Die Aufhebung des Benediktiner-Reichsstiftes St. Ulrich und Afra in Augsburg 1802–1806: Ein Beitrag zur Säkularisierungsgeschichte im Kurfürstentum Bayern und in der Reichsstadt Augsburg [Reprint 2019 ed.] 9783486759778, 9783486759761

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Die Aufhebung des Benediktiner-Reichsstiftes St. Ulrich und Afra in Augsburg 1802–1806: Ein Beitrag zur Säkularisierungsgeschichte im Kurfürstentum Bayern und in der Reichsstadt Augsburg [Reprint 2019 ed.]
 9783486759778, 9783486759761

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Kapitel. Geistige Strömungen um 1800. Allgemeine Vorgeschichte der Säkularisation
2. Kapitel. Inventarisation und Zertrümmerung des Klosterbesitzes. Kirchen-, staats- und kriminalrechtliche Verhältnisse des Stiftes 1802
3. Kapitel. Die militärische Besetzung des Stiftes durch Bayern. Seine „Cumulativ-Civilbesitznahme" durch das Rurfürstentum Bayern und die Reichsstadt Augsburg, Aug. —Dez. 1802
4. Kapitel. Die Ausgleichsverhandlungen zwischen Bayern und Augsburg über den „Status der gegenseitigen Beteiligung an der Säkularisationsmasse" 1802—1806
5. Kapitel. Das Schicksal der Stiftsgebäude und seiner Bewohner. Die Neuorganisation der Pfarrei. Das Schicksal der Bibliothek und der Kunstschätze des Stiftes
Rückblick
Anhang
Verzeichnis der Quellen und Hilfsmittel

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STUDIEN UND

MITTEILUNGEN ZUR GESCHICHTE DES

BENEDIKTINER-ORDENS UND SEINER ZWEIGE HERAUSGEGEBEN VON DER BAYERISCHEN BENEDIKTINERAKADEMIE

3. ERGÄNZUNGSHEFT DIE AUFHEBUNG DES BENEDIKTINER-REICHSSTIFTES ST. ULRICH UND AFRA IN AUGSBURG 1802—1806 EIN BEITRAG ZUR SÄKULARISATIONSGESCHICHTE IM KURFÜRSTENTUM BAYERN UND IN DER REICHSSTADT AUGSBURG

VON DR. P. BARNABAS SCHROEDER, O. S. B.

MÜNCHEN 1929 KOMMISSIONSVERLAG R. OLDENBOURG

DIE AUFHEBUNG DES BENEDIKTINER-REICHSSTIFTES ST. ULRICH UND AFRA IN AUGSBURG 1802—1806 EIN BEITRAG ZUR SÄKULARISATIONSGESCHICHTE IM KURFÜRSTENTUM BAYERN UND IN DER REICHSSTADT AUGSBURG VON DR. P. BARNABAS SCHROEDER, O. S. B.

MÜNCHEN 1929 KOMMISSIONSVERLAG R. OLDENBOURG

Gedruckt bei Hier. Mühlberger, Buch- und Kunstdruckerei in Augsburg-.

Vorwort. Treue Liebe zur „Schwäbischen Stiftshütte", wie der gelehrte Linzer Bischof Gregorius Thomas v. Ziegler Münster und Stift St. Ulrich und Afra zu nennen pflegte, und die gütige Annahme des Themas durch meinen ersten Geschichtslehrer an der Münchener Universität, Geh. Rat Prof. Dr. M. D o e b e r l , ließen den Plan zu diesem Erstlingsversuch historischen Arbeitens reifen und zur Ausführung bringen. Ich legte ihn im November 1927 der philosophischen Fakultät (I. Sektion) der Ludwig-Maximilians-Universität in München als Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde vor. Leider konnte Geh. Rat Dr. Doeberl infolge seiner schweren Erkrankung und seines allzu frühen Hingangs die Prüfung der Arbeit nur mehr z. T. erledigen. Dank Dir, toter Meister, für alle aufgewandte Mühe! In entgegenkommender Weise übernahmen nun Prof. Dr. Heinrich G ü n t e r das erste, Prof. Dr. Karl Alexander v. M ü l l e r das zweite Referat. Am 24. Mai 1928 konnte ich das Rigorosum ablegen. Allen hiebei beteiligten Herren Professoren danke ich herzlich für ihr gütiges Wohlwollen und jegliche Mühewaltung. Aufrichtiger Dank gebührt ferner den Vorständen und Beamten der von mir benützten Bibliotheken und Archive, insbesondere den Herren Archivaren des Augsburger Ordinariats- und Stadtarchivs, des Bayer. Geh. Staatsarchivs, der Kreisarchive von Neuburg a. D. und München, sowie der Registratur des Bayer. Finanzministeriums. Wertvolle Hinweise danke ich auch H. Hochschulprofessor Dr. Alfred Schröder in Dillingen. Dank auch an dieser Stelle meiner Schwester Emilie, die in selbstloser Weise die maschinenschriftliche Anfertigung des Manuskripts besorgte. Dank endlich den lieben Mitbrüdern für die opferwillige Unterstützung bei der Korrektur der Druckbogen. Ich lege mein Schriftlein als bescheidene Gabe auf das Grab der aus der geliebten Heimat verstoßenen Benediktiner von St. Ulrich, insbesondere ihres emsigen Geschichtschreibers, P. Placidus Braun, der am heutigen Tage vor hundert Jahren sein arbeits- und leidvolles Leben beschloß. Have pia anima! A u g s b u r g , Benediktinerstift St. Stephan, am 23. Oktober 1929. Der V e r f a s s e r .

Benediktiner-Reichsstift St. Ulrich und Afra 1802. (Nach einem Kupferstich bei Braun Placidus, Geschichte der Kirche und des Stiftes der Heiligen Ulrich und Afra in Augsburg. Augsburg, Moy 181?)

G r e g o r i u s II. S c h ä f f l e r ( 1 7 9 5 — 1800), der letzte Reichsabt. (Nach

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Inhaltsverzeichnis Seite

Einleitung 1. K a p i t e l Geistige Strömungen um 1800. Allgemeine Vorgeschichte der Säkularisation. 2. K a p i t e l Die Inventarisation und Zertrümmerung des Klosterbesitzes. Kirchen-, staats- und kriminalrechtliche Verhältnisse des Stiftes 1802. 3. K a p i t e l Die militärische Besetzung des Stiftes durch Bayern. Seine „Cumulativ-Civilbesitznahme" durch das Kurfürstentum Bayern und die Reichsstadt Augsburg, August—Dezember 1802. 4. K a p i t e l Die Ausgleichsverhandlungen zwischen Bayern und Augsburg über den „Status der gegenseitigen Beteiligung an der Säkularisationsmasse" 1802—1806. 5. K a p i t e l Das Schicksal der Stiftsgebäude und ihrer Bewohner. Die Neuorganisation der Pfarrei. Das Schicksal der Bibliothek und der Kunstschätze des Stiftes. Rückblick Anhang V e r z e i c h n i s der Q u e l l e n und H i l f s m i t t e l . .

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Einleitung. „Wenn einmal der Rausch der schädlichen Aufklärung unserer Zeiten vorüber sein wird, so werden andere Zeiten kommen, wo man sich des Vergangenen schämen und wünschen wird, weniger, aber ehrenvollere Ahnen zu zählen und die Tage der Schande in ewiger Vergessenheit zu begraben. Da wird man die Schriften, die der Religion schädlich oder gefährlich sind, mit Ekel von der Erde zu vertilgen trachten, und der kurze Ruhm, den sie bis dahin genossen, wird ihre ganze Belohnung sein. Auf dies wird Schmach folgen, ewige Schande, es werden die Zeiten des Kaisers Kaligula eintreten, dessen Münzen man einschmelzen ließ, und alle Vorsorge brauchte, auch sein Bildnis von der Erde zu vertilgen." 1 ) Wohl dachte der Unbekannte aus dem beginnenden 19. Jahrhundert, der in polemischem Übereifer so schrieb, in ruhigen Stunden selbst nicht so optimistisch von den kommenden Zeiten. Gleichwohl läßt sich heute ein unverkennbarer Wandel in der Anschauung über die Berechtigung der Säkularisation wahrnehmen. Die objektive Rechtsund Geschichtsforschung ist sich längst darüber klar geworden, daß die Säkularisation nicht bloß ein Akt der willkürlichsten Beraubung fremden Eigentums war, der auch durch die formellen Artikel des Reichsdeputationshauptschlusses vom 25. Februar 1803 nichts an seiner inneren Rechtswidrigkeit verloren hat, sondern auch ein pietätloses Uberdenhaufenwerfen vieler alter Uberlieferungen, ein barbarisches Vernichten der aufs engste mit dem ganzen Volks-, Staats- und Kulturleben verbundenen Klöster. Fast die ganze einschlägige Fachliteratur verurteilt heute die Säkularisation als einen ungeheuerlichen Gewaltakt und brutalen Staatsstreich. „Nicht die schönste Entschuldigung, nicht die längste Verjährung kann diese Tatsache aus der Welt schaffen. Für alle Zeiten wird sie in der Geschichte des öffentlichen Rechts in Bayern der größte Schandfleck bleiben." 2 ) Übrigens wurde man sich schon ein Jahrzehnt nach der Säkularisation des ungeheuren Unrechtes bewußt. Der Heidelberger Staatsrechtslehrer Klüber schrieb bereits 1816: „Durchaus nicht einmal als Sühnopfer konnte man die so weit greifende Säkularisation betrachten, und daß man bei dieser Verwandlung des Kirchengutes in weltliches, namentlich in Staatsgut nach Rechtsgrundsätzen vergeblich forscht, ') Flugschrift: „Die Klöster waren nie so notwendig als heutzutage", S. 64. J Münch, Der bayerische Klostersturm, S. 9.

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trägt jetzt wohl kaum jemand mehr Bedenken zuzugestehen. Es war eine Zeit, wo die Macht über jedwede Rechtfertigung ihres Beginnens sich hinwegsetzen zu müssen, wohl gar zu dürfen glaubte." 1 ) Hrch. Leo schreibt: „Deutschland hat später herbere Tage, aber nie eine sittlich tiefere Erniedrigung erlebt als damals, ja nach einer Seite kann man sagen, daß sie tiefer war als die sittliche Erniedrigung Frankreichs in der Revolution." 2 ) „So haben die deutschen Reichsfürsten vom Jahre 1803 nichts anderes getan, als das Werk der französischen Revolution in Deutschland fortgesetzt. Ebenso wie die französischen Revolutionshelden plünderten sie die katholische Kirche, nur mit dem Unterschied, daß in Frankreich die Beraubung der Kirche im Sturm der Revolution, welche weder Recht noch Gesetz anerkannte, erfolgte, in Deutschland dagegen mitten im Frieden, unter dem Schein der Legalität und von Männern, welche sich als Hüter und Verteidiger des Rechts gelierten." 3 ) Auch Treitschke brandmarkt die Säkularisation mit scharfen Worten: „Wenige unter den großen Staatsumwälzungen der neueren Geschichte erscheinen so häßlich, so gemein, so niedrig wie die Fürstenrevolution von 1803. Die harte ideenlose Selbstsucht triumphierte; kein Schimmer eines kühnen Gedankens, kein Funken einer edeln Leidenschaft verklärte den ungeheuern Rechtsbruch." 4 ) Die Tatsache, daß die Säkularisations-Epoche zu den weniger ruhmvollen Perioden unserer vaterländischen Geschichte gehört, läßt es auch verständlich erscheinen, daß trotz des in den letzten Jahrzehnten immer stärker werdenden Strebens nach objektiver Erfassung der geschichtlichen Tatsachen gerade dieser Zeitabschnitt nur sporadisch und fast etwas stiefmütterlich erforscht wurde und daß die Akten über dieses große Geschehen, ängstlich gehütet, so lange unberührt in den Archiven schlummerten. Dafür freilich hat schon, wohl nicht aus bestem Gewissen heraus, v. Neumayr, der Direktor der Spezial-Kloster-Kommission, gesorgt, der dem Geheimen Ministerialdepartement der Finanzen in einem Geschäftsbericht vom 24. Aug. 1812 riet: „Die Akten müssen einst im Ministerio reponiert werden; denn es wäre wirklich gefährlich, diese Hauptquellen des Wissens in mehrere Röhren auslaufen zu lassen." 5 ) *) Klüber, Übersicht der diplom. Verhandlungen des Wiener Kongresses, S. 398. 2) Leo Heinr., Universalgeschichte 2. Aufl., V, 402. 8 ) Brück Heinr., Geschichte der kath. Kirche im 19. Jahrhundert, I. Bd., S. 118. Vgl. auch Berghaus, Deutschland vor 50 Jahren, I. Bd., S. 380: „Die Säkularisation ist eine rohe Tat der Gewalt, hervorgerufen durch die gemeine Habsucht und Ehrlosigkeit der deutschen Fürsten. Man verhandelte die Menschen wie eine Ware, warf diesem oder jenem Gewalthaber ein paar tausend oder ein paar hundert Köpfe oder Seelen, wenn es hoch kam, mehr oder weniger zu." 4 ) Treitschke Heinr., Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 8. Aufl., I, 186. 6) Bayer. Fin.-Min., Generalia 161.



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Die Zeiten sind andere geworden. Der Verfasser durfte einen Blick tun in die Registraturen und Archive. Was er hier geschaut, was er in Bibliotheken Förderliches fand zu einiger Aufhellung jener gewaltigen und gewalttätigen Umformung Deutschlands, hat er zu verarbeiten gesucht. Sein Ziel war, in möglichst gedrängter Form klarzulegen, wie aus der ganzen Zeitlage, ihren geistigen und materiellen Strömungen heraus der Säkularisationsgedanke überhaupt Anhänger gewinnen konnte und wie er sich in einem besonderen Falle ausgewirkt hat. Die Aufhebungsgeschichte des unmittelbaren Reichsstiftes St. Ulrich und Afra in Augsburg verdient umsomehr Beachtung, als dieses „allein im ganzen Römischen Reiche das sonderbare Schicksal hatte, von den Gütern und Herrschaften getrennt mit seinem Domicilio einer anderweiten territorialen Herrschaft zugefallen zu sein," 1 ) und zwei gleich interessierte, aber nicht gleich mächtige Rivalen sich um den Erwerb dieses Stiftes stritten: die altersschwache Reichsstadt Augsburg und das aufstrebende, nach Land- und Gelderwerb lüsterne Kurfürstentum Bayern. Die Mühe zweier Jahre wäre reichlich belohnt, wenn der Verfasser erreichte, was auch der Historiograph des Reichsstiftes St. Ulrich, P. Placidus Braun, mit der Abfassung seiner „Geschichte des Stiftes St. Ulrich und Afra in Augsburg" wollte, nämlich „den Nachkömmlingen sagen, was war und nun nicht mehr ist, welches ansehnliche und reiche Kloster an der Kirche der hl. Ulrich und Afra stand und jetzt in eine Kaserne umgeschaffen und zernichtet ist, wieviel Gutes hier geschah und nicht mehr geschieht, welch fleißige Männer hier rastlos arbeiteten und Monumente ihres Fleißes zurückließen und jetzt in die Vergessenheit versinken. Er will dem besonnenen und unbefangenen Leser Gelegenheit verschaffen, über die Vergangenheit nachzudenken und das Verfahren des zu Ende des 18. und beim Beginn des 19. Jahrhunderts herrschenden Zeitgeistes zu beurteilen." 2 )

') Ordinariatsarch. Augsburg, K 32. ) Ordinariatsarch. Augsburg, Manuskriptensammlung: Geschichte des Reichsstiftes St. Ulrich und Afra, Vorrede. 2

Braun

Placidus, 1*

1. K a p i t e l .

Geistige Strömungen um 1800. Allgemeine Vorgeschichte der Säkularisation. Der Säkularisationsgedanke war um die Wende des 18./19- Jahrhunderts nichts Neues und Fremdartiges mehr. Er ist eigentlich so alt wie das Kirchengut selbst, insofern nach altgermanischer Auffassung mit der Stiftung des Kirchengutes das Eigenkirchentum eines weltlichen Herrn und damit schon die Möglichkeit zur Säkularisation gegeben war. Praktisch gehandhabt wurde die Säkularisation schon im frühen Mittelalter durch Karl Martell und Pippin; sie verwendeten, da das Krongut nicht mehr ausreichte um für die große Masse der Freien, die sich zur Aufnahme in die Mund des Königs drängte, 1 ) Lehen zu schaffen, hiefür Güter der durch die Krone reichgewordenen Kirche. Wenig später hören wir, daß Herzog Arnulf von Bayern, „der Böse", Kirchen- und Klostergüter einzog, um damit nach dem Tode des letzten Karolingers, Konrads des Franken (918), die weltlichen Großen für seine Pläne auf die deutsche Königskrone zu gewinnen. Und wenn später Wiclef, Hus, die Reformatio Sigismundi und schließlich die Reformation selbst die Rückkehr der Kirche zur apostolischen Armut forderten, und das Basler Konzil als obersten Grundsatz für die Gesundung der kirchlichen Verhältnisse die Minderung des kirchlichen Besitzes aufstellte, dann forderten sie eigentlich auch nichts anderes als wenigstens eine teilweise Säkularisation. Freilich das Wort „Säkularisation" war noch nicht gebraucht worden für „die von der Staatsgewalt aus staatspolitischen und finanziellen Gründen einseitig verfügte Aufhebung von Kirchengut und Einziehung von Kirchenvermögen zu anderweitigen Zwecken." 2 ) Erst dem französischen Gesandten bei den politisch wie religiös bedeutsamen Verhandlungen zu Münster, Herzog Heinrich II. von Longueville, war es vorbehalten, dieses Wort zu prägen. 3 ) Seitdem ist es nicht mehr verstummt, „bis das politische Testament der Reformation erfüllt war." 4 ) Diese hatte ja schon die Auffassung von der Unan') Die Freien konnten sich den kostspieligen Heerdienst zu Pferde, wie er sich bei den Kämpfen gegen die Araber als notwendig herausgestellt hatte, ohne Unterstützung der Krone nicht leisten; vgl. hierüber auch Mitterer Sig., Die bischöfl. Eigenklöster, S. 27. 2 ) Tremel, Die säkularisierten Klosterwaldungen, S. 7. 8) Meier, Acta pacis Westphalicae, Tom. III. p. I, 13, § 14 fol. 635. 4 ) Ebert, Der kirchenrechtliche Territorialismus, S. 1.



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tastbarkeit des Kirchengutes beseitigt. Hundert Jahre später (1742/43) pflogen Kaiser Karl VII. und der preußische König Friedrich II. in Verbindung mit dem Haßlang'schen Friedensprojekt einen Gedankenaustausch über Einziehung kirchlicher Güter zwecks Abrundung Bayerns und seiner Erhebung zum Königreich. 1 ) Die schließlich von Joseph II. in Österreich verfügte Aufhebung mehrerer Klöster, die Einziehung ihres Vermögens zur Bildung eines Religionsfonds und endlich die französische Revolution gaben den Auftakt zur Säkularisation auch in Deutschland. Seinen Schrecken hatte der Säkularisationsgedanke selbst für streng kirchlich gesinnte Katholiken schon verloren, seitdem Papst Clemens XIV. 1773 den Jesuitenorden aufgehoben und die Verwendung seiner Güter den weltlichen Fürsten überlassen hatte. „Daß man in Deutschland, wo die staatsrechtlichen Verhältnisse noch auf Grundlagen angeblich unbeschränkter Fürstenherrschaft und sogenannter hergebrachter Rechte beruhten, wo man auf die Kirche als Hilfsmittel des Polizeistaates noch so sehr zählte, sich zu solchen Maßregeln verleiten ließ, muß allerdings Verwunderung erregen. Diese Verwunderung verschwindet aber, wenn man bedenkt, daß gerade die sogenannten höheren Stände, welche sich allein zur Beurteilung und Leitung der öffentlichen Angelegenheiten befähigt hielten, von dem zersetzenden Gifte der verneinenden Philosophie eines Helvetius, Diderot, Voltaire und anderer größtenteils durchdrungen und von französischer Sittenlosigkeit und blinder Vorliebe für alles Französische angesteckt waren. In ihren Händen lag, ohne alle Kontrolle and Mitwirkung der übrigen als politisch unmündig betrachteten Stände die Regierung und so mochten sich die Bedenken gegen die rechtliche Befugnis zu solcher Gewalthandlung, die fromme Achtung der Heiligkeit und Unverletzlichkeit der Stiftungen längst vergangener Geschlechter kaum geltend machen oder wurden doch sofort mit der Berufung auf die Sorge für das öffentliche Wohl, welche von jeher aller Willkür zu willkommenem Vorwande diente, beseitigt, während die öffentliche Meinung der großen Mehrzahl des Volkes durch Unterdrückung und Verkümmerung der Presse und der ständischen Rechte jedes Mittels beraubt war sich Gehör und Geltung zu verschaffen." 2 ) Gleichwohl muß es zunächst seltsam anmuten, daß gerade „das katholische Bayern" das Säkularisationsprojekt so warm befürwortete, während z. B. das protestantische Sachsen sich entschieden weigerte, Veränderungen seine Zustimmung zu geben, wodurch rechtmäßigen Besitzern ihr Eigentum freventlich entzogen werde. Bayerns Stellungnahme wird jedoch sofort verständlicher bei Erwägung seiner kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Lage. Seine Kurfürsten huldigten schon früh der neuen Naturrechtslehre eines Samuel Pufendorf (gest. 1694 zu Berlin), wornach der ') Vgl. Hofmann in der Festschrift für Riezler 1913, S. 213ff. ) Lerchenfeld Gustav v., Geschichte Bayerns unter König Maximilian Joseph I., S. 30 f. a



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Staat der Kirche übergeordnet ist und daher das Recht hat der Gütervermehrung der Kirche einen Damm entgegenzusetzen. Nachdem bereits 1672 Ferdinand Maria und 1701 Max II. Emanuel auf Drängen des den Klöstern stark verschuldeten bayerischen Adels den Liegenschaftserwerb von adeligen Gütern durch die Ordensgenossenschaften der landesherrlichen Genehmigung unterworfen hatten, war Max III. noch weiter gegangen. Am 13. Okt. 1764 hatte er jenes Amortisationsgesetz erlassen, das die Beschränkung des kirchlichen Vermögenserwerbes nun auch auf das bewegliche Vermögen ausdehnte. 1 ) Seinem Nachfolger Karl Theodor war es sodann gelungen, unter dem 7. Sept. 1798 eine päpstliche Bulle zu erwirken, die ihn ermächtigte, den siebenten Teil des kirchlichen Vermögens im Betrage von 15 Millionen Gulden einzuziehen, eine Maßnahme, die einer teilweisen Säkularisation gleichkam. Freilich mußte sich der Kurfürst schließlich infolge des vom Prüfeninger Abt Rupert Kornmann eingeleiteten Widerstandes der landständischen Abteien mit 5 Millionen Gulden begnügen. 2 ) Die ganze geistige Einstellung des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts forderte geradezu die Säkularisation. Insbesondere war es die A u f k l ä r u n g , die jetzt die grundsätzliche Frage aufwarf: „Sind Mönche oder Stiftsherren nützlich oder notwendig, um sich und ihren Mitchristen den Weg zu ewiger Glückseligkeit zu bahnen? Kann unserem Seelenheil eine Einrichtung zuträglich sein, die dem Ruf der Natur und deren erstem Ziel, der Vermehrung nämlich, geradezu entgegengesetzt ist?" 3 ) „Rom hat die Christenheit in Nebel eingehüllt." 4 ) Aufgeklärt hingegen ist jeder, „der nicht mehr umnachtet ist durch die Nebel der Hierarchie und die Finsternis des Autoritätsglaubens.*' 5 ) „Die Dämmerung in der Christenheit nimmt mehr und mehr zu; und sowie es zu tagen und der Christ die von Gott ihm verliehene Vernunft zu brauchen anfängt, wird das Gespenst v e r s c h e u c h t . " U n d der neue Geist gibt der Welt auch die neue Losung: Das Übernatürliche und Geheimnisvolle soll verweltlicht, das Heilige entheiligt, das Kirchenwesen säkularisiert, die Kirche entrechtet und zu einer untertänigen Magd des Staates herabgewürdigt werden. Wohl darf man in den Erscheinungen der Aufklärung nicht nur Schatten sehen und ihr nicht das Verdienst rauben, auf vieles, was veraltet und der Besserung bedürftig war, hingewiesen und den Kampf dagegen erfolgreich aufgenommen zu haben; allein ebenso verkehrt wäre es, für die dunkeln Seiten im Bilde der Aufklärungszeit blind *) Doeberl M., Ursprung der Amortisationsgesetzgebung, S. 186 ff. Tremel, Die säkularisierten Klosterwaldungen, S. 11. 8) Schlözer A. L., Staats - Anzeigen IX, 390 4 ) ebd. S. 389; vgl. auch die Flugschrift „Die Vernunft fordert die Säkularisation" 1798. 6) Haffner, Die deutsche Aufklärung, S. 5. 6 ) Schlözer A. L„ Staats-Anzeigen IX, 389; vgl. auch die Flugschrift „Die Vernunft fordert die Säkularisation" 1798. 2)



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zu sein. 1 ) Die Aufklärung hatte ihr vollgerütteltes Maß an Fehlern. So ganz unrecht hatte der zeitgenössische Geschichtschreiber der Diözese Augsburg, P. Placidus Braun, doch nicht, wenn er die Aufklärungszeit verurteilte als eine Zeit, „in der der Unglaube gewaltig um sich fraß, alles ansteckte, alles vergiftete, die religiösen Übungen verächtlich, gute und heilige Gewohnheiten lächerlich machte, alles was ihm zuwider, mit Fanatismus, Enthusiasmus, Schwärmerei und Aberglauben brandmarkte, mit Mißbräuchen das Wesentliche der Religion ausmerzte und, um das Priestertum zu untergraben, ihre Pflanzschulen umzustürzen suchte." 2 ) Ein solcher Geist konnte kein Freund der Klöster sein, die sich aus dem „finsteren Mittelalter" herüber gerettet hatten. Der bekannte geistliche Publizist Lor. Hübner schrieb am 26. Febr. 1802 in seinem bayerischen Wochenblatt: „Jeder Unbefangene muß sich überzeugen, daß solche Orden mit dem Genius des 19. Jahrhunderts im Widerspruch sind und mit dem tätigsten Bestreben, der Religion und dem Staate jene Würde, die den beiden so unentbehrlich ist, zu sichern, nicht bestehen können, sondern aufgelassen werden müssen." Da die Aufklärer, wenigstens die radikaleren, ihren Blick nur auf das fürs Leben Nützliche richteten, konnte man bei ihnen keinerlei Verständnis für die monastischen Ideale erwarten, und der Appell an das kulturelle Wirken der Klöster mußte von ihnen da umso leichter überhört werden, wo die gegenwärtigen Leistungen nicht offen vor Augen lagen und vereinzelte Mängel in Klöstern bei der zu Vorurteilen geneigten Stimmung nur allzu gerne verallgemeinert wurden. Hierin arbeitete die sogenannte katholische, gemäßigte Aufklärung Hand in Hand mit der radikalen, katholischer wie protestantischer Richtung. Gute Vorspanndienste leisteten der klosterfeindlichenBewegungauch die r e c h t s p h i l o s o p h i s c h e n L e h r e n Kants, die ihrerseits auch nur ein Produkt des aufgeklärten Zeitalters waren. Sie wurden daher in den publizistischen Schriften ausgiebig aufgespürt, um die Einbeziehung des Kirchenvermögens als rechtlich möglich und erlaubt hinzustellen. „Wie gelegen kam die Doctrin dieser Philosophie, daß der Besitz gewisser Korporationen nur in der Volksmeinung begründet sei z. B. in dem Glauben von der Kraft der Seelenmessen. Ihr Eigentumsrecht wäre also nur solange gültig, als diese Volksmeinung andauere, *) Das Studium zahlreicher Schriften aus der Aufklärungs- und Säkularisationszeit verbietet dem Verfasser, in dem manchmal die Grenzen einer sachlichen Widerlegung überschreitenden Streite zwischen dem Tübinger Kirchenrechtslehrer Sägmüller und dessen Schüler Rösch einerseits und dem Würzburger Kirchenhistoriker Merkle andererseits in der Beurteilung der Aufklärungszeit dem einen oder dem andern beizutreten. Die mittlere Linie scheint auch hier das Richtige zu sein. Vergl. Sägmüller J. B. „Wissenschaftlichkeit und Unglaube der kirchlichen Aufklärung", Essen 1 9 1 1 und Merkle Seb. „Die kath. Beurteilung des Aufklärungszeitalters", Berlin 1909. a) Ordinariatsarch. Augsburg, Manuskr. S., Gesammelte Schriften aus dem Nachlaß des P. Placidus Braun, Fasz. A.

erlösche aber, sobald diese sich ändere." 1 ) Bedenken hatte man anfangs nur noch wegen des Eigentumsrechtes. „Denn durch dessen ungestrafte Kränkung würden wir zu dem Zustand verwerflicher Sklaverei oder roher Wilden hinuntersinken." 2 ) Allein mit der Zeit fragte man sich, ob dieses Eigentumsrecht überhaupt verletzt werde, wenn man „Abteien und Stifte umschaffe und dem ihnen gewidmeten Vermögen eine andere und zwar nützlichere Anwendung gebe. Sollte es denn dem Gesetzgeber nicht erlaubt sein, ja wird es nicht Pflicht für ihn den Irrtum des Stifters zu verbessern und dem von ihm hinterlassenen Vermögen eine Bestimmung zu geben, wodurch viel mehr das Wohl der Menschheit befördert und folglich dem Schöpfer ein angenehmeres Opfer gebracht wird? Wenn ein Blödsinniger sein Eigentum, sein Geld vielleicht in der besten Absicht, aber auf eine Art verwendet, woraus dem Staat Nachteil entstehen kann, so muß der Richter ihn zurechtweisen. Was der Blödsinnige aus Unverstand tut, das tat der Stifter aus irrigen Begriffen, aus falschen Grundsätzen. So wie der Gesetzgeber jenem die Hände bindet, gibt er den Verordnungen des Stifters eine zweckmäßigere, bessere Richtung, welche dieser selbst verfehlt hatte." 3 ) Übrigens „kann der Regent auch für entbehrte Domänen oder entbehrte Beiträge zu den Staatslasten oder auch für aufgewendete Kosten mit vollem Recht Entschädigung sich und den öffentlichen Kassen schaffen." 4 ) Freilich die Theorie von der Staatsomnipotenz wurde wegen der furchtbaren Folgen von den Besonneneren abgelehnt; umsomehr nahmen die meisten ihre Zuflucht zum sogenannten S t a a t s n o t r e c h t , das man für einen so sicheren Rechtfertigungsgrund hielt, daß man es wie eine heilige Formel zitierte: „Der Staat kann im außerordentlichen Falle der Not wohlerworbene Rechte einzelner Glieder zur Erhaltung des Ganzen aufopfern." 5 ) Eine Hochburg des neuen Geistes war die 1800 von Ingolstadt nach Landshut verlegte Universität. 6 ) Mehrere ihrer Professoren waren bei dem Bestreben tatsächlichen Übelständen abzuhelfen dem flachsten Rationalismus verfallen. Von ihnen gingen erbitterte Angriffe gegen jede Art von Aszese, das Fasten, die evangelischen Räte, die Mönchsgelübde und das Klosterleben überhaupt aus. Sie befürworteten daher am lautesten die Aufhebung der Klöster. Im Interesse der wahren Religiosität eines aufgeklärten Zeitalters, hieß es, sei die Aufhebung der Klöster geboten, denn gerade sie seien „Brutstätten des Aberglaubens und des Fanatismus, der Unwissenheit und der Frivolität." ') Ebert, Der kirchenrechtl. Territorialismus, S. 5. Schlözer A. L., Staats - Anzeigen IX, 401 f. 8 ) ebd. IX, 401 f. *) ebd. XV., 76. s ) Ebert, Der kirchenrechtl. Territorialismus, S. 4. 6 ) Für die Bedeutung der Landshuter Universität für die Aufklärung vergl. besonders Funk Phil., Von der Aufklärung zur Romantik, München 1925, S. 194 ff. 2)



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Kurfürst Max Joseph konnte also Männern wie Michel, Gönner und dem Hofrat Feßmaier, den Lehrern des deutschen und bayerischen Staatsrechtes an der Universität sorglos den Auftrag erteilen, eine Untersuchung anzustellen, wieweit denn eigentlich die Befugnisse eines bayerischen Landesfürsten gingen, Reformen in den religiösen Gemeinden seiner Staaten aus eigener landesfürstlicher Vollmacht vorzunehmen. Als Vorbild sollten sie sich vorzüglich die österreichische Epoche Josephs II. nehmen. 1 ) Es war vorauszusehen, daß das Ergebnis ihrer Untersuchung jene neugeschaffene Doctrin war, die dem Landesherrn eine fast unbeschränkte Gewalt über die Kirche zuerkannte. So kann es nicht wundernehmen, daß vor allem jene, die auf die hohe Schule zu Ingolstadt und Landshut gegangen waren, die verlässigsten Träger und rührigsten Verbreiter der Aufklärung wurden und in der Folgezeit als die gefügigsten Werkzeuge der Säkularisation gründliche Arbeit leisteten. Ein schlauer Schachzug der Regierung war es auch, daß sie die Bettelmönche gegen die besitzenden Klöster und den Weltklerus gegen den Regularklerus auszuspielen suchte. Ihr Bemühen war denn auch von bestem Erfolg begleitet, besonders seitdem dem Weltklerus zugesichert worden war, ,,es solle das Wesen der Religion nicht angetastet und der notwendige Weltpriesterstand nicht nur auf keine Weise geschmälert, sondern sogar in seinen ursprünglichen Würden und Rechten, die er in den ältesten Zeiten der Christenheit, wo das Mönchswesen noch ganz unbekannt gewesen war, ausschließlich behauptete und nach den Kirchengesetzen haben sollte, in deren fruchtbarer Ausübung er aber späterhin durch die eingreifenden Privilegien heterogener Ordensinstitute sich merklich gehemmt sehen mußte,"*) wieder eingesetzt werden. Jetzt wurde von vielen Seiten nicht nur keine Trauer über die Aufhebung der Klöster geäußert, sondern ein beträchtlicher Teil des Klerus freute sich darüber wie über den Anfang einer neuen besseren Aera. Nicht ohne Berechtigung klagte daher schon vor 1800 der schon mehrfach erwähnte Stiftsarchivar und Großkellner P. Placidus Braun, daß „der Unglaube, dieses Ungeheuer, schon ziemlich auch in das Heiligtum eingedrungen, und Diener des Altars schon selbst Hand angelegt hätten, um die Altäre niederzureißen, daß sie sich als Werkzeuge gebrauchen ließen, um die christliche Religion zu zernichten. Wenn es so fortgehe, werde diese keine andere Zuflucht mehr finden als die Klöster, wo sie ihre Hilfstruppen hinstellt, um wider ihre Feinde sie zu gebrauchen, und wo sie immer bis daher gute Kultur einer reinen Lehre gefunden habe." 3 ) *) Bayer. Fin.-Min., Generalia 159, Convolut II. 2) Kurfürstl. Zirkular vom 11. III. 1803 und kurfürstl. Schreiben an die Bischöfe von Salzburg, Freising, Regensburg und Passau vom 19. V. 1802, Bayer. Fin.-Min., Gener. 159, Conv. II. 8) Ordinariatsarch. Augsburg, Manuskr. S. Ges. Schriften aus dem Nachlaß des P. Placidus Braun, Fasz. A.



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Darf man nun die g a n z e Schuld an der Säkularisation von 1800/06 dem Aufklärungsgeist jener Epoche aufbürden? Lange Zeit war man zu dieser Annahme geneigt. Allein es waren noch mehr Kräfte am Werke. Die Aufklärung war ja selbst nur das naturnotwendige Produkt der vorhergehenden Entwicklung und hätte wohl aus sich selbst keine so radikale Umwälzung, wie es die Aufhebung a l l e r Klöster war, herbeigeführt. Dieser Geist hatte ja auch meist nur die höheren Gesellschafts- und Regierungskreise, weniger die große Masse des Volkes ergriffen. Erst die treue Bundesgenossenschaft, welche die Aufklärung mit dem nüchternen U t i l i t a r i s m u s und M e r k a n t i l i s m u s eingegangen hatte, wurde den Klöstern vornehmlich zum Verhängnis. Hierarchie und tote Hand schienen ihren wirtschaftspolitischen Anschauungen völlig unfruchtbar. Man ging sogar soweit, den Mönchen vorzuwerfen, daß sie „durch die Entziehung einer Menge von jungen Leuten, deren geistige und körperliche Kräfte weit zweckmäßiger verwendet werden könnten", 1 ) nicht bloß die Produktion des Staates behinderten, sondern auch das Gewerbe empfindlich schädigten, weil sie innerhalb ihrer Klostermauern alle möglichen Handwerke selbst ausübten. „Wer wird die Übel alle herzählen, die dem Staat aus der Verfassung dieser Orden entstehen? Dem Ackerbau, der Handlung, dem Kunstfleiß und gemeinnützigeren Wissenschaften wird jährlich eine Anzahl blühender Jünglinge geraubt; sie werden durch widernatürliche, meist lächerliche Gelübde in ihrer Minderjährigkeit, wo sie die Welt so wenig als sich selbst kennen, auf ewig gebunden; der starke, nervigte Arm, den der Schöpfer dem Staate geschenkt hatte, wird zur Untätigkeit verdammt." 2 ) „Ihre Existenz ist nicht nur moralisch, sie ist auch politisch schädlich. Sie nehmen nur, geben nie, entziehen sich allen Lasten, streben überall nach Gerechtsamen und Erwerb . . . ." 3 ) „Sie führen ein verächtliches, träges und eingesperrtes Automatenleben, wenn sie nichts als Igel sind, die den guten Bürgern das Blut aus den Adern saugen, die den Regenten auszehren, die dem Milz gleich, alles an sich ziehen und indem dasselbe zunimmt, verursacht, daß alle übrigen Glieder schwindsüchtig werden." 4 ) „Das Volk hat gelernt, einen wirklich sichtbaren Nutzen für die Dienste und Abgaben, die man ihm ansinnt, zu erwarten. ' 5 ) Daß freilich die Mönche einstmals Deutschland die Kultur gebracht, seine Wälder gerodet und den Landbau kultiviert, wagte auch jetzt niemand zu leugnen. Aber, hieß es jetzt, das haben sie vor vielen Jahrhunderten getan; die jetzigen tun das nicht mehr. Die beginnende Industrialisierung vollends sah die Klöster mit denselben scheelen Augen an wie die Bauern des Feudalstaats. Flugschrift: „Der neueste Provinzen Wechsel", S. 169. Schlözer Aug. Ludw., Staats-Anzeigen, IX, 391. 8) ebd. XIII, 345. 4) ebd. XIII, 469. 5) Flugschrift: „Ueber die Verwendung einiger Klostergüter", S. 84. 2)



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Zuweilen machte man dem Volke auch vor, daß die Mönche seiner Zeit kulturfeindlich seien. Allein manche zeitgenössische Broschüren verraten schon durch ihren Titel, daß es ihren Verfassern weniger um die Erhaltung und Förderung der Kultur zu tun war, daß sie vielmehr aus weit minder edeln Motiven die Klosteraufhebung forderten; sie hofften auf diese Weise die verhaßten Grundlasten, die Zehenten abschütteln zu können und womöglich ein Stück Land aus dem Klostergut an sich zu bringen.') Einen guten Anteil an den Säkularisationsbestrebungen hatte auch die „ s t a a t l i c h e H a b s u c h t " . Ringseis schreibt in seinen Erinnerungen: „Wenngleich der Haß des Christentums, insbesondere der katholischen Kirche, der Hauptfaktor jenes Schrittes war, hatte doch sicherlich die staatliche Habsucht auch ihren Anteil daran und sah sich zu ihrer gerechten Strafe durch persönliche Habsucht und Untreue der mittleren Diener um den Gewinn geprellt." 2 ) Habsucht war es auch, die den anfänglichen Plan, nur die Mendikantenklöster aufzuheben, bald verstummen machte; denn bei diesen war wenig oder nichts zu holen. Man wollte sich auch nicht mehr mit der Aufhebung von einigen besser begüterten Klöstern begnügen; denn, meint Finanzminister v. Hompesch, der schon 1799 zur Deckung des laufenden Defizits im Staatshaushalt die Einziehung von Kirchengut im Werte von 3 Millionen Gulden befürwortet hatte, b ) „sonst würde ja der sieche Zustand des Staatskörpers bleiben und weder dem Staat noch dessen Kassen eine ausreichende Hilfe verschafft werden, wogegen bei Säkularisation sämtlicher Stifter man den Vorteil hat, dem kranken Staatskörper ein wahres und dauerhaftes Heilmittel zu verschaffen. Um das Publikum zu gewinnen, dessen aufgeklärten Teil man ohnehin bei dieser Maßregel auf seiner Seite habe, würde man den ansehnlichen Teil der eingezogenen Kirchengüter auf längst erwünschte, allgemein wohltuende fromme Stiftungen, als Priesterhäuser, Witwen- und Armenanstalten, Verbesserung des Erziehungswesens usw. verwenden müssen, wobei man zugleich dem rechtlichen Grund der Reformation getreu bleiben würde. Alsdann aber dürfte die in den geistlichen Gütern gesuchte schnelle Ressource für die Staatskasse, besonders für die Landes-Defension sehr mager ausfallen; doch eine jede Ressource, so klein sie auch ist, darf in diesen kritischen Zeiten nicht vernachlässigt werden." 4 ) Derselbe v. Hompesch schlug in der geheimen Staatskonferenz vom 4. Febr. 1800 vor, „daß die Mönche selbst als die am meisten Beteiligten gewonnen werden müßten, indem man sie nicht nolentes 1 ) z. B. „Was hofft sich der bairische Landmann von der Aufhebung der Klöster?» 1803. 2) Ringseis, Erinnerungen I 49. 8) Bayer. Geh. Staatsarch. K schw. 563/37. 4) Bayer. Fin.-Min., Gener. 159 „Die Mendikanten und ständischen und nichtständischen Klöster und Abteien", Antrag Hompeschs vom 30. I. 1800.



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volentes in andere Klöster unterstecke, sondern ihnen anheimstelle, ob sie sich in eines der reservierten Klöster begeben oder aber eine angemessene Pension an einem beliebigen Orte verzehren wollten. Hierdurch würde zweifelsohne eine Menge Individuen, welche sonst den größten Lärm erheben würden, besänftigt und sogar dahin gebracht werden, daß sie sich selbst den etwa entstehenden Lärm zu unterdrücken, eifrigst angelegen sein lassen würden." 1 ) „Die Staatskassen sind leer, die Klöster aber reich."") Das war der Refrain, der in allen Verhandlungen über die Säkularisation immer wiederkehrte. Durch den Besitz der Klostergüter könne der Geldnot mit einem Male abgeholfen werden. Man habe den Jesuitenorden abgeschafft und dessen Güter säkularisiert; nun könne man ebensogut die anderen Orden aufheben. Montgelas mißriet zwar anfangs mit Rücksicht auf die Stimmung des Volkes dem Kurfürsten die Aufhebung aller Klöster. Indes etwas mußte geschehen, um den zerrütteten bayerischen Finanzverhältnissen wieder aufzuhelfen. Denn der kurfürstliche Geheime Referendaire J . Utzschneider hatte nicht zu schwarz gesehen, wenn er in einem landschaftlichen Antrag vom August und Oktober 1 7 9 9 ein wenig rosiges Bild von Bayerns Geldlage entwarf und, von der „Fabrizierung von 4 Millionen Gulden Kassenscheinen abratend, den Verkauf von geistlichen Gütern in der oberen Pfalz empfahl. Denn „dies ist den Zeitumständen angemessener und der Nation minder schädlich als Kassenscheine ohne Hypothek und ohne hinlängliche Diskontierkasse. Eine Papierbank in einem Staate, in welchem so unordentliche Staatswirtschaft, wie dermalen in Bayern herrscht, ist ein gefährlich Ding und meistenteils ein Mittel um auch die Nation bankerott zu machen. Es ist wirklich ein Mittel, das man gewöhnlich nur in der Verzweiflung wählt und das noch allen Regierungen und Staaten übel b e k a m . " 3 ) Nicht anders Gustav v. Lerchenfeld, der Sohn des damaligen Finanzministers, der von einer bayerischen Staatsschuld von 2 8 2 4 5 6 7 6 fl 27 kr. zu berichten weiß. 4 ) „Das Deficit war ein ständiger Artikel, die Kassen waren leer, so daß nur der angestrengteste Scharfsinn die Mittel zur Deckung der laufenden Ausgaben herbeischaffen konnte; der Staat war ohne Credit, so daß selbst seine Wechsel nur mit unerhörten Verlusten umgesetzt wurden, das Rechnungswesen wurde durch eine Menge von Specialfonds ungemein verwickelt und schwer zu übersehen, noch schwerer zu controliren. Aus den Zeiten unerschwinglicher Anstrengungen hatten sich Millionen von großentheils uneinbringlichen Ausständen gehäuft, die Rechnungen der Unterbeamten waren seit lange nur von Jahr zu Jahr summarisch abgeBayer. Fin.-Min., Gener. 159, Conv. I, geh. Staatskonferenx v. 4. II. 1800. Vgl. Schreiber Wilh., Geschichte Bayerns II 313. 8 ) Bayer. Geh. Staatsarch., K schw. 5 6 3 / 3 7 ; siehe Anhang Nr. 1 u. 2. *) Lerchenfeld Gustav v., Geschichte Bayerns unter König Maximilian Joseph I., S. 334. 2)

— 13 — schlössen, aber niemals gründlich und erschöpfend revidirt, also nirgends Gewißheit, nirgends eine haltbare Grundlage festgestellt." 1 ) Was anderes konnte da vor dem völligen Staatsbankerott noch retten als eben die allgemeine Säkularisation des Kirchengutes? So lag der Gedanke „das aller Anstrengung der Finanzkunst spottende Defizit der Finanzen mit einem Male und, wie man hoffte, für immer auszufüllen, wahrlich zu nahe, war zu sehr im Ideengange der Zeit begründet, um nicht ergriffen zu werden." 2 ) Der klosterfeindlichen Presse kam die Not des Staates natürlich äußerst gelegen. Jetzt konnte sie, unbekümmert um Zensurverbote, die Aufhebung der Klöster als das Allheilmittel zu einer Gesundung des staatlichen Finanzwesens propagieren und dadurch vielen aus dem Volke weniger gehässig erscheinen lassen, und andererseits der Regierung für ihre Maßnahmen den Rücken steifen. So empfahl eine publizistische Schrift jener Zeit den Regierungsmännern die Aufhebung der Klöster, weil auf diese Weise „für das Aerarium ein gewisser und großer Gewinn entstehe und, wenn es nach einem alle Finanzen erschöpfenden Kriege das Staatsverwaltungsbedürfnis ist, jedes erlaubte und ausführbare Mittel zur Verminderung der Ausgaben und zur Vermehrung der Einnahmen willkommen zu heißen, so werde auch diese nicht wie manche andere, auf unsichere Spekulationen, sondern auf gewissen Nutzen berechnete Maßnahme niemand unwillkommen sein können, dem die Staatswohlfahrt am Herzen liegt." 3 ) Der Gewinn aus den säkularisierten Kirchen- und Klostergütern würde, so glaubte man, die Lasten, die aus der Säkularisation so vieler Klosterleute erwachsen würden, bei weitem aufwiegen. Denn, berichtet der General-Landesdirektionspräsident v. Weichs am 23. XI. 1803 an den Kurfürsten, „so wenig diese Klostergebäude mit und ohne Mönche in Zukunft, wenn sie erhalten bleiben, nützen können, so wesentliche Resourcen können dieselben für die Staatskasse abgeben, wenn sie zum Abbrechen teilweise öffentlich versteigert werden. Man darf mit Zuversicht annehmen, daß jedes Kloster durch den teilweisen Verkauf des Dachzeuges, Dachstuhls, der vielen kupfernen Rinnen, der Öfen, Türen, Fenster usw. wenigstens, eines in das andere gerechnet, 10000 fl abwerfen werden, woraus, wenn man nur dreißig Klöster hiezu annimmt, in ein paar Monaten 300 000 fl der Staatskasse zufließen werden. Dabei sind die Steine, welche nach und nach von diesen Gebäuden durch die einschlägigen Rentämter verkauft werden können, noch gar nicht in Anschlag gebracht. Aber schnell muß diese Maßregel ausgeführt werden, wenn sie ein vollständiges Resul'") Lerchenfeld Gustav v., Geschichte Bayerns unter König Maximilian Joseph I., S. 82. 2) ebd. S. 33. 3) Flugschrift: „Notwendigkeit der individuellen Säkularisation oder der zu erteilenden Erlaubnis, daß die in den höheren Weihen stehenden Geistlichen in den Laienstand übertreten dürfen", S. 39.

— 14 — tat liefern soll. Denn noch während der Anwesenheit der Lokalkommissäre, der Administrationsbeamten, der Gerichtsdiener geschahen fast in jedem Kloster kleinere Diebstähle an Eisen und Kupfer. Wie würde es gehen, wenn die Klostergebäude von diesen verlassen sind?" 1 ) Zudem versprach man sich, daß ein guter Teil der Mönche — man schätzte ihre Zahl auf ein Drittel — freiwillig in die Welt zurückkehren würde. So blieben dem Staate auch die diesen zustehenden Pensionen erspart. Vor allem würden die jüngeren Mönche in ihrer Mehrheit den Laienstand wieder annehmen, die älteren aber ohnehin bald sterben. Aus einem Aufruf des Abtes Lambert von Seeon vom 7. Aug. 1802 an die benachbarten Klöster erfahren wir, daß von der Regierung sogar versucht wurde, gegen Verheißung ansehnlicher Pensionen „den Mönchen ihre Güter und Habseligkeiten abzulocken. Die Mönche des Klosters St. Veit bei Neumarkt hätten bereits in diesen Köder gebissen." 2 ) Auch Max IV. war ein getreuer Schüler der Aufklärung. Schon bei den Rastatter Friedensverhandlungen war sein Bevollmächtigter instruktionsgemäß entschieden für die Säkularisation eingetreten, „ohne welche kein weiterer Fortschritt im Friedensgeschäft zu hoffen sei." 3 ) Auch hatte er in einem kurfürstlichen Rescript vom 9. IX. 1801 den Klöstern schon alles Eigentumsrecht abgesprochen.4) Von ihm war also kein Widerstand zu erwarten, umsoweniger als ja — es waren die Zeiten ausgeprägtesten fürstlichen Machthungers — die Kirche einen wesentlichen Verkleinerungsfaktor seiner Herrschergewalt bedeutete. Er war bereit auch den letzten Schritt zu tun: die Aufhebung aller Klöster und Abteien in seinem Gebiet. An geeigneten Ausführungsorganen mangelte es ebenfalls nicht. Max Joseph hatte es verstanden, in allen Zweigen seiner Staatsverwaltung die wichtigsten Ämter mit ehemaligen Illuminaten und Aufklärern zu besetzen, die schon von der hohen Schule her die Ausrottung jeder äußerlich hervortretenden lebendigen Religiosität — oder wie sie es nannten „des Aberglaubens" — als eine ihrer Hauptaufgaben betrachteten. Ihre Gesinnung bekunden am besten die Worte, die einer aus ihnen, Christoph Frh. v. Aretin am 1. April 1803 selbst niedergeschrieben: „Zwischen gestern (dem Tag, an dem den Mönchen die Verwaltung ihrer Abteien abgenommen wurde) und heute stand eine Kluft von tausend Jahren: Heute ist der Riesenschritt über diese unermeßliche Kluft gewagt. Von heute an datiert sich eine Epoche der baierischen Geschichte, so wichtig, als in derselben bisher noch keine zu finden war. Von heute an wird die sittliche, geistige und physische Kultur des Landes eine ganz veränderte Kreisarch. München, MF 571/566. Bayer. Fin.-Min., Gener. 159, Conv. II. 9) Hüffer, Diplom. Verhandlungen aus der Zeit der franz. Revolution, II 210 ff. 4 ) Höfler, Goncordat und Constitutionseid, S. 2. 2)

— 15 — Gestalt gewinnen. Nach tausend Jahren noch wird man die Folgen dieses Schrittes empfinden. Die philosophischen Geschichtschreiber werden von der Auflösung der Klöster, wie sie es von der Aufhebung des Faustrechtes taten, eine neue Zeitrechnung anfangen und man wird sich dann den Ruinen der Abteien ungefähr mit eben dem gemischten Gefühl nähern, mit welchem wir jetzt die Trümmer der alten Raabschlösser betrachten." 1 ) Alle Aufklärer aber in Rayern überragte der große Reformer Frh. Maximilian von Montgelas, der einstige Illuminat. In seinem Neubau des bayerischen Staates war für die Klöster kein Platz mehr. Mit seiner Aera bricht die flavaria Sancta zusammen. So war in Rayern alles disponiert für die Aufhebung des geistlichen Resitzes. Nicht viel anders war es über dem Lech drüben. Im alten A u g s b u r g e r Rathaus saßen ein v. Pflummern, ein v. Seida, v. Ritter, von Rotberg und Riermann. Sie waren nicht weniger aufgeklärt und schielten schon damals gern nach dem gesinnungsverwandten Rayern hinüber. Nur mit Widerwillen sahen sie das lebendig religiöse Leben der katholischen Revölkerung. Die Mönche galten ihnen großenteils als „determinierte Feinde der Aufklärung und fanatische Schwärmer, welche am besten nach dem Reispiel der Ex-Jesuiten möglichst bald von Augsburg zu versetzen seien." 2 ) Freilich war es auch mit den Augsburger Finanzen nicht besser als mit den bayerischen bestellt : Die Reichsstadt hatte ein jährliches D e f i z i t von 72000 Gulden. 3 ) Eifrigst unterstützt wurden die Säkularisationsbestrebungen der Regierungen durch eine in Massen auf den Markt geworfene, meist anonyme F l u g s c h r i f t e n - L i t e r a t u r . 4 ) „Man macht sich heutzutage nur selten mehr eine Vorstellung von der Heftigkeit jenes literarischen Sturmes, jenes Geheuls aus Rüchern, Rroschüren, Zeitschriften und Zeitungen, das einst in Deutschland dem katastrophalen Unwetter der Säkularisation vorangegangen ist. Wie immer, so sollte auch damals das Wort der Wegbereiter der Tat sein; im Wort, vor allem im gedruckten Wort, entlud sich zuerst die klosterfeindliche Stimmung gewisser Kreise, gleichzeitig sich steigernd und ausbreitend, bis sich zuletzt ein fast allgemeiner Haß in der Aufhebung aller deutschen Klöster austoben konnte. Rereits seit 1700 machte sich in der geistigen Atmosphäre Deutschlands dieser Sturm bemerkbar, zuerst nur in einzelnen Stößen, dann etwa seit 1760, in fast ununterbrochenem Geheul." 5 ) ,,Es gehörte in den aufgeklärten Kreisen geradezu zum guten Ton, sich an den Schäden des Mönchtums die literarischen Sporen ') Aretin v. Christoph, Beyträge zur Geschichte und Literatur, I 98 f. Oberdonau-Itreisregierung, Kammer des Innern, Akt 69, II. Bd. 8 ) Meyer Christ., Die letzten Zeiten der freien Reichsstadt Augsburg, S. 11. 4 ) Ausführlich berichtet darüber Wöhrmüller Bon. in seinem Artikel: „Literarische Sturmzeichen vor der Säkularisation", Studien und Mitteilungen des Benediktinerordens Jhrg. 1927, Neue Folge 14. Bd., S. 12 ff 6) ebd. 2)



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zu verdienen." 1 ) „Ehre suche ich nicht; würde ich diese suchen, müßte ich wider die Klöster schreiben." 2 ) Zwar versuchten einige Publizisten auch für die Klöster ein gutes Wörtlein einzulegen. Allein sie kamen nicht auf gegen die Unmasse von Broschüren, die einer allgemeinen Säkularisierung der geistlichen Güter das Wort redeten. Nur wenige legten sich mit Recht die Frage vor, warum die geistlichen Stände allein die ganze Entschädigung für die weltlichen Fürsten leisten sollten, und traten höchstens für eine teilweise Aufhebung der geistlichen Güter ein. Andere wieder befürworteten nur eine Modernisierung und Anpassung der klösterlichen Verfassungen an die neue Zeit der „aufdämmernden Morgenröte". Allein weder die einen noch die andern übten auf den Gang der Ereignisse einen merklichen Einfluß aus; denn die Säkularisation war eine bereits beschlossene Sache, welche weder durch die triftigen Gründe gegen die projektierte Beraubung der Kirche gehemmt noch durch die in allen Tonarten besungene Beschönigung dieses Raubwesens gefördert werden konnte." 3 ) Mit Vorliebe suchte die klosterfeindliche Presse die Säkularisation der Klostergüter vor einer unwissenden LeserweLt mit der Behauptung zu beschönigen, daß die Klöster schon lange ihren ursprünglich guten Zielen, Zentren der Kultur zu sein, untreu geworden und ihre Aufhebung nur die gerechte Strafe dafür sei. Die aufgeklärten Publizisten Deutschlands, das seine Kultur zu einem guten Teile den vielhundertj ährigen Benediktinerklöstern verdankte, wollten die großen Kulturwerte, die auch die Klöster ihrer Zeit noch schufen, nicht sehen. Sie warfen den Klöstern vor, sie seien von ihrer einstigen wissenschaftlichen Höhe herabgesunken, ihre Klosterdisziplin sei erschlafft, und es sei kein Unrecht, von einer Lethargie des Klosterlebens zu sprechen. Weder der eine noch der andere Vorwurf war berechtigt. Ringseis schreibt in seinen Erinnerungen: „Wenn wir fragen, warum, oder da wir den eigentlichen Grund wohl nur im Haß des Christentums suchen dürfen, unter welchem Vor wand jene Barbarei der Klosteraufhebung ausgeübt wurde, so hören wir, daß die in Bayern so kärglich zurückgebliebene Wissenschaft, der vernachlässigte Volksschulunterricht solche Opfer geheischt hätten. Und diese zum mindesten schiefe Behauptung wird ohne weiteres und ohne Untersuchung gläubig hingenommen." 4 ) Waren die Klöster des 18./19. Jahrhunderts wirklich selbst schuld an ihrer Aufhebung oder will man mit solchen Behauptungen nur die Unterdrückung aller Klöster minder gehässig machen? Doeberl M., Entwickelungsgeschichte II 404. ) Flugschrift: „Die Klöster waren nie so notwendig als heutzutage", S. 59. ) Vgl. (Haller) Geheime Geschichte, I 454. 4 ) Ringseis, Erinnerungen I 52. 2

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— 17 — Wenn mit der Freiheit des geistigen Schaffens sich manchmal auch eine Freiheit der Lebensführung verband, wie sie mit den strengen Gesetzen des mönchischen Lebens nicht immer verträglich war, so darf uns das nicht allzu sehr wundernehmen. Wir würden auch der Wahrheit keinen Dienst erweisen, wollten wir leugnen, daß zuweilen auch in manchen Klöstern Verirrungen vorgekommen sind und Mißstände geherrscht haben. Der neue Zeitgeist hatte tatsächlich auch in dem einen und anderen Kloster seine Verheerungen angerichtet, die Disziplin gelockert und ein Abweichen vom Geiste des Ordensstifters bewirkt. Doch muß der Wahrheit Ehre gegeben werden. Nur in sehr wenig Ordenshäusern war der alte Eifer am Anfang des 19. Jahrhunderts nicht mehr vorhanden. Gerade für die süddeutschen Benediktinerklöster trifft der Vorwurf einer Erschlaffung des Ordensgeistes am wenigsten zu. Eine publizistische Schrift, die „der preiswürdigsten Regierung" rät, „die menschenbeglückenden Pläne der Säkularisation durchzuführen", schreibt selbst: „Gerade dieBenediktinerklöster waren es, die bisher immer noch am meisten von dem eigentlichen Mönchsgeist beibehielten und am wenigsten von einer zweckmäßigen und den Bedürfnissen des Zeitalters angemessenen Reform angenommen haben." 1 ) Es steht heute fest, daß um die Wende des 18./19. Jahrhunderts in den Klöstern, besonders denen des Benediktinerordens, noch ein ungemein reges geistiges Leben herrschle. Immerhin bemerkenswert scheint doch ein Brief des Abtes Rupert Kornmann von Prüfening, den dieser mehr als 20 Jahre später an P. Placidus Braun schrieb: „Daß die Klöster in den letzten Zeiten keine großen Erinnerungen von sich zurückgelassen haben, ist wahrlich eine schiefe Meinung. Ich bewunderte in vielen Abteien die neuen schönen Anlagen und Unternehmungen, die von Zeit zu Zeit für Kunst und Wissenschaften gemacht wurden. Man schritt still und unternehmend mit jenem guten Geiste fort, der baut und verbessert, nicht aber mit jenem, der nur zerstört.2) Die Bibliotheken wurden vergrößert, mathematische ') Flugschrift: „10 Paragraphen über das Klosterwesen in Bayern", S. 14. W i e sich sonst Abt Rupert zur Aufklärung stellte, erfahren wir übrigens aus seiner „Sibylle der Zeit aus der Vorzeit" III 247: „Ich bin weit entfernt, mich gegen den schönen Geist der wahren Aufklärung zu erklären oder der Dummheit, dem Bigotismus und dem Wandeln im Finstern das Wort zu sprechen. Ich habe selbst sowohl in meinem Beruf als in meinem Wirkungskreis der Aufklärung lange gedient und das Vergnügen gefühlt, durch ein sanftes Bearbeiten einer gutwilligen Erde Früchte zu sehen, deren Wachstum man kaum bemerkt hatte. Mit einem Male aber geschah der große Trompetenstoß um die Geisterwelt schnell zu erschüttern und durch einen raschen Uebergang zu anderen Begriffen die Menschen zu überzeugen, daß sie weder denken noch glücklich sein dürfen, wie sie es wollen. Die Aufklärung sollte nun nicht mehr durch eine sanfte Morgenröte, sondern durch Donnerschläge herbeigeführt werden. Wenngleich Gewalt und Zerstörung die Mittel hiezu waren, so erteilte mein dennoch ihren Ruinen den Namen der Prachtwerke des menschlichen Geistes und feiner Sitte, während nach dem ewigen Cirkel der Dinge die Befehlshaber der großen Aufklärung in ihrem Wirkungskreis das nämliche taten, worüber sie die vergangenen Zeiten angeklagt hatten." 2)

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Museen, Naturalienkabinette und Sammlungen aller Art angelegt, und ein Kloster feuerte das andere zu ähnlichen Unternehmungen an. Ausnahmen gab es freilich, allein auch diese wären bald verschwunden. Die neu angelegten Bibliotheken und andere Sammlungen von Instrumenten und Naturalien in den Städten von Bayern bezeugen es zur Genüge, und alles, was man uns geraubt hat, ist widerwillig zu unseren Ehrensäulen und Andenken geworden. Die Klöster wurden gerade in dem schönsten Lauf und Fortschreitung zu feiner und gemeinnütziger Bildung zum Tode verurteilt." 1 ) Auch in der alten Reichsabtei St. Ulrich hatten, getreu dem Herkommen, die Wissenschaften noch immer eine Heimstätte. Gerade unter ihren letzten Mitgliedern befanden sich noch tüchtige Geistesmänner, wie der Professor des Kirchenrechts, der Moral- und Pastoraltheologie an der Salzburger Universität, Dr. P. Leonh. Neumayr, der Mathematiker und Physiker P. Augustin Drichtler, 2 ) daneben das spätere Mitglied der Akademie der Wissenschaften in München P. Placidus Braun. Waren ja auch gerade die drei letzten Äbte eifrige Förderer der Wissenschaften gewesen. Braun berichtet, daß Abt Joseph Maria v. Langenmantel (1753—1790) in den Seinigen „den Eifer zu den Wissenschaften durch Einrichtung einer verbesserten Lehranstalt und öffentliche Prüfungen geweckt habe. Unter ihm erhob sich der regsamste Eifer in allen Gattungen der Wissenschaft und man rückte mit dem Zeitgeist mächtig voran. Die Bibliothek wurde mit großem Aufwand neu angelegt, die seltensten Ausgaben der griechischen Klassiker dem Staube entrissen, über 700 Handschriften geordnet und eine Menge neuer Bücher angeschafft, die Incunabeln und Handschriften beschrieben und kritisch behandelt und erstere mit mehreren Alphabeten in Kupfer gestochen versehen." 3 ) Der wissenschaftliche Ruhm des Stiftes ließ noch kurz vor der Aufhebung (1798) Fürstbischof Clemens Wenzeslaus und sein Ordinariat in Augsburg mit den Benediktinern St. Ulrichs in Verhandlungen eintreten, um sie zu veranlassen, im Verein mit andern Klöstern ihres Ordens die Universität Dillingen zu übernehmen. 4 ) So war es keine leere Redensart, wenn der Nekrolog auf den vorletzten Abt Wikterp (gest. 1795) diesem und seinen Mönchen das rühmliche Denkmal setzt: „Primas eo curas intendit, ut scientiarum amor in suis magis magisque effervesceret earumque cultura perpoliretur, ut museum physico - mathematicum et machinis Kornmann an Braun am 29. VI. 1825, Manuskr. S. Ord.-Arch. Augsburg, Korrespondenz P. Placidus Brauns, Fasz. XI. 2) E r wurde der Erfinder des Blitzableiters. 8) Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Braun Placidus, Geschichte des Reichsstifts I, 7. 4 ) ebd.: Aus dem Nachlaß des P. Placidus Braun, Ges. Schriften, Fasz. A, vgl. hiezu in „Studien und Mitteilungen" 1921, 41. Bd., S. 74 ff.: Specht Thom. „Projekt der Übertragung der Universität Dillingen an die schwäb. Benediktinerkongregation".

— 19 — astronomicis et rebus naturalibus decoraretur, bibliotheca insignibus augeretur operibus et archivum ad leges diplomáticas instrueretur. Silentio haud praetereundum virum istum praesertim iuvenes studiis deditos oculitus amasse suaque benignitate insigniter fovisse." 1 ) Zwar war auch das Reichsstift St. Ulrich unter der selbstherrlichen und kostspieligen Regierung des Abtes Joseph Maria v. Langenmantel (1753—1790) nicht unberührt geblieben von dem falschen Aufklärungsgeiste. Der Chronist des Stiftes berichtet, daß im Innern „eine krebsartige Krankheit um sich gefressen, die den Geist lähmte und die Ordnung störte; dabei wirkten vorzüglich mit der freche, durch ungebundene Freiheitsliebe mißdeutete Zeitgeist, die Zerrüttung des zeitlichen Wohlstandes, die immerwährenden Kriegsunruhen und endlich die schon längst drohende und vor Augen schwebende gänzliche Auflösung des Ordensstandes." 2 ) Aber unter den beiden folgenden Äbten Wikterp Grundner (1790—1795) und Gregor II. Schäffler (1795—1806) hatte sich die Disziplin wieder so gefestigt, daß ein Gutachten des aufgeklärten Augsburger Ratsherrn Frh. v. Seida, der gerade für die Reichsabtei am wenigsten übrig hatte, dieser 1805 ungewollt das ehrende Zeugnis ausstellte, „daß die Religiösen zu St. Ulrich dem Revolutions- und Reformationsgeist unserer Zeit, der die Mönche und Nonnen aus ihrer Klosterzelle wieder ins bürgerliche Leben versetzt hat, nicht sonderlich hold zu sein scheinen." 3 ) Auch waren die beiden letzten Äbte bestrebt gewesen, zur Vertiefung der Studien, insbesondere der philosophischen und theologischen, zur Abwehr der „Afterphilosophie", wie sie Braun nannte, eine vernünftige Aufklärung durchzuführen, die freilich so manchem aufgeklärten Reichsstädter nicht weit genug ging. „Jetzt erkannten die einsichtsvolleren Mitglieder des Stiftes es wieder als ihre Pflicht, sich vor diesem Kinde der Finsternis zu bewahren und nicht auch das mit soviel Honig vermischte Gift des Unglaubens zu verkosten und wider die Feinde der Religion sich zu bewaffnen." 4 ) Selbst das mitternächtliche Chorgebet behielten St. Ulrichs Benediktiner noch bis zum letzten Drittel des Jahres 1800 bei und verlegten es erst auf 4 Uhr morgens, als die Anwesenheit der französischen Truppen und die Verwendung der Stiftsgebäude als Militärspital sie dazu zwang. 5 ) „So stand es am Ende des 18. Jahrhunderts. Das Beginnen des 19. Jahrhunderts zerstörte auf einmal alles unbarmherzig und öffnete *) Monumenta Boica XXII. Bd., pg. XXII. Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Braun Placidus, Geschichte des Reichsstifts I, 3 ff. s ) Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich, 1 0 (3). 4) Ordinariatsarch. Augsburg, Manuskr. S., Nachlaß des P. Plac. Braun, Ges. Schriften, Fasz. A. 6) ebd., K. 32. 2)

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Tür und Tor der herbeieilenden Barbarei." 1 ) Abschließend darf man sagen: Die große Mehrzahl der Klöster war nicht reif für den Untergang, weder in religiöser noch in wissenschaftlicher Beziehung. Frh. v. Westernach hatte daher nicht so unrecht, wenn er 1828 in der 2. Kammer der bayerischen Ständeversammlung erklärte: „Dem Verdienste seine Krone, wenngleich das Gebein schon unter dem Staube ruht. Ich bemerke dies auch deswegen, um zu zeigen, daß nicht lauter Finsternis von den Klöstern ausgegangen, sondern daß vielmehr, was nicht schwer zu beweisen wäre, die Blendlaternen unserer Zeit ihre Flämmlein aus den Klöstern gestohlen." 2 ) Immerhin erreichten die Flugschriften, die, besonders seit der Aufhebung der Präventivzensur, wie Pilze aus dem Boden schössen, den gewünschten Zweck: die große Masse des Volkes wurde auf diesen ungewöhnlichen rechtswidrigen Akt vorbereitet, sodaß schließlich von dieser Seite kein ernstlicher Widerspruch mehr zu befürchten war und der mehrjährige Federkrieg gegen die Klöster sofort aufhören konnte, nachdem die Politik ihr Schicksal entschieden hatte. Eine in höchster Blüte stehende obrigkeitliche Zensur sorgte überdies eifrig dafür, daß die braven Untertanen nicht unnötig durch die Tageszeitungen beunruhigt wurden, und daß selbst die trockenen Nachrichten, die sie brachten, stets den Absichten der hochmögenden Regierung löblich angepaßt waren. Ein am 11. Hornung 1803 von der kurbayerisch-provisorischen Regierung in Dillingen erlassenes scharfes Edikt über die Preßzensur gebot, daß „alle und jede Schriften ohne Unterschied des Inhalts, gelehrte und politische Zeitungen, Intelligenz- und Wochenblätter zuvörderst an das Generalkommissariat nach Ulm franco einzusenden seien, welches dann auf Erlaubnis oder Verweigerung des Druckes erkennen werde." 3 ) Man wollte so von vornherein etwaigen Widerständen der katholischen Bevölkerung die Spitze abbrechen. Bemerkenswert ist, daß der Kurfürst trotzdem noch das Bedürfnis fühlte, in höchst eigener Person dem Volke die Aufhebung aller Klöster mundgerecht zu machen. Er rechtfertigte sein Vorgehen in einer Entschließung vom 25. Jan. 1802 mit der Behauptung, daß die männlichen und weiblichen Orden Aberglauben und Irrtümer im Volke verbreiteten, dem Staate schädlich und dem Landmann wegen des Betteins lästig seien; auch sei die Klosteraufhebung geboten, weil die Staatsmittel zum Unterhalte der Schulen nicht mehr ausreichten. 4 ) Nachdem auf diese Weise das Volk auf das große Ereignis der politischen und territorialen Umgestaltung des alten Reiches vorbe1) Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Braun Placidus, Geschichte des Reichsstifts I, 8. 2) 8. Bd. der Verhandlungen S. 479; siehe „Studien und Mitteilungen des Benediktinerordens" 1926, Neue Folge 13. Bd., S. 162. 8) Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 413. 95. 4) Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 408



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reitet war, bedurfte es nur noch der formellen Anerkennung des im Art. VII des Luneviller Friedens vom 9. Febr. 1801 bereits aufgestellten Säkularisationsprinzips, wornach den erblichen Fürsten, die durch die Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich Gebiete verloren hatten, „Entschädigungen aus dem Schöße des Reiches" zu geben seien. Der Knoten war jetzt zerhauen und das Signal zum Klostersturm gegeben. „Schon machte sich jeder größere Stand einen Plan, irgend ein Bistum, jeder kleinere eine Abtei, der geringste Edelmann irgend einen Hof davonzutragen." 1 ) Keiner wollte bei der großen Versteigerung der Kirchengüter zu kurz kommen. Bei der allgemeinen Habgier und Selbstsucht aber ist es erklärlich, daß über die Entschädigungen selbst weder der Kaiser noch der Reichstag zu einer Entscheidung kommen konnten. Da indes Frankreich auf der Erfüllung des Art. VII bestand, wurde schließlich am 7. XI. 1801 eine Reichsdeputation niedergesetzt, welche die Entschädigungen ermitteln sollte. Bis diese allerdings zusammenberufen wurde, vergingen abermals zehn Monate. Inzwischen waren aber neue Gewitterwolken am politischen Himmel heraufgezogen. Für den bevorstehenden Krieg gegen Hannover und England brauchte Napoleon Bundesgenossen. Im Einverständnis mit Rußland nahm er daher das Entschädigungsgeschäft selbst in die Hand und suchte mittels dieses Köders die einzelnen Reichsstände an sich zu ziehen und seinem Interesse dienstbar zu machen. Durch beträchtliche Landvergrößerungen gedachte er vor allem der Unterstützung Preußens gegen England sich zu versichern und in Bayern eine Vormacht gegen Österreich zu schaffen, die zwar nicht so stark war, um eigene Politik zu treiben, doch groß genug, um Österreich in Schach zu halten. In Frankreichs Hauptstadt begann ein über alle Beschreibung unwürdiges Wettrennen der nach geistlichem Besitz lüsternen deutschen Reichsstände um die Gunst des kein historisches Recht kennenden Sohnes und Werkzeuges der Revolution. „Es war ein Schacher um Seelen und Quadratmeilen, ein Handel mit deutschen Bistümern, Abteien und freien Reichsstädten, wobei die Fürsten vor dem ersten Consul, seinen Gesandten und Geschäftsmännern, die mit dem Säkularisationsgut nach Belieben schalteten, um die Wette krochen." 2 ) ') Hüffer, Diplom. Verhandlungen III, 227. Pertz G. H. „Das Leben des Ministers Frh. v. Stein" I, 227; vgl. auch Hüffer „Der Kastatter Kongreß" III, 227: „Lehrbach schreibt am 17. XII. 1798: Seit der letzten Note gleicht der Kongreß einer Handlungsbörse." Tremel, Die säkularisierten Klosterwaldungen, S. 1 2 : „Interessant ist auch, wie über dieses Treiben der deutschen Fürsten und ihrer Unterhändler der französische Historiker Bignon dachte: Mit zynischem Behagen eröffnete Talleyrand, der Minister des Auswärtigen, das große Börsenspiel um Deutschlands Land und Leute. Die hochgeborenen Bekämpfer der Revolution bettelten um seine Gnade, machten seiner Maitresse den Hof, trugen seinen Schoßhund zärtlich auf den Händen, stiegen dienstfertig zu dem kleinen Dachstübchen hinauf, wo sein 2)



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Die Bestechungsgelder flößen, reichlich in die weiten französischen Taschen. Die Vorzimmer der Agenten und Minister wimmelten von deutschen Prinzen und Diplomaten. Unter ihnen befand sich zur Sicherstellung der Interessen des bayerischen Kurfürsten Frh. v. Cetto, während die Stadt Augsburg durch ihre zwei tüchtigsten Männer, den Geheimen v. Pflummern und den Ratskonsulenten v. Schelhaß vertreten war. Nach vielem Feilschen kam endlich bis anfangs Juni 1802 in Paris unter Ausschaltung Österreichs durch die beiden „hohen vermittelnden Mächte", Frankreich und Rußland, der erste allgemeine Entschädigungsplan zustande. Für die Reichsstadt Augsburg brachte er gerade das, wovor der Stadt selbst schon lange bange war: sie sollte nebst einigen anderen Reichsstädten ihre Unmittelbarkeit behalten, dafür aber ihren bisher gefürchteten Nachbarn in ihre Mauern aufnehmen; denn das Reichsstift St. Ulrich und das Domstift waren bestimmt, mit all ihren beträchtlichen Besitzungen und Rechten ohne alle Beschränkung an Bayern überzugehen. Damit war für die Stadt eine kritische Lage geschaffen, die ihr den Lebensnerv abzubinden drohte. Wichtige handelspolitische Interessen konnten durch den neuen Eindringling gefährdet werden. Wurde dieser Plan zur Wirklichkeit, dann hatte Augsburgs künftige Unabhängigkeit keine andere Garantie mehr als die Großmut des jeweiligen bayerischen Regenten. Man hätte erwarten sollen, daß der Magistrat der Reichsstadt nun wenigstens alle Hebel in Bewegung gesetzt und keine Mittel gespart hätte, um bei den vermittelnden Mächten eine Abänderung dieses ersten Indemnisationsplanes durchzusetzen. Statt dessen aber konnte man sich im Augsburger Rathaus nicht zu raschem, entschlossenem Handeln aufraffen, verhandelte fast eine Woche lang in gewohnter Gründlichkeit und ließ die Abgeordneten in Paris ohne Instruktion warten. Diesen blieb schließlich nichts anderes übrig, als selbständig vorzugehen. Um zu retten, was noch zu retten war, traten sie „im Namen des Senates der Stadt" in einem Memoire vom 7. Aug. 1802 an Talleyrand mit der Bitte heran, unter anderem zu bestimmen, daß es „dem neuen Besitzer nicht erlaubt sein solle, Truppen nach Augsburg zu verlegen, Fabriken zu bauen oder ähnliche Einrichtungen zu treffen, welche die verfassungsmäßige Unabhängigkeit oder Handelsfreiheit der Stadt stören könnten. Auch sollten alle bisherigen Immunitäten der Geistlichen von dem Moment an aufhören, wo die Besitzungen des Bischofs, des Domkapitels, des Gehilfe Matthieu hauste. Das Gold der kleinen Höfe, das sie niemals finden konnten, wenn das Reich sie zur Verteidigung des Vaterlandes aufrief, floß jetzt in Strömen. Jedermann in der diplomatischen Welt kannte den Tarif der französischen Unterhändler und wußte, wie hoch der Kurswert einer Stimme im Fürstenrat sich stellte." Noch bitterer ist, was der bayerische Ritter Karl Heinrich v. Lang im zweiten Teil seiner Memoiren (S. 53) über dieses Wettlaufen der deutschen Fürsten schreibt. Vgl. Treitschke v. H., Deutsche Geschichte im 19. Jahrh. 8. Aufl., I, 184 ff.

— 23 — Immediatstiftes St. Ulrich und des gesamten Klerus in Laienhände fielen, weil diese bisher nur deswegen von der Jurisdiktion und den Abgaben an die Stadt frei gewesen seien, weil sie eben Geistliche waren." 1 ) In der Besorgnis, im ersten Memoire noch zu wenig gefordert zu haben, gingen die beiden Augsburger Abgeordneten wenige Tage später in einem zweiten Memoire noch weiter, nachdem inzwischen auch die Instruktion des Senates eingetroffen war. Um die gefürchtete Abhängigkeit von Kurbayern abzuwenden, baten sie jetzt, der Reichsstadt wenigstens alle in ihrem eigenen Burgfrieden gelegenen geistlichen Güter und Gerechtsame des Bischofs, Domkapitels und unmittelbaren Reichsstiftes St. Ulrich und aller mittelbaren Stifter und Klöster zuzuteilen.2) So hofften sie sowohl den gefahrlichen Nachbar von ihren Mauern fernzuhalten, als auch die geistlichen Güter in Augsburg, von deren Wert sie sich ungeheuerliche Vorstellungen machten — sie glaubten ihn mit drei Millionen Gulden nicht zu hoch angeschlagen zu haben — an sich zu bringen. „Gegen alles Erwarten sagte der allmächtige Talleyrand dem augsburgischen Begehren Geneigtheit zu und erbot sich, der Reichsstadt alle in ihren Mauern gelegenen geistlichen Besitzungen und Gerechtsame, auch die des Hochstifts und Reichsstifts, zu verschaffen, vorausgesetzt, daß die Reichsstädter, die schon vorher große Geldopfer für die Erreichung ihrer Wünsche gebracht hatten, sich anheischig machen wollten, gleich nach der völligen Einweisung in den Besitz für seine Bemühungen („Negotiation") neuerdings 200 000 fl und für die Gegenstände selbst 400 000 fl in gewissen Fristen zu entrichten." 3 ) Trotz der Ungeheuerlichkeit dieser Forderung des Pariser Maklers waren die Stadtväter im wesentlichen mit diesem Angebot einverstanden. Sie waren ja des festen Glaubens, bei dem seinerzeitigen Erwerb der geistlichen Güter für diese Kaufsumme reichlich entschädigt zu werden. Hätte freilich der Senat das eigene baldige Ende der Reichsstadt und die Schwierigkeiten, in die er dieses Handels wegen mit Bayern noch kommen würde, vorausgeahnt, er würde kaum solch gewaltige Belastungen des städtischen Ärars auf sich genommen und sich so angelegentlichst um den Erwerb geistlicher Güter bemüht haben. Das Geld tat seine Wirkung. Der am 8. Okt. 1802 der Reichsdeputation vorgelegte neue Entschädigungsplan, der sog. plan supplémentaire, trug in seinem § 27 den augsburgischen Wünschen in weitgehendem Maße Rechnung. Bayern freilich konnte den Schmerz über den Verlust der geistlichen Güter in Augsburg, insbesondere ') Haupt K., „Die Vereinigung Bayer. Geh. Staatsarch. K Landesdirektion Ulm vom 21. XII. 3 ) Haupt K., Vereinigung der

der Reichsstadt Augsburg mit Bayern", S. 25 f. schw. 591/69 Vortrag Lerchenfelds in der 1802. Reichsstadt Augsburg mit Bayern, S. 28.

— 24 — derer des Reichsstifts, nur schwer verwinden. Es verlangte daher für ihren Entgang von der Stadt eine jährliche Rente oder eine einmalige A v e r s a l s u m m e . A l s es auch mit dieser Forderung nicht durchdrang, suchte es sich in der Folge dadurch zu entschädigen, daß es bei den Ausgleichsverhandlungen mit der Stadt seine Forderungen von vornherein möglichst hochschraubte.2) Die Stadtväter waren sich von Anfang an wohl bewußt, daß auch die neue Lösung der Entschädigungsfrage mit großen Schwierigkeiten verbunden sein würde. Sofort erhoben sich hiegegen begründete Bedenken wegen der rechtlichen Verpflichtung zur Bestreitung der Kultusbedürfnisse. Bisher hatte ja die katholische Bevölkerung nie nötig gehabt, für den Unterhalt der Geistlichen und die Bedürfnisse der Seelsorge aufzukommen, da dies alles von jenen geistlichen Instituten, denen eine Pfarrei angeschlossen war, selbst bestritten worden war. Da nun aber die auswärtigen Besitzungen der Klöster, deren Einkünfte zu einem guten Teil eben dafür Verwendung gefunden hatten, in fremde Hände fielen, so konnten für die Stadt unabsehbare politische und finanzielle Schwierigkeiten erwachsen. Die Stadt mußte nach Aufhebung der Klöster entweder selbst mit hohen Kosten für die Neueinrichtung des katholischen Kultus aufkommen oder in unangenehme Abhängigkeit von dem Erwerber jener Besitzungen geraten. Was für eine Verwirrung aber würde entstehen, wenn ein fremder Landesherr durch Dotierung der Pfarreien Einfluß auf das Augsburger Kirchenregiment gewann, während die Stadt nur in politischen Dingen Herr darüber war? Dazu kam, daß die Stadt nach der Säkularisation der Klöster auch die zahlreichen Klosterleute erhalten mußte, die vermutlich in Augsburg weiterleben wollten, zumal sie sich großenteils aus Augsburger Bürgersöhnen zusammensetzten.3) Kein Wunder, daß die ungemütliche Situation, in der die Stadt sich nun befand, den Ratskonsulenten Hoscher zu der pessimistischen Betrachtung veranlaßte: „Die hiesigen geistlichen Besitzungen gleichen einem bezauberten Schlosse, welches seinen Eroberer selbst nach erfolgter Einnahme mit einem augenscheinlichen Tode bedroht." 4 ) Die Hoffnung aber, auch die auswärtigen Besitzungen der Klöster zu erwerben, mußte die Stadt schon sehr bald aufgeben. „Der französische Gesandte in Regensburg Matthieu hatte es in seiner barschen, aber geraden Art dem Augsburger Gesandten, Ratskonsulent Steinkühl, ins Gesicht gesagt, daß an eine Gebietserweiterung extra territorium gar nicht zu denken sei. Wenn man so etwas gewollt hätte, so hätte man vor mehreren Monaten handeln müssen; da hätte man ) ) 8) *) J

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Haupt K., Vereinigung der Reichsstadt Augsburg mit Bayern, S. 41. Siehe 4. Kap. Haupt K., Vereinigung der Reichsstadt Augsburg mit Bayern, S. 30. Haupt K., „Die Vereinigung der Reichsstadt Augsburg mit Bayern", S. 61.

— 25 — um IV2 Millionen Gulden wohl für 2 Millionen Wert erhalten können; nun sei alles zu spät. Bayern bekomme alle Mediat- und Immediatklöster mit Vorbehalt der Stadt-Landeshoheit, w e n n s i e b l e i b e , ganz und unabbrüchlich." 1 ) Nach langen, dumpf und trag sich dahinschleppenden Verhandlungen des Reichstages wurde endlich am 25. Febr. 1803 — es war zugleich der Sterbetag des 1000 jährigen heiligen Römischen Reiches deutscher Nation — der von den Gesandten der hohen vermittelnden Mächte, Rußland und Frankreich, der Reichsdeputation in Regensburg vorgelegte Entschädigungsplan als Reichsdeputationshauptschluß 2 ) verkündet. Er stellte im wesentlichen das Projekt dar, welches in den Tuilerien, der Residenz des Ersten Konsuls, ausgearbeitet worden war. Das Reich glich jetzt einem zusammenbrechenden Gebäude, aus dem die den Einsturz Uberlebenden tunlichst viel an sich zu reißen suchten, um aus den Trümmern des Ganzen möglichst stattliche Neubauten aufzuführen. Dem Kaiser blieb hiebei nur noch „der demütigende leere Schein formaler Genehmigung der von fremden Machthabern getroffenen Bestimmungen" 3 ) und die Erhebung dieser Ausgeburt einer geschichtsvergessenen Zeit zum formalen Reichsgesetz, Am 27. April 1803 setzte Franz II. seine Unterschrift unter den RDHS; hätte er diese auch verweigert, die Säkularisation der geistlichen Güter wäre dadurch nicht mehr aufgehalten worden. Die einzelnen Fürsten hatten ja die Entscheidung der Reichsdeputation gar nicht abgewartet, sondern schon Monate vorher von den ihnen durch Napoleon und seine Helfershelfer zugewiesenen neuen Territorien Besitz genommen und schalteten bereits darin wie Souveräne, ohne sich weiter um Kaiser und Reich und Reichsdeputation zu kümmern. 55 deutschen Abteien kündigte der RDHS das Schicksal ihrer Auflösung an. Darunter befand sich das Reichsstift St. Ulrich und Afra, die älteste und ehrwürdigste Stätte der Kultur in Augsburg. Die Artikel 2 und 2 7 b e s t i m m t e n nämlich, daß die Reichsstadt Augsburg und das Kurfürstentum Bayern sich in den Besitz des Reichsstiftes teilen sollten. An den Kurfürsten sollten sämtliche auswärtigen Besitzungen mit all ihren Einkünften und Rechten, an die Reichsstadt aller in ihrem eigensten Gebiet gelegener Besitz des Stiftes samt allen Ein*) Stadtarch. Augsburg, Tagebuch Stetten - Steinkühl vom 13. IX. 1802 nach Haupt „Die Vereinigung der Reichsstadt Augsburg mit Bayern", S. 33 f. 2) In der Folge immer abgekürzt: RDHS. 3) Brück H., Geschichte der kath. Kirche im 19. Jahrhundert, I, 101. 4) Walter, Fontes pag. 238 sq.: Art. 2 „Dem Kurfürsten von Pfalz-Baiern wird für die verlorenen Gebiete die Abtei St. Ulrich, überdies die geistlichen Rechte, eigentümlichen Besitzungen und Einkünfte, welche von der in der Stadt und Markung Augsburgs gelegenen Kapiteln, Abteien und Klöster abhangen, mit Ausnahme jedoch alles dessen, was in besagter Stadt und derselben Markung selbst begriffen ist, zugewiesen." Art. 27: „Augsburg erhält alle geistlichen Güter, Gebäude, Eigentümer, auch Einkünfte in seinem Gebiet sowohl inner- als außerhalb der Ringmauern, nichts davon ausgenommen."



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künften und Gerechtsamen fallen. So war das Schicksal St. Ulrichs entschieden. Den Forderungen des Augenblicks wurden ohne Bedenken eine ehrwürdige Institution und wohlerworbene Rechte geopfert. Macht geht vor Recht! An der Spitze des Stiftes stand damals Abt Gregor II. Schäffler. Auf ihn, den selbstlosen bisherigen Pfarrer an der Stiftskirche, hatten sich die meisten Stimmen geeinigt, als nach dem Tode des gelehrten Abtes .Wikterp die Mönche St. Ulrichs am 3. Febr. 1795 sich zum letzten Male im Kapitelsaal zur Abtwahl versammelt hatten. Braun rühmt ihn als einen Mann „von einfachem, geradem Charakter, der auch als Reichsabt den Umgang mit den Großen des Reichs soviel als möglich mied, dem es aber umso besser unter den Seinigen und in der Unterhaltung mit angesehenen Männern gefiel." 1 ) Nur kurze 8 Jahre waren dem eifrigen Abt noch beschieden gewesen in der Regierung seines Stiftes, das unter den napoleonischen Kriegen gegen Oesterreich und Bayern empfindlich zu leiden gehabt hatte. „Die vorgewesten bairischen Kriegstroublen", 2 ) der Wiederaufbau der durch die abziehenden Sansculotten zum Dank für die einmonatliche Verpflegung im Kloster niedergebrannten ulrikanischen Lechbrücke bei Hochzoll,3) Durchmärsche österreichischer und französischer Truppen, Einquartierungen, mehrmalige Benützung der Klostergebäude als Lazarett, fast unerschwingliche Kriegskontributionen und Lieferungen in die französischen Magazine hatten endlose Ausgaben gefordert, sodaß Abt und Konvent gezwungen gewesen waren, mehrere Revenuen zu verkaufen und einen beträchtlichen Teil des Kirchensilbers einschmelzen zu lassen. Dazu war gekommen, daß das Stift auch aus seinen auswärtigen Besitzungen nur einen geringen Ertrag hatte ziehen können und wollen; denn die Stiftsuntertanen waren gleichfalls durch die allgemeine Kriegs- und Teuerungsnot hart mitgenommen worden. Unter dem Krummstab des Prälaten von St. Ulrich war eben gut wohnen gewesen. So hatte das Stift von seinen Grundholden im Landgericht Schrobenhausen „wegen ehevoriger Ohnvermögenheit der Untertanen und intuite ihrer Erlittenheiten schon 20 Jahre gar keinen Gült eingedient und auf gemachte Vorstellung mit den Untertanen sich berechnet und an ihren ausstehenden ziemliche Tausend Gulden nachgelassen, um sich zu erholen." 4 ) Die jeweiligen Reichsäbte hatten sich während der beiden letzten Jahrzehnte auch Jahr für Jahr beim bayerischen Kurfürsten, mit dem sie immer gute Nachbarschaft hielten, für ihre bayerischen Grundholden, „welche wegen häufig gefallenen Müllthaues, unerhörten Mausfraßes oder erfolgtem gräußlichen Schaur') Braun Placidus, Geschichte der Kirche und des Stiftes St. Ulrich, S. 363. ) Kreisarch. München, Gener. R E G . Fase. 681. Nr. 32/35. 8 ) Der Bau der neuen Brücke kam allein auf 10000 fl zu stehen. (Vgl. Firman, Bayerland Bd. 19, S. 233.) 4 ) Kreisarch. München, Gener. R E G . Fasz. 681, Nr. 32/35. 2

— 27 — schaden dergestalt damnifizirt sind, daß ihnen die Hälfte zu Verlust gieng", um Erlaß des Dezimationsquantums oder „gnädigster Moderirung" verwendet. 1 ) Nach dem Luneviller Friedensschluß aber hatte Abt Gregor geglaubt, endlich „auf eine beseligende Ruhe für sich und die Seinigen hoffen zu können" und daher begonnen, mit 'allem Eifer die Wunden zu heilen, die der 5 jährige Krieg dem Kloster und seinen Untertanen geschlagen, und die stark beschädigten Stiftsgebäulichkeiten „mit ziemlichen Kosten" wieder instandzusetzen. 2 ) Im Verein mit seinen Offizialen war es ihm sogar gelungen, zwei Drittel aller Schulden, die sein zweiter Vorgänger, Abt Joseph v. Langenmantel, durch unglückliche Bewirtschaftung angehäuft hatte, bis auf 363 931 fl. 20 kr. zu tilgen. 3 ) Der Chronist schreibt: „Durch äußerste Sparsamkeit und Auferlegung großer Opfer richtete sich das Stift wieder auf, sodaß es von neuem glücklichen Zeiten entgegensehen durfte." 4 ) Allein bald schon hatten Gerüchte dem Abt und seinem Konvent angekündigt, daß auch ihr Stift in die Entschädigungsmasse geworfen werden sollte. Um dem zuvorzukommen und sein Stift vor der Vernichtung zu bewahren, hatte Abt Gregor weder Kosten noch Mühe gescheut. Als sich 1802 die Reichsdeputation in Regensburg versammelte, hatte er sofort als ständigen Gesandten seinen Syndikus Nauß dorthin mit dem Auftrag geschickt, mit den Gesandten der großen Höfe wegen Erhaltung des Stiftes zu verhandeln. 5 ) Gleichzeitig hatte der gelehrte Archivar des Reichsstiftes, P. Placidus Braun, in einer „historisch-kritischen Untersuchung, ob die St. ulrikanischen inner der Reichsstadt Etter gelegenen Güter der Säkularisation unterworfen seien oder nicht" nachgewiesen, daß auf Grund des § 63 des RDHS" jeder Religion der Besitz und ungestörte Genuß ihres eigentümlichen Kirchengutes nach der Vorschrift des Westfälischen Friedens ungestört verbleiben müsse und somit „die ulrikanischen Güter innerhalb der Stadt daher niemalen der Säkularisation unterworfen sein könnten und der Kirche wieder zurückgestellt werden müßten." 6 ) Allein es wurde ihnen mit Berufung auf den RDHS erwidert, daß laut Art. 35 „alle Güter der fundierten Stifter, Abteien und Klöster, mittelbaren sowohl als unmittelbaren, der freien und vollen Disposition der betreffenden weltlichen Landesherrn sowohl zum Behuf des Aufwandes für Gottesdienst, Unterricht und andere gemeinnützige Anstalten, als zur Verbesserung ihres Finanzwesens überlassen worden seien. Nur seien sie gehalten, die Domkirchen bleibend auszustatten ') Kreisarch. München, Gener. REG. Fasi. 681, Nr. 32/35. Braun Placidus, Geschichte der Kirche und des Stiftes St. Ulrich und Afra in Augsburg, 1817, S. 367. 8) Hartig M., Benediktiner - Reichsstift St. Ulrich und Afra, S. 16. 4 ) Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Braun Plac., Geschichte des Reichsstiftes 1, 33. 5) Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 409, 33. 6 ) Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich IOC) 2)



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und für die Geistlichen Pensionen auszuwerfen." Den nachfolgenden Art. 42 desselben RDHS allerdings, welcher bestimmte, daß „der Landesherr die Klöster nach Belieben aufheben könne, aber nicht müsse, daß er sie auch beibehalten könne," scheint mit Ausnahme des Kaisers selbst fast keiner der deutschen Reichsfürsten gelesen zu haben, auch nicht der bayerische Kurfürst, nicht der reichsstädtischeSenat. Am 20. Okt. 1802 sodann hatte Abt Gregor der Reichsdeputation ein neues eindringliches Promemoria übergeben lassen; er hatte sich darin sogar schon angeboten, auf seine reichsständische Würde und die Reichsunmittelbarkeit des Stiftes verzichten zu wollen, wenn nur St. Ulrich mit Rücksicht auf seine ruhmreiche und ehrwürdige Vergangenheit wenigstens als Mediatstift unter bayerischer Oberhoheit erhalten bliebe. 1 ) Zunächst hatte es den Anschein gehabt, als ob das Bittgesuch Erfolg haben werde. Als aber am 10. Nov. 1802 in der 25. Deputationssitzung das Schreiben des Reichsprälaten endlich in Vorlage gekommen war, hatte es den Deputierten kein großes Kopfzerbrechen verursacht. § 157 des Protokolls über die Verhandlung bemerkt hiezu lakonisch: „Domini subdelegati äußerten, sich mit diesem Gesuch nicht befassen zu können. Also Conclusum: Beruht auf sich." 2 ) Ebenso bündig lautet der Bericht des Chronisten: „Die bereit waren zu helfen, konnten sich selbst nicht helfen, und die übrigen heischten gierig nach fremder Beute." 3 ) Es war nun einmal unabänderlicher Beschluß: St. Ulrich sollte gleich den meisten anderen Abteien aufgehoben werden. Der Historiograph des Klosters leitet sein Kapitel „Widrige Schicksale des Klosters" mit folgenden Gedanken ein: „In der Welt besteht ein immerwährender Wechsel zwischen Sturm und Ruhe, Krieg und Frieden, Verheerung und Wohlstand, Sinken und Steigen, und dieses erfuhren von jeher nicht nur große Staaten, sondern auch kleinere Körperschaften und sogar einzelne Familien. Hiezu kann das Kloster der hl. Ulrich und Afra von seinem Entstehen an bis zu seiner Auflösung mehrere Belege liefern." 4 ) „Viele Stürme hatte das Gotteshaus St. Ulrich und Afra während seines 800jährigen Bestandes überlebt. Jetzt mußte es einem falschen Zeitgeist zum Opfer fallen und wurde ohne das geringste eigene Verschulden mit einem einzigen Federstrich seines rechtmäßigen Eigentums und aller Rechte beraubt und dem Elend preisgegeben." 5 ) Mit Recht schrieb Abt Kornmann von Prüfening 1816 an Braun: „Weder *) Bayer. Geh. Staatsarch. K schw. 557/4 Reichsfriedensdeputationsverhandlungen 1802. Siehe Anhang Nr. 3. а) ebd. 8) Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Braun Placidus, Geschichte des Reichsstiftes I, 33. 4 ) Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Braun Placidus, Geschichte des Reichsstiftes I, 25. б) ebd.

— 29 — Krieg noch Feinde, sondern der Friede hat die unglücklichen Opfer der allgemeinen Umwälzung geschlachtet." 1 ) Welche ungeheuren geistigen Werte mit dem Untergang des Stiftes unwiederbringlich verloren gingen, zeigt ein kurzer Rückblick auf seine Geschichte. Seit der Besiedlung des Klosters 1012 durch den St. Gallener Mönch Reginbald, den ersten Abt, und zwölf Tegernseer Mönche war das Stift aufs innigste mit der Geschichte der Reichsstadt Augsburg und ihrer reichen Vergangenheit verwachsen und im Mittelpunkt ihres geistigen Lebens gestanden. 8 Jahrhunderte waren die Söhne des hl. Benedikt die treuen Wächter an den Gräbern der Augsburger Bistumspatrone, der hl. Bischöfe Ulrich und Simpert und der hl. Martyrin Afra. „Sie griffen mutig das verderbenvolle Ungeheuer, die Simonie, an und verfolgten standhaft den schändlichen Konkubinat. Sie steuerten in den gefährlichen Stürmen der Reformation mit Aufopferung ihres Lebens und ihrer Ruhe im brüderlichen Bund dem drohenden Verfall der katholischen Religion." 2 ) In den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts hatten sie durch Künstler wie den Baumeister Burkard Engelberg und den Maler Holbein d. Ä., bei ihrem Kloster jenes letzte bedeutende Baudenkmal der sterbenden deutschen Gotik, das herrliche Ulrichsmünster, erstellen und ausschmük ken lassen, das, gedacht als Hof- und Krönungskirche der habsburgischen Kaiser, mit seinem majestätisch aufstrebenden Langbau und seinem als stolzes Wahrzeichen der alten Reichsstadt weit hinausragenden Turm den machtvollen Abschluß der Maximiliansstraße mit ihren schmuckhaften Patrizierhäusern bildet. Zweimal war das Stift unter tüchtigen Äbten ein Stützpunkt der Klosterreform gewesen. Abt Egino (1109—1120) führte die Hirsauerund Abt Melchior v. Stamham (1458—1474) die Melker-Reform hier ein. Der gute Ruf des Stiftes brachte es mit sich, daß sich andere Abteien mit Vorliebe aus St. Ulrich Äbte und Mönche erbaten, so Fulda, Würzburg, Schwarzach, Neresheim, Ottobeuren, Metten, Lambach, Fultenbach, Irrsee, Füssen, Thierhaupten (dieses sogar sieben Äbte) und andere, sodaß Abt Gregor I. Joos (1664—1674) sich rühmen konnte, sein Kloster sei ein „seminarium für die bayerischen Prälaten". 3 ) Kunst und Wissenschaft hatten allzeit gute Pflege im Stift gefunden. Die blühende Reichsabtei am Lech genoß, besonders im 12. und 13. Jahrhundert, den Ruhm, zu den vornehmsten Pflegestätten mittelalterlichen Geisteslebens zu gehören. Schon bald nach der Übergabe St. Ulrichs an die Tegernseer Mönche war hier eine Schul- und Erziehungsanstalt errichtet worden,4) die anfangs nur für die Hausgenossen bestimmt, später aber für alle Berufe eingerichtet ward. Erst als die Jesuiten nach Augsburg berufen wurden und 1582 ') ) 3) 4) 2

Archiv des Benediktinerstifts St. Stephan in Augsburg, Miscell. Braun Plac., Geschichte der Kirche und des Stiftes 1817, Vorrede pg. VII. Dehler, Geschichte des Klosters Thierhaupten, I, 106. Vgl. die von P. Gregor Gastel 1606 verfaßte Studienordnung.

— 30 — ein Gymnasium gründeten, hatte sie allmählich an Bedeutung verloren. Immer aber war dem Stift der Ruhm geblieben, als besondere Heimstätte der historischen1) und musikwissenschaftlichen 2 ) Studien zu gelten. Namen, wie Abt Egino (1109—1120), Abt Udalschalk (1126—1151), Sigismund Meysterlin (gest. um 1484), Guilelmus Wittwer (gest. 1512), Abt Bernard Hertfelder (1653—1664), Carolus Stengel (gest. 1663), Corbinianus Khamm (gest. 1730) und Placidus Braun (gest. 1829) haben als Gelehrte und Geschichtschreiber heute noch einen guten Klang. Abt Melchior hatte schon 1472 eine Buchdruckerei in seinem Stifte eingerichtet. Für das rege wissenschaftliche Streben, das innerhalb der St. ulrikanischen Klostermauern herrschte, zeugt auch die reiche, wertvolle Stiftsbibliothek, die in der Hauptsache jetzt einen kostbaren Schatz der Münchener Staats- und Augsburger Stadtbibliothek bildet. Der Schreibfleiß und die Schreibkunst der Mönche hatten eine ansehnliche Handschriftensammlung erstehen lassen, die durch Schenkungen und Ankäufe noch vermehrt wurden. Nie war im Stift Mangel an trefflichen Talenten gewesen, sodaß es stets Mönche als Professoren an die hohen Schulen nach Salzburg und Freising schicken konnte. „Alles dieses thaten sie fast achthundert Jahre lang, bis der von Westen herstürmende, verderbliche Zeitgeist sie ohne alle ihre Schuld aus ihrer ruhigen Heimath verbannte, ihnen ihr Vermögen auf eine unerhörte Weise gewaltsam entriß und in die alles verschlingende Entschädigungsmasse schleuderte." 3 )

') Vgl. a. Steichcle, Archiv für die Geschichte des Bistums Augsburg, III, 10.: „Es ist ein hohes Verdienst des ehrwürdigen Benediktinerstiftes St. Ulrich und Afra, daß es unter seinen vielen gelehrten Mitgliedern zu allen Zeiten Männer zählte, welche der Erforschung der Vergangenheit und der Aufzeichnung ihrer eigenen Erlebnisse mit besonderer Vorliebe ihre Tätigkeit zuwandten. Ja es ist wohl kaum anderswo, besonders in den letzten Jahrhunderten, die Geschichtschreibung mit so vielem Eifer gepflegt worden wie bei St. Ulrich." 2) Vgl. Schletterer M., der in den „Monatsheften für Musikgeschichte" (1878) 42 Folianten der wertvollsten, vielfach mit den herrlichsten Malereien reich geschmückten Meisterschöpfungen von Tondichtern anführt, die aus der Musikalienbibliothek des Stiftes stammen und den Grundstock in der Sammlung der kostbarsten musikalischen Manuskripte der Augsburger Stadtbibliothek bilden. 8) Braun Plac., Geschichte der Kirche und des Stifts . . . 1817, Vorrede pg. VIII.

2. K a p i t e l .

Inventarisation und Zertrümmerung des Klosterbesitzes. Kirchen-, staats- und kriminalrechtliche Verhältnisse des Stiftes 1802. Das letzte Halbjahr vor dem Abschluß der Regensburger Deputationsverhandlungen benützten Fürsten und Städte, welche „Entschädigungen für die verlorenen Gebiete am Rhein" bekommen sollten, dazu, die Übernahme der ihnen versprochenen Neuerwerbungen vorzubereiten. Zuvörderst lag daher dem reichsstädtischen Senat und dem Kurfürsten daran, eine genaue Übersicht über ihren Umfang und Wert zu gewinnen. Der auf Ansuchen vom ulrikanischen Stiftskanzler und 1. Rat Joseph Anton W i l d an den Kurfürsten eingesandte Bericht vom 3. Jan. 1803 1 ) gewährt wegen seiner Ausführlichkeit guten Einblick in den Besitz St. Ulrichs und dessen Rechtsverhältnisse. Wohl war dieser kein größeres zusammenhängendes Territorium, lag vielmehr in Schwaben, Kurbayern, Pfalz-Neuburg und Tirol zerstreut. Doch schien die Gesamtmasse es wert, daß man — besonders auf augsburgischer Seite — zuweilen etwas tiefer in den Geldsäckel griff, um seinen Forderungen bei den für Geld immer empfänglichen französischen Unterhändlern größeren Nachdruck zu verleihen. Man hoffte ja zuversichtlich, später reichlich dafür entlohnt zu werden. Trotzdem wurden weder auf der einen noch der andern Seite alle Wünsche erfüllt. Insbesondere mußte sich die Reichsstadt Augsburg mit dem begnügen, was innerhalb ihrer Mauern und ihres Burgfriedens lag, also im wesentlichen mit den Gebäuden und deren Einrichtung, einigen Wiesen und dem Klostervieh, während Bayern die reichen auswärtigen Güter und die damit verbundenen Rechte an sich nahm. Im einzelnen fielen auf Grund des Art. 27 des RDHS A. an die R e i c h s s t a d t : 1. an G e b ä u d e n und G ä r t e n : a) die Kirche b) das Haupt-Klostergebäude, bestehend aus der Abtei, dem Konvent- und Kanzleibau mit Kreuzgarten von 12644 Quadratschuh, zwei Höfen, großem Weinkeller, einem hinter der Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 35 und 429, 46.

— 32 —

c) d) e) f) g) h) i) k) 1) m) n) o) p) q) r) s) t) u) v) w) x) y) z)

Kirche gelegenen Wagenhaus und einer Holzhütte nebst dabei befindlichem kleinem Hof im Schätzungswerte von 12500 Gulden das gegen die Reichsstraße gelegene Gastgebäude mit Hof, zwei Stallungen und kleinem Anbau das Haus im Kohlgarten (B 43) neben der evangelischen Kirche mit dem anstoßenden Baumgärtchen von 15402 Quadratschuh das Haus des Stiftskanzlers (B 41) mit Hofraithe und Gärtchen von 3776 Quadratschuh das Haus des Kanzleiverwalters (B 42) mit einem Grasgarten von 7842 Quadratschuh das kleine baufällige Haus B 50 mit geschlossenen Höfen das in einem der vorstehenden Höfe gelegene große Haus B 51 die im nämlichen Hof aneinanderstoßenden Häuser B 52 und 53 nebst kleinen Nebenhäuschen das Mesnerhaus (B 48) das Haus am Nebenbau des Meierhofes (B 242) der kleine Anbau beim Meierhof neben der Einfahrt das Haus am Kirchhof B 49 das Haus des Zimmermeisters mit Werkstätte im Meierhof (B 274) das Bräuhaus mit den anstoßenden Nebengebäuden in der engen Kirchgasse (A 276—78) das Haus am Meierhof nächst dem Roten Tor mit den dazugehörigen Nebengebäuden (B 272, 273 und 275) das am Schwall gelegene Haus des Benefiziaten von St. Ursula (A 347) die Schwallmühle (A 348) die Kreuzmühle in der Bäckergasse (A 344) die Schleif- und Poliermühle am Schwall (A 349) der große Würz- und Baumgarten mit Garten- und Glashaus der Wurzgarten mit einer kleinen Baumschule hinter dem Gastgebäude ein kleines Wurzgärtchen am Kitzenmarkt der kleine Garten an der Prälatur das bei der großen Hochzoller Lechbrücke auf städtischem Territorium gelegene Zollhaus

2. an liegenden Gründen im B u r g f r i e d e n der Stadt: a) 103 Jauchert Äcker mit 480 Quadrat 10schuhiger Augsburger Ruthen 40 b) 36 Tagwerk 2 mähdiger Wiesen zu Quadrat am Siechenm anger an der Friedberger Straße

— 33 — c) 38 Tagwerk 2 mähdiger Wiesen zu —Quadrat in den oberen m Angern d) 7 Tagwerk 3mähdiger Anger an der Friedberger Straße am Priel. B. An das K u r f ü r s t e n t u m B a y e r n fielen: I. i n S c h w a b e n : 1. in der ehem. Straßvogtei und im Hochstift Augsburg: a) Haunstetten: ein ulrikanisches Dorf mit 630 Seelen, in dem das Stift alle Wirkungen der Landeshoheit und Reichsunmittelbarkeit mit Ausnahme einiger Beschränkungen mit Rücksicht auf die dem Hochstift Augsburg zustehende Straßvogtei (s. S. 43), sowie das Präsentationsrecht auf die Pfarrei ausübte. Das Stift bezog hieraus den Großzehent und besaß dort 6 gültbare Höfe (darunter den Widdumhof), 18 halbe Höfe, die Mühle, 1 Lehen und 50 Tagwerk Wiesmahd. b) Göggingen: 5 Hufen, Widdumhof, 1 Hof, 8 Tagwerk Feld und Advokatie auf 3 Höfen c) Inningen: Kirche, Patronatsrecht auf der inkorporierten Pfarrei, 1 Teil des Großzehent, 1 Gut d) Bobingen: 1 Teil des Großzehent, 2 Güter, 1 Hofstatt, 1 Haus, 2 Sölden, 12 Hufen e) Wehringen: Zehent vom Amtshof f) Ober-Ottmarshausen: 2 Höfe, 5 Teilhöfe, 1 Lehen, 9 Gütlein g) Mittelstetten: 1 in 10 Lehen bestehendes Gut h) Schwabmünchen: 1 Gut, 1 Zehent i) Lamerdingen: 1 Hof und 1 Sölde k) Holzhausen: 1 Gut, 2 Gütlein und 8 Jauchert 1) Großkitzighofen: 1 Hof samt Vogtei und Leibherrnrecht über das Hofbauerngeschlecht, 3 Sölden m) Hurlach: 1 Gut n) Ostendorf bei Kaufbeuren: 1 Gut o) Stöttwang: 1 Gut p) Mauerstetten: 2 Höfe. 2. in a) b) c) d)

den Herrschaften M i n d e l h e i m und S c h w a b e g g : Schlingen: 1 Gut Weicht: V2 Hufe Breitenbrunn: 2 Hufen Schönenberg: 1 Gut, 1 Amtshof mit der Verpflichtung den Abt mit seinen Leuten und Pferden jährlich dreimal zu bewirten e) Salgen: 1 Hufe f) Rammingen: 21/2 Hufen

3

— 34 — g) Mattsies: 1 Haus, 1 Hufe h) Nassenbeuren: 2 Höfe samt Vogtei. 3. Landgericht G ö g g i n g e n : a) Bergheim: 2 Höfe, 2 Güter, 6 Sölden, sämtliche mit Vogteirecht: 40 Tagwerk Wiesen mit Vogtei auf St. GeorgsLehen, 345 Jauchert Holz, Aufsicht über den Vogelherd bei Leitershofen b) Eden bergen: 1 Hof c) Batzenhofen: 1 Gut d) Gersthofen: 1 Gut samt Vogtei, Remweileräcker e) Gabiingen: 1 Gut, 1 Lehen. 4. Landgericht W e r t i n g e n : a) Demhart: 1 Hof samt Vogtei und allen Rechten und Nutzen b) Wengen: ulrikanisches Dorf mit allen landeshoheitlichen Rechten, Patronatsrecht, allen Zehenten, Wald, 58 V2 Jauchert Äcker, Weiher. — Bechern bei Wengen, ulrikanisch, 1 Hof und 1 Mühle c) Ahlingen bei Nordendorf: 3 Höfe, 1 Sölde samt Vogtei, Lehenschaft, Gerichtsbarkeit, 1 Hof mit allen Rechten und Nutzen, jus insassiaticum d) Hirschbach: V2 Hufe und auf 2 Höfen die Vogtei e) Possenried: V2 Hufe f) Ortlfingen: 2 Sölden und 1 Garten g) Langenreichen: 1 Hof h) Wertingen: 3'/2 Höfe, 1 Lehen, 1 Holzwies, von 4 Höfen und 9 Hofstätten Gült und Zins i) Laugna: Inkorporierte Pfarrei mit Präsentationsrecht, 1 Hof, 2 Sölden, Vogtei auf dem Widdumhof, diesen selbst, Zehent, Burg- und Weilerzehent zu Bocksberg und Margelstetten k) Ellgau: 3 Güter, 1 unvogtbarer Hof mit lehenbarem Zehent 1) Modelshausen: Präsentationsrecht m) Bocksberg: Präsentationsrecht, Widdumhof, Zehent 5. im R i e s (in der Grafschaft Ö t t i n g e n ) : a) Aufhausen: inkorporierte protestantische Pfarrei, Kirche mit Zehent b) Sorheim 1 ): 4 Hufen, einige Leibeigene c) Möggingen: 1 Gut d) Merzingen: V2 Hufe e) Mödingen, Appetshofen, Rudelstetten, Fessenheim: einige Hufen f) Ostheim 1 ): 1 Hufe ') vermutlich im 19. Jahrhdt. „abgegangen".

— 35 — g) Wechingen: 1 Gut, Wald h) Lepfingen 1 ): 1 Mühle, 1 Lehen 6. in der Markgrafschaft B u r g a u : Das Stift genoß hier in seinen Besitzungen alle Freiheiten und Rechte der Insassen und übte überall die niedere Gerichtsbarkeit aus: a) Hader: ulrikanisches Dorf mit allen landeshoheitlichen Rechten, auch Präsentationsrecht und Schirmvogtei, allen Gülten und Zehenten, Amtshof, 5 Höfen, 2 halben Höfen und mehreren Lehen b) Schönebach: fast ganz dem Stifte gehörig, Schirmvogteirecht und Gassengericht, niedere Gerichtsbarkeit, fast alle Zehenten, Gemeindeherrlichkeit über alle Höfe (ausgenommen zwei, welche dem Zisterzienserinnenstift Oberschönenfeld und dem Reichsfreiherrn v. Schnurbein gehörten), 157 Jauchert Holz, 4 Höfe, 2 halbe Höfe und einige Gütlein, Weiher c) Bonstetten: großenteils zum Stift gehörig, sich mit Oberschönenfeld in die Gemeindeherrlichkeit und Gerichtsbarkeit teilend, Kirche, Patronatsrecht, Schirmvogtei, 4 Höfe, sehr viele Gütlein d) Maingründel: 1 Hof samt Vogtei, 1 Sölde, 1 Lehen e) Buch: 1 Hof, 1 Sölde f) Aretsried: 2 vogtbare Höfe g) Reitenbuch; 1 Gut, 1 Sölde h) Oberarnolzried: 1 ) 2 Höfe i) Wollishausen: 2 Güter — hiezu gehört auch das Gut Albachried, das die Frhr. v. Zech auf Deubach zu Lehen hatten — k) Fischach: 2 Güter, 2 Häuser, einige Äcker, Wiesen und Wald 1) Willmetshofen: 1 Lehen m) Tronetshofen: 1 Lehen n) Lindach: die Hälfte des Großzehents o) Vallried: 1 vogtbarer Hof, 1 Sölde p) Unterschönenberg: 6 Gütlein, Zehent q) Rielhofen: 9 Gütlein r) Eppishofen: 1 vogtbarer Hof, 2 Hofstätten s) Anhausen: 3 Gütlein. 7. Landgericht T ü r k h e i m , U r s b e r g und G ü n z b u r g : a) Erkhausen: ulrikanisches Dorf mit allen landeshoheitlichen Rechten, Kirche mit Patronatsrecht, 311 Jauchert Holz, 2 Höfe, 3 halbe Höfe, 4 Gütlein, Großzehent b) Hilpoltsberg: ulrikanisches Dorf, 1 unvogtbarer Hof, 1 Sölde ') vermutlich im 19. Jahrhdt. „abgegangen".

3*

— 36 — c) Balzhausen: 1 Hof, 3 Sölden d) Nachstetten: 1 Hof e) Holdensperg: 1 ) 1 Feldlehen, 2 Gütlein f) Langeneufnach: 2 Gütlein g) Kirchheim: Zehent von 60V2 Jauchert Acker 2 ) h) Ellzee: 1 Amtshof i) Oeffingen: 1 Gut. II. i n B a y e r n : 1. Landgericht F r i e d b e r g : a) St. Afra auf dem Lechfeld, fast ganz dem Stifte gehörig, Kirche mit Mesnerhaus und allen pfarrlichen Rechten, zinsbare Felder und Wiesen b) Oberzell: ganz dem Stift gehörig, Kirchensatz, Zehent, Amtshof mit den sonstigen Verbindlichkeiten c) Unterzell: ganz dem Stift gehörig, IV2 Höfe, 113 Jauchert Wald d) Bitzenhofen: ganz dem Stift gehörig, Kirche mit Patronatsrecht (mit Taiting vereinigt) im dritten Erledigungsfall, 1 Gut, 1 Gütlein, dazu in Taiting 1 Gut e) Laimering: ganz dem Stift gehörig, Kirche mit Patronatsrecht, Mühle, mehrere Leibeigene und größerer Grundbesitz f) Dasing: Hofmark mit aller vogteilichen Herrlichkeit und niederen Gerichtsbarkeit, das abgebrannte Schloß mit Hofbau und Höfen, Gütern, Sölden, Wiesen, Äckern, Fischwasser, Holzmark, Jagdbarkeit, Scharwerk, Vogtei, Patronatsrecht auf Pfarrkirche und Schloßkapelle, Mühle g) Wessiszell (Bestandteil der Hofmark Dasing): 1V2 Hufen, Gerechtsame wie in Dasing, mehrere Höfe, Sölden und Gütlein h) Pfaffenhofen a. d. Glonn: Kirche mit Patronatsrecht, Vogtei, 1 Gut, dazu je eine Mühle in den Weilern Wagenhofen und Garwank und 1 Gut in Stockach und Landolzhofen (?) i) Umbach: 1 Hof, 1 Sölde k) Hügelshart: 2 Güter 1) Wiffertshausen: 2 Höfe, IV2 Hufen m) Rederzhausen: 1 Gut, 1 Hof, V2 Hof, 1 Mahl-und 1 Sägmühle, 34 Jauchert Acker und ein Anger bei Friedberg n) Ottmaring: 3 Höfe o) Harthausen: 1 Hof p) Tattenhausen: 1 Hof, 4 Hufen q) Ganswies: 1 Hof, 1 Sölde, Wald ') vermutlich im 19. Jahrhdt. „abgegangen". der frühere Zehent, der in je 12 Rasiermessern, Scheren und Messern (Mon. Boica XXIII, 121) bestand, wurde später in den gewöhnlichen Zehent umgewandelt. 2)

— 37 — 2. Landgericht A i c h a c h : a) Aichach: Kirchengefälle b) Hollenbach: Amtshof mit den gewöhnlichen Verpflichtungen, 1 unvogtbarer Hof mit Leibgedingsrecht, 1 Sölde c) Unter- und Oberschönbach: Amtsh'of mit den gewöhnlichen Verpflichtungen, größerer Grundbesitz d) Todtenweis: Amtshof mit den gewöhnlichen Verpflichtungen, Kirche mit Patronatsrecht (auch für den Frühmesser), Zehent, 24 Tagwerk Wiesen e) Sand: 1 Gut f) Mittelheim: 1 Hof g) Oberbernbach: 1 Hof mit der Advokatie, 5 Sölden h) Allenberg: 1 Hof, 1 Sölde i) Mauerbach: Kirche mit Patronatsrecht, 1 Gut mit allen Zugehörden und Rechten, 1 Sölde, Wald k) Hofgarten: 1 ) 1 Gut 1) Untergriesbach: 1 Hof, Hufe, Weiher m) Honoldsried: 1 ) 2 Hufen, Vogtei auf einem Hof n) Rieden: 1 Gut o) Walchshofen: 1 Gut mit aller Zugehörde, 1 Allodium, Amtshof mit allen Leibeigenen p) Oberschneitbach: 2 Güter, 4 Tagwerk Wiesen, 18 Jauchert Holz, dazu 1 Gut zu Heretshausen q) Hugenhausen: 1 ) 1 Hufe r) Haunswies: 1 Gut samt Vogtei, Widdum, V2 Hufe, Weiher s) Hirschbach: 1 Hof samt Zugehörde, Hufe, dazu 1/2 Hufe zu Pollenried t) Wagenhofen: 1 Gut, Zehent u) Neßlach: 1 Hof v) Hohenried: 1 Hof, 1 Sölde, 1 Hufe w) Gaulshofen: Meierhof samt 7 Sölden, 1 Gut, Widdum, Zehent, Vogtei auf 2 Güter x) Stotzard: Zehent y) Gebersdorf: 2 Höfe samt Vogtei z) Eisingersdorf: 1 Hof, Wald ab) Rehling: 2 Güter mit allen Rechten ac) Allmering: 1 Hof, 11/2 Hufen und 7 Jauchert Äcker ad) Bergen: kleine Hofmark mit allen Rechten und Nutzen, Edelmannsfreiheit. 3. Landgericht S c h r o b e n h a u s e n : a) Bürgibach: 4 Lehen mit Leibgedingsrecht, Gülten b) Peutenhausen: 1 Gut. 4. Landgericht D a c h a u und S t a r n b e r g : a) Maisach: 2 Höfe, IV2 Hufen, 1 Mühle ') vermutlich im 19. Jahrhdt. „abgegangen".

— 38 — b) Mittel Stetten: 1 Gut, 1 Sölde, 1 Haus samt Garten, 1 Hofstatt mit Garten

c) Turnisried: 1 Gut d) Alling: 2 Hufen samt lehenbarer Vogtei, 1 Mühle e) Ummenhausen: Va Hufe f) Unterschondorf: 1 gültbares Tagwerk Mahds g) Söcking: 1 Gut h) Utting: 1 Sölde, einige Äcker i) Huglfing: 2 Güter. 5. Landgericht Landsberg: a) Steindorf (in der Hofmark Hegnenberg): 4 Höfe ohne Vogtei und Scharwerk, 2 Güter, 1 Haus, 7 Hufen b) Hurlach: 2 Güter c) Hochdorf: 1 Haus, Kirche

d) Arnisried: Kirche mit Patronatsrecht, einige Güter, Zehent e) Egling: 6 Gülthöfe, 4 Güter, 1 Hofstatt, 2 Mühlen, 1 Haus, 1 Sölde, Vogtei auf 2 Höfe, einige Äcker f) Hattenhofen: 2 Höfe, V2 Hufe g) Geltendorf: 1 Gut h) Stoffen: einige Hofstätten uud Waldungen mit allen Rechten und Nutzen, 9 Tagwerk Wiesen, 1 Tagwerk Wiesmahd i) Erpfting: 1 Gut, 2 Höfe, 1 Sölde k) Prittriching: 3 Güter, 1 Gütlein, 1 Haus, IV2 Hufen 1) Bergen: 2 Güter m) Brunnen: 1 Gut n) Annenhofen und Leutenhofen:1) 1 Gut mit allen Leibeigenen o) Lengenfeld: 1 Gut p) Mühlhausen: 2 Güter. 6. Grafschaft Mering: a) Mering: 2 Höfe, 19 Sölden, 8 Tagwerk Wiesen, einige Äcker und Krautgärten, 2 Badstuben b) Merching: 6 Höfe, 1 Amtshof mit den gewöhnlichen Verbindlichkeiten, 1 Mühle, 4 Hufen c) Steinach: 1 Gut (bestehend aus 5 Hufen), 1 gültbarer Hof, 1 Sölde d) Rieden: 1 Gut, 1 Hofstatt, 2 Häuser e) Hörmannsberg: 5 Äcker f) Zillenberg: 1 Gut III. L e c h b r ü c k e : Das Reichsstift war Eigentümer der oberen Lechbrücke mit dem Zollrecht. Unweit der Brücke stand das Zollhaus auf einem eigenen ') vermutlich im 19. Jahrhdt. „abgegangen".

— 39 — schmalen Streifen Terrain. Das Stift übte hier die Gerichtsbarkeit aus und erlaubte dem Zöllner Bier auszuschenken. 1 ) IV. i m H e r z o g t u m P f a l z - N e u b u r g : a) Hofmark F i n n i n g e n : O b e r - ( B a u e r n - ) F i n n i n g e n : ' 4 Höfe, 23 Sölden, 1 Söldhaus, 1 Hofstatt, 9^2 Hufen, Zehent von 4 Höfen, 1 Garten, einige Wiesen, 30 Jauchert Holz, Amtshof U n t e r - ( H e r r e n - ) F i n n i n g e n : 5 Höfe, 19 eigene Sölden, 3 zinsbare Sölden, 3 Hofstätten, 1 unvogtbarer und dienstbarer Hof, Widdum, 1 Hufe, Burgstall, Badstube, Großzehent, 227 Jauchert Holz, mehrere Jauchert Äcker und Wiesmahd In diesen beiden Dörfern besaß das Reichsstift alle Hofmarksgerechtigkeit und Gemeindeherrlichkeit (auch niedere Gerichtsbarkeit und Jagdrecht). Der Amtshof in Oberfinningen 'mußte jährlich 3 mal den Abt mit seinen Leuten und Pferden verpflegen. Die beiden Pfarreien waren dem Stift, das das Patronatsrecht ausübte, inkorporiert. b) Wolpertstetten: 1 Gut, 1 Hof, V2 Hufe c) Unterglauheim: 1 Hof, 5 lehenbare Sölden d) Lutzingen: 10 lehenbare Sölden e) Reinhartswörth: die St. Ulrichsschwaig f) Unterliezheim: dem Reichsstift gehörige Propstei mit inkorporierter Pfarrei, Meierhof, Mühle, Brauerei mit Wirtschaft, sämtlichen Hofmarksrechten, 2 Höfen, 5 Sölden, Weiher, 3 Wiesen, 6 Äckern V. i n T i r o l : 2 ) a) Pfleggütl ober Leifers: zum Hochstift Trient lehenbar, mit Burgfriedens- und Gemeindegerechtigkeit, Haus, Hofreite, Stadel, Stallung, Wiese, größeres und kleineres Weingut, Weinkeller, Acker, Wald b) Alldrey ober Montan: Zehent c) Montan: nasser und trockener Zehent von 4 Jauchert ') Der Magistrat betrachtete dies als einen Eingriff in seine territorialen Rechle, verbot dem Zöllner das Bierausschenken und ließ öfters den Haunstetter Bierwagen in Beschlag nehmen. Das höchste Reichsgericht entschied aber zu Gunsten des stiftischen Bräuers und Zöllners. 2) Staatsarchiv Neuburg, St. Ulrich 409, 28; 414 und 419. — Sämtliche reichsstiftischen Güter in Tirol, deren Wert sich laut Schätzung vom 19. III. 1804 auf 89478 fl 50 kr belief (Studien und Mitteilungen des Benediktiner- und Cisterzienserordens, 1883 1. Bd., S. 119), wurden gleich den in der Markgrafschaft Burgau gelegenen Gütern St. Ulrichs bei Beginn der Säkularisation von Österreich sequestriert und kamen erst durch den Preßburger Frieden vom 26. XII. 1805 an Bayern.

— 40 — d) Leifers: Untersbergerhof, 24 Tagwerk Wiesen, nasser und trockener Zehent von 9 Höfen und Gütern, dazu die Yogt- und Schutzherrschaft über das Gotteshaus St. Anton e) Bozen: das Fürst Lichtensteinische Urbar, 3 Häuser mit einigen Weingütern, jus praesentandi ad beneficium St. Blasii mit Haus (a—e sämtliche zum Hochstift Trient lehenbar) f) das Siedhaus oder Bodengut g) Haschithof oder Leithengut h) Gries: Lagederhof i) Weißhauserhof in der Au. Noch standen die Entschädigungsverhandlungen der Reichsdeputation in den ersten Anfängen. Schon ließ aber der bayerische Kurfürst am 28. Sept. 1802 durch Frhr. v. Hertling, den Vorstand der „churpfalz-bairischen zur provisorischen militärischen Besetzung der Indemnisationslande in Schwaben angeordneten Civilkommission" bei dem Kanzler des Reichsstiftes auch Erkundigungen einziehen über die kirchen-, staats-, kriminal- und lehensrechtlichen Verhältnisse der Reichsabtei. 1 ) Der von Wild eingereichte Bericht 2 ) ermöglicht uns ein ziemlich klares Bild über 1) die k i r c h e n r e c h t l i c h e n Beziehungen zwischen dem Reichsstift und dem Bischof: Das Stift erfreute sich mehrerer päpstlicher Privilegien, u. a. der Erlaubnis, während eines Interdikts über die Reichsstadt bei geschlossenen Türen in der Stille Gottesdienst zu halten. Seit 1708 genoß es auch alle Privilegien der Kassinenserkongregation. Im übrigen hat es sich nie einer Benediktinerkongregation angeschlossen, sondern stand in geistlichen Angelegenheiten unmittelbar unter dem Bischof von Augsburg. Die im Kurfürstentum Bayern und im Herzogtum Neuburg gelegenen reichsstiftischen Besitzungen wurden nach dem zwischen dem Bischof von Augsburg und dem Kurfürsten abgeschlossenen Konkordat vom 20. April 1785 behandelt. In der Markgrafschaft Burgau und dem unmittelbaren Reichsterritorium hingegen übte der Bischof ohne jede Einmischung des brachium saeculare alle Rechte in causis religionis mere ecclesiasticis et dispensationibus omni genere notis und durch sein Konsistorium auch in causis disciplinae ecclesiasticae mixtae civilibus aus, also in Sponsalien, Ehescheidungen, Pfarrtestamenten und Zehentsachen. Das Reichsstift hatte sich als Landesherr nur die „Abhör der Kirchenrechnungen, die Einsicht in deren Verwaltung und die oberste Aufsicht und Förderung der Schulen vorbehalten. „Eine Folge der devotesten Anhänglichkeit der Reichsprälaten gegenüber den Bischöfen" war es auch, daß einerseits alle bischöflichen, Vikariats- und Ordi») Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 414. Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 413, 22, 87, 88; 422.

2)

— 41 — nariatsverordnungen ohne landesherrliches Placet des Reichsprälaten unmittelbar an die Pfarreien erlassen und beim Tode eines vom Reichsstift präsentierten Pfarrers die Obsignation und Inventur durch das Ordinariat vorgenommen wurde. Andererseits führten auch die Bischöfe „bei dem ungeteilten Zutrauen, daß sie auf die vom Reichsprälaten getroffene Wahl setzten", die vom Reichsstift präsentierten Geistlichen ohne weiteres in die Präbende folgender 19 katholischen Pfarreien ein: a) in der Reichsstadt Augsburg: St. Ulrich und Afra b) in Schwaben: Erkhausen, Bonstetten, Häder, Laugna, Modelshausen, Wengen mit Bocksberg, Inningen, Haunstetten c) in Bayern: Arnisried, Bitzenhofen mit Taiting (im 3. Erledigungsfalle), Dasing, Laimering, Obermauerbach, Todtenweis, Unterschönbach, Pfaffenhofen (im Bistum Freising) d) in Pfalz-Neuburg: Liezheim und Finningen. Außerdem übte das Reichsstift das Recht der P r ä s e n t a t i o n auf die Benefizien St. Ursula und St. Servatius in Augsburg sowie die protestantische Pfarrei Aufhausen aus. Die Übernahme all dieser Rechte verfügte ein kurfürstlicher Erlaß vom 11. März 1803 1 ), der auch die Formalitäten bei Installation eines Pfarrers regelte und verbot, an das Ordinariat, das alle Dokumente und Verleihungsurkunden von Präsentationsrechnungen eingefordert hatte, 2 ) irgendwelche Papiere einzusenden. Im übrigen „erwartet die kurfürstliche Regierung von allen Behörden, daß diese gegenüber dem Vikariat die nötige Verschwiegenheit beobachten, um nicht durch Publizität das Volk auf irrige Begriffe zu leiten und ungegründete Vermutungen zu verursachen." Nicht so völlig klar wie die kirchenrechlichen Beziehungen liegen die c i v i l - und s t a a t s r e c h t l i c h e n Verhältnisse des Reichsstifts. Sicher ist, daß das Stift schon frühzeitig von den Kaisern und Königen als ein dem Reich unmittelbar angehöriger Stand betrachtet wurde und als solcher gegen Zusicherung des besonderen kaiserlichen Schutzes dem Reich gegenüber die Verpflichtung hatte, ein Truppenkontingent von fünf Mann zu Fuß und einen halben zu Pferd für ein Simplum zu stellen. Dem schwäbischen Kreis beizutreten, hat sich das Stift trotz seiner reichen Besitzungen in Schwaben und obschon es mehrmals eingeladen worden war, nie entschließen können. Braun glaubt den Grund darin suchen zu müssen, daß die Äbte von St. Ulrich ') Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 422. 2) Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 413.

— 42 — den großen Aufwand scheuten, den man bei den Versammlungen des schwäbischen Kreises und bei dem prälatischen Kollegialtag machen mußte. Dagegen verband sich das Stift im Laufe der Zeiten ohne alle Verbindlichkeit mit dem rheinischen Kreis. Daraus erklärt sich, daß der Reichsprälat von St. Ulrich ebenso wie der von Kaisersheim Sitz auf der rheinischen Prälatenbank hatte. 1 ) Dazu war der jeweilige Reichsabt pfälzischer Landstand, als Propst von Unterliezheim beim Prälaten-, als Herr der beiden Hofmarken Finningen beim Ritterstand. Seit 1629 bekleidete er auch die Würde eines Erbkaplans und seit 1654 die eines „consiliarius perpetuus der kaiserlichen Majestät . Nur mit größter Mühe konnte ¿ i e Abtei gegenüber ihrem vom Kaiser aufgestellten A f t e r s c h u t z v o g t , der Reichsstadt Augsburg, ihre Immedietätsrechte behaupten. Ihm war natürlich die Befreiung des Stiftes von seiner hohen Gerichtsbarkeit und allen Abgaben höchst unbequem, zumal dieses teilweise sogar durch die Stadtmauern eingeschlossen wurde. Während das Hochstift, das Domkapitel und alle Mediatklöster Augsburgs ihre Rechte gegen die Stadt nur „ex capite immunitatis" herleiteten, besaß sie das Reichsstift „ex capite i m m e d i e t a t i s " . 2 ) Insbesonders hatte das Stift das Recht Bier zu brauen, zu „brandtweinen", Bier und Wein auszuschenken und zu „metzgen". Das mit eigener Jurisdiktion begabte Gebiet umfaßte das Klostergebäude, soweit es gegen die Reichsstraße mit Mauern umfangen war, und alle an die Klostermauern angebauten Häuser, ferner den über der Reichsstraße gelegenen großen Stiftsgarten, den Meierhof mit allen dazugehörigen Gebäuden und endlich das Kanzlerhaus. Sämtliche Bewohner dieser Häuser, gleichviel ob es „gebrodete Diener" des Reichsstifts, Bürger der Stadt oder Fremde waren, unterstanden hinsichtlich der Sperr- und Verlassenschaftshandlungen, „Abwandlung der Frevel", die im ulrikanischen Territorium begangen wurden, der Jurisdiktion des Reichsprälaten. Beständige Streitobjekte zwischen der Stadt und dem Stift bildeten bis zur Säkularisation das Kanzlei verwalterhaus und die übrigen dem Stift gehörigen, auf dem reichsstädtischen Territorium gelegenen Häuser. Es lagen zwar Präjudizien vor, daß das Reichsstift auch über die darin wohnenden Bürger der Stadt die Jurisdiktion ausübe, allein die Reichsstadt erkannte hier natürlich noch weniger ein Recht des Stiftes an. Den Hauptzankapfel aber bildete neben dem schon oben (S. 39 Anm.) erwähnten Bierausschank des ulrikanischen Zöllners an der Hochzoller Lechbrücke der im Klosterhof stehende Groschladenkeller, in welchem das Stift von alten Zeiten her eine Bier- und Weinschenke unterhielt. Die Stadt sah dies als eine Schädigung des städtischen Gewerbes an und wollte nicht dulden, daß Bürger diese Schenke besuchten oder dort Bier oder Wein holen ließen. Sie stellte sogar ') vgl. Schröder A., Die staatsrechtl. Verhältnisse, S. 10. Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 409, 28.

2)

— 43 — Polizeidiener auf und ließ den Bürgern Trunk und Geschirr wegnehmen. 1 ) Auch die außerhalb der Reichsstadt gelegenen Besitzungen des Stifts waren nur teilweise mit allen Rechten der Landeshoheit ausgestattet. Das „ J u s i n s a s s i a t i c u m " , d. h. -die volle Landeshoheit mit sämtlichen Jurisdiktionsrechten mit Ausnahme der hohen Gerichtsbarkeit übte der Reichsabt als Landesvater aus in Haunstetten, Hader, Erkhausen mit Hilpoldsberg, Wengen, Schönebach, Ahlingen und im Verein mit Oberschönenfeld in Bonstetten. Stiftsuntertanen befanden sich außerdem zerstreut in Nachstetten, Maingründl, Fischach, Buch, Wallried, Arnolzried, Raitenbuch, Wollishausen, Edenbergen, Ellgau und Oberottmarshausen. Mit der niederen Gerichtsbarkeit war das Stift endlich noch begabt in Bechern, den Bayeräcker- und Demharterhöfen (Ldger. Wertingen) und in seinen Hofmarken Ober- und Unterfinningen. Die hohe Gerichtsbarkeit prätendierten in der Pfalz Neuburg der Kurfürst, in der Markgrafschaft Burgau der Kaiser; sie nahmen auch Appellationen in via recursus an. Malefikanten mußten hier „hinausbegehrt" und laut der Interimsmittel ausgeliefert werden. Ein ähnlicher Vergleich war zwischen dem Reichsstift und dem Hochstift Augsburg bezüglich Haunstettens abgeschlossen worden: die Bestrafung aller in Haunstetten begangenen malefizischen Fälle solle dem Bischof und seinem Stift als Inhaber der Straßvogtei allein zustehen; der ulrikanische Vogt in Haunstetten solle die Malefikanten abfangen und an den Grenzen des ulrikanischen Gebiets beim sog. Rothen Stein an den hochstiftischen Straßvogt abliefern. Das Urteil dagegen, ob eine Tat malefizisch oder zivil sei, solle dem Reichsprälaten zustehen. 2 ) An L e h e n hatte das Stift St. Ulrich verliehen: a) an den Grafen v. Fugger-Babenhausen 1 Hof, 1 Mühle, Wiesland und Holz in Burgwaiden b) an den Frhr. v. Zech auf Deubach 1 Gut zu Albachried. 3 ) Den Lehensinhabern wurde durch eine Verfügung der kurbayerisch-provisorischen Regierung vom 25. Jan. 1803 aufs strengste „jede unmittelbare Kommunion mit dem bisherigen Lehensherrn" untersagt. 4 ) Selbst hatte das Reichsstift an Lehen erhalten: 5 ) a) vom Hochstift Augsburg den Zehent zu Inningen, Bobingen und Wehringen ') Vgl. 4. Kap. S. 75 Mon. Boica XXIII 693. ») Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 409, 28. 4) Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 413, 172. 5 ) Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 413, 173. 2)

— 44 — b) vom hochfürstlich-augsburgischen Erbmarschallamt 1 Hof, 5 Sölden zu Unterglauheim und 10 Sölden zu Lutzingen in PfalzNeuburg c) von Graf Fugger Babenhausen ein kleines Gut zu Gabiingen d) von Fürst v. Öttingen-Wallerstein auf Seyfriedsberg 1 Feldlehen zu Höldensperg in der Grafschaft Ziemetshausen e) vom Hochstift Trient das Pfleggütl ober Leifers, den Zehenten zu Alldrey und Montan, Leifers und Bozen mit den in den beiden letztgenannten Orten gelegenen Gütern. Seit jenem unglückseligen 12. Dezember, an welchem dem Stifte die Eigenverwaltung entzogen wurde, 1 ) bis weit hinein in das folgende Jahr nahmen das eine Mal die städtische, ein anderes Mal die kurbayerische und dann wieder die Cumulativkommission Inventarisationen des Klostergutes vor. Nicht in allen Stücken läßt sich ein genaues Bild über seinen wirklichen Wert gewinnen. Je nachdem ein Objekt Bayern oder der Reichsstadt zufallen sollte, wurde sein Wert von der gegnerischen Kommission höher eingeschätzt. Daß bei den mehrfachen Bestandsaufnahmen vieles verschleudert wurde und manches auch für immer verschwand, ist begreiflich. Die Kommissäre und ihre Gehilfen, meist Käufler, wußten eben sehr wohl, daß sie damit nur das Beispiel ihrer hohen Herrn nachahmten. Als Kommissäre und „Sachverständige" betätigten sich der Hauptmann und Landbaumeister Bürgel, der kurbayerische Rechnungskommissär Ettensperger, der geschworene Werkmeister, hochfürstliche und bürgerliche Maurer Joh. Stephan Gelb, Zimmermeister Jos. Wittmann, Stadtgerichtswaibel Joh. Seb. Baader, die geschworenen Käufler Jos. Kuttner, Andr. Schamberg und Joh. B. Brand, für die Ökonomie außerdem der Wirt Anton Wenger aus Inningen und der Schweizer Michael Blank. Die Masse der erhaltenen Inventar- und Schätzungslisten zeigt, daß diese Männer sehr eifrig zu Werke gingen und allen Dingen, auch den kleinsten, ihre Aufmerksamkeit schenkten. Ihre Arbeit wurde wesentlich erleichtert durch das Entgegenkommen der Stiftsoffizialen und die musterhafte Ordnung, in der sich selbst nach v. Hertlings Zeugnis alle Rechnungsbücher vorfanden. Blutenden Herzens haben die Mönche, insbesonders der greise Abt und sein Großkellner P. Placidus Braun, zugesehen, wie ihr liebes Stift von oben bis unten durchstöbert wurde und alles Kirchensilber, alle Paramente, alle Möbel der Zellen und Gastzimmer, alle Gemälde, alles Küchen- und Tafelgerät, alle Einrichtungen der Werkstätten, alle Kellervorräte, sämtliche Vieh- und Naturalienbestände, überhaupt alles, was irgendwie in Geld umgesetzt werden konnte, genauestens verzeichnet und mit Beschlag belegt wurde. Das Ergebnis der B e s t a n d s a u f n a h m e w a r : 2 ) >) Siehe 3. Kap. S. 58. ) Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich 10 ( 5 ); 1 0 ( ' ) ; B l ( ' ) ; B 22 ( n ) ; G 6 ( 4 ) . Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 35; 409, 26, 58; 429, 46.

2

— 45 — I. an Aktiven: 1) laut S c h ä t z u n g e n : b) sonstige dem Stift gehörige Gebäude1) c) Klostergärten ' e) f) g) h) i) k) 1) m) n) o) p) q) r) s)

t) u) v)

Malereien . . . . Pectoralien und Ringe Tischzeug (Bestecke usw.) Leinwand . . . . Betten und Bettwäsche Zinn (Teller usw.) Kupfer (Pfannen usw.) Meßgefäße, A/Vagen usw Eisenwerk (Kassen, Pfannen usw.) Hausfahrnisse (Fässer usw.) . . Ökonomie und Brauerei (Vieh, Kutschen usw.) Pferde (9) in der Sakristei Paramente 2 ) Silber (Kelche usw.) Meßbücher . . . . „ Leuchter Leinwand . . . . „

12250 13750 4825 2651 H2 329 186 20 662 482 482 290 68 156 480 2453 425 425 1253 811 149 20 54

fl „ „ „ „ „ „ „ „ „ „ „ „ „

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52 27 45 42 30 55 17 28

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„ 2 „ „ »? „ „ 30 „ „ 20 „ „ í* „ 24 „

41462 fl 51 kr 2) laut N a c h w e i s der K a s s e n - und R e c h n u n g s b ü c h e r : a) Bargeld 4479 fl 9 kr 5 hl b) Aktivkapitalien 80878 „ 52 c) Zinsrückstände 1346 ,, 7 d) Aktivkurrentschulden 1989 ,, e) Kirchen- (Priorats-) Kapitalien 3 ) . . 21818 „ f) Grundzinsrückstände in der Stadt . . 27 56 6 g) Getreidevorräte 3978 15 38 h) Weinvorräte 2867 53 i) Restanten (zum Kasten, Laudemien usw.) 40269 157654 fl 53 kr *) Die bayerische Schätzungskommission errechnete hieraus einen Wert von 20250 fl! Im übrigen geben diese Zahlen wohl nicht ganz zuverlässig den Sachwert des Stiftsbesitzes wieder. Doch verdient vorstehende Tabelle Beachtung, weil sie allein von Amtswegen angefertigt wurde. 2 ) Nicht alle Kirchensachen wurden eingeschätzt, sondern nur jene, welche den Kommissionen „für den notwendigsten Kultus entbehrlich" schienen (vgl. Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 429, 52). 8 ) v. Epplen leugnete allerdings eine so hohe Summe in Beschlag genommen zu haben und erkannte nur 9910 fl an.

— 46 — 3) an j ä h r l i c h e n R e v e n u e n i n der S t a d t : 1 ) a) Grundzinsen von den Häusern, Gärten und Wiesen 272 b) von den Meierhofgütern . . . . . 1239 c) von den 3 Mühlen 609 d) von den Hauszinsen der vermieteten Häuser 367 e) von der Schleif- und Poliermühle . . 82 f) vom Weinschenkkeller 1391 g) vom Bräuhaus 2794

fl 33 kr 1 hl „ 22 „ 4 „ „ 19 „ 2 „ ,, ,, ,, „ 21 „ 2 „ „ 59 „ „ 46 „ 7 „

6757 fl 22 kr 4) an j ä h r l i c h e n R e v e n u e n i n S c h w a b e n , B a y e r n , N e u burg-Pfalz und Tirol:2) 3482 fl 6 kr 6 hl a) Stift- und Küchendienste . . . . 14052 11 13 „ b) Getreidegülten und Laudemien c) Zehenten 6577 11 46 „ 1 „ d) Nachsteuern . . . . 660 11 37 „ 6 „ 30 „ 6 „ e) Umgelder und Taferngelder . . . . 707 f) Straßen 90 11 22 „ 2 „ g) eigene in Bestand ausstehende Güter 753 Ii 18 „ 4 „ h) Zoll von der Hochzoller Lechbrücke 656 11 31 „ 7 „ 190 Ii i) Fischweiher in Schwaben 251 11 54 „ 4 „ k) Felder im Gögginger Flur 2514 Ii 34 „ 7 „ 11352 Ii 14 „ 1 „ m) Waldungen (2032 3/4 Jauchert 3 ) 41289 fl 10 kr 4 hl 11

II. Die Passiven des Stiftes betrugen zwischen 378139 fl 20 kr und 353986 fl 30 kr. Die Inventurkommissionen konnten mit ihrem Ergebnis zufrieden sein. Der errechnete Gesamtwert der ulrikanischen Säkularisationsmasse belief sich mit den zu 3 % ins Kapitell geschlagenen Revenuen auf ca. 1800000 fl, denen verhältnismäßig geringe Passiven gegenüberstanden. berechnet auf Grund des 10jährigen Durchschnitts von 1788/98. berechnet auf Grund des 10jährigen Durchschnitts von 1788/98. 8) Staatsarch. Neuburg, Reg.-Akt. 3012,19 (hievon lagen nach dem Bericht des, wo es gegen die Klöster ging, diensteifrigen Landesdirektionsrats Schilcher, der „mit den angestrengtesten Kräften das Land nach allen Richtungen und unter jeder Witterung durchkreuzte", 1209 Tagwerke auf bayerischem Boden; vgl. Kreisarch. München, Seria A Gen.-Reg. fasz. 476, Forstwesen Nr. 64 vom 15. X. 1803) Hartig dagegen (Das Benediktiner-Reichsstift St. Ulrich und Afra, S. 16.) schreibt dem Stifte St. Ulrich 2554 Jauchert Wald zu. Tremel hat in seiner Dissertationsschrift „Die säkularisierten Klosterwaldungen in Altbayern"' (München 1924) die umfangreichen Waldungen St. Ulrichs in Altbayern außer acht gelassen. 2)

— 47 — Mehr Kopfzerbrechen aber als die Inventur des Klosterbesitzes verursachte den Kommissionen seine Verteilung. Beide Partner hatten infolge ihrer wenig rosigen Finanzlage das Bestreben, zwar möglichst viele Aktiven, aber möglichst wenig Passiven zu erhandeln. Kein Wunder, daß sie sich darüber lange nicht einigen konnten und das Feilschen sich durch mehr als drei Jahre hinzog. Und doch würde der reichsstädtische Senat gern von Anfang an allen Ansprüchen auf den Erwerb geistlicher Güter entsagt haben, hätte er den schließlichen Ausgang der Verhandlungen vorausgesehen.

3. K a p i t e l .

Die militärische Besetzung des Stiftes durch Bayern. Seine „Cumulativ-Civilbesitznahme" durch das Rurfürstentum Bayern und die Reichsstadt Augsburg, Aug. —Dez. 1802. Viele Fürsten und Städte warteten den Abschluß der Regensburger Reichsdeputationsverhandlungen nicht ab. Schon ein halbes Jahr vorher leiteten sie die Säkularisation ein. Allen voran ging Bayern, das durch seinen allmächtigen Minister Graf v. Montgelas den Klostersturm eröffnete. Er schickte im Auftrage des Kurfürsten am 25. Jan. 1802 an den geistlichen Rats-Präsidenten Grafen v. Seinsheim jenes berüchtigte Reskript, das folgendermaßen eingeleitet ist: „Da wir überzeugt sind, daß die moralische Ausbildung eines Volkes die Grundbedingung ist, ohne welche man keinen dauerhaften Wohlstand erlangen kann und daß die besten Regierungsanstalten ohne Wirkung bleiben, wenn die Untertanen nicht durch jene dafür vorbereitet werden, so halten wir uns verpflichtet, die Hindernisse, welche dieser Kultur entgegenstreben, vor allem wegzuräumen . . . . Eines der mächtigsten Hindernisse zeigt sich in der dermaligen Verfassung der Klöster . : . . Ihre fortdauernde Existenz ist daher nicht nur zwecklos, sondern positiv schädlich . . . ,". 1 ) Noch waren keine acht Tage vergangen, seitdem Abt Gregor sein Promemoria an die Reichsdeputation abgeschickt hatte, als auch schon der erste, die Aufhebung des Stifts vorbereitende Akt von Seiten des bayerischen Kurfürsten erfolgte. Am 27. August 1802 wurden Abt und Konvent durch den Besuch des bayerischen Kommissärs, Baron Maximilian v. L e r c h e n f e l d s , überrascht. 2 ) Er brachte ein kurfürstliches Reskript vom 23. August mit, in dem Max Joseph „Seinem besonders Lieben und Getreuen intimierte, durch die Lage der Umstände in die Notwendigkeit versetzt zu sein, zur Sicherstellung seiner ihm bei den Verhandlungen mit den Mächten heiligst zugesicherten Rechte durch ein kleines bayerisches Detachement das Stift provisorisch besetzen zu lassen, wobei jedoch das Militär den Auftrag erhalten habe, sich in keiner Weise in die Civilverwaltung einzumischen und die schärfste Manneszucht zu halten." 3 ) ') Kastner K., Die große Säkularisation, S. 24. Augsburgische Ordinari Postzeitung vom 11. IX. 1802 Nr. 218. Ord.-Arch. Augsburg K 32; siehe Anhang Nr. 4.

2)

3)



49 —

Es blieb nicht lange bei der bloßen Ankündigung. Am 20. Sept. erfolgte ohne Widerspruch der Reichsstadt die m i l i t ä r i s c h e B e s e t z u n g des Stifts durch den bayerischen Lieutenant v. W i e s e n , einen Korporal und zehn Grenadiere vom Regiment Herzog Wilhelm. 1 ) Dem Kurfürsten war es bei dieser Maßnahme hauptsächlich darum zu tun, „auf die Reichsstadt, die sich in Anwandlungen reichsstädtischen Hochmuts trotz aller sonstigen Unterworfenheit manche Übergriffe gegen bayerische Untertanen erlaubte," 2 ) einen Druck auszuüben. Wohl erfolgten noch keinerlei Eingriffe in die Verwaltung des Stifts, 3 ) doch trugen der bejahrte Abt und seine Mönche schon schwer an der militärischen Besetzung ihres Stiftes. „Gleichwohl ließen sie den Mut nicht sinken und hofften noch immer, ihr Stift der gänzlichen Vernichtung zu entreißen." 4 ) Mit seinem Großkellner P. Placidus Braun begab sich der Reichsprälat jetzt selbst nach München, um die Huld und Gnade des Schirmvogtes, des Kurfürsten, und des Herzogs Wilhelm für das Stift anzurufen. Braun berichtet über den Erfolg der Reise: „Der Kurfürst entließ den niedergebeugten Abt mit einigem Trost". Auch Herzog Wilhelm versprach, sich für das Stift verwenden zu wollen. Allein was Kurfürst und Herzog erhoffen ließen, hat der Minister (Montgelas) sofort wieder vernichtet. Der Abt mußte zu seiner größten Bestürzung die niederbeugenden Worte hören: „Man wird mit Ihnen keine Ausnahme machen". So ging es denn auch. 5 ) Inzwischen ließ die bayerische Regierung alle Vorbereitungen zu einer möglichst raschen und geordneten Inbesitznahme der neuen, dem Kurfürsten versprochenen Gebiete und Besitzungen treffen. Zur „Organisierung der schwäbischen Provinz" errichtete sie am 29. Nov. 1802 ein kurbayerisches Generallandeskommissariat in Ulm, das dann seit September 1808 den Titel „Kurpfalz-bairische Landesdirektion" führte. Die Leitung übernahm der kurfürstliche Kämmerer und bevollmächtigte Gesandte am schwäbischen Kreiskonvent, Freiherr Wilhelm v. H e r t l i n g , der, unter oberster Direktion des Geheimen Ministerialdepartements der auswärtigen Angelegenheiten in München stehend, für alle geistlichen und weltlichen Angelegenheiten der neuen Untertanen zuständig sein sollte. Zur Erleichterung seiner ausgedehnten Geschäfte schied man die neue Behörde in die zwei Regierungskammern zu Kempten und Dillingen. Die Reichsabtei St. Ulrich mit all ihren Besitzungen und Untertanen ward Dillingen zugeteilt. 6 ) Gleichzeitig wurde sämtlichen neuen Untertanen in Schwaben „ernstgemessen bedeutet, daß sie in Beschwerden-, Appellations- und 1)

2)

8) stifts I 4) 6) e)

Augsburgische Ordinari Postzeitung vom 24. IX. 1802 Nr. 229. Bayer. Geh. Staatsarch. K schw. 404/5. Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Braun Plac., Geschichte des Reichs33. Braun P. Placidus, Geschichte der Kirche und des Stiftes usw., S. 368. ebd. Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 413, 55, 56, 61. 4

— 50 — sonstigen Rekurssachen bei Strafe keine auswärtige, wie immer Namen haben mögende Gerichtsbehörde außer den kurbayerischen Staaten anrufen dürften, und ihnen vornehmlich verboten, sich in geistlichen und weltlichen Angelegenheiten an das Markgräflich-Burgauische Oberamt in Günzburg zu wenden. Sollte jedoch vonseiten Österreichs hiegegen protestiert werden, „so sei ihm mit einer Reprotestation zu begegnen. Bei allenfallsiger Gewaltanwendung sollten sie sogleich durch Estafetten die entsprechenden Verhaltungsbefehle erholen. Jedoch sei der Churfürst gewillt, von Österreich hergebrachte Rechte unangefochten zu belassen." 1 ) Besonders eilig hatte es die Pfalz-Neuburgische Regierung mit der Besetzung der zum Reichsstift gehörigen P r o p s t e i U n t e r l i e z h e i m und der beiden Hofmarken Ober- und U n t e r f i n n i n g e n (bei Dillingen a. d. Donau).2) Schon am 8. November 1802 in der Frühe zwischen 7 und 8 Uhr traf unvermutet aus Hochstätt eine kurfürstliche Kommission in der Person des neuburgischen Landrichters v. B i n n e r , seines Actuarius Moser und eines Landrichters in Finningen ein. Nachdem v. Binner sich durch Verlesung seiner Vollmacht legitimiert hatte, begann er mit dem Kassensturz, der an Bargeld nur 639 fl 45 kr ergab. Er sperrte sodann den Bezug der Revenuen, inventierte die Registratur, nahm sämtliche herrschaftlichen Gebäude und Gründe auf, extrahierte summarisch die Rechnungen und das vorrätige Getreide und schloß den Zehentstadel. Dann nahm er in feierlicher Weise die bisher St. ulrikanischen Beamten, den Pfleger Steeb, den Jäger Josef Burger und den Gerichtsdiener Seb. Leitner, durch Ablegung eines Eides in kurfürstliche Pflichten mit dem Kommissionsauftrag, daß sie bei persönlicher Verantwortlichkeit weder Geld- oder Getreidegefälle noch Akten oder Papiere noch sonst etwas nach St. Ulrich abführen dürften, sondern von nun an das kurfürstliche Interesse zu besorgen hätten. Auch wurden sämtliche gültbaren Untertanen zur Aufzeichnung ihrer Gültschuldigkeiten vor die kurfürstliche Kommission geladen. Der Superior von Unterliezheim, P. Augustin D r i c h t l e r , protestierte zwar gegen alle diese Maßnahmen, „jedoch mit tiefster Ehrfurcht für die landesherrlichen Verordnungen". Er erklärte, das Reichsstift habe ein unbezweifeltes Eigentumsrecht auf die Propstei und übe dort unstrittige landständische Gerechtsame aus. Überdies habe die Propstei erst noch auf dem letzten Landtage die feierliche Versicherung der ferneren Fortdauer ihrer Existenz erhalten. Umsonst. Der Landrichter ließ zwar den feierlichen Protest des Superiors „quoad substantiam" zu Protokoll nehmen, fuhr aber gleichwohl mit der Besitznahme fort. Auch der Reichsprälat schickte auf die Kunde von den Vorgängen in Finningen und Liezheim sofort eine „gehorsamste Vorstellung" an >) Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 413, 55, 56, 61. ») Ord.-Arch. Augsburg, K 32 und Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 413, 54.

— 51 — den Generallandeskommissär Frhr. v. Hertling, in der er gegen den „vorgekommenen Vorstoß der neuburgischen Hofkommission" Verwahrung einlegte; denn die beiden Hofmarken seien ein untrennbares Appertinenzstück zur Propstei Liezheim, welche seit uralten Zeiten zum Reichsstift St. Ulrich gehöre und sich daher der gleichen Behandlung erfreuen müsse wie das Reichsstift selbst. Er müsse daher ersuchen, die getroffenen kommissarischen Verfügungen zur Zeit noch zu suspendieren, zumal ja kraft des plan generale die Revenuen bis zum 1. Dezember dem Stift noch zu belassen seien, und dieses auch von seinen Grunduntertanen und Gütern im sonstigen Bayern die Gefälle noch ohne Widerrede beziehe. Eine weitere Vorstellung des Superiors an den Präsidenten Grafen v. T a x i s nach Neuburg schien von Erfolg begleitet zu sein. Taxis hob zwar am 17. November 1802 den Beschlag auf Liezheim und Finningen wieder auf. Um jedoch, den Bestimmungen des plan generale entgegen, zu verhindern, daß dem Stift noch irgendwelche Gefälle aus seinem Besitz zugingen, ließ man das Schreiben des Präsidenten erst am 25. November dem Superior übergeben und dem Reichsstift sogar erst am 27. November zustellen. Abt Gregor schickte gleich am nächsten Tage den Kastner des Stifts, P. Simpert Bozenhart, und den Registrator Aichner nach Finningen, um die noch ausstehenden Revenuen noch in aller Eile einzutreiben. Bei der Durchreise durch Hochstätt machten diese beim Aufhebungskommissär v. Binner ihre Aufwartung und teilten ihm den Zweck ihrer Reise mit. Baron v. Binner erklärte zwar, auch jenes Reskript erhalten zu haben; er habe aber erst noch bei der Hofkommission anfragen müssen, ob der Beschlag auf Finningen nicht doch bleiben solle, da ja das Reichsstift an die Propstei noch 6000 fl zu zahlen habe. 1 ) Die Antwort darauf müsse man erst abwarten; vorher könne man in dieser Sache nichts machen. So mußte der P. Kastner unverrichteter Dinge nach Augsburg zurückkehren. Ohne daß das Reichsstift noch das mindeste von den Revenuen des Jahres 1802 hatte beziehen können, kam so der 1. Dezember, der Endtermin des Revenuenbezuges. Damit war der Zweck, den die pfalz-neuburgische Regierung mit der unerwarteten Besetzung Liezheims und der beiden Finningen erreichen wollte, erfüllt: die Sicherung des R evenuenbetrages für das landesherrliche Aerarium schon vor dem 1. Dezember. Die Propstei befand sich damals in sehr gutem Zustand und wies einen Aktivstand von 32328 fl 56 kr auf, 2 ) während sich der jährliche Revenuenertrag auf nicht weniger als 6—10 000 fl belief. 3 ) Die Regierung nahm daher das zu erwartende Odium wegen der vorzeitigen Besetzung gerne auf sich. Liezheim selbst schuldete aber dem Reichsstift noch 1 5 0 0 0 fl. Bayer. Fin.-Min. 228, Das Kloster St. Ulrich und Afra in Augsburg, Pensionierung des geistlichen und weltlichen Personals. 8 ) ebd. und Ord.-Arch. Augsburg, K 32. 2)

4*

— 52 — Das Vorgehen der bayerischen Regierung gegen Liezheim und Finningen alarmierte Augsburgs Stadtväter aufs neue. Sie fürchteten, der Kurfürst, der ohnehin schon Truppen in ihren Mauern liegen hatte, könnte nun auch über die reichsstiftischen Besitzungen herfallen und sie in Besitz nehmen. Sie beeilten sich daher in den Besitz der ihnen zugewiesenen „Entschädigungsobjekte" zu gelangen. Einen genauen Feldzugsplan zu ihrer gleichzeitigen Erfassung hatte der Magistrat ja schon seit dem Bekanntwerden des plan generale entworfen. „Die dienstbereiten und geflissenen willigsten Pfleger, Bürgermeister und Räte der Reichsstadt Augsburg" teilten nun am 25. Nov. 1802 nachmittags 3 Uhr allen Betroffenen die Besitznahme schriftlich mit. In dem Schreiben an den Reichsprälaten von St. Ulrich 1 ) erklärten sie, auf Grund des von den hohen vermittelnden Mächten der hochansehnlichen Reichsdeputation am 8. Oktober übergebenen und von dieser angenommenen zweiten Entschädigungsplans seien der Reichsstadt neben vollständiger Jurisdiktion auch alle geistlichen Güter, Gebäude, Eigentümlichkeiten, Revenuen und Gerechtsame des Reichsstifts in Stadt und Gebiet ohne Ausnahme zugesprochen. Eine von den Herrn Ministern der hohen mediierenden Mächte der Stadt übergebene Note verlange noch vor dem 1. Dezember die Civilbesitznahme der Neuerwerbungen. Der Magistrat sehe sich daher pflichtenhalber veranlaßt, von sämtlichen Gütern und Gerechtsamen des Reichsstiftes den wirklichen Civilbesitz zu ergreifen, würde jedoch alles anwenden, was zur Erleichterung der gegenwärtigen Verhältnisse beitragen könne, und auch gegen das bisherige Personal alle jene Rücksicht eintreten lassen, welche mit seinen Pflichten gegen das ihm anvertraute Gemeinwesen nur immer vereinbarlich sei. Der RDHS bestimme außerdem, daß alle Immediatsrechte und Immunitäten des Reichsstifts und seiner Angehörigen cessieren sollten. Von Seiner Hochwürden Einsichten erwarte man, daß Wohldieselben unter den vorliegenden Umständen die Notwendigkeit einsehen werde, weder Novizen noch sonst Geistliche aus andern Klöstern in das Stift aufzunehmen und sobald als möglich einen genauen Etat über das Personal und den Aktiv- und Passivzustand des Stiftes einzusenden. 2 ) Um nun sofort einen äußeren Akt der Besitznahme auszuüben, ließ der Magistrat an die Klostergebäude und alle andern dem Stift gehörigen Häuser in der Stadt Hausnummern setzen.3) Die Stadt wurde jetzt mit Protesten förmlich überschüttet. Alle von der Besetzung Betroffenen, das Domstift und Hochstift, das Reichsstift, alle in der Stadt gelegenen mittelbaren Stifter und Klöster und selbst auswärtige Klöster, welche innerhalb der Stadt Güter besaßen, legten Verwahrung ein. Ein Gleiches tat dergreise Fürstbischof von ') Siehe Anhang Nr. 5. Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 408. Bayer. Geh. Staatsarch., K schw. 591/69.

2) 8)

— 53 — Augsburg und Trierer Kurfürst, Clemens Wenzeslaus. In einem Schreiben vom 28. Nov. teilte er dem kaiserlichen Plenipotentiarius zu Regensburg mit, daß sich die betroffenen geistlichen Körperschaften gegen diese städtische ,,im reichskonstitutionsmäßigen Wege noch nicht bewilligte Acquisition ihrer Gerechtsame protestando verwahrt hätten. So wenig er der Besitzergreifung gesamter geistlicher Besitzungen sich widersetzen könne, so scheine ihm doch der Umstand, daß schon bei der Besitzergreifung den Klöstern und Abteien die Novizenannahme und Aufnahme auswärtiger Ordensgeistlicher verboten wurde und hieraus die gänzliche Aufhebung der geistlichen Körperschaften zu entnehmen sei, in seine Ordinariatsbefugnisse einzugreifen." 1 ) Sicher war dieses einseitige Vorgehen der Reichsstadt verfrüht und geeignet, die bayerischen Interessen zu gefährden. Es rief daher auch sofort den Führer der bayerischen Besatzung im St. Ulrichsstift, Leutnant v. Wiesen, auf den Plan. In zwei bedrohlichen Schreiben an den Magistrat legte er „im Namen Seiner kurfürstlichen Durchlaucht" scharfen Protest gegen dessen Maßnahmen ein.''2) In einer Meldung an Frh. v. Hertling, die er noch am gleichen Tage nach Ulm schickte, „Erwardet er von seiner Excelenz die weidere Verhaltungsbefehle". 3 ) Allein Hertling wußte schon von den Vorgängen in Augsburg. Er war noch in der Nacht vom 25./26. Nov. mittels Estafetten durch den Domdechanten in Augsburg, Frh. v. Sturmfeder, aufgeklärt worden. Zunächst freilich mußte auch er sich damit begnügen, sofort „eine ebenso ernsthafte als nachdrückliche Protestation sverwahrungsnote gegen alle derlei einseitig vorgenommenen Schritte, welche die gegen den Churfürsten schuldige Ehrerbietung verletzten", an den Magistrat zu schicken mit dem Anfügen, daß alle Maßnahmen der Stadt „als null und nichtig anzusehen seien, solange nicht der Churfürst den Zeitpunkt zur Civilbesitznahme als geeignet ansehe, und daß nur bei Besitzergreifung der Hauptsache die Stadt Augsburg ein Gleiches in Hinsicht auf die ihr zufallenden einzelnen Teile des Ganzen zu bewerkstelligen befugt sei, alsdann aber wegen dem ihr gebührenden Anteil keineswegs verkürzt werden solle." 4 ) Gleichzeitig mit diesem Protestschreiben an die Reichsstadt und der Antwort an den Domdechanten ließ v. Hertling dem Leutnant v. Wiesen die Weisung zugehen, „auf alles ein wachsames Auge zu haben, keine Affigierung von Patenten oder andern äußerlichen Zeichen einer städtischen Besitznahme zu dulden und im Notfalle dem deshalb unterrichteten Domdechanten alle militärische Assistenz zu ») Ord.-Arch. Augsburg, A III 59. Siehe Anhang Nr. 6. 8) Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 408. Graf Rechberg, der bayerische Gesandte in Regensburg, bezeichnete später das wackere Einschreiten v. Wiesens als „Leutnantsbravour". Siehe Haupt K., Vereinigung der Reichsstadt Augsburg mit Bayern S. 59. Siehe Anhang Nr. 7. 4 ) Bayer. Geh. Staatsarch. K. schw. 591/69: Die Verhältnisse der Reichsstadt Augsburg wegen Behandlung der dortigen Klöster betr., 1802. 2)

— 54 — leisten. Sollten schon Besitzergreifungspatente angeschlagen worden sein, so habe er dieselben sofort abnehmen zu lassen und Posten dahin auszustellen." 1 ) Im Augsburger Rathaus tat man nicht wenig verwundert über die Menge der Protestschreiben. Der Senat gab dieser Stimmung Ausdruck in einem Schreiben an den Kurfürsten vom 27. Nov.; 2 ) er erklärte darin, er könne die bayerischen Gegenmaßregeln nur als Auslassungen übereifriger kurfürstlicher Unterorgane betrachten und müsse, um sich in Zukunft vor solchen Protesten zu schützen, neuerdings um die Zurückziehung der in St. Ulrich liegenden bayerischen Mannschaften bitten. 3 ) Dafür war natürlich der Kurfürst, dem es schon unangenehm genug war, daß die Stadt in der Besetzung der Augsburger Neuerwerbungen zuvorgekommen war, nicht zu haben; vielmehr gab er noch am gleichen Tage die Weisung, alle ihm zugefallenen Entschädigungsobjekte in Schwaben schleunigst in Besitz zu nehmen. Eine Generalversammlung vom 29. Nov. 1802 bestimmte, daß die „Besitzergreifungspatente gleich beim Empfang in Märkten und in der Stadt Füssen an die Ratshäuser und öffentlichen Gebäude, in Dörfern aber an den Kirchen und Wirtshäusern nach vorläufiger Publication in dem sonst gewöhnlichen Wege anzuheften seien, wobei den Beamten eröffnet werde, daß Seine kurfürstliche Durchlaucht jeden gegen Verhoffen eintrettenden Widerstand und sonst an den Patenten begangenen Mutwillen auf das Schärfste ahnden würden. Bei vermischten Besitzungen seien jene Patente an alle Höfe und Häuser, worüber dem vormaligen Reichsstift bisher die Landeshoheit zugestanden habe oder behauptet worden sei, zu affigieren und das kurfürstliche Wappen anzuschlagen, folglich auch in den im burgauischen Regalienbezirk gelegenen einzelnen Höfen, worauf dem Reichsstift bisher die jura insassiatica zugestanden haben." 4 ) Der zweite Zusammenstoß zwischen der Reichsstadt und Bayern erfolgte in der Frage über die Übernahme der klösterlichen Kanzleien, Kassen und Archive. Gerade an diese und besonders an die des Reichsstiftes hätte die Stadt am liebsten allein Hand angelegt; vermutete sie hier doch mit Recht die Kaufbriefe und Zinsbücher ihrer reichsstiftischen Neuerwerbungen, wie auch alle Freiheitsbriefe und Urkunden über die von den Kaisern und Königen dem Stift gewährten und von den jeweiligen Reichsprälaten immer hartnäckig behaupteten Rechte und -Privilegien. Sie war sich aber von vornherein darüber klar, daß auch der Kurfürst als Erbe aller auswärtigen Besitzungen und Rechte des Stifts größtes Interesse an diesen Archivalien haben *) Bayer. Geh. Staatsarch. K. schw. 591/69: Die Verhältnisse der Reichsstadt Augsburg wegen Behandlung der dortigen Klöster betr., 1802. 2) ebd. 3 ) ebd. *) Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 413, 5.

— 55 — würde. Überdies würde er sicherlich mit Rücksicht auf die späteren Ausgleichsverhandlungen gerne Einblick in die auf die Augsburger Neuerwerbungen bezüglichen Akten nehmen und daher nie eine einseitige Übernahme des Archivs durch die Stadt zulassen. Um durch einseitiges Vorgehen den Kurfürsten nicht nochmals in eine gereizte Stimmung der Stadt gegenüber zu bringen, glaubte der Senat gut daran zu tun, schon am 26. Nov., dem Tage, an dem er vom Stift Civilbesitz nahm, den Kurfürsten um Absendung von Kommissären zu bitten, welche im Verein mit augsburgischen Abgeordneten das Archiv nach den beiden Seiten zugefallenen Besitzurkunden und Dokumenten über Gütereinkünfte, Stiftungen, Gebäude usw. sichten und dieselben verteilen sollten.1) Unangenehm waren aber die Augsburger Stadtväter überrascht, als am 30. Nov. der bisherige fürstbischöfliche Kanzler v. E p p l e n als bayerischer Lokalkommissär in Augsburg eintraf. „Zweifellos hatte die bayerische Regierung in ihm einen tüchtigen Beamten ausgewählt; aber abgesehen von seiner aus der früheren Stellung her datierenden Gegnerschaft machte ihn sein barbarisches, grobes Wesen in hohem Grade geeignet, alte Konflikte zu erneuern und zu verschärfen. Epplen trat dem Magistrat gegenüber von Anfang an gebieterisch und eigenmächtig auf und beschwor damit eine ganze Reihe von Streitfällen herauf." 2 ) Instruktionsgemäß verfügte sich v. Epplen sogleich nach seiner Ankunft zu den Stadtpflegern. Hatte diese schon die Ankunft dieses mit den Augsburger Verhältnissen besonders gut vertrauten und wegen seiner früheren Stellung mit Mißtrauen empfangenen Mannes nicht wenig in Schrecken versetzt, so gerieten sie noch mehr in Aufregung, als der Lokalkommissär ihnen eröffnete, daß der Kurfürst beschlossen habe, von allen Stiftern und Klöstern in Augsburg Civilbesitz zu nehmen, und daß er deshalb beauftragt sei, die Obsignation und Inventur ihrer Kanzleien, Kassen und Archive ohne jede Beeinträchtigung der reichsstädtischen Rechte vorzunehmen. Jetzt setzten sie ihm den ersten Widerstand entgegen. Sie entgegneten ihm, erst vor ein paar Tagen an den Kurfürsten von Bayern ein Schreiben gerichtet zu haben, in dem sie zwecks cumulativer Obsignation und Inventur aller Stifte und Klöster um Abordnung einer geeigneten Persönlichkeit ersucht hätten. Ohne daß der eine oder andere Teil von seinem Standpunkt abgewichen wäre, gingen sie auseinander. Noch am gleichen Abend erschien bei Epplen eine Ratsdeputation und erklärte ihm, daß man städtischerseits zur Handhabung der jurium status et territorii von gemeinschaftlicher Obsignation und Inventur unter keinen Umständen absehen könne, zumal die Stadt bei der verhältnismäßigen Beteiligung *) Bayer. Geh. Staatsarch., K schw. 591/69. ) Haupt K., Vereinigung der Reichsstadt Augsburg mit Bayern, S. 61.

2

— 56 — an den Schulden und dem Unterhalt der Geistlichen kaum werde umgangen werden. Die dringlichen Vorstellungen der städtischen Deputation wirkten. Jetzt glaubte Epplen von der zweiten ihm erteilten Instruktion Gebrauch machen zu dürfen, wornach er sich nur im äußersten Notfalle auf eine gemeinsame Obsignation und Inventur einlassen dürfe. Er erklärte, daß er mit Ausnahme des Domkapitels beim Reichsstift und den übrigen Klöstern mit der cumulativen Obsignation einverstanden sei, hinsichtlich der Inventarisation hingegen die Stadt nur bei jenen Objekten zulassen werde, die in ihrem Burgfrieden gelegen seien. Auch damit gaben sich die Deputierten nicht zufrieden, sondern bestanden hartnäckig auf der Forderung einer allgemeinen gemeinschaftlichen Obsignation. Kurzerhand erklärte nun v. Epplen tags darauf, daß mit Ausnahme des Domkapitels sofort mit der cumulativen Obsignation angefangen werden könne, daß er sich aber im übrigen mittels Estafetten weitere Verhaltungsbefehle aus Ulm einholen müsse.1) Der General-Landeskommissär in Ulm arbeitete schnell mit Rücksicht auf die mit der Reichsstadt entstandenen Differenzen neue Grundsätze 2 ) aus, nach welchen die cumulative Besitznahme ohne Schädigung der bayerischen Belange vor sich gehen könne. Unter anderem schlug er dem Kurfürsten vor: ,,1) für den Fall, daß das Reichsstift aus einigen, innerhalb des städtischen Burgfriedens gelegenen Besitzungen Revenuen bezogen habe, dürfe man wohl kaum die gemeinschaftliche Obsignation und Inventar der Stadt Augsburg versagen; 2) nur von den außerhalb des Burgfriedens gelegenen Besitzungen gebühre der Stadt keine Miteinsicht. Hiegegen sei von allen vorfindlichen Aktiv-Obligationen der Stadt ein Verzeichnis zu übergeben, die Obligationen selbst aber müßten für den Kurfürsten als Eigentümer der Besitzungen bestimmt werden; 6) die Archive müßten insgesamt unter gemeinschaftlicher Versiegelung bleiben und bei ihrer gemeinschaftlichen Untersuchung sollten der Stadt die ihr gebührenden Urkunden ausgefolgt werden; 7) zwecks verhältnismäßiger Tragung der Lasten sei man zu weiteren Verhandlungen geneigt." Inzwischen hatte sich der Lokalkommissär v. Epplen manchen Eingriff in die ängstlich gehüteten reichsstädtischen Kompetenzen erlaubt, wie die heimliche Übernahme der klösterlichen Beamten in bayerische Pflichten. ,,Die kränkende Manier, mit welcher sich der kurfürstliche Kommissär in den Alleinbesitz der Registraturen und Akten gesetzt und der städtischen Deputation die Miteinsicht der ScripBayer. Geh. Staatsarch., K schw. 591/69, Bericht Hertlings an der Kurfürsten vom 21. XII. 1802. 2) ebd.

— 57 — turen entzogen hatte" 1 ), veranlaßte den Senat, der mit einem so schlimmen, ominösen Beginn der Verhandlungen mit Bayern nicht gerechnet hatte, zur Abfassung eines Beschwerdeschreibens an den Kurfürsten. Er bezeichnete hierin das Vorgehen v. Epplens als einen „Eingriff in die ständischen und landeshoheitlichen Gerechtsame der Reichsstadt, die er nach den ihm obliegenden Pflichten nie zugeben könne, umsoweniger als der Stadt erst kürzlich in dem Entschädigungsplan der Reichsdeputation die volle und unbeschränkte Jurisdiction zugesichert worden sei. Um jedoch alle nur immer mit seinen Pflichten vereinbarliche Bereitwilligkeit zu erschöpfen, habe er dem Kommissär den Vorschlag machen lassen, diejenigen Kassen, welche einzig und allein mit der Landesadministration in Verbindung zu stehen befunden würden, außer gemeinschaftlicher Obsignation zu lassen. Da jedoch auch dieser billige Ausweg nicht angenommen worden sei, so sehe er sich veranlaßt, an den Kurfürsten das Ansuchen zu stellen, dem Kommissär die schleunigste Weisung zu erteilen, daß er sich diesen Antrag gefallen lasse und mit ihm gemeinschaftlich zu Werke gehen möge". 2 ) Es scheint, daß das Beschwerdeschreiben des Senats nicht ganz ohne Wirkung blieb und sich auch am Münchner Hof die Überzeugung bildete, daß v. Epplen bei seinen Maßnahmen doch nicht immer die allen Aufhebungskommissären erteilte Instruktion vom 3. XI. 1802, „die Aufträge mit ebensovieler Klugheit als Bescheidenheit auszuführen", 3 ) befolgt und es mit der Gemeinschaftlichkeit der Obsignation nicht sonderlich genau genommen zu haben scheine. Jedenfalls hielt man es trotz aller sonstigen Verstimmung gegen die Reichsstadt für angebracht, eine gewisse Mäßigung in dem Vorgehen gegen sie eintreten zu lassen. Max Joseph billigte im wesentlichen die Grundsätze Hertlings und wies den General-Landeskommissär in Ulm an, gegen die Stadt „mit aller derjenigen Gelindigkeit und Schonung zu verfahren, welche immer mit des Kurfürsten Würde und den ihm zustehenden und sorgfältigst zu wahrenden Rechten vereinbarlich seien, damit bei der bekannten Stimmung der Mediateurs alle unnützen Klagen und Anstände vermieden würden". 4 ) Dem reichsstädtischen Magistrat aber ließ der Kurfürst antworten, „er sei weit entfernt, die Stadt in ihren Rechten und Befugnissen, welche ihr durch die Beschlüsse der Reichsdeputation zugestanden worden seien, im mindesten benachteiligen zu wollen. Im übrigen möge sich die Reichsstadt an v. Epplen wenden, dem bereits die entsprechenden Instruktionen gegeben worden seien". 5 ) *) Staatsarch. Neuburg, Regierungsakt 4930, 14, Verhandlungen bei Mediatisierung der Reichsstadt Augsburg in geistlichen und weltlichen Angelegenheiten 1804 (Beschwerdelibell Augsburgs v. 5. VI. 1804). 2 ) Bayer. Geh.Staatsarch., K schw. 591/69 (Beschwerdeschreib, v. 1.XII.1802) 3 ) Bayer. Fin.-Min., Generalia 159, Conv. II. ") Bayer. Geh. Staatsarch., K schw. 591/69. s ) ebd.

— 58 — v. Epplen erhielt denn auch von der Landesdirektion den Auftrag, ,,die auf Verlangen der Stadt gemeinschaftlich zu obsignierenden Archive solange versiegelt zu lassen, bis die darin befindlichen Urkunden von einem Diplomatiker untersucht und nach Befund abgesondert wären; der Stadt solle er die Versicherung geben, daß ihr seinerzeit alle die städtischen Besitzungen betreffenden Papiere und Urkunden zugestellt würden. Insbesondere erstrecke sich dieser Punkt der Cumulativobsignation auch auf das Reichsstift St. Ulrich und Afra". 1 ) Noch immer weilte indes die bayerische Besatzung im Reichsstift. Man begreift den Unmut der Augsburger Ratsherrn über diese unbequemen Gäste und Kontrollorgane in ihrem landeshoheitlichen Bereich, zumal die Klostergebäude der Reichsstadt zugefallen waren. Allein Bayern hatte keine Eile mit ihrer Abberufung; vielmehr hatte v. Hertling dem Kurfürsten schon seit längerem vorgeschlagen, die Besatzung solle, „um besser zu imponieren, noch solange dort belassen werden, als das Besitznahmegeschäft des kurfürstlichen Kommissärs in Augsburg dauere, dann allerdings sogleich zurückbeordert werden." 2 ) Völlig einig waren sich beide Partner, Kurfürst und reichsstädtischer Senat, nur in dem einen Punkte, daß man möglichst bald von der provisorischen Besitzergreifung des Reichsstifts und seiner Besitzungen zur endgültigen übergehen müsse. So erschien denn schon am 12. Dez. 1802 „eine bairisch-reichsstädtische C u m u l a t i v k o m m i s s i o n " i m St. Ulrichsstift, kündigte dem auf diesen schrecklichen Schlag vorbereiteten Abt die Auflösung seines Stifts und das Ende seiner Regierung an, nahm ihm die Administration ab und versiegelte die Kassen, Archive, Bibliothek und Getreidekästen. Es wurde ein provisorisches Oberamt gebildet und den früheren Stiftsbeamten nach vorheriger Verpflichtung die Administration übertragen mit der Weisung, sofort über alle bisher vom Stift ausgeübten Rechte, seine Aktiven und Passiven an die Kommission zu berichten. „Mit unerschrockenem Mut und völliger Hingebung in den göttlichen Willen nahm Abt Gregor dies alles an; er tröstete seine Religiösen und ermunterte sie zur Ordnung und zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten, von denen sie die weltliche Macht nicht entbinden könne, und zur Einigkeit und Standhaftigkeit." 3 ) So berichtet der Chronist über den letzten Tag seines Stiftes. Zwar lebten die Mönche noch drei Jahre im klösterlichen Verbände weiter, aber rechtlich hörte das Stift an diesem dritten Adventsonntag des Jahres 1802 auf zu bestehen. Der Kurfürst konnte mit seiner Neuerwerbung zufrieden sein. Freilich ein nicht unbeträchtlicher Gewinn sollte ihm gegen alle ') Bayer. Geh. Staatsarch., K schw. 591/69, Bericht Hertlings an den Kurfürsten. 2 ) ebd. s ) Braun P. Placidus, Geschichte der Kirche und des Stiftes usw., S. 368 und Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Geschichte des Reichsstiftes usw. I 34.

— 59 — Hoffnungen entgehen; schon lange hatte er auf die reichen, in Tirol und in der Markgrafschaft Burgau gelegenen Besitzungen des Stiftes ein Auge geworfen. Allein auf die Kunde von der endgültigen Besitznahme der Reichsabtei und ihrer Annexe durch die Stadt und das Kurfürstentum war auch die österreichische Regierung nicht müßig gewesen und hatte sofort durch ihre Behörden diese Güter in Sequestration nehmen lassen und den dortigen ulrikanischen Beamten jeden Verkehr mit ihrer rechtmäßigen Behörde untersagt.1) Max Joseph lernte durch das österreichische Vorgehen; er sah, daß nur schnelles Zugreifen zum Ziele verhelfe. Wiewohl er wußte, dadurch neuerdings unerquickliche Reibungen mit der Reichsstadt hervorzurufen, wies er schleunigst seinen General-Landeskommissär in Ulm an, der Stadt das ulrikanische M a u t a m t an der H o c h z o l l e r L e c h b r ü c k e , das sie bereits besetzt hatte, wieder zu entreißen. Im Falle jedoch von der Reichsstadt Augsburg auf der wirklichen Erhebung des jenseitigen Zolles bestanden würde, solle er, da das Zollrecht offenbar mit der auf dem kurfürstlichen Territorio gelegenen St. Ulrichsbrücke verbunden sei, die Verfügung treffen, das Zollhaus und alle Zollzeichen niederzureißen und an ihre Stelle zwei neue Zolltafeln aufzurichten mit der Aufschrift: „Allen Commercirenden wird hiemit kundgetan, daß auf dem augsburgischen Territorio die ehemalige St. ulrikanische Mautheinhebung sich aufgelöst hat und diese bei dem kurbairischen Gränzamt Hochzoll geschieht." Hertling „machte nun sofort dem dortigen Zollner Eduard Liebermann Inhibierung, von nun an sich keine Mautheinhebung für das Stift oder die Reichsstadt anzumaßen und alle Zölle an das kurfürstliche aerarium zu verrechnen." 2 ) Die bisherige Eigentümerin des Mautamtes aber, die Reichsabtei, wurde unter dem 13. Dezember durch das nächstgelegene kurfürstliche Grenzamt Friedberg von der Civilbesitznahme der Lechbrücke und des damit verbundenen Zollregals verständigt und an sie das Ansinnen gestellt, „das nun ganz überflüssig gewordene Zollhaus ohnbeschadet und ohnverschiblich demolieren und abtragen zu lassen, da sonst die passirenden Zohlgäste nur jrrgeführt würden, und das Zollhaus nächtlicherweilen nur von bairischen Deserteurs benützt werden würde und diese hiedurch Unterschlupf finden könnten." 3 ) Ein ähnliches Schreiben erging an den Magistrat der Reichsstadt: „Mit dem von Nachbarschafts wegen und zu dessen fortwährend gutem Benehmen nicht zu verhaltenden Bemerk, daß wenn wider Verhoffen von seiten wohlbelobten Magistrats sich eine widrige Anmaßung erlaubt werden sollte, man von gnädigst übertragener Kommission wegen bereits ermächtigt seye, zu Behauptung solcher an Churbaiern übergegangener Zohlgerechtsame die zweckdienlichsten ') Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 419. ) Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 412, 2. J Ord.-Arch. Augsburg, K 32.

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und wirksamsten Mittel ergreifen und anwenden zu dürfen. Wessenfalls man bei der Selbsteinsicht eines wohllöblichen Magistrats keine unangenehmen Ereignisse gar nicht ahnden, sondern sich freundnachbarlichst erlassen wolle von seiten des in Sachen gnädigst bestellten Churfürstlichen Kommissions-undGränzamts in Fridberg am Hochzohl .' l l ) Die Lenker der Geschicke Augsburgs waren aber bei dem schlechten Stand der städtischen Finanzen keineswegs gewillt, sich ohne die energischsten Gegenanstrengungen die nicht unbeträchtlichen Zolleinnahmen entgehen zu lassen; betrugen diese doch jährlich nach Abzug der Unterhaltungskosten der Brücke und der Pension des bisherigen Mautners 1200 Gulden. 2 ) Sie antworteten daher am 17. Dezember dem Friedberger Grenzamt, daß sie zu ihrer großen Verwunderung von den bayerischen Maßnahmen erfahren hätten, zumal das Zollhaus auf eigenem Grund und Boden erbaut und eine vorgängige Anzeige in keiner Weise erfolgt sei. Sie hätten daher auch schon einige Zeit den Zoll erhoben und sähen sich ihrerseits nun veranlaßt, die Gerechtsame der Stadt auf das feierlichste zu verwahren, umsomehr als alle diese bayerischen Schritte zu einer Zeit vorgenommen worden, wo das ulrikanische Archiv noch unter gemeinschaftliche Sperre gelegt sei. 3 ) Natürlich verhallte auch dieser Protest wirkungslos an den Ohren der bayerischen Regierungsmänner, welche ihrerseits den Grenzbeamten in Friedberg „für die Wachsamkeit und den Eifer, den sie bei der Besitznahme des Zollhauses gegen die Stadt Augsburg bewiesen" hätten, höchstes Lob spendeten und sie ermahnten, „diese Gesinnung auch ferner zu beweisen und vorzüglich gegen alle augsburgischen Anmaßungen achtsam zu sein." 4 ) Auch der Kurfürst selbst ließ sich durch den Augsburger Protest nicht im mindesten einschüchtern, sprach vielmehr der General-Landesdirektion für die Nichtbeachtung des augsburgischen Protestes seine Anerkennung aus und wies sie an, „falls noch fernerhin dergleichen Schreiben übergeben werden sollten, diese überhaupt nicht mehr anzunehmen, sondern mit Protestation zurückzusenden." 5) Während dieser Vorgänge war bei der „höchsten kurbairischen obersten Hofstelle der auswärtigen Angelegenheiten" ein ausführliches Promemoria 6 ) des ehemaligen Kaiserlichen Pfalz- und Hofgrafen und Hochfürstlich Oettingisch-Spielbergischen Hofrates und nunmehrigen Reichsstiftischen Syndikus und zweiten Rates Jos. Ferd. v. N a u ß eingelaufen, das geeignet sein konnte, den Kurfürsten in seiner feindseligen Gesinnung gegen die Reichsstadt zu bestärken. Nauß führt darin bittere Klage über Übergriffe der Stadt gegen die Geistlichkeit >) 2) 8) ") 6) e)

Staatsarch. Staatsarch. Staatsarch. Staatsarch. Staatsarch. Ord.-Arch.

Neuburg, St. Ulrich 412, Neuburg, St. Ulrich 412, Neuburg, St. Ulrich 412, Neuburg, St. Ulrich 412, Neuburg, St. Ulrich 412, Augsburg, K 32.

9. 50. 10. 25. 24.



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und insbesondere gegen das Reichsstift. Der reichsstädtische Senat habe die Stiftsmühle gesperrt und verlange nun, daß das Stift für das Malzbrechen wöchentlich 90 Gulden Umgeld zahle, eine Forderung, die dasselbe nie erfüllen könne, weil alle seine Einkünfte, seine Kassen obsigniert und alle Zahlungsmittel ihm genommen seien. Desgleichen habe sich die Stadt, ohne irgendwelchen territorialen "Verlust beklagen zu müssen, angemaßt, den Geistlichen die Privilegien zu sperren und dem Herrn Reichsprälaten die immunitas, die doch seiner Person bis zu ihrem Absterben zugestanden habe, zu nehmen. Sie verlange jetzt auch schon die Aushändigung der auf die Stadt bezüglichen Archivalurkunden, worauf man aber unter keinen Umständen eingehen könne, wolle man nicht die Beweismittel für die Weitbestimmung der Güter, Häuser und Revenuen des Stiftes und für die Feststellung des Anteils, den die Stadt zur Pensionierung und Schuldenzahlung zu leisten habe, aus den Händen geben. Der Magistrat erkühne sich sogar, die Entfernung aller stiftischen Kanzleien und des in St. Ulrich liegenden bayerischen Militärkommandos zu fordern. Er beabsichtige damit nur die Isolierung der Geistlichkeit und die Beraubung aller Unterstützung, um alsdann nach seinem geheimen Vorsatz in den Stiftern inventieren, versteigern und die Auflösung der Kommunitäten, die doch der Willkür jedes Stiftes selbst anheimgestellt sei, zu veranlassen. Er selbst halte aber dafür, daß die Kanzleien, schon um die höchsten Gerechtsame und die Geistlichkeit selbst nomine Serenissimi zu schützen, solange fortbestehen müßten, als das künftige Schicksal der Stifter, ihre Auf- oder Nichtaufhebung und ihre Pensionierung nicht entschieden sei. Daher sei auch die Belassung des militärischen Kommandos in St. Ulrich vollauf gerechtfertigt; der Kurfürst müsse doch die Möglichkeit haben, die Gegenstände, die mit seinen Sigillen gedeckt seien, bis zu dem Zeitpunkt, wo eine Reserierung derselben angezeigt sei, zu schützen. Das Kloster St. Ulrich sei aber für das militärische Kommando umso geeigneter, als dieses Stift gegenüber den anderen Klöstern immer eine Ausnahmestellung eingenommen habe und auch jetzt als kurbairisches Eigentum zu betrachten sei. Überhaupt könne er nicht umhin, das reichsstädtische Verhalten gegen das Reichsstift, das 800 Jahre lang eine große wichtige Pfarrei ex caritate et gratia versehen habe, als eine grobe Undankbarkeit zu brandmarken und es als unverzeihlich hinzustellen, wenn der Magistrat jetzt ohne Rücksicht auf die Not dieses Stiftes sogar seine freie Hauskonsumption zu hemmen suche. Er bitte daher, daß der Kurfürst als Hauptsustentations- und folglich oberster Schutzherr der Geistlichkeit und insbesondere des Reichsstiftes als einer wittelsbachischen Gründung einen entschiedenen Druck auf den reichsstädtischen Magistrat ausübe und alle seine Machtmittel einsetze, der geängstigten Geistlichkeit zu Hilfe zu kommen." 1 ) ^ Bayer. Geh. Staatsarch., K schw. 591/69.



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Der Kurfürst sandte dieses Promemoria an den General-Landeskommissär v. Hertling zur Begutachtung. Allein hier kam Nauß nicht an den rechten Mann. v. Hertling erwiderte dem Kurfürsten, daß die Stadt allerdings zur Aufhebung der Privilegien des geistlichen Standes berechtigt gewesen sei; gleichwohl hätte er es für politischer und anständiger gehalten, wenn die Stadt damit bis zur Ausmittlung des künftigen Unterhalts der Geistlichen zugewartet haben würde. Dem Syndikus Nauß komme es aber weniger darauf an, die kurfürstlichen höchsten landesherrlichen Rechte zu erhalten und den Klerus gegen vorgebliche Bedrückungen seitens des Magistrats zu schützen; der wolle lediglich den Magistrat und sein Verhalten beim Kurfürsten in ein gehässiges Licht stellen; des Syndikus Auslassungen stimmten auch völlig überein mit seinem in Schwaben allgemein bekannten Charakter. Ein ähnlich ungünstiges Urteil über Nauß fällte Augsburgs Lokalkommissär v. Epplen, der ebenfalls von jenem Promemoria unterrichtet worden war. Der Syndikus sei mit Rücksicht auf seine früher gespielte Rolle keine vorteilhafte und empfehlenswerte PersoD; man habe sich auch allgemein gewundert, wie der Herr Reichsprälat sich habe überreden lassen können, ihn in reichsstiftische Dienste, zu nehmen. Er (Epplen) habe sich bislang nicht entschließen können, den Nauß in Interimspflichten zu nehmen, und weiche dessen Zudringlichkeit mit dem Yorwande aus, daß ihm hiezu die gedruckten Eidesformeln fehlten, die erst wieder neu aufzulegen wären. 1 ) Ob Nauß mit oder ohne Mitwirkung und Genehmigung des Reichsprälaten sein Promemoria verfaßte, läßt sich nicht ermitteln. Jedenfalls wollte Abt Gregor nichts unterlassen, was sein Stift noch retten konnte. Am 18. Dez. 1802 reichte er neuerdings ein „submissestes Gesuch" beim Kurfürsten ein. Er spricht darin den Wunsch aus, lieber ganz unter.^die Oberhoheit des bayerischen Kurfürsten zu kommen und mit diesem allein zu verhandeln, als von der Reichsstadt abhängig zu sein. Gregor geht sogar schon soweit, das Reichsstift hier als kurbairische Abtei zu bezeichnen und zu erklären, einer allenfallsig von der obersten Hofstelle ernannten Kommission den urkundlich belegten Aktivkapitalstatus zu 163670 fl 18 kr mit anderen vorteilhaften Vorschlägen, wie die noch vorhandenen Schulden geschwinde gänzlich getilget und also das höchste Interesse augenblicklich vermehrt werden könnte, exhibieren zu wollen. Nach erfolgter höchster Genehmigung der obersten Hofstelle werde er Seiner kurl ) Bayer. Geh. Staatsarch., K schw. 591/69. — Nauß scheint auch später noch in Augsburg eine unglückliche Rolle gespielt zu haben, sodaß sich 1813 „Seine königliche Majestät bewogen gefunden hat, zu beschließen, Nauß mit Belassung seiner Pension von 900 Gulden von Augsburg zu entfernen und ihm den Aufenthalt in Ingolstadt anzuweisen, wo er unter polizeiliche Aufsicht gesetzt werden soll." (Bayer. Fin.-Min. 228, Das Kloster St. Ulrich und Afra, Pensionierung des geistlichen und weltlichen Personals. Befehl des Ministeriums des Innern an den Kgl. Lokalkommissär in Augsburg, Frhr. v. Fraunberg, vom 3. V. 1813.)

— 63 — fürstlichen Durchlaucht die fußfälligste Bitte um fortwährende Existenz seines Stiftes einreichen. Zugleich ersuche er, „die in calculo eingesetzten, die Pensionen betreffenden Entwürfe in der Maas als ohnzielsezlich gnädigst zu bemessen, daß solche hierorts nur als betreffende mögliche Summe einstweilen in .Eventum anzusehen seyen." Gewiß hätte der Kurfürst dem Gesuch des Reichsprälaten wenigstens in seinem ersten Teil gern entsprochen, wären nicht die durch den R D H S fest bestimmten augsburgischen Rechte und die Abmachungen über die Cumulativcivilbesitznahme des Stiftes durch ihn und den reichsstädtischen Magistrat dagegen gestanden; verboten doch letztere, daß ein Teil ohne Mitwirkung und Einwilligung des andern irgendwelche Veränderungen in den Besitzverhältnissen und Revenuen eintreten lasse. Freilich die Beamten, die städtischen wie auch die kurfürstlichen, nahmen es in diesem Punkte nicht immer sonderlich genau. Mehr Erfolg als das reichsprälatische Schreiben hatten die Bemühungen der Reichsstadt um die baldmöglichste Entfernung der kurbayerischen Truppen aus dem St. Ulrichs-Stift. Endlich war es ihr nämlich gelungen, den bayerischen Gesandten am Regensburger Hof, den Grafen Rechberg zu gewinnen, sich mit dem Lokalkommissär v. Epplen in Verhandlungen einzulassen und durch ihn die Zurücknahme der bayerischen Besatzung durchzusetzen. Rechberg wird wohl schon im voraus seinen Lohn bekommen haben. Am 24. Dez. marschierte denn auch das Militärkommando nach Memmingen ab, 1 ) freilich nicht ohne sich vorher in einem „Revers de non perturbando" gewisse Zusicherungen geben zu lassen. 2 ) v. Epplen hielt einen solchen Revers für notwendig, da er erst zwei Tage vor dem Abzug des Kommandos in einem Bericht an das General-Landeskommissariat wieder Klage über das anmaßende Verhalten der Reichsstadt hatte führen müssen, welche „unrücksichtsvoll mit der Vorladung kurbairisch verpflichteter Diener an das Bürgermeisteramt fortfahre" und sich auch erlaubt habe, die bestehenden Verträge über die Gerichtsbarkeit der Geistlichen aufzuheben. Man sei in Augsburg „von Landeshoheit so umnebelt, daß jede Verwendung schwer sein werde, die städtischen Geschäftsmänner zu einem klügeren und anständigeren Betragen gegen Kurbaiern aufzuklären, solange M. (?) und seine Grundsätze dort herrschten. 8 ) Kurze Zeit darauf hört man wieder von Klagen über das Verhalten der reichsstädtischen Behörden. Kontrollorgane waren ja auch nach dem Abzug der zwölf Mann starken bayerischen Besatzung noch genug da. Die nunmehr in bayerische Pflichten genommenen früheren Klosterbeamten wachten, um sich die Huld ihrer neuen Dienstherrn zu erwerben, ängstlich darüber, daß die Stadt nicht einseitig weitere !) Bayer. Geh. Staatsarch. K schw. 591/69. Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 413, 90, 91. Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 408.



8)

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Schritte in der Säkularisationsangelegenheit unternehme. Für sie galt das alte Sprichwort: ,,Wes Brot ich esse, des Lied ich singe." Wieder führt ein Schreiben des kurbayerisch-provisorischen Oberamts im Gotteshaus St. Ulrich Beschwerde, daß die Stadt die Meierei des Stifts, sämtliche dem Stift gehörigen Häuser mit den hievon abfallenden Zinsen und alle Mühlen einziehe, auch dem stiftischen Bräumeister den Bestand des zur Hauskonsumption gehörigen Bräuhauses antrage und alle Grundzinsen durch Verkauf ablöse. Man müsse daher zur Beherzigung anheimgeben, ob nicht dieses Verfahren des Magistrats als besonders gehässig und leidenschaftlich anzusehen sei, da doch alle diese wichtigen Realitäten einen Hauptbestandteil des Stiftsvermögens ausmachen und nach ihnen sich der der Stadt zufallende Teil in Bezahlung der stiftischen Schulden und Pensionsbeiträge bestimme und die Erträge daher zum mindesten in die cumulative vohl dem Stift alles hinEntschädigung für die ausgedehnte Pfarrseelsorge, und der Herr Reichsprälat sei mit seinem Konvent dadurch in größte Verlegenheit und quälende Not versetzt." 1 ) So die kurbayerische Behörde. Einen Monat später glaubte man auf der Gegenseite wieder Grund zu Klagen zu haben. Die Augsburger Räte und Pfleger waren dieses Mal ,,so tief gekränkt von der einen und anderen Stelle der vollziehenden Gewalten und kommissarischen Behandlungen, und es schmerzte sie in ihrem Innersten, die mit ihren Wünschen ganz übereinstimmenden gerechtesten Erwartungen des Kurfürsten in Hinsicht der Geschäftsbeschleunigung bis auf diese Stunde unerfüllt zu sehen, indem einesteils die Aufstellung höchst verfänglicher Grundsätze und willkürliche Auslegung des RDHS vonseiten Epplens und die ganz besonders eigenmächtigen, kaum mehr den Schein einer cumulativen Handlung an sich tragenden Vorschritte desselben den gnädigsten Gesinnungen eine ganz entgegengesetzte Richtung und Wendung zu geben." „Am allerunerklärbarsten aber mißfielen den Stadtvätern die Besitznahmeversuche, welche von den benachbarten kurfürstlichen Landgerichten auf die zum Augsburger Kirchen- und Schulwesen gehörigen ehemaligen Jesuitengüter gemacht wurden." 3 ) Die erste Hälfte des Jahres 1803 verging mit der Inventur und Schätzung der Gebäude und ihrer Einrichtung. 4 ) Die Ausgleichsverhandlungen 4 ) zwischen den beiden Partnern indessen konnten über den endlosen gegenseitigen Beschwerden und Vorwürfen nur geringe Fortschritte machen. Keiner der beiden zeigte Lust, sich seine oft teuer erkauften finanziellen oder rechtlichen Vorteile durch seinen Gegner rauben oder neue Lasten sich aufbürden zu lassen. So erfuh1) 2) 8>)

Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 413, 90, 91. Bayer. Geh. Staatsarch. K schw. 591/69. Vgl. 2. Kap. *) Vgl. 4. Kap.

— 65 — ren die Verhandlungen sogar mehrmals größere Unterbrechungen und waren auch bis zum Ende der reichsstädtischen Herrlichkeit (anfangs 1806) noch nicht abgeschlossen.1) Einer schob dem andern die Schuld an der Verzögerung des Ausgleiches zu. Am meisten geschädigt durch die mehrjährigen Reibungen waren aber nicht die beiden Gewalten selbst, sondern die Mönche des Stiftes, denen bis zum Ausgleich ein guter Teil der zustehenden Gelder vorenthalten wurde. 2 ) Während v. Epplen sich mit der Stadt herumstritt, traf der Kurfürst auch in den außerhalb der Reichsstadt gelegenen Neuerwerbungen Maßnahmen zur Ausgleichung der Lebensverhältnisse ihrer Bewohner an die der alten Erblande. Zunächst erfolgte durch Verfügung vom 21. Mai 1803 die Aufhebung der Preßzensur; nachdem die Säkularisation der geistlichen Güter im wesentlichen vorüber war, konnte ja Max Joseph „bei seinem unermüdeten Bestreben, die getreuen Untertanen im höchstmöglichen Grade wahrer Aufklärung zuzuführen und zu diesem Ende besonders die Hindernisse wegzuräumen", 3 ) die Pressefreiheit sorglos wieder zugestehen. Doch diese Maßnahme berührte die große Masse ebensowenig wie die Übertragung der bisher vom Reichsprälaten ausgeübten niederen Gerichtsbarkeit auf die bayerischen Beamten und der Befehl, alle bisherigen Reichnisse an Stiften, Gülten und Zehenten an die Reichsabtei bei Strafe des vierfachen Ersatzes nunmehr an die kurbayerischen Rentämter zu bezahlen; 4 ) den Steuerpflichtigen konnte es ja gleichgültig sein, wohin sie ihre Abgaben entrichten mußten. Tiefer schnitten schon andere Maßnahmen in das Leben der neuen Untertanen ein, besonders solche, die ihnen mit einem Federstrich althergebrachte Gewohnheiten verboten und vielfach auch ihr religiöses Empfinden verletzten. Ein Edikt erschien nun nach dem andern. Max Josephs erste Maßnahme war, das für die alten Erblande schon länger erlassene Religionsedikt auch auf Schwaben auszudehnen; die Pfarrer sollten es „ohnaufhaltsam verkünden und das Original dem Ortsvorstand ad affigendum zustellen." 5 ) Einen Monat später verbot der Kurfürst „als den Grundsätzen einer guten Polizei und der gesunden Vernunft widerstreitend" die Bestattung der Toten innerhalb der Kirchen und ihrem näheren Umkreis, wobei auf Einwände von altem Herkommen, Familienbegräbnisse usw., nicht zu achten und bei Widersetzlichkeit nötigenfalls militärisch einzuschreiten wäre. 6 ) Am 21. Mai 1803 untersagte er alle Oesch- oder Feldumritte, weil diese „nur zu ungebührlichen Auftritten Anlaß gäben, stets Zerstreuung verursachten und wahre Andacht entfernten; die Seelsorger haben den Gemeinden vor>) Vgl. 4. Kap. Siehe 5. Kapitel S. 92 ff. 3) Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 413, 153. 4 ) ebd., Regierungsakt 3012. 6) ebd., St. Ulrich 413, 42. 6) ebd., St. Ulrich 413, 94. 2)

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zustellen, daß es nicht auf den Ort ankommt, wo man Gott um seinen Segen bittet, und daß sie mithin in ihren Kirchen ebensosehr wie auf dem Felde selbst ihr Gebet verrichten können. Man erwartet von den Geistlichen, daß sie diesen Verordnungen genau nachkommen und das Volk, welches manchmal irrige Begriffe und veraltete Meinungen hat, aber jederzeit gerne der besseren Uberzeugung weicht, über die Zweckmäßigkeit dieser Verfügung belehren werden." 1 ) Der 19. Juli brachte schließlich noch das Verbot aller nächtlichen Andachten ; denn „es kann Gott nicht wohlgefällig sein, wenn die Nacht, die dem Menschen zur Ruhe angewiesen ist, zum Gebete bestimmt und zu Ausschweifungen angewendet wird, wodurch die Leute auch für den andern Tag zur Arbeit unfähig werden." 2 ) Das Volk wich zwar der Gewalt, mit der die Beamten diesen und anderen Verordnungen ihres aufgeklärten Fürsten Geltung zu verschaffen suchten; die Anhänglichkeit und Verehrung der neuen Untertanen für die Person des Kurfürsten aber konnten diese Verordnungen und insbesondere die brutale Art ihrer Durchführung nicht vermehren. Mancher Widerstand mußte erst gebrochen werden. 3 ) Nicht wenige aus dem Volke bangten aber auch um das Schicksal ihres Geldes, das sie dem Reichsstifte in den Tagen der Not geliehen hatten. Kein Wunder; wie die Regierung heute den Klöstern alles nahm, so konnte sie morgen nach dem gleichen System das Volk all seiner Habe berauben. Schon hatten ja die Gläubiger seit der Aufhebung des Stiftes im Dezember 1802 keinerlei Zinsen mehr erhalten. 4 ) Einer nach dem andern kündigte daher bei den beiderseitigen Klosteraufhebungskommissionen sein Kapital auf. Oft mußten mehr oder minder fadenscheinige Gründe zum Vorwand dienen, die kulturgeschichtlich immerhin von einigem Interesse sind. „Die Folgen des letzten Krieges, allgemeine Not, Teuerung, Geldmangel" wiederholen sich in allen Gesuchen. Ein Bauer aus Baindlkirchen, der dem Stift 2000 fl geliehen hatte, führt als Grund der Aufkündigung an, daß „vier seiner Geschwistrigten heurathfähig geworden, sehr oft guthe Parthien treffen könnten". Ein anderer Gläubiger, ein Schneider aus Mering, meint zu diesem Schritt genötigt zu sein, weil „der Verdienst des Professionisten und besonders jener des Schneiders a u f m Land, wenn schon nicht völlig, doch so spöhrt, daß die Mannsnahrung nicht erreicht werden kann, und der Fall für ihn umso härter ist, als er dem allgemeinen Mangl und der daraus folgenden übergroßen Teuerung alle zur Lebsucht nötigen Artickln wegen nicht habenden Feldbau und anderer damit verbundenen Aeconomie nicht zu entgehen imstande ist." 5 ) ') Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 413, 137. ebd., St. Ulrich 413, 192. 8) Vgl. ebd., St. Ulrich 413, 30, 179. *) ebd., St. Ulrich 432. 5 ) Bayer. Hauptstaatsarch. München, St. Ulrich 293. 2)

— 67 — Anfangs war der Kurfürst geneigt, diesen Gesuchen stattzugeben und wenigstens einen Teil der Passivkapitalien zurückzubezahlen. Frhr. v. Hertling aber, dem er die Liquidation der Kapitalschulden und die Begleichung der rückständigen Zinsen übertragen hatte, wußte ihn zu überreden, damit noch zuzuwarten". Die Gläubiger ließ man einfach ohne Nachricht oder man teilte ihnen mit, daß ihr Gesuch „beruhen müsse" und man sich solange nicht in die Kapitalrückzahlung einlassen könne, als die Differenzen zwischen Bayern und der Reichsstadt über die Beteiligung nicht beigelegt wären. Später aber, nachdem die Stadt an Bayern gekommen und dadurch dieser Vorwand hinfällig geworden war, ließ „der gute Vater M a x " die Gläubiger auffordern, in die Reduktion ihrer dem Reichsstift geliehenen Gelder einzuwilligen. Natürlich fand er damit wenig Gegenliebe. Die meisten Kreditoren erklärten, bei den gegenwärtigen Umständen nicht darauf eingehen zu können. Aber alles Sträuben scheint vergeblich gewesen zu sein. Wenigstens berichtet die Kgl. Staatsschuldenliquidationskommission 1815 dem König, daß von den vom Reichsstift St. Ulrich übernommenen Passivkapitalien zu 2 5 9 8 4 5 fl bis zum 9. Mai 1814 19074 fl 10 kr reduziert und 5 5 3 5 3 fl 56 kr 1 h l heimbezahlt worden seien.

') Kreisarch. München, SSC. fasz. 9 Nr. 911.

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4. K a p i t e l .

Die Ausgleichsverhandlungen zwischen Bayern und Augsburg über den „Status der gegenseitigen Beteiligung an der Säkularisationsmasse" 1802—1806. Daß mancherlei Schwierigkeiten entstehen würden, falls noch eine andere Macht durch geistliche Besitzungen, die in ihrem Burgfrieden gelegen wären, entschädigt werden würde, hatte der „hochwohlweise Magistrat der freien Reichsstadt Augsburg" längst vor dem Zusammentreten des Regensburger Reichstags erkannt. Kein Wunder, daß er sich gleich zu Beginn der ersten, zunächst noch privaten Aussprachen über die Entschädigungsmöglichkeiten mit seinen Wünschen meldete und zu ihrer wirksameren Unterstützung, wenn es nötig war, bei der Befriedigung der französischen Agenten mit Geldgeschenken nicht geizte. Allein Augsburg stand mit seinen Wünschen nicht allein da. Sein östlicher Nachbar, der bayerische Kurfürst, schaute gleichfalls nach Entschädigungen aus. Er wußte so gut wie der reichsstädtische Senat, daß Augsburgs Mauern eine Menge ansehnlicher Klöster einschlössen, die hauptsächlich wegen ihrer beträchtlichen auswärtigen Besitzungen nicht nur eine angemessene Entschädigung für die verlorenen Gebiete darstellen, sondern obendrein noch einen guten Gewinn abwerfen würden. Am liebsten hätte er jetzt schon die Reichsstadt selbst an sich gebracht. Und anfänglich schienen die Aussichten auch gut zu sein. Darum hatte er auch bereits im April 1802 durch den nach Augsburg gesandten Major v. Ribaupierre heimlich Erkundigungen einziehen lassen, wie die Stimmung der reichsstädtischen Bevölkerung für einen Anschluß an Bayern wäre. 1 ) Bemerkenswert ist der darauf erfolgte Bericht des Majors an den Kurfürsten : „Die große und schöne Stadt, beinahe ohne Gebiet, ist ohnerachtet ihrer Fabriken und ihres ausgedehnten Handels in der größten Verlegenheit und weiß keine Mittel ihre Schulden zu tilgen. Wahrscheinlich weil das sicherste Mittel zu nahe liegt: Sie dürfte nur die Hälfte ihres Ratskalenders durchstreichen. In dem Regiment herrscht die nämliche Uneinigkeit, welche die verschiedenen Klassen von Einwohnern trennt. Die meisten Köpfe scheinen verwirrt. Der Adel und der Kaufmannsstolz halten sich die Waage; die übrigen halten sich durch Schimpfen schadlos. Mancher schmäht stundenlang auf die Regierung und schließt mit dem Wunsche reichsstädtisch zu bleiben. Unter den Protestanten hat nur der gebildete sehr geringe Teil Neigung für die bairische Regierung, hegt aber wenig Glauben an die Möglichkeit der Aufrechterhaltung der unternommenen Verbesserungen. Der katholische Pöbel, welcher durch alle Klassen zahlreich ist, würde einem Kreuzzug gegen Baiern zuströmen. Die Polizei ist

— 69 — Trotz der tatkräftigsten Gegenbemühungen der Augsburger Deputierten in Paris trat das befürchtete Ereignis ein: die vermittelnden Mächte kamen im RDHS den bayerischen Wünschen soweit als irgend möglich entgegen und schufen Verhältnisse, die von vornherein die Möglichkeit schwerer Konflikte zwischen den beiden Akquirenten boten. Zwar mußte der Kurfürst zunächst auf die Reichsstadt selbst noch verzichten und sich mit dem Erwerb des Fürstbistums und der außerhalb der Stadtmauern gelegenen Güter des Reichsstifts und der Augsburger Mediatklöster begnügen, was ihn umsomehr verstimmte, als die Reichsstadt diesen Erfolg in einem Augenblick errang, wo alle übrigen Entschädigungsobjekte schon anderweitig verteilt waren. Aber Max Joseph wußte sich schadlos zu halten. Was er nicht direkt zugewiesen erhielt, erreichte er auf Umwegen: durch eine mehr oder minder willkürliche Auslegung des RDHS. Aber auch die Stadt mußte manche Hoffnung begraben, auch ihre größte: die Befreiung von aller Schulden- und Pensionsbeteiligung; sie mußte sich darein mit Bayern teilen. Bei allem Mißbehagen blieb ihr nun nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und sich mit dem gefährlichen Nachbar an den Verhandlungstisch zu setzen, um wenigstens den Versuch zu machen durch gütliche Unterhandlungen einen einigermaßen annehmbaren Ausgleich in der Verteilung der Säkularisationsmasse zustandezubringen. Denn sie befand sich in einem einzigartigen Falle. „Wohl wurde des öfteren geistliches Land unter mehrere Erwerber geteilt, es kam aber sonst nirgends vor, daß ein und dasselbe Kloster von zwei Akquirenten übernommen werden sollte, wobei der eine den Sitz des Klosters, der andere dessen Güter bekam. Die Lasten für den, der das Kloster selbst erwarb, konnten größer sein als die Vorteile. Die wichtigste Last war zunächst eben, daß den Klostergeistlichen durch Reichsschluß erlaubt wurde lebenslänglich in ihren Wohnungen zu bleiben. Während also die G ü t e r sofort gewinnbringend verwertet werden konnten, mußte man gewärtigen, daß der geringe Nutzen, der aus den Klostergebäuden — besonders bei dem großen Überangebot solcher Realitäten — vielleicht später herauszuholen war, erst nach dem Aussterben der Geistlichen, also erst in 30—40 Jahren zutage trat. Was konnte sich aber in der Zwischenzeit alles ereignen? Wie oft konnte namentlich ein so übermächtiger Partner wie Bayern die Stadt schädigen, die ihrerseits zunächst bloß die lästige Verpflichtung hatte die Klostergebäude zu erhalten." 1 ) Noch problematischer war die S c h u l d e n f r a g e : Auf St. Ulrich allein lastete noch eine Schuld von ca. 360000 fl. Bayern verspürte natürlich keine Lust alle Klosterschulden zu übernehmen. Die Reichsin zuviele Abteilungen zerstückt, um wirksam zu sein. Es gibt sogar eine katholische und protestantische Polizei. Beiden wird mit Unrecht der Vorwurf gemacht, sie schlafe beständig . . . ." Bayer. Geh. Staatsarch., Pol.-Arch. Nr. 120. ') Haupt K., Die Vereinigung der Reichsstadt Augsburg mit Bayern, S. 49.

— 70 — Stadt sollte vielmehr nach dem Verhältnis ihrer Revenuen daran beteiligt werden. Als Erwerber der Klostergebäude sollte sie aber zur Bestimmung der beiderseitigen Konkurrenzquote auch noch alle Zinsen für die Hypothekschulden, welche an dem Kloster hafteten, weiter bezahlen. Es war zu erwarten, daß Bayern keine Eile haben werde die Stadt von dieser Last zu befreien. Der reichsstädtische Magistrat erkannte alle diese Schwierigkeiten. Gleichwohl begann er noch im Dezember 1802, zunächst nur schriftlich, die Verhandlungen mit dem bayerischen Partner. Das bayerische Interesse vertrat der Lokalkommissär Direktor v. Epplen. Der reichsstädtische Magistrat hatte die Wahrung seiner Vorteile einer eigens für diese Zwecke gebildeten „Deputation zur Administrierung der geistlichen Güter" anvertraut, welche aus den Ratsherren v. Seida und v. Ritter und den Ratskonsulenten Rotberg und Schmid bestand. Schon die ersten Verhandlungen offenbarten, wie verwickelt das ganze Problem des Säkularisationsgeschäftes in Augsburg war, von dem bis zu einem gewissen Grade das Schicksal der ulrikanischen Klostergeistlichen abhing. 1 ) Das von Anfang an vorhandene gegenseitige Mißtrauen steigerte sich durch die ständig nebenhergehenden, die Verhandlungen wenig fördernden Beschwerden über angebliche oder wirkliche Übergriffe der beiderseitigen Beamten immer mehr. Es fehlte auch nicht an Äußerungen leidenschaftlicher Erbitterung, welche die Kämpfenden weiter trieb als sie es wohl bei ruhiger Überlegung gewollt hätten. Machtfragen traten auf beiden Seiten in den Vordergrund. Wohl hatte der RDHS in mehreren Artikeln gewisse allgemeine Normen für dergleichen Verhandlungen aufgestellt; wie dehnbar und mancher Auslegung fähig diese aber waren, zeigte sich sofort, als beide Kommissionen mit ihren „Grundsätzen" herausrückten, nach denen sie die Verhandlungen geführt wissen wollten. Den einzigen Maßstab für die Auslegung des RDHS bildete der größere Vorteil. Die Reichsstadt wußte, daß sie von Anfang an ihre Forderungen aus dem Säkularisationsgut möglichst hoch schrauben müsse, wolle sie überhaupt einen größeren Gewinn aus den Neuerwerbungen machen. Daher stellte sie an die Spitze aller Verhandlungen den Grundsatz: „Alle Mobilien, Kirchenschätze, Vorräte, Aktiv-Kapitalien sollen als ad res mobiles gehörig dem Teil zufallen, wo der bisherige Besitzer sich aufhält, also der Reichsstadt." 2 ) Es war vorauszusehen, daß ein solcher Grundsatz die Billigung Bayerns nicht fand. Demgemäß entschlossen sich bald darauf die Augsburger Stadträte einen Kompromißvorschlag zu machen: „Die in der Stadt liegenden Kapitalien sollen separiert, die Kirchenstiftungen davon abgezogen und der Überrest geteilt werden." Aber auch damit mutete die Reichsstadt dem bayerischen Partner noch zuviel des Entgegenkommens zu. Denn ') Siehe 5. Kapitel. Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 428, 1—22.

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— 71 — ihm galt ja als Hauptgrundsatz: „Der bayerische Kurfürst ist der Erwerber des ganzen Corporis der Erwerbungen in Augsburg. Ihm sind sämtliche Körperschaften mit allen ihren Rechten, eigentümlichen Besitzungen und Einkünften zuteil geworden, und nur jene Teile sind aus der bayerischen Erbmasse ausgeschieden worden, welche als notwendige Folge der der Reichsstadt für die Zukunft zugesicherten Unabhängigkeit überlassen werden mußten."*) Zwei volle Monate blieb daher der Augsburger Vorschlag unbeantwortet. Inzwischen arbeitete die Landesdirektion in Ulm ihrerseits Grundsätze für die Ausgleichsverhandlungen aus, die sie am 21. Dez. 1802 dem Kurfürsten zur Genehmigung unterbreitete: 2 ) 1) Sämtliches Mobiliarvermögen, alle Kostbarkeiten, die Bibliothek sollen der Stadt als Privateigentum überlassen werden, jedoch gegen die Verpflichtung, daß diese Gegenstände durch zwei vereidigte Schätzungsleute, von denen der eine kurbayerisch sein muß, geschätzt werden und die hiebei sich ergebenden Kapitalien zu 5% in der Konkurrenz zum Unterhalt der Geistlichen in Ansatz kommen. 2) Die am 1. Dez. 1802 gemeinschaftlich inventierte Barschaft an Geld und sämtliche Vorräte sind als gemeinschaftliches Eigentum zu teilen und zum Unterhalt der zu pensionierenden Individuen zu verwenden. 3) Die vom 1. Dez. an eingegangenen Revenuen an Geld und Getreide von solchen Untertanen oder Besitzungen, die außerhalb des Burgfriedens der Stadt gelegen sind, gehören private dem Kurfürsten, ebenso wie die innerhalb des Burgfriedens ausschließlich der Stadt gehören. 4) Die Aktiv- und Passivkapitalien sind nach dem Verhältnis der jedem Teil angefallenen Vermögensquote auszuscheiden. 5) Die Reichsstadt, welcher im Verhältnis des Wertes der Klostergebäulichkeiten ein Anspruch auf die Kapitalien eingeräumt ist, muß im gleichen Verhältnis von den Gebäuden und ihrem Werte zu den Lasten, besonders den Pensionen das übrige beitragen.. 6) Die Schulden müssen nach der nämlichen Norm wie das Eigentum geteilt werden. 7) Der Überrest der Schulden ist nach der Norm der jedem Teil verbleibenden Güter, Gefälle und Nutzungen von jedem Teil pro rata zu übernehmen. Die Gebäude, vorgefundenen Pretiosen und alle übrigen Effekten müssen nach der gemeinschaftlichen unparteiischen Abschätzung mit 3% in die jährlichen Gefälle in Anschlag gebracht werden. 8) Sollte die Stadt sich aber auf diese Grundsätze nicht einlassen, so ist Epplen angewiesen, der Stadt zu eröffnen, daß der Kurfürst entschlossen sei, von allen außerhalb des Burgfriedens gelegenen ') Bayer. Geh. Staatsarch., K schw. 591/69. Bayer. Geh. Staatsarch., K schw. 591/69 Vortrag Lerchenfelds und Bericht an den Kurfürsten vom 21. XII. 1802. 2)

— 72 — Besitzungen und Gefällen nicht eher n u r einen Heller zum Unterhalt der Geistlichen i n Augsburg beizutragen, bis die Stadt von ihren überspannten und widerrechtlichen Forderungen abstehe. Max Joseph billigte i m wesentlichen diese Grundsätze. Weniger natürlich die Reichsstadt, die ihrerseits, unabhängig von Epplen, schon am Entwurf eines „Beteiligungsstatus" arbeitete. Auch Epplen ging sofort nach Empfang der neuen Grundsätze an die Aufstellung der Vermögensverzeichnisse, ebenfalls ohne sich weiter u m die Gegenpartei zu k ü m m e r n . Wohl hatte Hertling i h m im allgemeinen den Weg vorgezeichnet u n d wohl konnten die Grundsätze, so wie sie auf dem Papier standen, geeignet sein in absehbarer Zeit einen Ausgleich der beiden Partner herbeizuführen. Etwas anderes war jedoch die Auslegung der einzelnen Grundsätze, zumal diese in der Hand eines v. Epplen lag. Schon daß alle geistlichen Güter innerhalb der Stadt von Bayern und der Stadt gemeinsam eingeschätzt werden m u ß t e n , während die an Bayern kommenden Besitzungen außerhalb des reichsstädtischen Territoriums von Bayern allein taxiert wurden, öffnete der Willkür T ü r u n d Tor. Die bayerischen Akquisitionen wurden außerdem i m Anschlag dadurch verringert, daß v. Epplen sie bloß nach dem Rentenertrag mit Abzug aller darauf liegenden Lasten berechnete, während er den Augsburgern dadurch hohe Summen anzukreiden wußte, daß er bei den Einkünften auch Gebäude und Mobiliar veranschlagte, welche keinen Nutzen trugen. Nicht selten kam es auch vor, daß derselbe v. Epplen, der der Stadt die kleinsten Vorteile nachzurechnen verstand, wesentliche Teile der bayerischen Erwerbungen überhaupt nicht in den Status aufnahm. 1 ) Bei seiner zielsicheren Arbeitsmethode und seiner geschäftlichen Gewandtheit brachte er in kurzer Zeit das schwierige Werk zustande, obwohl die Renten und Besitzungen der Augsburger Klöster in 4 7 3 Ortschaften u n d u n t e r fünfzig Ämtern zerstreut lagen. 2 ) Wie vorauszusehen war, wiesen die beiden Statusverzeichnisse so gewaltige Unterschiede auf, daß jede Partei den Entwurf der andern als unannehmbar verwarf. In seiner Antwort auf die Augsburger Vorschläge stellte der Lokalkommissär v. Epplen den fragwürdigen Satz voran: „Bei der Berechtigung der gegenseitigen Zuständigkeiten ist es Kurbayern u m die Abwendung des Schadens, der Stadt Augsburg aber u m Begründung ihrer Gewinste zu tun. Alle Konzessionen an die Stadt sind nichts anderes als ebensoviele parcelles, welche Bayern entrissen sind." 3 ) Andererseits konnten aber die Stadtväter in eine so ungeheure Belastung des städtischen Ärars durch Pensionsund Schuldenzahlungen, wie sie die bayerische Kommission ihnen zuzudiktieren im Begriffe war, nicht einwilligen, wollten sie nicht, *) 2 ) mission 3 )

Haupt K., D i e Vereinigung der Reichsstadt Augsburg mit Bayern, S. 70. Bayer. Fin.-Min., Gener. 161 „Die Errichtung einer Spezialklosterkomfür die Besitzungen der Stifte und Klöster in Schwaben." Haupt K., D i e Vereinigung der Reichsstadt Augsburg mit Bayern, S. 64.

— 73 — daß aller Gewinn für ihr Gemeinwesen ausbleibe. Kein Wunder, daß sie sogar schon daran gedacht zu haben scheinen, alle gemeinschaftlichen Verhandlungen mit Bayern abzubrechen und die Verteilung der Güter durch die Minister der vermittelnden Mächte regeln zu lassen. v. Hertling sah natürlich in diesem hartnäckigen Widerstreben der Reichsstadt nur „eine Arroganz, ein anspruchsvolles und unbescheidenes Benehmen der Bürger Augsburgs, das nur den Vorschritten einer größeren Macht gegen einen unbedeutenden Nachbarn gleiche, in allen Gelegenheiten die gebührende Achtung vermissen lasse, nur zu necken suche und in demselben Maße zunehme, als seine Kommissare sich nachgiebig bezeigten." 1 ) Er berichtete daher unter dem 6. April 1803 dem Kurfürsten, daß die Stadt fortfahre, wie bisher allen gemeinschaftlichen Unterhandlungen wegen der Ausscheidung des Vermögens und der Teilnahme an den Pensionen immer neue Schwierigkeiten in den Weg zu setzen und die Beendigung der Verhandlungen zu verzögern. Er schlage daher Seiner kurfürstlichen Durchlaucht vor, „gegen die Stadt endlich einmal mit Würde und Festigkeit zu verfahren." Vor allem müsse es der regensburgische Gesandte Graf Rechberg dahin bringen, daß die französischen und russischen Minister eine Vermittlung zugunsten Augsburgs ablehnten. Sei es einmal soweit, dann könne man mit dem Augsburger Magistrat die Sache sehr bald beenden, und falls die Stadt auch dann noch Schwierigkeiten mache, ein Ultimatum stellen, den Kanzler v. Epplen abberufen, alle bayerischen Beamten aus der Stadt ziehen, die Pensionierung der Klostergeistlichen und übrigen Individuen der Reichsstadt allein überlassen und solange keinen Heller dazu beitragen, bis die Reichsstadt den bayerischen billigen Grundsätzen vollkommen beigetreten sei. Die Geistlichen würden dann schon den Magistrat bestürmen und sich an den Reichstag wenden. Auch könne man mit Getreide- und Holzsperre gegen die Stadt vorgehen und sie völlig auf ihren Burgfrieden beschränken. Denn nur so könne man den Übermut dieser Bürger in die gehörigen Schranken zurückweisen, da sie bisher nur zuviel Spielraum für ihren aufgeblasenen Dünkel fanden. Die Augsburger Bürgerschaft sei ohnehin mißvergnügt und laut murrend über ihre so teuer erkaufte Unmittelbarkeit; sie würde vielleicht durch solche Maßregeln noch mehr zum Unwillen gegen den Magistrat gereizt und Schritte unternehmen, aus denen Bayern die größten Vorteile ziehen könnte." 2 ) Hertlings Schreiben hatte Erfolg. Der Kurfürst ließ seinen ComitialGesandten in Regensburg anweisen, bei den vermittelnden Ministem gegen eine gehässige Note Augsburgs für Bayern Stimmung zu machen. Die Stadt maße sich an, dem § 27 des RDHS „eine so ausgebreitete ') Bayer. Geh. Staatsarch., K schw. 591/69. ebd.

2)

— 74 — Ausdehnung zu geben, daß alle Mobilien, Kostbarkeiten und Kapitalien ihr Privateigentum würden und sie sich die Verhandlungen darüber allein vorbehalte", wogegen doch er, der Kurfürst, berechtigt sei, einen Anteil an dem Mobiliarvermögen zu fordern, da dieses aus den Renten des Gesamtvermögens herbeigeschafft worden sei. Nichtsdestoweniger aber sei er, um alle neuen Streitigkeiten bei der bekannten Regensburger Stimmung zu vermeiden und um eher zu einem gemeinschaftlichen Einverständnis zu kommen, von den Forderungen des strengen Rechtes abgegangen und habe seinen Lokalkommissär in Augsburg beauftragt die Verhandlungen auf den bekannten billigen Grundsätzen zu begründen." 1 ) Der Widerstand der Augsburger drehte sich in der Hauptsache nur um ein paar Punkte: Die Pensionsbeteiligung, 2 ) den Kultusfond und die Bier- und Weinschenke. In den anderen, weniger bedeutenden, war schneller eine Einigung erzielt. So in der Frage der Zinsen, die die Stadt, um sich schadlos zu halten, von den Mönchen der Reichsabtei für die Benützung der K l o s t e r g e b ä u d e und deren Einrichtung verlangte. 3 ) v. Epplen hatte nämlich gemäß seinen Grundsätzen die Klostergebäude und ihr Mobiliar trotz anfänglichen Sträubens der reichsstädtischen Deputierten als zu 3 % nutzbringend in Anschlag gebracht. Die Klostergebäude waren aber nach den Bestimmungen des RDHS den beisammen bleibenden Mönchen zum ferneren Aufenthalt angewiesen und hatten nach Angabe der städtischen Deputierten „auch im Evacuationsfalle höchstens den Wert des Niederreißens 4 ) mit einem Materialwert von 17075 fl, wie die Beispiele anderer Staaten in ähnlichen Fällen zeigen." Da hier kein größerer Geldposten in Frage stand und der Hauptschaden ja bei den Mönchen blieb, kam auch in dieser Frage bald ein Kompromiß zustande: Bayern veranschlagte die Klostergebäude nur noch zu 2%, Verhältnismäßig schnell kamen die beiden Partner auch überein in der strittigen Frage der A b f i n d u n g des R e i c h s p r ä l a t e n . Der reichsstädtische Senat hatte nämlich ohne vorherige Rücksprache mit der bayerischen Kommission dem Prälaten mit Rücksicht auf seine bisherige reichsständische Würde und das Ansehen, das er in der Stadt genoß, die ihr zugefallenen Pretiosen und seine Equipage im Schätzungswerte von 257 fl belassen. Anfangs erhob v. Epplen gegen diese einseitigen Abmachungen Schwierigkeiten. Dann aber fand er sich mit dem schon geschehenen Schritte ab und willigte „als unter der Würde des Kurfürsten stehend in diese, wenn schon nicht aus ') Bayer. Geh. Staatsarch., K schw. 591/69. Vgl. 5. Kap. S. 92 ff. s ) Vgl. 5. Kap. S. 89. 4 ) Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich 8. Wieweit freilich diese Behauptung richtig war, zeigt der Umstand, daß seit ihrer Benützung als Kaserne schon 120 Jahre vergangen sind und die Gebäude sich heute noch in verhältnismäßig gutem Zustande befinden. (Vgl. Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 409, 56.) 2)

— 75 — strenger Rechtsverbindlichkeit, so doch aus Wohlstand und Großmut dem abgetretenen Abte zugestandene Überlassung dieser Effekten", allerdings — und damit zeigt sich wieder, wie sehr es der bayerischen Kommission auf jeden Heller Gewinn ankam — nur unter der Bedingung, daß die Pretiosen, Ringe, Pektoralien, Gemälde usw. zu 2% in den Beteiligungsstatus aufgenommen würden. 1 ) Ohne sonderliche Mühe gelang es ferner den augsburgischen Deputierten, bei v. Epplen durchzusetzen, daß die B i b l i o t h e k des Reichsstifts außer Anschlag blieb. Ohne sich selbst allzusehr zu schädigen, konnte ja Bayern, dem zu gleicher Zeit eine Menge anderer wertvoller Klosterbibliotheken in die Hand fiel, hierin ungesäumt einwilligen, zumal die Deputierten erklärten, die Bibliothek müsse den Klosterherren, solange sie beieinander blieben, zur „Geistessustentation" überlassen werden. Zudem seien ja „die Bücher heutigentags ohne Wert und würden von den Buchhändlern um Schundpreise gekauft. Die sogenannten literarischen Schätze als incunabula seien ohnehin schon lange beseitigt und veräußert." 2 ) Kein Ausgleich jedoch wollte sich finden lassen in der Frage der Bier- und W e i n s c h e n k e bei St. Ulrich. 3 ) v. Epplen bestand hartnäckig darauf, daß die beträchtlichen Revenuen aus denselben, •die sich auf 4186 fl 45 kr 7 hl beliefen, in den Beteiligungsstatus aufgenommen würden und die Stadt hierfür 1359 fl 56 kr an Pensionen und 37 535 fl 20 kr 1hl an Passivlasten übernähme. Natürlich weigerte sich die Stadt mit allen Kräften gegen eine solche Zumutung und behauptete, daß ihr aus diesen beiden Neuerwerbungen auch nicht ein Kreuzer weder an Einkünften noch an Rechten zugefallen sei. Das Bräuhaus und die Weinschenke seien nur Usurpationen des vormaligen Reichsstiftes St. Ulrich, das aus dem Streben nach absoluter Unabhängigkeit heraus einen status in statu habe bilden wollen. Der reichsstädtische Magistrat habe sich von jeher gegen diese vom Reichsstift angemaßten Rechte gewahrt und sie nie anerkannt. Nur die Ehrfurcht vor der Heiligkeit des geistlichen Standes, die bereits eingewurzelten Exemptionen und Immunitäten hätten ihn lange nicht zu hinreichenden Maßregeln gelangen lassen. Man habe sogar städtische Polizeidiener aufgestellt, die den Excedenten auflauerten und denen, die Bier oder Wein im Kloster holten, „die Geschirre samt Trunk wegnehmen lassen". Der Magistrat habe aus den gleichen Gründen und nicht zuletzt wegen der durch diese beiden Schankstätten hervorgerufenen Schädigung des städtischen Gewerbes bei der Besitznahme des Stiftes die Produktion im ulrikanischen Bräuhaus einstellen lassen. Die Stadt könne also keineswegs für die Neuerwerbungen mit Zahlung von Pensionen und Übernahme von Schulden belastet werden. ') Staatsarch. Neuburg, Reg.-Akt 4930, 4. •') ebd., St. Ulrich 409, 56. ebd., Reg.-Akt 4930, 4.

3)

— 76 — Alle Vorstellungen waren umsonst. Die bayerische Kommission erklärte, daß das Stift St. Ulrich kein von der Jurisdiktion der Reichsstadt abhängiges Mediatkloster, sondern ein wahrer, unmittelbarer Reichsstand gewesen sei, der seine Unmittelbarkeit der ^nämlichen Quelle wie die Reichsstadt selbst zu danken gehabt habe, und dem ebensowenig wie jedem anderen Stand das Recht habe verwehrt werden können auf seinem Gebiete Bier und Wein auszuschenken. Der Magistrat hätte im besten Falle, wenn er seine Befugnisse und seine unnachbarlichen Gesinnungen auf das äußerste treiben wollte, seinen Bürgern den Besuch des Bräuhauses und der Weinschenke verbieten können. Übrigens hätten „ja selbst Männer von Ansehen, sogar Patrizier und Ratsherrn die St. ulrikanische Weinstätte ungescheut besucht. Der Stadt stehe es jetzt frei, das Bräuhaus und die Weinschenke fortzuführen; wolle sie dies nicht, dann verstopfe sie sich selbst damit eine Finanzquelle, könne aber dann nicht verlangen von den auf den beiden Gegenständen lastenden Verpflichtungen befreit zu werden; sonst hätte ja nicht sie selbst sondern Kurbayern den Schaden. Im übrigen sei es billig, daß diese Lasten von einem Stande getragen würden, der auf Entschädigung überhaupt keinen Anspruch machen könne. 1 ) In dieser Frage aber kannte der Magistrat kein Nachgeben. Nun lenkte der Kurfürst ein. Um die Verhandlungen nicht gerade über diesem Punkt scheitern zu lassen, wies er seine Unterhändler an, durch Minderung des Anschlags des Revenuenanteils aus der ulrikanischen Bier- und Weinschenke um lU oder 1la sich den augsburgischen Wünschen zu nähern, mit der Begründung, daß diese Objekte doch immer ein strittiger Punkt zwischen Reichsstadt und Reichsstift gewesen seien und der Stadt in Zukunft doch nicht mehr soviel abwerfen dürften, als das Kloster St. Ulrich daraus zu ziehen gewußt habe. Es scheint, daß sich die Reichsstadt mit dieser Lösung zufrieden gab, freilich erst kurz vor dem Abschluß der Verhandlungen. Die heikelste Frage aber in der Ausgleichssache betraf den K u l t u s f o n d . Sie war es auch, die die Verhandlungen zum Stillstand brachte und bis zum Ende der reichsstädtischen Herrlichkeit noch nicht gelöst war. Und doch war die Sorge um die finanzielle Sicherstellung der sechs Pfarreien die drückendste, die auf dem katholischen Teil des Magistrats lag. Der Artikel 63 des RDHS hatte diese Frage nicht genügend geklärt. Bayern handelte daher nach seinen eigenen gewinnsüchtigen Erwägungen. Was diese Frage noch besonders verhängnisvoll machte, war der Umstand, daß in diesem Punkte sich nicht bloß die Anschauungen der beiden Kontrahenten schroff und unvereinbar gegenüberstanden, sondern daß man sich darüber innerhalb des städtischen Magistrats selbst uneinig war. Die katholische Oberkirchenpflege nämlich, die sich aus den Geheimen J. v. Holzapfel, J. B. Peter v. Carl und den Ratskonsulenten *) Staatsarch. Neuburg, Reg.-Akt 4930, 4.



11



Jos. X. Klauber und Jos. Conr. Schmid zusammensetzte und die oberste Religionsinstanz der Stadt bildete, vertrat die Auffassung, daß das gesamte Säkularisationsgut in erster Linie zur Sicherstellung der kirchlichen Bedürfnisse heranzuziehen sei und ihr allein die Entscheidung über die einschlägigen Fragen zustehe, .nicht aber dem aus beiden Religionsparteien zusammengesetzten Rat, zumal die protestantischen Ratsherren den augsburgischen Säkularisationsgewinn als gemeinsames Aerarialgut i n Anspruch nahmen. 1 ) Sie war von Anfang an auch gegen alle Säkularisationshandlungen aufgetreten und trug sich noch lange mit der Hoffnung, mit Hilfe französischer Vermittlung nicht bloß reichliche Pfarrfonds von Bayern, dem Erwerber der auswärtigen Güter, herauszuschlagen, sondern vielleicht auch von dem Unterhalt der Klosterleute und der Übernahme der Klosterschulen befreit zu werden. Dabei vertrat sie die Ansicht, die Artikel 27, 63 und 65 des R D H S 2 ) gäben ihr das Recht, s ä m t l i c h e s Kirchengut der Augsburger Klöster zu beanspruchen, d. h. nicht n u r die zur Versorgung der Pfarreien unbedingt nötigen Gelder, die eigentlichen Kirchen- und Stiftungsfonds, sondern auch sämtliche zu gottesdienstlichen Verrichtungen, wie Messen, Jahrtagen, Vigilien, öffentlichen Andachten usw. gemachten Stiftungen und Vermächtnisse m i t allen hiezu vorhandenen Gütern und Fonds, wie auch alle milden Stiftungen zu Schul- und Armenanstalten. Sie verlangte daher gleich zu Beginn der Kommissionsgeschäfte, daß alle diese Kapitalien und liegenden Güter vom Säkularisationsgut ausgeschieden und, wo die Fonds zur Dotierung der Pfarreien nicht hinreichten, die erforderlichen Mittel aus den gesamten Mitteln der Stifte und Klöster verhältnismäßig beigetragen würden. 3 ) Eine liberale Gesinnung hätte diese Auslegung zweifellos zugelassen. Bei der bayerischen Partei stand aber demgegenüber wieder das Bestreben obenan, selbst möglichst viele Kapitalien zu erfassen. Dazu kam ein den Gegensatz verschärfender unduldsamer Aufklärungsfanatismus, dem die reichen u n d mannigfaltigen Augsburger Religionseinrichtungen ein Dorn i m Auge waren. Während n u n v. Epplen der Landesdirektion Ulm gegenüber die Augsburger Forderungen als „höchst übertrieben und inkonsequent" bezeichnete, auf die man sich unter keinen Umständen einlassen könne", 4 ) vertröstete er die M Staatsarch. Neuburg, Reg.-Akt 4930. 13. ) A r t i k e l 27: Augsburg erhält alle geistlichen Güter, Eigentümer, auch Einkünfte in seinem Gebiete sowohl inner- als außerhalb der Ringmauern, nichts davon ausgenommen. A r t i k e l 63: Jeder Religion soll der Besitz und ungestörte Genuß ihres eigentümlichen Kirchengutes nach der Vorschrift des Westfälischen Friedens ungestört verbleiben. A r t i k e l 65: Fromme und milde Stiftungen sind wie jedes Privateigentum zu conservieren, doch so, daß sie der landesherrlichen Aufsicht und Oberleitung untergeben bleiben. ") Kreisarch. München, MA 324/380. 4 ) Oberdonau-Kreisregierung, Kammer des Innern, Akt 69 Vol. II. 2

— 78 — augsburgische Kommission mit einer gesonderten Regelung dieser Frage bis zur Beendigung der Inventur. Die Stadt war wohl oder übel damit einverstanden und begnügte sich inzwischen mit der Reservation, daß den juribus catholicis praesertim parochialibus nichts präjudiziert werden solle." l ) Man brauchte kein Prophet zu sein, um vorauszusehen, daß die Augsburg zufallenden Revenuen bei weitem nicht zur Bestreitung der Kultuslasten hinreichen würden, zumal da die Stadt auch noch Pensionen und Schulden übernehmen sollte. Woraus sollte sie alle diese Verpflichtungen bestreiten als eben aus den geistlichen Äkquisitionsgütern? Und wo blieb dann noch der erträumte Gewinn? „Man hätte sonst jahrelang umsonst gearbeitet, schwere Kosten gehabt und am Ende doch nichts gewonnen." 2 ) Zunächst hatte der Magistrat die Hoffnung, daß Bayern in diesem Punkte zu guter Letzt doch noch ein Einsehen haben werde. Als aber die Frage dann ernst wurde, änderte man bayerischerseits die Sprache und wies jeden augsburgischen Anspruch auf die Stiftungen unter dem Yorwande von der Hand, daß die Jahrtage usw. bei den Klöstern kein Objekt der Kirchengüter seien und die Abhaltung derselben also ipso facto mit der Aufhebung der Klöster zessieren müsse. Vergeblich wandte die reichsstädtische Kommission in einem sehr ausführlichen Promemoria vom 13. Jan. 1803 3 ) ein, daß mit der Aufhebung der Klöster keineswegs auch die Kirche aufhöre und durch das bayerische Verfahren der katholische Gottesdienst in Augsburg gegen den ausdrücklichen Willen des Art. 63 des RDHS nicht nur gekränkt, sondern infolge des Fehlens aller Unterhaltsmittel soviel wie möglich aufgehoben werde; man müsse daher auf der Forderung der vorherigen Absonderung und Auslieferung der zu Kirche und Gottesdienst gestifteten Kapitalien bestehen bleiben. Ein eigentlicher Pfarrfond war zwar beim Reichsstift schon lange nicht mehr vorhanden. Ihn hatte die Zechpflege, die in früheren Zeiten das Eigentum der Kirche zu verwalten hatte, bei ihrem Ubertritt zum Protestantismus 1526 mitgenommen. Auf Grund der Rechnungsbücher gelang es der augsburgischen Kommission gleichwohl, einen beim Stift liegenden Stiftungsfond zu Jahrtagen, Messen, ewigem Licht usw. in einer Höhe von 21818 fl auszuweisen. 4 ) v. Epplen leugnete jedoch hartnäckig, eine so hohe Summe von Kirchenkapitalien in Beschlag genommen zu haben, und erkannte nur die in der Prioratsrechnung angeführten Stiftungen zu 9910 fl an. 5 ) Im übrigen kümmerte er sich wenig um die schweren Kultussorgen der Reichsstadt, nahm vielmehr alle Kirchen - Pfarrfonds und Güter in „gemein') Kreisarch. Staatsarch. 8) Staatsarch. *) Staatsarch. 6 ) Staatsarch. 2)

München, Neuburg, Neuburg, Neuburg, Neuburg,

MA 324/380. Reg.-Akt 4930. Reg.-Akt 4930. St. Ulrich 409. Reg.-Akt 4930.

14. 18. 57. 15.

— 79 — schaftlichen Besitz" und sicherte dadurch dem bayerischen Aerarium einen jährlichen Revenuenertrag von 18000A. Jetzt wollte es der Magistrat mit einer Abordnung an den Kurfürsten selbst versuchen, um wenigstens die Ausscheidung des stiftischen Kirchenvermögens von den eigentlichen Pfarr-Kirchenfonds zu erreichen. Umsonst. Die eigennützigen Erwägungen der Münchener Regierung ließen hier kein Entgegenkommen zu. Zwar war man bereit, die ganze Angelegenheit durch das Generalkommissariat in Ulm nochmals prüfen zu lassen. Allein dieses übertrug das Geschäft wieder v. Epplen. Der aber sprach der Stadt erneut jede Berechtigung zu einer solchen Forderung kurzweg ab und wiederholte nur seine schon früher abgegebene Erklärung, daß er zwar bereit sei, alle zum eigentlichen Pfarrfond und pfarrlichen Gottesdienst erweislich gehörigen und z. Zt. noch existierenden Stiftungen der Reichsstadt ebenso unangefochten zu lassen wie die beneficia curata, selbst wenn sie zu pfarrlichen Verrichtungen außerhalb der Stadtmauern gehörten; dagegen seien alle beneficia Simplicia zur Säkularisation geeignet; unter keinem Rechtstitel aber könne die Stadt Kurbayern zu einem Beitrage zu dem etwa mangelnden Pfarrfond aus seinen Erwerbungen anhalten; diese Ergänzung falle vielmehr eben der reichlich begabten Stadt Augsburg aus ihren Neuerwerbungen zu. Sollten diese jedoch nicht hinreichen, lügte er sarkastisch hinzu, — denn er wußte dies auf Grund seiner Berechnungen ganz genau, — dann könne ja die Stadt aus ihren sonstigen Aerarialmitteln den Abgang ergänzen. 1 ) Voraussetzung für eine allenfallsige Überlassung von Stiftungsgeldern sei jedoch, daß ein urkundlicher Nachweis geführt werden könne, daß diese Gelder zum eigentlichen Pfarrfon d und nicht zum Kloster vermeint gewesen und die Zinsen hieraus auch wirklich hiezu verwendet worden seien. Mit dieser Forderung tat der Lokalkommissär einen schlauen Schachzug, dem gegenüber die Gegenpartei ohnmächtig war: die Klöster hatten nämlich bisher keinen Anlaß gehabt, die Kirchenstiftungen gesondert von ihrem sonstigen Vermögen zu verwalten; daher war ein solcher Nachweis meist unmöglich. Zudem hatte v. Epplen, um der Stadt jeden unbequemen Einblick zu verwehren, schon zu Beginn der Zivilbesitznahme in aller Eile die Abführung sämtlicher Augsburger Klosterarchive und Registraturen nach Dillingen veranlaßt. Der Magistrat gab sich natürlich nicht zufrieden. Am 30. April 1803 übergaben seine Deputierten dem Kommissär v. Epplen „Gegenbemerkungen über den Aktiv- und Passivbestand des Klosters St. Ulrich". Ausführlich legten sie darin dar, daß die Kirchenstiftungen unweigerlich zu den durch den 63. Artikel des RDHS geschützten Kirchengütern gehörten und daher ebenso unverletzlich seien wie die PassivKapitalien. Der RDHS unterscheide auch nicht zwischen Pfarr- und übrigem Kirchenvermögen. *) Staatsarch. Neuburg, Reg.-Akt 4930. 13.



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v. Epplen nahm die Augsburger Gegenausführungen äußerst ungnädig auf. Die Antwort blieb nicht aus. Er gab die „Gegenbemerkungen" an Hertling weiter mit der schnellen Abfertigung: Sie „stellen den Konsulenten Schmid in seinem Advokatengewand dar. Es ist überflüssig, sich darüber mit weiteren Bemerkungen zu befassen. Ich werde instruktionsmäßig fürfahren und hoffe gleichwohl ohne Weiterungen zum Ziele zu gelangen." 1 ) Nicht besser erging es den Gegenbemerkungen in Ulm. Die Klosterkommission erklärte in ihrem Bericht an den Generalkommissär, daß die Fortsetzung eines ähnlichen Schriftwechsels, in dem „wahrhafte Advokatensprünge vorkommen", nie zum Ziele führen könne, sondern nur das Mißtrauen und die Gehässigkeit vermehre, und daß bei solchen Fortschritten der Verhandlungen der Zeitlauf eines Jahres nicht hinreiche die so nötige und erwünschte Ubereinkunft ins Reine zu bringen. Die Klosterkommission sei daher der Meinung, daß gemeinschaftliches Zusammentreten und mündliche Konferenzen in einem Tag mehr bewirken könnten, als durch einen voluminösen Schriftwechsel in Monaten verhandelt werde. 2 ) Hertling berichtete dementsprechend unter dem 5. Aug. 1803 dem Kurfürsten, die Stadt gehe in ihren Forderungen jetzt noch weiter als früher; der Magistrat trete nun mit lächerlicher Arroganz mit allen seinen Prätensionen auf, maße sich alle Aktivkapitalien an und wolle sich sogar aller Pensions- und Schuldenübernahme entziehen. Er (Hertling) glaube daher, daß es an der Zeit sei, alle jene Maßnahmen zu ergreifen, die dem Kurfürsten als Regenten der Augsburgs Markung einschließenden Staaten zu Gebote stünden und die Stadt zu einem etwas geziemenderen Ton und zu nachgiebigeren und billigeren Gesinnungen bewegen könnten. Er empfehle daher, der Stadt überhaupt keine Rückäußerung mehr zu geben, sich nicht irre machen zu lassen und einfach nach dem angenommenen System fortzufahren. 3 ) Eine darauf erfolgte kurfürstliche Entschließung vom 10. Juni 1803 belobte den Kommissär v. Epplen für die Nichtbeachtung der Augsburger Gegenbemerkungen und wies ihn an, in Zukunft alle dergleichen schriftlichen Verhandlungen möglichst zu vermeiden und, falls sich die Stadt zu den billigen bayerischen Grundsätzen nicht verstehen wolle, rücksichtslos vorzugehen. 4 ) Schon jetzt drohte also ein völliger Abbruch der Verhandlungen. Machtfragen traten auf beiden Seiten in den Vordergrund. Gerade hier zeigte sich wieder die völlige Ohnmacht der Reichsstadt. Sie verfügte gegenüber dem bayerischen Vorgehen über keine anderen Abwehrmittel als über schriftliche und mündliche Proteste. Inzwischen vergingen Monate. Schließlich versuchte sie es im November 1803 '} ) 3) 4) 2

Staatsarch. Neuburg, St. Staatsarch. Neuburg, St. Bayer. Geh. Staatsarch., Staatsarch. Neuburg, St.

Ulrich 428. 1—22. Ulrich 428. 2 6 - 3 2 . K schw. 591/69. Ulrich 428. 23.



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auf französischen Rat hin mit einer nochmaligen Vorsprache am kurfürstlichen Hoflager. Ihr Geheimer v. Besserer und die Ratskonsulenten Schmid und Hoscher überreichten nach einer ungnädigen Aufnahme bei Montgelas dem Minister eine Bittschrift und legten eindringlich dar, wie sehr die Maßnahmen v. Epplens in der Frage der Kirchenfonds dem klaren Inhalt des Artikel 65 des RDHS 1 ) zuwiderliefen, und wie der Lokalkommissär unter dem Vorwande, eine Ausscheidung zwischen Pfarr- und Kirchengut machen zu wollen, der Stadt alle Mittel zum Unterhalt des Kultus nehme. Sie kamen aber nicht an den Rechten. Montgelas hielt ihnen sehr ungehalten das unanständige Benehmen des reichsstädtischen Magistrats vor; damit waren sie entlassen. Immerhin war ihre Mission nicht ganz erfolglos. Sie erreichten zwar keine grundsätzliche Änderung der bayerischen Auffassung, die Münchener Regierung ließ sich aber doch gegenüber Hertling wenigstens zu der Erklärung herbei: „So wenig uns eine Verbindlichkeit obliegt die Pfarrdotationen in der Reichsstadt Augsburg und ihrer Gemarkung zu besorgen, ebensowenig liegt es in unserer Absicht, daß gegen die Stadt von Grundsätzen ausgegangen werde, welche nicht nach der strengsten rechtlichen Prüfung sich verteidigen ließen; sollte von den Grundsätzen abgewichen worden sein, dann sei die Sache wieder in ihr rechtliches Geleise zu führen." 2 ) Damit war der Stadt nach den unerquicklichen Vorkommnissen der Sommermonate doch wieder die Hand gereicht. Aber es war nur ein Waffenstillstand, während dessen die Verhandlungen mit weniger Erbitterung geführt wurden. Plötzlich erfolgte wieder der Bruch. Ein kurfürstliches Reskript vom 8. April 1804 verfügt, daß mit Rücksicht darauf, daß „der Magistrat mit Härtnäckigkeit sich des Beitritts zu den bayerischen Grundsätzen weigere, die Ausgleichsverhandlungen unterbrochen werden sollen, deren Fortsetzung S. Durchlaucht unter seiner Würde erachte." 3 ) v. Epplen wurde demgemäß angewiesen sich nur mehr mit der Inventarisation zu beschäftigen, diese aber möglichst zu beschleunigen, nach ihrer Beendigung für jedes Kloster nach den bayerischen Grundsätzen ein Vermögensteilungsschema zu entwerfen und hieraus die Quota zu berechnen, welche die Stadt nach Maß des innerhalb ihrer Gemarkung gelegenen Vermögens sowohl in Passiven zu übernehmen als an Pensionen zu verabreichen habe; im übrigen solle er sodann ohne weitere Beratungen mit der Stadt dieses Teilungsschema zur Exekution bringen und den Mönchen den Teil der Pensionen, der auf dem dem Kurfürsten zugefallenen Vermögen laste, ausbezahlen lassen, wogegen es diesen selbst überlassen bleibe, sich den Rest ihrer Pensionen von der Stadt zu verschaffen. *) Vgl. Seite 77 Anm. 2. Bayer. Geh. Staatsarch., K schw. 591/69, Schreiben an Hertling vom 28. XI. 1803 und Staatsarch. Neuburg, Reg.-Akt 4930. 14. 3) Staatsarch. Neuburg, Reg.-Akt 4930. 13. 2)

6



82



Mit einem solchen Schritt hatte der Senat in diesem Augenblick nicht gerechnet. Er ließ nun zur näheren Begründung seiner Forderungen durch seine Räte ein umfangreiches „Beschwerdelibell" verfassen und dem Kurfürsten am 5. Juni 1804 überreichen. In fast bedrohlichem Ton — es scheint, daß ihm von Regensburg her der Rücken gesteift wurde — führte er darin gegen das Geschäftsgebaren des Kanzlers v. Epplen Klage und warnte die bayerische Regierung, „die Sache nicht zu weit zu treiben: „Der Himmel verhüte nur, daß die Sache nicht erst am Ende noch zu einer rechtlichen Auseinandersetzung hingezogen wird, welche durch die übertriebenen Überweisungen der Passiven einerseits und verweigerte Acception andererseits beinahe unvermeidlich ist; denn in diesem Falle würde die Stadt auch alle die Nachgiebigkeiten zurücknehmen müssen, welche sie sich in Hoffnung gütlicher Ubereinkunft bisher habe gefallen lassen: arcus nimium intensus frangitur. Es ist höchste Zeit an ein gedeihliches Ende zu kommen". 1 ) Auch Bayern scheint von irgend einer Seite her einen Wink bekommen zu haben. Auffallenderweise nämlich fand das Beschwerdelibell bei den höchsten Münchener Regierungsstellen günstige Aufnahme. Max Joseph und auch Montgelas empfingen diesmal die augsburgischen Abgeordneten sehr freundlich und überwiesen die Untersuchung ihrer Wünsche und Beschwerden einer neuen Kommission, die in Ulm zusammentreten sollte. Offenbar fühlte man jetzt in München die Verpflichtung altes Unrecht wieder gutzumachen. Demgemäß teilte man auch der Landesdirektion in Ulm unter dem 11. Juni 1804 mit, man habe den Eindruck gewonnen, daß „in manchen Fällen der Kommissär durch einen mißverstandenen Diensteifer zu Behauptungen habe sich hinreißen lassen, die mit Recht und Billigkeit nicht gerechtfertigt werden können". 2 ) Weniger erbaut über die neue Wendung der Dinge waren v. Hertling und v. Lerchenfeld. Sie nahmen den Lokalkommissär v. Epplen gegen die reichsstädtischen Vorwürfe eines Abweichens von seinen Instruktionen in Schutz und entschuldigten sein Geschäftsgebaren damit, daß „bei einem so weit umfangenden Geschäft und sehr mannigfachen Ansichten, wo es unklug wäre, schon gleich am Anfang eine Ultimaterklärung abzugeben, es völlig unmöglich sei sich in der Hitze der Debatte nicht einen Augenblick bei Kleinigkeiten von der Grenzlinie der im allgemeinen angenommenen, oft aber nicht so leicht anwendbaren Grundsätze zu entfernen. Die Exklamationen aber zu beantworten, sei außer der Würde der diesseitigen Kommission. Wenn auch die wechselseitigen Verhältnisse zur rechtlichen Entscheidung kommen sollten, so könne diese Kurpfalzbayern ruhig erwarten, und dann werde es offenbar werden, auf !) Staatsarch. Neuburg. Reg.-Akt 4930. 17. ») Bayer. Geh. Staatsarch., K schw. 591/69.

— 83 — wessen Seite die Grundsätze gerechter, billiger und gemäßigter waren . . . ) Die vom Kurfürst eingesetzte neue Kommission trat noch im Juli 1804 in Ulm zusammen mit dem Auftrage in gütliche Verhandlungen mit den augsburgischen Abgeordneten einzutreten. Aber der Umstand, daß neben dem gemäßigteren Landesdirektor Renz wieder der Landesdirektionsrat Frhr. v. Lerchenfeld und Kanzler v. Epplen als Mitglieder in der Kommission saßen, letzterer weil er „bei seiner vollständigen Kenntnis des so ausgebreiteten Geschäftes davon nicht habe ausgeschlossen werden können", trug nicht zu einer gedeihlichen Verhandlungsarbeit bei. Auch hatte die versteckte Rüge, die den beiden vom Kurfürsten zugegangen war, ihre Sympathie für die Reichsstadt nicht vermehrt. Wieder beschäftigte die Kommission vor allem die Frage der K u l t u s g e l d e r . Auch jetzt noch hielt die bayerische Kommission zäh an ihrer früheren Einstellung zu dieser Frage und insbesondere an dem Unterschied zwischen Pfarr- und Klosterkirchengut fest und wollte sich nur zu ganz unbedeutenden Modifikationen verstehen. Die städtischen Deputierten hingegen suchten jetzt in der Erkenntnis, auf dem bisher eingeschlagenen Wege nicht vorwärts zu kommen, sich nach einem anderen Rezept für die augsburgischen Belange einzusetzen. Da von der eben genannten Unterscheidung abhing, ob die Reichsstadt auf das sämtliche Kirchengut Anspruch machen oder nur jene Gelder fordern könne, welche zu ihren Stiftsund Klosterkirchen in ihrer Eigenschaft als Pfarrkirchen erweislich gestiftet worden waren, zogen sie nun ein älteres kurfürstliches Reskript vom 28. März 1803 vor und deuteten die Worte „unter dem Vorwande eine Ausscheidung zwischen Pfarr- und Kirchengut machen zu wollen" in der Weise, daß der Kurfürst ihre Beschwerden begründet gefunden, diesen Unterschied aufgehoben und den sich hieraus ergebenden Anständen dadurch die Erledigung zugesichert hätte. 2 ) Allein auch die bayerische Kommission war nicht auf den Kopf gefallen. Sie erblickte in diesem neuen Kurs der Augsburger Deputierten nur die Absicht, „unter dem Deckmantel der Exekution des kurfürstlichen Reskripts den Hof zu induzieren et petitionem principii unvermerkt aufzustellen". Selbstverständlich dachte sie nicht im entferntesten an eine Aufhebung des Unterschiedes zwischen Pfarr- und Klosterkirchengut. In einer für die utilitaristische und aufgeklärte Zeitströmung charakteristischen Weise setzt sich Frhr. v. Lerchenfeld für die Interessen seines kurfürstlichen Herrn ein: 3 ) „In was denn sonst würde die Entscheidung der Fürsten dann bestehen", schreibt er am 23. Juli 1804 dem Kurfürsten, „wenn alle diese frommen und milden Stiftungen conserviert und alle frommen und milden Zwecke der Stifter genau erfüllt werden sollten? Ohnmöglich kann das der ') Staatsarch. Neuburg, Reg.-Akt 4930. 14. Staatsarch. Neuburg, Reg.-Akt 4930. 14. Staatsarch. Neuburg, Reg.-Akt 4930. 13—17.

2) 8)

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— 84 — Wille der dieses Reichsgesetz konstituierenden Reichsstände gewesen sein, sonst würden ja die meisten dieser vormals geistlichen Besitzungen den entschädigten Fürsten eher lästig als im mindesten vorteilhaft sein. Wer daher nicht in dem RDHS eine bloße Satire auf alle Entschädigungen suchen will, kann wohl nicht mehr zweifeln, daß der RDHS den entschädigten Reichsständen auf keine Weise eine solche Verbindlichkeit auflegen will. Wer kann daher Seiner kurfürstlichen Durchlaucht die Verbindlichkeit auflegen, in einem ihm zur Entschädigung zugefallenen Kloster für ewige Zeiten, auch wenn dereinst die noch beisammen lebenden Mönche ausgestorben oder aufgelöst sein werden, alle bei diesem Kloster fundierten Jahrtage, Messen, Vigilien, Litaneien und Rosenkränze den Stiftungsbriefen und der Absicht der Fundatoren gemäß heilten zu lassen? Die Erfüllung dieser Stiftungszwecke hat dem Kloster oblegen, und diese Verbindlichkeit hört mit Aufhebung der Klöster ebenfalls auf." Von Interesse sind auch die Ausführungen, die er im weiteren Verlauf seines Schreibens macht und die uns einen dankenswerten Einblick in seine von wenig Pietät gegen seine Ahnen zeugenden aufgeklärten Anschauungen über die Jahrtage für die armen Seelen gewähren. 1 ) Sein Schreiben schließt mit dem alten Refrain: „Kurbayern hat ohnehin schon einen Beweis seiner gerechten und billigen Gesinnungen an den Tag gelegt, indem es nicht alle geistlichen Einkünfte der Klöster außerhalb des städtischen Burgfriedens einzog, sondern alle erweislichen zum Pfarrwesen gehörigen und noch existierenden Gelder überlassen hat; übrigens ist es Sache des städtischen Magistrates qua Landesherrschaft, daß er für die Herbeischaffung eines hinreichenden Pfarrfonds sorge. Diese innere Angelegenheit geht die Reichsstadt selbst an, und Kurbayern hat sich nicht im mindesten damit zu befassen." Ein anderes Mal 2 ) rechnete Frhr. v. Lerchenfeld in seiner rücksichtslosen sarkastischen Art dem Kurfürsten vor, daß die Stadt vollauf in der Lage sei, den ganzen Unterhalt des Klosters zu bestreiten, da sie doch „ohne nur den mindesten Verlust erlitten zu haben, so ansehnliche Bewilligungen erhalten habe und sogar das diesseitige Entschädigungslos noch zu Gunsten der Reichsstadt vermindert worden sei: sie habe ohne die ihr überlassenen Pfarrfonds Revenuen in der Höhe von 22191 fl erhalten, von allen übernommenen Gebäuden könne sie eine halbe Million einlösen; dazu komme der Erlös aus den ganz entbehrlichen Paramenten; auch habe sie sich von allen Immunitäten purifiziert und viele andere Vorteile errungen; 3 ) hingegen werde der von der Stadt vorgeschützte Aufwand für den Kultus sehr gering sein, wenn sie ihre katholischen Gottesdienste nur durch pensionierte Mönche und Vikare versehen lasse; und seien diese ein») Siehe Anhang Nr. 8. Staatsarch. Neuburg, Reg.-Akt 4930. 13 v. 23. VII. 1804. 8) Siehe Anhang Nr. 8.

— 85 — mal ausgestorben, dann könne sie das Geld, das sie auf deren Pensionen verwendet habe, zum Unterhalt der neuen Seelsorger bestimmen, sodaß sie nie zugleich zur Bezahlung von Pensionen und Gehältern an die Geistlichen gebunden sei." Und nun wird Lerchenfeld grob: „Wenn die Stadt verlangt, daß Bayern die fehlenden Mittel zum Pfarrfonds beisteuern soll aus seinen eigenen Revenuen, dann kann ich mich nicht enthalten diese Forderung in einem hohen Grade unverschämt zu finden. Verlangt diese Stadt nicht auch, daß die von den Stiftern und Klöstern gegebenen Almosen von Kurbayern gegeben werden sollen . . . .? Sollten aber die Mittel doch nicht genügen, dann kann die Stadt ja die sechs Pfarrkirchen auch auf vier verringern. Entetiert sie sich aber, kein Kirchelchen, keine Kapelle zu verlieren und an ihrer ganzen kirchlichen Verfassung nichts zu ändern, so mag sie das Opfer, das sie dadurch der Parität und dem Bigotismus — den zwei Idolen von Augsburg — bringen will, mit ihren eigenen Revenuen erkaufen. Es fällt der Reichsstadt sehr leicht, jährlich ein paar tausend Gulden zum Kultus, wenn solcher in seinem bisherigen üppigen Glanz erhalten werden muß, verwenden zu lassen. Die Kommission ist daher der Meinung, daß die vorgebliche Unzulänglichkeit der augsburgischen Revenuen und Kirchenfonds zur Bestreitung des katholischen Kultus eine bloße Erdichtung sei. Übrigens, meint Lerchenfeld weiter, „ist es traurig, daß die städtischen Deputierten seit fast zwei Jahren von diesen unbegründeten Forderungen noch kein Haar breit abgewichen sind und wenn sie beim Lokal- oder Landeskommissär kein Gehör gefunden haben, sich immer gleich an den Hof wandten und von da jedesmal mit dem Wahn, den ihnen wahrscheinlich ihre Selbstliebe verursachte, zurückkamen, als habe man bei den höchsten Stellen ihre Ansprüche billig und begründet gefunden. Nur aus diesem Wahn mag auch ihr Benehmen herrühren, daß sie glauben, nicht mehr unterhandeln, sondern der kurfürstlichen Kommission das, was man ihnen geben muß, diktieren zu dürfen. Ich sehe freilich voraus, daß die Stadt die ganzen Unterhandlungen abbrechen wird und die Deputierten mit einem neuen Beschwerdebuch sich an den Hof wenden werden." Lerchenfelds Befürchtungen trafen ein. Die Unterhandlungen ruhten ob der großen Gegensätze wieder fast ein volles Jahr. Zwar hatte sich die Landesdirektion am 18. Februar 1 8 0 5 für erbötig erklärt, die zur gütlichen Übereinkunft erforderlichen Konferenzen wieder zu eröffnen, 1 ) allein „mittlerweile eingetretene unvorhergesehene Umstände" veranlaßten das Generalkommissariat den Wiederbeginn der Verhandlungen aufzuschieben. 2 ) Erst im Juli traten die Kommissionen erneut in Ulm zusammen, das letzte Mal als Vertreter gleichberechtigter Kontrahenten und nur für kurze Zeit. Der im Herbst des ') Ord.-Arch. Augsburg, K 32. *) Bayer. Geh. Staatsarch., K schw. 591/69 vom 24. V. 1805.

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gleichen Jahres ausgebrochene Koalitionskrieg trieb sie wieder auseinander. Der Preßburger Frieden vom 26. Dez. 1805 schließlich nahm Augsburg seine reichsstädtische Herrlichkeit. Die stolze Stadt mußte es sich jetzt gefallen lassen, von ihrem bisherigen, oft heftig angefeindeten Partner besetzt zu werden. Wohl gingen die Ausgleichsverhandlungen noch einige Zeit weiter. Doch fand man jetzt sogar in den schwierigsten Fragen rasch eine Einigung. Denn die augsburgischen Deputierten mußten sich jetzt an eine andere Sprache gewöhnen, und auch der Kurfürst hatte es jetzt nicht mehr nötig, ständig auf den Rang- und Machtunterschied zwischen seiner Person und den widerspenstigen Patriziern des reichsstädtischen Senats aufmerksam zu machen. Auch wollte er jetzt den neuen Landeskindern ein freundliches Gesicht zeigen, zumal er nun auch kein besonderes Interesse mehr daran hatte, der Stadt größere Schwierigkeiten in der Ausgleichssache zu bereiten. Selbst in der Kirchengutfrage lenkte Bayern jetzt ein. Es entschuldigte sich, daß seinerzeit die von der Reichsstadt gewünschte „Separation der Pfarr-Kirchengüter nicht ganz ausführbar gewesen sei, zum mindesten aber das Cumulativbesitznahme- und Inventarisationsgeschäft auf beiden Seiten äußerst erschwert haben würde." 1 ) Leider wissen wir, so gut wir über die Verhandlungen bis Ende 1805 unterrichtet sind, so wenig über den endgültigen Ausgleich in der St. ulrikanischen Säkularisationsmasse. „Die Akten darüber sind zurzeit nicht auffindbar." Sicher aber ist, daß Bayern in dem gleichen Grade, in dem es der Reichsstadt einen Vorteil überließ, ihr entsprechend große Lasten an Pensionen und Passiven auf den Hals lud. Während das neue Königreich, das ungleich mehr gewonnen hatte, sich nur zur Übernahme von 259 845 fl reichsstiftischer Schulden 2 ) und 8457 fl 9 kr 4 hl Pensionen 3 ) verstand, diktierte es der Stadt die Übernahme von ca. 80000 fl Passiven und 2242 fl 50 kr 4 hl Pensionen zu. Ebenso gewiß ist: Wenn der Augsburger Senat nach dem wenig ruhmvollen Untergang seiner reichsstädtischen Unmittelbarkeit sich auf den Erfolg der jahrelangen Verhandlungen besann, so mußte er die traurige Wahrnehmung machen, daß die Hoffnungen, durch die reichen Klosterbesitzungen und ihre beträchtlichen Erträgnisse den städtischen Finanzen wieder aufhelfen zu können, sich nicht nur nicht erfüllt hatten, sondern daß sich gerade durch die geistlichen Neuerwerbungen die Unmöglichkeit herausstellte, die Selbständigkeit dauernd zu behaupten. Was die Stadt aus der Säkularisation der geistlichen Güter gewonnen hatte, war meist wenig ergiebiges Gut: Die großen Klostergebäude waren meist noch besetzt von den bisherigen Bewohnern, oder der Kurfürst hatte sie, wie das St. Ulrichs-Stift, Kreisarch. München, MA 324/380. Kreisarch. München, SSC. Fasz. 9 Nr. 911. ') Ord.-Arch. Augsburg, K 32. s)

— 87 — schon zu Kasernen bestimmt; die kleinen Gebäude aber hatten infolge des herrschenden Überangebots bedeutend an Wert eingebüßt. Der Erlös aus den Versteigerungen des Klosterinventars hatte auch nicht immer den Weg zu seinem Herrn gefunden. Von den erträumten 3 Millionen Kapitalien aller in Augsburg liegenden Klosterbesitzungen hatte die Stadt nach einer aktenmäßigen Berechnung des Konsulenten Schmid nicht viel mehr als 14000fl erhalten, 1 ) dafür aber Lasten auf sich nehmen müssen, die mehr als 37000A betrugen. 2 ) Man begreift die bittere Enttäuschung der Stadtväter. Der gleiche Ratskonsulent Hoscher, der schon bei der Besitznahme die oben3) erwähnte pessimistische Betrachtung angestellt hatte, klagt in seinem Gutachten über die Verwendung des Kanzler- und Pfarrhauses beim Reichsstift: „Pensionen sind zu bezahlen, Schulden zu verzinsen, Baureparationen und noch sehr viele andere Lasten zu tragen. Ich habe schon oft erwähnt, daß gar nicht abzusehen ist, wie alles das bestritten werden kann." 4 ) Und ein andermal sprach Hoscher das offene Wort, das seinen Ratskollegen schon lange auf den Lippen brannte: „Pflicht ist es, offen zu bekennen, daß man geirrt hat." a )

') Meyer Chr., Die letzten Zeiten der freien Reichsstadt Augsburg. S. 11. Haupt K., Die Vereinigung der Reichsstadt Augsburg mit Bayern, S. 77. 8) Siehe Seite 24. 4) Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich 10 (4). 5) Haupt K., Die Vereinigung der Reichsstadt Augsburg mit Bayern, S. 77. 2)

5. K a p i t e l .

Das Schicksal der Stiftsgebäude und seiner Bewohner. Die Neuorganisation der Pfarrei. Das Schicksal der Bibliothek und der Kunstschätze des Stiftes. „Bei allen diesen Bestimmungen wird der Großmut der zukünftigen Landesherren kein Ziel gesetzt. Vielmehr bleibt jedem unbenommen, was er durch besondere Verhältnisse und Rücksicht weiter zu bewilligen sich veranlaßt findet." 1 ) Hatte dieser 51. Artikel des RDHS den Zweck, in bestimmten Fällen das Los der unglücklichen Säkularisationsopfer zu mildern, so haben seine Schöpfer, die Minister und Agenten der vermittelnden Mächte, den deutschen Fürsten und reichsstädtischen Gewalthabern ein zu großes Maß von landesväterlicher Güte gegen die neuen Untertanen zugemutet. Die entschädigten Herren sahen in diesem Artikel vielmehr einen Freibrief, der ihnen die Möglichkeit gab, auch jene Bestimmungen des RDHS, die von ihnen Opfer verlangten, zu modifizieren. Abt Gregor und seine 27 Mönche verlangten aber auch keine Erleichterungen; sie wären zufrieden gewesen, wenn die den RDHS ausführenden Organe wenigstens dessen strikteste Forderungen erfüllt hätten. So aber mußten sie sich oft erst durch eindringliche Bittschriften und Protestschreiben das erkämpfen, was der Reichstag zu Gunsten der säkularisierten Klosterleute schon vorgesehen hatte. Sie lebten eben in einer Zeit, in der es wohl üblich war, viel von Toleranz und Humanität zu predigen, sie aber wenig zu üben. Die Hauptschuld an der Benachteiligung des Reichsstifts gegenüber den meisten anderen Abteien trugen freilich die verwickelten Verhältnisse, wie sie namentlich geschaffen wurden infolge der Erwerbung des Reichsstifts durch die Reichsstadt u n d das Kurfürstentum, zwei Mächte, die aufeinander nicht gut zu sprechen waren. Daran änderte die nachdrückliche Empfehlung des Kaisers, der seinen Gesandten in Begensburg beauftragt hatte, „das Stift St. Ulrich, wenn irgend möglich, zu retten," 2 ) ebensowenig wie Graf Rechbergs Eintreten für das Reichsstift. Wohl erteilte auch Max Joseph gelegentlich einer persönlichen Aufwartung dem Reichsabte die Erlaubnis, ein Verzeichnis von Erleichterungen einzureichen, die ohne Beeinträchtigung der kurfürstlichen Gerechtsame ihm und seinen Konventualen bis an ihr Lebensende zugestanden >) Scheglmann A., Geschichte der Säkularisation in Bayern, I 257. Ord.-Arch. Augsburg, K 32.

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— 89 — werden könnten. Allein die Praxis entsprach auch hier nur selten der Theorie. So sicherte Artikel 43 den alten Besitzern der geistlichen Güter ohne Ausschluß eines Standes bis zum 1. Dez. 1802 den vollen Genuß aller Revenuen aus ihren Besitzungen zu.1) Trotzdem der Reichsprälat der bayerischen Kommission mitteilte, daß er, „ohne sein Gewissen zu verletzen und ohne merkliche Nachteile seinen ohnehin kümmerlich lebenden Konventualen zuzuführen, niemals auf sein so feierlich autorisiertes Recht verzichten könne," und sich bereit erklärte, darüber „sich in eine billige Konvention ehrfurchtsvollst einzulassen und diese ihm so feierlich zugesicherten Rechte nicht nach dem klaren Buchstaben zu prosequieren," 2 ) hatten seine Vorstellungen bei der bayerischen Kommission nur das eine Ergebnis, daß ihm bedeutet wurde, daß nur den Reichsfürsten die Rückstände zugesichert seien. Derselbe Artikel verfügte, daß dem Stift die Vorräte unentgeltlich zu überlassen seien. Allein die Benediktiner von St. Ulrich mußten, „obwohl sie ihr ehemaliges unstrittiges Eigentum nicht durch ein Verbrechen, sondern als unschuldige Schlachtopfer des Friedens eingebüßt hatten, für ihr eigenes Getreide noch teures Geld zahlen ebenso wie jeder landfremde Kornkipper." Ähnlich erging es ihnen mit den Weinvorräten, für die sie beim Rückkauf für den Eimer 18 fl entrichten mußten statt des landesüblichen Preises zu 16 fl.°) Die Artikel 50 und 57 bestimmten, daß „sämtlichen abtretenden geistlichen Regenten und Mönchen auf Lebensdauer eine ihrem Rang, Stand und ihrer bisherigen Lebensweise angemessene Wohnung mit Meublement" unentgeltlich anzuweisen sei. Während sich die Besitzergreifer sämtlicher anderer schwäbischen Reichsstifte an diese Verordnung hielten, mußten die Mönche von St. Ulrich für die Benützung der Klostergebäude und ihrer Möbel jährlich 348 fl Zinsen an die Reichsstadt bezahlen. Zwar hatten es anfangs auch die Augsburger Räte für billig gehalten, den Konventualen ihre bisherige Wohnung unentgeltlich zu belassen. Nachdem aber bei der Aufstellung des Beteiligungsstatus der kurfürstliche Kommissär v. Epplen auf dem Anschlag sämtlicher Klostergebäude als nutzbringender Neuerwerbungen der Reichsstadt bestanden und es der Reichsstadt anheimgestellt hatte, sich durch Mietzinsforderungen bei den Mönchen schadlos zu halten, kam diese pflichteifrigst diesem Rate nach, obwohl das Stift ohne jedes Entgelt die ausgedehnte Pfarrseelsorge ausübte. Artikel 51 des RDHS setzte für die Reichsprälaten und unmittelbaren Äbte als Pensionsminimum 2000, als -Maximum 8000 fl fest.4) Da nun aber solche Pensionen das kurfürstliche Aerar stark belastet hätten, suchten sich Max Joseph und seine Ratgeber zu helfen. Der *) ) ) 4) 2

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Scheglmann A., Geschichte Ord.-Arch. Augsburg, K 32 Ord.-Arch. Augsburg, K 32 Scheglmann A., Geschichte

der Säkularisation in Bayern, I 255. v. 11. X. 1804. v. 25. II. 1804. der Säkularisation in Bayern, I 257.

— 90 — als Klosterfeind bekannte Geheime Rat v. Zentner wußte den Kurfürsten zu bereden, bei der Regulierung der Pensionen keinen einheitlichen Maßstab festzusetzen, sondern nur darauf zu sehen, „welche Vermögen bei einem jeden corpus nach Abzug aller darauf liegenden Lasten übrig bleiben". 1 ) Der Kurfürst erkannte den Vorteil dieser Berechnung und stellte als Pensionsnormativ die Höhe des von den einzelnen Stiften bisher an seine Kasse abgelieferten Dezimationsbetrags und der ihm jetzt aus den neuerworbenen Gütern zufließenden Revenuen auf. Mehr als 2400 fl sollte jedoch kein Abt bekommen.2) Als eine „besondere Vergünstigung" mußte es der Abt von St. Ulrich betrachten, daß ihm Max Joseph auf sein Ansuchen gegen Übernahme aller Reparaturkosten das bisher ulrikanische Schlößchen in dem eine Stunde von Augsburg entfernten Dorf Haunstetten als Sommeraufenthalt bis zu seinem Lebensende überließ.3) Alle anderen Gesuche des Reichsprälaten, wie das um Überlassung der ulrikanischen Fischweiher zu Wengen und Schönebach, wurden abgelehnt.4) Dem gleichen Schicksal verfielen verschiedene an den reichsstädtischen Senat gerichtete Gesuche des Reichsstifts, so die Bitte um Überlassung der an das Gastgebäude anstoßenden Gemüsegärten. Nicht einmal auf Pachtübernahme durch das Stift ließ man sich ein, sondern beharrte auf dem Beschluß, sie zu versteigern, da „auf dem Lizitationsweg ein größerer Erlös sich ergeben würde, als der Pachtzins festgesetzt werden könne." 5 ) Dagegen erklärte man sich bereit, bei der Versteigerung der Wiesen, Gärten und anderen Haus- und Ökonomiefahrnisse den Mönchen, wenigstens solange sie noch in der Kommunität zusammenleben würden, zu erlauben, darauf zu bieten. 6 ) So verstand sich die Reichsstadt gegen einen jährlichen Kanon zur Überlassung des großen, über der Reichsstraße gelegenen Stiftsgartens, allerdings erst, nachdem ihr der Reichsprälat zu bedenken gegeben hatte, daß „dieser Garten einesteils nach vollbrachtem Chor-, Kirchen- und Pfarrdienst der einzige Platz sei, der ihm und seinem Konvent bei besserer Jahreszeit bis jetzt die nötigen Erholungsstunden gewährt habe und daß es andererseits für ihn und sein Kloster sehr kränkend und hart fallen müßte, wenn er unter seinem Auge Fremde in dem ehemaligen Stiftseigentum wandeln sehen müßte." 7 ) Es war wohl mehr eine Anwandlung von Großmut, daß der Senat sich bewogen fühlte, dem Reichsprälaten von St. Ulrich ebenso wie auch den beiden Pröpsten von St. Georg und Hl. Kreuz und der Äbtissin von St. Stephan zwei selbst auszuwählende Pferde und eine ') Bayer. Fin.-Min. Generalia 161 „Die kommission". 2) ebd. 8 ) Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 9. XII. 4 ) Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 15. IV. 5 ) Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich 10 P), •) Ord.-Arch. Augsburg, K 32. ^ Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich 10 C),

Errichtung einer Spezialkloster1803. 1803. Ratsprotokoll v. 21. XII. 1803 Ratsprotokoll v. 21. XII. 1803.

— 91 — Equipage zu lebenslänglichem Gebrauch unter der Bedingung zuzugestehen, „daß sie sich wie bisher bei Feuersbrünsten mit den überlassenen Pferden und dem Feuerkessel des Klosters zur Hilfeleistung verstünden. Falls sie jedoch noch mehr Pferde oder Hornvieh an sich zu bringen wünschten, so stünde nichts im Wege, sich solches bei der Versteigerung ihres Klosterviehes gegen sofortige Barzahlung zu erstehen." 1 ) Die öffentliche Meinung und die Sympathie der Augsburger Bevölkerung für das St. Ulrichsstift schützten die Konventualen vor mancher Willkür der Säkularisationsorgane. So glaubte die bayerische Kommission, den Konventualen außer ihrem übrigen Eigentum an Einrichtung und Büchern „ihre Leib- und Bettwäsche nebst der Bettung nur aus dem Grunde überlassen zu müssen, weil ein anderes Benehmen außerordentliche Sensation erregen würde." 2 ) Gleichwohl mußten sich die wehrlosen Mönche manche Übergriffe und Härten gefallen lassen. Als sich jedoch der bayerische Lokalkommissär v. Epplen anmaßte, die Auslieferung der Großkellnerrechnung abzuverlangen, stieß er auf den hartnäckigen Widerstand des Großkellners P. Placidus Braun: sie sei „zur Auslieferung ebensowenig geeignet wie eine Küchenrechnung. Sie gehöre zur inneren Hauswirtschaft, von welcher sie niemand Bechenschaft zu geben verbunden seien. Alle anderen Bechnungen, die notwendig seien, habe er schon übergeben, und wo hätte der Herr Direktor während der Kommission mehr Bereitwilligkeit gefunden als bei St. Ulrich? Wo sei das Kommissionsgeschäft mehr erleichtert worden? Wo habe man so zusammengearbeitet? Wo habe solche Ordnung geherrscht? Wo seien die Pensionisten mit solcher Devotion entgegengekommen? Wo anders seien soviele und wichtige Aufklärungen gegeben worden? Und nun sollten sie sich für all das noch eine Ungnade zuziehen?" 3 ) Mit dieser energischen Weigerung erreichte Braun, daß v. Epplen von einer weiteren Forderung Abstand nahm. Ein eigenartiges Schicksal hatten die M ö b e l der Mönche. Sie waren mit den Klostergebäuden an die Stadt gefallen, welche, wie schon erwähnt, für ihre weitere Benützung durch die Konventualen 3% vom Schätzungswerte verlangte. Um nun von der lästigen Verzinsung ihrer Möbel frei zu werden, baten die Mönche, ihr Mobiliar durch Abzug mäßiger Beträge an ihrem städtischen Pensionsanteil wieder auslösen zu dürfen, wobei sie jedoch hofften, daß „nach dem Beispiel, das von den Besitznehmern in den meisten anderen Stiften gegeben worden, jedem Individuum wenigstens sein Tischzeug, als einige Teller, Trinkgeschirr, Salzfaß, Leuchter, Tischtücher, Servietten ») Ord.-Arch. Augsburg, K 32. 2 ) Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 429, 1, Schreiben Epplens an Hertling v. 8. III. 1803. 8 ) Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Aus dem Nachlaß des P. Placidus Braun, Gesammelte Schriften, Fasz. A.

— 92 — und dergleichen unentgeltlich überlassen werden möchten." 1 ) Die Administrationsdeputation gab dem Gesuche statt und überließ dem Konvent die von ihr noch nicht versteigerten Möbel um den Schätzungspreis von 3 534 fl 47 kr. 2 ) Kaum acht Monate später aber machte der andere Partner dem Stift sein Recht an dem Mobiliar wieder streitig. Abt Gregor ließ nämlich in das ihm als Sommeraufenthalt angewiesene Schlößchen zu Haunstetten einen Teil der Möbel schaffen. Und als er am 14. Jan. 1806 starb, erschien sofort der K. Landrichter Gruber von Göggingen, nahm die Möbel ungeachtet aller Einwände des ulrikanischen Konvents unter bayerisches Siegel, versteigerte sie und strich den Erlös zu Gunsten des bayerischen Aerars ein mit der Begründung, alles Klostergut müsse säkularisiert werden. Erst nach zweijährigen Verhandlungen bequemte sich das Gögginger Landgericht dazu, den Erlös aus den versteigerten Möbeln den Mönchen auszufolgen. 3 ) Einen ungleich heftigeren Kampf noch hatten die Mönche zu führen u m die ihnen durch den R D H S zugesicherten P e n s i o n e n . So eilig nämlich die neuen Herren bei der Besetzung der geistlichen Güter gewesen waren, so säumig zeigten sie sich in der Übernahme der damit verbundenen Lasten, insbesondere der Pensions- und Kultuslasten. Volle zehn Monate wußten die Mönche nicht, was ihnen zum Unterhalt würde ausgeworfen werden. Die Reichsstadt gewährte ihnen nur geringe Pensions- nnd Naturalvorschüsse und der bayerische Kurfürst hielt sich in der Bestimmung der Pensionen, wie schon oben 4 ) gezeigt, nicht an die allgemeine Vorschrift des Artikels 57. 5 ) Für ihn war ja maßgebend der Gewinn, den er aus dem einzelnen Kloster zog. Auf Grund dieses Normativs berechnete nun der Landesdirektor v. Hertling im kurfürstlichen Auftrag die Pensionen der ulrikanischen Mönche und ihres Abtes. Seine Untersuchungen ergaben, daß das Reichsstift St. Ulrich aus seinen großen Besitzungen im Bayerischen der kurfürstlichen Kasse schon vor der Säkularisation jährlich beträchtliche Gelder zugeführt und das Stift „allerdings eine ansehnliche Akquisition sei, da der Revenuenanteil jährlich 47 279 fl 24kr betrage und nach Abzug aller Ausgaben, die seinerzeit durch vereinfachte Administration wohl sehr vermindert werden könnten, jährlich noch 2 5 3 9 0 fl 28kr übrig blieben;" er glaubte daher für den Reichsprälaten als Pension die Maximalsumme, nämlich 2 400 fl, für die Konventualen je 400 fl dem Kurfürsten zur Genehmigung empfehlen zu sollen. Hertlings Vorschlag fand die Billigung Max Josephs. >) Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 13. V. 1804. ) Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich 6. 8 ) Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 20. I. 1808. *) Siehe S. 89 f. 5 ) „ D i e Conventualen fürstlicher, auch Reichs- und unmittelbarer Abteien sind auf eine ihrer bisherigen Lebensweise eingemessene anständige Art ferner zu unterhalten oder es ist ihnen eine Pension von 300—600 fl zu verabreichen." 2

— 93 — Die Konventualen waren mit Recht enttäuscht. Sie hatten mit Rücksicht auf ihre reichen an Rayern gefallenen Besitzungen und die herrschende Teuerung auf höhere Pensionssätze gerechnet, zumal da ihre Beamten ungleich höhere Bezüge hatten. 1 ) Der für seine Mönche treubesorgte Abt suchte in aufopfernder Weise das traurige Los der Seinen zu lindern. Er bat den Kurfürsten, durch eine Pensionsvermehrung „das künftige Schicksal seiner kümmerlich lebenden Konventualen, insbesondere seiner Dignitäre, des Priors, Subpriors, der alten und kränklichen Patres huldvoll zu verbessern, da sie sonst in ihrem Alter und ihrer hilflosen Lage nicht bestehen könnten. Es sei dies ohnehin nur eine temporelle Wohltat, deren er sich durch seine zarte Anhänglichkeit an das höchste Kurhaus und durch seinen während der Besitznahme des Stiftes dem Lokalkommissär für höchst dero Interessen tätig bezeugten Eifer würdig gemacht zu haben glaubt." 2 ) Die Bemühungen des Reichsprälaten blieben nicht ohne Erfolg. Während der Kurfürst auf einen weiteren Vorschlag Hertlings den sechs ältesten Konventualen je 50 fl Pensionserhöhung gewährte, bewilligte er dem Großkellner P. Placidus Braun ,,wegen seiner Verdienste um das Kloster und seine Geschicklichkeit, wodurch er sich zu einem Archivarposten befähigen würde," 500 fl Pension. 3 ) Außerdem traf der Kurfürst die Bestimmung, daß alle jene säkularisierten Klostergeistlichen, welche allmählich in das 60. Lebensjahr eintreten würden, eine Pensionserhöhung um 50 fl, alle kranken Mönche aber um 100 fl bekommen sollten. Als sich jedoch Abt Gregor dementsprechend an den Lokalkommissär v. Epplen mit einem Gesuche wandte, erhielt er ohne Angabe weiterer Gründe schroff zur Antwort: ,,Es kann befragtem Gesuch nicht willfahrt werden." 4 ) Es kam noch schlimmer. Abt und Konvent von St. Ulrich wurden gezwungen, nicht weniger als vier Jahre lang auf ein Fünftel ihrer rechtmäßigen Pension zu verzichten. Der Magistrat der Reichsstadt, der bei der Pensionsbestimmung nicht befragt worden war, weigerte sich nämlich, den ihm vom Kurfürsten „nach dem Verhältnis der ihr zugefallenen Güter, Kapitalien und Rechte" zudiktierten fünften Teil der Pensionslast zu übernehmen, erklärte sich vielmehr auf Grund seiner Gegenberechnungen nur zur Übernahme von einem Elftel derselben verpflichtet Da aber auch der Kurfürst keine Lust zeigte, den fehlenden Pensionsrest den Mönchen aus der bayerischen Kasse zu ersetzen, sahen sich die Mönche, um überhaupt ihr Leben fristen zu können, gezwungen, neue Gelder aufzunehmen. Was blieb dem Reichsprälaten nun anderes übrig, ') So erhielten jährlich im Durchschnitt einschl. Naturalien, Dienstwohnung und Nebenbezüge der Kanzler 3 057 fl, der Kanzleiverwalter 1 1 6 2 fl 30 kr; vgl. Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 431. 4. 7. 2) Ord.-Arch. Augsburg, K 32. 8) Bayer. Fin.-Min. 228, Das Kloster St. Ulrich und Afra, Pensionierung des geistlichen und weltlichen Personals. 4) Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 29. IX. 1803.

— 94 — als wiederum bei v. Epplen vorstellig zu werden und ihn zu bitten, Bayern möchte dem Stift, „das bis zum Ausgleich auch nicht von der Luft leben könne," inzwischen wenigstens den Augsburger Pensionsanteil vorschießen. Denn „man muß sich in die greuliche Unbestimmtheit des Schicksals seit beinahe fünfzehn Monaten lebhaft hineindenken können und Gefühl für menschliches Elend haben, um sich von den Umständen der diesseitigen Pensionisten eine wahre Vorstellung machen zu können. Alsdann würden sie nicht in eine so langwierige und marternde Unbestimmtheit ihres Schicksals, nicht unter so strenge Auf- und Nachrechnungen geraten sein, wie man sie ihnen jetzt vom ersten Augenblick der Besitznahme an auf die zehn Monate nachher bestimmte Pension gemacht hat. Bayern werden dann Augsburg gegenüber schon wieder die Mittel zu Gebote stehen, zu seinem vorgeschossenen Gelde zu kommen." 1 ) Allein der Abt kam hier nicht an den rechten Mann. v. Epplen war es ziemlich gleichgültig, ob die Klostergeistlichen ihre ganze Pension erhielten oder nicht. Er war damit zufrieden durch seine für die bayerische Kasse günstigen Berechnungen über die Pensionsbeteiligung der beiden Partner das Lob seines Herrn verdient zu haben und ließ sich daher nur zu dem leeren Versprechen herbei „jede gegründete Forderung zu unterstützen. Sollten sich aber Anstände in Betreff der reichsstädtischen Gegenberechnungen ergeben, so könne sich die bayerische Kommission damit nicht bemengen, sondern das Stift müsse selbst versuchen, sich mit der Stadt auszugleichen." 2 ) Das war aber, wie v. Epplen selbst wußte, dem Stift nicht möglich. Denn es lag nicht in seiner Macht, in den Differenzen zwischen der Stadt und dem Kurfürsten die Entscheidung zu fällen, zumal da ihm sogar die Gründe der Nichtannahme des bayerischen Pensionsentwurfes durch die Stadt geheimgehalten worden seien. Noch bot freilich Art. 67 des RDHS 3 ) den pensionierten Klostergeistlichen die Möglichkeit, zur Sicherstellung ihrer materiellen Existenz den Reichstag anzurufen, der auf ihr „erstes Anrufen ohne Gestattung eines Termins oder einer Einrede sogleich gegen die Zahlungsbehörde, welche sich mit der Quittung über die geschehene Zahlung nicht ausweisen könne, die bereiteste Execution zu erkennen und zu vollziehen habe". Allein diese letzten unangenehmen Schritte wollten sie der Reichsstadt ersparen, die sie mit der Pensionsbegleichung immer bis zum Austrag der Differenzen mit Bayern vertröstete. Sie wandten sich in ihrer Not an den Grafen Rechberg: „Euer Excellenz werden selbsten gnädig ermessen, daß ich und mein Kapitel, der wir nun ein für allemal mit unserem Domicilio dem Magistrat untergeordnet sind, geradezu klagbar nicht mehr gegen denselben ») Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 25. II. 1804. 2 ) Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 17. III. 1804. ) Scheglm&nn A., Geschichte der Säkularisation in Bayern I 261.

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— 95 — auftreten können." 1 ) Sie wandten sich an den Kaiser selbst. Zwar ließ dieser durch seinen Plenipotentiarius in Regensburg, Baron v. Hügel, an die Reichsstadt „eine nachdrückliche Empfehlung gelangen, doch soviel Rücksicht zu nehmen, daß das Stift wenigstens nicht um vieles härter als die meisten auswärtigen Klöster von ihrem Besitznehmer behandelt werde." 2 ) Aber umsonst. Hier traf buchstäblich das Wort ein: „Wo nichts ist, hat auch der Kaiser das Recht verloren." Die Stadt konnte nicht zahlen. Ratskonsulent Schmid war offenherzig genug, dem ihm befreundeten P. Placidus Braun am 6. Juli 1804 mitzuteilen: „Ich kann Ihnen im Vertrauen unverhalten, daß nicht die Differenzen zwischen der Stadt und Bayern an der Pensionsverzögerung schuld sind, sondern weil kein Geld in der Kasse ist." 3 ) Ein schlechter Trost für die Mönche. Wieder ruhten ein halbes Jahr die Pensionsverhandlungen. Erst die dringlichsten Vorstellungen des Abtes bei der Landesdirektion in Ulm vermochten sie wieder in Fluß zu bringen. Der unaufhörlichen Klagen des ulrikanischen Konvents überdrüssig, führte die Landesdirektion in einem Schreiben vom 18. Febr. 1805 endlich eine kräftige Sprache gegen den Augsburger Magistrat: „Wenn schon der dasige Magistrat sich veranlaßt glaubt den Beteiligungsentwurf nicht anzunehmen, so kann doch dies Wohldenselben nicht berechtigen, bis zur erfolgten gütlichen oder rechtlichen Bestimmung der beiderseitigen Beiträge zum Unterhalt des Abtes und Konventes denselben die ihnen gebührende Verpflegung zu versagen oder solche einseitig dem Kurhaus Bayern ganz aufzubürden. Die Landesdirektion gewärtigt daher zuversichtlich, daß der dasige Wohllöbliche Magistrat dem Abt und Konvent den verfallenen Pensionsbetrag auf künftige Abrechnung unpräjudizierlich ohne ferneren Verzug ausbezahle und mit der künftigen Entrichtung dieses Betrages fortfahre." 4 ) Wenn sich jetzt der augsburgische Magistrat auch schweren Herzens entschloß, zwei Fünftel der ihm von Bayern zudiktierten Pensionssumme anzuerkennen und an das Stift auszubezahlen, so bedeutete dies für den Konvent immer noch einen jährlichen Pensionsentgang von 1263 fl, der nun schon auf ca. 4000 fl angewachsen war. Neue Hoffnung schöpfte das Stift, als die Reichsstadt an die Krone Bayerns fiel. Jetzt werde die Pensionsangelegenheit schnell geregelt sein und ein Befehl des Königs oder seiner Behörden an die Stadt werde genügen, ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen. Abt Gregor richtete daher noch kurz vor seinem Tode neuerdings Vorstellungen an die Landesdirektion. Allein die neugebildete Bayerische Organisationskommission mit Frh. v. Widnmann an der Spitze hatte Vordringlicheres zu tun: nämlich das reichsstädtische Regiment in das !) 2) 8) 4)

Ord.-Arch. Augsburg, K. 32. Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 13. V. 04. Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Korresp. des P. Placidus Braun, Fasz. X. Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 18. II. 1805.

— 96 — einer bayerischen Provinzialstadt umzustellen. Gleichwohl hatte die Bittschrift wenigstens d e n Erfolg, daß der Nachfolger v. Hertlings in Ulm, Baron v. Leyden, den Augsburger Landeskommissär v. Andrian beauftragte, mit dem Magistrat darüber Rücksprache zu nehmen. 1 ) Frh. v. Andrian tat dies in einem sehr maßvoll gehaltenen Schreiben vom 8. Febr. 1806, in dem er den Magistrat ersucht, sobald als möglich eine befriedigende Äußerung zu geben; denn „die Lage der Konventualen gestatte keinen längeren Nachborg ihrer gerechtesten Ansprüche mehr." 2 ) Was der Landeskommissär erreichte, war jedoch nur das eine, daß die Stadt an das Stift 500 fl verabfolgen ließ und hiemit glaubte, „der Königlichen Landesdirektion gänzliche Befriedigung geleistet zu haben." 3 ) Der Pensionsentgang machte sich noch mehr fühlbar, als die Konventualen den Befehl erhielten, das Klostergebäude zu räumen und sich anderweitig um Quartiere umzuschauen. Der Transport der Mobilien, der durch die Auflösung des Konvents bedingte größere Aufwand für Kost, Holz, Licht, Zimmermiete, Schuldenrückzahlung usw. verschlang größere Summen. Um nicht noch mehr fremdes Kapital ohne jede Deckung aufnehmen zu müssen, wandte sich der Prior im Namen des Konvents abermals an die Landesdirektion mit der Bitte, „bei den nunmehro eingetretenen Veränderungen an die städtische Behörde die gemessensten Befehle gnädigst zu erlassen, der Stadt einen peremptorischen Termin zur Abrechnung zu setzen und zugleich für die Zukunft die beruhigende Verfügung zu treffen, daß die Mönche, um nicht fernerhin dem willkürlichen städtischen Benehmen ausgesetzt zu bleiben, mit ihren künftigen Pensionen in ihrem ganzen Umfange aus der bayerischen Kasse allein befriedigt würden, wohin dann die Stadt konkurrieren könne." 4 ) Da jedoch der König die Klostergebäude inzwischen zur Militärkaserne bestimmt und der Stadt dadurch wieder einen beträchtlichen Teil ihrer Revenuen entzogen hatte, zeigte der Magistrat jetzt noch weniger Lust die Pensionsrückstände zu begleichen.5) Was blieb der Landesdirektion anders übrig, als, „wenngleich sie sich nicht dazu verpflichtet hielt," den Verwaltungsrat in Augsburg zu beauftragen die städtischen Pensionsrückstände zu begleichen und iürderhin den Konventualen die ganze Pension aus der Provinzialhauptkasse ohne Konkurrenz der Stadtkasse auszubezahlen.6) So endete der vierjährige Kampf um die Pensionen zu Gunsten der städtischen Finanzen und nur zum Teil mit der gerechten Befriedigung der Exkonventualen. Diese hatten nämlich noch andere Forderungen an die Besitzergreifer ihres Stiftes zu stellen: Nach der Zivilbesitznahme des Klosters ') ) 8) 4) 5) 6) 2

Ord.-Arch. Augsburg, K Stadtarch. Augsburg, St. Stadtarch. Augsburg, St. Ord.-Arch. Augsburg, K Stadtarch. Augsburg, St. Stadtarch. Augsburg, St.

32 v. 13. I. 1806. Ulrich IOC) v. 8. II. 1806. Ulrich IOC) v. 15. II. 1806. 32 v. 13. III. und 24. VII. 1806. Ulrich 8 v. 4. XI. 1806. Ulrich 8, 11 v. 2. XII. 1806.

— 97 — hatten die Benediktiner, zuerst unaufgefordert — denn die Cumulativkommission hatte Vordringlicheres zu tun: die ganze Säkularisationsmasse zu inventarisieren und zu verteilen —, später aber auch auf ausdrückliche Weisung der Kommission die mit dem Stift verbundene P f a r r s e e l s o r g e in der gewohnten Weise und auf eigene Kosten weiter versehen. Man hatte ihnen damals die Versicherung gegeben, nach Beendigung der Ausgleichsverhandlungen ihnen die K u l t u s a u s l a g e n ersetzen zu wollen. 1 ) Nachdem seit der Besitznahme des Stiftes schon dreiviertel Jahre verstrichen waren, bildete sich schließlich im August 1803 zur Regulierung des Pfarrwesens und insbesondere zur Schaffung der nötigen Dotationen eine b i s c h ö f l i c h e K o m m i s s i o n , der der Geheime Rat und Vizeoffizial de Haiden, der Geistliche Rat und Siegler Ign. Lumpert und die jeweiligen Pfarrvorstände angehörten. 2 ; Die Stadt ihrerseits ernannte zum gleichen Zweck, wieder fast ein halbes Jahr später, aus dem Geheimen Jakob v. Holzapfel, dem Ratsherrn J. B. Peter v. Carl und den Ratskonsulenten Jos. Xav. Klauber und Joh. Conr. Schmid eine ,,prov. O b e r k i r c h e n p f l e g e " . Die bischöfliche Kommission hatte zwar den besten Willen, noch möglichst viel vom Kircheneigentum zu retten. Gleichwohl ließ sie noch ein paar Monate verstreichen, bis sie sich zu dem Beschluß aufraffte, daß „darauf zu dringen sei, daß alle nicht absolut den Klöstern inkorporierten Benefizien zur Erhaltung des katholischen Kultus vindiziert, alle geistlichen und milden Stiftungen innerhalb der Stadt erhalten und alles Kirchensilber durchaus als Eigentum der einzelnen Kirche reklamiert werden sollen." 3 ) Ihr Beschluß kam aber ein Jahr zu spät. Sie wußte nicht, daß Bayern in der Hauptsache auf alle diese Güter schon die Hand gelegt hatte, da sie von der Stadt ebenso in Unkenntnis gelassen worden war wie das Reichsstift. Nur einmal hören wir von einem gemeinschaftlichen Beschluß der beiden Kommissionen: zur Regelung der ganzen Kultusangelegenheit zuvörderst einen „Organisationsplan" zu entwerfen und den katholischen Kultus in statu quo zu erhalten. 4 ) Die städtische Kommission versprach denn auch, daß der katholische Teil des Magistrats dafür Sorge tragen werde, daß zur Fortsetzung des Kultus nichts mangle, eine Zusage, an die man sich später, als der erhoffte Gewinn aus den Säkularisationsgütern immer mehr zusammenschrumpfte, im Augsburger Rathaus nicht mehr erinnern wollte. Der Reichsprälat als Oberpfarrer bei St. Ulrich lud vergeblich die Oberkirchenpflege ein, eine Persönlichkeit zu bestimmen, die gemeinsam mit dem Stifte „die kirchlichen Bedürfnisse prüfen und beraten solle, wie man am spar') 2) 3) tani de 4)

Ord.-Arch. Augsburg. Ord.-Arch. Augsburg, Ord.-Arch. Augsburg, 24. XI. 1803. Ord.-Arch. Augsburg,

K 32, Gegenbemerkungen v. 7. XI. 1804. K 32 v. 20. VIII. 1803. K 32 Protocollum conferentiae Officialatus AugusK 32 v. 23. I. 1804.

7

— 98 — samsten vorgehe und dem städtischen Aerario keinen überflüssigen Aufwand veranlasse." 1 ) Gleichwohl zweifelte die Oberkirchenpflege, als das Stift ihr den eingeforderten Exigenzstatus in der Höhe von 7427 fl 2 ) überreichte, die Notwendigkeit dieser Summe an und reduzierte sie um mehr als ein Drittel. 3 ) Noch schlimmer erging es dem Stift, als es im März 1804 der Oberkirchenpflege den Ausweis seiner dreizehnmonatigen auf 4 1 0 4 f l 2 hl sich belaufenden Kultusauslagen überreichte. Die städtische Kommission zeigte keine Lust, hiefür aufzukommen. Es begann nun ein ständiges Hin und Hex von Promemorien, Bemerkungen und Gegenbemerkungen, die auf beiden Seiten einen immer leidenschaftlicheren Ton annahmen und ein anschauliches Bild ermöglichen, wie man damals ein säkularisiertes, wehrloses Kloster behandeln zu dürfen glaubte. So ohnmächtig sich die Stadt eben gegenüber ihrem östlichen Nachbarn fühlte, so sehr ließ sie das jetzt wehrlose Reichsstift ihre Macht fühlen. Zuerst wies man das Stift mit der Begründung ab, daß „diese Ausgaben ohne Wissen, Bestimmung und Bewilligung der katholischen Oberkirchenpflege — diese wurde erst im Januar 1804 aufgestellt! — gemacht worden seien, sodaß dieselbe auch keine Pflicht habe, von dieser Berechnung überhaupt Notiz zu nehmen; wenn auch der Gottesdienst dem Verlauten nach auf Befehl der kurpfalzbayerischen Kommission nach dem früheren Verhältnis fortgesetzt worden sei, so könne die Stadt höchstens noch proportionierlich herangezogen werden. Die Forderungen auf Entschädigungen für die Persolvierung der Jahrtags- und Stiftungsmessen seien aber ganz ungerechtfertigt; denn diese seien schon in der Pension enthalten. 4 ) Nachdem sie zuvor eine Revision der Auslagen vorgenommen hatte, bequemte sich die Oberkirchenpflege schließlich doch, 2 549 fl 59 kr 4 hl zu übernehmen mit der Bemerkung: „Allenfallsige Versuche zur weiteren Kompletierung möge das Stift anderwärts machen." 5 ) Das war aber von vornherein aussichtslos. Denn v. Epplen hatte das Stift schon mit seiner Forderung an die Reichsstadt verwiesen. Es war vorauszusehen, daß sich der Konvent infolge seiner Notlage mit seinen berechtigten Forderungen nicht so leicht abfertigen lasse. Seine Pensionen reichten ja kaum zum notdürftigsten persönlichen Unterhalt aus, geschweige denn, daß er damit noch den Kultus hätte bestreiten können. Vielmehr war er schon gezwungen gewesen, zur Deckung der Kultusbedürfnisse fremde Kapitalien aufzunehmen, deren Gläubiger immer ungestümer ihr Geld zurückforderten, in je größerer Not sie den Konvent sahen. ») Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 4. Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 1. 3) Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich B 4 ) Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 27. 5 ) Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 11. 2)

X. 1804. XII. 1803. 34 1 5 und B 44 \ IV. 1804. VII. 1804.

— 99 — Von der Oberkirchenpflege war aber nichts mehr zu erwarten. Nun wandte sich der Reichsprälat an das Bischöfliche Vikariat und beklagte sich, daß bisher aus allen Verhandlungen über das Kirchenwesen dem Gotteshaus gegenüber das größte Geheimnis gemacht worden sei, obwohl sich dies des öfteren zu den notwendigen Auskünften erboten hatte; die Oberkirchenpflege irre, wenn sie glaube, daß in der Pension die Entschädigung für die gehaltenen Jahrtage einbegriffen sei. Denn die Jahrtagskapitalien seien keine geistlichen Güter, die mit einem Stift aufgehoben und eingezogen werden könnten, sondern solche Kirchengüter, die nach Art. 63 und 65 des RDHS und nach den Vorschriften des Westfälischen Friedens geschützt und erhalten werden müßten. Könnten aber diese Stiftungen nicht eingezogen werden, so könne jedoch und werde auch wegen derselben nie eine Pension gegeben werden. Für den Fall, daß die Reichsstadt die Stiftungskapitalien Bayern gegenüber nicht vor der Einziehung gerettet hätte, wäre dies eben ein Versehen der Reichsstadt, das nach strengem Recht aus deren eigenen Mitteln gutgemacht werden müßte. Ferner sei zu bedenken, daß die Jahrtage eine Stiftung, die Pensionäre aber vergängliche Menschen seien, die vielleicht bald insgesamt verschwinden; in dem Maße, als ihre Zahl abnehme, würde dann auch ihre Last zunehmen und der letzte Pensionär müßte gar um 35 fl 30 kr städtischer Pension für 693 fl 30 kr Messen lesen und Gottesdienste verrichten. „Nur der weiß, wie sehr der Schuh drückt, der ihn trägt. Freilich ein unschuldig Unterdrückter kann leicht noch mehr gedrückt werden, wenn das bekannte Quod tibi non vis fieri außer acht gelassen wird." 1 ) Das Bischöfliche Vikariat suchte nun zwischen beiden Parteien zu vermitteln. Während es dem Stift gegenüber einige Ausdrücke seines Schreibens als zu hart bezeichnete, gab es dem Magistrat zu verstehen, daß es seine Befremdung nicht verhalten könne, daß dieser seit 1802 nichts zur Unterhaltung der St. Ulrichs-Pfarrei beigetragen habe und dem Gotteshaus die Bezahlung der Kultusausgaben aus seinem eigenen Vermögen auflade, ohne sich der Ordnung gemäß mit dem Ordinariat zu benehmen; noch auffallender aber sei, daß man von den Individuen Zins für die Wohnung verlange, obgleich diese doch alle direkt oder indirekt bei der Besorgung des Gottesdienstes cooperierten. Das Ordinariat hoffe daher, daß ein magistratus catholicus nicht anstehen werde, das Gotteshaus St. Ulrich für die Ausgaben der vergangenen Zeit zu befriedigen und fürderhin mit den bischöflichen Kommissären zu deliberieren, wie die pfarrlichen Verrichtungen mit Anstand und möglichster Sparsamkeit fortgesetzt werden könnten. 2 ) Nichts konnte dem Magistrat ungelegener kommen als diese Flucht des Reichsstiftes zum Ordinariat. Er vermerkte sie daher dem 1) Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 429. 53—74 v. 5. VIII. 1804. 2) Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 16. VIII. 1804.





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Konvent sehr übel, verteidigte in langen Ausführungen sein Verhalten und warf dem Reichsstift vor, daß es „bloß darauf Bedacht genommen habe, wie man die Stadt recht tüchtig belasten und ruinieren könne, wozu die ausgesuchtesten Titel zum übertriebenen Revenuenansatz gebraucht worden seien; 1 ) so gut habe es das Gotteshaus mit der Stadt gemeint Wie wolle man von der Stadt Stiftungskapitalien fordern, wo sie keine erhalten habe? Mit aller Sophisterei käme außer den im bayerischen Status vermerkten 9910fl Kirchenkapitalien kein Kreuzer mehr zum Vorschein. Es sei keine Kunst, Grundsätze aufzustellen, wie man sie nötig habe; aber eine Kunst sei es, solche Grundsätze geltend zu machen, wo man den Vogel nicht in Händen habe Im übrigen wolle man die Forderungen des Gotteshauses auch der bayerischen Kommission vorlegen und diese zur Erfüllung des beabsichtigten Zweckes zu vermögen trachten; wenn es aber doch nichts helfe, dann müsse die Stadt die weiteren Sprünge eben dem Gotteshaus selbst überlassen." 2 ) Diesen guten Rat gab die Oberkirchenpflege dem Konvent gerade zu jener Zeit, wo Bayern genaue Berechnungen über den Gewinn der Reichsstadt aus ihren Neuerwerbungen aufgestellt hatte und auf dem Standpunkt stand, daß die Reichsstadt selbst ohne Schwierigkeiten für alle aus der Erhaltung des Kultus entstehenden Auslagen aufkommen könne. 3 ) Das Stift war des ständigen Hadems mit dem Magistrat müde. Bei den schlechten Erfahrungen, die es mit der städtischen Oberkirchenpflege gemacht hatte, machte es nun der Oberkirchenpflege den Vorschlag, ihm selbst gegen ein jährliches Aversum die Sorge für das Gotteshaus zu überlassen, da es doch die beste Einsicht in die ganzen Angelegenheiten habe und die den Umständen angemessensten Maßnahmen treffen könne; auf diese Weise könne sich die Oberkirchenpflege aller Lasten, „soweit sie das Gotteshaus St. Ulrich beträfen, entledigen, und auch dem Stifte sei damit geholfen; denn dieses sehe deutlich voraus, daß es in gegenwärtiger Verwirrung ohne eigenen namhaften Schaden in die Länge nicht abgehen werde." 4 ) Die Oberkirchenpflege nahm auch dieses Schreiben sehr ungnädig auf. In ihrer Antwort beklagte sie sich, daß „ihre beständigen Absichten und die tätigsten Anstrengungen für die Kirche und den Gottesdienst just am wenigsten erkannt und am schlechtesten verdankt werden. Dieser Undank könne sich nur entspinnen durch schiefe ') Das Revenuenverzeichnis über die der Stadt zugefallenen Besitzungen und Rechte des Stiftes hatte nicht einer der Klostergeistlichen, denen alle Verwaltung abgenommen war, sondern der in kurfürstliche Pflichten genommene Kanzleiverwalter Ruckher verfaßt. 8) Staatsarch. Neuburg. St. Ulrich, 429. 75—82 v. 22. IX. 1804; vgl. Anhang Nr. 9. 8 ) Vgl. S. 84 f. und Anhang Nr. 8. *) Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 25. IX. 1804.

— 101 —

Voraussetzungen, welche in der Ungeduld des Gemütes und in der Verworrenheit der Einbildungskraft ihren Sitz haben '4) Der scharfe und vielfach verletzende Ton dieses Antwortschreibens der Oberkirchenpflege und das Fehlen jeglicher Unterschrift ließ den Konvent auf den Gedanken kommen, daß es nur ein Unterorgan, vielleicht ein Konzipist, ohne Wissen des hohen Rates gefertigt und abgeschickt habe. Er ließ daher der Oberkirchenpflege wissen, daß „der Herr Reichsprälat sich lieber mit einem hochlöblichen Geheimen Rat unmittelbar auf die gewöhnliche Weise in Korrespondenz setze, als sein Gotteshaus und sich in demselben von einer wohllöblichen nachgesetzten Stelle auf solche Art mißhandeln lassen wolle. Denn wenn das Gotteshaus gleich unverschuldeter Weise in Unglück geraten sei, so glaube doch Hochselber nicht, daß dies jemand ein Recht gebe, dasselbe dessentwegen so übel und beleidigend zu behandeln. Seit der Existenz der Oberkirchenpflege habe aber das Gotteshaus nur eine zweimalige offizielle Erklärung jenseitiger Gesinnungen erhalten, worauf gewiß niemand auf Wohldero Gewogenheit zu schließen imstande sei. Dem ungeachtet klage Wohldieselbe noch über Undank. Undank setze aber notwendig empfangene Wohltaten voraus. Sollte das Gotteshaus vielleicht als eine dankenswerte Wohltat ansehen, daß Wohldieselbe es aus der Ursache für keine Pflicht ansehe, von der dreizehnmonatigen Berechnung von 4104 fl auch nur Notiz zu nehmen, weil diese Ausgaben zu einer Zeit gemacht worden sind, wo sie noch gar nicht existierte? Und daß sie ohne alle gegründete Ursache die Forderung von 1554 fl und nur aus Gnade nicht noch mehr gestrichen habe? Und daß Wohldieselbe die unentgeltliche, mühsame Seelsorge am Gotteshaus mit Hohn und Spott vergelte? Der Magistrat habe sich dadurch, daß er das Stift mit seinen Forderungen zuerst immer wieder zur Geduld verwies bis zum Ausgleich mit Bayern und es dann sechzehn Monate in der Ungewißheit gelassen habe, an wen es sich überhaupt wenden müsse, auf Kosten unschuldig leidender Pensionisten einen Rabatt von 1554 fl verschafft. Hätte dagegen sich Wohlselber gewürdigt, mit dem Stifte in eine gütliche Unterhandlung sich einzulassen, dann würden gewiß alle Differenzen schnell geschwunden und leicht beigelegt worden sein. So aber habe man verlangt, daß die Pensionisten bei der bestehenden Teuerung von ihren nur den Hunger stillenden Pensionen zum Unterhalt des Gottesdienstes beitrügen, und dabei habe man sogar noch die Stolgebühren, die so gering sind, daß sie für die Seelsorger kaum zur Unterhaltung erklecklich sind, als don gratuit dem Stift angerechnet und sogar noch die unerwartete Forderung gestellt, darüber Rechenschaft abzulegen. Wie würden es wohl die Glieder einer Wohllöblichen Oberkirchenpflege aufnehmen, wenn der Hochlöbliche Magistrat von der Verwendung ihres wohlverdienten Salariums Rechnung fordern würde? Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 28. IX. 1804.



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Aus einem solchen Verfahren scheine wohl, man wolle unschuldige Pensionisten durch Machtsprüche ganz willkürlich behandeln und sie zum Schweigen und Leiden zwingen." 1 ) Und in einem Schreiben an das Ordinariat gibt der Reichsprälat seiner gerechten Entrüstung beredten Ausdruck, „wie schmerzlich es ihm und seinen Konventualen falle, daß ihr Gotteshaus, nachdem es soviele hundert Jahre die Pfarre gegen eine geringe Stolgebühr bei den größten Gefahren, bei wütender Pest und Hunger, mit Aufopferung sovieler Männer versehen und soviele Kosten aufgewendet hatte, sich am Ende anstatt mit Dankbarkeit nur mit unbilliger und unglimpflicher Behandlung und zwar von dem katholischen Teil des Magistrats belohnt sehen müsse." 2 ) Der Wunsch des Reichsprälaten, selbst die Sorge für sein Gotteshaus wieder übernehmen zu dürfen, ging natürlich nicht in Erfüllung. Zwar scheint auch die Oberkirchenpflege nach den letzten Vorkommnissen nicht mehr an die Möglichkeit einer gedeihlichen Zusammenarbeit mit dem Stift gedacht zu haben. Man fand, daß „es erforderlich sein wolle, bei St. Ulrich Kirchenpröpste aufzustellen und ihnen die Administration des Pfarr-Kirchengutes zu übertragen." 3 ) Drei Jahre lang hatten die Benediktiner die gestifteten Jahrtage gehalten, ohne hiefür entschädigt zu werden. Jetzt rächte es sich an der Stadt, daß sie dem Stifte gegenüber aus allen Verhandlungen mit Bayern das größte Geheimnis gemacht hatte. Das Stift nämlich, immer noch in der irrtümlichen Meinung, nicht Bayern, sondern die Stadt sei im Besitze der ulrikanischen Kirchen- und Stiftungskapitalien, drohte nun der städtischen Oberkirchenpflege für den Fall, daß die Stadt weiterhin die Zinsen aus den Stiftungskapitalien verweigere, mit einer Anzeige beim Ordinariat und der Bitte um Entbindung von der ferneren Verpflichtung die Jahrtage zu halten. Letzteres aber wollte die Oberkirchenpflege unter allen Umständen verhütet wissen, wollte sie nicht den Unmut der Bevölkerung auf sich laden. Sie wies daher ihre Kirchenpfleger an, strenge darüber zu wachen, daß die gestifteten Jahrtage bei St. Ulrich auch in Zukunft gehalten würden. Die Drohung half nichts. Nun machte der Konvent ernst. Das Ordinariat entschied, daß man den Mönchen nicht zumuten könne, fürderhin die Jahrtage zu halten, zumal diese Verpflichtung bei der immer geringer werdenden Anzahl der Geistlichen täglich lästiger werde. 4 ) Uber all den Auseinandersetzungen zwischen Kurfürst, Stadt und Stift war die Stadt an Bayern gekommen. Der alleruntertänigste treugehorsamste K. b. prov. Stadtmagistrat gab jetzt der Landesdirektion den wohlmeinenden Rat, sie solle, „um den so oft wiederholten Im>) Ord.-Arch. Ord.-Arch. 8) Ord.-Arch. 4 ) Ord.-Arch. 2)

Augsburg, Augsburg, Augsburg, Augsburg,

K K K K

32 32 32 32

v. v. v. v.

4. X. 1804. 7. XI. 1804. 11. VII. und 21. XI. 1804. 19. V. und 13. IX. 1806.

— 103 — plorationen, Beschwerden und Einlaufen am kürzesten abzuhelfen", dem Konvent ein Aversale von 2 0 0 0 fl auswerfen. 1 ) Das geschah denn auch. Mit einer großmütigen Geste bewilligte die Landesdirektion dem Konvent statt der schuldigen 6 3 4 fl Jahrtagsgelder 3 5 0 fl und befriedigte endlich am 24. Dezember 1 8 0 6 andere Forderungen des Stiftes für Kultusauslagen, Verpflegung der Dienerschaft usw., deren Höhe zusammen 4 6 5 3 fl 4 3 kr 4 hl betrug, mit 2 0 0 0 fl aus der Provinzialhauptkasse, während alle übrigen Forderungen mit der Begründung gestrichen wurden, daß sie, wie z. B. die Verpflegung der abliefernden Gültholden, „als gewöhnlicher klösterlicher Mißbrauch sich auszeichnen"; 2 ) „im übrigen versehe man sich, daß die Kloster St. ulrikanischen Individuen diese Berechnung anerkennen und sich mit dieser Aversalsumme mit alleruntertänigstem Danke begnügen werden". 3 ) Immerhin .mögen diese 2 0 0 0 fl den noch lebenden 21 Mönchen wie ein Weihnachtsgeschenk erschienen sein. Denn obgleich diese seit der Aufhebung ihres Stifts ein äußerst kümmerliches Dasein führen mußten, konnte „das herbe Schicksal und andere Unannehmlichkeiten, welche sie von übelgesinnten und übelunterrichteten Menschen zu erdulden hatten, ihren Eifer für die Ehre Gottes und für die Religion nicht schwächen noch ihre Standhaftigkeit erschüttern". 4 ) „Keiner hat Lust, sich von uns loszureißen", schrieb P. Placidus Braun an den Ratskonsulenten Schmid. 5 ) „Sie steuerten ihre kärglichen Pensionen zusammen, beobachteten nach wie vor die Regel und klösterliche Ordnung, „versahen in brüderlichem Verein noch über vier Jahre mit allgemeiner Zufriedenheit den täglichen Gottesdienst in ihrer Kirche und die mühsame Seelsorge unentgeltlich, die unbedeutenden Stolgebühren abgerechnet. Sie schmückten den Chor mit einem aus dem Inventar der geschlossenen Salvator (Jesuiten-) Kirche ersteigerten Altar aus vergoldetem Kupfer, den Kreuzaltar mit einem Tabernakel und Durchzug und die übrigen Altäre mit Pyramiden und Blumenstöcken und gaben der sehr entblößten Kirche ein besseres und gefälligeres Aussehen." 6 ) „Die Armen konnten ihre Kirche nicht arm sehen." 7 ) Selbst Leute, die dem Stifte sonst wenig gewogen waren, wie einige Augsburger Stadträte, mußten „ihren anspruchslosen Eifer für die Ehre Gottes und die Kirche anerkennen". 8 ) Aber ob es immer so bleiben werde, ob nicht doch irgendwelche finstere Mächte es zustandebringen würden, die Klosterfamilie auseinander zu reißen? Diese Sorge lastete seit jenem unseligen 12. De') 2) 8) 4) 6) 6) ') 8)

Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich 8. Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 429. 166. Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 24. XII. 1806. Braun Plac., Geschichte der Kirche und des Stiftes, S. 373. Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich B l 9 v. 9. VIII. 1805. Braun Plac., Geschichte der Kirche und des Stiftes, S. 373 f. Hartig M., Das Benediktiner-Reichsstift St. Ulrich und Afra, S. 50. Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich B 3415.

— 104 — zember 1802 schwer auf den Schultern des um die Seinen treubesorgten Abtes Gregor. Abt und Mönche suchten in mannigfacher Form das Stift zu retten. Dazu bedurfte es nicht erst der Anregungen von außen, wie der des gleichfalls säkularisierten Priors des Benediktinerstiftes Wiblingen und späteren Bischofs von Linz, Gregor Ziegler, der in mehreren Briefen an Braun bat „doch alle Kräfte anzuwenden, um das so hochberühmte und hochgeschätzte Gotteshaus St. Ulrich und Afra mit seinem Prachtdom dem traurigen Untergang, die schöne Stiftshütte unserer schwäbischen Patrone dem Schiffbruch zu entreißen, wenigstens soweit, daß dieses uralte Stift nicht ganz eingehe." 1 ) Mehr als einmal bemühte sich Abt Gregor in flehentlichen Bittschreiben an Papst, Kaiser, Kurfürst und Reichsstadt, die Erhaltung des Stiftes und der klösterlichen Kommunität zu erwirken, „da sie bis an ihr Lebensende in derselben zu leben wünschten." 2 ) Während der Plan, an den Kurfürsten Max Joseph mit der Bitte heranzutreten, wenigstens den zehnten Teil der eingezogenen, ca. 13 000 fl betragenden ulrikanischen Revenuen dem Konvent zu seiner weiteren Existenz wieder zu überlassen, 3 ) wenig Erfolg versprach, setzten Abt und Konvent ihre größte Hoffnung auf die Reichsstadt, der ja die Klostergebäude zugefallen waren und von der sie wegen der mit dem Stift verbundenen Pfarrei eine mildere Behandlung erwarten zu dürfen glaubten. Sie waren „des festen Glaubens, daß in der ganz isolierten Reichsstadt ohne Beibehaltung der vorzüglicheren Klöster die Seelsorge kaum oder gar nicht bestehen könne." 4 ) Es war ihnen auch nicht unbekannt geblieben, daß es die für den Kultus aufgestellte Bischöflich-Städtische Kommission „mit Rücksicht auf die städtischen Finanzen für das Geratenste hielt, einige Religiösen, besonders solche, die sich selbst in ihrem Esse (sie!) unterhalten könnten, in ihren Klöstern zu belassen und sie quoad curam animarum unter bischöfliche Subjektion zu stellen." 5 ) Die letzten Mönche des alten Reichsstiftes waren auch zu dem Opfer bereit, das Stift in ein unter augsburgischer Hoheit stehendes Mediatstift umwandeln zu lassen. In einem ausführlichen Schreiben 6 ) gab Abt Gregor dem reichsstädtischen Magistrat zu bedenken, daß die Aufhebung des Stiftes für die Reichsstadt „der größte Schaden und Nachteil sei, der auch nach der unparteiischsten Prüfung und Beratung nur dadurch abgewendet werden könne, daß vonseiten des ') Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Korresp. des P. Placidus Braun, Fasz. X v. 18. III. und 11. VII. 1804. 2 ) ebd., K 32. 8) ebd., Manuskr. S., Gesammelte Schriften aus dem Nachlaß des P. Placidus Braun, Fasz. A. 4 ) ebd., Manuskr. S., Korresp. Abt Gregors mit Generalvikar Nigg v. 5. III. 1804. 6 ) Ord.-Arch. Augsburg, K. 32, Protokoll der Bischöflich- Stadt Augsburgischen Kominission 6)

v.

2 3 . I. 1 8 0 4 .

Stadtarch- Augsburg, St. Ulrich 10 (*) v. 25. IV. 1805.

— 105 — Magistrats die perpetuierliche Existenz des Stiftes in der Weise garantiert würde," daß Abt und Konvent ihr innerhalb des Stadtgebietes gelegenes Eigentum als besonderen Pfarrfond zurückerhielten und, ohne weitere Zuschüsse von der Stadt fordern zu können, sie die daraus fließenden Revenuen zur Unterhaltung des Kultus bekämen. Für den Fall aber, daß die Stadt nicht in den Weiterbestand des Stiftes einwillige, sei sie beim Fehlen jeglichen Pfarrfonds genötigt, abgesehen von der Übernahme nicht unbedeutender finanzieller Lasten für Kultus und Pensionierung der Stiftskapitulare, die Pfarrei neu zu dotieren, eine Aufgabe „die bei dem Drange der Zeiten allerdings ein drückender Gegenstand sei, zumal da eine Stiftung für Weltpriester viel kostbarer ausfalle und bei dermaliger isolierten Lage der Reichsstadt noch eine andere Stiftung zur Vorbereitung der angehenden und zum Unterhalt der dienstuntauglichen Priester zur Voraussetzung habe." Der Reichsprälat wollte dem Senat den Entschluß zur Erhaltung des Stiftes erleichtern. In seinen weiteren Ausführungen erinnerte er an die vielfachen Verdienste des Reichsstiftes um die Stadt: „Schon 8 0 0 Jahre haben die Benediktiner an dieser Ruhestätte sovieler Heiligen und ersten Christen Augsburgs die Pfarrseelsorge zur allgemeinen Zufriedenheit ausgeübt, und gerade in den kritischen Tagen der schwedischen Okkupation sind sie nach dem Abzug der ganzen übrigen Geistlichkeit aus der Stadt ganz allein auf oftmaliges Andringen des damaligen Stadtpflegers Stenglin bei der katholischen Bürgerschaft verblieben, haben mit derselben Hunger, Pest und alle Qualen einer harten Belagerung standhaft ausgehalten und erduldet, vielen Tausenden Trost und Hilfe geleistet und nicht wenig zur Erhaltung der katho lischen Religion wie auch der allgemeinen Ruhe und des guten Einverständnisses beider Religionsparteien beigetragen. Seine Mönche haben, obwohl sie anderwärts gute Aussichten gehabt hätten, durch ihre Standhaftigkeit, ihren Eifer in der Seelsorge, ohne als Pensionisten im geringsten hiezu verpflichtet zu sein, und durch ihr priesterliches Betragen einer solchen Vergünstigung sich gewiß würdig und verdient gemacht. Sie sind auch gerne bereit, im Falle der Zusicherung ihrer ferneren klösterlichen Existenz nicht nur zur Seelsorge, sondern, wenn es dem Magistrat etwan tunlich und nützlich scheinen sollte, auch zu irgend einer allgemein nützlichen Lehranstalt sich gebrauchen zu lassen. Auch würde diese wohltätige Bewilligung sicher die günstige Folge haben, wozu mir und meinem Konvent sehr gute Aussichten die tröstlichste Hoffnung machen, daß nämlich alsdann auch S. K. K. Majestät die im Tirol und in der Markgrafschaft Burgau gelegenen und bisher sequestrierten, nicht unerheblichen Güter und Revenuen zurückzustellen, auch den eigentümlichen Besitz und unbeschränkten Genuß derselben uns wieder zu überlassen huldvollst geruhen werde, wodurch die Erhaltung des Kultus ziemlich erleichtert und der Reichsstadt nicht geringer Nutzen zufließen würde. Im übrigen sind wir und unsere Mönche gerne bereit, bei Bewilligung der weiteren Existenz



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unseres Stiftes jede billige Bedingung aus Liebe zum allgemeinen Besten uns gefallen zu lassen." Die zuletzt ausgesprochene Hoffnung des Abtes auf Wiedererlangung der sequestrierten ulrikanischen Besitzungen in Tirol und Burgau war nicht unbegründet. Auf das durch Vermittlung des Wiener Hofagenten J. Moosthal an den Kaiser eingereichte Gesuch des Stiftes „um huldvolle Gewährung der Freigabe dieser Güter, die dem Magistrat ein gnädigster Fingerzeig sein würde, daß S. Majestät dieses uralte Stift erhalten wissen wolle," 1 ) war nämlich von Moosthal die Antwort eingetroffen: „Sollte der Prälat bei der Stadt es erreichen, daß diese das Stift in seiner vorigen Existenz mit Zurückgabe der eingezogenen Güter erhalten wolle, so stehe ich dafür gut, daß ich auch bei unserem besten Monarchen, der ein Engel in Menschengestalt ist, die Zurückgabe aller Realitäten in Tirol und Burgau auswirken werde. Herr Stadtpfleger v. Imhof wird gewiß zur Sache wesentlich mitwirken, und hat man einmal das erste als eine conditio sine qua non erwirkt, dann dürfe nur die förmliche Erklärung der Stadt Augsburg in forma legali mit der weiter nötigen Vorstellung an S. Majestät mit Benennung der Realitäten, welche dermal von Österreich in Sequestration gezogen sind, eingeschickt werden." 2 ) Im Augsburger Rathaus aber war die Stimmung für eine Erhaltung des Stiftes St. Ulrich nicht sonderlich günstig. Zunächst ließ man das Gesuch des Reichsprälaten vier Monate lang liegen. Und bis dann die Gutachten der einzelnen Ratsherrn 3 ) eingelaufen waren, war es Ende September geworden. Der schon erwähnte Franz Eugen v. Seida, der einflußreichste unter ihnen, fürchtete, eine günstige Antwort des Magistrats würde „das eigene Staatsinteresse gefährden und die neuen Rechte vernachlässigen, welche die Weisheit und Gunst der vermittelnden Mächte gegründet haben." Die Perspektive aber, die der Abt auf Freigabe der sequestrierten Güter im österreichischen Gebiet eröffnet habe, sei, so wünschenswert er sie auch halte, nur ein frommer Wunsch der Klosterherren und nicht wahrscheinlich, zumal die großen militärischen Anstalten in Österreich und Italien mehr auf Kriege deuteten. Im übrigen sei dies seine Ansicht: „Wegen der Pfarrei allein kann keine Klosterkorporation beibehalten werden. Unser kleiner Freystaat verlöre nicht nur jährlich einen bedeutenden Teil seiner Einnahmen, sondern wenn es wirklich geschehe, würde dies auch in anderen Rücksichten von nicht zu berechnenden schädlichen Folgen sein. Der Magistrat kann, wie die Sachen jetzt stehen, den Ansuchungen des Herrn Abtes höchstens nur mit dem unverfänglichen Zeugnis entgegengehen, „daß die Benediktinerabtei zu St. Ulrich noch zurzeit nicht förmlich supprimirt sei und daß für ') Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Korresp. des Abtes Gregor mit Generalvikar Nigg. 2) Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Korresp. des P. Placidus Braun, Fasz. XI. 8) Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich 10 s und Ord.-Arch. Augsburg, K 59.

— 107 — den Fall, daß ihr von Sr. Majestät dem Kaiser die in Beschlag genommenen Güter als freies Eigentum auf ewige Zeiten wieder geschenkt werden würden und sie folglich über den Besitz eines zu ihrem Unterhalt hinreichenden Vermögens sich zu legitimieren imstande wäre, der Magistrat nicht abgeneigt ¿ei das Dasein dieser religiösen Körperschaft unter gewissen festzusetzenden Bedingnissen insofern zu schützen, als dieselbe sich neben dem pfarrlichen Kirchendienste den Wissenschaften und dem öffentlichen Unterrichte auf eine gemeinnützige Weise widmen würde." In seinen weiteren, für seine aufgeklärte Anschauung interessanten Ausführungen verbreitet sich v. Seida eingehend über den Nutzen, den eine von den Benediktinern geleitete Bürgerschule, „welche für das Gemeinwesen keine üble Akquisizion wäre", stiften könnte. 1 ) Andere Stadtväter, wie v. Rotberg, v. Ritter und Ratskonsulent Biermann glaubten, das Gesuch des Reichsprälaten mit Rücksicht auf die städtischen Finanzen, welche „eine Beschränkung der Geistlichen auf die allernotwendigsten Individuen" unumgänglich machten, von vornherein ablehnen zu müssen. Auch fürchteten sie, daß das Stift, sollte es erhalten bleiben, auch seine früheren, der Stadt zugefallenen Güter reklamieren würde, während der Stadt doch die vom Stift übernommene Schuldenlast bliebe. Desgleichen glaubten sie, daß die Reichsstadt „nicht zugeben könne, daß das Stift dadurch, daß seine auswärtigen Güter an Bayern gefallen seien, in Abhängigkeit des mächtigen bayerischen Nachbarn gerate und die Stadt so gerade ihrer schätzbarsten Acquisitionen verlustig ginge, die man zur Bestärkung und Befestigung der eigenen Immedietät verwenden müsse." 2 ) Gegensätzlicher Meinung waren die Ratskonsulenten Hoscher, Degmair und v. Frohn. Sie hielten es mit Rücksicht auf die Seelsorge der St. Ulrichs-Pfarrei nicht für ratsam, das Ansuchen des dortigen Konvents glattweg abzuweisen, sondern wollten die endgültige Entscheidung wegen der kritischen Zeit nur aufgeschoben wissen. 3 ) Inzwischen waren nämlich neuerdings schwere Gewitterwolken am politischen Himmel heraufgezogen. Schon hielt der dritte Koalitionskrieg die Gemüter in Spannung. Dem Reichsprälaten teilte man nun nach v. Seida's Vorschlag mit, daß „das Stift noch nicht völlig supprimirt sei" und man später noch einmal über sein Gesuch verhandeln wolle. Es kam aber nicht mehr soweit. Der Chronist des Stiftes berichtet nur noch, daß „es vielleicht gelungen sein würde, wenn nicht unglückliche Kriege und das böse Prinzip jeden Versuch vereitelt hätten." 4 ) Sogar an Papst Pius VII., der eben aus Anlaß der Kaiserkrönung Napoleons in Paris weilte, richtete der Stiftsarchivar P. Placidus Braun Siehe Anhang Nr. 10. ) Stadtarchiv Augsburg, St. Ulrich 1 0 ' und Ord.-Arch. Augsburg, K 59. 8 ) ebd., St. Ulrich 10". 4 ) Braun Placidus, Geschichte der Kirche und des Stiftes St. Ulrich und Afra, S. 370. 2



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im Verein mit dem gelehrten Benediktiner von Neresheim P. Carl Nack am 13. Jan. 1805 ein Bittgesuch um Erhaltung seines Stiftes. In eindringlichen Worten schildert dieses die traurige Lage der deutschen Kirche und insbesondere seines Stiftes. 1 ) Ein Wort Pius VII., des Benediktinerpapstes, glaubten sie, könne das Stift vor dem völligen Untergang retten. Wohl versprach Papst Pius VII., sein möglichstes zu tun für St. Ulrich und die übrigen schwäbischen Abteien. 2 ) Allein alle seine Versuche, die kirchlichen Verhältnisse in Deutschland neu zu ordnen, scheiterten an den französischen Intriguen. Er selbst wurde ja kurz darauf von Napoleon des Kirchenstaates beraubt und gefangen gesetzt. Wohl war über die Konventualen bis zum Herbste 1805 eine Zeit größter Entbehrungen, Opfer und bitterer Enttäuschungen dahin gegangen. Immerhin aber hatte man sie ungestört in ihrem Stifte wohnen lassen. Das größte Opfer brachte ihnen erst der dritte Koalitionskrieg. Napoleon, mit dem auf Montgelas' Betreiben der bayerische Kurfürst am 28. Sept. 1805 einen Allianzvertrag abgeschlossen hatte, hatte sich aus militärischen Gründen für die Entscheidung seines neuen Waffenganges mit Österreich Süddeutschland auserwählt. 3 ) Nachdem der österreichische General Mack mit seinem ganzen Heer von Napoleon in Ulm eingeschlossen und am 20. Okt. zur Kapitulation gezwungen worden war, marschierte das bayerisch-französische Heer gegen die Reichsstadt Augsburg und besetzte sie. Der Chronist berichtet darüber: „Einige hundert österreichischer Gefangener wurden „aus Versehen" in der rauhesten Herbstzeit eine Nacht hindurch in die St. Ulrichskirche eingesperrt. Französische Generäle wollten in dem seiner Möbel beraubten Kloster Quartier nehmen. Da sie bei diesem Zustand kein bequemes Unterkommen fanden, wurden sie darüber so aufgebracht, daß sie den Abt und die Religiösen mißhandelt hätten, wenn man sie nicht von der Säkularisation des Stiftes überzeugt hätte." 4 ) Durch schlechte Verpflegung und ungünstige Witterung brach eine Typhusepidemie aus, die unter den Truppen und Gefangenen rasch um sich griff und die Anlage großer Militärlazarette notwendig machte. Die zur Besorgung der Spitäler aufgestellte Kommission stellte daher beim Magistrat, als dem Eigentümer der Klostergebäude, den Antrag, das Ulrichskloster als S p i t a l einzurichten. Dieser war damit einverstanden, wies aber gleichwohl dem Konvent keine andere Wohnung an. Wieder war die Gefahr der Auflösung des Konvents groß. Abt Gregor bat nun inständigst die Oberkirchenpflege, sich gehörigen Orts zu verwenden, daß das nicht gar zu geräumige Konventgebäude als Ord.-Arch. Augsburg, K 58; siehe Anhang Nr. 11. ebd.; siehe Anhang Nr. 12. 8 ) Doeberl M., Entwickelungsgeschichte Bayerns II 343. *) Braun Placidus, Geschichte der Kirche und des Stiftes, S. 371. a)

— 109 — Pfarrhof und Wohnung für die Seelsorger sichergestellt und sein Konvent vor der traurigen Auflösung geschützt werde. „Denn welch traurige Folgen aus dieser Auflösung und Zerstreuung meiner Religiösen, die bis daiin zur allgemeinen Zufriedenheit den pfarrlichen Kultus unentgeltlich versehen, für diesen und die. Seelsorge entstehen werden, kann einer Wohllöblichen Oberkirchenpflege nicht entgehen. Die administratio sacramentorum und andere geistliche Hilfe wird dem Kranken und Sterbenden sehr erschwert und der bis dahin verrichtete Gottesdienst in einer der ersten Pfarrkirchen geschmälert oder gar zernichtet werden. Wer wird für die Heiligtümer, die Ornate, Paramente, wer wird für die Sakristei und die in derselben aufbewahrten Heiligtümer und endlich für die herrliche Kirche wachen? Wer wird für die Bibliothek und unsere Mobilien, welche wir für bares Geld gegen Abrechnung an unserer Pension übernommen haben, und endlich für das ganze Gebäude gut stehen?" 1 ) Die Oberkirchenpflege brachte wenig Verständnis für diese Sorgen des Reichsprälaten auf. Mit welchem Plan sie vielmehr damals schon umging, zeigt ihre Antwort. Zur Beruhigung der Konventualen erging sie sich zwar in Wendungen, wie „daß ihrerseits nichts vermangelt werde, die Auflösung des Konvents vorderhand möglichst zu verhindern." 2 ) Allein schon diese Antwort verriet, daß die Stadt nicht willens war, den Konvent noch lange in seiner ihm durch den R D H S zugesicherten Wohnstätte zu belassen. Ihr Plan war vielmehr, durch Errichtung des Spitals in den Stiftsgebäuden die Benediktiner allmählich daraus zu verdrängen. Trotz der schon übermäßigen Truppeneinquartierungen im Stift füllte sich jetzt das Kloster von Woche zu Woche mehr mit Kranken. Man begann die unmittelbar über den Wohnungen der Mönche gelegenen hohen Kornböden zu belegen. Am 7. Januar des folgenden Jahres berichtete der Konvent dem Fürstbischof Clemens Wenzeslaus: „Heunt wurden zwar auf etlichen und zwanzig Wägen gegen 150 Mann der Kranken wieder aufgeladen und bis zu den Drei Mohren auf dem Holzmarkt hinab-, aber nach zwei Stunden von da wieder zurück in das nämliche Spital St. Ulrich geführt. Vielleicht war von der Munizipalität noch kein Ort außer der Stadt hergestellt, wo diese Kranken hätten untergebracht werden können. Auch morgen soll noch ein stärkerer Transport angesteckter Russen in diesem Spital eintreffen und hiemit alle Winkel und Stellen desselben vollends angefüllt werden." 3 ) Nun verwandte sich der Fürstbischof beim Stadtkommandanten für das Stift mit dem Erfolg, daß General René „bei seinem Ehrenwort" feierlich versicherte, das Versprechen des Reichs-Maréchal de Lannes, ,,den Konvent in seinen ohnehin eingeschränkten Wohnräumen immer so zu beschützen, daß er nicht nur nicht daraus vertrieben, sondern •) Stadtarchiv Augsburg, St. Ulrich B 2 86 v. 30. X. 1805. 2 ) ebd. 8 ) Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 7. I. 1806.



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daß ihm auch nicht die geringste weitere Last aufgebürdet werden dürfe," erneuern zu wollen. 1 ) Auch die Landesdirektion in Ulm, an die Abt Gregor noch von seinem Sterbelager aus Vorstellungen gerichtet hatte, wies nun den Landeskommissär v. Andrian an, den Mönchen „in bezug auf die mit ihrer Pension in keinem Verhältnis stehenden Einquartierungen eine merkliche Erleichterung zu verschaffen." 2 ) Allein trotz aller Zusicherungen fuhr man fort, „unter der Hand, selbst an Sonn- und Feiertagen" an der Erweiterung des ulrikanischen Lazaretts zu bauen. Die Klage des Konvents richtete sich nicht so sehr gegen das Spital selbst als gegen den Platz, der hiezu ausgewählt worden war. Die Mönche hatten nämlich für die Vergrößerung des Spitals die Kornböden in dem bisher schon von Kranken belegten Klostertrakt, die auch für das Krankenpersonal bequemer und zudem weniger feuergefährlich waren, vorgeschlagen, „wenn änderst nicht für besser erachtet werden sollte, dieses ganze Spital von hier weg und aus der Stadt zu schaffen, welcher dasselbe durch die bereits sehr überhandnehmende Ansteckung stadtkundig höchst verderblich zu werden beginnt." 3 ) Die Gefahr der Ansteckung war für die Mönche umso größer, „als der Unrat aus der höchsten Höhe herab an den Wohnfenstern des Konvents vorbei, nur einige Schritte von der Küche und dem Speisezimmer entfernt, auf ebene Erde geworfen werden mußte, wo wegen der darunter befindlichen Keller nicht einmal eine Schwindgrube angelegt werden konnte," während bei den von den Mönchen vorgeschlagenen Räumen „der Unrat durch freie Luft auf bequeme Weise" hätte abgeleitet werden können. Der Konvent mußte unwillkürlich in dem ganzen Vorgehen der Spitalkommission „eine bloße und vorsätzlich boshafte Chicane sehen, die nur den Zweck habe, den Konvent aus dem Kloster zu vertreiben. Bleibe es aber bei dieser Anlegung des neuen Spitals," schrieb der Konvent an Clemens Wenzeslaus, „dann allerdings würde sich das Konvent leider gegen seinen Willen zu seinem größten Schaden und Leidwesen und zum nicht geringen Nachteil sowohl des Pfarrgottesdienstes als der klösterlichen Verfassung, die dasselbe bisher standhaft erhalten hat, gezwungen sehen, sein liebes Gotteshaus mit dem gefühlvollsten Schmerz zu verlassen und sein Heil auf der Flucht zu suchen, um wenigstens auf solche Art das Leben zu retten und der unvermeidlichen Ansteckungsgefahr auszuweichen." 4 ) Wirklich stürzten innerhalb eines Monats vier von den jüngsten Religiösen ins Grab5) und zwei andere lagen bereits schwerkrank darnieder. 6 ). Trotz aller Gefahr standen die Benediktiner den Kranken x) 2)

")

4)

5) 6)

Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 7. I. 1806. ebd., K 32 v. 13. I. 1806. Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 7. I. 1806. ebd. Braun Placidus, Geschichte der Kirche und des Stiftes, S. 371. Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich B2 M v. 8. I. 1806.

— 111 — und Sterbenden ihres Spitals unermüdlich bei. Die Tragik des drohenden Untergangs des Stiftes St. Ulrich erreichte ihren Höhepunkt, als auch Abt Gregor in seiner Prälatur, die unmittelbar an das Spital grenzte, die epidemische Luft einatmete, vom Typhus erfaßt wurde und am frühen Morgen des 14. Januar 1806, umgeben von seinen trauernden Mönchen, seinen Geist aufgab. Die Vorsehung wollte ihm den größten Schmerz, die baldige Auflösung seines Konvents zu sehen, ersparen. Still und prunklos, wie Abt Gregor gelebt, haben die Mönche den 56. und letzten Abt des Reichsstiftes in der Stiftskirche beigesetzt. Nun griffen die beiden Ärzte Hofrat Dr. Carl Paul und der Physikus Dr. Jos. Benedikt Burkard ein. Sie richteten an den Fürstbischof ein Schreiben des Inhalts, „daß die laue und nasse Witterung die Ansteckung noch mehr begünstige, und die Klosterherren unmöglich mehr in den Stiftsgebäuden bleiben dürften. Denn da diese die Pfarrei versehen, sei mit allem Grund zu befürchten, daß das bösartige Fieber, welches ohnehin mit jedem Tage weiter um sich greife, in Bälde pestartig werde und sich allgemein verbreite." 1 ) Clemens Wenzeslaus ließ nun den Benediktinern seinen dringenden Wunsch mitteilen ihr Kloster zu verlassen. Auch der Magistrat wurde hievon verständigt und ersucht, für die Religiösen eine andere Wohnung bereitzustellen. 2 ) Da war aber guter Rat teuer. Die ehemals dem St. Ulrichsstift gehörigen Häuser in der Stadt waren längst verkauft oder vermietet. Auch die Propstei Unterliezheim war vom Staatsärar inzwischen an den dortigen Bräumeister Emminger um 3 466 fl 22 kr 2 hl veräußert worden. 3 ) Andererseits wollte'aber die Oberkirchenpflege, die jetzt für die Fortführung der Pfarrseelsorge zu bangen anfing, verhüten, daß ihr so gute und billige Arbeitskräfte, wie es die Benediktiner von St. Ulrich waren, künftig für die Seelsorge entgingen. Das von der Stadt als solches nicht anerkannte eigentliche Pfarrhaus aber, in dem zur Zeit der Aufhebung des Stifts mietweise der Kanzler und andere Stiftsbeamte gewohnt hatten, war widerrechtlich schon verkauft/) Die ») Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich B2" v. 30. I. 1806. ebd. v. 31. I. 1806. s) Bayer. Fin.-Min., Unterliezheim U 28 und Kreisarchiv München MF 57/602. 4 ) Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich 10 W: Trotz seinerzeitiger Reklamation dieses Pfarrhauses als eines Eigentums der Pfarrei und daher nicht zur Säkularisationsmasse gehörigen Objekts war es von der augsburgischen Administrationsdeputation an den Rittmeister Joh. Fr. Diez um 8 075 fl versteigert worden. Frh. v. Seida hatte damals in seinem Gutachten kurzerhand die Reklamation des Abtes als Oberpfarrers an der Stiftskirche als eine Handlung bezeichnet, bei der lediglich „die Finesse des Stiftssyndikus Nauß im Spiele ist" und erklärt, daß auch „dem herangezogenen mageren Salbuchauszug gar keine öffentliche Autorität anklebe, da jeder Mönch in die Salbücher hineinschreibe und diese daher vermöge juristischer Gründe nie einen vollgültigen Beweis machen können. Ich muß hier occasionaliter darauf aufmerksam machen, daß P. Placidus Braun (der einen historisch-diplomatischen Bericht zu dieser Frage verfertigt hatte) als Archivar (des ulrikanischen Archivs) diesseitiger Jurisdiktion unterworfen 2)



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Oberkirchenpflege machte daher dem Geheimen Rat den Vorschlag, daß den Seelsorgsgeisfliehen das bereits vermietete ulrikanische „Pesthaus" B 43 als Wohnung angewiesen würde. Es gelang dem Magistrat denn auch, den Inhaber Strauß nach anfänglichem Widerstreben zu veranlassen, wenigstens für den Prior und den Unterpfarrer zwei Zimmer zu räumen, 1 ) während drei Seelsorgsgeistliche ihre bisherige Wohnung im Kloster beibehalten sollten, der Subprior P. Dionys, der Pfarrer P. Benedikt und der schwerkranke P. Thosso. Um das Unterkommen der übrigen Konventualen kümmerte man sich nicht. Die einzige Sorge des Magistrats um sie bestand darin, daß er zur Verhütung weiterer Verbreitung der Epidemie ihre Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände reinigen und ausräuchern ließ. 2 ) Im übrigen überließ man es den Mönchen selbst, bei guten Leuten ihr Unterkommen zu suchen. Wohin sollten sie sich wenden? Am 3. Februar 1806 verließen die Mönche das Klostergebäude. P. Placidus Braun schrieb damals dem Ratskonsulenten Schmid: „Wie schwer es mir fällt, mein liebes Kloster zu verlassen, kann ich nicht sagen; doch der Wille des Herrn geschehe." 3 ) Wohl fanden die Heimatund Obdachlosen überall, wo sie anklopften, bereitwillige Aufnahme. Selbst Protestanten boten ihnen hilfreich ihre Wohnungen an. Ein edler Bürger aus der St. Ulrichspfarrei, Kaufmann J. B. Fumasi, nahm in sein Haus B 30 sofort vier „der erbarmungswürdigen Religiösen" 4 ) auf und erklärte sich zur Aufnahme weiterer vier bereit, sobald er von der französischen Einquartierung, einem Hauptmann und seiner Frau, befreit sein werde. 5 ) Einige andere fanden bei ihren Eltern oder Verwandten eine Zufluchtsstätte. Die Armen ahnten nicht, daß sie für immer von ihrem Kloster Abschied genommen hatten. Der Tod hat ihnen den Obern genommen, dem sie Gehorsam versprochen hatten, ein roher Staatsstreich hat sie von der Heimat vertrieben, dem Gotteshaus, in dem sie Stabilität gelobt hatten, und sie den Gefahren ausgeliefert, die in der Welt ihrem Keuschheitsgelübde drohten, und eine aufgeklärte Regierung hat ihnen, unbekümmert um die kirchenrechtlichen Folgen, durch Aufhebung der Kommunität und Reichung von Pensionsgeldern die Beobachtung des votum paupertatis unmöglich gemacht. Um alle Gewissenskonflikte und der Stadt mit Pflicht zugetan ist, in casu aus dem der Stadt zugehörigen Archiv gegen diese Gebrauch macht. Daraus läßt sich abnehmen, wie gefährlich es sei, den Mönchen dergleichen Aufsichten und Archive anzuvertrauen . . . . und wie sehr man sich also beeilen sollte, die sämtlichen uns zugefallenen geistlichen partikularen Archive in das Stadthauptarchiv zu nehmen." Vergeblich waren damals manche andere im Augsburger Rathaus, voran der mehrerwähnte Ratskonsulent Schmid, gegen v. Seida aufgetreten (s. Anhang Nr. 13). !) ebd., St. Ulrich 10, 2 und B2' 9 . 2) Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich 10, 2. 8 ] Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich B 2 28. 4 ) Braun Placidus, Geschichte der Kirche und des Stifts, S. 373. 5 ) Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich 10, 2.

— 113 — zu vermeiden, bat nun am 11. Sept. 1806 P. Placidus Braun im Namen des Konvents den päpstlichen Nuntius in Regensburg Hannibal della Genga, den späteren Papst Leo XII., um Dispense vom Armutsgelübde: „Denn jeder muß sich jetzt selbst den Lebensunterhalt zu verschaffen suchen und am Ende seines Lebens weiß er nicht, was er mit seinem Erschafften und mit seinen Meublen tun soll. Dem rechtmäßigen Eigentümer, der Kommunität, kann er nichts übergeben, da diese nicht mehr existiert, und eine andere Disposition getraut sich ein Gewissenhafter nicht zu machen, da die von der weltlichen Macht erteilte facultas testandi vonseiten der Kirche noch nicht ratifiziert ist. Damit die Mönche aber in Ansehung des voti paupertatis ruhig leben und ohne Beängstigung in die Ewigkeit übergehen können, so ersuchen sie, ihnen die facultatem cum rebus suis tum in vita tum in morte disponendi zu erteilen." 1 ) Das Verhängnis der Reichsstadt, ihr Übergang an die Krone Bayerns, war auch das Verhängnis des Reichsstifts. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf die Mönche ein Schreiben des Hauptmanns und Oberbauinspektors Bürgel, der den Prior im Auftrag des K. bayer. Generalkommissariats ersuchte eine genaue Beschreibung der inneren Einteilung des Stifts mit seinen Nebengebäuden und Gärten einzureichen. 2 ) Jetzt war kein Zweifel mehr: ihr Klostergebäude sollte zur Militärkaserne werden. Was war einfacher und billiger? Ein solches Schicksal ihres Ulrichsstifts rief auch die Pfarrgemeinde St. Ulrich auf den Plan, so ruhig sie sich auch notgedrungen bis dahin bei allen Maßnahmen gegen das Kloster verhalten hatte. Unter dem 27. Juni 1806 bat sie die Bayerische Organisationskommission, „ein ewiges Denkmal königlicher Gnade setzen zu wollen" durch Abwendung einer Kaserne von den Klostergebäuden, die hiezu völlig ungeeignet wären. Es gäbe viele andere öffentliche Gebäude in der Stadt, die einer solchen Verwendung weit dienlicher wären. Höchstens könnten die Stiftsgebäude noch für eine öffentliche Lehranstalt oder zu anderen Staatsbedürfnissen, wie der kgl. Dikasterien, Verwendung Enden.3) Allein all die von der Pfarrgemeinde vorgebrachten Einwände 4 ) konnten die Bayerische Organisationskommission ebensowenig von ihrem Plan abbringen wie der Protest des städtischen Magistrats gegen eine solche Verwendung der ulrikanischen Stiftsgebäude und ihres Meierhofs. Denn ihm entgingen dadurch jährliche Einnahmen in der Höhe von 5 715 fl 53 kr, derentwegen er große Pensions- und Schuldenlasten auf sich hatte nehmen müssen. 5 ) 1 ) Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Persönliches und Amtliches von P. Placidus Braun. 2) ebd., K 32 v. 1. IV. 1806. 8 ) ebd., K 32 v. 27. VI. 1806. 4 ) Siehe Anhang Nr. 14. 5) Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich 4, Protokoll der Magistratssitzung vom 12. VII. 1806.

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— 114 — So ging am 5. Juli den Mönchen seitens der bayerischen Kommission der Befehl zu, schleunigst alle ihre Möbel und Gerätschaften aus den Klostergebäuden wegzuschaffen, „da ein Teil der augsburgischen Garnison allsogleich dortselbst untergebracht werden müsse." 1 ) Und am Abend des 31. Oktober hieß das Kriegskommissariat auch die drei noch im Klostertrakt wohnenden Benediktiner innerhalb der nächsten zwei Tage das Kloster räumen und anderswo eine Wohnung suchen. 2 ) Sofort wurde auch mit dem Einreißen der Zimmer und Zwischenmauern, der Aufhebung des Pflasters und der Böden begonnen, und bald — der König hatte Eile, Truppen in seine Neuerwerbung zu legen — bezog das 2. (spätere 4.) Chevaulegers-Regiment die Stiftsgebäude und die bisher stillen Klostergänge hallten von lautem Soldatenlärm. 3 ) Wegen des Unterkommens der drei nun auch aus ihrem Kloster verstoßenen Mönche machte sich das Kriegskommissariat keine Skrupel. Es überließ lediglich der Organisationskommission, zu erwägen, ob und inwieweit man den Klosterindividuen Quartier schuldig sei. Da es sich um in der Seelsorge verwendete Geistliche handelte, erteilte diese hinwiederum der städtischen Oberkirchenpflege den Auftrag, „eine anständige Wohnung für die Seelsorger im Pesthaus eiligst herzustellen". In aller Gemächlichkeit nahmen nun die ehemaligen Ratskonsulenten Schmid und Rotberg das Pesthaus in Augenschein. Nochmals vergingen Wochen, bis endlich der Oberkirchenpflege von den vorgelegten Plänen jener genehm war, der den geringsten Kostenvoranschlag aufwies. 4 ) Und schließlich wurde, obwohl der Winter vor der Türe stand und das Haus noch ohne Dach war, der begonnene Ausbau des Pfarrhauses zu allem Uberfluß wieder eingestellt, 5 ) weil die Administrationsdeputation die nötigen Lohngelder für die Handwerker verweigerte.®) Erst dem Eingreifen Fumasis, der sich erbot, das Haus auf seine eigenen Kosten fertigstellen zu lassen, war es zu verdanken, daß bis Ende 1807 der Pfarrhof bezogen werden konnte. 7 ) Inzwischen hatte der Pfarrer „über einem s. v. Schweinestall" wohnen müssen, 8 ) sodaß sogar der Baukommissär v. Hößlin sich verpflichtet fühlte, sich für eine Besserung der Wohnungsverhältnisse des Pfarrers einzusetzen, der „in einem so elenden Zimmer wohnt, daß man ihn unmöglich darin lassen kann. Der Raum ist dermalen klein, daß der Pfarrer nicht einmal imstande ist ein Taufbuch auf») Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich 4 v. 4. VII. 1806. Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 14. XI. 1806. 8) Bis 1919 blieb es Reiterkaserne; seitdem ist dort eine Abteilung der Landespolizei stationiert. 4) Ord.-Arch. Augsburg. K 32. 5 ) Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich B 3 28. 6 ) ebd. St. Ulrich B 34 ,5. ') Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich 4 v. 7. XI. 1806. 8) Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 14. XI. 1806. 2)

— 115 — zuschlagen. Wirklich haben Verbrecher auf den Stadttürmen bessere Wohnungen als der rechtschaffene diensteifrige Pfarrer." 1 ) Dringend not tat nun endlich eine N e u o r d n u n g d e r P f a r r v e r h ä l t n i s s e . Alle bisherigen Verhandlungen hatten zur Genüge erwiesen, welch gewaltige Erschütterung der katholische Kultus in Augsburg durch den RDHS erlitten hatte. Dies fühlte auch die Landesdirektion in Ulm. Frh. v. Lerchenfeld schrieb am 16. Febr. 1807 dem k. Stadtkommissär in Augsburg, Frh. v. Pflummern: „Da die Klöster nicht ferner fortbestehen konnten, so sieht man sich genötigt, durch Säkularpfarreien für das religiöse Bedürfnis der katholischen Einwohner zu sorgen." Frh. v. Pflummern und der nunmehrige Kgl. Landrat v. Seida erhielten nun den Auftrag, in Verbindung mit einem vom Bischöflichen Ordinariat zu ernennenden Kommissär neue Geldquellen zur Dotation der katholischen Pfarreien ausfindig zu machen, sie rücksichtslos auszunützen und Vorschläge zu einer 'möglichst sparsamen Durchführung der Gottesdienste" zu unterbreiten, wobei sie zur Beruhigung des Publikums den Mittelweg zwischen Gepränge und äußerster Armut einschlagen solle. 2 ) Allein große Schwierigkeiten standen dem entgegen: der Mangel an Kirchenfonds, v. Epplen hatte sie in der Hauptsache samt allen auswärtigen Besitzungen der Klöster, aus deren reichen Einkünften diese bis zur Aufhebung den Kultus bestritten hatten, für Bayern eingezogen. Und als sich nun „um alle Schwierigkeiten, welche die Organisation der Klosterpfarreien in der Provinz Schwaben aufhalten könnten, auf einmal zu entfernen" Kurfürst Max Joseph am Vorabend von Weihnachten 1804 dazu entschloß, alle für den Pfarrkultus notwendigen Auslagen auf das kurfürstliche Ärar zu übernehmen, 3 ) stand Augsburg noch unter reichsstädtischer Verfassung. Zwar hatte auch Ratskonsulent Schmid in der außerordentlichen Ratssitzung vom 28. Sept. 1804 dem Magistrat den Vorschlag gemacht sämtliche Klosterrevenuen dem Kultus zu überlassen, „was das einzig rätliche und anwendbare Mittel sei, in Kirchensachen zu einem soliden Grund zu gelangen, der dann dafür auch die Passiven und Pensionen zu übernehmen schuldig sei." Begreiflicherweise hatte Schmid aber damals für diesen Plan wenig Gegenliebe gefunden und nur erreicht, daß man diese Frage verschob, „weil sie von solcher Wichtigkeit sei, daß darüber nicht auf der Stelle votiert werden könne", 4 ) Tatsächlich belief sich das gesamte katholische Pfarrvermögen der Stadt nur noch auf 11845fl (bei St. Ulrich 2900A), deren Zinsen nicht einmal hinreichten, um nur der Kultusausgaben zu bestreiten. Die Kommission ') Kreisregierung von Schwaben und Neuburg, Kammer des Innern, Akt 69 (Vol. II) der Oberdonaukreisregierung v. 24. IX. 1807. s ) Kreisregierung von Schwaben und Neuburg, Kammer des Innern, Akt 69 (Vol. II) der Oberdonaukreisregierung v. 16. II. 1807. 8 ) ebd. 4) Stadtarchiv Augsburg, St. Ulrich B 34 l5.

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teilte daher in ihrem Geschäftsbericht mit, sie habe sich „bei ihren Festsetzungen gezwungen gesehen, sich nur an den Weg einer die wesentlichsten Bedürfnisse deckenden Einfachheit zu halten und darauf bedacht zu sein, jene üppigen Wassersprößlinge der alten Einrichtungen, welche bisher die besten Kräfte unnützerweise verschlangen, rein wegzuschneiden." 1 ) v. Seida und v. Pflummern leisteten in Abschaffung von Andachten und Sperrung von Kirchen so gründliche Arbeit, daß nunmehr statt der seinerzeit von der Bischöflich-städtischen Kommission für nötig erachteten Gesamtpfarrexigenzsumme (bei Fortbestand der Klöster, Benefizien usw. 36000Ü, bei deren Auflösung aber 80000 fl) 21000 fl genügen sollten,2) umsomehr als man sich, um möglichst viele Pensionsgelder zu ersparen, entschloß, die Hilfspriesterstellen an den organisierten Stifts- und Klosterpfarreien soweit als möglich mit geistlichen Staatspensionisten zu besetzen.3) Doch erklärte die Regierung jenen pensionierten Klostergeistlichen, welche sich hiezu verwenden lassen würden, 100 fl Pensionszulage gewähren zu wollen, „um ihnen einen Beweis zu setzen, wie sehr sie geneigt sei, ihr jährliches Einkommen zu bessern". 4 ) Greifbare Gestalt nahm aber die Pfarrorganisation in Augsburg erst mit dem 19. Febr. 1809 an. An diesem Tage erschien ein königliches Dekret, das bis ins einzelnste gehende Anordnungen über Art, Zahl und Zeit des Gottesdienstes — es war der Beginn des kirchlichen Josephinismus in Bayern — enthielt, „um den Kultus zur Erbauung zu vereinfachen und der Würde der reinen Christuslehre angemessener einzurichten". 5 ) Der neu organisierten St. Ulrichspfarrei wurden 719 Häuser mit 3327 Seelen zugewiesen. Ein Pfarrer mit 900 und 3 Hilfspriester mit 400 fl Gehalt und freier Wohnung im Pesthaus B 43 sollten sich in die Seelsorge teilen. Es wäre nun nahe gelegen, als P f a r r g e i s t l i c h e bei St. Ulrich wieder die Benediktiner aufzustellen, zumal da sich mehrere von ihnen inzwischen mit bestem Erfolg dem Pfarrkonkurs unterzogen hatten. Allein in den Augen aufgeklärter Männer, vornehmlich v. Seidas, und v. Pflummerns, galten diese als „determinierte Feinde der Aufklärung und fanatische Schwärmer, über die die geheime Polizei noch Gelegenheit habe, Aufschlüsse zu sammeln, welche es rätlich machten, daß ihnen jeder Einfluß auf das katholische Publikum genommen und sie am besten nach dem Beispiel der Exjesuiten möglichst bald ') Kreisregierung von Schwaben und Neuburg, Kammer des Innern, Akt 69 (Vol. II) der Oberdonau-Kreisreg. v. 24. IX. 1807. ») Kreisarchiv München MA 328/17. 8 ) Kreisregierung von Schwaben und Neuburg, Kammer des Innern, Akt 69 (Vol. II) der Oberdonau-Kreisreg. v. 24. II. 1807. 4 ) Bayer. Fin.-Min., Gen. 159 conv. II v. 23. XII. 1808. 6 ) Kreisregierung von Schwaben und Neuburg, Kammer des Innern, Akt 69 (Vol. II.) der Oberdonau-Kreisreg. v. 19. II. 1809.

— 117 — von Augsburg versetzt würden." 1 ) Diesen Leuten war es schon ärgerlich genug gewesen, daß die Benediktiner „bei der Schwäche der reichsstädtischen Regierung 1 8 0 5 noch die Erlaubnis zur feierlichen Erhebung der hl. Afra erlangt und sich durch diesen unzweideutigen Beweis des verkehrten Geistes dieses Klosters, ausgezeichnet hatten, ohngeachtet man wohl wußte, wie ungern dieses Spielwerk in dem benachbarten aufgeklärten Bayern gesehen wurde und zwar in einem Augenblick, wo die Stadt schon entschiedene Hoffnung hatte an die Krone Bayerns zu fallen." 2 ) Sie kamen also nicht in Betracht. „Zum Leidwesen der Eingepfarrten setzte man daher durch Chikanen an Stelle des sehr beliebten Pfarrers P. B e n e d i k t A b b t , 3 ) der an die Pfarrei St. Georg versetzt wurde, innerhalb dreier Jahre zwei fremde Geistliche (Vizellin Schlögl und Ludw. Albrecht). Erst 1 8 1 4 durfte P. Benedikt wieder die Seelsorge bei St. Ulrich übernehmen. Mehrere seiner Mitbrüder, insbesondere P. Placidus Braun, unterstützten ihn hiebei in selbstlosester Aufopferung. Bei der Organisation des Bistums Augsburg 1 8 2 1 ernannte ihn König Max I. zum Domkapitular. Allein schon nach drei Jahren resignierte P. Benedikt auf seine Domherrnstelle und kehrte auf seine Pfarrei zurück, von der ihn erst wieder der Tod (1847) trennen konnte. Für den Großteil der Mönche St. Ulrichs aber war nach der Organisation der Pfarreien kein Platz mehr bei St. Ulrich. „Sie waren fast aus allen Wirkungskreisen ausgestoßen." 4 ) Untätig ihre Pension zu verzehren, verbot ihnen nicht bloß benediktinische Regel und Tradition, sondern auch die Regierung, die in der Folge den Grundsatz aufstellte: „Der geistliche Staatspensionist hat sich bei Strafe der Suspension seiner Pension zu demjenigen mit seinem Stande vereinbarlichen Geschäfte gebrauchen zu lassen, zu welchem er für tauglich befunden wird, besonders aber zur Seelsorge nach Maßgabe seiner Fähigkeit und Moralität." 5 ) Dagegen dehnte die Regierung billigerweise den ursprünglich nur für die Exkonventualen der ständischen Abteien in Altbayern gewährten Anspruch auf Erhöhung der Pension bei Erreichung des 60. Lebensjahres auch auf die der schwäbischen Reichsstifte aus. 6 ) Noch nicht zufrieden mit der Aufhebung sämtlicher Klöster wollte man auch die Erinnerung an sie völlig auslöschen. Die aufgeklärten Regierungsstellen erneuerten daher aufs schärfste wiederum Kreisregierung von Schwaben und Neuburg, Kammer des Innern, Akt 69 (Vol. II) der Oberdonau-Kreisreg. v. 24. IX. 1807. 2 ) ebd. 8 ) Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Geschichte des Reichsstifts St. Ulrich V 40. 4 ) Braun Placidus, Geschichte der Kirche und des Stifts, S. 374. 5 ) Bayer. Fin.-Min., Gen. 161: Instruktion für die Stadtkommissäre v. 22. VII. 1821. 6 ) ebd. 228, Das Kloster St. Ulrich und Afra, Pensionierung des geistlichen und weltlichen Personals.



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bei Strafe der Entziehung der Pensionen das schon 1803 erlassene Verbot des Tragens der Ordenskleider. 1 ) In Augsburg freilich scheint man es mit Rücksicht auf die Stimmung der Bevölkerung mit der Durchführung dieser Verordnung lange nicht sonderlich genau genommen zu haben. Wenigstens hören wir erst Ende 1810 von einem an das Bischöfliche Ordinariat gerichteten Bittgesuch der Benediktiner von St. Ulrich, „aus der schon hinlänglich bekannten Ursache das Ordenskleid ablegen und sich weltpriesterlich tragen zu dürfen." 2 ) Soweit Alter und Kräfte es erlaubten, bewarben sich die Exkonventualen nach der Organisation der Augsburger Pfarreien um Seelsorgs- und Professorenstellen im Inland, da die Annahme eines Amtes im Ausland sich wegen des damit verbundenen Entzugs der Pension von selbst verbot.3) Wiewohl kaum noch irgendwelche Aussicht bestand, hofften sie immer noch auf eine W i e d e r e r r i c h t u n g ihres Stiftes. Als vollends der Wiener Kongreß angekündigt wurde, glaubten sie sich schon fast am Ziel ihrer Wünsche. P. Placidus Braun richtete an den Vorsitzenden des Kongresses, Fürst Metternich, ein Bittgesuch für St. Ulrich. 4 ) Er suchte Kardinal Consalvi für die Restitution St. Ulrichs zu gewinnen; er bat den Apostolischen Nuntius in München, auf dem Kongreß für St. Ulrich tätig zu sein. 5 ) Umsonst. Der Kongreß verlief ohne Resultat für die allgemein erstrebte kirchliche Neuorganisation Deutschlands, und die von Consalvi geforderte Wiederherstellung des status quo scheiterte von vornherein an dem Widerstand der entschädigten Fürsten, insbesondere des bayerischen Königs. Neue Hoffnungen weckte in den Herzen einiger Benediktiner und der Pfarrgemeinde St. Ulrichs der Regierungsantritt König L u d w i g s I. Wohl lebten noch zwölf Konventualen, als sich der junge König 1826 in Erfüllung des von seinem Vater mit dem Hl. Stuhl abgeschlossenen Konkordats anschickte, „zur Beförderung seelsorglicher und wissenschaftlicher Zwecke" 6 ) wieder einige Klöster des Benediktinerordens zu errichten. Aber die meisten aus ihnen traf das zum Wiedereintritt einladende Schreiben des Ordinariats 7 ) in einem Alter und gesundheitlichen Zustande an, in dem sie sich den Lasten und ') Kreisarchiv München, R. A. 517/38 v. 28. VII. 1809. 2 ) Ord.-Arch. Augsburg, K 58 v. 15. XII. 1810. 8) Erst 1817 (vgl. Regierungsblatt von 1817 Nr. 28 S. 6551 erhielten die säkularisierten Mönche ehem. Dom- und freier Reichsstifte auf Grund der Teutschen Bundesakte des Wiener Kongresses, Art. 15 v. 8. VI. 1815 das Recht, ihre Pension ohne Abzug „in jedem mit dem Teutschen Bund in Frieden stehenden Staat zu verzehren." 4) Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Gesammelte Schriften aus dem Nachlaß des P. Placidus Braun, Fasz. A; siehe Anhang Nr. 15. 5 ) Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Gesammelte Schriften aus dem Nachlaß des P Placidus Braun, Fasz. A (Brief des Abtes Kaspar von Salem-Kirchberg v. 20. X. 1814); siehe Anhang Nr. 16. 6 ) ebd. ') ebd. v. 22. X. 1826.

— 119 — Entbehrungen des Klosterlebens nicht mehr gewachsen fühlten. Nur zwei aus ihnen, der 71jährige P. Placidus Braun und der 60jährige P. Joseph M. Heis erklärten sich freudigst zum Wiedereintritt bereit. P. Placidus begrüßte in seinem Antwortschreiben, das wie ein Benedictas klingt, dankbaren Herzens die königliche Absicht und sprach den sehnlichsten Wunsch aus, bei der Errichtung der Klöster besonders St. Ulrich zu berücksichtigen. 1 ) Während jedoch Heis dem 1834 neuerrichteten Benediktinerstift St. Stephan beitrat, 2 ) konnte Braun seinen Entschluß nicht mehr ausführen. Er starb schon 1829. Wohl waren wohltätige Freunde des ehemaligen Reichsstifts bereit gewesen ihr Scherflein beizutragen, falls St. Ulrich unter den vom König wiederherzustellenden Klöstern ausersehen würde. Wohl hatte 1828 der mehrjährige Redakteur der katholischen Literaturzeitung Domkapitular Frh. Kaspar A. v. Mastiaux versprochen, aus seinem Vermögen 30 000 fl hiezu beizusteuern: 3 ) Das Stift St. Ulrich erlebte keine Auferstehung mehr. Wenngleich alle Mönche des letzten Konvents, welche die unschuldigen Opfer staatlicher Habgier und falscher Aufklärung geworden waren, verdienten, daß ihre Namen fortleben im Gedächtnis der Nachwelt, sei hier nur des bedeutendsten aus ihnen noch gedacht: des letzten Großkellners, Bibliothekars und Archivars P. P l a c i d u s B r a u n . Tiefgebeugt und mit Tränen in den Augen war er Zeuge gewesen von der gewaltsamen Trennung des Klosterverbandes, der Entfernung des von ihm mit soviel Mühe und Kraftaufwand organisierten Archivs, der Vernichtung der reichen Bibliothek, der Vergeudung und Entheiligung so mancher kirchlichen Kostbarkeiten, der mutwilligen Zerstörung sovieler Seltenheiten und der Umwandlung geräumiger Klostersäle in Sattelkammern. Gleichwohl schrieb er über diese traurige Epoche in seine Geschichte des Stifts: „Wie es dem Herrn gefällig, so geschah es. Der Name des Herrn sei gepriesen!" 4 ') Manche Verdächtigungen mußte er sich gefallen lassen. 5 ) Aber auch mehrere ehrende Anträge wurden ihm gemacht: Der Fürstabt Berthold von St. Blasien wollte ihn wiederholt für seine Schule gewinnen; die bayerische Regierung wollte ihn zum Bibliothekar und Archivar in Neuburg und Dillingen ernennen. Er lehnte alle Anträge ') Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Gesammelte Schriften aus dem Nachlaß des P. Placidus Braun, Fasz. A.; siehe Anhang Nr. 17. 2 ) Da P. Joseph als 67jähriger Greis für die Studienanstalt des Stifts nicht mehr in Betracht kam, beließ ihn Abt Barnabas auf seinem bisherigen Posten als Beichtvater in dem schon zum Aussterben verurteilten Zisterzienserinnenstift Oberschönenfeld. „Wenn Oberschönenfeld nicht das Schicksal seines Schwesterklosters Niederschönenfeld teilte, sondern neu aufblühte, so war dies vorzugsweise ihm zu verdanken, der mit eifriger Entschiedenheit und doch auch kluger Mäßigung die alte Ordensregel wieder ins Leben zurückzuführen bemüht war." Schiller Theob. „Oberschönenfeld" S. 99. 3) Lindner Pirmin, Monasticon episcop. Augustani pg 35, nota 6. 4 ) Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Geschichte des Reichsstifts St. Ulrich V 42. 5) Siehe Seite 122 ff.



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ab; denn er konnte sich von seinem Stift nicht trennen und wollte vor allem die Augsburger Diözesangeschichte bearbeiten. Seine historisch-diplomatischen Studien, 1 ) bei denen er sich besonders des Wohlwollens des Reichsarchivdirektors Heinrich Ritter v. Lang erfreute, fanden überall hohe Anerkennung als Arbeiten „eines würdigen, die Verhältnisse der Vorzeit erschöpfend prüfenden Mannes". 2 ) Auf v. Westenrieders Vorschlag wurde er 1 8 0 8 als wirkliches auswärtiges Mitglied in die historische Klasse der neuerrichteten Akademie der Wissenschaften in München aufgenommen. Neben seinen Studien galten seine ständigen Bemühungen im stillen der Wiedererrichtung seines Stifts. Dem Ansuchen mehrerer Äbte aber, als Vertreter der säkularisierten Reichsstifte in Schwaben zum Wiener Kongreß zu gehen, leistete er keine Folge. Dieser und der Frankfurter Bundestag bedeuteten für ihn schwere Enttäuschungen. Bis in die letzten Tage seines an Arbeit und Leiden reichen Lebens half er unermüdlich seinen Mitbrüdern in der Seelsorge bei St. Ulrich. Ein altes Asthmaleiden warf ihn am 3. Oktober 1829 aufs Krankenbett; am 23. Oktober starb er. Angetan mit der Benediktinerkukulle, wie er gewünscht, hat ihn sein Mitbruder P. Benedikt Abbt auf dem katholischen Gottesacker in Augsburg beigesetzt. Ein sehr einfacher Grabstein an der Nordmauer der St. Michaelskapelle bezeichnet seine letzte Ruhestätte. „Mit ihm verlor Augsburg nicht allein einen edlen Menschenfreund, einen frommen Priester, einen trefflichen Musiker, sondern auch einen unermüdeten Altertumsforscher und einen wegen seiner historisch-diplomatischen Kenntnisse sehr wichtigen, beinahe unersetzlichen M a n n . " 3 ) Des Reichsstifts Schicksal teilten bis zu einem gewissen Grade seine B i b l i o t h e k und sein Archiv. Die Bibliothek, des Stiftes geistige Rüstkammer, hatte noch im 18. Jahrhundert große Bereicherungen erfahren und bildete ohne Zweifel eine der wertvollsten Erwerbungen der Reichsstadt. 4 ) Gleichwohl scheint ihr an dieser Er') Brauns zahlreiche Schriften sind aufgeführt bei Lindner P„ Die Schriftsteller und die um Wissenschaft und Kunst verdienten Mitglieder des Benediktinerordens im Königreich Bayern II 129 ff. 2 ) Stadtarchiv Augsburg, St. Ulrich J 4 5 0 . 8 ) Nekrolog v. Hormayrs im Bayer. Volksfreund 1829 Nr. 184. 4 ) Eine Beschreibung der Bibliothek hat P. Placidus Braun, der letzte Bibliothekar, verfaßt in seinen zwei Bänden: „Notitia historico-literaria de libris ab artis typographicae inventione uscjue ad annum 1497 impressis", Augustae apud Veith P. 1788/89 und in seinen 6 Foliobänden „Notitia historico-literaria de codicibus manuscriptis" 1791/96. Weitere Literatur über diese Bibliothek: Khamm C„ Hierarchia Augustana, III 1 sq., Aug. Vind. 1786/92 Hirsching Frdr., Versuch einer Beschreibung merkwürdiger Bibliotheken Teutschlands, Erlangen bei Palm 1791: Hans Julius, Zeitschrift des histor. Vereins von Schwaben und Neuburg 1875, II 92; Joachimsohn Paul, Zur Geschichte der städtischen und klösterlichen Geschichtsschreibung im 15. Jahrhundert, Allemannia, Bd. 22. S. 1—32, 123—159; ders.: Die human. Geschichtsschreibung in Deutschland Heft 1: Sigismund Meysterlin, Bonn 1895; Bühler N„ Die Schriftsteller und Schreiber des Benediktinerstifts St. Ulrich und Afra in Augsburg, Leipzig 1916.



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Werbung nicht sonderlich viel gelegen zu sein, umsoweniger, als ihr zu gleicher Zeit noch viele andere Klosterbibliotheken zugefallen waren. Ihre Ansicht war: „Die Bücher sind heutigen Tages beinahe ohne Wert und werden von den Buchhändlern um Schandpreise gekauft." 1 ) Vielleicht hatte der Magistrat auch- in Erfahrung gebracht, daß das Reichsstift noch vor der Säkularisation, um Mittel für die Tilgung von Schulden und die Bestreitung von Kriegskontributionen zu schaffen, nebst anderen Kostbarkeiten einige wertvolle alte Codices und Inkunabeln verkauft hatte. So erklärt sich, daß die Reichsstadt anfangs aus freien Stücken geneigt war die Stiftsbibliothek mit Bayern zu teilen 2 ) und daß sie sich erst eines Besseren besann, als sie bemerkte, daß Bayern großen Wert auf ihre Erwerbung legte. 3 ) Nun teilte sie dem Reichsprälaten mit, daß ihr daran gelegen sei, den Zustand der Stiftsbibliothek kennen zu lernen. Sie habe daher den Lektor und Referendar Frz. X . Schmid und den Magister Joh. Gottl. May bevollmächtigt die Bibliothek zu besichtigen und den Befund aufzunehmen. Man möge den Herren Kommissären allen guten Willen bezeigen und zu ihrem mühsamen Geschäfte alle Beihilfe leisten. 4 ) May erkannte sehr bald den Wert der ulrikanischen Bibliothek. Er veranlaßte daher die Administrationsdeputation, die in dem Kloster St. Ulrich vorgefundenen besseren und zur Gelehrsamkeit dienenden Bücher in die Stadtbibliothek zu transferieren und mit dieser und den übrigen Augsburger Klosterbibliotheken zu vereinigen, dem Stift aber nur die zur Seelsorge dienenden Bücher zu belassen. P. Placidus Braun, dem das Schicksal der ihm so lange anvertrauten Bibliothek besonders am Herzen lag, wollte unter allen Umständen ihre Zersplitterung verhüten. In seinem Schreiben 5 ) an den Magistrat benützte er die ihm gebotene Gelegenheit, sich für die Erhaltung seines Stifts einzusetzen, zu einer Zeit, da man ohnehin im Augsburger Rathaus über das Gesuch des Reichsprälaten u m die Erlaubnis zum weiteren Bestand der Abtei beriet. 6 ) Braun führte edle Gründe ins Feld, die gegen die Transferierung der Stiftsbibliothek in die Stadtbibliothek sprechen konnten. Denn dort, schrieb er, fehlten alle Vorbedingungen für eine allgemeine Bibliothek, besonders aber der freie Zugang der einheimischen Gelehrten und der Fremden zu jeder Tageszeit und die feuersichere und geräumige Unterbringung der Bücher. Kaum der vierte Teil könne dort Aufnahme finden. „Wäre es bei dieser Sachlage nicht ratsam, wenn, um eine so große Menge der Bücher gut unterzubringen und den Zweck einer allge») Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 409, 56 v. 16. IV. 1803. ) Bayer. Geh. Staatsarch., K schw. 591/69. s ) Staatsarch. Neuburg, Reg.-Akt 4930, Vortrag des Landesdirektors Renz v. 24. VIII. 1804. ") Ord.-Arch. Augsburg, K 32 v. 17. V. 1804. 5) Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Fasz.: Persönliches und Amtliches von P. Placidus Braun. 6 ) Siehe S. 106 f. 2



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meinen Bibliothek zu erreichen, eine zweite in einem Stift errichtet würde? Dazu diente am besten St. Ulrich, weil dieses für eine Bibliothek freiesten, festesten, sichersten und geräumigsten Platz hat und weil St. Ulrich wegen der großen Pfarrei immer eine Korporation vonnöten hat, aus der sich ein jeweiliger Bibliothekar leicht bilden ließe. Zur Erweiterung könnte man den an die Bibliothek stoßenden geräumigen Kapitelsaal und die an diesen sich anschließende Schule, die sich auch für ein Arbeitszimmer eignen würde, verwenden." Allein die Stimmung im Augsburger Magistrat war für eine solche Lösung der Bibliothekfrage nicht sonderlich günstig; denn sie bedingte ja die Erhaltung des Stifts. Als schließlich im Dezember 1805 die Reichsstadt mediatisiert und das Ulrichsstift im Jahr darauf zur Kaserne umgeschaffen wurde, war für dessen Bibliothek, die sich damals noch im hinteren Kapitelsaal befand, dort keines Bleibens mehr. Verschiedene Pläne wurden nun im Magistrat erwogen, sie im Zusammenhang mit den übrigen Klosterbibliotheken unterzubringen. Am geeignetsten erschien der Administrationsdeputation die Anlage einer großen Sammelbibliothek in dem der Stadt gehörigen StudentenKomödienhaus. Allein auch dieses wurde bald von der Militärverwaltung als Reitschule beansprucht. 1 ) Noch im gleichen Jahre sprach eine bayerische „Subdelegationskommission" vor und nahm den Bestand der Stiftsbibliothek auf. Es stellte sich anhand der alten Kataloge heraus, daß ein guter Teil der Bücher fehlte. Wie nahe lag für die Kommission die Annahme, daß die Klosterherren, vor allem der letzte Bibliothekar, diese auf die Seite geräumt hätten: P. Placidus wurde zur Verantwortung gezogen. In seinem Rechenschaftsbericht vom 27. Nov. 1806 2 ), der auch für die damalige Auffassung des benediktinischen Armutsgelübdes bemerkenswert ist, beklagt er sich zunächst, daß man das Stift in solcher Weise verdächtige, obwohl bisher den Aufhebungskommissären bei ihrem Geschäft nirgends so wenig Schwierigkeiten bereitet worden seien als bei St. Ulrich. „Damit ich aber wie immer dem allergnädigsten Verlangen ein vollkommenes Genüge leiste, so eröffne ich, daß im Herbst 1800 am Pfingsttag, nachdem man uns berichtet, daß unsere Bibliothek die Franzosen von den besten und kostbarsten Büchern berauben wollen, auf Befehl unseres sei. Herrn Abtes wir dem bevorgekommen und mit vereinten Kräften eiligst eine große Kiste, angefüllt mit Büchern, Kupferstichen, Manuskripten und anderen kostbaren Werken zur Sicherheit einem guten Freund anvertraut haben, der aber inzwischen gestorben ist, und die ihm zur Verwahrung übergebene Kiste hat bis 'zur Stunde noch nicht ausfindig gemacht werden können. Übrigens bin ich seit 1796 nicht mehr Bibliothekar, weiß jedoch, daß während der Kriegszeiten mit anderen Kostbarkeiten kostl)

Stadtarch. Augsburg, St. Ulrich 4 v. 12. VII. 1806. Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Fasz.: Persönliches und Amtliches von P. Placidus Braun. 2j

— 123 — "bare Bücher und Manuskripte, die ohnehin immer in Gefahr standen für das Kloster verloren zu gehen, zur Bestreitung der Requisitionen und Kontributionen und des eigenen Unterhalts veräußert worden sind. Auch glaube ich über das, was vor der Säkularisation und Besitznahme des Stifts geschehen ist, wo der Prälat und das ganze Konvent i m Einverständnis über das Eigentum des Klosters frei und nach Gutdünken hat disponieren können, ohne daß hiebei die Rechte eines Dritten verletzt worden, keine Rechenschaft schuldig zu sein. Es hat daher auch die ehemals hier bestandene Lokalkommission über vergangene Dinge niemals eine Verantwortung gefordert, sondern sich mit dem begnügt, was sie vorgefunden und unter Siegel genommen worden. Nur jemand, der gar keine oder nur eine oberflächliche Kenntnis vom Benediktinerorden hat, kann einem Religiösen desselben alles Eigentumsrecht absprechen. Der Religiöse hat zwar kein Eigentumsrecht über die Gemeingüter des Klosters, wohl aber auf solche, die er sich durch eigene Industrie, Mühe und Arbeit erworben. Es wird daher ohne Verletzung der Kirchengesetze und der Regel jedem Religiösen ein Peculium gestattet, welches er mit Konsens und Erlaubnis seiner Obern nützlich verwenden kann. Ich habe mir durch meine mühsamen literarischen Arbeiten eine bedeutende Summe Geldes erworben, und, für die Literatur enthusiastisch eingenommen, mir besonders im historischen Fach die besten Bücher angeschafft, was von den Obern umso lieber gestattet worden ist, als sie ja wußten, daß die Bibliothek nach meinem Tode einen schönen Zuwachs erhalte. Die höchste Regierung hat selbst ein Eigentumsrecht der Religiösen anerkannt, indem sie fast in allen Klöstern nach der Auflösung jedem Religiösen sein Depositum, seine eigenen Bücher und was er sich sonst anschaffte, frei überlassen hat. So hat mich auch die ehemalige Aufhebungskommission nach meiner mündlichen Verantwortung erinnert und aufgemuntert, meine Bücher aus der Bibliothek zu nehmen." Wie weit diese Antwort die Kommission befriedigte, läßt sich nicht mehr ersehen; jedenfalls erschienen im folgenden Jahr Abgeordnete der K. Hof- und Staatsbibliothek und nahmen aus den Augsburger Klosterbibliotheken eine nicht unbeträchtliche Anzahl Werke nach München mit, während einige andere auf die Stadt Augsburg und ihre Geschichte bezüglichen Werke in die Stadtbibliothek wanderten. Der übrige Teil der Bibliothek wurde noch im gleichen Jahr unter der Aufsicht Professor May's in ein allen Einflüssen der Nässe und Feuchtigkeit ausgesetztes, zu ebener Erde gelegenes Gewölbe des katholischen Armenhauses überführt. Schon war dort vieles verdorben, als wieder ein Jahr später das Kgl. Stadtkommissariat beschloß, sämtliche Klosterbüchereien besser unterzubringen. Es ließ sie (mit Ausnahme der Jesuitenbibliothek) durch den Stadtrat Christoph v. Paris in das Karmelitenkloster verbringen, wo sie drei Jahre verblieben. Kein Wunder, daß sich infolge der mehrmaligen Transferierungen und durch den Umstand, daß sie in nicht genügend verschlossenen

— 124 — Räumen jedermann zugänglich waren, schon damals von den im Katalog verzeichneten Büchern eine große Masse nicht mehr vorfand, v. Paris zählte damals noch 9658 Bände aus der ulrikanischen Bibliothek. 1 ) 1811 wurden, wiederum mit Ausnahme der Jesuitenbibliothek, sämtliche Klosterbüchereien auf höhere Weisung aus dem Karmelitenkloster nach St. Anna übertragen. Für das Geschäft der Übernahme und Aufstellung dortselbst ernannte der Stadtkommissär v. Stichaner eine Kommission in der Person des Gymnasialdirektors und Stadtbibliothekars Beyschlag, des Professors May, des Karmeliten-Expriors P. Damasus Mathes und des P. Placidus Braun mit dem Auftrag, die Bücher zu mustern und „die ausgewählten literarischen Werke nach dem angenommenen System zu vereinigen: die brauchbaren und nützlichen Werke, auch wenn sie öfters vorhanden sind, der Bibliothek einzuverleiben, alle unbrauchbaren und die in deutscher Sprache geschriebenen asketischen Schriften aber auszusondern, sie jedoch keinesfalls zu verkaufen oder zu distrahieren, sondern der allerhöchsten Entschließung gemäß den Papiermühlen zum Einstampfen zu übergeben , wobei sie sich aber vorher mit den Papierfabrikanten benehmen und mit demjenigen, der die besten Bedingungen bietet, einen Akkord abschließen sollten. Die Bibliothekkommission habe sich selbst zu vergewissern, daß die Einstampfung wirklich vollzogen werde. Von dieser Verfügung könnten nur große Foliowerke in lateinischer oder einer anderen toten Sprache ausgenommen werden; diese könnten auch pfundweise an andere Handelsleute abgegeben werden." 2 ) Der König und seine Regierungsstellen befürchteten nachteilige Folgen für die geistige Kultur, wenn asketische Schriften in die Hände des Volkes kämen. So wurden nach und nach einige hundert Zentner als Makulatur verwendet. Braun konnte diesem barbarischen Treiben nicht länger zusehen. Er bat, ihn von seinem Posten zu entheben. Erst 1818 wurde diesem kulturwidrigen Verfahren ein Ende gemacht durch die Verordnung, daß nichts mehr veräußert oder verschleppt werden dürfe. Noch einmal glaubte man Braun des Bücherdiebstahls bezichtigen zu können. Damals (Ende 1829) war er nicht mehr unter den Lebenden. Unter seinem Nachlaß aber fand sich eine schöne Sammlung alter ulrikanischer Bücher. Ohne jegliche Beweismittel behauptete die Regierung, die sich des wertvollen Fundes schon freute, Braun habe zu seinen historischen Arbeiten dem Staate gehörige Bücher benützt und nicht mehr zurückgegeben. Sie beanspruchte daher mehrere literarische Werke, 3 ) die laut Testament dem Bischöflichen Ordinariat *) Vgl. Mezger G. C., Geschichte der vereinten K. Kreis- und Stadtbibliothek in Augsburg, S. 38. 2) Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Fasz.: Persönliches und Amtliches von P. Placidus Braun v. 22. IX. 1811. 8 ) Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., B 28: Extradition des literarischen Nachlasses P. Placidus Brauns Nr. 15 v. 15. II. 1880.

— 125 — als Haupterben zugefallen waren. Das Ordinariat wies jedoch das Verlangen mit der Bemerkung zurück, daß diese Codices im Testament ausdrücklich zugesprochen seien, und „bei der bekannten Biederkeit des geistlichen Rates Braun, dieses ehrwürdigen Priesters und Gelehrten, der den Ruf eines rechtschaffene.n, rechtlichen und gewissenhaften Mannes mit ins Grab genommen und gegen weitere Anschuldigungen sich nicht mehr verteidigen könne, vorausgesetzt und als gewiß angenommen werden dürfe, daß dieser in seinem Testament über nichts verfügt habe, was er bei seiner zarten Gewissenhaftigkeit nicht aus zureichenden Gründen als sein vollkommenes Eigentum betrachtet hätte." — Auch seinem Mitbruder, dem Stadtpfarrer bei St. Ulrich, P. Benedikt Abbt, den Braun als Testamentsexekutor aufgestellt hatte, fiel es nicht schwer, den Verstorbenen von dem Verdacht des Bücherdiebstahls zu reinigen. Braun, schrieb er an das Ordinariat, habe seinerzeit mit Erfolg der Subdelegationskommission gegenüber sein Eigentumsrecht an seinen Büchern nachgewiesen. 1 ) Auch habe ihm P. Placidus später noch oft erzählt, daß er so manches Werk von der ehemaligen Klosterbibliothek St. Ulrichs selbst wieder von Antiquaren, Papierfabrikanten und Käsekrämern für sich gekauft und der Zerstörung entrissen habe. „Einige Manuskripte tragen auch wirklich noch die Spuren jener Zeit an sich, wo man mit Büchern barbarisch umgegangen ist; bei mehreren sind die metallenen Beschläge herabgerissen, ein Beweis, daß sie schon in fremden Händen gewesen und der Vernichtung nahe waren. Da die anher gekommenen Codices großenteils theologischen und liturgischen Inhalts oder sonst schwer zu lesende Mönchsschriften sind, so wird man dies umso wahrscheinlicher und glaubhafter finden, wenn man sich an das merkwürdige Reskript des K. Stadtkommissariats vom 22. Sept. 1811 an P. Placidus erinnert". 2 ) Mangels jeglicher Beweise mußte sich nun auch die Regierung zufrieden geben. Heute teilen sich, abgesehen von einzelnen Werken, die in Privatbesitz und andere Bibliotheken gekommen sind, in den Besitz des reichen Bücherschatzes des ehemaligen Reichsstifts St. Ulrich die Staatsbibliothek in München, 3 ) die Stadt- und Kreisbibliothek in Augsburg und das Bischöfliche Ordinariat in Augsburg. Doch das meiste ist in die weite Welt hin ausgewandert, 4 ) verschollen oder vernichtet. ') Siehe S. 122 f. Siehe S. 124. Von den 700 Handschriftenbänden, die der letzte fleißige Bücherwart noch zählte, birgt diese etwa 100 lateinische (clm 4301—4432) und etwa 30 deutsche, außerdem von den bis 1580 gedruckten 1040 Inkunabeln noch ungefähr 140; die meisten Wiegendrucke verdankt also die Münchener Staatsbibliothek, abgesehen von Tegernsee, der Abtei St. Ulrich. 4) Nach persönlicher Mitteilung des Direktors der handschriftl. Abteilung in der Münchener Staatsbibliothek, Prof. Dr. G. Leidinger und des Univ.-Prof. Dr. Paul Lehmann sind solche u. a. nach London und Leipzig gekommen. 2)

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Schon drei Jahre vor der Bibliothek war dem Reichsstift das A r c h i v genommen worden. Nach seiner eiligen Obsignation und Inventur durch die Cumulativkommission ließ Kommissär v. Epplen den größten Teil, weil für seine Berechnungen über die Beteiligung der beiden Akquirenten unbequem, ebenso eilig nach Dillingen abführen. 1 ) Hier durfte P. Placidus, nachdem er Mitglied der Akademie geworden war, auf Grund besonderer königlicher Erlaubnis „sein" Archiv und alle übrigen dorthin verbrachten Kloster- und Stiftsarchive Augsburgs, freilich „nur in Gegenwart des betr. Archivverwesers" benützen, „damit die Urkunden vollkommen sichergestellt werden". Unter diesen Voraussetzungen erhielt er die gleiche Erlaubnis für das städtische und das hoch- und domstiftliche Archiv. 2 ) Teile des ulrikanischen Stiftsarchivs bergen heute das Hauptstaatsarchiv in München, das Staatsarchiv in Neuburg a. D., die Stadtbibliothek und das Ordinariatsarchiv in Augsburg. Vieles ist auch hier spurlos verschwunden oder vernichtet. Schulden und Kriegslasten hatten den ehedem sehr bedeutenden K i r c h e n s c h a t z St. Ulrichs stark dezimiert. In der größten Not hatten die Mönche einen Teil der wertvollsten Kleinodien einschmelzen lassen und den andern verkauft.3) Trotzdem zeigt das Inventarverzeichnis der Aufhebungskommission4) und der heutige Besitz noch einen ungewöhnlich reichen Stand. Hartig 5 ) bemerkt mit Recht, daß es ein Glück für die K u n s t s c h ä t z e St. Ulrichs gewesen sei, daß das Reichsstift zunächst an die Reichsstadt und erst 1806 an Bayern kam. In der Erhaltung der Kunstschätze erwies sich nämlich die Reichsstadt pietätvoller als ihr östlicher Nachbar, der schonungslos einen großen Teil seines Gewinnes, wenn er nur einigen Metallwert hatte, in die Münze nach München wandern ließ. So wurden die wertvollsten Stücke aus dem Kirchenschatz des Stiftes gerettet: das berühmte Ulrichskreuz (die goldene Kette hiezu war schon verschwunden) und der Ulrichskelch, ein schönes Stück romanischer Kleinkunst: beide erwarb der edle Fürstbischof Clemens Wenzeslaus 1807 für seine Person (das Ulrichskreuz um 800 fl), um sie später der Ulrichskirche restituieren zu können, v. Epplen hatte ursprünglich auch sämtliche Ringe des Reichsprälaten, ebenso sämtliche Pektoralien mit Ausnahme dessen, das er gewöhnlich trage,6) zum Einschmelzen bestimmt und Staatsarch. Neuburg, St. Ulrich 413, 168. Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. S., Fasz.: Persönliches und Amtliches von P. Placidus Braun. 3 ) So war die erst 1712 zum 700 jährigen Jubiläum angeschaffte prächtige Monstranz an das Benediktinerstift Muri verkauft worden, das sie bei seiner Vertreibung nach Gries rettete, aber selbst in der Not wieder an das Prämonstratenserstift Tepl veräußerte, von wo sie 1922 nach Speinshart kam. 4 ) Staatsarchiv Neuburg 143 und Stadtarchiv Augsburg 4 s ) Hartig M., Das Benediktiner-Reichsstift St. Ulrich und Afra, S. 50. 6 ) Stadtarchiv Augsburg, St. Ulrich 10 ('). 2)

— 127 — als Gewinn daraus 2305 fl 21 kr berechnet; 1 ) nur der Umstand, daß die Stadt sie sofort obsignierte und dem Konvent gegen eine an seiner Pension abzuziehende Auslösungssumme gleichzeitig mit den Mobilien, Gemälden usw. wieder überließ, hat sie davor gerettet. 2 ) Über das weitere Schicksal dieser Pektoralien und Ringe ließ sich nichts ermitteln. Es scheint jedoch, daß wenigstens ein Pektorale und ein Ring (mit dem Porträt Pius' VI., der am 4. Mai 1782 in der St. Ulrichsabtei zu Gaste war), heute im Besitz des Benediktinerstifts St. Stephan ist. Überhaupt liegt, soweit die Wertsachen nicht bei der Pfarrkirche blieben, über dem Schicksal vieler Kunstschätze des alten Reichsstifts undurchdringliches Dunkel. Alle irgendwie bedeutenderen Gemälde aber scheinen die Benediktiner noch kurz bevor sie das Kloster 1806 räumen mußten, in die Kirche, die Schneckenkapelle, die Sakristei und ihre neuen Behausungen geschafft zu haben. Einige Gemälde, die zu Klosterzeiten in der Kirche waren, befinden sich jetzt im Pfarrhof von St. Ulrich, so seit 1873 die beiden von Joh. Degle (1724—1817) auf Kupfer gemalten Porträts Papst Pius' VI. (zum Andenken an die am 4. Mai 1782 am Hochaltar des Ulrichsmünsters zelebrierte Messe) und Fürstbischofs Clemens Wenzeslaus. Auch die beiden künstlerisch wertvollen Landschaftsbilder aus der Hand des Schlachtenmalers und Direktors der Augsburger Akademie, Georg Phil. Rugendas (1666—1742), die jetzt ein Schmuck des Pfarrhofes sind, dürfte wohl der Reichsprälat für sein Stift erworben haben. Andere Gemälde namhafter Meister, meist Altarbilder abgebrochener Seitenaltäre, überließ die Kirchenverwaltung St. Ulrich in den Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts dem Benediktinerstift St. Stephan, das dreißig Jahre nach der Säkularisation wenigstens das geistige Erbe der Benediktiner übernehmen konnte; andere Gemälde aus dem alten Reichsstift erwarb diese Abtei durch Vermächtnis oder Ankauf, so Holbein d. Ä. (+1524) 3 ): Vier Szenenbilder aus dem Leben des hl. Benedikt (wahrscheinlich vom Altar des Kapitelsaals) ') Kreisarchiv München MA 571/565. 2) Ihretwegen geriet Braun später noch in Verwicklungen mit der bayerischen Regierung, sodaß König Max I. es sogar für gut fand, Brauns ganze Korrespondenz polizeilich überwachen zu lassen. Nach dem Tode Abt Gregors nämlich wollten die Konventualen, da sie Geld brauchten, das entbehrliche Mobiliar und die Pektoralien samt Ringen wieder veräußern. Die Regierung bekam Lunte davon und glaubte schon unberechtigter Veräußerung bisher verheimlichten Klosterguts auf die Spur gekommen zu sein. Der Generalkommissär von Schwaben, Frh. v. Gravenreuth, mußte sämtliche Säkularisationsakten durchstöbern lassen. Doch diesmal hatte sich die Regierung zu früh gefreut; es stellte sich nämlich heraus, daß die Mönche die wirklichen Eigentümer dieser Pretiosen waren: Bayer. Geh. Staatsarchiv, Sicherheitsanstalten 589/11. 8) Diese vier Bilder galten bisher allgemein als Werke Holbeins. Neuestens bezeichnet sie Konservator Ernst Buchner als Schöpfungen Thoman Burgk mairs (1444—1523). Vgl. Beiträge zur Geschichte der deutschen Kunst, II. Bd. Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance, herausgegeben von Emst Buchner und Karl Feuchtmayr, S. 68 ff. (Augsburg bei Benno Filser 1928)



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Rottenhammer Joh. (+ 1625): Die vier Evangelisten (1623) : Mariens Himmelfahrt, (1611) *) : Kampf des hl. Michael, (1625) (vielleicht von einem Schüler Rottenhammers?) Kager Matth. (+1634): Benediktiner-Allerheiligenbild, (1622) ,, ,, : Johannes des Täufers Predigt : „ „ „ Warnung ,, ,, : ,, ,, ,, Todesurteil ,, ,, : ,, „ ,, Enthauptung ,, ,, : Geburt Christi Umbach Jonas (+ 1700): Tod des hl. Benedikt (1665?) Rieger Joh. (+ 1730): zwei Bilder der hl. Afra (1710) „ „ : zwei Antipendien mit Gemälden vom Leichnam des hl. Ulrich und der hl. Afra. An das Benediktinerstift St. Stephan sind außerdem übergegangen die großen Porträtbilder der 7 letzten Äbte des Reichsstifts: Gregor I. Joos (1664—1674) Roman Daniel (1674—1694) Willibald Popp (1694—1735) Coelestin Mayr (1735—1753) Joseph Maria v. Langenmantel (1753—1790) Wiktarp Grundner (1790—1795) Gregor II. Schäffler (1795—1806). 2 )

Dieses Meisterwerk Rottenhammers hatte 1806 sogar den Gefallen der Franzosen gefunden und war von Ducrue bereits für den Louvre ausgewählt. 2) Siehe Titelbild.

Rückblick. In verhältnismäßig kurzer Zeit hatte die Säkularisation in Bayern gründlich mit den Klöstern aufgeräumt. Schon 1805 glaubte Max Joseph „die wohltätigsten Folgen aus dieser dem Geist und der Wohlfahrt seiner Staaten entsprechenden Reform der Klöster", wie er deren Aufhebung zu nennen geruhte, „zu verspüren und erhoffte, daß sich daraus nach einigen Dezennien noch weit fruchtbarere Wirkungen in moralischer, politischer und staatswirtschaftlicher Hinsicht erwarten ließen." 1 ) Jetzt, wo das Ordenswesen in Bayern wie ein großes Leichenfeld anzuschauen war, glaubte man eine „neue Morgenröte" aufsteigen zu sehen. Max Joseph war denn auch mit der Arbeit seiner Spezialklosterkommission zufrieden; er sprach ihr bei ihrer Auflösung seinen „landesväterlichen Dank aus für die mit ausharrendem Mut und fester Hand in einem raschen und konsequenten Gang, aber auch zugleich mit Vorsicht und gerechter Schonung der dabei beteiligten Individuen nach seinen landesväterlichen Gesinnungen geleitete Ausführung dieses Werkes, welches in der Kulturgeschichte des Vaterlandes dereinst eine der merkwürdigsten Epochen bezeichnen wird." 2 ) Schwere Wunden waren der katholischen Kirche in Deutschland geschlagen worden. Selten war sie mehr gedemütigt und entrechtet worden. Das Gleichgewicht im Kurfürstenrat und auf der Fürstenbank war zu ungunsten des katholischen Teils verschoben. Die schwäbische und rheinische Prälatenbank waren ganz verschwunden. Die Kirche hatte empfindliche Einbußen an Gütern erlitten; in die Hand des Staates ausgeliefert, sollte sie nur noch als seine untertänige Magd weiter vegetieren dürfen. Ihre Organisation war zu einem guten Teil aufgelöst, das Ordensleben fast völlig vernichtet, der geistliche Stand aus seiner selbständigen Stellung in die Rolle eines Staatsdieners und Almosenempfängers herabgewürdigt und dadurch in seinem Ansehen stark geschädigt. So hatte der gewaltige Sturm, vom Korsen entfesselt, gar manchen Stein herauszubrechen vermocht aus dem Bau der katholischen Kirche, doch nicht diesen selbst zu Fall zu bringen. Das Heilige Römische Reich deutscher Nation aber, das Werk eines Jahrtausends, hatte mit der Aufteilung des Reichsbodens den Gnadenstoß erhalten. Es bedeutete nur mehr eine Förmlichkeit, wenn Kaiser Franz II. auch nach außen hin die Folgerungen zog und am 6. August 1806 die deutsche Kaiserkrone niederlegte. Die alte fran') Kreisarchiv München GR 633/45, Conv. I, Schreiben des Kurfürsten an das Separat in Klostersachen v. 27. I. 1805. 2) ebd. 9

— 130 — zösische Politik, die Lahmlegung des Kaisers durch die Fürsten, hatte damit ihre siegreiche Erfüllung gefunden. Nur der Name Kaiser rettete sich in die neue Zeit hinüber. Und das deutsche Volk? Ihm waren Mittelpunkte regen religiösen, geistigen und wirtschaftlichen Verkehrs genommen. Seine Moral war erheblich gesunken; das Beispiel des Staates, der das Rechtsgefühl aufs tiefste verletzt hatte,1) hatte Schule gemacht, wenn auch in einem den Absichten der Regierungen entgegengesetzten Sinn. Die goldene Zeit aber, welche die Klosterstürmer der gedankenlosen Volksmasse verheißen hatten, wäre sie nach Aufhebung der kirchlichen Güter nur einmal vom Druck der Pfaffenherrschaft befreit, war nicht angebrochen. Das Volk war bitter enttäuscht; statt einem Prälaten mit warmem Herzen und milder Hand sahen sich die Untertanen bisher geistlicher Herrschaften nun einer kalten und steifen, rücksichtslos verfahrenden Bürokratie gegenüber. Die Armen unter dem Volke merkten gar bald, daß mit den Klöstern ihre bisherigen Zufluchtsstätten geschlossen worden waren. Das pietätlose und überstürzte Vorgehen der Regierungen und ihrer Kommissäre hatte überdies berechtigte Gefühle verletzt. Durch unzeitigen Eifer und Unverstand oder Eigennutz waren wertvolle Kunst- und Bücherschätze vergeudet worden; war auch manches in die fürstlichen Kunstsammlungen und staatlichen Museen gebracht worden, so waren doch des Volkes eigenste Kunstmuseen, die Kirchen, in weitem Umfang geplündert oder gänzlich vernichtet.2) Auch die Aufklärung hat nicht gehalten, was sie versprochen. Selbst der einer wahren Aufklärung gar nicht abgeneigte Abt Rupert Kornmann v. Prüfening kommt zu dem Urteil: „Die Entfernung der Mißbräuche sollte das Werk der Aufklärung sein; allein die Herrschaft der Aufklärung hat ihre Grenzen weit mehr überschritten und das Gebiet der Sitte im allgemeinen nichts weniger als verschönert. Sie hat den Baum samt der Wurzel ausgerissen, anstatt ihn zu reinigen, und den Unglauben, der doch in jeder Rücksicht schädlich ist, an seine Stelle gepflanzt. Nie hat die Religion ihre Mißbräuche Werke der Religion genannt; allein die Aufklärung hat gerade die ihrigen für das große Resultat der Erhabenheit des menschlichen Geistes gehalten, besonders wo sie zum Bösen aufgeklärt hatte." 3 ) „Die Aufklärung, deren edelste Bestimmung ist, schädliche Mißbräuche in Religionssachen wegzuräumen, mißbrauchte man und mißbraucht sie noch, um die Religion selbst zu verdrängen und jeden Damm gegen den Ausbruch seiner Leidenschaft zu zerbrechen. Sich über alles hinS. 34.

') Lerchenfeld G. v„ Geschichte Bayerns unter König Maximilian Joseph I.,

2 ) Vgl. hiezu die eben erschienenen Aufsätze von Schmidt J. W.: „Die religiös-politische Wirkung der Säkularisation von 1803" in „Schönere Zukunft", 1929, 4. Jahrg. Nr. 51/2. 8 ) Kornmann Rup., Die Sibylle der Zeit aus der Vorzeit, III 243.

— 131 — wegzusetzen, jeder Leidenschaft freien Zügel zu lassen, dem schändlichsten Egoismus zu frönen, sich jede Ungerechtigkeit und Unterdrückung anderer zu erlauben, wird leider von vielen mit dem unverdienten Namen der Aufklärung belegt. Spott über religiöse Gegenstände und Verachtung aller Religion wurde zur Mode und gehörte zum feineren Weltton." 1 ) Trotz eifrigster Bemühungen waren die klosterfeindlichen Strömungen des Merkantilismus und Utilitarismus nicht auf ihre Rechnung gekommen. Manche der entschädigten Herrn überschauten den Gewinn und siehe — die ungeheuren Geldzuwendungen an die Pariser Makler übertrafen um ein Bedeutendes die eingeheimsten „Vorteile". Insbesonders konnte die Reichsstadt Augsburg ihrer Erwerbungen nicht froh werden und auch der bayerische Staat, der doch neben Preußen den Löwenanteil an der geistlichen Beute davongetragen hatte, hatte nicht bloß an ideellen Werten unendlich viel verloren, auch der materielle Gewinn war weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Bargeld, das man in erster Linie in den Klöstern aufgehäuft zu finden gehofft, hatte sich nur wenig gefunden; die abenteuerlichen Erzählungen von dem klösterlichen Geldreichtum waren willig geglaubt worden, hatten sich aber als Fabeln erwiesen. Und das wenige Geld, das in den durch Krieg, Brandschatzungen, Unglück, Teuerung ausgesogenen Klöstern noch vorhanden gewesen, hatte auch nur selten den Weg in die landesherrlichen Kassen gefunden. Vielfach war es durch unrechtmäßige Machenschaften schon in den Taschen der Aufhebungskommissäre verschwunden oder es war durch deren Besoldungen gänzlich aufgezehrt worden. Es war gewiß keine große tendenziöse Übertreibung, wenn eine Denkschrift meinte: „Die jüdischen Spekulanten und die königlichen Beamten bis zu den Ministern hinauf bereicherten sich mit eingezogenen Gütern." 2 ) Auf das Empfindsamste aber hatte sich der Staat selbst geschädigt durch die g l e i c h z e i t i g e Aufhebung aller Klöster. Denn nicht bloß dadurch gingen für ihn ungeheure Werte verloren, daß die kgl. Behörden die in Massen einlaufenden Akten gar nicht mehr zu sichten und zu bearbeiten vermochten, 3 ) er war auch genötigt, die Kloster') Kornmann Rup., Die Sibylle der Zeit aus der Vorzeit, III 246. Höfler Const., Concordat und Constitutionseid der Katholiken in Bayern, S. 4. 8 ) Direktor v. Neumayr hatte wahrlich keine angenehme Erbschaft anzutreten, als er 1 8 1 0 an die Spitze der neuerrichteten Spezialklosterkommission berufen wurde. Seine Klage ist nur allzu verständlich: „ W i r müssen Eure Königliche Majestät mit der Lage bekannt machen, in welcher wir das Geschäft der Räumung dieses Augiasstalles angetreten haben. Wichtige Akten schlummerten vier Jahre beim Proponenten. Der Nachfolger entledigte sich des so rückgebliebenen Plunders vom Vorfahren und so kommt es, daß die wichtigsten Dinge verloren gingen. Man begreift, daß sich der Schaden, den die heillose Unordnung der Landesdirektion und die Wiederholung der Organisationen herbeiführte, nur schwer in Ziffern aussprechen läßt." Bayer. Fin.-Min. 160: Die Errichtung der Spezialklosterkommission. Geschäftsbericht v. 30. IX. 1810. 2)

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— 132 — guter im ganzen Lande auf einmal auf den Markt zu werfen. Ungeheure Entwertung von Grund und Boden war die naturnotwendige Folge. Die Grundbesitzungen wurden in großen Komplexen, welche das minder bemittelte Volk weder kaufen konnte noch wollte, feilgeboten. Sie wurden daher zu Spottpreisen einzelnen wenigen Spekulanten zugeschlagen, für die sich die Säkularisation als das herrlichste Dorado erwies. Während sich diese wieder durch Verkauf im einzelnen zu bereichern verstanden, beschränkte sich der Hauptgewinn, den der Staat aus dem Klostersturm gezogen, im wesentlichen auf die gewaltige Bereicherung seiner öffentlichen Bibliotheken und Gemäldesammlungen, die großen Waldungen 1 ) und die Abgaben der Grunduntertanen der aufgehobenen geistlichen Herrschaften. Dies alles aber reichte nicht aus zur Sanierung der zerrütteten Staatsfinanzen. Und dies wäre doch, darf man den Regierungsmännern glauben, der vornehmlichste Zweck der Säkularisation gewesen. Doch ist nicht zu verkennen, daß die große Umwälzung der Säkularisation für Kirche, Staat und Volk Deutschlands und namentlich auch Bayerns auch' ihre guten Seiten hatte. Für die Kirche insofern, als ohne Säkularisation der Katholizismus in Deutschland nicht jene große geistige Restauration in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebt hätte und viele Kräfte nicht frei geworden wären für die eigentlichen religiösen Aufgaben. Ohne Aufklärung und ohne den rein materiellen Verlust an Gütern und Boden wären auch viele ungesunde Triebe am Baume der katholischen Kirche in Deutschland nicht beseitigt worden. Der deutsch-kirchliche Partikularismus kam nun in die Schule Napoleons im Rheinbund, kam in Fühlung mit des Korsen großzügiger Kirchenpolitik und lernte schließlich wieder sich Größerem unterzuordnen. Kardinal Pacca, der einstige Kölner Nuntius, hatte nicht so unrecht, wenn er die Säkularisation als einen „Akt tyrannischer Ungerechtigkeit und ruchloser Habsucht des 18. und 19. Jahrhunderts" verurteilte, aber auch hinzufügte: „Wenn die Bischöfe weniger reich und mächtig seien, liehen sie der Stimme des obersten Kirchenfürsten ein um so willigeres Ohr und suchten nicht dem Beispiel der hochmütigen und ehrgeizigen Patriarchen von Konstantinopel zu folgen, noch auch eine fast schismatische Unabhängigkeit zu erringen. Das katholische Volk sehe gegenwärtig bei Pastoralbesuchen das Angesicht seiner eigenen Bischöfe und höre wenigstens bisweilen die Stimme seiner Hirten. Bei Ernennung der Domherren und Besetzung von Kapitelswürden werde jetzt mehr auf das Verdienst als auf den Glanz der Geburt gesehen. Es ereigne sich gegenwärtig wohl nicht mehr, wie es sonst geschah, daß Unberufene lediglich um der irdischen Vorteile willen in den geistlichen Stand eintreten." 2 ) *) Etwa 45°/ 0 der bayer. Staatswälder sind ehemaliges Kirchengut; vgl. Büttner Wilh., Klerusblatt 10. Jahrg. Nr. 8 S. 106. 2 ) Kastner K., Die große Säkularisation S. 29 f.

— 133 — Ob die Ereignisse zu Anfang des 19. Jahrhunderts auch eine geschichtliche Notwendigkeit in sich trugen? Mein kann es füglich bezweifeln. 1 ) Jedenfalls aber räumte der RDHS auf mit einem guten Stück der unseligen deutschen Kleinstaaterei, ließ eine Reihe von Zwergstaaten, die unfähig waren, auf irgend einem Gebiete die Aufgaben eines modernen Staates zu lösen, verschwinden und bereitete so ungewollt den Boden für das allmähliche Werden und Wachsen des deutschen Einheitsgedankens und die Wiederzusammenfassung des gesamten Reichsgebietes. An die Stelle der Zwergstaaten traten Mittelstaaten, die durch Gebietserweiterungen mächtig gestärkt, zunächst freilich noch von Napoleons Gnaden lebten und seinen Zwecken dienten, aber in Rechtspflege, Verwaltung und Schule den Anforderungen eines fortschrittlichen Staatswesens gerecht werden und ein Staatsgefühl ausbilden konnten. Bayern, das neben Preußen und Baden den Löwenanteil davongetragen, war jetzt ein abgerundeter, politisch entwicklungsfähiger Staat, der von Tirol bis an den Main reichte. Nun, da der bayerische Kurfürst die Grundherrschaft über die Mehrzahl der Bauern erlangt hatte, konnte er auch die vordringlichste und einschneidendste soziale Tat des 19. Jahrhunderts, die Bauernbefreiung, mit wirklicher Aussicht auf Erfolg in die Hand nehmen. 2 ) Die Auflösung des alten Reiches selbst aber war die unerläßliche Voraussetzung für den Ubergang vom veralteten Feudalstaat zum modernen Staat. Erst auf den Trümmern des alten konnte der neue Bau errichtet werden. Doch der größte „Erfolg", den der Aufklärungsgeist buchen zu dürfen glaubte, nämlich die Beseitigung aller Klöster, sollte nur vorübergehend sein. Schon bald kam es anders als Max Reichsgraf zu Lodron, der Präsident der Spezialkommission in Klostersachen, bereits am 12. Jan. 1804 seinem Kurfürsten frohlockend verkündet hatte: „Die frohe Aussicht, den Mönchsstand sehr bald nur mehr dem Namen nach zu kennen, ist wirklich nicht mehr fern." 3 ) Wie seinerzeit die Aufklärung Reaktion gegen ein Übermaß scholastischer Philosophie und einer Überhandnähme von krankhaften Wucherungen im religiösen Leben des Volkes gewesen, so setzte, unterstützt durch die merkwürdige Verbindung, welche die durch Sailer herbeigeführte tiefgreifende religiöse Selbstbesinnung des Katholizismus mit der neuen philosophischen Richtung von Schellings Naturlehre eingegangen, 4 ) noch im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts gegen das Übermaß der Aufklärung und Revolution, gegen den Vandalismus der Säkularisation eine Reaktion ein, die sich nur noch durch die Flucht zur Kirche aus dem Chaos heraus retten zu können ') Vgl. Büttner Wilh. in Klerusblatt 10. Jahrg. Nr. 8 S. 105. Doeberl M., Entwickelungsgeschichte II 403. Kreisarchiv München GR 633/45. 4 ) Vgl. Funk Ph., Von der Aufklärung zur Romantik. 2)

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— 134 — glaubte. Montgelas, der Freigeist, ward nicht ohne Zutun des Kronprinzen Ludwig am 2. Februar 1817 gestürzt, und so die Bahn frei gemacht zur kirchlichen Restauration. Als Ludwig sodann selbst den bayerischen Königsthron bestiegen, suchte er, wiederum beeinflußt und unterstützt von streng kirchlich gesinnten Männern wie Sailer, Ringseis und andern die Schäden, die sein Vater der katholischen Kirche und insbesondere ihrem Ordenswesen geschlagen hatte, wieder gut zu machen. Aus seiner romantischen Neigung heraus glaubte er sein Ziel am schnellsten zu erreichen durch Wiedereinführung des Benediktinerordens, der ihm als jener Orden galt, der „von politischen Tendenzen mehr oder minder unberührt, ursprünglich teutsch und mit der Geschichte des germanischen Vaterlandes innig verwebt, um dessen Civilisation hochverdient und wegen seiner würdigen Haltung vor allen Meinungen gleichbeachtet ist". 1 ) In der benediktinischen Verfassung, nach der der Abt zwar durch seine Kapitulare beraten wird, aber doch der unumschränkte Herr des Klosters bleibt, sah er sein monarchisches Prinzip am meisten ausgeprägt. Den Benediktinern vertraute er daher mit Vorliebe Studienanstalten an mit dem ausdrücklichen Auftrag, an der Hebung des stark gesunkenen Autoritätsgefühls in seinem Volk zu arbeiten. Succisa virescitl Wieder fand der altehrwürdige Stamm von St. Benedikts Stiftung in sich Lebenskraft genug, frische Schößlinge zu treiben. So war das stille und ruhige Wirken der „Exbenediktiner" und vor allem P. Placidus Brauns für die Wiederherstellung ihres Ordens nicht umsonst gewesen. Für ein Wiederaufleben St. Ulrichs als Abtei freilich mußte alle Hoffnung schwinden, als König Ludwig 1834 unter dem Einfluß des damaligen Regierungspräsidenten Frh. v. Öttingen-Wallerstein als künftige Benediktinerabtei in Augsburg das frühere adelige Damenstift St. Stephan ausersah, bei dem seit 1828 ein Gymnasium bestand. Denn die Stiftsgebäude von St. Ulrich waren bereits durch Militär belegt, das der König nicht mehr daraus entfernen konnte, wollte er nicht auch dadurch den Widerstand der Ständekammer beleben, die ihm ohnehin wegen seiner Klosterpolitik nicht hold war. Der schon oben 2 ) erwähnte Bischof Gregor Ziegler von Linz schrieb damals an Braun: „Es schmerzt mich, daß für St. Ulrich die Hoffnung verschwunden ist. Speramus contra spem! Dominus mutat et regit tempora. Möge St. Stephan ins Mittel treten!" 3 ) Nun stellten Augsburger Bürger aus der St. Ulrichspfarrei an den ersten Abt von St. Stephan das dringende Ersuchen, bei St. Ulrich doch wenigstens ein von St. Stephan abhängiges Benediktinerpriorat ') Archiv des Benediktinerstifts St. Stephan in Augsburg, Gründungsurkunde 1834, Sch. 3a. 2) Siehe S. 104. 8 ) Ord.-Arch. Augsburg, Manuskr. Sammlung, Korrespondenz P. Placidus Braun, Fasz. X.

— 135 — zu errichten. Es lag nicht an Abt Barnabas, daß dieser Wunsch nicht in Erfüllung ging. Der Mangel an Leuten — er hatte sich ja selbst, um dem königlichen Verlangen die Studienanstalt zu übernehmen willfahren zu können, eben erst fast alle seine Mönche in den Benediktinerstiften Österreichs und der Schweiz zusammenbetteln müssen, — hieß ihn diese Bittsteller wie soviele andere, die ihn um Benediktiner angingen, auf spätere Zeit vertrösten.1) Noch einmal, 1883, wurde in einer anonymen „Denkschrift betr. das ehemalige Kloster St. Ulrich und Afra" von warmen Freunden des untergegangenen Stifts der Gedanke einer Wiederherstellung aufgeworfen. 2 ) Seit mehr als einem Säkulum ruht das reiche Kulturleben der St. Ulrichs-Abtei. Nur wenige Dinge an den weitläufigen alten Gebäuden sind noch die stummen Zeugen des einstigen benediktinischen Lebens und Schaffens: Uber dem Eingangstor das in Stein gehauene Wappen des Vollenders von Stift und Kirche, des Abtes Johannes VIII. Merk (1600—1632), zwei schadhafte Kreuze auf den Dachgiebeln, der Säulengang am Kasernhof, der Kreuzgang um den Garten und der Aufgang vom Chor der Kirche ins Kloster mit ihren reichen, noch gut erhaltenen Decken-Stukkaturen, ein ebenso schmucker Korridor im ersten Stock des westlichen Langgebäudes, dort auch am Eingang zur Prälatur drei braun-eichene Türen mit reicher Holzverzierung, — das ist so ziemlich alles, was sich aus großer Vergangenheit bis auf die Gegenwart erhalten hat. Um so reichere Erinnerungen aus der benediktinischen Zeit schaut man drüben in der prachtvollen Kirche. Werden jemals die Benediktiner wieder zurückkehren dürfen in ihr Stift St. Ulrich und Afra und sein Münster? Speramus contra spem!

') Archiv des Benediktinerstifts St. Stephan in Augsburg, Sch. 22. 2 ) Ord.-Arch. Augsburg, K 32.

Anhang. Nr. 1.

Antrag des kurfürstl. Geh. Referendaire Jos. Utzschneider vom 10. VIII. 1799. 1 ) Zu Seite 12. Es ist bekannt, daß das dermalige Finanz-Departement bei dem Antritt S. jetzt regierenden churfürstlichen Durchlaucht im Hornung ]. J. die Finanzen in sehr großer Unordnung übernommen habe, — daß auf der churfürstl. Hauptkasse, dem Hofkriegszahlamt und dem Hofzahlamt eine Schuldenlast von mehr als acht Millionen lag, — daß von diesen acht Millionen Schulden mehr als zwei Millionen im Laufe des Jahres 1799 bar bezahlt werden müssen, — es ist bekannt, daß die Regie aller bayerischen Finanzquellen bei der Übernahme ganz verdorben war, noch wirklich ist, und ohne große Anstrengung und Unterstützung sobald auch nicht in Ordnung gebracht werden könne, daß S. churfürstliche Durchlaucht die Militär-Ökonomie in einer beispiellosen Verwirrung angetroffen haben, welche im laufenden Jahre wirklich eine höhere Ausgabe von zwei Millionen Gulden verursacht, — es ist bekannt, daß der gegenwärtige Drang der Zeitumstände Geldbedürfnisse erfordere, die das Finanz-Departement in seiner dermaligen Lage aufzubringen nicht vermag. Die traurigen politischen Verhältnisse zwingen S. churfürstl. Durchlaucht 2900 Mann augenblicklich ins. Feld stellen zu müssen. Man suchte — wegen Mangel an barem Geld — Hilfe in der Veräußerung b. Staatspapiere aus der Verlassenschaft Sr. churfürstl. Durchlaucht Carl Theodors, — und glaubte damit ein paar Monate auszulangen. So wie das Finanz-Departement, welches von allen diesen Verwirrungen noch zur Zeit nicht die mindeste Schuld trägt, mit allen möglichen Hindernissen zu kämpfen hat, versiegt nun wider alle Erwartung auch diese Quelle, indem gestern aus Wien die Anzeige gemacht worden, daß auf kaiserlichen Befehl von der W . Bankhauptkasse bis auf erfolgende Ausgleichung Papiere dieser Art nicht umgeschrieben werden dürfen. Wo soll man nun zur Mobilmachung und zur Unterhaltung dieser Truppen im Felde den erforderlichen Fond hernehmen? Überdies spricht man von hundert Römermonaten, von dem zu stellenden Quintuplo des Reichskontingents usw.? Zu einer Zeit, wo man ohnehin an das Civil- und Militärpersonal an Besoldungen und anderen Bedürfnissen mehr als eine Million bar rückständig ist? Das Finanz-Departement verlor bisher noch keine Zeit, sparte keine Mühe die nötigen Hilfsquellen ausfindig zu machen. Man übergab den ganzen dermaligen Finanzzustand der Landschaftsverordnung in Bayern und erwartete von dieser Seite Hilfe und Unterstützung, aber bisher noch immer fruchtlos und nach dem eingelaufenen landschaftlichen Berichte v. 6. Aug. 1. J. ist auf Hilfe von dieser Seite nicht zu zählen. Die Steuerfonds haben von den letzten Jahren her selbst Schulden übernommen, welche einen beträchtlichen Teil der jährlichen Steuereinkünfte aufzehren. Der Adel, die Geistlichkeit und die Städte bezahlen nur dons gratuits nach einem übel berechneten Verhältnisse und diese können eben deswegen keine ergiebigen Summen ertragen. Der Bauer bezahlt v)

Bayer. Geh. Staatsarchiv, K schw 563/37.

— 137 — nach einem u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g e n H o f - u n d S t e u e r f u ß u n d f ü h l t d e m n a c h jede außerordentliche Abgabe a n den Staat sehr schwer, besonders da derselbe jetzt wirklich alle Lasten des Krieges m i t den Staatskassen beinahe allein t r ä g t . An der e n t w o r f e n e n Bankanstalt w i r d z w a r m i t aller T ä t i g k e i t f o r t g e a r beitet. Allein die landschaftliche V e r o r d n u n g , welche a m 5. J u n i 1. J. selbst die ersten Vorschläge dazu machte, w i r d den von Sr. c h u r f ü r s t l . D u r c h l a u c h t ihr übergebenen E n t w u r f zum H y p o t h e k - C a s s e - C o m p t o i r n i c h t a n n e h m e n , der A u s f ü h r u n g desselben allerlei Hindernisse entgegensetzen u n d a m E n d e w a h r scheinlich, w e n n die Sache nicht gelingt, alle Schuld von sich ablehnen. D a s H y p o t h e k - C a s s e - C o m p t o i r leistet gewiß, so wie es angelegt ist, eine einmalige H i l f e von zwei, drei, auch vier Millionen Gulden, je n a c h d e m das P u b l i k u m Z u t r a u e n dazu g e w i n n t ; w ü r d e n aber, wie es aus m e h r e r e n G r ü n d e n zu b e s o r gen steht, gleich a n f a n g s die landschaftliche V e r o r d n u n g u n d selbst c h u r f ü r s t l . R ä t e einige E i n w e n d u n g e n wider solches m a c h e n , so ist das Z u t r a u e n schon geschwächt u n d in diesem Falle k ö n n e n gleich u m ein p a a r Millionen w e n i g e r in Umlauf gesetzt w e r d e n . Überdies ist eine P a p i e r b a n k in e i n e m Staate, in w e l c h e m so u n o r d e n t l i c h e Staatswirtschaft, wie d e r m a l e n in Bayern herrscht, ein g e f ä h r l i c h D i n g u n d meistenteils ein M i t t e l , a u c h die N a t i o n b a n k e r o t t zu m a c h e n . Solange die Finanzen nicht in O r d n u n g u n d alle A u s g a b e n r u b r i k e n nicht g e n a u b e s t i m m t sind, geht das F i n a n z - D e p a r t e m e n t bei der E i n f ü h r u n g des Papiergeldes i m m e r m i t g r o ß e r Schüchternheit zu W e r k e . D i e bayerische n o t w e n d i g e u n d nicht n o t w e n d i g e Geistlichkeit verzehrt d e r m a l e n jährlich m e h r e r e Millionen Gulden. Diese k ö n n t e n f ü g l i c h alle J a h r e d e m Staate ein beträchtliches O p f e r m a c h e n . Allein w e r f ü h r t dieses aus, ohne sich unendliche Weitläufigkeiten auf den Hals zu ziehen? Besonders d e r m a l e n , w o e i n Vorurteil u n d e i n M i ß b r a u c h d e m a n d e r e n i m m e r h i l f r e i c h e H a n d biet e t ? W o Egoismus u n d falscher E h r g e i z alle Vaterlandsliebe e r s t i c k e n ? Das V e r m ö g e n der Kirche, selbst die D e p o s i t e n - und P u p i l l e n g e l d e r h a t die vorige R e g i e r u n g bereits in die Staatskasse gezogen. Also ist auch von dieser Seite keine H i l f e zu e r w a r t e n . Auswärtige Anleihen scheinen nicht m ö g l i c h , wenigstens n i c h t gleich auf d e r Stelle möglich zu sein. Und w e n n dies auch der Fall wäre, so w ü r d e n sie doch wieder der Staatskasse m i t Kapital u n d Interessen zur L a s t f a l l e n ; d e n n die landschaftliche V e r o r d n u n g w ü r d e wahrscheinlich allerlei Schwierigkeiten b e i der Ü b e r n a h m e derselben auf das L a n d m a c h e n . Alle Vorschläge, welche das F i n a n z - D e p a r t e m e n t bisher g e m a c h t hat, u m d e n d e r m a l i g e n d r ü c k e n d e n Staatsbedürfnissen b e g e g n e n zu können, w u r d e n von der einen oder a n d e r e n Seite v e r w o r f e n u n d vielleicht glücklich v e r w o r f e n , weil u n t e r den bayerischen G e s c h ä f t s m ä n n e r n noch zur Zeit diejenige E i n t r a c h t u n d E n e r g i e nicht h e r r s c h t , welche zur A u s f ü h r u n g g r ö ß e r e r P l ä n e so u n u m gänglich n ö t i g ist. W i e sonderbar w i r d z. B. ü b e r das c h u r f ü r s t l . wegen A u f h e b u n g d e r M a u t - u n d Accisordnung v, 25. VII. 1. J. erlassene R e s k r i p t b e i d e r Generallandesdirektion d e r m a l e n nicht g e a r b e i t e t ? W a s k a n n d e r Staat von solchen G e s c h ä f t s m ä n n e r n in e i n e m g r o ß e n D r a n g der Umstände wohl e r w a r t e n ? D i e bayerische N a t i o n ist gut, redlich, a r b e i t s a m u n d bedarf n u r einer guten, kraftvollen R e g i e r u n g , u m K r a f t ä u ß e r n zu können. Das F i n a n z - D e p a r t e m e n t setzt alles Z u t r a u e n in die N a t i o n ; vereint m i t i h r e m geliebten L a n d e s h e r r n m u ß sie den d e r m a l i g e n Bedürfnissen begegnen. Sie m u ß , u m dies zu können, die M i ß b r ä u c h e , die diese vortreffliche Nation a r m u n d o h n m ä c h t i g m a c h e n , vereint m i t i h r e m g r o ß - u n d gutgesinnten Fürsten selbst abstellen. D i e dermalige landschaftliche V e r o r d n u n g ist zu schwach, zu o h n m ä c h t i g , u m zu h e l f e n . Selbe zehrt selbst von den M i ß b r ä u c h e n u n d Vorurteilen u n d scheint i h r e m B e n e h m e n g e m ä ß die O r d n u n g , welche m a n in die Finanz-Regie, in die Justiz - V e r w a l t u n g b r i n g e n will, sogar zu f ü r c h t e n u n d allen G r u n d s ä t z e n e i n e r einfachen, g u t e n Staatsadministration in d e r Stille entgegenzuarbeiten.

— 138 — Wo ist nun eine Rettung zu suchen? Ganz allein in dem Zutrauen eines guten, vorurteilsfreien, seine Nation liebenden und von ihr wiedergeliebten Fürsten zu der Nation, in einem Landtage. Die auf dem Landtage versammelten Stände können und wollen dasjenige gewiß alles bewilligen, was die dermalige landschaftliche Verordnung weder kann noch will. Nr. 2.

Des kurfürstl. Geh. Referendaire Joseph Utzschneider „Privatmeinung über den gegenwärtigen Zustand der bayerischen Staatswirtschaft" v. 28. X. 1799. Zu Seite 12. Unordnung in der Staatswirtschaft, Unzulänglichkeit der gegenwärtigen Militärverfassung, Mangel an Gemeingeist scheinen unser Vaterland Bayern und unseren geradsinnigen, geliebten Fürsten in der dermaligen kritischen Lage der politischen Verhältnisse dem Zufall preiszugeben. Der Krieg wird um und vielleicht auch bald i n Bayern geführt. Dieser Krieg ist keiner der gewöhnlichen Kriege; er ist zerstörend und ein Friede ist leider noch lange nicht zu erwarten. Frankreich übermächtig durch Gemeingeist und, wie die Geschichte lehrt, unbezwingbar, weil es Republik ist. Die koalisierten Mächte ohne Gemeingeist, voll von Mißtrauen und gezwungen, in der Ferne einen ihre eigene Kraft verzehrenden Krieg zu führen. Unser Vaterland Bayern wegen seiner geographischen Lage mitten auf dem Kriegsschauplatz, selbst in diesen verderblichen Krieg verwickelt und zwar mit der Republik Frankreich verwickelt, der wir niemals schaden, von ihr aber unsere Vernichtung empfangen können. Wo sollen diese Verhältnisse hinführen? Vorzüglich wenn man nicht bald Ordnung in die Staatswirtschaft, Zweckmäßigkeit in die Militärverfassung und Gemeingeist in den ganzen Staatskörper zu bringen weiß. Die Finanzen müssen ohne Zeitverlust in Ordnung gebracht werden. Vor allem und um ein gutes Beispiel zu geben, muß die nötige Ersparung in der Hofhaltung eintreten, damit das hiezu geeignete Kammergut hinreiche. Das Kammergut muß zu den Staatslasten seinen verhältnismäßigen Beitrag geben, so wie es in der alten bayerischen Verfassung gegründet ist . . . . Die dermaligen Staatseinnahmen und Staatsausgaben zeigen gleichfalls bei gewöhnlichen Jahren ein jährliches Deficit von mehr als einer halben Million. Diese Staatsausgaben sind nach Möglichkeit zu beschränken, ohne deswegen bei wahren Staatsbedürfnissen, vorzüglich bei Herstellung einer zweckmäßigen inneren Macht zum Schutz des Nationaleigentums geizig zu sein. Mangeln bei aller möglichen Sparsamkeit die Fonds zu den wahren Staatsbedürfnissen, so soll man ohne mindesten Zeitverlust nach gerechten Grundsätzen die Steuerrektifikation durch alle heroberen Staaten vornehmen und durch verhältnismäßige, billige Beiträge sich Hilfe zu schaffen suchen. Wenn man bedenkt, was Bayern seit einigen Jahren an nicht bezahlten Lieferungen und Frondiensten geleistet habe, so wird man auch nicht zweifeln, daß unser Vaterland zum Schutze seines Eigentums Kräfte hahe, wenn man sie anders nicht, wie bisher, zum Vorteil fremder Armeen ohne Dank, sondern zum Vorteil der Nation anwenden will . . . . Um sowohl die Rückstände in der Staatskasse von der vorigen Regierung als den diesjährigen Staatsbedürfnissen zu begegnen, schlägt die löbl. Landschaft anstatt des solideren, von dem Handelsstand geprüften, von ihr aber wegen der Schulden des Adelsstandes und wegen des bisher noch immer unbekannten Vermögens der ständischen Geistlichkeit verworfenen Hypothek-Casse>) Bayer. Geh. Staatsarchiv, K schw 563/37.

— 139 — Gomptoirs die Fabrizierung von 4 Millionen Gulden Kassascheinen ohne Hypothek, ohne hinlängliche Diskontir Casse vor. Hiezu rate ich nicht. Es ist wirklich ein Mittel, das man gewöhnlich nur in der Verzweiflung wählt, ein Mittel, das noch allen Regierungen und Staaten übel bekam und das Bayern auf einmal ganz zugrunde richten wird. In dem Augenblick, als S. churfürstl. Durchlaucht solche Gassascheine emittieren ließe, laufen Höchstdieselben Gefahr, die Liebe der Nation zu verlieren. Das Kurrent-Cassa-Deficit muß gedeckt werden. Ich machte schon seit mehreren Monaten davon Meldung. Dieses Kurrent-Kassendefizit, welches bis Ende dieses Jahres auf drei Millionen Gulden hinaufläuft, muß bald gedeckt werden; sonst ist Ordnung in der Staatswirtschaft unmöglich. Dazu würde ich lieber den Verkauf einiger geistlicher Güter, insoweit es die Deckung dieses Defizits fordert, in der oberen Pfalz anraten. Dieses Mittel ist den Zeitumständen angemessener als Kassenscheine ohne Hypothek und ohne hinlängliche Discontirkasse, ist der Nation minder schädlich und selbst auch der Geistlichkeit nicht nachteilig, indem man für solche auf eine andere redliche Weise sorgen kann. Der Verkauf dieser Güter kann in wenigen Monaten vorüber sein, wenn man bald damit anfängt. Das vorgeschlagene Papiergeld der 4 Millionen Kassascheine wird diese Hilfe auch nicht früher schaffen und wenn, wie zu vermuten ist, diese Kassascheine in Städten und Märkten nicht angenommen werden, so wird man davon nicht allein gar keine Hilfe haben, sondern man wird das Übel nur immer ärger und nach und nach unheilbar machen . . . . Nr. 3. Promemoria des Abtes Gregor II. „an die hohe außerordentliche Reichsdeputation in Regensburg." 1 ) Zu Seite 28. Das Reichsstift St. Ulrich und Afra in Augsburg genießt schon von seinem Ursprung her die Reichsunmittelbarkeit und wurde deswegen von allen römischen Kaisern, Fürsten und Ständen als das erste und älteste unmittelbare Stift im römischen Reich anerkannt, gewürdigt und gehandhabt. Die deutsche Geschichte bekennt dessen Verdienste um Kaiser und Reich und die von Allerhöchstselben erteilten Privilegien beurkunden die Wahrheit der unleugbaren Tatsachen. Als das unmittelbare, außer den Ringmauern Augsburgs gelegene Reichsstift St. Afra nach seiner schon im grauen Altertum gehabten Existenz dem Benediktinerorden übergeben wurde, erneuerte Kaiser Heinrich II. im Jahre 1023 demselben unmittelbaren Schutz mit dem Anhang, daß Abt und Konvent nur vor kaiserlicher Majestät belangt werden könnte. Diese Privilegien wurden von allen Nachkommen, den glorreichsten Kaisern mittels Spezialurkunden bestätigt, von Kaiser Conrad II., Ludwig IV., Sigismund, Albrecht II., Friedrich III. und Maximilian I. aber sämtlichen Fürsten und Ständen des Reiches durch eigene kaiserliche Mandata besonders aufgetragen, dieses Stift in Hinsicht seiner großen Verdienste gegen jede Anfechtung im Namen kaiserlicher Majestät zu schützen und zu schirmen. Selbst das ganze versammelte Reich hat, als die römischen Königswahlen Ferdinands IV. und Josephs I. in der Reichsstadt Augsburg beschlossen waren, zu Bezeugung der außerordentlichen Achtung für dieses Stift mit Umgehung der Domkirche die Wahl in der Reichsabtei St. Ulrich vorgenommen, und Kaiser Ferdinand III, und Papst Julius wollten den Abt Bernhard dieses Reichsstiftes wegen seinen Verdiensten um Reich und Religion zur reichsfürstlichen und Kardinalwürde erheben, die aber aus Demut verbeten wurde. ') Bayer. Geh. Staatsarch. K. schw. 557/4 „Reichsfriedensdeputationsverhandlungen 1802" Fol. 242 ff.

— 140 — Die Geschichte und Urkunden der Reichstage von Lindau, Augsburg, Nürnberg und Regensburg beweisen, daß die Äbte St. Ulrichs in Hinsicht ihrer Verdiensten, Würden und rechtlichem Benehmen und Sorgen für das Wohl des deutschen Reiches von den römischen Kaisern dahin berufen, zu Rate gezogen und in mehreren Fällen der Reichshilfe und ständischen Ausgleichungen als kaiserlich Reichsbevollmächtigte gebraucht worden sind. In den großen Religionskriegen suchten die Abte des Reichsstifts St. Ulrich durch liebevolles Benehmen die Wut und den Haß beider Teile zu mäßigen und wahre Eintracht herzustellen, worüber selbst Gustav der Große von Schweden aufmerksam wurde und in jenem Zeitpunkt, als sämtliche katholische Geistlichkeit aus der Stadt Augsburg auswandern mußte, dem Abte des Reichsstifts St, Ulrich erklärte, daß die Verdienste und Würde seines Stiftes um Kaiser und Reich um Aufklärung, Studien und Volkslehre von unfürdenklichen Jahren her gegründet und in dieser Rücksicht der Abt und sein Konvent auch forthin in der Stadt geschützt und geschirmt sein sollten. Aus diesen durch Dokumente, Diplome und öffentliche Reichsakten und Urkunden bewiesenen Tatsachen ergibt sich hinlänglich, daß das Stift St. Ulrich und Afra als das erste und älteste Reichsstift von allen römischen Königen, Kaisern und den gesamten Fürsten und Ständen des Reiches mit besonderer Auszeichnung bis auf diese Zeit geachtet und geschützt worden ist. Die Huld und Gnade, Schutz und Aufnahme, welche dieses Stift von dem durchlauchtigsten Stamm der Pfalzgrafen bei Rhein und Herzögen von Baiern genossen, waren die Grundlage, woraus eigentlich die vorbemerkten glücklichen Ereignisse erfolgt sind. Bruno, Bischof zu Augsburg, aus dem herzoglichen Stamm von Baiern, entfernte aus erheblichen Ursachen die Canonicos aus dem uralten Reichsstift St. Afra, berufte Benediktiner aus dem Kloster Tegernsee, übergab denselben das Stift und sein Bruder Kaiser Heinrich II. erneuerte die schon vorher bestandene Reichsunmittelbarkeit und als in dem Lauf jener Zeiten die Geistlichkeit manchen Drangsalen ausgesetzt war, haben die Herzöge von Baiern, als Wölfo VI., Otto der Große von Wittelsbach, Kaiser Ludwig IV., Ludwig Markgraf zu Brandenburg, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in Baiern, Stephan II., Ludwig der Reiche und alle nachgefolgte Regenten Baierns das Stift bei seiner Unmittelbarkeit gegen die Stadt Augsburg und jede andere Anfechtung geschützt, bei Verfolgungen in Baiern aufgenommen und in Hungersnöten selbst von Baiern aus mit den Lebensmitteln versehen lassen. Die jüngeren und letzten Regenten dieser Herzogtümer, Maximilian Joseph und Carl Theodor, haben nach dem Beispiel ihrer glorwürdigsten Vorfahren das Stift von seinem Untergang besonders dadurch gerettet, daß demselben in Hinsicht seines großen Schuldenstandes, worein es bekanntermaßen ohne sein Verschulden gestürzt wurde, eine Art Moratorium in Hinsicht der in Baiern selbst gehafteten Schulden von ^ ^ fl. gestattet worden

ist, indem Kurfürst

Maximilian Joseph eigens erklärte, daß dieses Stift als ursprünglich baierische Stiftung nach dem Willen seiner Vorfahrer nicht zu Grunde gehen dürfte. Diesen nämlichen Grundsatz hegte Karl Theodor und erwies den Äbten des Stiftes vorzügliche Gnade, Schutz und Zutrauen, und Seine jetzt regierende kurfürstliche Durchlaucht Maximilian Joseph IV. bezeugt durch höchst Ihre gnädigste Herablassung bei jeder Gelegenheit soviel Huld und Gnaden, daß das Reichsstift von diesem gütigen Fürsten sowie von höchst Ihren durchlauchtigsten Vorfahrern niemals etwas Nachteiliges durch Auflösung seiner klösterlichen Existenz zu befürchten hat, wenn besonders die Lage seiner Güter, die teils in Baiern, in der Pfalz Neuburg, im Reichsterritorio, in der Markgrafschaft Burgau und im Tyrol gelegen sind, mit der noch daraufliegenden Schuldenlast in Erwägung genommen werden sollten. Bei all diesen Gründen liegt auch noch der besondere Umstand vor, daß die Reichsabtei St. Ulrich in der Stadt Augsburg ihre Existenz hat, ihre Ge-

— 141 — bäude, Kirche und Wohnungen und hiebei eine Pfarrei von 6000 Seelen, wobei immer ein Ober- und Unterpfarrer, zween Prediger, 1 Kristenlehrer nebst mehr anderen zur Aushilfe der Seelsorge erhalten werden müssen, zu besorgen hat, welche einen bedeutenden Fundum erfordern würde, wenn hiebei die Hilfe, die der leidenden Menschheit ununterbrochen geleistet wird, beherzigt werden will. Der Unterzeichnete ist bewahret, daß die zur hohen außerordentlichen Reichsdeputation ernannten höchsten und hohen Stellvertreter mit dem Hinblick auf die entschiedene Würde des Reichsstifts St. Ulrich und Afra zur Auszeichnung als das erste und älteste Stift im römischen Reich gerechtest erkennen, und da dasselbe nunmehr gesetzmäßig der Oberherrschaft seiner kurfürstlichen Durchlaucht von Pfalz Baiern anheimfallen soll, wenigstens ein Denkmal seines Altertums, Würden, Verdiensten und Prärogativen als den letzten Effekt seiner reichsständischen Eigenschaft von Seiten des römischen Reiches verdiene. Wesfalls P e t i t u m untertänigst Unterzeichneter ehrfurchtsvoll bittet, dieses Reichsstift von Seite der außerordentlichen hohen Reichsdeputation ein Seine kurfürstliche Durchlaucht von Pfalz Baiern eine würkende Empfehlung dahin gnädigst zugehen zu lassen, diesem Stift seine fortwährende klösterliche Existenz zu belassen und solches in das Verhältnis der vaterländischen Mediatklöster huldvollst einzureihen, wodurch die sämtlichen Güter und Gebäude des Stiftes concentrirt erhalten, die gegen ^QQ fl. betragenden Schulden leichter abgeführt und dem Landesherrn das von Höchstselben gnädigst bestimmt werdende Dominieale jährlich besser abgetragen und hiebei den auf dem Stifte in Hinsicht der großen Pfarrei liegenden religiösen Obliegenheiten und Studien minder kostspielig genügt werden könnte. Der Unterzeichnete erklärt hiebei feierlichst und pflichtmäßigst, daß er durch diese gnädigste Empfehlung seinem künftigen gnädigsten Landesherrn in keinem Gegenstand ein Ziel zu setzen gedenke, sondern in Hinsicht der künftigen Bestimmungen über die Art der Existenz, Verwaltung und Wesenheit des Stifts eigene Sollicitation an den Thron Sr. kurfürstlichen Durchlaucht untertänigst bringe und sich, sein Konvent und Untertanen geradezu ohne aller vorauszusetzender Bedingnis um deswillen der höchsten Willkür Sr. kurfürstlichen Durchlaucht überlasse, weil er aus so vielen Beispielen überzeugt ist, daß dieser großmütige Fürst die von Seinen Durchlauchtigsten Ahnherren außer den Gränzen Baierns gemachte Stiftung mildtätigst erhalten und das von Kaiser und Reich und den Herzögen von Baiern als das erste und älteste geschützte Stift nicht zernichten sowie dessen Untertanen nach seiner angestammten Herzensgüte in jedem Betracht von selbst glücklich erhalten werde. Die hohe außerordentliche Reichsdeputation wird in Erteilung dieser dem künftigen Landesherrn unbefangenen Gnade und Huld dem ersten und ältesten Stift des deutschen Reiches ein Denkmal deutscher Würde und dem Unterzeichneten die letzte glückliche Würkung seiner reichsständischen Eigenschaft besonders dadurch gnädigst zufließen lassen, daß im Falle das Stift von Seite des durchlauchtigsten Landesherrn in seiner fortwährenden mediatklösterlichen Existenz erhalten würde, dasselbe jene Immunitäts- und Vertragsrechte, die «s bisher inner den Mauern der Reichsstadt Augsburg unter allerhöchst kaiserlichem und Reichsschutz genossen, für die Zukunft unter dem Schutz seines künftigen Landesherm, in dem unglücklichen Falle der Auflösung aber bis zum allseitigen Aussterben allerhöchst kaiserlichen und Reichsschutz um deswillen genießen möge, weil die reichsständische hohe personelle Würde und derselben Wohnung und Gebäude jener, die ihm zwei Grade nachsteht, niemalen unter Jurisdiction hingegeben werden kann. Reichsstift St. Ulrich und Afra in Augsburg, am 20. Oktober 1802 G r e g o r i u s , Abt.

— 142 — Nr. 4. Schreiben des Kurfürsten an Abt Gregor. 1 ) Zu Seite 48. Dem Würdigen in Gott, Unserm besonders lieben und getreuen Gregor, Abte des Gotteshauses zu St. Ulrich in Augsburg. Maximilian Joseph Pfalzgraf bei Rhein, in Ober- und Niederbaiem Herzog, des heiligen römischen Reiches Erztruchseß und Churfürst. Unsern Gruß zuvor, Würdiger in Gott, besonders Lieber und Getreuer! Da sowohl Seine königlich-preußische als auch Seine kaiserlich-königliche Majestät und zwar letztere im Namen des Großherzogs von Toscana sich durch die Lage der dermaligen Umstände veranlaßt gesehen haben, jene Reichslande, welche denselben in den bisherigen Verhandlungen mit gemeinsamem Einverständnis aller bei der Sache interessierten Mächte zugewiesen worden sind, provisorisch und bis von Kaiser und Reich etwas Bestimmtes anbeschieden sein wird, occupieren zu lassen, so sehen auch wir uns zur Sicherstellung der uns in obigen Verhandlungen ebenfalls heiligst zugesicherten Rechte in die Notwendigkeit versetzt, eine Abteilung unserer Truppen unter dem Oberbefehl unseres Generalmajors v. Gaza in die Reichsabtei St. Ulrich provisorisch zu verlegen. Dabei geben wir Euch die feyerliche Versicherung, daß das einrückende Militär den Auftrag erhalten hat, sich in die Civilverwaltung nicht im geringsten zu mischen, sondern die Grenzen einer bloß provisorischen Occupation streng zu beobachten und überhaupt die schärfste Manneszucht zu halten. Ferner hat das Militär den bestimmtesten Befehl, von den Quartiervätern außer dem gewöhnlichen Dach und Fach, Holz und Lagerstroh nicht das mindeste ohnentgeltlich zu verlangen, sondern ihre Verpflegung sowohl als auch die benötigte Fourage wird durch die zu errichtende Contracte beigeschafft und gleich baar bezahlt werden. Indem wir Euch hievon vorläufig benachrichtigen, versehen wir uns zugleich, daß Ihr Euch von der Notwendigkeit dieser Maaßregel selbst überzeugen und sie unter dem wahren Gesichtspunkte betrachten werdet. Verbleiben Euch anbey mit Gnaden gewogen M ü n c h e n , den 23. August 1802 M a x Jos. Churfürst Frh. v. Montgelas. Nr. 5. Schreiben des reichsstädtischen Magistrates an den Reichsabt Gregor vom 26. XI. 1802. 2 ) Zu Seite 52. Hoch würdiger Herr Reichsprälat! Hochgeehrtester Herr! Durch den von den hohen vermittelnden Mächten am 8. Oktober übergebenen und von der hochansehnlichen Reichsdeputation in dem Concluso vom 21. X. angenommenen zweyten Entschädigungsplan § 2 und § 27 werden der hiesigen Stadt neben vollständiger Jurisdiction auch alle geistlichen Güter, Gebäude, Eigentümlichkeiten und Revenuen in Stadt und Gebiet ohne Ausnahme zugesprochen. Nachdem nun in der von den Herrn Ministern der hohen medürenden Mächte am 15. XI. lfd. Jahres übergebenen Note die Civilbesitznahme noch vor dem 1. Dezember zu ergreifen ist, so sehen wir uns pflichtenhalber veranlaßt, von sämtlichen des bisherigen unmittelbaren Reichsstiftes St. Ulrich & Afra in hiesiger Stadt und Gebiet befindlichen Gebäulichkeiten, Gütern, Eigentümlich') Ord.-Arch. Augsburg, K 32. '') Staatsarch. Neuburg „St. Ulrich" 408.

— 143 — keiten, Revenuen und Gerechtsamen hiemit den wirklichen Civilbesitz zu ergreifen, wobei wir jedoch alles mögliche anwenden werden, was zur Erleichterung der gegenwärtigen Verhältnisse beitragen kann. Indem wir hiemit zugleich Euer Hochwürden die Eröffnung machen, daß an die betreffenden Aemter bereits die nötigen Verfügungen erlassen worden, damit vom 1. Dezember an die seitherigen Immunitäten der Geistlichkeit und ihrer Angehörigen cessieren, fügen wir noch die Versicherung bei, daß wir überhaupt gegen das bisherige Personale alle diejenige Rücksicht eintreten lassen werden, welche mit denen Pflichten gegen das uns anvertraute Gemeinwesen nur immer vereinbarlich sind. Wir dürfen übrigens von Euer Hochwürden Einsichten gar wohl erwarten, daß Wohldieselben unter den vorliegenden Umständen die Notwendigkeit einsehen werden, weder Novizen noch Geistliche aus anderen Klöstern ferners in das Kloster aufzunehmen. Schließlich gewärtigen wir sobald als möglich einen genauen Etat über den Aktiv- und Passivzustand, sowie über das Personal des Euer Hochwürden anvertrauten Klosters und behalten uns vor, Euer Hochwürden hiernach die weiteren Eröffnungen zu machen. Wir beharren mit aller Hochachtung Euer Hochwürden dienstbereite und geflissene willigste Pfleger, Bürgermeister und Räte der Reichsstadt Augsburg. Nr. 6. Protestschreiben des kurbairischen Lieutenants Wiesen an den Magistrat der Reichsstadt Augsburg. 1 ) Zu Seite 53. Da Seine kurfürstliche Durchlaucht zu Pfalz Baiern gnädigst beschlossen haben, weder von dem Hochstift und Domkapitel Augsburg noch den in der Reichsstadt gelegenen bisher dem Hochstift zugewandten und incorporierten Stifter, sowie auch dem Reichsstift St. Ulrich & Afra in Augsburg Besitz nehmen oder an den bisher bestandenen Verhältnissen dieser Stifter, deren Besitzungen und Rechte eher etwas abändern zu lassen, bevor nicht Hochselbe Ihroseits die höchst Ihnen zukommende Civilpossession ergriffen haben werden, so soll der Unterzeichnete vermöge aufhabender höchster Instruktion und im Nahmen Sr. kurfürstlichen Durchlaucht zu Pfalz Baiern gegen alle die Vorschritte und Insinuationen, die ein Wohllöblicher Magistrat der Reichsstadt Augsburg heute gegen das Hochstift, Domkapitel, Reichsstift St. Ulrich und die dem Hochstift incorporirte Stifter allhier unternommen haben, hiemit feyerlich protestieren und alles, als den bisherigen Rechten des Hochstifts, Domkapitels, des Reichsstifts St. Ulrich und der dem Hochstift incorporirten Stifter unpräjudizirlich mit dem Beisatze erklären, daß er auf der Stelle hievon die gebührende Anzeige machen werde, um die weitere höhere Weisung zu gewärtigen. Reichsstift St. Ulrich & Afra in Augsburg, am 26. November 1802 W i e s e n , Lieutenant. Nr. 7. Bericht des kurfürstlichen Lieutenants Wiesen an die Landesdirektion in Ulm vom 26. XI. 1802. 2 ) Zu Seite 53. Dem hochwohlgebohrnen Herrn Herrn Wilhelm Reichsfreyherrn von Hertling, kurpfalz-bairischem Würklichen Hofkammerrath, Kastner und Pfleger zu Mindelheim usw. ') Staatsarch. Neuburg „St. Ulrich" 408. ebd.

s)

— 144 — Heute frühe 11 Uhr nahm der Magistrat der Reichsstadt Augsburg vom Hochstiftem und so auch im Reichsstift Sanct Ulrich & Affra Civilbesitz mittels hier anligendem Schreiben. Da ich aber noch keinen anderen Befehl von Eure Excelenz erhalten habe, mache dahero im Nahmen Sr. kurfürstlichen Durchlaucht eine feuerliche Protestation darngegen und Erwarde von Eure Excelenz die weidere Verhaltungsbefehle. Da ich jndessen mit vollkommenster Verehrung mich zu unterzeignen die Ehre habe, Euer Excelenz gehorsamster Diener W i e s e n , Lieutenant. Dommkapitel,

Nr. 8. Vortrag des Landesdirektionsrates Frhr. v. Lerchenfeld vom 23. VII. 1804. i) Zu Seite 84. Freilich behaupten einige, die armen Seelen der Fundatoren hätten ein jus quaesitum auf diese Jahrtage, das ihnen ebensowenig könne entzogen werden als anderen Privatpersonen, und die Reichsstadt Augsburg begründet hierauf ihr ganzes Argument. Alle diese armen Seelen mögen sich damit trösten, daß sie durch diese Reichsgesetze im Grunde auch nicht übler als wie die Körper ihrer Urenkel behandelt werden; denn hat nicht der Reichsdeputationsrezeß diesen ihre wohlerworbenen, seit vielen Jahrhunderten besessenen, durch viele Reichsgesetze befestigten Rechte und Besitzungen entzogen? Sollten jedoch die armen Seelen der Stifter einen hinreichenden Grund zur Beschwerde zu haben wähnen, so haben sie sich nach meiner Ueberzeugung nicht an die einzelnen entschädigten Stände zu halten, sondern können sich allenfalls in corpore an die vermittelnden Mächte und den freilich schon lange aufgelösten Reichsdeputationskongreß wenden, wobei sie jedoch zu besorgen haben, daß diese verspätete Beschwerde nicht mehr angenommen und sie mit allen ihren Ansprüchen von der Hand gewiesen würden. Der Genius unserer Zeit hat ohnehin den Grundsatz aufgestellt, daß eigene Sünden durch fremdes Gebet nicht vertilgt und die Ruhe der Seele nur durch einen moralischen Lebenswandel erlangt werden könne. Vielleicht daß die armen Seelen der Stifter — meist wackerer Ritter aus den frommen Zeiten des Mittelalters, die in den letzten bangen Stunden ihres unruhigen Lebens ihren armen Seelen. dadurch Ruhe zu erkaufen suchten, daß die Mönche oder Nonnen für sie beten sollten, um sich dadurch einen sicheren Schlüssel zum Himmelreiche und oft auch einen Freipaß für alle Ausschweifungen dieser Welt zu erkaufen — diese meist für sie traurige Erfahrung schon längst gemacht haben und die Aufhebung ihrer Stiftungen eben daher ganz ruhig betrachten. Ebensowenig können sich die allenfalls noch vorhandenen Erben der Stifter über die Nichterfüllung der Stiftungszwecke bei den mit solchen geistlichen Körperschaften entschädigten Fürsten beschweren oder gar den Stiftungsfond reklamieren. Der RDHS hat über diesen Fond bestimmt, ihn mit allen übrigen Vermögen der geistlichen Gemeinden dem entschädigten Fürsten als volles Eigentum zur freien Disposition übergeben, und sie mögen sich daher ebenfalls mit ihren Reklamationen an die Mediateurs und den Reichstag wenden, wo sie sich jedoch der Entscheidung ihrer Gesuche aus den einzelnen Conclusis der Reichsdeputation auf solche Reklamationen erwarten können, wenn sie den § 276 der 66. Sitzung betrachten, wo den Freiherrn v. Galen mit ähnlichen Prätensionen kein Gehör gegeben wurde ») Staatsarch. Neuburg, „St. Ulrich" Reg. Akt 4930,13.

— 145 — Augsburg scheint nirgends zu bedenken, daß Churpfalz-Bayern die Klöster und Stifter in Augsburg als Entschädigungsobjekt für verlorene überrheinische und der Entschädigung aufgeopferte diesseitige Besitzungen zugewiesen worden seien und daß alle erhaltenen churpfalzbayerischen Entschädigungen noch kein hinreichendes Aequivalent für den erlittenen Verlust darbieten1), wohingegen die Reichsstadt Augsburg ohne nur den mindesten Verlust erlitten zu haben, so ansehnliche Bewilligungen erhielt und das diesseitige Entschädigungslos noch zu Gunsten der Reichsstadt vermindert wurde. Die Reichsstadt Augsburg hat durch die Säkularisation ohne die ihr ausgeantworteten Pfarrfonds 22191 fl. an Revenuen nach dem ersten RevenuenEtat, dann ohne die uneingeschätat überlassenen eine Menge von Gebäuden erhalten, die nach dem äußerst mäßigen Schätzungsanschlag 356457.30 fl. betragen. Bedenkt man, daß die Stadt aus den bereits verkauften schon mehr als den doppelten Schätzungsbetrag erlöst hat, so läßt sich erwarten, daß die Stadt bei dem sukzessiven Verkauf ihrer Gebäude wohl eine halbe Million erlösen könne, die sie zur Abzahlung ihrer Schulden verwenden kann. Sie hat sich nebst diesen von allen lästigen Verhältnissen und allen Befreiungen und Immunitäten purifiziert. Ihr steuerbarer Fond hat sich dadurch außerordentlich vermehrt. Die durch die Zessierung der vormaligen Umgeldfreiheit erhöhte Einnahme dieser Gefälle muß wenigstens eine Summe von jährlich 10000 fl. betragen. Der Erlös kann aber nicht in den Anschlag kommen auf Kosten Bayerns. Denn wenn auch die Reichsstadt behauptet, daß die Convention in Augsburg sich durch die Säkularisation sehr vermindere, so darf man nur bedenken, daß die Bräuhäuser in Augsburg nie hinreichten das Bedürfnis zu befriedigen, sondern jährlich viele hundert Eimer vom Land hereingebracht werden mußten, die nun für die Zukunft zessieren können. Die Befreiung der Fleischakzise, die der Geistlichkeit und ihrem Personal sonst zugestanden hatte, hört dermalen gänzlich auf und auch dadurch vermehren sich die reichsstädtischen Revenuen beträchtlich. Die Reichsstadt Augsburg wendet freilich dagegen ein, daß sie dasjenige, was sie eigentlich als Entschädigung erhalten habe, nicht zu kirchlichen Ausgaben verwenden dürfe, indem hierauf der protestantische Religionsteil ebenfalls Anspruch mache und nur dasjenige, was Churbayern an Kirchengut der Stadt überlasse, als solches zur besonderen Disposition zum Behuf des katholischen Gottesdienstes überlassen wolle. Allein diese Zwiste der beiden Religionsteile untereinander gehen Churbayern nichts an und dann können die Katholiken den Protestanten immer erwidern, daß auf dem Objekte, welches die Reichsstadt durch den Entschädigungsplan erhalten hat, die Verbindlichkeit ruhe, den katholischen Gottesdienst in der Stadt zu besorgen. Nur nachdem diese Verbindlichkeit erfüllt sei, könne das übrigbleibende als gemeinschaftliches Aerarialgut beider Religionsteile angesehen werden. Die Deputierten führen ferners an, daß ihnen unmöglich aufgebürdet werden könne, von einem und demselben Objekte den Gottesdienst zn besorgen und dennoch von demselben auch Pensionen zu bezahlen und an den Schulden beteiligt zu werden. Allein wenn die Reichsstadt ihren katholischen Gottesdienst nur mit pensionierten Mönchen und Vikariern versehen lasse, so wird der Auf1) Nichts war unwahrer als diese Behauptung. Lerchenfeld verfällt hier in den gleichen Fehler, den auch die anderen Politiker seiner Zeit begehen: die Verluste des eigenen Landes werden sehr hoch und seine Entschädigungen sehr niedrig angeschlagen. Bayern gehörte vielmehr zu den Staaten, die dank der Unterstützung der vermittelnden Mächte weit mehr bekamen, als sie 1801 verloren hatten. Beide, Franzosen und Russen, buhlten eben um seine Gunst und wollten es zu einer starken Vormacht gegen Osterreich machen. Verloren hatte Bayern nach den französischen Tabellen (abgedruckt bei Gaspari, Der Deputationsreceß, Hamburg 1803, II. Anhang S. 365 f) 186'/2 Quadratmeilen Land, 580000 Einwohner, 4250000 fl. Einkünfte. Als Entschädigung erhielt es 290 Quadratmeilen Land, 854000 Einwohner, 6607000 fl. jährliche Einkünfte.

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— 146 — wand auf denselben sehr gering sein. Sie darf diesen pensionierten Geistlichen nur noch die Stolgebühren überlassen und freie Wohnungen einräumen, so werden sie sich hiezu willig finden. Sind aber einmal die Pensionisten ausgestorben, dann kann die Stadt jenes, was sie auf Pensionen verwendet hat, zum Unterhalt der Seelsorger bestimmen. Sie wird mithin nie zugleich zu Pensionen und dem Unterhalt der Geistlichen verbunden sein. D a alles erweisliche Pfarr-Kirchengut von der Beteiligung an den Schulden freibleibt, so kann sich die Reichsstadt wegen der Beteiligung der übrigen zur Säkularisation geeigneten Einkünfte nicht beschweren. Ob eine Reichsstadt, die so ansehnliche Bewilligungen erhalten hat, ohne den mindesten Verlust erlitten zu haben, einen billigen Anspruch auf die Großmut Sr. churfürstlichen Durchlaucht machen könne, will ich hier nicht entscheiden. Sobald von der Gnade des Regenten, der Großmut gegen eine benachbarte Reichsstadt die Sprache ist, so muß solche bloß der Beurteilung des höchsten Hofes anheimgestellt werden, dem es wohl bekannt ist, inwiefern die Reichsstadt Augsburg sich dieser Gnade durch ihr Benehmen würdig gemacht habe! Wenn die Reichsstadt ihre rechtlichen Forderungen auf sämtliches Kirchengut und alle Stiftungskapitalien mit dem höchsten Trotz aufstellt, dadurch Churbayern bei 250000 fl. Kapitalien und ohne deren Interessen über 8 0 0 0 fl. Revenuen entziehen will, dann erfordert es unsere heilige Pflicht, diese Ansprüche genau zu prüfen und sie in ihrer Blöße darzustellen. Wenn nebst diesem allen die Stadt noch weiters fordert, daß, da alle diese Stiftungen noch nicht zur Ergänzung der nötigen Pfarrfonds hinreichen, der Abgang auch noch von diesseits nach dem Revenuenverhältnis herbeigeschafft werden müsse, so kann ich mich nicht enthalten, diese Forderung in einem hohen Grade unverschämt zu finden. Doch verlangt nicht auch diese Reichsstadt, daß die von den Stiftern und Klöstern gegebenen Almosen noch ferner von Churbayern gegeben werden? Wo doch die milden Stiftungen in Augsburg so äußerst beträchtliche sind und gegen 120000 fl. jährliche Einkünfte besitzen Ich sehe freilich voraus, daß die Reichsstadt die ganzen Unterhandlungen abbrechen wird und die Deputierten mit einem neuen Beschwerdenbuch sich an den Hof wenden. Doch ich hoffe durch den gegenwärtigen Vortrag das 18000 fl. jährliche Revenuen betragende Objekt, u m welches es sich handelt und die Rechtsverhältnisse der reichsstädtischen Ansprüche auf alles Kirchengut hinreichend auseinandergesetzt zu haben und ruhig die höchste Prüfung unseres Benehmens, die uns nicht wird versagt werden, zu erwarten und uns zuversichtlich damit zu trösten, daß die Schuld der abgebrochenen Unterhandlungen nicht bei uns, sondern dem jenseitigen Benehmen beruhe. v. L e r c h e n f e l d .

Nr. 9.

Auszug aus den „Gegenbemerkungen" der Oberkirchenpflege 1 ) zu den Bemerkungen des Reichsstifts über die Revision der Kultusausgaben vom 22. IX. 1804. 2 ) Zu Seite 100. . . . . Von Seiten des Gotteshauses ist bloß darauf Bedacht genominen worden, wie man die Stadt recht tüchtig belasten und ruinieren möge, daher die ausgesuchtesten Titel zum Revenuenanschlag gebracht worden, z. B. das Bräuhaus mit 2794 fl. 46 kr. 7 hl., der Weinschenkkeller mit 1391 fl. 51 kr ') In der Folge abgekürzt OKP. ) Staatsarch. Neuburg, „St. Ulrich" 429, 75/82.

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— 147 — Freilich mag es dem Gotteshaus ganz blau vor den Augen und unmächtig ums Herz geworden sein, als nach der Pensionseröffnung von Seiten Bayern die unerwartete Erklärung erfolgte, daß für den Gottesdienst kein Ersatz geleistet werde; allein statt einen Schleichweg zu Inductionen einzuschlagen und in dem Vertrauen, der Cumulativ-Collegialität der städtischen Deputation Schlingen zu stellen, hätte man besser getan, wenn mau sich mit gemeinschaftlicher Rechtschaffenheit an Bayern gewandt und das, was die Lokalkommission wie immer versehen hat, durch so wahrhafte als dringliche Vorstellungen erwirkt hätte; dies wäre der gerade, offene und ehrliche W e g und gewiss eben darum gesegnete gewesen, anstatt daß von der Stadt allein, welcher die intra territorium verbliebenen Einkünfte so zugeschnitten sind, daß sie genau mit Passivcapitalzinsen und Pensionen absorbiert werden, eine Vergütung von 4104 fl. zuerst erschlichen, dann ertrotzt werden will. Ein anderes wäre es freilich, wenn die Mittel hinreichend vorhanden wären und aus Gewinnsucht an dem Gottesdienst abgebrochen werden wollte, dann würde eine Erinnerung in einer dem Clero anständigen Sprache am rechten Ort stehen und von der OKP sich der vollsten Unterstützung zu erfreuen haben, allein das Gotteshaus konnte ja nicht ignorieren, sowohl was der Stadt intra territorium verblieben, als was für den Gottesdienst in paratis vorhanden sei. Dahero auch die Prätensionen, die Jahrtäge extra zu bezahlen, von der OKP nicht genehmigt werden. Es ist zwar richtig, daß vermöge eines von dem H. Archivar und Großkellner P. Placidus Braun herausgegebenen Verzeichnisses eine Summe von 22668 fl. an Stiftungen für Jahrtäge, ewiges Licht, Almosen und andere fromme Zwecke docirt werden kann; allein wo sind diese Stiftungskapitalien zu finden? Bei der Liquidation mit der churpfalzbairischen Kommission haben sich nicht mehr als 9910 fl. in der Fabric- oder Prioratsrechnung vorgefunden W i e will man denn solche von der Stadt fordern, da die Stadt die Stiftungskapitalien nicht erhalten hat? Freilich steht es in der fürtrefflichen Abhandlung über die Anwendung des Luneviller Friedens, daß die Jahrtagskapitalien und Stiftungen zu hl. Messen geschützt und erhalten werden müssen, allein wo sind denn die 22668 f l . ? Allerdings würde Bayern das Recht haben (vorausgesetzt, daß solche vorhanden und von der Stadt extra cultum gezogen werden wollten) die Stadt daf ü r zu belasten, allein dafür sind wir schon sicher und mit aller Sophisterey kommt über obige 9910 fl. kein Kreuzer zum Vorschein, was nicht von Bayern aus dem Fond der mixtierten Klostergüter etwa noch in amicabili erbettelt wird. Es ist keine Kunst, Grundsätze aufzustellen, wie man sie nötig hat, aber eine größere Kunst ist es, solche Grundsätze geltend zu machen, wo man den Vogel nicht in Händen hat W i r wissen also nichts besseres zu tun, als das Gotteshaus selbst dahin zu weisen, wo diese Stiftungen mit dem mixtierten Klostervermögen hingewandert sind. Von Seiten der Stadt hat man sich längst erboten, seine R a t a nach dem Revenuenverhältnis gern zu diesen Stiftungen beizutragen, wenn nur auch Bayern seine Quota den bezogenen Einkünften gemäß beizutragen sich gefallen lassen wollte; aber Bayern ist nicht so gutwillig wie die Stadt Augsburg und daß die städtische Deputation diesen guten W i l l e n der churfürstlichen Regierung nicht einimpfen kann, geschieht wahrlich nicht aus einem Versehen, das die Stadt aus eigenen Mitteln zu ersetzen schuldig wäre. Man wird alles erschöpfen, man wird sogar diese gotteshäuslichen Bemerkungen der churpfalzbairischen Regierung vorlegen, um solche zur Erreichung des unterliegenden Zweckes zu vermögen; wenn es aber doch nichts hilft, dann müssen wir die weiteren Sprünge dem Gotteshaus selbst überlassen. Der gänzlichen Unwissenheit in facta schreiben wir es endlich zu, wenn der Verfasser in dem Irrwahn steht, daß die Stadt von dem Getreidevorrat i m ganzen nur ein Körnlein profitiert habe; sämtliche Vorräte an Kassen und Kästen bei Stiftern sind zur Bezahlung der Currentschulden verwendet worden

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— 148 — Nr. 10. Gutachten des Augsburger Ratsherrn Jos. Joh. Adam Frhr. v. Seida auf Landen sberg zum Gesuch des Reichsprälaten um Erhaltung des Stifts v. 20. VIII. 1 8 0 5 . 1 ) Zu Seite 107. Der Herr Abt Gregor zu St. Ulrich hat unlängst beim Magistrat eine Vorstellung eingereicht, welche der diesseitigen Deputation zur vorläufigen Begutachtung mitgeteilt worden ist. Sie stellt die Ansichten des Herrn Abts und seiner Conventualen von den Klosterangelegenheiten in Hinsicht auf die Richtung dar, welche sie der Pfarrei und dem Kloster künftig gegeben zu sehen wünschen und faßt daher mehrere Gegenstände auf, die aber ziemlich verworren und dunkel ausgedrückt sind. Ohne genügsame Bestimmtheit berührt der Herr Abt bald diese, bald jene Idee und fertigt das Wichtigere nur mit wenigem ab. Am meisten hebt sich in seiner Vorstellung der Antrag hervor, dem Kloster die urkundliche Zusage zu geben, daß es niemals förmlich aufgelöst, sondern vielmehr auf seinen bisherigen Fuß organisiert beibehalten werden solle. Er gründet sich dabei unter anderem auf das Vorgeben, daß nach erhaltener magistratischer Versicherung der fortdauernden klösterlichen Existenz von St. Ulrich auch des Kaisers Majestät die bisher in Beschlag genommenen nicht unerheblichen Güter und Revenuen im Tyrol und der Markgrafschaft Burgau dem Kloster zurückstellen und den eigentümlichen Besitz und unbeschränkten Genuß derselben wieder überlassen würde. Zugleich fügt er das Erbieten seiner Religiösen zur fortwährenden Versehung der Pfarrei und zu pädagogischen Diensten hinzu. Ich will hierüber nun dem Magistrat meine individuellen Überzeugungen unverhohlen darlegen und die Gesichtspunkte anzugeben versuchen, an die sich Hochderselbe, meines unvorgreiflichen Dafürhaltens, notwendig halten muß, um zu einer richtigen und umfassenden Ansicht des vorliegenden Antrages zu gelangen, damit die Anforderungen des eigenen Staatsinteresses nicht übersehen, noch die neuen Rechte vernachlässigt werden, welche die Weisheit und Gunst der vermittelnden Mächte gründeten. Schon seit der Besitznahme war der Gedanke an Erhaltung des Klosters im unveränderten Zustande gewiß nicht mehr neu, nur möchte der Versuch zur Ausführung desselben seine eigenen Schwierigkeiten haben. Um mit Erfolg Hand an das Werk zu legen, brauchte man Zeit und damit es auf gute Art geschehe, war eine besondere Veranlassung nötig. So wird es denkbar, daß die Religiösen zu St. Ulrich, welche dem Reformations- und Revolutionsgeiste unserer Zeit, der die Mönche und Nonnen aus ihren Klosterzellen wieder in das bürgerliche Leben versetzt hat, nicht sonderlich hold zu sein scheinen, rastlos allen Wegen nachspürten, wie sie wenigstens vorerst ihre verlorenen Besitzungen im Osterreichischen wieder an sich bringen könnten und daß sie auf diesen Punkt seither umso lebhaftiger hinarbeiteten, je wahrscheinlicher sich bei der dermaligen Tendenz der Römisch-kaiserlichen Regierung ein günstiges Resultat hoffen ließ. Aber nach der Art, wie der Herr Abt Gregor diese Hoffnungen dem Magistrat vorbringt, kann man noch zur Zeit auf nichts weniger als auf die Gewißheit ihrer Erfüllung schließen; wir erfahren nicht einmal, ob und welche Schritte das Gotteshaus St. Ulrich zur Wiedererhaltung seiner sequestrierten Güter am kaiserlichen Hof getan hat; wir wissen nicht, ob es die Gründe zu seiner vorliegenden Bitte unmittelbar an jener höchsten Quelle holte oder ob etwan die Hoffnungen, womit es sich in dieser Hinsicht schmeichelt, nur auf frommen Wünschen beruhen, die aus dem Schöße des Klosters selbst hervorgingen. >) Stadtarch. Augsburg, „St. Ulrich" 10. 3.

— 149 — D a ß b e i d e m Geiste, der das W i e n e r Kabinett beseelt, f ü r einen gedeihlichen E r f o l g d e r diesfalls einzuleitenden Sollizitationen e i n i g e r m a ß e n Aussichten sich eröffnen d ü r f t e n , will ich z w a r n i c h t bezweifeln, aber etwas Authentisches, etwas Solches, das i n diesem Fall Zuverlässigkeit gäbe u n d den M a g i s t r a t bew e g e n könnte, in das Anliegen w i l l f ä h r i g einzugehen oder ü b e r dasselbe m i t d e m kaiserlichen H o f zu c o m m u n i z i e r e n , ist w e d e r jetzt schon v o r h a n d e n , noch w i r d dasselbe so leicht n i c h t zu e r w ü r k e n sein. Bei solchen U m s t ä n d e n b e h a u p t e ich, d a ß der M a g i s t r a t n a c h der i h m obl i e g e n d e n F ü r s o r g e f ü r das Beste des G e m e i n w e s e n s die A n g a b e des H e r r n Abts v o r d e r h a n d n u r als ein wünschenswertes E r e i g n i s m i t B e h u t s a m k e i t a u f n e h m e n d ü r f e und d a ß i h m vor allem d a r a n gelegen sein müsse, nicht n u r allein die G e s i n n u n g e n des Allerhöchsten Kaiserhofes ganz b e s t i m m t zu wissen, s o n d e r n auch d a r ü b e r eine legale Ausweisung zu erhalten, d a ß von dieser Seite e i n e r u n w i d e r r u f l i c h e n u n d u n b e s c h r ä n k t e n Z u r ü c k e r s t a t t u n g d e r sequestrierten G ü t e r an das Kloster, falls es als solches zu bestehen habe, s t a t t g e g e b e n werde, ehe er a n seinem T e i l e auf i h r etwas Verbindliches sich einlassen könne. Diese Ausweisung ist in jeder Hinsicht f ü r das magistratische B e n e h m e n so wichtig, ja unerläßlich, d a ß die F r a g e , ob d e m Kloster die N i c h t a u f l ö s u n g schon jetzt f e i e r l i c h s t zuzusichern sei, an sich w o h l so lange ganz v e r n e i n e n d ausfallen m u ß , bis jene Ausweisung in legaler F o r m b e i g e b r a c h t sein w i r d , zumal m a n u n m ö g l i c h die Absicht, die klösterliche K o r p o r a t i o n allein d e r P f a r r e i w e g e n beizubehalten, i m Gesichtspunkte haben k a n n u n d wird, wenigstens w ü r d e das, w e n n es wirklich geschähe, unseren k l e i n e n Freystaat n i c h t n u r j ä h r l i c h einen sehr b e d e u t e n d e n Teil seiner E i n n a h m e n kosten, sondern a u c h in a n d e r e n R ü c k sichten, auf die es w o h l u n n ö t i g ist, h i e r jetzt die A u f m e r k s a m k e i t des M a g i strats besonders zu h e f t e n , von nicht zu b e r e c h n e n d e n schädlichen F o l g e n sein. U m s o m e h r m u ß d e r M a g i s t r a t den Vorteil des G e m e i n w e s e n s e r w ä g e n . D e m g e m ä ß k a n n er, wie die Sachen jetzt stehen, den A n s u c h u n g e n des H e r r n Abts höchstens n u r m i t d e m u n v e r f ä n g l i c h e n Zeugnisse e n t g e g e n g e h e n , d a ß die B e n e d i k t i n e r a b t e i zu St. Ulrich n o c h zurzeit n i c h t f ö r m l i c h s u p p r i m i e r t sei u n d daß auf den Fall, d a ß i h r von Sr. M a j e s t ä t d e m Kaiser die in Beschlag gen o m m e n e n G ü t e r als f r e i e s E i g e n t u m auf ewige Zeiten w i e d e r g e s c h e n k t w e r d e n w ü r d e n u n d sie f o l g l i c h ü b e r den Besitz eines zu i h r e m U n t e r h a l t h i n r e i c h e n d e n V e r m ö g e n s sich zu l e g i t i m i e r e n i m s t a n d e w ä r e , der M a g i s t r a t n i c h t a b g e n e i g t sei, das Dasein dieser religiösen K ö r p e r s c h a f t u n t e r gewissen festzusetzenden Bedingnissen i n s o f e r n e zu schützen, als dieselbe sich n e b e n d e m p f a r r l i c h e n Kirchendienste den W i s s e n s c h a f t e n u n d d e m öffentlichen U n t e r r i c h t e auf eine g e m e i n n ü t z i g e W e i s e w i d m e n würde. I m Mittelalter e r w a r t e t e m a n das Heil der M e n s c h h e i t bekanntlich aus den Klöstern, i n u n s e r e m Zeitalter aus den Instituten f ü r die J u g e n d . I n dieser Hinsicht u n t e r s u c h e ich f ü r d e n Augenblick nicht, wieviel oder wie w e n i g an der R i c h t i g k e i t des prälatischen Vorgebens sein m a g ; ich setze voraus, d e m kaiserlichen Hof sei es w i r k l i c h ernst, d e m Kloster St. Ulrich u n d n u r d e m Kloster die sequestrirten G ü t e r zu restituieren u n d in d e r Voraussetzung bin ich beglaubt, daß die diesfallsigen Vorschritte des H e r r n Abts aus w i c h t i g e n staats- u n d aus F i n a n z g r ü n d e n die H a n d b i e t u n g e n des Magistrats wohl verdienen d ü r f t e n , i n d e m aus der B e i b e h a l t u n g des Klosters, so m a n c h e r l e i Zweifel auch zeither ü b e r den W e r t d e r m ö n c h i s c h e n I n s t i t u t e in b ü r g e r l i c h e r u n d staatsrechtlicher Hinsicht a u f g e w o r f e n w o r d e n sind, f ü r das Erziehungswesen u n d d e n Kultus ein u n m i t t e l b a r e r G e w i n n allerdings gezogen w e r d e n k ö n n t e : der öffentliche U n t e r r i c h t d ü r f e ü b e r h a u p t wohl den w ü r d i g s t e n G e g e n stand klösterlicher M u ß e a u s m a c h e n ; selbst nach der R e g e l Benedikts ist wissenschaftliche T ä t i g k e i t ein H a u p t z w e c k d e r Mönchsorden. In d e r T a t e r f r e u e n d ist die Stelle aus d e m 48. cap. der B e n e d i k t i n e r r e g e l : „ D e r M ü ß i g g a n g w i d e r spricht der a n g e b o r e n e n T a t k r a f t der Seele; er w i r d erzeugt d u r c h den Abg a n g interessanter u n d nützlicher B e s c h ä f t i g u n g ; aus i h m entstehen Stolz u n d Ünbiegsamkeit, endlich alle Art n i e d e r t r ä c h t i g e r A u s s c h w e i f u n g e n . "

— 150 — Es wäre dann gar keine üble Akquisizion für unser Gemeinwesen, wenn wir in dem Kloster eine wahrhaft gute, die Berufskenntnisse zunächst berücksichtigende Bürgerschule aufblühen sähen, in welcher der junge Bürger auf den Eintritt in das bürgerliche Leben von erfahrenen und sprachkundigen Geistlichen zweckmäßig vorbereitet, für seine Verhältnisse gebildet und belehrt würde, auf welche Weise er alle seine Umgebungen für sich selbst benützen könne. Allein nicht zu erwähnen, wie weit aussehend dieser Erfolg an sich ist, so ist nach meiner Meinung, die nun neuerdings noch eine festere Stütze gewinnen dürfte, seitdem die großen militärischen Anstalten in Österreich und Italien immer mehr auf Krieg deuten, nicht einmal Wahrscheinlichkeit da, daß der Kaiser ernstlich bereit sein sollte, dem Kloster St. Ulrich die kraft der eingetrettenen Säkularisation in Beschlag genommenen Güter desselben zurückzugeben und zur Ausstattung unseres Kultus- und Erziehungswesens beizutragen. Man versuche es nur, jene unter diesem Titel zu reklamieren, ob nicht die Antwort erfolge: So manche nötigen und dürftigen Schulen in dem eigenen Staate hätten dringendere Ansprüche auf die kaiserliche Mildtätigkeit als Institute in fremden Ländern und dergl. Man sieht also aus diesen Anführungen, daß es äußerst gefährdend sein dürfte, schon jetzt in einen Antrag bestimmt einzugehen, den der Magistrat, wie er gegenwärtig vorliegt, nicht wollen kann, nicht wollen darf, ohne die Vorsicht zu unterlassen, die er dem Gemeinwesen schuldig ist, um es vor Nachteilen jeglicher Art zu bewahren Frhr. v. Sei da.

Nr. 11. Bittgesuch des säkularisierten Reichsstifts an Pius VII. um Unterstützung seiner Wiederherstellungsbestrebungen vom 13. I. 1805. Zu Seite 108. Wie ungerecht die deutsche katholische Geistlichkeit durch die Säkularisation behandelt worden und welch traurige Folgen daraus für die katholische Religion entsprungen, zeigt folgende Betrachtung: Nach dem 7. Artikel des Luneviller Friedens wurde in Betreff des deutschen Reiches bestimmt: „Da besonders durch die von dem Reiche an die französische Republik geschehene Abtretung viele Fürsten und deutsche Reichsstände ihres Besitzes ganz oder zum Teil entsetzt wurden, zugleich aber durch die Bedingungen des gegenwärtigen Friedens der sich ergebende Verlust von der Gesamtheit des deutschen Reiches getragen werden muß, so sind S. M. der Kaiser und König in ihrem und des deutschen Reiches Namen mit der französischen Republik übereingekommen, daß nach den auf dem Rastatter Kongreß förmlich festgesetzten Grundsätzen das deutsche Reich gehalten sein solle, den auf dem linken Rheinufer entsetzten Erbfürsten eine Entschädigung zu geben. Sie wird aus den Mitteln des Reiches genommen werden. Die Maßregeln, welche dabei zu befolgen sind, sollen nach diesen Grundlagen ferner bestimmt werden." Gemäß diesem Artikel soll die Entschädigung, welche die Erbfürsten für die auf dem linken Rheinufer erlittenen Verluste bekommen, von den Mitteln des Gesamtreiches geleistet werden. Allein sowohl der Zweck als die Art der Entschädigung ist auf dem Reichskongresse zu Regensburg zum höchsten Nachteil der deutschen katholischen Geistlichkeit außer acht gesetzt worden. — Die l ) Ordinariatsarch. Augsburg, Manuskr. Sammlung, Gesammelte Schriften aus dem Nachlaß P. Placidus Brauns, Fasz. A.

— 151 — Reichsdeputation mit den vermittelnden Mächten dachte nicht auf Entschädigung, sondern nur auf Bereicherung einiger Stände, auf Vermehrung und Erweiterung ihrer Länder und völliger Unterdrückung der katholischen Geistlichkeit. — Und diese so betitelte Entschädigung wurde nicht von der Gesamtheit oder aus den Mitteln des deutschen Reiches, sondern nur von den Gütern und dem Vermögen der deutschen katholischen Geistlichkeit genommen. Diese, welche während des Krieges die Reichspflicht gegen Kaiser und Reich so treu erfüllte, mußte allein das Opfer werden zur Entschädigung oder vielmehr willkürlichen Bereicherung ihrer Reichsmitstände. Es wurden nach diesem Reichstagsbeschluß alle Stifter, alle Klöster, alle geistlichen Korporationen aufgehoben, ihre Güter gleichsam plus licitanti verteilt und zu profanem Gebrauch verwendet, und die Individuen aus den Klöstern mit einer schmalen Pension verjagt. Die Klöster werden nunmehr verkauft und destruiert, die Kirchen profaniert. Das Lob Gottes ist verstummt, der feierliche Gottesdienst geschmälert, der E m p f a n g der heiligen Sakramente dem christlichen Volke erschwert, der Unterricht der Jugend fast ganz gehemmt oder solchen Leuten anvertraut, welche die gefährlichsten Grundsätze verbreiten. Der so geächtete Priesterstand erhält entweder gar keine Zöglinge m e h r oder nur solche, welche die verderblichsten Grundsätze in das Heiligtum mitbringen. Die Jugend muß auf solche Art verwildern, die Erwachsenen müssen aus Mangel einer religiösen Anfeuerung und des Gebrauches der Sakramente erkalten und gegen alles, was religiös ist, gleichgiltig werden, die Alten und Sterbenden sich allen geistlichen Trostes beraubt sehen, und so muß allmählig die katholische Religion nach dem Plane der Neuphilosophen zu Grunde gehen. Das ist die durch die Säkularisation verursachte traurige Lage der katholischen Religion in Deutschland. Das wirksamste Mittel nun, ihr aus derselben wieder herauszuhelfen, ist die Wiederherstellung einiger geistlichen Korporationen oder Klöster. In diesen können wieder Männer in der Frömmigkeit, in der Glaubens- und Sittenlehre gebildet werden, die i m Stande sind, mit gemeinsamer Kraft den Neuphilosophismus zu bekämpfen, Geist und Herz der Jugend zu bilden, die Irregeführten auf den W e g des Heils zurückzuführen, die Seelsorger mit thätiger Hilfe zu unterstützen, dem christlichen Volke den E m p f a n g der heiligen Sakramente zu erleichtern. Und wenn bei Wiederherstellung einiger Klöster auf einen Orden Rücksicht genommen werden darf, so verdient es gewiß der Orden des heiligen Benedikt. Diesem Orden hat ja fast ganz Deutschland das Christentum und damit die Kultur seines Bodens und die Bildung seiner Bewohner zu verdanken. Dieser Orden zählt noch gelehrte und gottesfürchtige Männer, welche sowohl der Religion als dem Staate wichtige Dienste leisten können und werden. In Schwaben ließen sich die zwei Abteien zu St. Ulrich und Afra in Augsburg und die zu Neresheim leicht wieder fotidieren. Die erstere hat eine Pfarrei gegen 5000 Seelen, welche, weil ohne Fond, von der Stadt fondiert werden m u ß . Dieser Fond könnte zugleich auch der eines Klosters sein, und wenn die Existenz kann erwiesen werden, so würden die von S. M. sequestrierten Güter gar leicht erlangt werden. Überdies haben die Religiösen diese Pfarrei schon mehrere Jahrhunderte aus ihren eigenen Mitteln unterhalten, und besonders die katholische Religion während der schwedischen Occupation, da die übrige Geistlichkeit die Stadt hat verlassen müssen, ohne Furcht vor dem Kriegsungemach, vor Hunger und Pest und Verfolgung erhalten. Die Abtei Neresheim ist von dem Fürsten v. T h u m und Taxis zu einem Lyzeum umgeschaffen worden. Die gelehrten und wackeren Religiösen bilden jetzt die Jugend und wünschen nichts sehnlicher, als daß die Anstalt wieder Kloster und Abtei werde. Es ließen sich auch noch folgende in Vorschlag bringen: Ochsenhausen, Weingarten, Ottobeuren, Füssen, Donauwörth, Irsee und Elchingen.

— 152 — Nr. 12. Antwortschreiben Pius VII. auf das Bittgesuch des Reichsstifts vom 13. I. 1 8 0 5 . ^ Zu Seite 108. Dilecte Fili! Salutem et Apostolicam Benedictionem! Etsi funestissimus rerum Ecclesiasticarum in Germania status probe cognitus Nobis esset, quae tarnen litteris Idus Januarias incipientis anni datis ad Nos scripsisti, talia sunt, ut gravem animi nostri dolorem plane refricaverint. Universa enim, qua late patet, Ecclesia sollicitudines nostras exercet, et quae Benedictinum Ordinem, in quo alti educatique sumus, respiciunt, peculiari quodam modo ad Nos pertinere existimamus. Monasteria igitur ejusdem Ordinis de medio sublata, collapsam in iis, quae adhuc supersunt, disciplinam non vehementer ingemiscere non possumus. Nos quidem apostolico ministerio nec defuimus unquam nec opitulante Deo defuturi erimus. Nulla igitur temporum difficultate deterriti, nulla curarum, quibus obsidemur, mole impediti, nulli denique labori parcentes, in id cogitationes curasque nostras intendemus, ut monastica istic instituta maneant monasticaeque disciplinae vigor reflorescat. Te vero, dilecte Fili, quemadmodum et reliquos Sueviae Abbates, quorum etiam nomine ad Nos scripsisti, vestram Nobiscum operam collaturos non dubitamus. Satis enim pietatem et zelum, quo quisque vestrum pro domo Dei incendilur, novimus. Vos itaque omnes, quo vehementiore studio possumus, interea obtestamur, ut omnipotentem Deum pro felici transactionum exitu assiduis precibus sollicitetis, et quantum in Vobis est, ut regularis disciplina morumque sanctitas in monasteriis, quibus praeestis, redintegretur, vigeat, elucescat. Hoc enim pacto, qui ex adverso sunt, verebuntur, non habentes malum dicere de Vobis. Atque ita futurum sperantes Apostolicam Tibi aliisque Abbatibus et Religiosis in Suevia viris, quos generatim nominas, Benedictionem peramanter impertimur. Datum Parisiis die 2 da Februarii 1805 Pontificatus nostri anno quinto. P i u s VI. Dominicus Testa.

Nr. 13. Aus dem Gutachten des Ratskonsolenten Joh. Conr. Schmid über die Pfarrhausfrage vom 30. VIII. 1804. Sein Vorstoß gegen Frhr. v. Seida. 2 ) Zu Seite 112. Es ist sonderbar, daß die löbl. Administrationsdeputation sich die angestrengteste Mühe gibt, dem Cultui catholico das St. Ulrikanische Pfarrhaus, welches von Seiten der churpfalz-bayerischen Kommission als vollständig erwiesen außer Konkurrenz und dem katholischen Pfarrwesen überlassen worden, an- und abzustreiten; noch sonderbarer ist es, daß die katholischen Deputierten sich an die Spitze des Widerspruches stellen und die Feder in die schwarze Tinte stoßen, um der verarmten Pfarrei noch das letzte Hemd vom Leibe weg zu schreiben. Am allersonderbarsten ist es aber, daß sogar noch die stärksten Beweisdokumente ignorirt oder gar hinterschlagen werden, um seine Intention durchzusetzen. 1 ) Ordinariatsarch. Augsburg, aus dem Nachlaß P. Plac. Brauns, 2) Ordinariatsarch. Augsburg, aus dem Nachlaß P. Plac. Brauns,

Manuskr. Sammlung, Gesammelte Schriften Fasz. A. Manuskr. Sammlung, Gesammelte Schriften Fasz. A.

— 153 — . . . . Die aus Archivalurkunden gezogene Dokumentation des Archivars P. Placidus Braun ist ganz weg geblieben. Aus dieser Deduktion hätte man sich die in dem Gutachten aufgeworfenen Fragen alle selbst beantworten können, aber man ging darüber weg, als ob man von nichts anderem wüßte als dem Salbuchextrakt, welcher zwar schon an und für sich selbst hinlängliche Beweiskraft gegen die sophistischen Spitzfindigkeiten 'der Halbgelahrtheit enthält. Es darf freilich kaum bemerkt werden, daß das Interesse des aerarii nur zur Masque dient, worunter sich ein böser Wille und gehässige Abneigung gegen das katholische Religionswesen verstecken will Es würde das aerarium sein Glück sehr schlecht befestigen, wenn man dasselbe nur durch offenbare Ungerechtigkeiten bereichern und unterstützen wollte. Sicher würde Bayern sofort das städtische aerarium mit neuen Pensionen und Schuldenüberweisungen belasten und den Gewinn so versalzen, daß man wünschen würde, ja die Hand davon gelassen zu haben; haben wir denn an den zugeworfenen 79 785 fl 23 kr 3 hl ulrikanischer Schulden noch nicht genug ? Nr. 14. Bittschreiben der Pfarrgemeinde St. Ulrich an die K. bayer. Organisationskommission um Abwendung der geplanten Kaserne von den Stiftsgebäuden vom 27. VI. 1 8 0 6 . Zu Seite 113. Die allergnädigste Absicht der K. Regierung, die hiesige Einwohnerschaft von dem drückenden Quartierlast möglichst zu befreyen, macht es notwendig, daß für das hieher bestimmte königliche Militair die nötigen Casemen hergerichtet werden. Inzwischen hat die alleruntertänigst unterfertigte katholische Gemeinde der Pfarrei St. Ulrich äußerlich vernommen, daß die Gebäude dieses ehemaligen Reichsstifts hiezu verwendet werden wollen. Die gnädigen, wohltätigen und gerechten Gesinnungen, welche eine kgl. Kommission seit ihrem hiesigen Bestand der gesamten Bürgerschaft Augsburgs in allen Zweigen der Staatsverwaltung mit geschwinder Hülfe hat erwürken lassen, erlaubt auch uns eine dringende Vorstellung untertänigst zu überreichen. Die weit ausgedehnte Pfarrei St. Ulrich befaßt bei der jetzigen ziemlich verringerten Anzahl der Einwohner noch bei 6000 Seelen und die Kirche ist nach dem Dom die erste Hauptpfarrkirche der Stadt, worinnen die hl. Schutzpatrone des Landes und der Stadt und 6 heilige Bischöfe ruhen und wohin die ganze Bürgerschaft in allen Nöten ihr entsprechendes Vertrauen widmet. Sollten nun die inneren Gebäude zu einer Caserne gebraucht werden, so müßte der Eingang der Kirche wegen dem Militair auf immer verschlossen werden und würde dann für diese große Pfarrgemeinde nur ein Ein- und Ausgang belassen bleiben, wodurch die Administration der Seelsorge und der Empfang der hl. Sakramente in Not- und Sterbefällen für Priester und das Volk erschweret) in Winterszeiten und bei einem entstehenden Unglück die Rettung öfters ganz unmöglich gemacht, die Kirche und ihr Gottesdienst wegen der Nachbarschaft einer Caserne beunruhigt, bei einer möglichen Feuersgefahr wegen Wassermangel gefährdet, die nötige Reinlichkeit im Umfang der Kirche nicht erzielet und selbst für das k. Militair die notwendigen Gemächlichkeiten nicht erreicht werden, da in den Stiftsgebäuden kein fließendes, sondern nur wenig Brunnenwasser vorhanden, auf zwey Seiten zwey Berge im Ab- und Zumarschieren vorliegen und eben diese Gebäude, wenn sie zu einer ständigen Caserne zugerichtet würden, haben einen überaus großen Kostenaufwand vonnöten, wodurch dennoch niemalen die Haupteigenschaft und der ersprießliche Zweck erreicht werden könnte. ») Stadtarch. Augsburg, „St. Ulrich" 10W; vergl. ebd. J 4(20*.

— 154 — In der hiesigen Stadt gibt es viele große öffentlichen Gebäude, welche in der Ebene, an fließendem und springendem Wasser, an Gärten und großen freyen Plätzen liegen, die mit geringeren Kosten zu allen erforderlichen Bequemlichkeiten hergerichtet und deren dermal bestehendes Verhältnis leicht und füglich in irgend ein anderes öffentliches Staatsgebäude verlegt werden könnte. Bei dieser Sachlage wird eine k. Kommission gnädig und gerecht ermessen, daß der Drang der Umstände noch nicht eingetretten ist, welcher geradezu gebietet, die Pfarrkirche zu St. Ulrich, diese Ruhestätte unserer Heiligen, durch den Anschluß einer Caserne zu beunruhigen, wo eben diese Gebäude entweders zu einer öffentlichen Lehranstalt oder zu anderen Staatsbedürfnissen, wenn die königlichen Dycasterien hieher kommen, dann zur Wohnung des nötigen Pfarrpersonale in so mancher Hinsicht nützlich verwendet werden können. Eine k. Kommission wolle dahero unterthänigst und flehentlichst die Caserne von den Gebäuden abzuwenden und dieser ansehnlich großen Pfarrgemeinde ein ewiges Denkmal allerhöchst königlicher Gnade dadurch zufließen zu lassen geruhen, um welche wir, wenn es die k. Kommission gnädigst gutheißen würde, S. Majestät selbsten fußfälligst anflehen würden. Mit vollem Vertrauen auf die bekannte von der ganzen Bürgerschaft hochverehrte tiefe Einsicht und Herzensgüte des k. Herrn Commissairs beharret mit schuldigster Ehrfurcht Nr. 15.

Bittschreiben P. Placidus Brauns an den Fürsten Metternich, heim Wiener Kongreß sich für Wiedererrichtung des Stifts zu verwenden. 1 ) Zu Seite 118.

Eure Fürstliche Gnaden! Ermuntert durch den Religionseifer und die Herzensgüte E. F. G. erkühne ich mich, Höchstdieselbe unterthänigst zu bitten, unser säkularisiertes ehemaliges Reichsstift S. K. M. zur allergnädigsten Restitution zu empfehlen. Denn dieses ist das Eigentum der heiligen Martyrin Afra, auf welchem zu Anfang des 4. Jahrhunderts durch ihren Martertod die christliche Religion ist gepflanzt worden. Bei diesem haben die meisten Bischöfe ihren Sitz genommen und ihre Grabstätte gewählt. Hier stand zuerst ein Kollegium von Priestern, die in Gemeinschaft bis auf das Jahr 1012 lebten; von da an hielten die Benediktiner den Platz besetzt 800 Jahre lang. Dies ist das Stift, welches die Kaiser, besonders Heinrich II., Friedrich I., Maximilian I., Karl V., Ferdinand II. und III. mit ihren Besuchen beehrten, das Stift, in welchem Ferdinand IV. und Joseph I. zu römischen Königen gewählt wurden, das Stift, welches insonderheit Seine jetzt regierende K. M. so- sehr begünstigten, daß Allerhöchstdieselbe schon im Jahre 1805 die Restitution desselben von Bayern verlangt haben. Es ist ein Stift, dessen Religiösen in hiesiger Stadt und Umgebung während der schwedischen Besitznahme die katholische Religion mit Aufopferung ihrer Habe und ihres Gutes und Lebens erhalten und die ihre Reichspflicht bis zur Auflösung des Stiftes genau erfüllt und allezeit ihre große Anhänglichkeit an das allerhöchste Kaiserhaus gezeigt haben. In diesem Stift könnte die Förderung der katholischen Religion, die Bildung der Jugend sowohl in wissenschaftlicher als sittlicher Beziehung wieder beginnen und weiter fortgepflanzt werden. Die Restitution desselben wäre auch nicht schwer, indem das Kloster, jetzt eine Caserne, noch steht, die Güter und Revenuen hier, in Tirol, in Schwaben meistens noch erhalten sind und noch 17 Religiösen, brauchbare und geschickte Männer, leben. ') Ordinariatsarch. Augsburg, Manuskr. Sammlung, Gesammelte Schriften aus dem Nachlaß P. Placidus Brauns, Fasz. A.

— 155 — Ich wiederhole nochmals meine unterthänigste Bitte, E. F. G. wollen, im Falle die Restitution der Klöster beim bevorstehenden Kongreß zur Sprache kommen sollte, unser Stift durch Höchstdero mächtiges Fürwort huldvollst empfehlen. Für die hohe und große Gnade werden wir nicht unterlassen, unser Gebet für E. F. G. zum Himmel zu schicken. Ich aber empfehle mich zu Höchstdero hohen fürstlichen Huld und ersterbe in tiefster Ehrfurcht Augsburg, den 14. August 1814. PI. B r a u n . Nr. 16. Bittgesuch P. Placidus Brauns an den apostolischen Nuntius, sich beim Wiener Kongreß für St. Ulrich zu verwenden. 1 ) Zu Seite 118. Reverendissime ac Eminentissime Sedis Apostolicae Legate! Uti iam oretenus ante aliquot annos Augustae Vindelicorum Eminentiam Vestram humillime supplicavimus, sie hisce litteris submissime supplicamus, ut pro sua illustrissima quam pro meritis suis gloriosissime gerit apostolici Legati dignitate, suas quoque partes auxiliumqne data occasione ad restituendum illud religione fidelitateque erga sedem apostolicam celeberrimum, V. E. iam notissimum O.S.B, monasterium SS. Udalrici et Afrae in urbe Augustana situm gratiosissime conferre dignetur. Ingenti enim spe ac fiducia in E. V. gravissimam sapientiam, singularem clementiam atque praestantissimam, qua splendere noverit, intercessionem ac gratiam piissimo affectu E. V. pro suppresso nostro monasterio imploramus suppliciter, ut etiam gratiosissimam operam suam pro felici illius restitutione collocare, conferre ac impendere non dedignetur. Pro gratiosissimo hoc nobis exhibendo beneficio ardentissimas ad Deum persolvemus preces, ut gravissimi E. V. pro religione collocandi labores felicissimo successu coronari mereantur. Reverendissimae Eminentiae Vestrae servorum minimi Augustae 30. Maji 1814. Placidus Braun caeterique monachi. Nr. 17. Antwortschreiben P. Placidus Brauns auf die Einladung des Ordinariats zum Wiedereintritt in den Benediktinerorden vom 10. XI. 1826. 2 ) Zu Seite 119. Gott sei Lob und Preis, Sr. Majestät unserm allergnädigsten König der ehrfurchtsvollste Dank für die vorhabende Wiederherstellung des Benediktinerordens im Königreich Bayern, jenes Ordens, dem fast ganz Deutschland und besonders Bayern seine Kultur, die christliche Religion, die Bildung der Menschen, sonderheitlich der Jugend, die Literatur und Künste zu verdanken haben, jenes Ordens, dem ich von Jugend auf ergeben war und von dem mich nicht einmal die gewalttätige Trennung von meinem Stift hat scheiden können, weil denn ich bisher immer einige Verbindung unterhalten, aus Liebe dessen ich schon lange mein Vaterland würde verlassen haben, wenn nicht der zunehmende Priestermangel, vaterländische Literatur und einige Hoffnung, vielleicht mein Kloster wieder zu sehen, zurückgehalten hätte. *) Ordinariatsarch. Augsburg, aus dem Nachlaß P. Plac. Brauns, 2) Ordinariatsarch. Augsburg, aus dem Nachlaß P. Plac. Brauns,

Manuskr. Sammlung, Gesammelte Schriften Fasz. A. Manuskr. Sammlung, Gesammelte Schriften Fasz. A.

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Diese Anhänglichkeit an meinen Orden macht mich nicht nur geneigt, in einen Klosterverband zu treten, sondern regt mich noch an, wenn ich je als ein Mann von fast 71 Jahren von nöten sein solle, keine Mühe, keine Arbeit und keine Last zu scheuen und meine noch kurzen Lebenstage zu opfern. Dabei aber erwarte ich Klöster, die a) hinlänglich fundiert b) nach dem Geist und der Regel des hl. Benedikt wohl geordnet und diszipliniert c) von allem äußern Einfluß auf innere Verfassung, Aufnahme, Profession, Wahl der Obern, Studium und aller Art frei seien d) und in denen sich Männer von religiösem Sinn und Geist und mit reinen Absichten sammeln, weil nur so die neuen Klöster zum Besten der Religion, der Erziehung und des Staates wieder wirksam und heilsam werden. Bei dem Aufleben einiger Klöster wünsche ich nichts Sehnlicheres, als daß mein bisheriges vielfältiges Bestreben für die Wiederherstellung des Klosters St. Ulrich & Afra durch S. Majestät unsern allergnädigsten König huldvollst verwirklicht werden möchte. Wenn je ein Stift in der ganzen Monarchie Aufmerksamkeit verdient, ist es dieses. Denn hier ward durch den Martertod der hl. Afra und Anderer das Christentum gepflanzt, hier prangte zuerst die Kreuzfahne, hier ward die augsburgische Diözese gegründet, die erste Kathedrale erbaut und der Bischofsitz errichtet; hier blühten und wirkten bei 1200 Jahre religiöse Stifte, nämlich bei 400 die Kanoniker und 800 Jahre die Benediktiner, welche letztere ihre Existenz, ihre Erhaltung der Frömmigkeit, der Freigebigkeit und dem mächtigen Schutz der Herzöge von Bayern sehr viel zu verdanken hatten. Mit dieser beherzigungswürdigen Erklärung geharre ich in tiefster Ehrfurcht eines hochwürdigen Bischöflichen Ordinariats unterthänigster Placidus Braun.

Verzeichnis der Quellen und Hilfsmittel I. Quellen 1. Hauptquelle bildete das ungedruckte Aktenmaterial des Bayer. Geh. Staatsarchivs in München, Bayer. Hauptstaatsarchivs in München, Oberbayer. Kreisarchivs in München, Bayer. Staatsarchivs in Neuburg a. D., Bischöfl. Ordinariatsarchivs in Augsburg, Stadtarchivs in Augsburg, Stiftsarchivs von St. Stephan in Augsburg, sowie der Registraturen des Bayer. Finanzministeriums in München und der Kreisregierung von Schwaben und Neuburg, Kammer des Innern (früher Oberdonaukreisregierung). 2. Z e i t g e n ö s s i s c h e S c h r i f t e n : M o n u m e n t a B o i c a , XXII. und XXIII. Bd. B r a u n Placidus, Geschichte der Kirche und des Stiftes der Heiligen Ulrich und Afra in Augsburg, Augsburg 1817. A u g s b u r g i s c h e O r d i n a r i P o s t z e i t u n g von 1802—1804. Protokoll der a u ß e r o r d e n t l i c h e n Reichsdeputation in Regensburg, 6 Bände, Regensburg 1803. Instruktionen S a m m l u n g der neu a n g e o r d n e t e n c h u r f ü r s t l i c h e n C o m m i s s i o n i n K l o s t e r s a c h e n , München 25. I. 1802. Ar et i n , Christoph v., Beyträge zur Geschichte und Literatur, I. Bd., München 1803. ( H a l l e r K. L. v.) Geheime Geschichte der Rastatter Friedensverhandlungen in Verbindung mit den Staatshändeln dieser Zeit von einem Schweizer, Germanien 1799. S c h l ö z e r Aug. Ludw., Stats-Anzeigen, Bd. IX, XIII, XV, Göttingen 1786/91. ferner an kleinen anonymen F l u g s c h r i f t e n 1 ) u. a.. Die Vernunft fordert die Säkularisation. Die Zeichen der Zeit oder die letzten Zuckungen des Adels und der Pfaffen in Bayern, Köln 1800. Das landesherrliche Recht über Klöster, 1800. Parallele zwischen dem ächten Seelsorger und dem Mönch als Pfarrverweser, 1792. Noch ein Wort über das Säcularisationswesen von einem Freunde der Menschheit und der guten Sache Teutschlands, 1801. Über die Verwendung einiger Klostergüter zu Bildungs- und Wohltätigkeitsanstalten, 1802. Freimütige Bemerkungen über die Klosteraufhebung in Bayern, 1802. Wider einige geistliche Projekte in Bayern, 1802. Der neueste Provinzenwechsel als Folge der Friedensschlüsse von Campo Formio und Luneville, Hof 1803. Nur ein Teil der hier angeführten Flugschriften ist im Text durch Zitate vermerkt. Der andere Teil wurde nur im allgemeinen verwendet.

— 158 — Die Folgen der Säkularisation, Germanien 1801. Die Klöster waren nie so notwendig als heutzutage, 1802. Neueste Aktenstücke des Prälatenstandes in Bayern, 1802. Aktenstücke die provisorischen Maßregeln der bairischen Regierung gegen landständische Stifter und Abteien in Baiern betreffend, Dezember 1802. Notwendigkeit der individuellen Säkularisation oder der zu erteilenden Erlaubnis, daß die in den höheren Weihen stehenden Geistlichen in den Laienstand übertreten dürfen. Was hofft sich der bairische Landmann von der Aufhebung der Klöster? 1803. 10 Paragraphen über das Klosterwesen in Bayern, 1802. Ach was haben wir mit den Klöstern alles verloren! München 1819.

II. Hilfsmittel B e r g h a u s Heinr., Deutschland vor 50 Jahren, 3 Bände, Leipzig 1862. B i s l e Max, Leben und Wirken des Benediktiners P. Placidus Braun, Programm des Realgymnasiums in Augsburg, 1897. B r ü c k Heinr., Geschichte der katholischen Kirche im 19. Jahrhundert, Mainz 1887. B ü h l e r Nonnosus, Die Schriftsteller und Schreiber des Benediktinerstifts St. Ulrich und Afra in Augsburg während des Mittelalters, Leipzig 1916. B ü t t n e r Wilhelm, Der Rechtscharakter der staatlichen Leistungen an die katholische Seelsorgegeistlichkeit im „Klerusblatt", 10. Jahrg., Eichstätt 1929. D e h l e r Nik., Geschichte des Klosters Thierhaupten, Donauwörth 1908/11. D o e b e r l M., Entwickelungsgeschichte Bayerns, 2 Bände, 1908/12. —, Der Ursprung der Amortisationsgesetzgebung, ein Beitrag zur Kulturgeschichte des 17./18. Jahrhunderts in der Sammlung: Forschungen zur Geschichte Bayerns, Bd. X, 1902. E b e r t Ludw., Der kirchenrechtliche Territorialismus in Bayern im Zeitalter der Säkularisation, Paderborn 1911. H a f f n e r , Die deutsche Aufklärung, eine historische Skizze, Mainz 1864. H a r t i g Mich., Das Benediktiner-Reichsstift St. Ulrich und Afra in Augsburg, 1923. H a u p t K., Die Vereinigung der Reichsstadt Augsburg mit Bayern, 6. Heft der Sammlung: Historische Forschungen und Quellen, herausgegeben von Jos. Schlecht, München und Freising 1923. ( H ö f l e r Const.) Concordat und Constitutionseid der Katholiken in Bayern, historische Denkschrift 1847. H ü f f e r Herrn., Diplomatische Verhandlungen aus der Zeit der französischen Revolution, Bonn 1868/79. K a s t n e r Karl, Die große Säkularisation in Deutschland, Schöninghs Sammlung kirchengeschichtlicher Quellen und Darstellungen, 9. Heft, Paderborn 1926. K l ü b e r Joh. Ludw., Übersicht der diplomatischen Verhandlungen des Wiener Kongresses, Frankfurt 1816. K o r n m a n n Rupert, Die Sibylle der Zeit aus der Vorzeit, Bd. III, Regensburg 1825. L a n g Ritter v. Karl Heinr., Memoiren, Braunschweig 1842. L e o Heinr., Lehrbuch der Universalgeschichte, Bd. V, Halle 1845. L e r c h e n f e l d Gustav v., Geschichte Bayerns unter König Maximilian Joseph 1., Berlin 1854. L i n d n e r P. Pirmin, O. S. B., Memoriale San Ulricanum, im Diözesanarchiv von Schwaben, 8. und 15. Jahrgang, Rottenburg 1891/97. —, Monasticon Episcopatus Augustani antiqui, Bregenz 1913. —, Die Schriftsteller und die um Wissenschaft und Kunst verdienten Mitglieder des Benediktinerordens im Königreich Bayern, Regensburg 1880.

— 159 — M e r k l e Seb., Die katholische Beurteilung des Aufklärungszeitalters, Berlin 1909. M e y e r Christ., 'Die letzten Zeiten der freien Reichsstadt Augsburg und ihr Übergang an die Krone Bayerns, München 1906. M e z g e r G. C., Geschichte der vereinten königlichen Kreis- und Stadtbibliothek in Augsburg, Augsburg 1842. M ü n c h O., Der bayerische Klostersturm 1803, eine Säkularbetrachtung, München 1903. P e r t z G. H., Das Leben des Ministers Frh. v. Stein, Berlin 1849. R i e z l e r , Festschrift für Riezler, München 1913. R i n g s e i s Joh. Nep., Erinnerungen, Regensburg 1886/91. S ä g m ü l l e r J. B., Wissenschaftlichkeit und Unglaube der kirchlichen Aufklärung, Essen 1911. S c h e g l m a n n Alf., Geschichte der Säkularisation im rechtsrheinischen Bayern, 3 Bände, 1903/08.') S c h l e t t e r e r H. M., Beilagen zu den Monatsheften für Musikgeschichte, Berlin 1878. S c h r e i b e r Wilh., Geschichte Bayerns, Freiburg i. Br. 1889/91. S c h r ö d e r Alfr., Die staatsrechtlichen Verhältnisse im bayerischen Schwaben um 1801, Dillingen 1907. —, Das Bistum Augsburg, historisch und statistisch beschrieben, Augsburg 1912 ff. S c h r ö d e r Alfr. — S c h r ö d e r Hugo, Die Herrschaftsgebiete im heutigen Regierungsbezirk Schwaben und Neuburg nach dem Stand um 1801, kartographisch dargestellt, herausgegeb. vom Historischen Verein für Schwaben und Neuburg, 1906. S t e i c h e l e , Archiv für die Geschichte des Bistums Augsburg, Bd. III. S t u d i e n und M i t t e i l u n g e n des B e n e d i k t i n e r - O r d e n s und s e i n e r Z w e i g e , Salzburg 1883, 1921; München 1926, 1927. T r e i t s c h k e Heinr. v., Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Leipzig 1909. T r e m e l H., Die säkularisierten Klosterwaldungen in Altbayern, Diessen 1924. W a l t e r , Fontes iuris ecclesiastici antiqui et hodierni, Bonnae 1862.

*) Scheglmann hat den ersten Versuch gemacht, eine kurze geschlossene Darstellung der Säkularisation St. Ulrichs zu bieten. Seine Ausführungen (III.l, S. 232—49) beruhen jedoch lediglich auf dem dürftigen gedruckten Material sowie der mündlichen Tradition und bedürfen mehrfach der Berichtigung. Quellenangaben konnte ich von Scheglmann leider nicht erhalten.