Das Friedensfest: Augsburg und die Entwicklung einer neuzeitlichen europäischen Toleranz-, Friedens- und Festkultur 9783050055787, 9783050035406

Das Augsburger Friedensfest - ein europäischer Gedächtnisort Im August 2000 jährte sich die Errichtung des "Augsb

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Das Friedensfest: Augsburg und die Entwicklung einer neuzeitlichen europäischen Toleranz-, Friedens- und Festkultur
 9783050055787, 9783050035406

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Johannes Burkhardt, Stephanie Haberer (Hg.) Das Friedensfest Augsburg und die Entwicklung einer neuzeitlichen Toleranz-, Friedens- und Festkultur

Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg Colloquia Augustana Herausgegeben von Johannes Burkhardt und Theo Stammen

Band 13

Das Friedensfest Augsburg und die Entwicklung einer neuzeitlichen Toleranz-, Friedens- und Festkultur

Herausgegeben von Johannes Burkhardt und Stephanie Haberer Redaktion: Theresia Hörmann

Akademie Verlag

Gedruckt mit Unterstützung der Stadt Augsburg, des Bezirks Schwaben, des Evang.Luth. Landeskirchenrats und des Evang.-Luth. Kirchengemeinderats Augsburg. D i e Fritz-Thyssen-Stiftung förderte den gleichnamigen Kongreß.

Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme Das Friedensfest: Augsburg und die Entwicklung einer neuzeitlichen Toleranz-, Friedens- und Festkultur / hrsg. von Johannes Burkhardt und Stephanie Haberer. Red.: Theresia Hörmann. Berlin : Akad. Verl., 2000 (Colloquia Augustana ; Bd. 13) ISBN 3-05-003540-4

ISSN 0946-9044 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2000 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Druck: GAM Media, Berlin Bindung: Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach Printed in the Federal Republic of Germany

Inhaltsverzeichnis Einleitung Johannes Burkhardt und Stephanie Haberer

I. Perspektiven der Festinterpretation Polaritäten und Dimensionen eines Festes Etienne Franqois

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Westfälischer Friede und konfessionelle Erinnerungskultur Heinz Duchhardt

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Das Krokodil, die Parität und der Geist der Ökumene Gunther Wenz

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Festkultur und 'kollektives Gedächtnis' Paul Münch

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II. Toleranzproblem und Friedensfest Augsburg und die Entstehung der Toleranz Winfried Schulze

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Das Augsburger Konfessionsproblem als Herausforderung und seine Lösung Bernd Roeck

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Die Pax Augustana als Verfassungsmodell: Anspruch und Wirklichkeit Wolfgang Wüst

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Erinnerung an den Frieden. Vom bemerkenswerten Umgang mit einem hohen Gut in Augsburg Martin Brecht Augsburger Friedensgemälde als politische Lehrstücke Hans-Otto Mühleisen

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Augsburger Friedensblätter und katholische Gegenpropaganda in der Zeit der Salzburger Emigration Marianne Sammer Staatsräson und konfessionelle Toleranz. Bemerkungen zum Beitrag des politischen Denkens zur Friedensstiftung 1648 Wolfgang E. J. Weber

III. Kultur der Friedensfeste Dergleichen sonst an keine hohen festlag das gantze Jar hindurch zue geschehen pfleget bey den Evangelischen inn diser statt Das Augsburger Friedensfest im Rahmen der deutschen Friedensfeiern Ciaire Gantet

209

Das Reformationsjubiläum 1717 in den schwäbischen Reichsstädten. Evangelische Erinnerungs- und Festkultur als Ausdruck konfessioneller und städtischer Identität Hermann Ehmer

233

Musik und öffentliche Festkultur Erich Tremmel

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Friedensfeiern und Festmusik im Verhältnis der Konfessionen Dietz-Rüdiger Moser

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Private Stiftungen in den Augsburger Kirchen anläßlich des Friedensfestes Dorothea Band 296 Zum Gedächtnis des Gnaden Werkes Gottes Friedensfeste im 17. und 18. Jahrhundert in Kursachsen Katrin Keller

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IV. Tradition und Innovation Friedensfeste und Reformationsjubiläen im 19. Jahrhundert. Augsburger Festkultur im mehrkonfessionellen Bayern Stefan Laube

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Säkularer Fortschritt oder christliche Parität. Kulturkampf in Augsburg Frank Möller

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Krise und Erneuerung eines städtischen Feiertags im 20. Jahrhundert Gerhard Hetzer

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Anhang Wolfgang Seitz: Die Augsburger "Friedensgemähld". Eine Studie zur Geschichte des Augsburger Kupferstiches. Augsburg 1969

387

Index der Orts- und Personennamen

447

Abbildungsnachweis

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Abkürzungsverzeichnis

455

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

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Einleitung Johannes Burkhardt und Stephanie Haberer

In der Öffentlichkeit hat das im Jahre 1998 begangene Jubiläum des Westfälischen Friedens große Aufmerksamkeit erregt, und eine Vielzahl von Vorfriedensschlüssen und Nachverhandlungen hatte und hat weiterhin eine Reihe von Tochterjubiläen im Gefolge. Das bedeutendste gilt dem Augsburger Friedensfest am 8. August, das im Jahr 1650 eingerichtet wurde, und das in der Stadt Augsburg heute alljährlich als gesetzlicher Feiertag begangen wird. Das Institut fur Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg hat im Vorfeld des 350. Jubiläums einen Kongreß durchgeführt, um erstmals systematisch den Hintergrund und Charakter des Augsburger Friedensfestes, seine Ursprünge, Wandlungen und Formen unter verschiedenen historischen Forschungsperspektiven zu untersuchen. Der vorliegende Band faßt diese erste wissenschaftliche Annäherung an das Thema zusammen und bietet einen Querschnitt durch eine 350jährige Festtradition. Jubiläen gab es schon in der Frühen Neuzeit. Vielleicht gehen sie zurück auf die Jubeljahre Christi, die seit 1300 vom Papsttum alle hundert Jahre und bald noch öfter ausgerufen wurden. In Konkurrenz dazu führte die evangelische Seite schon im 17. Jahrhundert reformatorische Gedenkjahre ein: für Luthers Thesenpublikation 1517 oder die Abfassung der Augsburger Konfession 1530. Aber auch Kloster- und Universitätsjubiläen sind schon früh begangen worden. Die eigentliche Hoch-Zeit der europäischen Jubiläumskultur begann aber im 19. Jahrhundert, was nicht zuletzt mit der historisch-historistischen Ausrichtung der Gesamtkultur, dem Kult des 'Großen Mannes' und dem Bedarf an Nationalhelden zusammenhängt. Am Ende des 20. Jahrhunderts scheinen wir eine zweite Welle des Jubiläenausbaus zu erleben, insbesondere was die Menge der uns feierwürdig erscheinenden Anlässe angeht. Diese Entwicklung ist aber in unserer Mediengesellschaft durchaus sinnvoll, denn die modernen Medien setzen angefangen bei den reformatorischen Flugschriften bis zur heutigen Tageszeitung und nicht zuletzt dem Internet auf Schnelligkeit und Aktualität. Nachrichtenwert hat nur etwas, was jetzt gerade geschieht, aber das aktuelle Gedächtnisdatum läßt auch vergangenes Geschehen als berichtenswert erscheinen. Jubiläen sind die Fenster der oft in der Gegenwart gefangenen Informationsgesellschaft in die kulturelle Vergangenheit.

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Aber das gefeierte historische Ereignis sollte dann auch inhaltlich einen Aktualitätsbezug aufweisen, was bei einem Friedensjubiläum auf den ersten Blick einfach zu sein scheint. Der Friede zwischen Staaten und Nationen, zwischen Konfessionen oder anderen getrennten Gruppen ist uns mehr denn je ein Anliegen. In Augsburg wird seit 1985 regelmäßig der "Preis Augsburger Friedensfest" verliehen, der unter anderem ökumenische Impulse fördern soll. Friede, Ökumene, Menschenrechte - das sind wahrhaft Themen und Probleme, die uns alle angehen. Nur entspricht diese heutige Sinngebung keineswegs dem historischen Sinn des Festes; ja in mancher Beziehung diente seine Einrichtung gerade dem Gegenteil: Das zunächst und lange rein protestantische Fest feierte eigentlich nur die eigene Sache und ihre Erhaltung. Wie es zu diesem Fest gekommen ist, unterliegt keinem Zweifel. Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Restitutionsedikt, das Kaiser Ferdinand II. am 6. März 1629 zur Rückführung des nach 1552 säkularisierten Kirchenguts erlassen hatte, in Augsburg besonders gründlich durchgeführt. Eine kaiserliche Kommission begann am 8. August 1629 mit Zwangsmaßnahmen gegen die evangelische Religionsausübung in der Reichsstadt. Den 14 evangelischen Predigern wurden alle Amtshandlungen untersagt, die Geistlichen ohne Bürgerrecht der Stadt verwiesen und alle evangelischen Kirchen geschlossen. Unter Gustav Adolf und den Schweden wendete sich vorübergehend das Blatt, aber am Ende blieb Augsburg doch bis zum Friedensschluß katholisch dominiert. Die Evangelischen konnten ihren Gottesdienst nur noch im Hof des St. Anna-Kollegs abhalten. Erst im Westfälischen Frieden wurde die Gleichberechtigung der Religionsparteien für Augsburg festgeschrieben, die als Parität in die Geschichte eingegangen ist. Fortan wurden alle Ämter der Stadt zu gleichen Teilen von der katholischen und der evangelischlutherischen Konfession besetzt. Auch die evangelische Seite hatte damit Rechtssicherheit erlangt, und dieser für viele unerwartete gute Ausgang für die eigene Konfession wurde zum Anlaß fur das Friedensfest. In Festgottesdiensten, Kinderfriedensfesten und mit eigens fur diesen Zweck angefertigten "Friedensgemälden", alljährlich ausgegebenen illustrierten Einzelblättern, wurde seither der Regelungen des Westfälischen Friedens für Augsburg als Errettung der evangelischen Konfession in der Reichsstadt gedacht. Neben den Reformationsjubiläen des 17. und 18. Jahrhunderts symbolisierte das Friedensfest die konfessionelle Abgrenzung und trug maßgeblich zur Identitätsbildung der evangelischen Gemeinschaft bei, und das blieb nicht ohne Spitzen fur den konfessionellen Gegner, der das Fest seinerseits bekämpfte. Dieser historische Ausgangsbefund ist kein Hindernis, das Fest heute in einem anderen und zeitgemäß auf Friede und Ökumene bezogenen Sinne zu feiern. Denn wie Geschichte überhaupt kann sich natürlich auch die Bedeutung und Ausrichtung von Festen verändern. Darüber hinaus wäre aber zu fragen, ob sich nicht auch in der Augsburger Parität und in der Tradition und Entwicklung des Festes Elemente finden, die auf ein friedliches Zusammenleben und Toleranz vorausdeu-

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ten. Die Antworten der Experten, die sich in diesem Band der Frage gestellt haben, fallen außerordentlich verschieden aus. Einige sehen im historischen Gedächtnis des Friedens einen religiös-friedenspädagogischen Impuls, andere betonen mehr die militante Abgrenzung, und eine umfassende Auslegung sieht gerade in der rituell gepflegten Abgrenzung die Grundlage eines friedwirkenden organisierten Nebeneinanders. Einige Forscher unterstreichen mehr die religiöse Dimension des Festes, andere die politische und wieder andere die unterschiedlichen Formen in seiner historischen Veränderung. Untersucht wird die Einordnung in die ideengeschichtliche Entwicklung wie die konkrete Ausformung der Festkultur in Augsburg und im Vergleich mit verwandten Festen in anderen Regionen. Neben dem Wort spielen das Bild und die Musik dabei eine besondere, ebenfalls recht verschieden eingeschätzte Rolle. Diese unterschiedlichen und einander ergänzenden Ansätze werden in diesem Band erstmals zur Abwägung der Bedeutungsebenen und Entwicklungspotentiale dieses Festes zusammengetragen.

I. Perspektiven der Festinterpretation Dem Band stehen vier Geleitworte voran. Es handelt sich um Interpretationsperspektiven, die von den Moderatoren der Kongreßsektionen formuliert und von jeweils mehreren, aber nicht exklusiv zuzuordnenden Beiträgen aufgenommen und der weiteren Forschung empfohlen worden sind. Diese Annäherungen an eine Interpretation des Friedens festes gehen von dem Weiterwirken des konfessionellen Momentes im Reich nach dem Dreißigjährigen Krieg aus und differenzieren den Befund in politischer wie kulturhistorischer Deutung. ETIENNE FRANCOIS, der bekannte Verfasser einer großen Monographie über die gesellschaftspolitische Bedeutung der Augsburger Parität, verweist auf zwei zentrale Aspekte der Festinterpretation. Das Fest verfolge eigentlich zwei Zielsetzungen; zum einen stelle es in einer Strategie der Abgrenzung ein Kampfmittel der Protestanten gegen die Katholiken dar, zum anderen diene es aber auch der Festigung des politischen und bürgerlichen Friedens auf der Basis der Parität. Neben dieser Multifunktionalität hebt Frangois die Multimedialität des Festes hervor, die in vielfältigen Formen zum Ausdruck komme, so daß das Fest selbst schließlich als eine Art Gesamtkunstwerk gesehen werden könne. Im Sinne eines 'lieu de memoire' wurde das Augsburger Friedensfest zu einem symbolischen Kristallisationspunkt kollektiver Erinnerung und kollektiver Identität. Daß die Wahrnehmung des Friedens im Reich auch emotional bedingt war und die Friedensfeiern dementsprechend in den Hauptzerstörungsgebieten größere Verbreitung fanden, betont der erste deutsche Experte für die Internationalen Beziehungen im frühneuzeitlichen Europa, HEINZ DUCHHARDT. Wenngleich seit der Mitte des 17. Jahrhunderts das Konfessionelle als konfliktauslösender Faktor im

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Rückgang gewesen sei, habe es doch in der 'großen' Politik wie auf der lokalen Ebene weitergewirkt. Duchhardt unterstreicht die protestantische Herkunft der Erinnerungskultur dieses Friedens und entwirft ein Fragenspektrum, das die politische Funktion, die Bedeutung der Medien und einen interdisziplinären Zugriff besonders akzentuiert. Das Verhältnis von Kirche und Staat in der Darstellung bei Hobbes rückt der bekannte evangelische Fundamentaltheologe und Ökumeniker GUNTHER WENZ in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Wenn in einer modernen Bibelübersetzung aus dem Leviathan ein Krokodil werde, dann verfehle diese Übersetzung die historische Wirkung des Begriffs, wie sie von diesem Staatssymbol des Thomas Hobbes ausging. Aber Wenz stellt klar, daß die klassische Vorstellung vom absoluten Monarchen als religiös-politischem Oberhaupt anderer Art war als die Augsburger Parität. Diese nur erlaubte ein gelebtes und friedliches Nebeneinander zweier Konfessionen in einem Gemeinwesen, war jedoch auch noch keine christliche Ökumene, sondern vielmehr eine Identitätssteigerung beider Konfessionen. Zu fragen sei nach dem Wandel, der erst im 20. Jahrhundert eine ökumenische Feier ermögliche. In Auseinandersetzung mit den Thesen von Jan und Aleida Assmann um die Formen des historischen Gedächtnisses und die Dialektik von Erinnern und Vergessen erörtert der maßgebliche Erforscher frühneuzeitlicher Lebensformen PAUL MÜNCH Aspekte öffentlicher Festkultur. Denn erst das kollektive Erinnern verleihe dem historischen Geschehen Sinn und wirke identitätsstiftend. Für die konkrete Umsetzung stellt Münch einen klassischen Fragenkatalog zur Diskussion, der den Blick auf die Veranstalter, die Träger und Teilnehmer, den Anlaß, die öffentlichen und privaten Festräume, die Medien, die Ziele, die Funktion sowie den Zeitpunkt und die Dauer von Festen lenkt. Keiner der Beiträge arbeitet diesen Katalog explizit ab, aber zu allen Fragen lassen sich in diesem Band Antworten finden.

II. Toleranzproblem und Friedensfest Der Schwerpunkt, um den die ersten thematischen Beiträge gruppiert sind, stellt sich explizit der Frage, nach dem Zusammenhang von Friedensfest und Toleranz. Es geht darum, ob und inwieweit der Westfälische Friede zu mehr Toleranz zwischen den Parteien gefuhrt hat und welche Funktion dem Friedensfest in diesem Kontext zukommt. Die frühen Auseinandersetzungen um das Toleranzproblem in der deutschen Geschichte erörtert WINFRIED SCHULZE. Angesichts seines Terminkalenders sind die Herausgeber dem Vorsitzenden des Wissenschaftsrates und führendem Frühneuzeithistoriker besonders dankbar, daß er seinen innovativen Ansatz zur Geschichte der Toleranz im deutschen Reichsrecht in einer auf Augsburg hin orien-

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tierten Form nicht nur in einem großen Abendvortrag auf der Kanzel von St. Anna darbot, sondern auch in diesem Sammelband einem größeren Publikum zur Verfügung stellt. Indem Schulze auf die Fremdheit der Epoche verweist, auf deren Hintergrund erst die mühsame und noch unvollkommene Akzeptanz mehrerer Religionsparteien als gleichwohl moderner Schritt verständlich werde, analysiert er die politisch-rechtlichen Grundlagen vom Augsburger Religionsfrieden über die sogenannte Freistellungsdebatte bis zum Westfälischen Frieden und deren Bezüge zu einem sich schon verändernden Menschenbild. Er führt weiter aus, daß die politisch motivierte Duldung des Dissenses in die Einsicht der Vorrangigkeit der politischen Gesamtordnung des Gemeinwesens vor konfessionellen Streitfragen führte und darüber hinaus durch neue zeitgenössische Konzeptionen des Rechtsschutzes des Individuums gestärkt wurde, was den W e g zu einer im Sinne der Aufklärung verstandenen Toleranz erst ermöglichte. Es geht Schulze dabei nicht darum, zu zeigen, was 1648 noch fehlte, sondern darum, was in Augsburg bereits vorhanden war. Anders sieht der Frühneuzeithistoriker BERND ROECK, zu dessen großen Themen neben Italien und dem Reich, von jeher auch die Reichsstadt zählt, in Augsburg im 16. Jahrhundert noch die Chance eines humanistischen mittleren Weges. Erst die Unruhen im Kalenderstreit führten seiner Ansicht nach zu einer forcierten konfessionellen Identitätsbildung und einer paritätischen Besetzung des Rats. Ein wirkliches Konfessionsproblem sei aber erst in den 1620er Jahren zu konstatieren, das in der von außen veranlaßten Vertreibung der evangelischen Prediger kulminierte. Nicht umsonst rekurrierte der Termin des Friedensfestes auf den Zeitpunkt der Vertreibung, zur Verdeutlichung des identitätsstiftenden Charakters für die Angehörigen der evangelischen Konfession. Zugespitzt formuliert Roeck, daß die Einführung und Etablierung der Parität nach dem Westfälischen Frieden zwar eine Normalität und eine Entschärfung des konfessionellen Konflikts gebracht, aber keineswegs zu Toleranz und noch weniger zu intellektuellen und kulturellen Spitzenleistungen geführt habe. Die Problematik der administrativen Umsetzung der Parität zur Gewährleistung der Beschlüsse des Westfälischen Friedens erläutert WOLFGANG WÜST. Der archiverfahrene Reichs-, Kirchen- und Landeshistoriker Schwabens wie Frankens weist auf die reichen Augsburger Bestände an Policeyordnungen, Urgichten, die Reihe der sogenannten Acta politica ecclesiastica und die Zensurakten hin, die zu diesen Fragen in ihrer j e spezifischen Weise konkrete Auskunft geben. Sehr anschaulich läßt sich Wüst auf die Ausgestaltung der Verfassungsstruktur, die einzelnen Institutionen, die Doppelbesetzung der städtischen Ämter und die Maßnahmen der Kommissionen ein, die konfliktregulierend und friedensstiftend wirkten. Wenn das auch manchmal Entscheidungsprozesse erschwerte und vor allem während der Aufklärung zu massiver Kritik geführt habe, sei die Pax Augustana doch insgesamt positiv zu bewerten und habe ein über Augsburg hinauswirkendes irenisches Denkmodell gesetzt.

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An den Friedensgemälden entlang, die neben biblischen Darstellungen die Reichs- und Stadtgeschichte, konfessionsgeschichtliche Aspekte sowie das theologische Selbstverständnis umfassen, legt MARTIN BRECHT die Einzigartigkeit der Augsburger Erinnerungskultur aus einer souveränen kirchengeschichtlichen Perspektive aus. Der Theologe sieht hier nicht so sehr einen Abgrenzungsversuch der Protestanten gegenüber den Katholiken, als vielmehr einen bescheidenen und nachdenklichen Umgang der Augsburger Evangelischen mit der eigenen Geschichte. Die Friedensgemälde setzten einen bewußten Bezug zur Bibel, um als Unterweisung, Vermahnung und Lehre systematisch Frieden und Rettung didaktisch herauszustellen, worin sich deutlich die Verbindung zwischen eigener Erfahrung und biblischem Zeugnis zeige. Brecht interpretiert die Friedensblätter dahingehend, daß sie Bibellektüre auf den Frieden hin ermöglichten, und sieht in einem friedens- und religionspädagogischen Sinne darin einen sympathischen Zug. Dagegen klassifiziert der durch seine Friedensforschungen und Bildanalysen besonders ausgewiesene Politologe HANS-OTTO MÜHLEISEN die Friedensgemälde als politische Lehrstücke zur gezielten Erinnerung und Mahnung an die Unterdrückung der evangelischen Konfession im Dreißigjährigen Krieg. Der Begriff des Friedens gebe nur einen Ausschnitt der Dimensionen der Werk- und Wirkgeschichte der Bilder wieder, die in erster Linie den Sieg der Protestanten im Westfälischen Frieden darstellten. Mühleisen pointiert den polemischen Charakter der Gemälde und analysiert ihn an ausgewählten Beispielen. In der innerstädtischen Kommunikation fungierten die Bilder als Mittel öffentlicher Propaganda und waren somit keineswegs auf Friede und Toleranz ausgerichtet. Auch wenn die Bilder der rechtlichen und gesellschaftlichen Parität der Konfessionen entsprachen, handelt es sich in politisch-bildungsgeschichtlicher Perspektive nicht um Lehrstücke in einem aufgeklärt friedenspädagogischen Sinn. Die katholische Seite, die der Parität publizistisch oft ablehnend gegenüberstand, ist erstmals von MARIANNE SAMMER an einem spektakulären Fall anschaulich beleuchtet worden. Im Mittelpunkt der Ausführungen stehen die umfangreichen Kontroverspredigten des jesuitischen Augsburger Dompredigers Franz Xaver Pfyffer. Den aktuellen politischen Anlaß für seine Polemik bildete die Auseinandersetzung um die auch in den Friedensblättern provokativ herausgestellte Vertreibung der Salzburger Emigranten und ihre Aufnahme in Augsburg im Jahre 1732. Sammer unterstreicht den topischen Charakter der Predigten und verdeutlicht, daß die Argumentation sowohl der katholischen als auch der evangelischen Seite nach traditionellen kontroverstheologischen Mustern verlief. Denn der Domprediger glaubte selbst nicht, mit seiner Polemik einen einzigen Evangelischen gewinnen zu können, was als starkes Indiz für den rituellen Charakter der Konfrontation im Zeichen der Parität gewertet werden könne. Die Bedeutung der Staatsräson fur den Westfälischen Frieden als Religionsfrieden betont einer der besten Kenner der frühneuzeitlichen Staatstheorie WOLFGANG E. J. WEBER in einem diesen Teil abschließenden großen Überblick.

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Das politische Denken im Reich war in der Reformationszeit mit der Religion verknüpft und intolerant, aber es gab in den drei Hauptkonfessionen unterschiedliche Verbindungen und ausbaufähige Distanznahmen zwischen Religion und Politik, die in spätere politische Theorien integriert werden konnten. Entscheidend wurde jedoch nach Weber auch fur Deutschland der Import des Staatsräsondenkens aus Italien seit etwa 1600. Die Staatsräson forderte an sich den geschlossenen Konfessionsstaat, aber wenn der nicht zu erlangen war und anders Frieden und staatliche Ordnung nicht erreichbar, konnte gerade sie die Denkmittel für die Konzeption des gemischtkonfessionellen Staates bereitstellen. Anhand je eines lutherischen, reformierten und katholischen Autors gibt Weber dicht am Text dankenswerter Weise hier aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt - wertvolle Einblicke in die Argumentationsweisen bei der Auseinandersetzung mit dem Staatsräsondenken unter je konfessionellem Vorzeichen. Die Lösungen der Staatsräsondenker zeigen präzise Bezüge zum Friedensvertrag - aus dem Staatsräsondenken heraus ein Schritt zur Toleranz, die in entwickelter Form noch weit war.

III. Kultur der Friedensfeste Daß Friedensfeste generell zur Propagierung und zum Gedächtnis des Westfälischen Friedens wie zur Demonstration evangelischer Konfessionalität große Verbreitung fanden, belegen die Beiträge des folgenden Schwerpunktes. Dabei werden die Ausbreitung der Festkultur sowie verschiedene Ebenen der Feste in den Blick genommen und das Augsburger Friedensfest mit verwandten Festtypen in anderen Städten und Regionen verglichen. Die einzige Kennerin des Gesamtbestandes der überlieferten deutschen und europäischen Friedensfeste, die neben zahlreichen Einzelstudien hierzu gerade eine große Untersuchung in französischer Sprache vorgelegt hat, eröffnet mit ihrem repräsentativen Beitrag die Perspektive auf die Festkultur selbst. CLAIRE GANTET legt dar, daß allein zwischen Mai 1648 und August 1650 im Reich, schwerpunktmäßig in Süddeutschland, nachweislich 163 Feste begangen wurden. Gantet deutet die zeitliche und regionale Verteilung und Ausbreitung der Feste als eine schrittweise Wahrnehmung des Westfälischen Friedens und seiner konfessionellen Ergebnisse. Die Friedensfeste wurden überwiegend in evangelischen Gebieten gefeiert und wurden geradezu zur Manifestation lutherischer Konfessionskultur. Gantet beschreibt einerseits die politische Ursache, Funktion und Dynamik dieser Entwicklung und gibt andererseits einen Einblick in das aufwendige Festzeremoniell von Gottesdiensten und Predigten bis zu Triumphbögen und Festumzügen. Vor diesem Hintergrund erscheint das Augsburger Friedensfest als nicht prinzipiell anders. Unter den Bedingungen des konfessionellen Pluralismus aber wurde

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das Fest hier intensiver und dauerhafter gefeiert und die Reichsstadt zu einem "Laboratorium des Reichsfriedens". In einem weiteren regionalen und sachlichen Umkreis wird nun der reformatorische Festtyp insbesondere am Beispiel des Reformationsjubiläums von 1717 illustriert. Aus erster Hand aus seinem unmittelbaren Tätigkeitsbereich präsentiert HERMANN EHMER quellennah eine Fülle von Festnachrichten aus südwestdeutschen Reichsstädten. In einzelnen Schritten erörtert Ehmer zunächst den Überlieferungsstand und den Einsatz zeitgenössischer Druckschriften, die Grundlagen der reformatorischen Jubiläumskultur 1617 und ihre Weiterfuhrung im Jahre 1717. Sodann kommt die zumeist mehrtägige Dauer des Festes zur Sprache, die obrigkeitlichen Regelungen zur Durchführung, die Bedeutung der Jubelpredigten, Gesang und Musik, Kirchenschmuck und Illuminationen, Schulreden und Medaillen. Den Abschluß bildet ein Blick auf die reformationsgeschichtliche Gedächtniskultur und am Beispiel Reutlingens die reichsstädtische Reformationsgeschichtsschreibung. Ehmer sieht speziell in der Einbeziehung der Jugend einen wichtigen Beitrag zur evangelischen Identitätsbildung und betont die stadtpolitische Bedeutung der Reformationsfeste und -geschichtsschreibung. Da hatten es die konfessionell homogenen Reichsstädte natürlich leichter als Augsburg. Ganz der musikalischen Inszenierung von Festen widmet sich der nächste Beitrag, fur den die Kompetenz einer musikwissenschaftlichen Fachperspektive in diesen Band eingebracht werden konnte. ERICH TREMMEL fuhrt aus, daß die Grundlagen der Musik der Friedensfeste bereits in der Renaissance gelegt wurden. Anlässe für Festkompositionen, die in der Regel im Liedtext genannt wurden, waren zunächst Hochzeiten, Funeralien, Inaugurationen, Fürstenkonvente, Einweihungen von Kirchenbauten und militärische Siege, die gerade zu artistischen Schlachtenmusiken inspirierten. Als spezifische Formen sind Madrigale und Motetten anzusehen, letztere wirkten auch für die Augsburger Friedensfestmusik stilbildend. Tremmel betont die dominante Rolle der Kantorei bei St. Anna und ihres richtungsweisenden Komponisten Adam Gumpelzhaimer bis ins 18. Jahrhundert. Dieser Traditionalismus auch im musikalischen Bereich wurde erst durch die Einführung von Kirchenkantaten unter dem Einfluß von Georg Philipp Telemann und Johann Sebastian Bach gebrochen. Als protestantische Siegesfeiern gegenüber dem Katholizismus deutet DLETZRÜDIGER MOSER die Inszenierung der Friedensfeste nach 1648 sowie die Säkularfeiern von 1748 und 1848. Der Kulturhistoriker, der von der Literatur bis zur Musikgeschichte umfassend ausgewiesen ist, bleibt zunächst bei der Musikkultur, die nach dem Dreißigjährigen Krieg durch den Westfälischen Frieden wieder neue Impulse erfahren hat. Die Festmusik erfüllte nicht allein festlich-repräsentative, sondern darüber hinaus politisch-demonstrative Funktionen. Die PsalmenVertonung durch Heinrich Schütz, das Singen des Luther-Lieds "Ein feste Burg" und der Einsatz von Pauken und Trompeten im Kontext der Friedensfeste zeugten laut Moser nicht eben von einem ökumenischen Gedanken, sondern vor allem

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vom Jubel der Protestanten. Wenn hier auch weiter zu diskutieren bleibt, inwieweit diese Beobachtungen als spezifische Ausprägung eines konfessionellen Triumphes oder aber als Ausdruck des generellen barocken Triumphalismus zu deuten ist, so ist doch an diesem Beitrag bemerkenswert, wie stark der Kulturfaktor Musik auch auf eine konfessionspolitische Botschaft hin ausdeutbar ist. Zu einem überraschenden Befund kommt die Kunsthistorikerin DOROTHEA BAND, die sich als Kennerin Augsburger Altargeräts einen Namen gemacht hat. Das Fest gehörte nach den Inventaren zu schließen zwar zu den Stiftungsanlässen, fand aber auf den entsprechenden Widmungen kaum Erwähnung. Vielmehr nahmen die evangelischen Stiftungen Bezug auf die Sakramente, so daß als Stiftungsgaben hauptsächlich Abendmahlskelche, -kannen und Altardecken zu finden sind. Auch wenn die Stiftungen nichts mehr mit guten Werken zu tun hatten, waren sie doch nicht zweckfrei, sondern dienten dem Repräsentationsbedürfnis der evangelischen Bürgerschaft, demonstrierten Stärke und Geschlossenheit für den Erhalt der Gemeinde, wirkten in der evangelisch-sakramentalen Auswahl und Beschriftung als konfessionelle Unterscheidungszeichen und betonten so die konfessionelle Identität. Dem Augsburger Friedensfest und der reichsstädtischen Festkultur im Süden stellt KATRIN KELLER, die durch ihre Leipziger Forschungen bekanntgewordene führende Kennerin frühneuzeitlicher Festkultur, schließlich die Festtradition in Sachsen vergleichend gegenüber. Dort fanden Jubiläumsfeiern als Lob- und Dankfeste bis ins 18. Jahrhundert zumeist in Verbindung zum Herrscherhaus statt und können im Gegensatz zu dem abgrenzenden Charakter des Augsburger Festes als integrativer und disziplinierender Bestandteil der kursächsischen Territorialstaatspolitik gesehen werden. Nach Keller hat sich die Ausweitung barocker Hofkultur in Sachsen und ein wachsendes Bedürfnis nach Festivitäten außerhalb von Gottesdiensten auch auf die Ausgestaltung der Friedensfeste ausgewirkt. Im Zuge eines gesteigerten Patriotismus und einer allgemeinen Politisierung im 19. Jahrhundert trat die Kirche schließlich weiter in den Hintergrund, und es etablierte sich ein bürgerliches Festprogramm.

IV. Tradition und Innovation Über die frühneuzeitliche Gründungs- und Hochphase des Friedensfestes hinausgehend widmen sich die nächsten Beiträge der Geschichte des Friedensfestes im 19. und 20. Jahrhundert. Dabei wird deutlich, daß trotz Mediatisierung, Säkularisation und Politisierung die konfessionellen Gegensätze und der protestantische Charakter des Festes im 19. Jahrhundert unter veränderten Bedingungen erhalten blieben. Die Beiträge verfolgen den Feiertag durch seine ökonomische und politi-

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sehe Krise bis zur ökumenischen Neuausrichtung des Friedensfestes am Ausgang des 20. Jahrhunderts. Auf die enge Verbindung der Tradition der Friedensfeste mit der reformatorischen Jubiläumskultur auch im 19. Jahrhundert verweist STEFAN LAUBE, der schon mit einer umfassenden Studie zur konfessionellen Erinnerungskultur in Bayern hervorgetreten ist. Speziell in Augsburg, wo das Friedensfest neben den Reformationsfeiern und dem Luthergedenken von 1883 für das protestantische Bürgertum immer noch eine wichtige Stellung einnahm, zeigte sich die Verquikkung politischer und religiöser Gedenktage. Vor allem an zwei typischen Beispielen wird der praktischen Umsetzung der Prinzipien der Religions- und Gewissensfreiheit als Ausdruck der Mehrkonfessionalität der bayerischen Staatsräson und Kulturpolitik nachgegangen. Zwar wurde im Interesse der Wirtschaft die Abschaffung oder Verlegung kirchlicher Feiertage diskutiert, doch waren davon gerade katholische Feiertage und nicht das konfessionspolitisch geschützte Augsburger Friedensfest betroffen. Vor ihrem gesellschaftlichen Hintergrund erörtert FRANK MÖLLER, Autor einer analytisch weiterführenden Untersuchung bürgerlicher Herrschaft im Augsburg des 19. Jahrhunderts, die konfessionspolitischen Konflike und Argumentationstaktiken in dieser Phase. Auf dem langen Weg zur modernen Glaubens- und Gewissensfreiheit stand in Augsburg am Anfang eine "Parität ohne Normen", aus der die katholische Seite lange ihre Vorstellungen von konfessioneller Autonomie ableitete. Der Liberalismus, ursprünglich auch paritätsfreundlich, stellte dann das Bild einer überkonfessionellen säkularen Bürgergemeinde dagegen, mußte jedoch am Ende zur Durchsetzung dieser Art von Religionsfreiheit im Kulturkampf gerade auf den Staat zurückgreifen. In fünf Phasen gewinnt dieser oft unerwartete Entwicklungsgang Gestalt. Daß das Friedensfest zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht mehr im Zeichen konfessioneller Abgrenzung stand, sondern als allgemeiner Feiertag von hohem Freizeitwert auch von Katholiken begangen wurde, führt GERHARD HETZER aus. Der in dieser Zeit und diesen Quellen besonders ausgewiesene Forscher stellt nach einem Rückblick auf den Ursprung der Feiertagsregelung und der Entwicklung seit dem Ersten Weltkrieg die Abschaffung zwar nicht des Festes, aber des Feiertags im Dritten Reich und seine Wiedereinführung und gesetzliche Sicherung in der Nachkriegszeit ins Zentrum seiner Ausführungen. Das NS-Reichsgesetz für Feiertage eröffnete 1934 die Diskussion um die Aufhebung des Augsburger Feiertags, wobei im Vordergrund der Argumentation zunächst ökonomische Motive standen, aber auch der zunehmende politische Druck auf kirchlich Engagierte. Seit 1946 gelang trotz starken Widerspruchs aus der Wirtschaft auf Betreiben der evangelischen Gemeinde und der Stadtverwaltung 1949 die Einführung des Friedensfest als gesetzlicher Feiertag. Das breite Spektrum der kommunalen und friedenspolitischen Argumente für die Erneuerung des Festes zeigt, daß die moderne

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Sinngebung - vom Autor des Beitrags skeptisch beurteilt - sich letztlich erst in der Gegenwart voll durchgesetzt hat. Den Beiträgen folgt noch ein Anhang zu den Friedensgemälden. Die Herausgeber hätten gern auch Ulrike Albrecht, die eine Dissertation zu dieser Quellengruppe vorgelegt hat, in diesem Band zu Wort kommen lassen, aber das ließ sich nicht realisieren. Um so mehr erschien es angebracht, eine bisher nur maschinenschriftlich benutzbare Erstauswertung der Friedensgemälde durch den renommierten Augustana-Experten WOLFGANG SEITZ von 1969, auf der alle bisherigen Forschungen gründen, öffentlich zugänglich und leichter zitierbar zu machen. Nähere Angaben zur forschungsgeschichtlichen Bedeutung dieser Erschließungsstudie finden sich in einer dem Anhang vorangestellten Vorbemerkung der Herausgeber. Die historischen Einschätzungen des Augsburger Friedensfestes sind in den einzelnen Beiträgen außerordentlich verschieden ausgefallen und sollen hier nicht harmonisiert werden. Gleichwohl läßt sich diesem Band doch auch wissenschaftlicher Rat entnehmen, wie ein solches Fest historisch sinnvoll gefeiert, unter welchen Perspektiven es zu Recht auf die Vergangenheit zurückbezogen werden kann und unter welchen nicht. Drei Punkte seien hervorgehoben: Erstens hat sich in allen politischen, theologischen wie kulturgeschichtlichen Ansätzen erwiesen, daß das Augsburger Friedensfest vom 17. bis ins 19. Jahrhundert ausschließlich ein evangelisches Identitätsfest war und blieb. Es stellte sogar noch stärker ein evangelisches Kirchenfest dar als die Friedensfeste nach 1648 ohnehin und gehört bis in die bildlichen, musikalischen und zeremoniellen Zeugnisse hinein in den Kontext konfessioneller Festkultur. Die konfessionelle Identitätspflege überformte auch das historische Friedensgedächtnis und war in diametralem Gegensatz zu heutigen gemeinchristlichen Bestrebungen auf Abgrenzung, Unterscheidung und Konfrontation hin angelegt. Sich hier auf eine ökumenische Festtradition zu berufen, wäre geradezu ein historiographischer Kunstfehler. Zweitens aber bedeutete dies im Rahmen der Zeit keineswegs eine ungebremste Militanz und Friedlosigkeit. Um das zu erkennen, darf man jedoch nicht von gesteigerten retrospektiven Ansprüchen an das Fest selbst ausgehen, sondern muß es auf dem Hintergrund der frühneuzeitlichen Parität sehen, die speziell fur die bikonfessionelle Reichsstadt wie die Reichsverfassung und die Reichsinstitutionen des mehrkonfessionellen Deutschland galten. Darunter ist das Nebeneinander zweier Parteien zu verstehen, die sich in unversöhnter Verschiedenheit auch in der Festkultur gegenüberstanden, politisch-rechtlich aber als gleichrangig anerkannten und nebeneinander bestehen ließen. Die kontrastive Symbolik des Augsburger Friedensfestes war also nicht Ausdruck der Friedlosigkeit, sondern eine andere Art der Friedensregelung. Als ältere Lösung für ein immer noch virulentes Problem bleibt sie des historischen Gedächtnisses wert. Weniger im religiösen Be-

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reich als in politischen Krisenregionen ist das geregelte Nebeneinander unversöhnlicher Gruppen sogar noch heute das einzige Konfliktlösungsmittel. Drittens aber erwies sich der alte paritätische Fest- und Friedenstyp auch als wandlungs- und entwicklungsfähig. In der gegenseitigen politischen Anerkennung der Konfessionsparteien, die im Augsburger Modell wie in ganz Deutschland auf engem Raum miteinander auskommen mußten, ist durchaus ein erster Schritt zur Toleranz zu erkennen. Einige Forscher sehen sogar erste individualrechtliche und biblizistische Toleranz- und Friedenszeichen am Horizont, politisch ist die frühmoderne Friedenswahrung in Reich und Reichsstadt auf jeden Fall ein vermittelnder Zwischenschritt zur Toleranzidee. Alles in allem kann das Fest so, sowenig es an sich friedfertig wirkt, in seinem Kontext durchaus als Ausdruck einer ausbaufähigen Vor- oder Frühform eines Konfessionsfriedens und von Toleranz gewertet werden. Wer den Frieden im Friedensfest feiern will, kann sich nicht einfach auf Festtraditionen berufen, wohl aber auf eine historische Entwicklungsdynamik von Fest und Frieden.

Der Kongreß des Instituts fur Europäische Kulturgeschichte vom 30. September bis 2. Oktober 1999, für den die Evangelische Gesamtkirchengemeinde Augsburg freundlicherweise den Augustana-Saal bei St. Anna zur Verfügung stellte, ist durch die Fritz-Thyssen-Stiftung großzügig gefördert worden. Die Publikation wurde durch Druckkostenzuschüsse der Stadt Augsburg, des Bezirks Schwaben, der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern und des EvangelischLutherischen Dekanats Augsburg ermöglicht. Die Herausgeber danken allen Förderern recht herzlich. Die Herausgeber danken darüber hinaus den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts für Europäische Kulturgeschichte für die Organisation und Durchführung der Tagung, Susanne Empl, Claudia Bühles, Martin Heise, Christoph Riedelsheimer sowie Florian Arloth für die Bearbeitung des Anhangs und Korrekturlesen. Ein besonderer Dank gilt Theresia Hörmann M.A. fur die engagierte Gesamtredaktion des Bandes.

I. Perspektiven der Festinterpretation

Polaritäten und Dimensionen eines Festes Etienne Frangois

Anknüpfend an den Ansatz und an die Formulierung der britischen Historiker Eric Hobsbawm und Terence Ranger kann man die Begehung von Friedensfesten unmittelbar nach dem Abschluß des Westfälischen Friedens und vor allem die Fortfuhrung von mehreren unter ihnen in Form von sich alljährlich wiederholenden Gedenkveranstaltungen als ein Musterbeispiel der "invention of tradition" betrachten.' Dies gilt insbesondere für das Augsburger Friedensfest, ist doch das Augsburger Friedensfest heutzutage nicht nur das einzige Friedensfest, das als gesetzlicher Feiertag in Augsburg gefeiert wird, sondern auch das einzige Friedensfest, das sich rühmen kann, scheinbar unmittelbar an die Zeit des Dreißigjährigen Krieges und des Westfälischen Friedens anzuknüpfen. Daraus ergibt sich fast zwangsläufig eine erste Gruppe von Fragen, mit welchen sich die Beiträge des Bandes auseinandersetzen werden: Wie wurde diese Tradition 'erfunden'? Von wem, unter welchen Bedingungen und mit welchen Absichten? Wie wurde sie institutionalisiert? Welche Personen, Gruppen und Institutionen sorgten für ihre regelmäßige Begehung? Wie gelang es ihnen, das Fest von Jahr zu Jahr, ja von Generation zu Generation zu tradieren, ihm immer wieder einen neuen Sinn, eine neue Bedeutung und eine neue Legitimität zu verleihen? Wie gestaltete sich im Wandel der Zeit das Verhältnis zwischen den Elementen der Kontinuität auf der einen Seite und denen der Erneuerung und der Anpassung auf der anderen Seite? Eine erste Teilantwort auf diese Fragen ist ohne Zweifel darin zu suchen, daß das Augsburger Friedensfest von Beginn an eine äußerst komplexe Erscheinung gewesen ist. Auf den ersten Blick könnte man versucht sein, das Fest mit Hilfe von politologischen Fragestellungen zu analysieren und es unter der Perspektive der 'Vergangenheitsbewältigung' zu untersuchen. Man könnte dabei mit solchen Fragen operieren: Welche Teile der jüngsten Vergangenheit wurden mit Hilfe des Festes konstruiert und aufrechterhalten? Was wurde hervorgehoben und was wurde verschwiegen? Wie gestaltete sich das Verhältnis zwischen den Ereignissen lokaler Relevanz und den Ereignissen allgemeiner Tragweite? Wie wurden diese selektierten Bestandteile der Vergangenheit untereinander assoziiert und organisiert? Welche Funktionen erfüllte diese Konstruktion der Vergangenheit? Welche Eric Hobsbawm, Terence Ranger (Hg.): The Invention of Tradition. Cambridge 1983.

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Etienne Frangois

Friedensvorstellungen wurden damit verbunden und vermittelt? Inwiefern trugen sie dazu bei, das kollektive Leben in der Gegenwart zu gestalten und die Zukunft vorzuprogrammieren und in die rechte Bahn zu lenken? Sehr schnell aber würde man feststellen, daß ein solches Analyseraster zu kurz greift, nicht zuletzt, weil es sich außerstande erweist, der strukturellen Komplexität eines Festes gerecht zu werden, das angeblich dem Frieden gewidmet ist, das aber am Tag eines Schlüsselereignisses des Krieges (die Ausweisung der protestantischen Pfarrer von Augsburg am 8. August 1629) begangen wird, und das viel mehr von der Geschichte der Reformation und des Krieges als vom Frieden spricht. Um das Augsburger Friedensfest in seiner Spezifik zu erfassen, ist es unerläßlich, auf seine immanente doppelte Polarität hinzuweisen. Die erste Polarität bezieht sich auf das Verhältnis der Ergänzung, der Wechselwirkung, aber auch der Spannung zwischen der heilsgeschichtlichen Deutung der Vergangenheit auf der einen Seite und der profangeschichtlichen Deutung derselben Vergangenheit auf der anderen Seite, das heißt mit anderen Worte auf das Verhältnis zwischen Religion und Politik. Die zweite Polarität ist in der Tatsache zu suchen, daß das Friedensfest zwei unterschiedliche und nicht leicht zu kombinierende Zielsetzungen verfolgte: Auf der einen Seite setzte es sich zum Ziel, das Selbstbewußtsein, das Zusammengehörigkeitsgefühl und die 'corporate identity' der Augsburger Konfessionsverwandten zu stärken und kann insofern als ein Kampf- und Abgrenzungsmittel betrachtet werden; auf der anderen Seite aber setzte es sich auch zum Ziel, den politischen und bürgerlichen Frieden auf der Basis der Parität zu festigen, und kann daher als eine Form der Anerkennung des Pluralismus und als ein Beitrag zur Formierung einer pluralistischen politischen Kultur betrachtet werden.2 Darüber hinaus soll auf die von Beginn an eminente Multidimensionalität des Festes hingewiesen werden. Sehr schnell nämlich gelang es dem Augsburger Friedensfest, unter Rückgriff auf die Tradition der protestantischen Jubiläen, differenzierte Ausdrucksformen zu entwickeln und eine originelle barocke Festkultur zu gestalten, die man als ein 'Gesamtkunstwerk' bezeichnen kann. Das Fest bestand nämlich nicht nur aus Predigt und Festgottesdienst, sondern auch aus Prozession und Inszenierung, aus Musik und Bild ('Friedensgemälde'), aus Dichtung und Blumen, aus Geschichtsunterricht und Gedenkmünzen, aus Riten und Stiftungen, die alle zusammen in eine sinnenfrohe Festkultur mündeten und eine äußerst komplexe Zusammensetzung aufweisen. Zu fragen gilt es auch nach der Entstehung der Einzigartigkeit des Augsburger Friedensfestes. Denn zur Zeit seiner ersten Begehung war das Fest weder neu noch einzigartig. Das erste Augsburger Friedensfest wurde nicht unmittelbar nach

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Vgl. dazu das Kapitel über das Friedensfest und die lutherischen Jubiläen im dritten Teil meiner Untersuchung: Die unsichtbare Grenze. Protestanten und Katholiken in Augsburg 1648-1806. Sigmaringen 1991 (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg. Bd. 33). S. 153-167.

Polaritäten

und Dimensionen

eines Festes

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dem Friedensschluß, das heißt im Jahre 1648 (wie in vielen anderen Städten) gefeiert, sondern erst zwei Jahre später, im Jahre 1650. Und vor allem: seit den neuen Forschungen von Ciaire Gantet3 wissen wir, daß in der Zeit zwischen Mai 1648 und Dezember 1650 mindestens 174 unterschiedliche Friedensfeste im Reich gefeiert wurden.4 Wie ordnet sich das Augsburger Friedensfest in diesen größeren Zusammenhang ein? Wo liegt das Gemeinsame zwischen dem Augsburger und den anderen Friedensfesten? Wo liegt das Spezifische? Wie und warum wurde schließlich aus einem Fest unter vielen anderen das Friedensfest schlechthin? Mit anderen Worten: wie, warum und wann wurde aus dem Augsburger Friedensfest ein "lieu de memoire", ein "Erinnerungsort" im Sinne von Pierre Nora, das heißt ein sozialer, funktionaler und symbolischer Kristallisationspunkt kollektiver Erinnerung und kollektiver Identität? Wie wurde das Fest von den Zeitgenossen und von den nachkommenden Generationen wahrgenommen? Wie vollzog sich der Übergang von einem Fest des "kommunikativen Gedächtnisses" zu einem Fest des "kulturellen Gedächtnisses"? 5 Welche Prozesse der sozialen und kulturellen Identifizierung und Aneignung haben dazu beigetragen? Wie, warum und wann insbesondere wurde aus dem Friedensfest ein Kinder- und Familienfest, dessen emotionale Aufladung so stark war, daß es noch in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts von den meisten protestantischen Familien aus Augsburg gefeiert wurde? Um solche Fragen zu beantworten, empfiehlt es sich bei aller Konzentration auf die Spezifik und die Einzigartigkeit des Augsburger Friedensfestes, es mit anderen Festen und Gedenkveranstaltungen zu vergleichen. Eine erste Vergleichsmöglichkeit bietet sich in diesem Zusammenhang an, nämlich der Vergleich zwischen dem Augsburger Friedensfest und anderen damals auch institutionalisierten Friedensfesten, zuerst in anderen süddeutschen paritätischen beziehungsweise protestantischen Städten, so wie ihn Gantet in ihrer leider noch nicht ins Deutsche übersetzten Untersuchung durchgeführt hat, und darüber hinaus in anderen weiter entfernten Regionen, wie zum Beispiel in dem von Keller6 untersuchten Kursachsen. Dabei aber sollte man nicht bleiben. Daher möchte ich zum Schluß als Desiderat für weitere Forschungen auf eine zweite Vergleichsmöglichkeit hinweisen, die auf den ersten Blick überraschen mag, von welcher ich mir aber weiterfuhrende Anregungen und Einblicke erwarten könnte, nämlich den Vergleich mit den Passionsspielen von Oberammergau. Man hat es zwar bei dem Augsburger Friedensfest und bei den Passionsspielen 3 4

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Vgl. den Beitrag in diesem Band. Ciaire Gantet: Discours et images de la paix dans des villes d'Allemagne du Sud aux XVIIe et XVIIIe siecles. Diss. Paris 1999. Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München 1999; Aleida Assmann: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München 1999. Vgl. den Beitrag in diesem Band.

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Etienne

Frangois

mit zwei Gedenkformen zu tun, die in vielen Punkten antithetisch strukturiert sind, nicht zuletzt wegen des Gegensatzes zwischen dem ländlich-katholischen Charakter der Passionsspiele und dem protestantisch-städtischen Charakter des Friedensfestes. Auf der anderen Seite aber fallen zwischen den Passionsspielen und dem Friedensfest mehrere strukturelle Ähnlichkeiten auf: beide sind in Lokalitäten erfunden worden, die nicht weit voneinander entfernt liegen; beide wurden fast zur selben Zeit gegründet, gehen doch die Passionsspiele auf ein Gelübde von 1633, das heißt nur vier Jahre nach dem Schlüsselereignis, an welches das Friedensfest erinnert, zurück; beide halten die Erinnerung an ein traumatisches Ereignis des Dreißigjährigen Krieges wach, das hier wie dort eine Todesgefahr für die Kollektivität die Gemeinschaft darstellte, in Oberammergau die Pest und in Augsburg der mit der Ausweisung der evangelischen Geistlichkeit beabsichtigte Todesstoß des Protestantismus; in beiden Fällen schließlich wurden die Gedenkveranstaltungen bis heute fast ohne Unterbrechung fortgeführt und erfolgreich gefeiert. Dieser Vergleich wurde, meiner Kenntnis nach, noch nicht versucht. Könnte man sich aber nicht vorstellen, daß er nicht nur zu einem besseren Verständnis der beiden Feste beitragen würde, sondern auch darüber hinaus zu einem besseren Verständnis der strukturellen Abhängigkeit und der gegenseitigen Bestimmung der konfessionellen Kulturen des alten Reiches?

Westfälischer Friede und konfessionelle Erinnerungskultur Heinz Duchhardt

Wenn man eine Art Zwischenbilanz des aus Anlaß des 350. Jahrestages des Westfälischen Friedens erschienenen Schrifttums zieht, dann unterliegt es überhaupt keinem Zweifel, daß der dem Frieden vorausgegangene Krieg die ungleich größere Faszination auf die Fachwissenschaft und die 'Ausstellungsmacher' ausübte; selbst aus dem dreibändigen Katalog der zentralen deutschen Ausstellung in Münster und Osnabrück wird dies ganz klar ersichtlich. 1 Vielleicht ist das ja sogar nachzuvollziehen: Menschliches Leid, Überlebensstrategien, die Bewältigung des Todes sprechen weit eher Emotionen und Vergleichsparameter an als das nüchterne Verhandeln von Diplomaten, als der Streit um abstrakte Begriffe und Formeln, als die Entwicklung von Konzepten zur Friedenssicherung und -wahrung; selbst die glanzvollen Feste, die viel mehr als Eitelkeiten implizierenden Rangund Präzedenzstreitigkeiten der Diplomaten und die kleinen und größeren 'chroniques scandaleuses' auf dem Westfälischen Doppelkongreß kommen (wissenschaftlich und außerwissenschaftlich) gegen den Krieg nicht an. Bei allem Aufschwung, den im Gefolge der und gespiegelt in den 'Geschichtlichen Grundbegriffen' begriffsgeschichtliche und semantische Untersuchungen genommen haben und den völkerrechtsgeschichtliche Untersuchungen nehmen sollten: das nichtfachwissenschaftliche Publikum läßt sich von Themen, die auf den Menschen und seine unmittelbare Betroffenheit von der 'großen Politik' zielen, weit eher beeindrucken als von diskursanalytischen oder semantischen Ansätzen oder von Editionen der Verhandlungsakten und historisch-kritischen Urkundenausgaben, wie sie vornehmlich in dem säkularen Vorhaben der 'Acta Pacis Westphalicae' vorgelegt werden. Es ist kein Zufall, daß die Erfassung von Selbstzeugnissen aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges 2 und ihre Aufarbeitung unter erfahrungsge-

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Klaus Bußmann, Heinz Schilling (Hg.): 1648 - Krieg und Frieden in Europa. 3 Bde. München 1998. Benigna von Krusenstjern: Selbstzeugnisse der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Beschreibendes Verzeichnis. Berlin 1997.

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Heinz Duchhardt

schichtlichen Fragestellungen 3 in letzter Zeit einen gewaltigen Aufschwung genommen haben. Auf der anderen Seite wohnt selbstverständlich auch jedem Friedensschluß eine emotionenweckende Komponente inne. Freilich war der Grad der Emotionalität immer von dem Grad der Betroffenheit abhängig. Menschen etwa in Ostfriesland, die vom Krieg so gut wie verschont geblieben waren, reagierten auf den Abschluß des Westfälischen Friedens selbstverständlich anders als solche in den sogenannten 'Hauptzerstörungsgebieten', um auf die Franzsche Begrifflichkeit - unbeschadet der heftigen Kritik, die in jüngster Zeit an seinem überdeutlich in seiner Wissenschaftlichkeit in Frage gestellten 'Standardwerk' von 1940 geübt worden ist4 - nochmals zurückzugreifen. Katholiken reagierten generell anders als Protestanten, Soldaten reagierten anders als Kaufleute, die Hamburger, die eher zu den Profiteuren des Krieges gezählt werden müssen, anders als die Nürnberger oder die Magdeburger. Emotionalität ist vielleicht eine nur unzureichende Umschreibung dessen, was unter das Rubrum des Friedensfestes 'zwischen Religion und Politik' gestellt worden ist. Es geht um die Konstanz und den Wandel in der Erinnerungskultur, es geht um die politische und die konfessionelle Instrumentalisierung eines zentralen kommunalen, nationalen, vielleicht gar europäischen 5 'lieu de memoire', es geht um die Frage, ob und wie Jubiläen als Kampfmittel eingesetzt und zur Abgrenzung benutzt werden, es geht aber auch um die Frage, warum Augsburg im Kreis der von der Regelung von 1648 betroffenen Reichsstädte letztlich doch durch die Institutionalisierung seines ganz spezifischen Friedensfestes, durch den Jahresrhythmus des Erscheinens seiner Friedensgemälde und deren exzeptionelle Funktion im städtischen Sozialleben - eine Sonderstellung einnimmt, und nicht zuletzt darum, wie die Augsburger Parität in die geistesgeschichtlichen Entwicklungsprozesse, die die religiösen Bruchlinien zu entschärfen suchten, einzuordnen ist und ob von ihr allgemeine Linien zu neuen Stufen der Bewältigung des Konfessionellen und des Anders-Glaubens gezogen werden können. Man mag ja mit guten Gründen von einem signifikanten Rückgang des Konfessionellen als konfliktauslösendem Faktor seit der Mitte des 17. Jahrhunderts sprechen, und manche Handbücher tun das bekanntlich auch dezidiert; keine Frage ist es aber, daß das Konfessionelle sowohl in der großen Politik eine Funktion behält - hier freilich tendenziell eher im Sinn der Verstärkung anderer Argumentations-

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Benigna von Krusenstjern, Hans Medick (Hg.): Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe. Göttingen 1999. Wolfgang Behringer: Von Krieg zu Krieg. Neue Perspektiven auf das Buch von Günther Franz "Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk" (1940). In: B. Krusenstjern, H. Medick: Zwischen Alltag und Katastrophe (Anm. 3). S. 543-591. Heinz Duchhardt: La Paix des Westphalie - de l'evenement europeen au lieu europeen de memoire? Stuttgart 1999.

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Friede und konfessionelle

Erinnerungskultur

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paradigma 6 - als auch auf der lokalen Ebene; Augsburg ist dafür bekanntlich ein nachdrücklicher Beleg.7 Ob man so weit geht wie Jürgen Lüh in seiner alles in allem recht problematischen Berliner Dissertation8 und das Heilige Römische Reich auch nach 1648 von konfessionellem Hader zerfressen und von einem Kontinuum religiös bedingter Eruptionen bewegt sieht, bleibe auf sich gestellt - völlig unabweisbar ist es, daß die deutsche Geschichte des späten 17. und des 18. Jahrhunderts unter Marginalisierung oder gar Negierung des Konfessionellen überhaupt nicht angegangen und geschrieben werden kann. Im Kontext des weiterwirkenden konfessionellen Moments, das im Reich als dem einzigen Gemeinwesen Europas ja verrechtlicht und gewissermaßen in die Verfassung integriert war, kam dem konfessionell konnotierten Gedächtnisfest, das 16179 und 1630 erstmals faßbar wird,10 natürlich eine besondere Bedeutung zu. Man kann es drehen und wenden wie man will und vielleicht auch das eine oder andere Gegenbeispiel finden: Das Gedächtnis des Westfälischen Friedens war ein protestantisches, primär sogar lutherisches Ereignis," so wie das Gedächtnis des Augsburger Religionsfriedens ein protestantisches Ereignis blieb und der (vermeintliche) Thesenanschlag von 1517 oder die Confessio Augustana von 1530 zu fur die protestantische Identität zentralen Ereignissen stilisiert wurden. Die alte Kirche hatte eine hohe, über den Jahresablauf mehr oder weniger gleichmäßig verteilte Festkultur - gegen diese Dominanz mußte sich der protestantische Reichsteil erst eine Festkultur schaffen, die nach seiner Sicht des Diesseits und Jenseits nur eine Gedächtniskultur sein konnte. Es ist in hohem Maß bezeichnend, daß am Beginn der Entwicklung einer Gedächtniskultur Ereignisse und Personen des deutschen und europäischen Protestantismus stehen: die zentralen theologischen und öffentlichkeitswirksamen Ereignisse aus der Formationsphase der nichtrömischen Konfession(en), Führergestalten wie Martin Luther oder Gustav Adolf,12 der den europäischen Prote6

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Johannes Burkhardt: Konfession als Argument in den zwischenstaatlichen Beziehungen. Friedenschancen und Religionskriegsgefahren in der Entspannungspolitik zwischen Ludwig XIV. und dem Kaiserhof. In: Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume europäischer Außenpolitik im Zeitalter Ludwigs XIV. Hg. von Heinz Duchhardt. Berlin 1991. S. 135-154. Etienne F r a n c i s : Die unsichtbare Grenze. Protestanten und Katholiken in Augsburg 16481806. Sigmaringen 1991 (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg 33). Jürgen Lüh: Unheiliges Römisches Reich. Der konfessionelle Gegensatz 1648 bis 1806. Potsdam 1995. Vgl. meine Rezension im Historischen Jahrbuch 117. 1997. S. 244-246. Hans-Jürgen Schönstädt: Antichrist, Weltheitsgeschehen und Gottes Werkzeug. Römische Kirche, Reformation und Luther im Spiegel des Reformationsjubiläums 1617. Wiesbaden 1978. Ulrike Dorothea Hänisch: "Confessio Augustana triumphans". Funktionen der Publizistik zum Confessio Augustana-Jubiläum 1630. Frankfurt a.M. u.a. 1993. Heinz Duchhardt: Das Feiern des Friedens. Der Westfälische Friede im kollektiven Gedächtnis der Friedensstadt Münster. Münster 1997. S. 32-34. Neuestens Sverker Oredsson: Geschichtsschreibung und Kult. Gustav Adolf, Schweden und der Dreißigjährige Krieg. Berlin 1994 (schwed. 1992).

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stantismus vor der vermeintlichen Vernichtung und dem Kollaps bewahrte. Da der europäische Protestantismus jeder übergreifenden Organisationsform entbehrte, waren die Jahrestage und Jubiläen zudem ein Mittel, um wenigstens punktuell nach außen hin Einheit und Solidarität zu demonstrieren. Erinnerungskultur - das muß selbstverständlich die Frage nach den Medien aufwerfen. Mit Gottesdiensten war nur ein lokales Publikum zu erreichen, mit gedruckten Festpredigten oder den aus ihrer jeweiligen Zeit heraus 'geborenen' Augsburger Graphiken bereits ein größeres, ebenso mit Gedenkmedaillen, die aber natürlich kostenträchtig waren und keinesfalls in jedem Jahr aufgelegt werden konnten, sondern sich auf die Zentenar- und Halbzentenaijubiläen reduzierten. Die Fragestellung nach Religion und Politik impliziert auch die Frage, wie Obrigkeiten Erinnerungskultur gestalteten, auf welche Medien sie zurückgriffen, als wie identitätsverstärkend sie das Konfessionelle einschätzten und wann sie selbst sich von den strikten Abgrenzungsstrategien lösten und einer neuen, vom Konfessionellen abstrahierenden politischen Kultur den Vorzug zu geben begannen. Konfession und Politik ist - neben anderem wie Verstaatungs- und Individualisierungsprozesse - ein beherrschendes Leitthema der frühneuzeitlichen Geschichte, und das längst nicht nur fur den Bereich des Alten Reiches. In diesem Band wird die Thematik aus der Sicht verschiedener Fachdisziplinen - der Geschichtswissenschaft, der Kirchengeschichte, der Politikwissenschaft und der von der Volkskunde beeinflußten Kulturgeschichte - beleuchtet. Dieser Mehrdisziplinarität verleihen die Beiträge eine zusätzliche Spannung.

Das Krokodil, die Parität und der Geist der Ökumene Gunther Wenz

Ein Krokodil ist in der ökumenischen Einheitsübersetzung aus dem alttestamentlichen Leviathan (vgl. Hiob 40,25 - 41,26) geworden, wie man denn zuvor schon den schrecklichen Behemoth (vgl. Hiob 40,15-24) zum Nilpferd entmythologisierte. Das mag seine philologische Richtigkeit haben; wirkungsgeschichtlich geurteilt ist die Übersetzung gleichwohl ein Fehlgriff. Schon der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, galt das gewundene Untier von Hiob 40,25 als ein ungeheuerlicher Drache (δρςκων), während die Vulgata auf eine lateinische Übersetzung verzichtete und das hebräische 'leviathan' beibehielt, um mit den Versen zu schließen: Non est super terrain potestas, quae comparetur ei, qui factus est, ut nullum timeret. Omne sublime videt: Ipse est rex super universos filios superbiae. Keine Macht ist auf Erden, die ihm zu vergleichen ist. (Hiob 41,24 Vulg.) So steht es auf Lateinisch am oberen Bildrand des Frontispiz der 1651 erschienenen Erstauflage von Thomas Hobbes' "Leviathan, Or The Matter, Forme and Power of A Commenwealth Ecclesiastical and Civil"1 geschrieben. Gemeint ist der Staat, der mit Leviathan verglichen wird und als dessen aktuelle Verkörperung gilt. Dargestellt ist er auf dem Frontispiz allerdings nicht als tierisches Monstrum, sondern als menschlicher Riese, um auf diese Weise den Doppelcharakter des Staatskörpers deutlich zu machen: dieser ist menschlicher Herkunft und durch Menschen zustandegebracht und zugleich von übermenschlicher Größe, welche jeden einzelnen Menschen überragt und ihn zu gehorsamer Unterwerfung zwingt. Der gekrönte Gigant hält in der Rechten ein erhobenes Schwert und in der Linken den Bischofsstab. Letzterer wurde später in einer veränderten Ikonographie gegen die Waage als Symbol des Rechts ausgetauscht, was auf eine Entschärfung der urDie lateinische Fassung des Leviathan, die mit der englischen Version im wesentlichen übereinstimmt, ohne jedoch eine streng wörtliche Übersetzung zu sein, erschien 1668 im Rahmen einer Sammlung der lateinischen Schriften von Hobbes und zwei Jahre später als Separatdruck. Eine vollständige deutsche Übersetzung enthält der Band: Thomas Hobbes: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates. Hg. und eingel. v. Iring Fetscher. Frankfurt a.M. 1984.

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sprünglichen Konzeption hinausläuft, derzufolge weltliche und geistliche Gewalt von der durch den Staatsriesen vorgestellten Autorität des Souveräns ausgehen. Interessant ist des weiteren, die Binnendifferenzierung des "Mortal God", des sterblichen Gottes, dessen Machtentfaltung alle irdischen Schranken transzendiert, genauer ins Auge zu fassen: "Obwohl seine rechte Hand nur einen Durchmesser von 12 mm aufweist, birgt sie eine Ansammlung von Menschen, die mit zwei schemenhaft sich abzeichnenden Gestalten des Daumenballens beginnt. Die dicht an dicht gedrängten Personen füllen beide Gliedmaßen sowie auch den gesamten Rumpf aus, um erst im Halsbereich, in der verschatteten Zone unterhalb des Kinnes zu verschwinden (...). Der Blick, den die Menschen von allen Standorten aus auf den Kopf des Riesen richten, kehrt über dessen Augen zum Betrachter zurück. Dieses Wechselspiel der Ausrichtungen und der Blicke hat seine Brisanz darin, daß sich der Betrachter zwar in die Rückenfiguren einzureihen wähnt, andererseits aber auf Augenhöhe des Souveräns mit diesem auf dessen Ebene kommuniziert. Indem er sowohl als Bestandteil wie auch als Gegenüber des Souveräns auftritt, vermitteln sich zwischen dem Riesen und dem Betrachter die Ansprüche der Unterwerfung, aber auch der Egalität. Der Doppelcharakter des Staatskörpers, von den Menschen geschaffen und deren Objekt zu sein, nach Erschaffung aber solange Gehorsam verlangen zu können, als die Bürger durch ihn geschützt werden, vollendet sich im Auge des Betrachters."2 Thomas Hobbes (1588-1679), der Autor des "Leviathan" und Theoretiker des europäischen Hochabsolutismus, war in seinem politischen Denken elementar durch die Erfahrung der englischen und kontinentalen Konfessionskriege bestimmt. Sie veranlaßte ihn dazu, die Staatsgewalt als eine von den streitenden Religionsparteien unabhängige und ihnen übergeordnete Macht mit schiedsrichterlicher Befugnis zu bestimmen. Die "Staatsraison" - "eins der Schlagworte des Jahrhunderts" 3 - wird zur Leitkategorie der politischen Systematik. Die Autorität des von den Antagonismen der Konfessionen abgehobenen Staates, welchen ein Souverän von unbedingter Vollmacht repräsentiert, duldet keine Begrenzung oder Teilung, soll der Bürgerkrieg vermieden und der schließliche Kampf aller gegen alle verhindert werden. Kurzum: die souveräne Gewalt in einem funktionsgerecht geordneten Staat muß absolut sein. Daß die Legitimation absoluter Staatsgewalt praktisch auf den despotischen Machtstaat hinausläuft, 4 zumindest gegen diese Konsequenz systemintern nicht geschützt ist, hängt wesentlich damit zusammen, daß der Souverän nach Hobbes auch Herr der Religion zu sein beansprucht, jedenfalls sofern diese in irgendeiner 2

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Horst Bredekamp: Die Brüder und Nachkommen des Leviathan. In: Leviathan. Zeitschrift für Sozialwissenschaft 26. 1998. S. 159-183, hier: S. 163f. Emanuel Hirsch: Geschichte der neueren evangelischen Theologie im Zusammenhang mit den allgemeinen Bewegungen des europäischen Denkens. Erster Band (1949) 5. Aufl. Gütersloh 1975. S. 9. Alexander Schwan: Hobbes, Thomas (1588-1679). In: TRE 15. S. 404-412, hier: S. 411.

Das Krokodil, die Parität und der Geist der

Ökumene

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Weise öffentlich wird. Die Verstaatlichung der Religion und damit des Transzendenzbezugs der Staatsuntertanen ist der eigentliche Grund für die Totalisierung des Staates. Diese Feststellung und der mit ihr verbundene Vorwurf gegen Hobbes, er sei ein antiliberaler und totalitärer Denker, ist nicht lediglich, wie der Carl Schmitt-Jünger Günter Maschke meinte, "eine Spezialität christlicher Autoren, die die Hobbes'sche Forderung nach Unterwerfung der Kirchen unter die staatliche Kontrolle ängstigt",5 sie ist vielmehr in der Sache selbst begründet, da die staatliche Gleichschaltung der Religion stets als ein untrügliches Indiz des Totalitären zu gelten hat. Wahr freilich ist, daß Hobbes "einander mit Waffengewalt sich bekämpfende Kirchen und Sekten als Bürgerkriegsparteien" 6 erlebte. Um die durch Behemoth versinnbildlichte Ungeheuerlichkeit religiös motivierter Auflösung des zivilen Rechtsfriedens und eines Rückfalls in die permanente Revolution und Anarchie des Naturzustandes, in dem der Mensch als des Menschen Wolf agiert, bannen zu können, sah er daher offenkundig kein anderes Mittel, als das Staatsungeheuer des Leviathan zu beschwören, um allgemeinen Mord und Totschlag zu verhindern. Mit Carl Schmitt zu reden: "Der Staat ist nach Hobbes nur der mit großer Macht fortwährend verhinderte Bürgerkrieg. Danach verhält es sich so, daß das eine Ungeheuer, der Leviathan 'Staat', das andere Ungeheuer, den Behemoth 'Revolution', andauernd niederhält."7 Drakonische Ordnung versus Chaosdrachen! Die Augsburger Bürgerschaft im Zeitalter von Hobbes wurde trotz erheblicher religiöser Gegensätze in den eigenen Mauern und trotz gelegentlicher revolutionärer Umtriebe vom Kampf der Giganten Leviathan und Behemoth weitgehend verschont. Das hängt, wie man weiß, mit dem System der Parität zusammen, wie es fur die Geschichte der Reichsstadt Augsburg in der Frühen Neuzeit charakteristisch ist. Die Vorstufen der Parität, mit der "eine spezifische und fiir die Neuzeit richtungsweisende Kategorie die Bühne betritt"8 reichen bis 1555, in das Jahr des Augsburger Religionsfriedens zurück. Auch wenn die auf Neutralität und ein ungestörtes Nebeneinander von Katholiken und Protestanten bedachte städtische

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Günter Maschke: Zum "Leviathan" von Carl Schmitt. In: Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes. Sinn und Fehlschlag eines politischen Symbols. Mit einem Anhang sowie einem Nachwort des Herausgebers. Hg. von Carl Schmitt. Köln 1982. S. 179-244, hier: S. 198 Anm. 25 unter Verweis u.a. auf das Buch des Barthschülers D. Braun: Der sterbliche Gott oder Leviathan gegen Behemoth. Zürich 1963; vgl. dazu auch Carl Schmitt: Die vollendete Reformation. Zu neuen Leviathan-Interpretationen (Anm. 5). S. 137-178. G. Maschke: Zum "Leviathan" (Anm. 5). S. 198, Anm. 25. Carl Schmitt: Der Leviathan inttrtf t *

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Marianne Sammer

Abb. 14. Die Emigranten vor Augsburg. "Vorstellung und Beschreibung des An- und Abzugs der Salzburgischen Emigranten, zu Augsburg. Anno 1731, und 32., [...]," Augsburg 1732.

Augsburger

Friedensblätter

und katholische

»mris Jüunti, dmt.

Gegenpropaganda

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it- tndfiir, mm bei iaihinitut^UiT

Abb. 15. Das erste Beispiel zeigt den reichen Salzwerkmeister Kamel, der emigriert, weil er weder Ämter noch Güter achtet, wenn es darum geht, das rechte Salz der Erde zu finden, das ihn auch ohne sein Salzwerk nähren wird.

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Abb. 16. Das zweite Beispiel zeigt Kamels Frau, die, in der Hand die Lutherische "Haus-Postill", für sich und ihre Kinder den lieben Gott zum Führer auserkor, im Vertrauen, daß dieser für sie überall auf der Welt Segen spenden werde.

Staatsräson und konfessionelle Toleranz. Bemerkungen zum Beitrag des politischen Denkens zur Friedensstiftung 1648 Wolfgang E. J. Weber

Nachdem der Kriegsgott Deutschland brutal mißhandelt hat, ruft er auf Anraten seines Bruders Pest den Wundarzt Meister Ratio Status, von Geburt Italiener, zu Hilfe. Der bis dahin unbekannte Feldscher verspricht, Deutschland "gründlich, künstlich und ohne einige Schmertzen (zu) curiren und heilen". Zuerst bietet er dem Patienten ein "emplastrum Ligae", ein "emplastrum Unionis" und schließlich ein Neutralitätspflaster ("emplastrum neutralitatis") an, die der schwer Gezeichnete jedoch ablehnt, weil er ihren gegenteiligen Effekt bereits erfahren habe. Auch die "Tränklein simulatio" und "dissimulatio" werden trotz verstärkten Drängens des Meisters erfolgreich abgewiesen. Schließlich nötigt der Quacksalber Deutschland jedoch einige in einem süßen Apfel versteckten Heuchelpillen ("pillulae hypocriticae") auf, die prompt nicht zur Heilung, sondern zur weiteren Verschlechterung führen, so daß der Sterbende in letzter Minute durch den von Gott gesandten Frieden gerettet werden muß.1 Diese Szene aus Johann Rists wohl erstmals 1646 aufgeführtem Schauspiel "Das friedewünschende Teutschland" vermittelt uns mehrere für die vorliegende Problematik wichtige Einsichten. Erstens werden wir darüber informiert, daß die Staatsräson zeitgenössisch als neues, aus Italien kommendes Phänomen betrachtet wurde. Zweitens erfahren wir, daß bereits die Bildung und das Wirken der beiden Konfessionsbündnisse Union und Liga, aber auch die einschlägigen Neutralitätsverträge als Ausflüsse der Staatsräson angesehen werden konnten. Drittens werden die politischen Mittel der Täuschung, Heuchelei und Lüge entsprechend ausgewiesen. Viertens verdammt der Poet alle diese Verfahren und damit die Staatsräson insgesamt als unchristlich, unwirksam und im Gegenteil gefährlich. Abhilfe verspreche vielmehr nur Gottes gnädige Intervention.

Johann Rist: Das friedewünschende Teutschland. In einem Schauspiele öffentlich vorgestellet und beschrieben. Hamburg 1649. In: Johann Rist. Sämtliche Werke. Bd. II. Hg. von Eberhard Mannack. Berlin, New York 1972. S. 167-181. Zitate S. 172, 175f. und 180.

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Dürfen wir aus diesem verbreiteten Zeitzeugnis tatsächlich schließen, daß der Friede von 1648 nur durch Fügung von oben zustande kam und das politische Handeln nach den Prinzipien des neuen Staatsräsondenkens lediglich kontraproduktive, das heißt die Kriegs- und Zerstörungsdynamik eher noch beschleunigende Wirkungen zeitigte? Während die erste Frage heutzutage zuständigkeitshalber den Theologen zu überlassen sein wird, legt der aktuelle Forschungsstand im Hinblick auf das Problem, welche Bedeutung der Staatsräson fur den Friedensschluß zukam, eher eine zurückhaltende Einschätzung nahe. Zwar hat bereits Fritz Dickmann ausdrücklich auf ein "neues, rationales Denken", verwiesen, welches sich im Friedensschluß "durchgesetzt" habe, "das sich die Kraft zutraut[e], bewußt gestaltend und ordnend in die Dinge einzugreifen". Der Schüler des ersten Historikers der Staatsräson Friedrich Meinecke hat dabei kaum Zweifel daran gelassen, daß es sich bei diesem Denken zumindest auch um die Staatsräsonreflexion handelte.2 Darüber hinaus liegt bekanntermaßen seit 1975 ein bedeutender Aufsatz des Rechtshistorikers Ulrich Scheuner vor, der den Einfluß der Staatsräson nicht nur auf den Interessenausgleich von 1648, sondern auch auf die anschließende Entwicklung hin zur Toleranz bestätigt und als groß einschätzt.3 Eine vertiefte Untersuchung des Fragekomplexes hat indessen bisher nicht stattgefunden. Obwohl feststeht, daß "die zeitgenössische politische Theorie" die Friedensordnung von 1648 "vorgezeichnet und begleitet" hat, gilt der Durchbruch zum Frieden vielmehr noch immer als mehr oder weniger unmittelbar der Realität entwachsen, aus der Empirie heraus "um des Überlebens willen, des politischen wie religiösen" erreicht. Und die Normen und Mittel, die man zur Verständigung einsetzte, gelten als hauptsächlich oder ausschließlich dem Reichsrecht und dem Reichsherkommen entnommen. 4

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Fritz Dickmann: Der Westfälische Frieden. 5. Auflage. Münster 1985. S. 495, vgl. die Registereinträge zu "Staatsraison" S. 632. Das Werk ist ausdrücklich an erster Stelle "Dem Andenken meines Lehrers Friedrich Meinecke" (Folgeseite nach dem Titelblatt) dediziert. Zur Benutzung des entsprechenden Bandes Meineckes (Die Idee der Staatsräson. 2. Auflage. Berlin 1925) vgl. S. 536f. Weiter gibt der Verfasser u.a. S. 537 an, mit Arnold Clapmar: De arcanis rerumpublicarum. Altorf 1605 (3. Auflage. Leiden 1644; s. im vorliegenden Beitrag weiter unten) ein Schlüsselwerk der deutschen Staatsräsonrezeption im Original herangezogen zu haben. Ulrich Scheuner: Staatsräson und religiöse Einheit des Staats. Zur Religionspolitik in Deutschland im Zeitalter der Glaubenskämpfe. In: Staatsräson. Zur Geschichte eines politischen Begriffs. Hg. von Roman Schnur. Berlin 1975. S. 363-405; der Beitrag möchte die gesamte Epoche von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts abdecken und bezieht knapp auch das angrenzende Europa, insbesondere Frankreich, mit ein. Entsprechend hoch ist die Argumentationsebene angesiedelt, während sich der vorliegende Versuch auf die deutsche Situation insbesondere im Vorfeld des Friedens konzentriert und zu entsprechend detaillierteren Befunden kommen kann. Johannes Burkhardt: Der Dreißigjährige Krieg als frühmoderner Staatsbildungskrieg. In: GWU 45. 1994. S. 487-499, S. 498 (erstes Zitat); ders.: Der Dreißigjährige Krieg. Frankfurt a.M. 1992. S. 165 (zweites Zitat); vgl. ferner aus der aktuellen Literatur ders.: Das größte

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Eine Studie zur Staatsräson, die an dieser Stelle ansetzen möchte, hat sich zunächst ihres Leitbegriffs zu vergewissern. Dazu liegen einschlägige Studien von Michael Stolleis, anderen Rechtshistorikern sowie von Politologen, voran den italienischen Forschern Gianfranco Borelli und A. Enzo Baldini, vor.5 Der Vergleich der Ergebnisse ihrer Untersuchungen zeigt sofort, daß Staatsräson nicht lediglich als Staatsrechtsformel betrachtet werden kann, mittels derer Herrschaftseliten zumal im Ausnahmezustand (Notstand) geltendes Recht zu durchbrechen und diese Durchbrechung zu legitimieren vermochten, wenn dadurch Nutzen fur 'den (ihren) Staat', 'das Gemeinwohl' oder 'das öffentliche Interesse' zu gewärtigen war oder zumindest reklamiert werden konnte. Sie so einzusetzen war vielmehr nur eine von mehreren Möglichkeiten, die zuerst in der italienischen Volkssprache aufgekommene, dann bei einzelnen Humanisten verwendete und schließlich durch den gegenreformatorischen Politiktheoretiker Giovanni Botero (1540-1617) inhaltlich zugespitzte Konzeption politisch-herrschaftlich anzuwenden. In seinem Kern kreiste das Konzept nämlich um die Voraussetzungen und Bedingungen der den jeweiligen Zeitumständen angemessenen Wahrnehmung, Einschätzung, Stabilisierung und Verbesserung des je eigenen privaten und/oder öffentlichen Standes beziehungsweise Zustandes. Entsprechend lehrten die Staatsräsontheoretiker zum Beispiel die eigenen materiellen und immateriellen Ressourcen systematisch zu erfassen und im Vergleich zu den Potentialen von Rivalen zu berechnen, wie neue Ressourcen erschlossen werden konnten - bei den Fürsten beispielsweise durch Erhebung regelmäßiger Steuern - , wann bestimmte Ressourcen gezielt wo einzusetzen waren, usw. Sie überzeugten ihre Leser und Hörer ferner zum Beispiel da-

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Friedenswerk der Neuzeit. Der Westfälische Friede in neuer Perspektive. In: GWU 49. 1998. S. 592-618, und für die repräsentative Sammeldarstellung des Jubiläumsjahres Heinz Duchhardt (Hg.): Der Westfälische Frieden. Diplomatie - politische Zäsur - kulturelles Umfeld Rezeptionsgeschichte. München 1998. Die einschlägige Zusammenstellung der vor 1998 erschienenen Literatur (Bibliographie zum Westfälischen Frieden. Hg. von Heinz Duchhardt. Münster 1996) kann zwar einige verstreute Titel zum Komplex Staatsräson verzeichnen, aber keinen eigenen Abschnitt zur politischen Ideengeschichte des Friedensschlusses ausweisen. Michael Stolleis: Staat und Staatsräson in der Frühen Neuzeit. Studien zur Geschichte des öffentlichen Rechts. Frankfurt a.M. 1990; R. Schnur: Staatsräson (Anm. 3); Herfried Münkler: Im Namen des Staates. Die Begründung der Staatsraison in der Frühen Neuzeit. Frankfurt a.M. 1987; Mauricio Viroli: From Politics to Reason of State. The Acquistion and Transformation of Language of Politics 1250-1600. Cambridge 1992; Gianfranco Borrelli: Ragion di Stato e Leviatano. Conservazione e scambio alle origini della modernita politica. Bologna 1993; ders.: Ragion di Stato. L'arte italiana della prudenza politica. Catalogo della mostra di Napoli luglio 1994. Neapel 1994; ders. (Hg.): Prudenza civile, bene commune, guerra giusta. Percorsi della ragion di Stato tra Seicento e Settecento. Napoli 22-24 maggio 1996. Neapel [im Druck]; A. Enzo Baldini (Hg.): Botero e la 'Ragion di Stato'. Atti del convegno in memoria di Luigi Firpo. Florenz 1992; ders. (Hg.): Aristotelismo politico e ragion di stato. Atti del convegno internazionale di Torino 11-13 febbraio 1993. Florenz 1995; ders.: Anna Maria Battista: Staatsräson, Tacitismus, Machiavellismus, Utopie. In: Jean-Pierre Schobinger (Hg.): Die Philosophie des 17. Jahrhunderts. Bd. 1. Basel 1998 (Grundriß der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg). S. 545-568.

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von, daß zwischen kurzfristigen Affekten beziehungsweise spontanen Bedürfnissen und dem wahren, eigentlichen, langfristigen Interesse unterschieden werden müsse und nur dieses Interesse handlungsleitend sein dürfe. Gleichzeitig betonten sie, daß zwecks seiner besseren Durchsetzung dieses Interesse eben mittels simulatio und dissimulatio oder Heuchelei vor der Mitwelt zu verbergen sei. Nirgend anderswo her als aus diesem Staatsräsondenken stammt demzufolge der heutige Begriff des Interesses einschließlich der mit ihm verknüpften theoretischen und praktischen Implikationen. 6 Die Staatsräsontheoretiker der Frühen Neuzeit unterstrichen aber auch erstmals die Notwendigkeit präventiven Handelns und struktureller Gestaltung in der Politik. Nicht nur von den Umständen gebotene Gelegenheiten sollen genutzt, sondern diese Gelegenheiten sollen konsequent herbeigeführt werden. Dieser systematischen Historisierung des politischen Denkens und Handelns lag eine entsprechende Historisierung der menschlichen Existenz überhaupt zugrunde, die das Staatsräsondenken zurecht als eine der wesentlichen Quellen des historischen Denkens erscheinen läßt. 7 Das Aufkommen und die europäische Verbreitung des Konzeptes der Staatsräson ist demzufolge im Ganzen als ein (nach Machiavelli und in Anknüpfung an ihn) neuerlicher, vielleicht entscheidender Schub säkularen politischen Klugheitsdenkens und insofern als eine Modernisierung praktischer Politik zu betrachten, die weit über die bislang im Vordergrund der Erörterung stehenden Staatsrechts- oder Verfassungsrechtsaspekte hinausgeht. Für den vorliegenden Beitrag bedeutet dieses breite Verständnis der Staatsräsonkonzeption, daß die angezielten politisch-ideengeschichtlichen Entwicklungen der Phase zwischen ca. 1590 bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts im Grunde als Element einer Mentalitätsgeschichte 8 der zeitgenössischen Herrschaftseliten auf-

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Domenico Taranto: Ragion di Stato e ragion d'interesse. In: Pierangelo Schiera (Hg.): Ragion di Stato e ragioni dello Stato. Atti del convegno Napoli 9-10 luglio 1990. Neapel 1996. S. 189-245; Christian Lazzeri, Daniele Reynie (Hg.): Politique de l'interet. Besancon 1998; K.P. Tieck: Staatsräson und Eigennutz. Drei Studien zur Geschichte des 18. Jahrhunderts. Berlin 1998. Vgl. Friedrich Meinecke: Die Entstehung des Historismus. München 1959, wo das historische Denken zentral aus dem deutschen Staatsräsondenken abgeleitet wird, ferner für den ltalienisch-westeuropäischen Raum Erich Hassinger: Empirisch-rationaler Historismus. Seine Ausbildung in der Literatur Westeuropas von Guicciardini bis Saint-Evremond. Bern, München 1978. Vgl. aus der Theoriedebatte vor allem Wolf Lepenies: Von der Geschichte zur Politik der Mentalitäten. In: HZ 261. 1995. S. 673-694; Peter Schöttler: Mentalitäten, Ideologien, Diskurse. Zur sozialgeschichtlichen Thematisierung der "dritten Ebene". In: Alltagsgeschichte. Zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen. Hg. Von Alfred Lüdtke. Frankfurt a.M. 1989. S. 85-136; Geschichte zwischen Kultur und Gesellschaft. Beiträge zur Theoriedebatte. Hg. von Thomas Mergel und Thomas Welskopp. München 1997; Michel Vovelle: Ideologies et mentalites. Ed. revue et augmentee. Paris 1992; Ingrid GilcherHolthey: Plädoyer für eine dynamische Mentalitätsgeschichte. In: Geschichte und Gesellschaft 24. 1998. S. 476-497, sowie spezifischer Leonore Scholze-Irrlitz: Moderne Konturen

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zufassen sind. Ich gehe also davon aus, daß das aus Italien ins Reich vordringende, über den Druck und den Universitätsunterricht verbreitete Staatsräsondenken nicht nur die Wahrnehmung der politischen Zustände und Ereignisse durch die politischen Eliten zuschärfte, sondern auch deren Einschätzung verbesserte und zu entsprechend realitätsnäherem beziehungsweise 'realpolitischem' Herrschaftshandeln beitrug. Für einen Aspekt, nämlich denjenigen der Verbesserung der Diplomatie, liegen bereits einschlägige Forschungsergebnisse vor.9 Einem anderen, nämlich der im Mittelpunkt dieses Sammelbandes stehenden Frage nach der Auffassung und dem Umgang mit der konfessionellen Toleranz, wird im folgenden nachzugehen sein.10

I. Christlichkeit und Weltlichkeit: Grundlagen und Haupttendenzen des Politischen Denkens vor 1648 Reformation und Konfessionalisierung bewirkten als ihr unmittelbar wichtigstes historisches Ergebnis eine zutiefst christliche Imprägnierung allen Denkens über die Ziele und Formen diesseitiger politisch-sozialer Ordnung. Das heißt, zunächst erfuhren die gemeinsamen Merkmale des lateinischen Christentums im Hinblick auf politische Kultur beziehungsweise Politik Festigung und Verstärkung. Worin

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historischer Anthropologie. Eine vergleichende Studie zu den Arbeiten von Jacques Le Goff und Aaron J. Gurjewitsch. Frankfurt a.M. u.a. 1994. Vgl. demnächst Diego Quaglioni (Hg.): Diplomazia e ragion di Stato. L'ambasciatore nell'Europa moderna. Atti del convegno Trento 27-28 ottobre 1995. Trient [im Druck]. Aus der mittlerweile unübersehbaren theoretischen Literatur zur Toleranz generell und aktuell vgl. u.a. Jan Blommaert, Jef Verschneren (Hg.): Debating diversity: analysing the discourse of tolerance. London 1998; Annette Schmitt: Toleranz - Tugend ohne Grenzen? Breitenbach 1993; Michael Walzer: Über Toleranz. Von der Zivilisierung der Differenz. Hamburg 1998 sowie kritisch Slavoj Zizek: Ein Plädoyer für die Intoleranz. Wien 1998. Zur ideengeschichtlichen Entwicklung in der Frühneuzeit siehe neben dem auch in seiner Kommentierung maßgebenden Quellenband von Hans-Rudolf Guggisberg (Hg.): Religiöse Toleranz. Dokumente zur Geschichte einer Forderung. Stuttgart-Bad Cannstatt 1984, jetzt im Überblick Guy Saupin: Naissance de la tolerance en Europe aux tempes modernes: XVie-XVIIIe siecle. Rennes 1998. Nicht unproblematisch, weil den Toleranzbegriff bisweilen zu weit ausdehnend, ist der Sammelband Cary J. Nederman, John Christian Laursen (Hg.): Difference and Dissent. Theories of Tolerance in medieval and Early Modern Europe. Boulder/Co. u.a. 1996; dagegen überzeugender im gewählten thematischen Ausschnitt John Christian Laursen (Hg.): Religious Toleration. The Variety of Rites from Cyrus to Defoe. New York 1999. Eine zu hohe Abstraktionsebene für den vorliegenden Ansatz pflegt die Aufsatzgruppe Machiavelli and Religion: A Reappraisal. In: Journal of the History of Ideas 60. 1999. S. 579-757. Immerhin wird deutlich, daß Machiavellis instrumentelle Thematisierung von Religion auch als vorübergehende Lösung gelesen werden kann: Auf die Dauer werde sich die wahre Religion, das heißt das (römische) Christentum so oder so durchsetzen.

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diese bestanden, hat zuletzt Wolfgang Reinhard zusammenfassend erörtert." Für den vorliegenden Zusammenhang bedeutsamer sind indessen die j e konfessionsspezifischen Schwerpunktsetzungen und Akzentverschiebungen. Wie sahen (und sehen) diese aus? Die - als konfessionalisierte durchaus neue römische Kirche blieb den Konsequenzen der Integration des Christentums in das Imperium Romanum verhaftet: dem universalen Herrschaftsanspruch, der Verknüpfung von Heils- und Reichsgeschichte in der Weltreichelehre, der lateinischen Sprache, dem römisch bestimmten Rechts-, Anstalts- und Hierarchiecharakter der Kirche, der "funktionalen Vorstellung vom öffentlichen Amt", schließlich der theologisch-kirchlichen Legitimation (und Begrenzung) von weltlicher Herrschaft angesichts des Vorrangs der geistlichen Macht. Einen eigenständigen politischen Diskurs brachte sie dementsprechend erst allmählich hervor.' 2 Das Luthertum hingegen radikalisierte die augustinische Trennung der civitas Dei und der civitas terrena. Seine Leitprinzipien waren bekanntermaßen dem 13. Kapitel des Römerbriefs - 'Jedermann ist Untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat, denn es gibt keine Obrigkeit, es sei denn von Gott' - und dem Markusevangelium (12,17) entnommen: 'Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist'. Die Kirche sollte mithin "eine ausschließlich geistliche Angelegenheit werden, die das ewige Heil mit keinem anderen Mittel als dem Wort Gottes bewirken mußte. Alles andere fiel an die weltliche Gewalt, die immer noch unter Gottes Gebot stand, aber [jetzt ausschließlich, W.E.J.W.] zur Wahrnehmung rein weltlicher Aufgaben." 13 Mit anderen Worten, das Luthertum unterstützte die längst begonnene "Emanzipation der politischen Gewalt von kirchlicher Bevormundung" und betrieb "eine komplementäre Entinstitutionalisierung", Enthierarchisierung und Entlateinisierung der Kirche, die naturgemäß auch die Ablehnung des Römischen Rechts zumal als Kirchenrecht einschloß.' 4 Praktisch suspendierte es diesen angesichts der römischen Gegenoffensive und interner Herausforderungen existentiell gefährlichen bloß spirituellen Weg jedoch schon früh, nämlich seit den sogenannten Wittenberger Unruhen 1521/22 sowie dem Bauernkrieg 1525, und zwar zugunsten einer weitgehenden Unterstellung unter die mächtig aufstrebende Staatsgewalt. Folgen waren nicht nur Züge einer Reinstitutionalisierung auch in Gestalt der Hervorbringung eines eigenen Kirchenrechts, sondern auch "eine Art von Re-Sakralisierung" der lutherischen weltlichen Obrigkeiten und damit die Entstehung einer "neuen unitarischen Monokratie", des lutherischen Fürstenstaa-

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Wolfgang Reinhard: Die lateinische Variante von Religion und ihre Bedeutung fur die politische Kultur Europas. Ein Versuch in historischer Anthropologie. In: Saeculum 43. 1992. S. 231-255. W. Reinhard: Lateinische Variante (Anm.l 1) S. 234-243, Zitat S. 239. W. Reinhard: Lateinische Variante (Anm. 11) S. 246. W. Reinhard: Lateinische Variante (Anm.l 1) S. 234-243, Zitat S. 239.

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tes. Die Verselbständigung der politischen Reflexion konnte hier entsprechend früher einsetzen.' 5 Der Kalvinismus schloß sich den theologischen Akzentverschiebungen Luthers einerseits weitgehend an. Sein juristisch gebildeter Gründer hielt nichtsdestotrotz stärker am Rechtscharakter der Kirche fest. Entsprechend stellte die Kirche hier "nicht einfach eine spirituelle Gemeinschaft" dar, sondern bildete durchaus noch und wieder "eine Organisation, deren Regeln zwingend in der Bibel kodifiziert waren.'" 6 Diese Kirche sollte zwar - im Gegensatz beispielsweise zu den Vorstellungen Zwingiis - institutionell strikt von der entsprechend eigenständig diskutierbaren weltlichen Gewalt getrennt bleiben. Die weltliche Gewalt war jedoch ebenso grundsätzlich verpflichtet, die wahre Kirche mit allen ihren Möglichkeiten zu fördern und zu schützen, wobei man sich die sogenannten Ephoren als Mittler zwischen Kirche und Staat vorstellte. Aber nicht nur die gemeindliche Organisationsform der Kirche konnte im Zuge der auch in diesem Fall realistischerweise für unvermeidlich erachteten Annäherung an die Staatsgewalt entsprechend variiert werden. Vielmehr trat auch hier eine sekundäre Sakralisierung der kalvinischen Staatsgewalt ein. Mehr noch, der kalvinische Staat wurde mit im Vergleich sowohl zum römischen als auch zum lutherischen Fall noch weitergehenden Möglichkeiten ausgestattet.17 Welche inhaltlichen Konsequenzen hatten diese Verschiebungen und Differenzierungen für das politische Denken? Alle, auch die hier nicht eigens aufgeführten übrigen Konfessionen, unternahmen zunächst verstärkt Anstrengungen, die Maßstäbe und Regeln politischer Ordnung aus der göttlichen Offenbarung selbst, also der Bibel, zu eruieren. Diese anfangs ausschließlich im Medium der theologischen Literatur unternommenen Anstrengungen verdichteten sich ab der Jahrhundertmitte zu einer förmlichen Richtung oder Schule des politischen Denkens, der politica christiana, die entsprechend Herrschaftslehre, radikale Zeitkritik und utopische Elemente miteinander kombinierte.18 Hauptbestreben war auch und zumal hier 15 16 17

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W. Reinhard: Lateinische Variante (Anm.l 1) S. 247 und 246 (Zitate). W. Reinhard: Lateinische Variante (Anm. 11) S. 238 (Zitate). "Calvin [spielte] der monarchischen Obrigkeit ein reichstes Instrumentarium der Machtausübung in die Hände [...]. Unter der Voraussetzung des rechten Bekenntnisses zeigte er sich bereit, der Monarchie Befugnisse anzuvertrauen, die gegebenenfalls noch über das hinausgingen, was Katholizismus und Luthertum einem konfessionell sattelfesten Fürsten zugestanden" - so eindeutig bereits Ernst Walter Zeeden: Aufgaben der Staatsgewalt im Dienste der Reformation. Untersuchungen über die Briefe Calvins an Fürsten und Obrigkeiten [1964], In: Ders.: Konfessionsbildung. Studien zur Reformation, Gegenreformation und katholischen Reform. Stuttgart 1985. S. 259-285, hier S. 281. Vgl. meine Hinweise in Wolfgang Weber: Staatsräson und christliche Rolitik: Johann Elias Keßlers Reine und unverfälschte Staats-Regul (1678). In: Baldini: Aristotelismo (Anm. 5) S. 157-180, ferner demnächst die einschlägigen Beiträge in Luise Schom-Schütte (Hg.): Politisches Denken in der Frühen Neuzeit. München 2000 (= HZ. Beiheft). Als jeweilige Modellwerke galten schon zeitgenössisch Lambert Danaeu: Politica christiana. Politices christiani libri septem. Genf 1596. 2. Auflage 1606. ND Zug 1980 (kalvinisch); Johann Stephan Meno-

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selbstverständlich, die weltliche Obrigkeit beziehungsweise die Staatsgewalt auf den Schutz und die Durchsetzung der Belange der j e eigenen Konfession und Kirche festzulegen sowie die Legitimität, Unversehrtheit, historische Dauer und Blüte der jeweiligen Staatsordnung vom Grad der Erfüllung dieser Aufgaben abhängig zu machen. Der Argumentationsgang ist klar: Nur Gott gefallige, weil der wahren Konfession anhängende und konsequent nach den Regeln dieser Konfession lebende Staaten werden sich Gottes Gunst und damit historischer Begünstigung durch Gott erfreuen können; nur die wahre Konfession ist imstande, wahres sittliches Leben der Herrschenden wie der Untertanen und damit Stabilität, Dauerhaftigkeit und Aufschwung der Staaten zu gewährleisten." Weil Luther jedoch den prinzipiell spirituellen Charakter der Kirche so entschieden betonte und bezweifelte, daß sich in der Bibel zwingende Aussagen zur Gestaltung der diesseitigen Ordnung finden lassen, ergab sich in diesem Fall eine Art ethisch-politischen Vakuums, welches auf Vorschlag Melanchthons mit der (freilich nicht thomistisch-scholastisch, sondern humanistisch aufgefaßten und ausgelegten) Politiklehre des Aristoteles ausgefüllt wurde. 20 Bedeutsamer als die politico Christiana wurde im Bereich des Luthertums deshalb der Politische Aristotelismus, der die bereits angelegte Freisetzung der Politik von der Theologie vor allem durch seine explizite Beschränkung auf die diesseitige öffentliche Ordnung beziehungsweise den guten Bürger (statt den guten Menschen) konkretisierte und durch Gründung einer eigenen Universitätsdisziplin der Politikwissenschaft (Politico) erheblich beschleunigte. 21 Am zweitstärksten betonte wie vermerkt der Kalvinismus die Zweiheit von Diesseits und Jenseits beziehungsweise weltlicher und kirchlicher Ordnung. Entsprechend öffnete auch er sich relativ stark Vorstellungen autonomer politischer Gestaltung, die neben der Bibel die antike Überlie-

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chius: Institutiones politicae ex SS. Litteris libri III. Lyon 1625. 2. Auflage 1629; Pierre Labbe: Educatio regia Christiana et politica. o.O. 1645; Juan de Santa Maria: Republica, e politica Christiana per Ii re, e prencipe [...]. Mailand 1621 (römisch); Christian Warner: Prudentia politica Christiana. Das ist: Beschreibung einer christlichen, nützlichen und guten Policey [...]. Goslar 1614 u.ö.; Theodor Reinkingk: Tractatus de regimine seculari et ecclesiastico. Leipzig 1619. 2. Auflage Basel 1622. 3. Auflage Marburg 1641 (mit Konzentration auf das Reich); ders.: Biblische Policey [...]. Frankfurt a.M. 1653 u. ö.; Veit Ludwig von Seckendorf^ Christen-Sta[a]t. Leipzig 1685 u.ö. (lutherisch). Vgl. paradigmatisch das Lehrbuch und Gutachten Consultatio Principis erga Religionem cura: quam habuit serenissimus Princeps Ludovicus Fridericus, Dux Württembergens. & Teccens. e&c. cum consiliariis [...]. Tübingen 1607, hier fol. 6a und ]0a-l lb. Zusammenfassend Horst Dreitzel: Protestantischer Aristotelismus und absoluter Staat. Die "Politica" des Henning Amisaeus (ca. 1575-1636). Wiesbaden 1970, besonders S. 88-96. Grundlegend hierzu die diversen Beiträge von Horst Dreitzel, zuletzt: Der Aristotelismus in der politischen Philosophie Deutschlands im 17. Jahrhundert. In: Aristotelismus und Renaissance. In memoriam Charles B. Schmitt. Wolfenbüttel 1988. S. 163-192; ders.: Die "Staatsräson" und die Krise des politischen Aristotelismus. Zur Entwicklung der politischen Philosophie in Deutschland im 17. Jahrhundert. In: E. Baldini: Aristotelismo politico (Anm. 5). S. 129-156.

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ferung in hoher Vielfalt anbot, und beteiligte auch er sich an der Installierung eines selbständigen Universitätsfaches Politik.22 Die römische Kirche hingegen hielt am Primat der Anstaltskirche fest, bezog in ihre Ableitung politischer Vorstellungen deshalb neben der Bibel auch die gesamte Kirchentradition ein und lehnte eine Autonomie des Politischen theoretisch und auf der Universitätsebene grundsätzlich ab. Daß diese Zentralperspektive keineswegs den Verzicht auf machtstaatlich-politiktechnische Modernisierung bedeuten mußte, demonstriert eindrucksvoll die jesuitische Politiktheorie, die maßgeblich von Adam Contzen (1571-1635) begründet wurde.23 Der tendenziellen Eigenständigkeit der Politik gegenüber Kirche und Glauben im Protestantismus lagen freilich wie bereits angesprochen nicht nur theologische, sondern auch historisch-strategische Besonderheiten zugrunde. Im strukturellen Dilemma des reformatorischen Aufbruchs, nämlich unter der Anklage des Ketzertums ständiger Überwältigung durch die alten Mächte ausgesetzt zu sein, kam es entscheidend darauf an, sich vom Ruch (wenigstens) politischen Aufrührertums zu befreien. Derartige Befreiung schien möglich - knapp zusammengefaßt - einerseits über die Beteuerung, daß der religiös-konfessionelle Dissenz am Gehorsam gegenüber der weltlichen Obrigkeit nichts ändere.24 Andererseits konnte der Gefahr der Verfolgung über eine Abschirmung der eigenen Konfession gegenüber der Staatsgewalt mittels deren prinzipieller Kompetenzbegrenzung und/oder konfessioneller Neutralisierung begegnet werden. Die eigene konfessionelle Option war demzufolge als Wahrnehmung eines vorpolitischen Rechts auszugeben oder der Anspruch der Staatgewalt auf eine konfessionsüberwölbende, gemeinchristliche Fürsorge zu beschränken. Beide Lösungen wurden bekanntermaßen vertreten.25 Sie erschienen ihren diversen Verfechtern freilich grundsätzlich als vorübergehend und hinsichtlich des eigentlich anzustrebenden Ziels, des geschlossenen Konfessionsstaates, der sich vollständig und direkt in den Dienst der jenseitigen Konfession stellt, als defizitär. Als Beispiel dafür sei das folgende Zitat angeführt: 22

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Vgl. hierzu z.B. die Hinweise und Erörterungen zu einem der wichtigsten kalvinischen Politiktheoretiker, nämlich Johannes Althusius, in: Karl-Wilhelm Dahm u.a. (Hg.): Politische Theorie des Johannes Althusius. Berlin 1988. Adam Contzen: Libri X Politicorum, in quibus de perfectae reipublicae forma, virtutibus et vitiis, institutione civium, legibus, magistratu ecclesiastico, civili, potentia reipublicae, itemque seditione et bello, ad unum vitamque communme accomodate tractatur. Mainz o.J. [1620], 2. Auflage Köln 1629. Das Werk ist Ferdinand II. gewidmet. Aus der Literatur vgl. zuletzt grundlegend Robert Bireley: The Counter-Reformation Prince. Anti-Machiavellism or catholic Statecraft in Early Modern Europe. Chapel Hill, London 1990. Contzens Werk voraus ging u.a. bereits Paolino Bernardini: Concordia ecclesiastica contra tutti gli Heretici. Florenz 1552. Exemplarisch Consultatio Principis erga religionem cura (Anm. 19). fol. 13a-14a. Vgl. im Überblick die einschlägigen Abschnitte bei Wolfgang Reinhard: Vom italienischen Humanismus bis zum Vorabend der Französischen Revolution. In: Hans Fenske u.a.: Geschichte der politischen Ideen. Von der Antike bis zur Gegenwart. Frankfurt a.M. 1996. S. 241-377.

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Ich ziehe also folgenden Schluß: diejenigen in ihrer christlichen Überzeugung abweichenden Gläubigen, die nichtsdestotrotz unter der Herrschaft eines christlichen Fürsten zu leben wünschen, dürfen wegen ihrer Rechte, die ihnen aus der brüderlichen Gemeinschaft der Christen zustehen und auf ewig heilig zu halten sind, sowie angesichts der gemeinsamen Hoffnung auf Erfüllung in Christus, nicht einfach aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden; nur darf ihre Zahl nicht allzu groß sein; sie dürfen außerdem nichts gegen den Staat planen oder unternehmen beziehungsweise in ihren Riten das christliche Gesetz verachten. Dennoch halte ich für verbürgt, daß dann, wenn diese Gläubigen eingebunden werden, ein Fürst glücklicher und sicherer herrschen würde.1' Daß dieses Mitleben von konfessionellen Abweichlern als Zwischenlösung überhaupt gedacht werden konnte, war einerseits gewiß der Ertrotzung dieser Lösung durch die Betroffenen selbst geschuldet, wie unter anderem Winfried Schulze betont. 27 Andererseits spielt aber das in der lateinischen Kultur insgesamt und ab dem zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts in Westeuropa nochmals besonders ausgeprägte historische Denken eine entscheidende Rolle. 28

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"Ego finem facio: quos, si sub Imperio Principis Christiani vivere desiderent, propter communis charitatis iura, quae inter homines sanctissima & aeterna esse debent, & ad spem aliquos Christo acquirendi, licet non pute excludendos: (modo non immani nimis sint numero, qui degant; nihil tentent in Remp.; & ritus suos citra contemptum Christianae legis servent [...]) tamen si arceantur, spondeo, Principem felicius & securius imperaturum"- Consultatio Principis erga religionem cura (Anm. 19). fol. 14b-16a u.ö., Zitat fol. 19a. Winfried Schulze: Concordia, Discordia, Tolerantia. Deutsche Politik im konfessionellen Zeitalter. In: Johannes Kunisch (Hg.): Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte. Berlin 1987 (=ZHF. Beiheft 3). S. 43-80; ders.: Estates and the Problem of Resistance in Theory and Practice in the Sixteenth and Seventeenth Centuries. In: R. J. W. Evans, T.V. Thomas (Hg.): Crown, Church and Estates. Central European Politics in the Sixteenth and Seventeenth Centuries. London 1991. S. 158-175; ders.: "Ex dictamine rationis sapere". Zum Problem der Toleranz im Heiligen Römischen Reich nach dem Augsburger Religionsfrieden. In: Michael Erbe u.a. (Hg.): Dissens und Toleranz im Wandel der Geschichte. Mannheim 1996. S. 223-240; ders.: Pluralisierung als Bedrohung, Toleranz als Lösung. In: Duchhardt: Westfälischer Friede (Anm. 4). S. 115-140; vgl. auch den Beitrag des Autors zum vorliegenden Band. Während der Augsburger Religionsfriede noch als kurzfristige Zwischenlösung konzipiert war (vgl. die anhaltenden Konzilshoffnungen), mußte ab den 1570er Jahren eine längerfristige historische Perspektive entwickelt werden. Das Schlüsselwerk, das diese Perspektive unterstützte, war offenbar Jean Bodin: Methodus ad facilem historiarum [!] cognitionem. Lyon 1566. 2. Ausgabe Paris 1572; vgl. überzeugend Ulrich Muhlack: Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung. Die Vorgeschichte des Historismus. München 1991. S. 44-46, 92-94, 276-281 u.ö., sowie zur Besonderheit des europäischen Geschichtsbewußtseins generell jetzt Jörn Rüsen (Hg.): Westliches Geschichtsdenken. Eine interkulturelle Debatte. Göttingen 1999. Ich würde an dieser Stelle sogar den Diskurs um die Norm "Veritas filia temporis" ansiedeln, der seinen Höhepunkt allerdings erst später erreichte; vgl. jetzt Evelyn Schulz, Wolfgang Sonne (Hg.): Kontinuität und Wandel. Geschichtsbilder in verschiedenen Fächern und Kulturen. Zürich 1999.

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II. Der Einbruch der Staatsräson In der Epoche des Scheiterns der (ersten) Reformation in ihrem Bemühen um vollständige Abschaffung der römischen Kirche, ungewisser Entwicklung der deshalb vielfach propagierten Zweiten Reformation 29 und der Zuspitzung der konfessionell-politischen Rivalität zum großen Krieg, also in den Jahrzehnten um 1590 bis 1618, erreichte das in Italien entwickelte Staatsräsondenken die diversen christlich-biblischen, aristotelisch-humanistischen und jesuitisch-scholastische(n) politische(n) Denkrichtung(en) im Reich.30 Die historische Bedeutung dieses Vorgangs ist kaum zu überschätzen. Zwar war bereits zuvor der normativ grundsätzlich abgelehnte, weil als genuin unmoralisch und unchristlich eingeschätzte Machiavellismus in die deutsche politische Kultur eingesickert. Seine Wirkung, nämlich die Auffassung der Politik in allen Lagern, insbesondere jedoch im wie gesagt stärker verweltlichten protestantischen Bereich, zu technisieren und empirischpraktisch zuzuspitzen, war jedoch noch beschränkt geblieben. Jetzt radikalisierte das Staatsräsondenken diese Tendenz weiter und verhalf ihr allmählich zum Durchbruch. In allen Teilrichtungen wurde nunmehr den praktischen Fragen der Aufrechterhaltung und Stabilisierung der Staatsgewalt, auf die die Konfessionen in der gegebenen Situation setzen mußten, bevorzugte Aufmerksamkeit geschenkt. Das Prinzip der Staatserhaltung beziehungsweise -Verbesserung unter wechselnden historischen Umständen avancierte sowohl zum Fluchtpunkt klugen Herrschaftshandelns als auch zum Legitimitätsgrund vorher undenkbar gewesener dynamischer, ja offensiver herrscherlicher Politik- und Rechtsgestaltung. Arnold Clapmars "Arcana rerum publicarum", das paradigmatische Handbuch der geheimen Techniken erfolgreicher Staatsfuhrung in krisenhafter Zeit, markierte nur eine politiktheoretische Konsequenz dieser Entwicklung.31 Daß gleichzeitig im besonders gefährdeten kalvinischen Lager irenische, das heißt auf Versöhnung mit dem Luthertum zielende Bestrebungen auftraten, widerspricht diesem Befund nicht, sondern unterstreicht ihn eher.32 Erst recht verschärfte sich das Bestreben

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Heinz Schilling (Hg.): Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland - das Problem der "Zweiten Reformation". Wiss. Symposion des Vereins für Reformationsgeschichte. Gütersloh 1986. Vgl. zur Literatur oben Anm. 5. Das Werk, mit dem sich der Begriff der Staatsräson überhaupt erst durchsetzte, erschien nicht früher als 1589 - Giovanni Botero: Deila ragion di Stato libri dieci. Venedig 1589; 3., verbreiteteste Auflage Venedig 1598, siehe dazu den in Anm. 5 genannten Sammelband Α. E. Baldini: Botero e la 'Ragion di Stato'. Michael Behnen: "Arcana - haec sunt Ratio Status". Ragion di Stato und Staatsräson. Probleme und Perspektiven (1589-1651). In: ZHF 14. 1987. S. 129-185. Gustav Adolf Benrath: Irenik und Zweite Reformation. In: Schilling, Reformierte Konfessionalisierung (Anm. 22). S. 349-358; vgl. für ein entsprechendes Beispiel, das jedoch im Hinblick auf seine historischen Vorstellungen noch geprüft werden müßte, im selben Band Rei-

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nach Nutzung aller Möglichkeiten der Staatsräson, um dem je eigenen Lager und Staat zum Überleben zu verhelfen, nach dem Ausbruch des Krieges und dem Scheitern des ersten großen Friedensversuchs 1635, als sich eine unaufhaltsam erscheinende Dynamik gegenseitiger Zerstörung abzuzeichnen begann, beziehungsweise genauer: bei den maßgeblichen Akteuren gerade diese Aussicht in den Vordergrund der Wahrnehmung und Lagebeurteilung rückte. Bereits der Wahrnehmungs- und Orientierungswechsel des ausgehenden 16. Jahrhunderts dürfte indessen maßgeblich der Aneignung der Staatsräsonkonzeption zuzuschreiben sein. Die italienische Gründungsschrift, Giovanni Boteros bereits vermerkte "Deila ragion di Stato libri dieci" (zuerst Venedig 1589), wurde bereits 1596 erstmals ins Deutsche übersetzt; lateinische Ausgaben erschienen 1602 und 1609, gefolgt von elf spanischen, französischen, englischen und polnischen Übertragungen bis 1648." Parallel zu ihr erschien Justus Lipsius' "Politicorum sive Civilis Doctrinae Libri Sex" (zuerst Leiden 1589), die bis 1648 sogar über 50 lateinische und neusprachliche Ausgaben erfuhr und damit zum erfolgreichsten politiktheoretischen Werk der Epoche überhaupt avancierte.34 1605 folgten wie bereits erwähnt Arnold Clapmars "Arcana rerum publicarum libri sex" mit bis 1648 acht Auflagen, darunter einer Ausgabe in der verbreiteten Reihe der Staatsbeschreibungen des Amsterdamer Verlagshauses Elzevir.35 In die Reihe sind ferner einige maßgebliche tacitistische Werke zu stellen, denn Tacitus' historische Beschreibung tyrannischer Praxis konnte unschwer theoretisch als Beitrag zum Staatsräsondenken umgesetzt werden. Zu nennen sind von ihnen vor allem Christoph Forstners "Hypomnemata politica" (1617) und Notae politicae ad Libros sec priores Annalium C. Cornelii Taciti (zuerst 1626).36 Eine Verbindung von Aristotelismus und Staatsräson stellte demgegenüber Christoph Besolds "De arcanis rerum publicarum" dar, welches Werk zuerst 1617 in Tübingen erschien. Nicht unerwähnt darf schließlich bleiben, daß jetzt auch Machiavellis Schriften offen vertrieben wurden. 37 Alle diese Werke und eine bisher kaum übersehbare Zahl weiterer fanden ihren Weg in die Hof- und Adelsbibliotheken, in die Gelehrtenbüche-

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ner Hansen: Der Friedensplan Heinrich Rantzaus und die Irenik in der Zweiten Reformation. S. 359-378. Michael Stolleis: Zur Rezeption von Giovanni Botero in Deutschland. In: Α. E. Baldini: Botero (Anm. 5). S. 405-416. Nachdruck der Ausgabe Frankfurt, Leipzig 1704. Hg. von Wolfgang Weber. Hildesheim u.a. 1998; vgl. das Vorwort S. V-XXV; femer Gerhard Oestreich: Antiker Geist und moderner Staat bei Justus Lipsius (1547-1606). Der Neustoizismus als politische Bewegung. Göttingen 1989. Michael Stolleis: Arcana Imperii und Ratio Status. Bemerkungen zur politischen Theorie des frühen 17. Jahrhunderts. In: Ders.: Staat und Staatsräson (Anm. 5). S. 37-72, hier S. 51-55 u.ö. Wolfgang H. Stein: Christoph Forstner (1598-1668). Mömpelgardische Politik und humanistische Reflexion auf dem westfälischen Friedenskongreß. Stuttgart 1981 [war mir nicht zugänglich], Vgl. knapp M. Stolleis: Zur Rezeption Boteros (Anm. 33). S. 41 lf.

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reien und an die Universitäten. Ein erheblicher Teil der politischen Akteure dürfte sie auf diesem Wege mitbekommen haben; Autoren dieses neuen Politikdenkens wie zum Beispiel der eben genannte Christoph Forstner, aber auch der Emblematiker Diego de Saavedra Fajardo wirkten selbst bei der Entscheidungsfindung um den Frieden mit.38 Rezeption der Staatsräsonliteratur muß zugegebenermaßen allerdings nicht automatisch praktische Anwendung von Staatsräsonideen bedeuten. Die Einwände, die bisher dagegen geäußert worden sind, lassen sich mit Einschränkung jedoch widerlegen. Die gelegentlich reklamierte "sehr schematisch(e)" Sichtweise der Staatsräson in dieser Phase machte nur eine Teilströmung der Rezeption und Weiterverarbeitung aus. Daß "auf ideale Staatsformen rekurriert" worden sei, "zugunsten einer allgemeinen Lehre von der Staatskunst, die die besonderen, historisch je und je einmaligen Interessen dieses und jenes Einzelstaats ganz vernachlässigt hat", bezeugt einerseits eine Fehleinschätzung der wahrnehmungs- und orientierungssteuernden Leistung des praktisch-staatsräsonalen Ansatzes und ist andererseits definitiv unzutreffend. 39 Denn nicht nur gingen der berühmten Staatsräsonanwendungsschrift Hippolith a Lapides, der "Dissertatio de ratione status in Imperio nostro Romano-Germanico" (o.O. 1640, 2. Auflage Freistadt [!] 1647), entsprechende, unselbständige Erörterungen in sonstigen gelehrten Traktaten und Monographien voraus.40 Vielmehr fand die praktische Anwendung der Staatsräson bereits längst in der von Fritz Dickmann noch verachteten Tagespublizistik statt, die noch unmittelbarer als wahrnehmungs-, orientierungs- und handlungssteuernd anzusehen ist.41 Als unmittelbar zur Empirie und damit zur Befassung mit der 38

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W. Stein: Forstner (Anm. 36); Hans-Otto Mühleisen: Die Friedensproblematik in den politischen Emblemen Diego de Saavedra Fajardos. Ein Beitrag zur Staatsphilosophie aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. München 1982. Axel Gotthard: Konfession und Staatsräson. Die Außenpolitik Württembergs unter Herzog Johann Friedrich 1608-1628. Stuttgart 1992. S. 14. Zuzustimmen ist dem Autor indessen darin, daß sich in dem von ihm betrachteten Zeitraum die Aneignung des Staatsräsondenkens erst vollzog, das heißt erst danach - wie oben postuliert ab spätestens den ausgehenden 1630er Jahren - abgeschlossen war. Rudolf Hoke: Staatsräson und Reichsverfassung bei Hippolith a Lapide. In: R. Schnur: Staatsräson (Anm. 3). S. 407-425. F. Dickmann: Westfälischer Frieden (Anm. 2). S. 537: "Die Verwertung [...] in der Tagespublizistik schildert [...]. Wir übergehen diese Art Literatur von geringem Wert und kaum spürbarer Wirkung." - Wolfgang Harms, Michael Schilling (Hg.): Das illustrierte Flugblatt in der Kultur der frühen Neuzeit. Frankfurt a.M. 1998; Wolfgang Harms (Hg.): Illustrierte Flugblätter aus den Jahrhunderten der Reformation und Gegenreformation. Coburg 1983; Heinrich Hitzigrath: Die Publizistik des Prager Friedens. Halle 1880; Richard Krebs: Die politische Publizistik der Jesuiten und ihrer Gegner in den letzten Jahrzehnten vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Halle 1890, ND Leipzig 1976; Richard Kunkel: Die Staatsräson in der Publizistik des 17. Jahrhunderts mit besonderer Berücksichtigung der deutschen Publizistik. Diss.phil. Kiel 1922 [Auszug], Diethelm Böttcher: Propaganda und öffentliche Meinung im protestantischen Deutschland 1628-1636. In: Hans Ulrich Rudolf (Hg.): Der Dreißigjährige Krieg. Perspektiven und Strukturen. Darmstadt 1977. S. 325-367 notiert zwar die Ernüchte-

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Empirie führender Ansatz wirkte sich nämlich das allseitige Bestreben aus, der jeweils gegnerischen Konfession ein Handeln nach der unchristlichen und unmoralischen falschen beziehungsweise betrügerischen Staatsräson (ratio status falsa vel fuca) nachzuweisen - eine Unterscheidung, die bereits 1602 auf der wissenschaftlichen Ebene keineswegs zufällig der Lutheraner Jakob Bornitz einführte ("Discursus politicus de prudentia politica comparanda", Erfurt 1602, 2. Auflage 1604).42 Ganz gleich, ob sich dieses Vorgehen in der direkten konfessionellen Konfrontation, in der konfessionell uneindeutigen beziehungsweise widersprüchlichen politischen Polemik (z.B. katholische Habsburg- gegen katholische Frankreichpropaganda oder lutherisch-kursächsische Polemik gegen das lutherische Schweden) oder scheinbar lediglich spielerisch-literarisch wie zum Beispiel im Komplex der Parnass-Satiren Trajano Boccalinis 43 abspielte: das Staatsräsonkonzept war und blieb präsent und erhielt seine Relevanz und Attraktivität gerade durch seinen direkten oder indirekten Bezug zur politischen Praxis. Auch wenn also die "Brücke" von der Ideen- und Begriffsgeschichte "zur politischen Realität" im Medium der Akten 44 in der vorliegenden Argumentation noch nicht geschlagen werden kann: an der Präsenz des Staatsräsondenkens in den Köpfen der meisten Akteure kann kaum gezweifelt werden.

III. Die Staatsräsondebatte und die Toleranzfrage Worum ging es in der jetzt breit einsetzenden, wie vermerkt eng empirie- beziehungsweise praxisbezogenen Staatsräsondebatte? Nach Michael Stolleis war die "bewegende Grundfrage [...], wie die selbständig gewordene Politik ohne den Kompaß von (christlicher) Religion und Moral gesteuert werden" und wie sichergestellt werden konnte, daß "konkurrierende Wahrheiten miteinander in Frieden

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rung und den Zielwechsel der schwedischen Politik ab 1632, hat jedoch wenig Sinn für den parallelen Aufstieg des Staatsräsonkonzepts in der öffentlichen Argumentation. Paul-Ludwig Weihnacht: Fünf Thesen zum Begriff Staatsräson. Die Entdeckung der Staatsräson fur die politische Theorie (1604). In: Schnur, Staatsräson (Anm. 3). S. 65-72, vgl. zur Richtigstellung des ersten Erscheinungsjahres M. Stolleis: Staat und Staatsräson (Anm. 5). S. 149, Anm. 43. Die wichtigste frühneuzeitliche Literaturzusammenstellung sowohl zur Unterscheidung der falschen (bösen) von der wahren, guten Staatsräson als auch zur Anwendung der Staatsräson bildet Caspar Thurmann: Bibliotheca statistica. Halle 1705, von welchem Werk ich demnächst einen kommentierten Nachdruck vorlegen werde (München: Ernst Vögel Verlag 2000). Vgl. hierzu umfassend, wenn auch noch keineswegs erschöpfend M. Stolleis: Arcana Imperii (Anm. 35). S. 62-65. u.ö. Vgl. A. Gotthard: Konfession (Anm. 39). S. 12 mit Anm. 27, unter Bezug auf M. Behnen: Arcana imperii (Anm. 31). S. 193.

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(zu) leben" vermochten.45 Diese Formulierung erscheint jedoch ergänzungsbedürftig. Tatsächlich ging es um eine Neubestimmung des Verhältnisses von Diesseits und Jenseits und eine Perfektionierung der diesseitigen Politik in Bezug auf das oben angesprochene Ziel entsprechender Statussicherung und Statusfestigung in einer durch existenziell verschärfte Rivalität gekennzeichneten veränderten Welt. Für die Staatsräsontheoretiker war eine historische Situation eingetreten, in der es darauf ankam, angesichts offenkundig bevorstehenden Ruins aller öffentlichen Ordnung (und damit auch aller Konfessionen) zunächst die salus politica zu retten, bevor man sich wieder der salus aeterna zuwenden konnte. Entsprechend erhoben sie den unmittelbaren öffentlichen Nutzen (utilitas publica) zum Maßstab allen politisch-herrschaftlichen Handelns. Dieser Nutzen bestand nach ihrer Auffassung an erster Stelle in nichts anderem als der Beendigung beziehungsweise Vermeidung von Bürgerkrieg. Zweitens zählte zu ihm die Aufrüstung der Staatsgewalt zu einer Macht, die dauerhaft sowohl inneren Frieden als auch Sicherheit gegen Überwältigungsversuche von außen zu gewährleisten in der Lage war. Zur Erreichung dieser Zwecke entwickelte sie ihre Herrschafts- und Machtsteigerungsrezepte, aber eben auch Regeln und Prinzipien, die praktisch auf eine Entschärfung des Konfessionskonflikts, mithin eine Art Toleranz, hinausliefen. Langfristig und prinzipiell war mit der Zielsetzung der inneren Befriedung und Steigerung der Staatsmacht keineswegs ein Verzicht auf den einheitlichen Konfessionsstaat verbunden. Im Gegenteil, in dieser historischen Perspektive forderte die Staatsräson diese Lösung noch entschiedener als andere Ansätze; der "Konfessionsstaat" war insofern definitiv "ein Gebot der Staatsräson"46. Kurz und mittelfristig hingegen konnte die gleiche Staatsräson dafür plädieren, die Durchsetzung dieses Konfessionsstaates aufzugeben. Denn dort, wo dessen gewaltsame und abrupte Realisierung die öffentliche Ordnung erkennbar zerstörte oder zumindest gefährdete, richtete sich das Konfessionsstaatsprinzip unübersehbar gegen die eigentlichen Ziele der Staatsräson, nämlich eben die Staaten innerlich zu befrieden und zu festigen, um sie in der sich verschärfenden Staatenkonkurrenz überlebensfähig zu machen. In diesem Dilemma kam es darauf an, durch Auswertung historischer Erfahrung und aktueller Empirie Rezepturen zu finden, die ein friedliches und geordnetes, im Sinne der Staatsgewalt nutzvolles Nebeneinander verschiedener Konfessionen in einem Staat ermöglichten, aber gleichzeitig langfristig eine Verwirklichung des einheitlichen Konfessionsstaates nicht ausschlossen. Geradezu zwangsläufig mußte sich der Blick der Staatsräsontheoretiker auf das seit 1598 bikonfessionelle Frankreich und die im protestantischen Rahmen multikonfessionellen freien Niederlande, schließlich das ebenfalls mehrfach gemischte 45 46

Stolleis: Arcana Imperii (Anm. 35). S. 58. Martin Heckel: Deutschland im konfessionellen Zeitalter. Göttingen 1983. S. 17.

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Polen richten. Deren zumindest relativer innerer Frieden sowie im Fall Frankreichs und Hollands zudem eindrucksvoller ökonomischer und machtpolitischer Aufschwung, der zu sogar über Europa hinaus strebender Expansion führte, widerlegten gleich mehrere Prämissen der Konfessionsstaatstheorie: Konfessionelle Geschlossenheit war weder zur Aufrechterhaltung der gesellschaftlich-politischen Ordnung - zur Verpflichtung der Herrscher und Untertanen auf ihre jeweiligen Rollen - noch zur Motivierung aller Beteiligten zu gesteigerter Leistung erforderlich. Deijenige Staat, der auf konfessionelle Perfektionierung verzichtete, mußte keineswegs in absehbarer Zeit göttliche Züchtigung erwarten. Noch bedeutsamer mußten die historischen Lehren sein, die sich bei der Betrachtung des religiös zersplitterten Osmanischen Reiches oder heidnischer Reiche wie Chinas aufdrängten. Nicht einmal christliche Überzeugung war zur Optimierung des Herrscherverhaltens, zur Gehorsamssicherung bei den Untertanen, zur Steigerung des Einsatzes aller in allen fur den Staat relevanten Bereichen und damit zum historischpolitischen Erfolg notwendig. Mehr noch, in bestimmten Hinsichten konnten nichtchristliche Religionen sogar als politisch nützlicher betrachtet werden, wie bereits Machiavelli demonstriert hatte. Das Standardbeispiel der Epoche ist die scheinbar vorbehaltlose Bereitschaft der schiitischen Muslime, als Soldaten gegebenenfalls in den Tod zu gehen."7 Nachdem sowohl die Bindungs- und Motivationskraft als auch die Sicherungsund Erfolgsgarantie der 'wahren' christlichen Einheitskonfession oder des Christentums überhaupt letztlich entbehrlich erscheinen, erhebt sich die Frage nach den Alternativen. Die Staatsräsontheorie durchmusterte den gesamten europäischen Ideen- und Wissensbestand ihrer Zeit, um die entsprechenden Lösungen zu finden. Nahe lag zunächst, dogmatische Eindeutigkeit und konfessionelle Identität zugunsten überkonfessioneller gemeinchristlicher Überzeugungen aufzugeben, von denen ebenfalls zu erwarten war, daß sie allenthalben pflichtgemäßes, sozialverträgliches und politisches nutzvolles Verhalten sicherzustellen in der Lage waren. Diese Lösung gemeinchristlichen Konsenses konnte mit einer Verschiebung des Schwergewichts von der streitträchtigeren Lehre zur christlichen Praxis verbunden werden. Der nächste, allerdings erst nach der Mitte des 17. Jahrhunderts ernsthaft unternommene Schritt bestand in der noch weiteren Absenkung des

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Vgl. zu diesem gesamten Komplex grundlegend Horst Dreitzel: Gewissensfreiheit und soziale Ordnung. Religionstoleranz als Problem der politischen Theorie am Ausgang des 17. Jahrhunderts. In: Politische Vierteljahreschrift 35. 1995. S. 3-34, mit reichen weiteren Verweisen. In der Consultatio Principis erga Religionem cura (Anm. 19) wird das osmanische Beispiel noch widersprüchlich interpretiert: Einmal dient es zum Beleg für die unterstellte Instabilität eines religiös nicht vereinheitlichten beziehungsweise nichtchristlichen Staates, und zwar unter Hinweis auf die notorischen Verschwörungen und Umsturzversuche. Zum anderen soll es die These von der Stabilität eben auch religiös-konfessionell pluraler (und heidnischer) politischer Systeme belegen.

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Dogmas; als politisch ausreichend konnte jetzt auch der kleinste Nenner aller bekannten Religionen, also eine Art natürlicher Religion, angesehen werden. Auf jede im eigentlichen Sinne religiöse Bindung verzichten zu können meinten darüber hinaus diejenigen Autoren, die im Gefolge einschlägiger antiker Denkrichtungen auf vorreligiöse Tugendhaftigkeit, sei es im Sinne des Aristoteles oder der Stoa, setzten. Atheisten wollten indessen auch sie nicht geduldet wissen.48 Auf dieser Ebene ergaben sich Verbindungen zu Naturrechtsvorstellungen, die ihre Durchschlagskraft allerdings vornehmlich einer weiteren Perspektive, nämlich der oben angesprochenen und unten nochmals zu erläuternden Umdeutung der Konfessionsoption zu einem vorpolitischen Recht, verdankten. Bedeutsamer war die Verknüpfung von allgemeinen Tugendprinzipien mit der Regulierung gesellschaftlichen Umgangs nach der religionsneutralen Norm des Anstands (honestas) in Gestalt der Wiederbelebung antiker beziehungsweise Aneignung und Fortentwicklung neuer Anstands- und Höflichkeitslehren. 49 Alle Lösungen dieses Feldes betrafen die neuralgische Grundsatzfrage der Staatsräson nach der Unverzichtbarkeit oder Ersatzbarkeit des Christentums für den zumindest mittelfristig erfolgreichen Staatsbetrieb. Sie boten noch keine Hilfe für die unmittelbare Befriedung bestehender gemischtkonfessioneller Staatsverhältnisse. Bezogen auf diesen Komplex, mußte der Lösungsweg rechtlicher Stillegung beschritten werden. Diese Perspektive betraf indessen direkt die Maxime des Staatsräsondenkens, die Staatsgewalt von möglichst allen Bindungen zu befreien 48

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Für den Lipsianismus war bekanntermaßen entscheidend Justus Lipsius: De constantia libri duo qui alloquium praecipue continent in publicis malis. Leiden 1584 u.ö.; für die übrige Staatsräsonlehre die Möglichkeit der Differenzierung zwischen öffentlicher und individueller Statuspolitik und -räson; vgl. knapp H. Dreitzel: Staatsräson (Anm. 21). S. 151-154 u.ö. Nur verwiesen werden kann hier auf die ebenfalls sowohl kollektiv-öffentlichen als auch individuellen Affektlehren und Psychologien, die an dieser Stelle ansetzen, s. jetzt im Überblick den Sammelband: The soft underbelly of reason. The passions in the Seventeenth century. London, New York 1998. Wichtigstes Referenzwerk war Stefano Guazzo: La civil conversazione. Brescia 1574 u.ö., das mehrfach übersetzt und nachgeahmt wurde, vgl. nur Stephanus Guazzus, Elias Reusnerus: De civili conversatione dissertationes politicae. Leipzig 1635. 2. Auflage Leipzig 1638, sowie aus der Literatur Emilio Bonfatti: "La civil conversazione". In Germania. Letteratura de comportamento da Stefano Guazzo a Adolph Knigge 1574-1788. Udine 1977; ferner Manfred Beetz: Frühmoderne Höflichkeit. Komplimentierkunst und Gesellschaftsrituale im altdeutschen Sprachraum. Stuttgart 1990; und jetzt zum bisher kaum erforschten englischen Fall Anna Bryson: From courtesy to civility. Changing codes of conduct in Early Modern England. Oxford 1998. Eine wichtige theoretische Studie ist Karl-Heinz Göttert: Kommunikationsideale. Untersuchungen zur europäischen Konversationstheorie. München 1988. Sämtliche Studien sind allerdings geneigt, die ausschlaggebende Bedeutung des Konfessionsproblems zu unterschätzen, und stellen stattdessen den (scheinbar konfessionsfemen) höfischen Kontext heraus. Aufschlußreich ist, daß unlängst nachgewiesen werden konnte, wie stark selbst für Locke die Toleranzfrage noch mit dem Problem praktischen gesellschaftlichen Konsenses verknüpft war; vgl. Seiina Chen: Locke's Political Arguments for Toleration. In: History of Political Thought 29. 1998. S. 167-183.

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und zur stets effizienten Ordnungsdurchsetzungsmacht aufzurüsten. In der Frage der Entschärfung der Konfessionsproblematik war die Staatsräson deshalb primär auf eine Zurückdrängung des Problems zumindest aus dem öffentlichen Bereich angelegt. Ihre Vertreter und partiellen Anhänger wie selbst der lutherische Aristoteliker Hermann Conring schlugen daher schon bald vor, das als solches unbestrittene ius in res sacras des Staates auf die res externas zu beschränken, während das forum internum des individuellen und privaten Glaubens gegebenenfalls unter Einschluß häuslicher Kultusausübung frei bleiben sollte.50 In der Begründung dieses Verfahrens gewann das Naturrecht an Bedeutung; sich fur eine bestimmte Konfession oder Religion zu entscheiden, konnte schließlich als ein göttlich gesetztes oder zwischen den Menschen frei vereinbartes Recht jedes Individuums aufgefaßt werden.51 Daß diese Auffassung sich allmählich durchsetzte, war freilich auch der Aneignung und Wiederbelebung der sonstigen Argumente zu verdanken, die das christliche Europa im Hinblick auf religiöse Abweichler bis dahin entwickelt hatte.52 Sie bezogen sich kurz gefaßt einerseits auf die erwiesene Unmöglichkeit und das wahrscheinliche Verbot Gottes, Glaubensüberzeugungen durch Gewalt zu erzwingen, und andererseits die Kosten, die eine Duldung derartiger Abweichler je nach den historischen Umständen fur die Gemeinschaft der Christen mit sich brachte. Schon hier fanden die Anhänger der Staatsräson für ihre Zwecke brauchbare Vorschläge; so zum Beispiel, daß die stillen Ketzer (haeretici quieti) zumindest auf Zeit geduldet werden könnten, und daß ihre Rückgewinnung oder die Bekehrung von Heiden indirekt, durch Herstellung entsprechend günstiger äußerer Umstände, beschleunigt werden konnte. Während diese älteren Argumente sich allerdings eher auf gemeindlich-kirchliche Maßnahmen (brüderliche Ermahnung, Zensur, kirchliche Disziplinierung) beschränkten, dachten viele Staatsräsontheoretiker bereits weiter. Für sie war durchaus vorstellbar, daß die Staatsgewalt in geschickter Handhabung ihres Rechts auf Kirchenschutz und Kirchenkontrolle von der Verteidigung der Mehrheitskirche zur stillen Zerstörung der Minderheitskirche(n) übergeht. Der kluge Fürst wird in einer derartigen Situation, so schreibt noch 1697 der lutherische Theologe und Philosoph Johann Franz Buddaeus, alles dafür tun, daß die wahre Religion dominiert und an Kraft gewinnt, einschließlich der Förderung von Spaltungstendenzen bei den Gegenkonfessionen bis hin zu de-

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H. Dreitzel: Gewissensfreiheit (Anm. 47). S. 10f., mit Verweis auf Inge Mager: Hermann Conring als theologischer Schriftsteller - insbesondere in seinem Verhältnis zu Georg Calixt. In: Michael Stolleis (Hg.): Hermann Conring (1606-1681). Beiträge zu Leben und Werk. Berlin 1983. S. 55-76. Jetzt dazu tiefschürfend Merio Scattola: Das Naturrecht vor dem Naturrecht. Zur Geschichte des "ius naturae" im 16. Jahrhundert. Tübingen 1999. Vgl. grundlegend und umfassend Klaus Schreiner: Toleranz. In: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hg. von Otto Brunner u.a. Bd. 6. Stuttgart 1990. S. 442-494.

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ren Ruin, aber unter anderem Titel, denn nichts macht die Menschen störrischer und widerspenstiger als die Religionsmeinung beziehungsweise der Aberglaube,53 Mit anderen Worten, die Stillegung des Konfessionsstreits und die Relativierung der soziopolitischen Funktionalität des Christentums durch das Staatsräsondenken hob keineswegs dessen übergreifendes Bestreben auf, schließlich doch den einheitlichen christlichen Konfessionsstaat herstellen zu können. Vor diesem Hintergrund dürfte schließlich auch die absolutistische Aufrüstung der Staatsgewalt zwecks schlichter Unterdrückung aller aus der Konfession und Religion erwachsenen politischen Probleme zu sehen sein: nicht prinzipielle, dauerhafte Konfessionsneutralität war angezielt, sondern instrumentelle, vorübergehende bis zur Herstellung des konfessionseinheitlichen Idealzustands.S4 Horst Dreitzel ist also recht zu geben: Der "Vorrang der Argumente für die politisch durchgesetzte Einheit der Religion im Gemeinwesen (wurde) niemals bedroht."55

IV. Varianten der Staatsräsonaneignung 1. Luthertum: Wolfgang Heiders "Philosophiae politicae systema"

(1628)

Im Bereich des Luthertums als staatsräsonal informierte Beiträge zur Konfessionsstaats- und Duldungsdiskussion bereits angesprochen waren das Werk des Helmstedter Professors Hermann Coming von 1645, ferner die von dem Präfekten des Tübinger Collegium illustre Johannes von Grünthal verantwortete "Consultatio Principis erga Religionem" (1607). Wir ergänzen diese Auswahl durch einen Blick auf das systematische politikwissenschaftliche Lehrwerk des Jenenser Pro-

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"Ut vera religio dominans, et ut ea vita roboretur; [...] sed alium sumat titulum: cum nulla res homines ad resistendum pertinaciores reddat, quam religionis opinio superstitioque" - Johann Franz Buddaeus: Elementa philosophiae practicae [Erstausgabe 1697], Editio novissima. Halle 1712. S. 536. Es ist dabei von sekundärer Bedeutung, ob man die Konzentration auf "ius et arcana dominationis" als Kem dieser Richtung mehr auf die Arcana-Lehre oder die (nicht trennscharf unterscheidbare) Staatsräsonlehre i.e.S. zurückführt; vgl. M. Stolleis: Arcana Imperii (Anm. 28). S. 57f. u.ö. Dem bewußt auf'Realgeschichte' bezogenen absolutismuskritischen Sammelband Ronald G. Asch, Heinz Duchhardt (Hg.): Der Absolutismus - ein Mythos? Strukturwandel monarchischer Herrschaft in West- und Mitteleuropa (ca. 1550-1700). Köln u.a. 1996, fehlt unverkennbar nicht nur eine systematische Betrachtung des Vermittlungsbereichs von Ideen und Praxis, also der "dritten Ebene" in der Diktion P. Schöttlers: Mentalitäten, Ideologien, Diskurse (Anm. 8), sondern auch verstärkte Beachtung der Konfessionsproblematik. H. Dreitzel: Gewissensfreiheit (Anm. 47). S. 6.

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fessors für Ethik und Politik Wolfgang Heider (1558-1626), das unter der Regie der Ehefrau des Autors posthum 1628 erschien. Dieses System der politischen Philosophie, in dem über die materiellen (natürlichen) Ursachen, die Ziele und Formen der Staaten, über deren Hilfsmittel und die meisten äußeren Vorkehrungen, und zwar sowohl nach der Zahl als auch der Art, besonders breit über Krieg und Frieden, sowie über die Arten der Staaten, schließlich über die Ursachen und Heilmittel der in ihnen stattfindenden Veränderung gehandelt wird, weist sich selbst schon im Untertitel als aristotelisches Werk (opus methodi Aristotelicae) aus.56 Das Johann Casimir von Sachsen gewidmete Werk wurde zeitgenössisch als eines der wichtigsten politischen Systeme des Jahrhunderts angesehen.57 Die Politik definiert der Verfasser klassisch aristotelisch als Klugheit, welche die vernünftige Art und Weise guter Gründung, Regierung und Erhaltung des Staates im Hinblick auf das Gemeinwohl und die Glückseligkeit der Bürger lehrt.5' Die Religions- beziehungsweise Konfessionsfrage thematisiert er in Kapitel II. Dabei kommt es ihm entscheidend zunächst darauf an, die übliche politikwissenschaftliche Ausgangsfrage, nämlich ob verschiedene Konfessionen (diversae religiones) im Staat geduldet werden könnten, umzuformulieren: Gefragt werden müsse vielmehr, ob die Obrigkeit Religionen beziehungsweise Konfessionen unterdrücken, zwingen, austreiben oder deren Anhänger gar töten dürften. Im folgenden Abschnitt, der bei ihm üblichen Zusammenstellung erst der verneinenden 56

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Wolfgang Heider: Philosophiae politicae systema, in quo de rerumpublicarum causis materialibus, efficientibus & formalibus, earumque adjumentis & praesidiis externisque accidentibus, ut numero plurimis, ita genere variis, maximo vero de bello & pace; itemque de formis seu speciebus rerumpublicarum, ut & de causis & remediis mutationum in iisdem tractatur. Jena 1628; zur Biographie und der biographischen Literatur vgl. knapp Horst Dreitzel: Monarchiebegriffe in der Fürstengesellschaft. Semantik und Theorie der Einherrschaft in Deutschland von der Reformation bis zum Vormärz. Bd. 2. Köln u.a. 1991. S. 1084. Noch zu Lebzeiten des Verfassers erschienen als weitere politiktheoretische Werke die Dissertation W. Heider (Praeses), Matthias Bilizerus (Resp.): Problemata politica. Jena 1601, und ders. (Praeses), Johann Emst Krosnitzki (Resp.): Exercitatio politica de Legationibus. Jena 1610. Heider verfaßte femer mehrere Nachrufe und Lobschriften auf Mitglieder des sächsischen Fürstenhauses; seine Philosophiae moralis systema erschien ebenfalls erst nach seinem Tode (Jena 1638, 2. Auflage 1692). Eine weitere Jenenser Dissertation (mit Martin Jakob als Respondent: Theses de rationae disputandi. Jena 1597) weist Hinweise auf die o.a. Konversationsdebatte auf. Daß sich Heider auch an der Stärkung der Tugend als Lösung der Konflikte seiner Zeit beteiligte, belegt sein mit Hippolyt Hubmeier als Respondent veröffentlichter Libellus de ira cohibenda ex Aristotele, Seneca, Plutarcho et aliis collectus. Jena 1600. Eher einen Nachruf herkömmlicher Art stellt dar die Oratio de vita et obitu Wolfgangi Heideri (Jena 1627), die allerdings kein geringerer als Johann Gerhard verfaßte. Vgl. die Nachweise in Wolfgang Weber: Prudentia gubematoria. Studien zur Herrschaftslehre in der deutschen Politikwissenschaft des 17. Jahrhunderts. Tübingen 1992. S. 10-88 u.ö. "Prudentia, quae rationem bene constituendae, regendae & conservandae Reip. id; propter salutem communem & civium beatitudinem praescribit"; W. Heider:, Philosophiae politicae systema (Anm. 56). S. 5.

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Antworten (apophasis), werden elf fur den geschlossenen Konfessionsstaat ins Feld zu führende Argumente aufgezählt: die Prophetie des Alten Testaments, daß gemischtreligiöse Völker untergingen; das Pluralitätsverbot der Bibel; die insbesondere von Lipsius (!) hervorgehobene Erfahrungstatsache, daß Religionsverwirrung unweigerlich Faktionsbildung, Haß, Mißtrauen, Aufstände, Bürgerkriege und schließlich sogar eine allgemeine Verachtung Gottes hervorbringen·, der historische Befund, daß von den alten Griechen bis zum gegenwärtigen Reich grundsätzlich Häretiker nicht geduldet wurden und werden; die alte und daher nicht zu ändernde rechtliche Fixierung dieser Norm; die Unmöglichkeit, Häretiker als eine Art neuer Orthodoxer zu betrachten und nach deren Vorbild zu akzeptieren; die Pflicht des Magistrats, nach dem Vorbild Gottes nur eine Religion zuzulassen; die Unvermeidlichkeit, daß Könige, und Fürsten, die verschiedene Konfessionen dulden, schwerste Strafen Gottes zu erwarten haben; der unbestreitbare Tatbestand, daß Häretiker Rebellen gegen Gott sind und entsprechend behandelt werden müssen; die Verwirrung der Geister und der Vernunft, die aus der Religionspluralität resultieren müssen; der Autoritäts- beziehungsweise Ehrverlust, den es für die weltliche Obrigkeit bedeuten müßte, religiöse Abweichler nicht bezwingen zu können.59 Danach führt Heider im Abschnitt der Bejahung (kataphasis) noch zahlreichere Argumente für die Duldung religiös-konfessioneller Pluralität auf: das Zeugnis des dritten Timotheusbriefes Paulus', der die Häretiker zu meiden befiehlt, aber nicht zu töten erlaubt; die grundsätzliche Beschränkung der Kompetenz der weltlichen Obrigkeit auf die äußeren Verhältnisse und den Körper der Untertanen, während der alleinige König der Seelen Gott ist; der empirische Sachverhalt, daß auch die Notwendigkeit keinem Menschen auferlegen kann, was er glauben soll, was er nicht will, oder, was er will, nicht glauben soll·, die Konsequenz aus diesem Prinzip für den konkreten zeitgenössischen Fall, daß nämlich unterschiedliche Konfessionen zu dulden sind, und wir eine einzige aufzuerlegen nicht wagen dürfen-, die aus dem Sachverhalt, daß die Mehrheit der Reiche dieser Welt falschen Religionen anhängt, abzuleitende Folgerung, daß Vereinheitlichung definitiv naturrechtsfern beziehungsweise naturrechtswidrig wäre; die empirische Tatsache, daß Verfolgungen (persecutiones) aus Religionsgründen zum Bürgerkrieg führen und ganze Regionen verwüsten; die Erfahrung, daß mehr Ruhe und Friede herrscht an denjenigen Orten, an denen der Religionsfriede heilig gehalten und geduldet wird - als Beispiele dienen nicht nur das Reich der (mittlerweile zerstörten) Ordnung von 1555 und wie üblich Polen und Frankreich, sondern auch die Türkei, Ägypten und selbst Japan (!); der historische Befund, daß die wahre Kir-

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"Confusio religionis parit factiones, odia, diffidentias, rebelliones, bella civilia, & ipsum denique numinis contemptum"; "Reges, & Principes, qui diversas religiones tolerarunt, gravissimae poenae Dei"; "rebelies contra Dei"; "heterodoxes coercere non posse" - W. Heider, Philosophiae politicae systema (Anm. 56). S. 248-251.

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che stets alle Verfolgung überlebt habe, das heißt jegliche Verfolgung letztlich vergeblich sein werde; die insbesondere von Erasmus von Rotterdam betonte Einsicht, daß Waffen und Gewalt die ungeeignetsten Mittel sind, Sekten möglichst schnell wieder zum Verschwinden zu bringen; die Norm, daß Gott seinen Befehl, ihm Opfer zu bringen, auf den heiligen Ort und seine Kirche beschränkte·, das Beispiel der Duldung der Juden: die Juden scheinen wir überall zu dulden, obwohl sie geschworene Gegner Gottes und unserer Religion sind, warum wollen wir nicht diejenigen dulden, die als Abweichende dennoch Christen bleiben?', der Sachverhalt, daß selbst unter den Theologen der römischen Kirche gravierende Auffassungsunterschiede bestehen, sie aber dennoch sich nicht gegenseitig vertreiben-, daß nach dem Zeugnis Aristoteles' und Bodins die gemäßigte, das heißt auch die religionspolitisch gemäßigte Herrschaft die beste sei; schließlich der Hinweis des Mitarbeiters des Apostels Petrus, Klemens, in dessen Petrusbiographie, daß gegebenenfalls von überkommenen Gewohnheiten und Rechten abgegangen werden könne selbst im Hinblick auf die Ketzerbehandlung: Es ist nicht angebracht, alle Fehler der Väter zu übernehmen; sondern sie [die Abweichler] sind zu schützen, wenn sie fromm sind, dann jedoch zu verachten und zu verwerfen, wenn sie dies nicht sind.60 In seiner abschließenden Beurteilung (epicrisis) vermag Heider indessen nicht energisch festzulegen, welche Seite recht hat, sondern er wagt nur die Festlegung bestimmter einzelner Bedingungen: Zu wünschen ist ganz sicher die eine reinste und beste Religion [Konfession] im Staat; aber wer könne das Eintreten dieses idealen Zustandes in absehbarer Zeit hoffen? Fest stehe lediglich, daß der gegebene Zustand der Religionsdiversität ein Zustand der Sünde sei. Die wenigstens mildernden und zugleich die künftige Erreichung des Idealzustands ermöglichenden Bedingungen bezieht der lutherische Politiktheoretiker bezeichnenderweise maßgeblich von Lipsius. Er spitzt sie auf mehrere Grundregeln zu. Erstens muß sich die weltliche Obrigkeit stets genaueste Kenntnis darüber verschaffen, wer welchen religiösen Überzeugungen anhängt, um die mögliche Gefährdung des Staates einschätzen zu können. Zweitens hat die Obrigkeit zwischen den lediglich still Irrenden (errores) und den politisch gefährlichen Unruhestiftern (turbones) zu unterscheiden. Deren jeweilige Behandlung ist von den je konkreten Umständen abhängig zu machen. Oberstes Ziel muß allerdings unmißverständlich die gewalt-

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"Unus Rex animorum Deus est"; "nulli cuiquam imponere potest necessitas vel credendi quod nolit, vel quod velit non credendi"; "cum diversas religiones esse patiatur, nos unam non audemus imponere"; "ex tota rerum natura penitus"; "plus quietis & pacis est in iis locis, in quibus pax religionis sancta & tolerata fuit"; "Deus sacrificia sibi non alibi nisi in tabernaculo & templo suo fieri iusserat"; "Judaeos passim tolerari videmus, qui tarnen jurati sunt hostes & Christi & Religionis nostrae, cur igitur dissidentes a nobis Christianos ferre nolumus"; "neque tarnen se invicem pellunt"; "Non omnino vitium oportet patribus servare, sed tuen, si pii sint, aspernari autem & abjicere, si non sint tales" - Heider, Philosophiae politicae systema (Anm. 56). S. 247-253, die Kataphasis S. 251-253.

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lose, wenn unvermeidlich eben langfristige Wiederherstellung des geschlossenen Konfessionsstaates lutherischer Prägung sein. Auch wenn also zunächst gilt: groß sind die Nachteile, die der Religionsunterschied mit sich bringt; aber weit größer und zahlreicher sind die Übel, die religiöse Verfolgung, Unruhen, Kriege, Verwüstungen nach sich ziehen61, so ändert dieser Tatbestand dennoch nichts an der Verpflichtung, fur die ideale Lösung, die Einheit von Kirche und Staat, einzutreten.

2. Kalvinismus: Bartholomäus Keckermanns "Systema disciplinae politicae" (1608) Wie sieht die Argumentationslage auf der kalvinischen Seite aus? Die Position des berühmtesten kalvinischen Politiktheoretikers, des Johannes Althusius (15631638), ist bekannt. Der Herborner Professor und Emdener Syndicus, der praktisch-politisch stets dafür plädierte, die weltliche Gewalt zugunsten seiner Kirche einzusetzen, vertrat freilich eine eigenständige symbiotische Politikkonzeption, deren Wirkung eher ambivalent war.62 Zumindest für den Bereich des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation erscheint daher der Entwurf seines Weggefährten Bartholomäus Keckermann (1572 -1608), Professor für Theologie beziehungsweise Philosophie in Heidelberg und Danzig, der einen aristotelischen Ansatz vertrat, bedeutsamer.63 Keckermanns Hauptwerk, die "Systema disciplinae politicae", hervorgegangen aus Vorlesungen am Danziger Gymnasium, erschien erstmals 1608 in Hanau und erfuhr bis 1614 vier weitere Auflagen. Es besticht durch seine Systematik und Übersichtlichkeit, entwickelt aus einer Anwendung ramistischer Methodik auf ein wie gesagt aristotelisches Politikverständnis. Sein Verfasser diskutiert auf dieser Basis ungewöhnlich ausführlich auch Machiavelli und macht sich ebenfalls zentrale Auffassungen des Lipsius zu eigen. In der Konfessionsfrage kommt er nichtsdestotrotz zu einigen Befunden, die sich unschwer auf die besondere Situation Danzigs beziehen lassen, nämlich eine kalvinische Oberschicht und in der 61

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"Optandum est certissime una religio purissima & perfectissima in republica"; "magna [...] sunt incommoda, quae religionis diversitas secum trahit; sed mala longe plura & maiora, quae persecutiones, turbas, bella, vastationes, sequuntur" - W. Heider:, Philosophiae politicae systema (Anm. 56). S. 254-258, Zitate S. 253 und 258; vgl. zur entsprechenden Aneignung und Anwendung der Arcana-Lehre Clapmars hier S. 865-889. Vgl. hierzu z.B. die Hinweise und Erörterungen zu Johannes Althusius, in: Karl-Wilhelm Dahm u.a. (Hg.): Politische Theorie des Johannes Althusius. Berlin 1988 (Rechtstheorie/ Beiheft. Bd. 7). Vgl. grundlegend Friedrich Goedeking: Die "Politik" des Lambertus Danaeus, Johannes Althusius und Bartholomäus Keckermann. Heidelberg 1972, sowie fur weitere Literatur und die wichtigsten biographischen Daten H. Dreitzel: Monarchiebegriffe (Anm. 56). S. 1105.

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breiteren Bevölkerung zwei Großkonfessionen, das Luthertum und die römische Kirche, aufzuweisen. Wie Althusius beschreibt Keckermann zunächst die Pflichten und das Verhältnis des Souveräns zu seinen Untertanen zentral mit dem Begriff der Fürsorge {euro). Diese Fürsorge soll und darf sich hier jedoch strikt ausschließlich ad finem politicum beziehen, das heißt auf das diesseitige und dort auf das öffentliche Leben. So wird im einzelnen definitionsbedürftig, inwieweit der Fürst Fürsorgepflichtiger ist für das öffentliche Heil seiner Untertanen, und inwieweit es ihm in diesem Rahmen zukommt, über religiöse Angelegenheiten und insbesondere Religionskontroversen zu entscheiden.64 Die Argumentation läuft auf eine Beschränkung der herrscherlichen Kompetenz auf die Sorge fur eine allgemeine Zivilmoral und die Ermöglichung beziehungsweise Begünstigung der im Prinzip freien Entscheidung des Untertanen fur die wahre Kirche hinaus. Voraussetzung für den Erfolg eines derartigen Kurses ist naturgemäß ein entsprechend tugendhaftes Verhalten des Herrschers selbst, weil hier eine institutionelle konfessionelle Legitimität fehlt. Seine Bedingungen sind die Anerkennung des göttlichen, Natur- und Völkerrechts, die flexible Handhabung des positiven Rechts beziehungsweise des Instruments der Gesetzgebung, entschiedene staatliche Erziehungs- und Bildungskontrolle unter Einschluß der Unterbindung politisch aufreizenden Unterrichts von Kirchen, staatliche Tugenderziehung beziehungsweise -förderung durch Verteilung entsprechender Belohnungen und Strafen, Gewährleistung nicht nur würdigen, sondern sogar frohen Lebens (iueunda vita) für alle Untertanen sowie die Respektierung der jeweiligen Rechte, Würden und der Privatsphäre der diversen Untertanengruppen. 65 Das auch hier stark hervortretende Bedürfnis nach staatlicher Stabilität enthält unter anderem freilich auch die Forderung an den Souverän, geheime Späher (exploratores) zur präventiven Erforschung aller diese Stabilität bedrohenden Gemütsregungen, Gedanken und Handlungen der Untertanen zu beschäftigen sowie dann, wenn auch nur Anfänge und Samen von Aufständen zu erkennen sind, diese sofort wie Unkraut zu unterdrücken.66 Ein Widerstandsrecht der Untertanen aus konfessionellen Gründen gibt es folgerichtig nicht: Anerkennt den Herrscher als euren Fürsten, auch wenn er nicht eurer Religion angehört. Der Extremfall politischen Widerstands gegen einen Fürsten, der sich 64

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"Quatenus est (Princeps) procurator salutis publicae suorum subditorum, & quatenus cum saepe iudicare oportet de rebus divinis & controversiis ad religionem pertinentibus" - Bartholomaeus Keckermann: Systema diseiplinae politicae. Hanau 1610. S. 76. Zur schließlich entschieden römischen Parteinahme des nicht nur von Keckermann, sondern auch Danaeu, Althusius und zahlreichen lutherischen Aristotelikern benutzten Justus Lipsius vgl. vor allem dessen Monita ecclesiae Christianae concordia. o.O. 1640. B. Keckermann: Systema (Anm. 64). S. 136, 142f., 110-215; der Begriff tolerantia taucht in diesem Kontext zwar auf, gemeint ist mit ihm jedoch Ausdauer beziehungsweise Belastungsfahigkeit, vgl. S. 21 Of.: körperliche Übungen zur Steigerung der tolerantia. "Si quae videat initia seditionum & semina, ea statim supprimat velut in herba" - B. Keckermann: Systema (Anm. 64). S. 438 (Zitat).

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als Staatszerstörer erweist, kommt einerseits den niederen Magistraten zu, andererseits wird er der menschlichen Entscheidung mittels theologisch-geschichtsphilosophischer Verbrämung entzogen.67 In Kapitel XXXIII des ersten Buches wird das Verhältnis von diesseitiger und jenseitiger Ordnung jedoch nochmals ausfuhrlich und grundsätzlich thematisiert, mit aufschlußreichen Ergebnissen. Mit dem diesseitigen Ziel der Politik (finis politicus vel humanus) ist die Aufgabenstellung des Staates und des Souveräns noch nicht erschöpft, vielmehr ist auch ein göttliches Ziel (finis divinus), die jenseitige Erfüllung dank Anerkennung und Umsetzung der wahren Religion, zu beachten: (Darauf) folgt das göttliche Ziel, oder die Sorge für die Religion und Frömmigkeit, durch welche die Untertanen vom Fürsten, oder unter dem Fürsten, zum ewigen Heil geführt werden. Dieses Regiment des Fürsten, das auf die Religion und Frömmigkeit bezogen ist, ist auf doppelte Weise zu erörtern: einerseits grundsätzlich [prinzipiell] beziehungsweise für den befriedeten Normalzustand eines Staates, andererseits für den besonderen Fall des gestörten Zustands des Staates.61 Im folgenden wird unmißverständlich klar, daß der geschlossene Konfessionsstaat kalvinischer Prägung, in dem sich der Fürst per religiösem Amtseid zur konsequenten Unterstützung und Förderung der wahren Kirche verpflichtet, dieser Pflicht entsprechend nachkommt und deshalb von seinen Untertanen als Princeps perfectus geachtet und geliebt wird, eben doch die anzustrebende Ideallösung darstellt. Und auch hier werden dem nunmehr auch konfessionell legitimierten, von entsprechend glaubensfesten Beratern umgebenen Souverän außerordentlich weitreichende Herrschaftskompetenzen zugewiesen, während die Untertanen sich ihre Pflichten nicht nur aus ihrer ethischen und politischen Gemeinschaft, sondern auch ihrer christlichen und der christlichen Bruderliebe aneignen: dann werden sie den mitlebenden Fremden beziehungsweise Ausländern mit Geduld und Gastfreundschaft begegnen, ihnen entsprechend helfen und sie schätzen,69 Der wenngleich lediglich leicht gestörte Religionsstand (leviter turbatus status religiosus), der gekennzeichnet ist entweder durch einen offenen Dissens des Für67

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"Agnoscite eum pro principe etiamsi non sit religioni vestrae addictus" - B. Keckermann: Systema (Anm. 67). S. 521 f. "Sequitur finis divinus, sive cura religionis, & pietatis, qua subditi a Principe, vel sub Principe, ad aeternam salutem ducuntur"; "regimen principis religionem & pietatem spectans, dupliciter consideratur: vel absolute, & in statu pacato, vel per accidens, & in statu turbato" - B. Keckermann: Systema (Anm. 64). S. 513-534 (das längste Kapitel überhaupt!), hier S. 515 (Zitate). "Sibi mutuo praestent officia non tantum coniunctionis Ethicae & Politicae, sed etiam coniunctionis Christianae & dilectionis fraterna: Peregrinos quoque exteros secum habitantes Chriatiana patientia & hospitalitas ferant, iuvent & foveant" - B. Keckermann: Systema (Anm. 64). S. 521.

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sten gegenüber seinen Untertanen in der Religion, oder umgekehrt durch einen Dissens der Untertanen zur Religion des Fürsten, oder aber durch einen Dissens der Religion zwischen den Untertanen selbst, fällt gegenüber dem Idealzustand deutlich ab. Der Fürst, der sich zur wahren Religion bekennt und diese entsprechend fördert, ist zweifellos vollkommener im Vergleich zu demjenigen, der dieser Religion entfremdet ist, wiewohl er unzweifelhaft dennoch legitimer Fürst (princeps legitimus) bleibt und keinesfalls ohne weiteres zum Tyrannen erklärt werden darf. In diesem historischen Zustand gilt wieder die Regel Der Fürst darf sich nicht anmaßen, über die Gewissen herrschen zu wollen, und daran denken, zum Glauben überreden oder diesen gar erzwingen zu können, und die Friedensund Einigungspflicht gegenüber den (sonst friedlichen und gehorsamen) Andersgläubigen. Keckermann streicht mittels Kontrastierung des befriedeten Reiches um 1555 und des dauerhaft friedlichen Polen mit den innerlich zerrissenen englischen und französischen Monarchien nachdrücklich die Früchte derartiger Verständigung heraus. Seine abschließende Empfehlung ist wieder eindeutig: Glaubensfreiheit und Religionsfrieden müssen vom Fürsten zugestanden werden.10 Bezogen ist sie allerdings wie gesagt ausdrücklich auf den defektiven Stand der Religionspluralität, während im Fall des glücklich erreichten, der wahren Kirche folgenden geschlossenen Konfessionsstaats das unabdingbare Postulat der entschlossenen Verteidigung dieses Einheitsstaats gegen innere Zersetzung und äußere Überwältigung gilt.

3. Katholizismus: Wilhelm von Efferhens "Manuale Politicum" (1630) Auf die Bedeutung erst von Giovanni Boteros Staatsräsonschrift, die eigentlich ein Handbuch für den gegenreformatorischen Fürsten darstellt, sowie von Adam Contzens jesuitischem Politiksystem für die römische Seite wurde bereits verwiesen. Hier für eine vertiefte Betrachtung herangezogen sei deshalb ein den Geschehnissen besonders nahes, ähnliches, aber bisher noch kaum eingehender beachtetes Anleitungswerk.

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"Vel ob nudum dissensum principis a subditorum religione, vel ob dissensum subditorum a religione pincipis, vel ob dissensum religionis inter ipsos subditos"; "Princeps qui veram religionem profitetur, perfectior est eo, qui a religione est alienus"; "Princeps non vindicet sibi Imperium in conscientias, & cogitet fidem suaderi, non cogi poße"; "libertatem conscientiae & pacem religionis a Principe concedere est" - B. Keckermann: Systema (Anm. 64). S. 521, 523 und 529 (Zitate).

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Wilhelm Ferdinand von Efferhen71 schrieb sein politisches Handbuch über die Staatsräson, die er zeitgemäß als "Klugheit des Regierens, der Vermehr und Erhaltene eines Staates" definierte, aus einer dezidiert thomastisch-scholastischen Perspektive. Er folgte dabei vor allem den Vorstellungen Adam Contzens.72 Das im praktischen Oktavformat gedruckte Werk umfaßt in der Ausgabe von 1662, die inhaltlich mit der zweiten, in Passau publizierten Auflage von 1634 identisch ist (Erstauflage Frankfurt am Main 1630), nicht weniger als 631 Seiten. Es ist in Bücher und sogenannte Punkte {puncto) gegliedert. In Punkt VI des ersten Buches handelt der Autor von der wahren (d.h. guten) Staatsräson: Wir sagen, daß die wahre Staatsräson diejenige Betriebsform des Staates ist, die den Fürsten und die Untertanen nach Gottes Gebot klug dazu anleitet, durch Anwendung anständiger und moralisch zulässiger Mittel das letzte Ziel zu erreichen, das heißt sowohl die zeitliche als auch die ewige glückliche Erfüllung,73 Die weltliche Ordnung ist also von Anfang an und systematisch auf die jenseitige Erfüllung ausgerichtet. Ihre Mittel und Wege haben den Normen der Christlichkeit, Moralität und des überkommenen Rechts zu entsprechen. Im Fortgang der Argumentation wird deutlich, daß zu ihnen vor allem vera iustitia, das konsequente Handeln nach dem göttlichen, natürlichen und vorliegenden positiven Recht, Legitimität in der Thronfolge durch Geburt oder Wahl und wahre Frömmigkeit, das heißt vor allem Gehorsam gegenüber der allein seligmachenden Kirche, zählen. Von diesem richtigen Pfad abzugehen, sich mithin der falschen Staatsräson (ratio status falsa) auszuliefern, sei eine von den Ketzern unermüdlich lancierte Lockung, und zwar eben mit dem Ziel, die Ketzer nicht pflichtgemäß zu 71

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Weitere Namensvariation: Efferen. Die (spärlichen) biographischen Daten der gängigen gedruckten Dokumentationen des Mainzer, später kaiserlichen Rates sind zusammengestellt bei H. Dreitzel: Monarchiebegriffe (Anm. 56). S. 1059. Efferhen verfaßte neben seinem Manuale politicum (s.u.) drei polemische Schriften gegen Vertreter des Kalvinismus (Nothwendige abgedrungene Ehrenrettung Wilhelm Ferdinand von Effereen [...] wider einen boshaften Calumnianten. Aschaffenburg 1617; Gründtliche Widerlegung der zwo Lästerschrifften oder Schmähkarten [...]. o.O. 1617; Warhaffter Gegenbericht und abgenöhtigte Ehrenrettung [...]. o.O. 1631). Aus seinem Nachlaß wurde veröffentlicht: Sensus apostolicus summorum pontificum ss. Conciliorum et s. Congregationis Concilii Tridentini. o.O. 1693. Möglicherweise ebenfalls aus seiner Feder stammt die anonyme Dissertatio de Pace et Concordia Ecclesiae. Eleutheropolis (!)1630. "Prudentia gubernandi, augendi, & conservandi rempublicam" - Wilhelm von Efferhen: Manuale politicum de ratione status, seu idolo principum: In quo de vera & falsa forma gubernandi Rempubl., de religione, de virtutibus Principum [...] agitur. Frankfurt a.M. 1662; hier benutzte Ausgabe: Passau 1634, 906 S., Zitate S. 1 und 9. Das Werk ist Leopold Wilhelm von Österreich, Bischof von Passau, Straßburg, und Halberstadt gewidmet. Die Widmungsepistel bringt den unmittelbaren praktischen Interventionszweck des Werkes zum Ausdruck. "Diximus [...] veram rationem status esse illam formam reip. quae secundum Deum per honesta licitaque media Principem, & subditos ad ultimum finem, temporalem, & aeternam foelicitatem prudenter diriget" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 24. [Schmitt].

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verfolgen und zu bestrafen, sondern gewähren zu lassen, was den Anfang vom Ende jedes (christlichen) Staates bedeute.74 Daß die wahre Religion das unverzichtbare Fundament jedes dauerhaft stabilen Staates sei und der Fürst sich deshalb wahrer Frömmigkeit zu befleißigen habe, wird auch in den Punkten des zweiten Buches dargelegt. Die weltliche Ordnung der Staat - ist überhaupt nur zur Ehre Gottes errichtet worden. Nur diejenige Ordnung zwischen Herrschenden und Gehorchenden (imperantes et subditi), die der wahren Religion huldigt, wird sich des Wohlwollens und der Zuneigung Gottes und damit historischer Stabilität und Blüte erfreuen können: ausschließlich durch die wahre Religion wird die menschliche Gesellschaft, das ist: der Staat, in größtmöglicher Eintracht erhalten.1* Und zwar nicht nur deshalb, weil religiös fundierte Straf- und Belohnungserwartungen stärker zur Einhaltung der Regeln und Normen des Zusammenlebens motivieren als lediglich weltliche Sanktionen. Sondern auch, weil nur die wahre Religion brüderliche Liebe und Harmonie mit sich bringt und fortlaufend zu garantieren vermag. Umgekehrt gilt demnach, daß heidnische und ketzerische Staaten höchstens zu Scheinblüten fähig sind, auf mittlere oder längere Frist aber ihrem sicheren Ruin nicht entgehen werden. Efferhen fuhrt als Beispiele für diese Prinzipien unter anderem den Untergang Ostroms im türkischen Ansturm sowie die historisch-politischen Erfolge Stefan Batoiys in Ungarn und Polen beziehungsweise die Glorie des ebenso entschieden katholischen Hauses Habsburg an. Der Fürst darf sich demzufolge keineswegs anmaßen, über die wahre Kirche zu bestimmen oder sich diese zu unterwerfen. Richtig ist des weiteren, daß er stets seinem Gewissen zu folgen hat. Das gute beziehungsweise reine Gewissen wird jedoch nur über die wahre Religion und Kirche erworben, nämlich durch häufige Gewissensprüfung nach deren Normen, vor deren Repräsentanten und mit deren Unterstützung.76 Im Schlüsselkapitel VI wird systematisch dargelegt, daß in einem christlichen Staat nur eine Religion [Konfession] bestehen darf11 Der erste Grund dafür liegt im Charakter Gottes selbst: wie die Einheit Gottes einfach und unteilbar ist, so werden auch ein bestimmter einziger Gotteskult und eine Religion benötigt. Entsprechend muß auch die Kirche Gottes eine Einheit bilden. Ferner ist daran festzuhalten, daß es nur einen Weg zum Heil gibt {via salutis est una). Schließlich wird der Fürst ermahnt, Gott mehr als die Menschen zu furchten, also nicht etwa aus Furcht Ketzer oder Sekten im Staat zuzulassen. Die einschlägigen Gegenargumente werden systematisch zu widerlegen versucht: Katholiken, Lutheraner 74 75

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W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 55-58. "Per religionem (veram) societas humana, hoc est, respubl. vel maxime in concordia conservator" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 88-106, Zitat S. 88. "Conscientia pura, seu bona"; "per frequens examen" W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 118-128, h i e r S . 119. "Quod in republ. Christiana una tantum debeat esse religio" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 128-135; hieraus die folgenden Zitate.

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und Kalvinisten vermögen nicht auf ihre je eigene Weise gerettet zu werden, so daß ein einziger Glaube entbehrlich erscheint. Denn erstens weichen die Protestanten unzweifelhaft von der Lehre der wahren Kirche ab, können also schon deshalb nicht auf Seligkeit hoffen. Zweitens bestehen sie darauf, allein durch den Glauben gerettet zu werden (in sola fide salvari), das heißt nicht gute Werke (bona opera) zu leisten, was ebenfalls zur Erreichung der jenseitigen Erfüllung unverzichtbar ist. Auch beim politisch-ökonomischen Erfolg der Ketzerstaaten England und Holland handelt es sich um Scheinblüten, die das wahre jenseitige Glück verfehlen. Über die variierende Religion der Deutschen, die dennoch dauerhaft unter der einen Herrschaft des Kaisers und Reichs leben zu können vermeinen, möchte Efferhen an dieser Stelle ausdrücklich nichts im Detail ausführen. Aber auch dieser Fall gehorche zweifellos der allgemeinen Regel: Wirklicher Dauerhaftigkeit dieser Verhältnisse werden sie sich kaum erfreuen können; Furcht läßt sie bleich werden; durch Kriege werden sie erschöpft; ob sie Gottes Hand rettet, läßt ihr Gewissen ängstlich und zweifelnd werden. Daß sie doch zur wahren Einheit zurückkehren, daß sie einen Gott in einer Kirche, in einer Religion ehren, und daß sie auf dem einen königlichen, unfehlbaren Weg das ewige Heil suchen und finden, das wünsche ich ihnen dringlich,78 Warum können also in einem Reich, in einem Staat, mehrere Religionen nicht zugelassen werden?79 Nachdem wie gezeigt erstens die religiöse Einheit das unverzichtbare Fundament jeden Staates darstellt, wäre Religionspluralität mit de Zerstörung dieses Fundaments identisch. Zweitens, weil von Natur aus Gegensätzen stets Untergang folgt, was eben auch für die Religion gelten muß. Der dritte Grund ist folgender: weil die Religion das stärkste Bindungsmittel ist, mit dem sich der Staat erhält, gilt auch, daß, wenn dieses Bindungsmittel aufgegeben wird, der Staat also in verschieden Teile auseinandergezogen wird, er weniger zusammenhält, er sich die Tür zu seinem eigenen Ruin öffnet. Viertens, weil die Unterschiedlichkeit der Religion bekanntermaßen zahlreiche Übel hervorbringt, durch die die Staaten zerstört zu werden pflegen; gemeint sind wie üblich vor allem gegenseitiger Haß, Fraktionenbildung, Ungehorsam, Aufstand und Neuerungen aller Art. Diese klaren politischen Einsichten würden sogar von den Heiden geteilt. Über sie hinaus geht, daß Religionsvielfalt aber auch durch Christus verboten ist

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"Quia sicut simplicissima est divina unitas, & indivisibilis, ita unum certum cultum, & religionem requirit"; "diutumitatem vix sibi pollicentur; pallescunt metu; bellis exhauriuntur; an manus Dei evadent, trepidi conscientia haerent dubii. Utinam ad veram unitatem redeant, unum Deum in una Ecclesia, in una religione colant, & in regia via una, infallibili, salutatem aetemam quaerant, & inveniant: hoc imprecor" W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S.134. "In uno regno, aut republ. [...] plures religiones" W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 135 (Titel des entscheidenden Punktes VII, der bis S. 140 geht).

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und die Gesetze beziehungsweise das positive Recht seit jeher Häretiker aus der Gemeinschaft der Kirche auszuschließen und zu bestrafen vorschreiben.80 Wieder versucht Efferhen diese seine Argumentation, die jedoch mit Ausnahme der dezidiert römischen Elemente weitgehend der allgemeinen Auffassung entspricht, durch historisch-empirische Beispiele zu untermauern. Dabei verweist er unweigerlich auch auf die jüngste Reichsgeschichte. Im jüngst vergangenen Jahrhundert {superiori saeculo) entbrannte wegen der Religionsneuerung" (ob novitatem religionis) der Bauernkrieg. In diesem unserem Jahrhundert greifen die Fürsten, wie sie jedenfalls behaupten, aus Religionsgründen zu den Waffen, mit der unvermeidlichen Folge des böhmischen und dänischen Krieges, mit unabsehbarem Ausgang der Ereignisse. Frankreich wie England wurden und werden durch Bürgerkrieg gestraft. Solche Früchte bringt die Religionsverschiedenheit; wenn die alten Beispiele dafür nicht zu überzeugen vermögen, dann kann doch das, was sie, welch Schmerz, mit eigenen Augen sehen, nicht abgeleugnet werden!" Nicht von Duldungsvorstellungen her wird also argumentiert, sondern wie selbstverständlich vom Normalfall des geschlossenen Konfessionsstaats. Dennoch begibt sich der entschieden römisch gesinnte Autor auch in die Nähe dieses Bereichs, nämlich in der anschließenden systematischen Diskussion des Problems der Gewissensfreiheit, aus der sich sowohl die protestantische als auch die römische Position gut erschließen lassen. Mit nichts bedrängten die diversen Häretikergruppierungen die Katholiken so sehr wie mit der Forderung nach Gewissens- und Religionsfreiheit. 82 Dabei postulierten sie als generelles Prinzip, daß das Gewissen frei sein müsse, und keine Gewalt gegen Gewissensentscheidungen zugelassen werden dürfe. Zur Begründung würden verschiedene Argumente vorgebracht. Erstens sei jeder Mensch für seine Seele und sein Seelenheil selbst verantwortlich. Einwirkungen von außen könnten deshalb nicht zugelassen werden, entsprechend ist Gewissensfreiheit zu gewähren. Zweitens gelte, weil die Freiheit des Gewissens dem Menschen angeboren ist, darf das Gewissen nicht durch gegenläufige menschliche Gesetze unter Druck gesetzt werdenDrittens lasse sich an der Tatsache, daß Gott selbst den Heiden, Türken und Christen Gewissenfreiheit zugestehe - indem er sie die ver80

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"Quia naturaliter a contrariis omnia corrumpuntur"; "ratio tertia, quia religio est vinculum solidissimum, quo respubl. in suo esse conservatur, quod si dissolvatur, si in diversas partes distrahatur, minus stringet, & ruinae portas aperiet"; "quia diversitas religionis producit pleraque mala, quibus respubl. everti possunt & solent" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 136138, einschließlich der Zitate. "Hoc nostro saeculo pro religione sua (sic loquuntur) Principes arma sumpserunt"; "tales fructus producit diversitas religionis; si antiqua exempla fidem non faciunt, quae, heu dolor, oculis observantur, negari non possunt" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 137f. W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 153-167. "Quia conscientiae libertas est homini innata, ergo contrariis legibus in republ. coactari non debet" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 153.

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schiedenen Religionen selbst wählen läßt - eine Verpflichtung erst recht der christlichen Fürsten ablesen, diese Gewissensfreiheit zu gewähren. Viertens habe die weltliche Obrigkeit sowohl faktisch als auch rechtlich ohnehin keine Macht über die Seelen der Untertanen - diese gebührt vielmehr ausschließlich Gott - , deshalb sei sie unweigerlich zur Konsequenz der Gewährung von Gewissensfreiheit verpflichtet. Fünftens handele es sich im konkreten Fall durchweg um christliche Konfessionen, die mithin eigentlich den gleichen Glauben und den gleichen Heilsweg hätten; in den katholischen Reichen und Staaten sei deswegen diesen anderen christlichen Kirchen unbedingt Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit zuzugestehen. Schließlich bezeichneten es die Häretiker als tyrannisch, Brüder, Angehörige des gleichen Volkes, Mitbürger lediglich um geistlicher Dinge willen ins Exil zu veijagen, obwohl das Gemeinwesen viel Nutzen von ihnen beziehungsweise aus ihrem Fleiß gewinnen könne.84 Diese Argumente stellten gewiß große Herausforderungen dar; sie erscheinen für Efferhen jedoch anhand von Gottes Wort, des positiven Rechts, der richtigen Vernunft (recta ratio) sowie der historischen Erfahrung widerlegbar und können aus seiner Sicht als Produkte beziehungsweise Bestandteile der falschen, teuflischen Staatsräson ausgewiesen werden. Gott verbietet in seinen zehn Geboten ausdrücklich und unmißverständlich die Zulassung anderer religiöser Lehren, deshalb gesteht Gott keineswegs die Freiheit, daran zu glauben, was jedem gerade sein Geist eingibt, zu. Er schreibe außerdem Einheit und Eindeutigkeit im Glauben, in der Kirche, im Weg zum Heil und im Gesetz vor, deshalb will er keineswegs, daß wir in unserer Freiheit unsicher hin- und herwandern. Wer seine Seele unserem Heil anvertraut hat, verbietet daher Gemeinschaft mit Häretikern, und deshalb darf der Fürst nicht die Freiheit geben, die Gott nicht gibt}5 Sowohl das weltliche als auch das kirchliche Recht verdammen alle Häretiker, Gewissensfreiheit nicht zuzulassen ist also verpflichtend. Daß auch die schiere Vernunft gegen die Gewährung von Gewissensfreiheit optiert, zeige das Beispiel der Heiden, die zwar über diese Vernunft, nicht aber über das Licht des christlichen Glaubens verfugen: auch sie ließen Gewissensund Religionsfreiheit keineswegs zu. Die Erfahrung schließlich belege, daß Gewissensfreiheit zuzulassen nichts anderes bedeute, als ungestrafte Freiheit zu allen Verbrechen, Lastern und Sünden zu gewähren. Dann gilt auch, daß ein Friede niemals sicher und dauerhaft ist, wo Religionsfreiheit zugestanden wird, und daß die wahre Freiheit des Staates dessen Existenzgefährdung am nächsten kommt, wenn jene unstete freie Religionswahl 84

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"Fratres, populäres, & concives ob res mere sprituales" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 154f. "Ergo Deus non concedit libertatem credendi, quod cuilibet suum dictat ingenium"; "ergo non voluit in incertum vagari nostram libertatem. Qui animam suam pro nostra salute posuit, prohibet communionem cum haereticis, ergo princeps non debet libertatem dare, quam Deus denegavit" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 155f.

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eingeführt wird, das beweist anhand unzähliger Beispiele die Geschichte [!]. Lies sie nur.™ Was beabsichtigt also die falsche Staatsräson, wenn sie überall mittels Einflüsterungen, Drohungen und Druck dennoch Gewissensfreiheit durchzusetzen versucht? Es geht erwartungsgemäß darum, die katholischen Fürsten von ihren Verpflichtungen abzuhalten, sie einzuschläfern und schließlich zu überwältigen beziehungsweise auf die häretische Seite zu ziehen: Das betreibt diese Staaträson nur allzu verschlagen: unter dem Schleier der Religion strebt sie nach der Herrschaft; unter der Farbe der Freiheit versucht sie Knechtschaft einzuführen; unter der Hülle freundschaftlicher Verständigung sinnt sie über Zeit und Gelegenheit für die Waffen nach." Im übrigen seien die angeblichen Prinzipien der Ketzer und ihrer Verbündeten, der Gottlosen, an ihren Taten zu messen: Wenn sie tatsächlich Gewissensfreiheit ohne Falschheit anstreben, sie für gerecht und unweigerlich notwendig halten, warum gestehen sie dann in Holland, Frankreich, England und Deutschland, wo sie die Verhältnisse bestimmen, den anderen, besonders den Katholiken, diese Freiheit nicht zu?"'' Das Argument, daß die Katholiken nicht um ihres Glaubens willen unterdrückt würden, sondern weil sie aufrührerisch (seditiosi) seien, kann jedenfalls nicht überzeugen: Genau dagegen, daß die Wahrnehmung der eigenen Glaubensrechte Gehorsamsverweigerung bedeute, hätten sich einerseits zahllose ketzerische Autoren gewandt. Andererseits stelle sich die Frage, ob hier nicht gelten solle, daß Unterdrückung freier Religionsübung tyrannisch ist. Faßt man die Äußerungen der Häretiker in den diversen Staaten Europas zusammen, so ergeben sich nach Efferhen jedenfalls heillose Widersprüche, die darauf schließen lassen, daß nicht nach Prinzipien, sondern je nach Bedarf argumentiert wird. Der Schluß liegt auf der Hand: angezielt wird entweder ein trügerischer Synkretismus oder der Krieg gegen Rom als Zwischenstadium vor der ketzerischen Gleichschaltung. Aber auch die übrigen Begründungen sind aus der Sicht Efferhens falsch. Die Gewährung freier Entscheidung fiir das Gute oder Böse ist nicht mit Gewissensfreiheit im ketzerischen Sinne identisch, weil Gott gleichzeitig gewisse Gesetze 86

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"Quam ad omnia scelera, flagitia & peccata impunem licentiam dare. Tum etiam, quod nusquam secura, vel diuturna pax sit, ubi libertas religionis conceditur, & quod vera libertas reipublicae periculo proxima est, quando vaga illa religionis electio inducitur, hoc exemplis infinitis certum facit historia. Lege" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 156f. "Hoc callide nimis agit Ratio status: sub specie religionis, ambit regnum; sub colore libertatis, servitutem machinatur; sub velamine amicabilis compositionis, tempus & occasiones armorum meditatur" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 157. "Si libertatem conscientiae sine fuco praetendunt, & iustam, imo neccessariam esse volunt, quare in Hollandia, in Gallia, in Anglia, in Germania, ubi rerum potiuntur, aliis, praesertim Catholicis, eandem libertatem non concedunt?" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 158.

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zum Heil (certas leges ad salutem) festgesetzt hat, fur deren Überschreitung Strafen ausgesetzt sind.89 Daß jeder Mensch am Ende Rechenschaft über seinen Glauben und Handeln ablegen muß, setzt keineswegs notwendig Gewissensfreiheit voraus. Im übrigen werde die freie Willensentscheidung des Menschen (liberum arbitrium hominis) von den Kalvinisten im Rahmen von deren Prädestinationslehre bestritten. Daß Gott die Heiden und Muslime in ihren Irrtümern beläßt, steht nicht auf der gleichen Stufe wie Glaubensabfall, also Ketzerei; wie die schlechten Christen, die nicht definitiv vom Glauben abgefallen sind, haben im übrigen auch die Heiden und Andersgläubigen durchaus Strafen zu erwarten, ist ihr Verhalten also sündhaft. Zum vierten Argument gilt, daß die weltliche Obrigkeit zwar tatsächlich keine Gewalt über die unsterbliche Seele hat. Sie hat aber nichtsdestotrotz von Gott das Mandat und die Gewalt, den Aufrührer, Rebellen, nach dem Grade seiner Gesetzesübertretung zu bestrafen, ja ihm sein Leben zu nehmen; weil es ja gerade die Herrschaft ausmacht, daß die Freiheit des übel Handelns aufgehoben wird.90 Beim fünften Argument trifft die Voraussetzung nicht zu, daß die häretischen Konfessionen mit den Katholiken den einen christlichen Glauben teilten. Wenn die Unterstellung zuträfe, müsse auch gefragt werden, warum die Ketzer gegen die Katholiken zu den Waffen greifen, nicht unter den überkommenen Gesetzen leben wollten, bona opera ablehnten und sich durch den Glauben allein rechtfertigen wollen (solam fidem justificare volunt). Auch beim sechsten Argument dreht Efferhen den Spieß um: Wenn es wirklich schon tyrannisch ist, dem Häretiker nicht seine Freiheit zu gewähren und sie in das Exil zu jagen; dann müssen die Ketzer selbst noch viel tyrannischer sein, die ihre Mitbrüder betrügerisch und gewaltsam unterdrükken, tausende kreuzigen, grausam töten; wenn es für den Staat von Nutzen ist, die Ketzer zu ertragen, warum bemühen sich diejenigen Ketzerstaaten, die Katholiken ertragen müssen, nicht um Anteil an eben diesem Nutzen?91 Auch von diesem Tatbestand her sei eher zu erwarten, daß die universale Einfuhrung der Gewissensfreiheit universale Unsicherheit, Chaos und schließlich universales Blutvergießen mit sich bringen werde. Zusammenfassend meint der

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W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 160; die nachfolgende Argumentation mit den einschlägigen Zitaten S. 161- 165. "Habet tarnen a Deo mandatum & potestatem, hominem seditiosum, rebellem, transgressorum legum pro qualitate puniri, & vita privandi; quod satis est imperii, ut libertas male agendi tollatur" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 163. "Si tyrannis est, haereticus non concedere libertatem, & illos in exilium ejicere: majores tyranni sunt ipsi haeretici, qui confratres suos fraudulenter, & violenter opprimunt, mille cruciatibus afficiunt, crudeliter occidunt: si reipubl. utile est haereticos compati, quare respubl. haeritorum ferendo catholicos, eandem utilitatem non sectatur?" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 164.

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Autor daher folgendes feststellen zu können: Aus römischer Sicht kann so etwas wie Gewissensfreiheit nicht gewährt, sondern muß für die Verteidigung von Religion und Kirche (pro defensione religionis, & ecclesiae) an der Möglichkeit gerechten Krieges (justum bellum) gegen die Ketzer festgehalten werden. Die Häretiker andererseits verstehen unter Gewissensfreiheit eine Art religiöser Indifferenz und Unentschiedenheit, von der sie die Katholiken überzeugen wollen, damit sie sicher mit ihnen leben können, zu den Kirchengütern zugelassen werden, und endlich die Unvorsichtigen unter ihre Dienstbarkeit bekommen?2 Es handelt sich bei der Forderung nach Gewissensfreiheit also um ein rein instrumentelles Argument beziehungsweise letztlich eine Kriegslist. Die Idee dazu sowie die Taktiken und Strategien ihrer Durchsetzung hätten sie von den atheistischen Politikern (politici) der Tradition Machiavellis bezogen. Sich als katholischer Fürst oder sonstiger politischer Entscheidungsträger machiavellischem Denken zu öffnen bedeutet also unweigerlich Annäherung an die Ketzer, die Selbstauslieferung an einen kaum mehr entrinnbaren, satanischen Sog. Efferhen spart auch hier nicht mit empirischen Beispielen: Fünfzig Jahre Kriegsfuhrung angeblich für Glaubens- und Gewissensfreiheit in Holland hätten nur noch stärkere Tyrannei und Knechtschaft hervorgebracht, wie die dort verfolgten protestantischen Sekten bezeugen können. Das Gleiche bestätigt Frankreich, und das Gleiche macht in seinen endlosen Kriegen Deutschland nur allzu wahr: gewährte Freiheit im Titel, geht es in Wirklichkeit um den Anspruch auf die Herrschaft."3 Nach dieser vehementen Ablehnung jeglicher Einschränkung des römischen Anspruchs auch um den Preis blutigen Krieges erscheint die im letzten Buch entwickelte Friedenskonzeption Efferhens umso bedeutsamer. Friede ist ein herausragendes, kostbares Gut in der weltlichen Ordnung, Krieg das schlimmste Übel. Ohne Friede kann kein Staat, kein Reich, keine menschliche Gesellschaft auf Dauer bestehen (diu subsistere). So nützlich, ehrenhaft und süß ist die Erinnerung an den Frieden, daß von jedem Menschen, gleich welcher Art er ist, nichts mit heißerem Verlangen gewünscht, nichts mit größerem Eifer angestrebt, nichts für kostbarer gehalten wird. Das halten wir alle fur wahr und erfahren es, so daß unsere Seelen schon beim Namen des Friedens allein in die Freude des höchsten Gutes versetzt werden. Das hat uns auch die Güte Gottes großartig bestätigt, wenn er uns als sein Testament den Frieden hinterlassen hat.94

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"Ut secure cum illis habitent, ad bonorum Ecclesiae communionem admittantur, & tandem incautos in servitutem redigant" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 165f.. "Idem testatur Gallia, & idem continuis bellis afflicta Germania nimis verum facit: libertas grata in titulo, in ambitione imperium praetenditur" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 166. "Tarn est utilis, honesta, & dulcis pacis memoria, ut ab omni hominum genere nihil ardentioribus votis exoptetur, nihil majoribus studiis acquiratur, & nihil in altiori pretio habeatur. Hoc ita verum omnes sentimus, & experimur, ut ad solum nomen pacis animi nostri in gaudia

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Allerdings muß zwischen verschiedenen Formen des Friedens unterschieden werden: Erstens der innere, spirituelle Friede des Individuums, der nur dem Geist innewohnt (soli menti inhaerens), dem der äußere körperliche, durch äußeres Glück ermöglichte beziehungsweise auf dieses bezogene entspricht. Zweitens der öffentliche und der private Frieden (pax publica, alia privata). Drittens wahrer und falscher Friede, viertens der innere beziehungsweise intern zwischen den Herrschenden und den Untertanen vereinbarte Friede eines Staates oder Reiches beziehungsweise der mit auswärtigen Mächten geschlossene. Fünftens ist der gerechte und moralisch ehrenvolle oder würdige (pax justa & honesta) vom ungerechten und schändlichen Frieden zu unterscheiden. Sechstens ist der zeitlichweltliche vom himmlisch-ewigen Frieden abzuheben.95 Wir brauchen nach dem bisher Ausgeführten Efferhens Definitionen nicht mehr im Detail zu rekonstruieren. Anzustreben ist natürlich der sowohl seelischinterne als auch körperlich-externe, private wie öffentliche, staatsintern und zwischenstaatlich abgesicherte gerechte, moralische, systematisch auf den himmlischen Frieden und damit Gottes Gebote und die wahre Kirche bezogene Friede. Alle anderen Formen sind defizitär, instabil und daher mehr oder weniger baldigem Zusammenbruch geweiht. Auf den glücklichsten aller Frieden, den himmlischen und ewigen (felissima omnium pax coelestis, & aeterno) müssen mithin alle Anstrengungen der christlichen Fürsten und Magistrate gerichtet sein; sie dürfen sich nicht von den atheistischen Politici von diesem Bestreben abbringen lassen, sich also mit anderen, defizitären Formen zufriedengeben. Eigentliche Grundlage erfolgreichen Friedensstrebens und dauerhaften Friedenserhalts ist allerdings gegenseitige Liebe und Vertrauen, die wiederum letztlich auf dem gemeinsamen Glauben und der Erfüllung aller aus diesem Glauben fließenden jeweiligen Pflichten beruhen. Mittel (media) des Friedens sind gegenseitige Verträge ohne Hinterlist (mutua pacta sine dolo), die ohne Gewalt (sine violenta) umgesetzt werden, sowie strikte Beachtung der Gesetze (observantia legum). Entsprechend verhält es sich mit den Hindernissen und Gefährdungen des Friedens: die Sünde, weil sie Gottes Gerechtigkeit und Zorn herausfordert, in Gestalt der Laster des Fürsten oder des Irrtums des Volkes, aber auch die Gewalt seitens auswärtiger Mächte.96 An erster Stelle fürstlichen Lasters steht natürlich die lediglich vorgetäuschte Frömmigkeit. Sie wird auf Dauer nicht verborgen bleiben, verschafft ihrem Träger innere Unsicherheit, Unfrieden und ein schlechtes Gewissen, die schließlich bedachtes, kontinuierliches, erfolgreiches Herrschen verun-

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summi boni transferantur. Hoc etiam ipsa infinita Dei bonitas abundanter confirmavit, quando nobis pro testamento pacem relinquit" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 869-902, Zitat S. 869. W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 870f.. "Vitium principis, error populi, violentia exterorum" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 885-889.

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möglichen. Zweitwichtigstes Laster ist unmäßiger Ehrgeiz {ambitio immoderata), 97 auf sie folgen Ungerechtigkeit und Grausamkeit. Die letzten drei Seiten verwendet Efferhen dazu, angebliche, entsprechend gegenläufige Ratschläge der Politici zu widerlegen: daß zur absoluten Herrschaft die volle Strenge der Gerechtigkeit nötig sei, "damit alle Untertanen einsehen, daß ihr Leben in ihres Königs Hand liegt". Daß zweitens die Könige Grausamkeit einfuhren müßten, um von ihren Untertanen gefurchtet zu werden. Daß drittens die Könige davon überzeugt werden müssen, daß nichts in ihrem Reich sicher sei, solange nicht diejenigen, denen wegen ihrer Verdienste Anteil an der Herrschaft zustehe, das heißt die als Rivalen gefährlich werden könnten, aus der Mitte des Staates entfernt seien. 98 Demgegenüber betont der Autor, daß nur Gott absolute Gewalt zukomme, die Könige und Regenten an das göttliche Gesetz und die menschlichen Gesetze gebunden, mithin zur Milde und Gerechtigkeit verpflichtet seien, sowie die wahren Fundamente der Herrschaft in der Liebe zu den Untertanen beziehungsweise umgekehrt der Liebe der Untertanen gegenüber ihren Regenten und in der Belehnung und Förderung der Tugendhaften und Verdienstvollen beständen. Die erwartbare abschließende, flammende Deklaration, daß Friede mit Ketzern prinzipiell unmöglich und unerlaubt sei, gar die Ketzer prinzipiell für friedensunfähig zu halten seien - diese Deklaration fehlt indessen. Efferhen möchte den Religionsfrieden mithin keineswegs grundsätzlich ausschließen, was er im Hinblick auf die 1555 in Augsburg festgelegte, zumindest mehrheitlich anerkannte reichsrechtliche Norm auch nicht ohne weiteres könnte. Sondern er legt Wert darauf, eine derartige Regelung zwar äußerstenfalls als Notmaßnahme zuzulassen, sie aber auch in diesem Fall als provisorisch, defizitär und prekär eingeschätzt zu wissen. Mit anderen Worten, wir haben hier einen Vertreter der fundamentalistischen römischen Partei vor uns, der sich lediglich einen 'kalten' Frieden, eine letztlich vorübergehende Vereinbarung zur Beendigung der Kampfhandlungen bei Wahrung aller künftigen Revisions- und Restaurationschancen der Papstkirche, vorstellen kann. Daß Efferhen wie sein zeitgenössischer Mitstreiter Heinrich Wangnereck S.J., Polemiker und Theologe an der Universität Dillingen, sich eine derartige Vereinbarung aber überhaupt vorstellen kann und letztlich fur sie eintrat - das machte die maßgeblich eben durch die Staatsräsonkonzeption beförderte, wie sich zeigen sollte: historisch tragfähige Neuheit aus.99

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W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 895f. "Ad absolutum imperium rigor iustitiae"; "ut omnes subditi intelligent in manu regis vitam suam consistere" - W. v. Efferhen: Manuale (Anm. 72). S. 902-906, hier S. 903. Vgl. zu Wangnereck und der fundamentalistischen Faktion insgesamt meine Skizze Wolfgang E. J. Weber: Politica vera, Jus publicum immutabile. Dillingens Beitrag zur Politiktheorie und Staatsrechtsdebatte des 17. Jahrhunderts. In: Rolf Kießling (Hg.): Die Universität Dillingen und ihre Nachfolger. Stationen und Aspekte einer Hochschule in Schwaben. Dillingen 1999. S. 679-708.

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V. Bilanz Efferhens kritische Rezeption sowohl des protestantischen politischen Denkens als auch der Staatsräsondebatte war naturgemäß weder vollständig noch durchweg korrekt. Tatsächlich kam der Reflexion politischer Gestaltung vor- beziehungsweise außerkonfessionsstaatlicher Verhältnisse und auch dem Nachdenken über Duldungsregeln im Protestantismus höhere Bedeutung zu, nicht nur angesichts der prinzipiell strikteren Unterscheidung von Diesseits und Jenseits beziehungsweise weltlicher Ordnung und spiritueller Kirche, sondern auch infolge der anhaltenden Minderheiten- oder Bedrohungssituation, die nach dem Ende der reformatorischen Euphorie zudem überscharf wahrgenommen wurden. Mehr noch, unterhalb beziehungsweise außerhalb der reformatorischen Großkonfessionen machte sich bereits eine Verselbständigung der Debatte bemerkbar, streiften Toleranzvorstellungen tendenziell also ihren instrumenteilen Charakter ab, um in zukunftsträchtiger Weise prinzipiell zu werden. Entsprechend wurde auch die Bereitschaft größer, staatsräsonale Rezepte zu akzeptieren, sofern diese einigermaßen plausibel bedrohte Verhältnisse zu sichern und günstigere Lösungen in der Zukunft zumindest offen zu halten, wenn nicht zu fördern versprachen. Daß diese Öffnung fur praktische Vorschläge nach wie vor mit einer Verdammung des grundsätzlich als unchristlich-atheistisch hingestellten Charakters von Machiavellismus und 'falscher' Staatsräson einherging, versteht sich. Der vielzitierte Satz des Altenburger Gesandten Thumbshirn - Ratio status ist ein wunderlich Thier, es verjaget alle anderen Rationes - belegt direkt die ausschlaggebende Bedeutung des Staatsräsondenkens in der Sicht eines beteiligten Akteurs. Er war aber resignativ und negativ gemeint; Thumbshirn gehörte zur Gruppe der lutherischen Eiferer, die sich erheblich größere Vorteile fur ihre Konfession als Friedensergebnis vorgestellt hatten.100 Zumindest auf der Ebene ihrer Publizistik beziehungsweise gedruckten politischen Theorie, die wie gesagt ungleich stärker in den theologischen Rahmen eingepaßt blieb, vollzog die römisch-päpstliche Seite diesen Anpassungsprozeß noch kaum, in der Haupttendenz sogar erst sehr viel später, im Laufe des 18. Jahrhunderts, nach. Wer sich die staatsräsonal vermittelte realpolitische Wahrnehmung und Orientierung in diesem konfessionellen Bereich früher aneignete,

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Gerhard Schmid: Konfessionspolitik und Staatsräson bei den Verhandlungen des Westfälischen Friedenskongresses über die Gravamina Ecclesiastica. In: Archiv für Reformationsgeschichte 45. 1954. S. 203-223, Zitat S. 223; vgl. zur Biographie Johann Heinrich Stuss: Commentatio de Vita et Meritis Wolfgangi Conradi a Thumshirn. Gotha 1750, sowie die Hinweise bei Johann Gottfried Meiern: Acta Pacis Westphalicae Publica, Bd. I-VI. Hannover 1734-1736, nach Johann Ludolf Walther: Universalregister über die sechs Teile der Westphälischen Friedenshandlungen [...]. Göttingen 1740. S. 54-59; neuere Literatur fehlt. Der betreffende Band der APW (Serie III. Abt. C. Bd. 5: Altenburgisches Diarium 1645-1649) ist noch nicht erschienen.

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waren jedoch katholische Fürsten in Schlüsselstellungen - ein Tatbestand, der nichts weniger als friedensentscheidend anzusehen ist. Dem wie gesagt seit etwa 1600 in das Reich importierten Staatsräsondenken sind mithin aus der Sicht des vorliegenden Beitrages zumindest fünf wesentliche Einflüsse auf die politische Wahrnehmung, Orientierung, Urteilsbildung und Handlungskalkulation der maßgeblichen Akteure der 1640er Jahre zuzuschreiben. Es leitete die endgültige Emanzipation der Politik von der Theologie beziehungsweise Religion ein. Es lenkte den Blick entschieden auf die empirische Realität. Es lehrte, mit dieser Realität realistisch umzugehen. Es verstärkte den Ansatz, Realitätswahrnehmung und -gestaltung über die Unterscheidung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, also historisch zu konzeptualisieren. Es unterstrich den Ausnahme-, aber historisch-empirisch durchaus möglichen Fall existentiellen Notstands oder gar der Existenzvernichtung als Orientierungspunkt politischen Handelns und Denkens. Daß es damit auch einen wesentlichen Beitrag zur Entfesselung der Staatsgewalt leistete, bedarf durchaus unterschiedlicher Bewertung: Im Hinblick auf die begrüßenswerten Leistungen des Staates muß das Urteil selbstverständlich positiv ausfallen, im Hinblick auf die mit ihm verbundenen Bedrohungen und Gefahren hingegen negativ. Weist der maßgeblich über das Staatsräsondenken vermittelte Kriegsbeendigungskompromiß von 1648 inhaltliche Bezüge zum Konfessionsstaats- beziehungsweise (rudimentären) Toleranzdenken in der politischen Theorie auf? In dieser Hinsicht läßt sich offenbar nur eine gemischte Bilanz ziehen. Das Lebensprinzip des Konfessionsstaates, daß in einem Staat bei Strafe seines Untergangs nicht mehrere Konfessionen beziehungsweise Religionen zugelassen werden können, ist fiir das Reich endgültig aufgegeben. Die massiven Verpflichtungen auf dennoch zu haltenden öffentlichen Frieden, auf Einigkeit, aber vor allem auf Förderung des gegenseitigen Wohls (utrique pars alterius utilitatem, honorem ac commodum, IPO I, IPM § 1), gewiß primär bezogen auf die völkerrechtlich zu fassenden Kontrahenten, scheinen mir sekundär als direkter Ausgleich dafür gedacht. Andererseits war die Augsburger Parität offenbar als Anwendung eines wesentlichen Prinzips der Staatsräson konzipiert: die parallele oder alternierende Besetzung der Magistratspositionen ist als Verdoppelung der Obrigkeit und damit Vermeidung des Einheitszwangs für den Fall einer Ordnung, sub uno regimine zu lesen. Auch die Restitutionen und selbst die Festlegung eines Normaljahres stehen nicht mehr ungebrochen in der Konfessionsstaatstradition. Nicht der Mehrheits-, aber doch einer Minderheitsmeinung in der politischen Theorie entspricht die aus heutiger Sicht eigenartig halbherzige Handhabung der Hilfsregel der Gewissensfreiheit (IPO V § 34), die angesichts des von der Staatsräson so betonten Konsensprinzips bezeichnenderweise durch ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot (IPO V § 35) ergänzt werden muß und sich ohnehin ausdrücklich nur auf die jetzt drei Großkonfessionen bezieht. Bedeutsam einerseits im Hinblick auf konfessionsstaatliche Kontinuität und Stabilität, andererseits auf den Verzicht auf

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vollständige Vereinheitlichung dieses Konfessionsstaates erscheint ferner unter anderem die Zulassung nur persönlichen Übertritts fur protestantische Fürsten bei innerprotestantischem Wechsel (IPO VII § 1). Genauen Lesens bedarf schließlich auch die angesprochene Gültigkeitsperspektive: immerwährend, aber eigentlich 'nur' bis zu konfessionellen Wiedervereinigung, die neuerliche konfessionsstaatliche Perfektionierung ermöglichen wird und muß.101 Bis zur Entwicklung prinzipiellen Toleranzdenkens und damit zur endgültigen Abschaffung des Konfessionsstaatsprinzips sollte noch mindestens ein halbes Jahrhundert vergehen. Horst Dreitzel hat diesen Prozeß 1992 skizziert.102 Er läßt sich zugleich als Resümee unserer Ausführungen lesen. Der offenkundig doch dauerhafte ökonomisch-politische Erfolg Hollands, Englands und des wie gesagt seit 1598 immerhin bikonfessionellen Frankreich führte zu einer Abschwächung erstens des Glaubens daran, daß Gott den Verzicht auf konfessionelle Einheitlichkeit und optimale Verchristlichung nach dem je eigenen Glaubensmodell wenn nicht früher, so doch später kollektiv bestrafe, zweitens der Überzeugung, daß konfessionelle Konformität und christliche Durchkonditionierung alleiniges Unterpfand für soziopolitische Harmonie und Stabilität seien. Die Pluralisierung der Lebenswelten und Lebensrollen schritt voran; daß der gehorsame Untertan gleichzeitig dissentierender Glaubender sein konnte, erschien zunehmend einleuchtender. Die Kosten des Konfessionskriegs veranlaßten, erneut und präventiv nach den Ursachen der Spaltung zu fragen, die Auseinandersetzung daher wieder vornehmlich im kulturell-ideellen Bereich anzusiedeln, fundamentalia, also Gemeinsamkeiten der christlichen Überzeugung zu betonen, oder statt des Dogmas die alltägliche christliche Praxis mit all ihren irenischen Konsequenzen in den Vordergrund zu stellen. Der erweiterte Rückgriff auf außereuropäische Erfahrungen intensivierte diese Tendenzen: auch heidnische Reiche waren dauerhaft erfolgreich, wiesen dabei durchaus Religionsvielfalt auf, bekräftigten die Annahme einer allgemeinen oder 'natürlichen' Religion als hinreichende politische Stabilitätsgrundlage. Das Naturrecht wurde fortschreitend von seinen christlich-religiösen Bezügen abgelöst, erschien mehr und mehr statt als von Gott aufgegebener Gesetze und Rechtskatalog als Regelwerk gegenseitiger vereinbarter und zugestandener, das heißt letztlich frei disponibler Normen. Schließlich das beschleunigte Vordringen des Skeptizismus:103 Die Sicherheit, über die konfessionelle Wahrheit zu verfugen, schwand; damit wuchs die Bereitschaft, Duldung zu üben, Optionen freizuhalten, geriet die Bibel als Offenbarungsmedium in grundsätzlichen Ver101

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Vgl. etwa noch am Ausgang des Jahrhunderts die unverkennbaren Sympathien des Lutheraners Adam Rechenberg für den päpstlichen Einheitsstaat - Adam Rechenberg: De Totatu Hildebrandino, seu de Gregorii VII Pontif. R. Absoluta dominatu. In: Ders.: Dissertationum historico-politicarum volumen unum. Leipzig 1693. Pars II. S. 432-473. Wie Anm. 47. Vgl. hierzu jetzt grundlegend Brendan Dooley: The Social History of Skepticism. Experience and Doubt in Early Modern Culture. Baltimore/MD 1998.

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dacht. Daß der Staat dennoch für die Sittlichkeit seiner Untertanen zu sorgen habe, um wenigstens diesseitige Glückseligkeit vermitteln zu können, war damit nicht aufgehoben, aber der Durchbruch zur Toleranz als produktive Pluralität, als Kulturgewinn, war auch noch nicht erreicht. Bis dahin sollten noch Jahrhunderte benötigt werden.

III. Kultur der Friedensfeste

Dergleichen sonst an keine hohen festtag das gantze Jar hindurch zue geschehen pfleget bey den Evangelischen inn diser statt Das Augsburger Friedensfest im Rahmen der deutschen Friedensfeiern Ciaire Gantet

Am Nachmittag des 24. Oktober 1648' kamen die schwedischen Bevollmächtigten, Oxenstierna und Salvius in Münster ins Quartier der Repräsentanten des Reiches, Lamberg und Krane. Anschließend gingen die französischen Delegierten, der Graf von Servien und der Resident des Hofes zu den Beauftragten des Reiches, dem Grafen von Nassau und Volmar. Um 21 Uhr unterzeichneten die Abgesandten des Reiches die Dokumente, und direkt im Anschluß daran feuerte man eine Stunde lang Salven ab. Am folgenden Tag, einem Sonntag, nahmen die lutherischen Gesandten an einem Gottesdienst im schwedischen Gesandtschaftsquartier teil und die Calvinisten beim Grafen Wittgenstein, dem Chef der Delegation aus Kurbrandenburg. Gegen zehn Uhr versammelten sich vier Geleitzüge aus Bürgern, aufgeteilt in 1

Ordo Executionis P a d s . [...] ο. Ο. 1648. Exemplar: H A B Wolfenbüttel. 32.38.Pol. (25); Matthaeus Merian: THEATRI EURO IVEL Sechster und letzter Theil/ Das ist: Außfuehrliche Bes c h r e i t bung der Denckwuerdigsten Geschichten. [...] Franckfurt am Mäyn 1663. S. 592; Gottfried Stieve: Europaeisches Hoff=Ceremoniel,/ Worinnen Nachricht gegeben wird,/ Was fuer eine Beschaffenheit es habe mit der Prarogativ, und dem daraus fliessenden Ceremoniel [...] Aus was es wegen des Ceremoniels/ Auf Frieden=Schluessen und bey Hoefen / fuer Mißhelligkeiten gegeben. [...] Leipzig 1715. S. 391-393. Johann Christoph Lünig: Theatrum ceremoniale historico=politicum. Oder Historisch= und Politischer Schau=Platz/ Aller Ceremonien [...], 1. Theil. Leipzig 1719. S. 812-814; Johann Gottfried von Meiern: ACTA PACIS W E S T P H A L I C / E PUBLICA. Oder Westphaelische Friedens=Handlungen und Geschichte. 6. Theil. Hannover 1736. S. 613-615. S. 622-624; Fritz Dickmann: Der Westfälische Frieden. Münster 1959. S. 493; Horst Jessen (Hg.): Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten. München 1972 2 (1971). S. 399f.; Heinz Duchhardt: Das Feiern des Friedens. Der Westfälische Friede im kollektiven Gedächtnis der Friedensstadt Münster. Münster 1997 (Kleine Schriften aus dem Stadtarchiv Münster. Bd. 1). S. 17-22.

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zwölf Banner zu je 200 Mann auf dem Marktplatz. Da der Friede gerade erst unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert war, hatte der Stadtrat die Initiative zu den Feierlichkeiten übernommen. 600 Soldaten, ausgehoben von der Stadt, sieben Trompeter und ein Hornist zu Pferd hatten Aufstellung genommen. Eine halbe Stunde später machten sie sich auf den Weg Richtung Rathaus. Die Trompeten und das Horn ertönten und der Stadtsyndikus, Bernhard Holland, verkündete von seinem Pferd herab über eine halbe Stunde den veröffentlichten Text, der von einem Stadtbeamten sorgfältigst in einer Kiste aus Pergament transportiert wurde. Anschließend feuerte ein Bürger eine Salve ab. Der Syndicus rief daraufhin von Straßenecke zu Straßenecke den Frieden aus, ohne daß man die genaue, wahrscheinlich traditionell geprägte Strecke nachvollziehen könnte. Als man zum Marktplatz zurückkam wurden dreimal 70 Salven von den Stadtmauern abgefeuert. Das Rathaus und der Glockenturm der Kirche St. Lamperti waren mit riesigen, farbigen Fahnen verhüllt worden, auf denen sich gigantische Reichsadler befanden. Ähnliche Feierlichkeiten waren am selben Tag in Osnabrück zu beobachten. Sofort wurden Postboten zur Bekanntmachung des Vertragsschlusses ausgesandt. Die Nachricht von dem Friedensschluß wurde über das Kommunikationsnetz2 verbreitet, das sich seit Beginn der Verhandlungen intensiviert und verzweigt hatte. Sie brauchte vier Tage3 nach Frankfurt am Main (28. Oktober), anschließend zwei Tage nach Nürnberg, wo sie am 30. Oktober eintraf. Von Nürnberg aus traf sie am 1. November zwischen 23 Uhr und Mitternacht in Augsburg ein. Dann gelangte sie über zweitrangige Wege zu den kleineren Städten. Von Nürnberg erreichte sie Nördlingen am 3. November, Weiden am 4. November, Schweinfurt (über Kitzingen) am 10. November und Rothenburg ob der Tauber am 11. November. Von Augsburg kam die Nachricht am 3. oder 5. November nach Kaufbeuren, nach Memmingen am 4. November und nach Lindau am 6. November. Der Graf von Nassau, Bevollmächtigter des Reiches, brachte die Nachricht persönlich, indem er die Ost-West Route nahm, am 9. November nach Prag. Die durch Postboten von einem Ort zum anderen überbrachte Friedensnachricht verkündete zugleich die politische Einigung des Reichs. Der Postillion von Münster, dargestellt auf einem bekannten Holzstich (Abb. 17)4, überbrachte eu2

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Vgl. dazu Wolfgang Behringer: Veränderung der Raum-Zeit-Relation. Zur Bedeutung des Zeitungs- und Nachrichtenwesens während der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. In: Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe, Hg. von Benigna von Krusenstjern, Hans Medick. Göttingen 1999 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte. Bd. 148). S. 39-81. Vgl. dazu Ciaire Gantet: Discours et images de la paix dans des villes d'Allemagne du Sud aux XVIIe et XVIIIe siecles. Diss. Paris 1999. Bd. 1. S. 316-328 und 709-750. Neuer/ Auß Muenster vom 25. deß Weinmonats im Jahr/ 1648. abgefertigter Freud= und Friedenbringender Postreuter. Nürnberg: GNM. HB 711.1220. Vgl. auch Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Bd. 4. Hg. von Wolfgang Harms. Tübingen 1987. S. 336f.; Hans Galen (Hg.): Der Westfälische Friede. [Ausstellung im] Stadtmuseum Münster,

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phorisch die Nachricht von der Erneuerung der Kirchen, der Wissenschaften und der Künste durch den Frieden und die Einheit Europas in allen Himmelsrichtungen: Die Kirchen werden fort in voller Blüte stehen / Man wird zum Hauß deß Herrn in voller Sprüngen gehen / und hören Gottes Wort: Kunst wird seyn hochgeacht / die Jugend wird studiern bey Tag und auch bey Nacht / Man wird deß Herren Ruhm auff Psalter und auff Seiten / In Osten und in West / in Sud und Nord außbreiten: die Saine und Paris / die Donau und jhr Wien / der Belht und sein Stockholm sind friedlich /frisch und grün. Der Friede körnt Gott lob mit schnellem Flug geflogen / mit jhm komt alles Glück und Segen eingezogen / Er bringet Friedenspost / und güldene FriedensZeit / der Krieg ist nun gestillt /geendet alles Leid.5 Der Begleittext des Stiches beschwört anschließend ein glückliches und friedliches Leben: in Dörfern wie in Städten, in den Kanzleien und in den Läden, bei den Obrigkeiten wie den Untertanen, die Territorien vereinigen sich und arbeiten gemeinsam am Aufbau des Reiches. Der Reichsadler schließt die drei Ebenen des Stiches ein: Er ist auf dem Kleid des Postboten abgebildet, auf der Mauer der Herberge, von wo er sich aufschwingt, und auf der Fahne, geschwenkt von der Fama. Aber die Waffen, wenn auch zerbrochen, liegen auf dem Boden. Zwischen Euphorie, Unruhe und Groll dehnte sich ein weites Feld von Unsicherheit aus, das während der Friedensfeiern sichtbar wurde. Die geographische Verteilung6 der ersten Friedensfeiern spiegelt weder die Ausbreitung der Nachricht wider noch die Reihenfolge innerhalb der Stadthierarchie. Frankfurt am Main beispielsweise feierte den Frieden, obwohl die Nachricht davon bereits am 28. Oktober 1648 eingetroffen war, erst fast zwei Jahre später

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11. März - 30. Oktober 1988. Bd. 1: Krieg und Frieden. Münster 1988. S. 12; Dorothy Alexander, Walter L. Strauss: The German single-leaf woodcut 1600-1700. A pictural catalogue. New York 1977. Bd. 2. S. 782. Kolorierte Fassung: Augsburg. Städtische Kunstsammlungen. Inv. G 20632; Helmut Lahrkamp: Dreißigjähriger Krieg, Westfälischer Frieden. Eine Darstellung der Jahre 1618-1648 mit 362 Bildern und Dokumenten. Münster 1997. S. 312; Klaus Bußmann, Heinz Schilling (Hg.): 1648 - Krieg und Frieden in Europa. Ausstellungskatalog Münster/Osnabrück 24.10.1998-17.1.1999. München 1998. S. 220. Der Text bezieht sich nicht auf Abb. 1, sondern auf einen anonymen Holzschnitt: Neuer Auß Münster vom 25. deß Weinmonats 1648. In: Wolfgang Harms (Hg.): Deutsche illustrierte Flugblätter (Anm. 4). Bd. 4. S. 254. Vgl. Ciaire Gantet: Friedensfest aus Anlaß des Westfälischen Friedens in den süddeutschen Städten und die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg (1648-1871). In: K. Bußmann, H. Schilling (Hg.): 1648 - Krieg und Frieden in Europa (Anm. 4). Textband II. Kunst und Kultur. S. 649-656, hier S. 655.

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am 14. August 1650. Wien, wo die Nachricht am 3. November 1648 eintraf, feierte das Ereignis am 7. September 1650. Wenn auch die Nachricht beispielsweise am 7. November 1648 in Ulm eintraf und bereits am Tag darauf von den Lutheraner in Blaubeuren südwestlich von Ulm gefeiert wurde, verhielt sich die freie Stadt, die eine katholische Minderheit zählte, zurückhaltender. Eine erste, ausschließlich religiöse Feier wurde für den 23. November 1648 geplant. Der Magistrat hatte die Feierlichkeiten vorerst zurückgestellt, um das lokale religiöse und militärische Gleichgewicht nicht in Gefahr zu bringen. So waren die Friedensfeste nicht die Widerspiegelung des Informationsverlaufes. Andere Faktoren erklären das lebhafte, aber ungleichmäßige Feiern des Friedens in den Jahren von 1648 bis 1660. In einem ersten Schritt werde ich die sich allmählich verändernde Wahrnehmung des Friedens zwischen 1648 und 1650 darstellen. Anschließend soll, in einem zweiten Schritt, die Ausbreitung der Friedensfeiern erläutert werden. Unter allen Friedensfesten steht eines im Vordergrund: dasjenige von Augsburg, welches in den zeitgenössischen Chroniken von Schweiniurt und Wittenberg erwähnt wird. Der dritte Aspekt der Darstellung befaßt sich mit der Analyse des Ortes des Augsburger Friedensfestes.

I. Die schrittweise Wahrnehmung des Friedens Mindestens 174 Friedensfeste7 wurden in der Zeit zwischen Mai 1648 und Dezember 1650 gefeiert, davon 163 im Reich. Vor allem würdigten die Vereinigten Provinzen und die spanischen Niederlande den im Januar 1648 unterzeichneten Vertrag, der im Mai 1648 in Münster ratifiziert wurde und der ihnen de jure die vollständige Unabhängigkeit garantierte. In Schweden ordnete Königin Christine im Dezember 1649 eine Hoffeier an. Die übrigen 163 Friedensfeiern fanden im Reich statt und wurden zu Ehren der Einheit des Reiches abgehalten. Mehr als die Hälfte davon (genauer 93) wurden 1650 nach dem Nürnberger Exekutionstag mit dem schrittweisen Abzug der Besatzungstruppen gefeiert, und mehr als die Hälfte (95) wurde in Süddeutschland gefeiert, vor allem in Franken, Württemberg und Schwaben.

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Vgl. dazu Ciaire Gantet: Discours et images de la paix (Anm. 3). Bd. 1. S. 410-415 und 709750.

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Friedensfeiern

Die F r i e d e n s f e s t e , 1648-1650



Süddeutschland



Norddeutschland



Frankreich

• Span N L u VP •

Schweden

Ziit (Jahre)

Es gab wenig neue Feste in den Folgejahren zwischen 1651 und 1660 und wenn, dann in Städten, die erst verspätet befreit wurden, wie beispielsweise in Frankenthal in der Pfalz, das bis 1652 von einer spanischen Garnison kontrolliert wurde. Aber die 30 späteren Friedensfeste konzentrierten sich ebenfalls auf den Süden des Reiches (12 in Süddeutschland gegenüber 4 im norddeutschen Raum, der Rest fand an-dernorts in Europa statt, vor allem in Frankreich). Von den 204 nachweisbaren Feierlichkeiten zwischen 1648 und 1660 fanden also nur 24 außerhalb des Reiches statt, aber allein 108 im süddeutschen Raum. Außer einigen Fällen in Hessen wurden die Friedensfeste vor allem in Süddeutschland institutionalisiert und jährlich am selben Tag gefeiert. Die Verteilung der Feste spiegelt den Rhythmus der Demobilisierung wider, aber gleichzeitig auch eine kulturelle und religiöse Geographie. In diesem Beitrag werde ich lediglich die Feiern innerhalb des Reiches betrachten. Als im Herbst 1648 der Frieden proklamiert wurde, waren im Reich noch 150 000 Soldaten stationiert, ohne den Troß an Begleitern mit einzubeziehen. 8 Mit 60 000 Mann waren die Truppen unter schwedischem Kommando am zahlreichsten (davon waren aber nur 7 000 schwedischer und finnischer Abstammung); 18 000 mußten zurück nach Schweden. Ohne Sold und sich selbst überlassen, weigerten sie sich, das Land zu verlassen, solange sie nicht territoriale und finanzielle "Satisfaktionen" (Entschädigun-

Vgl. dazu Antje Oschmann: Der Nürnberger Exekutionstag 1649-1650. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland. Münster 1991 (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte. Bd. 17).

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gen) erhielten. In Böhmen und Mähren versuchten sie sogar, die Bekanntmachung des Friedens zu verzögern, um weiterhin während des Winters Kriegskontributionen erheben zu können. Die Durchsetzung des Friedens wurde den Reichskreisen anvertraut, die fur die Armeen vor Ort die Verantwortung übernehmen mußten. Auf diese Weise wurde der Sold für 17 schwedische Regimenter unter dem Kommando von General Douglas im Südwesten des Reiches zwischen den Städten des Schwäbischen Kreises aufgeteilt. Die Nachricht des Friedens kam gleichzeitig mit der Erhebung einer neuen Kontribution, den sogenannten "Friedensgeldern". In den Städten Süddeutschlands, wo die Armeen noch sehr präsent waren, schwankten die ersten Organisatoren der Feiern in ihrem Zögern zwischen Erleichterung und Freude einerseits und der Bitterkeit über den Preis des Friedens andererseits. In Isny äußerte sich der Pfarrer in sarkastischer Weise über den "edlen und goldenen Frieden" und das Geld: Es ist wol dieser Reichsfried ein guldener Fried/ dann er viel tausend rohter Goldgulden/ viel Tonnen Goldes/ grosse Summen Goldes/ viel Millionen Reichsthaler kostet [...]/ dem weichenden Kriegsvolck soll man auch eine silberne Brucken bauen/ und/ nach dem gemeinen Sprüchwort/ übernächtiger Friede ist Goldes werth!9 Auch die städtischen Obrigkeiten betrachteten die Proklamation des Friedens mit größter Vorsicht. Die ungeheure Freude konnte zuweilen überhand nehmen und die örtliche Bevölkerung zu gewalttätigen Übergriffen auf die Soldaten verleiten. Ein Chronist aus Lindau hielt dazu fest: Die burgerschaft ließ man erinnern, sich gegen der Guarnison alte bescheidenheit zu befleißigen, und ungebührenden Reden sich zu enthalten, und zu einiger Ungelegenheit oder Unfried ja keine Ursache zu geben, damit man bis zum End im Frieden bey einander seyn und verbleiben möge.10 Noch komplexer gestaltete sich die Situation in den während des Krieges rekatholizierten Gebieten, wo die Schweden ihrerseits nach Einnahme des Ortes das Luthertum wieder einführten und einen Pfarrer benannten und einsetzten. Als Beweis des Friedenswillens wies der schwedische General Wrangel seine Truppen an, den Frieden am 1. Januar 1649 allerdings nach der alten, also evangelischen Zeitrechnung zu feiern. So kam es, daß Tobias Clausnitzer, der von den schwedischen Truppen in Weiden in der Oberpfalz eingesetzte Pfarrer, in seiner Neujahrspredigt zum Jahr

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Johan-Jacob Gross: Danck= und GebettsAltar:/ Das ist/ Christliche Dancksa=/ gungs=Predigt/ für den lieben so Hoch=/ desiderirten, gewuenschten und erhaltenen/ Reichsfrieden[...]. Nürnberg 1649. S. 30. Exemplar: Augsburg SuStBA. Geschichte Flugschriften 4° 1609. Lindau StadtA. Lit. 31. Chronik der Stadt Lindau, fol. 603.

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1649 seine Wünsche an zwei Frieden richtete: an den, der entfernt im Westfälischen abgeschlossen worden war, sowie an den, der noch in der näheren Umgebung umgesetzt werden müßte. Der greifbare Frieden war noch sehr schwach. Das Fürstentum Pfalz-Sulzbach", ein Kondominat unter zwei Fürsten, von dem Weiden abhängig war, war 1613 unter Pfalzgraf Wolfgang Christian August zum Katholizismus konvertiert; sein Neffe aber, Pfalzgraf Christian August, blieb dem Luthertum treu. Letzterer vertraute auf den generellen und entfernten Frieden, auf Kosten des greifbaren Friedens. Nun setzte der Westfälische Friede durch die Wiedereinsetzung von Karl Ludwig in der Oberpfalz noch einen dritten Herrscher in Weiden ein, dieses Mal einen Calvinisten. Die Wiederherstellung des lutherischen Glaubens durch die Schweden mußte bei einer Bevölkerung durchgesetzt werden, die über zwanzig Jahre durch die Schulen der Jesuiten geprägt worden war und einer mehr die Sinne ansprechenden Konfession anhing. Die Katholiken begannen, ihr deutliches Übergewicht in der Bevölkerung einzusetzen, um ihrer Forderung nach dem "Simultaneum" (einer Kirche, die zwei Konfessionen offensteht) Nachdruck zu verleihen, was nach dem Abzug der Schweden im August 1650 schließlich verwirklicht wurde. In Weiden waren die Schweden die alleinigen Unterstützer der Lutheraner, die von ihrem Fürsten schlecht verteidigt wurden und denen der Rest der rekatholisierten Bevölkerung gegenüber stand. Da man zugleich den Krieg mißbilligte, ohne die Armeen zu verurteilen und außerdem die Truppen der städtischen und militärischen Autoritäten einigen mußte, rief die Friedenspredigt von Tobias Clausnitzer das Gedächtnis an Gustav Adolf herauf, den charismatischen Führer, der im Kampf gefallen war.12 Die übrigen "schwedischen Feste", die die von den Schweden eingesetzten Pfarrer im Laufe des Jahres 1649 feierten, waren in ähnlicher Weise von der Furcht vor Revolten überschattet. In Schweinfurt beispielsweise, dem Quartier des Generals Wrangel und dessen Munitionsmagazin, ehrte der Stadtrat den Frieden am 26. November 1650: Nach dem Scheitern einer größeren Meuterei feierte er sich als "Friedensstifter der Freien Reichsstadt Schweinfurt". 13

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Vgl. Helene Hoffmann: Tobias Clausnitzer und die Einfuhrung des Simultaneums im Gemeinschaftsamt Weiden-Parkstein. In: Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 29. 1960. S. 186-218; Franziska Nadwornicek: Pfalz-Neuburg. In: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500-1650. Hg. von Anton Schindling, Walter Ziegler. Bd. 1. Der Südosten. 2. Aufl. Münster 1992 (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung. Bd. 49). S. 44-55. Tobias Clausnitzer: Mit JESU! Dreyfaches Friedens-Kleinodt Der Evangelischen Kirchen zu Weiden in der Pfaltz [...]. Leipzig 1649. fol. A 4 r. Exemplar: HAB Wolfenbüttel. 216. 19 Theol. (12). Iohanne Seyfned. APPLAUSIS PACIFICATORIBUS, VIRIS Amplißimis, Spectatißimis, Prudentißimis & Consultißimis [...]. o. O. [Schweinfurt] 1650. Exemplar: Nürnberg LkA. We 344, 30.

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Die zweite größere Welle von Festen wurde durch die Unterzeichnung des Nürnberger Exekutionstages vom 26. Juni 1650, der den legalen Modus der Demobilisierung regelte, ausgelöst. In Nürnberg veranstalteten die anwesenden Parteien, die des Reiches unter Piccolomini und die der Schweden unter Wrangel, rivalisierende Feuerwerke, vergleichbar dem Feuer ihrer Waffen während des Krieges. Angesichts der Zusammenstöße, die der Friedensschluß hervorgerufen hatte, wurden die Lobreden auf den Frieden von Dichtern wie Johann Klaj, Georg Harsdörffer und Sigmund von Birken zögernder. So konnte man in einem Libretto von Birken zum kaiserlichen Feuerwerk lesen: Jedoch aber/ weil niemand länger Frieden haben kan/ als sein Nachbar wil/ ist in allen so Gött= als Weltlichen Rechten zugelassen/ das Unrecht/ das entweder schon gefiihlet oder noch gefürchtet wird/ mit gerechten Waffen /und also Gewalt mit Gewalt abzuleiten [...] Kriegsbereitschafft aber zwinget den Feind/ Fried zu halten. Er fahet an sich zu fürchten/ wann er sihet/ daß man jhn nicht furchtet. Lorbeerlaub machet den Oelzweig grünen. Eisen schützet das Gold deß Friedens. Soll der Zepter fast stehen/ so muß das Schwerd bey jhm liegen.

[...] Die Friedensvollziehung belangend/ konte der Schäfer davon keine gewißere Nachricht erlangen/ als die Ungewißheit selber; so gar/ daß ihm einer sagte: Es gewinne das ansehen/ man werde mit den Glocken/ die bereits an theils Orten den Frieden ausgelitten/ aufs neue zum Sturm anschlagen/ und die Schwerder vom Pflug wieder in ihre Gefäße stecken/ müssen [.. .]14 Man feierte mit dem Fest den Übergang vom Krieg zum Frieden. Aber 1650, bei der Annäherung an einen greifbaren Frieden und angesichts der Unsicherheiten der Befriedung, schienen Krieg und Frieden keinen klar voneinander abgegrenzten Status zu haben.

II. Die Ausbreitung der Feste Der Nürnberger Rezeß hatte eine unmittelbare und tiefe Wirkung. Insgesamt 82 Feste sind fur die sechs Monate belegt, die das Ende des Rezesses am 26. Juni 1650 vom Jahresende 1650 trennen. Dabei sind es drei Regionen, die sich durch besondere Intensität auszeichnen: Franken (mit 13 Friedensfesten), Kursachsen (mit 16 Friedensfesten) und das herzogliche Sachsen (mit 13 Friedensfesten); außerdem die zwei Städte Weimar und Coburg. Allein am 19. August (nach der alten Zeitrechnung) fanden in dem Gebiet, das von den Städten Schweinfurt bis 14

[Sigmund von Birken]: Die Fried=erfreute TEUTONIE. Eine Geschichtsschrifft / von dem / Teutschen Friedensvergleich [...]. Nürnberg 1652. S. 17 und 126f. Exemplar: Nürnberg StB. Will. 1446 4°.

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Friedensfeiern

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Weimar, Königsberg in Bayern bis Coburg und weiter bis H e s s e n reichte, w e n i g stens 15 Friedensfeste statt. Ein Grund für eine derartige Konzentration ist in dem literarischen N e t z der Nürnberger Dichter zu suchen, den Mitgliedern der Fruchtbringenden Gesellschaft, die die Feuerwerke und das Festmahl in Nürnberg veranstaltet hatten, 15 und ihrer Verbindung mit den lokalen Organisatoren der Feierlichkeiten. D i e Fruchtbringende Gesellschaft, gegründet 1617 im Weimarer Schloß Hornstein, war der Kern der literarischen Irenik, die sich um 1640 entwickelt hatte. In Weimar 16 w i e in Coburg 17 waren es ihre Mitglieder, die die irenischen Gedichte und Trauerspiele während des Dreißigjährigen Krieges geschrieben hatten und die den Ablauf der Friedensfeste entwarfen; 1650 wurden die Gedichte für den Frieden nach dem Muster der Friedensspiele der 1640er Jahre verfaßt. Aber die literarische Irenik war selbst Ausdruck einer "Konfessionskultur'" 8 , nämlich einer lutherisch geprägten. W e n n g l e i c h sie für keine der politischen Seiten konkret Partei ergriffen, verloren sie k e i n e s w e g s ihre lutherischen Überzeugungen.

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Sigmund von Birken: Die Fried-erfreute TEUTONIE (Anm. 14); ders.: Krieges= und Friedensbildung·./ in einer/ Bey hochansehnlicher Volckreicher Versammelung/ öffentlich vorgetragenen Rede/ aufgestellt [...]. Nürnberg 1650. Exemplar: Nürnberg StB. 33 an Amb. 214 4°; ders.: Margenis/ oder/ Das vergnügte bekriegte wieder befriedigte Teütschland. Nürnberg 1679. Exemplar: Nürnberg StB. Will. 8. 247d 8°; ders.: Teutscher Kriegs= Ab= und Friedens=Einzug. In etlichen Aufzügen bey allhier gehaltenem hochansehnlichen Fürstlichen Amalfischen Freudenmahl/ Schauspielweiß vorgestellt [...]. Nürnberg 1650. Exemplar: Nürnberg StB. 18 an Will. 445 4°; ders.: Teutschlands Krieges=Beschluß und FriedensKuß beklungen und besungen In den Pegnitzgefilden von dem Schäfer Floridan./ 1./ Eigentliche Beschreibung auch Grund= und Perspectivischer Abriß des Fried= und Freudenmahls Schauspiel und Feuerwercks [...]. o. O. [Nürnberg] o. J. [1650], Exemplar: Nürnberg StB. 1 an Amb. 684. 4°; Johann Klaj: Geburtstag Deß Friedens/ Oder ein Reimteutsche Vorbildung/ Wie der grossmächtigste Kriegs= und Siegs=Fürst Mars auß dem längsbedrängten und höchstbezwängten Teütschland/ seinen Abzug genommen [...]. Nürnberg 1650. Exemplar: Nürnberg StB. Will. III, 808c 4° (3); ders.: IRENE/ das ist/ Vollständige Außbildung/ Deß zu Nürnberg geschlossenen Friedens 1650. Mit vielen feyerlich Begengnissen/ Gastmalen/ Feuerwercken / Musicen/ und andern denckwirdigen Begebenheiten/ nach Poetisch Reimischtigkeit/ vorgestellt/ und mit nohtwendigen Kupferstücken gezieret. Nürnberg o. J. [1650], Exemplar: Nürnberg StB. Will. III, 808c 4° (2). Johann Thomas: Friedens-Gedancken. Neudruck der Erstausgabe von 1650. Hg. von Detlef Ignasiak. Erlangen. Iena 1994. Michael Franck: Coburgisches/ Friedens=Danck=Fest/ in sehr Volckreicher Versamlung mit sonderbaren/ solennitaeten und vielen Freüden Thraenen/ gehalten am Tage/ SEBALDI, war der 19. Tag des August Monats / Im Jahr nachh Christi Geburt / 1650 [...]. o. O. [Coburg] 1651. Exemplar: Coburg LB. Mo 699, 25; ders.: Das alte sichere / und / in Sünden/ schlaffende Teütschland/ und/ der darauff erfolgete Dreissig=/ jährig=erschreckliche/ Krieges=Band [...]. Coburg. 1651. Exemplar: Coburg LB. Mo. 699, 26. Ich greife den Ausdruck von Thomas Kaufmann auf. Vgl. Thomas Kaufmann: Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede. Kirchengeschichtliche Studien zur lutherischen Konfessionskultur. Tübingen 1998 (Beiträge zur historischen Theologie. Bd. 104).

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Tatsächlich wurden die Friedensfeste beinahe ausschließlich von Lutheranern gefeiert. Die Verwerfung seitens des Papsttums schrieb trotzdem die katholische Zurückhaltung nicht vor. Im Spannungsfeld zwischen moderaten Jesuiten19 einerseits, die zu einem Ausgleich bereit waren, und dem örtlichen Klerus auf der anderen Seite, der sich eher unnachgiebig verhielt, ordnete der Herzog bzw. Kurfürst Maximilian I. von Bayern kein großes Friedensfest an. Seine einzige Möglichkeit, alle Fronten um sich zu einigen und die Klauseln des Friedens faktisch durchzusetzen, bestand darin, die Probleme auszuklammern und kein großes Friedensfest abzuhalten. Um in der Praxis einen zivilen Frieden durchzusetzen, der keiner Konfession Schaden zufügte, erschien ihm diese religionspolitische Neutralität der geeignetste Weg. Angesichts der durch die Satzung des Friedens gehemmten Katholiken waren die Lutheraner nur um so mehr geneigt, den Frieden zu feiern. Die allgemeinen Friedensklauseln, das Normaljahr, das die Anwendung des Jus reformandi erschwerte, und vor allem die Parität im Reich und in vier freien Reichsstädten (Augsburg, Ravensburg, Biberach, Dinkelsbühl) waren das Ergebnis alter Forderungen seitens der Lutheraner, die im Frieden erfüllt waren. Die alleinige Zurückhaltung in einem Konzert von Lobeshymnen betraf die Anerkennung der Calvinisten.20 Obwohl man übereingekommen war, sie rechtlich anzuerkennen, zog dies einige Kritik nach sich. So wurden die Friedensfeste zu einer Demonstration des Luthertums. Die Friedensfeste wurden nach dem Vorbild der Reformationsjubiläen angeordnet. Nachdem das Kurfürstentum Sachsen anfangs gezögert hatte, den Friedensvertrag anzuerkennen (es kehrte erst am 14. November dorthin zurück, drei Wochen nach der Unterzeichnung), entfaltete es im Jahr 1650 eine intensive Propaganda für den Westfälischen Frieden. Kurfürst Johann Georg gab Kupferstiche in Auftrag, auf der gemäß der Tradition Triumphwagen dargestellt wurden. Der erste (Abb. 19)21 feierte den Triumph des Kurfürsten, der als der rechte Friedensfürst und als Schild der Gerechtigkeit bezeichnet wurde. Ein zweiter Wagen (Abb. 18)22, dekoriert mit einem Pelikan, passierte auf dem Weg nach Dresden fünf Hügel, die jeweils von einer Siegessäule überragt wurden, als ein Bild der fünf Bücher des Pentateuch: die fünf Säulen unterstrichen die Beständigkeit des Kurfürsten in seinem Glauben und seine Opferbereitschaft, dargestellt in der Aufopferung des Pelikans. Mangels Kraft, die 19

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Vgl. dazu Jean-Marie Valentin: Le Theatre des Jesuites dans les pays de langue allemande (1554-1680). Salut des ämes et ordre des cites. Bern, Frankfurt am Main, Las Vegas 1978 (Berner Beiträge zur Barockgermanistik. Bd. 3). S. 757-761. Vgl. dazu T. Kaufmann: Dreißigjähriger Krieg (Anm. 18). S. 113f. Triumphus Pacis. Friedens Triumph, o. O. o. J. [1650]. In: Deutsche illustrierte Flugblätter (Anm. 4). Bd. 2. Hg. von Wolgang Harms. Tübingen 1980. S. 574f. Lang=verlangte Friedens=Freude [...]. ο. Ο. 1650. In: Deutsche illustrierte Flugblätter (Anm. 4). S. 576f.

Das Augsburger Friedensfest im Rahmen der deutschen

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politische Entschlossenheit Sachsens zu loben, pries man die religiöse. Diese Kupferstiche verfolgten weiter das Ziel, von der Legalität des Religionsfriedens, von der gut begründeten Politik Sachsens und von der Forderung, die Leitung des Luthertums im Reich zu bewahren, zu überzeugen. Von Gott eingegeben ließ der zwischen den Religionen unterzeichnete Frieden das sächsische Wappen von nun an wieder golden erstrahlen und rechtfertigte durch die Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen das Streben Sachsens, das Luthertum im Reich zu fuhren. Die konfessionellen und dynastischen Interessen verstärkten sich dabei gegenseitig. Die Kupferstiche wurden im Zuge des sächsischen Friedensfestes in Auftrag gegeben, das am 22. und 24. Juli 1650 (nach der alten Zeitrechnung) abgehalten wurde. Das Friedensfest wurde fur den Heiligen Georg zu Ehren des regierenden Johann Georg geplant.23 In seiner Friedenspredigt, die auf Verlangen des Kurfürsten gehalten wurde, forderte der Pfarrer der Dresdner Schloßkirche von den Gläubigen, den Schalck durch das Gebet auszutreiben und den Frieden der Kirche außer Reichweite der Katholiken und Calvinisten wieder durchzusetzen.24 Wie in Sachsen waren die Friedensfeste in allen lutherischen Territorien dynastische Feiern. Die Pfarrer priesen den Zufluchtsort des sächsischen Friedens innerhalb eines Krieges, der von Fortuna geprägt war. Auch die Reichsstädte folgten dem Beispiel Sachsens. Schon im Jahre 1649 beschlossen die Augsburger Pfarrer, ein Friedensfest für denselben Tag zu veranstalten, an dem Sachsen den Frieden feierte.25 Das Friedensfest war ein luthergeprägtes Jubiläum. Über einen längeren Zeitraum gesehen drückten die Friedensfeste aber zugleich die Furcht vor politischer Marginalisierung aus. In Weimar, dem Sitz der Linie der sächsischen Ernestiner, wurde der Frieden mit großem Aufwand am 19. August 1650 (nach der alten Zeitrechnung) gefeiert.26 Ab drei Uhr morgens läuteten in der Stadt und den Dörfern des Landes die Glocken, Salven wurden abgefeuert, Trompeten und Horn ertönten und Psalmen wurden gesungen. Um sechs Uhr wurde der erste Gottesdienst abgehalten, bei dem auch die gesamte fürstliche Familie anwesend war. Die Bevölkerung hatte sich vollzählig auf dem Marktplatz 23

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Jacob Weller: Des/ Friedens=Tempels/ Edler Bau/ Das ist/ Geistliche Beschauung [...]. o. O. [Dresden] 1650. fol. F ij r. Exemplar: Wolfenbüttel HAB. J 106 (14). Daniele Schneider: Längst gewüntzschter/ doch unverhoffter/ und nunmehro hoechsterfrewlicher/ Friedes-Bote/ Das ist:/ Christliche Friedens=Predigt [...]. o. O. [Dresden] o. J. [1650]. fol. iv v-J ij r. Exemplar: Strasbourg BNU. E. 158. 139,7. StadtA Augsburg. Evangelisches Wesensarchiv. 515, I, 10: "Deß Evangelischen Ministerij A.C. alhie in Augspurg Gemüthsmeinung, wegen deß künfftigen Religion-Fridens-Festes, wie dasselbig fuglich zuhalten wäre, ist diese, das nemblich [...] Eben auf dem Tag, auf welchem es in dem hochloebl: Churfurstenthumb Sachßen angesetzt...". FriedensGedächtniß/ der/ Fürstl: Sächs: Residentz=Stadt/ Weimar/ Wegen des von Gott dem Heil:/ Rom: Reiche Gnädig ver=/ liehenen Allgemeinen/ Friedens [...]. Weimar 1651. Exemplar: Strasbourg BNU. E. 158. 139,1; J. C. Lünig: Theatrum (Anm. 1). S. 829-832; Gottfried Albin Wette: Historische Nachrichten von der berühmten Residentz-Stadt Weimar [...]. Weimar. 1737. S. 343.

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vor dem Rathaus versammelt, das mit zwei Triumphbögen geschmückt war und auf denen das Wort "Frieden" zu lesen war. Die zwei Bürgermeister und der Stadtrat schlossen sich der Menge an und führten diese zum Schloßhof, der mit Birkengrün und einer Säulenhalle geschmückt war, auf der in goldenen Buchstaben das Wort "Frieden" stand. Der Weg war mit Sand bestreut und mit Maien geschmückt, um die Erneuerung der Natur zu symbolisieren. Ein langer Zug aus insgesamt 18 Gruppen marschierte zu Ehren des Herzogs und des Friedens hinter Wappenschildern vorbei; an ihrer Spitze die Kinder, dann die Zünfte und schließlich die städtischen und fürstlichen Obrigkeiten und die Frauen. Die Schilde und die Fahnen wurden an dem Gitter des Grabs des letzten Weimarer Kurfürst gehängt: Man lobte Herzog Wilhelm als Nachkomme des letzten Kurfürsten aus dem Haus der Ernestiner, bevor die Kurwürde am 4. Juni 1547 an die Linie der Albertiner abgetreten worden war und pries die Einheit eines großen ehemaligen Sachsen unter der Ägide der Weimarer Ernestiner. In ähnlicher Weise feierten alle "freien" Stände - Reichsstädte, Grafschaften und Dörfer -, deren Reichsunmittelbarkeit verwundbar zu sein schienen, den Frieden unter der Herrschaft des Kaisers. So feierten die Straßburger in der Befürchtung einer Annexion durch Frankreich das Verbleiben der Stadt beim Reich. Sie komponierten Lobreden um das Stadtemblem herum, eine Lilie, deren Elemente Staubgefäße, Stengel, Knolle und Wurzeln - zeigen sollten, daß sie nichts mit der Lilie der Bourbonen gemein hatte.21 Die evangelische Bevölkerung Erfurts hielt sich in zahlreichen Lobreden an Kaiser und Reich, in der Hoffnung damit gegen die katholische Landesherrschaft in Mainz Schutz zu erlangen. 28 Die Friedensfeste waren Manifestationen einer lutherischen Konfessionskultur und drückten die Furcht vor Marginalisierung aus. Sie waren schließlich aber auch Ausdruck einer Angst vor der Demobilisation. Der Vertrag, der von den Katholiken angefochten und auch von Seiten der Lutheraner leicht kritisiert wurde, erschien als fragil. Dem Wortlaut zufolge wurde das Abkommen als "ewig" gültig deklariert und zum Grundgesetz des Reiches. Aber schon befürchtete man, daß die langen Verhandlungen und die Verzögerung der Unterzeichnung der erste Schritt zu einem neuen Krieg sein könnten.29 Man verstärkte das zivile Abkom27

28

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Israel Murschel: FLOS REIPVBLIC/E ARGENTENSIS. Das ist:/ Regiments=Blume/ Oder:/ABTRUCKH/ Der hochlöblichen und weitberuehmten Reipublid der freyen Reichsstadt STRASBURG/ nach allen deroselben drey Hauptständen/ in gestalt einer blüenden/ Lilien /so gemeldter Stadt Müntzzeichen ist/ Liecht /unter Augen gestellet. Straßburg 1653. Exemplar: Strasbourg BNU. Μ. 118. 433. ICONUM MORALIUM, HONORI MEMORLEQ: APUD ERFVRTENSES, Erfurt 1648. In: Deutsche illustrierte Flugblätter (Anm. 4). Bd. 3. S. 306f Vgl. dazu der Augsburger Diakon Hartmann Creide: "Zu dem End habe ich gegenwertige Friedens=Predigten hie zu Augsburg vor diesem gehalten/ und darinnen meinen Zuhörern und anvertrawten lieben Pfarrkindern gezeiget/ wie sie den Friedenschluß ansehen/ und danckbarlich erkennen/ auch sonsten sich verhalten sollen/ daß Gott nicht Ursach habe/ unsern Feinden zu verhengen/ dasselbige heylsame Werck noch weiter auffzuhalten/ oder gar

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men durch religiöse Riten, die dem Bestand des Friedens eine spürbare Sicherheit geben sollten. In den Augen der lutherischen Pfarrer war die Ritualisierung um so notwendiger, da man befürchtete, daß der gesicherte Frieden die Frömmigkeit, die durch die Unsicherheit erhalten worden war, verringern könnte und die Tendenzen zur Verinnerlichung der religiösen Praxis zum Kriegsende hin verstärken könnte. Der Frieden trug den Keim einer Säkularisierungsbewegung des sozialen Lebens in sich. So verurteilte man die barocken Feierlichkeiten des Nürnberger Rezesses, die für die Herrschenden abgehalten wurden, und stellte ihren Friedensfeiern mit einem strikt religiösen Sinn gegenüber. Noch acht Jahre später klagte ein Pfarrer aus Heilbronn den Hochmut der an den Tag gelegten Emphase an, als wäre der Frieden lediglich eine menschliche Konstruktion: In vorgemeßtem wehrenden Frieden=Schluß hat es nicht gemangelt an Superlativis, groß einbildischen Vernünfftlern/ und Ruhmrednern/ die nicht anders gemeint/ als miißte sich der Fried auß Menschlichen Rathschlaegen/ und scharfsinnnigen Erfindungen zur Geburt schicken/ mit welcher Friedens=Geburt Gottes Weißheit und Barmhertzigkeit nichts zuschaffen hätte Mehr als alles andere befürchteten die lutherischen Obrigkeiten, daß die Ähnlichkeit der vom Zivilrecht sanktionierten Konfessionen die religiöse Indifferenz fördern würde. Der Augsburger Diakon Hartmann Creide verglich die Kirche Gottes mit einer Rose, die die Stacheln ihres Kampfes gegen den Teufel, die Stacheln der Verfolgung, die Stacheln der Feindseligkeit und der religiösen Spaltung trug. Zwar hatte sie Unterdrückung und Krieg überlebt, blieb aber schwach wie ein Vogel auf einem Dach. Der Krieg bedeutete nicht das Ende der Not: selbst in Friedenszeiten mußten die Christen das Kreuz tragen: Das Creutz damit alle wahre Christen in diesem Jammerthal umbgeben sind/ daher sie nicht schlecht einer Rosen/ sondern einer Rosen unter den Dornen vergliechen werden. Dann da stechen sie 1. Spinae tentationum, die Dornen der Anfechtung [...] 2. Spinae persecutionum, die Dornen der Verfolgung [...] 3. Spinae seductionum, die Dornen der mancherley Aergernuß und Spaltungen in Religionssachen [...] Sehet also ist freilich die wahre Kirch Gottes auff dieser Erden wie eine Rose under den Dornen/ und das sind wir eine Zeithero under den ergangenen Verfolgungen und Kriegstrangsalen wohl gewahr worden/

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widerumb zu cassieren, und einen frischen Krieg anzuspinnen [...]". Hartmann Creide: Danck= Buß= und/ Bet=Altar/ Das ist/ Zehen underschiedliche Predigten/ darinnen/ auß Gottes Wort gezeiget wird/ wie wir den lieben/ Frieden=Sch!uß ansehen/ Gott darfur recht dankken/ die/ Sünde ernstlich meiden/ und seiner Allmächtigen/ Hülff noch femer mit Gedult erwarten/ sollen. Franckfurt. o. J. [1650]. fol.):(iv v. Exemplar: Augsburg SStB. 4° Aug. 233. Johann Ulrich Bauder: Der/ Prophet/ Haggai/ Gestern und Heut./ Zur/ Alt= und New=gueltigen Richtschnur/ einer Wider=/ holung/ deß bey mehrern Theil dieser Zeit/ allzuweit entfallenen/ Friedens=Gedächtnuß. Heylbronn 1658. fol. 3 r. Exemplar: Nürnberg LkAB. Fen. IV. 337 4°, 2.

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so gar/ daß wir uns schier nicht haben regen dörffen für unsern Feinden/ wie ein einsamer Vogel auff dem Tach [,..]31 In der Tat mußte der Klerus die Pfarrgemeinden wieder in die Hand nehmen, die während des Krieges verwahrlost waren.32 In den bikonfessionellen Städten vor allem in Augsburg - setzte der Magistrat seine Kontrolle über die Prediger durch, die von nun an gehalten waren, einen doppelten Gehorsamsschwur abzuleisten. Die erste Verpflichtung33 sah im Geistlichen einen einfachen Bürger, der zur Zahlung von Steuern und zu städtischen Gerichten verpflichtet war, der weiter der Gehorsamspflicht und der Treue gegenüber den Stadtpflegern und dem Rat unterworfen war, die dazu berufen waren, deren Aufgabe die Schlichtung in Friedenssachen war. In dem zweiten Schwur wurde die Rolle des Magistrats als quasi absolut definiert, so daß dem Magistrat das Recht zugesprochen wurde, einen Prediger ohne jede Rechtfertigung abzusetzen;34 die Pfarrer wurden verpflichtet, einen streng dogmatischen Konformismus einzuhalten und sich jeder Art von neuartigem Unterricht oder Meinung, die dem Augsburger Bekenntnis fremd waren, zu enthalten. Die städtische Obrigkeit versuchte, die Nachwirkungen des Religionsstreits im Politischen zu neutralisieren und jede Konfession in Richtung einer von ihr definierten strengen Orthodoxie zu lenken. Diese konfessionelle Straffung bevorzugte eine religiöse Polemik, die man damit gerade zunichte machen wollte. Vor allem in Augsburg ließ sich diese doppelte Dynamik beobachten, die zur Aufrechterhaltung des bürgerlichen Friedens beitrug (ein einziger gewaltsamer Zusammenstoß ereignete sich zwischen der katholischen und protestantischen Gemeinde zwischen 1650 und 1806)35 und gleichzeitig zu einer um so heftigeren verbalen Auseinandersetzung führte, die sich aber nicht in Tätlichkeiten ausdrückte.

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H. Creide: Friedens=Predigten (Anm. 29). S. 2. Vgl. dazu die Chronik des Caspar Preis : "Wir in Stausenbach, darf auch wohl sagen im gantzen Ampt, haben in 4 Jahren kein Prister gehabt. Es waren 2 Jahr, da hatten wir einen Prister im gantzen Ampt. Wo hatten wir gar zuvil arme Leuth in dero bösen Zeit Trost zu suchen in unserm Ehl[e]nd. In Stausenbach da kam kein Prister hin, es wäre dan ein hochheilliges Fest [...]". In: Bauemleben im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. Die Stausebacher Chronik des Caspar Preis 1636-1667. Hg. von Wilhelm A. Eckhardt, Helmut Klingelhöfer. Marburg an der Lahn 1998 (Beiträge zur hessischen Geschichte. Bd. 13). S. 70. Vgl. den Text des Gehorsamsschwur: Außfuerliche Bericht/ Uber die im Jahr/ 1649. durch die Kays. Subdele=/ gierte Herren Commissarios bey deß/ Heyl: Reichs Statt Augspurg vorgenommene Exe-I cution, in Geist: und Weltlichen Sachen/ nach anleitung deß Oßnabruggi=/ sehen Fridenschluß. Augspurg 1652. S. 24-25. Exemplar: Augsburg SStB. 4° Aug. 14-67 (Acta 1649). Außfuerliche Bericht (Anm. 33). S. 28. Vgl. dazu Etienne F r a n c i s : Die unsichtbare Grenze. Protestanten und Katholiken in Augsburg 1648-1806. Sigmaringen 1991 (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg. Bd. 33). S. 153-167.

Das Augsburger

Friedensfest

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Friedensfeiern

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III. Die Besonderheit des Augsburger Friedensfestes Die Besonderheit des Augsburger Friedensfestes wurde von den Zeitgenossen unmittelbar wahrgenommen. Der Chronist von Schweinfurt wies auf dieses noch nicht dagewesene Fest hin.36 1655 beschrieb ein Wittenberger Pfarrer das Augsburger Friedensfest in Verbindung mit anderen neueren Geschehnissen.37 Die Augsburger selbst wunderten sich über den Aufwand für dieses Fest, überladen mit Zeichen, Inschriften, Objekten, Vegetation, Farben und Gerüchen, das ohnegleichen im Kalender der Lutheraner war. Der Augsburger Goldschmied Bartholomäus Beyer schrieb in seinem Diarium: Und wird keine mensch alhie gedencken, daß iemalen ein solch stattlich fest von allerhand schulen, darzue bequemen Ceremonien, Dergleichen sonst an keinen hohen festtag das gantze Jar hindurch zue geschehn pfleget bey den Evangelischen inn diser statt seye gehalten worden.™ Auch wenn andere Friedensfeste ebenfalls institutionalisiert und jedes Jahr am selben Tag gefeiert wurden, so im ernestinischen Sachsen, in Hessen und im Elsaß, ist es doch nur in Augsburg geschehen, daß das Friedensfest bis in die heutigen Tage hinein in seinen besonderen Charakter behalten hat. Gleichwohl teilte das Augsburger Friedensfest mit anderen Friedensfeiern manche Gemeinsamkeiten: es war ein gänzlich religiöses bzw. lutherisches Fest, das nach dem Vorbild der Reformationsjubiläen geplant wurde. Am 8. August 1650,39 einem Montag, erklangen Dankespredigten in den sechs Kirchen, die den Lutheraner wieder übergeben worden waren. Geschmückt mit Wandteppichen, verziert mit Inschriften und der Boden mit Sand bestreut, war die Kirche St. Anna angefüllt mit Unmengen von Blumen und Kränzen, mit Maien und Zypressen in Zinntöpfen und mit Zweigen und Kränzen, die mit Gold und Silber versehen waren (Abb. 20)40. Ein riesiges Gemälde, auf dem sich Frieden und Gerechtigkeit allegorisch umarmten, war an dem Portal der Barfüßerkirche aufgehängt und über 36

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Chronik der Stadt Schweinfurt. Hg. von Heinrich Christian Beck. Bd. 2. Schweinfurt 1841. Sp. 31. Heinricum Sebaldum: B R E V I A R I U M HISTORICUM/ ad δ ι δ α ξ ι ν , quodammodo, suo loco, directum,! Das ist/ Historischer kurtzer Extract oder/ Außzug [...]. Wittenberg 1655. S. 473. Exemplar: Göttingen UB. Η Bor. un. II, 400. SuStBA. 4° Cod. Aug. 238. [Bartholomäus Beyer]. Diarium Rerum Augustanarum/ a m. Mayo, 1648. ad m. 7br. 1651./ Dergleichen/ ä m. Junij, 1648. ad m. Aug: 1651. fol. 136 r. [B. Beyer] (Anm. 38) fol. 136 r-138 v.; vgl. auch zum Friedensfest am 8. August Bemd Roeck: Die Feier des Friedens. In: Der Westfälische Friede. Diplomatie. Politische Zäsur. Kulturelles Umfeld. Rezeptionsgeschichte. Hg. von Heinz Duchhardt. München 1998 (Historische Zeitschrift. Beiheft N F 26). S. 633-659 hier S. 653-659. Abbildung des Augsburger Friedensfestes im Jahre 1660 in der Kirche St. Anna: Augspurgische/ Friedens Freud. Augspurg 1660. zwischen S. 64 und 65. Exemplar: SuStBA. 8° Aug. 656a.

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den Pforten hatte man in großen Buchstaben geschrieben: "Durch frid kam freud/ δ freud/ ö frid". Bereits vor fünf Uhr morgens drängten sich die Menschenmassen in die Kirchen, um den ersten feierlichen Gottesdienst mit Chorälen, Orgel, Trompete und Horn mitzuerleben. Man hatte sogar die Soldaten der Garnison angewiesen, in den Höfen von St. Anna und dem der Barfüßer Salven abzufeuern. Am darauffolgenden Mittwoch, dem wöchentlichen Tag für den Kinderkatechismus, veranstaltete man in St. Anna, St. Ulrich und bei den Barfüßern Kinderfriedensfeste. Etwa zwei Stunden nach Mittag kamen die Kinder in die Kirche. Die Knaben waren geschmückt mit weißen Hemden über ihren Kleidern, hatten Kränze und Zweige auf dem Kopf und trugen Zweige und kleine Bücher in den Händen. Die Mädchen trugen weiße Schürzen und hatten silberne Perlengeflechte im Haar, dazu kleine, mit goldenen und silbernen Perlen besetzte Kronen und Laubwerk. Im Anschluß an die Predigt sagten die Schüler Dankesverse aus der Bibel auf, die in den Wochen zuvor von den Schullehrern auf Anweisung der Pfarrer eingeübt worden waren. Diese Darbietung, die insgesamt eineinhalb Stunden dauerte, begeisterte das gesamte Publikum. Der Gottesdienst insgesamt dauerte bis 19 Uhr. Das Kinderfest fand seine Fortsetzung im Gymnasium St. Anna, wo die Schüler Sinnsprüche verkündeten. Eine Woche nach dem hohen Friedensfest, am 15. August,41 füllte sich der Hof und das Gymnasium St. Anna erneut mit einer großen Menschenmenge. Die weiß gekleideten Kinder, die Engelsflügel trugen und grünes Laubwerk auf dem Kopf hatten, dazu noch Zweige und Blumen in den Händen, betraten um acht Uhr in einer Reihe die Schule und die Bibliothek. Die Kinder sagten Sprichwörter auf einer Bühne" auf, die für diese Gelegenheit errichtet worden war und das mit dem Wort "Frieden" in großen Buchstaben geziert war. Am Nachmittag erhielten sie die Erlaubnis zur Besichtigung der kostbaren Bibliothek. Anschließend begannen sie erneut mit ihrem Aufsagen. Allerdings mußte man auf Weisung des Magistrats die Rezitation der Sprichwörter verkürzen. Da die Zeit zu kurz und es zugleich ermüdend war, dieselben Bibelverse acht oder neunmal in Folge zu hören, hatten einige Kinder keinen Text vorzutragen. Vor allem die Eltern, denen es eine Freude war, ihre Kinder zu hören, waren dadurch betrübt. Der folgende Tag, der 16. August, war ebenfalls noch freigegeben. Der Ablauf des Augsburger Friedensfestes war in keiner Weise originell. Auch andernorts wurde das Friedensfest in Form eines feierlichen Gottesdienstes und eines Zuges, der von Kindern angeführt wurde, über ein oder zwei Feiertage gefeiert. Dennoch trug die zeitliche Ausdehnung des Augsburger Friedensfestes, das vier Tage andauerte, und der Eifer, den das Volk hier zeigte, dazu bei, ihm einen ganz eigenen Widerhall zu geben. Ebenso wie am Tag der Feier selbst rechtfertigte das wahrgenommene Echo seinen Einsatz und von Augsburg ging bezüglich der Ausarbeitung des Friedens 41

[B. Beyer] (Anm. 38). fol. 138 v-139 r.

Das Augsburger

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eine Signalwirkung aus. Das Friedensfest war am 8. August 1650 angeordnet worden, und zwar zum Gedenken an den 8. August 1629, dem Datum der Durchsetzung des Restitutionsediktes für die Stadt Augsburg. Am 8. August 1629 waren die Bürger aufgefordert worden, zu Hause zu bleiben; ein Galgen wurde auf dem Platz des Fischmarktes errichtet. Auf Grund eines Vertrages, der 1548 zwischen dem Magistrat und dem Kardinalbischof Otto Truchseß von Waldburg geschlossen und in dem letzterem die kirchliche Rechtsprechung über die Stadt zugesprochen worden war, wurden die vierzehn lutherischen Prediger aus ihrem Amt entlassen und ihre Kirchen geschlossen. So wurde die Stadt ein Ort des Katholizismus.42 Der intransigente Kreis um den Bischof von Augsburg Heinrich von Knöringen und das Restitutionsedikt, das den Frieden von 1555 einseitig interpretierte, brachte die Gesamtheit der Lutheraner auf, selbst die Gemäßigten unter ihnen. Johann Georg von Sachsen, der für die Augsburger Partei ergriff und bei dieser Gelegenheit seiner Rolle als Führer der Lutheraner und Hüter des Rechts Nachdruck verlieh, erinnerte in öffentlichen Briefen43 wiederholt an deren Konformität mit dem Recht des Protestantismus, das durch Karl V. 1530 als "Augsburger Bekenntnis" akzeptiert worden war. Weiter erinnerte er an die Prinzipien des ebenfalls in Augsburg unterzeichneten Religionsfriedens. In der Zuspitzung der symbolischen Konstruktionen wurde Augsburg somit zum Sinnbild des konfessionellen Gleichgewichts für das gesamte Reich. Durch die Hervorhebung der Daten der Reformationsgeschichte und der Geschichte des Reiches im Zusammenhang mit Augsburg trug man dazu bei, aus den gegebenen Tatsachen ein Ereignis zu machen und daraus ein unmittelbares Gedenken zu bilden. In den Augsburger Chroniken der Zeit stellte die Rekatholisierung der Stadt nicht nur das Recht - denn der Religionsfrieden war als eine "Verfassung" bezeichnet worden - wieder in Frage, sondern auch die Geschichte. Verbunden mit der gesamten Kette von Maßnahmen zur Integration und zur Abgrenzung, die die Geschichte der Reformation begleitet hatten, wurde die Gruppe der Lutheraner zusammengeschweißt und bildete etwas Eigenständiges in der Stadt heraus. So erzeugte das Restitutionsedikt einen Komplex historischer Bezüge und löste einen Prozeß der religiösen Erinnerung des Ereignisses aus. Für die Lutheraner

42

43

Vgl. dazu Bernd Roeck: Eine Stadt in Krieg und Frieden. Studien zur Geschichte der Reichsstadt Augsburg zwischen Kalenderstreit und Parität. Göttingen 1989 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. 37). Bd. 2. S. 655-679. Vgl. ACTA/ Jnn Sachen/ Der Evangelischen/ Burgerschafft deß H. Roemischen/ Reichs Stadt Augspurg/ Betreffendt die alldort in Anno 1628. fur=/ gegangene Kayserliche Commission/ und bald / darauff erfolgte Execution/ In puncto Reformationis Religionist Augustance Confessionis [...]. Nürnberg 1632. Exemplar: Augsburg AelD. Aug. Β 6 a 22. Dieses Buch sammelt 256 Schriften gegen das Restitutionsedikt.

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faßte das Fest die Wechselfälle der Religionsgeschichte zusammen: die Anfänge der reformatorischen Predigten 1521, die Vertreibung der Mönche 1526, die Schließung der nichtlutherischen Kirchen 1537, das Interim von 1548, den Frieden im Passauer Vertrag von 1552 und schließlich den Religionsfrieden von 1555.44 Indem der Bischof von Augsburg gegen das Recht, den Reichsfrieden und die Verfassung des Schwäbischen Kreises, veröffentlicht im Jahre 1563, anging, forderte er den Bürgersinn der Einwohner heraus. In den Chroniken und in allen Briefen, die gegen das Restitutionsedikt verfaßt worden waren, erinnerten die Lutheraner an die Übereinkunft, die den Kalenderstreit im August 1585 beendet hatte: Worüber von Hoch: und wolgedachten HH. Commissariis ein Vertrag inn der Statt den 11. Augusti A° 1584. erhandelt und von allerhöchst gedachten delegante den 5. Augusti A° 1585 bester maßen und zwar ex plenitudine potestatis, et ex certa scientia confirmiert worden, krafft deßen Rath und burgerschafft einander zue gesagt, und bey trewn und ehen auch an Eids statt, Rechts und imer vehrenden Pacts, gedings und Constractsweiß, Teutsch, auffrecht und ewiglich, redlich zue halten versprochen hatt, daß sy dem auffgerichten, allgemeinen Religion fried angemäß, beede Religionen bey dieser Statt, eine wie die andere, und keine weniger alß die andere vestiglich und steiff schützen [...].« Der Wunsch nach Rat, Hilfe und Unterstützung in der Aufrechterhaltung des Religionsfriedens war in den zivilen Eid Inbegriffen, der jedes Jahr bei der Wahl des Rates vorgetragen wurde: [...] sondern ye ein Theil den andern, inn handhabung deß hochbetewrten friedens mit rath, hülff und beystand, all sein Vermögen zue zusetzen schuldig sein, auch den Rath, yederzeit bey dieser Statt 14. Predicanten und nicht weniger unterhalten falle, welcher Vertrag auch Järlich vor den ordenlichen Rathswahl, zur Verlesen verordnet [...].46 Was durch das Restitutionsedikt aufgehoben werden sollte und der Bischof von Augsburg zu zerstören gedacht hatte, war genau das, was die Augsburger Lutheraner unter dem Religionsfrieden verstanden: eine einvernehmliche Regelung, die der Lebenspraxis in der Stadt gerecht werden konnte.47 Die gewaltsame Durchset44

45 46 47

Vgl. StadtA Augsburg. Evangelisches Wesensarchiv 66. Historische kurtze Relation, Uber den betrübten Zuestand, Inn deß Key: Reichs Statt Augspurg, von A° 1628 biß, A° 1643. Historische kurtze Relation (Anm. 44). fol. 2 v. Historische kurtze Relation (Anm. 44). fol. 2 v. "Augspurg, der geweste Ocellus Germania;, so wegen Seiner herrlichen Harmony, und gueter Verstaendnus, beeder Religions Verwandten, für ein Exempel und beyspiel einer wolbestelten, und friedliebenden Republic inn und außerhalb Reichs, vor diesem gelobt und gepriesen worden". In: Historische kurtze Relation (Anm. 44). fol. 1 r.

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zung der religiösen Einheit aber hatte beinahe die Teilung der Stadt nach sich gezogen. Die Zeit des Restitutionsedikt war also gleichzeitig die Periode gewesen, die für religiöse Zwietracht anfällig war, und der Moment, an dem man sich bewußt wurde, daß die Stadt ihre Einheit dem konfessionellen Pluralismus schuldete. Der Einsatz des Friedens war trotz und in der Differenz der Konfessionen in der Zeit von 1648 bis 1650. Abschließend bleibt festzuhalten: Was man am 8. August 1650 in Augsburg feierte, war die Etablierung des Friedens trotz konfessioneller und sozialer Spannungen. Die Stadt Augsburg war eine Art Laboratorium des Reichsfriedens. Sie war zunächst ein Objekt gegensätzlicher Maßnahmen zur Herstellung konfessioneller Einheitlichkeit - zuerst mit dem Restitutionsedikt, dann durch die Besetzung der Schweden - , die gewaltsam durchgesetzt worden waren. Mit dem Westfälischen Frieden aber wurden sie nichtig, und Augsburg wurde mit seiner paritätischen Verfassung ein Orientierungspunkt für die Errichtung des allgemeinen Friedens im Reich. Die Reichsstadt faßte die Vereinbarungen des Westfälischen Friedens zusammen und stand dafür ein. So feierte man ein Friedensfest, das auf der Ebene des Heiligen Römischen Reiches viele Parallelen hatte, hier aber besonders intensiv begangen wurde.

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Friedensfeiern

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Private Stiftungen in den Augsburger Kirchen anläßlich des Friedensfestes Dorothea Band

Die festliche Ausschmückung von Kirchen anläßlich von Jubelfesten, sei es die Erinnerung an die Reformation, an das Augsburger Bekenntnis oder an den Westfälischen Frieden, hatte sich für die Gemeinden zu einem wichtigen Bestandteil der Feierlichkeiten entwickelt.1 Während des ersten Friedensfestes in Augsburg, am 8. August 1650, beschlossen die Kirchenpfleger der Barfußerkirche, ein wohl ausgesonnenes und künstlich entworfenes Friedens=Gemähld durch berühmte Künstler in Kupfer [zu] stechen und solches durch ein wohlgesetztes Teutsches Carmen erklären zu lassen.2 Am 4. Juli 1660 wurde ein extraordinari Fried= und Freudenfest gehalten, wegen des, zwischen den höchsten Potentaten der Christenheit getroffenen allgemeinen Friedens,3 An der Cantzel, [...], an allen Säulen der Kirche waren Bäume aufgerichtet, welche folgende Sinn=Bilder, [...], angehänget worden.4 Dort heißt es zum Beispiel unter einem Bild mit einem Schwahn, der seine Flügel über eine Welt=Kugel ausbreitet: Durch den Fried wird wieder neu / Die erstorbne alte Treu.5 Auch in anderen Sinnbildern und deren Über-, und Unterschriften wurde der Friede thematisiert. Daneben beteiligten sich auch Einzelpersonen durch private Stiftungen an der Auszierung des Gotteshauses. Es scheint nur konsequent, zu erwarten, daß sich diese Stiftungen inhaltlich mit dem Thema des Friedens konkret auseinandersetzten - zumal es sich um Objekte handelte, die speziell fur diesen Tag der Gemeinde zugedacht waren. Bei näherer Betrachtung ergab sich jedoch ein ganz anderes

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Dabei entwickelten diese Ausschmückungen und Feste eine solche Eigendynamik, daß der Anlaß in den Hintergrund trat. Vgl. dazu Ciaire Gantet: Friedensfeste aus Anlaß des Westfälischen Friedens [...]. In Klaus Bußmann, Heinz Schilling (Hg.): 1648 - Krieg und Frieden in Europa. Textband II. Osnabrück, Münster 1998. S. 653f. Johann Martin Christel]: Besondere und ausführliche Nachrichten von der Evangelischen Barfüßer und St. Jakob-Kirchen. Augsburg 1733. S. 103f. J. M. Christeil (Anm. 2). S. 107. J. M. Christeil (Anm. 2). S. 108f. J. M. Christel! (Anm. 2). S. 109.

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Bild: Die Stiftungen dienten ausnahmslos dem Schmuck der kultischen Handlungen, nur selten wiesen sie durch die Darstellung von sich aus darauf hin, daß sie anläßlich des Friedensfestes übergeben wurden. Meist wäre jeder andere Anlaß, ob persönlicher oder kirchlicher Natur, zur Übergabe geeignet gewesen. Oft ist allein das inschriftlich oder archivalisch überlieferte Datum als Hinweis fur die Bestimmung zu werten. Wenn keine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema des Friedens, der ja dieses Fest erst möglich machte, stattfand, worum ging es dann? Als Grundlage fur die folgenden Überlegungen dienen zum einen Stiftungen, über die wir nur noch archivalische Kenntnis haben, zum anderen einige Objekte, die die verschiedensten Stürme der Zeit überstanden haben und die gleichzeitig qualitativ herausragende Werke aus dem Bereich der Augsburger Goldschmiede-, der Textil- wie auch der Schlosserkunst darstellen. Aus dem überlieferten Material ist zu schließen, daß die persönliche Motivation zur Ausschmückung der Kirche, wie auch zur individuellen Repräsentation im Vordergrund stand. Damit war gleichzeitig das Bedürfnis der Lutheraner verbunden, sich als starke Konfessionsgemeinschaft darzustellen.

1. Quellen 1.1 Pfarrbeschreibung von St. Ulrich6 Am 7. August 1694 verehrten drei Töchter des Goldschmieds Israel Thelott zwei schöne Schilde und Schriften von Gold und Silber gestickter Arbeit für das Sammetaltartuch? 6. August 1731: eine besonders wertvolle Verehrung machten die Herren Kirchenpfleger v. Köpf und seine Gemahlin Euphrosina: zwei Gemälde vom berühmten Kunstmaler Elias Christoph Heiss'' Diese Angabe ist wohl mit Vorsicht zu genießen, da sich Elias Christoph Heiss in erster Linie als Kupferstecher und Schabkünstler einen Namen gemacht hatte. Von ihm haben sich in der St. Ulrichskirche keine Werke erhalten, hingegen mehrere 6

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Hans Anthes: Allgemeine Pfarrbeschreibung. Pfarrbuch oder allgemeines Pfarrbuch des gesamten Kirchenwesens in der evangelisch-lutherischen Pfarrei St. Ulrich in Augsburg. Augsburg 1914. Diese Quelle ist heute um so wichtiger, als viele Dokumente im Zweiten Weltkrieg vernichtet wurden, die als Grundlage für die Erstellung dieser Pfarrbeschreibung dienten. H. Anthes (Anm. 6). S. 97. Von Johann Andreas Thelott, dem Sohn von Israel Thelott stammt der silberne Agendeneinband aus der Zeit um 1680. Vgl. dazu das Inventar der Vasa Sacra von St. Ulrich zu Augsburg, 1992 erstellt von Dorothea Band, Inv. Nr. 35. H. Anthes: Allgemeine Pfarrbeschreibung (Anm. 6). S. 127.

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von seinem Großonkel Johann Heiß. Welche Bilder gestiftet wurden, ließ sich leider nicht ermitteln. 1748: Zum Friedensfest spendete der frühere Pfleger Christopf Apfel einen schönen neuen Vorhang.9

1.2 Inventare von St. Anna10 -

A° 1676. Auff das Friedenfest verehrte die Frau Arnoltin [...] auf den Altar 2 silberne Bio men od Mayenkrüg.11 - A° 1724 den 4.ten Augusti in Augsburg verehrte eine rotscharlach mit Goldt gestickten und mit güldene franz behenkte Decke [...] der Kirche bei S. Anna, auf den Oberen Altar zulegen, [...] Frau Anna Margaretha Koch, verwitwete Welser.12 - Am 7. August 1737 haben Tit.pl: Herrn Johann von Rauners, [...] hinterlaßene Erben, [...] ein großes weißes Altar-Tuch samt zweyen AbhangTüchern und ein Handtuch mit feiner [...] Leinwand und schönen Spitzen verehrt

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H. Anthe: Allgemeine Pfarrbeschreibung (Anm. 6). S. 133f. StadtA Augsburg. EWA 666. StadtA Augsburg. EWA 666. Undatierte Auflistung, beginnend mit der Jahreszahl 1669; der Name der Stifterin läßt sich nicht entziffern. Gleich im Anschluß daran heißt es: In diesem Jahr verehrte Frau [...] Sultzerin in obige Blomen Krirg 2 schöne Mayen von gefärbt [...] Seide gearbeitet. Der Maienkrug ist als Blumenvase zu verstehen. Er ist besonders im 17. und 18. Jahrhundert wichtiger Bestandteil des Altarschmuckes. Die Blumen, häufig Gegenstand von Stiftungen, waren meist künstlich - entweder aus Seide (s.o.) oder sogar aus Edelmetall, in der Blütenmitte verziert mit Glas- oder Edelsteinen. Ein besonders schönes Beispiel befindet sich in der Hl. Kreuz Kirche in Augsburg, gefertigt von Georg Sigmund Kohler. Augsburg um 1699. Ergänzungen von Johann Wilhelm Dammann. Augsburg um 1777. StadtA Augsburg. EWA 666: Inventarium des innerlichen Kirchenschmucks, Bücher und anderer Sachen bey S. Anna 15.03.1722 Ergänzungen. Der Zusammenhang mit dem Friedensfest ist nicht eindeutig zu belegen, jedoch sehr wahrscheinlich, da die Stiftung am 4. August erfolgte. StadtA Augsburg. EWA 666: Inventar von 1737, geschrieben von Daniel Baumgartner. Chronologische Auflistung der Stiftungen am Ende des Inventars. Am 11. August 1737 schließt sich die Witwe, Frau Anna Magdalena, geborene Bullmann, mit der Stiftung eines neuen Tauftuches von feinem [...] Leinwand und schönen Spitzen nebst einem Handtuch an.

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1.3 Inventarienbuch von Hl. Kreuz14 -

Am 7. August 1716 stiftet Johan Philipp Schuly einen Friedensengel auf den Bogen über oder vor dem Altar,15 - Am 8. August 1720 verehrt Peter Kirkh 2 schene Täffelein [...] die Verklärung Christi auff dem Berg Tabor und die Kreuzigung16 - A° 1794. Auf das Friedensfest fanden sich Wohltäter, durch deren Unterstützung wir zwischen 2 Pyramiden einen Bogen mit einem Schilde mit den 2 bibl. Sprüchen Jes. 43, 18.19 undJes. 33,22 machen Uesen.17 Abschließend ist noch zu vermerken, daß die Stadtpfleger und der Geheime Rat am 20. März 1755 an alle Kirchengemeinden eine Signatur verschickten, wonach die Auszierung der Kirchen auf das bevorstehende Jubelfest zu unterlassen sei,18 und sie verfugen am 27. Juli 1756 diesbezüglich weiter allein der gegenwärtig vorhandene Vorrath, mit möglichster Einsparung der Kosten darzu gebraucht werden solle.™

2. Erhaltene Objekte 2.1 Abendmahlskanne, Johann Betz, Augsburg 1675-77, bzw. 1680-1682 Silber, getrieben, gegossen, teilvergoldet; Η 50,5 cm, unt. Dm. 17,5 cm B Z (Fuß): S 123 für Augsburg 1675-1677 2 0 B Z (neben Henkel, Deckel): S 131 für Augsburg 1680-1684

MZ: S 1618 (IB im Oval) für Johann Betz (Meister um 1660-1697) Standort: St. Jakob, Inv. Nr. 4.2.2, Nr. 2

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StadtA Augsburg. EWA 867: Inventarienbuch über die Zechpßeger und Hl. Kreuz 16851797. StadtA Augsburg. EWA 867. S. 42. StadtA Augsburg. EWA 867. S. 46. StadtA Augsburg. EWA 867. ohne Seitenzahl, 2. Seite von A° 1794. StadtA Augsburg. EWA 733. Tome II. StadtA Augsburg. EWA 862: Acta das Jubiläum der Kirche 1753 und das Friedensfest betr. 1753-1756 BZ = Beschauzeichen, MZ = Meisterzeichen, S = Von Helmut Seling festgelegte Numerierung. Vgl. Helmut Seling: Die Kunst der Augsburger Goldschmiede 1529-1868. Bd. I-III. München 1980.

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Auf einem glockenförmigen Fuß erhebt sich eine birnformige Deckelkanne. Der Deckel ist zweifach gebuckelt und bekrönt von einem stehenden Lamm mit Kreuzbanner. Der separat gearbeitete, gegossene Volutenhenkel ist mit einem geflügelten, nach außen gerichteten Engelskopf versehen. Der Fuß, der Hals und der Deckel der Kanne, wie auch der v-förmige Daumenrast sind mit Akanthusdekor verziert. Den Bauch der Kanne schmücken vier getriebene Seraphimköpfe. Besonders interessant ist die Inschrift, die unterhalb der Mündungszone angebracht ist: Zum Zeugnus Hertzlicher Liebe gegen Christo Jesu und seiner H: Sakramenten ist von denen He Pflegeren der Evangelischen PfarrKirchen zu St. Jacob in Augsp., vermi / Etlicher eifferiger Christen freüer Handreichung und bey steür auff den Altar daselbsten diese Kanten gewidmet und verordnet worden. A° Christi 1682 den 8. Auge auf das Fridenfest. Daß der Fuß älter ist als der Rest der Kanne, ist nicht weiter verwunderlich verschiedene Teile wurden in Serie gefertigt, die erst später weiter verwendet wurden. Die Kanne gehört zu einem Satz von sechs Abendmahlskannen, deren älteste um 1675, die jüngste 1891 entstanden ist. Sie folgen alle demselben Aufbau und Dekor, allerdings weisen sie in der Ausarbeitung, insbesondere bei der Lokkenpracht der Seraphimköpfe, leichte stilistische Unterschiede auf.21 Eine Neuschöpfung ist die Abendmahlskanne nur ihrer Funktion nach, formal gab es so große Kannen schon im profanen Bereich der Lavabo-Garnituren. Eben diese Funktion aber wird im evangelischen Gottesdienst wichtig. Die Inschrift verweist auf das von Jesus Christus eingesetzte Sakrament, das in beiderlei Gestalt empfangen wurde. Das gab den Gefäßen fur Wein besondere Bedeutung. Der in Augsburg für dieses Gefäß vorherrschende Typus ist der birnförmige Corpus, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts auftritt und bis ins 19. Jahrhundert nahezu unverändert bestehen bleibt. Während sich die Form nur wenig verändert, paßt sich der Dekor dem jeweiligen Zeitgeschmack an. Häufig wurde ein in einer Gemeinde einmal gewählter Dekor auch von nachfolgenden Generationen der Stifter und Goldschmiede respektiert und diente als Vorbild zur Schaffung eines einheitlichen Ensembles.

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Vgl. dazu das Inventar der Kirche St. Jakob zu Augsburg. 1995 erstellt von Dorothea Band. Inv. Nr. 4.2.2 Abendmahlskannen 1-6.

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2.2 Abendmahlskanne, Balthasar Gelb, Augsburg 168922 Silber, getrieben, gegossen, teilvergoldet; Η 50 cm, unt. Dm 17 cm BZ: S 142 für Augsburg 1689MZ: S 1689 (Omega im Profil) für Balthasar Gelb (Meister 1668-1695) Standort: St. Ulrich, Inv. Nr. 13 Auch diese Kanne folgt dem Typus einer birnfömigen Abendmahlskanne mit glockenförmigem Fuß. Sie hat einen schmalen, glatten Halsring. Auf dem überkragenden, gewölbten Deckel ein Lamm mit Banner als Deckelfigur. Der Volutenhenkel mit Puttenherme ist separat gegossen. Fuß, Korpus und Deckel sind im Zungendekor verziert, alternierend vergoldet und silbern belassen. Auf der Deckelinnenseite finden wir eine Inschrift. Als Umrandung: Math.l 1:

Kommet her zu mir Alle die ihr Mühseelig und Beladen seit. Ich will Euch erquikken. Darinnen befindet sich ein Lorbeerkranz, der wiederum ein Bibelzitat und das Stiftungsdatum umschließt: Ps. 103, V.12 Lobe den Herrn meine Seele A 1700

d. 8 aug. Der Stifter wird nicht namentlich genannt. Mit dem Psalm 103 wird das Hohelied der Barmherzigkeit Gottes zitiert. Diese Kanne gehört zu einem Paar, das mit Zungendekor gestaltet wurde, 23 während ein knapp zwanzig Jahre älterer Satz von vier Kannen sehr aufwendig mit erhabenen Seraphimen umgeben von Früchtefestons und Girlanden getrieben wurde. 24 Somit wurde mit dem gerade angesprochenen Prinzip der Einheitlichkeit des Dekors gebrochen. Die Gründe fur diesen Bruch ließen sich nicht feststellen.

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H. Anthes: Allgemeine Pfarrbeschreibung (Anm. 6). S. 92f; Ausstellungskatalog. Goldschmiedekunst des 18. Jahrhunderts in Augsburg und München. München 1952. S. 9. Kat. Nr. 1. Abb. 1; Sylvia Rathke-Köhl: Geschichte des Augsburger Goldschmiedegewerbes vom Ende des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Augsburg 1968. S. 30. Anm. 106e; Ausstellungskatalog Augsburger Barock. Augsburg 1968. S. 313. Kat. Nr. 457. Abb. 264 (vgl. Barfußerkirche). Vgl. dazu das Inventar der Vasa Sacra von St. Ulrich zu Augsburg. 1992 erstellt von Dorothea Band. Inv. Nrn. 13 und 14. In der Barfußerkirche hat sich der beeindruckende Satz von acht ebensolchen Abendmahlskannen erhalten, datierend zwischen 1668 und 1690. Vgl. dazu das Inventar der Kirche Zu den Barfüßern Augsburg. 1999 erstellt von Dorothea Band. Inv. Nrn. 15, 16, 18-23: Die Kannen wurden zum Teil von Christian I Homung und Hans Jakob II Baur in Gemeinschaftsproduktion gefertigt, Augsburg in den Jahren 1665-1670, 1670 und 1686 sowie von Adolf Gaap, Augsburg 1690. Vgl. dazu das Inventar der Vasa Sacra von St. Ulrich zu Augsburg. 1992 erstellt von Dorothea Band. Inv. Nm. 9-12: Hans Jakob II Baur, Augsburg 1677, bzw. um 1686.

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2.3 Relief der Taufe Christi, Albrecht Biller, Augsburg um 1690169425 Silber, getrieben, gegossen, ziseliert, graviert, teilvergoldet; Η 41,4 cm χ Β 83 cm BZ: S 146 für Augsburg um 1690-1695 MZ: S 1778 (AB im Dreipaß, zwischen den Buchstaben ein Punkt und ein Kreuz) für Albrecht Biller (Meister 1681-1720) Standort: St. Ulrich, an hohen Festtagen Predella des Hauptaltares, Inv. Nr. 33 Die Darstellung folgt Markus I, 9-12: Das Zentrum dieser vielfigurigen, längsovalen Darstellung bildet der von Wasser umgebene Christus, über ihm schwebt der Heilige Geist in Form einer Taube. Zu seiner Rechten ist der mit wehendem Mantel bekleidete Johannes eben in Begriff, die Taufe zu vollziehen. Zu beiden Seiten wohnen mehrere Personen, zum Teil stark gestikulierend, dem Geschehen bei. Das Relief ist unterschiedlich stark herausgearbeitet. Während die Landschaftsdarstellungen im Hintergrund sehr flach gehalten und zum Teil sogar graviert sind, wurden Kopf, linker Arm und rechtes Bein Christi, Kopf und rechter Arm des Johannes, Kopf, linker Arm und linkes Bein des rechten Mannes, sowie die Lanze des rechten Kriegers separat gegossen und eingesetzt. Paul von Stetten zufolge schuf Biller das Relief nach einem gezeichneten und vermutlich in Wachs bossierten Entwurf von Abraham II Drentwett.26 Diese Nachricht ist insofern von besonderem Interesse, als Drentwett um 1710 auch die Entwürfe für den Stuck der neu renovierten Ulrichskirche lieferte. Laut der Pfarrbeschreibung von St. Ulrich wurde das Relief am 7. August 1694 von der Witwe des Goldschmieds Peter I Neuss, der zwei Jahre zuvor gestorben war, der Gemeinde übergeben.27 Die Verbundenheit mit der Ulrichsgemeinde ging auch auf den Sohn Peter II Neuss über, der seine Kunstfertigkeit für die Reparatur

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Officieller Catalog der Schwäbischen Kreis-Ausstellung zu Augsburg. Augsburg 1886. S. 355. Nr. 1612; H. Anthes: Allgemeine Pfarrbeschreibung (Anm. 6). S. 97; Ausstellungskatalog. Augsburger Barock. (Anm. 22). Kat. Nr. 426. Abb. 242; Eckhard von Rnorre: Die Evangelische Ulrichskirche in Augsburg. München 1972. S. 14; H. Seling: Die Kunst der Augsburger Goldschmiede (Anm. 20). Bd. II. Abb. 330. Paul von Stetten: Erläuterungen [...]. Augsburg 1765. S. 189f; Paul von Stetten: KunstGewerb- und Handwerks Geschichte der Reichs-Stadt Augsburg. Augsburg 1779. S. 441. Stettens Zuschreibung an Lorenz Gaap (Beschreibung der Reichs-Stadt Augsburg, nach ihrer Lage [...]. Augsburg 1778. S. 181) liegt eine Verwechslung mit dem Relief der Bergpredigt zugrunde, das sich ebenfalls im Besitz der Ulrichskirche befindet. H. Anthes: Allgemeine Pfarrbeschreibung (Anm. 6). S. 97. Dieses Vorgehen ist ungewöhnlich, da Neuss selber Goldschmied war und somit ein Werk eines Kollegen gestiftet hat.

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der beschädigt wiedergefundenen Agende von Johann Andreas Thelott der Gemeinde kostenlos zur Verfügung stellte.28

2.4 Altardecke, deutsch 1693 Blauer Seidentaft auf violettem Wollköper. Fransen aus blauen und violetten Seidenzwirnen, sowie Gold- und Silbermetallfäden; Η 140 cm χ Β 223 cm. Standort: St. Anna, Inv. Nr. 5.1

Das polychrom in Nadelmalerei gestickte Antependium aus blauem Seidentaft zeigt als Mittelmotiv das Lamm Gottes mit Fahne umschlossen von einem Ährenkranz. Die Seitenränder und der untere Rand sind mit einem breiten Rankenwerk aus Blüten, Blättern, Knospen und Beeren geschmückt. An drei Seiten ist die Decke von Fransen umgeben, die sich aus blauen und violetten Seidenzwirnen, sowie Gold- und Silbermetallfaden zusammensetzen. Auf dem Futterstoff befindet sich mittig am unteren Rand der in Seide gestickte Name der Stifterin sowie das Jahr der Herstellung: S.C.S. -JACOBINA SAMUEL - BER TERMANNIN - GEBORENE THURMIN - A MDCL XCIII - D. VIIIA VG. In den zeitgenössischen Quellen ist dieses Antependium sehr häufig erwähnt, jedoch wird es dort immer wieder als vogelbraunes Altartuch bezeichnet. Die Beschreibung läßt jedoch keinen Zweifel zu, daß es sich um das vorliegende Stück handelt, denn seine Bestimmung wird näher erläutert: daß es nit aber den Altar umwarts geht, sondern nur vorne raus ist. Hochseitig nit zu brauchen. Außerdem erfahren wir, daß dieselbe Frau zu einer nicht genauer benannten Gelegenheit ein weißes Tuch zur H:Como: so über den ganzen Altar geht und 2 weiße Tüchlein mit Spitze verehrt hatte.29 Jakobina Thurm, Tochter des Handelsherren Christian Thurm und Witwe des Christoph von Stetten, heiratete 1684 in zweiter Ehe den aus Breslau stammenden Handelsherrn Samuel Bertermann. Sie wurde am 30. November 1698 im Kreuzgang von St. Anna beigesetzt. In einer Zusammenstellung des Augsburger Großkapitals für das Jahr 1688 finden wir Bertermann an 7. Position. Anton Mayr bezeichnet Samuel Bertermann als Meteor am Sternenhimmel der Augsburger Geldmagnaten. 30 Seit Anfang der 1680er Jahre ist er in Augsburg nachzuweisen. Weil er sich in den 1690er Jahren 28 29

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H. Anthes: Allgemeine Pfarrbeschreibung (Anm. 6). S. 99. StadtA Augsburg. EWA 666. Undatierte Auflistung von Stiftungen, beginnend mit 1692. 1. Blatt von 2. Außerdem zu finden im Inventar von 1695 an Position 12: zu vogelbraunes Taffet, schön gesticktes Altar Tuch mit goldenen Fransen von Fr. Bartermanin. Anton Mayr: Die großen Augsburger Vermögen in der Zeit von 1618 bis 1717. Augsburg 1931. S. 31 undS. 121.

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als Heereslieferant der kaiserlichen Truppen und Quecksilberspekulant finanziell übernommen hatte, wurde er zahlungsunfähig und verschwand. Seine Frau konnte ihr Vermögen und das ihrer Kinder sicherstellen.31 Die Familie des Handelsmannes Christian Thurm gehörte seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts finanziell immer der Führungsschicht an.32 Die Objektgruppe der Paramente, die jedoch gerade im evangelischen Bereich noch weitgehend unerforscht ist, war am häufigsten Gegenstand von Schenkungen. Wegen der Fragilität des Materials haben sich darüber hinaus nur wenige Stücke erhalten.

2.5 Altardecke, deutsch, gestiftet 1745 Samt, dunkelrot, vermutlich Seide auf Futter aus Leinen in Köperbindung, lachsfarben; silberne Metallfaden, Fransen; Η 101 cm, Β 189 cm, Τ 83 cm Standort: St. Ulrich Dunkelrote Decke, deren Mittelfeld von einem ovalen Blumen- und Blattkranz geschmückt wird, der ein Bibelzitat umfaßt: DREYSIND, DIE DA ZEVGENAUF ERDEN: DER GEIST, VND DAS WASSER, VND DAS BLVT; VND DIE DREY SIND BEYSAMMEN. I.IOH.V.V.8. Gemeint ist 1 Joh 5,7-8. In der unteren Mitte des Kranzes befindet sich das Stifterwappen der Familie Köpf. In horizontaler Richtung sind silberfarbige Fransenborten aus Metallfaden aufgesetzt. Der ovale Kranz ist in verschiedenen Sticktechniken (Anlegetechnik, Kantillenstickerei, Sprengarbeit) mit Metallfäden ausgeführt. Der Behang ist dreidimensional angelegt, das heißt zu einer Quaderform ohne Rückfront zusammengenäht und verkleidete somit den Altar zu allen von vorne sichtbaren Seiten. Samt fand neben Seide am häufigsten Anwendung für die Fertigung von Paramenten. Das Bibelzitat unterstreicht die Einheit der Sakramente und stellt die wichtigsten evangelischen heraus: "drei sind, die da zeugen auf Erden: Der Geist und das Wasser" - für die Taufe - "und das Blut" - für das Abendmahl - "und die drei sind beisammen", so wie im Himmel die Einheit der Trinität vom Vater, dem Wort - in Christus - und dem Heiligen Geist verkörpert werden.33

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Mark Häberlein: Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. In: Augsburger Stadtlexikon. Hg. von Günther Grünsteudel. 2., neu bearb. Aufl. Augsburg 1998. S. 152. A. Mayr: Augsburger Vermögen (Anm. 30). S. 121, Tabelle für 1674 und Tabelle für 1688. Diesen Hinweis verdanke ich Christian Blendinger, Pfarrer i.R. von St. Ulrich.

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Das Tuch wurde, laut der Pfarrbeschreibung von St. Ulrich, 1745 am Vorabend vor dem Friedensfest vom Bankier Georg Christian von Köpf, 34 der 1733 in den Adelsstand erhoben worden war, gestiftet: ein überaus kostbares Altartuch von karmoisinrotem Seidentuch, mit reich goldenen Franzen und goldgesticktem Kranze, worinnen die Worte aus 1. Joh. 5.8 und unterhalb des Kreuzes das von Köpffsche Wappen eingestickt war.35 Die Familie Köpf hatte am 30. Mai 1706 bereits ein Paar große silberne Maienkrüge gestiftet, die zu beiden Seiten der Kanzel aufzustellen waren. 36 1731 stifteten sie anläßlich des Friedensfestes die bereits oben erwähnten, aber nicht mehr erhaltenen Bilder des Elias Christoph Heiss. 37

2.6 Chorgitter der Barfüßerkirche, Samuel Birkenfeld, Augsburg 1759-1760 Schmiedeeisen, teilweise vergoldet; Email; Η 226 cm (ges.), 200 cm (Mitte); Β 970 cm (ges.), 150 cm (Mitte); Τ 25 cm (ges.), 12 cm (Mitte) Standort: Zu den Barfüßern, Inv. Nr. aud00065 Das zu den schönsten deutschen Rokokogittern gehörige Chorgitter ist doppelseitig gearbeitet und reich geschmückt mit Rocaillen, Voluten und Palmzweigen. In die mittleren Türen sind Kartuschen in hellblauem Email eingesetzt, von Rocaillen umgeben und mit Helmzier mit Büffelhömern bekrönt. In der Kartusche der linken Türe die ganzfigurige Darstellung eines Savoyardenknaben mit Drehleier - als Selbstdarstellung des Stifters Peter Laire zu verstehen - , in der rechten das ligierte Monogramm PL. Unter dem Savoyardenknaben auf der Kirchenseite das Wort Anno, während auf der Altarseite A:0 zu lesen ist. Unter dem Monogramm auf der Altarseite die Jahreszahl 1759, auf der Kirchenseite 1760. Die Bekrönung der mittleren Türe in Form einer Kartusche mit dem hebräisch geschriebenen Wort Jahwe, umgeben von einem Wolkenkranz mit drei darin verteilten Engelsköpfen sowie einem alles umfassenden Strahlenkranz. Darüber ein Schriftband: Ich halte mich Herr zu Deinem Altar. Auf der den oberen Abschluß bildenden Rampe sind sechs üppig gestaltete Vasen links und rechts der Türen verteilt, aus denen Blumen und Früchte hervorquellen.

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Eduard Zimmermann: Augsburger Zeichen und Wappen. Augsburg 1970. Wappen Nr. 5179. Siehe auch das Manuskript im Augsburger Stadtarchiv, das Erklärungen zu den einzelnen Wappen gibt, Blatt 207. H. Anthes: Allgemeine Pfarrbeschreibung (Anm. 6). S. 133. H. Anthes: Allgemeine Pfarrbeschreibung (Anm. 6). S. 105. H. Anthes: Allgemeine Pfarrbeschreibung (Anm. 6). S. 127.

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Der Stifter Peter Laire (1672-1760) war im Jahre 1700 aus dem Languedoc nach Augsburg gekommen, nachdem seine Familie ihr Vermögen in Folge des Ediktes von Nantes (1685), das den Hugenotten die freie Religionsausübung verbot, verloren hatte. In Augsburg fand er zunächst bei dem Silbeijuwelier Johann Friedrich Gutermann Anstellung und führte später ein eigenes Geschäft für Tuchund Langwaren, das sich in den 1740/50er Jahren zu Augsburgs größter Textilgroßhandlung entwickelte. Seine tiefe Religiosität wie auch seine Verbundenheit zur Barfußerkirche kam seit 1749 immer wieder durch Stiftungen zum Ausdruck, die der Unterstützung von Armen und Kranken galten. Anläßlich des Friedensfestes im Jahre 1757 übergab er dem Bauamt der Stadt Augsburg 144 Gulden, damit auch den evangelischen armen und kranken Menschen im Nothaus an diesem Festtag ein Essen gereicht werden konnte. 38 Das Gitter stiftete Peter Laire anläßlich des Friedensfestes von 1760, seinen Aufbau erlebte er aber nicht mehr, da er bereits sechs Wochen vorher verstarb. 39 Diese Stiftung erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem allseits zum Sparen aufgerufen wurde. Es wurde von dem Kunstschlosser Johann Samuel Birkenfeld angefertigt, der durch seine Vorlagen fur Gitter und andere Schlosserarbeiten bekannt ist.40 Etliche davon finden sich in den Städtischen Kunstsammlungen Augsburg. Das Gitter findet sich auf dem Friedensgemälde desselben Jahres, gestochen von Jeremias Gottlob Rugendas, Augsburg 1760. Es trennt das Kirchenschiff vom Altarraum, in dem vier Geistliche das Abendmahl in beiderlei Gestalt austeilen. 41

3. Schlußfolgerungen Die Mehrzahl der hier genannten Stiftungen steht im Zusammenhang mit der Austeilung der Sakramente - dem Abendmahl und der Taufe. Es stellt sich somit die Frage, was die Gemeindemitglieder zu diesen Stiftungen bewogen hat. Festzuhalten ist, daß zunächst einmal deijenige, dessen Name per Inschrift bekannt gegeben wurde, im ewigen Gedächtnis der Gemeinde bleibt und dadurch ein Teil der Communio Sanctorum wird. Dies könnte erklären, daß sich die Mehrzahl der Stiftungen im Zusammenhang mit der Austeilung der Sakramente findet. 38

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Gertrud Buser: Ein Schatz aus der Barfüßerkirche. In: Evangelisches Gemeindeblatt 37. 1953. S. 400f; Horst Jesse: Gedenken an Peter Laire am 23.12.1984. Akt 61/337. StadtA Augsburg. EWA 736: Tagebuch der Zechpfleger bei der Barfußerkirche 1758-1761. Notiz auf der Seite beginnend mit 1760 Jul:. Thieme-Becker. Bd. IV. 1910. S. 48. Ulrike Albrecht: Die Augsburger Friedensgemälde 1651-1789. Diss.phil. München 1983. S. 127. Kat. Nr. 109; Andrea Teuscher: Die Künstlerfamilie Rugendas 1666-1858. Augsburg 1998. S. 181. Kat. Nr. 709.

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Vor der Reformation standen der Ablaßgedanke und das ewige Seelenheil im Vordergrund von Stiftungen. Das Geschick des Stifters sollte über dessen Tod hinaus positiv beeinflußt werden. Nach Luthers Lehre über die Werkgerechtigkeit ist jedoch eine derartige Einflußnahme nicht möglich. Evangelische Stiftungen zielen daher nicht mehr auf das Seelenheil, sondern auf die Teilnahme an der Communio Sanctorum. Aus einer Inschrift, die auf einem Paar Hostienschalen mit Deckel aus der Barfußerkirche zu finden ist, erfahren wir, daß die Evangelischen aus Freyem willen stiften,42 also nicht zur Erlangung des Seelenheils oder der Sündenvergebung. Bei genauerer Betrachtung dieser Inschrift, erscheint dieser freie Wille dennoch nicht zweckfrei: ist von der Augspurgischen Confession Zuegethaner Burgerschafft allhier zue dem Euangelischen Gottesdienst, aus Freyem Willen zuegericht und gewidmet worden, Inn Augsburg, Anno Christi 1649. Hier soll Stärke demonstriert werden, Geschlossenheit, Zugehörigkeit und Gemeinschaft. Sicher sollten damit auch die nachfolgenden Generationen erreicht und ermutigt werden, an ihrem Glauben festzuhalten. Dies ist natürlich zum angegebenen Zeitpunkt ganz besonders wichtig, da durch den Westfälischen Frieden der Dreißigjährige Krieg beendet worden war und die Evangelischen nach 14 Jahren Predigt unter freiem Himmel 1649 ihre Gotteshäuser zurückerhalten hatten. Der Hinweis auf die der Confessio Augustana zugetanen Bürgerschaft ist auch bei späteren Stiftungen zu finden beispielsweise einem kleinen Abendmahlskelch, der 1660 übergeben wurde und in Besitz der Barfußerkirche ist. Dort heißt es: Gott Zur Ehren, und den Aug. Confes. Armen alhier aus / dem Pilgramhauss Zur geistlichen dienst hat dises / Kelchlein auß Christlichem eyffer verehret H. /David Kreße, von und Zur Burc/cfarnbach / Nobil. Franc. Den 16. Febru. / A.Chr. 1660." Der christliche Eifer wäre vielleicht noch besser "lutherischer" Eifer zu nennen, denn mit der Confessio Augustana ist das Bekenntnis ausdrücklich genannt. Es soll eben nicht nur der Glaube als solcher zum Ausdruck gebracht werden, sondern auch die konfessionelle Zugehörigkeit. Schließlich betonten die Stifter aber auch mit der Wahl des zu stiftenden Objekts ihre konfessionelle Identität. Insbesondere die Abendmahlskannen, die ein zentraler Bestandteil der evangelischen Abendmahlsliturgie darstellen, verdeutlichen diesen Impetus. Bei den gezeigten Beispielen begegnet eine Gemeinschaftsstiftung, die sicher auch Vorbildcharakter haben sollte und hatte, nämlich eine Stiftung durch die Kirchenpfleger. Die Kirchenpfleger zeigen hier einmal mehr, daß es ihnen wichtig war, sich mit allen ihnen zur Verfugung stehenden Mitteln fur das Wohl der Kir42

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Ausstellungskatalog. Gott zu Lob und Ehren. Augsburg 1999. S. 52. Kat. Nr. 17: Abendmahlskelch mit Deckel, Hans II Petrus, Augsburg 1649. Ausstellungskatalog. Gott zu Lob und Ehren (Anm. 42). S. 58. Kat. Nr. 20: Hausabendmahlskelch, Eustachius Hayd, Augsburg 1660.

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che einzusetzen. Sie hatten nicht nur ihre eigenen Finanzmittel eingesetzt, sondern auch noch andere Gemeindemitglieder motivieren können, es ihnen gleich zu tun. Daneben gab es auch anonyme Stiftungen, die zum einen die Ausstattung der Kirche und zum anderen die Versorgung der Bedürftigen zum Ziel hatten. Die Mehrheit der Stiftungen jedoch ist mit konkreter Namensnennung verbunden, das heißt die ganze Gemeinde sollte den Namen des Wohltäters kennen. Bei dieser Form der Stiftung spielte neben dem Wunsch der Teilnahme an der Communio Sanctorum das Repräsentationsbedürfnis des einzelnen eine wichtige Rolle - sowohl zum Zeitpunkt der Stiftung wie auch in der Zukunft, indem sich der Stifter auf diese Weise selber ein Denkmal setzte. Bei näherer Betrachtung der Stiftungsgewohnheiten einer Person oder Familie fällt auf, daß sich darin eine Grundhaltung der Kirchengemeinde gegenüber zeigt, denn es sind keine Einzelgaben, sondern sie sind im Kontext einer ganzen Reihe von Stiftungen zu sehen. Dabei spielte der berufliche und private Hintergrund der Wohltäter meist eine bestimmende Rolle bei der Auswahl der Objekte.44 Wichtig ist hier außerdem die jahrelange tiefe Verbundenheit, die durch Heirat zu einer anderen Gemeinde wechseln konnte,45 die immer wieder durch Schenkungen zum Ausdruck kam. Der Anlaß war dabei nicht so sehr von Bedeutung und wird sich vermutlich auch deshalb nicht thematisch in den Objekten niedergeschlagen haben. Darüber hinaus entwickeln diese Stiftungen eine Eigendynamik - sie verschönern die Kirche, verbessern die Lebenssituation Bedürftiger, wodurch die Gemeinschaft gestärkt wird und wirken schließlich als Vorbild für die nachfolgenden Generationen, es gleich zu tun und damit die Gemeinschaft weiter zu stärken. Das Medium der Stiftung, und das, was durch sie erreicht werden sollte - die Ehrung Gottes (eine Vielzahl der Stifterinschriften beginnt mit den Worten Gott zu Ehren [...]), die Verschönerung der Kirche (auch dies wird in Stifterinschriften häufig genannt), die Teilnahme an der Communio Sanctorum, und die Wahrung des Gedächtnisses der Stifter, die Verbesserung der Lebensumstände der Armen und Kranken, die Stärkung der konfessionellen Identität der Gemeinschaft und nicht zuletzt die Repräsentation im Heute und Morgen - stand über dem Anlaß, zu dem eine Stiftung überreicht wurde. Dies erklärt die fehlende Ausformulierung des Friedensgedankens oder nur des -gedenkens. Das überlieferte Material bestätigt somit die vielfach von der Forschungsliteratur formulierte Feststellung, daß weniger eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Friedensthematik im Vordergrund stand, als vielmehr die Selbstdarstellung

44

45

Der Lebenslauf des Peter Laire war sicher bestimmend für seinen Wunsch, die Bedürftigen zu unterstützen, gewesen (vgl. Anm. 38). Beispiel der Jakobina Samuel Bertermann, siehe Punkt 2.4.

Private

Stiftungen

in den Augsburger

Kirchen

anläßlich

des

Friedensfestes

309

der Lutheraner als einer starken Religionsgemeinschaft im allgemeinen, 46 bzw. der Stiftelpersönlichkeiten im besonderen, wie auch der Schmuck der Kirche anläßlich der Festlichkeiten zur Feier des Westfälischen Friedens. Dies scheint eine konsequente Verfolgung des einen übergeordneten Zieles zu sein: indem die Gemeinschaft in sich stark ist, kann sie nie wieder zerstört werden.

Abb. 33. Altardecke von St. Ulrich, 1693. Rotes Samtparament.

46

Etienne F r a n f o i s : Die unsichtbare Grenze. Protestanten und Katholiken in Augsburg 16481806. Sigmaringen 1991 (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg, Bd. 33). S. 157ff.

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A b b . 34. Detail ( S t i f t e r w a p p e n ) der A l t a r d e c k e von St. Ulrich, 1693. Rotes S a m t p a r a m e n t .

Private Stiftungen in den Augsburger Kirchen anläßlich des

Friedensfestes

A b b . 35. A l t a r d e c k e , A u g s b u r g St. A n n a , 1693. S t i f t u n g B e r t e r m a n n .

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Abb. 36. Relief Taufe Christi, St. Ulrich. Α. Biller. Augsburg 1695.

Dorothea

Band

Private Stiftungen in den Augsburger Kirchen anläßlich des Friedensfestes

Abb. 37. Abendmahlskanne, St. Urich. Bait. Gelb. Augsburg 1689.

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Zum Gedächtnis des Gnaden Werkes Gottes Friedensfeste des 17. und 18. Jahrhunderts in Kursachsen Katrin Keller

Das Dresdner Hofjournal enthält unter dem Datum des 22. Juli 1650 folgenden Eintrag: Dato ist dem allergütigsten Gott zu besondern ehren, von churfiirstlicher Durchlaucht zu Sachßen p. daß lob-danck und bett-fest, auf den lang gewünschten undt erlangten frieden, in dero churfürstenthumb, und incorporirten landen angestelt und hoch feyerlichen celebriret, und uff dero vestungen die stücken gelöset worden [...].' Der kurfürstliche Hof hatte, nachdem die Leibgarden auf den Stadtmauern Dresdens Aufstellung genommen hatten, um sieben Uhr morgens den Gottesdienst besucht, der durch musikalische Untermalung mit Pauken und Trompeten, durch ein vorher bekanntgegebenes Liedprogramm und ein eigens verfaßtes Gebet festlich ausgestaltet wurde. Nach dem offenbar ausgedehnten Kirchgang schritt man zur Tafel ins Schloß, wo erstlich 'Nun last uns Gott dem herrn p.' zum andern 'Allein Gott in der höhe sey ehr p.' geblasen [wurde]. Nachdem solches geendiget, marchirete Hauptmann Götze mit der unterguardie und Hauptmann Koch mit seiner compagnie durch das Schloß auf den hohen wall, und wurden beym Müntzberge zur losung 3 raqueten von 6, 12 und 20 pfund gezündet. Hierauf schössen die zwey compagnien salve, und wurde alsdann auf dem creutzthurn [!] mit vier schlangen der anfang gemachet, nachmals vom Salomonis an auf beyden seiten zugleich bis an Müntzberg 59 gantze halbe und vierteis cartaunen gezündet. Darauf gab zu Alten Dreßden Hauptmann Moßdorffs compagnia salve, und alsdann von der Elbe bey der schiffmühle an mit 22 halben und viertel cartaunen, bis an die Elbe beym Jägerhause, geantwortet worden, und geschahen in dieser Ordnung die salven drey mahl summa 255 stückschüße , und 9 große raqueten. Diesem nach zogen die zwey compagnien nebenst den büchsenmeistern durch das 1

HStA Dresden. OHMA IV Nr. 5, unpag.

Friedensfeste im 17. und 18. Jahrhundert in Kursachsen

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Schloß wieder ab, und endigte sich nach 12 uhr. Hierauf hielten die sämbtlichen chur- und fürstlichen personen auf dem kirchsaal tafel.2 Nach diesem lautstarken Gruß an den Frieden und dem Mittagsmahl zog man wieder zur Kirche, wo der Vespergottesdienst in festlicher Ausgestaltung gehalten wurde.

I.

Ein solches Friedensfest aus Anlaß der Beendigung des Dreißigjährigen Krieges fand freilich nicht allein in der kurfürstlichen Residenz Dresden statt, sondern fur eben diesen Tag hatte ein kurfürstliches Ausschreiben zwei Wochen vorher ein Lob- und Dankfest in allen Kirchen des Landes aus Anlaß des Friedens angeordnet.3 Die gedruckt publizierte Instruktion fur dieses Fest hatte den wesentlichen Ablauf ebenso wie die abzusingenden Lieder und das bereits erwähnte Gebet vorgeschrieben und damit den Festlichkeiten einen einheitlichen Rahmen gesetzt: Am vorhergehenden Tag (dem sechsten Sonntag nach Trinitatis) wurde das Fest im Gottesdienst angekündigt und am Nachmittag feierlich eingeläutet. Am frühen Morgen des 22. Juli eröffnete dann langes Geläut den Festtag, das die Gemeinde in die Kirche rief. Nach den Predigten wurde das Abendmahl ausgeteilt und der Gottesdienst mit dem gemeinsamen Gebet beendet. Nachmittags folgte noch eine Vesperpredigt, in der wie schon am Morgen auch mit Pauken und Trompeten musiziert wurde, um den feierlichen Charakter des Gottesdienstes zu unterstreichen. Den ganzen Tag sollte jede Arbeit ruhen und der einzelne auch zu Hause in Gebet und Lobpreisung Gottes für den erlangten Frieden verharren. Innerhalb der dadurch umschriebenen Grenzen ließ sich jedoch vielfach das Bemühen erkennen, über das Reglement hinaus dem Tag ein besonderes, festliches Gepräge zu geben: In Leipzig etwa wurden nach dem Frühgottesdienst die Geschütze auf der Festung dreimal gelöst, und auch die auf dem Markt aufgezogene Festungsbesatzung gab drei Salven ab; der Rektor der Universität hielt eine Festrede. 4 Im erzgebirgischen Annaberg zog der Rat und ihm folgend die ganze 2 3

4

HStA Dresden. OHMA Ν IV, Vol. I, Bl. 2b-4. Zum Friedensfest von 1650 siehe ausfuhrlicher Katrin Keller: Das "eigentliche wahre und große Friedensfest... im ganzen Sachsenlande". Kursachsen 1648 bis 1650. In: Heinz Duchhardt (Hg.): Der Westfälische Friede. Diplomatie - politische Zäsur - kulturelles Umfeld Rezeptionsgeschichte. München 1998. S. 661-678. Johann Jacob Vogel: Leipzigisches Geschicht-Buch oder Annales, das ist: Jahr- und TageBücher der weltberühmten königlichen und churfürstlichen sächsischen Kauff- und Handelsstadt Leipzig. Leipzig 1714. Exemplar UB Leipzig. S. 653; HStA Dresden. OHMA Ν IV, Vol. I, Bl. 3; ähnlich auch in Freiberg: Andreas Moller: Theatrum Freibergense [...]. Freiberg 1652. Exemplar UB Leipzig. S. 703 f.

316

Katrin Keller

Bürgerschaft durch die Stadt zur Kirche, dort wurde auf das Schönste gesungen. In der Vesperpredigt knieten die Kinder in weißen Hemden und mit grünen Rautenkränzen - in der Farbgebung dem Wettinischen Wappen entsprechend - vor dem Altar, während des Herrn Daniel Emmerlings Stiefsohn [, der] in ein Weibsbild verkleidet gewesen in einem silberweißen Kleid, der hat den Frieden verkündigt, alles ferschweis und auf allen Bänken hat das Chor geantwortet.5 Auch in Delitzsch war man in festlichem Aufzug vom Rathaus zur Kirche gegangen, Rat, Amtmann, Geistlichkeit, Lehrer und Bürger ganz in Schwarz, die Kinder dagegen weiß gekleidet mit grünen Zweigen. In Zittau hatte das Fest bereits nachts um zwei Uhr mit festlicher Musik und Gesang von den Türmen von Rathaus und Johanniskirche begonnen. 6 Damit wird man für Kursachsen zwar nicht von frühbarocker Prunkentfaltung bei der Ausgestaltung des Festes sprechen dürfen; ein Bemühen um wirklich 'festliche' Gestaltung des Dankfestes und Ansätze mythologischer Ausgestaltung desselben sind jedoch nicht zu verkennen. In der Veranstaltung eines solchen Festes aus Anlaß der Beendigung des Dreißigjährigen Krieges liegt natürlich eine augenfällige Parallele zur Reichsstadt Augsburg, und zwar sowohl hinsichtlich des Zeitpunktes wie der vorrangig religiös geprägten Gestaltung dieses Tages. In beiden Fällen handelte es sich um ein Fest vom Typus des protestantischen Lob- und Dankfestes, in beiden Fällen fand dieses Fest aber nicht in direkter Folge des Westfälischen Friedens statt, sondern erst nach Aushandlung der Nürnberger Rezesse im Juni 1650, mit deren Ausführungsbestimmungen der Friede irreversibel wurde. Die Vereinbarungen im Rahmen des Westfälsilchen friedens hatten bekanntermaßen für Augsburg den Status der Parität in Religionsangelegenheiten festgeschrieben, was die Evangelischen erstmals im Friedensfest von 1650 feierten. Für Kursachsen ergab sich aufgrund der Festlegung über die Höhe der an Schweden zu zahlenden Satisfaktionsgelder die Möglichkeit, gegen umgehende Zahlung des daraus resultierenden Anteils des Landes den endgültigen und vollständigen Abzug der schwedischen Truppen zu erlangen, die seit dem Waffenstillstand von Kötzschenbroda 1645 permanent im Lande gewesen waren. Mit der Übergabe Leipzigs, der wohlhabenden Messe- und Handelsstadt, als kostbarstem Pfand der Schweden am Abend des 30. Juni 1650 an sächsische Truppen unter General von Arnim endete die schwedische Besatzung und erst damit in der Wahrnehmung der meisten Zeitgenossen auch der Krieg.7 5

6

7

Des Kupferschmiedemeisters Ludwig Kleinhempel Hauschronik 1563-1682. Hg. von Heinrich Harms zum Spreckel. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Annaberg und Umgegend 16. 1927. S. 53. Johann Gottfried Lehmann: Chronik der Stadt Delitzsch bis zum Anfang des 18. Jahrhundert. Delitzsch 1852. S. 143; Johann Benedict Carpzov: Analecta Fastorum Zittaviensium [...]. T. 3. Zittau 1716. Exemplar UB Leipzig. S. 40. Zur Wahrnehmung des Kriegsendes K. Keller: Das "eigentliche wahre und große Friedensfest ... im ganzen Sachsenlande" (Anm. 3). S. 664-667.

Friedensfeste

im 17. und 18. Jahrhundert

in

Kursachsen

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Ein entscheidender Unterschied zum Augsburger Hohen Friedensfest besteht jedoch in der Festtradition des Jahres 1650 - das Friedensfest erlangte in Kursachsen nicht die Permanenz wie in Augsburg, wo in diesem Jahr eine bis in die Gegenwart reichende Reihe festlicher Inszenierungen begonnen wurde. 8 Im Fürstenstaat zwischen Saale, Erzgebirge und Neiße blieb das Feiern des Westfälischen Friedens 1650 ein einmaliges Gedenken, wenn auch Feste als solche keineswegs Einzelfälle blieben: andere Dank- und Friedensfeste hatte es in Kursachsen schon vor 1650 gegeben, und es gab sie - wenn auch in später gewandelter Form - bis ins 20. Jahrhundert. Die Betrachtung dieser Entwicklungen vor und nach dem Friedensfest des Jahres 1650 in Kursachsen soll im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen.

II. Die Frage nach dem ersten Friedensfest ist freilich derzeit noch nicht ganz eindeutig zu beantworten; nicht zuletzt deshalb, weil Quellenüberlieferungen zur städtischen Festkultur - vom dörflichen Raum ganz zu schweigen - im allgemeinen erst nach 1650 zahlreicher werden. Aber die Leipziger Stadtchronik des Johann Jakob Vogel vermeldet bereits für das Jahr 1504, also noch aus vorreformatorischer Zeit, die Verkündigung eines Friedensschlusses mit Böhmen von den Kanzeln, gemeinsame Dankgebete sowie die festliche Ausgestaltung des Gottesdienstes durch Musik aus diesem Anlaß. Auch ein Tedeum mit Musik und Festpredigt aus Anlaß der erfolgreich abgewehrten Belagerung der Stadt im Schmalkaldischen Krieg Anfang des Jahres 1547 ist überliefert. 9 Angesichts eher zufälliger und seltener Nachrichten solcher Art ist jedoch zu vermuten, daß es sich hierbei um einzelne, auf die jeweilige Stadt beziehungsweise einige Orte beschränkte Ereignisse gehandelt haben wird. Wenn aber für 1606 aus Anlaß des Türkenfriedens für das ganze Land ein Tedeum angeordnet wird, 10 mit dem man zugleich die Verlesung des vorgeschriebenen Türkengebetes im Gottesdienst beendete, stellte dies

9 10

Zu Friedensfesten 1648 ff. zuletzt Ciaire Gantet: Friedensfeste aus Anlaß des Westfälischen Friedens in den süddeutschen Städten und die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg (1648-1871). In: Klaus Bußmann, Heinz Schilling (Hg.): 1648 - Krieg und Frieden in Europa. Textband II: Kunst und Kultur. Münster 1998. S. 649-656; Bernd Roeck: Die Feier des Friedens. In: Heinz Duchhardt (Hg.): Der Westfälische Friede. Diplomatie - politische Zäsur - kulturelles Umfeld - Rezeptionsgeschichte. München 1998. S. 633-659; Heinz Duchhardt: Das Feiern des Friedens. Der Westfälische Friede im kollektiven Gedächtnis der Friedensstadt Münster (Kleine Schriften aus dem Stadtarchiv Münster. Bd. 1). Münster 1997. J. J. Vogel: Leipzigisches Geschicht-Buch (Anm. 4). S. 74, 175. J. J. Vogel: Leipzigisches Geschicht-Buch (Anm. 4). S. 337; Christian Heckel: Historische Beschreibung der Stadt Bischofswerda [...]. Dresden 1713. Exemplar UB Leipzig. S. 330.

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zweifellos einen Schritt hin zur Vereinheitlichung religiös-politischen Gedenkens in festlicher Gestalt dar. Ein von fürstlicher Seite für ganz Kursachsen angeordnetes Friedensfest, das bereits im wesentlichen die gleichen Elemente wie das Fest von 1650 aufwies, läßt sich zuerst 1635 feststellen: Am 30. Mai 1635 hatten sich in Prag Abgesandte des Kaisers und des sächsischen Kurfürsten über einen Separatfrieden geeinigt, durch den Kursachsen unter anderem endgültig in den Besitz der bereits vorher vom Kaiser pfandweise überlassenen Lausitzen kam. Aus diesem Anlaß ordnete Kurfürst Johann Georg I. per Reskript für den 24. Juni 1635 im ganzen Land inklusive der gerade erworbenen Lausitzen ein Dankfest für den erlangten Frieden an. Für dieses erste Friedensfest liegen nur wenige, äußerst knappe Beschreibungen vor, aus denen aber immerhin hervorgeht, daß der Tag von Gottesdienstbesuch und Abendmahl dominiert war, als festliche Elemente werden mehrfaches Glockengeläut, Musik von Pauken und Trompeten beim Hauptgottesdienst sowie Geschützsalven erwähnt." Die 1635 und 1650 inszenierten Friedensfeste waren damit nach ihrem Ablauf und der in Gebeten und Liedern vorgegebenen Ausdeutung weit davon entfernt, einem volkstümlichen Fest zu gleichen, sie zielten vielmehr in erster Linie auf Andacht und Buße. Dies stellt freilich ihren festlichen Charakter nicht in Frage nicht nur, weil den Betroffenen 1635 wie 1650 der Frieden an sich schon zweifellos ein Fest gewesen sein dürfte: lange herbeigesehnt, aber realiter kaum zu glauben nach so langer Zeit der Zerstörung. Festliches als Abweichung vom Alltäglichen, als kostbarere Ausgestaltung gewohnter Abläufe, als Zeit außerhalb des gewöhnlichen Lebensganges wohnte auch den Friedensfesten mit ihrer stark religiösen Prägung inne.'2 Was nun die inhaltlichen Schwerpunkte der aus Anlaß des Friedensfestes im Sommer 1650 entstandenen Texte betrifft, so bleibt in erster Linie auf die Thematisierung des Friedensschlusses als göttliche Gnade zu verweisen, die, der andauernden Verfehlungen der Gläubigen ungeachtet, die Schrecken des Krieges beendet habe und deren man sich in Zukunft werde würdig erweisen müssen. Ein besonders eindrückliches Bild für diese Interpretation fand der Dresdner Oberhofprediger, indem er den Friedens-Tempel aus Güte, Barmherzigkeit und Treue Gottes als Boden, Decke und Wänden entstehen ließ; die Orgel darin sei jedoch die Zuversicht und der Dank der Gemeinde.13 Konterkariert wurde dies oft durch Erinnerung an die Greuel und Lasten des Krieges, um dann umso deutlicher die 11

12 13

J. J. Vogel: Leipzigisches Geschicht-Buch (Anm. 4). S. 523 f.; C. Heckel: Historische Beschreibung der Stadt Bischofswerda (Anm. 10). S. 531 f.; Tobias Schmidt: Chronica Cygnea, das ist: Zwickauische Annales oder Zeit-Register [...]. Zwickau 1656. Exemplar UB Leipzig. S. 569. B. Roeck: Die Feier des Friedens (Anm. 8). S. 637 f. Jacob Weller: Des Friedens-Tempels Edler Bau [...]. o. O. [Dresden] 1650. SLUB Dresden. [Bl. 28 ff.].

Friedensfeste im 17. und 18. Jahrhundert in Kursachsen

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Erleichterung über sein Ende formulieren zu können.14 Der noch beim ersten kursächsischen Friedensfest von 1635 im vorgeschriebenen Gebet ausdrücklich formulierte Dank für die Erhaltung der evangelischen Kirche" spielte dagegen keine Rolle mehr. Mit Blick auf die zuletzt von Ciaire Gantet vorgetragene Interpretation der Augsburger Friedensfeste als Erinnerung an das Wunder des Friedens, das die Lutheraner vor der Vernichtung bewahrte16 tritt hier also durchaus ein Unterschied der Sinnzuweisung des Festes zwischen (paritätischer) Reichsstadt und Reichsterritorium in Erscheinung. Vor dem Hintergrund der Augsburger Programmatik fällt auch noch ein weiterer Aspekt abweichender Interpretation des Friedens im Falle Kursachsens auf, den schon die Wahl des Termins im Jahre 1650 dokumentiert: Ebensowenig wie in Augsburg war hier das Festdatum das des Friedensschlusses oder das des Abzugs der schwedischen Truppen aus Leipzig, aber eben auch kein Memorialdatum kriegerischer Verheerungen oder religiöser Verfolgungen, sondern - der Namenstag der Kurfürstin und zweier albertinischer Prinzessinnen. Der sächsische Oberhofprediger Jacob Weller führte dies in seiner Festpredigt folgendermaßen aus: Der Beistand und die Barmherzigkeit Gottes fänden nicht nur im Frieden selbst, sondern auch darin ihren Ausdruck, daß wir heute zugleich mit begehen den namens-tag / unserer gnädigsten Churfiirstin und landes-mutter / so wohl der königlichen Princessin in Dennemarck / witwen / unsers gnädigsten Churfiirsten und herrns frauen tochter / und des churfiistlichen Printzens / unsers gnädigsten herrns / Hertzog Johann Georgens hertzgeliebter gemahlin / unserer gnädigsten fiirstin und frauen. [...] Heute bindet Gott unsere gnädigste ChurfiXrstin / wie auch gnädigste Princessin an / weil wir Gott dancken / daß nunmehr Leipzig und das gantze land [...] seinem natürlichen rechten herrn / unsern gnädigsten Churfiirsten und herrn wieder übergeben worden.

14

15

16

So etwa bei Christian Brehme: Auff den so längst und hertzlich verlangten Tag / Auff welchen [...] Ein allgemeines Christliches und andächtiges Danck-Fest [...] ausgeschrieben [...]. Dresden [1650]. Exemplar SLUB Dresden; Andreas zur Horst: Dei Beneficia Nostra Officia [...]. Freiberg o. J. [1650], Exemplar H A B Wolfenbüttel (Festpredigt in Marienberg); J. J. Vogel: Leipzigisches Geschicht-Buch (Anm. 4). S. 652-655 [Abkündigung und Schlußgebet des Friedensfestes 1650 in Leipzig], J. J. Vogel: Leipzigisches Geschicht-Buch (Anm. 4). S. 458, 511, 523; Axel Flügel: "Gott mit uns" - Zur Festkultur im 17. Jahrhundert am Beispiel der Lob- und Dankfeste und Fastnachtsbräuche in Leipzig. In: Katrin Keller (Hg.): Feste und Feiern. Zum Wandel städtischer Festkultur in Leipzig. Leipzig 1994. S. 57. C. Gantet: Friedensfeste aus Anlaß des Westfälischen Friedens (Anm. 8). S. 653; Erinnerung und Formular eines Dankgebets, wegen dessen zu Münster geschlossenen allg. Reichsfriedens [für Württemberg 1648], Stuttgart 1648. Exemplar H A B Wolfenbüttel: Der Frieden ist zu Erhaltung und Fortpflanzung der evangelischen Religion geschlossen worden.

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Die Passage schließt dann mit einer Bitte um Gottes Beistand für den Landesvater und seine Familie. In dieser gedruckten Predigt ebenso wie im vorgegebenen Festgebet wurde zudem der Kurfürst als Beschützer seiner Untertanen und Garant des Friedens oder sogar als Kriegsheld thematisiert17 sowie Treue ihm gegenüber gefordert. Damit tritt also in Kursachsen als zweiter Interpretationsstrang des Friedens die Verbindung zum Herrscherhaus zutage. Wird das Ende des Krieges auch keineswegs vorrangig auf kriegerisches und politisches Verdienst des Fürsten zurückgeführt, so koppelte man doch das Friedensfest mehr oder weniger eindeutig an ein Jubiläum des Herrscherhauses und gab ihm damit Aspekte eines dynastischen Festes. Sowohl von seiner Entstehungszeit im 17. Jahrhundert wie vom inhaltlichen Programm, welches die vom Landesherrn vorgeschriebenen Gebete und Lieder erkennen lassen, als auch in seiner Funktion als "Repräsentationsfest konfessionellen Fürstentums"18 läßt sich das Friedensfest also, wie gesagt, dem Typus des protestantischen Lob- und Dankfestes zuordnen. Das vermutlich erste dieser Lobund Dankfeste hatte in Kursachsen 1609 aus Anlaß der in Böhmen gewährten Religionsfreiheit stattgefunden; mit den Reformationsjubiläen 1617 und 1630 fand der Festtypus seine verbindliche Ausprägung.19 Aus diesem Entstehungs- und programmatischen Kontext heraus ergibt sich auch die Fortführung der so entstandenen Festtradition, allerdings unter anderem Vorzeichen als in Augsburg. Dienten hier die jährlichen Friedensfeste im August bis ans Ende des 18. Jahrhundert vorrangig konfessioneller Selbstverständigung und Abgrenzung unter Bezugnahme auf das Jahr 1629, so lassen sich die Friedensdankfeste in Kursachsen eher als Element konfessioneller wie politischer Integration des Territoriums deuten.20 In der Reichsstadt wurden zudem folgende Kriege und Friedensschlüsse im Rahmen des jährlichen Festes thematisiert, jedoch nicht zu eigener Sinnzuweisung genutzt.21 In Kursachsen jedoch entstand die lange Reihe der Friedensfeste durch 17

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J. Weller: Des Friedens-Tempels Edler Bau (Anm. 13). [Bl. 35 f.]; Johann Feinler: PostReuter vom Teutschen Frieden [...], Jena o. J. [1650]. Exemplar HAB Wolfenbüttel, (Festpredigt in Gleina); eine ähnliche Interpretation erlaubt auch das bei Wolfgang Harms (Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Die Sammlung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Bd. 2. Tübingen 1980. S. 577) abgebildete Gedenkblatt auf das Friedensfest. Johannes Burkhardt: Reformations- und Lutherfeiern. Die Verbürgerlichung der reformatorischen Jubiläumskultur. In: Dieter Düding, Paul Friedemann, Paul Münch (Hg.): Öffentliche Festkultur. Politische Feste in Deutschland von der Aufklärung bis zum ersten Weltkrieg. Reinbeck 1988. S. 213. A. Flügel: "Gott mit uns" (Anm. 15); Siegfried Hoyer: Reformationsjubiläen im 17. und 18. Jahrhundert. In: K. Keller: Feste und Feiern (Anm. 15). S. 36-48. B. Roeck: Die Feier des Friedens (Anm. 8). S. 648; Hartmut Lehmann: Das Zeitalter des Absolutismus. Gottesgnadentum und Kriegsnot (Christentum und Gesellschaft, Bd. 9). Stuttgart u.a. 1980. S. 94. Horst Jesse: Friedensgemälde 1650-1789. Zum Hohen Friedensfest am 8. August in Augsburg. Pfaffenhofen a.d. Ilm 1981. S. 41-44.

Friedensfeste

im 17. und 18. Jahrhundert

in

Kursachsen

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die mehr oder weniger direkte Einbeziehung des Territoriums bzw. des Landesherrn als Reichsfürsten in weitere kriegerische Auseinandersetzungen. Die Festtradition beschränkte sich hier also auf Form und Deutungsangebot, resultierte aber eben nicht aus e i n e m historischen Ereignis als Perspektive.

III. Noch im 17. Jahrhundert fanden in ganz Kursachsen - anberaumt jeweils durch kurfürstliches Ausschreiben, das auch Liedtexte, Predigtworte und Dankgebet vorgab - noch zwei landesweit begangene Friedensfeste statt: 1665 wegen des mit den Türken geschlossenen Friedenstraktates von Vasvär, 1679 wegen des Friedens von Nimwegen. Im Jahr 1686 ordnete der Landesherr außerdem zwei Dankfeste wegen der Türkensiege sowie aus Anlaß der Eroberung Ofens an; ein 1660 aus Anlaß des in Oliva besiegelten allgemeinen Reichsfriedens angeordnetes Friedensdankfest scheint nur in den wichtigsten Städten und Festungen des Landes gehalten worden zu sein.22 Keiner der damit angesprochenen kriegerischen Konflikte hatte Kursachsen direkt betroffen, was wohl die Vermutung zuläßt, daß die Intensität der Beteiligung an der festlichen Danksagung in der Bevölkerung etwas weniger ausgeprägt gewesen sein dürfte. Als funktionale Aspekte dieser Art von Festen entwickelten sich jedoch anscheinend die Orientierung auf den Landesherrn und damit verbunden die Disziplinierung der Gläubigen weiter, ohne freilich den religiös-erbaulichen Aspekt des Danks für göttliche Gnade etwa ganz zu überlagern. Für diese Aussage bieten die Friedensdankfeste der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert mehrere Anhaltspunkte: Zum ersten die stets wiederholten Anweisungen am Ende der Ausschreiben, daß man auch nach dem Ende der Gottesdienste an diesen Tagen nicht alle andacht und danckbarkeit [vergessen solle] [...] / also / daß man die übrige zeit des tages mit schlemmen und tämmen / mit spielen oder andern Üppigkeiten wollte zubringen / und sich also nach der schwemme mit der saue aufs neue wieder in koth weltzen / (welche danckbarkeit dem Allerhöhesten schlecht gefallen würde) sondern ein jedweder wird ferner nebenst den seinigen zu hause mit singen /gebeth / lesen und erbaulichen reden Gottes erwiesene güte zu preisen sich bemühen [...]23 Zum zweiten trat in den Texten gleichzeitig die Verbindung der Festlichkeit mit der Dynastie deutlicher in Erscheinung: 1679 formulierte schon die öffentlich 22 23

HStA Dresden. OHMA Ν IV, Vol. I, Bl. 12-20, Vol. II, 6-13, 169-172. J. J. Vogel: Leipzigisches Geschicht-Buch (Anm. 4). S. 726 (1665); ähnlich HStA Dresden. OHMA Ν IV, Vol. II, Bl. 171 (1686).

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zu verlesende Abkündigung des Festes, daß der Kurfürst als christlicher potentat es für billich gefunden habe, aus Anlaß dieses Friedensschlusses ein öffentliches lob- und danck-opffer anzuordnen. In die dafür vorgeschriebene Fürbitte wurde auch die kurfürstliche Familie explizit mit den Worten eingeschlossen: Lege ehre und schmuck auff deinen gesalbten / und laß ihn für dir grünen und blühen ewiglich.24 Und in der Residenz Dresden wurde das Fest dieses Jahres zugleich Anlaß für einen Besuch des Herzogs von Sachsen-Zeitz, eines jüngeren Bruders des regierenden Kurfürsten, und in diesem Kontext durch einige exercitia auch äußerlich zum höfischen Fest stilisiert.25 Verbunden damit war auf längere Sicht zum dritten eine weitere Standardisierung des Festablaufs, mit dem sich die Friedensfeste ja in eine Reihe weiterer Dankfeste, insbesondere aus Anlaß von Reformationsjubiläen, einordneten. In Kursachsen ist dabei nicht nur an 1655 oder 1717 zu denken, sondern vor allem an das seit 1667 jährlich begangene Reformationsfest am 31. Oktober als separates Bekenntnisfest. So konnte schon 1686 der Leipziger Chronist zur Beschreibung des Dankfestes anläßlich der Rückeroberung Ofens den Ablauf von Festgeläut, Gesang und Musik im Gottesdienst zusammenfassen mit den Worten wie sonsten ohnedem bräuchlich.26 Auch die Tatsache, daß kaum eine der hier als Hauptquellen herangezogenen Stadtchroniken alle diese Feste erwähnt, und daß selbst in landesherrlichen Archiven kaum mehr als die Ausschreiben überliefert sind, deutet auf eine sukzessive Vereinheitlichung und Einübung konfessioneller Feste.27 Als 'lieu de memoire' kollektiver konfessioneller Identität spielten jedoch die Friedensfeste in Kursachsen schon aufgrund ihres relativ großen zeitlichen Abstandes von einander eine geringere Rolle, als das Reformationsfest mit dem historischen Bezugspunkt 1517.

IV. Das erste kriegerische Ereignis, von dem Kursachsen nach 1650 wieder direkt betroffen wurde, war der Einmarsch der Schweden unter Karl XII. 1706 im Zuge des Nordischen Krieges, in den Kursachsen aufgrund der Personalunion mit Polen involviert war. Das aus Anlaß des Friedens von Altranstädt für den 1. Januar 1707 24

25 26

27

J. J. Vogel: Leipzigisches Geschicht-Buch (Anm. 4). S. 780 f.; HStA Dresden. OHMA Ν IV, Vol. I, Bl. 15 (1660): Segen für kurfürstliche Familie. HStA Dresden. OHMA Ν IV, Vol. II, 6-13. J. J. Vogel: Leipzigisches Geschicht-Buch (Anm. 4). S. 847; ähnlich auch das landesherrliche Ausschreiben (HSTA Dresden. OHMA Ν IV, Vol. I, Bl. 15): Der Vormittagsgottesdienst solle wie an einem der hohen Feste / mit Läuten / Singen / Music und andern gehalten werden. Der Aktentitel im HSTA Dresden (OHMA Ν IV) lautet stets "Dank-, Friedens- und andere Feste betr.".

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im 17. und 18. Jahrhundert

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Kursachsen

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anberaumte Friedensfest folgte wiederum offenbar dem inzwischen weitgehend eingeübten Muster. Eine Bemerkung zur Vorbereitung des Festausschreibens belegt dies: Während man sich über den generellen Ablauf des Dankfestes völlig im klaren war, wurden hinsichtlich Art und Umfang des festlichen Salutes als Spezifikum des Friedensfestes die für 1650, 1660 und 1679 überlieferten Akten befragt und danach die entsprechenden Anordnungen getroffen. 28 Auch in den folgenden Jahren gaben die kriegerischen Verwicklungen mit Schweden, später die Schlesischen Kriege mit siegreichen Schlachten und Friedensschlüssen mehrfach Anlaß zur Anberaumung von Dankfesten. 29 Das wichtigste Friedensfest dieses Jahrhunderts fur Kursachsen war jedoch das anläßlich des Hubertusburger Friedens vom Februar 1763, der den Siebenjährigen Krieg beendete. Keine andere bewaffnete Auseinandersetzung des Jahrhunderts hat das Land so in Mitleidenschaft gezogen wie dieser Krieg, während dessen Kursachsen lange Zeit einer der europäischen Hauptkriegsschauplätze war. Das Hoffen auf Frieden und die Erleichterung über sein Ende dürfte sich nur graduell von der Friedenssehnsucht am Ende des Dreißigjährigen Krieges unterschieden haben. Dies hatte ftir die allgemein umfängliche und auch relativ gut überlieferte Ausgestaltung des Festes in Stadt und Land ebenso Folgen, wie die seit Anfang des Jahrhunderts bemerkbare Ausweitung barocker Festkultur.30 Inwieweit dabei das Beispiel des Dresdner Hofes, der ja gerade bis 1763 auch der des Königs von Polen war und zu den glänzendsten Höfen des Alten Reiches zählte, eine Rolle spielte, ist bislang nicht untersucht. Eine gewisse Ausstrahlung über die Festöffentlichkeit in Dresden, Leipzig und Hubertusburg wird aber anzunehmen sein. Anhand von drei Beispielen soll nun ein Friedensfest des 18. Jahrhundert genauer beschrieben werden: Im Bergflecken Bockau im Erzgebirge begann der 21. März 1763 um 7.30 Uhr mit einer dreifachen Salve und mehrfachem Festgeläut. Vor dem Haus des Richters als Repräsentanten der örtlichen Obrigkeit hatte bereits die gesamte Einwohnerschaft Aufstellung genommen; bei Ertönen der Salven setze sich der Zug in Richtung Kirche in Gang. Dem Gemeindevorsteher folgte die Jugend des Ortes, wobei die Jungfrauen im Brautschmuck erschienen, dann Förster und Pfarrer als landesherrliche Beamte, dahinter der Richter mit seinen sechs Beisitzern als Obrigkeit, an die sich Kaufleute, Handwerksmeister und -gesellen und sodann die gesamte Einwohnerschaft im Alter zwischen 20 und 70 Jahren anschlossen. Vor der Kirche empfing Musik von Pauken und Trompeten den Zug, die auch während der angeordneten Gottesdienste erklangen. Aus Anlaß des Festes verehrte die

28 29 30

HStA Dresden. O H M A Ν IV, Vol. II, Bl. 175. HStA Dresden. O H M A Ν IV, Vol. II, Bl. 178-208, Vol. III, Bl. 1 - 7 , 4 4 - 5 7 . Ein Beispiel dafür siehe in Katrin Keller: Machttheater? Landesherrliche Huldigungen im 16. bis 19. Jahrhundert. In: Katrin Keller (Hg.): Feste und Feiern (Anm. 15). S. 26-28.

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Katrin Keller

Dorfjugend der Kirche ein neues Kanzeltuch, außerdem wurden ein neues Hostiengefäß und neue Chorröcke gestiftet.31 In der kleinen Stadt Düben an der Mulde regte das Fest einen einfachen Bürger an, seine Erinnerungen an den Siebenjährigen Krieg zu notieren, die eine Beschreibung des Friedensfestes abschließt: Nun ist zu erachten, was für große freude bey uns einwohner, ist erstanden, man gedachte nicht mehr an die angst um der freude willen, Gott sey ewig gedankt, so uns den edlen frieden geschencket, und wieder ruhe gegeben hat. Nun ward auf hohen befehl im gantzen lande, den 21. martz a. c. 1763 daß danck- und friedens-fest gefeyert und ist durch des Herrn Oberpfarrer, und Stadt obrigkeit, eine schöne anstallt zu Gottes ehren getroffen worden bey uns in Düben, die mägden mit aufgebutzten kräntzen, deßgleichen schulknaben, mit grünen straußern [!] die geistlichkeit, nebst den Herrn Amtman, Stadt obrigkeit, und gantzen bürgerschafft nebst berckleuten mit grünen friedens-zweigen versammlet am rath-hauß, und das lied gesungen 'Komt menschenkinder rühmt und preiset'. [...] Es ist mit allen glocken geläutet [worden], und der thürmer hat die verse fröhlich geplaßen [...]. Nach einer Prozession zur Kirche und den beiden Gottesdiensten, in denen wiederum Pauken und Trompeten nicht fehlten, zog man zurück zum Rathaus. Abschließend teilt der Schreiber noch mit: Es ist denselben tag große freude bey allen menschen gewesen, und hat sich manche fromme seele, mit tränen sich bezeigt, ist auch viel landt-volck an diesen tage zugegen gewesen. Der bost-meister [!] ist mit 8 postillions alle gaßen herum geblaßen, es ist auch von der schützen-companii auf öffentlichen marckte 3mahl freuden schoß gehalten worden. Zwey abent nacheinander ist die kirche, die pfarre, das rath-hauß, der marckt, unerschiedliche [!] gaßen lummenirt [!] worden, welches alles zur ehre Gottes geschehen ist. Gott sey ewig lob, ehr, preiß und danck gesaget vor die gnade des edlen friedens, er wolle uns auch dabey erhalten biß an unser ende, und endlich bringen in die rechte friedens- undpalmen-stadt [?] da all krieg und unruh ein ende hat.32 Auch die von Düben nicht allzu weit entfernte Handelsstadt Leipzig feierte 1763 den endlich geschlossenen Frieden. Hier fanden in jeder der sieben Kirchen in Stadt und Vorstädten die angeordneten Festgottesdienste statt, nachdem schon um 3 Uhr nachts mit dem Absingen von Dankliedern durch die Nachtwächter, an dem sich viele Bürger im Schein von Fackeln und Laternen beteiligten, die Festivitäten begonnen hatten. Nach dem dann stündlich stattfindenden Festgeläut begannen um sieben Uhr morgens die ersten Festgottesdienste, zu denen in ver31

32

Georg Körner: Bockauische Chronik [...]. Schneeberg 1763. Exemplar UB Leipzig, unpag.; Stiftungen auch bei Ernst Friedrich Wilhelm Simon: Kurze Nachrichten von den vornehmsten Denkwürdigkeiten der [...] Berg-Stadt Zschopau. Dresden 1821. S. 336 f. StaatsA Leipzig. Stadt Düben Nr. 2408, unpag.

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schiedenen Vierteln die Schulkinder in einer Art Prozession kamen. In der Petersvorstadt beispielsweise wurden die Kinder von Altersgenossen mit reich geschmückten Marschallstäben und einem Fahnenträger angeführt. In einer anderen Vorstadt wurden die reinlich gekleideten und zum Teil mit Kränzen geschmückten Kinder von den Lehrern der Größe nach paarweise aufgestellt - ohne Rücksicht auf den Stand ihrer Eltern, wie der Bericht ausdrücklich vermerkt - und zur Kirche geführt. In den beiden großen Innenstadtkirchen St. Nikolai und St. Thomas, aber auch im vorstädtischen St. Johannis schmückte man den Altarraum mit Orangen- und Zitronenbäumen, Buchsbäumen, Myrrhe, Rosen etc., die zumeist der Gärtner des wohlhabenden Kaufmanns Apel aus dessen Garten zur Verfugung gestellt hatte. Im großbürgerlichen St. Thomas verwendete man außerdem einige Mühe auf eine allegorisch-dekorative Ausgestaltung des Kirchenraumes mit grünem Tuch, Palmzweigen, Lorbeerkränzen etc. Nach dem Nachmittagsgottesdienst zogen alle beteiligten Kinder auf den Markt, wo mehrere geistliche Lieder gesungen wurden, danach bliesen die Stadtmusiker vom Rathaus und die Thomaner sangen zum Abschluß 'Nun danket all und bringet Ehr' von den Türmen der Kirchen St. Nikolai und St. Thomas. In mehreren Vierteln wurden danach die Kinder aus Spenden mit einem Friedensbrot versehen und arme Kinder den ganzen Tag verpflegt. Für den Abend sah sich der Rat schon vorher veranlaßt mitzuteilen, daß man niemandem verwehret, an solchem tage nach geendigtem gottes-dienste, eine erlaubte freude zu haben; so stehet man sich doch gemüßiget, nicht nur überhaupt allen unfug, sondern auch ins besondere, das, in denen landesgeneralien und unsern vormahls ergangenen Verordnungen so hart verpoente schießen in und vor der Stadt [...] zu untersagen Insgesamt ergibt sich so aus diesem und anderen Festberichten 34 folgender Eindruck: Die inhaltliche Programmatik der Feste ist insofern unverändert geblieben, als Dank für die göttliche Gnade, die den Frieden brachte, das zentrale Thema bleibt. Bis in die Liedauswahl hinein folgte man noch immer dem hergebrachten Schema; allerdings mit vorsichtigen Modernisierungen bis hin zur Formulierung der Dankgebete, deren Texte dem Zeitgeschmack angepaßt wurden, wie dies auch bei den Reformationsjubiläen beobachtet worden ist.35 Beibehalten wurde der Ablauf auch hinsichtlich der Hauptelemente des Festes, nämlich Abkündigung, Geläut, Kirchgang, sowie fur den generellen Ablauf und die zeitliche Erstreckung auf einen ganzen Tag samt Einläuten am Vorabend.

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35

StadtA Leipzig. Tit. XLVII (Feud.), Nr. 6, Bl. 295. HStA Dresden. OHMA Ν IV, Vol. III, Bl. 107 (Bericht des Dresdnischen Anzeigers), E. F. W. Simon (Anm. 31). S. 336 f.; Julius Krebs: Chronik der Stadt Zeitz. Zeitz 1837. S. 306308. J. Burkhardt: Reformations- und Lutherfeiem (Anm. 18). S. 223; vgl. auch Dankgebete in HStA Dresden. OHMA Ν IV, Vol. III, Bl. 56-57 (1745), 106 (1763), 103.

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Die Darstellung von Mitgefühl mit den durch den Krieg Geschädigten hatte in Form der Kollekte immer ihren Platz im Ablauf der Dankfeste, tritt jedoch nun auch in Form direkter Almosengabe in Erscheinung. Daß dies dabei - ebenso wie die Stiftung neuer Kirchengeräte - auch dem Memorieren des festlichen Tages über dessen Ende hinaus dienen sollte, liegt wohl auf der Hand. Zurückgetreten ist jedoch die Bezugnahme auf die Person des Landesherrn, auch wenn diese nicht gänzlich fehlt - eine der in Leipzig bei den Kinderprozessionen erwähnten Fahnen etwa trug auf der einen Seite das Wort Vivat, auf der anderen die Initialen des säsächsischen Kurfürsten und polnischen Königs AR für Augustus Rex. In Dresden war der für einen Actus Oratorius der Kreuzschule aufgestellte Baldachin mit dem kurfürstlichen Wappen sowie den Namen des sehr populären Kurprinzenpaares geschmückt. 36 Stärker hervor tritt dagegen zum Teil die örtliche Obrigkeit durch ihre Plazierung im Festzug sowie die durch eben diesen hergestellte Verbindung zwischen Kirche und Rathaus. Damit rückt ein zweiter Aspekt der Veränderung ins Blickfeld, der sich auf die äußere, die freie Ausgestaltung des Festes bezieht. Freilich macht es die Überlieferungslage unmöglich, im einzelnen Entwicklungen nachzuvollziehen; es ist unwahrscheinlich, daß keines der Friedensfeste zwischen 1650, für das einige Beispiele ausgeführt wurden, und 1763 Elemente barocker Festkultur jenseits des vorgeschriebenen Ablaufs beinhaltete. Gerade im Vergleich mit 1650 tritt jedoch das wachsende Bedürfnis nach zusätzlichen festlichen Elementen außerhalb des Gottesdienstes um so plastischer hervor. Die besondere Plazierung von Kindern und Jugendlichen, die in Augsburg ja seit dem 17. Jahrhundert Tradition hatte, ließ sich bei vorherigen Inszenierungen in Kursachsen so nicht erkennen, wurde aber - ebenso wie das "Jubelbrot" - im Kontext des Reformationsjubiläums von 1730 bereits erwähnt.37 Aufmerksam zu machen ist zudem auf eine Diversifizierung der Festorte: neben die Kirche treten das Rathaus und vor allem der Marktplatz.38 Schließlich sei auch noch an die Formulierung des gestrengen Leipziger Rates bezüglich erlaubter Freuden an einem solchen Festtag erinnert - die völlige Eingezogenheit, die Andacht und Buße im Gebet als einzige Aktivität außerhalb des Gottesdienstes an einem Lob- und Dankfest konnte gerade in einer weltoffenen, zahlreiche gebildete und vermögende bürgerliche Haushalte beherbergenden Stadt wie Leipzig offenbar mittlerweile kaum noch als zeitgemäß gelten. Zwei Gesichtspunkte sind es damit vor allem, an denen sich ungeachtet aller formalen Kontinuität doch auch Entwicklungen der Friedensfeste während des 18. Jahrhundert erkennen lassen. Zum einen ist in Anknüpfung an das zuletzt Ausgeführte auf die formale Weiterentwicklung des Festtypus Dankfest generell hinzu36

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38

StadtA Leipzig. Tit. XLVII (Feud.), Nr. 6, Bl. 298b; HStA Dresden. OHMA Ν IV, Vol. III, Bl. 107. Alfred Galley: Die Jahrhundertfeiern der Augsburgischen Konfession. Leipzig 1930. S. 67; OHMA Ν IV, Vol. II, Bl. 221-68. J. Burkhardt: Reformations- und Lutherfeiern (Anm. 18). S. 220.

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weisen. Bei Friedensfesten wie Reformationsjubiläen als den herausragenden Beispielen für derartige Feste ist eine zunehmende barocke Ausschmückung und Anpassung an die zeitgenössische Festkultur insgesamt nicht zu übersehen. 39 Die 'volkstümlichen' Elemente späterer Zeit freilich wurden noch nicht erkennbar; der kirchlich-konfessionelle Charakter des Festes dominierte weiterhin. Zum zweiten ist an die im Vergleich zu 1650 weniger augenfällige Kopplung der Feste an die fürstliche Person bzw. die Dynastie zu erinnern. Dies mag speziell in Kursachsen auch damit in Zusammenhang zu bringen sein, daß diese Dynastie seit 1697 katholisch war und sich bei religiös implizierten beziehungsweise beeinflußten Festlichkeiten zurückhielt, um den in der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert schwelenden Konflikt mit Adel und Geistlichkeit um diesen Konfessionswechsel zu entschärfen. 40 In erster Linie muß hierbei jedoch in Betracht gezogen werden, daß der Prozeß territorialer Konfessionalisierung und staatlicher Homogenisierung, in dem den Dankfesten des 17. Jahrhundert eine erhebliche Bedeutung zugesprochen worden ist,41 mittlerweile in eine neue Phase eingetreten war. Die herrschaftsrelevante Dimension dynastischer Feste war mehr und mehr rückläufig angesichts effizienterer Staatlichkeit, und der aufgeklärte Geist der Epoche zog einen ΒedeutungsVerlust traditioneller Inszenierungen nach sich, ohne diese freilich schon ganz in Frage zu stellen. 42

V. Im Jahr 1763 fand sicher das wichtigste, aber nicht das letzte Friedensfest des 18. Jahrhundert statt. Schon 1779 wurde ein weiteres anberaumt aus Anlaß des Teschener Friedens, in den Kursachsen durch dynastische Verbindungen mit Habsburg wie mit Bayern direkt involviert war. Und auch die zahlreichen Friedensfeste und Dankfeiern während der Napoleonischen Kriege sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen, da sie vom Ablauf her noch ganz auf das frühneuzeitliche Modell bezogen scheinen. 43 Ein abschließender Blick auf das Friedensfest nach dem Wiener Kongreß zeigt dann jedoch die weitere formale wie inhaltliche Entwicklung des Festtypus an:

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J. Burkhardt: Reformations- und Lutherfeiem (Anm. 18). S. 217. Franz Blanckmeister: Die Haltung der sächsischen Stände und des sächsischen Volkes beim Übertritt Augusts des Starken und seines Sohnes. Leipzig 1899. J. Burkhardt: Reformations- und Lutherfeiern (Anm. 18). S. 213, 227; A. Flügel (Anm. 18). S. 50. H. Lehmann: Das Zeitalter des Absolutismus (Anm. 20). S. 94, 177 f.; K. Keller (Hg.): Feste und Feiem (Anm. 15). S. 29. HStA Dresden. OHMA Ν IV, Vol. IV, Bl. 24-108, 134-356.

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Dabei befand sich das Land in einer denkbar ungünstigen Lage fur ein Friedensfest, die der Pfarrer des unweit Leipzigs gelegenen Ortes Knautnaundorf folgendermaßen beschrieb: Unser König, Friedrich August, war nach der Uebergabe von Leipzig [im Oktober 1813] als Staatsgefangener von den drey verbundenen Mächten, Oestreich, Rußland und Preußen, weil er Napoleon bis auf den letzten Augenblick treu geblieben und nicht zu ihrer Parthey übergegangen war, weil er nemlich nicht konnte, nach Berlin geschickt worden, wo er fast 2 Jahre sich aufhielt, indem man auf nichts Geringeres bedacht war, als ihm [!] seines Landes gänzlich zu berauben. Allein eingetretene Umstände brachten die Monarchen auf andere Gedancken und man beschloß, ihm einen Theil seiner Lande wieder zurück zu geben. Er kehrte daher im May [Juni 1815] in seine Hauptstadt zurück und es wurde den 9ten D. p. Trin. ein Dankfest wegen dieser glücklichen Rückkehr gefeyert und über Ps. 21 v. 8 [Denn der König hoffet auf den Herrn, und wird durch die Güte des Höchsten fest bleiben] geprediget.44 Hatte das russische Generalgouvernement auch aus Anlaß des Friedens von Paris im April 1814 ein Friedensdankfest angeordnet, so fand dessen eigentliche festliche Ausgestaltung doch erst am 7. Juni 1815 anläßlich des Einzugs Friedrich Augusts I. in Dresden, der Residenz seines territorial auf knapp die Hälfte geschrumpften Landes, statt. Unter Glockengeläut und Salut zog der Fürst durch ein geschlossenes Spalier aus Militär und Bürgerwache ein, und die zahlreich erschienene Dresdner Bürgerschaft nahm die weiß-grüne Kleidung der jungen Mädchen - bei Dankfesten schon lange üblich - zum Anlaß, diese Farben als neue Landesfarben selbst an der Kleidung zu präsentieren. Dies ebenso wie der abendliche Fackelzug Leipziger Studenten und die Illumination der Stadt wurden als Zeichen eines besonderen sächsischen Patriotismus eingesetzt, den etwa auch Vivat-Rufe auf den König dokumentierten.45 Das am folgenden Sonntag gehaltene Tedeum mit Festpredigt, welches die Knauthainer Quelle erwähnte, stellte dann eher die Erinnerung an Friedensdankfeste vergangener Jahre dar, als daß man es mit den Gottesdiensten eines der älteren Friedensfeste hätte vergleichen können.46 In den mittlerweile zu Preußen gehörenden Landesteilen im Norden und Westen Sachsens beraumte man ein "Fest des Friedens" sogar erst für den 18. Januar 1816 an. In Zeitz zum Beispiel begann dieses Fest mit einer Kirchenparade des 44

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Pfarrarchiv Knauthain, Loc. III Nr. 5, unpag. (1808-34).- Für die Abschrift dieser Quelle danke ich Markus Cottin. Lebenserinnerungen des Königs Johann von Sachsen. Eigene Aufzeichnungen des Königs über die Jahre 1801 bis 1854. Hg. von Hellmut Kretzschmar. Göttingen 1958 (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 42). S. 54; E. F. W. Simon: Kurze Nachrichten (Anm. 31). S. 374 ff.; HStA Dresden. OHMA Ν IV, Vol. IV, Bl. 406, 413-16. HStA Dresden. OHMA Ν IV, Vol. VII, Bl. 206-207L·: Das nächste dokumentierte Friedensdankfest fand 1856 aus Anlaß der Pariser Friedens statt, bestand aber offenbar lediglich aus einem Dankgebet und einem Tedeum in allen Kirchen des Landes.

Friedensfeste

im 17. und 18. Jahrhundert

in

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Landwehrregiments und einer Rede von dessen Leutnant. Nach dem Gottesdienst folgte die Revue des Regiments, die ein Vivat auf den König von Preußen und dessen Haus beendete. Abends trafen sich dann Honoratioren und Bürger zum Ball in den beiden großen Gasthöfen der Stadt.47 In Delitzsch wurde das Fest zwar - wie angeordnet - von der Kanzel abgekündigt, aber obrigkeitliche Vorgaben über den Gottesdienst blieben auch hier aus. In diesem Fall fand schon am Vorabend des Festes ein Aufzug der Schützenkompanie vor dem Rathaus statt, bei dem durch Vivat-Rufe und das Absingen von "Heil dir im Siegerkranz" dem König von Preußen als Herzog von Sachsen gehuldigt wurde. Der vom Rat entworfene Ablaufplan beinhaltete des weiteren einen von den Kindern angeführten Zug der Bürgerschaft samt Rat, Geistlichkeit, Offizieren der Garnison etc. zur Kirche, die Bewirtung der einquartierten Soldaten in den einzelnen Stadtvierteln und zusätzliche Almosen für die Hospitalinsassen und Stadtarmen. Ausgehend von der Annahme soll dies ein Tag der Freude seyn, so dürfte er wohl die vorzüglichen Genüße die uns zur Freude stimmen, Tafel und Ball, nicht ausschließen,48 veranstaltete man schließlich ebenso wie in Zeitz eine abendliche Honoratiorentafel. Dort wurde durch einen Tafelgesang - wie schon in einem der Danklieder des Gottesdienstes - Heil und Segen auf den neuen Landesherrn herab gerufen. Bei diesem Ablauf fallen sowohl für Sachsen wie für die 'Muß-Preußen' der nördlichen Landesteile Politisierung und Nationalisierung des Festes ebenso ins Auge, wie das erstmals erwähnte, bürgerliche Beiprogramm des abendlichen Balles. Zwischen Regimentsparade und Vivat war der Gottesdienst in Zeitz nur noch ein Element unter vielen im Tagesablauf, auch in Delitzsch wird er nur knapp thematisiert. Charakteristika der seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert sich herausbildenden bürgerlichen Festkultur 49 haben mittlerweile das Übergewicht erlangt. Mag dies auch nicht für alle Friedensfeste von 1815 und 1816 typisch gewesen sein, so zeigt sich doch hier ein weiteres Mal eine insgesamt kennzeichnende Entwicklung hin zur Verweltlichung respektive Verbürgerlichung des konfessionellen Festes. Das Auftreten von Landwehrregiment, Bürgerwache und Schützenkompanie signalisiert zudem ein neues Deutungsmuster des Friedens: Nationale Implikationen, hier zunächst noch im Bezugsrahmen des Einzelstaates, sollten in bürgerlichen Festen des 19. Jahrhundert sukzessive an Bedeutung gewinnen. 50 Auch hinsichtlich dieser Entwicklungen lassen sich Ähnlichkeiten zwischen Friedensfesten 47 48 49

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J. Krebs: Chronik der Stadt Zeitz (Anm. 34). S. 308. StaatsA Leipzig. Stadt Delitzsch Nr. 129, Plan Bl. 2-5, Zitat Bl. 5b. Dieter Düding: Einleitung. In: Dieter Düding, Paul Friedemann, Paul Münch (Hg.): Öffentliche Festkultur. Politische Feste in Deutschland von der Aufklärung bis zum ersten Weltkrieg. Reinbeck 1988. S. 10. J. Burkhardt: Reformations- und Lutherfeiern (Anm. 18). S. 214. Zusammenschau etwa bei Manfred Hettling, Paul Nolte: Bürgerliche Feste als symbolische Politik im 19. Jahrhundert. In: Manfred Hettling, Paul Nolte (Hg.): Bürgerliche Feste. Symbolische Formen politischen Handelns im 19. Jahrhundert. Göttingen 1993. S. 7-36.

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und Dankfesten zu lutherischen Reformationsjubiläen nicht übersehen; man hat jedoch den Eindruck, daß die Friedensfeste im beginnenden 19. Jahrhundert noch schneller als die letztgenannten ihren religiösen Gehalt einbüßten. Nicht zuletzt durch ihren konkreten Anlaß bedingt, nutzten lokale Eliten Friedensfeste zur Darstellung politisch-dynastischer Gesinnung, wobei die komplizierte Situation zwischen Sachsen und Preußen nach 1815 diese Indienstnahme besonders gefördert haben mag. Von ihrem sich seit Ende des 18. Jahrhundert ebenfalls im Wandel befindlichen Augsburger Pendant unterschieden sich die kursächsischen Friedensfeste schon seit dem 17. Jahrhundert durch die Entkoppelung verschiedener identitätsstiftender Funktionen. Während in Augsburg alles reformatorisch-lutherische Gedenken in den Friedensfesten kulminierte - Reformation, Parität, aktuelle politische Ereignisse wurden hier zusammengeführt existierten in Kursachsen mit dem jährlichen Reformationstag und den jeweiligen Reformationsjubiläen zwei parallele und sogar wichtigere Überlieferungsstränge religiöser Identität, die gemeinsam mit den Dankfesten aus Anlaß von Friedensschlüssen Quelle religiöser wie territorialer Integration wurden. Die historische Perspektive lutherischen Selbstverständnisses war hier der Thesenanschlag von 1517; den Friedensfesten fehlte eine solche Perspektive ganz, sie blieben in Kursachsen chronologisch gesehen auf politische Aktualitäten bezogen. Durch diese Parallelität wurde das einzelne Fest entlastet, durch ihre Summierung jedoch eine anhaltende Wirkung hinsichtlich der religiös-politischen Identitätsstiftung erzielt, die seit Ende des 18. Jahrhundert auch in ein sächsisch-"nationales" Landesbewußtsein einfloß.

IV. Tradition und Innovation

Friedensfeste und Reformationsjubiläen im 19. Jahrhundert - Augsburger Festkultur im mehrkonfessionellen Bayern Stefan Laube

"Alles, was in diesen Darstellungen geschieht, hat nur den Zweck, den Anwesenden die mythische Vergangenheit des Klans ins Gedächtnis zu rufen." 1 Dürkheims Deutung der Festpraktiken ferner Naturvölker scheint auch auf das neuzeitliche Augsburg zu passen, wenn man erfährt, wie intensiv in der Burg des Protestantismus und der Burg des Katholizismus2 konfessionelle Gruppen die Gelegenheit nutzten, an Gedenktagen Mythen der eigenen Vergangenheit zu pflegen. So feierte Augsburg am Tag vor dem Friedensfest regelmäßig den Heiligentag der römischen Märtyrerin Afra, zwei Tage nach dem Friedensfest erinnerten die geschichtsbewußten Augsburger, insbesondere Angehörige der Weberinnung an die Lechfeldschlacht und damit an das andere fur die Augsburger Stadtgeschichte so identitätstiftende Ereignis. Da von konfessionellen Exzessen an diesen Tagen nichts überliefert ist, kann davon ausgegangen werden, daß lokalpatriotische Momente ausgleichend wirkten. Vielleicht gingen konfliktmildernde Wirkungen schon davon aus, daß bei der Feier einer konfessionellen Gruppe immer die andere in der gleichen Zeit mit ihrer eigenen Feier beschäftigt war. Das Friedensfest blieb trotz volkstümlicher Elemente ein verinnerlichtes Fest, sein provokativer Gehalt hielt sich in Grenzen und war nicht mit dem 12. Juli in Belfast zum Beispiel zu vergleichen, an dem die Protestanten bis heute in Erinnerung an den Sieg des englischen Königs Wilhelm von Oranien über den katholischen König Jakob II. von 1690 einen Traditionsmarsch durch katholische Wohnviertel veranstalten. Dennoch war das Friedensfest am 8. August ein regelrechtes Konfessionsfest. Anlaß der Erinnerung war weniger der Frieden als die religiöse Unterdrückung im

Emile Dürkheim: Elementare Formen des religiösen Lebens. Frankfurt a.M. 1981 (frz. Orig. 1912). S. 499f. Wilhelm Heinrich Riehl: Augsburger Studien (1857). In: Ders.: Culturstudien aus drei Jahrhunderten. Stuttgart 1859. S. 324.

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Stefan Laube

Krieg.3 Der 24. Oktober, der Tag des Westfälischen Friedensschlusses von Münster, hätte genommen werden müssen, wenn man wirklich nur an den Frieden hätten denken wollen.4 Aber daran bestand in Augsburg nur wenig Interesse. Stattdessen eröffnete der Augusttermin eine viel einladendere Perspektive. An diesem Datum konnte sich im kleinräumigen Rahmen evangelisches Selbstverständnis besonders gut herausbilden, da es immer wieder möglich war, die in rückblickender Wahrnehmung stets präsente Unterdrückungssituation des Augsburger Protestantismus zwischen 1517 und 1648 an den zeitgenössischen Verhältnissen des modernen Bayern zu messen. Heinrich Puchta, Pastor der Barfußerkirche, sparte in seinem Kurzen Unterricht über das hohe Friedensfest in Augsburg von 1858 eine moderne Variante des schon 1748 von Samuel Urlsperger zusammengestellten Leitfadens - nicht mit Superlativen, als er auf den singulären Charakter des Gedenktages einging: Denn keine deutsche Stadt schwebte in so langer und großer Gefahr, die theuersten Güter der Gewissens- und Glaubensfreiheit und der reinen Lehre zu verlieren, als unser Augsburg.5 Nicht wenige Augsburger Protestanten im 19. Jahrhundert gefielen sich in Konstruktionen einer Leidensgeschichte, die dazugehörigen Ereignisse von Luthers Thesenanschlag über die Augsburger Konfessionsübergabe bis zum Restitutionsedikt waren austauschbar und wurden fast immer unter denselben apodiktischen Vorzeichen bewertet. Es [das Augsburger Bekenntnis] hat den schwersten Kampf glorreich bestanden. Unter den mißlichsten Umständen, die sich denken lassen, unter den drohendsten Gefahren, die es auf Erden gibt, ist dieses Glaubensbekenntniß heute vor dreihundert Jahren zum erstenmale ausgesprochen worden.'' Als im Jahre 1848 der 200. Jahrestag des Westfälischen Friedens direkt mit den revolutionären Ereignissen kollidierte und das Oberkonsistorium zum Gedenken an den Westfälischen Frieden allenfalls bereit war, die Reformationsfeier auf den 29. Oktober vorzuverlegen,7 hatte das lokale Fest von Augsburg die ganze Last dieser Erinnerung zu tragen.8

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Siehe v.a. Etienne Frangois: Die unsichtbare Grenze. Protestanten und Katholiken in Augsburg 1648-1806. Sigmaringen 1991 (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg. Bd. 33). S. 153ff. Siehe Heinz Duchhardt: Das Feiern des Friedens. Der Westfälische Friede im kollektiven Gedächtnis der Friedensstadt Münster. Münster 1997; Konrad Repgen: Westfälischer Friede. Ereignis und Erinnerung. In: HZ 267. 1998. S. 615-647. Heinrich Puchta: Kurzer Unterricht über das hohe Friedensfest. Ein Denkmal der Erinnerung für das Evangelische Augsburg. Augsburg 1858. S. 2. Der Autor wandte ein besonders beliebtes Mittel zur Popularisierung der reformationsgeschichtlichen Materie an, indem er die Ereignisse, die zum Friedensfest führten, in einfachen Fragen und Antworten erschloß. August Bomhard: Predigt am 3ten Jubiläum der Uebergabe der A.C. am 25.6.1830. In: Homiletisch-Liturgisches Correspondenzblatt. Nr. 43. 27.10.1830. Sp. 683f. Siehe Oberkonsistorium München. Arnold. 27.9.1848. LkA Nürnberg Dek. Nürnberg 368. Die Jubelfeier sei auf hehre Weise in allen evangelischen Kirchen von Augsburg begangen worden. Augsburger Tagblatt: Nr. 218. 10.9.1848. Der 29. Oktober konnte gerade auch die Katholiken ansprechen, da sich an diesem Tag die Prager Schlacht jährte.

Friedensfeste

und Reformationsjubiläen

im 19.

Jahrhundert

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I.

Der Augsburger Friedenstag war stets flexibel genug, zeitgemäße politische, staatlich approbierte Strömungen aufzunehmen. Auch der 18. Oktober - der Völkerschlachtstag - und der 2. September - der Sedanstag - , die beide an siegreiche Kriege erinnerten, waren im weiteren Sinne Friedenstage und wurden auch so genannt. Der dort vergegenwärtigte konfessionenübergreifende Nationalismus mit protestantischen Wurzeln spiegelte sich auch im traditionellen Friedenstag von Augsburg. So konnte der Augsburger Pfarrer der Barflißerkrche Philipp Friedrich Pöschel den ersten Jahrestag der Völkerschlacht fur das neue Friedensfest halten. 9 Am 8. August des Jahres 1871 wurde fur den Wiederaufbau der in der Schlacht bei Wörth zerstörten evangelischen Kirche im elsässischen Froschweiler Geld gesammelt.' 0 Aber im Vordergrund blieb die Verknüpfung des Friedenstages mit anderen Reformationsgedenktagen. Im 17. und 18. Jahrhundert war der Termin des Reformationsgedenktages weitgehend uneinheitlich geregelt gewesen." Setzte Kurfürst Georg I. von Sachsen 1667 anläßlich der 150-Jahr-Feier des Thesenanschlags ein Signal, nämlich den 31. Oktober zum wichtigsten Gedenktag der Reformation zu machen, waren in Süddeutschland und Bayern noch andere Gedenkgewohnheiten üblich.12 Hier verdichteten sich die kommemorativen Akte auf den 25. Juni, den Tag der Übergabe der Augsburger Konfession. Nürnberg nahm die Säkularfeier von 1730 zum Anlaß, alljährlich an diesem Termin der Reformation zu gedenken. Hier bot sich für die alte Reichsstadt ein stärkeres Identifikationspotential an, da sie zu den ersten Reichsstädten gehörte, die die Konfessionsschrift

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Philipp Friedrich Pöschel: Das große Friedensfest oder das neue Friedensfest. Nürnberg 1814. Augsburger Tagblatt: Nr. 213. 6.8.1871. S. 1978. Siehe auch: Zur Erinnerung an das Friedensfest in Augsburg am 18. Juni 1871. Reden der Herren Prof. Dr. Hecker und Bürgermeister Fischer, gehalten bei der im Fronhof stattgefundenen Feier. Eine jährliche Danksagung für die Einführung der Reformation fand nach den frühen Kirchenordnungen Bugenhagens in Braunschweig am 1. September seit 1528, in Hamburg am 6. September seit 1529 und in Lübeck seit 1531 zu Trinitatis statt; in Pommern war seit 1568 der Martinstag und Geburtstag des Reformators am 10. November, in Eisleben sein Todestag am 18. Februar der zentrale Tag des Reformationsgedächtnisses. Im mittel- und süddeutschen Raum spielte neben dem 25. Juni auch der örtliche Kirchweihtag eine Rolle. Siehe zur Entstehung des Reformationstages: Frieder Schulz: Reformationsfeste. In: Evangelisches Kirchenlexikon. Bd. 3. Göttingen 1992. Sp. 1492; Paul Graff: Geschichte der Auflösung der gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche. Band 2. Göttingen 1939. S. 107ff, S. 144ff. Das Kalenderdatum differierte in damaliger Zeit stark; siehe auch Otto Jordahn: Georg Friedrich Seilers Beitrag zur Praktischen Theologie und kirchlichen Aufklärung. Nürnberg 1970 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns. Bd. 49). S. 253.

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signiert hatten." Individuelle stadtgeschichtliche Daten zur Einfuhrung oder Etablierung der Reformation spielten auch im reformatorischen Gedenkgeschehen von Bayern eine große Rolle, wie neben dem 8. August in Augsburg vor allem noch der 15. Oktober in Regensburg belegt.14 Im Zuge der allgemeinen Feiertagsreduzierung in der Aufklärung schieden alle Heiligen-, Marien- und Aposteltage aus, fur die es keine biblische Legitimation gab.'5 Zahlreiche lokale Obrigkeiten legten den Reformationstag mit dem Luthertag zusammen und verschoben ihn von einem Werktag auf den nächsten Sonntag.16 Erst 1819 wurde mit dem 31. Oktober der durch Luthers Thesenanschlag symbolisierte Ablaßstreit zum zentralen Erinnerungstag der Reformation in Bayern erhoben.17 Diese vereinheitlichenden Beschlüsse zur evangelischen Liturgik mußten sich gegen zahlreiche Resistenzen und alte Gewohnheiten an der Basis durchsetzen; Vertreter der kirchlichen Aufklärung wie zum Beispiel Georg Friedrich Seiler waren weiter fur die Beibehaltung des 25. Juni oder des 25. September; letzterer Tag erinnerte an den Religionsfrieden. 18 Friedenstage und Reformationsgedenktage stellten eine kommemorative Einheit dar. So konnte ein Lehrer vom Augsburger Gymnasium anläßlich des Reformationsjubiläums vom 31. Oktober 1817 eine populäre Flugschrift über Schicksale der christevangelischen Lehre in Augsburg von ihrer Ausbreitung bis zum Westphälischen Frieden veröffentlichen, die ausdrücklich zugleich fur jedes

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Bis 1817 war der Termin des 25. Juni in Nürnberg üblich. Siehe Karl Schornbaum: Zur Geschichte des Reformationsfestes. In: Geschichtliche Studien. Albert Hauck zum 70. Geburtstage, dargebracht von Freunden, Schülern, Fachgenossen und dem Mitarbeiterkreis der Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche. Leipzig 1916. S. 267; siehe auch Matthias Simon: Evangelische Kirchengeschichte. 2. Aufl. München 1952 (zuerst 1941). S. 493. Siehe zu Lokalterminen: P. Graff (wie Anm.l 1). S. 107ff; Petra Lorey-Nimsch: Die Feste der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde. In: Karl Möseneder (Hg.): Feste in Regensburg. Von der Reformation bis zur Gegenwart. Regensburg 1986. S. 27-31. Siehe: M. Simon: (wie Anm. 13). S. 529. Feste und Feiertage. In: Conversations-Lexicon. Band VI. Leipzig 1877. S. 473; siehe auch Max L. Baeumer: Lutherfeiern und ihre politische Manipulation. In: Reinhold Grimm. Jost Hermand (Hg.): Deutsche Feiern. Wiesbaden 1977. S. 48. Verordnung vom 24.9.1819. LkA Nürnberg OKM 713; siehe auch Hermann Clauß: Zur Geschichte des Reformationsfestes in Franken und Schwaben. In: ZBKG 5. 1930. S. 165-168. Gleichzeitig wurde auch der Büß- und Bettag auf den ersten Sonntag der Fastenzeit, das Erntefest auf den ersten Sonntag nach Michaelis einheitlich festgelegt. Nach: Karl Heinrich Fuchs: Annalen der protestantischen Kirche, 3. Heft. Nürnberg 1823. S. 80f. O. Jordahn: Georg Friedrich Seilers Beitrag zur praktischen Theologie (Anm. 12). S. 253; in Württemberg oder Baden blieb hingegen der 25. Juni der zentrale Reformationsgedenktag; siehe: T. Kliefoth: Historisch-statistischer Nachweis über Ursprung, Form und Zeit der Bußtage, der Erinnerung an die Todten, des Reformationsfestes und anderer sogenannter kleiner Feste. In: Allgemeines Kirchenblatt für das evangelische Deutschland 2. 1853. S. 565f.

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kommende Friedensfest vorgesehen war.' 9 Außerhalb des heilsgeschichtlichen Halbjahres von Advent bis Pfingsten bestand in Augsburg vom 8. August beziehungsweise 25. Juni über den 2. September und 18. Oktober bis zum 31. Oktober beziehungsweise 10. November immer wieder die günstige Gelegenheit, im Gedenken an die Überwindung des Papstes und den beiden Napoleons einen politisch-geschichtsphilosophischen Zusammenhang zu konstruieren, der gebetsmühlenhaft jährlich in kompakter Form repetiert werden konnte. Nur ein Beispiel, wie sich in der Augsburger Festkultur ominöse Daten aus der Konfessionen-, Nationsoder Dynastiegeschichte immer wieder verquicken konnten: Mitglieder des Festkomitees trafen sich im Vorfeld des Lutherjubiläums von 1883 am symbolträchtigen 18. Oktober, an dem nicht nur der 70. Jahrestag der Völkerschlacht gefeiert werden konnte, sondern auch der 365. Gedenktag von Luthers Aufenthalt im Augsburger Karmeliterkoster - zudem wurde Kronprinz Friedrich 52 Jahre alt und beschlossen eine große Festversammlung im Hof des Kollegiums von St. Anna, wo die unterdrückten Protestanten während des Dreißigjährigen Krieges wenigstens ihren Gottesdienst hatten feiern können.20 Im Laufe des 19. Jahrhunderts kamen dann neue reformatorische Gedenktage hinzu. Die Geburts- und Todestage Melanchthons oder Gustav Adolfs wurden immer öfter zum Objekt der Kommemoration.21 Neben dem jährlich praktizierten Friedensfest hatte der Augsburger Protestantismus im 19. Jahrhundert mehrfach Gelegenheit, größere Jubiläen zu feiern, wie zum Beispiel 1817 (300 Jahre Luthers Thesenanschlag), 1830 (300 Jahre Übergabe der Augsburger Konfession), 1846 (300. Todestag Luthers), 1883 (400. Geburtstag Luthers), 1894 (300. Geburtstag Gustav Adolfs) oder 1896 (350. Todestag Luthers). Man merkt an der Aufzählung, die keineswegs vollständig ist: Die säkulare Erinnerung nimmt im Protestantismus eine hervorragende Stellung ein. Aber das darf nicht den Blick dafür verstellen, daß auch der Augsburger Katholizismus reichlich Gelegenheit hatte, Mythen zu vergegenwärtigen: zu nennen wäre das Martyrium der Hl. Afra immer am 7. August, kulminierend in den Jubiläen von 1804 und 1904, dann an den Heiligentag des Hl. Ulrich am 4. Juli sowie seine Jubiläen von 1855, 1873 und 1893.22 Der Ulrichstag war gleichzeitig ein Mitsom19

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Georg Heinrich Kayser: Schicksale der deutsch-evangelischen Lehre in Augsburg von ihrer Ausbreitung bis zu ihrer Begründung durch den westphälischen Frieden. Als geschichtliches Erinnerungsbüchlein für alle Glieder der hiesigen evangelischen Gemeinden am Jubelfeste der Reformation und an jedem künftigen Friedensfeste. Augsburg 1817. Siehe Eberhard Schott: Die Luther-Feier in Augsburg am 10. und 11. November 1883. Augsburg 1883. S. 16. Die populären evangelischen Hauskalender, in denen sich das Gedächtnis an für die evangelische Identität zentrale Personen immer mehr verstärkte, spiegelten die zunehmende Historisierung aller Lebensbereiche bis in die Alltagswelt hinein; vgl. die seit 1850 erschienenen Jahrgänge des Evangelischen Jahrbuchs von Ferdinand Piper. Siehe zu diesen Tagen Peter Rummel: Besondere Feiern des heiligen Ulrich in Augsburg. In: JVAB 7. 1973. S. 249-273; Theodor Rolle: Die 1500-Jahrfeier des Martyriums der heiligen

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merfest, an dem man besonders auf dem Land volkstümliche Bräuche pflegte. In der Stadt hingegen blieb er, wenn man der Beschreibung des Landgerichtsarzt Michael Koller in seinem Physikatsbericht von 1861 Glauben schenken darf, ebenso wie der Afratag im Rahmen einer rein kirchlichen Feier.23 Nicht zu vergessen sind auch die Papstjubiläen der Kulturkampfzeit Pius IX. von 1869, 1871 und 1877; später dann die von Leo XIII. in den Jahren 1887, 1893 und 1903 sowie von Pius X. im Jahr 1908. Konfessionelle Erinnerungsfeiern in Augsburg standen also im Kontext des evangelischen und katholischen Kirchenjahres. Immer wieder wurde an diesen Erinnerungstagen die katholische Frömmigkeitspraxis, die viel stärker die Sinne des Sehens, Fühlens und Greifens ansprach, deutlich; auf der anderen Seite die in sich gekehrte evangelische Frömmigkeit mit ihrem Fundament in Wort, Schrift und Chor.24 Artikel 7 der Confessio Augustana von 1530 definierte die Kirche als eine Glaubensversammlung, bei der das Evangelium rein gepredigt werde. Geradezu idealtypisch reflektierte die gottesdienstliche Feier an Reformationsgedenktagen die evangelische Gottesdienstordnung, in der statt des Sakraments das gelesene, gesprochene und gesungene Wort die Hauptrolle spielte, wobei - und das war neu - konsequent das Evangelium mit der weltlichen, lokal gebundenen Geschichte verbunden wurde. Hier übernahm der Protestantismus Gedenkgewohnheiten, die innerhalb der jüdischen Religion schon längst praktiziert wurden. Denn an hohen jüdischen Feiertagen war es typisch, die Heilsgeschichte mit dem nationalen Gedenken zu verquicken, ob es sich nun um Rosch Ha-Schana, Jom Kippur, Purim oder Pessach handelte.25 Parallelen zum Augsburger Friedenstag werden besonders am 9. Aw deutlich, dem nationalen Trauertag Tischa Beav, an dem sich die Israeliten an die Zerstörung des ersten Tempels in Jerusalem durch die Babylonier im Jahr 586 v. Chr. sowie des zweiten an derselben Stelle durch die Römer 70 n. Chr. erinnerten.26 Im Unterschied zum Friedenstag fehlte diesem Tag aber das gute Ende. Die konfessionellen Erinnerungsfeiern unterschieden sich vom Erinnerungsobjekt her: Die Papstjubiläen gedachten der kirchlichen Laufbahn noch lebender Personen, Heiligenfeste in der Regel des Todes schon lang verstorbener Personen

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Afra im Jahr 1804/05. Eine religiöse Demonstration gegen Aufklärung und Säkularisierung. In: JVAB22. 1988. S. 105-122. B S B C g m 6874-10. E. F r a n c i s : Die unsichtbare Grenze (Anm. 3). S. 238; Ernst Walter Zeeden: Die Entstehung der Konfessionen. Grundlagen und Formen der Konfessionsbildung im Zeitalter der Glaubenskämpfe. München 1964. S. 133. Siehe Leopold Kohn: Katechismus der israelitischen Religion. Augsburg 1890; grundlegend dazu Yosef Hayin Yerushalmi: Biblische und rabbinische Grundlagen. Der Sinn von Geschichte, Gedächtnis und Geschichtsschreibung. In: Ders.: Zachor: Erinnere Dich! Jüdische Geschichte und jüdisches Gedächtnis. Berlin 1988 (amerik. Orig. 1982). S. 17-41. Siehe Zeugnisse jüdischer Geschichte und Kultur. Jüdisches Kulturmuseum Augsburg. Augsburg 1985. S. 99.

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oder ihrer posthumen Karriere im Rahmen kanonischer Heiligsprechung. Gerade Reformationsjubiläen stellten herausragende epochale Ereignisse, wie Luthers Thesenanschlag oder die Übergabe der Konfessionsschrift, dann nicht nur den Tod, sondern auch den Geburtstag Luthers sowie anderer Reformatoren ins Zentrum der Retrospektive. Die bei weitem nicht so pointiert personalisierte jüdische Erinnerung hatte ihren Schwerpunkt in Ereignissen der Leidensgeschichte des jüdischen Volkes, die sich in der fernen Heimat abgespielt hatten und zum Teil schon mehrere Jahrtausende zurücklagen.

II. Das moderne Bayern funktionierte nach den verfassungsrechtlich sanktionierten Prinzipien der Religions- und Gewissensfreiheit und verwirklichte damit in großräumigem Maßstab, was im lokalen Rahmen - gewiß in modifizierter Form schon spätestens seit dem Westfälischen Frieden rechtliche Praxis gewesen war.27 Das im gesamten 19. Jahrhundert geltende Religionsedikt von 1818 garantierte den Kirchen liturgische Entfaltungsmöglichkeiten, vorausgesetzt die öffentliche Ruhe, Sicherheit und Ordnung blieben gewahrt. Das bisher auf kleinräumigen Territorialstrukturen beruhende konfessionelle Prinzip bekam kraft der bayerischen Verfassung einen flächendeckenden, weit in die Zukunft weisenden rechtsstaatlichen Rahmen. Verfassungsgrundlage des auf Mobilität und einen einheitlichen Staatsverband zielenden modernen bayerischen Staates, in dem sich wie in Augsburg ein knappes Drittel der Bevölkerung zum protestantischen Glauben bekannte, war die Verankerung individuell begründeter Glaubensfreiheit, die die korporativen monokonfessionellen beziehungsweise paritätischen Verfassungsstrukturen ablöste.28 In veröffentlichten Kantaten und Gebeten zum Friedensfest spiegelte sich das Prinzip der Religions- und Gewissensfreiheit meist ganz obrigkeitskeits- und damit konfessionskonform, wenn huldvoll und fromm dem bayeri27

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Vgl. Gerhard Pfeiffer: Die Umwandlung Bayerns in einen paritätischen Staat. In: Gedächtnisschrift Walter Winkler. Bayern. Staat und Kirche, Land und Stamm. München 1960. S. 35100. Das Prinzip der konfessionellen Toleranz wurde insbesondere von der mobilen Beamtenschaft forciert. Die übrige Bevölkerung hingegen lebte noch lange Zeit schichtenübergreifend in streng abgegrenzten konfessionellen Milieus. Siehe Werner K. Blessing: Staat und Kirche in der Gesellschaft. Institutionelle Autorität und mentaler Wandel. Göttingen 1982 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft. Bd. 51). S. 56f; Wolfgang Z o m : Der bayerische Staat und seine evangelischen Bürger 1806-1945. In: ZBKG 29. 1960. S. 219-236; Winfried Müller: Zwischen Säkularistaion und Konkordat. Die Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche. In: Walter Brandmüller (Hg.): Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte. Bd. 3: V o m Reichsdeputationshauptschluß bis zum Ersten Weltkrieg. St. Ottilien 1991. S. 85131.

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sehen König gedacht wurde.29 So machte ein bayerischer Regierungsrat zwar in seiner Jubiläumsschrift von 1829 aus seiner Verehrung gegenüber dem bayerischen König als Garanten der Gewissensfreiheit keinen Hehl.30 Aber etwas politischer war da schon Philipp Friedrich Pöschel eingestellt, der in seiner Predigt zum Friedensfest von 1818 die Vollendung des paritätischen System pries: Wir können dieses Fest nicht mehr feiern,ohne der neuesten Siege der Wahrheit und des Rechts zu gedenkend Mit dem modernen Prinzip war mehr als Toleranz gemeint, es erweiterte den rechtlichen Schutz auf das gesamte Christentum, von Anfang an auch auf die reformierte Kirche und wenig später im Vormärz zusätzlich auf die griechische Orthodoxie. Die moderne bayerische Staatsnation verstand sich als christliches Gemeinwesen. Dies bedeutete fur die jüdische Religion, daß sie außerhalb blieb. Der im Judenedikt von 1813 garantierte Grad von Rechtssicherheit wurde durch den bis 1861 gültigen Matrikelparagraph relativiert, der den Handlungsspielraum der jüdischen Minderheit bedeutend einschränkte.32 Alle Feiern in Augsburg im 19. Jahrhundert mußten unter den grundlegenden rechtlichen Prämissen des Religionsedikts und des Konkordats von 1817/1818 stehen.33 Das Religionsedikt behandelt die kirchlichen Feste als einen Gegenstand gemischter Natur. Sie tangierten zeitweise stark das öffentlich-bürgerliche Leben, insbesondere dann, wenn Festzüge veranstaltet wurden. Sie entsprachen nicht unbedingt der evangelischen Liturgietradition, wurden aber dennoch oft praktiziert, wenn auch gerade in konfessionsgemischten Regionen oder Städten das Bedürfnis, sich in den Festbräuchen voneinander abzugrenzen, besonders ausgeprägt war, so daß bei manchen Reformations- oder Lutheijubiläen in Augsburg oder 29

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Gebet am Toleranz- und Friedensfeste der Evangelischen Gemeinden in der königl. Baierischen Stadt Augsburg, [ca. 1825]; - Kantate zur Gedächtnißfeyer des westphälischen Friedens für die evangelischen Gemeinden der königl. baierischen Stadt Augsburg. Für die Jahre 1816 und 1817. [C. J. Wagenseil]: Der achte des Monats August 1629. Gefeiert nach zweihundert Jahren, am 8. August 1829. Eine kurze geschichtliche Belehrung für Viele, besonders der aufblühenden protestantischen Jugend zu Augsburg. S. 15. Philipp Friedrich Pöschel: Predigt an dem jährlichen, von den evangelischen Kirchengemeinden dahier zu feiernden Friedensfeste gehalten am 8ten August 1818. Augsburg 1818. S. 13. Bis heute fehlt eine Monographie über die religiöse Minderheit der bayerischen Juden im 19. Jahrhundert in Bayern, die modernen Maßstäben genügt. Vgl. daher immer noch Stefan Schwarz: Die Juden in Bayern im Wandel der Zeiten. München 1963; Richard Grünfeld: Ein Gang durch die Geschichte der Juden in Augsburg. Festschrift zur Einweihung der neuen Synagoge in Augsburg am 4. April 1917. Augsburg 1917; siehe auch Peter Fasst: Die wirtschaftliche und soziale Stellung der Juden in Augsburg im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. In: Ders. (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Schwaben. Sigmaringen 1994 (Irseer Schriften. Bd. 2). S. 129-146. Siehe Texte bei Ernst Rudolf Huber. Wolfgang Huber: Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts. Bd. 1: Staat und Kirche vom Ausgang des alten Reiches bis zum Vorabende der bürgerlichen Revolution. Berlin 1973. S. 131. S. 170f.

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Regensburg keine Festzüge veranstaltet wurden. Dabei betonten die bayerischen Feststrategen stets, evangelische Spiritualität um so unverfälschter darzustellen. Anders verhielt es sich in den Kirchenräumen, wo sich konfessionell divergierende Frömmigkeitspraktiken ungehindert entfalten konnten; hier war ungestört von der andersdenkenden Außenwelt ein autonomer Raum zur Vorstellung liturgischer Gebräuche geschaffen. 34 Nur weil das Prinzip der Religions- und Gewissensfreiheit in Kraft war, war es in Augsburg möglich, daß sich die einzelnen Kirchen in umfassende Erinnerungsgemeinschaften verwandelten, damit in immer engerer Kooperation mit bürgerlichen Gruppen religiöse Gedenkfeste veranstaltet werden konnten. Daß dies nicht immer konfliktfrei vor sich ging, zeigen beispielhaft einige wichtige Erinnerungsfeiern im 19. Jahrhundert.35

III. Hauptbestandteile des Reformationsfestes von 1830 waren ernsthafter Glaube und historische Erinnerung. Die beherzte Integration gesellschaftlicher Entwicklungen im Laufe des Jubiläums von 1817 stand im scharfen Kontrast zum weitgehend entpolitisierten Säkularfest der Confession Augustana im Jahre 1830. Gegenstand des Gedenkens war im Unterschied zu Luthers Thesenanschlag jetzt ein öffentliches und offizielles Ereignis, das im süddeutschen Raum stets die Erinnerung an den Thesenanschlag überlagert hatte. Auf dem Reichstag von Augsburg 1530 hatten Fürsten und Vertreter von Reichsstädten dem Kaiser das neue Glaubensbekenntnis übergeben und dadurch in aller Öffentlichkeit ihre religionspolitische Position deutlich gemacht. Die Erinnerung daran schärfte aber kaum das politische Bewußtsein der Festveranstalter kurz vor der Julirevolution. Ganz im Gegenteil: Die evangelische Kirche stand im Zeichen einer binnenkirchlichen Kontroverse zwischen Vertretern des theologischen Rationalismus und der neuen Orthodoxie, die sich immer deutlicher zugunsten des neulutherischen Konfessionalismus entschied.36 Manche hoben im Rückenwind des wiedererstarkten Neuluther-

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Siehe dazu Stefan Laube: Fest, Religion und Erinnerung. Konfessionelles Gedächtnis im Königreich Bayern. München 1999 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte. Bd. 118). S. 99-103. S. 108-113. Grundlegend dazu Johannes Burkhardt: Reformations- und Lutherfeiern - Die Verbürgerlichung der reformatorischen Jubiläumskultur. In: Dieter Düding, Peter Friedemann, Paul Münch (Hg.): Öffentliche Festkultur. Politische Feste in Deutschland von der Aufklärung bis zum Ersten Weltkrieg. Reinbek 1988. S. 212-237. Siehe Gottfried Thomasius: Wiedererwachung des evangelischen Lebens in der lutherischen Kirche. Ein Stück süddeutscher Kirchengeschichte (1800-1840). Erlangen 1867. S. 73f.

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turns die zentrale Bedeutung der Augsburger Bekenntnisschrift hervor, die über eine nur symbolische Orientierungshilfe hinausgehe. 37 Außerordentliche Kirchenfeiern bedurften einer königlichen Bewilligung. Reformationsjubiläen waren landesherrlich genehmigte Ereignisse. Zwei Topoi dominierten die geistlichen Genehmigungsanträge gegenüber dem Staat zur Veranstaltung dieser Kirchenfeier: der Rekurs auf die Geschichte und der auf die Glaubensfreiheit.38 Der langjährige Oberkonsistorialpräsident Friedrich von Roth betrieb Geschichtspolitik, wenn er gegenüber dem bayerischen Staat mit Hilfe historischer Argumente die zentrale Bedeutung dieses reformationsgeschichtlichen Ereignisses nicht nur für das evangelische Glaubensbekenntnis herausstellte. Die öffentliche Übergabe des Glaubensbekenntnisses vor Kaiser und Reich habe widerlegt [...] daß sie Anhänger einer Irrlehre und als Abtrünnige der christlichen Kirche zu betrachten seyen. Vielmehr sei dieser loyal-friedliche Akt vom Kaiser selbst herbeigeführt worden, um den Weg zu einer religionspolitischen Übereinkunft zu bahnen.39 Intensive Geschichtserinnerung und Traditionspflege gehörten zum Selbstverständnis der evangelischen Kirche. Das Oberkonsistorium forderte die bayerischen Dekanate auf, sich über die Modalitäten der Säkularfeier von 1630 und 1730 [...] detaillierte historische Nachrichten zu verschaffen und solche mit Belegen binnen drey Monate hieher anzuzeigen und einzureichen,40 Engagiert wurde dieser Weisung Rechnung getragen. Zahlreiche Druckschriften, Verordnungsblätter, vor allem zum letzten Reformationsjubiläum von 1730, wurden ausgegraben. Gerade die Feiern in Augsburg mußten fur das 1830er Jubiläum Maßstabcharakter haben. Augsburg gehörte ebenso wie Wittenberg zu den classischen Orten41 der Reformation. Der protestantische Kirchenvorstand von Augsburg meldete sich beim Oberkonsistorium mit der Bitte, das Fest ähnlich wie 1817 über drei Tage lang zu feiern, da es sich bei der Konfessionsübergabe um eine weltgeschichtliche Begebenheit42 handele. Der Augsburger Bürgermeister Anton Barth berichtete darüber, wie in früheren Jahrhunderten das Fest in seiner Stadt gefeiert worden sei. Während es im Jahre 1630 noch gar nicht stattgefunden habe, konnte der Bürgermeister für 1730 ein Festprogramm ausfindig machen, aus dem aber auch hervorging, daß von Veranstaltungen außerhalb der Kirche nichts belegt sei.43 Dabei 37

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Friedrich Wilhelm Philipp Ammon: Denkmal zur dritten Säcularfeier der Uebergabe der Augsburger Confession in den deutschen Bundesstaaten. Erlangen 1831. Laube: Fest (Anm. 34). S. 77-84. Bericht von Roth an das Innenministerium. 22.3.1830. HStA München MK 39289. Oberkonsistorium München an die Konsistorien. 18.4.1829. HStA München MK 39289. F. W. P. Ammon (Anm. 37). S. 200-203: Augsburg wurde dort neben Wittenberg mit Bretten, Coburg, Eisleben und der Wartburg genannt. Dekanat Augsburg. 5.5.1830. LkA Nürnberg Dek. Augsburg 209. Stadt Augsburg an die Regierung des Oberdonaukreises. 21.11.1829. StaatsA Augsburg Reg. 9472. Das Regierungspräsidium trug diese Informationen an das Innenministerium weiter. HStA München MK 39289. Siehe zu den Jubiläen von 1630 und 1730 Horst Jesse: Augsburg

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war bei den offiziellen Vertretern der Behörden der evangelischen Kirche stets eine besondere Rücksicht auf die Empfindlichkeiten der Katholiken präsent. Der Augsburger Dekan und Stadtpfarrer von St. Ulrich Ludwig Friedrich Krauß zitierte konfessionspolitische Passagen aus einer Verhaltensinstruktion von 1730.44 Eindringlich machte das Oberkonsistorium daraufhin alle bayerischen Dekanate darauf aufmerksam, [...] den versöhnenden Zweck der Confession im Auge zu behalten. Es komme darauf an, daß die Augsburger Konfession nicht als [...] ein Werk feindseliger Bestimmung, sondern als eine Schrift erkannt werde, durch welche die Reformation und die sie unterstützenden Fürsten sich bemüht haben, die eingerissenen Spaltungen zu beseitigen.4S Entschieden, aber gleichzeitig auch vorsichtig brachte das Oberkonsistorium sein Anliegen gegenüber dem Innenministerium zur Sprache. Die evangelische Kirche in Bayern hatte so einen engeren Spielraum als die im protestantischen Stammland Sachsen. Während dort das Fest vier Tage dauerte, waren die Vorstellungen der evangelischen Kirche in Bayern bescheidener. Das Oberkonsistorium war bereit, die Säkularfeier auf den 25. Juni zu beschränken, [...] nachdem selbst bei den hohen Kirchenfesten, Weihnachten, Ostern und Pfingsten der dritte Feiertag abgeschafft worden ist.46

IV. Gut ein halbes Jahrhundert später war der unterschiedliche Intensitätsgrad einer reformatorischen Gedenkfeier fast noch auffälliger, je nachdem, ob sie in traditionell evangelischen Hochburgen stattfand oder in katholisch dominierten Regionen, da sich die Kirchenreligion zunehmend in den Dienst bürgerlicher Selbstentfaltung stellte und dabei theatralische Formen annahm. So konnten anläßlich des Lutherjubiläums von 1883 in Sachsen, Thüringen und weiten Teilen Preußens aufwendige historische Umzüge stattfinden; zudem wurden Denkmäler oder Gedenktafeln enthüllt, Fest- oder Schauspiele aufgeführt, Bankette gegeben und Festreden gehalten. Auch Illuminationen und Fackelzüge waren ein verbreitetes Mittel der Inszenierung. Angepflanzte Lutherbuchen, -eichen und -haine vermit-

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1630. Die Leidenszeit des Protestantismus in Augsburg. Die Selbstdarstellung des Protestantismus in Augsburg um 1730. In: Ders. (Hg.): Das Augsburger Bekenntnis in drei Jahrhunderten 1530-1630-1730. Weißenhorn 1980. S. 51-96. Krauß an die Regierung des Oberdonaukreises. 21.11.1829. StaatsA Augsburg Reg. 9472. Oberkonsistorium an die Konsistorien. 28.4.1830. LkA Nürnberg O K M 1176/77. Oberkonsistorium an das Innenministerium. 22.3.1830. HStA München M K 39289.

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telten generationenübergreifend Erinnerung mit Hilfe der Flora.47 Im deutschnationalen Rückenwind suchte die evangelische Kirche nach öffentlichen Repräsentationsmöglichkeiten, die die katholische Kirche in ihren Prozessionen und Wallfahrten schon längst besaß.48 In Bayern stand das Fest unter anderen konfessionellen Voraussetzungen; hier gab es prinzipiell nur eine geistliche Feier in Kirche und Schule.49 Volksfeste auf Festwiesen, historische Kostümumzüge und offizielle Städtebeflaggungen unterblieben weitgehend. Die Festpraxis der bayerischen Landeskirche war defensiv. Dennoch empfanden große Teile der bayerischen Landeskirche in ihren offiziellen Verlautbarungen das verhaltene Engagement nicht als Restriktion. Vielmehr betonte die evangelische Kirchenleitung immer wieder ihre Absicht, die Luthergedenkfeier im echten und schlichten protestantischen Geiste abzuhalten. Daher habe man bewußt auf die Veranstaltung volksfestartiger Äußerlichkeiten verzichtet. Aber auch im simplifizierten Rahmen konnte das Lutherfest weite Kreise der Bevölkerung ansprechen.50 Günstigerweise fiel Luthers Geburtstag am 10. November und seine einen Tag später stattgefundene Taufe im Jahr 1883 auf ein Wochenende. Es war folglich nicht erforderlich, einen zusätzlichen Werktag für die Kirchenfeier zu opfern. Zudem erklärte sich Oberkonsistorialpräsident Adolf von Stählin bereit, den alljährlich zu begehenden Reformationstag, der 1883 auf den 4. November fiel, um eine Woche zu verschieben. Schließlich betonte die evangelische Oberbehörde, daß sich die Gottesdienstordnung am Luthertag ganz an der Liturgik des Reformationsfestes orientieren werde. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit in einem mehrheitlich katholisch geprägten Staat gehörte beim Lutheijubiläum in jener Zeit die eindringliche Mahnung der Kirchenführung an die Geistlichkeit, in ihren Ansprachen nicht der Konfessionspolemik zu verfallen: Vermieden möchten wir überdieß wissen, daß durch übertriebene kirchliche Feier, der ohnedieß in unserem Vaterlande tief zu beklagende confessionelle Hader noch weitere Nahrung und Ausdehnung erhalte.51 Dennoch schienen staatliche Behörden die konfessionelle Vorsicht zu übertreiben, wenn man erfährt, daß das Rektorat der Augsburger Studienanstalt St. Anna ohne Erfolg am Vormittag des 10. November eine religiöse Feier beantragte, womit nicht nur für die Schüler von St. Anna, sondern auch für die evangelischen Lehrer und Schüler des Realgymnasiums sowie der Industrie- und Kreisrealschule die Aussetzung des Unterrichts verbunden 47

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Siehe u.a. Hartmut Lehmann: Das Lutherjubiläum 1883. In: Jürgen Becker (Hg.): Luthers bleibende Bedeutung. Husum 1983 (Vorträge der Christian-Albrechts-Universität Kiel). S. 110. Siehe Wolfgang Hartmann: Der historische Festzug. Seine Entstehung und Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert. München 1976. S. 131. Siehe S. Laube: Fest (Anm. 34). S. 286f. Siehe Nürnberger Gedenkbuch der 400-jährigen Gedächtnisfeier der Geburt Dr. Martin Luthers. Nürnberg 1883. S. 3. Oberkonsistorium München an das Kultusministerium. 16.5.1883. HStA München MK 39290.

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sein sollte. Kultusminister Lutz verbot die Feier, obwohl nicht nur das örtliche Konsistorium, sondern auch das schwäbische Regierungspräsidium damit einverstanden waren.52 Die schon konzipierte, aber nicht gehaltene Rede des Religionslehrers Friedrich Boeckh erschien später gedruckt: darin brachte er seinen Protest zum Ausdruck.53 Wahrscheinlich war der ausgebrochene Konfessionalismus in der Gesellschaft auch der Grund, warum es 1883 nicht gelang, zur Erinnerung an die weltgeschichtliche Bedeutung der Reformation54 finanzielle Mittel für den Bau einer letztlich nie errichteten Konfessionskirche bereitzustellen. Ein Reformationsdenkmal sollte in Augsburg entstehen, ähnlich wie jene geplanten und teilweise schon realisierten von Worms, Wittenberg oder Speyer. Stattdessen wurde am Pfarrhaus von St. Anna auf staatliche Initiative nur eine Gedenktafel angebracht, die an Luthers Aufenthalt im Karmeliterkloster im Oktober 1518 während seiner Gespräche mit dem päpstlichen Legaten Cajetan erinnerte.55 Vergleicht man die Lutherfeier in Augburg von 1883 mit dem Papstjubiläum gut vier Jahre später, fallen eher die Gemeinsamkeiten im Verhältnis zwischen Staat und Kirche auf. Es war keinesfalls so, daß sich die katholische Festkultur in Augsburg besser entfalten konnte.56 In seinem Festeifer hob der Augsburger Pfarrer Anton Koch von St. Georg, der auch die weltlichen Feiern organisierte, gegenüber der Regierungsbehörde pointiert die konfessionelle Unbedenklichkeit des Papstjubiläums von 1887/1888 hervor, [...] daß die Ausserachtlassung alles Politischen und Andersconfessionellen streng zum Programm [gehöre]: Ein derart angelegter Festact dürfte geeignet seyn, viel nutzlos, ja schädlich Getrenntes wieder zu vereinen.51 Während in München der Magistrat den Papst mit einer Deputa-

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Kultusministerium an den Regierungspräsidenten von Schwaben, v. Hörmann. 3.11.1883. HStA München MK 39290. Siehe seine Vorbemerkung, Friedrich Wilhelm Boeckh: Rede für den Fest-Gottesdienst des Gymnasiums bei St. Anna in Augsburg am Tage der 400jährigen Jubelfeier der Geburt Luthers. Augsburg 1883. E. Schott: Luther-Feier (Anm. 20). S. 3f. Innenministerium. Freiherr von Feilitzsch. an die Regierung von Schwaben. 3.11.1883. HStA München MK 39290. So verwandelten sich Prozessionen der katholischen Kirche in den siebziger Jahren in einen kontroversen, politisch-öffentlichen Gegenstand. Ein Augsburger Magistratsbeschluß genehmigte zunächst die Ulrichsprozession vom 6.7.1873; einen Tag nach dem Umzug wandte sich der Magistrat mit einer Anzeige an den Staatsanwalt wegen Übertretung des Vereinsgesetzes, da diese Prozession zu den 'herkömmlichen' kirchlichen Prozessionen im Sinne des Art. 4, Abs. II des Vereinsgesetzes vom 26.2.1850 nicht gehört, [...J.Magistrat Augsburg. 7.7.1873. StadtA Augsburg D 4/12 291. (Hervorgeh. im Orig.) Koch, 16.12.1887; siehe dazu die Randnote vom Regierungspräsidenten Kopp: Ist wohl zur Zeit in Augsburg - Gott sei dank nicht notwendig. Regierung von Schwaben. 18.12.1887. StaatsA Augsburg Reg. Schwaben 18095.

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tion in der Nuntiatur beglückwünschte, 58 brachte in Augsburg die Einladung des Festkomitees zur weltlichen Papstfeier Ende 1887 den Regierungspräsidenten in Kalamitäten. In einer Stadt, in der Katholiken und Protestanten traditionell eng zusammenlebten, wollte er Neutralität wahren und wehrte sich gegen eine, in seinen Augen, indiskrete Passage im Einladungsschreiben des Komitees, die vom freundlichen Entgegenkommen59 des Regierungspräsidenten sprach. Pfarrer Koch fühlte sich zu einer ausfuhrlichen Rechtfertigung genötigt. Er hätte sich auf örtliche Autoritäten des Staates deswegen berufen, um die Katholiken anläßlich der Papstfeier im besonderen Maße zu mobilisieren. Er sei Seelsorger einer städtischen Gemeinde mit zahlreichen Angehörigen unterer sozialer Schichten; da sei es wichtig, Autoritäten zu stärken sowie die Bande zwischen Staat und Kirche. Mit Hinweis auf die Lutherfeier von 1883 betonte er: Während nämlich der Aufruf der Protestanten am 18.10.1883 von allen Ständen und Rangstufen ausnahmslos gezeichnet war, will das gleiche den Katholiken nicht gelingen, obgleich [...] die Bevölkerung zu zwei Drittel katholisch ist.60 Katholische und evangelische Festveranstalter waren mit vergleichbaren Problemen konfrontiert, wenn sie gegenüber dem Staat ihr Festengagement dokumentierten. Der Staat mußte strikte Neutralität wahren, gerade in einer Zeit, als Vertreter der Kirche bei jeder sich bietenden Gelegenheit den konfessionellen Gegensatz wieder herausstellten. Anläßlich des Augsburger Friedensfestes von 1891 veröffentlichte der Pfarrer der Augsburger Kirche St. Anna Julius Hans eine Flugschrift für die Mitglieder des Evangelischen Bundes in Augsburg. Trotz der Appelle zu konfessioneller Toleranz war die Druckschrift von einem entschiedenen Konfessionsbewußtsein geprägt. Der evangelische Bund trete mit Entschlossenheit für das Recht der evangelischen Sache ein: Denn er ist allerdings nicht der Meinung, daß alle Konfessionen gleich gut seien und es erscheint ihm nicht gleichgültig, ob Katholizismus oder Protestantismus die herrschende Macht in unserem Volke bilden.61 Festgottesdienste in allen evangelischen Kirchen, ein Vortrag des Stadtpfarrers Friedrich Drechsel, dann die Auffuhrung eines Festspiels im Schießgrabensaal waren die Bestandteile der Gustav Adolf-Feier von 1894 anläßlich seines 300. Geburtstags, die die Katholiken im besonderen Maße provozierte.62 In der Augsburger Postzeitung wurde dazu in einem leitenden Arti-

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Vorbild war das Prozedere der Gemeinde Wien, siehe Magistratssitzung. 26.12.1887. Stadtarchiv München. Bürgermeister und Rat. 688/1. Regierung von Schwaben. Kopp an Pfarrer Koch von St. Georg, 14.12.1887, StaatsA Augsburg Reg. Schwaben 18095. Pfarrer Koch an die Regierung von Schwaben. 16.12.1887. StaatsA Augsburg Reg. Schwaben 18095. Julius Hans: Das Augsburger Friedensfest. Flugschrift für die Mitglieder des evangelischen Bundes in Augsburg. Augsburg 1891. S. 27. Siehe Augsburger Postzeitung. 11.12.1894. S. 6.

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und Reformationsjubiläen

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Jahrhundert

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kel mit der Schlagzeile Patrona Bavariae, ora pro nobis!" die katholische Schutzmacht angerufen. Die evangelischen Festveranstalter versuchten, die Gemüter der konfessionellen Gegenseite zu beruhigen, indem sie darauf hinwiesen, daß die Gustav Adolf-Feier wie das alljährliche Friedensfest ein Fest des Dankens gegen Gott fiir Wahrung unsers Glaubens64 darstelle. Ebenso wie der fast zeitgleich virulente Antisemitismus in kirchenferneren Kreisen reflektierte auch der Konfessionalismus in der kirchlichen Öffentlichkeit Orientierungsdefizite einer in einem starken Wandel begriffenen Gesellschaft.

V. Die eben dargestellten wenigen, aber typischen Beispiele zeigen, daß die verfassungsrechtlich sanktionierten Prinzipien der Religions- und Gewissensfreiheit in Bayern auch in der Praxis funktionierten. Mehrkonfessionaliät gehörte zur Staatsräson Bayerns im 19. Jahrhundert. Festliche Erinnerung an die Reformationsgeschichte entsprach dem offiziellen Programm der bayerischen Kulturpolitik, auf dem Wege der Pflege regionaler Traditionen die Identität der bayerischen Staatsnation zu stärken. Kritik gegen den bislang unangefochtenen Status kirchlicher Erinnerungstage machten hingegen Vertreter aus Wirtschaft und Gesellschaft geltend. Sie verstanden das Recht auf Gewissensfreiheit anders, nämlich so, daß auch dann gearbeitet werden dürfe, wenn die Kirche dies aus seelsorgerischen Gründen untersage.65 Verfolgt man die immer wieder ausbrechende Diskussion zur Feiertagsfrage in Bayern im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, ist jedoch festzustellen, daß nie öffentlich darüber diskutiert wurde, den Friedensfesttag von Augsburg als arbeitsfreien Feiertag abzuschaffen.66 Argumente zur Feiertagsreduzierung gab es genug, gerade von Vertretern moderner Landwirtschaft, später dann in noch massiverer Form aus Kreisen der Industrie. Bayerische Wirtschaftsvertreter sahen in der Verlegung der Wochenfeiertage eine günstige Gelegenheit, die Arbeitszeit spürbar auszudehnen, galt es doch, sie für das Wirtschaftswachstum effizient zu nutzen.

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Die Augsburger Neuesten Nachrichten sprachen in ihrer Ausgabe vom 12. Dezember von einem verabscheuenswerthen Artikel. Siehe Augsburger Postzeitung: 9.12.1894. S. 285. Der Inhalt des Artikels ließ erkennen, daß sich der Katholizismus zunehmend nationalisierte. Gegen den schwedischen König wurde vor allem deswegen polemisiert, weil er nicht deutsch gewesen sei. Augsburger Abendzeitung: Nr. 341. 10.12.1894. S. 6 Siehe Stefan Laube: Religiosität, Arbeit und Erholung. Bayerische Heiligentage im 19. Jahrhundert. In: Z B L G 61 (1998). S. 347-383. Siehe dazu die voluminösen Bände über Sonn-, Fest- und Feiertage von 1848-1911. HStA München M K 19832-19839, 39116.

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Stefan Laube

Einer in die Zukunft ausgerichteten Zeitwahrnehmung, um Profit zu erwirtschaften und soziales Prestige zu gewinnen, stand eine selbstgenügsame Arbeitsweise gegenüber, die die Grenzen unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung gegenwärtiger Existenz kaum überschritt. Die Rhythmen der stechuhrbestimmten Zeit in den Fabriken stimmten immer weniger mit dem Takt sakraler Zeit zusammen. 67 Neben den 52 Sonntagen - so der Landwirtschaftliche Verein im Jahre 1849 gebe es in Bayern 20 gebotene und 48 abgewürdigte Feiertage, die zusammen mit den Regentagen dafür sorgten, daß die bäuerliche Bevölkerung 200 Tage im Jahr zur Untätigkeit verurteilt sei, die 'blauen Montage' und Kirchweihfeste gar nicht einmal einkalkuliert.68 Auf dem bayerischen Handelskammertag 1910 in Regensburg schöpften die ökonomischen Interessenvertreter noch einmal aus ihrem gesamten Argumentationspotential. 69 Das bayerische Kultusministerium gab dann aber erst nach einer päpstlichen Entschließung vom Mai 1912 nach und verlegte eine Reihe von Feiertagen zu Ehren Marias oder der Heiligen auf den nächsten Sonntag.70 Dies bedeutete für Augsburg, daß der Ulrichstag, der jedes Jahr am 4. Juli gefeiert wurde, sich in einen Arbeitstag verwandelte. Der Volksglaube hatte wieder Gelegenheit, kausale Schlüsse zu ziehen, wenn nach einem nicht würdig genug begangenen Ulrichstag die Mäuse sich zu einer Plage vermehrten.71 Der Augsburger Friedenstag gehörte ebenso wie die zahlreichen Marientage oder die Heiligentage zu den sekundären Feiertagen und fiel stets in die für die Heuernte so zentrale Hochsommerzeit. Dennoch war der Feiertagsstatus des Friedenstags kein Thema von Staat und Wirtschaft. Dies hat mehrere Gründe, abgesehen davon, daß der Friedenstag als städtischer Feiertag die Landwirtschaft nur wenig beeinträchtigte. Es ist ziemlich sicher, daß auch der Friedenstag als arbeitsfreier Tag abgeschafft worden wäre, wenn er denn ein katholischer Feiertag gewesen wäre. Aber dies war er nicht, ganz im Gegenteil: Bei der alljährlichen Feier gedachte die selbstbewußte evangelische Bürgerschaft an ihren epochalen Beitrag im Zeitalter der Glaubenskämpfe. Nur vordergründig ging es beim Gedenken um die Unterdrückung des evangelischen Gottesdienstes im Dreißigjährigen Krieg, 67

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Siehe S. Laube Religiosität (Anm. 65). S. 368-382; vgl. allg. Edward P. Thompson: Zeit, Arbeitsdisziplin und Industriekapitalismus. In: Ders.: Plebeische Kultur und moralische Ökonomie. Aufsätze zur englischen Sozialgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts. Ausgewählt und eingeleitet von Dieter Groh. Frankfurt a.M. 1981. S. 34-66; Jonathan Sperber: Der Kampf um die Feiertage in Rheinland-Westfalen 1770-1870. In: Wolfgang Schieder (Hg.): Volksreligiosität in der modernen Sozialgeschichte. Göttingen 1986 (Geschichte und Gesellschaft. Sonderheft 11). S. 123-136. Stellvertretender Vorstand des Generalcomites. Hofstetter an den König. 22.12.1849 HStA München MK 19832. Gedruckter Bericht vom Syndikus Hoffmann des Handelskammertags vom 10.9.1910. AEB 4/3 86.2. Ministerialblatt fur Kirchen- und Schulangelegenheiten im Königreich Bayern. Nr. 15. 18.5.1912. Siehe Hinweis des Vorstandes der Handels- und Gewerbekammer für Oberbayem an das Kultusministerium. 24.5.1875. HStA München MK 19836.

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Jahrhundert

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der gesamte - von Luthers Thesenanschlag bis zum Westfälischen Frieden reichende - stark mit Augsburg verbundene reformationsgeschichtliche Mythos stand zur Verfügung, der um so intensiver regelmäßig vergegenwärtigt wurde, je stärker sich infolge von Industrialisierung, Technisierung und Modernisierung Orientierungslosigkeit ausbreitete. Auch die neue gewöhnungsbedürftige Rolle einer bayerischen Provinzhauptstadt stand in Kontrast zu dem Selbstverständnis, eine - wenn nicht zeitweise sogar die bedeutendste - Reichstadt gewesen zu sein. Dies trug entscheidend dazu bei, den evangelischen Mythos immer wieder lebendig zu halten. Es ist gewiß: Hätte die Regierungszentrale in München, den Friedenstag auf den nächsten Sonntag verlegt, hätte sie mit starken öffentlichen Protesten seitens der Augsburger Bürgerschaft rechnen müssen. Die Unantastbarkeit des Friedenstages wird aber nur zum Teil von der Konfliktscheu der Regierungsbehörden erklärt. Denn die Verlegung des Kilianstages in Würzburg zeigte, daß die Münchener Zentrale es durchaus verstand, partikularen Widerstand zu brechen.72 Was den Friedenstag letztendlich so sakrosankt machte, war die Tatsache, daß Augsburg wie Bayern ein gemischtkonfessionelles Gemeinwesen darstellte, das einer besonderen Verfassung bedurfte und auf identitätsstiftende Veranstaltungen angewiesen war. Im 19. Jahrhundert konnte man sagen: Das in Bayern seit 1806 geltende individuelle Recht der Religions- und Gewissensfreiheit hatte in der paritätischen Gesetzgebung Augsburgs seine notwendige Vorgeschichte, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreichte. Das moderne Prinzip der Religions- und Gewissenfreiheit hatte erst dann seine Bewährungsprobe bestanden, wenn es auch in einer Stadt wie Augsburg funktionierte.

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Siehe Kultusministerium an das Ordinariat von Würzburg. 29.6.1912. HStA München MK 39113.

Säkularer Fortschritt oder christliche Parität. Kulturkampf in Augsburg Frank Möller

Am 15. März 1848 wurde auf einer Volksversammlung in Augsburg die Wiedereinführung der Parität fur die städtischen Gremien einstimmig beschlossen. Wenig mehr als eine Woche nach der Bewilligung der Märzforderungen durch den bayerischen König unterzeichneten 1040 Bürger eine entsprechende Petition, der auch Magistrat und Gemeindebevollmächtigte zustimmten.1 Bürgermeister Forndran begründete den Antrag in einem Brief an die Regierung: Ein Ausgleich, ein dauernder Friede bleibt nur dann möglich, wenn beiden Konfessionen gleiche Berechtigung eingeräumt wird. Dies ist die sogenannte Parität, welche schon zur Zeit der Reichsstadt allein im Stande war, den Frieden zu sichern, deren Aufliebung [...] die Quelle unendlichen, nie zu beseitigenden Haders war und deren Wiedereinflihrung allein im Stande ist, religiöse Reibungen bei den Gemeindewahlen bei Seite zu halten 2 Die Rückkehr zur Parität der reichsstädtischen Zeit als eine revolutionäre Forderung von 1848 - das Geschehen kann den nicht verwundern, der sich von der Vorstellung, Revolutionen seien der Motor der Geschichte, gelöst hat. Zielte doch die bürgerliche Revolution von 1848 nicht nur auf die moderne bürgerliche Gesellschaft, sondern auch auf die traditionelle Bürgerkorporation; ja - sie erreichte vielfach ihre Stärke gerade durch das Aufgreifen und Weiterfuhren traditioneller Vorstellungen.3 1 2

3

Augsburger Abendzeitung v. 11.3.1848, S. 469f. u. v. 16.3.1848, S. 486. Zit. nach Peter Fassl: Konfession, Wirtschaft und Politik. Von der Reichsstadt zur Industriestadt. Augsburg 1750-1850. Sigmaringen 1988. S. 325. Den gegenwärtigen Forschungsstand zur Revolution von 1848 bieten Wolfram Siemann: Die deutsche Revolution von 1848/49. Frankfurt a.M. 1985; Christof Dipper, Ulrich Speck (Hg.): 1848. Revolution in Deutschland. Frankfurt a.M., Leipzig 1998; Dieter Dowe, Dieter Langewiesche u. a. (Hg.): Europa 1848. Revolution und Reform. Bonn 1998; Dieter Langewiesche (Hg.): Die Revolutionen von 1848 in der europäischen Geschichte. München 1999; Wolfgang Hardtwig (Hg.): Revolution in Deutschland und Europa 1848/49. Göttingen 1998. Die Einheit von traditionellen und fortschrittlichen bürgerlichen Forderungen besonders hervorhebend Dieter Hein: Die Revolution von 1848/49. München 1998. Zum heute eher kritisierten

Säkularer Fortschritt

oder christliche Parität. Kulturkampf

in

Augsburg

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Von der religiösen Selbstbestimmung der frühneuzeitlichen Stadt habe "kein direkter Weg hin zur neuzeitlich individualistischen Glaubens- und Gewissensfreiheit" geführt. 4 Dieser von Heinz Schilling betonte Gegensatz zwischen konfessioneller Parität und religiöser Toleranz wird durch die revolutionäre Forderung nach der Parität zumindest in Frage gestellt. Durch seine paritätische Vergangenheit erweist sich gerade Augsburg als ein interessantes Fallbeispiel für die Entwicklung zur modernen Religionsfreiheit. Wie veränderte sich im Augsburger Bürgertum das Zusammenleben der Konfessionen vom Ende der Reichsstadt bis zum zweiten deutschen Kaiserreich? Diese Frage soll im folgenden besonders an der städtischen Selbstverwaltung untersucht werden.5

I. Das Ende der Parität (1806-1818) Was bedeutete die Parität in Augsburg am Ende des 18. Jahrhunderts? Etienne Franfois hat drei Unterschiede zwischen Protestanten und Katholiken hervorgehoben: Familial besaßen Protestanten und Katholiken eigene Verwandtschaftsnetze, Mischehen kamen praktisch nicht vor. Räumlich hatten sie eigene Wohn- und Lebensorte und besuchten getrennte Kirchen. Historisch waren beide Konfessionsgemeinschaften von einer unterschiedlichen Vergangenheit geprägt, wobei sich besonders die Protestanten durch ein geradezu übersteigertes Geschichtsbewußtsein auszeichneten, mit dem sie ihre Katastrophen und Rettungen immer wieder verarbeiteten. 6 Auch das Friedensfest ist ein Ausdruck dieses Geschichtsbewußtseins. Protestanten und Katholiken bildeten daher "zwei Völker", wie F r a n c i s es formuliert. 7 Genauer und wörtlicher wäre eigentlich die Feststellung, sie bildeten zwei Gemeinden - und dies nicht nur in kirchlicher, sondern auch in bürgerlich-rechtlicher Hinsicht. Überspitzt formuliert könnte man von zwei Stadt-

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Begriff "bürgerliche Revolution" vgl. Dieter Langewiesche: Die deutsche Revolution von 1848/49 und die vorrevolutionäre Gesellschaft: Forschungsstand und Forschungsperspektiven, Teil II. In: AfS 31. 1991. S. 331-443, hier442f. Heinz Schilling: Gab es im späten Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit in Deutschland einen städtischen "Republikanismus"? Zur politischen Kultur des alteuropäischen Stadtbürgertums. In: Helmut G. Königsberger, Elisabeth Müller-Luckner (Hg.): Republikaner und Republikanismus im Europa der Frühen Neuzeit. München 1988. S. 101-143, hier S. 140. Der folgende Beitrag bietet eine Zusammenfassung der in meiner Dissertation dargelegten Thesen zum Verhältnis der Konfessionen in Augsburg im 19. Jahrhundert; vgl. Frank Möller: Bürgerliche Herrschaft in Augsburg 1790-1880. München 1998 (Stadt und Bürgertum. Bd.

9). 6

7

Zusammenfassend Etienne Francois: Die unsichtbare Grenze. Protestanten und Katholiken in Augsburg 1648-1806. Sigmaringen 1991 (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg. Bd. 33). S. 221 f. E. F r a n c i s : Die unsichtbare Grenze (Anm. 6). S. 222.

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gemeinden sprechen, die sich gezwungenermaßen denselben Ort teilten. Aus dieser Sicht ist das wesentliche der Augsburger Parität nicht die Verfassungsstruktur, die mit ihrem komplizierten System von Gleichberechtigung und Gleichstellung den Ausgleich zwischen Katholiken und Protestanten versuchte, sondern vielmehr die Trennung der Konfessionen durch die weitgehend autonome Verwaltung jeder Konfessionsgemeinschaft. So gesehen entsprach Augsburg durchaus der frühneuzeitlichen Normalität. Die korporative Vorstellung, daß eine Bürgergemeinde eine gemeinsame religiöse Grundlage haben müsse, wurde auch in Augsburg nicht verletzt. Wie in anderen frühneuzeitlichen Städten gab es in der Reichsstadt Augsburg die verbindliche 'Stadtreligion', nur daß es sich durch die Parität um zwei, nämlich gemeinsam und gleichberechtigt um Protestantismus und Katholizismus handelte. Die Parität war keine Toleranz; so war selbstverständlich Juden das städtische Bürgerrecht verwehrt. Denn die Parität war eben nicht individuell, sondern ständisch: Sie stellte nicht einzelne Personen mit ihrem persönlichen Glauben einander gleich, sondern zwei konkrete Glaubensgemeinschaften. 8 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, was das Ende der Parität durch die bayerische Inbesitznahme Augsburgs 1806 bedeutete. Das traumatische Erlebnis, das besonders die Augsburger Katholiken betraf, war die Säkularisierung. Die systematische Zerschlagung der katholischen Infrastruktur wurde als eine durchgreifende Enteignung erlebt. Mit der Aufhebung der Klöster und der Beschränkung der Kirchen wurde der Rückhalt, den die katholische Bürgerschaft an kirchlichen Institutionen gehabt hatte, beschnitten. Besonders aber die Unterordnung der Armenversorgung, der eigenen Stiftungen und Schulen unter staatliche und konfessionsungebundene Aufsicht verstand man als materiellen Verlust. In der Verteidigung des Katholizismus, wie sie sich im Widerstand gegen die staatliche Einschränkung von Wallfahrten oder die Beschneidung der Fastenzeit zeigte, wurde daher nicht nur ein Festhalten an Gebräuchen und Riten sichtbar, sondern hier zeigte sich der Kampf um die ideellen und materiellen Grundlagen einer Lebenswelt, in der Arbeit, Freizeit und Konfession noch nicht voneinander getrennt waren.

E. Frangois: Die unsichtbare Grenze (Anm. 6). S. 236.

Säkularer Fortschritt oder christliche Parität. Kulturkampf in Augsburg

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II. Parität ohne Normen (1818-1840) Die Augsburg-Literatur beschwört für die Zeit nach der Einfuhrung der städtischen Selbstverwaltung 1818 den "Zerfall der durch die Parität zusammengehaltenen bürgerlichen Einheit".9 Auch die bayerische Beamtenschaft beurteilte die städtische Selbstverwaltung kritisch. So war nach Meinung des Augsburger Stadtkommissärs Beisler, die Hyder der religiösen Aufregung durch das Gemeinde-Edikt entfesselt worden.10 Tatsächlich traten seit 1818 in den Gemeindewahlen konfessionelle Konflikte hervor." Die quantitative Überlegenheit der Katholiken innerhalb der Bevölkerung von 60 %, die allerdings unter den wahlberechtigten Bürgern schwächer gewesen sein dürfte, setzte sich durch formal verbotene Wahlbeeinflussungen und Absprachen der Wahlmänner und Gemeindebevollmächtigten in den Gemeindewahlen durch. Bei der Wahl der Magistratsräte 1821 klagten daher die protestantischen Gemeindebevollmächtigten, sie würden herabgewürdiget von ihren catholischen Mitbürgern zu einer blosen Paßivität, erniedriget zu todten Wahlmaschinen,'2 Auch statistisch wird das Übergewicht deutlich: Unter den 159 Augsburger Gemeindebevollmächtigten bis 1850 finden sich zwar 95 Katholiken, aber nur 52 Protestanten.13 Die Auseinandersetzungen der Konfessionen, mit Klagen an die Regierung und polemischen Flugschriften gefuhrt, waren jedoch im Kern defensiver Natur und wurzelten in einem tiefen Mißtrauen beider Glaubensgemeinschaften. Denn konkret bildete sich im Vormärz bald ein Zustand heraus, den man als 'Parität ohne Normen' beschreiben kann. Damit wurde die in der Frühen Neuzeit entstandene 'unsichtbare Grenze' der Parität in das 19. Jahrhundert hinein verlängert. Denn nach zahlreichen Klagen in den folgenden Jahren wurde den Protestanten eine genügende Beteiligung am Magistrat, sowie die Verwaltung der eigenen Stiftungen durch einen Rechtsrat der eigenen Konfession garantiert.14 So wurden die Magistratsratswahlen von 1833 und 1845 nicht bestätigt, weil zuviele Katholiken gewählt worden waren. 1845 beantragten die Gemeindebevollmächtigten nach einer 9

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13 14

P. Fassl: Konfession, Wirtschaft und Politik (Anm. 2). S. 326; vgl. auch Ilse Fischer: Industrialisierung, sozialer Konflikt und politische Willensbildung in der Stadtgemeinde. Augsburg 1840-1914. Augsburg 1977. S. 225. Hermann Beisler: Betrachtungen über Gemeindeverfassung und Gewerbewesen mit besonderer Bezugnahme auf Bayern. Augsburg 1831. S. 48. F. Möller: Bürgerliche Herrschaft in Augsburg (Anm. 5). S. 239-245. Beschwerde der protestantischen Gemeindebevollmächtigten an den König v. 13.10.1821; zit. nach Rosemarie Dietrich: Die Integration Augsburgs in den bayerischen Staat (18061821). Sigmaringen 1993. S. 177. F. Möller: Bürgerliche Herrschaft in Augsburg (Anm. 5). S. 241. R. Dietrich: Die Integration Augsburgs in den bayerischen Staat (Anm. 12). S. 334f.; StadtA Augburg: Bestand 1, Nr. 66: Gutachten des Advokaten Hoffmann aus Ansbach 13.3.1824; Reskript Innenmin. an Reg. v. 31.10.1821; zit. bei R. Dietrich (Anm. 12). S. 177.

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Frank Möller

einseitig zu Gunsten der Katholiken verlaufenen Magistratswahl sogar selbst die Nichtbestätigung. 15 Gleichzeitig wurde aber auch die Zuständigkeit über die Angelegenheiten der beiden Konfessionen immer mehr getrennt. 1824 bekamen die protestantischen Magistratsräte und Gemeindebevollmächtigten in Gemeinschaft mit den betreffenden Kirchenvorständen wie in der reichsstädtischen Zeit das Präsentationsrecht fur die Neubesetzungen ihrer Pfarrstellen.16 1834 folgte mit der Revision des Gemeindeedikts die konfessionelle Trennung der Stiftungsverwaltung unter sogenannte Kirchenverwaltungsräte. 17 Durch die Einfuhrung dieser 'isolierten Stiftungs-Verwaltung' herrschten damit auch in diesem Bereich wieder die Verhältnisse der Reichsstadt: Beide Konfessionsteile konnten nun durch ihre Vertreter getrennt über die jeweiligen Kassen der eigenen Konfession entscheiden. Doch für die Stabilisierung der 'Parität ohne Normen' waren nicht nur Eingriffe des Staates entscheidend. Viel häufiger kam es zu einer selbstverständlichen Beachtung des konfessionellen Gleichgewichtes. So herrschte etwa im Vorstand der Kaufleutestube, obwohl in diesem Gremium zahlenmäßig und ökonomisch die Protestanten dominierten, immer noch wie zu reichsstädtischer Zeit die konfessionelle Parität. Auch innerhalb der Augsburger Landwehr achtete der Magistrat auf ein Gleichgewicht der Konfessionen. 18 Ihren Gegner fanden die Autonomiebestrebungen der katholischen Bürgerschaft daher nicht in den Augsburger Protestanten, sondern in der bürokratischobrigkeitlichen Politik. Erst der Regierungsantritt Ludwigs I. 1825 eröffnete der katholischen Bürgerschaft Augsburgs die Möglichkeit, zahlreiche ihrer Ziele durchzusetzen. Denn seine neue Politik eines christlich-traditionalen Monarchismus versuchte die Rückbindung an christlich-konservative Werte und vor allem seit der Julirevolution 1830 eine verstärkte Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche.19 Gegen die rationalistische Bürokratie wurde daher der romantische Absolutismus zum Bündnispartner des bürgerlich-gemeindlichen Katholizismus. Die konfessionelle Trennung der Gymnasien 1828 war einer der ersten Erfolge der bürgerlichen Politik im Einverständnis mit dem König. Im selben Jahr wurden die Klöster der Franziskanerinnen bei Maria Stern und der Dominikanerinnen bei St. Ursula wiederhergestellt.20 1835 kam es zur Wiedereröffnung des Benediktinerstifts St. Stephan, welches die Betreuung des neuen Gymnasiums übernahm.21 15 16 17 18 19

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P. Fassl: Konfession, Wirtschaft und Politik (Anm. 2). S. 318. P. Fassl: Konfession, Wirtschaft und Politik (Anm. 2). S. 314. Revid. Gemeinde-Edikt 1834 § 59. Vgl. StadtA Augsburg: Bestand 1, Nr. 287. F. Möller: Bürgerliche Herrschaft in Augsburg (Anm. 5). S. 245-247. Zur 'christlichen' Politik Ludwig I. vgl. Werner K. Blessing: Staat und Kirche in der Gesellschaft. Institutionelle Autorität und mentaler Wandel in Bayern während des 19. Jahrhunderts. Göttingen 1982. S. 59-63. Helmut Witetschek: Studien zur kirchlichen Erneuerung im Bistum Augsburg in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Augsburg 1965. S. 275-278. Egino Weidenhiller, Anton Uhl u.a. (Hg.): Ad Sanctum Stephanum 969-1969. Festgabe zur Tausend-Jahr-Feier von St. Stephan in Augsburg. Augsburg 1969.

Säkularer Fortschritt

oder christliche Parität. Kulturkampf

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Danach öffnete 1843 noch das Kapuzinerkloster, und schließlich 1846 eine Filiale der Barmherzigen Schwestern ihre Tore." Um die Mitte des Jahrhunderts stand damit wieder weitgehend dem katholischen Bürgertum Augsburgs fur Unterricht und Karitas die alte Infrastruktur zur Verfugung. Die 'Parität ohne Normen', also die Wiedereinführung möglichst autonomer Konfessionsgemeinschaften, wurde innerhalb der Augsburger Bürgerschaft von beiden Konfessionen getragen. So konnte der Augsburger Magistrat aufklärerischliberale Kritik an der konfessionellen Trennung des Gymnasiums zurückweisen. In seiner Dankadresse an den König hob er hervor, daß die Herstellung einer eigenen Lehranstalt nicht von Einzelnen beantragt wurde, sondern der allgemeine Wunsch sowohl der katholischen Bürger als auch der Protestanten war, die ihre Kinder in ihren Religionsgrundsätzen erzogen wissen wollen. Erhofften sich doch auch die Protestanten von der Trennung des Gymnasiums eine Intensivierung der Religiosität. Im bürgerlichen Leben werde das Ergebnis daher nicht der Streit der Konfessionen, sondern die schönste Harmonie sein.23 Während sich in vielen deutschen Städten der Widerstand gegen die staatliche Bürokratie der liberalen Bewegung anschloß, luden sich in Augsburg die gemeindlich-genossenschaftlichen Autonomievorstellungen konfessionell auf.24 Daß 1821 die Wiederwahl des Bürgermeisters Caspar abgelehnt wurde, hatte daher zwei Gründe: Caspar verstand sich einerseits zu sehr als staatlicher Beamter und vertrat zu wenig die Interessen der Stadt, andererseits setzte er sich aus Sicht der katholischen Bürgerschaft auch nicht genügend für ihre Interessen ein. Daß die gemeindebürgerlichen Vorstellungen in Augsburg sich nicht mit dem Liberalismus, sondern mit dem Katholizismus verbanden, brachte jedoch auch Schwierigkeiten. Zum einen bedeutete diese Verbindung eine Schwächung des Bürgertums, da die gemischt-konfessionelle Struktur Augsburgs die bürgerliche Bewegung gegenüber dem Staat jederzeit zu spalten drohte. 25 Zum anderen kam es innerhalb der Augsburger Bürgerschaft zu zahlreichen Versuchen, abweichende Meinungen gleichzuschalten. Gegen den aufgeklärten Gymnasialprofessor Johann Baptist Martin, den die Wahlabsprachen kritisierenden Kramer Raimund Gantherr und die ersten liberalen Katholiken kam es zu regelrechten Hetzkampagnen. 26 Der All22 23

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25

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H. Witetschek: Studien zur kirchlichen Erneuerung im Bistum Augsburg (Anm. 20). S. 303. Magistrat an König 3.1.1828, zit. nach Johannes Ev. Lettner: Gründung des Gymnasiums bei St. Stephan - Polemische Pressestimmen. In: E. Weidenhiller: Ad Sanctum Stephanum (Anm. 21). S. 269-292, S. 274f. So auch H. Beisler: Betrachtungen über Gemeindeverfassung und Gewerbewesen (Anm. 10). S. 48. Das Augsburger Beispiel regt daher dazu an, die Thesen Paul Noltes zum Verhältnis von Basis und Führung im Liberalismus kritisch zu überdenken; vgl. Paul Nolte: Gemeindeliberalismus. Zur lokalen Entstehung und sozialen Verankerung der liberalen Partei in Baden 1831 1855. In: HZ 252. 1991. S. 57-91. Johann B. Martin: Allerneueste Verketzerungsgeschichte im Jahre 1821 oder mein neunmonatiger Aufenthalt in Augsburg, actenmäßig dargestellt. Nürnberg 1822; Raymund Gantherr:

356 Zuständigkeitsanspruch durchgesetzt.

Frank Möller

der eigenen Konfessionsgemeinschaft wurde

rigoros

III. Die Politisierung der Konfessionen (1840-1848/49) Seit den 1840er Jahren erlebte Augsburg einen beschleunigten sozialen und ökonomischen Wandel. Die Frühindustrialisierung, die mit der Gründung der Spinnerei und Weberei Augsburg 1837 einsetzte, führte wieder zu einer Bevölkerungszunahme, zur Entstehung einer städtischen Arbeiterschaft und auch zu neuem Reichtum, der weitgehend protestantischen Wirtschaftsbürgern zugute kam. Den sozialen Veränderungen folgte auch eine allgemeine Politisierung des Verhältnisses der Konfessionen. In gewisser Weise wurde dabei der ursprünglich nur im lokalen Rahmen verhaftete stadtbürgerliche Diskurs von "[den] 'großen Themen' des liberal-konservativen Polaritätsmusters" in der Gesamtgesellschaft überformt.27 Besonders die enge Verbindung von traditionellem gemeindebürgerlichem Selbstverständnis und dem städtischen Katholizismus wurde nun aufgebrochen. Durch den entstehenden Ultramontanismus 28 ordnete sich der städtische Katholizismus den politischen Interessen des Bündnisses von Kirche und Staat unter.29 Denn mit der zunehmend katholisch-reaktionären Verschärfung der staatlichen

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Kurzer Abriß aus dem Leben eines Bürgers von Augsburg. Augsburg 1827; StadtA Augsburg: Nachlaß Volkhart; vgl. F. Möller: Bürgerliche Herrschaft in Augsburg (Anm. 5). S. 237-239, S. 248. In Anlehnung an ein am Münchner Beispiel entwickeltes Modell; Ralf Zerback: Liberalismus, Konservatismus und der gemeindepolitische Diskurs in München 1820-1870. In: Lothar Gall, Dieter Langewiesche (Hg.): Liberalismus und Religion. Zur Geschichte des deutschen Liberalismus im 19. Jahrhundert. München 1995. S. 87-107, hier S. 92. Der Begriff'ultramontan', der im 19. Jahrhundert eine sehr polemische Bedeutung hatte, teilweise aber auch zur Selbstbeschreibung verwendet wurde, wird im folgenden durchaus wertfrei verstanden. Vgl. zum Begriff Heinz Gollwitzer: Bemerkungen zum politischen Katholizismus im bayerischen Vormärz und Nachmärz. In: Karl Dietrich Bracher, Paul Mikat u.a. (Hg.): Staat und Parteien. Festschrift für Rudolf Morsey. Berlin 1992. S. 283-304, hier S. 296-299; Heribert Raab: Zur Geschichte des Schlagworts "ultramontan" im 18. und frühen 19. Jahrhundert. In: HJb 81. 1962. S. 159-173, der das Phänomen leugnet; sehr kritisch Christoph Weber: Ultramontanismus als katholischer Fundamentalismus. In: Wilfried Loth (Hg.): Deutscher Katholizismus im Umbruch zur Moderne. Stuttgart, Berlin, Köln 1991. S. 20-45. Zum Phänomen Otto Weiss: Der Ultramontanismus. Grundlagen - Vorgeschichte - Struktur. In: ZBLG 41. 1978. S. 821-877. Diese Entwicklung in Augsburg gehört sicher in den Zusammenhang einer Wandlung der Religiosität von einer populären zu einer popularisierten Volksreligion, "von einer durchaus eigenständigen Volkskultur zu einer weitgehend von oben gesteuerten Massenkultur"; Wolfgang Schieder (Hg.): Volksreligiosität in der modernen Sozialgeschichte. Göttingen 1986. S. 13.

Säkularer Fortschritt

oder christliche Parität. Kulturkampf

in

Augsburg

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Politik unter dem Ministerium Abel30 verlor der städtische Katholizismus zunehmend seinen lokalen Bezug. Er setzte sich nun für Ziele ein, die den eigentlichen Interessen des katholischen Bürgertums in Augsburg fremd waren. Besonders deutlich trat diese Unterordnung der bürgerlich-katholischen Gemeindepolitik unter die Interessen des Ultramontanismus im Jahre 1846 hervor. In der Kammer der Reichsräte hatten mehrere Anträge des ehemaligen Staatsministers ÖttingenWallerstein gegen die Klosterpolitik Abels eine Mehrheit bekommen. In diese sowieso aufgeputschte Stimmung platzte eine Ergebenheitsadresse der katholischen Bürger Augsburgs mit 1040 Unterschriften: [I]« der Kirche Freiheit wurzelt - mit ihr steht der Throne und der Völker Freiheit - steht ihr Glück; - mit der Kirche Recht blüht die heilige Gerechtigkeit.31 Die Augsburger Adresse war nur der Startschuß für einen regelrechten Adressensturm32 von Petitionen aus anderen Städten. Die Vermutung Wallersteins, diese Flut von Ergebenheitsadressen sei durch die Regierung angeleitet, kann für Augsburg bestätigt werden. 33 Diese Lösung des Katholizismus vom bürgerlichen Gemeindeinteresse zeigt sich zweitens auch in der personellen Veränderung seiner Führer, die als eine Entbürgerlichung interpretiert werden muß. Die Wortführer der Augsburger Katholiken innerhalb der städtischen Selbstverwaltung entsprachen in den 1820er und 30er Jahren einem repräsentativen Querschnitt der katholischen Honoratioren: Kaufleute, Bankiers und bedeutende Handwerksmeister. Diese waren zwar der katholischen Kirche verbunden, gleichzeitig aber doch ökonomisch und nach ihrem Selbstverständnis unabhängige Stadtbürger. Seit den 1840er Jahren - wichtig ist hierbei auch der ökonomische Bedeutungsverlust des katholischen Wirtschaftsbürgertums in der Industrialisierung - bildete sich eine zunehmend engere und direktere Verbindung zur katholischen Kirche. Der Bruder des Domkapitulars Alois Tischer, der auf geistliche Gewänder spezialisierte Seidenfabrikant Karl August von Brentano und der Redakteur des 'Neuen Sion' Patrizius Wittmann, ein ehemaliger Theologiestudent, der wegen seines Eintretens in der Affare Mack von 30

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Max Spindler: Die Regierungszeit Ludwigs I. (1825-1848). In: Ders. (Hg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. Bd. 4/1. München 1974. S. 87-223, hier S. 197-210; grundlegend Heinz Gollwitzer: Ein Staatsmann des Vormärz: Karl von Abel 1788-1859. Beamtenaristokratie - Monarchisches Prinzip - Politischer Katholizismus. Göttingen 1993, bes. S. 215-235; Otto Weiss: Die Redemptoristen in Bayern (1790-1909). Ein Beitrag zur Geschichte des Ultramontanismus. St. Ottilien 1983. S. 76-83. Abgedruckt in: Augsburger Postzeitung 3.2.1846, S. 133; Augsburger Abendzeitung 4.2.1846, S. 177f. Wallerstein auf der Reichsratssitzung v. 12.1.1846, abgedruckt in: Augsburger Postzeitung 25.2.1846, S. 221. Wallerstein auf der Reichsratssitzung v. 12.1.1846, abgedruckt in: Augsburger Postzeitung 25.2.1846, S. 221. Vgl. Otto von Dauberschmidt: Kirchenpolitische Kämpfe in Bayern in den Jahren 1845 und 1846 mit besonderer Berücksichtigung der Publizistik. Diss.masch. München 1923. S. 162-165; H. Gollwitzer: Karl von Abel (Anm. 30). S. 511-513; F. Möller: Bürgerliche Herrschaft in Augsburg (Anm. 5). S. 252-258. Die Augsburger Postzeitung gab am 4. u. 9.2.1846 sogar ein Muster für Petitionen heraus.

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der Universität verwiesen worden war,34 stellten nun die Führung des städtischen Katholizismus. Sie standen dabei in enger Verbindung zu einigen ultramontanen Domherren, die sogar gegen den Bischof opponierten. Drittens geriet die Politik des städtischen Katholizismus zunehmend in Konkurrenz zu dem sich formierenden innerstädtischen Liberalismus. Denn das in der Reformzeit vor allem von Beamten vertretene aufklärerisch-liberale Gedankengut hatte inzwischen den Weg in die Gemeinde gefunden. Zum einen hatte sich das protestantische Augsburger Wirtschaftsbürgertum, das die Industrialisierung der Stadt betrieb, den wirtschaftsnationalen Vorstellungen Friedrich Lists angenähert. Zweitens hatte sich eine eher kleinbürgerliche, liberal-demokratische Gruppe um den Buchdrucker Albrecht Volkhart gebildet, die auch in der städtischen Selbstverwaltung zunehmend aktiv wurde. Zwar in der Mehrheit von Protestanten gebildet, gelang es Volkhart bald auch Katholiken als seine Anhänger zu rekrutieren. Schließlich fanden diese liberalen Richtungen ihren Rückhalt in einem breitenwirksamen, eher diffusen liberalen Nationalismus, der sich in zahlreichen Vereinen, besonders der 'Liedertafel' und dem Turnverein artikulierte.35 Es läßt sich also eine gegenläufige Bewegung feststellen: Während der politische Katholizismus zunehmend staats- und kirchennah wurde, griff der Liberalismus immer mehr die konkreten, auch traditionell-korporativen Interessen der städtischen Bürgergesellschaft auf. Es ist diese Verschiebung der katholischen Politik in Augsburg von einem bürgerlichen zu einem ultramontanen Katholizismus, der es den Liberalen 1848 ermöglichte, mit einem integrativen Kurs die katholische Elite zur Seite zu drängen. Auch die Bestrebungen des Jahres 1848, die Parität in der Stadtregierung wieder einzuführen, waren daher nicht etwa der Höhepunkt der 'Parität ohne Normen', sondern Ausdruck der Synthese der traditionalen Vorstellung des bürgerlichgenossenschaftlichen Denkens mit der modernen Glaubensvorstellung des Liberalismus. Was für konservative Katholiken oder auch Protestanten wie die Wiederherstellung der klar normierten Grenzziehung zwischen den Konfessionen erscheinen mußte, war für die Liberalen die Basis für ein freieres Glaubensverständnis: Jeder Verständige wird die Parität nur als ein äußeres Zeichen betrachten, unter dem der ächte Bürgersinn sich schaart und allmählig zu jener wahren Humanität heranstrebt, die jede Frage nach dem Glauben, als einen Eingriff in

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O. Weiß: Die Redemptoristen in Bayern (Anm. 30). S. 466-468; StadtA Augsburg: Familienbogen Patricius Wittmann; Christel Köhle-Hezinger: Evangelisch - Katholisch. Untersuchungen zum konfessionellen Vorurteil und Konflikt im 19. und 20. Jahrhundert vornehmlich am Beispiel Württembergs. Tübingen 1976. S. 212f. F. Möller: Bürgerliche Herrschaft in Augsburg (Anm. 5). S. 263-270.

Säkularer

Fortschritt

oder christliche

Parität. Kulturkampf

die Menschenrechte und unwesentlich Staatsbürgers betrachtet.36

für

in

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Augsburg

die Pflichten

und Rechte

eines

In diese liberale Vorstellung religiöser Toleranz war daher auch die Judenemanzipation eingeschlossen. 37

IV. Kulturkampf von unten (1850-1866) Die Einfuhrung der Parität wurde 1848 von der Kreisregierung und dem Staatsministerium des Inneren abgelehnt, immerhin jedoch von den Bürgern bei der Gemeindewahl freiwillig eingehalten. 38 Daß in den folgenden Jahren auch von der Regierung weitere paritätische Bestimmungen für die Wahlen erlassen wurden, war jedoch nur noch der Versuch die gemeindepolitischen Auseinandersetzungen zu steuern, die inzwischen vehement zum Ausbruch gekommen waren. Doch was der politische Katholizismus in Augsburg und auch die Kreisregierung noch immer als Konfessionskonflikt wahrnahmen, war schon längst eine weltanschauliche Auseinandersetzung zwischen Liberalismus und politischem Katholizismus um die städtische Herrschaft geworden. Sie muß als Vorläufer des Kulturkampfs - als ein Kulturkampf von unten - betrachtet werden. Doch dieser Charakter des Konflikts blieb dem politischen Katholizismus lange verschlossen, er sah in den Augsburger Liberalen nur eine Tarnung der Protestanten: Da nämlich die Protestanten vermöge der erstaunlichen Dehnbarkeit und Geschmeidigkeit ihres Wesens ohne Hexerei als die privilegirten Alleinbesitzer der vielbeliebten Aufklärung, des Lichts, des Fortschrittes, der Freiheit sich darstellen können, so haben sie den großen Vortheil, daß alle jene Katholiken, welche aus schlauer Berechnung oder schwachherziger Willfährigkeit gegen den Zeitgeist als aufgeklärte, licht-, freiheit- und fortschrittsliebende Leutchen gelten möchten, ebenso ihre Bundesgenossen werden, wie so manche in Mischehen Lebende, oder auch innerlich der katholischen Kirche entfremdete, sittlich verkehrte und geschwächte, oder geistig verblendete und betäubte Tauf36

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Leserbrief im Augsburger Anzeigblatt v. 28.8.1848; P. Fassl: Konfession, Wirtschaft und Politik (Anm. 2). S. 325f. verkürzt die Einfuhrung der Parität auf eine "Forderung der Protestanten" und übersieht diesen liberalen Aspekt einer Erziehung zur Toleranz. Die Parität ist ein äußeres Zeichen der Einigung und Verbrüderung, die in unserer lieben Stadt [...] vor allem Noth thut, um das gemeinsame Leid leichter tragen zu können; wenn übrigens ein tüchtiger Israelii in die Gemeinde- Verwaltung gewählt wird, so steht die Parität seiner Wahl gewiß nicht entgegen, sondern Katholiken wie Protestanten werden ihn als Bruder willkommen heißen. Augsburger Anzeigenblatt v. 30.8.1848. HStA München: MInn 54221, Regierung Schwaben a. d. König v. 6.7.1848; Stadtarchiv Augsburg: Bestand 3, Nr. 147: Staatsmin. d. Inneren a. d. Regierung Schwaben v. 6.8.1848.

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schein-Katholiken ihre natürlichen Alliirten bilden. Protestanten dagegen sind und bleiben Protestanten, wie sie immer sittlich und geistig geartet sey mögen, und werden niemals Verbündete der Katholiken.^ Erst 1865 erkannte sogar die Kreisregierung, daß es sich nicht um einen Konfessionskonflikt handelte. Ziel der Liberalen sei es, stellte sie treffend, wenn auch polemisch fest, statt der in Augsburg bisher so ängstlich gewahrten confessionellen Parität religiösen Indifferentismus einzuführen.40 Der Erfolg der Liberalen, die seit 1851 jede Gemeindewahl gewannen und seit 1866 mit ihrem ersten Bürgermeister Ludwig Fischer - einem Katholiken - auch den Magistrat kontrollierten, hatte vor allem drei Gründe: Erstens führten die konfessionelle und sozioökonomische Umstrukturierung der Bürgerschaft und die Entstehung und Ausbildung des Parteiwesens zu strukturellen Veränderungen der städtischen Selbstverwaltung, die weitgehend den Liberalen zu Gute kamen. Zusätzlich gewannen die Liberalen auch das erfolgreiche katholische Bürgertum als Wähler fur sich. Zweitens gelang es den Liberalen sich auf lokaler Ebene als Vertreter einer erfolgreichen Infrastrukturpolitik, die den Umbau zur Industriestadt vorantrieb, zu präsentieren. Die Umstrukturierung der städtischen Finanzen und der Aufbau der Leistungsverwaltung waren Kernpunkte ihres Programmes.41 Drittens stellte sich das Augsburger Bürgertum auch hinter das liberale Ziel des deutschen Nationalstaates. Mehrere Augsburger Liberale engagierten sich im Rahmen der bayerischen Fortschrittspartei fur dieses Ziel.42 Geschärft und ideologisch aufgeladen wurde die liberale Politik durch ihren Antagonismus zum politischen Katholizismus. Anders als in der Revolution, in der die Liberalen versucht hatten, mit einem integrativen Kurs die Gegensätze in der Stadt auszugleichen, stellten sie sich nun offen gegen den politischen Katholizismus. Als Partei der Moderne, oder in ihrer eigenen Diktion des Fortschritts,43 standen die Augsburger Liberalen für die Durchsetzung der nationalen Einheit gegen den Partikularismus, der religiösen Mündigkeit gegen konfessionelle Orthodoxie und der lokalen Leistungsverwaltung gegen die traditional-christliche Bürgerherrschaft. Der Konflikt erhielt daher von beiden Seiten den Charakter einer weltanschaulichen Auseinandersetzung.

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Der staatsbürgerliche und gesellschaftliche Krebsgang des katholischen Wesens in Augsburg (Von einem Augsburger Priester). In: Der Sendbote 18.11.1860, S. 182. HStA München: MInn 54955: Regierung Schwaben a. d. König v. 18.10.1865. F. Möller: Bürgerliche Herrschaft in Augsburg (Anm. 5). S. 377-387. F. Möller: Bürgerliche Herrschaft in Augsburg (Anm. 5). S. 388-401; Theodor Schieder: Die kleindeutsche Partei in Bayern in den Kämpfen um die nationale Einheit 1863-1871. München 1936. Zum Begriff Reinhart Koselleck: Art. "Fortschritt". In: Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck (Hg): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politischsozialen Sprache. Bd. 2. Stuttgart 1975. S. 351-423.

Säkularer Fortschritt oder christliche Parität. Kulturkampf in Augsburg

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Als wichtiges Beispiel dieser Auseinandersetzung zwischen politischem Katholizismus und Liberalismus erweist sich der Konflikt um den Orden der Barmherzigen Schwestern. In ihm kulminierte der Gegensatz von säkularer Fortschrittsgewißheit auf liberaler Seite mit christlicher Überzeugungstreue auf katholisch-konservativer Seite. 1852 hatte der Gerbermeister Georg Henle eine Stiftung von 100 000 fl. zum Bau eines neuen Krankenhauses gegründet. Bedingung war, daß die Betreuung der katholischen Kranken an die Barmherzigen Schwestern übertragen würde.44 Der daraufhin beschlossene neue Krankenhausbau wurde 1856 fertiggestellt. Dabei wurden die Kranken nach den Konfessionen getrennt, die Betreuung der Katholiken übernahmen die Barmherzigen Schwestern, die der Protestanten die Diakonissen. Die Augsburger Liberalen hatten sich erfolglos gegen die konfessionelle Trennung im Krankenhaus gewehrt. Schon die hohen Baukosten von 700 000 fl. waren ihrer Meinung nach durch die räumliche Trennung entstanden. Nach ihren Erfolgen in den Gemeindegremien versuchten sie Anfang der 1860er Jahre, die konfessionelle Trennung des Krankenhauses rückgängig zu machen. Es kam zu einem in zahlreichen Sitzungen und Beschlüssen von Magistrat und Gemeindebevollmächtigten geführten Kampf, der eine breite Öffentlichkeit fand. In der Argumentation der beiden politischen Parteien wird der weltanschauliche Charakter des Konfliktes sichtbar. Zwar ging es auch um die Qualität der Krankenpflege. Die katholische Seite kritisierte die Ablehnung traditioneller Heilkunst und den Versuch einer Verwissenschaftlichung und Medikalisierung: Statt des Princips der genossenschaftlich geregelten Krankenpflege um Christi willen wollten die Liberalen die Materialisierung der Krankenpflege nach widerkirchlich-medicinischer Schablone, das Krankenhaus solle zur Exercierwiese für chirurgische und medicinische Evolutionen gemacht werden.45 Dabei könnten, so der katholische Rechtsrat Zenz, Lohn und Gewinn die Motive innern Berufes zum christlichen Liebeswerke der Krankenpflege nicht ersetzen,46 In der Diskussion treten jedoch vor allem die unterschiedlichen Vorstellungen von Bürgertum hervor. Die katholisch-konservativen Vertreter wandten sich vehement gegen die Verbannung der Religion aus den öffentlichen Angelegenheiten in das Private. 44

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Zum folgenden Josef Sprengler: Das Krankenhaus zu Augsburg. Augsburg 1879; Manfred Klaiber: Geschichte der Diakonissenanstalt in Augsburg. Diss.med. München 1956; Ludwig Krimbacher: Das Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in Augsburg 1862-1932. o.O. o.J.; Eva Krug: Das Hauptkrankenhaus in Augsburg. Diss.med. 1975. S. 14-16; Puellae Caritatis. 125 Jahre Kongregation der barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz und Paul. Mutterhaus Augsburg. Augsburg 1987. S. 22-24. Art. "Wie wir Katholiken in Augsburg dran sind" In: Sendbote Nr. 23, 17.11.1861, S. 183; Art. "Die Augsburger Postzeitung über unsere Krankenhausfrage" In: Sendbote Nr. 17, 25.8.1861, S. 134. Jfoseph] Zenz: Denkschrift zur Grundsteinlegung des neuen Krankenhauses in Augsburg. In: Die Grundsteinlegung zum Baue eines neuen Krankenhauses in Augsburg 19.5.1856. Augsburg 1856. S. 8.

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Während der liberale Rechtsrat Frisch erklärte, das allgemeine Krankenhaus sei eine rein städtische, eine Gemeindeanstalt, die mit religiösen Dingen nichts zu schaffen habe, verwies Patrizius Wittmann darauf, daß das Krankenhaus [...] nicht nur für Heilung der Leiber, sondern auch für die Erhebung der Seelen, theilweise sogar zur Vorbereitung Sterbender auf ein seliges Ende bestimmt sei. Verletzte aus Sicht der Liberalen die konfessionelle Trennung im Krankenhaus das Prinzip des privaten Glaubens und wurde damit das Krankenhaus zum Denkmal confessioneller Zwietracht, erblickten die Katholiken im Krankenhaus die wahre Parität, der ungeheuchelten Verträglichkeit, die in der freundnachbarlichen Beiordnung der im Glauben Getrennten, nicht in willkürlicher Vermengselung und geistlosem Mischmasch den einzig möglichen Weg zum Frieden sucht.47 Seitens des politischen Katholizismus wurde hier zum letztenmal das traditionelle Bürgerschaftsverständnis der Parität beschworen, indem die katholische Bürgerschaft als quasi selbständige und rechtsfähige Korporation innerhalb der christlichen Bürgergemeinde gesehen wurde. Der Angriff auf die Barmherzigen Schwestern verletze die Ehre und das gute Recht der katholischen Bürgerschaft,48 da sie quasi als Korporation durch Henle beschenkt worden sei.49 Aus dieser Vorstellung der Augsburger Bürgergesellschaft als zweier autonomer Bürgerschaften entstand auch das Gefühl durch die Liberalen attackiert worden zu sein. Den Frieden [der Stadt] haben gestört die übermüthigen Alleinbesitzer alles Lichtes, aller Wahrheit, alles Rechts, jene Potentätchen der Presse, welche nicht müde wurden [...] in katholische Angelegenheiten nach eigenem Geschmack hineinzuschneidern.50 Obwohl im konkreten Fall der Streit um die Barmherzigen Schwestern wie auch die ähnlich gelagerte Auseinandersetzung um die Verlegung des katholischen Friedhofs am Einspruch des Staates scheiterten, war die Politik der Liberalen insgesamt erfolgreich. Denn diese Konflikte dienten ihnen nur als Symbole ihrer Politik: der Öffnung des Augsburger Bürgertums zu einer den industriellen, marktwirtschaftlichen und wissenschaftlichen 'Fortschritt' bejahenden Bürgergesellschaft. Die konfliktträchtige Auseinandersetzung schärfte dabei ihr politisches Profil. Im Umbau zu einer Industriestadt konnte jedoch die liberale Magistratspolitik ihre an Freizügigkeit und Marktorientierung, an Rationalität und Leistungssteigerung orientierte Politik durchsetzen.

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P[atrizius] Wittmann: An Etliche im Rath und in der Gemeinde zu Augsburg. Ein offener Brief in Sachen der barmherzigen Schwestern, sowie einer rechten Gemeindeordnung (Beilage zum Sendboten Nr. 3). Augsburg 1861. Zit. S. 22, 5 u. 6. P. Wittmann: An Etliche im Rath (Anm. 47). S. 24. So die Argumentation des katholischen Bürgermeisters Georg Fomdran; SuStBA Augsburg: 4°Aug 16: Actenstücke zur Sitzung des Stadt-Magistrats Augsburg am 3. Mai 1862 über die Revision des Vertrags mit den barmherzigen Schwestern. P. Wittmann: An Etliche im Rath (Anm. 47). S. 25f.

Säkularer Fortschritt

oder christliche Parität. Kulturkampf

in

Augsburg

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V. Kulturkampf von oben (1866-1880) Der selbständig geführte Kulturkampf der Augsburger Liberalen fand seit dem Ende der 1866 Jahre Unterstützung durch den Staat. Mit der liberalen Regierung des bayerischen Ministerpräsidenten Hohenlohe-Schillingsfiirst und dessen Reformgesetzgebung schienen die Liberalen an dem Punkt, ihre Fortschrittsvorstellungen auch auf Landesebene durchsetzten zu können. Doch die Entstehung der katholischen Patriotenpartei und deren Erfolge bei der Zollvereinswahl von 1868 und den Landtagswahlen von 1869 machte deutlich, daß der Anspruch der liberalen Honoratioren die allgemeine Gesellschaft zu repräsentieren, weder jetzt noch in Zukunft realistisch war.5' Das Vatikanische Konzil und die Erklärung des Unfehlbarkeitsdogmas verstärkte bei den Liberalen das Bedrohungsgefuhl. Kurzzeitig blieb die Hoffnung, daß die nationale Einigung die Stellung Bayerns als einer Domäne des klerikalen Einflusses und der klerikalen Herrschsucht62 quasi von außen aufbrechen werde. Doch auch dieser Optimismus scheiterte mit der Niederlage der Liberalen bei der Reichstagswahl 1874. Überhaupt wurde mit der Gründerkrise der 1870er Jahre der liberale Fortschrittsglauben fragwürdig.53 Der von staatlicher Seite geführte Kulturkampf 4 erweist sich daher aus Augsburger Sicht als eine Problemverlagerung nach oben. Erwarteten die Augsburger Liberalen von der Staatsregierung Unterstützung gegen den Ultramontanismus, sah sich auch der bayerische Innenminister Lutz durch den Mehringer Kirchenstreit gezwungen, auf die Unterstützung des Reiches zurückzugreifen.55 Der liberale Anspruch, Vertreter des ganzen Volkes zu sein, war damit jedoch gescheitert. 51

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Horst Hesse: Die sog. Sozialgesetzgebung Bayerns Ende der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Strukturanalyse der bürgerlichen Gesellschaft. München 1971; Christa Stäche: Bürgerlicher Liberalismus und katholischer Konservativismus in Bayern 1867-1871. Kulturkämpferische Auseinandersetzungen vor dem Hintergrund von nationaler Einigung und wirtschaftlich-sozialem Wandel. Frankfurt a.M., Bern 1981; Friedrich Hartmannsgruber: Die bayerische Patriotenpartei 1868-1887. München 1986. So eine Einschätzung des liberalen Abgeordneten Joseph Volk von 1868; zit. nach T. Schieder: Die kleindeutsche Partei in Bayern (Anm. 42). S. 170f. Hans Rosenberg: Große Depression und Bismarckzeit. Wirtschaftsablauf, Gesellschaft und Politik in Mitteleuropa. Berlin 1967; Volker Hentschel: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik im wilhelminischen Deutschland. Stuttgart 1980. Inzwischen besteht Einigkeit, daß die Wirtschaftsentwicklung die Einschätzung als "Große Depression" nicht rechtfertigt. Das Krisengefühl der Zeitgenossen nach 1873 war jedoch sehr ausgeprägt und entsprach keineswegs den wirtschaftlichen Realitäten. Vgl. David Blackboum: Volksfrömmigkeit und Fortschrittsglaube im Kulturkampf. Stuttgart 1988; Winfried Becker: Der Kulturkampf als europäisches und als deutsches Phänomen. In: HJb 101. 1981. S. 422-446; Margaret Lavinia Anderson: Liberalismus, Demokratie und die Entstehung des Kulturkampfes. In: Rudolf Lill, Francesco Tramello (Hg.): Der Kulturkampf in Italien und in den deutschsprachigen Ländern. Berlin 1993. S. 109-125. Walter Brandmüller (Hg.): Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte. Bd. 3. St. Ottilien 1991. S. 248 (F. Hartmannsgruber).

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Gegenüber der quantitativen Übermacht der Patrioten verwiesen die Liberalen nun wieder besonders auf die bürgerliche Qualität ihrer Wähler, besonders auf deren höhere Bildung. Das Bürgertum, gebildet und quasi von Natur aus liberal, wurde zum Kern des gesellschaftlichen Fortschritts erklärt, der gegen den Ultramontanismus verteidigt werden müsse. Uns Städtebürgern ist die Aufgabe gestellt, Freiheit und Recht zu vertheidigen gegen die Angriffe der Jesuiten, den König zu schützen gegen die Vergewaltigungsversuche der falschen Patrioten. Die Bedrohung durch die Patrioten warf die Liberalen dabei auf das Bild der sich abschließenden Bürgergemeinde zurück - obwohl sie in den Jahren zuvor fur die Niederlegung der Stadtmauern gesorgt hatten: wir Städtebürger müssen uns fest verschanzen, damit wir erfolgreichen Widerstand leisten können gegen den Anprall der fanatisirten schwarzen Schaaren,56 Aus eigener Kraft schien man sich nicht mehr gegen den politischen Katholizismus durchsetzen zu können. Die liberale Weltanschauung des säkularen Fortschritts scheiterte im Kaiserreich im Versuch, den konfessionellen Gegensatz zu überwinden. Sie etablierte sich letztlich als Konfliktpartei. Dabei spielte eine Rolle, daß der politische Katholizismus vor allem durch die sozialen Veränderungen aus dem Bürgertum abgedrängt wurde. Es entstand nun ein eigenes katholisches Sozialmilieu, eine Sondergesellschaft, die sich gegen die Angriffe des Kulturkampfs der 1870er Jahre als resistent erwies. Aus bürgerlicher Perspektive handelte es sich bei den Mitgliedern des neuen katholischen Vereinswesens - zumeist Frauen, Gesellen und Arbeiter - um Unselbständige und Abhängige, die als vom Klerus verfuhrt galten. Daher befürchteten die Liberalen auch eine Zusammenarbeit der sogenannten Reichsfeinde: Ultramontane und Sozialdemokraten wurden mehr und mehr als gemeinsamer Gegner der bürgerlichen Gesellschaft betrachtet.57 Aus der liberalen Vorstellung, daß das Bürgertum als Vertreter des Volkes den Staat, sowohl den bayerischen als auch den nationalen, gestalten und beherrschen müsse, war letztlich das Programm entstanden, mit diesem Staat das widerspenstige Volk kontrollieren zu können.

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Augsburger Anzeigblatt 30.11.1869. Vgl. für München Ralf Zerback: München und sein Stadtbürgertum. München 1997. S. 293f. So stellte das Augsburger Anzeigblatt z.B. über eine katholische Protestversammlung fest: als lebendig beredter [...] Commentar der ganzen Farce: Herr Most, der Socialdemokrat neben dem Redner auf der Bühne!! zit. nach Herbert Immenkötter: Kulturkampf in Augsburg. Die Durchsetzung der bayerischen Schulsprengelverordnung am Beispiel des Instituts der Englischen Fräulein. In: JVAB 20. 1986. S. 221-263, hier S. 248.

Säkularer Fortschritt

oder christliche Parität. Kulturkampf

in Augsburg

365

Fazit Der Wandel von der Parität zur modernen Glaubens- und Gewissensfreiheit verlief im Augsburger Bürgertum in den fünf dargestellten Phasen. Nach der Zerschlagung der Parität als der garantierten autonomen Verwaltung der jeweiligen Konfessionsgemeinschaft, kam es seit der Einfuhrung der städtischen Selbstverwaltung zu Versuchen diese konfessionelle Autonomie wiederherzustellen. Diese 'Parität ohne Normen' wurde jedoch durch die Entstehung des Ultramontanismus und des Liberalismus aufgebrochen. Seit der Mitte des Jahrhunderts brach der Konflikt zwischen diesen beiden Richtungen mit voller Härte aus. Während der politische Katholizismus an der Vorstellung der sich autonom verwaltenden bürgerlichen Konfessionsgemeinschaft festhielt, stellten die Liberalen dem erfolgreich, das Zukunftsbild des säkularen Fortschritts zu einer modernen, industriellen Bürgergemeinde entgegen, für die religiöse Unterschiede keine Bedeutung mehr hatten. Seit etwa 1866 zeigte sich jedoch auch die Schwäche der Liberalen, die nun auf staatliche Kulturkampfmaßnahmen zurückgriffen. Der Zukunftsoptimismus, die Gesamtgesellschaft zu repräsentieren, verschwand damit und es blieb eine Wagenburgmentalität, die sich von Reichsfeinden jeder Art umgeben sah. In diesem Wandel wich die Parität mit ihrem Anspruch auf religiöse Einheit der eigenen Glaubensgemeinschaft zwar religiöser Toleranz, wie etwa auch die sich gleichzeitig durchsetzende Judenemanzipation zeigt. Die Parität hat diesen Wandel jedoch keineswegs erleichtert, ihn sogar eher durch ihre Stärke in der Mentalität und dem Selbstverständnis der Augsburger Bürger besonders konfliktreich verlaufen lassen. Dadurch mußte sich die Toleranz in Gegnerschaft zum politischen Katholizismus etablieren. Letztlich wurde die Parität durch eine Weltanschauung ersetzt, die mit den Eckpunkten säkularer Fortschritt und Nationalismus ebenfalls einen universellen Welterklärungsanspruch erhob.

Krise und Erneuerung eines städtischen Feiertags im 20. Jahrhundert Gerhard Hetzer

In der Einfuhrung zu einem 1858 erschienenen Kurzen Unterricht über das hohe Friedensfest gab Heinrich Puchta, seit 1856 Pfarrer bei den Barfüßern in Augsburg, seine Antwort auf die Frage, was denn hier feiernswürdig sei. Wohl werde seit einiger Zeit von manchen Seiten der Versuch gemacht, die Wohltat des westphälischen Friedens und seinen hohen Wert in Schatten zu stellen. Da das Vertragswerk als Quell von Schwäche und Zerrissenheit des deutschen Vaterlandes angesehen werde, sei sein Jubiläum 1848 auch nur sehr lau und teilnahmslos begangen worden. Dieses negative Urteil könne sich freilich, so Puchta, nur auf einige weltliche Punkte beziehen, die kirchlichen Bestimmungen des Friedens hingegen seien segensreich gewesen.1 Hier zeichnete sich die Bruchstelle zwischen hergebrachter Wertschätzung der reichsrechtlichen Bestimmungen von 1648 durch die Lutheraner und einer von der nationalen Einigung bestimmten Sichtweise ab: Wenngleich die konfessionelle Befriedung durchaus als eine Voraussetzung für den Weg zum modernen Nationalstaat zu würdigen war, konnte das Augsburger Friedensfest doch als ein Überbleibsel aus endlich versinkenden Zeiten politischer Machtlosigkeit angesehen werden. Auch in der nach 1871 erschienenen Literatur mit Lokalbezügen finden sich Passagen, in denen eine differenzierte Haltung zu den Ergebnissen von 1648 anklingt. Die Schlußbetrachtung der 1891 von dem St. Anna-Pfarrer und Senior Julius Hans zur Geschichte des Fests publizierten Broschüre enthält eine entsprechende Wendung ebenso wie die Einleitung der 1900 erschienenen Dissertation des Kulmbacher Realschulrektors Hermann Vogel über die vertragliche Sicherung der Augsburger Parität durch die Westfälische Friedenskonferenz. 2

Heinrich Puchta: Kurzer Unterricht über das hohe Friedensfest. Ein Denkmal der Erinnerung fur das Evangelische Augsburg. Augsburg 1858. S. 2 - 6. Julius Hans: Das Augsburger Friedensfest. Flugschrift für die Mitglieder des evangelischen Bundes in Augsburg. Augsburg 1891. S. 26. Im Nachwort der Neuauflage von 1966 wird auf diese Passage in Hans' Schlußbetrachtung eingegangen, die Ambivalenz in dessen Aussage freilich nicht mehr übermittelt: Das Augsburger Hohe Friedensfest. Von Julius Hans, 1875-

Krise und Erneuerung der Friedensfesttradition

im 20.

Jahrhundert

367

Gleichwohl sollte es für den Bestand des Augsburger Feiertages im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert offenbar keine ausschlaggebende Rolle spielen, daß der Westfälische Frieden in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung eher negativ bewertet wurde. Bemerkenswert ist allerdings die Wendung in einer Notiz der "Neuen Augsburger Zeitung" auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkrieges, die an den damals sieben Jahre zuvor entfallenen Feiertag erinnerte, der als weltweites Unikat und Ausflugstermin zur Jetztzeit wohl in mehrfacher Hinsicht fehl am Platze wäre. Das einstmals der katholischen Kirche und der Bayerischen Volkspartei nahe Blatt, das nunmehr in hartem Wettbewerb mit der aus der nationalsozialistischen Kampfpresse hervorgegangenen "Augsburger Nationalzeitung" das verbliebene bürgerliche Publikum in Stadt und nahem Umland bediente, verwies dabei auf den Charakter des Dankfestes für einen Frieden, der zwar einen grausamen Krieg beendete, die deutsche Nation aber aufs schwerste schädigte.3 Hier deutete sich an, daß die Friedensthematik für das Friedensfest gegenwärtiger sein könnte, als noch in früheren Jahrzehnten, sollte es denn wieder einmal über die evangelischen Kirchenräume hinaus Bedeutung gewinnen. Für das Wiederaufleben des Feiertages seit 1945 mochten zunächst lokales Herkommen und politische Überlegungen ausschlaggebend gewesen sein. Auf den zweiten Blick wurde ein Bezug zur Tendenz einer positiveren Neubewertung des Westfälischen Friedens bis hin zu seinem Lob im Zeichen der Krise des Nationalstaates in der Sichtweise der Nachkriegszeit erkennbar.4

I. Der Ursprung der Feiertagsregelung im 19. Jahrhundert Seit alters her wurde in der Stadt Augsburg von den Katholiken am Karfreitag und am Friedensfest, von den Protestanten hingegen zu Fronleichnam, also an den religiösen Hochfesten der jeweils anderen Seite, eine zumindest außer Haus nicht gestörte Arbeitsruhe gewahrt. Diese Regelungen entsprangen vermutlich viel mehr den Zweckmäßigkeiten von Geschäftsabläufen in einer bikonfessionellen Stadt, als einem Geist bewußter Duldsamkeit und des Friedenswillens, wie ihn das nachaufklärerische 19. und noch mehr das spätere 20. Jahrhundert zu erkennen

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1912 Pfarrer bei St. Anna. Überarbeitet und mit Vor- und Nachwort versehen von Adolf Schiller, Pfarrer bei St. Ulrich. (Augsburg 1966). S. 18f. Hermann Vogel: Der Kampf auf dem westfälischen Friedens-Kongreß um die Einfuhrung der Parität in der Stadt Augsburg. München 1900. S. 1. Neue Augsburger Zeitung, Nr. 183, vom 7.8.1943 (Erinnerung an den 8. August). Als frühes Beispiel der Artikel Zum 8. August 1946 von Otto Färber. In: Schwäbische Landeszeitung, Nr. 63, vom 6.8.1946: Denen, die den Krieg für die große Quelle der Kraft und den 'unbändigen Ausdruck' der Leistungsfähigkeit eines Volkes hielten, mußte ein solches Fest natürlich ein Greuel sein.

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glaubten. Immerhin waren sie ein Teil der Augsburger Identität, die auch in anderen Bereichen des kirchlichen Jahreslaufs spürbar war. So wurde in den protestantischen Innenstadtpfarreien der Drei-Königs-Tag gefeiert, der Zuzüglern aus konfessionell einheitlichen Gebieten Mitteldeutschlands ganz fremd war, und das Fest Allerheiligen wurde bei den Evangelischen Augsburgs allmählich ebenso populär, wie es in einem der Hauptherkunftsgebiete der Zuwanderer des 19. Jahrhunderts, dem Ries, ohnehin war. Der Ursprung der gleichsam paritätischen Feiertagsregeln war zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht mehr nachzuweisen. Das papierene Gedächtnis der Stadtverwaltung reichte in diesem Punkt lediglich bis 1822 zurück, der Stadtarchivar Pius Dirr vermutete das Übereinkommen jedenfalls im Gefolge des Westfälischen Friedens, vielleicht auf Grund mündlicher Vereinbarungen.5 Den Übergang der Reichsstadt an die Krone Bayern hatte das Friedensfest in Zusammenhang mit einer Gesamtregelung des protestantischen Feiertaghaltens durch das Ministerialdepartement der auswärtigen Angelegenheiten bestanden: Ein Kollegialbeschluß der zuständigen Sektion der I. (staatsrechtlichen) Deputation der Landesdirektion Ulm vom 18. Juli 1806 gestand im Sinne einer vierzehn Tage zuvor ergangenen ministeriellen Weisung den Protestanten zu, das Friedensfest in Erwägung, daß auch den Katholiken einige Partikularfeste gestattet seien, [...] zum Andenken ihrer erhaltenen gleichen bürgerlichen Rechte und Freiheiten mit den Katholiken auf die hergebrachte Art zu feiern. Die Existenz des Reskripts, das diesem Beschluß folgte und an den provisorischen Magistrat Augsburg sowie in Abschrift an die köngliche Organisationskommission in der ehemaligen Reichsstadt und das zuständige protestantische Konsistorium in Ulm ging, war hundert Jahre später zwar noch bewußt. Sein Wortlaut war jedoch mangels eines aktenmäßigen Nachweises offenbar nicht mehr präsent, nach der Ära Montgelas vielleicht auch mit Absicht in Vergessenheit geraten. Denn die Genehmigung war mit einer Auflage verbunden, die ein Zeugnis aufklärerischer Pädagogik durch Bürokratie gibt, deren Impetus auch nach dem makropolitischen Umschwung im Jahre 1813 in der bayerischen Beamtenschaft, obzwar gebremst, weiterleben sollte: Das erwähnte Friedensfest habe aber von nun an den Namen Toleranz- und Friedensfest zu erhalten und der Magistrat habe [...] sämtliche evangelischen Stadtprediger anzuweisen, daß sie sich jedesmal am erwähnten Feste alles Polemisierens, aller Kontroversen und aller Ausdrücke in ihren Kanzelreden sorgfältig enthalten sollen, welche der Verträglichkeit und Eintracht beider Konfessionen nachteilig sein könnten. Die Prediger haben den Blick ihrer Zuhörer weniger auf den Ursprung jenes Festes, als vielmehr auf dessen wohltä5

StadtA Augsburg, 43/183. Aktenvermerk Dirr vom 4.5.1908. Dort auch entsprechende Korrespondenz zwischen dem Magistrat und dem Zentrums-Landtagsabgeordneten Loibl, Neuburg a.d. Donau.

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tige, von der &[öniglich].6[ayerischen]. Regierung erweiterte Folgen zu richten6 Das während des Königreiches geltende Sonn- und Feiertagsrecht hatte bezüglich der Arbeitsruhe in gemischt-konfessionellen Gemeinden Raum fur Vereinbarungen unter den Beteiligten vor Ort gelassen. 7 Gelegentlich schienen daneben die Bezüge zur reichsstädtischen Geschichte noch im Polizeirecht anzuklingen: Anläßlich eines Viehmarktes im oberbayerischen Lechhausen am 8. August 1887 bot der Magistrat städtische Schutzmannschaft auf, um einem Viehtrieb durch die Jakobervorstadt vorzubeugen. Die Herden wurden auf Wege gewiesen, die außen um den ehemaligen Stadtwall führten.

II. Das Friedensfest bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges Gleichwohl war das Wissen um die Bedeutung des Friedensfestes in der zeitweilig rasch wachsenden Industriestadt im Schwinden begriffen. Soweit sich Ereignisse der Lokalgeschichte in der Allgemeinbildung festgesetzt hatten, war die Meinung verbreitet, das Fest beziehe sich auf den Augsburger Religionsfrieden von 1555 - ein Irrtum, der vermutlich die Akzeptanz der Festtradition über Konfessionen und politische Lager hinweg gefördert hat.8 Ein Kontinuum der Friedensfestpflege blieb der verspürte Erklärungsbedarf, nicht nur gegenüber Auswärtigen, sondern auch in Bezug auf - vermutlich wachsende - Teile der einheimischen Bevölkerung und damit in Tages- und kirchlicher Presse die häufige Wiederkehr von in Inhalt und Wortlaut wenig variierenden geschichtlichen Erläuterungen, wenn der Festtag vor der Türe stand. Es fanden sich dort auch wehmütig gestimmte Erinnerungen an das Friedensfest vor 1914, die stets mit dem Freizeitwert des Augsburger Feiertages verbunden waren: Sommertage am Ammersee, Sonderzüge nach München in den Werktag der erstaunten Hauptstädter, Kinderfriedensfeste mit Schiffschaukeln, Kas6

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StaatsA Augsburg, Regierungsprotokolle 2007. (Sessionsprotokolle Landesdirektion Ulm, I. Deputation I. Sektion, Mai - August 1806). Eine verblaßte Erinnerung an dieses dekretierte, 1813 noch in einem Kantatentitel benannte Toleranz- und Friedensfest mochte sein, wenn Bürgermeister Fomdran 20 Jahre später die paritätische Feiertagsgestaltung nicht mit der Reichsstadt, sondern mit dem Beginn der lichtspendenden bayerischen Herrschaft in Verbindung brachte. Magistrat Augsburg an Regierung von Schwaben und Neuburg, (Kammer des Innern) (28.8.1835). StadtA Augsburg, 10/210. Verordnungen, die Feier der Sonn- und Festtage betreffend, vom 30.7.1862 (RB1 Sp.2069) und vom 21.5.1897 (GVB1 S. 197), jeweils § 8. Beispiele bieten die Kommentare in der Neuen Nationalzeitung, Nr. 181, vom 7.8.1933 (Deutscher Glaube. Gedanken zum Augsburger Friedensfest; von Eduard Anton Mayr) und Nr. 183, vom 8.8.1936 (im Luginsland: 400 Jahre).

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perltheater und Lampions am Schießgraben und später im Stadtgarten. Bereits im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts traten in der allgemeinen Wahrnehmung des Friedensfesttages Aspekte der Freizeitgestaltung für die städtische Bevölkerung deutlich hervor, auf die sich auch die ländliche Umgebung einzustellen wußte. In den letzten Jahren vor 1914 sollen am 8. August bis zu 50 000 Reisefahrkarten am Augsburger Hauptbahnhof gelöst worden sein.9 1870 war am Vorabend des Friedensfestes die Siegesmeldung von Wörth eingetroffen. Nach dem Anschlag der Depesche hatten sich zunächst zögerlich weißblaue und auch schwarz-rot-goldene Fahnen aus den Fenstern geschoben, verstreut waren Häuser illuminiert worden. In der am 2. August 1914 veröffentlichten, an sich traditionellen Festtagsordnung - Gottesdienste mit Abendmahlfeier um 9 Uhr in allen Pfarrkirchen, ein Gottesdienst zusätzlich um 3 Uhr nachmittags in einer Kirche jährlich alternierend - war für die Barfüßer-Kirche eine Musikeinlage vor der Predigt vorgesehen, nämlich eine Elegie "Herr du mein Gott" für Baß mit Orgelbegleitung des damals bereits langsam in Vergessenheit geratenden einstigen Münchner Hofkapellmeisters Rheinberger. Dies entsprach der ernsten Grundstimmung, die seit den letzten Juli-Tagen zumindest bei der im vorgerückten Alter stehenden Bevölkerung vorherrschend war. Vokal- oder Instrumentalmusik während des Gottesdienstes oder auch einzelne Orgelvorträge nach dem Altargottesdienst waren 1914 in Augsburg eine sich erst allmählich durchsetzende Neuerung, die wesentlich von der Barfüßer-Pfarrei ausging. Üblich war eine Kollekte unter den Gottesdienstbesuchern zu besonderen, im voraus benannten Zwecken, etwa in der Mission oder zur Hilfe für die Diaspora. Um 1914 war dies für mehrere Jahre die Unterstützung des Baus einer Kirche für die protestantische Gemeinde St. Johannes, die sich noch in einem kleinen Betsaal in den Wertachvorstädten drängte. Durch die Eingemeindungen der letzten Jahre war der Anteil der Protestanten auf gut ein Fünftel der Bevölkerung abgesunken. Der Aufbau von Kirchengemeinden in dem überwiegend katholischen Vorortgürtel war seit beinahe 40 Jahren eine mühselige Aufgabe der Innenstadtpfarreien. Kurzfristig wurde nun die Friedensfestfeier abgesagt, auch das Kinderfriedensfest sollte entfallen. Am 8. August beschränkte man sich auf Beichte mit Abendmahlfeier. Am 9. August, einem Sonntag, wurde ein vom Oberkonsistorium angeordneter allgemeiner Büß- und Bettag abgehalten, an dem sich die ganze evangelische Christenheit unserer Landeskirche vor dem Allmächtigen beugen und seine Gnade erflehen [solle] für unser Volk und Heer}0 Am gleichen Tag fand die erste Kriegs-Betstunde statt, die in den folgenden Jahren täglich in verschiedenen Kirchen zu Nachmittags- und Abendstunden angesetzt wurde, solange der Perso-

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Neue Augsburger Zeitung, Nr. 180, vom 7.8.1935: Wie das Friedensfest Reisefeiertag wurde. Zur zeitgenössischen Berichterstattung siehe etwa Augsburger Neueste Nachrichten, Nr. 183, vom 9.8.1913. Evang. Gemeindeblatt, Nr. 32, vom 9.8.1914.

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nalstand der Geistlichkeit dies zuließ. Auf katholischer Seite entfiel diesmal der für den 8. August althergebrachte Gang des Augsburger Wallfahrervereins nach Biberbach, einer im späten 17. Jahrhundert aufgeblühten Pilgerstätte, wo auch eines 1633 von schwedischer Soldateska ermordeten Pfarrers gedacht wurde. Der Wallfahrerzug sammelte sich in Augsburg stets bei der ehemaligen Klosterkirche Heilig-Kreuz, in unmittelbarer Nachbarschaft zur gleichnamigen evangelischen Pfarrkirche als Sinnbild protestantischer Wiederberechtigung nach 1648. An dieser gleichsam von Reformation, Gegenreformation und Säkularisation umstandenen Stelle löste sich der Zug nach seiner Rückkehr auch auf, zumindest im 19. Jahrhundert bei Auszug und Heimkehr jeweils von Glockengeläut begleitet."

III. Die Diskussion in der Weimarer Republik In den offiziellen Beziehungen zwischen den Glaubensgemeinschaften und in der Verwaltungspraxis war das Festhalten am Charakter Augsburgs als eines gemischt-konfessionellen Ortes bis in die ersten Jahre der Republik nicht ernsthaft umstritten. Eine direkte Auswirkung der numerischen Konfessionsverteilung auf das Feiertagsrecht ergab sich erst im Vorfeld der im März 1924 erfolgenden Änderung der Verordnung über die Feier der Sonn- und Festtage von 1897, die das Prinzip der Dreiviertelmajorität als Maßstab für das Einhalten kirchlicher Feiertage einführte. Der Eindruck, den die Initiative der Stadtratsfraktion der Bayerischen Volkspartei vom März 1923 hervorrief, im Sinne eines Beschlusses des bayerischen Gesamtministeriums in Augsburg - als einem nunmehr weit überwiegend katholischen Ort - den bislang nicht gefeierten Josephstag einzuführen, fügte sich für viele Protestanten in ein Bild: Nivellierungsdruck mit dem Rückhalt einer vom politischen Katholizismus beherrschten Landesregierung und Parteien, die, von der Verbreiterung des Wahlrechts und dem Zuwachsen der Peripherie begünstigt, den einst im Urbanen Kontext bestimmenden Nationalliberalismus zu überlagern drohten. Für sie war es mithin ein weiterer Sieg der Zahl über die Qualitäten, die das Selbstverständnis der städtischen Führungsschichten des abgelaufenen Jahrhunderts konstituiert hatten. Daß in Augsburg 1924 nach anfanglichem Widerstand der Stadtratsmehrheit mit dem Josephstag und Mariae Himmelfahrt zwei katholische Feiertage zusätzlich zur Geltung kamen, freilich ohne den bisherigen Feiertagsbestand anzutasten, hatte somit eine kräftige Symbolik. In erster Linie gegen diese neuen, gleichsam verordneten und übrigens unbezahlten Feiertage wandten sich in den folgenden Jahren Beschwerden aus der örtlichen Wirt-

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Zum Glockengeläut für die Pilgerzüge nach Andechs, Violau, Biberbach und Klimmach siehe das Gesuch des Wallfahrtspriesters Domkaplan Wolf an das Ordinariat Augsburg vom 6.5.1857. ABA, B O 3894.

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schafit und den freien Gewerkschaften. Sie zielten auf deren Abschaffung oder zumindest auf Genehmigung von Arbeitslaufzeiten. Friedensfest und Karfreitag als lokal vereinbarte Feiertage blieben bei Verbänden und Organisationen zunächst unangefochten. Bemerkenswert ist immerhin, daß eine auf Einigung der Konfessionen gegründete Feiertagsregelung, die sich nicht an den numerischen Maßstäben der staatlichen Verordnung orientierte, nicht nur als Relikt geduldet, sondern in Städten, die auf dem Wege zu stärkerer konfessioneller Mischung waren - etwa in München bezüglich des Karfreitags - durchaus neu angenommen werden konnte. Zu wanken schien allerdings die Augsburger Stadtverwaltung. Im Februar 1925 regte sie bei der Regierung anläßlich von Klagen über die Überbürdung der heimischen Wirtschaft durch Feiertage deren generelle Verlegung auf Sonntage an, soweit ihre geschichtliche Bedeutung verblaßt sei. Im Dezember 1929 lehnte das Wirtschaftsreferat gegenüber der Aufsichtsbehörde Anträge von Unternehmen auf Arbeit an katholischen Feiertagen ab, nicht ohne sich darüber zu verwundern, daß die Industrie nicht an das Friedensfest herangehe, das seit langer Zeit seinen religiösen Charakter eingebüßt habe.' 2 Zur politischen Atmosphäre der letzten Jahre der Weimarer Republik gehörte der Argwohn in den politischen Kräften außerhalb der BVP über einen sich mehrenden ultramontanen Einfluß in der Stadtspitze, eine örtliche Quelle des Sympathievorschusses fur die NSDAP im Minderheitenprotestantismus.

IV. Abschaffung des Feiertags im Dritten Reich Unter dem Vorzeichen einer neuen Gesetzgebung zum Feiertagswesen im Dritten Reich sollte das Friedensfest allerdings das Schicksal jener spezifisch katholischen Feiertage teilen. Nachdem in den Jahren 1922/23 eine reichseinheitliche Regelung gescheitert war, legte das Reichsgesetz über die Feiertage vom 27. Februar 193413 allgemein zu haltende Feiertage - Neujahr, Karfreitag, Ostermontag, 1. Mai, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, Bußtag, 1. und 2. Weihnachtstag fest. Reformationsfest und Fronleichnam waren je nach Überwiegen evangelischer und katholischer Bevölkerung und nach bisherigem Brauch als Feiertage zugelassen. Für andere, bisher auf Landesrecht oder örtlicher Vereinbarung beruhende kirchliche Feiertage war ein je nach dem konfessionellen Mehrheitsprinzip 12

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StadtA Augsburg, 32/217. Stadtrat Augsburg an Regierung von Schwaben und Neuburg (Kammer des Innern) (11.2.1925 bzw. 13.12.1929). Ansonsten kamen Vorschläge, das Friedensfest auf einen Sonn- oder einen anderen Feiertag zu verlegen, am ehesten aus dem Bereich des überörtlichen Verkehrswesens, so im Juli 1923 von der Zweigstelle Bayern des Reichsverkehrsministeriums. StadtA Augsburg, 43/183. RGBl IS.129.

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zu gewährender polizeilicher Schutz vor störenden Arbeiten beziehungsweise Störungen des Hauptgottesdienstes vorgesehen. Die entsprechenden Formulierungen der Verordnung über den Schutz der Sonn- und Feiertage vom 16. März 1934 kehrten in der Verordnung sämtlicher bayerischer Staatsministerien über den Schutz staatlich nicht anerkannter Feiertage vom 13. März 1935, aber auch im bayerischen Sonn- und Feiertagsgesetz von 1949 wieder.14 Nachdem im März 1934 als erste örtlich wirksame Maßnahme der Josephstag de facto auf den Status eines Werktages zurückgefallen war, liefen seit April 1934 auf verschiedenen Schienen Bemühungen, das Friedensfest zu erhalten. Zum einen wurde auf Ersuchen des Zweigvereins Augsburg des Evangelischen Bundes der Augsburger Stadtrat auf der Basis eines Gesamtbeschlusses vom 2. Mai 1934 tätig, um über das bayerische Kultusministerium beim Reichsinnenminister eine Änderung oder Ergänzung des Februar-Gesetzes in Vorschlag zu bringen.15 Zum anderen wandte sich das Dekanat Augsburg direkt an das Reichsinnenministerium, wurde jedoch rasch auf den Weg zu den Landesbehörden verwiesen, um dort den für Sonn- und anerkannte Feiertage vorgesehenen ortspolizeilichen Schutz zu erreichen. Ein entsprechender Antrag an die bayerische Staatsregierung blieb vorläufig unbeantwortet. Erfolgversprechender schien der Versuch des Stadtrates, beim Reich einen Schutz geschichtlich bedeutsamer örtlicher Feiertage durch die Landesbehörden zu ermöglichen. Die Stellungnahmen, die das Kultusministerium hierzu bei der Regierung von Schwaben und bei den kirchlichen Oberbehörden, darunter dem Ordinariat Augsburg,16 einholte, waren günstig. Das Reichsinnenministerium zeigte sich Anfang August 1934 nicht abgeneigt, wenn auch nicht das Gesetz selbst, so doch dessen Folgevorschriften zu ergänzen - freilich ohne sich konkreter festzulegen. Für dieses Mal müsse es sein Bewenden haben und das Friedensfest auf die kirchliche Feier beschränkt bleiben, zumal Volkstrauer um den Reichspräsidenten bestehe. Der Rücklauf über das Kultusministerium und die Regierung brachte erst unmittelbar vor dem 8. August 1934 die Gewißheit, daß erstmals seit Menschengedenken der Friedensfest-Tag den Charakter eines Werktages haben werde. Auch wenn eine positive Regelung künftig nicht ausgeschlossen schien, wurde die Entwicklung von der Augsburger Öffentlichkeit mit Niedergeschlagenheit zur Kenntnis genommen,17 und befand sich in Übereinstimmung mit der evangelischen Gemeinde, deren Dekan offenbar mit Erfolg zu be-

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RGBl I 1934 S.199; GVB1 1935 S.113;GVB1 1950 S.41. StadtA Augsburg, 43/183. Stadtrat Augsburg (I. Bürgermeister Stoeckle) an Staatsministerium für Unterricht und Kultus (4.5.1934). ABA, BO 5584. Das Generalvikariat teilte dem Ministerium unter dem 24.7.1934 mit, zwar habe man kein religiöses Interesse am Erhalt des Friedensfestes, doch [...] wie wir [...] unsere eigenen Feste geschützt wissen möchten, [so] erheben wir keine Erinnerung, wenn auch die Feste unserer protestantischen Mitbürger geschützt werden. Neue Augsburger Zeitung, Nr. 178, vom 4.8.1934. Neue Nationalzeitung, Nrr. 179, 181, 184, vom 4.8., 7.8., 10.8.1934.

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sonders starkem Kirchenbesuch aufrief. Den Ärger mochte verstärken, daß einige Wochen zuvor der Fronleichnamstag unbehelligt begangen worden war und somit ein altes paritätisches Gespann verletzt schien. Um eine zeitliche Bredouille wie im Vorjahr zu vermeiden, ergriffen Landeskirchenrat, Dekanat und Stadtrat bereits im Februar und März 1935 erneut Initiativen. Die Verordnung vom 13. März 1935 schien die Lösung zu bringen, auf die das Dekanat 1934 gehofft hatte. Eine Anwendung auf das Friedensfest stand freilich im Zweifel, da die Voraussetzung der bekenntnismäßigen Mehrheit fur den ortspolizeilichen Schutz fehlte. Gerade deswegen und wegen der breiten Auslegungsmöglichkeiten der Schutzbestimmungen hatte die Stadtspitze auf eine gesetzliche Verankerung gedrungen. Diese Bedenken schienen unbegründet, als die Regierung von Schwaben Ende Juli den Schutz über den Augsburger Feiertag verfugte. 1935 konnte somit das Friedensfest wieder im alten Rahmen gefeiert werden, was manchen Anlaß zu hoffnungsfroher Stimmung gab, zumal sich die kirchenpolitische Lage nach dem Ende des reichsbischöflichen Kommissariats stabilisiert zu haben schien.18 Die Ernüchterung kam im folgenden Jahr. Der in der Praxis als Wiedereinführung der Arbeitsruhe umgesetzte Schutz für den Josephstag und Mariae Himmelfahrt war 1935 in Wirtschaftskreisen auf Protest gestoßen, die nach der als positiv empfundenen Vereinheitlichung von 1934 neue Ausnahmeregelungen auferstehen sahen.19 Das Reichsinnenministerium beschränkte in einem behördeninternen Erlaß vom 14. Oktober 1935 den Schutz der staatlich nicht anerkannten Feiertage auf den Ausschluß störender Arbeiten, nicht jedoch auf sonstige Arbeiten und die Ladenöffnung. Unter dieser Maßgabe wurde die bayerische Schutz-Verordnung vom März 1935 so umgesetzt, daß nacheinander einige 1935 mit Arbeitsruhe begangene Feiertage im Folgejahr den Charakter von Werktagen annahmen. Die Verordnung erwies sich somit als ein Instrument, das Feiertagsrecht nach wirtschaftlichem Bedarf und kirchenpolitischer Lage umzusetzen, wobei aus bayerischen Ministerien durchaus Einwendungen kamen. Folgebestimmungen hatten die konkreten Entscheidungen über den Umfang des zu gewährenden Schutzes bei den Regierungen angesiedelt, diese aber an die vorherige Genehmigung des Kultusministeriums gebunden. In Augsburg sah man Unbill nahen: Das Referat 4 der Stadtverwaltung erbat am 26. Juni 1936 bei der Regierung von Schwaben weiteren Schutz für das Friedensfest und wollte angesichts von Beschwerden der Industrie- und Handelskammer über die im August bei zwei zu haltenden Feiertagen 18

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Neue Augsburger Zeitung, Nr. 181, vom 9.8.1935: Kleiner Friedensfestbrief: Lieber Münchner Freund ! In den evangelischen Kirchen sei ein einziges Halleluja darüber [gewesen], daß nach langem Glaubens- und Bruderzwist endlich der Friede eingekehrt war. Als Beispiel das Schreiben der Industrie- und Handelskammer Augsburg an das Staatsministerium für Wirtschaft (Abt. Handel, Industrie und Gewerbe) (25.3.1935). HStA München, MWi 3065.

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die 1936 jeweils auf Freitage fielen - zu erwartenden Nachteile lieber auf Mariae Himmelfahrt verzichten. Die Beziehungen der jetzigen Stadtverwaltung zur evangelischen Kirche waren noch immer gut: Der Antrag des Polizei-, Gesundheitsund Sportreferats folgte in seiner Begründung fast wortgleich einer Stellungnahme von Dekan Schiller vom Vortag.20 Die am 29. Juli 1936 antwortende Entschließung des Kultusministeriums entbehrte nicht eines gewissen Sarkasmus: Da dieser Feiertag als ein Tag der Verbundenheit der beiden Konfessionen im Interesse der Volksgemeinschaft nur zu begrüßen sei, bestünden keine Bedenken, ihm auch heuer den staatlichen Schutz zu gewähren. [Dieser Schutz betreffe besonders störende Arbeiten.] Ein Ladenschluß hingegen finde nicht statt. Damit war das Friedensfest neuerlich Werktag geworden. Auch jetzt war das Echo in der bürgerlichen und der nationalsozialistischen Presse kräftig und von Bedauern bestimmt,21 nicht ohne auf das gleichsam paritätische Schicksal katholischer Feiertage hinzuweisen und - vergebliche - Hoffnung auf eine erneute Wendung der Dinge 1937 zu machen. Wie schon 1934, so blieben auch jetzt und in den folgenden Jahren die Büros der evangelischen Kirche am 8. August geschlossen. Inwieweit der Bitte an Behörden und Privatbetriebe, ihren evangelischen Beschäftigten den Besuch des Hauptgottesdienstes zu ermöglichen, nachgekommen wurde, wäre noch zu ergründen. Die Einfuhrung von Morgenandachten 1940 kann entsprechende Schwierigkeiten andeuten. In den Verlautbarungen von Dekanat und Pfarrkonvent findet sich fast durchgängig der Appell an die Verpflichtung aus dem Vätererbe, treu zur Kirche und zum Evangelium - im Sinne der Landeskirchenleitung - zu stehen. Mit Analogien zwischen den vorbildstiftenden Zeiten des Dreißigjährigen Krieges und Bedrängnissen der Gegenwart wurde nicht gespart. So konnte man vom Abbruch der Kirchen von St. Ottmar und St. Georg auf den im Juni 1938 erfolgten Abriß der Matthäus-Kirche auf dem Sendlinger-Tor-Platz in München schließen oder das Lob der Standhaftigkeit der evangelischen Schullehrer nach dem 8. August 1629 mit dem Druck zur Niederlegung des Religionsunterrichts durch die weltlichen Lehrkräfte in Beziehung setzen. In einer Stadt, deren großbürgerlicher Erweiterungsbereich des 19. Jahrhunderts vor einer Umgestaltung 20

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StadtA Augsburg, 43/183. Das Fest bezeuge, daß in Augsburg ein friedliches Verhältnis zwischen der katholischen und evangelischen Bevölkerung besteht und die kirchlichen Unterschiede keine Beeinträchtigung der Volksgemeinschaft mit sich bringen. Die evangelische Gemeinde hängt an diesem Feste ganz besonders und würde es sehr schmerzlich empfinden, wenn ihm der Schutz aufs Neue entzogen würde [...]. Neue Augsburger Zeitung, Nr. 183, vom 8.8.1936, unter der Überschrift "Ein halbes Friedensfest ?": Gerade diejenigen, die am stolzesten auf ihr Fest sind, sollten es so innerlich besitzen [...]. Ein kleiner Geschäftsmann habe mannhaft folgendes Schild in seme Auslage gehängt 'Bei mir ist am Friedensfest (8. August) geschlossen. Sicher mag ihm diese Treue zum angestammten Brauchtum ein materielles Opfer kosten, aber dafür wird er seinen Feiertag vielleicht erleben, wie er ihn noch nie erlebt hat, geschenkt und gewonnen durch eigene Kraft.

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unter dem Auge Adolf Hitlers stand - Projekte, die Partei und Medien in würdiger Nachfolge Elias Holls sahen - , konnten Verehrung des Stadtbaumeisters und die Betonung von dessen Glaubensstärke Defensivwaffen sein. Der erste in der langen Reihe der Abendvorträge und Feierstunden für die Gesamtgemeinde bei St. Anna galt 1938 einem geschichtlichen Thema, und zwar mit dem nachmals bekannten Kirchenhistoriker Matthias Simon, damals Pfarrer bei St. Matthäus in Hochzoll, als Vortragendem. Zur Erfahrungswelt des Augsburger Protestantismus gehörte seit der Mitte des 18. Jahrhunderts der Verlust der zahlenmäßigen Mehrheit in dieser fur das lutherische Selbstverständnis wichtigen Stadt. Die demographischen Verschiebungen mochten lange durch ein erfolgreiches Selbstbewußtsein der evangelischen Augsburger als Träger einer eigenständigen Kulturtradition kompensiert werden. Beobachtungen zum 18. Jahrhundert, daß nämlich ein durchaus kritisch gesehenes "übersteigertes Geschichtsbewußtsein" Aufgaben der Abgrenzung und des sozialen Zusammenhalts in einer zunehmend nicht-protestantischen Umwelt zu erfüllen hatten,22 lassen sich auch in den 1920er und 1930er Jahren machen. Es war eine Insel, die klein geworden war und noch kleiner wurde: Zwischen 1925 und 1933 hatte die evangelische Bevölkerung Augsburgs einen wenn auch geringfügigen absoluten Rückgang zu verzeichnen gehabt. Unter den Innenstadtpfarreien war in diesem Zeitraum - durch Neubaugebiete - nur noch St. Ulrich gewachsen, ansonsten hatte sich ein Schwund durch Abwanderung und Sterbeüberschüsse zwischen 3,7 % (Heilig-Kreuz) und 12,6 % (Barfüßer) ergeben. Bei St. Anna hatte die Zahl der Taufen 1933 und 1934 eben noch die Hälfte jener der Beerdigungen erreicht. Nur knapp 27 Prozent der evangelischen Brautleute hatten 1933 vor dem Standesamt Augsburg einen Partner ihrer Konfession geheiratet.23 Der erfolgreiche Kampf des sich seit Oktober 1934 in Bekenntnisgemeinschaften versammelnden Kerns der landeskirchentreuen Protestanten gegen diejenigen Deutschen Christen, die sich einem reichsbischöflichen Regiment in Bayern verschrieben hatten,24 war ein Kampf gegen Fermente, die diese Identität aufweichten: Die Evangelischen Augsburgs leben in Diasporaverhältnissen und haben keinerlei Verständnis für Splitterbewegungen und Gruppenbildungen, die ihre 22

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Etienne F r a n c i s : Die unsichtbare Grenze. Protestanten und Katholiken in Augsburg 16481806. Sigmaringen 1991 (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg. Bd. 33). S. 155167. Gesamtgemeindestatistiken in Evang. Gemeindeblatt, Nr.5, vom 28.1.1934; Nr.14, vom 31.3.1935. Kommunale Mitteilungen (Veröffentlichungen des Statistischen Amtes der Stadt Augsburg). Nr. 265, vom 14.10.1933. Augsburger Wirtschaftsbilder (Statistische Monatsberichte als Beilage des Amts-Blatt für die Stadt Augsburg), Jg. 2, Nr. 10 (1935), S. 66f. Gerhard Hetzer: Kulturkampf in Augsburg 1933 - 1945. Konflikte zwischen Staat, Einheitspartei und christlichen Kirchen, dargestellt am Beispiel einer deutschen Stadt. Augsburg 1982 (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg. Bd. 28). S. 111 - 115, 124 - 130.

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evangelische Kirche schwächen und deren Ansehen in den Augen schen Bevölkerung herabmindern müssen. [Sie] haben im Laufe hundertjährigen Geschichte einen zähen Kampf gegen Rom führen unvergessen ist und ihnen ein gesundes und lebendiges Empfinden hat für alles, was, direkt oder indirekt, eine Schwächung unserer che bedeutet

377 der katholieiner mehrmüssen, der eingetragen Diasporakir-

Ab 1942 wurde das Friedensfest mit Hauptgottesdiensten der Pfarreien und Abendfeierstunden der Gesamtgemeinde am jeweils auf den 8. August folgenden Sonntag gefeiert, nachdem die Verordnung des Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung (Wilhelm Frick) über die Handhabung des Feiertagsrechts während des Krieges vom 27. Oktober 194126 eine Feier an einem Arbeitstag blockierte. An das Friedensfest erinnerte in der Öffentlichkeit nur noch der Gottesdienstanzeiger in der Tagespresse, nachdem das örtliche Kirchengemeindeblatt 1941 sein Erscheinen eingestellt hatte.

V. Die Einführung des gesetzlichen Feiertags in der Nachkriegszeit Am 27. Juli 1945 genehmigte das für die Stadt Augsburg und ihre Umgebung zuständige amerikanische Detachement auf direkten Antrag des EvangelischLutherischen Dekanats die erneute Abhaltung des Friedensfestes als Feiertag, eine Regelung, die auf der Linie der Wiederherstellung der 1941 verlegten beziehungsweise auf den Status von Werktagen heruntergestuften Feiertage durch die Militärregierung lag.27 Die entsprechende Entschließung der Regierung von Schwaben an Landräte und Oberbürgermeister vom 4. August 1945, die diesen Feiertagen den Status von Festtagen im Sinne des Gesetzes von 1934 einräumte, war die Rechtsgrundlage, auf der nun der 8. August in Augsburg sowohl 1945 als auch 1946 und 1947 wieder als ein Feiertag mit Arbeitsruhe begangen wurde. Ei-

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Dekanat Augsburg (Bogner) an Landeskirchenrat (1.12.1938). LkAN, Dekanat Augsburg 409. RGBl I S.662. § 2: An allen kirchlichen Feiertagen, die nicht auf Grund des Gesetzes über die Feiertage vom 27.Februar 1934 [...] als Fest- oder allgemeine Feiertage [...] festgelegt sind, ist das Abhalten von kirchlichen Veranstaltungen für die Dauer des Krieges auf den Umfang der Veranstaltungen an gewöhnlichen Wochentagen zu beschränken. Nach 19 Uhr können Kirchenveranstaltungen stattfinden, die über den Umfang der Veranstaltungen an gewöhnlichen Wochentagen hinausgehen. Die entsprechenden Unterlagen in StadtA Augsburg, 49/476 und 50/158. Siehe auch Wilhelm Ott: Erinnerungen an die Tätigkeit als geschäftsführender Bürgermeister Augsburgs. In: KarlUlrich Gelberg: Kriegsende und Neuanfang in Augsburg 1945. Erinnerungen und Berichte. München 1996. S.84 (Dok.l).

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ne im Juli 1946 vom bayerischen Ministerrat beschlossene und im folgenden September von der Militärregierung genehmigte Liste an vorbehaltlich einer späteren gesetzlichen Regelung einzuhaltenden Feiertagen führte das Friedensfest nicht auf. Im Vorfeld des Beschlusses hatte das Wirtschaftsministerium unter Ludwig Erhard eine Aufnahme unter die sogenannten einfachen Feiertage (mit nur beschränkter Arbeitsruhe) befürwortet. Das Kultusministerium hielt unter Verweis auf den Rechtszustand vor 1934 und die Konfessions Verteilung allenfalls den Weg der örtlichen Vereinbarung zur Arbeitsruhe für angemessen. 28 Dieser Auffassung folgten auch die im Innenministerium in den Jahren 1947 und 1948 erarbeiteten Entwürfe für ein bayerisches Feiertagsgesetz. 1948, im Jahr der Währungsreform, fiel der 8. August auf einen Sonntag, die Frage der Entlohnung von durch Feiertage entfallender Arbeitszeit erhielt somit bezüglich des Friedensfestes erst 1949 neue Qualität. Ein weiterer Gesetzentwurf des Innenministeriums vom März 1949 enthielt immerhin eine Ermächtigung für die Staatsregierung, Feiertage von erheblicher örtlicher Bedeutung zu gesetzlichen Feiertagen oder zu staatlich geschützten Feiertagen zu erklären, und zwar im Zeichen der Fortentwicklung und Stärkung der gemeindlichen Selbstverwaltung.19 Angesichts des Drängens der Zeit und des Alarmrufs eines Augsburger Abgeordneten, daß im Rechts- und Verfassungsausschuß des Landtages keine Neigung bestehe, diese Ermächtigung zu geben, wurden frühere Überlegungen30 aktuell, einen Schritt auf förmliche Erklärung des Friedensfestes zum gesetzlichen Feiertag zu unternehmen. Oberbürgermeister Müller stellte am 8. Juli 1949, einen einstimmigen Stadtratsbeschluß im Rücken, einen entsprechenden Antrag, der in seiner Begründung bis zu Ovid und Paul von Stetten ausholte31 und versuchte auch die Augsburger Landtagsabgeordneten und Senatoren auf diese Linie einzuschwören. Das Vorbringen in der wegen Beschlußunfähigkeit abgebrochenen Landtagssitzung vom 21. Juli 1949 ergab noch kein eindeutiges Ergebnis. Unmittelbar vor dem 8. August 1949 scheiterte der Versuch der Stadtverwaltung, von sich aus einen gesetzlichen Feiertag mit Lohnzahlung zu dekretieren, am Einspruch der Aufsichtsbehörden. Zu einer freiwilligen Vereinbarung wollte sich zumindest bei dieser Nagelprobe auch die Selbstverwaltung der örtlichen Wirtschaft nicht verstehen. Dem Allgemeinen Ausschuß des Stadtrates blieb nur der Weg, das Friedensfest für Büros und Betriebe der Stadtverwaltung als gesetzlichen Feiertag zu halten und die Arbeitgeber aufzuru-

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Abschriften der Schreiben der Staatsministerien fur Unterricht und Kultus vom 14.5.1946 und für Wirtschaft vom 16.7.1946 an das Innenministerium in HStA München, Staatskanzlei 11415. Entwurf mit Begründung in HStA München, Staatskanzlei, Gesetze und Verordnungen 723. StadtA Augsburg, 49/476. Aktenvermerk Weinkamm für Oberbürgermeister Hohner (22.7.1947): Eine Wiedereinführung sei aus politischen Gründen notwendig; eine gesetzliche Einfuhrung sei anzustreben. Stadtverwaltung Augsburg an Staatsministerium des Innern (8.7.1949). HStA München, MInn 93021.

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fen, es ebenso zu halten. So bot der Tag selbst ein uneinheitliches Bild, zum Teil wurde gearbeitet. Als Landtag und Senat Ende August 1949 nach einem vierwöchigen Sitzungsstreik Beschlußfähigkeit wiedererlangt hatten, gehörte das neue Feiertagsgesetz zu den wichtigen Beratungsgegenständen. Innenminister Willi Ankermüller, mit der politischen Szenerie Augsburgs vertraut, zeigte sich einigen bereits vorliegenden Abänderungsanträgen zum Entwurf seines Ministeriums geneigt.32 Die parteiübergreifende Tendenz des Augsburger Antrages und das Bestreben, vor den im kommenden Jahr anstehenden Landtagswahlen keine zusätzlichen Stimmungsbelastungen auf lokaler Ebene zu schaffen, mögen ein Entgegenkommen gefördert haben. Am 7. November stellten die beiden Abgeordneten des Stimmkreises Augsburg II, Franziska Gröber (CSU) und Hans Kramer (SPD) sowie der Abgeordnete für Augsburg-Land, Albert Kaifer (CSU) den zur Einführung des Friedensfestes als gesetzlichen Feiertag im Stadtkreis Augsburg erforderlichen Antrag. Zwei Tage später beschloß der Landtag mit Mehrheit über das Gesetz, das am 15. Dezember 1949 verkündet wurde. Zweifellos war die Verankerung des Friedensfestes als eines nur lokal begangenen Ereignisses in einer allgemeinen Rechtsnorm der Erfolg eines Bündnisses der wichtigsten politischen Gruppen in der Kommunalpolitik mit den Gewerkschaften zu einem für die Vertretung dieser Interessen auch landespolitisch günstigen Augenblick. Bemerkenswert ist immerhin, daß auch die örtliche Wirtschaft eine dem Friedensfest relativ wohlgesonnene Haltung beibehalten hatte, der nun erreichten 'großen' Lösung im Vorfeld nur schwach entgegenwirkte und sie auch künftig im wesentlichen akzeptierte. Das Friedensfest war damit endgültig auch zu einer gesamtkommunalen Angelegenheit geworden, gleichsam zu jenem Augsburger 'Nationalfeiertag', der Parteien und Konfessionen verband. Veränderungen hatten sich seit 1945 auch bei den Inhalten ergeben. Zum einen war es die Berufung auf das Ziel des Weltfriedens mit mehr oder weniger deutlichen Gegenwartsbezügen, von der Pariser Konferenz im Sommer 1946 über den beginnenden Korea-Krieg, der einen Schatten auf die 300-Jahr-Feier im August 1950 warf, bis hin zu den Kriegen in Vietnam und Biafra, an die zu mahnen der Dekan 1969 Plakate am Altar während des Kinderfriedensfestes anbrachte. Über den umfassenderen Friedensbegriff ließen sich zum anderen auch Katholiken in ein weltliches Rahmenprogramm einbinden. Die Ende 1945 gegründete Augsburger Akademie gestaltete 1947 einen Festakt, der zugleich als Schlußfeier für das Sommersemester der Volkshochschule diente, und lud hierbei zu einem historischen Vortrag und einem Konzert des Münchner Kammerorchesters in den Ludwigsbau. Wegen des gefundenen Anklangs wurde im folgenden Jahr eine ähnliche Veranstaltung durchgeführt. 32

Siehe den Entwurf einer (nicht gehaltenen) Rede für die Landtagsdebatte vom 14.10.1949 in HStA München, MInn 93024.

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Gerhard Hetzer

Die Veranstaltungen rund um das 300jährige Jubiläum des Friedensfestes sollten eine breitere und veqüngte Basis für ein altes Kirchenfest demonstrieren. Kirchliche und weltliche Feiern wurden von der evangelischen Gesamtgemeinde, der Augsburger Akademie, der Stadtverwaltung und vom Verkehrsverein getragen. St. Anna und die Ulrichskirchen, aber auch der Dom und das Rathaus wurden am Vorabend illuminiert, desgleichen der Perlachturm, von dem ein Posaunenchor Melodien blies, die beiden Konfessionen vertraut waren. Zum Festabend in St. Anna, wo Landesbischof Lilje aus Hannover über die Staatsauffassung des lutherischen Christen sprach, waren auch einzelne hochrangige katholische Geistliche erschienen. Seinerseits nutzte das Katholische Volksbüro den Feiertag zur Fahrt von fünf Sonderzügen aus Augsburg mit 4 600 Passagieren zu einer ExtraVorstellung des Passionsspiels in Oberammergau. Die einst von Beobachtern von außen und manchmal auch im Innern bespöttelte Augsburger Parität wurde als zeitgemäßes Friedensinstrument und Toleranzmodell gewürdigt, BefÖrderin einer Entwicklung, die am Ende des 18. Jahrhunderts die Verkündigung der Menschenrechte hervorgebracht habe." In der evangelischen Gemeinde äußerten sich freilich bereits im Vorfeld des Festes Reserven gegenüber dem Gang der Dinge beim Jubiläum. Man sehe es nicht gerne, wenn, nur eine farblos-allgemeine Friedensfeier zur Lebendigerhaltung der Friedensidee an sich gemacht würde. Denn zum Friedensfest gehört schon [...] das Bild der in aller inneren Anfechtung trotzigen Altaugsburger Männer und Frauen, die nicht nur den Frieden, sondern einen solchen Frieden erlangten, der das unbeeinträchtigte Dauern des evangelischen Lebens und Kirchenwesens in Augsburg verbürgte.34 Das kommunale Kinderfriedensfest von 1950 wurde unter Beteiligung von Wohlfahrts- und Jugendverbänden, darunter auch der Inneren Mission, zu einem Erfolg - trotz organisatorischer Mängel, die für die weiteren Feste eine Regie der Stadtverwaltung opportun erscheinen ließ. Für das althergebrachte Fest der evangelischen Kirche ergaben sich Probleme aus der nun alljährlich geplanten Veranstaltung der Stadt: Sie übernahm denjenigen Teil der Überlieferung, der sich mit den Erinnerungen an kindliche Kurzweil verband. Auf diesen heiteren Saiten schwangen seit Generationen überkonfessionelle Gemeinsamkeit und vaterstädtische Identifikation mit. Das meiste Bedenken im evangelischen Pfarrkonvent verursachte bei der drohenden Überlagerung des kirchlichen Ursprungs damals offenbar der Termin des städtischen Festes: Es war in zeitlicher Beziehung vom Friedensfest abgekoppelt, vielmehr auf einen katholischen Feiertag gelegt. Nach einigen Jahren des Beobachtens, während denen ein kirchliches und ein weltliches Kinderfriedensfest nebeneinander existierten, das eine zum hergebrachten Mitt33 34

Eduard Gebele: 300 Jahre Augsburger Friedensfest. 1650 - 1950. Augsburg 1950. S.12. 300 Jahre Friedensfest von Wolfgang Zorn. In: Evang. Gemeindeblatt, Nr. 32, vom 6.8.1950.

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wochs-Zeitpunkt, das andere am 15. August, setzten sich im Konvent die Bewahrer des bekenntnisgebundenen Brauchtums durch: Angesichts des Unbehagens am einreißenden "Jahrmarktrummel" im Tiergarten erging im August 1956 die Bitte an den Oberbürgermeister, den Begriff "Kinderfriedensfest" ausschließlich der kirchlichen Veranstaltung zu belassen. Die Stadt hielt künftig ein Kinderfest im Tiergarten ab.35

VI. Tradition und Erneuerung des Friedensfestes Um diese Zeit kam es zu einem Wiederaufleben des Brauchs der Verteilung der Friedensgemälde, das jeweils in Zusammenhang mit der Perzeption krisenhafter Entwicklungen fur die Kirche im allgemeinen oder fur das Friedensfest im besonderen zu sehen ist. In den 1950er Jahren drohte somit das kirchliche Kinderfriedensfest in der Umarmung durch das gleichnamige städtische Fest zu versinken. 1977 sollte der sich schon lange abzeichnende schmerzliche Abschied von der Volkskirche mit dem Rückgang des Gottesdienstbesuches und des Gemeindelebens nicht nur in den alten Kernpfarreien zum Anlaß neuer Bemühungen werden. In den Jahren 1938 bis 1941 hingegen war die Ausgabe der Friedensbilder vom Kirchenkampf nicht zu trennen gewesen, vor allem nicht von dessen Feldern im Bereich der Jugenderziehung. Als im August 1938 die Wiedergabe eines Kupferstichs des Raphael Custos an die Teilnehmer der Kindergottesdienste ausgegeben wurde, war einige Monate zuvor die Gemeinschaftsschule obligatorisch geworden, der polizeiliche Druck auf die kirchliche Jugendarbeit hatte sich verstärkt. Der Augsburger Pfarrkonvent betonte in einem Aufruf den Zweck, dem Schwund an biblischem und kirchengeschichtlichem Wissen bei Kindern und Jugendlichen gegenzusteuern. 36 In einigen Familien wurde noch die Sammlung aller Denkmale des Westphälischen Friedens vom Juli 1790 gehütet. Die Ausgabe von Mappen fur die neuen Friedensbilder sollte nun eine ähnliche Kontinuität begründen. Darüber, ob der künstlerische Wert der zeitgenössischen Illustrationen tatsächlich von "zweitrangiger Bedeutung" war, wie sie im Abstand von 30 Jahren beurteilt wurden,37 kann man geteilter Meinung sein. Es war auf bekannte Graphiker zurückgegriffen worden, auf den norddeutschen Theologen Rudolf Schäfer, dessen Bilderbibel in Augsburg verbreitet war, oder auf Max Unold, gebürtiger Memminger und Absolvent von St. Anna. Er gehörte seit den 1920er Jahren zu den Erfolgrei35 36 37

Siehe den Vorgang in StadtA Augsburg, 49/136 I. Evang. Gemeindeblatt, Nr.32, vom 7.8.1938. Wolfgang Seitz: Die Augsburger "Friedensgemähld". Eine Studie zur Geschichte des Augsburger Kupferstiches. Augsburg 1969, s. Anhang; nahezu wortgleich folgt hier Horst Jesse: Friedensgemälde 1650-1789. Zum Hohen Friedensfest am 8. August in Augsburg. Pfaffenhofen a.d. Ilm 1981. S. 46.

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chen in der bayerischen Kunstszene, Buchillustrator ebenso wie Beiträger zur Gestaltung des deutschen Pavillons auf der Pariser Weltausstellung 1937. Wiewohl in kunstpolitische Schwierigkeiten geraten, wurde seine Darstellung des Elias Holl 1940 sicher nicht gegen seinen Willen für den Gedenkbogen verwendet. Die lyrischen Begleittexte des Pfarrers bei St. Ulrich, Senior Heinrich Schmid, entsprachen dem Bild eines Geistlichen seiner Generation (Jahrgang 1885) von idealisiertem Kinderleben. Schwierigkeiten, in Bild und Text eine Verständnisebene mit den vielfach der Kirche entgleitenden Jugendlichen zu finden, mögen allerdings eine bei Dekan und wohl auch einem Teil der Geistlichen vorhandene Skepsis begründet haben, den Brauch 1950 Wiederaufleben zu lassen. Im Aufwand sparsamer und mit traditionellem Programm (Gustav Adolf vor Augsburger Kulisse, Verlesung der Confessio Augustana, die wiedererstandene Heilig-KreuzKirche) kamen schließlich 1951 - 1953 erneut Friedensbilder zur Verteilung. Das individuellere und einer deutlicheren Friedenssymbolik verhaftete Bild von 1955 erinnerte an den Religionsfrieden von 1555, und zwar in den Tagen, als Augsburg im Zeichen der Milleniumsfeiern der Ungarn-Schlacht auf dem Lechfeld stand. Im Vorfeld dieser Feierlichkeiten war auf Referentenebene der Stadtverwaltung der Versuch unternommen worden, eine Verlegung des Friedensfestes auf den Jahrestag der Schlacht zu bewirken.38 Der Vorstoß war im politischen Bereich gescheitert, unter den evangelischen Geistlichen war übrigens auch jetzt die Meinung geteilt. Noch einmal, 1962, wurde in den folgenden Jahren an die Teilnehmer des Kinderfriedensfestes eine schmucklose Erinnerungsgabe verteilt - mit dem Bildnis des Augsburger Volkshelden aus dem Dreißigjährigen Krieg, dem "Steinernen Mann", stand sie wieder und noch im Rahmen der reichsstädtischen Tradition evangelischer Prägung. Mehr noch als das Hohe Friedensfest war das kirchliche Kinderfest nun in den Schatten nicht-kirchlichen Ferienbetriebes geraten. Bis 1976 wurde am jahrhundertealten Termin, von dem lediglich in seltenen Ausnahmen abgewichen worden war, festgehalten. Ein Reformversuch von 1977 brachte nicht nur einen Neuanlauf beim Friedensgemälde als Schülerwettbewerb 39 und ein 'Internationales Friedenscamp', sondern auch die Verlegung auf den Tag des Friedensfestes selbst als Kinder- und Familiengottesdienst jeweils zum Hauptgottesdienst in einer der Kirchen. Noch hielten hierbei einige der Besucher die charakteristischen Bräuche hoch, gab es Blumenkränze und die Friedenswecken, und entsprechende Fotos in der kirchlichen Presse beteuerten die Kontinuität. Das Erspüren und Betonen von tagespolitischen Bezügen, der Appell an eine Solidarität mit materieller Armut in anderen Kontinenten und ökumenische Akti-

38 39

StadtA Augsburg, 50/158. Aktenvermerk Kulturreferat vom 23.7.1954. Siehe Horst Jesse: Die Geschichte der Evangelischen Kirche in Augsburg. Pfaffenhofen a.d. Ilm 1983. S. 392-393, im übrigen die einschlägigen Ausgaben des Evangelischen Gemeindeblattes 1976- 1978.

Krise und Erneuerung

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vitäten setzten in den Jahren 1968-1972 die Akzente. Abwehr gegen Neuerungen in Stil und Ton äußerte sich in den Kirchengemeinden eher resignativ. Freilich wurde selbst in der im Nahbereich wenig zu Kritik neigenden Tagespresse Unbehagen deutlich, wenn die Gestaltung des seit 1961 im Rundfunk dargebotenen Festprogramms oder der Tenor mancher Predigten sich dem Zeitgeist anpaßten.40 Vorschläge von Diskussionspodien und Ideenbörsen auf 'aktuelle Profilierung' tendierten vor allem zu Mitträgerschaft von öffentlichen Stellen und Einbindung der katholischen Kirche, wobei die Beziehungen zwischen den Konfessionen nach dem Pfingsttreffen von 1971 einige Dämpfer und Irritationen erfuhren.41 In die Diskussion zur Neugestaltung kamen wiederum Aspekte des Volksfestes samt Historienspiel, zusätzlich die Errichtung eines Lehrstuhls fur Friedensforschung an der neuen Universität Augsburg oder die Stiftung eines Friedenspreises durch die Stadt, wobei 1974 noch an bescheidenere Kriterien bei der Findung von Preiswürdigen und der Dotierung gedacht war. 1985 wurde schließlich der erste Augsburger Friedenspreis verliehen. Gleichwohl ist es ein bis heute ungelöstes Problem geblieben, in den letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts einen Feiertag erneut zu popularisieren, der in eine allgemeine Urlaubs- und Ferienzeit fällt, zumal, wenn sich auf der Suche nach gemeinsamen Nennern ein bewußter Rückgriff auf seine konfessionelle Herkunft vermeintlich verbietet.

40

41

Siehe etwa den Beitrag Das Friedensfest bewußter machen in Augsburger Allgemeine, Nr. 181, vom 10.8.1970. Zur Kritik des Kreisdekans Dr. Rupprecht in seiner Festpredigt am 8.8.1973 in St. Ulrich an der nachkonziliaren Entwicklung in der katholischen Kirche im Allgemeinen und der Gestaltung des Ulrichsfestes 1973 im Besonderen siehe ABA, Generalvikariat, Abg. 1988/89, Nr. 531.

Anhang

Die Augsburger "Friedensgemähld". Eine Studie zur Geschichte des Augsburger Kupferstiches von Wolfgang Seitz, Augsburg 1969

Vorbemerkung der Herausgeber

Im Jahre 1969 erstellte der bekannte Sammler und Experte Augsburger Graphik Wolfgang Seitz eine erste Studie zur Erschließung der Augsburger Kupferstiche zum Friedensfest. Diese für die Forschungsgeschichte wichtige Aufstellung ist damals in wenigen maschinenschriftlichen Exemplaren zur Verfügung gestellt worden und in eine Reihe anderer Publikationen eingegangen. Insbesondere hat 1981 Horst Jesse 1 der von ihm verantworteten Faksimile-Ausgabe von Friedensgemälden eine Einleitung vorangestellt, die ohne deutlichen Hinweis auf den Urheber die Aufstellungen und Kommentare von Seitz wörtlich verwendet, allerdings in anderer Reihenfolge und untermischt mit anderen Bemerkungen. Im Jahre 1983 ging die Dissertation von Ulrike Albrecht, 2 deren Hauptleistung eine ikonographische und historische Erschließung der Kupferstiche Blatt fur Blatt darstellt, ausdrücklich von den Seitz'schen Aufstellungen aus und gab sie zum Teil wieder. Die autorisierte Originalversion von Seitz, die für viele Forschungen den Ausgang bildete und bilden wird, aber bislang nur in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg benutzbar ist, wird hier erstmals dokumentiert. Das unterstreicht die forschungsgeschichtliche Stellung des heute international renommierten Augustana-Spezialisten. Nunmehr kann - wie in diesem Band schon durchgeführt auf das weithin gültig gebliebene Verzeichnis von Seitz zurückgegriffen werden, zumal beide Zweitverwertungen entlegen publiziert und schwer zugänglich sind.

2

Horst Jesse: Friedensgemälde 1650-1789. Zum Hohen Friedensfest am 8. August in Augsburg. Pfaffenhofen a.d. Ilm 1981. Ulrike Albrecht: Die Augsburger Friedengemälde 1651-1789. Eine Untersuchung zum evangelisch-lutherischen Lehrbild einer Reichsstadt. Diss.phil. München 1983.

Die Augsburger "Friedensgemähld" Eine Studie zur Geschichte des Augsburger Kupferstiches

von Wolfgang Seitz Augsburg 1969

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Wolfgang Seitz

Inhaltsverzeichnis Α. Geschichte des Augsburger Friedensfestes und Kinderfriedensfestes

389

1) Friedensfest

389

2) Kinderfriedensfest

390

B. Die Geschichte der Kupferstichfolge "Augsburger Friedensgemälde"

390

1) Erscheinungsweise

390

2) Form

391

3) Bildinhalt

392

4) Kunsthistorische Bedeutung

393

5) Religiöse Bedeutung

396

6) Historische Bedeutung

396

7) Philologische Bedeutung der Texte

397

8) Bedeutung als Sammelobjekt

397

C. Sammelbände mit Friedensgemälden

399

D. Versuche der Wiederbelebung der Friedensgemälde

413

E. Chronologisches Verzeichnis aller Blätter

416

F. Friedensgemälde mit Abbildungen zur Topographie und Geschichte, vor allem Augsburgs

425

G. Veduten, historische Begebenheiten, Trachten, Wappen auf Friedensgemälden

429

1) Augsburg

429

2) Auswärtige Städte und Länder

432

Namensregister

434

Literatur

445

Die Augsburger

'Friedensgemähld"

389

Α. Geschichte des Augsburger Friedensfestes und Kinderfriedensfestes 1) Friedensfest Die Stadt Augsburg und ihre Bürger hatten unter den Wirren von Reformation, Gegenreformation und 30jährigem Krieg besonders zu leiden. Die Reformation hatte sich innerhalb der Stadt weit ausgebreitet (1618: 38 000 Protestanten, 7 000 Katholiken). Die jeweilige politische und kriegerische Situation wirkte sich natürlich auch auf die einzelne Konfessionsgruppe innerhalb der Stadt aus. So wurden ζ. B. durch das Restitutions-Edikt 1629 den Protestanten, die in der Stadt an 9 Orten Gottesdienst hielten und 14 Pfarrer hatten, die Pfarrer des Amtes enthoben, die protestantischen Kirchen geschlossen, teilweise niedergerissen. Der Tag der Durchführung des Restitutionsediktes innerhalb der Stadt war der 8. August 1629. Nach einer durch die Siege Gustav Adolfs erreichten Verbesserung der Situation der Protestanten (1632-1634), in der der evangelische Kultus wieder ausgeübt wurde, allerdings die Katholiken unterdrückt waren, kam erneut Unheil über die Protestanten. Nach Abzug der Schweden (1635) mußten sie wieder ihre Kirchen den Katholiken abtreten und 14 Jahre lang den Gottesdienst unter freiem Himmel im Hof des Annakollegs abhalten. Aus dieser Situation ist es zu verstehen, daß die Protestanten die Beschlüsse des Westfälischen Friedens (1648) mit größter Freude und Beglückung aufnahmen. Stellten doch diese Beschlüsse die vollständige Gleichberechtigung der beiden Konfessionen innerhalb der Stadt wieder her, gaben den Protestanten die Kirchen und die öffentlichen Ämter wieder alle zurück. Die Durchführung der Beschlüsse dauerte noch über das Jahr 1649 hinweg, 1650 waren sie endgültig verwirklicht. Aus Dank für diese Wendung feierten nun die Protestanten der Stadt zum ersten Male am 8. August 1650 das "Friedensfest". Es wurde durch Gottesdienste und Dankandachten innerhalb der Kirchen, durch Salutschüsse, Gewehrsalven, Lieder gefeiert. Das Fest hat sich die Jahrhunderte hindurch in Augsburg erhalten und war und ist mit Unterbrechungen (im Dritten Reich) auch ein offizieller Feiertag, an dem in der Stadt alle Arbeit ruht. Das ursprüngliche Fest der Protestanten hat sich durch die veränderte Situation zu einem ökumenischen Fest gewandelt.

390

Wolfgang Seitz

2) Kinderfriedensfest Ebenfalls ab 1650 wurde jeweils anschließend an das Friedensfest das sogenannte Kinderfriedensfest gefeiert. Ohnehin fand jeden Mittwoch nachmittag die Kinderlehre in den Augsburger Kirchen statt. An dem Mittwoch nach dem jährlichen Friedensfest wurde dann diese Kinderlehre zum Feste der Kinder. In schöner Kleidung gingen sie zur Kirche und erhielten zum Andenken an die Notzeiten einen sogenannten Friedensweck und das in unserer Abhandlung interessierende jährliche "Friedensgemähld", nämlich einen Kupferstich mit darunter gedrucktem Text. - Das Vorwort des Sammelbandes 1790 beschreibt: "... war es lieblich anzusehen, wie mehrere hundert Kinder diese Friedensgemälde, zusammengerollt, mit schönen Bändern umwunden und oben mit einem frischen Blumenkranz besteckt, in festlichem Schmuck und mit unschuldiger Freude ... gleichsam als Friedenspalmen in den Händen trugen ... Gott fur die ... Erhaltung des Friedens dankend." Das Kinderfriedensfest hat sich auch bis heute erhalten. Die Friedensgemälde wurden 1789 zum letzten Male ausgeteilt und haben sich trotz Belebungsversuchen von Seiten der Kirche nicht mehr eingeführt.

B. Die Geschichte der Kupferstichfolge "Augsburger Friedensgemälde" 1) Erscheinungsweise Die Friedensgemälde wurden erstmalig 1651 in der Barfüßer- und Annapfarrei verteilt. Die Initiative ist von der Barfüßergemeinde ausgegangen, deren Kirchenpfleger die erste Ausgabe veranlaßt haben. Ab 1652 wurde dann der Brauch auch von den anderen Pfarreien übernommen und auf die gesamte evangelische Schuljugend ausgedehnt. 1653 ist das einzige Jahr (außer 1650), in dem kein Kupferstich, sondern nur ein Gebet zur Verteilung kam. Das letzte Gemälde wurde 1789 verteilt. Somit sind insgesamt 138 Blätter erschienen. Abweichungen von der regelmäßigen Folge seien in nachstehender Übersicht erwähnt.

Die Augsburger

1650 1651

'Friedensgemähld"

391

Gebet ohne Kupferstich Kleiner Kupferstich (Allegorie des Friedens) nur an die Barfüßer- und Annapfarrei. (Kupferstich fur beide Pfarreien identisch, aber verschiedener Text)

1652

Erstes Blatt in der endgültigen Form mit Kupferstich und Gedicht

1653

Nur Gebet ohne Kupferstich

1654

Zweites Blatt in endgültiger Form

1655 u. 1656

Im Jahr 1655 und 1656 wurde zweimal das gleiche Gemälde (Verkündung der Confessio Augustana) verteilt. U m in den Sammelbänden eine Wiederholung oder eine Auslassung eines Jahres zu vermeiden, wurde in den späteren Sammelbänden für das Jahr 1655 ein "Gemäld" eingeschoben, das an die Augsburger Schuljugend am 5. Oktober 1655 (alten Kalenders 15. September 1655) anläßlich des 100-jährigen Jubelfestes des Religionsfriedens von 1555 verteilt worden war. Jedoch weicht die in die Sammelbände aufgenommene Platte von dem früheren Einblattdruck trotz gleicher Thematik erheblich ab. 1

Ab 1657 erscheinen die Blätter in laufender Folge bis 1789.

2) Form Die Form der Friedensgemälde ist ab 1652 bis 1789 gleichbleibend. Durchweg sind es Einblattdrucke auf Folio-Bogen. In der oberen Hälfte des Blattes ist der Kupferstich, der durchweg eine Höhe von 29-31 cm χ 22-24 cm hat. Unter dem Bild ist (später mit kleinen Abweichungen des Textes) die Überschrift in großen Buchstaben gedruckt: "Friedens-Gemähld" der Evangelischen Schuljugend in Augsburg bey wiederholtem Dankund-Frieden-Fest den 8. Augusti anno ... ausgeteilet." Darunter folgt dann ein zweispaltiges, ab Mitte des 18. Jahrhunderts meist dreispaltiges Gedicht, das schulmeisterlich den Bildinhalt interpretiert und j e nach Bild historische oder exegetische Belehrungen bringt. Häufig sind Bibelstellen am Rande näher bezeichnet. Die Gedichtspalten sind immer von Bordüren mit Zierornamentik umgeben und voneinander getrennt. Name des Zeichners ist links, des Stechers rechts unter dem Bild. Im 17. Jahrhundert ist vereinzelt noch der

Der Einblattdruck (im Besitz des Verfassers) weicht von der Platte in den Sammelbänden in der Bildeinteilung sehr stark ab: Kaiser Ferdinand Augsburger Vedute Musikkapelle Wappen A H Signatur

Einblattdruck: links rechts nur Streicher mitte M. Küsell / mitte unt.

Sammelband: mitte links auch Pauken und Fanfaren links unten M. Küsell rechts unten

392

Wolfgang Seitz

Buchdrucker unter dem Gedicht in der Ornamentleiste angeführt. Gedicht und Zierleisten sind durchweg in Buchdruck, Bild durchweg im Kupferstich wiedergegeben. In den Jahren von ca. 1722 bis 1735 (meist reformationsgeschichtliche Darstellungen) wurde außer dem Gedicht des Friedensgemäldes noch ein weiterer Bogen ausgeteilt, der im Format des Gedichtes weitere Erklärungen in Prosa gab und in zweispaltigem (1725 dreispaltigem) Buchdruck ohne Zierat gesetzt war. Der Drucker der dem Verfasser vorliegenden Erklärungen ist durchweg Johann Christoph Wagner. Ein Verleger ist auf keinem der Friedensgemälde genannt, da sie alle offensichtlich in der Regie der Kirche selbst erschienen sind. Ganz abweichend in der Form sind die beiden Friedensgemälde von 1650. Sie haben nur einen kleinen Kupferstich (Allegorie des Friedens und der Gerechtigkeit) (4,5 cm χ 7,5 cm). Das Bild ist für Barfüßer- und Annagemeinde gleich. Das Gedicht ist für jede Gemeinde anders. Die Anordnung des Buchdrucks aber unterscheidet sich stark von den späteren Gemälden. Das Format des ganzen Blattes ist nur 17 cm χ 25 cm.

3) Bildinhalt Die Masse der Bilder sind biblische Darstellungen aus den Alten und Neuen Testament, die durch die Lehrgedichte in Zeitbezug gebracht sind. In ihrer Folge stellen sie nahezu eine richtige großformatige Bilderbibel dar, was einem besonders beim Durchblättern der Sammelbände (siehe unten) bewußt wird. Vom Opfer des Kain bis zur Himmelfahrt Christi und zum Pfingstwunder sind alle biblischen Themen vertreten. Weitere Folgen innerhalb der Reihe haben reformationsgeschichtlichen und kirchengeschichtlichen Inhalt. Neben der Person Luthers sind es dann vor allem historische Ereignisse der Reformationszeit und des 30jährigen Krieges, die dargestellt werden. Viele Bilder haben rein allegorischen und emblematischen Charakter, vor allem ist immer wieder versucht worden, den Begriff des Friedens allegorisch darzustellen (Insbesondere nach 1653 und Ende des 18. Jahrhunderts). Damit ist oft auch der Charakter eines barocken Emblembuches gegeben. Häufig bemüht sich der Zeichner auch Bezüge zur Stadtgeschichte Augsburgs und zur Geschichte der Augsburger Gemeinden herzustellen. So sind immer wieder Augsburger Kirchen und Gebäude, Gesamtansichten der Stadt, historische Begebenheiten der Stadt dargestellt. Das Stadtwappen und die Allegorie der Augusta tauchen immer wieder auf. Dadurch sind viele Blätter zur Topographie und Historie der Stadt von großer Bedeutung. Auch rein historische Ereignisse (Kaiserkrönung etc.) werden hin und wieder dargestellt. Insgesamt tragen die 138 Bilder im wesentlichen folgenden Charakter: a) biblisch (AT): 62 Blätter, vor allem in den Jahren 1667-1699, 1730-1745, 1773-87

Die Augsburger

'Friedensgemähld"

393

b) biblisch (NT): 27 Blätter, vor allem in den Jahren 1700-1720, 1726-1746, 1772-89 c) kirchen- und reformationsgeschichtlich: 18 Blätter, vor allem in den Jahren 1712-30 d) allegorisch: 34 Blätter, vor allem in den Jahren 1651-65, 1761-71 e) stadtgeschichtlich und stadtbezogen: 22 Blätter, vor allem in den Jahren 1748-72 f) historisch allgemein: 12 Blätter, vor allem in den Jahren 1764-70 (Da etliche Blätter mehrfachen Bezug haben, ist die vorstehende Zahl höher als die Anzahl der Blätter). Das Vorwort den Sammelbandes 1790 begründet die Einstellung des Brauches mit der Umstellung und Erneuerung kirchlicher Bräuche.

4) Kunsthistorische Bedeutung Die über fast 1Ά Jahrhunderte hin erscheinende Serie gibt einen aufschlußreichen Überblick über die Stilentwicklung der Graphik im allgemeinen und der Entwicklung der Augsburger Kupferstecherkunst im besonderen.

a) Allgemeine Stilentwicklung Während der Beginn der Reihe bis ca. 1670 noch deutlich von Renaissance-Einflüssen geprägt ist, vor allem die historischen und allegorischen Darstellungen dieser Zeit, kommt in den biblischen Darstellungen der Jahre 1670-1700 ganz klar der Barockstil zum Ausdruck. Hier ist es vor allem die fast ununterbrochene Folge der Bibelbilder nach Isaac Fisches von 1683-1705, die eine Art der barocken Bilderbibel darstellt. Mit den Jahren kommen dann zusehends mehr Rokokoeinflüsse in die Serie. Das Rokoko manifestiert sich neben dem Figürlichen dann besonders im Ornamentalen. Die Muschel und Rocaillenomamentik, die ab 1645 immer wieder auftaucht, ist typisch fur den Rokokostil. Hierzu sei auch die Begrenzung der Bilder erwähnt; während bis 1743 alle Bilder rechteckig mit einem Strich abgeschlossen sind, zeigen die Bilder von 1744 bis 1760 durchweg den für das Augsburger Rokoko typischen aufgelösten Rand, teils nur an der Oberkante des Bildes, teils an allen vier Seiten. Diese Erscheinung finden wir z.B. auch bei Nilson, G. B. Göz, Hertel und vielen anderen Augsburger Rokokostechern. Ab 1780 traten dann schon starke Einflüsse der kommenden Klassik auf, die sich sowohl in den Bildern als auch vor allem in der strengen geschlossenen Ornamentik der Rahmen um die Bilder (vor allem 1786 und 1787) in ihren Empiremustern zeigt. So ist die Reihe ein anschaulichen Beispiel der Stilentwicklung von 1650-1790.

Wolfgang Seitz

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b) Entwicklung der Augsburger Kupferstecher-Kunst Die Reihe der Friedensgemälde ist vor allem ein Denkmal und eine Dokumentation für die örtliche Zeichnungs- und Kupferstecher-Kunst. Sie erfaßt zwar nur den Teil der Künstler, die der protestantischen Konfession, die sich jedoch ohnehin in der Überzahl innerhalb der Stadt befand und erfaßt fast alle wichtigen Namen der Zeit. Insgesamt sind an der Serie beteiligt: 55 Künstler, davon 26 Künstler als Zeichner und 19 Künstler als Stecher. Häufig waren Stecher und Zeichner identisch. Während zeitweise der Auftrag in kurzen Abständen (einjährig, zweijährig) wechselte, gab es auch Perioden, in denen ein Meister über Jahre hinaus Zeichnung oder Stich fertigte. So haben die Friedensgemälde gefertigt: aa)

1 Stecher von 21 Blatt (Heckenauer) 1 Stecher von 15 Blatt (J.B. Rugendas) 1 Stecher von 12 Blatt (B.F. Leizel) 1 Stecher von 11 Blatt (Hoermann de Guttenberg) 1 Stecher von 9 Blatt (C. Remshart) 2 Stecher von 5 Blatt (Ph.A. Kilian und Johann Franck) 2 Stecher von 4 Blatt (Eichel und Friedrich) 4 Stecher von 3 Blatt 7 Stecher von 2 Blatt 9 Stecher von 1 Blatt 29 Stecher beteiligt an der Reihe.

bb)

1 Zeichner von 23 Blatt (Fisches) 1 Zeichner von 18 Blatt (Scheller) 1 Zeichner von 16 Blatt (Joh. Lorenz Haid) 1 Zeichner von 11 Blatt (J.A. Thellot) 1 Zeichner von 10 Blatt (Joh. Phil. Haid) 1 Zeichner von 5 Blatt (Joh. Weidner) 3 Zeichner von 3 Blatt 4 Zeichner von 2 Blatt 13 Zeichner von 1 Blatt 26 Zeichner sind an der Reihe beteiligt.

Die Augsburger

cc)

'Friedensgemähld"

Ganz anonym erschienen Ohne Angabe des Stechers Ohne Angabe des Zeichners

395 16 Blatt 16 Blatt 23 Blatt

Die Reihe ist somit ein Musterbuch der Augsburger Künstler dieser Zeit und zeigt auf anschauliche Weise die Entwicklung des Augsburger Kupferstechers, der in dieser Zeit ja Weltgeltung hatte, deutlich. Sie ist typisch vor allem auch für die im protestantischen Augsburg geübte Bilderfreudigkeit, wie sie sich in der Gemäldeausstattung der Augsburger evangelischen Kirchen zeigt und die im Gegensatz zu den nüchternen Kirchenausstattungen evangelischer Kirchen anderer Gegenden steht. Dabei ist für die konfessionelle und künstlerische Situation in der freien Reichsstadt Augsburg bezeichnend, daß die Künstler jeweils auch von der Gegenkonfession beauftragt wurden, an der Ausstattung der Gotteshäuser mitzuwirken. Die Entwerfer der Friedensgemälde waren mit ihren Ölgemälden viel auch in den Ausstattungen der Augsburger Kirchen vertreten, so z.B. Isaac Fisches in der AnnaKirche, Franz Friedrich Franck in St. Ulrich und St. Anna. Die Kupferstecher sind alle durchwegs Augsburger Künstler. Ihre Vorlagen zu dieser Reihe stammen mit ganz wenigen Ausnahmen (Paul Decker, Zocchi) auch von Augsburger Malern und Zeichnern. Inwieweit diesen wiederum fremde Vorbilder großer Meister zu Grunde liegen, bedürfte noch einer Aufhellung. Bei manchem Blatt glaubt man Rembrandtschen oder italienischen Einfluß durchzuspüren. Wesentlich für die Augsburger Kunstgeschichte ist auch der Bildinhalt verschiedener Blätter, soweit sie Augsburger Veduten und Kircheninterieurs Augsburger Kirchen bringen. Alle evangelischen Kirchen Augsburgs sind im Lauf der Reihe festgehalten, meist in Innen- und Außenansichten. Viele Blätter zeigen klare Wiedergaben der jeweiligen städtischen Tracht und Bekleidung. Die Beendigung der Serie mit dem Jahre 1790 dürfte nicht nur aus innerkirchlichen Gründen geschehen sein. Sicher ist ein Grund auch das Absterben der Künste und besonders der Kupferstecherkunst in der Stadt Augsburg um diese Zeit. Soweit die kunsthistorische Betrachtung. Der Verfasser will einer weiteren Untersuchung der Friedensgemälde in dieser Richtung nicht vorgreifen, die in Form einer begonnenen Dissertation von Frau Ulrike Albrecht, Universität München, Kunstgeschichtliches Seminar, zu erwarten ist.

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5) Religiöse Bedeutung Die Reihe ist ein lebendiges Dokument des religiösen Lebens und der religiösen Erziehung der Zeit. Bildinhalt und Text wenden sich j a an die schulpflichtige Jugend und stellen eine Ergänzung zum Religionsunterricht dar, der jeden Mittwoch Nachmittag in den evangelischen Kirchen stattfand und dann am Mittwoch nach dem Friedensfest in feierlicher Form begangen wurde und bei dem das Friedensgemälde zur Verteilung kam. Des Thema wird jeweils vom Bild bestimmt, sei es biblisch oder kirchenhistorisch oder allegorisch. Der Text nimmt den Bildinhalt auf, interpretiert ihn jugendverständlich, stellt aktuelle Bezüge her und bringt fast in jedem Falle eine moralische Ermahnung. Hervorzuheben ist, daß es dem Textdichter immer, dem Zeichner häufig darum geht, den kirchenhistorischen oder biblischen Inhalt zu aktualisieren und so der Jugend nahezubringen. Als Beispiel sei das Blatt 1704 (Zerstörung Augsburgs im Spanischen Erbfolgekrieg in Verbindung mit den Klageliedern Jeremias) oder das Blatt 1730 (Pfmgstwunder in Verbindung mit der Verkündung der Augsburger Konfession) oder 1720 (Abendmahl der Protestanten in der Jacobskirche - Letztes Abendmahl Jesu) genannt. Die Beispiele lassen sich bei fast allen Bildern wiederholen. Die Betonung des Biblischen durch die Protestanten drückt sich nicht nur in der Häufigkeit biblischer Darstellungen aus, sondern auch in allen Texten zu nichtbiblischen Bildern. In jedem nur möglichen Falle ist der Bezug des Textes zu einer Bibelstelle durch genaue Angabe dieser Stelle als Randnote angeführt. Häufig sind die Texte auch stark apologetisch gehalten und betonen stark die konfessionellen Unterschiede; manchmal ist auch eine antikatholische Polemik herauszuhören. Die zusätzlichen Erklärungen in Prosa, die neben dem Gedicht in den Jahren ab 1722 mitverteilt wurden, sind ihrem Inhalt den Gedichten ähnlich, gehen aber noch mehr ins Detail. Auch sie sind mit Bibelzitaten gespickt. Das Gesamtregister den Sammelbandes 1790 bringt eine Übersicht der Blätter in "der Ordnung der biblischen Bücher", die einen Gebrauch den Sammelbandes als Bilderbibel ermöglicht.

6) Historische Bedeutung Neben religiösen und biblischen Inhalten haben viele Bilder und Texte auch einen historischen und kirchenhistorischen Inhalt. Neben Ereignissen aus der Apostelgeschichte und frühchristlichen Zeit (die häufig wieder in Bezug zu reformatorischen oder aktuellen Ereignissen gebracht werden) ist es die Reformationsgeschichte mit allen wichtigen Daten, die immer wieder behandelt wird.

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Aber auch weltlich-historische Ereignisse werden dargestellt: Wahl des Kaisers (z.B. 1657 Leopold I., 1764 Josef II.), Krönung den Kaisers (1658 Leopold I.), Kaiserhochzeit (1765 Josef II.), Reichstage (1721 Worms, 1723 Nürnberg), Kriegsereignisse (1704 und 1788 Span. Erb folgekrieg), Friedenschlüsse (1747 und 1763 Westfälischer Frieden, 1749 Aachen, 1779 Teschen). Die Blätter historischen Inhalts erschienen teilweise aus aktuellem Anlaß (1704, 1657, 1764/5), teilweise anläßlich von Jubiläen (1655, 1755, 1748, 1721, 1723). Somit trug die Graphikreibe auch zur historischen Bildung der Augsburger Schuljugend bei. Besondere Betonung liegt hierbei auch immer wieder auf der Stadtgeschichte Augsburgs. A m Rande seien noch die Wappen erwähnt, die immer wieder abgebildet sind. Es kommen vor: Wappen des Kaisers und der Kurfürsten (1655, 1657, 1658, 1660, 1663), Wappen fremder Länder und Städte (1660, 1727), Wappen Augsburger Familien (1655, 1768) und sehr häufig das Stadtwappen (1655, 1718, 1755, 1761-1771). Trachten und Ornate von Fürstlichkeiten und Bevölkerung, Veduten und Ansichten haben, soweit sie den Stand bei Erscheinen des Blattes darstellen, Anspruch auf Authentizität. Bei Blättern, die rückblickend einen historischen Vorgang berichten, ist eine solche Authentizität nicht gegeben. (Beispiel: Blatt 1656. Der dort abgebildete Innenraum der Bischöflichen Residenz in Augsburg während der Verlesung der Confessio ist offensichtlich Phantasie und durch nichts in seinem Aussehen zu bestätigen. Gegenbeispiel: Blatt 1704. Der Stand der Zerstörung von Augsburg im Dezember 1703, der auf diesem Blatt abgebildet ist, ist sicher genau wiedergegeben).

7) Philologische Bedeutung der Texte Die Texte sind wie die Bilder ein Zeugnis einer 140jährigen stetigen Entwicklung. Die philologischen Kenntnisse des Verfassers reichen fur eine fachkundige Untersuchung nicht aus; eine solche Untersuchung geht auch über den geplanten Rahmen der Studie hinaus. Sie wären u. U. ein dankenswertes Objekt zum Studium des Lehrgedichtes des Barock und der beginnenden Klassik.

8) Bedeutung als Sammelobjekt Die im heutigen Kunsthandel sehr selten vorkommende Reihe ist ein beliebtes Sammelobjekt, vor allem von Sammlern der Einblattdrucke, des Andachts- und Bibelbildes und der Augustana-Sammler. Spamer erwähnt in seinen Buch "Das kleine Andachtsbild" (München 1930) die Serie als Beleg für das seltene lutherischevangelische Andachtsbild, kennt jedoch nur die Blätter 1676 und 1700 und vermutet nur das Erscheinen weiterer Blätter. Schon daraus ist die Seltenheit der Serie zu

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rer Blätter. Schon daraus ist die Seltenheit der Serie zu erkennen. Die Sammlung ist nicht im Jahrbuch der Auktionspreise 1950-1964, nicht bei Nagler, nicht bei Faber du Faur, nicht bei Praz genannt. In der Vorrede zum Duodezband 1748 ist von "etlich 1000, Exemplaria" die Rede. Einzelblätter, die heute hin und wieder auftauchen, stammen meist aus aufgelösten Sammelbänden. In Bänden waren die Blätter bin ca. 1677 meist doppelseitig gedruckt, in den späteren Blättern meist der Text vom Bild getrennt, um ihn auf der gegenüberliegenden Seite des Querfolio-Bandes einkleben zu können. Somit sind einseitig bedruckte und ungeteilte Exemplare sehr selten. Vor allem Blätter vor 1677 gehören zu ausgesprochenen Raritäten. Von den 25 Sammelbänden, die dem Verfasser zur Kenntnis kamen, hat nur 1 Exemplar (Stadtbibliothek Augsburg, Inv. Nr. 21/6) ungeteilte Blätter vor 1678. 1650 und 1652 sind auch dort dem ersten Nachdruck 1678 entnommen. Sammelbände sind fast alle im festen Besitz von Museen und Bibliotheken und tauchen im Kunsthandel nur sehr selten auf.

Zusammenfassend: 1. Von größter Seltenheit:

Ungeteilte und einseitig bedruckte Blätter vor 1678 und Sammelbände im Hochformat.

2. Sehr selten:

Alle ungeteilten Blätter ab 1678 und alle Sammelbände.

3. Selten:

Alle Friedensgemälde (Hier besonders Blätter mit topographischem und historischem Bezug).

Die Originalauflage dürfte nicht allzu groß gewesen sein, wenn man die stark abgesunkene Einwohnerzahl der Stadt Augsburg bedenkt und hier wiederum die dadurch geringe Zahl der schulpflichtigen Kinder. Daß Kinder sicher nicht sorglicher mit Graphik umgingen, wird die Auflage dezimiert haben. Soweit sie in der Wohnung aufgehängt wurden, dürften Sonne und Licht zur Zerstörung beigetragen haben. Auch dürften viele der Sammelbände durch den Gebrauch als Bilderbibel und Bilderbuch wenn nicht von der ersten, so doch von späteren Generationen der Jugend aufgearbeitet worden sein.

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C. Sammelbände mit Friedensgemälden Die jährlich erscheinenden Friedensgemälde wurden von jung und alt wegen ihrer großen Beliebtheit gesammelt und gebunden. Um später hinzukommenden Sammlern nun die Möglichkeit zu geben, früher erschienene Blätter zu erwerben, wurden von den bei der Barfüßer-Pfarrei aufbewahrten Platten Nachdrucke veranstaltet und in Sammelbänden mit eigenem Titel und einer Einfuhrung verlegt. Die Bände waren hinten mit Falz versehen; so konnten jedes Jahr die hinzukommenden Blätter nachgeklebt worden. Weiterhin wurden auch zweimal Miniaturausgeben der Friedensgemälde verlegt. Folgende Sammelbände sind bekannt:

I. Sammelband 1678 Titel: PACIS

AVGVSTAE

MEMORIA AVGVSTANA. Erneuertes Augspurgisches Friedens Gedächtnuß / Das ist: Eigentliche und zusammenverfaßte Fürstellung / aller Fridens= Gaben und Gemählden/ welche auf das jährliche/ von A. 1650. biß auf dise Zeit widerholte Frieden= und Danckfest/ der Evangelischen Schul=Jugend daselbsten/ jederzeit ausgetheilet worden, xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Gedruckt zu Augspurg bey Andreas Erffurt. Im Jahr Christi

M. DC. L X X V I I I .

Aus der Einfuhrung des Bandes ist zu entnehmen, daß nur auf Veranlassung der Kirchenpfleger der Barfüßergemeinde (Andreas Huber, Kaufherr; Bartholomäus Stapel, Apotheker; Isaac Hohennestel, Kaufherr; Georg Remshart, Bierbrauer) die Neuausgabe erfolgte und von Andreas Erffurt gedruckt wurde. (Erffurt hatte auch schon einen Teil der Blätter, die bis dahin erschienen waren gedruckt). Sie enthält die Friedensgemälde von 1650-1678 (Ausnahmen der Bildfolge siehe Kapitel B).

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400 Von diesem Band sind dem Verfasser bekannt: a) Stadtbibliothek Augsburg: Inv. Nr. 21/5:

Hochfolio-Band (1650-1737) Titel und Einführung 1678. Die Blätter 1650-1678 sind nach oben und unten verlängert, um sie dem Hochformat anzupassen. 1679-1737 ist dann in Originalblättern im Hochformat beigefügt. Besitzvermerk: Jacob Sulzer, 1762.

b) Stadtbibliothek Augsburg: Inv. Nr. 21/6: Hochfolio-Band (1650-1750) Titel und Einführung 1678. Einziges koloriertes Nur die Blätter 1650-1653 sind aus dem Nachdruck von 1678, alle Exemplar! weiteren Blätter sind Originaldrucke im Hochformat (1654-1750) und durchweg koloriert. Besitzvermerk: Christian Abraham Halder, Possamendierer, 1708. c) Stadtbibliothek Augsburg: Inv. Nr. 21/4:

Quer-Folio (1650-1784) Titel und Einführung 1678. Alle Blätter sind klein-quer gebunden. Am Anfang doppelseitig bedruckt, später dann geteilte Originalblätter aufgeklebt.

d) Stadtbibliothek Augsburg: Inv. Nr. 21/7:

wie vorstehendes Exemplar (1650-1712)

e) Stadtbibliothek Augsburg: Inv. Nr. 21/8:

wie vorstehendes Exemplar (1650-1721)

f) Stadtbibliothek Augsburg: Inv. Nr. 21/9:

wie vorstehendes Exemplar (1650-1743)

g) Stadtbibliothek Augsburg: Inv. Nr. 21/11:

wie vorstehendes Exemplar (1650-1748)

h) Stadtbibliothek Augsburg: Inv. Nr. 21/10:

wie vorstehendes Exemplar (1650-1746)

i) Im Besitz Josef SEITZ: wie vorstehendes Exemplar (1650-1669)

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k) Städt. Kunstsammlungen Augsburg: wie vorstehendes Exemplar (1650-1740). Zweiseitig bedruckt bis 1677, geklebt bis 1740, ohne Prosaerklärung. 1) In unbekannte Auktion (ca. 1966): Querfolio. Wie vorstehendes Exemplar (1650-1748), "bis 1731 Neudruck, ab 1732 Original-Einblattdrucke aufgezogen.

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II. Sammelband 1748 Titel: Augspurgisches Friedens = Gedächtnüs. Das ist: Alle, so genannte, Friedens = Gemählde, Welche seit Anno 1650. biß auf gegenwärtige Zeit jedes Jahr An dem von Einer Hohen Obrigkeit Aug: Conf: allhier verordneten Kinder = Frieden = Feste, nemlich Mittwochs nach dem 8. Augusti Der sämtlichen Evangelischen Schul=Jugend, Dieselbe zu einer hertzlichen Dancksagung gegen Gott für das A°. 1648. durch den Westphälischen Friedens=Schluß hergestellte freye RELIGIONS

EXERCITIUM

zu erwecken und aufzumuntern Sowohl mit einem beygedruckten Carmine ausgetheilet als auch in der Kirche in einem Sermone deutlich erkläret worden. Nun aber wegen ihrer sinnreichen, theils aus der Heil: Schrift, theils aus der Kirchen=Historie geschöpfte Inventione, und von geschickten Meistern verfertigten K u p f f e r = Stiche, Auf vieler Nachfragen und Verlangen in diß gantze Werck mit grosser Mühe zusammen colligiret hat Johann Michael Roth bestallter Stadt-Musicus in Augsburg G:I:Haupt sculp Die 2. Auflage der Sammlung wurde 1748 anläßlich des 100jährigen Gedenkens an den Westfälischen Frieden herausgegeben. Sie entstand wieder (wie schon die Ausgabe 1678) mit Bewilligung der Pfleger der Barfußergemeinde (Johann Georg Hillenbrand, Handelsherr; Philipp Jacob Gutermann, Handelsherr; Paul Jacobs Hartmann, Catton-

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Fabrikant; Johann Georg Beltz, Hufschmied) und wurde von Johann Michael Roth, Verleger und Stadt-Musicus, herausgegeben. Das Stammwerk dieser Ausgabe umfaßt die Jahre 1650-1748. Vorangestellt sind 2 Seiten Vorrede. Der Titel dieser Ausgabe ist gestochen von G. I. Haupt und besteht aus barocken Zierbuchstaben. In der späteren Ausgabe 1790 ist neben dem speziell zu dieser Ausgabe neu gestochenen Titel auch der Titel der 1748er Ausgabe vorangestellt, aber dann nicht mehr als Stich, sondern als Satz in Buchdruck. Von der Ausgabe 1748 sind dem Verfasser bekannt: a) Stadtbibliothek Augsburg: Inv. 2° S Friedens- Quer-Folio-Band (1650-1748). gemälde:

Alle Blätter sind klein-quer. Die Blätter sind teilweise doppelseitig bedruckt, teilweise gegen Ende des Bandes geklebt. Aus der Bibliothek Stetten.

b) Stadtbibliothek Augsburg: Inv. Nr. 21/13:

Quer-Folio-Band (1650-1748). Alle Blätter sind klein-quer.

c) Stadtbibliothek Augsburg: Inv. Nr. 21/12:

Quer-Folio-Band (1650-1748). Alle Blätter sind klein-quer.

d) Im Besitze SEITZ: Quer-Folio-Band (1650-1748). Alle Blätter sind quer-folio (klein). Die Blätter bis 1730 sind doppel-seitig bedruckt, ab 1731 geklebt. In den Jahren 1676, 1715, 1716 ist durch Druckfehler die falsche Rückseite (Bild) auf die Vorderseite gedruckt worden. Durch Aufkleben eines nur einseitig bedruckten Bildes wurde der Fehler verbessert. Es befinden sich also: unter dem Bild zu 1677 das Bild zu 1676 unter dem Bild zu 1715 das Bild zu 1716 unter dem Bild zu 1716 das Bild zu 1715. In dem Band sind weiterhin vor die Jahre 1722, 1723, 1725, 1726, 1727, 1728, 1729, 1731, 1732, 1733, 1734, 1735 Prosaerklärungen eingefügt, die neben dem Verstext weitere Erläuterungen bringen und alle von Christoph Wagner gedruckt sind.

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e) Von SEITZ aufgelöst: Ein dem vorigen Band identischer, nur ohne die Prosaerklärungen mit den gleichen verbesserten Druckverwechslungen. (Auflösung erfolgte, da nicht komplett).

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III. Der Sammelband 1790 Nachdem die Serie der Friedensgemälde mit 1789 eingestellt worden war, gab der Evangelische Rat am 15.5.1790 der Barfüßergemeinde, in deren Archiv alle Platten verwahrt waren, den Auftrag, zum Abschluß und als Abgesang noch einmal eine komplette Sammlung der Friedensgemälde als Sammelband herauszugeben. Titel: Eph. 6,4 Ziehet die Kin= der auf. in der Zucht und Vennahnung Zum HERRN. Sammlung aller Denkmale des Westphälischen

Friedens,

welche von Jahr 1650 an, bis 1789; hauptsächlich in biblischen Friedens = Gemählden, der Evangelischen Schuljugend Zu Augsburg, sind ausgetheilt worden. An Schluß diesen Werks, Zur Vollständigkeit deßselben, samt einer Vorrede und dreyfachem Register mit diesem Titelblatt, auf das Kinder= Friedensfest 1790; von der Pfarr-Kirche zu den Barfüßern, besorgt. Angefangen 1650

Geendigt 1789. Nach Psalm 78, 2-7 Vätter, Zeigt's den Kindern an, Was an Augsburg "Gott" gethan; Daß wir alle, hier und oben Ihn für seine Güte lo - ben!

J. Phil. Haid del.

Β. F. Leizel sculps.

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Das Titelblatt ist ein Kupferstich von Β. F. Leizel nach J. Phil. Haid, zeigt einen strengen Empire-Rahmen mit Empire-Girlanden, die von 2 Putti gehalten (oben) werden. 2 weitere Putti halten Schriftbänder (Ii. u. re. unten), 2 Bibelsprüche mit 1 Stadtpyr vervollständigen das Blatt. Hinter diesem neuen Titel ist, offensichtlich nur zur Erinnerung, der Titel von 1748 eingeschaltet, diesmal jedoch nicht in Kupferstich, sondern in Buchdruck. Hier ist wieder als der Verleger Johann Michael Roth genannt. Er kann aber nicht mehr den Sammelband 1790 verlegt haben, da er lt. Ev. Totenregister schon am 6.XIII.1769 begraben wurde. Somit ist für die Ausgabe 1790 kein Verleger genannt. Sie wurde, wie das neue Titelblatt ausweist, "von der Pfarrkirche zu den Barfüßern" besorgt. Erstmals ist einen Sammelband hier ein Register beigegeben. Es bringt: I. II. III.

Ein "Erstes Register über den Inhalt der Friedensdenkmahle ... nach der Folge der Jahre". Ein "Zweytes Register nach der Ordnung der Biblischen Bücher". Ein "Drittes Register der Kupferstecher, welche die Friedensgemäld verfertigt und ihre Namen seit 1669 unter dieselbe gesetzt haben".

Ob der als Drucker des Registers genannte Christian Deckhardt auch den Druck des ganzen Bandes besorgte, geht nicht klar hervor. Von dem Sammelband 1790 sind dem Verfasser bekannt: a) Stadtbibliothek Augsburg: Inv. Nr. XXIV/2 2 2 S :

Querfolioband (1650-1789) mit Titel 1790 und 1748 (Buchdruck) Vorrede und Register. (Offensichtl. Biblioth. Stetten)

b) Stadtbibliothek Augsburg: Halder 587:

wie a) jedoch nur von 1650-1751, der Titel 1790 erscheint später zugefugt zu sein.

c) Stadtbibliothek Augsburg:

Inv. Nr. 21/15:

wie a) Bilder nur von 1749-1789 und Register.

Nachtrag: Nach Abschluß der Arbeit bot sich dem Verfasser noch Gelegenheit, in der Bibliothek und im Archiv des Evang. Luth. Dekanats Augsburg nach Material zu suchen.

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Es liegt dort: a) 1 Sammelband (III): HochfolioFormat, Halbleder gebunden ohne Signatur mit Titelprägung (gold) auf vorderem Deckel. Inhalt: Titel 1678 Vorbemerkungen 1678 Bilder 1650-1678 in doppelseitigem Druck (offenbar Sammelband 1678) quer. Die Blätter sind durch angeklebtes Papier nach oben und unten zum Hochformat verlängert. Titel 1790 Vorbemerkungen 1790 Bilder 1679-1789 alle im Originalhochformat. Prosaerklärungen sind nur 1732 und 1741 beigegeben. Register 1790 b) 2. Sammelband (III): Querfolio, Halblederband. Inhalt: Titel 1790 Vorbemerkungen 1790 Titel 1678 Einleitung 1678 Blätter 1650-1677 doppelseitig bedruckt Blätter 1678-1789 zerschnitten und eingeklebt Kein Register Prosaerklärung hat dieser Band vor den Jahren 1717 (hier zum ersten Mal berichtet) kein Drucker genannt, 1732, 1734, 1735

c) 1 Sammelband (III) Querfolio, Halbleder gebunden. Signatur: "Ev. Kan. Bibl. Augsburg" "Aus Nachlass Friedrich Würth 11.8.1938." Inhalt: Titel 1790 Vorbemerkungen 1790 Bilder 1749-1789 (alle auf Querformat getrennt). Register 1790

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IV. Sammelbände bzw. Sammlungen ohne Titel Folgende Sammelbände ohne Titel bzw. lose Sammlungen sind dem Verfasser bekannt: a) Stadtbibliothek Augsburg: Inv. Nr. 21/14:

Querfolio gebunden. Enthält Blätter 1669-1734.

b) Stadtbibliothek Augsburg: Inv. Nr. 21/16

Hochfolio. Lose Blätter 1678-1789.

c) Kunstsammlungen Augsburg: ohne Nr.

Querfolio gebunden. Enthält Blätter 1657-1726

d) Von Seitz aufgelöst: Querfolio gebunden. Enthält Blätter 1659-1776. e) Von Seitz aufgelöst: Hochfolio gebunden. Enthält Blätter 1732-1789 und Register 1790.

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V. Kleiner Sammelband 1717 Titel: Gottseelige Augen-Lust der Augspurgischen Evangelischen Schul=Jugend an ihren Friedens = Gemählden/ welche ihnen wegen deß Anno 1648. gestiffteten R e i c h s=u. R e l i g i o n s=F r i e d e η Jährlich an ihrem Kinder = Frieden = Fest ausgetheilet/ Und hier ins Kupffer klein gebracht/ von Jungfer Catharina

Hecklin/

Die kurtze Beschreibung aber gestellet worden/ von M. G o t t f r i e d

Loraer/

Evangel. Prediger zu den Parfussern/ in Augspurg. Und verlegt/von Joh. U l r i c h

Krauß/Kupfferst.

Augspurg/ druckts Joh. Jac. Lotter. Da die großen Sammelbände (I-IV) erheblich teurer waren und wohl auch der große Sammelband von 1678 schon 1717 vergriffen war, gab in diesem Jahr der evangelische Prediger zu den Barfüßern M. Gottfried Lomer in Augsburg erneut eine Sammlung von Friedensgemälden heraus, diesmal jedoch im stark verkleinerten Taschenformat (ca 6 χ 10,5 cm) = 12 2 = Duodezformat. Natürlich mußten zu dieser kleinen Ausgabe alle Bilder neu gestochen werden. Es sind jeweils 2 Bilder im Format von 4,5 χ 3,7 cm übereinander angeordnet. Als Text ist dazu eine verkürzte Prosafassung der Lehrgedichte in Buch-

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druck beigegeben. Die Texte hierzu stammen (lt. Titelblatt 1717 und Vorrede in der Duodez-Ausgabe 1748) von "Hr. Senior Lomer". Die Stiche fertigte die damals 17jährige Katharina Hecklin (die später - 1725 - den Kupferstecher Hieronymus Sperling heiratete und 1741 verstarb). Verleger war der durch seine Bilderbibeln berühmte Johann Ulrich Krauß. Drucker war Joh. Jacob Lotter. Die Anordnung des Buches war im einzelnen folgende: Titel, 2Ά Seiten Vorrede, 3 Seiten Beschreibung von Gymnasium und Collegium St. Anna mit 3 Kupferstichen 7,5 χ 9 cm (Kolleg und Gymnasium darstellend). Dann beginnen die "Friedensgemäld". Von der Originalfolge der Reihe weicht in diesem kleinen Sammelband folgendes ab: Während in den Jahren 1648, 49, 50, 53 kein Stich erschienen war und auch in den großen Sammelbänden keine Abbildung für diese Jahre enthalten ist, hat der Verleger hierfür 4 neue Bilder entwerfen lassen und Erklärungen angefügt (1648: Kaiser, Frankreich und Schweden schließen Frieden; 1649: Friedensgebet der Gläubigen, darüber Engel mit Spruchband; 1650: Friedensallegorie; 1653: Kaiser mit Kurfürsten). 1655 ist, wie in den großen Sammelbänden, das im Herbst 1655 erschienene Gedenkblatt enthalten und zwar in der gleichen (offensichtlich späteren) Form (Kaiser in der Mitte). Im Gegensatz zur Abbildung in den Sammelbänden ist hier jedoch der linke und rechte Hintergrund ausgetauscht (Stadtansicht rechts). Der Band schließt mit dem Gemälde von 1717. Der Verfasser konnte nur 1 Exemplar dieser Ausgabe feststellen: Stadtbibliothek Augsburg:

Sign. Halder 2948.

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VI. Kleine Ausgabe 1748 Titel: Gottselige Augen = Lust an den Augsburgischen Friedens = Gemählden, welche wegen den Ao. 1648. gestifteten allgemeinen Reichs- u. Religions=Fridens unter die hiesige Evangelische Schul=Jugend an ihrem jährlichen Kinder = Fridens = Feste ausgetheilt/ von zerschiedenen Künstlern ins Kupfer klein gebracht / mit kurtzer Beschreibung und Vorrede versehen/ und von Johann Michael Roth/ bestellten Stadt-Musico, verlegt worden.

Augsburg, gedruckt bey Joh. Jac. Lotters sei. Erben.

Nachdem die Kleine Ausgabe der "Gottseeligen Augenlust" von 1717 vergriffen war, brachte im Jubiläumsjahr 1748 der Verleger Johann Michael Roth, der auch Stadtmusicus war, das kleine Werkchen zusammen mit dem großen Sammelband 1748 (II.) wieder heraus. Er ließ es wie das vorige bei der Druckerei Lotter herstellen, den nunmaligen Joh. Jac Lotters sei. Erben. Wie der neue Verleger Roth in seiner Vorrede betont, hat er die Ausgabe 1717 bis auf die Vorrede unverändert übernommen und nur ergänzt. Diese Ergänzung zeigt äußerlich folgendes Bild: Abbildung 1718 und 1719 noch auf einem Blatt. Ab 1720 ist dann jeweils nur 1 Bild auf einer Seite. Die Texte sind auf eine Seite beschränkt und stehen dem Bild gegenüber, so daß nicht mehr geblättert werden

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muß, um Text und Bild zu vergleichen. Da die Stecherin der Ausgabe 1717, Katharina Sperling geb. Hecklin 1741, verstorben war, veranlaßte der Verleger, daß die weiteren Bildchen von "zerschiedenen" (= verschiedenen) Künstlern angefertigt wurden. Er nennt sie jedoch nicht beim Namen. Signaturen sind nicht zu erkennen. Die Texte werden noch bis 1729 von Senior Lomer geschrieben. Dann übergibt er sie "einer jüngeren Feder", die auch nicht benannt wird. Von dieser Kleinen Ausgabe 1748 sind bekannt: a) Stadtbibliothek Augsburg:

Sign. Aug 64

b) Stadtbibliothek Augsburg:

Sign. Aug 64a

c) Stadtbibliothek Augsburg:

Sign. S (= Stetten) Augenlust

d) Im Besitz des Verfassers:

2 Exemplare

1. Exemplar:

2. Exemplar:

Kollationierung:

Kollationierung:

Titel-Kupfer (Göttl. Kinderfreund)

Titel-Kupfer fehlt

Titel

Titel

5 Blatt Vorrede

5 Blatt Vorrede

Kupfer Gymnasium St. Anna

Kupfer Gymnasium St. Anna (Xerokopie)

Seite 1-4 nicht vorhanden

Seite 1-4 nicht vorhanden

(Paginierungsfehler)

(Paginierungsfehler)

Seite 5-8 Text zu den Ansichten von St. Anna

Seite 5-8 Text zu den Ansichten von St. Anna

Vor Seite 7

2 Stiche (2 verschiedene Ansich- Vor Seite 7 Außenansicht des Anna-Kollegs

ten d. Anna-Kollegs) Hofansichten. (Außen-

(Xerokopie; 2 Hofansichten fehlen)

sansicht fehlt) Seite 8-151 Beschreibung der Friedensgemäld.

S. 8-87 Beschreibung

Dazwischen S. 101: Wiedergabe der Friedens-

1648-1716

der

Friedensgemäld

gemäld.

S. 87 Rückseite (überklebt) "Friedens-Lieder".

1648-1715: je 2 auf einer Seite (gedruckt)

1 Blatt leer.

1716+1717: 2 auf einer Seite

36 Blatt mit Erklärung der Bilder 1717-1748

(1716 gedruckt und 1717 geklebt) 1718-1748: je 1 auf einer Seite (1718-31 geklebt)

dazwischen S. 100 Wiedergabe der 101 Friedensgemäld. 1648-1748, montiert wie beim 1. Exemplar.

(1732-48 gedruckt).

Vermutlich ist das 2. Exemplar das früher gedruckte. Der gleiche Satz wurde für dieses 2. Exemplar mit geringen Verschiebungen neu umbrochen. Die Auszeichnungen sind fast alle völliger Neusatz.

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413

D. Versuche der Wiederbelebung der Friedensgemälde Das Kinderfriedensfest wurde mit Unterbrechungen bis heute weitergefeiert. So trafen sich laut Bericht Beteiligter in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts alle Augsburger Kinder zur Feier in der Barftißer-Kirche. 1969 begann das Pfarramt St. Anna das Fest zu aktualisieren und versuchte den Kindern den Begriff von Frieden und Krieg an aktuellen Beispielen wie Vietnam und Biafra nahezubringen. Der Brauch der Verteilung der Friedensgemälde schlief jedoch 1789 ein.

a) Der Konvent der evangelisch-lutherischen Geistlichen Augsburgs versuchte indessen, was wenig bekannt ist, 1938-1941 den alten Brauch wiederzubeleben. Am Friedensfest 1938 erschien das erste Blatt mit einer Widmung der Geistlichkeit und einer Mappe zur Aufbewahrung der Blätter. Es ist in der Widmung davon die Rede, daß diese Blätter im Laufe der Zeit zum Hausbuch werden sollen, das den mangelhaften religiösen Kenntnissen der Kinder aufhelfen soll. 1941 jedoch erschien das letzte dem Verfasser bekannte Blatt dieses Versuchs. Der zweite Weltkrieg hatte offensichtlich das Ende des lobenswerten Anlaufs bewirkt. Es sind dem Verfasser folgende Blätter bekannt (alle Stadtbibliothek Augsburg): 1938

"Getreues Augsburg". Buchdruckwiedergabe eines Stiches von Custodis, der den Gottesdienst im Hof den Annakollegs zeigt.

1939

"Brief des Gefangenen". Paulus im Gefängnis. Die mit RS signierte Tuschezeichnung ist im Buchdruck wiedergegeben. Sie stellt in der Mitte Christus zwischen Krippe und Kreuz dar. Links ist Paulus im Gefängnis, rechts Luther mit einer kleinen Gemeinde gezeigt. Die Zeichnung stammt von Rudolf Schäfer (6.9.1878 Altona - 25.10.1961 Rotenburg bei Hannover).

1940

"Der Stadtwerkmeister". Das Bild (Federzeichnung) stellt Elias Holl dar. Im Hintergrund sind Modelle und Skizzen der von ihm geschaffenen Gebäude: Perlach, Heiliggeist-Spital, Kirchturm St. Anna, Gymnasium St. Anna, Pfarrhaus St. Anna, Rathaus. Vorne Zirbelnuß und Reichsadler. Holl sitzt am Zeichentisch, auf dem Tisch liegt neben dem Zeichenwerkzeug Bibel und Augsburger Konfession. Das Bild ist gezeichnet: UNOLD (Max Unold, geb. 1.10.1885 Memmingen). Das Gedicht schildert die Leidensgeschichte Holls während der Gegenreformation.

Wolfgang Seitz

414 1941

"Bei Gott zu Haus". Wiederum Federzeichnung, gez. R.S. (vgl. 1939), zeigt in der Mitte den jungen Jesus im Tempel, links Kinder, rechts Alte, jeweils in einem fiktiven gotischen Kirchenraum. Das Gedicht belehrt mit historischen Exkursen über den Kirchenbesuch der Kinder.

Alle Blätter hatten einheitliches Format (quer-folio) und bestanden aus 4 Seiten. Seite 1, Aufschrift: Augsburger Hohes Friedensfest und Datum. Seite 2: Bild. Seite 3+4: Gedicht. Ob dieser Versuch, wenn er nicht durch die Kriegsereignisse eingestellt worden wäre, Zukunft gehabt hätte, läßt sich in Frage stellen. Die antiquierte Art der Bilder und Texte dürfte wohl schon bei der damaligen Jugend keinen großen Anklang gefunden haben. Künstlerisch sind die Blätter von zweitrangiger Bedeutung. Die Texte der Jahre 1938-41 stammen von Pfarrer Heinrich Schmid von St. Ulrich, der als "Meister Guntram" auch verschiedene Bücher verfaßt hat. b) Als Zeugnis eines weiteren Belebungsversuches liegen dem Verfasser Blätter der Jahre 1951, 1952, 1953, 1955 vor. Diese Blätter sind im Format uneinheitlich und lieblos ausgestattet. Im einzelnen: 1951

1952

1953

1955

Postkartenformat. Buchdruck. Vorderseite: Gustav Adolf mit Aufsicht der Stadt Augsburg nach einem anonymen Gemälde in der St. Anna-Kirche. Rückseite: Postkartenvordruck. Format 16 cm χ 14,7 cm. Buchdruck. Vorderseite: Wiedergabe des Stiches Originalfriedensgemälde 1656 (Verlesung der Augsburger Konfession). Rückseite: Beschreibung der Verlesung. Format 15x 21 cm (hoch). Vorderseite: Fotografie des Chores der Evangelischen Heiligkreuzkirche. Rückseite: Geschichte der Heiligkreuz- Kirche. Format 35,5 χ 26,5 cm. Farbdruck. Vorderseite: Stadtsilhouette Augsburg, davor Landschaft mit Regenbogen und Kreuz. Darunter: "1555 Augsburger Friedensgemälde 1955 am 25. September 1955 der Evangelischen Jugend gewidmet." Rückseite: Gedicht: Der Regenbogen. Befaßt sich mit dem Regenbogen als Friedenssymbol und geht auf die Daten 1555, 1618-48, 1939, 1945, 1955 ein. Das Bild ist von der Diakonisse Elisabet Haccius aus dem Diakonissenhaus Augsburg (re. Unten ist das Signum Ε Η undeutlich zu erkennen). Da keine weiteren Blätter bekannt sind, scheint mit 1955 der Brauch endgültig ausgestorben zu sein.

Die Augsburger 'Friedensgemähld" 1962

415

Faltkarte im Postkartenformat (hoch) Seite 1. Foto "Steinerne Mann" Seite 2. leer, unten Vermerk: "Photo Rostra" Seite 3. "Kinderfriedensfest 1962" "Der Steinerne Mann an der Schwedenmauer..." folgt die Beschreibung der Sage vom Steinernen Mann. Seite 4. leer

Wolfgang Seitz

416

Ε. Chronologisches Verzeichnis aller Blätter Nr. 1 2 -

3

Jahr Thema 1651 Allegorie Frieden und Gerechtigkeit 1652 Kaiser als Friedensfreund 1653 Kein Kupferstich 1654 Emblemata Sonne, Mond, Sterne, etc.

Zeichner

Stecher

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4

1655 Kaiser auf Thron, Ii. Vedute Augsburg

M. Küsel

M. Küsel fecit 1655

5

1656 Übergabe der Konfession

H . I . B . F.

Η. I. Β. F.

6

1657 8 Churfursten bei der Wahl des Kaisers 1658 Krönung Kaiser Leopolds 1659 Jonas prophezeit den Untergang Ninives 1660 Baum des Friedens 1661 Friedensschiff 1662 Friedensbrunnen 1663 Friedensapotheke 1664 Allegorie der Türkenabwehr 1665 Augsburg demütigt sich wegen Kriegsund Unheilszeichen (Kometen) am Himmel 1666 Gesamtansicht von Augsburg mit Leuchter 1667 Urteil des Salomo B. Kilian fecit 1668 Noahs Dankopfer

7 8 9 10 11 12 13 14

15

16 17

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Druck d. Texts Andreas Erffurt li. u. Wappen A. H. Druck d. Texts Andreas Erffurt Joh. Ulrich Schönigk im Verlag Johannis Weh (Buchhändler)

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Β. Kilian fecit

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Die Augsburger 'Friedensgemähld" Nr. 18 19

20 21 22 23 24 25 26

27 28 29 30

31 32

Jahr Thema 1669 Jacobs Kampf mit dem Engel 1670 Joseph deutet die Träume des Pharao 1671 Zug durchs Rote Meer 1672 Manna-Sammlung 1673 Tränkung aus dem Felsen 1674 Sieg über die Amalekiter 1675 Tanz ums goldene Kalb 1676 Opfer Nadabs u. Abihus 1677 Rückkehr der Kundschafter 1678 Moses und Aron mit grünender Rute 1679 Segen und Fluch auf dem Berge Grissium 1680 Laubhüttenfest 1681 Josuas Kampf. Stillstand der der Sonne 1682 Josuas letzter Landtag 1683 Gideons Sieg über die Amalekiter

33

1684 Simson erschlägt 1000 Philister

34

1685 Bundeslade

35

1686 Opfer Samuels. Sieg über die Philister

36

1687 Jonathans Sieg über die Philister

37

1688 Davids Salbung zum König

417 Zeichner F. F. Franck del.

Stecher Β. Kilian sculp. Β. Kilian sculp.

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Weidner del.

Johann Weidner del. I. Weidner del.

I. Weidner del.

Druck d. Text Andreas Erffurt

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Waldreich sculp.

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Joh. Weidner del. J. G. Waldreich sculp. F. F. Franck del. (G. A. Wolfgang) G. A. Wolfgang sculp. G. A. Wolfgang sculp. J. Z. Reidel del.

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Johann Franck sculp. J. Franck sculp. Franck sculp. J. Franck sculp.

I. Franck sculp.

Isaak Fisches del. Leonhard Heckenbauer sculp. Isaac Fisches del. Leonhard Heckenbauer sculp. Isaac Fisches del. Leon. Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leon. Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leon. Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leon. Heckenauer sculp.

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Druck d. Texts Andreas Erffurt -

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Druck d. Texts Johann Jacob Schönig

Druck d. Texts Joh. Jacob Schönig Druck d. Texts Joh. Jacob Schönig Druck d. Texts Joh. Jac. Schönig

Wolfgang Seitz

418 Nr. 38

Jahr Thema 1689 David u. Goliath

39

1690 Wahl Davids z. König

40

1691 David holt die Bundeslade ein

41

1692 Bündnis Joas und Abisei

42

1693 Engel schlägt die Assyrer

43

1694 Die feurigen Rosse des Elias

44

1695 Zeit zu Samaria

45

1696 Prophezeiung des Elias an König Joas

46

49

1697 Vorlesung des Gesetzes durch Nehemia 1698 Verheißung des Zacharias erfüllt sich an Augsburg 1699 Schutz der Gotteshäuser nach Weissagung des Zacharias 1700 Taufe Jesu

50

1701 Versuchung Jesu

51

1702 Gleichnis vom Licht unter dem Scheffel

52

1703 Bergpredigt

47

48

Zeichner Stecher Isaac Fisches del. Leonhard Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leonhard Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leonhard Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leonhard Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leonhard Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leonhard Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leonhard Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leon. Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leon. Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leon. Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leon. Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leon. Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leon. Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leon. Heckenauer sculp. Isaac Fisches del. Leon. Heckenauer sculp.

Druck d. Texts Joh. Christoph Wagner Druck d. Texte Joh. Christoph Wagner

Druck d. Texts Joh. Christoph Wagner

Druck d. Texts Christoph Wagner

Druck d. Texts Johann Christoph Wagner

Die Augsburger 'Friedensgemähld" Nr. 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62

Jahr Thema 1704 Zerstörtes Augsburg 1704 1705 Aufbau der Mauern Jerusalems 1706 Davids Sieg über die Philister 1707 Moses Auffindung 1708 Jacob und die Himmelsleiter 1709 Israel geht durch den Jordan 1710 Mord Siseras durch Jael 1711 Apostel durch den Engel befreit 1712 Martyrium Jacobs des Jüngeren 1713 Martyrium des Bischofs Polykarp

419 Zeichner Stecher Isaac Fisches del. Gabriel Ehinger sculp. Isaac Fisches del. Gabriel Ehinger sculp. J. A. Thelot del. A. M. Woffgang sculp. And. Matth. Wolffgang sculp. Johann. And. And. Matth. Thelot del. Wolffgang sculp. A. Drentwett del. I. A. Corvinus sculp. I. A. Fridrich I. A. Fridrich fecit fecit lac. Andr. lac. Andr. Fridrich fecit Fridrich fecit lac. Andr. lac. Andr. Friedrich del. Friedrich sculp. P. Decker jun. Johann Jacob del. Kleinschmidt sculp. David. Lehenherr Jacob Andreas del. Fridrich sculp. Martin Engelbrecht sculp. I. A. Thelott del. Carolus Remshart sculp.

63

1714 Märtyrer

64

1715 Konzil unter Kaiser Konstantin

65

1716 Aussöhnung des Bischofs Chrysostomus mit der Kaiserin Eudoxia 1717 Reform des Königs I. A. Thelott del. Josias 1718 Paulus vor dem I. A. Telott del. Landpfleger; Luther vor Kardinal Cajetan 1719 Paulus in Athen I. A. Thelott del.

66 67

68 69 70 71

1720 Abendmahl in zwei Gestalten 1721 Luther auf dem Reichstag zu Worms 1722 Luther auf der Wartburg

I. A. Thelott del. Carolus Remshart del. I. A. Thelott del.

Carolus Remshart sculp. Carlolus Remshart sculp.

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Carolus Remshardt sculp. Carolus Rembshart sculp. Carolus Remshart sculp. Carolus Erklärung Remshart sculp. gedruckt bei Johann Christoph Wagner

Wolfgang Seitz

420 Nr. 72

Jahr Thema 1723 Reichstag zu Nürnberg

Zeichner Carl Remshart del.

Stecher Carl Remshart sculp.

73

1724 Barfußerkirche

74

1725 Darstellung d. Lehr-, Wehr- und Hausstandes 1726 Göttlicher Kinderfreund

Carolus Remshard fecit Balthas. Fridrich Lutz del.

Carolus Remshard fecit loh. Christian Leopold sculp.

Paul Decker del.

Johann Christian Leopold iunior fecit

75

76

1727 Allegorie Ausbreitung der Evang. Reformation

I. A. Thelott del.

Iohann Matthias Steidlin sculp.

77

1728 Evang. Kirchenvisitation in Sachsen

Elias Riedinger del.

Joh. Jacob Kleinschmidt sculp.

78

1729 Apostel v.d. Rat in Jerusalem; Lutheraner v.d. Reichstag in Speyer 1529 1730 Petri Pfingstpredigt u. Verkündigung der Confessio Augustana 1731 Opfer von Kain und Abel

I. A. Thelot del.

P. G. Harder sculp.

79

80

Druck d. Erklärung Johann Christoph Wagner -

Druck d. Erklärungen Johann Christoph Wagner Druck d. Erklärungen Johann Christoph Wagner Druck d. Erklärungen Johann Christoph Wagner Druck d. Erklärungen Johann Christ. Wagner

Joh. Lorenz Haid Bathasar Sigm. inv.et.del. Setlezky sculp. P. G. Harder del.

P. G. Harder sculp.

81

1732 Gefangennahme Jesu

Joh. Lor. Haidt del.

Balth. Sigm. Setlezky sculp.

82

1733 Abraham wird von Melchisedech gesegnet

Joh. Andr. Theloth

Β. S. Setlezky sculp.

Druck d. Erklärungen Johann Christoph Wagner Druck d. Erklärungen Joh. Christoph Wagner Druck d. Erklärungen Joh. Christoph Wagner

Die Augsburger

'Friedensgemähld"

421

Nr. 83

Thema Jahr 1734 Die eherne Schlange

Zeichner I. G. Teloth del.

Stecher Gottfried Pfautz sculp.

84

1735 Schiffbruch des Paulus

loh. Lorenz Haidt del.

Georg Gottfried Winckler sculp.

85

88

1736 Gottesdienst im Hof G. Rogg del. des Annakollegs Joh. Lor. Haid 1737 Obadja versorgt die Propheten inv. et del. 1738 Nehemias erbittet die Joh. Lorenz Haid Erbauung Jerusalems del. 1739 Gang nach Emaus Lorenz Haidt del.

89

1740 Der gute Hirte

90

1741 Josef und seine Brüder 1742 Die Israeliten huldigen dem Josua 1743 Die Feuersäule

86 87

91 92

93

1744 Jesus erscheint den Jüngern

94

1745 Samuel setzt den Eben Ezer

95

1746 Drei Weise aus dem Morgenland

96

1747 Versammlung der Fürsten zum Westf. Frieden

97

1748 Augsburgs Verfassung auf Fels gegründet und von Engeln bewacht

loh. Lor. Haid inv. et del. Iohann Lorenz Haid inv. et del. Lorenz Haid del. Lorenz Haid del.

Philipp Andreas Kilian sculp. G. G. Winckler sculp. Jac. Gottlieb Thelot sculp. F. M. Regenfus sculp. Philipp Andreas Kilian sculp. Philipp Andreas Kilian sculp. Ρ. Α. Kilian fecit

Paul Fridr. Engelbrecht sculp. Lorentz Haid inv. Phil. Andr. Kilian Reg. Maj. Pol. El. Sax. calc. Aul. fecit Lorentz Haid inv. Christoph Fridr. et del. Hoermann de Guttenberg sculp. Lorentz Haid inv. Christoph. Fridr. et del. Hörmann de Guttenberg sculp. Joan Lorenz Christoph Friderich Haid del. Hoermann de Guttenberg sculp. Joan Lorenz Christoph. Haid del. Friderich Hoermann de Guttenberg sculp.

Druck d. Erklärungen Joh. Christoph Wagner Druck d. Erklärungen Joh. Christoph Wagner -

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Wolfgang Seitz

422 Nr. 98

Jahr Thema 1749 Augsburgs Dank wegen des Friedensschlusses in Aachen

Zeichner Johann Lorenz Haid del.

99

1750 Fest der Tempelweihe in Jerusalem

Johann Lorenz Haid del.

100 1751 Einweihung des Tempels und Barfüßerkirche

Gottfried Haid del.

101 1752 Vorstellung des Passauischen Vertrages

Augustus Scheller del.

102 1753 Einweihung des Tempels (dabei Abbildung v. Hl. Kreuz)

Augustus Scheller del.

103 1754 Jesus-Knabe im Tempel

Augustus Scheller del.

104 1755 Jesus beim Seesturm

Aug. Scheller del.

August Scheller del. Augustus Scheller inv. et del. Gottfried Eichler 107 1758 Friedensaltar jun. del. 108 1759 Die Friedenstugenden Augustus Scheller inv. et del. August Scheller 109 1760 Abendmahl in der Barfüßer-Kirche inv. et del. 105 1756 Neue Orgel der Barfüßerkirche 106 1757 Friedensaltar

Stecher Christoph Friderich Hoermaü de Guttenberg sculp. Christoph Friderich Hoerman de Guttenberg sculp. Christoph Friderich Hoerman de Guttenberg sculp. Christoph Friderich Hoermann de Guttenberg. sculp. Christoph Friderich Hoerman de Guttenberg sculp. Christoph Friderich Hoerman de Guttenberg sculp. Christoph Fridr. Hörman de Guttenberg sculp. Gottlob Rugendaß sculp. J. Gottlob Rugendas sculp. Jeremias Gottlob Rugendas sculp. J. Gottlob Rugendas sculp. J. Gottlob Rugendas sculp.

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Die Augsburger 'Friedensgemähld" Thema Jahr 1761 Gedanken des Friedens und Leidens 111 1762 Gebet Josaphats und Verheißung des Jeremias 112 1763 Erinnerung an Westfälischen und Hubertusburger Frieden 113 1764 Augsburger frohe und traurige Ereignisse; Wahl Josefs II. 114 1765 Allegorie zur Wahl Josefs II. 115 1766 Erhaltung des Friedens in Augsburg Nr. 110

116

117

118 119

1767 Andenken an 250. Reformationsjubiläum; Barfüßerkirche 1768 Stadtwappen (Zirbelnuß) mit div. Wappen und Gebäuden 1769 Gaben des Friedens

1770 Augsburg mit Kindern umgeben 120 1771 Augsburg in jetzigen und früheren Notzeiten 121 1772 Speisung des Volkes (Teuerungsjahr) 122 1773 Noah verläßt die Arche 123 1774 Empfang Jesu in Jerusamlem (Palmsonntag) 124 1775 Brennender Dornbusch 125 1776 Daniel in der Löwengrube 126 1777 Pfingstwunder

423 Zeichner August Scheller inv. et del. August Scheller inv. et del.

Stecher J. Gottlob Rugendas sculp. J. Gottlob Rugendas sculp.

August Scheller inv. et del.

J. Gottlob Rugendas sculp.

August Scheller del.

J. Gottlob Rugendas sculp.

August Scheller del. August Scheller del. August Scheller del.

J. Gottlob Rugendas sculp. J. Gottlob Rugendas Sculps. J. Gottlob Rugendas sculp.

August Scheller del.

J. Gottlob Rugendas sculp.

August Scheller del. Gottfied Eichler del. August Scheller del.

J. Gottlob Rugendas sculp. Jeremias Gottlob Rugendas sculp. J. Gottlob Rugendas sculp.

Emanuel Eichel fecit Joh. Philipp Haid del. Joh. Gottfried Thelott del.

Emanuel Eichel fecit Em. Eichel sculp. Joh. Gottfried Thelott sculp.

G. Zocchi inv.

Em. Eichel sculp.

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J. Ph. Haid del.

Em. Eichel sculp.

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J. P. Haid del.

Georg Leopold Hertel sculp.

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424 Nr. 127

Wolfgang Seitz

129

Jahr Thema 1778 Feier des Osterlammes 1779 Darstllung des Friedens zu Teschen 1780 Verklärung Jesu

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1789

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128

Zeichner J. P. Haid del.

Stecher Balth. Fridr. Leizel sculp. Joh. Philipp Balth. Friedrich Haidt del. Leizel sculp. Joh. Phil. Haidt Balth. Friedr. del. Leizel sculp. Gesetze vom Berg J. P. Haid inv. et Β. F. Leizel Sinai del. sculp. J. Phil. Haid Β. F. Leizel Jesu Darstellung im inv.et del. sculp. Tempel Joh. Philipp Haid Balth. Fried. Drei Jünglinge im Feuerofen del. Leizel sculp. Joh. Philipp Haid Balth. Fried. Geburt Christi del. Leizel sculp. Β. F. Leizel del. Β. F. Leizel Opfer Isaaks sculp. Über Zachäus (Heut Β. F. Leizel del. Β. F. Leizel ist diesem Hause Heil sculp. widerfahren) Β. F. Leizel Der Knabe Samuel in Β. F. Leizel del. sculp. der Stiftshütte Bittgebet Augsburgs nach einem Β. F. Leizel anno 1704 i.d. Gemälde i.d. Barfußerkirche Barfüßerkirche B. F. Leizel Göttlicher Kinderfreund sculp. Verzeichnis der Friedensgemälde

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Gedruckt bei Christian Deckhardt

Die Augsburger 'Friedensgemähld"

425

F. Friedensgemälde mit Abbildungen zur Topographie und Geschichte, vor allem Augsburgs 1651

Im Text ist Pfarrei der "Parfusser" und "bey St. Anna" genannt (anonym)

1655

Im Hintergrund links Gesamtansicht Augsburgs von Osten (Rotes Tor bis Rathaus), darüber Sonne mit 7 Monden. Rechts hinten: Musikkapelle, dabei Fanfaren mit Augsburger Wappen. (M. Küsel f.)

1656

Übergabe der Konfession in der Bischöflichen Pfalz in Augsburg (25. Juni 1530) (gez. Η. I. B. F.)

1666

Gesamtansicht Augsburg von Osten (von Rotem Tor bis zum Lueginsland). Darüber Kronleuchter mit 8 Kerzen und den 8 Kurfürsten Wappen und Reichsadler (anonym)

1704

Ansicht des zerstörten Augsburg (durch den Spanischen Erbfolgekrieg 1703/04). Vome zerstörte Mauerpartie beim Klinkertor. Hintergrund Heiligkreuz-Kirchen, Perlach, Rathaus. Vorne Augsburger Trachten (Isaac Fisches del. - Gabriel Ehinger sculp.)

1718

Luther vor Kardinal Caietan in Augsburg (1518). Im Hintergrund in einem nicht bestimmbaren Raum (Die Unterredung fand wahrscheinlich im Fuggerhause statt), auf einem Thron der Kardinal, davor Luther. Über dem Thron das Augsburger Wappen (I. A. Telott del. - Carolus Remshart sculp.)

1720

Innenansicht der St. Jacobs-Kirche in Augsburg vor der Renovierung 1726 (siehe Stich von I. Georg Pinz nach I. Th. Kraus, Städt. Kunstsammlungen) (Stichkappen fehlen). Am Altar Augsburger Bürger in Trachten und Geistliche beim Abendmahl (I. A. Thelott del. - Carolus Remshart sculp.)

1721

Luther auf dem Reichstag in Worms (1526) (Carolus Remshart del. et sculp.)

1722

Luther auf der Wartburg. Rechts hinten Ansicht von Eisenach und der Wartburg (I. A. Thelott del. - Carolus Remshart sculp.)

1723

Reichstag zu Nürnberg (Carl Remshart del. et sculp.)

426

Wolfgang Seitz

1724

Innenansicht der Barfüßer-Kirche in Augsburg mit Gemeinde beim Gottesdienst (Blick zum Altar), anläßlich der Renovierung der Kirche erschienen (Carolus Remshart fecit)

1727

Allegorische Darstellung und Wappen der Königreiche Schweden und Dänemark und der Städte Hamburg und Magdeburg. An der Wand Abbildung von Wittenberg mit der Pest-Allegorie, darunter Verbrennung des Leonhard KAYSER von Schardingen bei Passau in Schardingen (1527)

1728

Kirchenvisitation in Sachsen (1528) (Elias Riedinger del. - Joh. Jacob Kleinschmidt sculp.)

1729

Die Evang. Stände vor dem Reichstag zu Speyer (1529) I. A. Thelott del. - P. G. Harder sculp.)

1730

Übergabe der Augsburger Confession (1530) als Parallele zum Pfingstwunder. Abbildung der Bischöfl. Pfalz in Augsburg. Li. davor Burggrafenturm. Davor Volksmenge. (Joh. Lor. Haid inv. et del. - Balthasar Sigm. Setlezky sculp.)

1736

Gottesdienst der Augsburger Protestanten im Innenhof des Annakollegs, während der Sperre der evangelischen Kirchen (1629/30) durch die Gegenreformation. Darüber die gesperrten Kirchen St. Jacob, die Barfußer-Kirche, St. Anna, Ev. St. Ulrich, Ev. Hl. Kreuz, Hl. Geist-Spital. Viele Augsburger Trachten (G. Rogg del. - Philipp Andreas Kilian sculp.)

1747

Versammlung der Fürsten zum Westfälischen Frieden. Links oben: Stadtansichten (Gesamt) von Augsburg und Münster, rechts oben Augsburger Bürger in Tracht an Dankaltar (Joan Lorenz Haid del. - Christoph Friderich Hoermann de Guttenberg sculp.)

1748

Das Evang. Augsburg auf Fels gegründet und von Engeln bewacht. In einer Gruppe hinter den Mauern: Rathaus, Hl. Geist-Spital, Ev. St. Ulrich, St. Anna. Barfußer-Kirche. Hl. Kreuz. St. Jacob (Johan Lorenz Haid del. - Christoph Friderich Hoermann de Guttenberg sculp.)

1749

Augsburg dankt für den Frieden von Aachen. Links oben: Innenansicht der Annakirche gegen Fuggerkapelle. Mitte oben Gesamtansicht von Aachen. Volk und Geistliche in Augsburger Trachten. (Johan Lorenz Haid del. - Christoph Friderich Hoerman de Guttenberg sculp.)

1751

Innenansicht der Barfüßer-Kirche gegen den Altar. Viel Volk in Augsburger Tracht. (Gottfried Haid del. - Christoph Friderich Hoerman de Guttenberg sculp.)

1752

Gedächtnis des Passauer Vertrags (1552). Gesamtansicht von Passau. (Augustus Scheller del. - Christoph Friderich de Hoermann de Guttenberg sculp.)

Die Augsburger

'Friedensgemähld"

427

1753

Innen- und Außenansicht der Evang. Hl. Kreuz-Kirche zu Augsburg (1653 fertig erbaut) (Augustus Scheller del. - Christoph Friderich Hoermann de Guttenberg sculp.)

1755

Gedächtnis des Augsburger Religionsfriedens 1555. Vome: Stadtwappen Augsburg mit Inschrift: "Reichsabschied dat Augspurg d. 25. Sept. 1555". (Aug. Scheller del. - Christ. Fridr. Hörman de Guttenberg sculp.)

1756

Blick in die Barfüßer-Kirche gegen die neuerbaute Orgel. (August Scheller del. Gottlob Rugendaß sculp.)

1757

Links Kinder in Augsburger Tracht, dahinter Stadtsilhouette; kann Augsburg darstellen. (Augustus Scheller inv. et del. - J. Gottlob Rugendas sculp.)

1758

Dankaltar. Davor Augsburger Bürger in Tracht. (Gottfried Eichler jun. del. - Jeremias Gottlob Rugendas sculp.)

1759

Wahrscheinlich Innenansicht Hl. Geist-Spital. (Augustus Scheller inv. et del. - J. Gottlob Rugendas sculp.).

1760

Hauptbild: Innenansicht Barfüßer-Kirche gegen Altar mit neuem Gitter (1760). Hinten oben Straßenszene mit Altem Rathaus und Perlach. Rechts oben Barfüßer-Kirche im Zustand von 1660 (innen). Unten: Ev. St. Ulrich (1710) erneuert. (August Scheller inv. et del. - J. Gottlob Rugendas sculp.)

1761

Kinder in Augsburger Tracht. Rechts hinten Augsburger Stadtwappen als BaumFuß. (August Scheller inv. et del. - J. Gottlob Rugendas sculp.)

1763

Gedächtnis des Friedens von Osnabrück (1648) und Hubertusburg (1763). Gesamtansicht von Augsburg (Mitte) Osnabrück (links), Schloß Hubertusburg (rechts). Volk in Augsburger Tracht; vorne Stadtwappen. (August Scheller inv. et del. - Jer. Gottlob Rugendas sculp.)

1764

Annakirche und Kloster von außen, davor Militär. Stadtwappen, Bildnis Kaiser Josefs II. (August Scheller del. - J. Gottlob Rugendas sculp.)

1765

Stadtwappen. Bild Josef II. und Gemahlin. Gedächtnis der Wahl Josefs II. (August Scheller del. - J. Gottlob Rugendas sculp.)

1766

Gesamtansicht Augsburgs von Osten, darüber Friedensengel, davor Wappenpyr. (August Scheller del. - J. Gottlob Rugendas sculp.)

1767

Gedächtnis 250 Jahre Reformation. Blick durch ein Fenster auf die BarfüßerKirche von außen. Kinder halten Blatt mit Innenansicht der Barfußerkirche von

428

Wolfgang Seitz 1717. Kleines Stadtwappen am Fuß des Altars. Kinder in Trachten. (August Scheller del. - J. Gottlob Rugendas sculp.)

1768

Stadtwappen belegt mit Patrizierwappen. Einzelbilder: Annakolleg, Rathaus, Annakirche, Annagymnasium. Oben: Wappen der Stadtpfleger Stetten, Ammann, Remboldt? (August Scheller del. - J. Gottlob Rugendas sculp.)

1769

Allegorie Augsburgs mit Stadtwappen. (August Scheller del. - Gottlob Rugendas sculp.)

1770

Allegorie Augsburgs mit Stadtwappen. Kinder in Augsburger Tracht. (Gottfried Eichler del. - Jeremias Gottlob Rugendas sculp.)

1771

Das bittende Augsburg. 2 Engel halten Wappenschilder mit Zirbelnuß und Datum der Reformation. Eine Gruppe mit Trachten des 17. Jahrhunderts, eine Gruppe mit Trachten des 18. Jahrhunderts. (August Scheller del. - J. Gottlob Rugendas sculp.)

1779

Darstellung des Friedens von Teschen 1779. Stadtansicht von Teschen links oben. Volk in Trachten. (Joh. Philipp Haidt del. - Balth. Friedrich Leizel sculp.)

1788

Innenansicht der Barfüßer-Kirche, nach einem Gemälde von 1704, Augsburger Trachten dieser Zeit. (Dank für Frieden 1704). (Nach einem Gemälde i.d. Barflißer-Kirche. - B. F. Leizel)

Die Augsburger 'Friedensgemähld"

429

G. Veduten, historische Begebenheiten, Trachten, Wappen auf Friedensgemälden

1) Augsburg 1. Gesamtansichten 1655 1666 1704 1747 1748 1763 1766

mit Sonne und Monden mit Leuchter Zerstörungen in Gegend Klinkertor links oben klein alle evang. Gebäude hinter einer Mauer Gesamtansicht von Osten Gesamtansicht von Osten

2. St. Annakirche 1651 genannt 1736 1748 1749 1764 1768

im Medaillon Außenansicht hinter Mauer Innenansicht gegen Fuggerkapelle Außenansicht, davor Militär Außenansicht

3. Annakolleg 1736 Gottesdienst im Hof 1768 Außenansicht 4. Annagymnasium 1768 Außenansicht 5. Barfüßerkirche 1651 genannt 1724 Innenansicht anl. d. Renovierung 1736 in Medaillon Außenansicht 1748 hinter Mauer

Wolfgang Seitz

430 1751 1756 1760 1760 1767 1788

Innenansicht Innenansicht nach rückwärts Hauptbild Innenansicht gegen Altar; Neues Gitter. Nebenbild. Zustand innen von 1660 Außen- und Innenansicht Innenansicht 1704

6. Heiliggeistspital 1736 Außenansicht im Medaillon 1748 hinter Mauer 1759 Innenansicht der Kirche 7. Evang. Heiligkreuzkirche 1736 Außenansicht im Medaillon 1748 hinter Mauer 1753 Außen- und Innenansicht 8. St. Jacobskirche 1720 Innenansicht vor 1726 (Renovierung) 1736 Außenansicht im Medaillon 1748 hinter Mauer 9. Rathaus 1747 Rathaus (neu) mit evang. Kirchen hint. Mauer 1748 Rathaus (alt) mit Straßenszene (klein), daneben Perlach (zum Teil) 1768 Rathaus (neu) 10. Bischöfliche Pfalz 1636 Innenraum, Übergabe der Confessio 1730 Außenansicht mit Burggrafenturm 11. Evang. St. Ulrichskirche 1736 Außenansicht im Medaillon 1748 hinter Mauer 1760 Außenansicht (1710 erneuert) 12. Trachten 1665 Musikkapelle 1704 Volk vor den zerstörten Mauern 1720 Volk u. Geistliche beim Abendmahl

Die Augsburger 'Friedensgemähld"

431

1736 Volk im Hof den Annakollegs 1747 Bürger in Tracht am Dankaltar 1749 Geistliche und Volk in Tracht 1751 Gemeinde i.d. Barfußerkirche 1757 Kinder in Tracht 1758 Bürger am Dankaltar 1761 Kinder in Tracht 1763 Volk in Tracht 1767 Kinder in Tracht 1770 Kinder in Tracht 1771 Trachtengruppe 17. Jhdt. u. Gr. 18. Jhdt. 1779 Volk in Tracht 1788 Trachten um ca. 1704 13. Historische Ereignisse in Augsburg 1656 Übergabe der Confessio 1530 1704 Zerstörungen im Span. Erbfolgekrieg 1704 1718 Luther vor Kardinal Cajetan 1518 1730 Übergabe der Confessio 1730 14. Augsburger Stadtwappen 1655 1718 1755 1761

auf Fanfarentüchern der Musikkapelle über dem Thron des Kardinal Cajetan v o m e mit Inschrift; Reichsabschied 1555 Wappen als Fuß eines Baumes

1763 vorne 1764 Stadtwappen 1765 Stadtwappen 1766 vorne Stadtwappen 1767 am Altar Stadtwappen 1768 Stadtwappen, belegt mit Patrizierwappen 1769 Wappen mit allegor. Figur Augsburg 1770 Wappen mit allegor. Figur Augsburg 1771 Wappen auf 2 Wappenschildern, von Engeln gehalten 15. Augsburger Famillienwappen 1655 Wappen Anton Huber 1768 Wappen Stetten, Wappen Amann, Wappen Scheidlin, Patrizierwappen auf Zirbelnuß

432

Wolfgang Seitz

2) Auswärtige Städte und Länder a) Auswärtige Ansichten Worms 1721 Luther auf dem Reichstag in Worms (1528), Innenraum Wartburg und Eisenach 1722 Luther auf der Wartburg, Ansicht von Wartburg und Eisenach Nürnberg 1723 Reichstag zu Nürnberg, Innenraum Passau 1727 Verbrennung des Leonhard Kayser von Schardingen bei Passau (1527) Wittenberg 1727 Ansicht von Wittenberg Sachsen 1728 Kirchenvisitation in Sachsen Speyer 1729 Die evang. Stände im Reichstag von Speyer Münster 1747 Gesamtansicht links oben Aachen 1749 Gesamtansicht anläßl. Jubiläums den Friedens von Aachen Passau 1752 Gesamtansicht anl. d. Paussauer Vertrages Osnabrück 1763 Gesamtansicht anl. d. Osnabr. Friedens Hubertusburg 1763 Gesamtansicht anl. d. Hubertusb. Friedens Teschen 1779 Gesamtansicht anl. d. Friedens v. Teschen

Die Augsburger 'Friedensgemähld"

433

b) Historische Ereignisse 1655 Kaiser Ferdinand 1656 Kaiser Karl V. mit kirchlichen und weltlichen Fürsten 1657 Kurfürsten bei Erwählung Leopolds I. 1658 Krönung Leopold I. 1660 Kaiser Leopold, Königin Christine von Schweden, König von Polen, König von Dänemark; Kurfürsten. 1661 Kaiser Leopold I. mit dem Sultan 1715 Kaiser Konstantin bei Verurteilung der Arianer 1716 Kaiserin Eudoxia 1764 Kaiser Josef II. 1765 Kaiser Josef II. und Gemahlin anläßlich seiner Krönung

c) Wappen (Auswärtige Regenten) 1655 1657 1658 1660 1663 1727

Habsburger Kaiserwappen Wappen der Kurfürsten Wappen der Habsburger und der Kurfürsten Wappen dem Kaisers, d. Könige v. Schweden, Dänemark, Polen u. d. Kurfürsten Wappen des Kaisers und der Kurfürsten Wappen von Schweden, Dänemark, Hamburg und Magdeburg

434

Namensregister Η. I. Β. F. 1656 (St u. Z) Beltz, Johann Conrad Hufschmied und Pfleger d. Barfüßergemeinde 1748 (Einleitung des Sammelbands) Corvinus, J(ohann) A(ugust) Leipzig 1683 - Augsburg 1738 1709 (St) Decker, Paul der Jüngere, 1685 - 1742 in Nürnberg 1713 (Z) 1726 (Z) Deckhardt. Christian Nikolaus, gest. 1849 1790 (Drucker den Gesamtverzeichnisses) Drentwett, A(braham) der Ältere, 1647 - 1729 (7) 1709 (Z) Ehinger, Gabriel, 1652 - 1736 1704 (St) 1705 (St) Eichel, Emanuel der Jüngere, 1717 - 1782 in Augsburg 1772 (Z) (St) 1773 (St) 1775 (St) 1776 (St) Eichler. Gottfried d. Jüngere, 1715 - 1770 in Augsburg 1758 (Z) 1770 (Z)

Wolfgang Seitz

Die Augsburger 'Friedensgemähld" Engelbrecht, Martin, 1684 - 1756 in Augsburg 1715 (St) Engelbrecht. Paul Fridr., 1 7 1 9 - 1 7 7 6 1743 (St) Erffurt, Andrea 1654 (Dr) 1655 (Dr) 1657 (Dr) 1658 (Dr) 1662 (Dr) 1664 (Dr) 1666 (Dr) 1669 (Dr) 1670 (Dr) 1672 (Dr) 1673 (Dr) 1674 (Dr) 1677 (Dr) 1678 (Titel Sammelband) Fisches, Isaak der Ältere, 1638 - 1706 1683 (Z) 1684(Z) 1685 (Z)

1686 (Z) 1687 (Z) 1688 (Z) 1689(Z) 1690(Z) 1691 (Z) 1692(Z) 1693(Z) 1694 (Z) 1695 (Z) 1696 (Z) 1697 (Z) 1698 (Z) 1699 (Z) 1700 (Z) 1701 (Z)

Wolfgang Seitz

436 1702 1703 1704 1705

(Ζ) (Ζ) (Ζ) (Ζ)

Franck, F(ranz), F(riedrich), Kaufbeuren 1627 - Augsburg 1687 1669 (Ζ) 1675 (Ζ) Franck, Johann, geb Kaufbeuren; gest., 1627 - 1690 genannt 1678 (St) 1679 (St) 1680 (St) 1681 (St) 1682 (St) Fridrich, J(acob) A(ndreas), Nürnberg 1684 - Augsburg 1751 1710 (St u. Z) 1711 (Stu. Z) 1712 (St u. Z.) (Friederich) 1714 (St) Gutermann. Philipp Jacob Handelsherr u. Pfleger d. Barftißergemeinde 1748 (Einleitung des Sammelbandes) Haid. (Johann)Gottfried, Kleineislingen 1710 - 1776 (od., 1771) 1751 (Z) Haid. Joh. Lorenz, Kleineislingen 1702 - Augsburg 1750 1730 (Z) 1732 (Z) (Haidt) 1735 (Z) (Haidt) 1737 (Z) 1738 (Z) 1739 (Z) (Haidt) 1740 (Z) 1741 (Z) 1742 (Z) (Lorenz Haid) 1743 (Z) (Lorenz Haid) 1744 (Z) (Lorenz Haid) 1745 (Z) (Lorenz Haid)

Die Augsburger 'Friedensgemähld" 1746 (2) (Lorenz Haid) 1747(Z) 1748 (Z) 1749(Z) 1750(Z) Haid, J(ohann) P(ilipp), 1730 - 1806 1773 (Z) 1776(Z) 1777 (Z) 1778 (Z) 1779 (Z) (Haidt) 1780 (Z) (Haidt) 1781(Z) 1782 (Z) 1783 (Z) 1784 (Z) 1789 (Z) (Titel) Harder, P(hilipp) G(ottfried), 1 7 1 0 - 1 7 4 9 1729 (St) 1731 (St) (Z) Hartmann. Paul Jacob Catton-Fabricant und Pfleger der Barfußer-Pfarrei 1743 (Einleitung Samelband) Haupt, G(ottfried) I(acob), ca. 1709 - 1760 1748 (St) (Titel Sammelband) Heckel, Katharina; später verheir. Sperling, 1699 - 1741 1717 (Stecherin d. Kleinen Sammelbandes, damals 17 Jahre alt) Heckenauer. Leonhard, 1655 - 1704 1683 (St) 1684 (St) 1685 (St) 1686 (St) 1687 (St) 1688 (St) 1689 (St) 1690 (St)

437

Wolfgang Seitz

438 1692 (St) 1692 (St) 1693 (St) 1694 (St) 1695 (St) 1696 (St) 1697 (St) 1698 (St) 1697 (St) 1700 (St) 1701 (St) 1702 (St) 1703 (St) Hertel, Georg Leopold, 1740 - 1778 1777 (St) Hillenbrand. Johann Georg Handelsherr und Pfleger d. Barfüßerkirche 1748 (Einleitung Sammelband) Hoermann de Guttenberg, Christoph Fridr. 1745 (St) 1746 (St) 1747 (St) 1748 (St) 1749 (St) (Hoerman de Guttenberg) 1750 (St) (Hoerman de Guttenberg) 1751 1752 1753 1754

(St) (St) (St) (St)

(Hoerman (Hoerman (Hoerman (Hoerman

de de de de

Guttenberg) Guttenberg) Guttenberg) Guttenberg)

1755 (St) (Hoerman de Guttenberg) Hohennestel, Isaac d. Ältere Kaufherr, Ratsmitgl. u. Pfleger d. Barfüßergem. 1678 (Einleitung zum Sammelband) Huber. Andreas Kaufherr, Ratsmitgl. u. Pfleger d. Barfüßergem. 1678 (Einleitung d. Sammelbandes und sein 1655 Wappen auf Friedensgemälde)

Die Augsburger 'Friedensgemähld"

Kilian, B(artholomäus) II, 1630 - 1696 1668 (St u. Z) 1669 (St) 1670 (St) Kilian. Philipp Andreas, 1 7 1 4 - 1 7 5 9 1736 (St) 1740 (St) 1741 (St) 1742 (St 1744 (St) Kleinschmidt, Johann Jacob, 1687 - 1772 1713 (St) 1728 (St) Kraus, Joh. Ulrich, 1655 - 1719 1727 (Verleger des Kleinen Sammelbandes) Küsel. M(atthäus), 1629 - 1681 (evtl. auch Melchior 1626 - 1683) 1655 (St) 1655 (Z) Lehenherr, David (auch Löherrr), ca. 1688 - 1754 1714 (Z) Leizel. B(althasar) F(riedrich), 1755 - 1812 1778 (St) 1779 (St) 1780 (St) 1781 1782 1783 1784

(St) (St) (St) (St)

1785 (St u. Z) 1786 (St u. Z) 1787 (St u. Z) 1788 (St) 1789 (St) 1790 (Titel Sammelband)

439

440 Leopold, Joh. Christian, 1699 - 1755 1725 (St) 1726 (St) Lommer. M. Gottfried Prediger zu den Barfüßern 1717 (Text zur Kleinen Ausgabe) Lotter, Joh. Jac., gest. 1738 1717 (Druck Kleine Ausgabe) Lotter. Joh. Jac. Erben 1748 (Drucker der Kleinen Ausgabe) Lutz, Balthasar Fridrich, 1690 - 1726 1725 (Z) Pfautz, Gotttfried, 1687 - 1760 1734 (St) Regenfus. F(ranz) M(ichael), Nürnberg 1712 - Kopenhagen 1780 1739 (St) Reidel, J(ohann) Z(acharias) 1678 (Z) Remshart, Georg Bierbräu u. Pfleger d. Barfüßergemd. 1678 (Einleitung zum Sammelband) Remshart, Carolus, ca. 1678 - 1735 1716 (St) 1717 (St) 1718 (St) 1719 (St) (Remshardt) 1720 (St) (Rembshart) 1721 (Stu. Z) 1722 (St) 1723 (St u. Z) 1724 (St u. Z) (Remshard)

Wolfgang Seitz

Die Augsburger

'Friedensgemähld"

Riedinger, (Johann) Elias, 1698 - 1767 1728 (Z) Rogg. G(otttfried), 1669 - 1742 1736 (Z) Roth. Joh. Michael, 1691 - 1769 Verleger 1748 (Sammelband groß und klein) Rugendas. J(ermias) Gottlob, 1720 - 1772 1756 (St) (Gottlob Rugendaß) 1757 (St) 1758 (St) 1759 (St) 1760 (St) 1761 (St) 1762 (St) 1763 (St) 1764 (St) 1765 (St) 1766 (St) 1767 (St) 1768 (St) 1769 (St) 1770 (St) 1771 (St) Setlezky, Balthasaar Sigm., 1695 - 1771 1730 (St) 1732 (St) 1733 (St) Scheller, Augustus, 1 7 1 9 - 1 7 9 0 1752(Ζ) 1753(Ζ) 1754 (Ζ) 1756(Ζ) 1757(Ζ) 1759 (Ζ) 1760 (Ζ) 1761(Ζ)

Wolfgang Seitz

442 1762 (Ζ) 1763(Ζ) 1764 (Ζ) 1765 (Ζ) 1766 (Ζ) 1767(Ζ) 1768(Ζ) 1769(Ζ) 1771(Ζ) Schorn gk, Johann Jacob 1682 (Dr) 1683 (Dr) 1686 (Dr) (Schönig) 1687 (Dr) (Schönig) 1688 (Dr) (Schönig) Schönigk. Joh. Ulrich 1656 (Dr) Stapel. Bartholomäus Apotheker und Pfleger d. Barfußergemeinde 1678 (Einleigung zum Sammelband) Steidlin, Johann Matthias 1727 (St) Thelot. J(ohann) A(ndreas), 1655 - 1734 1706 (Z) 1708 (Z) 1716 (Z) (Thelott) 1717 (Z) (Thelott) 1718 (Z) (Telott) 1719 (Z) (Thelott) 1720 1722 1727 1729

(Z) (Thelott) (Z) (Thelott) (Z) (Thelott) (Z)

1733 (Z) (Theloth)

Die Augsburger 'Friedensgemähld" Theloth. J(ohann) G(ottfried), 1711 - 1775 1734(Z) 1738 (St) (Thelot) 1774 (St) (Thelott) 1774 (Z) (Thelott) Wagner, Joh. Chistoph 1695 (Dr) 1696 (Dr) 1698 (Dr) 1700 (Dr) 1722 (Dr) 1723 (Dr) 1726 (Dr) 1727 (Dr) 1728 (Dr) 1729 (Dr) 1731 (Dr) 1732 (Dr) 1733 (Dr) 1734 (Dr) 1735 (Dr) Waldreich. (Johann Georg), gest. 1680 1673 (St) 1674 (St) Weh, Johann 1656 (Verleger) Weidner, Joh., 1628- 1706 1673(Z) 1674 (Z) 1679(Z) 1680(Z) 1682 (Z) Winckler. Georg Gottfried, 1710(?) - 1786(?) 1735 (St) 1737 (St)

443

444 Wolffgang, A(ndreas) M(attäus), 1660 - 1736 1706 (St) 1707 (St) 1737 (St) Wolfgang, G(eorg) A(ndreas) der Ältere, 1631-1716 1675 (St) 1676 (St) 1677 (St) Zocchi. G. 1775 (Z)

Wolfgang Seitz

Die Augsburger 'Friedensgemähld"

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Literatur Hans, Julius: "Das Augsburger Friedensfest". Überarbeitet von Adolf Schiller, Augsburg 1966. Christell, Johan Martin: "Besondere und ausfuhrliche Nachrichten von den Evangelischen Barfüßer und St. Jacobs=Kirchen zu Augsburg", Augsburg 1733. Hämmerle, Albert: Evangelisches Totenregister zur Kunst- und Handwerksgeschichte Augsburgs, Augsburg 1928. Stetten, Paul der Jüngere von: "Kunst". Gewerb= und Handwerks Geschichte der ReichsStadt-Augsburg, Augsburg 1779/1788. Spamer, Adolf: Das Kleine Andachtsbild vom XIV. bis zum XX. Jahrhundert, München 1930. Thieme-Becker: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler, Leipzig 1907 ff.

Index der Orts- und Personennamen Im folgenden Index wurden alle im Text genannten Personen-, Orts- und Territoriennamen verzeichnet. Auf einen Registereintrag 'Augsburg' wurde fur alle Beiträge verzichtet. Landesherren sind unter dem Namen des Territoriums aufgenommen, Päpste, Kaiser und Könige finden sich unter ihren Vornamen.

A Aachen 99,114 Abel, Karl von 357 Ägypten 186, 249f Alber, Matthäus 268f Althusius, Johannes 188f Amman, Georg Gottfried 80 Ammersee 369 Anhalt - Christian, Fürst 58 Ankermüller, Willi 379 Annaberg 315 Apfel, Christoph 298 Aristoteles 173, 182, 187 Augsburg - Heinrich V. von Knöringen, Bischof 66, 225 - Otto Truchseß von Waldburg, Kardinalbischof 225 Β Bach - Carl Philipp Emanuel 274 - Friedemann 291 - Johann Christian 275 - Johann Sebastian 16,274,291 Barclay, James 51 Barth, Anton 342 Baryphonus, Heinrich 279 Batory, Stefan 193

Bayern - Maximilian I., Kurfürst 60, 218 Beger, Johann Georg 269 Beisler, Hermann von 353 Belfast 333 Berlin 274 Bertermann - Jacbina Samuel 303 - Samuel 303 Besold, Christoph 177 Bethlehem 121 Beyer, Christian 265f Beyschlag, Friedrich Jakob 267 Biafra 379 Biberach 236,242-245,248,251, 253f, 263 Biberbach 371 Biller, Albrecht 302 Birken, Sigmund von 216 Birkenfeld, Johann Samuel 305f Bockau 323 Bodin, Jean 187 Boeckh, Friedrich 345 Böhmen 317,320 ΒOpfingen 244, 248, 255, 262f Bornitz, Jakob 179 Botero, Giovanni 177, 191 Brandenburg - Hieronymus Schulze, Bischof 237

448

Index der Orts- und

Braunschweig-Wolfenbüttel - Heinrich d.J., Herzog 56 Brentano, Karl August von 357 Brenz, Johannes 258, 266f, 269 Bruno, Giordano 45 Bucer, Martin 48 Buchner, Sigismund 52 Buddaeus, Johann Franz 183 C Cajetan 345 Caligula, röm. Kaiser 128, 130 Capito, Wolfgang 48 Caspar, Johann Nepomuk 355 Castellio, Sebastian 46 Celtis, Conrad 292 Christeil, Johann Martin 112 Christian IV., König von Dänemark 282 Christina, Königin von Schweden 291 Clapmar, Arnold 176f Coming, Hermann 183f Contzen, Adam 191 f Creide, Hartmann 221 Custos, Raphael 381 Cyprian, Ernst Salomo 236, 269 D Decius, Nikolaus 254 Delitzsch 316,329 Demj anuk, Iwan 121 Dinkelsbühl 243 Dirr, Pius 368 Ditzinger, Ludwig Carl 249-251 Dorkenius, Andreas 54 Dorsche, Johann Georg 60 Drechsel, Friedrich 346 Dresden 274, 282, 289, 314f, 318, 322f, 326, 328 Düben 324

Personennamen

Dufay, Guillaume 272f Duncker, Nikolaus 279 Dürer, Albrecht 128 Ε Efferhen, Wilhelm Ferdinand von 191-202 Eichmann, Adolf 121 Erasmus von Rotterdam 48, 187 Erhard, Ludwig 378 Erstenberger, Andreas 53f Esslingen 236, 243f, 247, 249-251, 261-263, 265 Eusebiis, Ernestus de 60 F Ferdinand I., Kaiser 86, 126 Ferdinand II., Kaiser 10, 146, 151, 286 Ferdinand III., Kaiser 104, 113, 126 Fischer, Ludwig 360 Forndran, Georg 350 Forstner, Christoph 177 Franck, Sebastian 46 Francke, August Hermann 246 Franz I., Kaiser 113 Freiburg i.Br. 103,282 Frick, Wilhelm 377 Friedrich August I., König 328 Friedrich, Kronprinz (Friedrich III., Kaiser) 337 Frisch, Nikodemus 362 Froschweiler 335 Fugger 66,277 - Ott Heinrich 68 Funck, Johann Kaspar 265 G Galilei, Galileo 45 Gantherr, Raimund 355 Geizkofler, Zacharias 57-59

449

Index der Orts- und Personennamen

Gelb, Balthasar 301 Gerhardt, Paul 292 Giengen 243f,251,264 Goslar 279 Graf, Friedrich Hartmann 275 Gramann, Johann 254 Gröber, Franziska 379 Grünthal, Johannes von 184 Gumpelzhaimer, Adam 16,274,276 Günther, Mathäus 140 Gustav II. Adolf, König von Schweden 10, 29, 106, 215, 337, 346f, 382 Η Hainhofer, Philipp 272 Hannover 380 Hans, Julius 346, 366 Harsdörffer, Georg 216 Heerbrand, Jakob 266 Heider, Wolfgang 185-187 Heilbronn 238f, 243, 245, 252f, 255, 260-262, 265 Heilige - A f r a 333, 337 - Ulrich 337, 343 Heiss, Elias Christoph 297, 305 Heiß, Johann 298 Henle, Georg 361 f Hessen-Darmstadt - Ernst Ludwig, Landgraf 241 Hitler, Adolf 376 Hobbes, Thomas 31-33, 51 Hohenlohe-Schillingsfurst, Chlodwig von 363 Hohner, Heinz 378 Holl, Elias 52,376,382 Holzapfel, Johann Jacob 80 Hörwart, Max 64 Hubertusburg 114,323 Hus, Johannes 258, 266

I Innozenz X., Papst 126 Isny 243f, 248, 251, 264, 284 Israel 105, 108, 114, 121 J Jakob II., König 333 Jena 282 Jerusalem 114,338 Joseph I., König 99, 113,274 Joseph II., König 113 Κ Kaifer, Albert 379 Karl V., Kaiser 77, 152, 225, 237, 267 Karl VII., Kaiser 113 Kaufbeuren 285 Keckermann, Bartholomäus 188f, 191 Kempten 245,251f Kepler, Johannes 45 Khlesl, Melchior 58f Kindermann, Johann Erasmus 282 Kirkh, Peter 299 Klaj, Johann 216f Koberger, Anton 128 Koch - Anna Margaretha 298 -Anton 345f Kölderer, Georg 66 Köln 282 Kopernikus, Nikolaus 45 Korea 379 Kötzschenbroda 316 Kramer, Hans 73, 379 Krauß, Ludwig Friedrich 343 Kräutter, David 274 Kriegsdorffer, Tobias 274 Kulmbach 103,366 Kursachsen 239-241,269

450

Index der Orts- und

L Laire, Peter 305f Langenmantel, Franz Octavius 82 Lapides, Hippolith a 178 Lechfeld 382 Lechhausen 369 Leipzig 274,315-317,319,322-324, 326, 328 Leo XIII., Papst 338 Leopold I., Kaiser 113f Leutkirch 245, 247, 257, 262-264, 283 Lilje, Johannes 380 Lindau 244,251,263,283,290 Linz 282 Lipsius, Justus 54,177,186-188 List, Friedrich 358 Lochhausen, Samuel von 289 London 275 Lorenzetti, Ambrogio 138 Ludwig I. 354 Ludwig XIV., König 99, 114 Luther, Martin 47f, 107, 109f, 121, 123, 135f, 172f, 237, 239,254, 258, 260f, 266, 268f, 334, 336f, 339, 341, 344f, 349 Lutz, Johann von 363

Personennamen

Merck, Daniel 274 Minucci, Minuto 59 Montaigne, Michel de 61, 63, 65 Montgelas, Maximilian Graf von 368 Mühlhausen 279,286 Müller - Johannes 282 -Nikolaus 378 München 284 Münster 27, 101, 103, 112, 209f, 212,281,283,290, 334 Müntzer, Thomas 110,135 Ν Napoleon I., Kaiser von Frankreich 337 Napoleon III., Kaiser von Frankreich 337 Neuss, Peter I 302 Neuss, Peter II 302 Nicolai - Christoph 280 - Friedrich 71 Nimwegen 114 Nordhausen 279 Nördlingen 244,246,251 Nürnberg 103,109,282,285,287, 291,316, 335

Μ Machiavelli, Niccolö 169f, 181, 188 Mainz 220 - Albrecht, Erzbischof 237 Martin, Johann Baptist 355 Matthias, Kaiser 58 Maximilian I., Kaiser 56, 286 Mayer, Johann Valentin 283 Mehringen 363 Melanchthon, Philipp 173,237,269, 337 Memmingen 244, 251 f, 262, 381

Ο Oberammergau 25, 380 (Dettingen 246 Oliva 114,321 Orneberg, Johann Jacob 284 Osnabrück 27, 101, 105, 113, 115, 152,281-283,290 Österreich 114 Öttingen-Wallerstein, Ludwig von 357 Ovid 378

Index der Orts- und

451

Personennamen

Oxenstierna, Axel 209 Ρ Palestrina 282 Paris 328, 379,382 Passau 111, 115 Pfalz Friedrich V., Kurfürst 239 Pfalz-Sulzbach 215 - Christian August, Pfalzgraf 215 - Wolfgang Christian August, Pfalzgraf 215 Pfyffer, Franz Xaver 133, 135f, 148154, 157-159 Philgus, Balthasar 290 Piccolomini, Ottavio 291 Pisendel, Johann Georg 274 Pius IX., Papst 338 Pius X., Papst 338 Pöschel, Philipp Friedrich 335, 340 Prag 282,318 Preußen 343 Puchta, Heinrich 334,366 Q Quedlinburg 280 R Rabiosus, Anselm 74 Rauner, Johann von 298 Ravensburg 243, 245, 252, 283, 285 Regensburg 157,336,341,348 Rehlingen, Maximilian Adam von 80 Reutlingen 233, 244, 247f, 251, 26 lf, 267-270 Rheinberger, Josef 370 Riehl, Wilhelm Heinrich 83 Ries 368 Ringmacher, Daniel 251,260,265 Rist, Johann 102f

Roth, Friedrich von 342 Rudolf I., Kaiser 135 Rudolf II., Kaiser 63 Rugendas, Jeremias Gottlob 306 S Saavedra Fajardo, Diego de 178 Sachsen 239-241,343 - Johann Georg I., Kurfürst 218f, 225,318 - Georg I., Kurfürst 335 - Johann Casimir 185 Sachsen-Gotha - Friedrich II., Herzog 236 Salvius, Johann Adler 209 Salzburg 115,123,146,151-153, 155-159, 163 Schäfer, Rudolf 381 Schmetzer, Georg 274 Schmid, Heinrich 382 Schnepff, Erhard 265 Schubart, Christian Daniel Friedrich 71 Schuly, Johann Philipp 299 Schütz, Heinrich 279, 282, 286f, 289 Schwäbisch Hall 244,246,249,251, 253f, 258, 261, 266f, 269, 285, 287 Schweden 316, 322f Schwenckfeld, Caspar von 62 f Schwendi, Lazarus von 54, 56, 58 Seckendorf, Veit Ludwig von 266, 268 Seiler, Georg Friedrich 336 Seyfert - Johann Caspar 274f5 - Johann Gottfried 274 Siena 138 Simon, Matthias 376 Sleidan, Johannes 237, 266f Stählin, Adolf von 344 Stegmann, Josua 254

452

Index der Orts- und

Stetten - Christoph von 303 - Johann von 80 -Paul von 302,378 Stoltzer, Thomas 276 Τ Telemann, Georg Philipp 274 Teschen 114,327 Thelott -Israel 297 - Johann Andreas 303 Thumbshirn, Georg Christoph 202 Thüringen 343 Thurm, Christian 303f Tischer, Karl Alois 357 U Ulm 103, 236, 244f, 247f, 25 lf, 254, 257, 260-263, 265 Unold, Max 381 Urlsperger, Samuel 110, 112, 115, 334 V Vico, Giambattista 44 Vietnam 379 Vogel - Hermann 366

Personennamen

-JohannJakob 317 Volkhart, Albrecht 358 W Wagenseil, Georg Christoph 274 Wagner, Jakob 67 Wangnereck, Heinrich 60,201 Weiden in der Oberpfalz 210, 214f Weimar 274, 287, 289 Weinkamm, Otto 378 Wekhrlin, Ludwig Wilhelm 74 Weller, Jacob 319 Welser, Anton Felix 64, 66 Wertheim 240 Wien 282, 327 Wilhelm von Oranien, König 333 Wimpfen 243f, 255, 265 Wittenberg 240 Wittmann, Patrizius 357, 362 Worms 109 Wörth 335, 370 Württemberg - Johann Friedrich, Herzog 239 Ζ Zeitz 322, 328f Zwingli, Ulrich 269

Abbildungsnachweis Augsburg

Evang.-Luth. Pfarramt St. Anna: Abb. 35.

Augsburg

Evang.-Luth. Pfarramt St. Ulrich: Abb. 33, 34, 36, 37.

Augsburg

Staats- und Stadtbibliothek: Abb. 20.

Augsburg

Städtische Kunstsammlungen: Abb. 9, 17.

Augsburg

Universitätsbibliothek: Abb. 1, 4, 5, 7, 8, 22, 23.

Freiburg

Universitätsbibliothek (Exemplar der ehemaligen Bibliothek der Benediktinerabtei St. Peter im Schwarzwald): Abb. 3

München

Bayerische Staatsbibliothek: Abb. 10-17, 22-32.

Privatbesitz

Abb. 2.

Schwäbisch Hall

Stadtarchiv Schwäbisch Hall 5/588: Abb. 21.

St. Peter

Erzbischöfliches Priesterseminar St. Peter im Schwarzwald: Abb. 6.

Abkürzungsverzeichnis AelD AEV ARG BKB BNU BSB del. Dek. EWA Fasz. fl.

GNB GVB1 GWU HAB HJB HP HStA HZ JABVG JVAB Lit. LB LkA LkAB LkAN MIÖG NZSTh NF OHMA OKM RB1 Reg. RGBl sculp. SLUB

Archiv des evangelischen Dekanats Archiv des Erzbistums Bamberg Archiv für Reformationsgeschichte Bayerisches Konsistorium Bayreuth Bibliotheque Nationale et Universitaire Bayerische Staatsbibliothek delineavit (gezeichnet) Dekanat Evangelisches Wesensarchiv Faszikel Florines, rheinische Gulden Germanisches Nationalmuseum Gesetz- und Verordnungsblatt Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Herzog-August-Bibliothek Historisches Jahrbuch Bestand Historischer Verein, Sammlung Paris Hauptstaatsarchiv Historische Zeitschrift Jahrbuch fur Augsburger Bistumsgeschichte Jahrbuch des Vereins für Augsburger Buchgeschichte Literalien Landesbibliothek Landeskirchliches Archiv Landeskirchliches Archiv Bibliothek Landeskirchliches Archiv Nürnberg Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung Neue Zeitschrift für systematische Theologie und Religionsphilosophie Neue Folge Oberhofmarschallamt Oberkonsistorium München kgl. Bayer. Regierungsblatt Regierung Reichsgesetzblatt sculpsit (gestochen) Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek

456 StaatsA StadtA StB SuStBA Tom TRE UB ZBKG ZBLG ZHF ZHVS(N) ZKG ZRG

Abkürzungsverzeichnis

Staatsarchiv Stadtarchiv Stadtbibliothek Staats- und Stadtbibliothek Augsburg Tomus Theologische Realenzyklopädie Universitätsbibliothek Zeitschrift für Bayerische Kirchengeschichte Zeitschrift fur Bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für Historische Forschung Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben (und Neuburg) Zeitschrift für Kirchengeschichte Zeitschrift für Rechtsgeschichte

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren Dorothea Band M.A., Moosburg Prof. Dr. Johannes Burkhardt, Lehrstuhl fiir Geschichte der Frühen Neuzeit, Universität Augsburg Prof. Dr. Martin Brecht, Evangelische Theologie Westfälische Wilhelm Universität Münster Prof. Dr. Heinz Duchhardt, Direktor des Instituts für Europäische Geschichte, Abteilung Universalgeschichte, Universität Mainz Dr. Hermann Ehmer, Landeskirchliches Archiv Stuttgart Prof. Dr. Etienne Francis, Kommunikations- und Geschichtswissenschaften, Technische Universität Berlin Dr. Ciaire Gantet, Centre de Recherches d'Histoire moderne, Universite de Paris Dr. Gerhard Hetzer, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Stephanie Haberer M.A., Universität Augsburg PD Dr. Katrin Keller, Institut für Geschichte, Universität Wien Dr. Stefan Laube, Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Unabhängigen Expertenkommission: Schweiz - Zweiter Weltkrieg, Berlin Dr. Frank Möller, Universität Jena Prof. Dr. Dietz-Rüdiger Moser, Institut für Bayerische Kulturgeschichte, LudwigMaximilians-Universität München Prof. Dr. Hans-Otto Mühleisen, Lehrstuhl für Politikwissenschaft, Universität Augsburg Prof. Dr. Paul Münch, Fachbereich I, Geschichte, Universität Gesamthochschule Essen

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Prof. Dr. Bernd Roeck, Historisches Seminar der Universität Zürich Dr. Marianne Sammer, Institut fur Bayerische Kulturgeschichte, LudwigMaximilians-Universität München Prof. Dr. Winfried Schulze, Historisches Seminar, Abteilung Frühe Neuzeit, Ludwig-Maximilians-Universität München Wolfgang Seitz, Sammler und Experte Augsburger Druckgraphik, Augsburg Dr. Erich Tremmel, Universitäten Augsburg und Würzburg Prof. Dr. Wolfgang E.J. Weber, Institut fur Europäische Kulturgeschichte, Universität Augsburg Prof. Dr. Gunther Wenz, Institut für Fundamentaltheologie und Ökumene, Fachbereich Evangelische Theologie, Ludwig-Maximilians-Universität München Prof. Dr. Wolfgang Wüst, Lehrstuhl fur Bayerische und Fränkische Landesgeschichte, Universität Erlangen