessiert war, ist nicht nachzuweisen. Jedenfalls blieb Leopold II. in seiner Position, eine Tatsache, die in den letzten Jahren vor allem Weltin und Dienst als Beweis für die fortgeschrittene Ausbildung der Landeshoheit unter Leopold II. gesehen haben.14 Dieser Zustand der »politischen« Verfasstheit in der Mark mit ihren Gerichtstagen und dem grundherrschaftlichen Gefüge war die Basis des Erfolges dieser Hilfsaktion des Bischofs nach Mailberg im Sinne eines fortschreitenden Gemeinschaftsbewusstsein. Cosmas nannte das Ergebnis der Schlacht von Mailberg einen Triumph der Böhmen über die plaga orientalis. Die Gesamtheit der Feinde wurde mit einem topographisch-politischen Begriff ohne Personenbezug beschrieben. Die Beteiligung von Bauern, Hirten und anderem grundherrschaftlichen »Personal« an der Schlacht ging über die üblichen Bezeichnungen der adeligen Kampfverbände hinaus. In Klosterneuburg löste man das Problem der Beschreibung ähnlich, aber doch ein wenig anders  : Die Verlierer waren die orientales homines.15

14 Dopsch, Die Länder und das Reich, 224, und Dienst, Werden und Entwicklung, 92. 15 Die Bedeutung dieser Darstellung wurde von Dienst, Ostarrîchi – Oriens – Austria, 42, herausgestrichen. Cosmae chronica Lib. II cap. 35, 133.

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Leopold III. Tradition und neue Wege

Nachdem Leopold III. nach dem 12. Oktober 1095 seinem Vater als Markgraf in Ostarrîchi gefolgt war,1 fiel kurz darauf eine wichtige Entscheidung in Bayern, die sich schon längere Zeit angebahnt hatte  : Frutolf berichtet, dass Welf IV. im Sommer 1096 die Huld Heinrichs IV. erlangte und das Herzogtum Bayern wieder erhielt.2 1098 versöhnte Welf, nunmehr schon Herzog von Bayern, seine gegen Heinrich IV. aufständischen Söhne mit dem Kaiser. Bei Verhandlungen erreichte er, dass Heinrich IV. zusagte, einem von Welfs Söhnen das Herzogtum zu übertragen.3 Bernold von Konstanz berichtete schon zum Jahr 1086, dass sich Welf IV. mit einigen politischen Schwergewichten in Bayern ausgesöhnt habe.4 Die neuerliche Einsetzung Welfs zum Herzog soll nach seinem Bericht schon 1094 stattgefunden haben. Damals gab es einen Landfrieden in Schwaben, der von Welf auf ganz Bayern bis nach Ungarn erweitert wurde.5 Unter den Partnern Welfs IV. soll sich auch das Kloster Kremsmünster befunden haben. Diese Besetzung des Herzogtums Bayern war für die Position der Babenberger insofern neu und ungewöhnlich, als die Welfen sich nun zwischen den König und die Markgrafen als eine mediatisierende Gewalt hätten schieben können. Die Stellung Bayerns im Reich hatte den Markgrafen in der Vergangenheit die Möglichkeit eröffnet, bei Gelegenheit direkt im Auftrag des Königs tätig zu werden oder gar eigene Initiativen zu ergreifen. Über längere Zeit behielt der König Bayern in eigener Hand, die als Herzöge eingesetzten Lützelburger und der Ezzone Kuno verfügten in Bayern über keine eigenen Machtmittel. Unter diesen Umständen schwanden die Ansätze zur Entwicklung eines bayerischen Fürstentums, die Heinrich der Zänker selbstbewusst in Angriff genommen hatte. Im Vergleich mit den Eppensteinern in Kärnten, den Wilhelmen an der Sann oder den Wels-Lambachern und Otakaren in der karantanischen Mark verfügten die Babenberger über eine eindrucksvolle Tradition und frühe Würden schon in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Im frühen Investiturstreit gehörten Welf IV. und Leopold II. zur Opposition gegen Heinrich IV. Mit der Wiedereinsetzung Welfs wurde auch der bayerische Herzog neuerlich zu einem wichtigen Machtfaktor, dessen Aufmerksamkeit in 1 2 3 4

BUB IV/1, 33 f., Nrn. 588 und 589. Frutolfi Chronica, 106  ; Handbuch der bayerischen Geschichte 1, 331. Seibert, Vom königlichen dux, 259  ; Frutolfi Chronica, 110. Die Chronik Bernolds von Konstanz, 457  : Principes Baioariorum duci suo Welfoni in pascha reconciliati, a Heinrico discesserunt […]. 5 Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 4, 430  ; Schneidmüller, Die Welfen, 142.

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Tradition und neue Wege

diesem Gebiet aber durch seine schwäbischen, italischen und wenig später sächsischen Interessen geschwächt wurde. Im Gegensatz zu den Herzögen der Zeit Heinrichs III. war der Besitz der Welfen in Bayern solide. Die Besitzungen lagen im Westen an der schwäbischen Grenze und in Tirol.6 Folgt man der Entwicklung und dem Ausbau der welfischen Herzogsgewalt in Bayern, darf man dieses Phänomen nicht losgelöst von den im Reich weit gestreuten Herrschaften und der dazugehörigen Tradition der welfischen Dynastie betrachten. Diese Tradition wurde im Dezember 1126 noch vor dem Tod Heinrichs des Schwarzen am 13. Dezember im Kloster Weingarten aufgezeichnet und greift bis in die Karolingerzeit zurück.7 Anlass für diese Zusammenstellung war die 1123 erfolgte Erhebung des welfischen Bischofs Konrad von Konstanz zur Ehre der Altäre. Konrad starb 975 und war möglicherweise ein Sohn Heinrichs »mit dem goldenen Wagen«.8 Nach der Welfengenealogie steht ein Eticho/Welf an der Spitze der Dynastie, der bereits der Vater eines Heinrichs ist und dieser hat den genannten Konrad zum Sohn.9 Die gesamte Tradition der »Welfen« wurde auf drei Generationen geschrumpft, in der es zu einer Verbindung mit dem karolingischen Herrscherhaus und zum Wirken eines Heiligen kam. Drei Generationen reichten für eine vornehme Traditionsbildung aus, nur mussten die der Erinnerung würdigen Elemente der Familiengeschichte in dieser knappen Folge von Generationen verpackt werden.10 Weitergreifende genealogische »Forschungen« entwickelten sich erst im folgenden halben Jahrhundert und führten 1170 zur Historia Welforum, der bereits »Forschung« zugrunde liegt.11 Wie das Bewusstsein der auf Abstammung beruhenden dignitas Welfs IV. beschaffen war, können wir nur ahnen – es wird sich wohl nur wenig von dem einfachen Konstrukt der Welfengenealogie von 1126 unterschieden haben. So war zum Beispiel die welfische Herrschaft der Könige des regnum Jurense (Hochburgund) offenbar unbekannt, vergessen oder für die Geschichte Welfs IV. und seiner Nachkommen unwichtig. Diese Erörterung ist bedeutsam, denn aus den Verhältnissen ist zu folgern, dass Welf IV. und seine Söhne sich den Babenbergern keineswegs an Würden überlegen fühlten. Zu denken geben könnte allenfalls die Verschwägerung mit dem westfränkischen König Ludwig dem Stammler. Trotzdem kamen die Welfen nicht um die Aufgabe herum, sich eine mächtige Stellung in Bayern zu erarbeiten, ein Ziel, das die Babenberger bereits erreicht hatten, als Leopold III. die Herrschaft übernahm. Den Ausbau der welfischen Stellung in Bayern, die zunächst auf den Westen des Landes konzentriert war, beobachtete etwa Bernd Schneidmüller an Intervenienten und Zeugen in der Umgebung des Königs. Er kommt zu dem Schluss, dass Welf  V. 6 Seibert, Vom königlichen dux, 229 ff. 7 Schneidmüller, Die Welfen, 23. 8 Maurer, Konrad hl., Bischof von Konstanz in  : NDB 12, 507 f. 9 Genealogia Welforum cap. 1 und 2, 24. 10 Zu dieser Traditionsbildung Pohl, Die Welt der Babenberger, 48. 11 Schneidmüller, Die Welfen, 24 f.

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Leopold III.

(1101–1120) und sein Bruder Heinrich der Schwarze (1120–1126) als Herzöge bei Hof die bayerischen Großen, Markgrafen und Grafen anführten.12 Die in Urkunden meist eingehaltene Ordnung nach dem Rang der bei der Rechtshandlung anwesenden Beteiligten besagt aber nur wenig über das Maß der Selbständigkeit eines Markgrafen gegenüber einem Herzog. Die Welfen konnten nicht nur durch das Hervorkehren einer bedeutenden Machtstellung ihre Herrschaft in Bayern ausbauen, sondern auch durch engere Beziehungen zu den mächtigen adeligen Familien. Aktiv war auf diesem Gebiet Heinrich der Schwarze. Seine Tochter Sophia heiratete in zweiter Ehe Leopold den Starken, Markgraf von Steier, die jüngere Mathilde zunächst Diepold von Vohburg und nach dessen Tod Gebhard II. von Sulzbach.13 Damit band der Herzog die beiden wichtigsten Familien im Nordgau und die Markgrafen in der »Mark an der Mur« an sich.14 Offensichtlich erwarteten die Welfen in dieser Hinsicht nichts von den Babenbergern. Als bayerische Dynasten waren sie bereits zu unabhängig, um mit der Anwendung der bewährten Heiratspolitik wieder in das bayerische Herrschaftsgefüge eingegliedert zu werden. Leopold III. war schon 20 Jahre mit der Salierin verheiratet und trat 1125 bei der Königswahl an. Das wesentliche Résumé aus diesen Beobachtungen lautet  : Die welfischen Herzöge von Bayern konnten sich nicht als Instanz zwischen den Markgrafen und den König schieben. Dem entsprach auch ein verändertes Herrschaftsverständnis Leopolds III., das in einer urkundenartigen Aufzeichnung aus St. Florian dokumentiert ist. Die Urkunde ist wie eine Traditionsnotiz formuliert, enthält aber einen glänzenden Titel des Markgrafen  : Ego Liupoldus Orientalis regionis marchio. Später im Text heißt es, dass Leopold dem Stift St. Florian alle Abgaben auf jenen Gütern erließ, die sich in der Riedmark und in omnibus locis mei regiminis trans Danubium positis befanden. Hier ist von einem Herrschaftsraum des marchio orientalis regionis die Rede, in dem außer ihm abgesehen vom König niemand mehr etwas zu befehlen hatte.15 Kritisch und gefährlich wurden die Verhältnisse erst, als Heinrich der Stolze 1126/27 die Herrschaft antrat und in Regensburg auf einem geradezu königlich organisierten bayerischen Hoftag Macht und Herrschaft nicht nur zur Schau stellte, sondern auch fühlen ließ.16 Daraus entwickelte sich ein Konflikt um Regensburg. Gegen den Willen Heinrichs des Stolzen wurde 1132 der Regensburger Domherr Heinrich von Wolfratshausen zum Bischof der Stadt erhoben. Friedrich von Bogen, ein Gegner des Welfen, wurde Vogt des Regensburger Bistums. Eine führende Rolle in den Kämpfen mit Herzog Heinrich spielte Graf Otto  II. von Wolfratshausen, ein Neffe des Bischofs. 1133 12 Schneidmüller, Die Welfen, 152 f. 13 Historia Welforum cap. 15, 54  ; zur Sulzbacher Ehe Dendorfer, Adelige Gruppenbildung, 66–68, und 89–92. 14 Weller, Die Heiratspolitik, 240. 15 BUB I, 3 Nr. 2. 16 Historia Welforum cap. 16, 57  ; Schneidmüller, Die Welfen, 165 f.

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Tradition und neue Wege

wurde Leopold III., vermutlich als Verwandter des Bischofs, in die Kämpfe mit Heinrich dem Stolzen auf Seiten seiner Gegner hineingezogen.17 So kam es gegen Ende der Herrschaft des Babenbergers sogar zu kriegerischen Begegnungen zwischen ihm und dem Welfenherzog. In der Auseinandersetzung mit den Staufern Friedrich und dem Gegenkönig Konrad entstand auch eine Opposition gegen den Herzog.18 Die welfische Herrschaft in Bayern bildete vor allem wegen der stetigen Zunahme welfischer Macht und der wachsenden Ansprüche des Herzogs ein bisher nicht beachtetes Detail des Entfremdungsprozesses zwischen Ostarrîchi und Bayern. Die Zeit zur Trennung rückte näher – der staufisch-welfische Konflikt gab den Anlass. Zurück in die Zeit, als Leopold III. erst wenige Jahre herrschte. Frieden war an den wichtigsten Fronten angesagt, alte Konfrontationen waren zu beenden, bestehende Probleme auszuräumen und schließlich neue Kontakte in der Nachbarschaft zu knüpfen. Im Jahr 1099 gab es einige Ereignisse, die zeigen, dass sich neue Konstellationen formierten. Der Tod des Passauer Burgrafen Ulrich des Vielreichen um den 20.  Februar (wohl 24.  Februar) machte eine Neuordnung der Machtverteilung im ostbayerischen, besonders dem Passauer Raum notwendig.19 Einen Hinweis auf nur fragmentarisch erkennbare Verschiebungen in den Parteiungen und Machtverhältnissen Bayerns gibt eine Urkunde Heinrichs  IV. vom 30.  April 1099. Es ging um einen Ausgleich mit dem Stift Kremsmünster, das Ansprüche auf Besitzungen in Pettenach im Traungau erhob, die von Leopold III., Berengar von Sulzbach und Engelbert von Spanheim zu Unrecht beansprucht wurden. Aufgrund eines Gerichtsbeschlusses, wurden die Güter dem Kaiser und dem kaiserlichen Bischof Tiemo von Passau übergeben. Heinrich  IV. restituierte die Besitzungen dem Kloster Kremsmünster. Eine Anzahl wichtiger Vermittler, wie der Bischof von Bamberg oder der staufische Herzog von Schwaben, Friedrich, unterstreichen die Bedeutung des Vorgangs.20 Offenbar handelte es sich um einen Ausgleich von Interessen, die nur mit verschiedenen Kompromissen umgesetzt werden konnten. Kremsmünster gilt als Reformkloster, was in dieser Zeit nicht sehr charakteristisch ist. Wichtig hingegen scheint ein Hinweis von Hubertus Seibert zu sein, dass nämlich schon einige Jahre zuvor Welf IV. Kremsmünster gefördert hatte. 1095 kam es zu einem Gütertausch zwischen Welf und dem Kloster und wenig später schenkte er dem Stift Güter in Hall. Seibert gelangt zu dem Schluss, dass 17 Schneidmüller, Die Welfen, 167  ; zur Verwandtschaft der Babenberger mit den Grafen Dienst, Regionalgeschichte, 60  : Otto I. von Wolfratshausen war mit Justitia, einer Tochter des Markgrafen Ernst, verheiratet. 18 Handbuch der bayerischen Geschichte 1, 336 f. 19 Zum Jahr 1099 Frutolfi Chronica, 118, zum 24. Februar MGH Necr. I, 121 (St. Ulrich in Augsburg)  ; Loibl, Herrschaftsraum, 163 f., zum Tod Ulrichs und zur bewussten Aufsplitterung seiner Machtposition durch Heinrich IV. 20 MGH D Heinrich IV. 625 Nr. 463  ; Regesta imperii III/2 119 Nr. 1436  ; Brunner, Leopold, der Heilige 88 f., Stelzer, Die Diplome, 327.

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Leopold III.

Kremsmünster zu jenen kirchlichen Institutionen gehörte, die Welf IV. unterstützten.21 Welf gehörte am 30.  April 1099 nicht zu den Intervenienten für Kremsmünster. Der Verzicht Leopolds  III., Berengars und Engelberts auf den Besitz in Pettenbach fand wohl ohne bedeutende Beteiligung des Herzogs statt. Leopold III. und der Sulzbacher stimmten dem Kompromiss zu, weil es in diesen Tagen in Regensburg wohl um die neue Machtverteilung nach dem Tod des Passauer Burggrafen ging. Im Februar 1099 war ja, wie schon erwähnt, Ulrich der Vielreiche gestorben.22 Kurz zu seiner Bedeutung  : Er wurde nach der Verbannung der Grafen Ekbert, Ulrich und Konrad vom König teilweise mit Vornbacher Machtpositionen ausgestattet. Für ihn wurde die Funktion eines Burggrafen von Passau geschaffen, er übte die Vogtei über die Bamberger Besitzungen in Ostbayern und im Nordgau aus und er scheint sogar Graf im Lungau gewesen zu sein. Diese gewaltige Machtstellung war gefährlich. Sie musste daher nach seinem Tod auf mehrere Herrschaftsträger aufgeteilt werden. Gewinner waren die Sulzbacher und die Spanheimer. Der Sulzbacher Berengar I., der die Witwe Ulrichs bald darauf heiratete, begründete die einige Jahrzehnte dauernde einflussreiche Stellung der Sulzbacher in Bayern.23 Der ebenfalls an der Pettenacher Rückstellung beteiligte Engelbert heiratete 1100 Ulrichs Tochter Uta und schuf damit die Grundlagen für den Aufstieg der Spanheimer-Ortenburger in den ehemals Vornbacher Herrschaftsräumen.24 Leopold III. war an der Beilegung des Streits um das entfremdete Gut beteiligt und an der Gestaltung der künftigen Machtverhältnisse am Inn interessiert. Die alten Parteiungen aus der Frühzeit des Investiturstreits waren nur mehr an einigen Personen zu erkennen, wie den beiden Passauer Bischöfen Tiemo und Ulrich. Es sollte noch bis 1104 dauern, ehe Ulrich an seinen Bischofssitz zurückkehren konnte. Zum Raum rund um Passau hat Michael Hintermayer-Wellenberg Studien zu den dort wirkenden edelfreien Familien erarbeitet. In seiner Untersuchung zu den Herrn von Griesbach stellte er die generelle Frage nach Herrschaftsaufteilung in diesem Raum nach dem Tod Ulrichs des Vielreichen.25 Die neuen Inhaber der Vogteien Passaus, Bambergs, des zu Bamberg gehörigen Osterhofens und die Herrschaftsräume der Grafen von Hals bzw. der Herren von Polsenz und Griesbach erhielten Macht und Würden von Heinrich IV. In einigen Fällen, wie Mazili von Kamm, der die Vogtei über einen Teil der Bamberger Besitzungen erhielt,26 ist seine Anwesenheit im ehemals Vornbacher Gebiet schon 1073 nachweisbar. Nach der Vertreibung der Vornbacher war er vielleicht im Umfeld Ulrichs des Vielreichen tätig. Diese Entwicklung sollte für den Einfluss Leopolds III. in Ostbayern bedeutsam werden. Nachdem Leopold 1106 die Salierin Agnes geheiratet 21 Seibert, Vom königlichen dux, 247. 22 Zum Jahr 1099 Frutolfi Chronica, 118, zum 24. Februar MGH Necr. I, 121. 23 Dendorfer, Adelige Gruppenbildung, 82. 24 Loibl, Der Herrschaftsraum, 165. 25 Hintermayer-Wellenberg, Die Edlen von Polsenz, 17 f. 26 Hintermayer-Wellenberg, Die Edlen von Polsenz, 17.

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Tradition und neue Wege

hatte, näherte sich Albero von Griesbach dem Markgrafen an.27 Die verwandtschaftlichen Bindungen des Adels aus dem Passauer Raum bis ins Machland (Herren von Perg), das schon unter dem Einfluss der Babenberger stand, schufen eine solide Verbindung in den Westen,28 die für die Zukunft der Mark und des Herzogtums Bedeutung erlangten. Neben den hier ausgebreiteten Beobachtungen ist auf die Bemühungen Leopolds hinzuweisen, mit dem Entschärfen von Konflikten mit kirchlichen Institutionen anderweitig Spielraum für den Machtausbau zu gewinnen. Mit diesem Zugewinn an Einfluss bildete er in Bayern zunehmend eine Macht neben dem vor allem im Westen Bayern begüterten welfischen Herzog. Auch die alte »gregorianische« Parteistellung Leopolds  II. hatte neuen politischen Verbindungen zu weichen. Noch 1090 hatte sich Leopold II. nach dem Tod des Erzbischofs von Salzburg Gebhard an der Wahl und Weihe des Vornbachers Tiemo, Gebhards Nachfolger, beteiligt.29 Im Lichte dieser Haltung des Markgrafen ist anzunehmen, dass die bösen Gefühle der Zeit nach Mailberg noch nicht ausgeräumt waren. Sein Sohn schlug im Rahmen der geschilderten veränderten Beziehungen auch gegenüber dem böhmischen und mährischen Nachbarn ein wirklich neues Kapitel auf. Wahrscheinlich auf dem Regensburger Hoftag im April 1099 begannen die Verhandlungen bezüglich einer Eheschließung von Leopolds Schwester Gerbirg und Bořivoy, dem Bruder des böhmischen Herzogs Břetislav II. Die Hochzeit fand am 18. Oktober 1100 in Znaim statt. Vermutlich erst 1101, nach einer schwierigen Auseinandersetzung im Haus der Přemysliden, in die der Grenzraum zur Mark Leopolds III. in gewisser Weise involviert war, begannen Verhandlungen über eine Eheschließung einer anderen Schwester Leopolds mit dem Fürsten L(i)utold von Znaim, die angeblich Ita hieß.30 Dieser Lutold spielte eine Schlüsselrolle in einem böhmischen Thronstreit, in dem die Burg Raabs des Edlen Gottfried im Mittelpunkt des Geschehens stand.

27 Hintermayer-Wellenberg, Die Edlen von Polsenz, 21. 28 Hintermayer-Wellenberg, Die Edlen von Polsenz, 22 f. 29 Passio Tiemonis cap. 6, 55  ; Seibert, Vom königlichen dux, 254. 30 Über die Schwestern Leopolds III. berichtet das Chronicon pii marchionis, Continuatio Claustroneoburgensis I, 612  : Habuit etiam idem pius Liupoldus tres sorores, quarum unam accepit Otakorus marchio Styriae, secundam comes Liutoldus de Znoym, tertiam dux Boemiae Pozwaius nomine […]. Dienst, Regionalgeschichte, 60 f.

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Ein böhmisch-mährischer Familienkonflikt in Grenznähe Es sind bemerkenswert detaillierte Nachrichten, die Cosmas von Prag zum Jahr 1100 über ein castrum Racouz berichtet,1 das mit dem heutigen Raabs an der Thaya zu identifizieren ist.2 Die Burg Raabs lag in einem ausgedehnten Waldgebiet, in dem schon vor der Schlacht bei Mailberg, nämlich 1074, Markgraf Ernst knapp vor seinem Schlachtentod an der Unstrut von König Heinrich IV. eine Schenkung von 40 Hufen erhalten hatte, die 1076 für Leopold II. um 60 Einheiten vermehrt wurde.3 Ein königlicher miles namens Ulrich war nicht nur Vermittler dieser Schenkung, sondern wirkte auch an ihrem Zustandekommen wesentlich mit.4 Diesen Ulrich hielt man auch für den Ahnherrn der Herren von Raabs bzw. Burggrafen von Nürnberg.5 Im ausbrechenden Investiturstreit spielte Ulrich eine charakteristische Rolle  : Er gehörte zu den »vielzitierten« von Gregor VII. gebannten Ratgebern Heinrichs IV.6 Als Vratislav und Konrad den Feldzug gegen Leopold II. führten, um die vom König verfügte Absetzung des Markgrafen in die Wirklichkeit umzusetzen, lebte Ulrich noch. Auch ohne die Konstruktion einer derartigen Verwandtschaft können wir Gottfried, den ältesten bekannten Inhaber der Burg Raabs, für einen Parteigänger Heinrichs  IV. und daher auch des böhmischen Herzogs Vratislav halten. Der entscheidende Hinweis darauf ist im Traditionsbuch von Garsten enthalten. Etwa 1150/55 schenkte Konrad von Raabs dem Kloster Besitzungen, die seine Eltern durch eine königliche Verfügung erhalten hatten.7 Es handelte sich um einen großen Teil eines Waldes im Gebiet an der Thaya, in dem der Ort Gastern entstand.8 Gottfried I., wohl ein Vorfahre des Konrad, der Garsten beschenkte, hatte diesen Wald wahrscheinlich nach der Schlacht bei Mailberg von Heinrich IV. erhalten. Weltin geht davon aus, dass dieses Waldstück mit der silva Rogacs von 1074/76 übereinstimmte.9 Leopold II. konnte 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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Cosmae Chronica Lib. III cap. 12, 172. Zur Sache Hopf, Die Herren von Nürnberg – Raabs, 34 ff. Kupfer, Das Königsgut, 148 f. MGH DD Heinrich IV., 347 f., Nr. 271, und 369, Nr. 285  ; Hopf, Die Herren von Nürnberg-Raabs, 30. NÖUB 1, 430, Nr. 36  : Quae omnia [die Schenkung] Odalrico communi milite nostro mediante et componente facere studuimus. Tyroller, Genealogie, 299, Nr. 1 und Taf. 23. Ablehnend dazu NÖUB 1, 433. Hopf, Die Herren von Nürnberg-Raabs, 24. NÖUB 1, 433  ; Lamperti Annales, 255, mit Anm. 4. Die Traditionsurkunden des Klosters Garsten, 64 f., Nr. K 8  : […] qualiter dominus Conradus de Ratgoz de possessionibus regia auctoritate parentibus suis collatis tradidit magnam partem silve […]. Hopf, Die Herren von Nürnberg – Raabs, 92. Hopf, Die Herren von Nürnberg – Raabs, 92, mit Anm. 439. NÖUB 1, 434.

Ein böhmisch-mährischer Familienkonflikt in Grenznähe

1082 zwar trotz der Niederlage bei Mailberg seine Herrschaft in der Mark behaupten, verlor aber die Besitzungen an der Thaya an den Raabser Burgherren Gottfried, der nach der plausiblen Auffassung Weltins zu den bayerischen Unterstützern »Herzog Konrads von Böhmen« gehörte. Die bezüglich Konrads fehlerhafte Bezeichnung als Herzog von Böhmen stammt aus den Klosterneuburger Annalen.10 Der Bericht bietet einen Einstieg für recht sinnvolle Spekulationen zu dieser Etappe der Entstehung der Grenze zwischen Ostarrîchi und Böhmen/Mähren.11 Gottfried gehörte zur kaiserlichen Gefolgschaft, wofür auch seine spätere wahrscheinliche Stellung als Burggraf von Nürnberg spricht12, und stand daher auch mit Vratislav, dem böhmischen Herzog und seinem Nachfolger Břetislav II. in gutem Einvernehmen. Daraus erklären sich auch die Vorgänge, über die Cosmas zum Jahr 1100 berichtet. Im Rahmen der böhmischen Verhältnisse errichtete er sehr früh eine Herrschaft in dem ihm übergebenen, eroberten Gebiet. Erwähnt sei schon jetzt die wichtige Tatsache, dass Gottfrieds Nachkomme Konrad von Raabs, zwischen 1143 und 1147 (vermutlich 1145/46) in einer Zeugenliste des Berchtesgadener Traditionsbuches unter anderen Gefolgsleuten der Babenberger genannt ist.13 Das 1082 verlorene Gebiet kam aufgrund der Parteinahme eines grenznah lebenden Herrschaftsinhabers wieder in das regimen des bayerischen Herzogs und Markgrafen Heinrich Jasomirgott. Hatte der Wechsel der Raabser in den Herrschaftsbereich der Babenberger mit deren Machterweiterung als bayerische Herzöge zu tun  ? Wir wissen es nicht, aber es sei zumindest auf einen möglichen Zusammenhang aufmerksam gemacht. Seit 1097 spitzten sich die Probleme im böhmisch-mährischen Herrscherhaus zu. Herzog Břetislav  II. (1092–1100) nahm seinen Vetter Udalrich gefangen und setzte ihn unter Bewachung in einer seiner Burgen fest.14 Břetislav beabsichtigte, den nach den Regeln der »Senioratsverfassung« zur Nachfolge berechtigten Vertreter des mährischen Zweiges auszuschalten und seinem Bruder Bořivoy die Nachfolge zu sichern. Im Rahmen der schon bekannten Osterfeierlichkeiten in Regensburg 1099 übergab Kaiser Heinrich IV. auf Bitten Břetislavs dem Bořivoy eine Fahne und designierte ihn damit vor den Augen einiger böhmischer Adeliger, die sich im Gefolge des böhmischen Herzogs befanden, als künftigen Herrscher in Böhmen.15 Vielleicht begannen damals Verhandlungen über eine Eheschließung Bořivoys mit Gerbirg, der jüngsten der Schwestern Leopolds.16 Bei diesem Hoftag in Regensburg trafen sich Kaiser Heinrich IV. und der 10 Continuatio Claustroneoburgensis I, 608, zum Jahr 1082. 11 Vorsichtig in der Einschätzung Weltin folgend zuletzt Zehetmayer, Zur Struktur des Adels, 85, mit Anm. 29. 12 Hopf, Die Herren von Nürnberg-Raabs, 24, zu den Problemen der Nennung des Gottfried im Codex Udalrici, in dem er als G. erscheint. 13 NÖUB 2/2, 650, Nr. 21/11  : dom(i)nus Chonradus de Racoz, Datierung 1144/47. 14 Cosmae Chronica Lib. III cap. 5, 165 f.; Bachmann, Geschichte Böhmens 1, 276 f. 15 Cosmae Chronia Lib. III cap. 8, 168 f. 16 Dienst, Regionalgeschichte, 60 ff.

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junge Markgraf zum ersten Mal und Leopold III. bewies in der geschilderten Güterangelegenheit, die Stift Kremsmünster betraf, politische Flexibilität. Am 18. Oktober 1100 heiratete Gerbirg den Přemysliden Bořivoy. Cosmas berichtet anlässlich der Hochzeit von einem großartigen Mahl.17 Es spricht einiges dafür, dass die zweite Eheschließung zwischen den Babenbergern und den Přemysliden vermutlich erst später, vielleicht schon 1101 zustande kam. Bräutigam war Bořivoys Neffe Lutold von Znaim, der jüngere Bruder des erwähnten Udalrich, welcher der eigentlich Geschädigte dieser Vorgänge war. Lutolds Eheschließung wird im Lichte des Raabser Konfliktes, an dem er ja entscheidend mitwirkte, erst nach dessen Bereinigung zu datieren sein.18 Nach der Ermordung Břetislavs am 20.  Dezember 1100 bestieg Bořivoy den böhmischen Thron und erhielt die Unterstützung der böhmischen Grafen. Diese Hilfe war notwendig, denn der einst in Gefangenschaft geratene Udalrich bestürmte Kaiser Heinrich, ihn als den ältesten Přemysliden anzuerkennen. Der Kaiser soll sogar für seine Unterstützung Geld empfangen haben.19 Nach fehlgeschlagenen Versuchen, die Zustimmung böhmischer Grafen für seine Herrschaft zu gewinnen, begann er mit Billigung des Kaisers einen Kriegszug nach Böhmen, der mangels Unterstützung im Land scheitern musste. Von bayerischer Seite bekam er allerdings Hilfe von einer wichtigen adeligen Familie, den Sieghardingern – einer ihrer Vorfahren war 1044 gegen die Ungarn gefallen. Diese Dynastie hatte mit den südlich von Melk gelegenen Burgen Schala und Peilstein eine mächtige Stellung in der Mark. Daher ist anzumerken, dass ihre Parteinahme für Udalrich nicht im Sinne Leopolds III. war, der ja für Bořivoys Interessen eintrat. Unter den Teilnehmern befand sich auch Heinrich Bischof von Freising, der Onkel Sieghards von Schala. Freising hatte Besitzungen am Kamp und daher Interessen im Grenzraum gegen Böhmen.20 Udalrichs Bruder Lutold spielt im Rahmen der Ereignisse, die nun zu behandeln sind, die zentrale Rolle. Sein Name L(i)utold wurde auch in der Familie der Grafen von Plain verwendet. Die Plainer spielten eine wesentliche Rolle an der Grenze zu Böhmen. Fraglich ist, ob sie wie die Raabser zunächst als kaiserliche Parteigänger in das Gebiet an der Thaya kamen und erst etwas später zu den Babenbergern übergingen. Sie könnten nämlich, wie die »Raabser«, sich dem mährischen Fürsten Konrad 1082 im Kampf gegen Leopold II. angeschlossen haben. Zunächst geht es um die Frage, wie sich Gottfried, der Herr der Burg Raabs in dem přemyslidischen Konflikt verhielt. Über das Verhältnis Gottfrieds zu Herzog Břetislav berichtet Cosmas, dass zwischen ihnen Verträge alter Freundschaft bestanden, antique amicitie federa. Aufgrund dieser Formulierung könnte man darauf schließen, dass diese Freundschaftsverträge bereits in 17 Cosmae Chronica Lib. III cap. 12, 172. 18 Sudetendeutsche Lebensbilder 1  : Ida von Babenberg, 35. 19 Cosmae Chronica Lib. III cap. 14, 176. 20 Cosmae Chronica Lib. III cap. 15, 177.

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Mailberger Zeiten existiert hatten. Allerdings charakterisiert Cosmas auch die Freundschaftsverträge mit Ungarn als alt und die waren in der Wahrnehmung der Zeitgenossen eher brandneu. Während des Investiturstreites standen der ungarische König und der böhmische Fürst jedenfalls auf verschiedenen Seiten, eine Situation, die erst 1099, also vor ganz kurzer Zeit, durch einen neuen Freundschaftsvertrag geändert wurde.21 Nicht ganz unerwartet mischte sich Lutold 1100 in den Konflikt ein. Lutold wurde von Gottfried, dem Inhaber der Burg Raabs per concessum in das castrum aufgenommen. Dem Wortlaut nach dürften dieser Aufnahme Verhandlungen vorangegangen sein. Das ausschlaggebende Motiv dafür soll ein freundschaftliches Treueband zwischen Gottfried und Lutold gewesen sein. Tatsächlich war es wohl so, dass Lutold wegen der Designation Bořivoys einen feindlichen Akt gegen Břetislav setzen wollte und dafür eine brauchbare strategische Basis suchte. Die Folgen dieser Entscheidung waren dramatisch. Lutold begann, das Umland zu verwüsten und verletzte dabei Herrschaftsrechte seines Vetters Břetislav. Dieser sandte einen Boten zu Gottfried und forderte ihn auf, Lutold auszuliefern. Grundlage dafür waren die erwähnten Freundschaftsverträge, die offenbar höher zu bewerten waren als Gottfrieds Treueband zu Lutold. Gottfried versuchte, Břetislavs Aufforderung zu erfüllen, zog aber gegen Lutold den Kürzeren und musste die Burg verlassen. Bei dem folgenden Treffen mit Břetislav in Frain an der Thaya (Vranov nad Dyji)22 distanzierte sich Gottfried von Lutold, indem er ihn als treubrüchigen Feind der Ordnung des Herrschers darstellte.23 Er bat um Hilfe bei der Rückeroberung seiner Burg, die ihm auch gewährt wurde. Nach sechswöchiger Belagerung gelang die Eroberung, Lutold flüchtete bei Nacht und Nebel und Gottfried erhielt die Burg zurück. Das castrum Raabs lag strategisch recht günstig, um von hier aus Überfälle in dem von Břetislav beherrschten Raum zu lancieren. Gottfried, der Herr dieser Burg, schätzte zu Beginn die Lage wohl unrichtig ein, indem er sich aufgrund eines freundschaftlichen Verhältnisses breitschlagen ließ, Lutold die Burg als Ausgangspunkt der geplanten Aktionen zur Verfügung zu stellen. Was ist aus dieser Entscheidung und dem folgenden Parteiwechsel zu Břetislav für die Stellung Gottfrieds in Böhmen oder zwischen Böhmen und Mähren zu folgern  ? Als Grundlage dieses Verhältnisses bezeichnet Cosmas die erwähnten antiqua amicitie federa. Es handelte sich mit Sicherheit um kein Vasallenverhältnis oder etwas Vergleichbares. Gottfried könnte im Auftrag des Kaisers eine amicitia vielleicht schon mit Vratislav eingegangen sein. Es ging offenbar um eine »kreative« Form der Darstellung des Verhältnisses zwischen dem Reich und Böhmen. Die Stellung Gottfrieds sollte man allerdings nicht überschätzen. Stellvertreter des Kaisers in Böh21 Hopf, Die Herren von Nürnberg – Raabs, 35, mit Anm. 178  ; Cosmae Chronica Lib. III cap. 9, 169 ff. 22 Burgen. Waldviertel, Wachau, 640 ff. 23 Es heißt von Lutold perfidum esse et rei publice inimicum. Zitiert nach Hopf, Die Herren von NürnbergRaabs, 35.

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men war er bestimmt nicht. Das Angebot der amicitia an Gottfried kam wahrscheinlich von böhmischer Seite. Weiters wäre noch Folgendes zu bedenken  : Břetislavs Unterstützung für Gottfried ohne eine Sanktion wegen Unterstützung des feindlichen Lutold ist ein deutlicher Hinweis, dass Gottfried nicht zum Untertanenverband Břetislavs gehörte. Die üblichen Strafen, die böhmische Fürsten auch in harmloseren Fällen verhängten, hätten für Gottfried Verstümmelung und wohl Ertränken in der Thaya bedeutet. Gottfried gehörte wie seine Vorfahren in die Gefolgschaft des deutschen Königs.24 Dies geht, wie schon erörtert, aus der zeitgenössischen »politischen« Schriftstellerei (Lampert) hervor, aber auch aus Urkunden Heinrichs IV. und seines Sohns und Nachfolgers.25

24 Ich nenne ab Heinrich IV. den ehemals ostfränkischen König Carlrichard Brühl folgend einen deutschen. Vgl. zu dieser umstrittenen Frage Brühl, Deutschland und Frankreich, 220 ff. Zur Diskussion Lohrmann, Benachbarte Kollektive 131. 25 Belege bei Hopf, Die Herren von Nürnberg-Raabs, 46 f.

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Bei der Neugestaltung des Verhältnisses zu den Nachbarn und zum Reich war der erwähnte Parteiwechsel Leopolds  III. aus dem Lager des alten Kaisers in jenes Heinrichs  V. folgenreich. Es ist gewiss nicht so, dass Leopold erst durch die Ehe mit der Salierin Agnes, der Schwester des neuen Königs, in die erste Reihe der Fürsten rückte  ; vielmehr besaß er eine in die Generation Adalberts zurückreichende Tradition, die nach dem Zeugnis Ottos von Freising mit ihrer ausschließlichen Berufung auf Adalbert fragmentarisch ist, da sie ja Adalberts bedeutenden Brüdern keine traditionsbildende Kraft zuerkennen konnte. Heinrich I. hatte keinen legitimen Nachkommen, Poppo war Erzbischof (dies schloss zumindest die Hinterlassung herrschaftsberechtigter Nachkommen aus) und die Söhne des schwäbischen Herzogs Ernst  I., Ernst  II. und Hermann starben ohne Nachkommen. So waren Adalbert, der Eroberer Oberpannoniens, und sein Sohn Leopold die Träger der Tradition, von den älteren Babenbergern vom Ende des 9. Jahrhunderts abzustammen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Adalbert schon in der Zeit des Markgrafen Ernst zur Schlüsselfigur in der Fürstentradition der Babenberger wurde. Betrachtet man nämlich die Berichte über Ernst, ergeben diese ein merkwürdiges Bild, das zwischen Lobeshymnen auf seine Tapferkeit und einem etwas befremdlichen passiven Verhalten schwankt. Manche anerkennende Bemerkung über ihn könnte eine topische, wenig reflektierte Fortschreibung des Urteils über seinen Vater sein. Leopold  III. erfreute sich jedenfalls durch seine Ehe mit Agnes einer aktualisierten Repräsentation, die seine dignitas auf dem Niveau der Welfen bestätigte, woraus sich neue Ziele ergaben  : bei günstiger Gelegenheit s e l b s t das bayerische Herzogtum zu übernehmen oder sich von ihm zu trennen. An sich hatte sein Großvater Markgraf Ernst ja schon zur Zeit der Absetzung Ottos von Nordheim 1070 eine Machtposition erreicht, die ihn durchaus zur Übernahme des Herzogtums befähigt hätte. Die Realisierung dieser Möglichkeiten hing natürlich nicht nur vom jeweiligen Markgrafen ab, sondern von den Zufällen des faktischen Verlaufes von Konsens und Konfrontation, aber auch vom Verhalten der edelfreien und gräflich/fürstlichen Familien. Der Verlauf des staufisch-welfischen Konflikts, in dem auch schon Leopold III. wie erwähnt eine Rolle spielte, zeigt recht klar, dass die Babenberger Herzöge von Bayern werden oder im Zuge des Wandels der Ereignisse diese Position wieder verlieren konnten. Die Babenberger passten immer weniger in das bayerische Machtgefüge, verschiedene persönliche und strukturelle Bindungen an Bayern wurden schwächer. Man sollte in diesem Zusammenhang die Tatsache im Auge behalten, dass Adalbert und sein Sohn die Grafenrechte an den Donauufern zwischen Passau und Regensburg aufgaben. Trotzdem ist der »österreichische Weg« der Babenberger kein Hindernis gewesen, bei einer Veränderung der Machtverhältnisse bayerische Ziele zu verfolgen. 241

Landesherrschaft und Selbständigkeit

Trotz einiger Versuche in der jüngsten Forschungsgeschichte, die Entstehung der Landesherrschaft in Ostarrîchi schon im 11.  Jahrhundert plausibel zu machen,1 gilt noch immer die Zeit Leopolds III. als der entscheidende Abschnitt dieser Entwicklung. Das Fundament für weiteren Machtgewinn war um 1100 bereits gelegt. Das unsichere Verhältnis zu Böhmen und Mähren entspannte sich und das Misstrauen, das zwischen dem Kaiser und Leopold II. anscheinend weiter bestanden hatte, war ausgeräumt. Doch entwickelten sich die Dinge für Leopold III. noch günstiger. Im Herbst 1105 erreichte der salische Vater-Sohn-Konflikt seinen Höhepunkt. Zwei Heere lagen sich am Fluss Regen gegenüber. Leopold III. ließ sich von Heinrich V. überreden, seine Unterstützung für Heinrich  IV. aufzugeben. Ihm wurde dafür eine Eheschließung mit Agnes, der Schwester Heinrichs V., in Aussicht gestellt. Leopold versagte daraufhin Heinrich IV. seine Unterstützung. Die gleiche Entscheidung wie Leopold traf sein böhmischer Schwager Bořivoy. Otto von Freising betonte in der Weltchronik, dass die beiden Fürsten verschwägert waren – das lässt auf eine Absprache zwischen beiden schließen. Cosmas stellt diesen Zusammenhang nicht her. Er berichtet, dass Leopold bei Nacht und Nebel das Heer Heinrichs  IV. verließ und nach Hause flüchtete. Die Markgrafen Diepold III. und Berengar I. schlossen sich dem Heer Heinrichs V. an und so sahen sich die Böhmen von allen Seiten verlassen und beeilten sich daher, ebenfalls bei Nacht zu entfliehen. Als Heinrich IV. auf seiner darauffolgenden Flucht durch Böhmen kam, erhielt er von Bořivoy ein dem Kaiser würdiges Geleit.2 Welche Rolle eine Absprache zwischen Bořivoy und Leopold in dieser für den Markgrafen höchst wichtigen Angelegenheit spielte, muss offenbleiben. Das Angebot Heinrichs V., Leopold III. seine Schwester Agnes zur Frau zu geben, war nur für Otto von Freising von Interesse und führte auch zu moralischen Erwägungen. In seiner zweiten großen historisch-politischen Schrift, den Gesta Friderici, gibt Otto einen Hinweis darauf, warum Heinrich V. nicht gerade im Sinne des Vaters über Agnes entscheiden konnte. »Nach dem Tode des Herzogs Friedrich von Schwaben nahm ihr Bruder Heinrich, der Sohn Kaiser Heinrichs, die Witwe Agnes in seine Obhut und gab sie dem Markgrafen Leopold von Österreich zur Frau.«3 Die Melker Annalen berichten zum Jahre 1106, dass Kaiser Heinrich am 7.  August starb, und setzen fort, dass Markgraf Leopold des Kaisers Tochter Agnes heiratete.4 Die Kinder Leopolds und der Agnes waren zumindest Enkel und Enkelinnen bzw. Neffen und Nichten eines Kaisers. Damit reihte man sich auch aktuell in die angesehenste Gruppe der Fürsten ein. Noch nicht absehbar war zunächst, dass diese Nachkommen Halbgeschwister des deutschen Königs werden sollten. 1 Zehetmayer, Hat die Landeswerdung, 83 ff. 2 Ottonis episcopi Frisingensis chronica lib. VII cap. 9, 321  ; Cosmae chronica lib. III cap. 18, 182 f.; Patzold, Königtum in bedrohter Ordnung, 63 (zum Bericht des Ekkehard von Aura), Scheibelreiter, Die Babenberger, 157 ff. 3 Gesta Friderici Lib. I cap. 10, 25  ; Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 5, 238. 4 Annales Mellicenses, 500  ; Dienst, Regionalgeschichte, 46 f.

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Leopold III. spielte keine große Rolle in der Umgebung Heinrichs V.5 Wenig überraschend ist die Tatsache, dass bei den Zusammenkünften zwischen dem Markgrafen und Heinrich meist ungarische Angelegenheiten eine Rolle spielten. Die Unternehmung des jungen Königs im Herbst 1108 zugunsten des ungarischen Thronwerbers Álmos, die zur Belagerung von Pressburg führte, hatte eine Reihe von Ursachen, die zum Teil in die neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurückreichten. Noch zu Lebzeiten Ladislaus I. († 1095) kam es zwischen Heinrich IV. und Álmos, dem jüngeren Sohn des ungarischen Königs Géza I., zu einem freundschaftlichen Zusammenwirken, das Heinrich 1096 in einem Brief an ihn als eine firma amicicia bezeichnete.6 Diese kurzfristige Verbindung des Álmos zum Kaiser wurde schon sehr bald bedeutungslos. Seit Koloman, der ältere Halbbruder Álmos’ und ehemaliger Bischof von Großwardein oder Erlau, 1095 König von Ungarn geworden war, gab es zwischen den Halbbrüdern Streit um den Thron. Ein aktualisierter Konflikt ergab sich 1098, als Koloman seinen Sohn Stephan II. zum König krönen ließ.7 Warum Álmos 1107 neuerlich sein Glück versuchte, liegt im Dunkeln. Nachdem er erfolglos versucht hatte, Herzog Boleslaw III. von Polen für seine Unterstützung zu gewinnen, wandte er sich an Heinrich V.8 Dies war nicht aussichtslos, da es einige Reibungspunkte zwischen dem Reich und König Koloman gab. Angeblich hatte Heinrich V., als er um die Hilfe des böhmischen Herzogs Svatopluk warb, darauf hingewiesen, dass die Ungarn Kreuzfahrer umgebracht oder zu Sklaven gemacht hätten. Ekkehard von Aura verweist auf am Meer gelegene Gebiete, die zum Reich gehörten und in die Koloman eingedrungen war.9 Deshalb gab es für eine Unternehmung gegen Koloman zugunsten des Álmos eine breite Unterstützung von Bischöfen und weltlichen Fürsten.10 Im Jahre 1108 wurde der deutsche König nach langer Zeit wieder an der ungarischen Grenze tätig. Ein Bericht über diese Unternehmung führt zu der Frage, wie es um den Konsens zwischen dem König und dem Markgrafen hinsichtlich der Behandlung ungarischer Probleme stand. Zu diesem Feldzug berichten nämlich die Annalen von Disi­ bodenberg, dass König Heinrich in Ungarn einfiel, wo er wegen der Untreue gewisser Fürsten nichts der Erinnerung Würdiges leistete.11 Mit Blick auf die Grenzprobleme zwischen dem Reich und Ungarn an der Adria kommt Dendorfer zu dem Schluss, dass   5 Zusammenfassend zur Rolle Leopolds III. in der Umgebung Heinrichs V. Halm, Studien, 66 f.   6 Diplomata Hungariae Antiquissima, 322 f., Nr. 112.  7 Kristó, Die Árpáden-Dynastie, 113.  8 Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 6, 82  ; Varga, Ungarn und das Reich, 154.  9 Varga, Ungarn und das Reich, 153  ; die Bemerkung Ekkehards Anm. 245. 10 Zu den im Einzelnen diskutierten Vorbereitungen Halm, Studien, 476 ff.; Eine allgemeine Einschätzung bei Dendorfer, Heinrich V., 132. 11 Annales Sancti Disibodi, 20, zu 1108  : Henricus rex Pannoniam ingreditur, ubi ob infidelitatem quorundam principum nichil memoriae dignum ab eo agitur. Meyer von Knonau, Jahrbücher Heinrich IV. 6, 86, mit Anm. 24.

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eine Adelsgruppe, der Markgraf Diepold von Cham-Vohburg, Graf Berengar von Sulzbach und Markgraf Engelbert II. von Istrien angehörten, starkes Interesse an der Ungarnpolitik hatte.12 Vancsa stellte vorsichtig die Frage, ob sich vielleicht Leopold III. bei diesem Feldzug dem König gegenüber eher diplomatisch als ergeben verhalten habe.13 Dies nicht ohne Grund  ! Der höchst unterschiedlich beurteilte Feldzug wurde von einem Heer durchgeführt, in dem neben bayerischen Edelfreien Leute kämpften, die zur militärischen Gefolgschaft Leopolds III. zählten. Ihre Namen kennt man aus einer bei der Belagerung von Pressburg ausgestellten Urkunde des Königs, die zwar nur in einer Jahrzehnte jüngeren »Überarbeitung« vorliegt, deren Zeugenreihe aber aus einer echten Vorlage stammt.14 Die Zahl der ritterlichen Kämpfer aus Leopolds Herrschaftsbereich war stattlich. Gerade in diesen Jahren tauchte Graf Wergand von Plain in der Umgebung Leopolds III. auf und auch Graf Gebhard von Poigen war bei der Belagerung von Pressburg anwesend. Bedeutende Grundherren im Heer waren Wolfker von Nalb, die Brüder, die sich nach der Traisen nannten und Pilgrim von Grie-Ranna. Leopolds Gefolgschaft fiel wohl ins Gewicht, wollte man die Schlagkraft der Belagerer beurteilen. Ob sich der Vorwurf der Untreue gegen gewisse Fürsten auf Leopold III. bezog, wissen wir nicht. Die Anwesenheit des Königs war für den Markgrafen jedenfalls nützlich, konnte er doch längst fällige königliche Bestätigungen erhalten, wie jene für das Stift Göttweig, die wenige Wochen vor dem Beginn der Belagerung ausgestellt wurde.15 Leopold  III. war sicher nicht erfreut über die Unterstützung des Feldzugs durch den neuen Böhmenfürsten Svatopluk, der im Jahr zuvor Bořivoy, den Gatten seiner Schwester Gerbirg vom böhmischen Steinthron vertrieben hatte.16 Ob hinter diesem »tagespolitischen« Ärgernis auch ein grundsätzlicher Wandel in der Wahrnehmung von nachbarlichen Aufgaben gegenüber Böhmen stand, geht aus den zeitnahen Berichten nicht hervor. Dass Leopold III. dem König in dieser Zeit gute Dienste leistete, könnte man aus dem Wortlaut einer Schenkung vom 1. Mai 1108 herauslesen  : Der König schenkte drei Königshufen in Brunn im Felde westlich der Mündung des Kamps in die Donau dem Haderich II., Angehöriger einer der bedeutenden Familien in der Mark. Neben der Bitte und der Einwilligung des bayerischen Herzogs Welf V. zugunsten des Empfängers Haderich hob der König vor allem die dilectio und die guten Dienste des Markgrafen Leopold hervor, die ihn zu dieser Schenkung veranlassten. Unter den Fürsten, die als Bittsteller für Haderich auftraten, befanden sich die treibenden Kräfte des Aufstands Heinrichs V. von 1106  : Diepolt der Markgraf von Cham und Berengar von Sulzbach.17 12 Dendorfer, Heinrich V. 132, Anm. 66. 13 Vancsa, Geschichte Ober- und Niederösterreichs 1, 297. 14 Zu dieser Zeugenliste vgl. vorläufig Lohrmann, Herrschaftsverhältnisse, 131–133. NÖUB 2/1, 380 ff., Nr.  10/1. 15 NÖUB 2/1, 75 ff., Nr. 2/3. 16 Cosmae Chronica Lib. III cap. 19, 184 f. Bachmann, Geschichte Böhmens 1, 284. 17 NÖUB 2/1, 367 f., Nr. 9/1, Kommentar 376.

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Es lohnt ein Blick auf die böhmischen Verhältnisse des Jahres 1107, die ja Leopold  III. als nachbarlichen Schwager berühren mussten. Besonders interessiert uns in diesem Zusammenhang die Resonanz auf den Sturz des Fürsten Bořivoy. Dazu schreibt Cosmas  : »Über diese bei den Böhmen bisher unerhörte Tat wunderten sich die angrenzenden Völker und sagten den Verblendeten für die Zukunft Schlimmeres voraus. Die Unglückspropheten in Ungarn freuten sich darüber und die lumpigen Polen wünschten sich mit ihren unbeschnittenen Lippen Glück, weil sie sich der Ruhe erfreuten, während diese Fürsten sich wechselseitig bekämpften.«18 Über Leopold III., Bořivoys Schwager, schweigt Cosmas. Bořivoy ging zunächst nach Polen, wandte sich aber dann an Heinrich V. Er bat um Hilfe und versprach »silberne und goldene Berge« für seine Hilfe. Der König unterstützte aber nach dramatischen Auseinandersetzungen in der Folge einen Vetter Bořivoys namens Svatopluk aus der Olmützer Linie der Přemysliden.19 Diese Entscheidung Heinrichs V. könnte das Verhältnis zu Leopold III. etwas getrübt haben. Für den Feldzug Heinrichs V. nach Ungarn im September 1108 gibt es, wie bereits angedeutet, mehrere Erklärungen  : Mit dem Eingriff in die Auseinandersetzung der árpádischen Brüder König Koloman und Álmos versuchte König Heinrich, Álmos wieder in seine Rechte einzusetzen, die ihm König Koloman hinsichtlich seiner Stellung als dux nördlich der Donau genommen hatte. Álmos hatte sich an einer Bußwallfahrt nach Jerusalem beteiligt und war bei dieser Gelegenheit um einen bedeutenden Teil seiner Macht gebracht worden. Varga bezeichnet die Vorgangsweise des ungarischen Königs gegen Álmos als eklatanten Rechtsbruch.20 Ekkehard von Aura verband den Schlag gegen das Herzogtum mit einem Thronstreit, den Álmos gegen seinen Bruder führte. Álmos bat in Mainz Heinrich  V. um Hilfe. Der König sagte zu, vermutlich wegen der erwähnten Spannungen im Küstenland von Dalmatien. Der Feldzug verlief nach Ekkehard erfolglos, da die Ungarn gewarnt waren und die Flussübergänge befestigt hatten. Die schließliche Belagerung von Pressburg war langweilig und vergeblich und wurde abgebrochen.21 Ein weiteres Motiv für Heinrichs Vorgehen gegen den ungarischen König liefert Cosmas von Prag, der berichtet, dass Heinrich dem Verlangen einiger deutscher Fürsten folgend für das unter den Kreuzfahrern angerichtete Gemetzel Rache nehmen wollte.22 Die Begründung scheint an den Haaren herbeigezogen zu sein  : Die Sache lag immerhin schon mehr als ein Jahrzehnt zurück. Leopold III. befand sich während des Feldzugs gegen Koloman und der Belagerung von Pressburg in einem unangenehmen Dilemma, in das Politiker aller Zeiten immer wieder gelangten. Aufgrund seiner speziellen verwandtschaftlichen und politischen Be18 Cosmae Chronica Lib. III cap. 20, 185 (auch Anm. 2)  ; Übersetzung Cosmas Chronik von Böhmen, 182. Der Pharao, der den Israeliten nicht zuhörte, hatte unbeschnittene (verschlossene) Lippen. 19 Cosmae Chronica Lib. III cap. 20 und 21, 185–188. 20 Varga, Ungarn und das Reich, 152. 21 Ekkehardi Chronica Recensio III, 296  ; Varga, Ungarn und das Reich, 152 f. 22 Cosmae Chronica Lib. III cap. 22, 188.

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ziehungen zu Heinrich  V. musste er seinen Platz im königlichen Heer an der Spitze seines Gefolges einnehmen. Svatopluk verheerte, wie Cosmas berichtet, während der Belagerung Gebiete an der Waag und machte sich auch sonst einer Reihe von Grausamkeiten schuldig.23 Mitten in diese Geschehnisse platzte die Nachricht, dass Bořivoy mit seinen polnischen Verbündeten in Böhmen eingefallen war.24 Leopold wird die Vorgänge in Böhmen nicht gleichgültig betrachtet haben, während er vor Pressburg für seinen Schwager keinen Finger rühren konnte. Eine eventuelle Beteiligung Leopolds III. an Intrigen gegen Svatopluk sind nicht auszuschließen. Ekkehards Verknüpfungen haben eine hohe Wahrscheinlichkeit für sich, dass nämlich die Probleme im adriatischen Küstenland Heinrich  V. bewogen hatten, sich für Álmos einzusetzen. Zudem konnte Heinrich, der erst seit etwas mehr als einem Jahr König war, einen kleinen Umritt in einem Teil des Reichs nach dem Herrschaftsantritt demonstrativ durchführen.25 Daraus ergibt sich auch die Deutung des Feldzugs als eine königliche Initiative, an der Leopold als Markgraf der östlichen Mark im Rahmen seiner traditionell ihm zukommenden Aufgabe beteiligt war. Dafür spricht auch der repräsentative Aufmarsch von geistlichen und weltlichen Fürsten, den uns die Zeugenliste der erwähnten Königsurkunde vermittelt. Problematisch ist eine ungarische Schilderung der Vorgänge, die allerdings erst aus dem 14. Jahrhundert stammt und sich wahrscheinlich auf einen schlecht informierten zeitgenössischen Bericht aus dem Westen stützt. In der ungarischen Schilderung heißt es zum Jahr 1113, Heinrichs V. Feldzug sei erfolgreich gewesen, weil der König einen Frieden zwischen Koloman und Álmos herbeiführen konnte.26 In diesem Bericht ist aber keine Rede von einer Belagerung Pressburgs. Diese ist aber durch die am 29. September vor Pressburg ausgefertigte Urkunde nachgewiesen. Vorbild der ungarischen Darstellung war wohl die Chronik des 1112 verstorbenen Sigebert von Gembloux, der über die Aktivitäten Heinrichs V. in Ungarn schrieb  : Imperator Heinricus contra Ungaros vadit  ; sed facto pacto rediit.27 Sigeberts Eintragung zum Jahre 1109 ist zeitgenössisch. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass er im Gegensatz zu Ekkehard von Aura oberflächlich informiert war. Die Annalen aus der Nachbarschaft in Melk, Admont und Klosterneuburg28 berichten zu 1108 bzw. 1109 ganz eindeutig  : Heinricus rex obsedit castrum Presburch. Sigeberts Chronik erfreute sich großer Bekanntheit, gilt aber trotzdem als eine in vielen Details nicht zutreffende Darstellung. 23 Cosmae Chronica Lib. III cap. 25, 193 f. 24 Cosmas, Chronica Lib. III cap. 22, 189. 25 Brunner, Leopold III., 118 f. 26 Chronici Hungarici compositio, 429 f. 27 Chronica Sigeberti Gemblacensis, 372, zum Jahr 1109. Varga, Ungarn und das Reich, 155. 28 Annales Mellicenses, 500, zu 1108  ; Annales Admuntenses, 577, zu 1109  ; Continuatio Claustroneoburgensis I, 609, zu 1108.

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Der Rückblick des Cosmas auf den Ersten Kreuzzug und das tragische Schicksal der einzelnen Gruppen von Kreuzfahrern in Ungarn wirft neue Fragen zur Nachbarschaft auf. Solange sich die Kreuzfahrer auf Reichsboden befanden, beunruhigten und drangsalierten sie vor allem Siedlungen und Gemeinden der Juden. Dies trifft auch für Prag und damit für Böhmen zu.29 Die Bereitschaft, auch außerhalb der jüdischen Siedlungen zu plündern und damit die Ordnung des Landes zu stören, führte erst in Ungarn zu Konfrontationen, denen König Koloman mit einigem Geschick und Entschlossenheit begegnete.30 Es sei hier auch festgehalten, dass man über mögliche Gewalttaten der Kreuzfahrer bei der Durchquerung Ostarrîchis nichts weiß  : Die Melker Annalen und von ihnen abhängige Aufzeichnungen berichten nur, dass eine bewaffnete Pilgerfahrt nach Jerusalem stattfand, die Stadt erobert wurde und 1101 der bayerische Herzog Welf IV., Erzbischof Tiemo von Salzburg und Ita, die Witwe Leopolds II., ins Heilige Land zogen. Festzuhalten ist, dass Leopold II. am 12. Oktober 1095 starb,31 und erst danach, am 27. November, Papst Urban II. in Clermont seine berühmte Rede hielt,32 die als Auslöser für die Kreuzzugsbewegung gilt. Jedenfalls kennen wir keine Nachrichten über Exzesse der Kreuzfahrer in Ostarrîchi  – ein Teil der über Ungarn in den Osten ziehenden Gruppen kam auf der Donau oder längs des Flusses und durchzog daher das Markengebiet Leopolds III. Nach 1108 scheint es selten zu Kontakten zwischen Heinrich  V. und Leopold  III. gekommen zu sein. 1112 intervenierte er neben Bischöfen und anderen Fürsten beim Kaiser zugunsten des Klosters St. Georgen im Schwarzwald und 1114 bezeugte er im Beisein des Kaisers die Gründungsurkunde des Kärntner Herzogs Heinrich III. für das Kloster St. Lambrecht.33 Gemeinsam mit Leopold traten Diepold (III.) von Vohburg und Berengar von Sulzbach auf, die Verbündeten Heinrichs V. beim Aufstand 1105/06. Das gleichzeitige Auftreten Leopolds III. und Otakars II. auf dem Mainzer Hoftag 1112 könnte nach Meinung von Martina Halm zu Besprechungen über ungarische Angelegenheiten benutzt worden sein.34 Der Konflikt zwischen Koloman und Álmos war noch immer aktuell. Heinrich V. war von Kolomans Herrschaft in Ungarn insofern betroffen, als im Dezember 1111 der Kardinallegat Kuno von Präneste auf einer ungarischen Synode den Bann gegen ihn ausgesprochen hatte. Wenn Leopold III. auch im Vergleich zu Diepold von Cham-Vohburg und Berengar von Sulzbach eine geringe Rolle am Hof Heinrichs V. spielte, gelang es ihm in der Mark, die Zahl seiner Gefolgsleute zu vermehren. Die Zeugenlisten der Schenkungsnotizen, 29 Germania Judaica I, 270. 30 Kristó , Makk, Die ersten Könige Ungarns, 214 ff. 31 Brunner, Leopold III., 86. 32 Mayer, Geschichte der Kreuzzüge, 14. 33 BUB IV/1 Nr.  609  ; Strnadt, Das Gebiet zwischen der Traun und der Enns, 571, 573  ; StUB 1, 117 f. Nr. 99. 34 Halm, Studien, 66.

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die aus dieser Zeit in den Traditionsbüchern überliefert sind, lassen diesen Schluss zu. Es scheint so gewesen zu sein, dass sich Leopolds zunehmend repräsentative Stellung im Reich – Heirat mit Agnes und Thronkandidatur 1125 – und der Ausbau seiner Macht im Inneren wechselseitig aufschaukelten. Mit solchen Erfolgen wuchs das Vertrauen auch mächtiger Grundherren in Leopolds Gerichtsbarkeit und die Durchsetzbarkeit seiner Entscheidungen. Noch vor der Königswahl 1125 stieß Graf Wergand von Plain zur Gerichtsgemeinde Leopolds, als er mehrfach bei den Streitigkeiten um das Erbe des Waldo im Gebiet der Grie anwesend war.35 Wie schon erwähnt, dürften die Edlen von Raabs erst nach Leopolds Tod zur Gefolgschaft der Babenberger gestoßen sein. Solche Verschiebungen führten zu Veränderungen im Grenzraum. Das Streben der an der Grenze herrschenden adeligen Grundherren nach Vergrößerung ihrer Besitzungen durch Rodungen im Nordwald führte allerdings zu Konflikten, die einige Jahrzehnte später als allgemeines Phänomen Probleme bereiteten. Dem grundherrschaftlichen Modell folgend fügten sich diese beiden adeligen Familien, die einen gräflichen und burggräflichen Rang (Raabser wohl seit 1105) innehatten, als Mitglieder der Gerichtsgemeinde in die Herrschaftsorganisation des Markgrafen ein. Die Plainer und die Raabser waren keine Einzelfälle, auch die Grafen von Poigen oder die Garser, ganz zu schweigen von den Kuenringern, waren an der Ausbildung der Herrschaftsverhältnisse in der Zeit Leopolds III. beteiligt. Für das strukturelle Fundament, nämlich Informationen über die Gefolgschaft dieser mächtigen Familien, stehen nur wenige eindeutige Quellen zur Verfügung, diese wenigen sind aber aussagekräftig  : so eine Zeugenliste mit Gefolgsleuten des Erchenbert von Gars aus der Zeit 1156–1171, die wohl auch ältere Zusammenhänge erkennen lässt.36 Leopold III. wurde, wie erwähnt, in der Besitzbestätigung für St. Georgen im Schwarzwald vom 16.  Juli 1112 unter den intervenierenden Reichsfürsten genannt.37 1115 erwähnte ein Schreiber des Klosters St. Florian den Herrschaftsbereich Leopolds III. Der Markgraf befreite die St.  Florian gehörigen Besitzungen und auch die künftigen von allen Abgaben in der Riedmark vel in omnius locis mei regiminis trans Danubium positis.38 Regimen ist ein Begriff, der jede Form von kirchlicher und weltlicher Herrschaft bezeichnen kann. Leopold bezeichnete sich in der Intitulatio dieser Urkunde als Orientalis regionis marchio. Sein regimen war also das eines Markgrafen. Lechner hat mit dieser Formulierung seine Feststellung begründet, dass Leopold III. über seine markgräfliche Würde hinaus eine fürstliche Stellung erworben habe.39 Ob man aus solchen Bezeichnungen auf deutliche Veränderungen der Art des Herrschaftsbewusstseins schließen darf, kann 35 Lohrmann, Herrschaftsverhältnisse, 112. 36 BUB I, 30 f., Nr. 22. 37 Uk. Heinrich  V. Nr.  104   : […]  ob interventum  […]  quorundam nostri regni principum Lupoldi, Odachori […] marchionum (Leopold III. und Otakar II. von Steier). 38 BUB I, 3 Nr. 2. 39 Lechner, Die Babenberger, 132.

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nur im Rahmen einer gesamten Sicht auf das politische Handeln Leopolds beantwortet werden. Die präziseste Frage ist eben jene, ob Leopolds markgräfliches Wirken sich aus einem »Amt« zu einer Funktionserfüllung aus eigenem Herrschaftspotential entwickelte. Einen Hinweis darauf, dass die Entwicklung in diese Richtung verlief, gibt der Inhalt der Urkunde  : Leopold verzichtete auf eine Abgabe, die nach dem Text einer Bestätigung Leopolds VI. aus dem Jahre 1202 das »Marchfutter« war. Der Markgraf begann, die ihm zustehenden Mittel, die ihn befähigen sollten, seinen militärischen und sonstigen Aufgaben nachzukommen, an Klöster zu verschenken. Zeigte sich Leopold III. 1108 vor allem als Markgraf und Gefolgschaftsherr im königlichen Heer Heinrichs V., ist in den folgenden Jahren eine gewisse Distanz zwischen den Schwägern zu erkennen, die man allerdings nicht als Entfremdung deuten sollte. Schließlich gibt es einige Urkunden Heinrichs  V., die in Passau und Regensburg ausgestellt wurden, die aber keinen Hinweis auf Intervenienten oder Zeugen enthalten.40 Man darf aber von einer zunehmenden Unabhängigkeit Leopolds  III. ausgehen. Die Eigenständigkeit Leopolds zeigte sich nicht nur in einer selbstbewussten und geschickten Behandlung von Herrschaftsansprüchen in der Mark gegenüber unabhängigen Machtpositionen (Passau, St.  Peter, die Affäre Klein-Maria-Zell, Aufrollung Vornbacher Grundherrschaften), sondern auch gegenüber dem benachbarten ungarischen König. Seit 1116 herrschte Stephan II. in Ungarn, der nach dem Urteil von Bálint Hóman unüberlegte und übereilte kriegerische Unternehmungen vom Zaun brach.41 Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt fiel er in das Reichsgebiet ein. Stephanus Ungarorum rex […] fines regni clanculo invasit berichtet Otto von Freising in der Weltchronik.42 Otto beginnt die Bemerkung mit dem Hinweis circa idem tempus. Die allgemeine Zeitangabe lässt sich durch eine präzise Nachricht in den Melker Annalen exakt bestimmen. Dort heißt es zum Jahre 1118  : Ungari iuxta fluvium Lithae nos vastaverunt.43 Der gleichlautende Eintrag in Zwettl, Admont und Klosterneuburg ist wohl von den Melker Annalen abhängig.44 In Ottos Weltchronik heißt es dann weiter  : Nachdem Stephan die Grenzlande verheert hatte, zog er mit reicher Beute ab. Leopold III. verfolgte ihn im Bunde mit dem Herzog von Böhmen und drang bis zu den befestigten Plätzen des Landes (zu den Landestoren) vor. Es gelang ihm, ein castrum einzunehmen, das Ferreum genannt wurde, das er anschließend verbrennen ließ. Strittig ist, um welches Bollwerk es sich handelte – Eisenstadt steht zur Diskussion. Bei dem böhmischen Herzog handelte es sich um Leo­ 40 Ukn. Heinrich V. Nrn. 84–86, Juni/Juli 1111. 41 Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 379. 42 Ottonis episcopi Frisingensis chronica Lib. VII cap. 15, 330  ; Lechner, Babenberger, 130  ; Dopsch, Die Länder und das Reich, 263. 43 Annales Mellicenses, 501. 44 Auctarium Zwetlense, 540  ; Annales Admuntenses, 578  ; Continuatio Claustroneoburgensis prima, 612, jeweils zum Jahr 1118.

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polds Schwager Bořivoy.45 Hoensch nennt Vladislav  I. Leopolds Verbündeten.46 Die Datierung der Ereignisse auf 1118 bzw. vielleicht bis 1119 spricht klar für Bořivoy, der erst 1120 zum zweiten Mal gestürzt wurde. Weltin beurteilt den Angriff Leopolds als die erste Offensive, die ein Babenberger gegenüber Ungarn gewagt hatte. Wir haben allerdings an mehreren Beispielen bereits festgestellt, dass manche Details auch in den früheren Auseinandersetzungen mit Ungarn auf eine offensive Strategie deuten. Wichtiger und neu scheint mir der Umstand zu sein, dass Leopold III. 1118/19 nicht mehr im Verband des kaiserlich/königlichen Heeres gegen die Ungarn vorging, sondern sozusagen in eigener Verantwortung. Auch das Bündnis mit Bořivoy mag als Erinnerung der Rolle Böhmens in den kaiserlichen Ungarnkriegen gedeutet werden, zutreffender wäre es allerdings, darin ein Zusammenwirken zweier Mächte zu erblicken, die dabei waren, sich aus den alten Bindungen zu lösen. Das Studium dieser Vorgänge scheint weit geeigneter, die Entwicklung in den Jahrzehnten der Herrschaft Leopolds III. in ihrer Bedeutung zu erkennen als mit Hilfe einer zweifelhaften Sinngebung einzelner Begriffe. Der Konflikt von 1118 betraf offenbar auch die karantanische Mark und da vor allem ihre nordöstliche Ecke, das Pittener Gebiet. Im Schenkungsbuch des Klosters Vornbach wurde verzeichnet, dass Graf Ekbert  II. im Zuge der Vorbereitungen eines Unternehmens gegen Ungarn für den Fall seines Todes dem Stift ein Gut in Muntriching schenkte.47 Es ist wohl richtig, dass Weltin sich bei der Datierung der Schenkung vom Feldzug des Jahres 1118 leiten ließ. Der Überfall Stephans II. bezog sich wahrscheinlich auf den Pittener Grenzabschnitt, vielleicht sogar darüber hinaus nach Süden. Ekbert wurde damals eher im Zusammenwirken mit Erzbischof Konrad von Salzburg tätig als mit Leopold III. Die Lebensbeschreibung Erzbischof Konrads I. von Salzburg, die Heinrich von Gars verfasste, bietet nämlich einen ausführlichen Bericht von einem Friedenschluss zwischen dem Erzbischof und König Stephan II., der vor 1127 ausverhandelt wurde. Nach dem Urteil des Autors beendete dieser Frieden langjährige Kämpfe zwischen den Ungarn und den Bayern in der karantanischen Mark. Der jüngste Angriff auf die steirischen Grenzgebiete fand etwa zur selben Zeit wie die Verwüstungen an der Leitha statt, eher aber einige Jahre später. Der Verfasser der Schrift, der auch Augenzeuge war, streicht den Erzbischof als Urheber dieses Friedens für alle, die in eben dieser Mark wohnten, hervor. Man könnte dies fast als eine Spitze gegen den Markgrafen Leopold den Starken deuten, dem solche Aufgaben eigentlich anvertraut waren. Bis zu ihrer endgültigen Erledigung zogen sich kurzfristig wieder auflebende Streitigkeiten und neuerliche Verhandlungen bis in die Zeit nach dem Tod König Stephans II. 1131 hin. Erst mit seinem Nachfolger 45 So auch Lechner, Babenberger, 130. 46 Hoensch, Geschichte Böhmens, 67. 47 NÖUB 2/1, 289, Nr. 7/25  : […] quomodo comes Ekkebertus in Ungarice expeditionis preparatione predium, quod habuit Muntrichin(n)g, super altare s(ancte) Marie delegavit, si vite finem inibi expleret.

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Béla II., dem Blinden, kamen die Verhandlungen zum Abschluss. Damals war bereits die Vormundschaft für Otakar III. am Werk. Heinrich von Gars schrieb dem Erzbischof Konrad das Verdienst für den Aufschwung zu, den die karantanische Mark nach der Beendigung der Kämpfe mit Ungarn erlebte.48 Das Urteil des Autors über Konrad ist zwar kritisch zu betrachten, doch folgen aus der Tätigkeit des Erzbischofs wichtige Konsequenzen für seine Bedeutung im steirischen Herrschaftsgefüge. In dieser Zeit heißt das offenbar, dass auch Konrad an der Ausbildung der steirischen Landesherrschaft beteiligt war. Die Bedeutung des Salzburger Erzbischofs als steirischer Machtfaktor wurde meiner Ansicht nach bisher kleingeredet. Die Rolle Salzburgs wird uns unter diesen Voraussetzungen bei den Verhandlungen betreffend die Herrschaftsübernahme in der Steiermark durch die Babenberger in den achtziger Jahren des 12. Jahrhunderts interessieren. Zusammenfassend wollen wir uns noch einmal den Beziehungen Leopolds III. zum nördlichen Nachbarn zuwenden. Die ehelichen Verbindungen, die Gerbirg und Ida, Schwestern des Markgrafen, mit böhmischen/mährischen Fürsten eingingen,49 sind, wie bereits betont, mehr als ein genealogisches Detail, das sich aus der nachbarschaftlichen Situation ergeben hätte  : Sie sind ein neues Element in den Beziehungen zu den Nachbarn jenseits der Thaya. Das bisherige Verhältnis zwischen Ostarrîchi und Böhmen war durch den gemeinsamen Dienst für den Kaiser geprägt. Ausdruck fand dies öfter durch die Anwesenheit des Markgrafen und des böhmischen Fürsten im kaiserlichen Heer bei den Feldzügen gegen Ungarn. Daneben gab es seltene Reibereien, die um 1040 auf Bemühungen der Böhmen zurückzuführen waren, größere Unabhängigkeit vom Reich zu erlangen. Berühmt wurde schließlich die Schlacht bei Mailberg im Jahre 1082, die entweder im Rahmen des Investiturstreites zu erklären ist oder doch nur eine dramatische Grenzstreitigkeit war. Die Tatsache, dass der böhmische Sieg keine Folgen hatte, ist wohl ein Hinweis darauf, dass die gesellschaftliche Entwicklung auf beiden Seiten der Gegner so festgefügt war, dass Landgewinn durch einen Schlachtensieg kaum möglich war. Es ist aber zu betonen, dass der Konflikt innerhalb des Reiches stattfand, als dessen Drahtzieher der Autor der Vita Altmanni König Heinrich IV. ausmachte. Die Erzählung des Cosmas über die Umtriebe von Bösewichten an der Thaya und die darauffolgende katastrophale Behandlung des Problems durch Leopold  II., der sich den mährischen Beschwerden gegenüber arrogant verhielt, sieht nur mehr Nachbarn im Streit, wobei ihre Zugehörigkeit zum Reich nicht erwähnt wurde. Denn die Gefolgsleute des Bischofs von Regensburg fochten bei Mailberg nicht im Auftrag Heinrichs IV., sondern sie waren von Vratislav angeworbene Söldner. Diese neuen Verhältnisse fanden ihren Ausdruck durch die Heirat böhmischer Fürsten mit Prinzessinnen aus Ostarrîchi. Nachbarn im Reichsgefüge wurden allmählich benachbarte regna.

48 Zeillinger, Erzbischof Konrad I., 30. 49 Continuatio Claustroneoburgensis I, 612 (Chronicon pii marchionis).

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Besonders bedeutsam erscheint es, dass sich die Beziehungen Leopolds  III. zu Ungarn und Böhmen/Mähren in gleicher Weise ausformten, obwohl unterschiedliche Voraussetzungen in den jeweiligen Beziehungen zum Reich vorlagen. Es war dies wohl eines der Elemente, an denen wir ein deutliches Zurückweichen der fränkisch-kaiserlichen Hegemonie in der Organisation des lateinischen Westens erkennen können. Dabei muss man sich allerdings der Tatsache bewusst sein, dass schon Friedrich Barbarossa eine historisierende Belebung dieser Gedankenwelt, konkret der Welt Karls des Großen, für aktuelle programmatische Zielsetzungen nutzte. Diese Umformung der (mittel)europäischen »Staatenwelt«, die nun neben den Universalgedanken einer Weltordnung trat, war wohl die bedeutsame gedankliche Grundlage, auf der sich überzeugend eine neue Macht formieren konnte.

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Leopold IV. und Heinrich II. als bayerische Herzöge und Markgrafen Das »politische« Werk eines neuen Verständnisses der Rolle Ostarrîchis im mitteleuropäischen Raum scheint in der Zeit Leopolds III. zu einem gewissen Abschluss gekommen zu sein. Im Frühjahr 1139 wurde sein Nachfolger Markgraf Leopold IV. Herzog von Bayern und übte damit die Herrschaft in jenem Gebiet aus, unter dessen adeligen Familien einige an der Entwicklung der eigenständigen Struktur Ostarrîchis beteiligt waren. Ursache für die Erhebung des jüngeren Leopold zum Herzog war das Bestreben König Konrads  III., die Machtbasis seines Konkurrenten, des Welfens Heinrich des Stolzen, zu schmälern. Heinrich wäre als König der sozusagen logische Nachfolger seines Schwiegervaters Kaiser Lothar gewesen. Es kam aber anders. Mit einer geschickt inszenierten Proklamation ließ sich Konrad in Koblenz zum König ausrufen. Dieser »Staatsstreich«, wie Odilo Engels den Vorgang nannte, hatte Erfolg, doch das Reich und seine Machtträger standen vor einem nahezu unlösbaren Konflikt.1 Konrads Maßnahmen richteten sich notwendig gegen Sachsen und Bayern – im Süden war sein Halbbruder die wichtigste Karte im gefährlichen Spiel.2 Ferner schätzte König Konrad III. die Schlagkraft der Gefolgschaft und Bündnispartner der Babenbeger wohl hoch ein.3 Er traute seinen Halbbrüdern aus Österreich zu, mit den Welfen und ihrem Anhang fertigzuwerden und Bayern damit für das Reich in gewissem Umfang verfügbar zu machen.4 Schon bald nach Konrads Wahl am 13. März 1138 huldigten die bayerischen Großen dem neuen König. Bis Weihnachten des Jahres 1138 waren vorläufig die Fronten geklärt  : im August wurde dem Welfen Sachsen aberkannt, im Dezember Bayern. Der rasche Zusammenbruch der Stellung Heinrichs des Stolzen in Bayern kam nicht ganz unerwartet  : Schneidmüller stellte fest – allerdings ohne nähere Belege anzugeben –, dass die Intensivierung und Modernisierung der welfischen Herzogsgewalt in Bayern seit 1127, also etwa seit dem Herrschaftsantritt Heinrichs des Stolzen, keine tragfähigen Loyalitäten des Adels gegenüber dem Herzog hervorgebracht hatte.5

1 Engels, Die Staufer, 32 f. 2 Dendorfer, Von den Babenbergern, 229, sieht in der Einsetzung Leopolds einen charakteristischen Teil der »Verwandtenpolitik« des Königs. 3 Zu der Frage der Gefolgsleute bzw. Bündnispartner Zehetmayer, Zum Gefolge des Adels, 39. 4 Entsprechende Bemerkungen bei Appelt, Bayern, 58, der die Verwandtschaft zwischen Konrad III. und Leopold IV. als Hauptmotiv der Erhebung des Babenbergers bestritten hat. Vgl. auch Ziegler, Konrad III., 446. 5 Schneidmüller, Die Welfen, 176 f., Eine zusammenfassende Darstellung der Ereignisse nach Konrads Wahl, 175 f.

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Noch 1138 setzte Konrad in Sachsen Albrecht den Bären als Herzog ein, im Frühjahr 1139, wie gesagt, den Babenberger Leopold IV. in Bayern. Leopold und Konrad waren bekanntlich über ihre Mutter Agnes Halbbrüder. Die Bedeutung der Verwandten in König Konrads Maßnahmen wird auch in der Berufung von Leopolds Bruder Otto zum Bischof von Freising deutlich. Otto wurde zwischen dem 6. November und dem 9. Dezember 1138 geweiht. Sein direkter Vorgänger Matthäus war Nachfolger des am 9. Oktober 1137 verstorbenen Bischofs Heinrich I. Matthäus bekleidete das bischöfliche Amt nur kurze Zeit und es ist nicht ausgeschlossen, dass er von Konrad III. abgesetzt wurde.6 Auch an der Erhebung Reginberts von Hagenau zum Bischof von Passau war der König wahrscheinlich beteiligt, denn dieser war vor der Wahl erst Diakon und erhielt von Papst Innozenz  II. die Priester- und die Bischofsweihe.7 Leopolds Einsetzung zum Herzog in Bayern gingen im Bereiche der bayerischen Bischofsbesetzungen offenbar wichtige Eingriffe Konrads III. voraus. Neben der Bedeutung der Verwandtschaft des Königs ist aber auch zu berücksichtigen, dass Leopold und Albrecht in Sachsen im Rang direkt hinter dem Herzog standen und bei der Bewältigung ihrer grenzstrategischen Aufgaben bereits ihre Vorgänger nicht nur eine Sonderstellung des jeweiligen Herrschaftsgebietes, sondern auch eine gewisse Selbständigkeit aufgebaut hatten.8 Es ist Leopold betreffend daran zu erinnern, dass babenbergische Markgrafen bereits im 11. Jahrhundert bayerische Angelegenheiten beeinflusst oder sogar gelenkt hatten.9 Diese ältere starke Position in Bayern beruhte schon damals auf dem markgräflichen Auftrag, den der zweite Markgraf Heinrich  I. auch schon östlich des Wienerwaldes erfüllte, und auf einer ansehnlichen Stellung als Inhaber bayerischer Grafschaften im Schweinach- und Unteren Donaugau. Die spezifische Situation Leopolds IV. hingegen war geprägt durch seine Repräsentation als Angehöriger der Dynastie der Babenberger, die Verwandtschaft mit Saliern und Staufern und durch die Herrschaftsordnung seines Vaters  : Als Gerichtsherr und Heerführer hatte der Markgraf das Heft in der Hand, die konsensuale Entscheidung bei Gerichtsversammlungen machte die Mitwirkung des Adels bei der Urteilsfindung notwendig. Die Sache hatte allerdings ambivalente Auswirkungen  : Der Markgraf hatte die Themenführung, konnte dabei aber von seinen Verwandten, Freunden und Getreuen im Stich gelassen werden. König Konrads III. Entscheidung war insofern pragmatisch gedacht, als der König es zum Teil seinem Halbbruder überließ, den welfischen Gegner zu bekämpfen, und ihm zutraute, den Frieden im staufischen Sinne in Bayern herzustellen.10 So schätzte etwa Riezler die Machtverhältnisse in Bayern derart ein, dass er Leopold IV. für den mächtigsten Fürsten in Bay 6 Bernhardi, Jahrbücher Konrad III. 1, 69 f., besondes Anm. 44.   7 So die plausiblen Überlegungen Zurstrassen, Die Passauer Bischöfe, 63, mit Anm. 10.  8 Schneidmüller, Die Welfen, 177.   9 Zu Markgraf Heinrich I. oben 84. 10 Ziegler, Konrad III., 446.

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ern hielt.11 Reindel differenzierte dieses Urteil und nannte ihn den nach dem Herzog mächtigsten Dynasten im bayerischen Stammesherzogtum.12 Das sind recht pauschale Urteile, die im Einzelnen erst überprüft werden müssen, zumal die Rechnung Konrads III. nicht aufging. Auch Otto von Freising schildert die Ausgangsposition seines Bruders recht allgemein  : Dem Markgrafen Leopold, der das Herzogtum Bayern empfangen hatte, hätten sich fast alle dazugehörigen Barone aus Zuneigung oder Furcht unaufgefordert angeschlossen.13 Leopold IV. nahm die Herausforderung, sich als Herzog von Bayern durchzusetzen, zweifellos an. Es gelang ihm zunächst, die »Metropole« Regensburg seiner Herrschaft zu unterwerfen.14 Dies war ein erster, nicht nur symbolischer Schritt, sich glaubhaft als Herzog von Bayern darzustellen. Der folgende Ritt zu den Gerichtstagen am Lech ins welfische Kerngebiet war weniger ein Umritt in Bayern als ein »Durchritt«. Offenbar nahm Leopold IV. die Fortsetzung seiner »dynastischen Karriere« als Herzog von Bayern sehr ernst, indem er den Anspruch stellte, die herzoglichen Aufgaben in einem Gebiet auszuüben, das unter dem Einfluss der Welfen und ihrer Parteigänger stand. Der optimistische Aufbruch Leopolds IV. in das bayerische Abenteuer lässt sich auch in der Intitulatio seiner Urkunden erkennen. Vielleicht direkt nach seiner Bestellung zum Herzog auf dem Weg nach Regensburg beurkundete er einen schon 1137 geleisteten Verzicht auf Güter am Wimberg und in Walpersdorf (bei Ottenschlag) zugunsten des Stiftes St. Florian. Er urkundete als [ego] Liupoldus divina favente clementia Bawarie dux. Die Zeugenliste bezieht sich auf den Verzicht von 1137.15 Im folgenden Jahr bestätigte Liupaldus dei gratia Bauuariorum dux ein Tauschgeschäft zwischen dem Kloster Prüfening und dem Burggrafen Otto von Regensburg.16 Der Rechtsakt fand im Juli in St. Lorenz am Regen statt. Da es sich bei dem hier erwähnten Gut Buch um ein Lehen vom Reich handelte, bestätigte auch König Konrad III. einige Tage davor den Tausch. Die Beurkundung von Leopolds Zustimmung erfolgte durch Robert, einen Regensburger Kanoniker und Kapellan des Herzogs Leopold.17 Leopold gebrauchte offenbar nach seiner Einsetzung ein der neuen Würde entsprechendes Siegel.18 1140/41 urkundete er als Ego Liutpoldus dux Baiorie und 1141 für das Stift Reichersberg Ego Liudpoldus die

11 Riezler, Bayerische Geschichte 1, 631. 12 Handbuch der bayerischen Geschichte 1, 338. 13 Ottonis episcopi Frisingensis chronica Lib. VII cap. 25, 349  : Leopaldus marchio suscepto a rege ducatu Norico, omnibus pene baronibus ad eum pertinentibus amore seu terrore ultro ad eum confluentibus. 14 Ottonis episcopi Frisingensis chronica Lib. VII. cap. 25, 349  : primo metropolim ac sedem ducatus Ratisponam ditioni suae subdidit. 15 BUB I, 17, Nr. 12. 16 BUB I, 17 ff., Nr. 13. 17 Mitis, Studien, 292, zu Robert, Regensburger Subdiakon. 18 Mitis, Studien, 294 ff.

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gratia Bauuariorum dux.19 In den Urkunden findet sich kein Hinweis auf Österreich und die Würde eines Markgrafen. Dies war wohl ganz im Sinne des Königs und des neu erhobenen Herzogs von Bayern  : Die Kontrolle über Bayern war ein wichtiger Pfeiler in der Politik Konrads III. und Leopold wollte sich in der Position eines Herzogs behaupten. Die Entschlossenheit, mit der sich Leopold seiner bayerischen Aufgabe widmete, war wohl die Ursache, dass er auf den Gebrauch des Titels marchio verzichtete. Durchwegs nennt ihn seine Umgebung Herzog oder Herzog von Bayern. Es ist selbstverständlich, dass der König als Drahtzieher von Leopolds Erhebung in den von ihm ausgestellten Urkunden seinen Halbbruder Herzog von Bayern nannte.20 Es erhebt sich aber die Frage, ob vielleicht aus den Formulierungen in den Klosterannalen bezüglich Leopolds Herzogtum eine von den bisherigen Zeugnissen abweichende Übung erkennbar ist. In Melk berichtete man zum Jahre 1141, dass Leopold, der dux Bauwarie et marchio, am 18. Oktober 1141 gestorben sei.21 In Klosterneuburg fügte man hinzu, dass er marchio Austriae war.22 In der Welfengeschichte stellte der Autor fest, dass Leopold bei seinem Tod auch eine Herrschaft in der Mark hinterließ, die sein Bruder Heinrich übernahm.23 Erst anlässlich seines Todes berichten also einige Klosterannalen, dass Leopold auch Markgraf gewesen war.24 Die Erwähnung seiner Funktion als Markgraf könnte als vollständige Aufzählung seiner Würden während seines Lebens zu deuten sein  : Vor seiner Erhebung zum Herzog von Bayern war er eben Markgraf gewesen. Eine aktuelle Bedeutung des Bezugs auf die Funktion eines marchio war damals wohl nicht gegeben. Der konsequente Verzicht auf die Darstellung der Würde eines Markgrafen ist ein Hinweis darauf, dass zumindest Leopold die Mark durchaus als Teil der Herrschaft in Bayern betrachtete und in diesem Sinne Mark und Herzogtum intensiver aneinander binden wollte. Diese Vorstellung scheint aber in politisch relevanten Kreisen in der Mark nicht durchsetzbar gewesen zu sein.25 Der wichtigste Grund dafür dürfte in der Haltung der Dienstleute der Babenberger zu suchen sein. Die politischen Ziele Leopolds und die aus den Machtverhältnissen resultierende Herrschaftsstruktur in der Mark deckten sich in diesem Punkt keineswegs. Ein Ministerialenaufstand im Jahre 1145 ließ die Konflikt-

19 BUB I 19 Nr. 14, 21 Nr. 15. 20 MGH DD Konrad III. 54 Nr. 33, 56 Nr. 34, 59 Nr. 36, 60 Nr. 37, 83 Nr. 49, 108 Nr. 61 und 110 Nr. 62. 21 Annales Mellicenses, 503. 22 Annales Claustroneoburgenses, 614. 23 Historia Welforum cap. 25, 72  : in marchiam frater suus Heinricus successit. 24 Annales Sancti Rudberti Salisburgenses, 775 zu 1141  : Liupoldus dux et marchio obiit  ; anders Continuatio Admuntensis, 580  : Liupoldus dux Bawariorum obiit. 25 Zehetmayer, Die Babenberger als Herzöge von Bayern, 215.

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linien deutlich hervortreten.26 Wenn es richtig ist, dass die militärischen Anforderungen in den bayerischen Kämpfen den Groll der Ministeralen hervorriefen, müssen wir feststellen, dass deren politischer Horizont zu eng war, um die eigenen Chancen in der bayerischen »Politik« Leopolds und später auch in den etwas gebremsten Bemühungen Heinrichs Jasomirgott zu erkennen. Vielleicht bildete Adalbero von Kuenring eine begreifliche Ausnahme, der in Urkunden und Notizen für bayerische Empfänger als Zeuge genannt wurde. In einem Fall war Leopold IV. nicht anwesend.27 Die vollkommen unpolemische Darstellung der Nachfolge Heinrichs Jasomirgott in der Mark in der Welfengeschichte zeigt, dass der politische Wille König Konrads III. und Herzog Leopolds IV. die Vorstellung von einer Mark nicht verdrängen konnte. Im Kapitel 25 heißt es  : »Nicht viel später starb Leopold, und sein Bruder Heinrich folgt ihm in der Mark.« Anders verhielt es sich mit den Interessen der mit den Babenbergern zusammenwirkenden Grafen und Edelfreien, deren räumlich-politische Machtentfaltung über die Mark hinausreichte und z. B. an den Ufern des Inns und der Salzach im Nordgau oder im Traungau lag. Sie waren eine mögliche politische Kraft, die in die Richtung einer Annäherung von Bayern und der Mark wirkte, und waren oft als Getreue und Freunde des Herzogs in Bayern unterwegs. Die Ausgangsposition Heinrichs Jasomirgott unterschied sich von der seines Bruders beträchtlich. Heinrich, damals auch Pfalzgraf bei Rhein, ist erstmals im Jänner/Februar 1142 als Markgraf in Ostarrîchi nachweisbar.28 Damals scheint Konrad III. auf Verhandlungen gesetzt zu haben, um einen Ausgleich mit den Welfen zu erzielen. Eine Schlüsselrolle fiel dabei Gertrud, der Tochter Kaiser Lothars und Witwe Heinrichs des Stolzen, zu. Es gelang ihr, ihren Sohn Heinrich den Löwen in Sachsen als Herzog durchzusetzen. Im Gegenzug verzichtete dieser auf Bayern. Gertrud heiratete nach dem Abschluss dieser Vereinbarungen im Mai 1142 Heinrich Jasomirgott, der ein gutes halbes Jahr später zum Herzog von Bayern erhoben wurde.29 Die Lage in Bayern war Ergebnis eines Kompromisses, der weitere Kämpfe verhindern sollte. Das früheste schriftliche Zeugnis, in dem Heinrich als bayerischer Herzog bezeichnet wurde, ist in den Zeitraum nach dem Jänner 1143 und vor den 18. April 1143, das Todesdatum seiner Gattin Gertrud, zu setzen. Es handelt sich um eine Schenkung an das Kloster St. Peter in Salzburg, die Heinrich prenobilis Bavarie dux idemque marchio vollzog. Auch an einer weiteren Stelle im Text ist vom dux und marchio die Rede.30 Wann man die Eintragung in den Traditionskodex von St.  Peter vornahm, ist nicht festzustellen. 1156, wahrscheinlich ziemlich knapp vor dem Regensburger Tag, übergab Heinrich dem 26 Vgl. unten 272. 27 Für Aldersbach 1140 Monumenta Boica 5, 297, Nr. 1, hier auch Heinrich von Gundramsdorf. 28 MGH D Konrad III., 115 ff., Nr. 66  : interventu […] Heinrici marchionis. 29 Regesta imperii IV/1 Nrn. 240 und 265  ; Zehetmayer, Die Babenberger als Herzöge von Bayern, 195. 30 BUB IV/1 Nr. 748.

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Kloster St. Peter neuerlich Dornbacher Besitz und urkundete als dux Bawarie et marchio Austrie.31 Wenn auch die Schreiber in den Urkunden und Traditionsnotizen überwiegend den Titel dux Bawarie und ähnliche Formulierungen verwendeten,32 findet sich oftmals auch der Titel eines Markgrafen.33 Jene Urkunden und Traditionsnotizen, in denen der Titel eines marchio Austriae gebraucht wird, sind Fälschungen oder später verfälschte Texte. Diesen Befund hat bei sich bietender Gelegenheit Heide Dienst herausgearbeitet, als es 1997 ein Jubiläum zur angeblich 850  Jahre alten Erstnennung Austrias im Sinne Österreichs zu feiern galt. Gegenstand des Jubiläums war eine am 25. Februar 1147 für das Stift Klosterneuburg ausgestellte Urkunde Konrads III.34 Der König bestätigte dem Stift alle Güter, die diesem vom Reich und a duce ac marchione Heinrico […] necnon ab eius predecessoribus Austrie marchionibus den Kanonikern übergeben worden waren. Für unseren Zusammenhang ist wichtig, dass Heinrich Jasomirgott hier als dux ac marchio bezeichnet wurde, die Titulatur seiner Vorgänger als marchiones Austrie ist für die vorliegende Untersuchung nicht von Belang. Trotzdem sei festgehalten, dass es sich bei dem überlieferten Text um eine spätere Verfälschung handeln könnte, wofür Dienst einige Argumente liefert. Diese Unsicherheit wurde seit 1997 nicht beseitigt – auch im neuesten Kommentar zu der Urkunde blieben Fragen offen.35 Im Februar/März 1143 griff Jasomirgott an der Seite Konrads  III. in die Kämpfe gegen Welf VI. ein und übernahm damit die Rolle seines Bruders, zumal der Tod Gertruds ein Auslöser für den Ausbruch neuer Kämpfe gewesen sein dürfte. Welf hatte die schwäbischen Güter Konrads  III. angegriffen, wobei ihn der spätere König Friedrich Barbarossa unterstützte.36 In Berchtesgaden bezeichnete man Heinrich als dux Bauuarorum oder dux Bauuarie.37 Dass König Konrad III. seinen Bruder als Herzog von Bayern titulierte, ist wohl keine Überraschung. In der schon erwähnten Urkunde für Klosterneuburg aus dem Jahre 1147 wird Heinrich als dux und marchio bezeichnet. Das ebenfalls im Februar 1147 ausgestellte Diplom für Zwettl enthält wiederum den Titel eines Herzogs

31 BUB I, 31 f., Nr. 23. 32 Auffällig in einer erzählenden Passage, als es um die Eheschließung mit Theodora ging, der Titel Heinricus dux ferocissime gentis Bawarie. NÖUB 2/1, 521, Nr. 14/8. 33 Oppl, Die Regelung, 49, mit Bezug auf Urkunden Konrads III. MGH D, 192 f., Nr. 107. Manegold von Werd besitzt ein Lehen vom dux Bawarorum Heinrich, das er eben diesem duci et marchioni aufsagt. 34 MGH D Konrad III., 312 f., Nr. 173  ; NÖUB 2/2, 699 ff., Nr. 22/10  ; Dienst, Namenstag, 1–13. 35 NÖUB 2/2, 707  ; Weltin vermerkte an dieser Stelle die Kritikpunkte von Dienst, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Marchfutters und der Burgwerksabgaben erwies er allerdings als unbegründet. 36 Regesta imperii IV/1 Nrn. 271 und 272. 37 NÖUB 2/2, 650, Nr. 21/11 und 652 Nr. 21/12.

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von Bayern.38 Der Passauer Bischof Konrad, Bruder Herzog Heinrichs, bezeichnet ihn als dux Bawarie, der in Thalheim in der Nähe von Wels einen Gerichtstag abhielt.39 Erklärungen für den wechselnden Gebrauch des Markgrafentitels können nur durch eine Analyse der Schreiber oder Verfasser der Urkunden, Traditionsnotizen und historiographischen Nachrichten gewonnen werden. Für die Beurteilung ihrer Tätigkeit spielen ältere Schriftstücke in derselben Sache eine wichtige Rolle. So war in St. Peter in Salzburg betreffend der Dornbacher Schenkungen der Gebrauch beider Titel Heinrichs Jasomirgott offenbar üblich. Ursache dafür war jene Aufzeichnung, in der über die Rückstellung der Güter »an der Als« bei Wien berichtet wurde, die Markgraf Leopold III. durchführte. Aus diesem Text war auch dem späteren Schreiber der marchio geläufig. Daraus folgt, dass sich aus den vorhandenen Texten nur mit großem interpretatorischen Wagemut eine Entwicklung herauslesen lässt, die von einer gewissen Euphorie beim Erwerb der bayerischen Herzogswürde bis zur Resignation seit etwa 1149 führte. Die Überprüfung der in Urkunden und anderen Texten für die bayerischen Herzöge aus dem Haus der Babenberger gebrauchten Titel zeigt, dass die in den Zeitraum 1139– 1156 gehörigen Stücke meist den Titel eines Herzogs von Bayern aufweisen. Die gesonderte Erwähnung als marchio in den einschlägigen Annalenstellen ist gut zu erklären (man charakterisierte den Herrscher nicht nur mit Bezug auf seine Zeit als bayerischer Herzog) oder es gab eine Art sachbezogenen Archivfonds von Schriftstücken, deren Formulierung man vom ältesten Stück ableiten kann. Die Titelanalyse lässt zwei Schlüsse zu  : Die Babenberger selbst waren am Gebrauch ihres neu erworbenen Herzogstitels natürlich interessiert. Der Rang der Dynastie war den beiden Herzögen wichtiger als die Rücksichtnahme auf die erst von ihrem Vater vollendeten Strukturen in der Mark. Letztlich versuchten sie, ihre markgräfliche Gewalt unter der Herzogswürde zu subsumieren. Das ist jener Vorgang, den Ferdinand Opll als Streben nach Vereinigung der Mark mit Bayern gekennzeichnet hat.40 Es erhebt sich die in dieser Form wohl zu direkte Frage, ob ein dauerhafter Erfolg der Babenberger als Herzöge von Bayern das »Projekt Österreich« beendet hätte. Mit den Babenbergern an der Spitze Bayerns wäre dies möglich gewesen. Dabei ist aber Folgendes zu bedenken  : Die Bezüge auf Heinrichs Jasomirgott Herrschaft in Österreich, auf die der Gebrauch des Titels marchio verweist, sind zum einen auf seine labile Position als Herzog von Bayern zurückzuführen  ; zum anderen verweisen sie auf den Umstand, dass es ein Eigenbewusstsein in der Mark gab, das sich auf die geschaffenen Herrschaftsstrukturen stützte und überwiegend von den Dienstleuten der Babenberger getragen wurde. Diese gewannen auch schon in der bayerischen Zeit des Jasomirgott zunehmend Einfluss. Es ist wahrscheinlich, dass sich dieses Österreich auch von einem babenbergi38 MGH D Konrad III. 315 Nr. 174. 39 Die Traditionen des Hochstifts Passau 230 Nr. 727. 40 Oppl, Regelung, 49. Dagegen Zehetmayer, Die Babenberger als Herzöge von Bayern, 215.

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schen Bayern unter Führung des neuen Adels gelöst hätte. Dieser übernahm ja dann in den Jahren lebhafter Veränderungen nach dem Tod Friedrichs des Streitbaren tatsächlich schon unter dem letzten Babenberger die Funktion österreichischer Landherren. An die bisherigen Ausführungen anschließend sind die Verhältnisse darzustellen, welche die Entscheidung gegen die Babenberger in Bayern gebracht haben. Die Rolle Leopolds IV. und Heinrichs Jasomirgott im Konflikt mit Welf VI. und Heinrich dem Löwen in einem Bündnis mit Konrad III. kann auch als nachbarlicher Konflikt gedeutet werden. Der Konflikt beruhte auf der spezifischen Rolle Bayerns im Herrschaftsgefüge des Reiches. Der Rang des Herzogs galt als die höchste Würde des Reiches nach dem König. Das Scheitern Leopolds und vor allem Heinrichs an der bayerischen Herausforderung, die sich noch in den letzten Jahren von Konrads Herrschaft abzeichnete, beruhte auf dem Ausscheiden einiger einflussreicher Machtträger aus dem Verband der königlichen und daher babenbergischen Parteigänger. Bedeutende Machtträger Bayerns verstarben, andere verließen das Bündnissystem Konrads III.: Davon betroffen waren neben anderen die Sulzbacher, Domvogt Friedrich von Regensburg, Berthold von Dießen-Andechs und Burggraf Heinrich von Regensburg.41 Die Zugehörigkeit der Babenberger zum antiwelfischen Bündnis König Konrads konnte die Wirkung verlässlicher eigener Bindungen an adelige Machtträger Bayerns nicht ersetzen. Fraglich ist, wie fremd die Babenberger Markgrafen bestimmten bayerischen Machtträgern geworden waren.42 Da gab es Verwandte und Freunde, Getreue vielleicht weniger, aber vor allem jenen Adel im Traungau, der sich von einem bayerischen Verband zur Gefolgschaft der Otakare und sogar der Babenberger zu verändern begann. Forschungen wie zum Beispiel Dendorfers umfangreiche Untersuchung zu den Grafen von Sulzbach43 oder Loibls bedeutende Arbeit über den Herrschaftsraum der Vornbacher,44 sind wichtige Beiträge zur Kenntnis der Machtverhältnisse und vor allem für die vielfältigen Voraussetzungen für die Gruppenbildung im bayerischen Adel. Zur Präzisierung der Beurteilung der Machtverhältnisse müssten allerdings noch weitere Studien durchgeführt werden. Die verfügbaren Quellen würden solche Forschungen begünstigen.45 Ein kleines Lehrstück dieser Art ist die Skizze, die Günther Flohrschütz zu den Herren bzw. Grafen von Ronningen verfasst und sie als Zweig der Regensburger Burggrafen identifiziert hat.46 Durch diese Zuordnung werden sie als Parteigänger der Babenberger erkennbar. Weiters legte Roman Zehetmayer eine grundlegende Studie 41 Zehetmayer, Die Babenberger als Herzöge von Bayern, 204 f. 42 So der Ausgangspunkt einiger Überlegungen von Brunner, Das Privilegium minus, 202, mit einem eindrucksvollen Nachweis der Fremdheit eines Bayern in der Mark nach einer Klosterneuburger Traditionsnotiz FRA II/4 Nr. 731. 43 Dendorfer, Adelige Gruppenbildung. 44 Loibl, Der Herrschaftsraum. 45 Dendorfer, Von den Babenbergern, 228. 46 Flohrschütz, Die Halterau, 83 ff.

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zum Hintergrund des militärischen Potentials der Babenberger und des Adels mit bedeutendem Besitz in der Mark vor.47 Für die Machtbasis der Babenberger als bayerische Herzöge scheint ihr Verhältnis zu Otakar  III. (etwa 1139/40–1164) von grundlegender Bedeutung gewesen zu sein. Bekannt ist Otakars Konflikt mit Heinrich Jasomirgott im Jahre 1145, der weiter unten behandelt wird. Zunächst erhebt sich die Frage, ob nicht die grundsätzliche Konstellation in der Auseinandersetzung um das bayerische Herzogtum einen Gegensatz zwischen den benachbarten Dynasten im markgräflichen Rang verursachte. Otakars III. Mutter Sophia, seit 1122 Gattin und später Witwe Leopolds des Starken († 1129), die etwa 10 Jahre lang für ihren Sohn die Herrschaft in der Steiermark ausübte, war eine Welfin. Ihre Brüder waren Heinrich der Stolze und Welf VI., ihre Schwester Judith war die Mutter Friedrich Barbarossas. Die Genannten waren Gegner König Konrads  III. oder standen ihm kritisch gegenüber. Als Otakar schließlich die Herrschaft übernahm, war er 14 oder 15 Jahre alt und wird wohl auch weiterhin von seiner Mutter und einigen Ratgebern abhängig gewesen sein. Das Umfeld der Ratgeber ist in seiner Bedeutung schwierig einzuschätzen, da es bald in Bewegung geriet. Die edelfreien Familien, die während der Regentschaft seiner Mutter in ihrer Umgebung nachweisbar sind,48 verloren durch gewaltsames Vorgehen ihren Einfluss, was oft durch sogenanntes Aussterben oder freiwilligen Übertritt in die otakarische Dienstmannschaft bemäntelt wurde.49 Nachdem am 9. März 1152 König Friedrich I. Barbarossa den Thron bestiegen und sich zunächst in Aachen und im Norden des Reiches aufgehalten hatte, gelangte er Ende Juni, Anfang Juli nach Regensburg. Markgraf Otakar ist am 5. Juli in der Zeugenliste einer Urkunde Friedrichs genannt ist, an deren Spitze der bayerische Herzog Heinrich Jasomirgott stand.50 Während der Babenberger danach das Gefolge des neuen Königs verließ, können wir Otakar in Ulm und im August sogar in Speyer in der Umgebung Barbarossas nachweisen. Daraus ist der Schluss erlaubt, dass der Babenberger den Hof mied und Otakar sich durch außerordentliche Nähe zum König in die Reihe der Befürworter eines Ausgleichs mit den Welfen einreihte.51 Diese grundsätzlichen Überlegungen und Hinweise auf konkrete Situationen zeigen, dass das Verhältnis Otakars III. zu Leopold IV. und Heinrich Jasomirgott im Lichte ihres Bündnisses mit Konrad III. Konfliktstoff beinhaltete. Otakars feindliche Rolle beim Ministerialenaufstand gegen

47 Zehetmayer, Zum Gefolge des Adels, 25–49. 48 Dopsch, Die steirischen Otakare, 116 f. 49 Zu den Problemen Dopsch, Die Länder und das Reich, 281 ff. 50 MGH D Friedrich  I., 24 f., Nr.  13. Die Zeugenliste ist allerdings ungeeignet, Freund und Feind zu unterscheiden  : auf Herzog Heinrich folgt sein Gegner Herzog Welf, dann Otakar und der Wittelsbacher Pfalzgraf Otto. Bedeutungsvoll erscheinen noch Liutold von Plain, Berthold von Bogen, der Regensburger Burggraf Otto und Graf Konrad von Ronningen. 51 Zehetmayer, Die Babenberger als Herzöge von Bayern, 205  ; Plassmann, Die Struktur des Hofes, 94.

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Jasomirgott im Jahre 1145 war kein überraschendes Ausscheren aus einem bisher klaglos funktionierenden Bündnis.52 Zunächst scheint Otakars Zusammenarbeit mit dem bayerischen Herzog reibungslos verlaufen zu sein. Der steirische und der österreichische Markgraf (!) wirkten zwischen 1138 und dem 18. Oktober 1141 gemeinsam auf einem Landtag in Tulln, als During, der Pfarrer von Abstetten, zwei Weingärten an das Kloster Garsten schenkte. Die Durchführung der Schenkung oblag Ottacher, dem marchio de Styra, der damit als sogenannter Salman tätig wurde. Die Rechtshandlung wurde in audientia domini Liupoldi marchionis Austrie abgewickelt.53 Da der Landtag in Tulln, also in der Mark stattfand, ist es denkbar, dass Leopold IV.vom Schreiber, der aus dem Kloster Garsten kam, gewohnheitsmäßig als Markgraf bezeichnet wurde, obwohl er wahrscheinlich schon Herzog von Bayern war. Dafür spricht folgende Beobachtung  : Die Zeugen Gebhard von Sulzbach und Adalbert I. von Bogen weisen bereits auf Verbindungen Leopolds zum Adel im Donauraum zwischen Passau und Regensburg und im Nordgau hin. Es ist bemerkenswert, dass die beiden bayerischen Großen nach Tulln reisten – die Schenkung des Pfarrers von Abstetten interessierte sie wohl kaum, offenbar gab es mit dem Herzog einiges zur Lage in Bayern zu besprechen. Der Tullner Landtag gehört vielleicht in das Jahr 1140. Damals erhielt das Stift Heiligenkreuz bei Gelegenheit einer Tullner Versammlung das Gut Trumau. Auch hier trat Otakar als Zeuge auf  ; neben ihm ist wieder Adalbert von Bogen genannt.54 1140 hatte der steirische Markgraf sein Amt sicher schon angetreten. Noch 1143 bezeugte Otakar die Übergabe eines Gutes in Dornbach an das Kloster St. Peter in Salzburg durch Herzog (Markgraf ) Heinrich.55 Seine Beziehungen zu Konrad  III. beschränkten sich hingegen auf eine einzige nachweisbare Anwesenheit bei Hof und mehrere Male auf seine Zustimmung zur Verschenkung von Lehnsbesitz, der vom König abgeleitet war, aber dem steirischen Markgrafen und dem Herzog von Bayern aufgelassen werden musste.56 Eine gewisse Distanz zu Konrad III., die auch mit Otakars Verwandtschaft zu begründen ist, bestand ohne Zweifel. Daher sollte man auch seine Unterstützung der Babenberger in den Kämpfen mit den Welfen nicht zu hoch einschätzen. Wie viel die nach Vichtenstein-Kreuzenstein bzw. Pitten genannten Vornbacher für die Durchsetzung der Babenberger in Bayern beitragen konnten, ist beim derzeitigen Forschungsstand nur ansatzweise zu erschließen. Dietrichs Stellung im Norden der Do52 Anders Zehetmayer, Die Babenberger als Herzöge von Bayern, 198, der sich bezüglich eines engen Bündnisses zwischen Heinrich und Otakar auf Dopsch beruft, der allerdings diese Frage am zitierten Ort nicht thematisiert. 53 NÖUB 2/1, 54, Nr. 1/51. Der Titel marchio Austriae wurde irrtümlich in die spätere Abschrift eingefügt. 54 NÖUB 2/2, 722 f., Nr. 23/10  ; vielleicht erklärt sich Adalberts Anwesenheit auch aus seiner Funktion als Vogt von Niederaltaich Dendorfer, Die Abtei und ihre Vögte, 111. 55 BUB IV/1 Nr. 748. 56 MGH DD Konrad III. 108 Nr. 61 Liupaldus dux Bauuariorum, Dietpaldus marchio, Otaker marchio Stire […], 176, Nr. 99 und 280, Nr. 153  ; Ziegler, König Konrad III., 669.

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nau scheint auf den ersten Blick bedeutsam gewesen zu sein. Dabei spielt seine Vogtei über St. Nikola in Passau57 sicher eine Rolle, die zur Vorsicht mahnt  ; das Schenkungsbuch des Klosters vermittelt uns eine wahrscheinlich unverhältnismäßig dichte Präsenz Dietrichs, die in seiner Funktion als Vogt ihre Ursache hat. Natürlich musste er oftmals persönlich anwesend sein, um Güter entgegennehmen zu können. Doch zeigen seine Erwähnungen in den Traditionsbüchern von Klosterneuburg und Vornbach, dass er auch ohne die Funktion eines Vogtes an vielen Entscheidungen in der Mark teilhatte. Durch seine Besitzungen im Raum Bisamberg/Kreuzenstein58 bzw. Vichtenstein hielt er umfangreiche Verbindungen zwischen der Mark und dem östlichen Bayern. Über die mögliche Verbindung Wernhards II. von Julbach, der häufig in der Umgebung der Babenberger Herzöge nachzuweisen ist, zu Dietrich von Vichtenstein werden wir noch hören. Auch die Pittener Ekberte verfügten über Herrschaften in den Marken der Otakare und der Babenberger, viele ihrer Dienstleute hatten aber auch Besitz in den näheren und entfernteren Landschaften am Inn.59 Selbst für die beiden vielleicht mächtigsten Familien ist es bezeichnend, dass sie neben ihren Besitzungen in den Marken im östlichen Bayern, also im heutigen Oberösterreich und zum Teil sogar westlich des Inns, Güter besaßen und damit Herrschaft ausübten. Dieser Befund betrifft auch Familien, die den neueren Grafentitel führten oder als Edelfreie bezeichnet werden.60 Roman Zehetmayer wies einige dieser mächtigen Herrschaftsträger im Gefolge der Babenberger oder mit ihnen im Bündnis nach. Zum Teil fungierten sie als Zeugen für Schenkungen, die Klöster außerhalb der Mark, wie etwa Berchtesgaden61 oder St. Peter in Salzburg62 betrafen. Ohne Zeugen aus der Mark fand eine Schenkung Leopolds an Aldersbach statt, bei der Wernhard II. von Iulbach als Salmann eine aktive Rolle spielte.63 Versammlungen dieser Art, welche die Funktionen von Gerichts- oder gar »Landtagen« annehmen konnten, fanden zur Zeit Leopolds IV. auch in Bayern, in Regensburg und einmal auch am Lech statt.64 Heinrich Jasomirgott jedoch geriet mehr und mehr in die Defensive  ; Zusammenkünfte dieser Art hielt man daher zunehmend in der Mark oder im »östlichen Bayern«, dem heutigen Oberösterreich ab.65 In Tulln fanden sich mit Gebhard von Sulzbach und Adalbert von Bogen auch Grafen aus dem Nordgau und 57 Loibl, Der Herrschaftsraum, 141. 58 Dienst, Regionalgeschichte, 116, Anm. 53 und 117  ; 141, 142. Vgl. auch Register 292 (Dietrich). 59 Weltin, Das Pittener Gebiet im Mittelalter, 29 f. Vgl. auch Zehetmayer, Zum Gefolge des Adels, 31 ff. 60 Zu dem hier als »neuerer Grafentitel« bezeichneten Phänomen  : Dendorfer, Von Edelfreien zu Grafen, 354 S. mit reichen Literaturangaben zum Problem. Er gebraucht sinngemäß die gleiche Terminologie. 61 BUB IV/1 Nr. 711 Liupoldus dux Bauuarie als Schenker. Zeugen  : Haertwicus de Lengenpahc et frater eius Otto, Otto de Mahclande et frater eius Walchôn, Wernhardus de Iûlbach. 62 BUB IV/1 Nr. 748. 63 BUB IV/1 Nr. 710. 64 Zehetmayer, Die Babenberger als Herzöge von Bayern, 189 (Lech), 190 und 192 (Regensburger Raum). 65 Zehetmayer, Die Babenberger als Herzöge von Bayern, 213 f.

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angrenzenden Gebieten ein, die zum Umkreis Konrads III. gehörten und Leopold IV. und später auch Heinrich Jasomirgott unterstützten.66 Dazu gehörten auch die Grafen von Ortenberg (heute Ortenburg). Eine führende Rolle spielte nach dem Ausweis der Zahl seiner Auftritte in den Urkunden Graf Liutold von Plain.67 Er baute eine wichtige Herrschaftsstellung an der böhmisch-mährischen Grenze aus und war im Raum Salzburg begütert, wo sein Vater Wergand auch die namensgebende Plainburg erbaut hatte.68 Diese Besitzstreuung in Bayern ist für die meisten der Grafen und Edelfreien bezeichnend, die zu den Freunden und Getreuen der Babenberger zu zählen sind. Dazu gehörten die Familien, die zur großen Abstammungsgruppe der Sieghardinger gehören, wie die Grafen von Burghausen und Peilstein  ; ferner die Grafen von Poigen-Regau-Hohenburg, die Herren von PergMachland und als besonders interessantes, bereits erwähntes Beispiel die Herren von Julbach, deren Wechsel zu den Babenbergern sich bereits in dieser Zeit abzeichnete.69 Bezeichnend für diese Leute sind ihre Interessen, die über die Mark hinausgingen. Sie unterstützten die nunmehrigen Herzöge von Bayern in ihrem größeren Herrschaftsrahmen. Zweifel hingegen bestehen an der Unterstützung, welche die Herzöge von ihren Dienstleuten aus der Mark erhalten haben. In ganz wenigen Fällen ist eine Hilfestellung der Ministerialen nachzuweisen – doch gab es 1145/46 auch einen Aufstand gegen Herzog Heinrich, der vielleicht durch zu hohe Forderungen nach Unterstützung zu erklären ist.70 Wenn diese Erklärung zutrifft, lässt sich der Schluss ziehen, dass die Dienstleute der Babenberger nicht bereit waren, die bayerische Herzogspolitik unbegrenzt zu unterstützen. Dies deutet auf die primären Interessen der Ministerialen an der Mark, womit sie Träger des Eigenbewusstseins des inzwischen entstandenen Herrschaftsverbandes Ostarrîchi waren. Wichtige Einzelheiten zur Geschichte der Dienstleute in der Mark, zu ihrer rechtlichen Stellung und ihrer Bedeutung in der Gefolgschaft des Markgrafen stellte zuletzt Zehetmayer zusammen.71 Das waren die Voraussetzungen, unter denen die Babenberger antraten, um ihre Herrschaft in Bayern durchzusetzen. Im Gegensatz zu der in der älteren Literatur (Riezler, Spindler) betonten militärischen Kraft, welche die Babenberger angeblich den Welfen 66 NÖUB 2/1, 54, Nr. 1/51  ; Zehetmayer, Die Babenberger als Herzöge von Bayern, 193. 67 NÖUB 2/1, 781, Nr.  27/1, 782 ff., Nr.  27/2. In einer Schenkung für St.  Peter fungierte er als Salmann NÖUB 2/1, 213 f., Nr. 5/28  ; Zehetmayer, Zum Gefolge des Adels, 34 f. 68 Gründler, Die Herkunft der Grafen von Plain, 232, Erwerbung Plains zwischen 1106 und 1108. 69 Dopsch, Die Länder und das Reich, 247. 70 Zehetmayer, Die Babenberger als Herzöge von Bayern, 199 f.; bei der Belagerung einer Burg, die in welfischen Besitz geraten war, ist Ulrich von Stiefern-Gaaden nachgewiesen. Zehetmayer, Die Babenberger als Herzöge von Bayern, 203  ; Regesta imperii IV/1 Nr. 711 mit dem wichtigen Hinweis auf Lampel, Studien zur Reichsgeschichte unter K. Konrad III., 274. 71 Zehetmayer, Zum Gefolge des Adels, 26 f. und 40 ff.

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entgegensetzen konnten, muss man festhalten, dass die Mittel der Markgrafen begrenzt und von labilen Bündnissen abhängig waren. Nach anfänglichen Erfolgen agierten sie nicht sehr glücklich in den machtpolitischen Kombinationen ihres Halbbruders Konrads III. Mehrfach verhinderte die Nachricht, dass der König mit einem Heer im Anmarsch war, eine entscheidende Niederlage des jeweiligen Herzogs aus dem babenbergischen Hause. Die Zeit als bayerische Herzöge veränderte aber den Blickwinkel der Babenberger hinsichtlich des Traungaus, ja auch bezüglich weiter westlich gelegener Gebiete. Unter den in der Umgebung Leopolds IV. und Heinrichs Jasomirgott auftretenden Edelfreien fällt durch die Häufigkeit der Erwähnungen Wernhard II. von Julbach auf.72 Als Leopold 1139 Herzog wurde, war Wernhard bereits mit Benedikta, einer Nichte des mächtigen Dietrich von Vornbach-Vichtenstein-Kreuzenstein, verheiratet. Die Verbindung bestand seit etwa 1120 und sie hatte in die Ehe jenes Gebiet im Raum Eferding mitgebracht, aus dem die Grafschaft Schaunberg entstehen sollte.73 Allerdings ist diese Ehe nur durch die Namen der Söhne erschlossen.74 Die enge Beziehung der Julbach-Schaunberger zu den Babenberger-Herzögen entsprach ihrer bayerischen Loyalität, die allerdings im frühen 12. Jahrhundert nur auf recht dünner Quellenbasis nachzuweisen ist. Nach der Umwandlung der Mark in ein Herzogtum sind Wernhard II. und sein Sohn Heinrich von Schaunberg schon 1161 unter den Zeugen der Gründungsurkunde des Wiener Schottenklosters nachzuweisen. Heinrich gehörte aber noch später zu den Gefolgsleuten Heinrichs des Löwen.75 Trotz des unglücklichen Verlaufs der Bemühungen der Babenberger um Bayern gelang es ihnen offenbar, wichtige Beziehungen zum bayerischen Adel herzustellen und sich bei einigen mächtigen Familien Vertrauen zu erwerben. Weltin bezeichnet den Adel im Raum des späteren Oberösterreich (östlich des Hausrucks) als den ostbayerischen und sieht in den Kontakten der nunmehr bayerischen Herzöge aus der Familie der Babenberger zu den Julbacher/Schaunbergern eine Voraussetzung für das nach 1180 (Absetzung Heinrichs des Löwen) beginnende Vorschieben der Grenze des Herzogtums Österreich im Westen bis zum Salletwald. Damit erklärt er auch die Notiz im Breve chronicon Mellicense, dass seit der Erhebung Österreichs zum Herzogtum das Gebiet bis zur Roten Sala und dem Salletwald zum Herrschaftsge72 NÖUB 2/1, 16, Nr. 1/7 Zeuge in einer Schenkung für Garsten, 55, Nr. 1/51. In beiden Fällen sind Herren von Haunsberg, die im Raum Inn/Salzach begütert waren, ebenfalls als Zeugen tätig. 202, Nr. 5/17 Zeuge in der Dornbach-Schenkung Herzog Heinrichs Jasomirgott für St. Peter. Zur Bedeutung des Inn/SalzachRaums Michalek, Furchtlos und unbeugsam, 370 f. Wernhard war auch Zeuge für Berchtesgden NÖUB 2/2, 640, Nr. 21/1 und Reichersberg in einer Urkunde Leopolds IV., 757 f., Nr. 26/1. 73 Weltin, Die steirischen Otakare, 201  ; Hintermayer-Wellenberg, Die Anfänge der Herren von Schaunberg, 25 und genealogische Tafel 34. 74 Vgl. die Beweisführung bei Tyroller, Genealogie, 345 f., Nr. 1. 75 Weltin, Die steirischen Otakare, 201 f., und BUB I, 44 Nr. 29 (Gründungsurkunde Schottenkloster Wien).

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biet der Babenberger gehörte.76 Dabei spielte nicht nur der Kontakt zu den Julbachern, Haunsbergern und Hagenauern eine Rolle, sondern auch die Abhaltung von Gerichtstagen westlich der Enns. 1150 fand ein solcher in Thalheim bei Wels statt, als Heinrich Jasomirgott einen Güterstreit zwischen seinem Bruder, Bischof Konrad von Passau, und der Witwe Hartwigs von Hagenau zugunsten Passaus entschied. Die Anwesenheit Otakars  III. von Steier ist auf seine Stellung im Traungau und auf seine umfangreiche Lehnsherrschaft am Inn zurückzuführen. Weiters nahmen Bischof Heinrich von Regensburg, Konrad von Peilstein, Graf Heinrich von Wolratshausen und Liutold von Plain an dem Gerichtstag teil.77 Man kann zusammenfassen  : Die kurzfristige bayerische Herrschaft der Babenberger lenkte ihre Aufmerksamkeit auf das Gebiet zwischen Enns und Hausruck, und damit auf Herrschaftsträger, die sogar am Inn bedeutende Besitzungen und Herrschaften innehatten, wie etwa der im Raum um Ranshofen und Reichersberg begüterte Adel. 1180 wurde im Zuge der Erhebung Otakars IV. zum Herzog der Steiermark das etwa dem Traungau entsprechende Gebiet von Bayern unabhängig. Die Babenberger begannen hier mit den Vereinbarungen, die in der Georgenberger Handfeste 1186 niedergeschrieben wurden, die Aufgaben der steirischen Herzöge zu übernehmen.Zunächst aber trugen die Herrschaftsträger in dieser Landschaft steirisches Bewusstsein. Ferner ergab sich daraus das künftige Problem der Grenze zwischen Bayern und Österreich. Daraus folgten Streitigkeiten mit den Wittelsbacher Herzögen im 13.  Jahrhundert, über die später zu berichten ist. Die an einigen Beispielen erwähnten Herrschaften und Besitzungen der adeligen Familien, welche die Babenberger unterstützten, zeigen eine politisch-topographische Verteilung, die zu denken gibt. Keine der gräflichen Familien und edelfreien Gruppen schöpfte ihre Machtstellung allein aus Herrschaften und Gütern in der Mark. Sie und ihre Gefolgsleute waren, wie berichtet, am Inn, an der Salzach, im Norden der Donau und östlich von Passau (Teile des Schweinachgaus) begütert. Die Teilnahme dieser Grafen und Edelfreien an den Landtaidingen der Babenberger oder der Otakare war, wie es Weltin formulierte, eine Manifestation der Zugehörigkeit zum Personenverband, der das mittelalterliche »Land« bildete78. In diesem Sinne fand dieses Bekenntnis einen territorialen Niederschlag in der Ausdehnung der von ihnen beherrschten Grundherrschaften. Die Plainer, Poigen-Regau-Hohenburger oder die Zweige der Vornbacher und Sieghardinger hatten aber auch außerhalb der Mark Besitzungen, die grundherrschaftlich organisiert waren. Durch ihr Nahverhältnis zu den österreichischen und steirischen Markgrafen lösten diese Herrschaftsverhältnisse aber eine Dynamik im Sinne von Herrschaftserweiterung aus. Diese kam vor allem durch die Dienstleute ausgestorbener 76 Dopsch, Die Länder und das Reich, 247  ; Weltin, Vom »östlichen Bayern«, 216 f. 77 Die Traditionen des Hochstifts Passau, 230 f., Nr. 627  ; BUB IV/1 Nr. 766. 78 Weltin, Die steirischen Otakare, 191.

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Dynasten zustande (so der Vornbacher Ekbert III. im Jahre 1158), die sich allmählich den Babenbergern anschlossen und damit zum Hinausschieben der bayerisch/österreichischen Grenze beitrugen. Die Mehrfachvasallität wäre ebenso unter dem Aspekt der Erweiterung der Herrschaftsräume zu untersuchen. Es zeigt sich, dass die Sammlung bayerischer Grafen und Edelfreier im Windschatten Leopolds II. und seines Sohnes ein sich ausweitendes Phänomen war. Diese Beobachtung ist nicht nur mit einer dichter werdenden schriftlichen Überlieferung zu erklären. Mit den Herren von Grie und den Traisenern treten im späten 11. Jahrhundert bisher unbekannte edelfreie Grundherren als Zeugen in Göttweiger Schenkungsnotizen auf. Man erkennt ein frühes Stadium eines sich über mehr als 100 Jahre erstreckenden Prozesses, der über das Markengebiet hinaus einen deutlich nach Westen erweiterten Herrschaftsraum entstehen ließ. Natürlich wurde dieser Prozess durch bedeutende politische Einschnitte vorwärts getrieben  : Die Absetzung Heinrichs des Löwen als Herzog von Bayern, die Reaktion des steirischen Markgrafen auf die Erhebung Ottos von Wittelbach zu dieser Würde und die daraus folgende Entstehung eines von Bayern getrennten Herzogtums Steier. Der letzte Mosaikstein war die Kinderlosigkeit des steirischen Herzogs Otakar IV. und die Nachfolge der Babenberger. Nicht zu beantworten ist die sich aufdrängende Frage, ob diese Entwicklung aus Herrschaftstrukturen logisch zu erklären ist oder aus Zufällen. Eine erste Antwort fällt differenziert aus  : Die Absetzung des Löwen ist abgesehen von seinem zerstörten Verhältnis zu Friedrich Barbarossa wohl auch in einer gewissen Schwäche seiner herrschaftlichen Stellung in Bayern begründet. Otakars Krankheit war natürlich Zufall – dass aber die Babenberger das Rennen um die Nachfolge für sich entschieden, beruhte auf gewachsenen Strukturen, d. h. älteren Herrschaftselementen, wie etwa die Vogtei Heinrichs Jasomirgott in Admont. Wir werden diese Fragen weiter unten erörtern. Bezüglich der Nachbarschaft ergab sich aus der geschilderten Konstellation die Tatsache und Herausforderung, dass nun auch eine Grenze zu Bayern bestand, die nach der Konsolidierung der wittelsbachischen Herrschaft schon in der Zeit Leopolds VI. Konflikte hervorrief. Noch ein Wort zur viel diskutierten Frage des ius illius terrae, einem der Elemente der Landwerdung »Österreichs«. In der Lebensbeschreibung Bischof Altmanns wird von einer Streitigkeit über Lehnsgut berichtet, das Rudolf von Perg vom Bistum Passau als Lehen (beneficium) innehatte. Nach Rudolfs Tod wollte sein Bruder Walchun dieses Gut gewissermaßen (quasi) als Erbe für sich gewinnen. Altmann vertrat den Standpunkt, dass dieser Anspruch dem Recht dieses Landes widerspreche.79 An sich ist es nicht so bedeutsam, ob man, wie Lechner, von »Landrecht« spricht. Es erhebt sich aber die Frage, von welchem Recht eigentlich die Rede ist  ? In Verdacht steht zuerst die Lex Baioariorum, die aber keine lehnrechtlichen und lehnserbrechtlichen Themen behandelt. Im Fall des Walchun von Perg geht es um eine Rechtsmaterie, die Leiheverhältnisse bezüglich 79 Vita Altmanni cap. 24, 236.

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Kirchenbesitzes meist in Form einer Präkarie organisierte. Ein wichtiges Element dabei war die Gültigkeit eines solchen Verhältnisses auf Lebenszeit, das unter besonderen Umständen auch auf folgende Generationen ausgedehnt werden konnte, meist aber genau begrenzt war.80 Diese beschränkte Weitergabe von Leihegütern der Kirche fand in der Zeit der Abfassung der Vita Altmanni und etwas früher schon Behandlung vor herrschaftlichen und fürstlichen Gerichten. Der Bischof bezog sich auf ein bestimmtes Entwicklungsstadium des Rechts im Land, eines Rechts, in dem damals die Übernahme von Lehns- und Leihebetreffen eine Rolle zu spielen begann.

80 MGH D Heinrich V., † 29.

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So wichtig die Erlangung des bayerischen Herzogtums für die Dynastie als Rangverbesserung auch war, der Markgrafentitel behielt zunehmend mit den schwindenden Aussichten, Bayern halten zu können, seine Bedeutung. Adressaten waren, wie wir feststellen konnten, vor allem in der Mark gelegene Empfänger von Schenkungen und anderen Rechtsentscheidungen. Die 40 Regierungsjahre Leopolds III., in denen auch neue Wege der Beziehungen zu den Nachbarn beschritten wurden, entfalteten wohl in dieser schwierigen Situation eine nachhaltige Wirkung, wie wir dies aus der Beibehaltung des Titels marchio schließen können. Die Bedeutung des Markgrafen und vor allem seine persönliche Stellung im Netzwerk der Fürsten des Reiches sind ein wesentliches Element der Entstehung des Landes. Das Land bedurfte des erfolgreichen und daher glaubwürdigen Fürsten an der Spitze, aber auch der auf den Grundherrschaften und in den überschaubaren Regionen organisierenden und herrschenden Leute, der Grafen alten und neuen Typus, der Edelfreien und der rasch an Macht gewinnenden Dienstleute. Sie konnten bei Gelegenheit militärische »Politik« machen. Die Vorgeschichte der Auseinandersetzung mit dem ungarischen König Géza II. im Jahre 1146, die letztlich der bayerische Herzog Heinrich Jasomirgott führte und verlor, ist ein Beispiel für adelige Unternehmungen, an dem deren Möglichkeiten und Grenzen sichtbar werden. In der sogenannten Continuatio Admuntensis, also in einer Fortsetzung der Annalen des Klosters Admont wird zum Jahre 1146 berichtet, dass ein gewisser Porsa, den wir besser als Boris kennen, im Königreich Ungarn als König wieder eingesetzt werden wollte.1 Boris erhob schon mehr als 15  Jahre früher, nach dem Tod Stephans  II. (†  1131), Anspruch auf den ungarischen Thron. Seine Anwartschaft war strittig, da seine Mutter Euphemia, die zweite Frau König Kolomans, Ehebruch begangen hatte, in ihre Heimat Kiew vertrieben wurde und dort Boris zur Welt brachte. Es erhoben sich daher unter den Großen Ungarns Zweifel, ob Boris tatsächlich ein Sohn Kolomans war. König war seit 1131 der blinde Béla II., der an den Anhängern Kolomans und Stephans II., die an seiner Blendung die Schuld trugen, grimmige Rache nahm und 68 von ihnen töten ließ. Boris erhielt aus diesen Kreisen Unterstützung für seinen Thronanspruch.2 Die daraus entstehenden Parteiungen betrafen die gesamte ostmitteleuropäische »Staatenwelt«. Zur Unterstützung von Boris eilte ein polnisches Heer nach Ungarn. Otto von Freising schildert, dass Boris auf Einladung einiger ungarischer Grafen durch die Wälder im

1 Continuatio Admuntensis, 581. 2 Varga, Ungarn und das Reich, 173 f.; Hóman, Geschichte des ungarischen Mittelalters 1, 381 f.

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polnisch-ungarischen Grenzgebiet zog und in Ungarn vorrückte.3 Béla verband sich dagegen mit Adalbert, dem Sohn Leopolds III. und Gatten seiner Schwester  ; ferner mit einigen Edlen der Mark und zog Boris entgegen.4 Der von Otto an dieser Stelle des Berichts gebrauchte Begriff regnum, um die Mark zu bezeichnen, wurde in der Zeit Leopolds III. bereits manchmal verwendet und bezeichnet eine fortgeschritten strukturierte Gemeinschaft unter einer königsähnlichen Fürstenherrschaft.5 Das Wir-Bewusstsein dieser Gemeinschaft wird durch die Formulierung de regno nostro deutlich, zu der sich der Babenberger Otto auch als Bischof von Freising zugehörig fühlte. Der Wortlaut des Textes lässt offen, ob Béla zu Adalbert und davon getrennt zu einigen Adeligen Kontakte knüpfte oder nur zum Sohn des Markgrafen, der sich dann mit den Edlen im Gefolge dem ungarischen König anschloss und gegen Boris zog. Das Heer des ungarischen Königs setzte sich aus Ungarn und den Deutschen (Teutonici) zusammen, denn Otto erklärte, dass Boris vor den Deutschen mehr Angst als vor den Ungarn habe. Was der 1132 noch lebende Leopold  III. zu dieser Aktion meinte, verschweigt Otto. Es ist wohl von Bedeutung, dass die Adeligen, die sich an diesen Kämpfen in Ungarn beteiligten, Freunde oder Getreue des Markgrafen waren. Es könnte sich um eine selbständige Unternehmung einer adeligen Gruppe um Adalbert gehandelt haben, der damals von außerhalb der Mark als Nachfolger seines Vaters angesehen wurde.6 Wird in dieser Schilderung eine Interessensgruppe in der Mark sichtbar, die nicht unbedingt mit den Vorstellungen Leopolds III. übereinstimmen musste  ? Es ist aber andererseits denkbar, dass der Sohn des Markgrafen als Angehöriger der Dynastie eine solche Gruppe von Kriegern führen konnte. In dieser Schilderung finden sich einige Elemente, die eine neue Entwicklung sichtbar machen. Die Ungarn bekamen allmählich einen Nachbarn im Westen, der zunehmend aus eigener Kraft agierte. Der Herrschaftsbereich Leopolds III. war nicht mehr ein bloßer Vorposten »römisch-kaiserlicher« Ordnung als Teil Bayerns, sondern ein selbständiges regnum im oben umschriebenen Sinn. Der ungarische König konnte sich ohne Wissen des deutschen Königs direkt an Leute aus dem benachbarten regnum wenden, von denen der Vornehmste mit ihm verschwägert war. Noch immer war Ungarns Nachbar das Imperium, doch war der Nachbar jenseits von March und Leitha nicht mehr der den Kaiser vertretende Markgraf, sondern ein Fürst mit einer adeligen Umgebung, die selbst über erhebliche Machtmittel in Krieg und Frieden verfügte. 3 Ottonis episcopi Frisingensis Chronica Lib. VII cap. 21, 342. 4 Ottonis episcopi Frisingensis Chronica Lib. VII cap.  21, 342  : Verum Béla rex ascito sibi Alberto Leopaldi marchionis filio, qui eius sororem habebat, ac quibusdam de regno nostro nobilibus Boricio occurrit. Lechner, Babenberger, 130 und 139, 346 Anm. 54, 349 Anm. 89. 5 BUB IV/1 Nr. 642  : Im Berchtesgadener Traditionsbuch heißt es, dass marchio Liupoldus de Orientali regno dem Stift einen Weingarten bei Krems schenkte. Datierung  : 1124/25–1136. 6 Dienst, Babenbergerstudien, 142 f. Das dort Anm. 113 zitierte Schreiben Papst Innozenz II. vom 30. März 1135  : NÖUB 2/2, 676 f., Nr. 22/1 mit der Bezeichnung eines A. (wohl Adalbert) als marchio.

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Zurück zu dem eingangs erwähnten Bericht aus dem Jahre 1146 über einen neuerlichen Versuch Boris’, die ungarische Krone zu gewinnen. Die zuletzt diesem Zweck dienende Aktivierung zweier Grafen aus der »östlichen Mark«7 war allerdings in weiter gespannte Vorgänge eingebunden. Ende 1145/1146 verschlechterte sich das zunächst zumindest oberflächlich bestehende gute Klima der Zusammenarbeit Konrads III. mit Ungarn. Dabei ging ein Eheplan in die Brüche, dem zufolge Sophia, eine Tochter des 1141 verstorbenen Bélas II., Heinrich, den Sohn Konrads III. heiraten hätte sollen. Ihr Bruder Géza II. soll sie zur Heimkehr aufgefordert haben. Gräfin Liutgard von Bogen riet ihr stattdessen, in das Kloster Admont als Nonne einzutreten, was für die Überlieferung dieser Ereignisse von Bedeutung ist.8 Liutgard war die Tochter des 1097 verstorbenen Grafen Ulrich von Windberg-Radlberg und Gattin Friedrichs III., Domvogt von Regensburg. Sie unterstützte Schenkungen ihrer Familie an Admont, woraus sich ihre Identität mit der hier genannten Gräfin von Bogen erkennen lässt.9 König Géza II. nahm gegen den deutschen König Stellung, unterstützte die mährischen Gegner des böhmischen Fürsten Vladislav II., der wiederum von Konrad III. gefördert wurde. Ferner floss Gézas Geld Welf VI. für seine Kämpfe gegen Konrad zu.10 Damit war auch der bayerische Herzog Heinrich Jasomirgott von Gézas Parteinahme betroffen. Das war eine Konstellation, die Boris zu nutzen verstand. Im Gefolge von Vladislav kam er Anfang 1146 nach Bayern, beklagte vor dem König sein Schicksal und bat um Hilfe. Wieder sind es vielschichtige Berichte Ottos von Freising, die uns Einblick in die Verhältnisse verschaffen.11 Der König sagte seine Hilfe zu. Die daraus entstehende Situation bedauerte Otto  : aus dieser Entscheidung seien Wirren entstanden, die sich noch verstärken würden und es drohe ein Konflikt zwischen »unserem Land« und Ungarn. Ob Otto in diesem Fall unter »unserem Land« das Reich König Konrads oder das Markengebiet verstand, ist nicht mit Sicherheit zu klären. Da sich Otto bei seiner Klage über den sich abzeichnenden Konflikt mit Ungarn auf die Kämpfe des Jahre 1146 bezog, waren die multi ex nostris, die von Géza  II. Bestechungsgelder erhalten hatten, vielleicht doch Leute aus der Mark. Für Bayern spricht natürlich die erwähnte Zahlung an Welf VI. Die Kontrahenten wurden wieder mit dem Begriff regnum gekennzeichnet.12   7 Gesta Friderici Lib. I cap. 31, 48 […] quidam milites de Orientali marchia egressi Pannoniam latenter ingrediuntur […].   8 Regesta imperii IV/1, 2, Nr. 362. Gesta archiepiscopi Salisburgensium, 44. Zu Sophia Jaksch, Zur Lebensgeschichte Sophias, 372–379. Herbordi Dialogus Lib. I cap. 38, 35 f. Varga, Ungarn und das Reich, 182.   9 Ausführlich zu Liutgard FRA II/8, 236 ff. Kommentar zu Nr. 359. Über Sophias Aufenthalt in Admont, das Zerwürfnis zwischen Géza II. und Konrad bzw. den Versuch, Sophia gegen ihren Willen aus Admont herauszuholen Herbordi Dialogus, Lib. I cap. 38, 35–40. 10 Historia Welforum cap. 26, 75, Varga, Ungarn und das Reich, 185. 11 Ottonis episcopi Frisingenses Chronica Lib. VII cap. 34, 367 f. 12 Ottonis episcopi Frisingensis Chronica Lib. VII cap. 34, 368  : Ecce enim inter nostrum et Ungarorum regnum, non solum isto militem instaurante, sed et illo multos ex nostris peccunia corrumpente, valida expectatur commotio.

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Was den Gegner der Ungarn betrifft, stand Géza II. auf dem Standpunkt, dass es sich dabei um den bayerischen Herzog, wenn nicht sogar um König Konrad handelte. Geld spielte auch bei den Versuchen Boris’, Verbündete zu gewinnen, eine bedeutende Rolle  ; selbst dem König Konrad III. bot er Geld an, um ihn für seine Sache zu gewinnen. Trotz der Zusage, Boris zu unterstützen, unterblieben aber konkrete Hilfeleistungen. Der Thronprätendent wandte sich daher an die Grafen Hermann und Liutold und gewann sie für ein Unternehmen gegen Pressburg. Es handelt sich dabei um Hermann II. von Poigen, Herr des Horner Beckens, und den uns schon bekannten einflussreichen Liutold von Plain.13 Die Herrschaftsgebiete beider Grafen lagen an der mährisch/böhmischen Grenze. In der Osterwoche 1146 gelang ihnen durch eine List die Einnahme des castrum Prespurch, wohin sie eine Besatzung legten.14 Dies ist trotz seiner Kürze der konkreteste Bericht. Für das Interesse in Admont ist wohl Sophias Eintritt in das Nonnenkloster ausschlaggebend gewesen. Zu gleicher Zeit führte Heinrich Jasomirgott einen schweren Krieg mit dem Bischof Heinrich von Regensburg und dem steirischen Markgrafen Otakar  III.15 Es ist ein wenig überraschend, dass man in Admont nichts über diese Kämpfe berichtete. In den Klosterneuburger Annalen hingegen vermerkte man, dass die Ministerialen Herzog Heinrichs und die Gefolgsleute Otakars III. Österreich durch Raub und Brandlegung verwüsteten.16 Der Wortlaut der Nachricht ist insofern bemerkenswert, dass auch die Leute Heinrichs im Gebiet ihres Herrn Schaden anrichteten. Zehetmayer sieht in diesen Ereignissen eine Abfallbewegung von Jasomirgott, an der vielleicht nicht nur die Dienstleute beteiligt waren.17 Ein Grund dafür könnte die Forderung des Herzogs an die Dienstleute gewesen sein, sich stärker in den Kämpfen in Bayern zu engagieren. Offenbar nahm man Bayern in diesen Kreisen und vielleicht auch in jenen der Grafen und Edelfreien der Mark als etwas außerhalb des Wir-Bewusstseins Gelegenes wahr. Es handelt sich um ein bezeichnendes Indiz für die schon erwähnte »Entfremdung«. Darüber hinaus ist die Haltung der Ministerialen gegenüber Heinrich Jasomirgott ein Hinweis, dass das Verhältnis zwischen dem Markgrafen (für die österreichischen Ministerialen war er vermutlich trotz seiner bayerischen Herzogswürde vor allem der marchio) und dem Adel jeweils von den konkreten Umständen abhing und nicht ein für allemal 13 Tyroller, Genealogie, 202, Nr. 30 (Hermann II. von Poigen), 121, Nr. 14 (Liutold I. von Plain). 14 Continuatio Admuntensis zum Jahre 1146, 581. A quo [Boris] etiam persuasi comites Herimannus et Luitoldus castrum Prespurch fraude invaserunt in paschali ebdomada […]. 15 Gesta Friderici Lib. I cap. 31, 48. 16 Continuatio Claustroneoburgensis II, 614, zu 1145  : Ministeriales Heinrici ducis, filii Liupoldi, et milites marchionis Otacharii pene totam Austriam preda et incendiis devastaverunt. 17 Zu diesen Vorgängen Bernhardi, Jahrbücher Konrads  III. 2, 480 ff.; Zehetmayer, Die Babenberger als Herzöge von Bayern, 198 und 200. NÖUB 3, 170. Die Regensburger Fehde, Otakars III. Parteinahme gegen Herzog Heinrich und der Aufstand der Ministerialen stehen wohl in Zusammenhängen, die noch zu untersuchen wären.

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feststand. Ob für Herzog Heinrichs Gefolgschaft in Bayern »etwas zu holen« war, ist bei der dichten Verteilung der Herrschaften im Lande ziemlich unwahrscheinlich. Standen in diesem Fall schon die Interessen des Landes, welche die Dienstleute vertraten, gegen dynastisch und reichspolitisch motivierte Unternehmungen der Babenberger, welche die Kräfte des Landes unangemessen belasteten  ? Es ist allerdings wahrscheinlich, dass der Herzog über das Unternehmen Hermanns und Luitolds informiert war. Dafür würde sprechen, dass Liutold seit 1139 sehr häufig, man könnte sogar zu dem Schluss kommen »fast immer« im Gefolge Leopolds IV. und Heinrichs Jasomirgott anwesend war und daher zu seinen Vertrauten gehörte. Das Vorgehen der beiden Grafen stand in der Kriegstradition der Mark – auch der Poigener und der Plainer kamen aus dem Kreis der nobiles, die 1108 an der Belagerung von Pressburg teilgenommen hatten.18 Otto von Freising schreibt in seinen Gesta Friderici, dass einige Ritter aus der östlichen Mark heimlich in Ungarn einrückten und in der Nacht unversehens die Festung Posony überfallen hätten, die auch Pressburg heißt. Er erinnerte sogar daran, dass sie einst Kaiser Heinrich V. belagert hatte.19 Die Reaktion des ungarischen Königs trägt alle Züge des wohlbekannten Spiels um die Frage, wer die Verantwortung für dieses Unrecht trug. Géza II. schickte einige Grafen nach Pressburg, die sich bei den dortigen Besatzern erkundigen sollten, warum es zu diesem Überfall gekommen war. Diese erklärten, dass sie die Eroberung weder für den römischen princeps noch für ihren Herzog (Heinrich Jasomirgott) unternommen hätten, sondern für ihren Herren Boris.20 Warum die Leute, welche Pressburg besetzt hatten, die Aktion für ihren H e r r e n Boris durchgeführt hatten, ist ein Rätsel, mussten sie doch Gefolgsleute der Grafen Liutold und Hermann sein. Wurden sie von den Grafen für diese Unternehmung Boris als Gefolge überlassen  ? Vielleicht sogar gegen Sold  ? Die Besatzer wollten den Konflikt als nebensächlich hinstellen, in den keine »politischen Schwergewichte« verwickelt waren. Die Darstellung könnte mit den Mächtigen im Hintergrund abgesprochen worden sein. Im Grunde stellte man es als eine Unternehmung einiger Adeliger der Mark dar, die in einen benachbarten Thronkampf eingriffen. Die Absichten Liutolds und Hermanns wurden offensichtlich in Ottos Bericht vernebelt. Wie schon bemerkt, waren sie nicht irgendwelche Leute  : Auch Hermann von Poigens Rolle darf nicht unterschätzt werden.21 Trotzdem ist nicht auszuschließen, dass hinter der doch geheimnisvollen Motivlage der böhmische Fürst Vladislav, der Unterstützer des Boris, stehen könnte. Derartige Zusammenhänge würden wieder auf eine Situa18 NÖUB 2/1, 382, Nr.  10/1 in der Zeugenliste der vor Pressburg ausgestellten Urkunde Heinrichs V. sind die Väter Wergand von Plain und Gebhard von Poigen genannt. 19 Gesta Friderici Lib. I, cap. 31, 48  : […] quidam milites de Orientali marchia egressi Pannoniam latenter ingrediuntur ac noctu castrum Bosan, quod et Bresburc, quod olim imperator Heinricus (Heinrich V.) obsidione cinxerat, ex inproviso aggressi capiunt […]. 20 Gesta Friderici I, cap. 31, 48  : […] pro domino suo Boricio […]. Hier auch der weitere Bericht. 21 Siehe dazu die vielen Beispiele bei Zehetmayer, Die Babenberger als Herzöge von Bayern, 188 ff.

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tion im österreichisch-mährischen bzw. böhmischen Grenzraum hinweisen, die durch eine Zusammenarbeit der Grundherren Ostarrîchis an der Thaya mit den böhmischen und/oder mährischen Fürsten geprägt war. Es ist durchaus denkbar, dass Vladislav sich bemüht hatte, die beiden Grafen, seine Nachbarn im Süden, zu einem Eingreifen auf Seiten Boris‘ zu bewegen. Zunächst sah es so aus, dass Géza die Erklärung akzeptierte – schließlich war es ja vor allem notwendig, Pressburg zurückzugewinnen. Die Burg wurde daher umzingelt und Verhandlungen wegen der Übergabe begonnen. Weder Konrad III. noch Heinrich Jasomirgott waren in der Lage, den Eingeschlossenen Hilfe zu leisten.22 Die Eroberer erhielten vom ungarischen König nach einigen Verhandlungen 3000 Pfund Silber und zogen aus Pressburg ab. Was mit diesem Geld geschah, in wessen Taschen es letztendlich landete, wissen wir nicht. Zu ergänzen wäre  : Wir konstatieren mit einiger Überraschung, dass sich Herzog Heinrich damals im Gebiet welfisch gesinnter Leute aufhielt. Nun begann sich aber der Konflikt mit Ungarn erst auszuweiten. Géza hegte den Verdacht, dass der bayerische Herzog hinter der Aktion stand, erklärte ihn zu seinem Feind und sammelte in Ungarn, das von Otto wieder als regnum bezeichnet wurde, ein großes Heer, das angeblich 70.000 Streiter umfasste. Diese lagerten auf der ungarischen Seite der Leitha, auf dem sogenannten Vierfeld.23 In einer hölzernen Kirche wurde der junge Géza von den Bischöfen Ungarns mit Waffen ausgestattet, denn bisher hatte er noch nicht den Rittergürtel empfangen. Diese Geschichte erinnert an die schwäbischen Brüder Hunt und Pazman, die am Flusse Gran den jungen Stephan den Heiligen nach teutonischer Sitte mit dem Schwert gegürtet hatten.24 Die Vorbereitungen des ungarischen Königs für den Waffengang folgten fränkisch-deutschen und christlichen Traditionen, richteten sich also nicht mehr nach einem ausschließlich ungarischen Muster. Auch die ungarischen Kämpfer, die um den König geschart waren, verhielten sich nach der westlichen Kampfart – sie standen, wie Otto sich ausdrückte, unbeweglich wie ein Wald und sollen 12.000 Mann gewesen sein.25 Es ist zu vermuten, dass es sich um schwer bewaffnete Ritter zu Pferd handelte, wie sie sich aus der Leibgarde im Laufe der vergangenen anderthalb Jahrhunderte entwickelt hatte. Diese Leute hatten ihr Handwerk von Söldnern gelernt oder stammten von ihnen ab. Otto berichtet in seiner »unnachahmlichen Objektivität«, dass die Gefolgsleute des Königs auf scheußliche Weise mit ebenso scheußlichen Waffen in den Kampf zogen, ansonsten die Kriegskunst der deutschen 22 Der Herzog hielt sich in Oberbayern auf und der König in weit entfernten Reichsteilen. Gesta Friedrici Lib. I cap. 31, 49 […] Teutonici, eo quod dux in superioribus Baioariae partibus moraretur, princeps vero in remotis regni maneret locis, cum nullum liberationis suae solatium haberent […]. 23 Scholz, Probleme, 57, und Abbildung 17 (nach 61) 24 Simonis de Kéza Gesta Hungarorum, 189  : […] tandem sanctum regem Stephanum in flumine Goron Teutonico more gladio militari accinxerunt. 25 Gesta Friderici Lib. I cap. 33, 51.

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Fürsten und Ritter aber nur nachahmten, in der sie von fremden Gefolgsleuten, die jetzt Söldner genannt werden, geschult wurden.26 Die Bedrohung der Grenze im Osten rief Herzog Heinrich auf den Plan, der mit Bischof Heinrich von Regensburg Frieden geschlossen hatte, womit wohl auch die Kooperation zwischen dem Markgrafen Otakar und den Ministerialen Heinrichs ein Ende fand. Das angeblich aus Bayern und Sachsen bestehende Heer Herzog Heinrichs lagerte auf der anderen Seite der Leitha. Géza überschritt die Leitha und der Kampf begann. Zur Kampfesweise der Ungarn gehörten noch immer die Bogenschützen, die zwei Abteilungen bildeten. Sie wurden bei einem Vorstoß Herzog Heinrichs sozusagen im Vorübergehen vernichtet, da das Ziel des Angriffs die schwere Truppe Gézas war. Heinrichs Ritter hatten es nicht nur mit den um den König gescharten Kämpfern zu tun, sondern auch mit einer zweiten Schar, die von Herzog Béla, einem Onkel Gézas kommandiert wurde. Während des Angriffs bemerkte Herzog Heinrich nicht, dass sich die ihm folgenden Leute zur Flucht wendeten  ; warum dies geschah, erfahren wir nicht. Mit persönlicher Kraft und wegen glücklicher Umstände entkam Heinrich der gefährlichen Situation und floh nach Wien, von dem Otto an dieser Stelle fälschlich berichtet, dass es in römischer Zeit Favianis geheißen habe, als sich der heilige Severin in Favianis/ Mautern aufgehalten hatte. Dem Konzept der Gesta Friderici folgend hoffte Otto darauf, dass der junge Herrscher Friedrich Barbarossa für diese Niederlage Rache an den Ungarn nehmen werde.27 Hermann von Poigen und Luitold von Plain, deren Unternehmung gegen Pressburg am Beginn des Krieges stand, spielten wohl eine Rolle in den Parteiungen im Thron­ streit um Boris. Der böhmische Fürst Vladislav II. trat gegenüber Konrad III. für Boris ein. Der König unternahm nichts Konkretes, sagte aber seine Unterstützung zu. Der Hinweis Ottos von Freising, dass auch Heinrich Jasomirgott dem Poigener und dem Plainer nicht zu Hilfe eilen konnte, legt den Gedanken nahe, dass der bayerische Herzog die Interessen des Boris unterstützen sollte, umständehalber aber daran gehindert war. Die beiden Grafen von der böhmisch-mährischen Grenze nahmen schon aufgrund der Herrschaftsorganisation ihren Platz an der Seite des Königs und Herzog Heinrichs ein. Daher ist zu vermuten, dass sie in dem kürzlich zu Ende gegangenen Streit zwischen den mährischen Přemysliden und Vladislav II. Partei für den letzteren ergriffen hatten. Géza  II. galt als Gegner des böhmischen Fürsten.28 Die Eroberung der Pressburg ist nicht als übermütige Aktion zweier nobiles im regionalen Rahmen zu sehen, sondern als ein missglücktes Unternehmen mit einem gewichtigen Konfliktpotential. Die Eskalation des Streites nach dem Rückkauf der Pressburg durch Géza führte zum Eingreifen 26 Gesta Friderici Lib. I cap. 32, 51  : Omnes pene tetri tetris in armis procedunt, nisi quod iam ab hospitibus, quos nunc solidarios dicimus, educati […]. 27 Gesta Friderici Lib. I cap. 33, 53. 28 Zusammenfassend, allerdings nicht alle Details berührend Varga, Ungarn und das Reich, 180 ff.

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des bayerischen Herzogs. Dabei wäre es müßig, Heinrichs kriegerisches Eingreifen auf seine bayerische oder »österreichische« Aufgabe zurückzuführen. Letztlich hatte sich der deutsche König in der Sache exponiert. Möglicherweise bekam er die Rechnung dafür im nächsten Jahr präsentiert, als er unter ungeklärten Umständen Ungarn auf dem Weg ins Heilige Land durchqueren musste.29 Der Bericht der Compositio aus dem 14. Jahrhundert über den Schrecken der Ungarn über den Terror und die Forderungen von Konrad und seinem Heer ist gewiss mit Misstrauen zu beurteilen, doch enthält auch die Schilderung des Odo von Deuil in seinem Liber de via sancti sepulchri manche Hinweise auf ein feindliches Klima zwischen Konrad III. und Géza II.30 Boris fand damals nur mehr zurückhaltende Unterstützung bei Konrad  III.; immerhin gelangte er mit dem Kreuzfahrerheer nach Ungarn. Im Februar 1147 hatte er sich allerdings an den französischen König Ludwig VII. mit der Bitte um Unterstützung gewandt.31 Zurück zu den Ereignissen des Jahres 1146. Die Schilderung der Kämpfe, die uns Otto von Freising hinterlassen hat, zeigt ein ambivalentes Bild  : Teile des ungarischen Heeres waren westlich und mit Söldnern »modern« organisiert, andere Teile kämpften in traditioneller Aufstellung und Funktion. Otto erörterte in diesem Zusammenhang die Lage und Lebensweise in Ungarn. Bevor wir auf Einzelheiten dieser Schilderung eingehen, ist die Frage zu klären, ob Otto die tatsächlichen Verhältnisse in Ungarn kannte oder ob er überkommene Vorstellungen weitergab. In die Überlegungen ist einzubeziehen, dass Otto am Kreuzzug 1147 teilnahm und den militärisch abgesicherten Marsch König Konrads III. durch Ungarn mitmachte.32 Als bedeutender Bischof nahm er wohl an den Verhandlungen mit den Ungarn teil. Das Bild, das Otto von den Ungarn zeichnet, spiegelt in mehreren Details reale Verhältnisse. Manchmal fehlten ihm präzise Informationen  ; was er nicht verstand, schrieb er dem barbarischen Charakter der Ungarn zu. Auf die traditionell verzerrenden Darstellungen, die teilweise auf Regino von Prüm zurückgehen und uns noch in der Weltchronik begegnen, verzichtete er.33 Weitere Vorbilder dieser Art, auf die Otto auch an anderen Stellen der Gesta Friderici zurückgriff, stammen aus einem Brief Dados von 29 Varga, Ungarn und das Reich, 183. Von Problemen Konrads  III. in Ungarn wissen Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, 563, und Mayer, Geschichte der Kreuzzüge, 94, nichts. 30 Ex Odonis de Deogilo libro 62 Z., 43 ff.: Ut autem verum fatear, valde imperialiter egressus est et navali apparatu et pedestri exercitu. Et bene  ; habebat enim tunc Hungaros inimicos. Igitur imperator animosus, navalis et pedes, habens in navibus copiosum militem secum et iuxta se per terram equos et populum, sicut oportuit et decuit principem, ingressus est Hungariam. Regesta imperii IV/1 209 Nrn. 481 und 482. Die Behandlung des Themas wird der Ambivalenz der Berichte nicht gerecht. 31 Ex Odonis Deogilo libro 62 Z., 46 ff. 32 Zu den Schwierigkeiten Konrads III. beim Marsch durch Ungarn, die Otto in den Gesta nicht beschreibt, vgl. Berry, The second Crusade, 483 f.; Varga, Ungarn und das Reich, 183. 33 Ottonis episopi Frisingensis chronica Lib. VI cap. 10, 271 mit dem Bericht über die rohes Fleisch essenden und Menschenblut trinkenden Ungarn. Reginonis chronicon, 131 f., zu 889.

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Verdun und von Hrotsvith von Gandersheim. Sie betreffen die angebliche Hässlichkeit der Ungarn und ihre Bezeichnung als menschliche Monster.34 Alle anderen Zitate Ottos sind im Zusammenhang unserer Untersuchung bedeutungslos. Es ist wahrscheinlich, dass das Bild, das sich Otto von den Ungarn machte, teilweise aus eigener Anschauung und wohl auch aus mündlichen Mitteilungen über Ungarn geformt wurde. Otto erwähnt gleich zu Beginn die Felder im inneren Ungarns und den wegen der Fruchtbarkeit der Äcker vorhandenen Reichtum.35 Im Rahmen dieser Sicht auf eine Kulturlandschaft ist er durchaus empfänglich für die natürliche Schönheit des Landes. Wie es aber bei einem Barbarenvolk üblich sei, gebe es nur wenige Stadtmauern und Gebäude. Diese Schilderung könnte sich durchaus auf Ottos Zeit beziehen, denn durch seine Kontakte mit Leuten, die Ungarn sicher aus persönlichem Augenschein kannten, ist zu vermuten, dass er nicht nur auf ältere Informationen angewiesen war, die das übliche traditionelle Wissen betrafen. In der Mitte des 12. Jahrhunderts gehörte die Gründung und Entwicklung von städtischen Siedlungen zum Programm von Herrschern und Fürsten auch in der benachbarten Mark. Die städtische Entwicklung Wiens ist ein Paradebeispiel für eine fürstliche Stadtgründung, das an eine missverstandene Tradition der Zeit Severins anknüpfte, nämlich die programmatische Gleichsetzung von Favianis, dem Hauptsitz des Severins mit dem zeitgenössischen Wien des 12. Jahrhunderts. Heinrich Jasomirgott nannte den Ort in den Datumszeilen seiner hier ausgestellten Urkunden Windopolis.36 In Ungarn scheint trotz zahlreicher Bischofssitze die verdichtete Besiedlung durch Städte noch nicht so weit gewesen zu sein. Unter den Nachbarn der Ungarn erwähnt Otto auch die Mark der Babenberger, die er diesmal als Orientalis Teutonicorum marchia bezeichnet. An anderen Stellen nennt er die Mark orientalis marchia. Ob sich diese Bezeichnung aus dem Zusammenhang der geschilderten Ereignisse erklärt, nämlich dem Zusammenwirken des Königs, des Herzogs von Bayern und zweier Grafen aus dem nördlichen Grenzraum, sei dahingestellt und nur als Gedanke gestreift. Im folgenden Passus nimmt »das Land« ein seltsames Eigenleben und eine fiktive Identität an. Anders kann man den folgenden Satz nicht erklären  : Da das L a n d häufig Einfälle von Barbaren erlitten hat, ist es nicht verwunderlich, dass es in Sitten und Sprache bäurisch und ungeschliffen geblieben ist. Heute sind uns solche

34 Gesta Friderici Lib. I cap. 33, 50, Anm. 3. Ebenso in der Freiherr-vom-Stein Gedächtnis-Ausgabe, 193, mit Anm. 14. 35 Vgl. zum Überfluss in Ungarn auch die Schilderung Herbordi Dialogus Lib. I cap. 37, 34. 36 So in der Gründungsurkunde des Wiener Schottenklosters BUB I 43 Nr. 29  : in territorio videlicet Favie, que a modernis Wienna nuncupatur. Die Herleitung der Idee aus Otto von Freising Gesta Frierici Lib.  I cap 33,53  : oppidum Hienis, quod olim a Romanis inhabitatum Favianis dicebatur ist wegen der merkwürdigen in allen Handschriften überlieferten Form »Hienis« für Wien zweifelhaft. Windopolis in der Datumszeile von BUB I 42 Nr. 28, 50 Nr. 34. Neuerlich Gleichsetzung mit Favianis 52 Nr. 37  : in civitate nostra Favianis, que alio nomine dicitur Wienna.

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Formulierungen geläufig, den bei ihrer Entwicklung zurückgelegten Abstraktionsprozess müssen wir aber mühsam über Sprach- und Bedeutungslehre rekonstruieren. In der Folge ist von Hunnen, Avaren und Ungarn die Rede  : die Hunnen plünderten das Land, die Avaren verwüsteten es und die Ungarn nahmen es in Besitz. Wer war das Land  ? Sicher kein Abstraktum, denn es war ja angeblich auch in seiner Sprache kulturell rückständig und das konnten doch nur die Menschen im Land sein. Repräsentierte die jeweilige Restbevölkerung das Land, nachdem eine herrschende Gruppe von neu auftauchenden kriegerischen Herren vertrieben worden war  ? Als übergeordnetes lateinisches Wort für Land gebraucht Otto provincia, das er am Beginn des UngarnExkurses verwendet. Offenbar ging die Ungeschliffenheit der Landessitten auch auf die Ungarn über, die nach Ottos Meinung nicht nur hässlich waren, sondern nach Sprache und Sitte wilde Barbaren. Er wundert sich über die göttliche Duldsamkeit, die diesen menschlichen Scheusalen – denn Menschen kann man sie kaum nennen – dieses schöne Land (diesmal terra) ausgeliefert hatte. Als wichtiger Punkt der vorliegenden Untersuchung tritt dieses Ineinandergleiten der Vorstellung von Personengruppen und des Abstraktums Land/Landschaft hervor. Hierin liegen wohl die entscheidenden gedanklichen Veränderungen im Sinne territorialer Prägung des »Wir« und des »Ihr«. Auffällig war die Gewohnheit der Ungarn, kein Unternehmen ohne ausführliche Beratungen in Angriff zu nehmen. Otto sah darin eine Nachahmung der Schlauheit der Griechen. Die Beratungen fanden am Hof des Königs statt und die Vornehmen, die über den Zustand des Staates (res publica) berieten, brachten ihre eigene Sitzgelegenheit, einen Stuhl, mit. Diese im Sitzen stattfindende Beratung zeigt bei aller untertänigen Haltung des hohen Adels, dass sie vom König geachtet wurden. Erst Béla IV. verlangte im 13. Jahrhundert von seinen Baronen, dass sie in seiner Gegenwart standen und ließ ihre Stühle verbrennen.37 Otto war in diesem Punkt über die Gewohnheiten der Ungarn hervorragend informiert. Gegenüber dem Fürsten (gemeint ist der König) verhielten sie sich unterwürfig, wollten ihn nicht einmal durch Flüstern belästigen oder ihn gar durch Widerspruch erbittern. Diese autoritäre Form der Herrschaft führte zu einer Aufteilung von Einnahmen, die Otto für erstaunlich hielt  : Ungarn umfasste 70 oder mehr Komitate und von der dortigen Gerichtsbarkeit gingen zwei Drittel des Gefälles an den königlichen Fiskus, nur ein Drittel verblieb beim Grafen. Die Regelung, die offenbar von den dem Freisinger Bischof vertrauten Verhältnissen abwich, zeigt das Übergewicht der Stellung des Königs gegenüber den Grafen. Zoll und Münze waren ebenfalls dem König vorbehalten. Otto wird dann bei Beschreibung der Gerichtsgewohnheiten in Ungarn ganz deutlich  : »Niemals fordert aber der König, wie es bei uns üblich ist, einen Urteilspruch seiner Standesgenossen.« Das differenzierte Gerichtswesen, das einer durch den Adel mediatisierten Herrschaftsordnung entsprach, war seiner Darstellung nach in Un37 Rogerii carmen misrabile, 555  ; Deutsche Übersetzung  : Rogerius von Torre Maggiore  : »Klagelied«, 143, und 194, Anm. 43.

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garn unbekannt. Das führt aber zur nächsten Feststellung, dass nämlich die sogenannten »Großen« Ungarns ihre herausgehobene Stellung anderen Vorstellungen verdankten, als dies im römisch-deutschen Reich der Fall war. Otto hielt diesen absoluten Gehorsam dem König gegenüber für barbarisch  ; der gute Kaiser hingegen regiert mit Hilfe und Zustimmung der Fürsten.38 Der ungarische Adel wirkte unter anderen Umständen an der Herrschaft des Königs mit, als dies in der ehemals fränkischen Ordnung der Fall war. Doch ist manches recht ähnlich, teils durch Übernahme fränkischer Vorbilder, teils durch gleiche Voraussetzungen zur Ausübung von Machtpositionen. Ein Gespan (comes) in Ungarn kam mitunter aus dem Kreis der ungarischen Sippenhäupter oder der Kawaren, die schon vor der Aufteilung des Herrschaftsgebietes in Grafschaften mächtige Leute waren. Solche Beobachtungen betreffen auch den sich formierenden Adel der Merowingerzeit.39 Es geht also auch beim ungarischen Adel um Macht und Ämter. Die von Simon von Kéza dargestellten Traditionen alter Abkunft führender Familien könnten ein erst später aufgetretenes Phänomen oder doch an Entwicklungen des 10. Jahrhunderts orientiert sein. Trotz dieser teilweise genaueren Beobachtungen scheint das Urteil Ottos über die Machtverhältnisse in Ungarn zu wenig differenziert. Auch in den Thronkämpfen seit Abas Königtum, in deren Verlauf König Stephans rechtliche und soziale Maßnahmen zum Teil ausgehöhlt wurden, blieben einerseits einige seiner grundsätzlichen Vorstellungen erhalten, andererseits wurden sie von König Andreas aufs Neue geboten.40 Otto stellt die Grafen und andere Würdenträger Ungarns so dar, als wären sie der Willkür des Königs hilflos ausgeliefert. Vereinzelt überliefern aber Urkunden aus dem späteren 11. und dem 12.  Jahrhundert ein von dieser Darstellung abweichendes Bild. Herausgegriffen sei nur ein Beispiel  : In der von König Géza  I. im Jahre 1075 ausgestellten Gründungsurkunde für St. Benedikt im Grantal heißt es am Schluss, dass sein Bruder Herzog Ladislaus, der Erzbischof von Gran und mehrere Bischöfe, aber auch der Pfalzgraf Jula und andere Fürsten anwesend waren, auf deren Rat und mit deren Zustimmung die Bestimmungen über das neu gegründete Kloster beschlossen wurden.41 Die Urkunde enthält Interpolationen aus dem 13.  Jahrhundert, aber auch Textteile, deren Formulierungen zum Ausstellungsdatum passen. Die Beteiligung von Würdenträgern aus der ungarischen Führungsschicht an der Ausstattung eines Klosters ist recht wahrscheinlich. Hingegen ist die Handhabung der Erträge aus dem Zoll- und Münzwesen und dem Salzhandel, die fast ausschließlich dem König zuflossen, ein wichtiger Hinweis auf die starke Ausrichtung der Tätigkeit der Gespane (Grafen, comites) auf den König.

38 Goetz, Das Geschichtsbild, 286, mit Anm. 191 und 107. 39 Entscheidende Forschungen dafür Werner, Bedeutende Adelsfamilien, 25 ff. 40 Lohrmann, Benachbarte Kollektive 130. 41 Diplomata Hungariae Antiquisima, 218, Nr. 73.

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Noch erhellender ist das dritte Buch der Gesetze König Ladislaus’, dessen Entstehungszeit von Büdinger in die Zeit König Salomons (1063) verlegt wurde, von Györffy in die Frühzeit des Ladislaus.42 In dem besagten dritten Buch handeln einige Abschnitte von den Herrschaftsträgern Ungarns. Im zwölften Abschnitt geht es um einen Diebstahl, der in der curia eines Adeligen (nobilis) geschah. Zunächst sollte man den Adeligen oder seinen mit leitenden Angelegenheiten beauftragten Amtmann (pristaldus) von dem Vorfall verständigen. Wenn dieser oder sein Hofmeister nicht anwesend waren, war der Dieb zehn Tage in Gewahrsam zu halten und am elften sollte er dem königlichen Richter vorgeführt und dort nach den allgemeinen Gesetzesbestimmungen verurteilt werden.43 Was geschah, wenn der Herr oder sein pristaldus während der zehn Tage zurückkehrten  ? Es ist zu vermuten, dass in diesem Zeitraum am Hof des Adeligen Recht gesprochen wurde. Fraglich ist, wie man die wichtige Rolle des ungarischen Pfalzgrafen in der Gerichtsbarkeit, die vielleicht sogar reine Hofgerichtsbarkeit war, beurteilen soll  ? Ihm war das Königssiegel anvertraut, das er allerdings, wenn er sich nicht am Hof befand, einem Stellvertreter übergeben musste. In dem Zeitraum, in dem der Pfalzgraf nicht am Hof weilte, gab es keine Vorladungen vor sein Gericht. Trotz dieser weitgehenden Befugnisse, war seine Tätigkeit im Grunde königliche Gerichtsbarkeit. Büdinger hält es für möglich, dass der bedeutende Palatin Rado(an), der Begründer der besonderen Machtstellung des Palatins gewesen ist. Rado ist 1067 nachgewiesen.44 Auch Übertretungen seiner Vollmachten wurden nur mit geringen Strafzahlungen geahndet. Aus dem zitierten Abschnitt 3 geht hervor, dass auch der Herzog einen Grafen heranzog, der an seiner Stelle Gerichtsbarkeit ausübte und dessen Stellung ihm gegenüber jener des Palatins zum König entsprach.45 Etwas unklar ist der auslösende Vorgang bei Kämpfen, die »zu Hause« stattfanden. Es gab Leute, die domi in Streit gerieten. Es lag in ihrem Ermessen, einen Richter damit zu befassen oder nicht. Solange keine Klage erhoben wurde, sollte kein Richter von sich aus tätig werden. Auch bei einer Klage war es seiner Entscheidung überlassen, ob er einen Prozess führen wollte. Im Falle eines Prozesses führte er ihn gegen eine Zahlung, von der zwei Drittel an den König abzuführen waren. Fraglich ist, was wir unter »zu Hause« verstehen sollen. Handelt es sich um eine gerechtfertigte Fehde oder gab es bereits eine grundherrschaftliche Immunität oder eine Regelung, die sich an diesem Vorbild orientierte  ? Wir kennen allerdings das Rechtsprinzip auch in Österreich, und zwar noch im 13. Jahrhundert, dass ein Richter nur nach einer Klage tätig werden sollte.46 42 The Laws of Medieval Kingdom of Hungary, 85  ; Büdinger, Ein Buch ungarischer Geschichte, 19, mit Anm. 1. 43 The Laws of Medieval Kingdom of Hungary, 21, Abschnitt XII. 44 Chronici Hungarici compositio, 375  ; Büdinger, Ein Buch ungarischer Geschichte, 22. 45 Das hier behandelte Gesetz The Laws of Medieval Kingdom of Hungary, 19, Abschnitt III. 46 Judenordnung 1244 zum Judenrichter BUB II Nr. 285 Nr. 430  ; zu diesem Rechtsgrundsatz, der sich aus dem Prinzip ergibt, dass niemand zu einer Klage gezwungen werden kann, HRG II col. 1852.

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Wieder zu einem Vergleich mit den Verhältnissen im babenbergischen Österreich fordert der Abschnitt  9 heraus, in dem es um die Behandlung eines Diebes geht, der von irgendeiner Person gefangen genommen wurde. Man sollte den Dieb drei Tage in Gewahrsam halten. Diese Bestimmung deutet darauf hin, dass der Mann, der den Dieb gefangen hatte, über einen Raum verfügen musste, der als Verließ geeignet war. Der Missetäter musste also in einem geeigneten Gebäude in Gewahrsam gehalten werden. Ähnliche Verhältnisse herrschten im benachbarten Herzogtum der Babenberger  : Weltin zitierte aus einem Göttweiger Mandat von 1195, dass Missetäter, die sich an Klostergut vergriffen hatten, an den nächsten Ort gefesselt zu übergeben waren, wo sie für ihre Verbrechen büßten. Diese nächsten Orte waren wohl vor allem Burgen, die im Besitz von beliebigen Grafen, Edelfreien oder Ministerialen waren.47 Es handelt sich bei diesem Mandat um eine Exemtionsurkunde für Göttweig, deren Inhalt den »herzoglichen« Richtern, den advocati, iudices und precones bekannt zu machen war. Diese so bezeichneten Leute übten ihre richterliche Funktion zumindest mit herzoglicher Zustimmung aus. Eine stringente Organisation des Herzogs hinsichtlich der Landgerichtsbarkeit gab es um 1100, also in der Zeit, in der die Gesetze des Ladislaus entstanden, auch im Herrschaftsbereich der Babenberger noch nicht. Die starke Stellung des ungarischen Königs in der Gerichtsbarkeit beurteilte Otto von Freising eher als barbarisch denn als traditionell, die Mitwirkung des Adels war für ihn das Gewohnte. Zurück zum Inhalt der ungarischen Bestimmung  : Der festgenommene Dieb sollte nach drei Tagen dem königlichen Richter vorgeführt werden. Wenn jener, der ihn gefangen hielt, allerdings erklärte, er könne Mitwisser an der Tat ausfindig machen, wurde ihm zur Auslieferung des Gefangenen eine Frist von sechs Wochen eingeräumt, in deren Verlauf er die Mittäter entdecken sollte. Wenn er diese innerhalb dieser Frist nicht finden konnte, sollte er durch ein königliches Urteil bestraft werden. Das sollte wohl Schutz vor erlogenen Behauptungen bieten, um den Gefangenen länger in eigener Verfügung zu haben. Offenbar hatten Große in Ungarn und ihre Dienstleute die Macht des Königs auch mit solchen Methoden auszuhöhlen versucht. Allerdings waren die Strafen gering, wenn solche Leute einen Dieb länger gefesselt und zu Unrecht in Gewahrsam hielten. Es gab also Leute, deren soziale und rechtliche Qualität wir nicht recht einschätzen können, die sich an der Friedenswahrung gegenüber Rechtsbrechern beteiligen konnten. Gewisse materielle Voraussetzungen mussten sie wohl mitbringen, obwohl es ja denkbar scheint, dass auch ein Bauer einen Dieb gefesselt in einem Stall gefangen halten konnte. Im Bestreben König Ladislaus’, die Flut der überhand nehmenden Diebstähle einzudämmen, schossen die königlichen Ratgeber in der Gesetzgebung mitunter über das Ziel hinaus und musste dann dafür sorgen, dass die Beteiligung eines größeren Kreises von Personen an der Verbrechensbekämpfung nicht andere, ebenso schlimme Verhältnisse begünstigte. 47 Weltin, Die Entstehung, 40.

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Otto von Freising liefert in seinem Ungarn-Exkurs einen differenzierten Beitrag, der allerdings nicht völlig frei von den traditionellen Vorurteilen gegen die Ungarn ist, sich aber andererseits informiert zeigt. Allerdings fehlten ihm präzise Informationen zum damals schon seit Jahrzehnten bestehenden ungarischen Recht, wie es vor allem unter den Königen Ladislaus I. und Koloman aufgezeichnet wurde. Wir konnten bei dieser Gegenüberstellung als überraschendes Ergebnis festhalten, dass eine Angleichung der Rechtsstrukturen östlich und westlich der Leitha in Gang gekommen war. Dieser Vorgang unterscheidet sich aber deutlich von jener Übernahme bayerischer und fränkischwestlicher Vorstellungen, wie sie die Gesetzgebung Stephans des Heiligen kennzeichnete. Man kann zwar die ungarischen Bestimmungen mit jenen, die in Bayern galten, vergleichen, doch die Abhängigkeit, die Stephans Gesetze vom fränkischen Vorbild aufwiesen, waren schwächer geworden. Trotzdem ging das rechtliche Erbe des großen Königs nicht verloren, die weitere Gestaltung der sozialen Verhältnisse in Ungarn baute auf seiner epochemachenden Leistung auf.

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Eine wichtige Beobachtung von Jürgen Dendorfer und ihre Folgen führen uns zur bekannten Umwandlung Österreichs in ein Herzogtum im September 1156, die den letzten Akt in der Auseinandersetzung um das bayerische Herzogtum der Babenberger bildete. Otto von Freising erzählt in seinen Gesta Friderici, dass der Kaiser, als er noch vor Mitte Oktober 1155 aus Italien nach Bayern zurückkehrte, in Regensburg wieder eine ergebnislose Verhandlung mit Heinrich Jasomirgott wegen des Verzichts auf Bayern führte. Weitere Besprechungen dazu hielt er an der böhmischen Grenze in Bayern. An den Gesprächen dort nahmen Vladislav von Böhmen, Albrecht von Sachsen und Pfalzgraf Hermann vom Rhein und andere Große des Reiches teil.1 Nach Ottos Bericht jagte der als Kaiser aus Italien zurückgekehrte Barbarossa den im Lande, also zu Hause Gebliebenen, solche Furcht ein, dass sie alle freiwillig erschienen und sich bemühten, durch Gehorsam die Gnade der Freundschaft des Kaisers zu erringen.2 Die erwähnten Fürsten gehörten nämlich zu den einstigen Vertrauten und Parteigängern Konrads III., die der Strategie Barbarossas in der bayerisch-welfischen Frage kritisch gegenüberstanden. Was nun den böhmischen Fürsten betrifft, schließt Dendorfer aus den näheren Umständen, nämlich dem Verhandlungsort, dass Vladislav II. den Kern dieser Opposition gebildet habe.3 Die Verhandlungen wurden ohne Ergebnis, ja in Missstimmung abgebrochen  – man ging grußlos auseinander. Trotzdem dürfte die gesteigerte Macht des Kaisers die Fürsten und wohl auch den Nachbarn Heinrichs Jasomirgott, nämlich Vladislav, zum Nachdenken und schließlich zum Einlenken gebracht haben. Vladislavs Bereitschaft, sich dem Kaiser zu nähern, brachte ihm eine ehrenvolle Funktion ein  : Er saß dem Fürstengericht vor, das die Umwandlung Österreichs zum Herzogtum beschloss.4 Damit hatte er die Genugtuung, wesentlich an dem versöhnlichen Ende des Streits beteiligt zu sein, in dem er seinem Schwager Heinrich lange zur Seite gestanden war.5 Die veränderte Beziehung zwischen dem Kaiser und Vladislav wird durch den Bericht des Vinzenz von Prag über Verhandlungen deutlich, die im Juni 1156, zu Pfingsten, in Würzburg stattfanden. An den böhmischen Fürsten erging ein geheim gehaltenes Angebot  : wenn er persönlich mit einem entsprechenden ritterlichen Gefolge dem Kaiser bei einem geplanten Feld1 2 3 4 5

Dendorfer, Von den Babenbergern, 221 f. Gesta Friderici Lib. II cap. 44, 150. Dendorfer, Von den Babenbergern, 222. Fiala, Die Urkunde Kaiser Friedrichs I., 177. Zur Ehe Vladislavs II. von Böhmen und Gertrud Lechner, Babenberger, 130, 139, Vinzentii Pragensis annales, 664, zum Jahr 1151  : Eodem anno domna Gertrudis ducissa, ipsam suam regalem genealogiam morum honestate exsuperans […]. Monachi Sazavensis continuatio Cosmae, 159, zum Jahr 1150  : Eodem anno obiit Gertrudis ducissa Boemiae.

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zug gegen Mailand Hilfe leisten werde, werde ihn dieser mit dem königlichen Diadem bekleiden.6 Wenige Tage zuvor hatte Heinrich Jasomirgott in Regensburg endlich dem Ausgleich mit Heinrich dem Löwen zugestimmt.7 Das zunächst schlechte Verhältnis zwischen Barbarossa und Vladislav  II. hatte vermutlich grundsätzliche Ursachen. Tatsächlich bestand ein im frühen 12.  Jahrhundert recht deutlich hervortretender Widerspruch zwischen der Wahlgewohnheit der böhmischen Großen und der intensiven Beteiligung des Kaisers an der Einsetzung des böhmischen Fürsten.8 In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts spielte die Mitwirkung des Kaisers nur unter besonderen Umständen eine Rolle, doch 1099 bat Břetislav II. den Kaiser, er möge seinem jüngeren Bruder eine Fahne übergeben und damit den in Regensburg anwesenden Böhmen jenen bezeichnen, den sie nach Břetislavs Tod auf den Thron erheben sollten. Damit wurde die Wahl des böhmischen Herzogs durch die principes zu einem Formalakt, weil sie nur mehr den vom Kaiser bereits anerkannten Kandidaten bestätigen konnten.9 Von einer electio konnte bei dieser Vorgangsweise keine Rede sein. Erst in den siebziger Jahren des 12. Jahrhunderts schrieb der sogenannte Mönch von Sazava, dass die Wahl des böhmischen Herzogs niemals vom Willen des Kaisers abhängig war, sondern stets der Entscheidung der Fürsten des Landes vorbehalten blieb. Der Kaiser konnte lediglich diese Wahl bestätigen.10 Der Autor berief sich dabei auf altes Herkommen. Nimmt man die Sache genau, handelt es sich bei dieser Passage um eine späte Stellungnahme zu einem Problem, das seit dem geschilderten Akt Břetislavs  II. im Jahre 1099 virulent war und 1138/40 ein weiteres Entwicklungsstadium erreichte. 1138 erlangte nämlich Herzog Soběslav I. die Gnade des gerade erst gewählten Königs Konrad  III., dass ihm sein noch im Kindesalter stehender Sohn Vladislav (es handelt sich nicht um den späteren Vladislav II., seinen Vetter) in der Herrschaft im Herzogtum nachfolgen solle. Im Beisein des Soběslav übergab König Konrad dem Knaben eine Fahne, das übliche Symbol für die Einsetzung in die weltliche Herrschaft. Die Großen Böhmens leisteten einen Eid auf die Reliquien der Heiligen (wohl der bekannten böhmischen Heiligen Adalbert etc.) und bestätigten diese symbolträchtigen Rechtsakte.11 Das Wahlrecht der proceres Bohemie war damit überspielt worden. Als Soběslav 1140 starb, erwiesen sich die Maßnahmen von 1138 als vergeblich. Die böhmischen Großen wählten den Neffen des verstorbenen Herzogs, jenen Vladislav II., um den es hier geht.

6 Vinzentii Pragensis annales, 666  ; Regesta imperii IV/2,1, 118 f., Nr. 398  ; Fiala, Die Urkunde Kaiser Friedrichs I., 173, mit Anm. 19. 7 Regesta imperii IV/2,1 118 Nr. 397. 8 Fiala, Die Urkunde Friedrichs I., 175. 9 Fiala, Die Urkunde Friedrichs I., 174. 10 Monachi Sazavensis continuatio 156 Z., 14 ff. Zu diesem Historiographen Nechutova, Die lateinische Literatur, 84 f. 11 Canonici Wissegradensis Continuatio 144 Z., 25 ff.; Bernhardi, Jahrbücher Konrad III. 1, 47 f.

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Konrad III. akzeptierte die Wahl und durch die Eheschließung mit der Babenbergerin Gertrud trat Vladislav II. in enge Beziehungen zu Heinrich Jasomirgot. Diese Rolle der böhmischen Fürsten im politischen Umfeld König Konrads III. und Heinrichs widersprach, wie Fiala meint, den Absichten Friedrichs I. Barbarossa. Es erhebt sich die Frage, ob Friedrich das vieldeutige und interpretierbare Verhältnis Böhmens zum Reich in seinem Sinne einer Klärung zuführen wollte. Damit berühren wir ein sehr schwierig zu behandelndes Problem, das auch Ungarn betrifft  : Ist es nachweisbar, dass der 1152 zum König erhobene Friedrich den Einfluss des Reiches in Böhmen und Ungarn wieder stärken wollte und diese Absichten in einem Zusammenhang mit dem bayerischen Ausgleich standen  ? Die auslösende Nachricht für derartige Überlegungen schrieb Otto von Freising nieder  : Friedrich habe auf dem Regensburger Hoftag am 29.  Juni 1152 den versammelten Fürsten den Plan eines Feldzugs gegen Ungarn vorgelegt.12 Die Passage macht den Eindruck einer nicht ganz reflektierten Begeisterung Ottos über die neuen Zeiten. Der Freisinger Bischof bescheinigte dem neuen König, dass er im eigenen Reich alles nach seinen Wünschen geordnet habe und nun seine Erfolge auch auswärts fortsetzen wolle. So beabsichtigte er, den Ungarn einen Krieg anzusagen und sie ad monarchie apicem zurückzuführen. Diese Zielsetzung wurde zuletzt so übersetzt  : Er wolle sie (die Ungarn) zur Anerkennung der höchsten Herrschaft zurückführen.13 Bei aller Skepsis gegenüber dieser zunächst singulär erscheinenden Nachricht könnte diese Formulierung eine Anspielung auf die zuletzt missglückten militärischen Unternehmungen Heinrichs III. und Markgraf Adalberts sein.14 Und der Gebrauch des Verbums r e d u c e r e könnte ja bedeuten, dass es um eine Wiederherstellung von wünschenswerten Beziehungen zu Ungarn ging. Doch ist die Sache mit dieser Argumentation sicher nicht entschieden, denn es besteht natürlich der Verdacht, das man mit dieser Interpretation von reducere die Quelle »presst«, soll heißen, ihr mit einer eng auslegenden Übersetzung den gewünschten Sinn abringt. Fraglich ist, ob Friedrichs Haltung gegenüber Ungarn mit der Absicht der Wiederherstellung einer Oberherrschaft des (künftigen) Kaisers zu erklären ist. Otto von Freising selbst hat an anderer Stelle der Gesta seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, dass Friedrich für die Niederlage von 1146 Rache nehmen werde. Otto formulierte sehr emotional und ohne Umschweife. Hinsichtlich der schmachvollen Niederlage meint er, »die Rache dafür ist noch nicht vollzogen, man erwartet aber, dass sie mit Gottes Hilfe von der siegreichen Rechten des jetzigen Kaisers vollzogen werden wird.«15 So schrieb er es 12 Regesta imperii IV, 2 24 Nr. 95, Gesta Friderici Lib. II cap. 6, 107. 13 Gesta Friedrici Lib. II cap. 6, 107. 14 Anders Varga, Ungarn und das Reich, 189. 15 Gesta Friedrici Lib. I cap. 33, 53  : Cuius rei et tam dedecoris facinoris ultio nondum facta Deo opitulante a victrice presentis imperatoris dextera futura expectatur. Die deutsche Übersetzung nach Bischof Otto von Freising und Rahewin, 199  ; zum starken (rechten) Arm des Herrschers Fichtenau, Arenga, 44.

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wohl im Sommer 1157 nieder. Dieses Motiv nimmt auch Varga mit Recht sehr ernst. Neben solchen Drohungen ist der Hinweis zu beachten, dass vielleicht im Jahre 1151 Verhandlungen bezüglich der Angelegenheiten des Königs und des ganzen Königreichs mit dem Herzog von Österreich stattgefunden hatten.16 Die Urkunde für den Abt von Martinsberg ist bezüglich ihrer Echtheit bzw. Richtigkeit verdächtig, denn 1151 gab es noch keinen dux Austriae, mit dem der König von Ungarn solche Verhandlungen hätte führen können. Zur Datierung dieser Gespräche ist auch das Jahr der Wahl des Erzbischofs Martyrius von Gran angeführt, doch wissen wir nicht, ob diese tatsächlich 1151 stattfand. Wenn der Bezug auf die Gespräche der Ungarn mit Heinrich Jasomirgott in diesem Jahr auch zweifelhaft ist, bieten Vargas weitere Schlussfolgerungen eine ansprechende Erklärung der Lage. 1150 waren die bayerischen Kämpfe mit Welf  VI. unter Vermittlung Friedrichs, des späteren Kaisers, beendet worden.17 Damit verlor der Welfe nach der Auffassung von Varga die Unterstützung Gézas  II. Entscheidend für die vermutliche Einstellung von Zahlungen an Welf VI. war der Ausgleich Welfs mit Konrad III. In dieser Zeit wuchs der Einfluss des jungen Friedrich am Hof Konrads III., jener der Babenberger schien zurückzugehen.18 Die Datierung 1151 für die Gespräche des ungarischen Königs mit Heinrich Jasomirgott würde sich in die Chronologie der Geschehnisse gut einfügen. Der bayerische Herzog und der Adel standen unter diesen Umständen als traditionelle Kämpfer am Beginn von Barbarossas Regierungszeit gegen Ungarn nicht zur Verfügung. Am 4. März 1152 wurde Barbarossa zum König gewählt, von dem bekannt war, dass er im bayerischen Konflikt zugunsten Welfs  VI. gewirkt hatte. Nach Lechner nahm Heinrich Jasomirgott an Friedrichs Wahl nicht teil. Der Sachverhalt ist nicht zu klären.19 Der von Barbarossa im Juli 1152 in Regensburg vorgelegte Plan eines Feldzugs gegen Ungarn wurde von den anwesenden Fürsten abgelehnt.20 Wie bei einem Hoftag in Regensburg nicht anders zu erwarten, waren alle bayerischen Bischöfe anwesend und neben dem Herzog Jasomirgott einige Fürsten aus dem karantanisch-istrischen Süden, darunter der Markgraf von Steier Otakar III.21 Dass die ablehnende Haltung auf den Einfluss des bayerischen Herzogs Heinrich Jasomirgott zurückging, ist möglich, aber nicht hiebund stichfest zu beweisen, da die Datierung der erwähnten freundlichen, vielleicht sogar

16 A Pannonhalmi 1, 600 Nr. 12  ; Varga, Ungarn und das Reich, 186  ; Hechberger, Staufer und Welfen, 261, mit Anm. 113, dort mit weiterführender Literatur. 17 Regesta imperii IV/1,2 Nr. 698 vom 24. September 1150. Wichtige Verhandlungen schon zu Beginn des Jahres. Bernhardi, Jahrbücher Konrad III. 2, 798 ff. 18 OPLL, Die Regelung, 50 f. 19 Regesta imperii IV/2,1 Nr. 64  ; zum Problem Simonsfeld, Jahrbücher Friedrich I., 31 f. Lechner, Babenberger, 151. 20 Regesta imperii IV/2,1 Nr. 95  ; Varga, Ungarn und das Reich, 187 f. 21 MGH D Friedrich I. 1, 26 f., Nr. 14.

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Frieden stiftenden Begegnung zwischen Heinrich und Géza im Jahre 1151 unsicher ist.22 Die Bedeutung von Barbarossas Plänen, die Ungarn betrafen, sollte man allerdings nicht unterschätzen. Der junge König wollte die Scharte von 1146 auswetzen, Ungarn aber offenbar auch in den orbis des westlichen Kaisertums miteinbeziehen. Ob mit dieser von Otto von Freising kolportierten Absicht bereits künftige Konzeptionen von Barbarossas Italienpolitik sichtbar werden, sei dahingestellt. An Heinrichs Seite stand sein Schwager Vladislav II., der offenbar über die Grundlagen der böhmischen Fürstenherrschaft anders dachte als der Kaiser und seine Würde der Wahl durch die böhmischen Großen verdanke. Die notwendigen Kompromisse zur Durchführung der Barbarossa als notwendig erscheinenden Maßnahmen in Italien veränderten das Verhältnis zwischen Friedrich und Vladislav. Wie berichtet kam man sich bei den Verhandlungen an der böhmischen Grenze bereits 1155 näher. Im Juni 1156 gelang Barbarossa schließlich der entscheidende Durchbruch. Am 5. Juni bewog Kaiser Friedrich den Babenberger einem Vergleich mit Heinrich dem Löwen zuzustimmen.23 Wenige Tage später fanden in Würzburg Verhandlungen mit Vladislav, dem Prager Bischof Daniel und dem böhmischen Kanzler Gervasius von Višehrad statt. Vladislav verpflichtete sich, am nächsten Unternehmen gegen Mailand teilzunehmen und erhielt dafür das Recht, an bestimmten Festtagen ein königliches Diadem, einen Kronreif, zu tragen. Weihnachten, Ostern und Pfingsten entsprachen dem Auftreten des Kaisers an diesen Festen und dazu kamen die böhmischen Festtage der Heiligen Wenzel und Adalbert.24 Ob und in welchem Ausmaß Böhmen mit dieser Würdigung des Vladislav eine größere Unabhängigkeit vom Reich erhielt, ist in Frage zu stellen. Kaiser Friedrichs betreffende Urkunde vom 18.  Jänner 1158 ist in rechtlicher Hinsicht vielleicht sogar absichtlich unklar. Das Ereignis beeindruckte vor allem die Chronisten  : Selbst ein sachlicher Berichterstatter wie Vinzenz von Prag schreibt, dass Vladislav vom Herzog zum König gemacht wurde, wovon in der Barbarossa-Urkunde nicht ausdrücklich die Rede ist. Der von freudiger Erregung geprägte Bericht der Annalen von Hradiste-Opatovice stellt fest, dass Böhmen nun keine provincia mehr, sondern ein regnum sei. Ob wir das als präzise zeitgenössische Kennzeichnung einer Verfassungsentwicklung verstehen dürfen, ist eines jener tückischen Forschungsprobleme des 12. Jahrhunderts, die keine eindeutigen Interpretationen zulassen.25 Die an den wichtigsten Festtagen veranstaltete Zeremonie beeindruckte die böhmischen Großen, da ja die junge Generation von 1158, deren Engagement für Vladislav Vinzenz deutlich herausstreicht, in den folgenden Jahrzehnten die Funktionen ihrer 22 Varga, Ungarn und das Reich, 186, mit Anm. 96. 23 Regesta imperii IV/2,1 Nr. 397  ; BUB IV/1 Nr. 786  ; Gesta Friderici Lib. II cap. 47, 155. 24 Regesta imperii IV/2,1 Nr. 518. 25 Fiala, Die Urkunde Friedrichs I., 177, mit der Anmerkung 36, die alle Zitate enthält. Vgl.auch die Vorbemerkung in MGH D Friedrich I. 1, 336.

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einst murrenden Väter übernahm. Nicht zu unterschätzen ist auch die Gegenwart fremder Gäste von hohem Rang, die sich zu den hohen Festen einzufinden pflegten. Als für Vladislav die Nachfolgefrage zu einer dauernden Sorge wurde, verschlechterte sich das Verhältnis zum Kaiser, da die böhmischen Großen ihre Mitwirkung an der Entscheidung solcher Angelegenheiten forderten. Dem entsprach es, dass auch die böhmischen Unternehmungen bezüglich Ungarns selbständig erwogen und durchgeführt wurden.26 Ähnliches gilt für das im September 1156 eingerichtete Herzogtum der Babenberger in Österreich. Die Beschränkung der Verpflichtung des Herzogs auf ein Erscheinen nur bei den bayerischen Hoftagen, schrieb wohl nur eine bisher nicht klar geregelte Praxis fest, die sich wohl schon auf den Markgrafen bezogen hatte, bevor Leopold und Heinrich Herzöge von Bayern wurden. Diese Auffassung vertrat Konrad Josef Heilig, sie wurde allerdings von Heinrich Appelt bestritten. Dabei kommen in der Argumentation Appelts rechtgeschichtliche »Tatsachen« zum Tragen, die erst bewiesen werden müssten. Das Problem ist ungelöst, da die bisherige Untersuchung der Anwesenheit der Babenberger am Kaiserhof vor 1139 zwar versucht wurde, aber die Analyse der Ursachen der Anwesenheit am Hof nicht ausreichend deutlich machte.27 Die weitgehende Befreiung von der Verpflichtung zur Heerfahrt ist ein Hinweis auf zunehmende Selbständigkeit – die Beschränkung der Heerfolge auf regna vel provincias Austrie vicinas zeigt aber doch noch die Struktur der alten Mark. Dabei fragt sich, wer diese benachbarten Länder waren  ? Die Kämpfe der Babenberger mit Böhmen nach der Erhebung zu Herzögen waren vor allem Auseinandersetzungen benachbarter Territorien im Rahmen des Reiches. Die 1156 erfolgte Klärung der Herrschaft in Bayern und die nun formal vollzogene Abspaltung Österreichs bestätigten die nachbarlichen Beziehungen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten ausgebildet hatte. Varga wies bezüglich Ungarns darauf hin, dass sich mit dem Privilegium minus eine zunehmende Verlagerung der ungarnpolitischen Kompetenzen vom bayerischen Herzog auf die Markgrafen bzw. Herzöge von Österreich abzeichnete.28 Diese Verlagerung fand allerdings schon früher statt. Bedeutungsvoll blieb aber noch einige Jahre das Zusammenwirken des Königs mit dem Herrschaftsträger in Österreich. Nun konnte Friedrich Barbarossa Politik gegenüber Ungarn treiben, denn zugleich mit der Einigung mit Heinrich Jasomirgott, fand auch der Ausgleich des Kaisers mit Vladislav II. statt.29 Auch Géza II. suchte sich 1156/57 Böhmen anzunähern. Bischof Daniel von Prag holte 1157 mit anderen böhmischen Großen Elisabeth, Gézas Tochter, als Braut für Friedrich (Sohn Vladislavs II.) in Ungarn ab.30 Wenige Monate danach verhandelte Daniel erfolgreich mit dem ungarischen König über die Entsen26 Fiala, Die Urkunde Friedrichs I., 187 ff. 27 Appelt, Die Erhebung Österreichs zum Herzogtum, 61  ; Heilig, Ostrom und das deutsche Reich, 198 ff., Erben, Das Privilegium Friedrichs I., 78. 28 Varga, Ungarn und das Reich, 192. 29 Varga, Ungarn und das Reich, 192 f. 30 Monachi Sazavensis Continuatio 160 Z., 17 ff.

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dung von 500 Bogenschützen (Sarazenen) für den kaiserlichen Feldzug gegen Mailand.31 Diese Leute zogen dann 1158 tatsächlich zusammen mit den Österreichern nach Italien. Auch gegenüber Ungarn löste sich damit Heinrich Jasomirgott aus der alten markgräflichen Beauftragung durch den Kaiser. Die Sarazenen, die zu den Österreichern stießen, führte vermutlich Herzog Heinrich an.32 Der gegen Mailand geplante Feldzug spielte also bei den damaligen Verhandlungen mit Vladislav und Heinrich und in der Folge mit Géza II. eine bedeutsame Rolle. Die Bestimmung im Privilegium maius von 1358, dass nämlich der (Erz)herzog bei Feldzügen gegen Ungarn lediglich 12 Ritter stellen musste, könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Bezug auf die Nachbarn im Jahre 1156 tatsächlich Ungarn gemeint hatte. 1358, im Jahr der Verfälschung und »Ergänzung« des Minus, gab es ja seit der Übernahme der Herrschaft der Österreicher auch jenseits der Steiermark, nämlich in Kärnten, und bereits absehbar in Krain und Tirol wesentlich mehr Nachbarn als zur Zeit Heinrichs Jasomirgott. Deshalb ist die Erwähnung Ungarns im Maius mit Rücksicht auf das Minus vielsagend. Die geschilderten Vorgänge führten zu einer neuen Situation in den Grenzräumen der ehemals fränkischen, aber noch immer lateinisch- imperialen Herrschaft und den östlichen Nachbarn. Vielleicht entstand damals schon diese mittel- oder ostmitteleuropäische »Staatenwelt«, die aus den Teilnehmern an einer überholten Weltordnung Partner machte, die sich gleichrangig gegenüberstanden. Dies wurde aber erst dann in vollem Umfang erkennbar, als auch die sozialen und Herrschaftsverhältnisse in diesem Raum am Ende eines langen Angleichungsprozesses im 13. Jahrhundert gewisse Übereinstimmungen aufwiesen.

31 Vincentii Pragensis Annales 667 Z., 15 ff. 32 Varga, Ungarn und das Reich, 193  ; Hechberger, Staufer und Welfen, 261, mit Anm. 114.

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Die nachbarlichen Verhältnisse in den Jahren nach dem Privilegium minus Abgesehen von dem Konflikt mit Heinrich Jasomirgott im Jahre 1145 trat nach 1156 der steirische Nachbar der Babenberger immer deutlicher in Erscheinung. Mit der Beilegung der Auseinandersetzung 1145/46 war die Zeit offener Reibungen zunächst beendet. Unklar ist, ob weiterhin Spannungen zwischen den Kontrahenten bestanden. So wies Lechner darauf hin, dass Otakar III. 1156 nicht nach Regensburg gekommen war, als Heinrich Jasomirgott zum Herzog von Österreich erhoben wurde.1 Wie bereits erörtert, war Otakar III. mit der auf Ausgleich mit den Welfen gerichteten Politik Barbarossas wohl einverstanden. Daraus müssen wir aber nicht schließen, dass zwischen ihm und Heinrich Jasomirgott grußlose Spannung herrschte  : heikel war das Verhältnis immerhin. Gegen zu strikte Folgerungen ist allerdings zu bemerken  : Im Februar 1154 fanden in Bamberg Verhandlungen über die Beilegung des Streites um Bayern statt. In der am 3. Februar von König Friedrich für Bamberg ausgestellten Urkunde wurden Herzog Heinrich von Bayern und der Markgraf von Steier als Zeugen verzeichnet.2 1154/55 war Otakar III. mit dem Kaiser in Italien.3 Er gehörte zu jenen Fürsten, die im Juli 1155 heimkehrten.4 Noch als Herzog von Bayern stellte Heinrich Jasomirgott in Wien vor dem 17. September 1156 eine Urkunde für St. Peter in Salzburg aus. Erster Zeuge dieser Schenkung war Otakar III.5 Diese Beobachtungen sprechen gegen einen sich nach 1145 fortsetzenden Dauerkonflikt. Wenige Jahre später arbeiteten die beiden Fürsten sogar bei der Lösung von Konflikten in der Nachbarschaft zusammen. 1163 beauftragte nämlich Kaiser Friedrich den Markgrafen Otakar III., Beratungen mit seinen Gesandten, dem Protonotar Heinrich und dem Grafen Heinrich von Diez, abzuhalten.6 Die Verhandlungen bezogen sich auf den ungarischen Thronstreit zwischen Stephan III. und Stephan IV. und sollten im Einvernehmen mit König Vladislav II. von Böhmen und Herzog Heinrich Jasomirgott eine einheitliche Position des Reiches und der betroffenen benachbarten Fürsten im ungarischen Thronstreit herstellen.7 Wir wollen diesen Konflikt etwas näher betrachten.

1 Lechner, Babenberger, 167. 2 MGH D Friedrich I., 1, 116 f., Nr. 70. 3 MGH D Friedrich I. 1, 153, Nr. 92 hier 155, als Zeuge und später häufig siehe Register 424  ; Pirchegger, Geschichte der Steiermark 1, 169. 4 Pirchegger, Geschichte der Steirmark 1, 170. 5 BUB I, 31 f., Nr. 23. 6 Diese Datierung zuletzt Varga, Ungarn und das Reich, 202 f. 7 MGH DD Friedrich I. 2, 326 Nr. 431 und 327 Nr. 432.

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Gabor Varga hat in seiner umfassenden Studie zum Verhältnis Ungarns zum Reich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine seiner Meinung nach wesentliche Veränderung bei der Resonanz auf ungarische Thronstreitigkeiten in der Nachbarschaft festgestellt.8 Als Géza II. 1162 starb, hinterließ er einen Sohn, der als Stephan III. kurz nach dem Tod des Vaters zum König gekrönt wurde. In Konstantinopel lebten aber zwei Brüder Gézas, nämlich Ladislaus und ein weiterer Stephan, welche die Herrschaft ihres Neffen nicht anerkannten. Tatsächlich hielten die Herrschaft für den 15-jährigen Stephan III.9 Gézas Witwe Euphrosine und Erzbischof Lukas von Gran in Händen.10 Es gab aber auch eine zunächst wenig einflussreiche Opposition gegen den neuen König unter den ungarischen Großen. Der byzantinische Kaiser Manuel unterstützte Stephan, den Onkel des jungen Königs, und schickte Gesandte zu Verhandlungen nach Ungarn. Schließlich gelang es Ladislaus, den Zweiten seines Namens als König durchzusetzen, der im Juli 1162 gekrönt wurde  ; sein Bruder Stephan erhielt den Dukat. Stephan III. flüchtete nach einer verlorenen Schlacht angeblich zuerst nach Österreich und dann nach Pressburg.11 Diesen Thronstreit sahen ungarische und deutschsprachige Historiker bis vor wenigen Jahren in ein sozusagen weltpolitisches Aufeinandertreffen der Interessen beider Kaiser eingebettet. Für den Westen und daher Friedrich Barbarossa ist wieder einmal zu fragen, ob man damals ältere »fränkisch-römische« Universalpolitik fortsetzte bzw. neu belebte  ? Die Frage zielt insofern auf die prinzipielle Strukturentwicklung, als sie auch das Eingreifen Heinrichs V. zugunsten des Herzogs Álmos im Jahre 1108 oder die Pressburger Posse mit dem folgenden Krieg 1146 als markante Etappen in der Entwicklung einer umfassenden neu ausgerichteten Ordnung an der Nahtstelle des alten fränkischen Europas und seiner östlichen Nachbarn zu deuten versucht. Wir können weder 1108 noch 1145/46 eine eindeutig imperiale Aktion oder ausschließlich eigenes Handeln des benachbart lebenden österreichischen oder böhmischen Adels nachweisen. Im nun zur Diskussion stehenden Fall haben wir mehr Nachrichten zur Verfügung, die eine tiefer gehende Beurteilung der Gedankenwelt hinter den Vorgängen gestattet. Ich gehe davon aus, dass die von Varga ausführlich dargestellte Kritik an den alten Vorstellungen einer Reihe von Historikern über eine »weltpolitische« byzantinisch-römische Konfrontation einen richtigen Ansatz darstellt. Barbarossa beschäftigte sich erst mit dem ungarischen Thronkampf, als er sich 1163 etwa ein Jahr in Deutschland aufhielt.12 Inzwischen war Ladislaus gestorben und sein Bruder saß als Stephan IV. auf dem ungarischen Thron. Da Stephan recht unbeliebt war, gewann sein Neffe an Boden, schlug eine Schlacht gegen  8 Varga, Ungarn und das Reich, 199 ff.   9 Zum Alter Stephans III. Kristó, Árpáden-Dynastie, 145. 10 Varga, Ungarn und das Reich, 199. 11 Annales Posoniensis, 127, zum Jahr 1172 (richtig 1162)  ; zu Österreich  : Kristó, Die Árpáden-Dynastie, 145. 12 Opll, Friedrich Barbarossa, 85 f. Vargas ausführliche Kritik Varga, Ungarn und das Reich, 200.

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den Onkel und erreichte, dass der byzantinische Kaiser Manuel von einer weiteren Unterstützung Stephans IV. absah. Wie ging nun Friedrich Barbarossa vor  ? Ein geplanter Ungarnzug wurde in einem Brief des Papstes an den Erzbischof von Salzburg erwähnt  ;13 dabei handelte sich aber wohl um ein bloßes Gerücht. Nach der verlorenen Schlacht gegen Géza II. 1146 wusste man, dass sich zumindest der Kern des ungarischen Heeres den Methoden der westeuropäischen und fränkisch-deutschen Kriegsführung angepasst hatte und kriegerische Unternehmen einen hohen Aufwand erforderten, der bei den Kosten der Unternehmungen in Italien wohl kaum zu leisten war. Barbarossa setzte auf Verhandlungen. Näheres dazu erfahren wir aus Briefen des Kaisers an Eberhard von Salzburg und Otakar III., den Markgrafen von Steier.14 Der Kaiser war durch Gesandtschaften der ungarischen Streitparteien im Sinne der jeweiligen Interessen informiert worden und konnte sich kein rechtes Bild von den Verhältnissen machen  : So hielt er Stephan III. für den Usurpator der königlichen Stellung. Obwohl er es für seine kaiserliche Pflicht hielt, in Ungarn für die rechte Ordnung zu sorgen, reichte sein Informationsstand nicht aus, die Lage beurteilen zu können. Wir werden hören, dass der Sachverhalt dem böhmischen König weit besser bekannt war, aber auch in Österreich kannte man die Vorgänge in Ungarn recht gut. Die Klosterneuburger Annalen stellen die Ereignisse ganz anders dar, als der kaiserliche Brief an den Salzburger Erzbischof  : Stephan IV. sei nach seiner Thronbesteigung mit Schande aus Ungarn vertrieben worden und sein Neffe wieder in seine Herrschaft mit Ehren eingesetzt worden.15 Der Kaiser teilte Otakar III. mit, dass er ohne den Rat des Königs von Böhmen, des Herzogs von Österreich und des Markgrafen von Steier nichts überlegen und entscheiden werde. Was die drei für richtig hielten und zusammen mit seinen Legaten beschließen würden, werde auch er ohne nochmalige Prüfung übernehmen.16 Der Kaiser betrachtete die genannten Fürsten, die Nachbarn der Ungarn, zwar als seine Ratgeber, doch übertrug er ihnen auch die Entscheidung, an der er nichts mehr ändern wollte. Der Verweis auf die Aufgabe des Kaisers, in Ungarn für Ordnung zu sorgen, geht auf die alten, in den fränkisch-karolingischen Verhältnissen wurzelnden Vorstellungen von der umfassenden Verantwortung des Kaisers zurück. Die Bewältigung dieser Aufgabe musste aber in neuen Formen vor sich gehen. Österreich und die Steiermark hatten sich aus den Marken des 10. Jahrhunderts zu regna entwickelt, die nicht mehr ausschließlich in der früheren Abhängigkeit vom Kaiser handelten. Der einstige gentile 13 Admonter Briefsammlung  : Anhang Briefe Papst Alexanders III., 203, Nr. 2  ; Varga, Ungarn und das Reich, 201. 14 Salzburger Briefsammlung, 178 f.–180 f., Nrn. 20 und 22  ; Varga, Ungarn und das Reich, 202. 15 Continuatio Claustroneoburgensis II, 615  : […] et hic [Stephan III.] eodem anno cum dedecore regno pellitur, et Stephanus filius Geysae regno suo honorifice restituitur  ; Weniger deutlich, in der Sache aber informiert  : Continuatio Admuntensis, 583 zum Jahre 1163. 16 MGH D Friedrich I., 2 327 Nr. 432  ; Varga, Ungarn und das Reich, 203.

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Verband der Böhmen, dessen Fürst sowohl den Trägern der Macht im Inneren als auch dem Kaiser/Großkönig verpflichtet war, hatte nun einen König an der Spitze, dessen Stellung zwar einige Rätsel aufgab, der aber jedenfalls ein Zeichen für die fortgeschrittene Entwicklung des Gemeinwesens war. Dem ungarischen König stand er vorläufig noch nicht gleichwertig gegenüber. Die weitere Entwicklung und das unrühmliche Ende Vladislavs II. sollten ja zeigen, dass das böhmische Königtum noch keine feste Größe war.17 Der schließliche Erfolg Stephans III. beruhte weniger auf der Anerkennung durch Friedrich Barbarossa als vielmehr auf einem militärischen Erfolg, den er der Haltung und dem Eingreifen seiner Nachbarn zu verdanken hatte. Heinrich Jasomirgott verheiratete seine Tochter Agnes mit dem ungarischen König.18 Das besondere Engagement Vladislavs II. zugunsten Stephans III. überliefert der ausführliche Bericht des Vinzenz von Prag.19 Als Vladislav II. den böhmischen Großen mitteilte, dass er eine Heerfahrt gegen Ungarn zugunsten Stephans  III. plante, war die Stimmung geteilt. Es gab Kritiker  : Mehrere Edle sagten nämlich, seit Menschengedanken habe man nicht gehört, dass der König von Böhmen einen König von Ungarn oder dass der König von Ungarn einen König in Böhmen eingesetzt hätte. Vladislav begegnete seinen Kritikern mit den üblichen sophistischen Tricks  : Er beabsichtige ja keinen König einzusetzen, sondern er wolle einem eingesetzten König gegen seine Feinde beistehen.20 Die hier zitierte Passage ist trotzdem bedeutungsvoll  : Böhmische Adelige bestritten, was noch 100 Jahre zuvor selbstverständlich war, dass nämlich böhmische Fürsten in die ungarischen Verhältnisse eingreifen konnten. Diese Achtung vor dem Nachbarn, der zwar Anspruch auf Hilfe, aber keine Bevormundung zu erleiden hatte, war nur in einer bestimmten Entwicklungsphase der Beziehungen von Bedeutung. Wir wissen, dass später, als die Nachbarländer entwickelte regna waren, der wechselseitige Wunsch nach Landgewinn sich einfach über die Errungenschaften der Eigenständigkeit hinwegsetzte. Wir werden aber sehen, dass es auch neue Gründe für die späteren nachbarlichen Konflikte gab. So schufen die in den Grenzräumen sich näher rückenden Grundherren gefährliche Situationen. Die Haltung des böhmischen Königs entsprang nicht so sehr der Bindung Böhmens an das Reich, sondern eher vielfachen Verbindungen, die zwischen den böhmischen und ungarischen Herrschern in der jüngeren Vergangenheit entstanden waren.21 Vargas Beurteilung der Verhältnisse zeigt eine Pragmatik, die sich auf dieser Zeitstufe wohltuend 17 Hoensch, Geschichte Böhmens, 73. 18 Dies notierte man in Zwettl, Admont, Klosterneuburg und Wien. Continuatio Zwetlensis I, 538, Z.  25 zum Jahr 1166, Continuatio Admuntensis, 583, Z. 45 linke Spalte zum Jahr 1166, Continuatio Claustroneoburgensis I, 610, Z. 50, Continuatio Claustroneoburgensis II, 616, Z. 1 rechte Spalte zum Jahr 1165 und Continuatio praedicatorum Vindobonensium, 726, Z. 1. 19 Vinzentii Pragenses Annales, 681 f. 20 Vincentii Pragensis Annales, 681, Z. 12–17. 21 So die Einschätzung von Varga, Ungarn und das Reich, 204.

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von den nicht mehr gerechtfertigten hegemonialen Theorien abhebt. Eine gewisse Korrektur ist nur insofern angebracht, als die Vorstellung von der universalen Verantwortung des Kaisers sicher noch lebendig war. Ein guter Teil der Handlungsweise Barbarossas wird durch seine entsprechende Programmatik verständlich. Die neuen Verhältnisse zeigen sich aber auch darin, dass die Programmatik der universalen Herrschaft oft die kaiserliche Wirksamkeit in der »Tagespolitik« ersetzen musste. Auf dem Boden dieser Voraussetzungen ist festzuhalten, dass der ungarische Thronstreit 1163/64 ein erneuertes Gefüge der Nachbarschaft erkennen lässt. Die Tätigkeit der ungarischen Nachbarn Otakar, Heinrich und Vladislav im ungarischen Thronstreit ist zumindest teilweise auf ihre traditionelle Stellung zum Kaiser zurückzuführen. Was Böhmen anlangt, hob Vinzenz von Prag in seinem ausführlichen Bericht die Bedeutung des böhmisch-ungarischen Bündnisses hervor. Kurz darauf sollte sich Otakar auch an der Beilegung eines Streites zwischen Herzog Heinrich und seinem Bruder Konrad, Bischof von Passau beteiligen.22 Diese Beobachtungen erklären zwar nicht die Abwesenheit Otakars am 17. September 1156 in Regensburg, beweisen aber, dass am Ende von Otakars Regierung (er starb am 31. Dezember 116423) Beziehungen zwischen ihm und dem österreichischen Herzog bestanden, die gemeinsam geführte Verhandlungen umfassen konnten. Jedenfalls fand man im Dienste des Kaisers zusammen. Fragen der Nachbarschaft erheben sich auch hinsichtlich der Admonter Vogtei respektive ihrer Übernahme durch den Herzog von Österreich. Die Übernahme dieser Vogtei durch Heinrich Jasomirgott 1168/69 in Admont lässt sich aus dem Verhältnis des Herzogs zum Salzburger Erzbischof Konrad II., einem seiner Brüder (gest. am 28. September 1168 in Admont), und dessen Nachfolger Adalbert, einem Neffen Heinrichs, erklären. Beide Bischöfe hatten wegen des päpstlichen Schismas ein gespanntes Verhältnis zu Friedrich Barbarossa und benötigten eine starke Rückendeckung, die ihnen Heinrich Jasomirgott bieten konnte, »noch dazu, wenn er als Hauptvogt über Admont und dessen weit gestreuten Besitz in seiner Stellung gestärkt wurde.«24 Admont war eine Gründung (1074) des Reformers Erzbischof Gebhards von Salzburg und damit ein Salzburger Eigenkloster, dessen Vögte längere Zeit mit den Salzburger Hochstiftsvögten identisch waren. Seit den vierziger Jahren des 12. Jahrhunderts bestand zunehmend die Gefahr, dass sich Admont aus der Abhängigkeit des Erzbistums löste. In dieser heiklen Lage genoss der Babenberger das Vertrauen seiner Verwandten. Den Vorstellungen dieser Jahre entsprechend setzte das Kloster eine Begrenzung des Einflusses des Vogtes durch. Trotzdem wuchs der Einfluss Heinrichs II. in der karantanischen Mark aber auch in jenen Gebieten, wo Admont ansehnliche Besitzungen hatte. Auch das Herzogtum 22 MGH D Friedrich I. 2, 350 Nr. 449  ; BUB IV/1 Nr. 822  ; Regesta imperii IV/2, 2 Nr.. 1374. 23 Pirchegger, Geschichte der Steiermark, 1, 172. 24 Hausmann, Die Vogtei, 114.

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Österreich gehörte dazu und auch das Wiener Neustädter bzw. Neunkirchner Gebiet. Gerade in diesem wichtigen Grenzgebiet südlich der Piesting war dieser Machtzuwachs folgenreich, denn über die dort ausgeübte Gerichtsbarkeit entwickelte sich ein Zusammenwirken mit dem ansässigen Adel, der in diesem Landstrich zu jener besonderen Konstellation führte, aus der sich schließlich die Zugehörigkeit des Pittener Gebietes zu Österreich zum Teil erklärt. Neben der Admonter Hauptvogtei gab es Teil- oder Untervogteien, die regional gebunden waren. Diese Vogteien stellen ein herrschaftliches Organisationsproblem dar, da sie gewöhnlich aus einer Schenkervogtei entstanden.25 So können wir aus der Besitzbestätigung, die der letzte »Traungauer« Otakar IV. am 27. Dezember 1186 für Admont ausstellte, entnehmen, dass er ausschließlich jene Güter unter seinen Schutz nahm, die seine Familie oder seine Dienstleute dem Kloster geschenkt hatten.26 Hausmann schließt daraus, dass Otakar eindeutig eine Teilvogtei ausübte, die aufgrund der Herkunft des Besitzes einer Schenkervogtei entspricht. Das bedeutete, dass der Herzog nach wie vor Gerichts- und andere Rechte, wie etwa das Geleitrecht auf diesen Besitzungen und den dazugehörigen Wegen ausübte. Mit dem Übergang der Steiermark auf die Babenberger im Mai 1192 fielen auch diese Vogteirechte entsprechend den Vereinbarungen der Georgenberger Handfeste an Leopold V. Die Übernahme der Admonter Vogtei durch Heinrich Jasomirgott rechnet Karl Lechner zu jenen Faktoren, die den Gegensatz zwischen der steirischen Regentschaft und dem österreichischen Herzog verstärkten.27 Dauerhaft kann dieses Zerwürfnis nicht gewesen sein, denn im Frühjahr 1171 feierte Otakar IV. mit Herzog Heinrich das Osterfest in Klosterneuburg und begleitete ihn hierauf auch nach Wien, wo er am 1. Mai als Spitzenzeuge bei einer Rechtsentscheidung Heinrichs fungierte.28 Die aus Klosterneuburg überlieferten Ursachen der österreichischen Überfälle auf Fischau und Enns im Jahre 1175 sind nicht klar auszumachen.29 Der um die Besetzung des Salzburger Erzbistums schwelende Konflikt zwischen Adalbert, einem Sohn Vladislavs II. und Gertruds, der Schwester Heinrichs Jasomirgott, und dem 1174 von Friedrich Barbarossa eingesetzten Heinrich, Propst von Berchtesgaden, beunruhigte damals auch das Verhältnis zwischen der steirischen Regentschaft und dem Herzog von Österreich, der seinen Neffen weiterhin unterstützte. 1173 hatte Vladislav II. als böhmischer König 25 Lohrmann, Herrschaftsverhältnisse, 101  ; Reichert, Landesherrschaft, 283–297. 26 Hausmann, Die Vogtei, 118  ; die Urkunde StUB 1, 625 ff. bes. 626, Nr. 649. 27 Lechner, Babenberger, 167. 28 FRA II/4 Nr. 349 = BUB IV/1 Nr. 840  ; BUB I, 56 f, Nr. 42  ; Lohrmann, Herrschaftsverhältnisse, 167  ; Dienst, Babenberger-Studien, 53  ; Pirchegger, Geschichte der Steiermark 1, 176. 29 Continuatio Claustroneoburgensis III, 630f. rechte Spalte, zum Jahre 1175  : A Styrensibus multis quoque lacessitur iniuriis, unde indignati ministeriales ducis Austrie Vischa civitatem et illi contigua preda et incendio in solitudinem redegerunt. Fideles etiam ducis Anesim civitatem marchionis et circumiacentia incendiis vastaverunt. Pirchegger, Geschichte der Steiermark 1, 177.

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abgedankt. Ihm folgte nicht sein Sohn Bedřich, sondern ein Vetter namens Soběslav.30 Zum Jahr 1175 berichtete ein Beobachter aus Zwettl, dass der böhmische Herzog Soběslav II. (1173–1178) und die Ministerialen des Markgrafen von Steier zusammen mit ihrem Herrn Otakar, der noch immer ein Knabe war (oder bisher ein Knabe gewesen war), gegen den österreichischen Herzog Heinrich konspirierten und Verschworene der Böhmen wurden.31 Da Soběslav II. ein Gegner seines Verwandten Erzbischof Adalberts von Salzburg war, ist es denkbar, dass die Steirer auf diese Linie eingeschwenkt waren und nun abgesehen von den Grenzstreitigkeiten im Pittener Gebiet und im Traungau Stellung gegen Heinrich Jasomirgott bezogen. 1170 hatten ja Otakar IV. und seine Mutter Kunigunde durch Abwesenheit geglänzt, als Kaiser Friedrich vor Ort in der Steiermark den Salzburger Konflikt lösen wollte. Pirchegger hat diese Tatsache als seltsam eingestuft.32 Es ist zu vermuten, dass die Regentschaft damals bei noch gänzlich anders verlaufenden Konfliktlinien für den von Papst Alexander III. unterstützten Erzbischof Adalbert eintrat. Die gegenseitigen Verwüstungen 1175 betrafen auch österreichisches Gebiet. In Admont wusste man, dass eine Kirche St. Veit angezündet wurde Soběslav und dabei 300 Menschen verbrannten. Herzog Hermann von Kärnten war mit dem österreichischen Herzog im Bündnis.33 Die Böhmen schlugen erst im Jahre 1176 los, zu einem Zeitpunkt, da offenbar zwischen den Österreichern und Steirern wieder Frieden herrschte. Am 14. März verhandelten nämlich Herzog Heinrich der Löwe und Heinrich Jasomirgott östlich von Enns eine Angelegenheit des Stiftes Reichersberg. Sie besprachen dabei wahrscheinlich auch weitergehende Probleme. Möglicherweise ging es um ein Bündnis zwischen den Herzogen, da die Position des Löwen gegenüber Kaiser Friedrich schwierig geworden war. Juritsch vermutete, dass damals auch der steirisch-österreichische Konflikt beigelegt wurde.34 Noch bestand die Abhängigkeit der Steiermark von Bayern, so dass man die wechselseitigen Verwüstungen mit Hilfe des bayerischen Herzogs beenden konnte. Dass dies gelang, hat wohl mit dem jugendlichen Alter des steirischen Markgrafen zu tun. Damit war für den österreichischen Herzog eine unangenehme Situation entschärft. Die ursprüngliche Bedrohung schilderte man in Klosterneuburg recht lakonisch  : Von Böhmen aus wurde er wegen des Grenzverlaufs bedroht, von Ungarn wegen des Bruders 30 Lechner, Die Babenberger, 168. 31 Continuatio Zwetlensis altera, 541, zum Jahre 1175  : Dux Boemie Zebezlaus, et ministeriales marchionis de Styria cum ipso domino suo Otakaro, adhuc puero, contra ducem Austrie Heinricum conspirant, et coniurati Boemorum fiunt. 32 Regesta Imperii IV/2,3, Nrn. 1873 und 1874 bei Leibnitz  ; Pirchegger, Geschichte der Steiermark, 1, 175. 33 Continuatio Admuntensis, 585  : Dux Austrie et dux Karintiae nec non et marchio de Stira predas et incendia invicem exagitant, inter quae ecclesia Sancti Viti cum 300 hominibus exarsit. 34 Juritsch, Geschichte der Babenberger, 276 f. BUB IV/Nr. 846.

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des Königs, der noch ein Knabe war. Diesen Géza hatte nämlich Herzog Heinrich selbst aus Ungarn durch einen Grafen Laurenz herausbringen lassen und behütete ihn gegen den Willen König Bélas  III. bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt 1175.35 Genaueres zu dem Grenzkonflikt mit den Böhmen erfahren wir aus der Chronik des Abtes Gerlach von Mühlhausen. Auf Verlangen einiger Böhmen schickte Soběslav eine Gesandtschaft an Heinrich Jasomirgott und schnitt Fragen bezüglich des bebauten Landes im großen Grenzwald an, welcher mitten zwischen beiden Ländern liegt. Die Böhmen erklärten, dass ihnen der gesamte Wald gehöre, die Österreicher hingegen vertraten die Auffassung, dass der Wald auf ihrer Seite ihnen und der auf der anderen Seite den Böhmen gehöre. Herzog Heinrich und die betroffenen Siedler wussten auf diese unerwartete und unerhörte Klage keine Antwort und wollten den Wald und das bebaute Land wie ihre Väter in Frieden behalten.36 Dieser Bericht gibt Einblick in den damals erreichten Stand des Siedlungswesens, wie es sich vom Norden und vom Süden her entwickelt hatte. Offensichtlich hatte man dem Wald Neubrüche abgewonnen. Es ist zu vermuten, dass damals auch schon von böhmischer Seite her die Siedlungsorganisation im grundherrschaftlichen Rahmen erfolgte.37 Im Nordwald trafen nun die Rodungslandschaften aufeinander. Näheres über die topographisch komplizierten Bedingungen erfahren wir aus jener Urkunde Kaiser Friedrichs, mit der er am 1. Juli 1179 den Konflikt beilegte. Die umstrittenen Gebiete lagen im Raum Gmünd und Weitra.38 Der Angriff, den die Böhmen mit einigen Verbündeten durchführten, nahm von Eggenburg aus seinen Ausgangspunkt und reichte bis zur Donau und zur March.39 Die Verbündeten waren Polen, Sachsen, Sorben und Ungarn. Die Ungarn beteiligten sich nach der Darstellung aus Zwettl am böhmischen Angriff, führten aber offenbar keinen selbständigen Krieg gegen Heinrich Jasomirgott.40 Ihre Beteiligung ist im Bestreben zu sehen, den österreichischen Herzog zur Herausgabe Gézas, des nach dem ungarischen Thron trachtenden Bruders Bélas, zu bewegen. Gerlach von Mühlhausen berichtet hingegen, dass Böhmen und Mährer, nobiles et ignobiles, milites et rustici in Österreich eindrangen. Wenn es so war, liefert Gerlach ein bemerkenswertes Beispiel für ein über die 35 Continuatio Claustroneoburgensis III, 630, zum Jahre 1175 (rechte Spalte)  : Henricus dux Austrie multis minis a Bohemo pro terminis, ab Ungaro pro fratre suo puero, quem ipse egressum de Ungaria ductore Laurentio quodam comite ad id tempus servaverat contra voluntatem regis, pulsatur. Varga, Ungarn und das Reich, 210. 36 Continuatio Gerlaci abbatis Milovicensis 688 Z., 26 ff. Zum folgenden Angriff Z. 39 ff. 37 Kloss, Das räumliche Bild der Grundherrschaften, 187 ff. 38 MGH D Friedrich I. 3 341 Nr. 782  ; BUB IV/1, 188 f., Nr. 862. 39 Continuatio Claustroneoburgensis III 631, Z., 6 ff.: Dux Bohemie auxilio Bolanorum, Saxonum, Swrbonum, Ungarorum, terminos Austrie ingreditur et ab Egenburch usque ad Danubium et Marcham flumen descendens totam Austriam incendio et rapinis inhumane vastavit. Ein fast identer Bericht Continuatio Claustroneoburgensis II 616, Z., 45 ff. 40 Continuatio Zwetlensis altera, 541, zum Jahre 1176  : Boemi assumptis Ungaris, Polonis, Saxonibus coadunati contra ducem Heinricum […].

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Krieger-und Führungsschicht hinausgehendes Wir-Gefühl, das wir ja schon 100 Jahre früher anlässlich der Schlacht bei Mailberg in der Mark kennengelernt haben. Die Ritter und Bauern verwüsteten und brannten alles nieder und verschonten auch die Kirchen nicht. Und dies alles zur Erntezeit  ! Nicht berührt von dieser Katastrophe waren Städte und Burgen. Es handelte sich um einen klassischen Verwüstungsangriff, der dem Gegner möglichst großen Schaden zufügen sollte. Eine magna gwerra nannte man dies ganz richtig in Kremsmünster.41 Herzog Heinrich schlug zurück und begab sich im Herbst, wahrscheinlich im Spätherbst, mit seinen Söhnen in das Gebiet nördlich der Donau nach Staatz und Prinzendorf. Während des Aufmarsches zu einem Vergeltungszug erledigte der Herzog eine Rechtsangelegenheit mit dem Grafen Konrad  II. von Peilstein bezüglich Besitzes in Hernstein. Von den Zeugen seien hier Graf Friedrich von Hohenburg, Luthwin von Sonnberg und Albero von Horn erwähnt.42 Es waren aber nicht nur Leute von der böhmischen Grenze anwesend. Trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit entschloss sich Heinrich zum Eindringen in Böhmen. Die Österreicher verwüsteten das Land um Znaim, an der Belagerung der Stadt scheiterten sie.43 Soběslav II. und Konrad Otto von Mähren wiederholten ihren Verwüstungszug bis zur Donau. Im Zuge von Gegenmaßnahmen ereilte den Herzog von Österreich sein Schicksal. Eine Brücke stürzte am 29. November unter der Last seines Pferdes ein, und Heinrich brach sich dabei ein Bein. Nach Wien zurückgebracht, starb der Herzog wenige Tage später im Jänner.44 Infolge der Rücksichtslosigkeit von Soběslavs Vorgehen, die Beschwerden der betroffenen Kirchen nach sich zog, verschlechterte sich das Verhältnis des böhmischen Fürsten zum Kaiser. Zu Beginn des Jahres 1177 griff Soběslav in die ungarischen Thronstreitigkeiten ein, als Géza Österreich verließ, da Heinrichs Nachfolger Leopold  V. an einer weiteren Unterstützung des ungarischen Prinzen kein Interesse hatte. Dieser gelangte an den Hof des Soběslav und erwartete, dem Kaiser vorgestellt zu werden. Doch der Herzog nahm Géza gefangen und schickte ihn nach Ungarn. Durch diese und wie Gerlach berichtet auch andere Konflikte verlor Soběslav die Gnade des Kaisers.45 Der Einfluss Bedřichs/Friedrichs, Sohn Vladislavs  II., wuchs hingegen. Dies führte schließlich zur Absetzung Soběslavs und zur Einsetzung Bedřichs. Friedrich Barbarossa traf diese Entscheidung ohne Zustimmung der böhmischen Großen. Die Machtstellung des Kaisers in Böhmen erkennt man auch an der von ihm am 29. September 1182 in Regensburg 41 Continuatio Cremifanensis, 546, zum Jahre 1176. 42 Codex Falkensteinensis, 124 ff,. Nrn. 150, 151. Zitiert wurde aus der Zeugenliste, 126, Nr. 151. Juritsch, Geschichte, 277. Zuletzt ausführlich Hopf, Die Herren von Nürnberg-Raabs, 122. 43 Continuatio Gerlaci abbatis, 688, Z. 44 ff. 44 Continuatio Gerlaci abbatis, 689  ; Hanko, Herzog Heinrich II., 109. Vgl. auch Juritsch, Geschichte, 278. Hopf, Die Herren von Nürnberg-Raabs, 122. 45 Continuatio Gerlaci abbatis 699 Z., 6 ff.

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verkündeten Unabhängigkeit Mährens von Böhmen. Mähren wurde damit vorübergehend ein eigenes Reichsland.46 Der Konflikt zwischen Österreich und Böhmen endete mit den Verhandlungen, die als Frieden von Eger bezeichnet werden und zwischen den beiden Fürsten unter Vorsitz des Kaisers stattfanden. Zur Diskussion stand ein Grenzabschnitt zweier benachbarter »staatsähnlich« gewordener Territorien, die dem Verband des Reiches angehörten. Der Kaiser berief die Kontrahenten zu diesem Hoftag in Eger, auf dem der Rat von Reichsfürsten bezüglich der Grenzziehung eingeholt wurde. Einige Zeugen der am 1.  Juli 1179 ausgefertigten Urkunde waren wohl auch in Eger anwesend. Den Bischof von Regensburg und die dortigen Burggrafen sowie den Markgrafen Diepold von Vohburg kann man wohl als erfahren in böhmischen Grenzfragen bezeichnen. Das Abstecken der Grenze erfolgte durch Fachleute, deren Entscheidung auch schriftlich festgehalten wurde. Der Grenzabschnitt, um den es ging, lag im Gebiet von Weitra und Gmünd. Die topographischen Festlegungen in diesem Rahmen sind eindeutig, wenn es auch bezüglich des genannten Mons altus unterschiedliche Auffassungen gibt. Nach dem heutigen Verlauf der Grenze wäre dieser Berg im Westen von Weitra/Gmünd zu suchen. In Frage kommen der Höhenberg, der Mandl- und der Nebelstein.47 Weitra selbst galt aber noch 1185 als böhmisch. Was damals geschah, bedarf einer umsichtigen Interpretation. Der böhmische Herzog Bedřich belehnte Hadmar II. von Kuenring mit Weitra.48 In einer ausführlichen, konkret auf den Fall gemünzten Arenga betonte er, dass er nicht nur die seiner eigenen Gewalt unterstehenden Leute fördern müsse, sondern auch die um seine Herrschaft verdienten Nachbarn. Ziel war es, sich diese Leute durch das hominium, den Lehnseid und ein Treueband zu verpflichten. Deshalb überließ er Hadmar das Österreich benachbarte böhmische Weitra zu Lehnrecht. Nach unsren landläufigen Vorstellungen sollte dadurch auch eine gefolgschaftliche Bindung zwischen dem böhmischen Herzog und dem Kuenringer entstehen. Der Wortlaut der Arenga und des Rechtsinhaltes des Textes versuchen ein verpflichtendes Verhältnis zwischen Hadmar und dem böhmischen Herzog zu konstituieren  : »Wir tragen Sorge, ihn uns durch fidelitas (Treue) zu verpflichten«, sagte der böhmische Herzog recht deutlich und unumwunden. Der böhmische Fürst versuchte vielleicht, Hadmar aus seinen gefolgschaftlichen und anderen engen Beziehungen zu Leopold V. herauszulösen. Damit wäre eine dramatische Grenzsituation entstanden, da ja der Kuenringer zu den bedeutendsten Machtträgern in den von den Böhmen begehrten und umkämpften Gebieten Österreichs nördlich der Donau gehörte. Man könnte aber auch von einem Fall von doppelter Lehnsbindung bzw. Doppelvasallität sprechen, die durch die Zugehörigkeit Österreichs und Böhmens zum Reich in ihrer 46 Hoensch, Geschichte Böhmens, 75. 47 Zur topographischen Situation BUB IV/1 Nr. 862 und Hopf, Die Herren von Nürnberg-Raabs, 125 f. 48 CDB 1, 279 f., Nr. 309  ; Lohrmann, Benachbarte Kollektive 128.

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Widersprüchlichkeit entschärft wurde. Die Mehrfachvasallität ist vor allem in solchen Grenzgebieten nachweisbar, in denen es Konflikte betreffend die Zugehörigkeit zu dem einen oder anderen Territorium gab. Meist gab das einem oder beiden Herrschern die Möglichkeit, ihre Gefolgschaft zu erweitern, wie wir das ja anspielungsweise in der Urkunde gelesen haben.49 Der vorliegende Fall zeigt bei genauerer Betrachtung, wie sich die institutionellen Voraussetzungen der nachbarlichen Beziehungen in den letzten hundert Jahren modifiziert hatten. Der Schlacht von Mailberg ging ein Grenzkonflikt an der Thaya voran, aber auch eine reichspolitische Auseinandersetzung, die dem Fürsten Vratislav II. die Möglichkeit gegeben hatte, die Mark Leopolds II. unter seine Herrschaft zu bringen. Von der Schlacht erwartete sich jedenfalls Vratislav eine Entscheidung, denn wäre es nur um den Grenzkonflikt gegangen, hätte er sich wohl mit einem Verwüstungsfeldzug nach Süden begnügt. Neben seiner Hilfestellung auf Bitten seiner in Mähren verankerten Brüder verständigte sich Vratislav auch mit Heinrich IV. 1176 hingegen schlug Soběslav II. in eigener Verantwortung los und vermied einige Zerstörungen, wie etwa Raabs, um nicht Friedrich Barbarossa ins Gehege zu kommen.50 Im späten 11. Jahrhundert deutete sich das Wir-Gefühl auf böhmischer Seite und in der Mark erst an, dass es den Konflikt von 1082 auslöste, ließe sich bestenfalls aus der Erklärung des Cosmas folgern. Und dieser spricht neutral von Bösewichtern auf beiden Seiten. Die Verankerung des Konflikts im Investiturstreit nach dem Bericht der Vita Altmanni führt überhaupt in eine ganz andere Welt. Jetzt, am Ende des 12.  Jahrhunderts, stießen die Siedlungsbewegungen von Norden und Süden aufeinander und die Fürsten griffen zugunsten der Träger ihres grundherrschaftlichen Einflusses ein.

49 Deutinger, Seit wann gibt es Mehrfachvassalität. ZRG Germ. Abt. 119, 78–105. 50 Hopf, Die Herren von Nürnberg-Raabs, 123.

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Wie kam es zur Herrschaft der Babenberger in der Steiermark? Otakar IV. begründete die Nachfolge Leopolds V. in der Steiermark mit folgender Feststellung  : »Da dessen Land [nämlich das Österreich Leopolds V.] dem unseren benachbart ist, können beide unter eines Friedens und Fürsten Gerechtigkeit leichter regiert werden.«1 Das Verhältnis zwischen den zu Herzogsherrschaften gewordenen Ländern entspricht unseren bisherigen Beobachtungen zur Nachbarschaft  : Es bestanden nicht nur die Berührungszonen in den recht unterschiedlich gearteten Grenzbereichen, sondern auch Verflechtungen, die sich aus wechselseitigen Herrschaftsrechten ergaben. Die Konstellationen im niederösterreichischen Gölsental, bezüglich der Vogtei über Admont und die Problematik des Pittener Gebietes wurden im Lichte der Nachbarschaft bereits behandelt. Der Verweis des steirischen Herzogs auf die Nachbarschaft zielte auch auf diese wechselseitige Durchdringung der Herrschaftsräume. Das Zitat stammt aus der langen Fassung der Georgenberger Handfeste, die Herzog Otakar IV. auf Bitten des steirischen Adels zur Wahrung von dessen Rechten auch unter dem in Aussicht genommenen Nachfolger aus der Dynastie der Babenberger garantierte. In der Handfeste geht es um ministeriales und provinciales. Damit sind die Dienstleute und die Landesbewohner gemeint. Über die Nachfolgefrage beriet sich aber Otakar IV. mit den meliores der Steiermark, zu denen auch edelfreie Personen gehörten, wie z. B., die Brüder Konrad und Rudolf von Kindberg. Karl Spreitzhofer beschreibt die damalige Entwicklungsstufe der Formation des Adels recht treffend, wenn er von Alt- und Neuadel, dem künftigen Herrenstand der Steiermark spricht.2 Schon die Vorgeschichte der Bestellung Herzog Leopolds V. zum Erben und Nachfolger des todkranken, entweder an Lepra oder Elephantiasis leidenden Letzten der Otakare enthält einige Auffälligkeiten. Als Otakar auf die Gründe für die schriftliche Fixierung schwieriger Fragen zu sprechen kam, betonte er zunächst, dass Leopold sein ganzes Vertrauen besitze. Dies bezog sich auf die Erwartung, dass er niemals gegen den steirischen Herzog oder seine Leute (Otakar nannte sie die Unseren) etwas Böses unternehmen werde. Da aber seine Söhne in diesem Punkt nachlässig sein könnten, beschloss er, die Rechte der Seinen ihrer Bitte entsprechend schriftlich zusammenzufassen und in Form eines Privilegiums zu sichern.3 Die Steirer, wie sie erstmals in dieser Urkunde bezeichnet werden (Stirenses), waren gegenüber den Nachfolgern Leopolds V. misstrau1 BUB I, 85 ff., hier 88, Nr. 65  ; Spreitzhofer, Gorgenberger Handfeste, 12, Deutsche Übersetzung, 13. 2 Spreitzhofer, Territoriale und staatsrechtliche Kombinationen, 14. 3 BUB I 88 Z. 12 ff. Nr. 65  ; Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste, 12. Die Maßnahmen der babenbergischen Erben seit 1192, etwa gegenüber dem Ennser Markt zeigen, dass die Vorsicht Otakars berechtigt war.

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isch. Dagegen hätte es auch wenig geholfen, wenn der Babenberger in einem eigenen Privileg die Rechte des steirischen Adels bestätigt hätte. Dem angestammten Herrscher gegenüber, dessen Ohr man leichter erreichte,4 konnte man vielleicht auch gewisse Probleme vertraulich anschneiden. Leopold V. leistete aber immerhin den Empfängern eine Garantie, indem er beide Handfesten mitbesiegelte.5 Misstrauen gegenüber der künftigen Entwicklung hegte der weltliche Adel der Steiermark. Im Gegensatz dazu war ein einziger Fürst an der Spitze von Österreich und der Steiermark der Wunsch der Kirchenvertreter, die sich davon eine räumlich umfassendere Friedenswahrung versprachen. Wahrscheinlich spielten die Erfahrungen der vergangenen Jahre eine Rolle  : Es war ja immer wieder zu Konflikten zwischen dem steirischen Markgrafen/Herzog und dem österreichischen Herzog gekommen war. Ein gemeinsamer Herrscher nährte zumindest die Hoffnung, dass man Konflikte auf andere Weise würde lösen können. Darüber hinaus wurden die Abmachungen von 1186 nicht ohne Wissen des Kaisers vorbereitet. Dabei geht es um die Verfassungsfrage nach der Aufgabe des Kaisers in solchen Fällen und nicht um seine persönlichen Interessen an der Übernahme einer direkten Herrschaft über das Land. Die Möglichkeit des Kaisers, in die Verhältnisse der Steiermark einzugreifen, sollte in den Krisenjahren um 1237 zur Zeit Kaiser Friedrichs II. noch Bedeutung haben. Der Hinweis auf diese spätere Zeit ist notwendig, denn die Mitwirkung Barbarossas an der künftigen Regelung der Herrschaft in der Steiermark ist nicht leicht zu fassen. Die Beurteilung schwankt zwischen der Feststellung, dass das Land ein Reichslehen war, und der Auffassung, dass Barbarossa an den Beratungen beteiligt war, informiert wurde und der gefundenen Lösung zustimmte – diese Zustimmung aber vielleicht gar nicht zwingend notwendig war. Wir müssen die Rolle Friedrichs  I. bei diesem Dynastiewechsel näher betrachten. In den Urkunden wurde eine Beteiligung des Kaisers an der Designation Leopolds V. nicht erwähnt. Eine diesbezügliche Nachricht finden wir in einer Besitzbestätigung, die Herzog Otakar für eine Schenkung an Admont ausstellte. Unter den Zeugen befand sich nämlich Otto nuncius imperatoris, allerdings ist er an keiner herausgehobenen Stelle der Aufzählung verzeichnet.6 Die Anwesenheit eines kaiserlichen Gesandten deutet auf Verhandlungen, über die der Kaiser wenigstens informiert sein wollte. Dass der ebenfalls in einer Schenkung an Admont genannte Chunrad servus imperatoris F. etwas mit etwaigen Verhandlungen zu tun hatte, ist möglich.7 Wenn die beiden Schenkungen etwa zur gleichen Zeit stattfanden, könnte Konrad zum Gefolge des nuntius Otto gehört haben. Weitere Möglichkeiten zu Gesprächen bot ein Treffen in Fischau und der berühmte Mainzer Hoftag im Mai 1184. Der Kaiser stellte damals dem Stift Admont eine Besitzbestätigung aus, die 4 5 6 7

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Althoff, Spielregeln der Politik, 185 ff. Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste, 46 ff. StUB 1, 602 Nr. 631  ; Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste, 31. Zu Otto StUB I 602 Nr. 631, zu Konrad ebda., 601, Nr. 630.

Wie kam es zur Herrschaft der Babenberger in der Steiermark?

neben einigen Bischöfen Herzog Leopold V. bezeugte. Als einziger Steirer ist bei diesem Anlass Heinrich von Dunkelstein, ein Ministeriale aus dem Pittener Gebiet genannt.8 Es gibt zwei weitere voneinander abhängige Berichte, aus denen eine Beteiligung des Kaisers an der Vererbung der Steiermark hervorgeht. In der zweiten Fortsetzung der Zwettler Annalen findet sich eine Bemerkung über einen schweren Konflikt wegen der Steiermark, der zwischen dem ungarischen König Béla III. und Leopold V. entstanden war. Der Gegenstand der Auseinandersetzung wird präzise beschrieben  : Der steirische Herzog habe nach seiner Erkrankung an Elephantiasis das Land Leopold V. zugewiesen und ihm vor dem Reich (coram imperio) übergeben.9 Diesen Wortlaut veränderte der Autor der Historia de expeditione Friderici dahingehend, dass Otakar das Land vor Kaiser Friedrich (coram imperatore Friderico) mittels eines Testaments dem Babenberger zugewiesen habe.10 Der Kaiser bzw. einige Fürsten, die das Reich repräsentierten, scheinen an der Errichtung einer gemeinsamen Herrschaft über Österreich und die Steiermark teilgenommen zu haben. Die Bestellung des Babenbergers zum Erben und Nachfolger war für Barbarossa eine Entscheidung, die sich nicht gegen kaiserliche Interessen richtete. Ich sehe allerdings in der Abmachung zwischen den beiden Herzogen einen sehr wichtigen Vorgang. Sie bedeutet gegenüber der älteren Zeit der Marken einen Wandel, der bei der Erörterung der politischen Umstände anlässlich der Bereinigung der BayernFrage 1156 erkennbar war  : Man bemerkt in beiden Fällen eine zunehmende Selbständigkeit der Fürsten, die man allerdings nicht überschätzen darf. Es gelang nämlich den Kaisern, noch längere Zeit bei günstigen politischen Konstellationen in die Sphäre der fürstlichen regna und provinciae einzugreifen. Im Falle der Steiermark hatte dies immerhin zur Folge, dass 1237 anlässlich der Absetzung Friedrichs des Streitbaren die in Entwicklung befindliche Gemeinsamkeit mit Österreich unterbrochen wurde. Der Kaiser behielt Österreich und Steier in eigener Hand und die steirischen ministeriales et comprovinciales wurden auf ihre Bitte zu Reichsministerialen erklärt.11 Spreitzhofer beschrieb die damaligen Maßnahmen Kaiser Friedrichs II. drastisch  : »Die Personalunion mit Österreich wird gelöst und für alle Zukunft verboten.«12 Otakars zusammen mit seinen meliores, also dem Adel, gefundene Entscheidung zugunsten Leopolds war nur gültig, wenn er ohne Leibeserben sterben würde. Wenn sich dieser Beschluss und seine Folgen im Detail auf das Herzogtum bezogen, handelte es sich um eine Schenkung auf den Todesfall, eine Form der Schenkung, der wir im   8 MGH Friedrich I. 4, 87 ff., hier 89 (letzter genannter Zeuge) Nr. 856  ; Regesta Imperii IV/2, 4 Nr. 2763. Zu den Dunkelsteinern  : Wehrbauten und Adelssitze 1, 58–60, bes. 59 f.   9 Continuatio Zwetlensis altera 544 Z. 20 ff. Die hier angeschnittene Problematik wird uns noch im Zusammenhang mit der ungarischen Reaktion auf die Georgenberger Entscheidung beschäftigen. 10 Historia de expeditione Friderici 100 Z. 22 f. 11 Hausmann, Friedrich  II. und Österreich 257  ; StUB 2 461 Nr.  354  : ministeriales et comproviciales Styrie […] supplicarint, ut eos in nostra et imperii dicione perpetuo recipere ac tenere. 12 Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste, 86.

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12. Jahrhundert sehr häufig begegnen. Auch die Beteiligung der Gefolgschaft an den Beratungen, wen man in solchen Fällen zu Erben einsetzte, ist öfter nachzuweisen. Bekannt wurde der langjährige Konflikt zwischen einem Waldo und Markgraf Leopold III., der sich aus einer solchen Situation entwickelte.13 Eine Prüfung der Berichte über die Einsetzung Leopolds V. bzw. seines Sohnes Friedrich zu Herzogen der Steiermark im Jahre 1192 ergibt ein eindeutiges Bild  : Beide wurden von Kaiser Heinrich VI. in ihre Würde eingesetzt.14 Dass es sich dabei um eine Belehnung handelte, ist aus diesem und anderen Texten nicht mit Sicherheit zu erkennen. In diesen Jahren fanden die Übertragungen solcher Territorien noch nicht in gefestigten Formen statt.15 Die Annalen aus Klosterneuburg berichten auch, dass Leopold Otakars Erbe aus der Hand des Kaisers (de manu imperatoris) feierlich empfing.16 Wortwahl und Inhalt könnten auf eine Belehnung deuten. Auf der Zeitstufe der neunziger Jahre des 12. Jahrhunderts kann man schon mit einem entwickelteren Stadium der Anwendung der Lehnsvorstellungen bei einer großräumigen Herrschaftsgestaltung rechnen, wiewohl auch damals ein starres, regelhaftes Umsetzen solcher Vorstellungen sicher nicht der Wirklichkeit entsprach. Der Einzelfall erforderte immer eine gewisse Flexibilität. Unabhängig von der Lehnsfrage gewinnen wir aus den Quellen den Eindruck, dass der Kaiser über die künftige Herrschaft in der Steiermark zumindest informiert sein wollte und die Einsetzung in die Herrschaft vornahm. Eine andere wichtige Frage, mit der sich Karl Spreitzhofer ebenfalls beschäftigte, sind die Alternativen, die anstatt der Vererbung des steirischen Herzogtums an Leopold V. möglich gewesen wären.17 Es geht dabei nicht um die unter Historikern verpönte Frage »Was wäre gewesen, wenn  …  ?«, sondern um ein Innehalten bei der Betrachtung des Zeitraums der Entscheidung, um alternative Möglichkeiten zu erkennen und zu würdigen. Kaiser Friedrich I. stellte weder als Herrscher noch als Verwandter Ansprüche auf das steirische Erbe, die Macht der Vohburger war im Sinken und die Welfen seit 1180 in beträchtlichen Schwierigkeiten.18 Die wichtigste alternative Möglichkeit betraf die Kärntner Herzoge, die Spanheimer. Dieser Aspekt der Nachfolgefrage entbehrt nicht einer gewissen Dramatik. 1181, also in jener Zeit, da man die Anfänge der Überlegungen Otakars IV. über die Zukunft der 13 Lohrmann, Herrschaftsverhältnisse, 107 ff. 14 Historia de expeditione Friderici, 100f.: tam ipse (Leopold V.) quam filius suus Friedricus excellentissime investiti sunt. 15 Deutinger, Vom Amt zum Lehen, 156. Erst seit der Mitte des 13. Jahrhunderts werden Herzogtümer regelmäßig als Lehen bezeichnet. Die Bedeutung dieser Entwicklung sollte nicht zu hoch eingeschätzt werden. »Schon in der vorhergehenden Zeit, besonders unter den Saliern, hat man die Herzogsämter als etwas verstanden, das eigentlich dem König gehört […].« 16 Continuatio Claustroneoburgensis II 619 zu 1192. 17 Spreitzhofer, Territoriale und staatsrechtliche Kombinationen, 7–22. 18 Spreitzhofer, Territoriale und staatsrechtliche Kombinationen, 9 f.

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Steiermark vermutet, starb der Kärntner Herzog Hermann (1161–1181). Seine Witwe Agnes, die frühere ungarische Königin und Schwester Herzog Leopolds V., hatte zwei kleine Söhne Ulrich und Bernhard, für die der Babenberger als Onkel die Vormundschaft übernahm.19 Schon diese Konstellation allein bot den Spanheimern kaum die Möglichkeit, in der Frage der Nachfolge Otakars IV. eine Rolle zu spielen. Darüber hinaus muss man aber das gesamte Herrschaftsgeflecht im steirischen und Kärntner Raum ins Auge fassen. August Jaksch hob die Bemühungen Herzog Hermanns hervor, Schmälerungen des Kärntner Besitzes und seiner Herrschaften entgegenzutreten. Besonders war davon die Vererbung von größeren Güterkomplexen an Otakar  III. betroffen, die Hermanns Onkel Graf Bernhard vor seinem Tod auf dem Kreuzzug 1147 verfügt hatte.20 In den im vorigen Kapitel besprochenen Kämpfen, in die auch die Ungarn und Böhmen verwickelt waren, ging es auch um die Wiedergewinnung dieser Gebiete, die durch den Erbgang an den steirischen Markgrafen gefallen waren. Spreitzhofer hat also in einem noch konkreteren Sinn, als von ihm ausgeführt, recht, wenn er in der denkbaren Nachfolge der Spanheimer in der Steiermark ein strukturelles Element sieht  : Damit wäre »die Steiermark gleichsam wieder zu Kärnten zurückgekommen«.21 Wir haben wieder ein verwickeltes Beispiel nachbarlicher Beziehungen vor uns, an dem auch in diesem Fall die wechselseitige Durchdringung herrschaftlicher Verhältnisse auffällig ist. Und als spiritus rector spielen im verwandtschaftlichen Gefüge schon die österreichischen Herrscher die vielleicht sogar entscheidende Rolle. Die zweite Macht, die für die Übernahme der Herrschaft von den Otakaren in Frage kam, war der König von Ungarn. Dieser war allerdings im Gegensatz zu Leopold V. und den Spanheimern kein Reichsfürst. Ob Béla III. tatsächlich eine seine Töchter mit Otakar IV. verlobte, ist durchaus denkbar aber nicht mit Sicherheit zu erweisen.22 Eine in unserer Untersuchung bereits erwähnte Bemerkung aus den Zwettler Annalen bietet einen Hinweis, dass sich Béla III. in die Nachfolgefrage der Steiermark einmischte.23 Um die etwas fragmentarische Formulierung des entscheidenden Satzes eindeutig zu verstehen, ist es notwendig, die vorausgehenden Sätze zu kennen. Es heißt in den Schlusspassagen eines langen Abschnitts der Annalen zum Jahre 1189, der mit Barbarossas Aufbruch zum Dritten Kreuzzug beginnt, dass das Heer bis zur ungarischen Grenze kam. Hierauf setzt der Schreiber fort  : Erat etiam Liupoldus illustris dux Austrie, da war auch Leopold, der erlauchte Herzog Österreichs. Der war von dem brennenden Wunsch erfüllt, zusammen mit den übrigen Fürsten im Kreise der Ritterschaft Gottes die Waffen gegen die Feinde des Kreuzes Christi zu ergreifen. Doch daraus wurde zunächst nichts, 19 Jaksch, Geschichte Kärntens 1, 310 und 319. 20 Jaksch, Geschichte Kärntens 1, 307 f. und 310 f. 21 Spreitzhofer, Territoriale und stattsrechtliche Kombinationen 10 auch zu den verandtschaftlichen Bindungen der Spanheimer. 22 Varga, Ungarn und das Reich 212 und unten 306. 23 Varga, Ungarn und das Reich 213.

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denn eine Auseinandersetzung mit Béla III. zwang ihn, zum Schutz seines Landes vorläufig zu Hause zu bleiben.24 Der Zwettler Annalist berichtet von einer schweren Auseinandersetzung zwischen Leopold V. und Béla III., die wegen des Landes ausgebrochen war, das Otakar, von der Elephantiasis geschlagen, Leopold zugewiesen und ihm vor dem Reich übertragen hatte. Konkret ging es um die Abgrenzung seines Landes.25 Die beiden Kontrahenten werden nicht mit Namen genannt, der weitere Kontext erschließt jedoch eindeutig, dass der König von Ungarn und der Herzog von Österreich gemeint sind. Aus dieser Stelle ist nicht unbedingt zu folgern, dass Béla Ansprüche auf die Nachfolge in der Steiermark erhoben habe. Offenbar nützte er Schwierigkeiten, die Leopold bei der Abgrenzung seines neuen Herrschaftsbereiches hatte. Wenn die Georgenberger Beschlüsse auch den Ausgangspunkt für die unruhige Lage im Grenzgebiet bildeten, ist daraus nicht zu schließen, dass Béla III. im Zuge einer expansiven Politik Ansprüche auf die Steiermark erhoben hätte. Der Mönch Ansbert berichtet in der Historia de expeditioni Friderici, dass der byzantinische Kaiser Isaak Angelos nach der Ermordung des Andronikos die Herrschaft in Konstantinopel übernommen und zur Sicherung seiner Herrschaft Bélas Tochter geheiratet habe, die früher mit dem steirischen Herzog Otakar verlobt gewesen war.26 Diese nicht zustande gekommene Ehe wird als ein möglicher Grund für ungarische Gebietsansprüche auf die Steiermark gesehen. Die Heirat Kaiser Isaaks mit Margaret fand allerdings schon 1185 statt. Das Interesse Erzbischof Adalberts von Salzburg, der zwischen 1184 und 1186 mit Otakar IV. Gespräche führte, die vielleicht mit der Nachfolgefrage zusammenhingen,27 hatte zunächst seinen Grund darin, dass die in der Steiermark mächtige Geistlichkeit großes Interesse an einer Regelung in ihrem Sinne hatte. Spreitzhofer schreibt ja die geplante einheitliche Herrschaft in beiden Herzogtümern dem Einfluss und den Vorstellungen der geistlichen Herren zu. Ferner spielte die Ministerialität des Salzburger Hochstifts eine wichtige Rolle in manchen steirischen Regionen, sodass auch von dieser Warte aus betrachtet, Gespräche zwischen dem Herzog und dem Erzbischof Sinn ergeben. Wenden wir uns nun dem Inhalt der Urkunde zu. Otakar stand wie gesagt unter dem Druck der Wünsche der geistlichen Einrichtungen und des steirischen Adels. Dies führte zur Ausstellung zweier Urkunden. In der ausführlichen Fassung betreffen, abgesehen von den Fälschungen aus dem 13. Jahrhundert, einige Passagen adelige Interessen. Der nachfolgende Herzog sollte die Ministerialen integraliter besitzen. Das heißt nach der Erklärung von Spreitzhofer, dass die Ministerialen zum Lande gehörten und nicht 24 Continuatio Zwetlensis altera, 544, Z. 18 f. 25 Continuatio Zwetlensis altera, 544, Z. 21f.: inter ipsum (Leopold V.) et eundem regem versabatur de disterminio terre suae. 26 Historia de expeditione Friderici, 32  : […] atque ad confirmandum regnum suum filiam Bele regis Vngarie que antea duci Styrie Otakario erat desponsata in matromoniam accepit […]. 27 Spreitzhofer, Territoriale und staatsrechtliche Kombinationen, 13.

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nur durch eine persönliche Beziehung an den Fürsten gebunden waren.28 Der Begriff integraliter bezeichnet ein umfassendes Verständnis von Herrschaft, in die ältere Einzelrechte integriert sind  : Wir erkennen in dieser Formulierung eine der Möglichkeiten »Landesherrschaft« näher zu beschreiben und zu verstehen. Die Ausnahme von dieser Regel zeigt die Richtigkeit dieser Interpretation  : Auf Wunsch der Eltern und mit Erlaubnis des Herrn konnte ein Sohn, der mehrere Brüder hatte, in eine andere Herrschaft »transferiert« werden, wenn dies Vorteile mit sich brachte. Damit wurde das Prinzip der Integralität zugunsten älterer Verfügungen, die sich aus Abhängigkeiten ergaben, durchbrochen. Konkret kam es 1189/90 zu einem solchen Transfer  : Ulrich, ein Sohn des otakarischen Ministerialen und Grazer Burggrafen wurde auf Bitten seines Vaters von Herzog Otakar und dem damals schon feststehenden Rechtsnachfolger, Leopold V. dem Edlen, Konrad von Kindberg übergeben – letztlich wird das Interesse des Herzogs an der Sache klar, denn Ulrich wurde ein Ministerialer des Hochstiftes Salzburg.29 Spreitzhofers Formulierung, dass die Ministerialen, wie das Dominikalland, die Befestigungen und Burgen sowie die terra, zum Eigengut des Herzogs gehörten, ist ein wenig missverständlich. Die Schuld daran dürfte aber den Schreiber der Georgenberger Handfeste treffen, der den Betreff einfach unglücklich formulierte. Der neue, nur mehr als Dienstleute verstandene Adel der Steiermark war eben integraliter mit dem Land verbunden. Eine große Bedeutung hatten bereits die Hofämter in der Steiermark erlangt. An der Spitze stand der für die militärischen Angelegenheiten zuständige Marschall, der damit auch die wichtigste Stellung im werdenden steirischen Adel einnahm. Auf Spannungen zwischen dem Adel und der Hofgeistlichen deutet, dass es dem Marschall untersagt wurde, die Hofgeistlichen von der herzoglichen Tafel zu vertreiben.30 Das Amt war interessant geworden  : Der mächtige Hartnid von Ort aus der Familie der Traisener hatte es 1191 inne.31 Die genannten Inhaber der Hofämter mussten dem Herzog an den Kaiserhof und zu Kriegszügen an gleich vielen Wochen und Tagen und mit dem gleichen Aufwand Dienst leisten wie die entsprechenden Amtsträger in Österreich.32 Aufgrund eigener Beobachtung und unter Berücksichtigung älterer Forschungsergebnisse kommt Spreitzhofer zu dem Schluss, dass diese Bestimmung sich am Privilegium minus orientierte.33 Im Abschnitt 18 der Handfeste wird die Sorge der Steirer erkennbar, dass die Formen der Steuereintreibung verschärft werden könnten. In Österreich kam es zu Attacken und Eintreibungen durch die precones und der steirische Schreiber setzte voraus, dass 28 Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste, 64. 29 Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste, 64, BUB IV/1 Nr. 895. 30 Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste, 19 (Absatz 21) und 73. 31 UbOE 2, 431 Nr. 296. 32 BUB I 89 Nr. 65 Absatz 17  ; Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste, 16 und 17. 33 Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste, 69 und 117, Anm. 85.

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diese Verhältnisse ohnehin allgemein bekannt waren. Die Steiermark sollte nach dem Willen Otakars wie bisher von solchen Praktiken nicht belastet werden.34 Die precones waren an sich Herolde, hatten aber auch andere Aufgaben, wie z. B. bei Gericht, aber auch als eine Art Polizei. Die Entwicklung von Herrschafts- und »Verwaltungskosten« und deren Bedeckung stellen die mittelalterliche Forschung vor große Probleme. Offenbar mussten die Bewohner steirischer Städte und die Grundherren weniger häufig dem Fürsten »Hilfe« leisten, als dies in Österreich der Fall war. Solche Hilfeleistungen bezogen sich auf kriegerische und sonstige Notlagen des Landes und Feierlichkeiten wie die Schwertleite eines jungen Mannes aus der Fürstenfamilie oder die Verheiratung einer Prinzessin.35 Die beginnende Großmachtpolitik der Babenberger, wohl besonders in der Zeit Heinrichs Jasomirgott, hatte vielleicht schon vor 1156 zu einem erhöhten Geldbedarf geführt. Das labile Verhältnis zu den Nachbarn in den Jahrzehnten danach, das Kosten verursachte, haben wir ja schon kennengelernt. Schloss jemand eine Ehe, galt für diese Person das Recht jenes Landes, in dem er lebte. Damit wurde das »Territorialprinzip« dominierend und das entsprach ja der spezifischen Bedeutung der Landeshoheit. Im Rahmen erbrechtlicher Regelungen spielte der Zugriff eines Territorialfürsten auf das Vermögen einer außerhalb des Landes verstorbenen Person eine wichtige Rolle.36 Zugleich ist festzuhalten, dass sich das österreichische und steirische Landrecht bei aller Ähnlichkeit voneinander unterschieden.37 An den angeführten Bestimmungen erkennen wir, dass die Ministerialen und die Landleute (comprovinciales) der Steiermark trachteten, ihre Rechte zu wahren und vielleicht sogar Vorteile aus der zu erwartenden Verbindung mit Österreich herauszuschlagen. Spätere Ereignisse zeigen, dass dieses Streben nach Garantien der eigenen Rechte seinen Hintergrund in einem Bewusstsein von Eigenständigkeit im Sinne eines Landesbewusstseins hatte. Schon die Aufteilung der Herrschaft über Österreich und Steiermark zwischen Friedrich I. und Leopold VI. im Jahre 1195 hatte eine ihrer Ursachen in dem Streben des steirischen Adels nach Selbständigkeit.38 Friedrich der Streitbare sollte dies mehrfach spüren. Aus seiner Zeit stammen die Nachträge zur Georgenberger Handfeste, teilweise muss man sogar von Fälschungen sprechen, die in den Krisenzeiten der dreißiger Jahre des 13. Jahrhunderts dem Text eingefügt wurden. So heißt es von Leopold V. und seinem Sohn Friedrich I., dass sie auch die Steirer weiterhin in ihrer Gewalt haben sollten, wenn sie die Gnade des Reiches verlieren würden.39 Dies sollte dem letzten Abschnitt der Handfeste entgegenwirken. Wenn nämlich der Nachfolger nicht nach dem Gebot der aequitas und mit Milde (clementer) die Herrschaft ausüben 34 BUB I 89 Nr. 65 Absatz 18, Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste, 16 und 17. 35 Pirchegger, Geschichte der Steiermark 1, 316. 36 Z. B. Wiener Stadtrecht BUB 2 63 Nr. 237 (Artikel 20)  ; Csendes, Opll, Wien, 263. 37 Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste, 64. 38 Diese Diskussion bei Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste, 83 f. 39 BUB I 89 Nr. 65, Absatz 1, Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste, 14, 15 und 75.

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sollte, sondern sich als Tyrann erwies, hatten sie das Recht, den Hof des Kaisers anzurufen, dort aufzutreten und mit der Handfeste vor den Reichsfürsten ihr Recht einzufordern.40 Zuletzt ist noch ein Aspekt zu betrachten, der uns in neue Bereiche der Nachbarschaft führt. Durch die Übernahme der Herrschaft in der Steiermark veränderte sich die Landschaft der angrenzenden Gebiete für die Babenberger einschneidend. Die in den letzten Jahrzehnten babenbergischer Herrschaft bedeutsam hervortretende Beziehung zu den Andechsern betraf den Aufbau der Herrschaft im benachbarten Krain, das sogar als Herzogtum zum geplanten Königreich Friedrichs des Streitbaren gehören sollte. Auch die Herrschaft um Cordenons war ein steirisches Erbe. Es geht also nicht nur um die Beschreibung einer steirischen »Mitgift«, wie sie Spreitzhofer skizziert hat, sondern noch mehr um die Erfassung neuer Problemkomplexe, die durch die Verbindung mit der Steiermark entstanden waren.41 Wie schon bei der Darstellung der bayerischen Herzogszeit der Babenberger erwähnt, bestanden bereits Beziehungen zu Adeligen des Traungaus. Doch war die Herrschaftsbildung und Besiedlung durch otakarische Gefolgsleute geprägt. Die von Weltin detailliert angeführten Familien gehörten wahrscheinlich schon zu den Beratern Otakars IV., die zur Nachfolge Leopolds V. rieten. Als bedeutend erwähnte Weltin die Ministerialen von Ort, Volkensdorf und Steinbach/Steyr.42 Doch erstreckte sich der Einfluss der Otakare auf den gesamten Traungau. Dort gab es schon seit einigen Jahrzehnten ein Nebeneinander von Einflussgebieten der Babenberger und der steirischen Otakare. Seit das Herrschaftsgebiet der steirischen Otakare 1180 ein eigenes Herzogtum war, bestanden nur mehr vereinzelt Lehnsbindungen an die bayerischen Herzöge. Für die Zeit nach 1186/92 gilt nun die These, dass es auf dem Gebiet der Gerichtsordnung, der Vogteirechte kirchlicher bzw. herrschaftsimmanenter Herkunft und anderer Bereiche der Lebensordnung zu einer Vereinheitlichung im Verhalten des Adels der benachbarten Herrschaftsräume bei der Nutzung ihrer Einrichtungen (z. B. Gerichte) kam. Es leuchtet ein, dass dem traungauischen Adel der Machtzuwachs der Babenberger in ihrer Nachbarschaft nicht entging und dass auch von der Ordnung dieses Raums her betrachtet, alles für Leopold V. als Gefolgschaftsherrn sprach. Ausgehend von den bisherigen Untersuchungen von Pirchegger bis Dopsch und Weltin sollte dieser Prozess im Detail dargestellt werden. Im Rahmen dieser Arbeit ist ein derartiger Forschungsansatz nicht durchführbar – auf seine Notwendigkeit sei aber verwiesen. Einfacher liegen die Verhältnisse bezüglich der traungauischen Besitzungen und Gefolgsleute im Traisen- und Gölsental, die nun mit den längst vorhandenen Herrschaftsbildungen der

40 BUB I 89 Nr. 65, Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste, 18 und 19, Absatz 19. 41 Spreitzhofer, Die Union von 1192, 44. 42 Weltin, Die steirischen Otakare, 191 ff., mit den dazugehörigen Anmerkungen und 199, mit Anm. 70.

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Babenberger Leute eine Einheit bildeten. Aus der nachbarlichen Verzahnung wurden einheitliche Herrschaften. Otakar  III. erbte 1147 von seinem ehemaligen Vormund Bernhard von Spanheim Gebiete, die geographisch durch die Nennung von Marburg verortet werden können. Dadurch dehnte sich der Grenzraum zu Ungarn weiter nach Süden aus.43 Neue Probleme entstanden dadurch nur insoweit, als die Auseinandersetzungen der folgenden Jahrzehnte durch das Streben nach Herrschaftsvergrößerung von beiden Seiten her geprägt war. Die doch in manchen Fällen rücksichtlose Machtpolitik brauchte Gegengewichte. Abgesehen von den Eheverbindungen zwischen Babenbergern und Árpáden ordnete man sich gemeinsamen, übergreifenden Aufgaben unter. Die Kreuzzüge und das Zusammenwirken Leopolds  VI. und Andreas  II. zeigen deutlich die gleichzeitig stattfindende teilweise aggressive Politik, deren Schauplatz die grenznahen, adeligen Grundherrschaften und nun auch die regionalen Burgen waren  ; trotzdem fanden die Herrscher sowohl im Bemühen um Frieden als auch bei der Vorbereitung zum Kreuzzug zueinander. Die zu Bernhards Erbe ebenso gehörigen Besitzungen in Kärnten eröffneten den Babenbergern Felder für neue Aktivitäten. Im Jahre 1229 heiratete Friedrich der Streitbare Agnes von Andechs-Meranien, die den früheren Besitz der Vornbacher in Neuburg am Inn und in Schärding in die Ehe mitbrachte, aber auch ausgedehnte Besitzungen in der Mark Krain. Über die Hintergründe dieser Eheschließung wissen wir wenig, die Schlüsse aus der kurzen Nachricht sind aber überzeugend. Leopold VI. kaufte von Markgraf Heinrich von Istrien im April 1229 Güter in der südlichen Mark Krain, jenseits der Save zwischen den Flüssen Gurk und Mehring um 1650 Mark.44 Im selben Jahr verstieß Prinz Friedrich seine Gemahlin Sophia/Eudokia, eine Tochter des byzantinischen Kaisers von Nikäa, Theodor Laskaris, und heiratete Agnes von Meranien, eine Nichte Heinrichs von Istrien und Tochter Herzog Ottos I. von Meranien.45 Dies war wohl der Inhalt der Nachricht aus Heiligenkreuz, bei deren Niederschrift dem Schreiber einige sinnstörende Fehler unterlaufen sind. Leopold  VI. gelang am Ende seines Lebens ein erfolgreicher Landerwerb in Krain, der zwar erst im 14. Jahrhundert dauerhafte Früchte tragen sollte, jedenfalls aber schon recht früh die Aufmerksamkeit der österreichisch-steirischen Herrscher auf das Gebiet der Nachbarschaft im Süden lenkte. Es sind der Beispiele genug, um zu erkennen, dass die Folgen der Georgenberger Geschehnisse die Berührungspunkte mit alten und neuen Nachbarn kräftig verschoben und 43 Ebner, Traungauer in der Untersteiermark, 278 und 282 ff.; Jaksch, Geschichte Kärntens 1, 278 f. 44 Juritsch, Geschichte der Babenberger, 506. 45 Continuatio Sancrucensis I, 627, zum Jahre 1229  : Fridericus filius ducis Austrie neptem (sic) regine Ungarie repudiavit, que copulata ei erat in coniugio  ; et filiam ducis Moravie (sic) sibi illicite copulavit patre suo in omnibus his auctore. Juritsch, Geschichte der Babenberger, 507 f.

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neu begründeten. Allerdings stieß die babenbergische Herrschaft dabei an keine Kulturund Ordnungsgrenzen, denn größtenteils handelte es sich um Räume, die schon zur Zeit der fränkischen Ordnung als Teile der lateinischen Welt organisiert worden waren.

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Seit dem zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts standen sich in Mitteleuropa vier Territorien gegenüber, die in ihrem Inneren aus verschiedenen Teilen bestanden, deren Adel von Zeit zu Zeit Unternehmungen gegenüber einem Nachbarn auf eigene Faust und Rechnung durchführte. Bayern, Böhmen und Österreich gehörten trotz ihrer territorialen Selbständigkeit dem Reich an, während Ungarn als weitestgehend selbständiger Partner eine »eigenstaatliche« Struktur entwickelt hatte. In der Zeit des Doppelkönigtums Philipps von Schwaben und Ottos IV. und der folgenden unter Friedrich II. etablierten sich die Fürsten der drei Territorien als bedeutsame Mächte. Im nachbarlichen Leben werden seit der zweiten Hälfte des 12.  Jahrhunderts einzelne Lebensbereiche sichtbar, die im Wechsel von Krieg und Frieden nun eine erkennbare Rolle spielten. Es ging dabei neben anderen Fragen um das Aufeinandertreffen von fürstlichen Maßnahmen, die der Förderung eigener Handelswege und damit der Erhöhung von damit verbundenen Einnahmen dienten. Die Wahrnehmung dieses Konfliktpotentials verdankt sich meist einer Kombination von kurzen Bemerkungen in den Quellen und dem Gebrauch des »gesunden Menschenverstandes«, der allerdings durch unsere gegenwärtigen Probleme geprägt ist. Ein Musterbeispiel dafür ist eine Gedankenverbindung, die Heide Dienst an eine Geldfrage des sogenannten Grazer Vertrags von 1225 knüpfte. Dieser Vertrag zählt eine Reihe von Maßnahmen auf, an welche die Herstellung eines Friedens zwischen Leopold  VI. und dem ungarischen König Andreas II. gebunden war. So sollten die Schäden, die österreichische und steirische Leute in Ungarn angerichtet hatten, mit einer ersten Zahlung von 1000 Mark abgegolten werden. In diesem Zusammenhang mutmaßte nun Dienst, dass diese Zahlung vielleicht auch eine Entschädigung für die Beeinträchtigung des ungarischen Handels durch das Wiener Niederlagsrecht von 1221 war.1 Auch wenn im Vertrag nichts Konkretes darüber erwähnt wurde, müssen wir damit rechnen, dass dieses Stapelrecht, das den Wiener Kaufleuten eine Art von »Monopol« beim Warenverkauf nach Ungarn sicherte, eine schwere Belastung im Verhältnis zwischen Österreich und Ungarn darstellte. Wie wir sehen werden, war auch Herzog Ludwig I. von Bayern mit Andreas II. verbündet – eine der bisher nicht angeführten Ursachen für die Beteiligung der Bayern an der Auseinandersetzung mit Leopold VI. könnte auch darin liegen, dass die »Regensburger« ihre dominierende Rolle im Handel durch das Wiener Niederlagsrecht verloren hatten.2 Die damaligen Grenzverhältnisse zwischen dem Herzogtum Österreich und dem Königreich Ungarn wurden zu Beginn des 13. Jahrhunderts auch auf der ungarischen 1 Dienst, Zum Grazer Vertrag, 17 f. 2 BUB I 116 f. Nr. 86 (Privileg für die Regensburger Kaufleute).

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Seite durch die grundherrschaftliche Organisation bestimmt. Die Grundherren waren überwiegend Deutsche, die auch Besitz auf der babenbergischen Seite hatten und zur Gefolgschaft Leopolds VI., aber auch Andreas II. zählten.3 Eine ähnliche Situation haben wir ja schon im Falle des Kuenringers Hadmar II. im Grenzgebiet zu Böhmen im Raum Gmünd/Weitra kennengelernt. Soviel vorerst zum Grundsätzlichen. Zum Jahre 1225 findet man in der Fortsetzung der Annalen des Klosters Garsten die Mitteilung, dass der ungarische König Andreas und der bayerische Herzog Ludwig sich mit vielen anderen gegen den Herzog Leopold von Österreich verschworen hatten.4 Die Allianz entstand vermutlich schon Ende 1224.5 Zu dieser Zeit nahm Leopold VI. die böhmische Prinzessin Agnes, die Tochter Přemysl Ottokars I in seine Obhut – sie galt damals als künftige Ehefrau Heinrichs (VII.), des Sohnes Kaiser Friedrichs II. Bekanntlich heiratete der junge König am 29. November 1225 nicht Agnes, sondern Margarete, die Tochter Leopolds VI. Die Entscheidung dafür fällte Kaiser Friedrich II. im August dieses Jahres.6 Der mit dem Grazer Vertrag am 6.  Juni 1225 beendete Konflikt mit Ungarn, in dem auch eine Beruhigung des bayerischen Partners vereinbart wurde, stand also in keinem Zusammenhang mit der strittigen Eheschließung des deutschen Königs. Hingegen werden wesentliche Organisationsformen beiderseits der ungarischen Grenze aus dem Vertrag erschließbar, doch bleiben Fragen offen. Ein wesentliches Thema der Friedensverhandlungen war es, die Einnahmen aus den Grundherrschaften wieder an den rechtmäßigen Empfänger zurückzustellen. Zu diesem Zweck befragten wohl Richter (Graf oder Gespan) die Vögte wegen der Vogteien. Heide Dienst hält es für wahrscheinlich, dass der Begriff der advocatia eine pauschale Zusammenfassung verschiedener Rechte bzw. der daraus erfließenden Einkünfte darstellt.7 Diese Vogteien gehörten zu den Grundherrschaften, die nun auch auf der ungarischen Seite allmählich durch Rodung bis in den Grenzbereich reichten. Das während des Konflikts zu Unrecht in Besitz genommene Land musste zurückgegeben werden.8 Die Nutzung des so rückgestellten Landes sollte erst nach der Entrichtung der Abgaben in Angriff genommen werden. Die aus dieser Klärung der grundherrschaftlichen Verhältnisse sich anbietende Schlussfolgerung, dass damit die Grenzfragen gelöst wären, erweist sich zumindest problematisch. In den unter Punkt  3 genannten Maßnahmen ging es um die Festlegung, welche Besitzungen und Herrschaften zu Ungarn gehörten. Der König hatte sie entweder als Landschenkung oder als Lehen vergeben. Für die Besitzer ergab sich daraus eine 3 Dienst, Zum Grazer Vertrag, 31. 4 Continuation Garstensis, 596, zum Jahre 1225  : Andreas rex Ungarie et Ludwicus dux Bawarie cum multis aliis coniurant adversus Leopoldum ducem Austrie. 5 Thorau, König Heinrich ( VII.), 255. 6 Thorau, König Heinrich (VII.), 256, zur Hochzeit 262. 7 Dienst, Zum Grazer Vertrag, 30. 8 Dienst, Zum Grazer Vertrag, 47 (Edition des Textes des Vertrags Punkt 1) […] advocatie […] sine fraude sint remisse.

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Treueverpflichtung gegenüber dem König. Wenn etwas über den vereinbarten Termin hinaus (ultra datum) besetzt wurde, war es zurückzustellen.9 Die Entwicklung seit etwa der Mitte des 12. Jahrhunderts hatte auf der ungarischen Seite der Grenze die Besitzorganisation verändert. Dabei kam auch den Gästen, den hospites eine gewisse Rolle zu. Der König strich in den ihnen gewährten Privilegien ihre militärische und sonstige Leistungsfähigkeit deutlich heraus  ; fraglich bleibt, wie weit wir solche Beobachtungen verallgemeinern dürfen. Etwa aus der Zeit um 1156 ist uns ein Privileg für die Ritter Gottfried und Albrecht überliefert, die König Géza II. nach Ungarn gerufen hatte.10 Sie verließen ihre Heimat und ihre Erbgüter und wurden in Ungarn mit allen Ehren empfangen. Die Schenkungen, die sie in den Komitaten Eisenburg und Ödenburg erhielten, umfassten mehrere Ortschaften. In einer von ihnen gab es einen Markt, denn dort wurde ein tributum fori, eine Marktabgabe, eingehoben. Eine zweite villa wurde von Hofleuten (udvornici) bewohnt. Zu den königlichen Gütern der Schenkung zählte auch ein Wald namens Saar, der im Komitat Eisenburg lag. Um diesen Wald kümmerten sich vier Wächter. Es ist möglich, dass diese villae grundherrschaftlich organisiert war, doch kamen die Güter und Ländereien zu einem guten Teil direkt aus dem königlichen Besitz und wurden wohl von königlichen Dienstleuten bewirtschaftet. Gleiches lässt sich auch für die aus Aragón stammenden Grafen von Mattersdorf feststellen. Die Dörfer lagen im Grenzgebiet, auch die 1156 und 117111 wiederholte Feststellung, dass Géza II. beide für tüchtige Ritter gehalten habe, spricht für ihre kriegerischen Aufgaben. 1171 bestritt der Gespan Ivanka von Lutzmannburg die Besitzrechte von 1156 – Stephan  III. bestätigte aber die Schenkung seines Vaters. Hospites konnten demnach trotz aller Förderung vor Probleme bei der Verteidigung ihres Besitzes gestellt werden. Schwieriger und offenbar etwas chaotisch waren die Ursachen des Besitzkonfliktes zwischen Graf Simon von Mattersdorf und dem Juden Tehanus oder Teka. Der Graf aus Aragón war seiner Schwester Tota nach Ungarn gefolgt, wo diese als Hofdame der Königin Konstanze, der Gemahlin König Emmerichs, wirkte.12 1223 erhielt er den beim heutigen Neudörfl gelegenen Besitz Röjtökör, eine ungarische Grenzwächtersiedlung, und zwar eine Petschenegensiedlung, die auf Stephan den Heiligen zurückging.13 In der Schenkungsurkunde heißt es, dass der Grenzverlauf an einer Stelle die marchia Teutonica berührte bzw. ein Stück auf dem Gebiet der Mark verlief.14 Die Bezeichnung »deutsche Mark« für den Herrschaftsbereich, nämlich das Herzogtum Leopolds VI., ist zumindest auffällig. Ob die Spannungen wegen des Aufenthalts Bélas  IV. in der Steiermark, die  9 Dienst, Zum Grazer Vertrag, 47, Punkt 3. 10 Urkundenbuch des Burgenlandes 21, Nr. 40  ; Wertner, Die Herren von Forchtenau (Frankenau), 35. 11 Urkundenbuch des Burgenlandes 1, 24 f., Nr. 46. 12 Loiberseck, Mattersdorf, 26 f. 13 Homma, Die Wüstungen des nördlichen Burgenlandes, 77. 14 Urkundenbuch des Burgenlandes 1, 91, Nr. 127.

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1223 nachgewiesen sind, bei dieser kriegerischen Bezeichnung eine Rolle spielten, ist quellenmäßig nicht zu belegen, es wäre aber denkbar. Jedenfalls lagen die Güter teilweise auf der österreichischen Seite. Simon konnte jahrelang seine Schenkung nur zum Teil nutzen, weil der erwähnte Jude Teka ein Gebiet früher als Geschenk erhalten hatte, das sich mit der Schenkung an Simon weitestgehend deckte. 1228 kam es schließlich in dieser Sache zu einem Streit vor dem König. Die grenzübergreifende Lage der Besitzungen könnte mit Tekas Tätigkeit zusammenhängen. Er war nämlich sowohl für Leopold VI. als auch für Andreas II. tätig. Im Rahmen des Grazer Vertrags kam ihm eine Rolle als Zahlungsgarant für Leopold  VI. zu. Für 2000 Mark, die Leopold dem ungarischen König in zwei Raten zu bezahlen hatte, übernahm Teka die Bürgschaft für den Herzog.15 1232 verkaufte Teka das Dorf Pöttsching an den Mattersdorfer. In der Urkunde ist er als Kammergraf des Königs von Ungarn bezeichnet.16 In den Begegnungen der Kämpfer auf beiden Seiten ging es auch um Schutzmaßnahmen. Im Punkt 5 des Vertrages wird folgendes Problem angeschnitten  : Wenn die ungarischen Ritter ihre Länder sichern wollen, sollen sie nicht heimlich oder offen durch den Herzog oder durch seine Leute mit Wissen des Herzogs geschädigt werden. Heide Dienst interpretierte dies so, dass sich der Herzog von Österreich verpflichtete, den Burgenbau ungarischer Ritter nicht zu hindern, d. h. bewaffnete Überfälle seiner Ministerialen auf solche Bauvorhaben nicht zu dulden. Fraglich ist, ob an dieser Stelle überhaupt Burgen gemeint sind. Die Ritter Ungarns wollten das Land sichern  : Es ist, wie wir mehrfach erörtert haben, nicht eindeutig, dass Burgen ein effizientes Instrument für solche Absichten sind. Ferner ist zu beachten, dass die ungarischen Ritter ihre Ländereien schützen wollten. Daraus folgt, dass es n i c h t um einen umfassenden Grenzschutz ging, sondern um eine gewisse Sicherheit der Leute auf den Grundherrschaften. Für sie errichteten die Grundherren offenbar Schutzeinrichtungen. Dass es um die Vermeidung von Eingriffen in die grundherrschaftlichen Aktivitäten ging, zeigt auch der folgende Abschnitt, in dem es um die Anlage von Mühlen ging. Auch diese Bauarbeiten sollten nicht gestört werden  ; auf beiden Seiten des Flusses (Pinka, Leitha oder Lafnitz) konnten Mühlen gebaut werden und ebenso störungsfrei sollte die Arbeit in den Mühlen vonstatten gehen. Wichtig waren die wasserrechtlichen Regelungen. In die Mühlbäche durfte nur so viel Wasser fließen, dass die Hauptmenge des Wassers im eigentlichen Flussbett verblieb. Von einem castrum in Pinka ist im folgenden Abschnitt die Rede. Diese Burg hatte Leopold  VI. erbauen lassen, doch musste der Herzog in Gegenwart des ungarischen 15 Urkundebuch des Burgenlandes 1, 102, Nr. 142 Punkt  4. Brugger, Wiedl, Regesten 1, 20 Nr. 7  ; Dienst, Zum Grazer Vertrag, 24 ff. 16 Urkundenbuch des Burgenlandes 140, Nr. 190  : iudeus Teha comes in reddenda ratione nostri negocii de opere camere nobis […]. Brugger, Wiedl, Regesten 1, 23 Nr. 10.

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Königs beweisen, dass sie in seinem Herrschaftsbereich lag. Mit dieser Burg hatte möglicherweise Teka zu tun. In einer Sammlung fiktiver Briefe wird eine merkwürdige Geschichte erzählt, die zu anderen nachweisbaren Einzelheiten passt, sodass man sie nicht von vornherein als Erfindung abtun sollte. Es handelt sich um einen Brief, den Leopold Auer auf etwa März 1236 datierte.17 Ein Kastellan berichtete dem König, dass der Jude D. mit einer Schar Bewaffneter in die königliche Burg eingedrungen sei und da sich ein Heer, das aus ungarischen Gebieten gekommen war, (oder D. hatte das Heer jenseits des Flusses, auf der ungarischen Seite lagern lassen) jenseits des Flusses befand, transportierte er heimlich in Lastwagen ab, was er in Besitz genommen hatte. D. kam wohl von der steirischen, der österreichischen Seite und griff eine Burg des ungarischen Königs an, die von einem Kastellan betreut wurde. Mit einigen Kämpfern verzichtete dieser zwar darauf, die in der Überzahl befindlichen Angreifer zu stellen, besetzte aber die Burg, um wenigstens diese vor den Feinden zu schützen. Die Beute stammte eher von der umliegenden Grundherrschaft als aus der Burg selbst. Der Name der Burg wurde mit dem Buchstaben P. abgekürzt wiedergegeben. Deswegen erwogen einzelne Forscher, dass es sich um die Burg Pinka handelte, die Hans Pirchegger wieder mit Friedberg in der Steiermark identifizierte. Dass mit dem Juden D. Teka gemeint ist, können wir zwar nicht präzise beweisen, die Zuweisung gilt aber zur Zeit als herrschende Meinung und ist recht plausibel.18 Fassen wir unsere Beobachtungen zum Grazer Vertrag zusammen, erkennen wir den Versuch, Schäden auszugleichen, die wechselseitig, vor allem aber auf der ungarischen Seite, den grenzbildenden Grundherrschaften zugefügt worden waren. Erschwert wurde die Lage dadurch, dass einzelne der Herrschaften ein grenzüberschreitendes Gebiet umfassten.

17 Auer, Briefsammlung, 74. Nrrn. 60–62. 18 Lohrmann, Judenrecht, 50, mit Anm. 141.

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Nachbarliche Überfälle Friedrich der Streitbare

Leopold VI., der im Sommer 1230 in Italien starb, hinterließ seinem einzig überlebenden Sohn Friedrich eine Reihe von Problemen. Wie bereits angedeutet, führte auch Leopolds Förderung der Städte und des Handels samt der dazugehörigen Infrastruktur zu einer gespannten Situation gegenüber den Nachbarn Bayern und Ungarn. Dazu kam eine gereizte Atmosphäre wegen Entscheidungen in Eheangelegenheiten, die Böhmen und Ungarn betrafen. Die grundherrschaftliche Organisation, die wir nun in allen Grenzbereichen voraussetzen dürfen, machte Grenzverletzungen rasch erkennbar. Solange man durch Wälder und Ödland gezogen war und Verhaue beseitigen bzw. umgehen musste, spielte sich die Eröffnungsphase eines Kriegs in nahezu »wirtschaftsleeren« Räumen ab. Die aktuelle Bedeutung des grundherrschaftlichen Ausgleichs nach wechselseitigen Überfällen an den Grenzen zeigten ja schon die Punktationen des Grazer Vertrags von 1225. Was namentlich in der »älteren« Literatur, die wir aus einer kritischen Sicht bis in die sechziger und siebziger Jahre des 20.  Jahrhunderts datieren müssen, nach den Zielsetzungen der Kriegsführung des 18. und zum Teil sogar des 19. Jahrhunderts als Gier nach Land und Machtgewinn beschrieben wurde, war vor allem eine Veränderung im Verhalten der Fürsten und ihrer adeligen Grundherren. Es gab nur mehr unter ganz speziellen Bedingungen einen umfangreich geplanten Feldzug mit einer wirksamen kaiserlichen Deckung. Hingegen wurde die Grenzverletzung, nämlich die sich gegen den benachbarten Grundherren jenseits der Grenze gerichtete gwerra, zum häufigen Konfliktablauf. Die neue Art und Weise des kriegerischen Vorgehens, die sich aus veränderten Siedlungsverhältnissen erklärt, bildet aber nur einen technischen Aspekt der nachbarlichen Machtkämpfe. Gebietserweiterung und Machtgewinn gehörten auch unter den veränderten Bedingungen zur Mehrung fürstlichen Ruhms. Wir haben bei der Betrachtung der Lehnsvergabe von Weitra an Hadmar von Kuenring gelesen, dass der böhmische König ihm dienliche Nachbarn förderte, um sie durch ein Treueband an sich zu binden. Ziel der Bindung war Machterweiterung. Joachim Bumke beschäftigte sich mit dem Phänomen der Machtausweitung im Rahmen der Entstehung des Fürstentums und der Territorien.1 Beispiele dafür brachte er aus dem 12. Jahrhundert. In der Historia Welforum wird um 1170 die Machtstellung der Welfen folgendermaßen beschrieben  : »Als Herren eines Landes und durch festen Wohnsitz in ihrer Kraft gestärkt, begannen die Unsrigen ihren Machtbereich weiter auszudehnen, und in verschiedenen Gegenden im1 Bumke, Höfische Kultur, 387 ff.

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Nachbarliche Überfälle

mer mehr Güter und Würden zu erwerben.«2 Mit den Unsrigen sind wohl die Welfen gemeint  ; das schließt auch mit ein, dass auch ihre Gefolgsleute neue Güter und Würden erwarben. Die Ausdehnung des eigenen Machtbereiches war offenbar ohne weitere Erklärung der Rechtmäßigkeit solchen Vorgehens zur wichtigsten Aufgabe des Fürsten und seines Gefolges geworden. Der Kaiser/König in der Tradition Karls des Großen betrieb keine Ausdehnungspolitik, sondern setzte eine Weltordnung (wohl keine Weltherrschaft) durch, die christlich und römisch geprägt war. Christlich deshalb, weil der Eingriff in die Verhältnisse eines Nachbarn der »großfränkischen Welt« sich gegen Leute richtete, die sich zwar mit dem Christentum beschäftigen mussten, aber noch nicht dazugehören wollten. Fürsten, die ihre Nachbarn drangsalierten, war die Verantwortung für eine universale Ordnung nicht mehr geläufig. Gebiets- und Machtgewinn war ein Wert für sich geworden, der keiner weiteren Rechtfertigung bedurfte. Problematisch wurde die mit solchen Absichten verbundene gwerra nur dann, wenn Kirchengüter verwüstet wurden. Ein weiteres wichtiges Element im nachbarlichen Verkehr war die friedenswahrende Funktion eines Fürsten. Für den Nachbarn wurde der Fürst jenseits der Grenze bedeutungsvoll, wenn die angestammte Dynastie ausstarb, sich unmöglich machte oder sonst eine Katastrophe nicht bewältigen konnte. Eine richterliche Entscheidung war nur dann glaubwürdig und daher effizient, wenn der Richtspruch durch Eigenschaften gestützt wurde, die nur einem Fürsten zustanden. Der Richter war Standesgenosse der Streitparteien, die lediglich einen Fürsten als Autorität hinnahmen und auch das manchmal nur murrend. Die Bemühungen eines Fürsten, die Herrschaft in einem benachbarten regnum zu übernehmen, waren nicht nur dem Streben nach Machtgewinn geschuldet, sondern auch geradezu lebensnotwendig für die ohne Herrscher auf sich gestellte Gerichtsversammlung im betroffenen Territorium. Die Verhandlungen zwischen den österreichischen Landherren unter der Führung Heinrichs von Liechtenstein und Heinrichs von Haßbach mit dem Nachbarn Přemysl Ottokar II. sind dafür ein prominentes Beispiel.3 Dieses Vorgehen hatte ja ein unmittelbares Vorbild  : Ottokars Bruder Vladislav hatte zunächst als Gatte Gertruds das Erbe der Babenberger angetreten. Wie es ihm dabei ergangen wäre, wissen wir nicht, da er schon im Jänner 1247 starb.4 Der erste Konflikt, den Friedrich der Streitbare zu bestehen hatte, war jener Adelsaufstand, an dessen Spitze Heinrich III. und Hadmar III., die »Hunde« von Kuenring standen. Der Aufstand brach vermutlich schon im Dezember 1230, bald nach dem Begräbnis Leopolds  VI. aus.5 Vancsa meinte, dass es den Kuenringern gelang, den Böh­

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Historia Welforum cap. I, 34 f.; Bumke, Höfische Kultur, 388. Hoensch, Přemysl Otakar II., 41. Lechner, Babenberger, 300. Ficker, Herzog Friedrich II., 15.

Friedrich der Streitbare

menkönig Ottokar I. zu einem Einfall in Österreich zu bewegen.6 Die Böhmen wollten, so sieht die Sache Lechner, die Gebietsgewinne der Babenberger an der böhmischen Grenze rückgängig machen und nach Süden vordringen.7 Jedenfalls gab es eine Reihe älterer und neuer Konflikte zwischen den Böhmen und Österreich, unter denen der Streit um die Heirat des deutschen Königs Heinrichs VII. erst wenige Jahre zurücklag und eine böse Stimmung zwischen den Nachbarn hervorgerufen hatte. Sie betraf ja nicht nur Ottokar I., dessen Tochter Agnes gegenüber Margarete, der Tochter Leopolds VI. zurückgesetzt worden war, sondern auch den bayerischen Herzog Ludwig I., der sich für die böhmische Braut eingesetzt hatte. Wir haben im vorigen Kapitel die Angelegenheit skizziert.8 Die Unstimmigkeiten zwischen Österreich und Bayern führte Riezler auf ein anderes Problem zurück, das im Rahmen der vorliegenden Studie zentrale Fragen berührt. Herzog Ludwig I. habe nämlich auf den östlichen Teil des Landes ob der Enns, die alte Grafschaft Steier, nach dem Tod Otakars IV. 1192 Anspruch erhoben. Er führte zwei Urkunden von 1220 und 1225 als Beweise an  : Das Kloster Gleink betrachtete der Verfasser der Urkunde zu Bayern gehörig  ; gleiches gilt für das Tal von Windischgarsten.9 In beiden Urkunden gestattete der Herzog seinen Ministerialen, an das Kloster Gleink und die Stiftung Spital am Pyhrn Schenkungen zu machen. Diese Erlaubnis bezog sich auf das bayerische Herzogsgut zwischen den Flüssen Steyr und Krems mit dem Zentrum Bad Hall, wo die Herrschaft Herzog Ludwigs von Bayern nachgewiesen ist.10 Das Gebiet war zwischen den beiden Herzogen strittig. 1236 übernahm Herzog Otto  II. nach der Absetzung Friedrichs des Streitbaren die Herrschaft über die Gegend um Bad Hall, über die in den Jahren davor Leopold  VI. und Friedrich der Streitbare verfügt hatten. Es spricht einiges dafür, dass schon Leopold VI. Ministeriale dieses Landstrichs seiner Gefolgschaft einverleibte, denn im Wittelsbacher Urbar von 1224–1228 scheint der Besitz um Bad Hall nicht auf. Mit der Absetzung des Streitbaren bestand in Gleink und Spital Sorge, dass sie ihre Schenkungen aus den vergangenen Jahren dem Herzog zurückstellen mussten. Daher fabrizierte man die Urkunden auf den Namen Herzog Ludwigs, der seinen Leuten angeblich gestattet hatte, nach Gutdünken Schenkungen

 6 Vancsa, Geschichte 1, 462  ; die Annales Mellicenses 507 berichten zum Jahr 1231, rex Boemie cum suis Austriam ingreditur et per quinque septimanas incendio devastatur. Ähnlich die Continuatio Sancrucensis I 627 zu 1230. Etwas ausführlicher ohne einen Zusammenhang zwischen dem Aufstand und dem Einfall der Böhmen herzustellen, berichtet die Continuatio Lambacensis 558 zu 1231.  7 Lechner, Die Babenberger, 276.   8 Zu bayerischen Beteiligung an der Sache Riezler, Geschichte Bayerns 2, 51.  9 Riezler, Geschichte Bayerns 2, 51 f., mit Anm. 2  ; Zustimmend Handbuch der bayerischen Geschichte 2, 32, mit Anm. 5  ; Hödl, Bayern, Österreich und die Steiermark 296  ; UbOE 2, 620 Nr. 420 und 655 Nr. 453  ; Zauner, Die Urkunden Gleink 139 Nr. 14. 10 Zauner, Königsherzogsgut, 109.

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zu machen. Zauner stellte mit diesen Argumenten fest, dass die Fälschungen1236–1238 entstanden waren.11 Ludwigs Sohn Otto gehörte zu jenen Fürsten, die im Juni 1236 mit dem Reichskrieg gegen Friedrich den Streitbaren beauftragt wurden.12 Unter diesen handelte es sich neben Otto beim König von Böhmen und dem Bischof von Passau um Nachbarn des Babenbergers. Der ebenfalls beauftragte Bischof Ekbert von Bamberg hatte ebenfalls durch die im Süden angrenzende Lage seiner Besitzungen Berührungen mit dem österreichischen Herzog. Die Beteiligung des Markgrafen von Brandenburg ist mit seiner Nähe zum Kaiser zu erklären, wahrscheinlich spielten auch die Lehen der Nürnberger Burggrafen, später Brandenburger Lehen genannten Güter im österreichisch-böhmischen Raum um Seefeld eine Rolle. Der bayerisch-österreichische Konflikt ist ein gutes Beispiel für die differenzierte Rolle, die Gefolgsleute bei der Herrschaftsorganisation einer Landschaft spielten. Die Situation von 1236 legt nahe, dass der Urkundenschreiber, der den Text der Urkunden für Gleink und Spital am Pyhrn formulierte, eine Rückkehr des Gebietes westlich der Enns unter die Herrschaft des Wittelsbachers für wahrscheinlich hielt. Es ging in der Sache um eine Erweiterung des bayerischen Territoriums unter Einschluss des alten Traungaus und nicht nur um Rückgewinnung einer Enklave im babenbergischen Herzogtum. Kompliziert wurden solche Abgrenzungen aber von betroffenen kirchlichen Einrichtungen, denen es nur auf die Gültigkeit und Durchsetzbarkeit einer vollzogenen Schenkung ankam. Dass dem Urkundendiktator bei seinen Argumenten nicht ganz wohl war, erkennt man aus dem Rückgriff auf den antiquierten Noricum-Begriff für Bayern. Wenn es die Argumentationslinie erforderte, griff man auf die umfassende geographische Ausdehnung des bayerischen (Stammes-)Herzogtums zurück, das allerdings nicht mehr bestand und zum kleineren Land Bayern der Wittelbacher geworden war. Auch hier im Gebiet um Bad Hall kam es aber auf die Grundherren aus der strittigen Gefolgschaft des bayerischen Herzogs an, die den Wechsel zu den Babenbergern teilweise wohl zögerlich vollzogen hatten und nach dem Sturm von 1236/38 sich in die von Friedrich dem Streitbaren wieder hergestellten Verhältnisse einfügten. Die Babenberger, wie auch andere Fürsten, sammelten solche Mosaiksteine ein. In ihrem Fall könnte man überspitzt formulieren, dass das regnum der Babenberger teilweise auf den Trümmern des alten bayerischen regnum entstand. Wie lange solche Prozesse sich hinzogen, zeigt die Geschichte der in diesem Raum gelegenen Burgen Leonstein und Grünburg, die erst 1389 von Albrecht III. gebrochen wurden. Ob die Belagerungen allerdings in einem Zusammenhang mit den geschilderten Ereignissen des 13. Jahrhunderts zu sehen sind, darf bezweifelt werden.13 11 Zauner, Königsherzogsgut, 101 ff. 12 Zauner, Königsherzogsgut, 111. 13 Zauner, Königsherzoggut, 131.

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Nach der spektakulären Ermordung Herzog Ludwigs 123114 blieb also das gespannte Verhältnis erhalten und Otto  II., Ludwigs Nachfolger, fand in Böhmen wieder einen Verbündeten. 1233 griff er Friedrich den Streitbaren an, besetzte Wels und zerstörte große Teile des Klosters Lambach.15 Im gleichen Jahr sammelte Friedrich der Streitbare ein Heer von angeblich 40.000 Kriegern für einen Feldzug nach Mähren, den er Anfang Juli begann. Nach Meinung eines Heiligenkreuzer Annalisten war die Eroberung der für uneinnehmbar gehaltenen Burg Vöttau besonders bemerkenswert. Der böhmische König Wenzel machte sich durch die Wälder davon, wäre er doch dem Herzog lieber auf freiem Feld begegnet.16 Die Heiligenkreuzer Annalen berichten aber zum selben Jahr 1233, dass Andreas II. zu Allerheiligen in Österreich einfiel und unter Verwüstungen nach Höflein gelangte. Ein Gegenschlag Friedrichs zerstörte Theben.17 Die Pattstellung erforderte Friedensverhandlungen, die Erfolg hatten und in gegenseitige ehrenvolle, offenbar mit großer Pracht gefeierte Besuche mündeten. Ungarische Krieger griffen etwas früher im Jahr auch den Süden, nämlich die Steiermark an. Die Steirer wehrten sich erfolgreich, gerieten aber offenbar beim Vorrücken auf ungarisches Gebiet in einen Hinterhalt. Es gab Tote und Gefangene. Ein prominenter Gefangener war Hartnid, ein Sohn Friedrichs von Pettau. In einer Schenkungsurkunde für Dionysius, den Oberstallmeister (magister Agazonum) des ungarischen Königs, heißt es, dass dieser an einem Feldzug König Bélas gegen die Deutschen beteiligt war. Im Heer habe blutberauscht ein berühmter Ritter Hartwig gekämpft.18 Die Pettauer waren schon im 12.  Jahrhundert an den Kämpfen mit den Ungarn beteiligt  ; ein Friedrich von Pettau gewann zu Beginn des 13. Jahrhunderts als Eroberer ungarischen Bodens einen gewissen Heldenstatus. Da sie die führende Familie unter den Gefolgsleuten des Salzburger Erzbischofs waren, kann man an ihrem Wirken die Bedeutung des Erzbischofs für den ungarisch-steirischen Grenzraum ermessen.19 Am 1.  Mai 1234 versammelten sich einige der Streithähne der vergangenen Monate anlässlich der Hochzeit des Markgrafen Heinrich von Meißen mit Konstanze, der Schwester Friedrichs des Streitbaren, auf dem Felde Ringelsee bei Stadlau am linken 14 Es ging das Gerücht, hinter dem Messerattentat habe der berüchtigte »Alte vom Berg« gestanden. Handbuch der bayerischen Geschichte 2, 35, mit Anm. 14. 15 Riezler, Geschichte Bayerns 2, 63  ; Continuatio Lambacensis, 558, zu 1233  : Otto dux Bawarie terram nostram cum magno exercitu intravit et magnam partem eiusdem rapinis et incendiis consumpsit. Et veniens ad civitatem Wels, Lambacensem locum et omnia adiacentia rapina et incendio totalite vastavit […]. 16 Continuatio Sancrucensis I, 628 zum Jahr 1233. 17 Continuatio Sancrucensis I, 628, Z. 17 ff.: Rex Ungarie circa festum omnium sanctorum Austriam exercitu magno intrans, partem terre incendio et rapinis devastavit  ; et usque ad Hovelin pervenit  ; et interfectis multis de suo exercitu, et nobilibus quibsdam captivatis, et civitate Tewen exusta et depopulata, ulterius procedere non valens, pro concordia laboravit. 18 CDH IV, 1 23 hier auf ca. 1235 datiert  ; der Bericht Continuatio Sancrucensis I, 628. 19 Pirchegger, Die Herren von Pettau, 11  ; größerer Zusammenhang, 10 f., Kos, In Burg und Stadt, 407  ; StUB 2 Nr. 203 (Eroberung ungarischen Gebiets) Zur Sache kurz Dienst, Die Schlacht an der Leitha, 3.

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Donauufer, einem wichtigen Punkt für den Übergang über die Donau. Die beiden benachbarten Könige Andreas und Wenzel waren ebenso gekommen wie der Erzbischof von Salzburg und die Bischöfe von Bamberg, Passau und Freising.20 Ein schönes Beispiel, wie nahe feindliche Diffamierung (blutberauschter Ritter) und gemeinsame Feier chronologisch beieinander liegen konnten. Trotz interessanter Einzelheiten lassen diese Kämpfe im ungarischen Grenzgebiet keine gewichtige Motivation erkennen. Ficker kritisierte schon 1884 die einseitige Beschäftigung der Forschung mit den Eheangelegenheiten Friedrichs und Bélas IV.21 Vielleicht schon vor dem Hintergrund dieses Hochzeitstages formierte sich in Ungarn eine Opposition gegen den Königssohn und »jungen König« Béla. Die Spannungen der Jahre 1234 bis 1236, die zwischen Herzog Friedrich und Béla bestanden, gewähren tiefe Einblicke in die labilen ungarischen Verhältnisse. Die politischen Absichten Andreas II. und seines Nachfolgers Béla unterschieden sich in einem Punkt grundsätzlich. Seit Beginn des Jahrhunderts waren von Emmerich, dem Vorgänger des Andreas, und diesem selbst große Schenkungen an ungarische Magnaten gemacht worden. Man sieht darin allgemein ein Zeichen der zunehmenden Schwäche des Königtums. Die sogenannte Goldene Bulle von 1222 gewährte dem Adel ( Jobagionen) ein Widerstandsrecht.22 Schon seit 1228 versuchte Béla, gegenzusteuern und forderte zum Teil erfolgreich ehemals königliche Domänen zurück.23 Da der jüngere König keine politisch relevante Adelsgruppe zur Unterstützung gewann, scheiterte er und beschädigte auch sein Ansehen nachhaltig. Er geriet auch am Hofe seines Vaters zunehmend in Schwierigkeiten. Wie Roger von Torre Maggiore, Archidiakon des Kapitels von Großwardein, berichtet, gab es eine Anzahl von führenden Adeligen, die Zwietracht zwischen Vater und Sohn schürten.24 Béla wurde am Hofe Andreas’ II. von den Ratgebern des alten Königs missachtet und bewusst gekränkt. Roger stellt die Lage so dar, dass es gesamthaft betrachtet eine Verschwörung gegen Andreas und seine Söhne gab, die man durchaus als Absicht deuten kann, die Árpáden zu stürzen. Kein Wunder, dass Béla nach dem Tod des Vaters am 21. September 1235 über einige Inhaber bedeutender Würden Gericht hielt. Daraus entwickelte sich etwas, was auf den ersten Blick wie die oft beobachtete klassische politische Situation aussieht, die immer wieder zu Eingriffen in die ungarischen Verhältnisse durch den Kaiser oder später durch die unmittelbaren Nachbarn führte. 20 Ficker, Herzog Friedrich II., 26 f. Lohrmann/Opll, Regesten, 131, Nr. 510. 21 Ficker, Herzog Friedrich II., 25. 22 Varga, Ungarn und das Reich, 247  ; LMA 4 col. 1540 von Thomas von Bogyay. 23 CDH III/2 205 Andreas gestattet 1230 seinem Sohn Béla die Rückrufung wenig nützlicher und überflüssiger Schenkungen  ; Varga, Ungarn und das Reich, 251 f. 24 Roger von Torre Maggiore, Carmen miserabilis cap. 9, 557 f. deutsche Übersetzung Göckenjan, Mongolensturm, 146  ; auf dem cap. 9 beruht die folgende Darstellung. Die geschilderten Missstände beruhen auf der Verschleuderung von Königsgut durch die Könige Emmerich und Andreas  II. im Rahmen der sogenannten novae institutiones. Kristó, Die Árpáden-Dynastie, 178 ff.

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Nicht nur eine generelle Unzufriedenheit mit den aktuell regierenden Árpáden war die Ursache dieser Unruhen, sondern auch Bélas IV. Versuche, die politischen Machtverhältnisse zu seinen Gunsten zu verändern. Béla drängte vor allem die Vertrauensleute seines Vaters Andreas II. aus der Regierung. Diese Leute und wahrscheinlich eine größere Zahl von Anhängern bereiteten eine Verschwörung vor und planten eine Verteilung des Landes unter sich. Dadurch entstand schlechte Stimmung und Feindschaft gegenüber dem König unter wichtigen Machtträgern Ungarns. Roger analysierte diese Situation sorgfältig und geradezu objektiv abwägend und sah neben der Kumanenfrage in diesen Verhältnissen die wichtigste Ursache für die katastrophale Niederlage der Ungarn gegen die Mongolen im Jahre 1241. Vorläufig scheiterte aber die Opposition mit ihrem Vorhaben und wollte nun dem Kaiser die ungarische Königskrone durch Vermittlung des österreichischen Herzogs anbieten.25 Es ist durchaus möglich, dass Friedrich der Streitbare dem Kaiser das Angebot unterbreitete und dabei auch seinen eigenen Vorteil suchte. Varga schloss aus der Forderung des Herzogs, der Kaiser möge ihn mit 2000 Mark in seinen Auseinandersetzungen mit König Wenzel von Böhmen und den Ungarn unterstützen, dass der Babenberger das Angebot der Ungarn an den Kaiser herangetragen hatte.26 Aus diesen Vorgängen wird deutlich, dass in diesem Fall Friedrich der Streitbare jede Möglichkeit nützte, um Gefolgsleute und Land zu gewinnen, seine Nachbarn agierten aber bei Gelegenheit mit demselben Ziel. Nach dem Treffen mit Kaiser Friedrich kam es tatsächlich zu einem Krieg mit den Ungarn. Im bekannten Manifest Kaiser Friedrichs II., einem Schreiben an den böhmischen König, in dem die Verfehlungen des österreichischen Herzogs zusammengefasst wurden, finden wir auch den Vorwurf, dass Friedrich der Streitbare ohne Erlaubnis und Zustimmung des Kaisers Ungarn angegriffen habe.27 Leopold Auer verwies im Gegensatz dazu auf die Berichte in den österreichischen Annalen, nach denen die Aggression von Andreas II. ausgegangen war, der vielleicht sogar ein Bündnis mit König Wenzel von Böhmen schloss.28 Von übereinstimmenden Berichten kann aber keine Rede sein. In Heiligenkreuz schob man den ersten Angriff Andreas zu, nach der Melker Darstellung begann die Auseinandersetzung mit einem Angriff Herzog Friedrichs.29 Auch die Salzburger Rupert-Annalen erzählen, dass Andreas bei seinem Angriff auf Österreich den Herzog in die Flucht schlug.30 25 Roger von Torre Maggiore cap. 9, 557–558, deutsche Übersetzung Göckenjan, Mongolensturm, 146 f.; Varga, Ungarn und das Reich, 253. 26 Varga, Ungarn und das Reich, 254. 27 BUB IV/2 224 Nr. 1198  ; Varga, Ungarn und das Reich, 254. 28 Auer, Briefsammlung, 58. 29 Annales Mellicensis, 508, zum Jahr 1235/36  : Fridericus dux Austrie, congregato exercitu contra regem Ungarie, fugam iniit. P o s t eius fugam rex Ungarie et rex Boemie terram depopulantur. 30 Annales Sancti Rudberti Salisburgensis, 786, rechte Spalte Z. 27 ff.: Rex Ungarie cum multo exercitu fines

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Mit einem Heer von 30.000 Kriegern ging Friedrich der Streitbare über die Leitha und hoffte, Unterstützung bei der ungarischen Opposition zu finden. Andreas brachte aber ein Heer von angeblich 200.000 Mann zusammen, vor dem die Kämpfer des österreichischen Herzogs flüchteten. Die Ungarn folgten den Flüchtenden unter Sengen und Brennen bis Wien.31 Noch 1235 begannen die Friedensverhandlungen mit den Ungarn. Zur militärischen Unterlegenheit kam ein zweites Problem  : König Wenzel nützte die Gelegenheit, dass Herzog Friedrich unter Druck stand. Obwohl er zur Zeit des Treffens Friedrichs des Streitbaren mit dem Kaiser in Neumarkt durchaus friedlich taktierte, nahm er nun die Gelegenheit wahr, den Nachbarn zu bedrängen. Das Wetter verhinderte in Form von sintflutartigen Regenfällen und daraus resultierenden Überschwemmungen einen Erfolg des böhmischen Königs. Jedenfalls konnten sich das böhmische und das ungarische Heer nicht vereinigen. Am 21. September 1235 starb König Andreas II.32 Wie bereits erwähnt, ging Béla in der Folge gegen einige der Ratgeber seines Vaters vor. Einzelne wurden auch beschuldigt, sich an der Emordung von Bélas Mutter beteiligt zu haben. Einem davon betroffenen Grafen P. gelang mit Hilfe österreichischer Nachbarn die Flucht  ; der »hilfreiche« Kollege des Grafen, der ihm zur Flucht geraten hatte, zugleich aber P. beim König anschwärzte, erhielt zum Dank die Güter des Geflüchteten. Zur Flucht nach Österreich entschlossen sich auch mehrere andere ungarische Würdenträger, die in Ungnade gefallen waren.33 Damals begannen die Verhandlungen über hohe finanzielle Entschädigungen, die Friedrich der Streitbare leisten sollte und sich auf Schäden bezogen, die während der kürzlich erst beendeten Kämpfe entstanden waren. Aus dem Frühjahr 1236 stammt ein Brief Friedrichs an den Propst von Klosterneuburg, aus dem man darüber etwas mehr erfährt. Der Herzog schrieb, er habe mit dem ungarischen König eine Vereinbarung getroffen, dass er eine Entschädigung zahlen werde, um eine Bedrohung seines ganzen Landes wegen des Zorns (indignatio) des ungarischen Königs zu verhindern. Da der Herzog über keine Mittel verfügte, verlangte er eine Zahlung von 60  Pfennigen von jeder Hube im Land. Damit sollte ein Gesamtbetrag von mehreren tausend Mark zusammenkommen.34 Friedrich erklärte dem Propst, er habe sich zu dieser Zahlung verpflichtet, damit nicht zusammen mit den Bauern das Land verwüstet werde. Diese finanziellen Bemühungen und die Verfolgung mächtiger ungarischer Adeliger fielen zeitlich mit der Verschlechterung des Klimas zwischen dem Kaiser und dem Herzog zusammen. Die Missstimmung, die auch in Österreich zwischen dem Fürsten Austrie intravit, et ducem Austrie in fugam convertit. 31 Ficker, Herzog Friedrich II., 42 f. Continuatio Sancrucensis II, 638. 32 Chronicon Zagrabiense 212, Auer, Briefsammlung, 50, mit Anm. 43. 33 Auer, Briefsammlung, 69 f., Nrn. 3–15. 34 BUB IV/2 220 Nr. 1196  ; dort weitere Literatur.

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und dem Adel immer wieder an Beispielen festzumachen ist, gab auch dem Nachbarn eine Möglichkeit, in die Angelegenheiten des Landes einzugreifen. Einige Grafen hatten arme Leute bedrückt und sich deshalb den Unwillen des Herzogs zugezogen. Da sie nicht imstande waren, die verlangte Entschädigung zu bezahlen, wandten sie sich ratsuchend an den König von Böhmen. Dieser gab offensichtlich etwas genervt den Grafen den Rat, die Leute nicht weiter zu belästigen.35 Wenzel überwarf sich deswegen nicht mit Friedrich  ; die Anfrage der Grafen wirft aber ein bezeichnendes Licht auf einen Versuch, den König in der Nachbarschaft zur Unterstützung eigener Interessen zu gewinnen. Leider verschweigt der Briefschreiber, um welche Grafen es sich gehandelt hat. Die Grafen von Plain mit ihren Besitzungen nahe der Thaya würden zur Illustration einer noch in Bewegung befindlichen Grenzgestaltung recht gut passen. Eine sich auf Salzburg, damit auch auf Bayern zu beziehende Maßnahme Friedrichs des Streitbaren ist noch zum Jahr 1235 überliefert. Er sperrte die Land- und Wasserwege in Österreich, die in die westlich gelegenen Gebiete führten. Daher musste Salzburg das Getreide aus Schwaben einführen und den Wein aus Italien und Franken.36 Trotz der Versicherung des Salzburger Schreibers, die Stadt Salzburg und das umliegende Land seien von Wein überflutet, erlitten jedenfalls einige Bischöfe und weltliche Fürsten, wohl aber auch Äbte, durch die verfügte Sperre Schäden. Deutlich ist in dieser Hinsicht das Manifest, in dem auch diese Angelegenheit zur Sprache kommt. Der böhmische König, der Erzbischof von Salzburg, die Bischöfe von Bamberg, Passau, Regensburg und Freising sowie der bayerische Herzog und der Markgraf von Mähren führten Klage, dass Friedrich der Streitbare ihnen in Österreich und Steiermark die ihnen zustehenden Abgaben verweigert hatte.37 Es ging aber nicht nur darum, dass die Transporte von den einschlägigen Grundherrschaften in Österreich und Steier lahmgelegt wurden, sondern auch um die Verfügungsgewalt Friedrichs des Streitbaren über diese Abgaben. Die Sperre könnte einen Versuch des Herzogs darstellen, seine Finanznöte zu dämpfen. Damit verprellte er aber die Geschädigten, die nun bei Kaiser Friedrich II. als Kläger gegen ihn zusätzlich auftraten.38 Für die Grenz- und Nachbarschaftsfragen ist die Vorgangsweise des Herzogs interessant. Man sieht, wie riskant es für einen Bischof oder Abt sein konnte, größere Besitzungen im Gebiet eines möglicherweise feindlich auftretenden Fürsten innezuhaben. Hilfe bei der Behauptung ihrer Ansprüche konnten sie nur bei einem ihnen befreundeten Fürsten finden. Im konkreten Fall wird man mit dem Herzog von Bayern rechnen müssen. Zur Verteidigung des Besitzstandes standen den Bischö35 Auer, Briefsammlung, 71, Nrn. 23–26. 36 Annales Sancti Ruperti Salisburgensis 786 Z. 36 ff.: Dux Austrie consilio Iudeorum terram Austrie clausit, nec per terram et aquam annonam in partes superiores ire permisit. Nec tamen minus eo civitas Salzeburgensis et tota provincia illius frumento de Suevia sibi allato vinoque Latino et Franconico habundavit. 37 BUB IV/2 224  : […]  principes imperii, videlicet [folgt die Aufzählung der oben genannten Fürsten] fecit offendere, auferens eis iura et redditus, quos in Austrie et Sririe ducatibus possidebant. 38 Ficker, Friedrich II., 44.

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fen, zum Teil auch den Äbten, militärisch tätige oder rechtlich beschlagene Dienstleute zur Verfügung, die allerdings selbst durch den babenbergischen Herzog in eine Zwickmühle zwischen dem entfernten geistlichen Herrn und dem bedrohlich nahen österreichischen Fürsten gerieten. Rechtlich abgesichert konnte der Einfluss des Herzogs durch die Übernahme der Vogtrechte eines Bistums, Domkapitels oder Klosters werden. Damit wurde neuzeitlich gedacht, die Entstehung eines Staates im Staat behindert und beträchtlich erschwert. Trotzdem bleibt die bunte Mischung von Herrschaftsrechten für die Probleme einer in weiterem Umfang gedachten Nachbarschaft bezeichnend. Weiter gedachte Nachbarschaft deswegen, weil die betroffenen Bischofssitze zwar im Gebiet des bayerisch-wittelbachischen Nachbarn lagen, selbst aber keine topographische Nachbarschaft ihrer Besitzungen in Österreich zu ihren Kernbesitzungen bestand. Da eine bischöfliche Territorialhoheit, wie im Falle Salzburgs, die Ausnahme war, ist die Nachbarschaft mit geistlichen Besitzungen ein Problem eigener Art, ein Spezialfall von Herrschaftsorganisation, der eng mit der Ausübung der Vogteirechte verbunden ist. Die für Friedrich den Streitbaren bedrohlicher werdende Lage in der sich zusammenbrauenden Krise mit dem Kaiser führte auch zu einem kurzfristigen Waffenstillstand mit Béla  IV., der im Frühjahr 1236 geschlossen wurde und bis zum 29.  Juni dauern sollte.39 Nachdem in der ersten Jahreshälfte 1236 Klagen gegen den Herzog gesammelt und Lösungen der Probleme gesucht wurden, kam es am 27.  Juni zu einem Bündnis zwischen Kaiser Friedrich II. und einigen Reichsfürsten, das sich gegen Friedrich den Streitbaren richtete. An einem der folgenden Tage wurde er durch einen Fürstenspruch in Augsburg geächtet und verlor die Herrschaft über seine Fürstentümer.40 Mit dem Vollzug war vor allem der König von Böhmen, Wenzel, beauftragt, wenn sich auch der Herzog von Bayern, der Bischof von Passau und im steirischen Gebiet der Bischof von Bamberg und sein Bruder, der Patriarch von Aquileia, daran beteiligten. Die besondere Stellung des Böhmenkönigs ersieht man schon daraus, dass an ihn das berühmte Manifest, die Klagschrift gegen den Herzog, gerichtet war. Innerhalb des Reiches bedeutete dies für die Nachbarn natürlich eine Chance für Gebietserweiterungen. Betrachtet man vergleichsweise die moralisch und rechtlich bedenklichen Vorgänge in den Kämpfen mit Ungarn, macht das Verhalten Wenzels einen durchaus rechtskonformen Eindruck. Die häufigen Überfälle der Böhmen in die heute niederösterreichischen Gebiete nördlich der Donau suggerieren allerdings ein politisches Umfeld, das man nicht bagatellisieren sollte. Wenzel sah sicher einen Vorteil, wenn er einmal gestärkt durch einen kaiserlichen Auftrag einen Verwüstungsfeldzug in die wohl vertrauten Gebiete unternehmen konnte. Trotzdem zeigen uns die Quellen ein rechtlich geprägtes Verhalten. Hausmann umreißt die folgende militärische Entmachtung Friedrichs des Streitbaren mit der Feststellung  :

39 BUB IV/2 Nr. 1195. 40 BUB IV/2 Nrn. 1199 und 1200.

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»Die Exekution überließ der Kaiser den Gegnern des abgesetzten Herzogs.«41 Es handelte sich dabei um jene Fürsten, die sich nach dem Wortlaut des Manifests über die Verletzung ihrer Rechte in den Herzogtümern Österreich und Steiermark beschwert hatten. Im Juli 1236 richtete Wenzel ein Schreiben an die österreichischen »Barone«42. Aufgrund der Absetzung Friedrichs des Streitbaren werde er im kaiserlichen Auftrag nach Österreich kommen und die Burgen und das Land in Besitz nehmen. Es ist zu vermuten, dass damals schon die Landherren dem Herzog militärischen Widerstand leisteten, denn die Barone antworteten auf Wenzels Schreiben, dass sie ihm in allem gehorsam sein würden. Denn seine Forderungen entsprachen dem, was sie ohnehin seit langer Zeit gewünscht hatten. Als dann Wenzel schließlich in Österreich erschien, brachte er, ebenso wie der bayerische Herzog westlich der Enns, nach dem Urteil des Heiligenkreuzer Berichterstatters außer Brandschatzung und Plünderung nicht viel zustande. Das Land und die Stadt Wien vertrauten sie dem Burggrafen von Nürnberg, Konrad, an.43 Konrads Mutter war Sophia von Raabs und es ist daher denkbar, dass bei der Bestellung des Burggrafen seine verwandtschaftlichen Bindungen im österreichisch-böhmischen Grenzraum eine Rolle spielten. Wenzel könnte die entscheidende Kraft hinter der Entscheidung gewesen sein. Am 1.  Juli 1236, also im kritischen Zeitraum, hielt sich Friedrich der Streitbare in Globitz (Galgocz) in Ungarn an der Waag auf.44 Was der österreichische Herzog dort zu tun hatte, ist unklar. Die Urkunde gibt darauf keinen Hinweis. Es ging um eine organisatorische Angelegenheit des herzoglichen Hofes. Friedrich belehnte nämlich Konrad von Himberg mit dem Amt des Kämmerers. Erster Zeuge war Graf Leutold von Plain. Ein Halt an der Waag in Begleitung einiger bedeutender Gefolgsleute deutet eher auf militärische Ziele des Aufenthalts in Ungarn als auf Verhandlungen mit dem ungarischen König. Letztlich ist dieser Aufenthalt an der Waag rätselhaft.45 Die Exekution des Fürstenspruchs war wohl die grundlegende Voraussetzung für das Eingreifen der Herrscher Böhmens und Bayerns. Wenzel und Otto erfüllten ihre Pflicht gegenüber dem Reich und kehrten möglichst rasch wieder nach Hause zurück. Ob sie die militärische Unternehmung als Chance einschätzten, Gebietsgewinne zu machen, lässt sich nicht beurteilen. Der Ausgang des auch für den Kaiser riskanten Unternehmens war fraglich. Eine abwartende Haltung war für die Nachbarn wohl das Klügste. Einen gewissen Höhepunkt problematischer Machtpolitik gegenüber einem Nachbarn stellt das Verhalten Friedrichs des Streitbaren in der Zeit der Mongolenkrise dar. 41 Hausmann, Kaiser Friedrich II. und Österreich 251. 42 BUB IV/2 Nr. 1197. 43 Continuation Sancrucensis II, 639. 44 BUB II 166 f. Nr. 1236  : Data in Globitz in Vngaria iuxta aquam, que vocatur Wag Kalendis Iulii, anno incarnationis domnice MCCXXXVI  ; Varga, Ungarn und das Reich, 255, mit Anm. 196. 45 Ficker, Friedrich II., 150–156, in Beilage 2 mit anderen Erklärungen.

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Von einer Läuterung nach den Erfahrungen der Jahre 1236 bis 1238 ist bei Friedrichs Vorgehen gegenüber dem ungarischen Nachbarn wenig zu bemerken. Wieder ist unser Gewährsmann Roger von Torre Maggiore. Im Februar 1241 tagte in Ungarn ein Kriegsrat und die Versammelten riefen den österreichischen Herzog zur Hilfe.46 Ende März 1241 traf Friedrich mit wenigen Leuten in Pest ein, war über die Lage nicht informiert und führte daher auch keine kriegsmäßig Bewaffneten mit sich. Als sich Tartaren vor Pest zeigten, ritt ihnen Friedrich entgegen – die Tartaren wandten sich zur Flucht und ritten davon. Friedrich machte seinem Beinamen alle Ehre, durchbohrte einen Mann, der offenbar den Rang eines »Offiziers« hatte, und tötete einen anderen, der dem Verletzten Hilfe leisten wollte. Die Ungarn waren von Friedrich ganz begeistert und schmähten den eigenen König, dem man offenbar Tatenlosigkeit vorwarf.47 Die Aktion des österreichischen Herzogs kam eher zufällig zustande. Er wollte sich wohl zunächst informieren, wie sich der Mongolenangriff tatsächlich abspielte. Friedrich wies in einem Schreiben an König Konrad IV. vom 13. Juni 1241 auf seine persönlichen Erfahrungen in Ungarn hin und erwähnte seine kriegerische Begegnung mit den Tartaren.48 Gemessen an den Horrormeldungen über die Kampfweise der Mongolen ging Friedrich also mit einer Portion Mut und Sinn für Realität nach Ungarn. Im April kehrte er wieder nach Hause zurück und in Heiligenkreuz wusste man, dass der Herzog mit Béla IV. gestritten hatte. Béla wollte nämlich nur Rat und Hilfe von Leuten annehmen, die sich ihm unterordneten.49 Kurz darauf, am 11.  April, kam es am Sajo auf der Ebene von Mohi zur Schlacht gegen die Mongolen, die für Béla IV. katastrophal verlief. Sein Bruder Koloman fiel und Béla flüchtete über einen Umweg zur Königin Maria, die sich im Grenzgebiet zu Österreich aufhielt. Dort in der Gegend kam es zu einem Treffen mit Herzog Friedrich, der Arges im Schilde führte. Mit dem Versprechen erhöhter Sicherheit lockte er Béla über die Donau nach Hainburg, wo er versprach, den König zu bewirten. Béla geriet in eine Art von Gefangenschaft und Friedrich forderte von ihm jene Geldsumme, die er für den Frieden vor einigen Jahren hatte bezahlen müssen. Der dazugehörige Brief des Herzogs an den Propst von Klosterneuburg wurde ja besprochen. Für seine Freilassung übergab Béla goldene und silberne Gefäße, die er mit sich geführt hatte. Ferner musste Béla dem Babenberger drei benachbarte Komitate, Eisenburg, Wieselburg und Ödenburg überlassen. Die dortigen castra ließ er auf eigene Kosten instand setzen.50 Die ungarischen Kämpfer waren auf der Flucht und Friedrich schickte eine größere Zahl von Rittern nach Ungarn, die gegen Dörfer vorgingen, in die Stadt Raab eindran46 Varga, Ungarn und das Reich, 259  ; Rogerii carmen miserabile cap. 23, 566. 47 Rogerii carmen miserabile cap. 23, 566  ; Göckenjan, Mongolensturm, 156 f., zum Knez als Offizier (Hundertschaftsführer), 207, Anm. 121. 48 Ficker, Herzog Friedrich II., 98, mit Anm. 2  ; hier auch die gerade oben erzählte Geschichte. 49 Rogerii carmen miserabile cap. 25, 567  ; Göckenjan, Mongolensturm, 158. Zum Streit Continuatio Sancrucensis II 640 Z. 32 ff. 50 Rogerii carmen miserabile, 574 f.

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gen und die dortige Burg einnahmen. Ungarn aus dieser Gegend eroberten die Stadt aber zurück und verbrannten die Deutschen in der Burg. Der Herzog tobte vor Wut und ging gegen jene Ungarn vor, die sich aufgrund seines Schutzversprechens in Österreich aufhielten. Er verlangte von ihnen Geld für die Verteidigung ihrer Burgen und Städte und nutzte die Gelegenheit, Deutsche und Ungarn aus dem Nachbarland um ihr Vermögen zu bringen.51 Lechner beurteilt den späten Friedrich differenziert. Hektisch versuchte er, seine Ziele zu verwirklichen  ; neben Planung, Zielstrebigkeit und Klugheit standen auch Rücksichtslosigkeit und Gewalt.52 Auch Scheibelreiter schildert in seiner Monographie der Babenberger schonungslos diese eigentlich mehr als bedenkliche Vorgangsweise des letzten Babenbergers.53 Nach dem unerwarteten Abzug der Mongolen 1242 kehrte Béla nach Ungarn zurück und sammelte ein Heer, um Ödenburg zurückzuerobern. Achilles, Gespan von Pressburg, unternahm einen Verwüstungszug bis Wien. Friedrich traf mit einem großen Heer den ungarischen König an der Leitha und es kam zu einem Friedensschluss ohne Kampf.54 Eine der Voraussetzungen für diesen »Frieden« waren Zahlungen des ungarischen Königs, die durch Pfänder besichert wurden, wahrscheinlich blieben die drei Komitate in dieser Form unter der Herrschaft Friedrichs des Streitbaren.55 Ficker schließt daraus, dass die Feindschaft zwischen Béla und Friedrich durch diese Verhandlungen nicht beendet wurde.56 In diesen Streitigkeiten ging es nicht um die Durchsetzung einer bestimmten Ordnung, sondern um die machtpolitische Instrumentalisierung komplexer regionaler Besitzverhältnisse. Wir stehen gewissermaßen vor den Anfängen der Geschichte des Burgenlandes, das traditionell zu Westungarn gerechnet wird, durch seine deutschen Grundherren aber schon damals Bindungen zum österreichischen Herzog hatte. Die differenziert zu betrachtende Zugehörigkeit des Gebietes zum ungarischen König oder zum österreichischen Herzog war im Laufe der Jahrzehnte und schließlich den mittelalterlichen Jahrhunderten schwankend und erinnert in seiner Problematik an das Pittener Gebiet. Für Friedrich den Streitbaren bedeutete dieser Konflikt eine ständige Beunruhigung im östlichen Grenzbereich, die schließlich bei einem seiner Versuche, die Dinge mit kriegerischen Mitteln endgültig zu regeln, 1246 an der Leitha zu seinem Tod führte.

51 Rogerii carmen miserabile, 576. 52 Lechner, Babenberger, 292. 53 Scheibelreiter, Die Babenberger, 332. 54 Continuatio Sancrucensis II, 641 zur 1243 (1242), Ficker, Friedrich II., 111. 55 Continuatio Garstensis, 597, zum Jahr 1242  : Fridericus dux Austrie miles potens, strennuus et ad arma perfectus, Belam regem Hungarie collecto exercitu hinc et inde suis viribus inclinavit, et ipse rex per multam peccuniam pignore confirmatam, manus eius et indignationem declinavit. 56 Ficker, Herzog Friedrich II., 111.

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Nachbarliche Überfälle

Die Details der bekannten Schlacht an der Leitha tragen zu unserer Thematik nichts bei – Heide Dienst hat dieses Thema erschöpfend behandelt.57 Durch Friedrichs Tod wurde ein Problem virulent, das seit Jahren Spannungen zwischen Friedrich und dem böhmischen König Wenzel verursacht hatte. Es ging dabei um die Verlobung und Eheschließung Vladislavs, des mährischen Markgrafen, und Gertrud, der Nichte Friedrichs des Streitbaren. Es war 1238 bzw. 1242 bereits abzusehen, dass der österreichische Herzog keine Kinder haben würde und so begann sich langsam das Ehekarussell um die letzte Babenbergerin, Gertrud, zu drehen. Friedrichs Schwester Margarete war damals erst seit wenigen Monaten verwitwet (am 12. Februar 1242 war König Heinrich gestorben und im September kam es zum Ende der Kämpfe mit Ungarn) und stand für taktische Spiele um eine spätere Herrschaft in Österreich im Augenblick nicht zur Verfügung. Im Jahre 1242 griff der Herzog Mähren an, wobei durchaus eine Gefährdung zuerst vom böhmischen König ausgegangen sein konnte. Wir erfahren nur, dass sich Friedrich unmittelbar nach dem Friedenschluss mit Béla gegen Mähren wandte. In Heiligenkreuz betonte man, dass Friedrich die Mährer mit demselben Heer wie zuvor die Ungarn angriff. Die Ritter weigerten sich aber, ihm zu folgen. Der Herzog musste sich zur Flucht wenden und zog sich verärgert zurück.58 Ob diese militärische Aktion mit dem Streit um die Eheschließung zwischen Friedrichs Nichte Getrtrud und dem böhmischen Kronprinzen Vladislav zusammenhing, steht seit langem in Diskussion.59 Seit 1238 gab es dieses Heiratsprojekt, das offenbar einen gewissen Druck auf den österreichischen Herzog ausübte. Der Herzog musste bemerken, dass die böhmische Machterweiterung nach Süden ein ernsthaftes Anliegen König Wenzels war. Wenzel wechselte sogar von der Seite Kaiser Friedrichs II. auf die päpstliche, als der Kaiser plante, sich selbst mit Gertrud zu vermählen und die babenbergischen Länder unter eine möglichst direkte Einflussnahme der Staufer zu bringen. Reinhard Härtel hat Wenzels Bemühungen als die entscheidende Grundlage für die Expansion Böhmens zur Zeit Přemysl Otakars VII. beurteilt.60 Bald nach Friedrichs des Streitbaren Tod kam diese Ehe zustande, die allerdings wegen des frühen Todes des Vladislav zunächst keine Entscheidung über die Zukunft des babenbergischen Erbes brachte. Für die Fragestellung nach der Entwicklung der nachbarlichen Verhältnisse ist das vielleicht wichtigste Resultat, dass der Kaiser bzw. das Reich in der österreichischen Nachfolgefrage zuletzt eine in sich widersprüchliche Rolle spielte. Der Kaiser setzte im Frühjahr 1247 den Grafen Otto von Eberstein als capitaneus 57 Dienst, Die Schlacht an der Leitha, 10–16. 58 Continuatio Sancrucensis II, 641  ; Reichert, Landesherrschaft, 37, zum Verhalten der Dienstleute. 59 Den Zusammenhang versuchte Ficker, Herzog Friedrich II., 111 f. herzustellen. Zu den Verlobungs- und Verehelichungsplänen Hoensch, Přemysl Otakar  II., 25 f., 30  ; Härtel, Böhmens Ausgriff, 237 f., mit wichtigen Literaturhinweisen auf die Heiratspolitik von Babenbergern und Přemysliden. 60 Härtel, Böhmens Ausgriff, 237.

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Friedrich der Streitbare

et procurator per Austriam et Styriam ein. In dieser Bestellung sehen Max Spindler und Andreas Kraus den Willen des Kaisers, die Länder der Babenberger der kaiserlichen Hausmacht einzufügen.61 Erst als der Ebersteiner scheiterte, folgte ihm der bayerische Herzog Otto in dieser Funktiion nach. Der Wittelsbacher vertrat aber, wie schon früher bei der Absetzung Friedrichs des Streitbaren, nicht ausschließlich die Interessen des Kaisers, sondern auch jene eines benachbarten Fürsten. Dabei ging es, wie bereits erwähnt, vor allen Dingen um Rechte im Traungau. Wie sehr sich auch die Wittelsbacher mit der Frage der Übernahme der Herrschaft in den babenbergischen Ländern befassten, zeigt die Tatsache, dass sie sich etwa 1250 einen Text des Privilegium minus verschafften, den Hermann von Niederaltaich in seinem Annalenwerk verwendete.62 Dass der Kaiser ernsthafte Absichten auf die Herrschaft in Österreich und Steier hatte, erkennt man aus diesem  : Es ist auffällig und gründlich zu bedenken, dass die Verhandlungen der österreichischen Landherren mit Markgraf Přemysl Otakar erst 1251, nach dem Tod Kaiser Friedrichs II., zu Ergebnissen führten. Wenn die böhmischen Bemühungen im Jänner 1247 zunächst scheiterten (Tod des Vladislav), setzte sich letztlich doch der reichsfürstliche Nachbar im Norden durch. Eine Analyse der politischen Vorgänge während des sogenannten österreichischen Interregnums wäre an dieser Stelle passend, doch würde dies den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen. Schon eine Aufzählung der am Gewinn der Erbmasse der Babenberger beteiligten Mächte und ihrer Beziehungen zueinander erfordert eine umfangreiche Auseinandersetzung. Die vorhandenen Darstellungen bieten meist Ausschnitte aus der Fülle der Probleme – eine gesamthafte Analyse bleibt ein Desiderat der Forschung. Otakars Erfolg ist durchsetzt mit den Entwicklungsproblemen der mitteleuropäischen politischen Strukturen. Ein Reichsfürst übernahm die Herrschaft in Österreich – der ungarische König erlangte nach Kämpfen jene in der Steiermark. Das babenbergische Erbe schien zerschlagen. 1260 übernahm aber Přemysl Otakar II. die Herrschaft in beiden Herzogtümern der Babenberger. Die Aktivitäten in Kärnten und Friaul erweiterten seinen Einfluss in Räume, in die schon die Babenberger durch Erbschaft und Kauf gelangt waren. Die Herrschaft in diesem Raum hatte noch immer eine ihrer Grundlagen in der Zugehörigkeit zum Reich. Dies erfuhr insofern eine Intensivierung, als sich die Herrschaft in Deutschland und im römischen Reich von hier, vom ehemals babenbergischen Gebiet aus, in Konkurrenz zu den alten Nachbarn Bayern (Ludwig der Bayer) und Böhmen (Karl IV.) erneuerte.

61 Handbuch der bayerischen Geschichte 2, 48. 62 Schmidt, Das Privilegium minus, 214.

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Betrachtungen zur Nachbarschaft in der mitteleuropäischen »Staatenwelt« Aus den Nachbarn der Mark der Babenberger waren die Nachbarn Österreichs geworden, als die Herrschaftsansprüche Friedrichs (†  1268), des Sohnes der Gertrud, von den aktuellen Machtverhältnissen niedergewalzt wurden. Schon die Zeitgenossen waren der Auffassung, dass die Babenberger »ausgestorben« waren. Die Beziehungen zu den Nachbarn hatten sich vor allem seit dem Ausgang des 12. Jahrhunderts grundsätzlich gewandelt. Bayern ging in die Zukunft als verkleinertes Herzogtum. Es hatte große Teile seiner Macht schon damals verloren, als eine bedeutende Anzahl von Adelsgruppen und Familien ihre militärische und wirtschaftliche Tätigkeit in die bayerischen Marken verlegte und mit derartigen Erfolgen eine zunehmende Selbständigkeit gegenüber dem Herzogtum Bayern erlangte. Schon zur Zeit Friedrichs des Streitbaren musste sich der Herzog des einst vornehmsten Fürstentum des Reiches, wie Bayerns eingeschätzt wurde, mit den Abkömmlingen der Mark, den »Österreichern«, auf Augenhöhe herumschlagen. Die Babenberger hingegen waren Königen immer ähnlicher geworden, deren Traditionsbildung und deren Dienstleute (Ministeriale) aus dem Personenverband der Mark im Osten unter einem gewissen Einschluss der Steiermark ein regnum formten, das beinahe unter der Herrschaft eines rex gestanden wäre. Es sei angemerkt, dass dieser zunächst additive Vorgang (ducatus Austrie et Styrie) wohl erst in der Zeit Rudolfs IV. (1358–1365) mit der Gesamtbezeichnung Österreich zu einem gewissen Abschluss kam. Die Dienstleute der Babenberger hatten allmählich, beginnend schon in der Zeit Leopolds III., gegenüber den Grafen und Edelfreien ein Übergewicht gewonnen. Es spricht einiges dafür, dass sie, da sie im Vergleich zu den anderen Adeligen nur wenig Besitz außerhalb der Mark hatten, zu den eigentlichen Trägern des österreichischen Landesbewusstseins wurden. Dieser komplizierte, an sich unumkehrbare Prozess der Verselbständigung der Mark unter der Herrschaft der Babenberger wurde schon im 13. Jahrhundert von bayerischer Seite nicht mehr verstanden. Die Loslösung Österreichs von Bayern führte bei Hermann von Niederaltaich zu dem Kommentar, dass die Bayern durch die Entscheidung von 1156 eine Minderung ihres honor hinnehmen mussten und die Macht Bayerns geschwächt wurde.1 Diese Beurteilung des mehr als hundert Jahre zurückliegenden Ausgleichs mit Heinrich dem Löwen entwickelte sich zu einer Tradition, die erst von den Konstrukten der neueren Historiographie aufgehoben wurden. Als Friedrich der Streitbare starb, war aus dem »wilden«, nomadisch orientierten Stammesverband der Ungarn eine mitteleuropäische Großmacht im Rahmen der latei1 Hermanni Altahansis Annales, 383, Z 7.

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nischen Zivilisation geworden. In den Auseinandersetzungen des frühen 13.  Jahrhundert ging es nicht mehr um die Errichtung und vor allem Erhaltung einer hegemonialen Ordnung im Rahmen ottonisch-salischer Kaiserideologie, sondern um Kämpfe um jeden Quadratmeter Grundherrschaft in den Grenzräumen zwischen Nachbarn, die auf Augenhöhe agierten. Die christliche und schließlich westlich-lateinische Ausrichtung der Árpáden bedeutete abseits von spirituellen Erwägungen ein Einschwenken in ein überzeugend gestaltetes Herrschaftsmodell, das sich aus spätantik-römischen Traditionen entwickelt hatte. Für die Hinwendung zum Westen und zum lateinischen Christentum waren konkrete »politische« Konstellationen ausschlaggebend. Die zuletzt von Großfürst Taksony (gest. 970 oder 973) versuchte Einmischung in die von Byzanz geprägte Politik des Ostens verlief erfolglos. Wichtiger war aber wohl die Tatsache, dass der bayerische Herzog Heinrich der Zänker eine offensive Strategie gegen Ungarn betrieb, die sich vor allem in der Gründung von Marken im Südosten des Reiches niederschlug. Im Laufe des 11. Jahrhunderts wehrten sich die Ungarn mit traditionellen Mitteln gegen die Versuche des Kaisers, sie in die »universale« Ordnung einzubeziehen. Sie schufen Grenzödland, siedelten Angehörige von Hilfsvölkern als Grenzwächter an und errichteten nach slawischem Vorbild Verhaue und natürliche Hindernisse im Falle eines Angriffs aus dem Westen. Als sich in der Zeit Stephans des Heiligen um das Jahr 1000 die ersten bayerischen und lateinischen Reiterkrieger bzw. Geistlichen in Ungarn ansiedelten, beeinflussten ihre Ordnungs- und Rechtsvorstellungen, aber auch ihre Lebensweise und ihre spirituellen Vorstellungen allmählich die ungarische Führungsschicht. Trotz vorübergehender Erfolge gelang es dem Kaiser nie, eine dauerhafte Bindung zwischen dem Reich und Ungarn herzustellen. Es veränderten sich aber die nomadischen Lebensformen, die Einrichtung von Bischofssitzen und Grafschaften (Gespanschaften) führte zu einer dem Westen angeglichenen Verfassung. Mit der Übernahme westlicher Kampforganisation, vor allem einer schwerbewaffneten, um den König versammelten Leibgarde, gelangen den Ungarn auch militärische Erfolge. Sobald sich Andreas I. durchgesetzt hatte, indem er einen gewissen Ausgleich zwischen traditionell gesinnten Gruppen und christlich orientierten Mächten in Ungarn erreichte, unterstützte der Kaiser noch immer ihm genehme Kandidaten aus der herrschenden Dynastie der Árpáden, verzichtete aber auf Versuche, direkt in die ungarische Politik einzugreifen. Die Babenberger erwarben sich in den Kriegen gegen die Ungarn Heldenstatus, der eine wesentliche Tradition ihrer späteren Machtstellung war. Die eigentliche Aufgabe der Mark war es, den Einfluss Bayerns und des Reichs möglichst weit in das ungarische Siedlungsgebiet vorzuschieben. Markgraf Adalbert, der in jüngeren Jahren noch der bayerischen Kriegspartei gegen die Ungarn angehört hatte, führte allerdings Jahre später Friedensverhandlungen mit dem ungarischen König. Die Grenzen offensiver Politik gegen die sich neu formierende ungarische Gesellschaft wurden greifbar. Bei diesen Entwicklungen handelt es sich um die Entfaltung neuer Formen der Begegnung. Allerdings 333

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verschwand das alte Streben nach Kontrolle über die Ungarn innerhalb der gedachten Weltordnung nicht vollständig. Noch Friedrich Barbarossa kündigte bald nach seiner Wahl an, die Ungarn in diese Ordnung einfügen zu wollen. Der junge Herrscher fand 1152 dafür aber vor allem im bayerischen Adel und bei den Babenbergern keine Unterstützung. Diese Haltung der Bayern entsprach der Entwicklung der vorangegangenen Jahrzehnte. Nicht nur der Markgraf führte Verhandlungen mit den Ungarn, sondern auch andere bayerische Dynasten, wie die Grafen von Vornbach, standen mit dem ungarischen Königshaus in Verbindung, und sei es als Flüchtlinge. Die Fürsten begannen, das Verhältnis zwischen dem Kaiser und den Ungarn mitzugestalten. Leopold III. scheint bereits eine ziemlich selbständige Politik gegenüber den Ungarn geführt zu haben. Die sich im 12. Jahrhundert entwickelnde Machtpolitik der Fürsten, die auf Mehrung von Land und Gefolgschaft gerichtet war, führte seit den vierziger Jahren des 12. Jahrhunderts und den folgenden Jahrzehnten zu einer häufigen Trübung des nachbarlichen Mitund Nebeneinander zu einem Gegeneinander. Besonders scheinen die Bemühungen um das Erbe der Otakare in der Steiermark die Atmosphäre vergiftet zu haben. Ein letzter Nachklang des universalen Zeitalters der Ottonen und Salier war die Bestimmung im Privilegium minus, dass der Herzog dem Kaiser gegen die Nachbarn, das heißt wohl in erster Linie gegen die Ungarn, Heerfolge zu leisten hatte. Die Konkurrenz zwischen Friedrich dem Streitbaren und Béla  IV. nahm nicht nur im Zusammenhang mit der unzureichenden Kriegsführung gegen die Mongolen geradezu beschämende Formen an. Nach dem Tod Friedrichs übernahmen die Ungarn sogar kurzfristig die Herrschaft in der Steiermark (1254–1260). Ungarn war zwar Teil des zivilisiert-christlichen Europa geworden, sicher aber kein leichter zu behandelnder Partner. Anders die Böhmen und die nach der »altmährischen« Epoche meist in ihrem Schlepptau organisierten Mährer. Sie standen in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Reich, das man in der Karolingerzeit aus der Wurzel einer Tributleistung herleitete. Břetislav leistete 1042 aber König Heinrich III. einen Eid, der auf Gefolgschaftsleistung und einer amicitia zwischen dem König und dem böhmischen Fürsten beruhte. Die amicitia fand ihren Ausdruck in den gemeinsamen amici und inimici der Partner. Bei möglichst vollständiger Würdigung eines solchen Eides werden Konturen im Verhältnis zwischen dem Reich und Böhmen sichtbar, die weit komplexer sind als das übliche Lehnsmodell der Abhängigkeit. Vasallität im Rahmen einer amicitia trifft den Sachverhalt sicher nicht vollständig, kommt der Wirklichkeit aber recht nahe. In den Ungarnkriegen Heinrichs III. wirkten Adalbert und der böhmische Fürst Břetislav gemeinsam im kaiserlichen Heer. Der Unfrieden um die Burg am Oberleiserberg von 1041 war beigelegt. Die Mitwirkung Břetislavs in den Ungarnkriegen förderte auch seine Absichten, Mähren mit Böhmen fest zu verbinden. Zugleich nahm er altmährische Traditionen mit den Ansprüchen auf das Gebiet bis zur Waag auf. An der böhmischen Grenze verhinderte der Nordwald zunächst Zusammenstöße mit den Babenbergern. Die Entwicklung 334

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der adeligen Grundherrschaften fand im 11. Jahrhundert überwiegend, wenn nicht ausschließlich in der Mark statt. In Böhmen wird die gegenläufige Bewegung erst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts fassbar. Nicht eindeutig zu klären sind die Ursachen der bekannten Mailberger Schlacht am 12. Mai 1082. Auf österreichischer Seite sah man den Ausgangspunkt im Streit des Kaisers mit den Fürsten, eben in einer der Facetten des Investiturstreits. Der böhmische Beobachter der Zeit, Cosmas, hingegen zeigt für diesen Aspekt kein Verständnis und berichtet über die Eskalation von Streitigkeiten an der Thaya, die von Bösewichten ausgelöst wurden, die im jeweils benachbarten Gebiet Schaden angerichtet hatten. Der Bericht des Cosmas schlägt unterschiedliche Töne bei der Beurteilung des Konflikts an  : Kritischvernünftig klingt der Vorwurf, die Fürsten hätten zugesehen, wie die Streitigkeiten eskalierten. Cosmas warf aber Leopold II. Arroganz vor und hielt sich mit Vorurteilen gegen die »Deutschen« nicht zurück. Leopold  III. begann mit Böhmen die bei Nachbarn zu erwartende Heiratspolitik est recht spät. Bei der Besiedlung des Nordwaldes gab es eine Bewegung von Norden und von Süden. Die Träger dieser Bewegung von Norden mussten nicht immer »Böhmen reinsten Wassers« gewesen sein. Die Edelfreien von Raabs oder die Grafen von Plain erfüllten als Vertreter des Reiches ihre Aufgabe von Böhmen aus. Sie wechselten allerdings wenige Jahre später auf die Seite der Babenberger. Die Grenze im Nordwald blieb lange Zeit durchlässig  : Auch die Rolle Hadmars II. trägt die problematischen Züge einer Doppelvasallität. Adelige aus der Mark suchten bei Gelegenheit Unterstützung beim böhmischen König in schwieriger Lage. Die Adelsfamilie der sogenannten »Waisen« wechselte aus dem Gefolge der Babenberger nach Böhmen. Die Grenzpolitik erforderte Diplomatie und Wendigkeit. Von welcher der beiden Seiten der größere Druck ausging, wissen wir nicht mit Sicherheit, da unsere Quellen parteiisch berichten und den jeweiligen Gegner der üblichen Brandschatzungen und Verwüstungen zeihen. Eine Problematik besonderer Art stellt das böhmische Königtum dar, zu dem es mehrere Anläufe gab  ; selbst die Sizilische Goldbulle aus dem Jahre 1212 bildete noch nicht den Abschluss der Entwicklung. Letzte Bedingungen vonseiten des Reiches für das böhmische Königtum wurden noch 1231 festgelegt. Es scheint, dass die Zeit für Königreiche auf dem Boden des Reiches erst im frühen 13. Jahrhundert reif geworden waren. Böhmen stellte schließlich ein gewisses Modell dieser Entwicklung dar. Es handelt sich um ein Phänomen, das seine Wurzeln in dem Schwanken zwischen der Zugehörigkeit Böhmens zur kaiserlichen Ordnung und einer begrenzten Selbständigkeit der Böhmen bei der Auswahl ihres Fürsten hatte. Durch das böhmische Königtum und die entsprechenden Pläne für eine Königsherrschaft Friedrichs des Streitbaren glichen sich die beiden Nachbarn bei oberflächlicher Betrachtung der ungarischen Herrschaftsorganisation an. Es war wohl diese Entwicklung, die aus Nachbarn in einer hegemonial angestrebten Ordnung quasi gleichrangige Mächte machte. Über die Zeit der Babenberger hinausgehend zeigt es sich, dass Přemysl Otakar II. mit einer gewissen nachbarschaftspolitischen Logik nach dem Tod Friedrichs des Streit335

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baren die Herrschaft in Österreich und schließlich auch in der Steiermark übernahm. Trotzdem ist festzuhalten, dass die Versuche, in Mitteleuropa eine Großmacht zu etablieren am Fortbestehen eines »böhmischen« und »österreichischen« Eigenbewusstseins und dessen Akzeptanz in der Umgebung nichts änderten. Ähnliches gilt in etwas differenzierterer Form für die Steiermark. Der aus der Mark an der Mur (karantanische Mark) hervorgegangene Herrschaftsbereich, an den benachbarte Grafschaften (etwa Mürztal) angebunden waren, war einer der für die weitere Machtentwicklung bayerischer Dynasten geeigneten Räume. Die Eppensteiner, kurze Zeit die Wels-Lambacher und schließlich die Otakare prägten mit ihrem Gefolge und ihren amici die Entwicklung, die gerade durch eine Analyse ihrer Besitzungen die Entstehung des Landes deutlich macht. Früh waren die Weichen für neue Schwerpunkte gestellt, als unter König Heinrich  II. das Herzogtum Kärnten unter der Führung des berühmten Eppensteiners Adalbero einen beherrschenden Einfluss in Istrien und Friaul übernahm.2 In dieser Entwicklung lag wohl die Chance zur Ausbildung eines eigenen Herrschaftsraums mit dem Zentrum an der Mur. Auch hier spielten wie in Ostarîchi die strategischen Aufgaben gegenüber den Ungarn eine wesentliche Rolle. Auch der WelsLambacher Gottfried erwarb sich gleichzeitig wie Markgraf Adalbert in Ostarrîchi einen Ruf als Ungarnsieger. Seit 1056 ist mit Otakar I. ein Vertreter der im Traungau, vor allem um Steyr begüterten Grafen (im Chiemgau), als Markgraf nachgewiesen. In den folgenden Jahrzehnten rückten die karantanische Mark und jene der Babenberger sich topographisch näher. Seit die Ekberte von Vornbach gegen Ende des 11. Jahrhunderts in Pitten Fuß gefasst hatten, kam es in diesem Raum zur Nachbarschaft von Adeligen, die sich eher dem steirischen Markgrafen, und solchen, die sich mehr den Babenbergern verbunden fühlten. Daraus entwickelte sich die durchlässige steirisch-österreichische Grenze an der Piesting. Zusammenarbeit und Streitigkeiten wechselten sich in den Beziehungen der nun benachbarten Babenberger und Otakare ab. Die schwere Erkrankung des Letzten der Otakare führte schließlich zu den bekannten Verhandlungen mit Leopold V., die 1186 mit der Ausstellung der Georgenberger Handfeste endeten, bei der es um die rechtliche Absicherung des sich gerade neu formierenden steirischen Adels ging. Die Verknüpfung steirischer Machtfaktoren, wie z. B. des Stiftes Admont mit der Herrschaft der Babenberger war bereits so dicht, dass es zu den Abmachungen mit Leopold V. keine erfolgversprechende Alternative gab. Der steirische Adel behielt seinen selbständigen politischen Charakter gegenüber dem Adel des ducatus Austriae. Abgesehen von den Vorgängen von 1237, die diese Selbständigkeit bis zum Bruch mit der babenbergischen Herrschaft deutlich machten, traten die Steirer auch in den Zeugenlisten der Herrscherurkunden der Babenberger als eindeutig erkennbare eigene Gruppe auf. Es ist seit der Zeit um 1200 bezeichnend, dass die bereits zu Ländern formierten »politischen« Einheiten auch 2 Krah, Migration nach Südosten, 49.

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bei der Herrschaftsübernahme durch einen Nachbarn ihren eigenständigen Charakter bewahrten. Auch Přemysl Otakar II. herrschte über Böhmen, Mährer und Österreicher – vereinheitlichende Solidarität zwischen den traditionell bestehenden Adelsgruppen der einzelnen Herrschaftsgebiete kam, wie schon bemerkt, auf Dauer nicht zustande. Keine ausreichende Antwort ist auf die Frage zu finden, ob der territoriale Charakter der bischöflichen Sprengel von Salzburg und Passau auf die Entwicklung eines Herrschaftsgebietes zu einem regnum Einfluss hatte. Auf den möglichen gedanklichen Zusammenhang zwischen der Ausformung einer Kirchenprovinz und der alten Vorstellung einer patria wurde hingewiesen. Es ist eben fraglich, ob die Zugehörigkeit zu einer Kirchenprovinz loyalitätsbildend gegenüber dieser Art von »Heimat« war. Der schließliche Erfolg der Salzburger Territorialbildung bezog sich in diesem oder ähnlichem Sinne auf einen weit kleineren Bereich als die Ausdehnung der Kirchenprovinz. Die Rolle Salzburgs im karantanisch-ungarischen Grenzraum zeigt aber, dass das Bistum auch eine Art »Markenpolitik« betreiben konnte. Auch Passaus Bestrebungen gegen Ende des 10.  Jahrhunderts, wieder seine »pannonischen« Einflussgebiete der Karolingerzeit zurückzugewinnen, weisen auf eine Expansionstätigkeit, die den fürstlichen Aktivitäten recht ähnlich ist. Trotzdem war der spätantike Amtscharakter einer bischöflichen »Herrschaft« anderer Natur als die verschiedenen Formen von Adelsherrschaft. Ferner standen die Vogteirechte des Adels oftmals in Konkurrenz zur Intensivierung geistlicher Herrschaft. Adel und Grundherrschaft stellen eines der wichtigsten Merkmale für die Ausbildung der Identitäten im Lichte nachbarlicher Herausforderungen dar. Es ist natürlich wesentlich, dass die Grundherrschaft als Organisationsform an den zur Herrschaft geborenen Adeligen gebunden war. Dies schuf die Verbindung zwischen der strategischen Verantwortung des Grundherren und Kriegers bei der Unterstützung des Markgrafen/ Fürsten und der Entwicklung von landwirtschaftlicher Produktion und Organisation in Verkehrsangelegenheiten (Brücken, Pflege der Wege etc.). Dazu war nur der Adelige imstande, glaubhaft Herrschaftsrechte im Sinne von Immunität und Vogtei auszuüben. Dabei ging es nicht nur um die Grundherrschaften in Grenznähe, sondern auch um dahinterliegende Einheiten. Besonders wichtig scheint das noch unzureichend erforschte Thema der Pferdezucht, bzw. des Pferdeimports zu sein. Vergleichsweise sei erwähnt, dass der arabische Reisende Ibn Fadhlan berichtete, dass es Häuptlinge von Nomadenvölkern gab, die 10.000 Pferde besaßen.3 Die vor allem in der tschechoslowakischen sozialistischen Republik lange geführte Diskussion über die Existenz von Adel ging an den tatsächlichen Problemen vorbei. Die grundsätzliche Frage hätte sich nicht auf die bloße Existenz des Adels konzentrieren, sondern sich mit den grundherrschaftlichen Organisationsbedingungen beschäftigen sollen. In diesem Punkt bestanden gewisse Unterschiede zu Bayern, wenn es auch schon 3 Györffy, Wirtschaft und Gesellschaft, 94.

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im 11. Jahrhundert dem böhmischen Adel gelang, in Zusammenarbeit mit der Kirche Verhältnisse zu schaffen, die den bayerischen ähnlich waren. Trotzdem war die fürstliche Macht in Böhmen ihren Helfern gegenüber unvergleichlich härter entwickelt als in der Mark der Babenberger. Was die Partizipation des Adels an Entscheidungen des Königs in Ungarn betrifft, halte ich das Urteil Ottos von Freising, die Ausschließung des Adels von den Urteilen über Standesgenossen sei Barbarei, für ein wenig überdachtes Vorurteil. Immerhin räumt der gut informierte Bischof ein, dass sich die ungarischen Adeligen auf ihren mitgebrachten Stühlen niederließen, die wohl symbolische Bedeutung hatten. Sie berieten angeblich jede Kleinigkeit mit dem König. Wie sind die Aufgaben und die Ordnung der aus der ottonischen Zeit stammenden Marken zu beurteilen  ? Dass sich aus ihnen regna entwickeln konnten, ergab sich aus der Stellung des Grenz- oder Markgrafen, der seine Beauftragung allmählich in eine selbständiger werdende Herrschaft verändern konnte. Grundlage dafür war die Tatsache, das er seine Funktion nur dann erfolgreich gestalten konnte, wenn er über durchschlagende dynastische Traditionen verfügte, wie dies für die Babenberger, Eppensteiner und wohl auch für die Otakare zutrifft. Zur militärischen Seite der markgräflichen Tätigkeit ist Folgendes zu bedenken  : Die im Allgemeinen defensiv verstandene Bedeutung von Wehranlagen und der Organisation von Marken erweist sich bei näherer Betrachtung als wenig logisch. Die aus dem 11. Jahrhundert stammenden grundsätzlichen Ansichten zum Burgenbau hielt der sächsische Chronist Bruno fest. Heinrichs  IV. Burgenbau in Sachsen wäre eine heilige Sache, wenn er diese Befestigungen gegen die Heiden (und nicht gegen den sächsischen Adel) errichtet hätte, denn schon längst wären sie dann alle Christen oder christlichen Fürsten auf ewige Zeiten zinspflichtig. Einfache Sachsen unterstützten den Burgenbau, weil sie meinten, der König werde einmal gegen fremde Völker kriegerisch vorgehen. Die Verbindungen zwischen Burgenbau und offensiver Strategie sind hier eindeutig zu erkennen. Waffen und Leute konnten in diesen schwer erreichbaren und kaum zu erobernden Anlagen vor dem Losschlagen sicher untergebracht werden. Was konnten Burgen im Verteidigungsfall auch leisten  ? Schließlich konnte ein Angreifer sie leicht umgehen. So gelang es ungarischen Kriegern bis ins 12. Jahrhundert dreizehnmal, die von den Historikern bewunderte Grenz- und Wehrlinie Ostarrîchis einfach zu passieren. Das Verhalten der Babenberger macht den Eindruck, dass sie gegenüber den Nachbarn und besonders gegenüber den Ungarn nur selten politische Brückenbauer waren. Im fortgeschrittenen Alter, wenn man wie Markgraf Adalbert am Reiten und Kämpfen gehindert war, verlegte man sich aufs Verhandeln. Hinsichtlich kriegerischer Absichten ist auch gegenüber Böhmen in einer urkundlichen Feststellung klargestellt, dass die strategischen Einrichtungen im Weinviertel vor allem der Offensive dienten (cum omni utilitate, quae contra Boemes quoquo modo haberi et conquiri potest.) Wie vorher gerade festgestellt, muss man der Tatsache Augenmerk schenken, dass die ottonischen Marken zum Großteil zu regna wurden. Den Sprung zum Königreich 338

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schaffte allerdings nur ein einziges Reichsterritorium, das zugleich aber ein gentiles Fürstentum war – nämlich Böhmen. Die Entstehung der Herzogtümer Österreich und Steiermark und letztlich das schon 1245 als Anhängsel des Königreichs Österreich geplante Herzogtum Krain zeigen allerdings, dass es nicht immer einer gentilen Tradition bedurfte, um ein Königreich zu begründen. Zuletzt erhebt sich die Frage, ob die Suche nach den Voraussetzungen des kollektiven So-Seins einer Gemeinschaft sich als sinnvolles, vielleicht sogar notwendiges Unternehmen erwiesen hat oder nicht bloß eine Chimäre übertriebener Intellektualität darstellt  ? Unter bestimmten Voraussetzungen und Herausforderungen, bei denen es sich nur ausnahmsweise um Überlebensstrategien handelt, stellen sich Gemeinschaften bestimmten Aufgaben. Wer sich in welcher Weise an der Lösung dieser Herausforderungen beteiligen kann und darf, ist ein Element der Ordnung einer Gesellschaft. Diese Fragen gehören nach klassischer Lehre zur Verfassungsgeschichte. In der jeweiligen Art der Verteilung der Partizipation beim Finden und Durchsetzen von Entscheidungen liegen teilweise die Wurzeln von materiellen und immateriellen Erfolgen einer Gesellschaft. Dieser Erfolg kommt in ausgewogenen Lebensordnungen dem Einzelnen u n d der Gemeinschaft zugute. Die Ausgewogenheit besteht in der geglückten Mischung von der Einrichtung und Erhaltung einer kollektiv gültigen Ordnung und der Eröffnung und Pflege von Chancen auf persönliches Wohlergehen für den Einzelnen. Es hat sich gezeigt, dass die Mitwirkung des Adels an den Entscheidungen im Reich, in Bayern und in der Mark der Babenberger für eine Vielfalt an Urteilsbildung und daraus folgenden unterschiedlichen Handlungsweisen in Konflikten gesorgt hat. Man muss gestehen, dass im Streben nach der Verbreitung der lateinisch-westlichen Lebensordnung mit Hilfe der Marken auch aggressive Mittel ergriffen wurden. Trotz oder wegen dieser zu Zeiten aggressiven Nachbarschaft öffneten bedeutsame ungarische Könige, wie Stephan der Heilige oder Andreas I., die ungarische Gesellschaft für Einflüsse aus dem Westen und förderten die Niederlassung westlicher Adeliger als hospites, als »Gäste«. Stephan der Heilige befahl dem Thronfolger, für die Ankömmlinge mit gutem Willen zu sorgen und sie ihrer Würde angemessen zu behandeln, damit sie lieber bei ihm lebten als irgendwo anders. Die Zusammenarbeit mit Zuwanderern aus naher und entfernterer Nachbarschaft erkannte Stephan der Heilige in dem Herrscherspiegel für seinen Sohn als einen Schlüssel für den kollektiven Fortschritt Ungarns.4

4 De institutione morum 259 Absatz VI. In hospitibus et adventiciis viris tanta inest utilitas, ut digne sexto in loco regalis dignitatis possit haberi. Zur Behandlung der Zugewanderten befiehl er seinem Sohn  : Propterea iubeo tibi fili mi, ut bona voluntate illos nutrias, et honeste teneas, ut tecum libencius degant, quam alicubi habitent.

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Literatur- und Abkürzungsverzeichnis 1300 Jahre Seekirchen – 1300 Jahre Seekirchen. Geschichte und Kultur einer Salzburger Marktgemeinde. Hg. von Elisabeth und Heinz Dopsch. Seekirchen 1996. ADB – Allgemeine Deutsche Biographie. Bayerische Akademie der Wissenschaften, Historische Kommission, 56 Bände, 1875—1912. Admonter Briefsammlung – Günter Hödl, Peter Classen, Die Admonter Briefsammlung nebst ergänzenden Briefen. Die Briefe der deutschen Kaiserzeit. MGH Epistolae 6, München 1983, 35–148. Althoff, Die Ottonen – Gerd Althoff, Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat, 2Stuttgart 2005. Althoff, Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde, Damstadt 1997. Annales Admuntenses – Annales Admuntenses a. 1–1139, ed. von Wilhelm Wattenbach, in  : MGH SS 9, Hannover 1851, Nachdruck Stuttgart 1983, 569-579. Annales Altahenses maiores, ed. Edmund Oefele (MGH SS rerum Germanicarum in usum scolarum 4, Hannover 1891). Annales Augustani a. 973–1104, ed. Georg Heinrich Pertz, in  : MGH SS 3, Hannover 1839, Nachdruck 1987, 123–136. Annales ex Annalibus Iuvavensibus antiquis excerpti, Stuttgart ed. Harry Bresslau, in  : MGH SS 30/2, Leipzig 1934, 727–744. Annales Fuldenses, in  : Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte. 3. Teil neu bearb. von Reinhold Rau (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Band  7, Darmstadt 1960). Annales Mellicenses, ed. Wilhelm Wattenbach, in  : MGH SS 9, Hannover 1851, Nachdruck Stuttgart 1983, 480-501. Annales Posonienses a. 997–1203 – Annales Posonienses, ed. Wilhelm Arndt, in  : MGH SS 19, ed. von Georg Heinrich Pertz, Hannover 1866, 571–573. Annales Reicherspergenses – siehe Magni Presbyteri Annales Reicherspergenses Annales Sancti Disibodi – Annales Sancti Disibodi, ed. von Georg Waitz, in  : MGH SS 17, Hannover 1861, Nachdruck Stuttgart 1990, 4–30. Annales Sancti Rudberti Salisburgensis  – Annales Sancti Rudberti Salisburgensis, ed. Wilhelm Wattenbach, in  : MGH SS 9 Hannover 1851, Nachdruck Stuttgart 1983, 760–810. Annales Sangallenses maiores, in  : MGH SS 1, ed. von Georg Heinrich Pertz, Hannover 1826, Nachdruck Stuttgart 1976, 72-85. Annales Yburgenses  – Annales Yburgenses, ed. von Georg Heinrich Pertz, in  : MGH SS 16, Hannover 1859, Nachdruck Stuttgart 1994, 434–438. Annalista Saxo – Die Reichschronik des Annalista Saxo, hg. von Klaus Nass, in  : MGH SS 37, Hannover 2006. Appelt, Bayern – Heinrich Appelt, Bayern fällt an den Markgrafen von Österreich, Österreich in Geschichte und Literatur 8 (1964), 55–61.

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Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

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Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Bresslau, Jahrbücher Konrad II. – Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Konrad II. von Harry Bresslau ( Jahrbücher der deutschen Geschichte) Band 1  : 1024–1031, Leipzig 1879  ; Band 2  : 1032–1039 Leipzig 1884. Brühl, Deutschland – Frankreich – Carlrichard Brühl, Deutschland – Frankreich. Die Geburt zweier Völker, Köln, Wien 1990. Brugger, Wiedl, Regesten 1 – Eveline Brugger, Birgit Wiedl, Regesten zur Geschichte der Juden in Österreich im Mittelalter. Band 1  : Von den Anfängen bis 1338, Innsbruck 2005. Brunner, Die »dunkle« Zeit  – Karl Brunner, Die »dunkle« Zeit zwischen den Schlachten. Niederösterreich zwischen 907–955, in  : Im Schnittpunkt frühmittelalterlicher Kulturen. Niederösterreich an der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert. Vorträge des 27. Symposiums des Niederösterreichischen Instituts für Landeskunde, Hainburg 3.  bis 6.  Juli 2007, Redaktion  : Roman Zehetmayer, St. Pölten 2008, 24–33. Brunner, Der fränkische Fürstentitel  – Karl Brunner, Der fränkische Fürstentitel im neunten und zehnten Jahrhundert, in  : Intitulatio  II. Lateinische Herrscher- und Fürstentitel im neunten und zehnten Jahrhundert, Hg. von Herwig Wolfram (MIÖG-Erg.-Bd. 24, 1973), 179–340. Brunner, Herzogtümer und Marken  – Karl Brunner, Herzogtümer und Marken. Vom Ungarnsturm bis ins 12.  Jahrhundert (Österreichische Geschichte 907–1156. Hg. von Herwig Wolfram, Wien 1994). Brunner, Ius – Karl Brunner, Ius, quod veri minsieriales habent, MIÖG 100 (1992), 175–180. Brunner, Leopold, der Heilige  – Karl Brunner, Leopold, der Heilige. Ein Porträt aus dem Frühling des Mittelalters, Wien, Köln, Weimar 2009. Brunner, Oppositionelle Gruppen  – Karl Brunner, Oppositionelle Gruppen im Karolingerreich (Veröffentlichungen des IfÖG 25, Wien, Köln, Graz 1979. Brunner, Das Privilegium minus  – Karl Brunner, Das Privilegium minus und das werdende Land, in  : Die Geburt Österreichs, 201-10. Brunner, Welche Marken  ? – Karl Brunner, Welche Marken  ? JbLkNÖ N.F. 62 (1996), 159– 169. Brunner, Land und Herrschaft – Otto Brunner, Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, Darmstadt 1973 (unveränderter Nachdruck 5Wien, 1965). Brunonis Saxonicum Bellum – Brunos Buch vom Sachsenkrieg. Neu bearb. von Hans-Eberhard Lohmann (MGH Deutsches Mittelalter 2, Leipzig 1937). Brunwilarensis Monasterii Fundatio, ed. von Rudolf Koepke, in  : MGH SS 11, Hannover 1854, Nachdruck Stuttgart 1994), 394–408. BUB – Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Österreich, bearb. von Oskar Mitis, Heinrich Fichtenau und Erich Zöllner. I  : Die Siegelurkunden der Babenberger bis 1215, Wien 1950  ; II  : Die Siegelurkunden der Babenberger und ihrer Nachkommen von 1216–1279, Wien 1954  ; IV/1  :  Ergänzende Quellen 976–1194, bearb. von Heinrich Fichtenau und Heide Dienst, Wien 1968  ; IV/2  : Ergänzende Quellen 1195–1287, bearb. von Oskar Mitis, Heide Dienst und Christian Lackner, Wien, München 1997. Buchner, Geschichtsbild – Rudolf Buchner, Geschichtsbild und Reichsbegriff Hermanns von Reichenau, Archiv für Kulturgeschichte 42 (1960), 37–60. 342

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Büdinger, Ein Buch ungarischer Geschichte  – Max Büdinger, Ein Buch ungarischer Geschichte 1058–1100, Leipzig 1866. Bumke, Höfische Kultur – Joachim Bumke, Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter 8München 1997. Burgen. Waldviertel, Wachau – Burgen. Waldviertel, Wachau, mährisches Thayatal. Hg. von Falko Daim, Karin und Thomas Kühtreiber 2Wien 2009. Canonici Wissegradensis continuatio  – Canonici Wissegradensis continuatio a. 1126–1142, ed. Rudolf Köpke, in  : MGH SS 9, Hannover 1851, Nachdruck 1983, 132–148. CDB  – Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohmiae Vol.  I, ed. Gustav Friedrich, Prag 1904–1907. CDH – Codex Diplomaticus Hungariae ecclesiaticus et civilis. 12 Teilbände. Ed. Georg Fejér, Buda 1829—1862. Chronica Hungarorum – Johannes de Thurocz, Chronica Hungarorum Chronica Hungarorum 1, Textus, ed. von Elisabeth Galántai, Budapest 1985  ; 2, Commentarii 1  : Ab initiis usque ad anno 1301, hg. von Elemér Màlyusz und Julio Kristò  ; Commentarii  2  : Ab anno 1301 usque ad annum 1484, Budapest 1988. Chronica Sigeberti Gemblacensis – Chronica Sigeberti Gemblacensis Monachi. Ed. Ludwig Konrad Bethmann, in  : MGH SS 6, Hannover 1844, Nachdruck Stuttgart 1980, 268–374. Chronici Hungarici compositio – Chronici Hungarici compositio saeculi XIV., hg. Alexander Domanovszky (SRH 1, Budapest 1937), 217–505. Chronicon Herimanni Augiensis im Anhang der Werke Wipos. Ed, von Harry Bresslau (MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum scolarum 61, Hannover, Leipzig 31915). Chronicon Zagrabiense – Chronicon Zagrabiense cum textu Chronici Varadiensis collatum. Hg. von Emericus Szentpètery (SRH 1, Budapest 1937), 195–215. Die Chronik Bernolds von Konstanz, in  : Die Chroniken Bertholds von Reichenau und Bernolds von Konstanz 1054–1100. Hg. von Ian S. Robinson (MGH Scriptores rerum Germanicarum N. S. 14, Hannover 2003). Die Chronik Bertholds von Reichenau, in  : Die Chroniken Bertholds von Reichenau und Bernolds von Konstanz 1054–1100. Hg. von Ian S. Robinson (MGH Scriptores rerum Germanicarum N. S. 14, Hannover 2003). Die Chronik des Klosters Petershausen – Chronik des Klosters Petershausen. Hg. von Otto Feger, Lindau, Konstanz 1956. Classen, Gerhoch – Peter Classen, Gerhoch von Reichersberg. Eine Biographie. Mit einem Anhang über die Quellen, ihre handschriftliche Überlieferung und ihre Chronologie. Wiesbaden 1960. Codex Fakensteinensis – Elisabeth Noichl, Codex Falkensteinensis. Die Rechtsaufzeichnungen der Grafen von Falkenstein. Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte 29 (1978). Continuatio Admuntensis, ed. Wilhelm Wattenbach, in  : MGH SS 9, Hannover 1851, Nachdruck Stuttgart 1983, 579–593. Continuatio Garstensis, ed. Wilhelm Wattenbach, in  : MGH SS 9, Hannover 1851, Nachdruck Stuttgart 1983, 593–600. Continuatio Claustroneoburgensis I a. 1075–1168, ed. von Wilhelm Wattenbach, in  : MGH SS 9, Hannover 1851, Nachdruck Stuttgart 1983, 608–613. 343

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Continuatio Claustroneoburgensis II a. 1141–1224, ed. Wilhelm Wattenbach, in  : MGH SS 9 Hannover 1851, Nachdruck Stuttgart 1983, 613–624. Continuatio Claustroneoburgensis III a. 1141–1233, ed. Wilhelm Wattenbach, in  : MGH SS 9 Hannover 1851, Nachdruck Stuttgart 1983, 628–637. Continuatio Garstensis – Continuatio Garstenses a.1182–1257, ed. Wilhelm Wattenbach, in  : MGH SS 9 Hannover 1851, Nachdruck Stuttgart 1983, 593–600. Continuatio Gerlaci abbatis Milovicensis  – Continuatio Gerlaci abbatis Milovicensis a.1167– 1198, ed. von Wilhelm Wattenbach, in  : MGH SS 17 Hannover 1861, Nachdruck Stuttgart 1990, 683–710. Continuatio Mellicensis 1124–1564 ed. Wilhelm Wattenbach, in MGH 559, 1851, Nachdruck Stuttgart 1983, 501-535. Continuatio Sancrucensis I a.1234–1266, ed. Wilhelm Wattenbach, in  : MGH SS 9 Hannover 1851, Nachdruck Stuttgart 1983, 626–628. Continuatio Sancrucensis II a.1225–1233, ed. Wilhelm Wattenbach, in  : MGH SS 9 Hannover 1851, Nachdruck Stuttgart 1983, 637–646. Continuatio Lambacensis – Continuatio Lambacensis, ed. Wilhelm Wattenbach, in  : MGH 9, Hannover 1851, Nachdruck Stuttgart 1983, 556–561. Cosmae chronica – Cosmae Pragensis chronica Boemorum, ed. von Bertold Bretholz (MGH Scriptores rerum Germanicarum N.S. 2, Berlin 1923). Cronaca Veneziana – Cronaca veneziana del diacono Giovanni. Cronache Veneziane antichissime, ed. Giovanni Monticolo Vol. 1 (Fonti per la storia d’Italia 9, Roma 1890), 57–171. Csendes, König Heinrich II. – Peter Csendes, König Heinrich II. und Markgraf Heinrich I. von Babenberg, Unsere Heimat 47 (1976), 3–6. Csendes, Der niederösterreichische Raum – Peter Csendes, Der niederösterreichische Raum im 10.  Jahrhundert, in  : Baiern, Ungarn und Slawen im Donauraum (Forschungen zur Geschichte der Städte und Märkte Österreichs 4), Linz 1991, 95–103. Csendes, Regio – Peter Csendes, »Regio finibus Ungarorum gladio ab hostibus adquisita«, in  : Babenberger-Forschungen. JbLkNÖ 42 (1976), 38–51. Csendes, Die Straßen Niederösterreichs – Peter Csendes, Die Straßen Niederösterreichs im Früh- und Hochmittelalter (Dissertationen der Universität Wien 33, Wien 1969). Csendes, Österreich, Wien und das Reich – Peter Csendes, Österreich, Wien und das Reich, in  : Festgabe des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich JbVLkNÖ N.F. 62/1 (1996), 171–186. Csendes, Opll, Wien – Peter Csendes, Ferdinand Opll, Wien. Geschichte einer Stadt. Band I  : Von den Anfängen bis zur Ersten Wiener Türkenbelagerung (1529), Wien, Köln, Weimar 2001. De advocatis Altahensibus. Ed. Philippus Jaffè, in  : MGH SS 17, Hannover 1861, Nachdruck 1990). De institutione morum – De institutione morum ad Emericum ducem, in  : Györffy, Wirtschaft und Gesellschaft, 253–262. Decreta Ladislai regis  – Decreta S.  Ladislai regis, in  : The Laws of the Medieval Kingdom of Hungary, 12–23. Dendorfer, Die Abtrei und ihre Vögte – Jürgen Dendorfer, Die Abtei und ihre Vögte im frühen und hohen Mittelalter, in  : Die Abtei Niederaltaich. Geschichte Kultur und Spiritualität 344

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

von der Gründung bis zur Säkularisation, hg. von Stephan und Roman Deutinger (StMBO 53. Erg.-Bd., St. Ottilien 2018), 93–127. Dendorfer, Adelige Gruppenbildung  – Jürgen Dendorfer, Adelige Gruppenbildung und Königsherrschaft. Die Grafen von Sulzbach und ihr Beziehungsgeflecht im 12.  Jahrhundert (Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte 23, München 2004). Dendorfer, Heinrich V. – Jürgen Dendorfer, Heinrich V. König und Große am Ende der Salierzeit, in  : Die Salier, das Reich und der Niederrhein. Hg. von Tilman Struve, Köln, Weimar, Wien 2008, 115–170. Dendorfer, Von den Babenbergern – Jürgen Dendorfer, Von den Babenbergern zu den Welfen. Herzog und Adel in Bayern um die Mitte des 1. Jahrhunderts, in  : München, Bayern und das Reich im 12. und 13. Jahrhundert. Lokale Befunde und überregionale Perspektiven. Hg. von Hubertus Seibert und Alois Schmid, München 2008, 221–247. Dendorfer, Von Edelfreien zu Grafen – Jürgen Dendorfer, Von Edelfreien zu Grafen. Zu den Grafen von Hohenburg auf dem Nordgau. ZBLG 68 (2005), 353–391. Deutinger, Babenberger-Spuren in Mainfranken – Roman Deutinger, Babenberger-Spuren in Mainfranken, Jahrbuch für fränkische Landesforschung 72, 2012 (2013), 67–76. Deutinger, Die Familie Markgraf Liutpolds I. – Roman Deutinger, Die Familie Markgraf Liutpolds I. von Österreich – Beobachtungen zur frühen Genealogie der Babenberger, in  : Die Babenbergermark um die Jahrtausendwende. Zum Millenium des heiligen Koloman (Nöla. Mitteilungen aus dem Niederösterreichischen Landesarchiv 16, St. Pölten 2014), 149–164. Deutinger, Königswahl und Herzogserhebung Arnulfs von Bayern  – Roman Deutinger, Königswahl und Herzogserhebung Arnulfs von Bayern. Das Zeugnis der älteren Salzburger Annalen zum Jahre 920, Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 58 (2002), 17–68. Deutinger, Das Priviegium minus  – Roman Deutinger, Das Privilegium minus. Otto von Freising und der Verfassungswandel im 12. Jahrhundert, in  : Die Geburt Österreichs, 179–199. Deutinger, Die Schlacht bei Pressburg – Roman Deutinger, Die Schlacht bei Pressburg und die Entstehung des bayerischen Herzogtums ,in  : Im Schnittpunkt frühmittelalterlichen Kulturen. Niederösterreich an der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert. Hg. von Roman Zehetmayer (Nöla. Mitteilungen aus dem niederösterreichischen Landesarchiv 13, St. Pölten 2008), 58–70. Deutinger, Seit wann gibt es Mehrfachvassalität  – Roman Deutinger. Seit wann gibt es Mehrfachvassalität. ZRG Germ. Abt. 119 (2002), 8–105. Deutinger, Vom Amt zum Lehen – Roman Deutinger, Vom Amt zum Lehen. Das Beispiel der deutschen Herzogtümer im Hochmittelalter, in  : Ausbildung und Verbreitung des Lehnwesens im Reich und in Italien im 12. und 13.  Jahrhundert (Vorträge und Forschungen 76, Ostfildern 2013), 133–157. Dienst, Babenberger-Studien  – Heide Dienst, Babenberger-Studien. Niederösterreichische Traditionsnotizen als Quellen für die Zeit Markgraf Leopolds III. (Wiener Dissertationen aus dem Gebiet der Geschichte 7, Wien 1966). Dienst, Die Dynastie  – Heide Dienst, Die Dynastie der Babenberger und ihre Anfänge in Österreich. Schriften des Instituts für Österreichkunde 33 (1978), 38–42. Dienst, Ostarrîchi – Oriens – Austria – Heide Dienst, Ostarrîchi – Oriens – Austria  : Probleme »österreichischer« Identität im Hochmittelalter, in  : Was heißt Österreich  ? Inhalt und Umfang des Österreichbegriffs vom 10.  Jahrhundert bis heute. Hg. Richard G. Plaschka, 345

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Gerald Stourzh und Jan Paul Niederkorn (Archiv für österreichische Geschichte 136, Wien 1995), 36–50. Dienst, Osterriche  – Heide Dienst, Osterriche  – wieder vor 1000  Jahren  : Das Diplom Ottos III. vom 29. April 998 – der zweite Beleg für den Namen »Österreich«, Österreich in Geschichte und Literatur (mit Geographie) 42 (1998), 1–12. Dienst, Die Schlacht an der Leitha – Heide Dienst, Die Schlacht an der Leitha 1246 (Militärhistorische Schriftenreihe 19, Wien 1986). Dienst, Schon wieder ein »Namenstag«  ?  – Heide Dienst, Schon wieder ein »Namenstag«  ? 850  Jahre Austria. Bemerkungen zum Diplom Kaiser Konrads  III. für Klosterneuburg vom 25. Februar 1147. Österreich in Geschichte und Literatur 41 (1997), 1–13. Dienst, Schriftliche Quellen über »Hainburg«  – Heide Dienst, Schriftliche Quellen über »Hainburg« aus der Mitte des 11. Jahrhunderts nebst einem Ausflug ins ausgehende 9. Jahrhundert  – Inhalt, Probleme, Fragen, in  : Bad Deutsch-Altenburg. Bild einer Gegend, Wien, Köln, Weimar 2000, 331–345. Dienst, Tradition – Heide Dienst, Tradition und Realität. Quellenkritische Bemerkungen zu den frühen »Kuenringern«, in  : Kuenringer-Forschungen, JbLkNÖ 46/47 (1980/81), 40–97. Dienst, Werden und Entwicklung – Heide Dienst, Werden und Entwicklung der babenbergischen Mark, in  : Österreich im Hochmittelalter (Veröffentlichungen der Kommission für die Geschichte Österreichs 17, Wien 1991), 63–102. Dienst, Zum Grazer Vertrag – Heide Dienst, Zum Grazer Vertrag von 1225 zwischen Herzog Leopold VI. von Österreich und Steier und König Andreas II. von Ungarn, MIÖG 90 (1982), 1–48. Diplomata Hungariae Antiquissima – Diplomata Hungariae Antiquissima accedunt epistolae et acta ad historiam Hungariae pertinentia, Volumen I ab anno 1000 usque ad annum 1131, ed. Georgius Györffy, Budapest 1992. Dobias, Seit wann bilden die natürlichen Grenzen – Josef Dobias, Seit wann bilden die natürlichen Grenzen von Böhmen auch seine politische Landesgrenze  ? Historica VI (1963), 5–44. Dobschenzki, Königin Gisela—Jennifer Vanessa Dobschenzki, Königin Gisela von Ungarn  : eine bayerisch-ungarische Biographie. Verhandlungen des historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 147 (2007) 7-27. Doeberl, Entwicklungsgeschichte 1 – Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns. Erster Band. Von den ältesten Zeiten bis zum Westfälischen Frieden, München 31916. Doeberl, Die Markgrafschaft  – Doeberl, Die Markgrafschaft und die Markgrafen auf dem bayerischen Nordgau, Bamberg o. J. Dopsch, Hemma von Gurk  – Heinz Dopsch, Hemma von Gurk  – Eine Stifterin zwischen Legende und Wirklichkeit, in  : Hemma von Gurk. Katalog der Ausstellung, Klagenfurt 1988, 11–23. Dopsch, Herzog Heinrich »von Eppenstein« – Heinz Dopsch, Herzog Heinrich »von Eppenstein« und die Dotierung von St. Lambrecht, Blätter für Heimatkunde. Hg. vom Historischen Verein für Steiermark 46 (1972), 122–131. Dopsch, Die Länder und das Reich  – Heinz Dopsch, Karl Brunner, Maximilian Weltin, Die Länder und das Reich. Der Ostalpenraum im Hochmittelalter (Österreichische Geschichte 1122–1278, hg. von Herwig Wolfram, Wien 2003). 346

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

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Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

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Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

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Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

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Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

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Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

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Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Riezler, Geschichte Baierns 2  – Sigmund Riezler, Geschichte Baiern. Zweiter Band (Geschichte der europäischen Staaten, Gotha 1880). Roger von Großwardein (Torre Maggiore) Carmen miserabile super destructione regni Hungariae per Tartaros. Ed. von Ladislaus Juász (SRH II, Budapest 1938), 543–588. Rogerius von Torre Maggiore  : »Klagelied« – Rogerius von Torre Maggiore  : »Klagelied«, in  : Der Mongolensturm, 127–223. Salzburger Briefsammlung – siehe Admonter Briefsammlung. Sandgruber, Ökonomie und Politik – Roman Sandgruber, Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart (Österreichische Geschichte, Hg. von Herwig Wolfram, Wien 1995). Schaller, Unbekannte Briefe Kaiser Friedrichs  II.  – Hans Martin Schaller, Unbekannte Briefe Kaiser Friedrichs II. aus Vat. Lat. 14204, Deutsches Archiv 19 (1963), 397–433. Schedl, Starhemberg – Barbara Schedl, Studien an der Burg Starhemberg in Niederösterreich. Diplomarbeit Wien 1990. Scheibelreiter, Ostarrichi – Georg Scheibelreiter, Ostarrichi. Das Werden einer historischen Landschaft, in  : Wilhelm Brauneder, Lothar Höbelt (Hg.) Sacrum imperium. Das Reich und Österreich 996–1806. Wien, München, Berlin 1996, 9–70. Scheibelreiter, Die Babenberger – Georg Scheibelreiter, Die Babenberger. Reichsfürsten und Landesherren, Wien, Köln, Weimar 2010. Schieffer, Papst Gregor VII. und das Reich der Deutschen – Rudolf Schieffer, Papst Gregor  VII. und das Reich der Deutschen, in  : Beiträge zum Ehrenkolloquium von Eckhardt Müller-Mertens anlässlich seines 90. Geburtstages, hg. von Michael Borgolte, Berlin 2014, 25–39. Schiller, Das erste ungarische Gesetzbuch – Felix Schiller, Das erste ungarische Gesetzbuch und das deutsche Recht. Festschrift Heinrich Brunner zum siebzigsten Geburtstag. Weimar 1910, 379–404. Schlesinger, Die Entstsehung – Walter Schlesinger, Die Entstehung der Landesherrschaft. Untersuchungen vorwiegend an mitteldeutschen Quellen, Darmstadt 1983. Schmale, Die Briefe des Abtes Bern – Franz-Josef Schmale, Die Briefe des Abtes Bern von Reichenau (Veröffentlichungen der Kommission für Baden-Württemberg, Reihe A, Quellen 6, Stuttgart 1961). Schmid, Das Privilegium minus – Alois Schmid, Das Privilegium minus von 1156 in der bayerischen Geschichtsschreibung, in  : Die Geburt Österreichs, 211–227. Schmid, Die Schenkung von Schwarzenfeld  – Alois Schmid, Die Schenkung von Schwarzenfeld an das Bistum Bamberg im Jahre 1015, Jahrbuch für fränkische Landesforschung 74 (2015), 1–20. Schmidt, Die Wahl Hermanns von Salm – Ulrich Schmidt, Die Wahl Hermanns von Salm zum Gegenkönig, in  : Klaus Herbers (Hg.), Ex ipsis rerum documentis, Beiträge zur Mediävistik, Festschrift für Harald Zimmermann zum 65. Geburtstag, Sigmaringen 1991, 477–491. Schneidmüller, Die Welfen, Bernd Schneidmüller, Die Welfen  : Herrschaft und Erinnerung (819–1252) Stuttgart 2000. Scholz, Probleme – Stefan Scholz, Probleme der früh- und hochmittelalterlichen Geschichte von Hainburg an der Donau. Diplomarbeit Wien 2000. 361

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Schünemann, Die Deutschen in Ungarn – Konrad Schünemann, Die Deutschen in Ungarn bis zum 12. Jahrhundert (Ungarische Bibliothek 1/8, o.O. 1923). Seibert, Adelige Herrschaft – Hubertus Seibert, Adelige Herrschaft und königliche Gefolgschaft. Die Grafen von Schweinfurt im ottonischen Reich, ZBLG 65 (2002), 839–882. Seibert, Herrscher und Mönchtum – Hubertus Seibert, Herrscher und Mönchtum im spätottonischen Reich. Vorstellung  – Funktion  – Interaktion, in  : Otto  III.  – Heinrich  III. Eine Wende  ? Hg. von Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter, Stuttgart 2000, 205–266. Seibert, Vom königlichen dux – Hubertus Seibert, Vom königlichen dux zum Herzog von Bayern. Welf IV. und der Südosten des Reiches, in  : Dieter R. Bauer – Matthias Becher (Hg.), Welf  IV.  – Schlüsselfigur einer Wendezeit. Regionale und europäische Perspektiven (ZBLG Beiheft 24, Reihe B München 2004), 226–260. Simonis de Kéza Gesta Hungarorum, hg. von Alexander Domnovszky (SRH 1, Budapest 1937), 129–194. Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste  – Karl Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste. Entstehung und Folgen der ersten Verfassungsurkunde der Steiermark (Steiermärkisches Landesarchiv Styriaca 3, Graz, Wien, Köln 1986). Spreitzhofer, Territoriale und staatsrechtliche Kombinationen  – Karl Spreitzhofer, Territoriale und staatsrechtliche Kombinationen um den steirischen Raum im Mittelalter. Zeitschrift des historischen Vereines für Steiermark 83 (1992), 7–22. Spreitzhofer, Die Union von 1192 – Karl Spreitzhofer, Die Union von 1192 und die »Mitgift« der Steiermark, in  : 800  Jahre Steiermark und Österreich 1192–1992. Der Beitrag der Steiermark zu Österreichs Größe. Hg. von Othmar Pickl (Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 35, Graz 1992). SRH – Scriptores rerum Hungaricarum tempore ducum regumque stirpis Arpadianae gestarum ed. Emericus Szenpétery. Band 1, Budapest 1937, Band 2, Budapest 1938. SS – Scriptores. Steindorff, Jahrbücher Heinrich III. – Ernst Steindorff, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich III. 2 Bde., Leipzig 1874, 1881. Steinhauser – siehe Plank, Steinhauser, Colomezza. Stelzer, Die Diplome – Winfried Stelzer, Die Diplome Karlmanns und Heinrichs IV. für Kremsmünster. Die älteste Überlieferung in Fragmenten des 12. Jahrhunderts und ihre Adaptierung durch Bernardus Noricus. MIÖG 123 (2015), 317–340. Štih, Der bayerische Adel  – Peter Štih, Der bayerische Adel und die Anfänge von Laibach/ Ljubljana, in  : ZBLG 69 (2006), 1–52. Štih, Zu den ersten Empfängern von Krongut  – Peter Štih, Zu den ersten Empfängern von Krongut in Krain. Einige Bemerkungen zu D O. III. 58 aus dem Jahre 989, in  : Archivwissenschaft schafft Geschichte. Festschrift für Wilhelm Wadl zum 60. Geburtstag. Hg. im Auftrag des Geschichtsvereins für Kärnten von Barbara Felsner, Christine Tropper und Thomas Zeloth, Klagenfurt 2014, 183–192. Štih, Slovenische Geschichte – Peter Štih, Vasko Simoniti, Peter Vodopivec, Slovenische Geschichte. Gesellschaft – Politik – Kultur (Veröffentlichungen der historischen Landeskommission für Steiermark 40, Graz 2008). Stieldorf, Marken und Markgrafen – Andrea Stieldorf, Marken und Markgrafen. Studien 362

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

zur Grenzsicherung durch die fränkisch-deutschen Herrscher (MGH Schriften 64, Hannover 2012). Stieldorf, Die Ottonen – Andrea Stieldorf, Die Ottonen und die Randzonen des Reiches im Osten und Südosten, in  : Die Babenbergermark um die Jahrtausendwende. Zum Millenium des heiligen Koloman Nöla, 16, St. Pölten 2014, 9–41. Störmer, Adelsgruppen  – Wilhelm Störmer, Adelsgruppen im früh- und hochmittelalterlichen Bayern (Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte Band IV, München 1972). Störmer, Früher Adel – Wilhelm Störmer, Früher Adel. Studien zur politischen Führungsschicht im fränkisch-deutschen Reich vom 8. bis 11. Jahrhundert (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 6/I und 6/II, Stuttgart 1975). Störmer, Ostfränkische Herrschaftskrise – Wilhelm Störmer, Ostfränkische Herrschaftskrise und Herausforderung durch die Ungarn, in  : Baiern, Ungarn und Slawen im Donauraum. Redigiert von Willibald Katzinger und Gerhart Marckhgott (Forschungen zur Geschichte der Städte und Märkte Österreichs 4, Linz 1991), 55–75. Strnadt, Das Gebiet zwischen der Traun und der Enns – Julius Strnadt, Das Gebiet zwischen der Traun und der Enns, in  : Abhandlungen zum Historischen Atlas der österreichischen Alpenländer (AÖG 94, Wien 1907), 463–655. StUB 1  – Urkundenbuch des Herzogthums Steiermark. Bearb. von Josef Zahn. 1.  Band 798– 1192, Graz 1875, 2. Band 1192–1248, Graz 1879. SUB – Salzburger Urkundenbuch, 4 Bde. Salzburg 1898 ff. Sudetendeutsche Lebensbilder 1 – Sudetendeutsche Lebensbilder. Hg. von Erich Gierach, Reichenberg 1926. Sutt, Slavery in Árpád-era Hungary – Cameron Sutt, Slavery in Árpád-era Hungary in a Comperative Context (East Central and Eastern Europe in the Middle Ages, 450–1450 vol.  31, Leiden 2015). Tellenbach, Vom Zusammenleben – Gerd Tellenbach, Vom Zusammenleben der abendländischen Völker im Mittelalter, in  : ders., Ausgewählte Abhandlungen und Aufsätze 2, Stuttgart 1988, 710–769. Thietmari Chronicon  – Die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg und ihre Korveier Überarbeitung. Hg. von Robert Holtzmann (MGH Scriptores rerum germanicarum N. S. IX, Berlin 1935). Thorau, Heinrich (VII.) – Peter Thorau, König Heinrich (VII.), das Reich und die Territorien. Untersuchungen zur Phase der Minderjährigkeit und der »Regentschaften« Erzbischof Engelberts I. von Köln und Herzog Ludwigs von Bayern (1211) 1220-1228, Berlin 1998. Traditionen Oberaltaich – Die Traditionen des Klosters Oberaltaich. Bearb. von Cornelia Mohr (Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte 30/1, München 1979). Die Traditionen des Hochstifts Passau  – Die Traditionen des Hochstifts Passau. Hg. von Max Heuwieser (Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte, N.F. 6, München 1930). Die Traditionsurkunden des Kloster Garsten – Siegfried Haider, Die Traditionsurkunden des Kloster Garsten (Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geshichtsforschung 8, Wien 2011). Tremel, Die Curtis – Ferdinand Tremel, Die Curtis der Ostalpen. Blätter für deutsche Landesgeschichte 87 (1942), 3–15. 363

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Trotter, Die Grafen von Vohburg  – Kamillo Trotter, Die Grafen von Vohburg, in  : Otto Dungern (Hg.) Genealogisches Handbuch zur bairisch-österreichischen Geschichte, Graz 1931, 52–58. Tyroller, Genealogie  – Franz Tyroller, Genealogie des altbayerischen Adels im Hochmittelalter, in  : Genealogische Tafeln zur mitteleuropäischen Geschichte, Göttingen 1962–1969, 47–524. UbOE – Urkundenbuch des Landes ob der Enns 1. und 2. Band Wien 1852 und 1856. Uhlirz, Jahrbücher Otto II.und Otto III. – Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Otto II. und Otto  III. Karl Uhlirz. Erster Band  : Otto  II. 973–983 ( Jahrbücher der deutschen Geschichte, Leipzig 1902)  ; Karl und Mathilde Uhlirz. Zweiter Band  : Otto III. 983–1002 von Mathilde Uhlirz, Berlin 1954. Unterfränkische Geschichte 1  – Unterfränkische Geschichte. Hg. von Peter Kolb und ErnstGünter Krenig. Band 1, 3Würzburg 1991. Urkundenbuch des Burgenlands – Urkundenbuch des Burgenlandes und der angrenzenden Gebiete der Komitate Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg. Hg. von Hans Wagner I. Band  : Die Urkunden von 808 bis 1270 (Publikationen de Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 7. Reihe, Graz, Köln 1955). Vancsa, Geschichte 1 – Max Vancsa, Geschichte Nieder- und Oberösterreichs. Bd. 1  : bis 1283, Gotha 1905. Varga, Ungarn und das Reich – Gábor Varga, Ungarn und das Reich vom 10. bis zum 13. Jahrhundert. Das Herrscherhaus der Árpáden zwischen Anlehnung und Emanzipation (Studia Hungarica 49, München 2003). Vincentii Pragensis Annales  – Vincentii Pragensis Annales. Ed. Wilhelm Wattenbach, in  : MGH SS 17, Hannover 1861, Nachdruck Stuttgart 1990, 658–683. Vita Sancti Adalberonis. Hg. von Irene Schmale-Ott (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 8, Würzburg 1954). Vita Altmanni episcopi Pataviensis. Ed. von Wilhelm Wattenbach, in  : MGH SS 12, Hannover 1856, Nachdruck Stuttgart 1995, 226–243. Wehrbauten und Adelssitze Niederösterreichs. Das Viertel unter dem Wienerwald. Bisher erschienen 3 Bände, St. Pölten 1998-2014. Weinfurter, Canossa – Stefan Weinfurter, Canossa. Die Entzauberung der Welt, München 2006. Weinfurter, Heinrich  II.  – Stefan Weinfurter, Heinrich  II. (1002–1024). Herrscher am Ende der Zeiten, Darmstadt 1999. Weinfurter, Herrschaft und Reich der Salier – Stefan Weinfurter, Herrschaft und Reich der Salier. Grundlinien einer Umbruchszeit, Sigmaringen 1991. Weinfurter, Zentralisierung der Herrschaftsgewalt  – Stefan Weinfurter, Die Zentralisierung der Herrschaftsgewalt im Reich durch Kaiser Heinrich II., in  : Historisches Jahrbuch 106 (1986), 241–297. Weller, Heiratspolitik  – Tobias Weller, Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert (Rheinisches Archiv. Veröffentlichungen des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande der Universität Bonn 149, Köln, Weimar, Wien 2004). Weltin, Ascherichsbrvgge – Max Weltin, Ascherichsbrvgge – Das Werden einer Stadt an der Grenze, in  : ders.; Das Land und sein Recht, 338–374. 364

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Weltin, Der Begriff des Landes – Max Weltin, Der Begriff des Landes bei Otto Brunner und seine Rezeption durch die verfassungsgeschichtliche Forschung, in  : ders., Das Land und sein Recht, 384–409. Weltin, Die Entstehung – Max Weltin, Zur Entstehung der niederösterreichischen Landgerichte, in  : ders. Das Land und sein Recht, 24–59. Weltin, Der hochmittelalterliche österreichische und steirische Adel – Max Weltin, Der hochmittelalterliche österreichische und steirische Adel in alter und neuer Sicht. 2. Pöchlarner Heldengespräch. Die historische Dietrichepik (Philologica Germanica 13) Wien 1992. Maximilian Weltin, Das Land und sein Recht. Ausgewählte Beiträge zur Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter. Hg. von Folker Reichert und Winfried Stelzer (MIÖG Erg.Bd. 49, Wien, München 2006). Weltin, Das Pittener Gebiet im Mittelalter  – Maximilian Weltin, Das Pittener Gebiet im Mittelalter, in  : Wehrbaute und Adelssitze Niederösterreichs. Das Viertel unter dem Wienerwald. Band 1, St. Pölten 1998, 19-35. Weltin, Probleme – Max Weltin, Probleme der mittelalterlichen Geschichte Niederösterreichs. Unter besonderer Berücksichtigung des Hollabrunner Bezirkes, in  : ders., Das Land und sein Recht, 436–486. Weltin, Vom östlichen Bayern  – Max Weltin, Vom »östlichen Bayern« zum »Land ob der Enns«, in  : ders., Das Land und sein Recht, 205–232. Weltin, Die Urkunden des Archivs … – Max Weltin, Die Urkunden des Archivs der niederösterreichischen Stände (7) in NÖLA 9 (1985). Weltliche und geistliche Schatzkammer  – Weltliche und geistliche Schatzkammer. Bildführer Wien 1987. Das Werden der Steiermark. Die Zeit der Traungauer. Festschrift zur 800. Wiederkehr der Erhebung zum Herzogtum. Hg, von Gerhard Pferschy (Veröffentlichungen des steiermärkischen Landesarchives 10, Graz, Wien, Köln 1980). Werner, Bedeutende Adelsfamilien – Karl Ferdinand Werner, Bedeutende Adelsfamilien im Reich Karls des Großen. Ein personengeschichtlcher Beitrag zum Verhältnis von Königtum und Adel im frühen Mittelalter, in  : ders., Vom Frankenreich zur Entfaltung Deutschlands und Frankreichs, Ursprünge – Strukturen – Beziehungen. Ausgewählte Beiträge. Festgabe zu seinem sechzigsten Geburtstag, Sigmaringen 1984. Wertner, Die Herren von Forchtenau (Frankenau) – Moritz Wertner, Die Herren von Forchtenau (richtig von »Frankenau«), Jahrbuch der k. k. heraldischen Gesellschaft »Adler«, N.F. 3 (1893), 35–48. Widukindi gesta Saxonum – Widukindi monachi Corbeiensis rerum gestarum Saxonicarum libri tres, ed. Georg Waitz und Karl Andreas Kehr, neubearbeitet von Paul Hirsch und HansEberhard Lohmann (MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum scolarum 60, Hannover 51935). Wihoda, Die mährischen Eliten  – Martin Wihoda, Die mährischen Eliten als Problem der Kontinuität (oder Diskontinuität) der böhmischen Geschichte, in  : Die frühmittelalterliche Elite bei den Völkern des östlichen Mitteleuropas. Hg. von Pavel Kouril, Brno 2005. Wihoda, Die sizilischen Goldenen Bullen – Martin Wihoda, Die sizilischen Goldenen Bullen von 1212. Kaiser Friedrichs  II. Privilegien für die Přemysliden im Erinnerungsdiskurs (For365

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

schungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta imperii 33, Wien, Köln, Weimar 2012). Wipo, Gesta Chuonradi – Gesta Chuonradi II. imperatoris ed. Harry Bresslau (MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum scolarum 61, Hannover, Leipzig 31915). Witte, Genealogische Untersuchungen – Heinrich Witte-Hagenau, Genealogicshe Untersuchungen zur Reichsgeschichte unter den salischen Kaisern, (MIÖG-Erg.-Bd. 5, 1896–1903), 309–474. Wolfram, Gesandtschaft – Herwig Wolfram, Die Gesandtschaft Konrads II. nach Konstantinopel (1027/29). MIÖG 100 (1992), 161–174. Wolfram, Grenzen und Räume – Herwig Wolfram, Grenzen und Räume. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung (Österreichische Geschichte 378–907, hg. von ders., Wien 1995). Wolfram, Konrad II. – Herwig Wolfram, Konrad II. 990–1039. Kaiser dreier Reiche, München 2000. Wolfram, Die ostmitteleuropäischen Reichsbildungen – Herwig Wolfram, Die ostmitteleuropäischen Reichsbildungen um die erste Jahrtausendwende und ihre gescheiterten Vorläufer, in  : Böhmen und seine Nachbarn in der Přemyslidenzeit. Hg. von Ivan Hlavácek und Alexander Patschovsky (Vorträge und Forschungen 74, Ostfildern 2011), 49–90. Wolfram, Salzburg – Herwig Wolfram, Salzburg, Bayern, Österreich. Die Conversio Bagoariorum et Carantanorum und die Quellen ihrer Zeit (MIÖG Erg.-Bd.  31, Wien München 1995). Wormser Hofrecht – siehe Hofrecht der Wormser Kirche. Zauner, Die Einforstung der Wälder – Alois Zauner, Die Einforstung der Wälder des Grafen Arnold von Lambach, in  : Festschrift Kurt Holter. 23.  Jahrbuch des Musealvereins Wels (1981), 115–144. Zauner, Die Grafen von Lambach – Alois Zauner, Die Grafen von Lambach, Jahrbuch des oberösterreichischen Musealvereines 133,1 (1988), 55-66. Zauner, Königsherzogsgut – Alois Zauner, Königsherzogsgut in Oberösterreich, Mitteilungen des oberösterreichischen Landesarchivs 8 (1964), 101–145. Zauner, Die Urkunden Gleink – Alois Zauner, Die Urkunden des Benediktinerklosters Gleink bis zum Jahre 1300, Mitteilungen des oberösterreichischen Landesarchivs 9 (1968), 22–162. ZBLG – Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte. Zehetmayer, Die Babenberger als Herzöge von Bayern – Roman Zehetmayer, Die Babenberger als Herzöge von Bayern (1139–1156). ZBLG 77 (2014), 183–220. Zehetmayer, Die babenbergischen Markgrafen – Roman Zehetmayer, Die babenbergischen Markgrafen Heinrich I. (994/1018) und Adalbert (1018/1055) und die Entstehung des Landes »Niederösterreich«. JbLkNÖ 84 (2018), 11–34. Zehetmayer, Besitz und Stellung – Roman Zehetmayer, Besitz und Stellung der Abtei in Niederösterreich, in  : Die Abtei Niederaltaich. Geschichte, Kultur und Spiritualität von der Gründung bis zur Säkularisation. Hg. von Stephan und Roman Deutinger (Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 53. Ergänzungsband., St. Ottilien 2018), 150–179. Zehetmayer, Hat die Landwerdung – Roman Zehetmayer, Hat die Landwerdung der Babenbergermark bereits um die Jahrtausendwende begonnen  ? In  : Die Babenbergermark um 366

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

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