Die amerikanischen Revolutionsideale in ihrem Verhältnis zu den europäischen: Untersucht an Thomas Jefferson 9783486755978, 9783486755961

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Die amerikanischen Revolutionsideale in ihrem Verhältnis zu den europäischen: Untersucht an Thomas Jefferson
 9783486755978, 9783486755961

Table of contents :
Erstes Kapitel. Der Geist der Amerikanischen Revolution
Zweites Kapitel. Die zeitgenössische radikale Auffassung der Amerikanischen Revolution in Europa
Drittes Kapitel. Jeffersons politisches Denken vor dem Pariser Aufenthalt (vor 1784)
Viertes Kapitel. Jefferson in Paris (1784—1789): Der Wandel seines politischen Denkens
Fünftes Kapitel. Eindringen der Französischen Revolutionsideen in Amerika und Jeffersons Sieg
Text der Unabhängigkeitserklärung in Jeffersons Entwurf
Literaturverzeichnis
Inhaltsverzeichnis

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DIE AMERIKANISCHEN REVOLUTIONSIDEALE IN IHREM VERHÄLTNIS ZU DEN EUROPÄISCHEN UNTERSUCHT AN THOMAS JEFFERSON VON

OTTO VOSSLER

MÜNCHEN UND BERLIN 1929 VERLAG VON R. OLDENBOURG

B E I H E F T 17 D E R H I S T O R I S C H E N

ZEITSCHRIFT

Alle R e c h t e , einschließlich der Obersetzung, vorbehalten

DRUCKVON R.OLDENBOURG, MÜNCHEN

Die vorliegende Untersuchung ist das Ergebnis eines zweijährigen Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten, den mir das .Laura Spelman Rockefeller Memorial' ermöglicht hat. Es freut mich dem Memorial an dieser Stelle meinen herzlichen Dank ausdrücken zu können. Auch möchte ich der wertvollen Hilfe dankbar gedenken, die mir von allen Freunden und Bekannten, Lehrern und Bibliothekaren in Amerika in so reichem Maße und in so liebenswürdiger Weise erwiesen worden ist. B e r l i n , 28. Juni 1929. Otto Vossler

Erstes Kapitel. I.

Die herrschende Ansicht betrachtet die Amerikanische Revolution von 1776 und die Französische von 1789 als Ausdruck und Zeugen des nämlichen Geistes. Das Denken der Aufklärung beherrsche beide Bewegungen gleichermaßen, in der Alten wie in der Neuen Welt seien es dieselben Ideale und Forderungen der universalen, abstrakten Vernunft, die — wenn auch mit verschiedenem Erfolg — revolutionär gegen die überkommene Welt der Tradition und Gewohnheit auftreten, um ein neues Zeitalter zu eröffnen, ein neues Reich der Gerechtigkeit und des Glückes unter den Menschen zu gründen, gemäß den klaren und unabänderlichen Gesetzen der Vernunft. Hier in den Bills of Rights, dort in der Erklärung der Menschenrechte legen Amerikaner und Franzosen dasselbe Glaubensbekenntnis ab, und beide geben sich Verfassungen nach den übereinstimmenden Sätzen derselben Philosophie. Daher seien die beiden Revolutionen — so sehr sie sich in materiellen Interessen und Möglichkeiten, im Grunde der bestehenden Verhältnisse und im schließlichen Erfolg unterscheiden mögen — in ihren höchsten Hoffnungen und Idealen, in ihrem Glauben und Geist aufs innigste miteinander verwandt 1 ). 1 ) In Deutschland ist diese Ansicht vor allem durch Gg. Jellinek verbreitet worden, besonders durch Kap.V. seiner „Erklärung der Menschenund Bürgerrechte", zuerst Leipzig 1895, wo dem Texte der französischen Erklärung eine Zusammenstellung ausgesuchter Artikel aus den amerikanischen Bills gegenübergesetzt ist. Siehe jedoch über den wahren Inhalt der These Jellineks S. 26, Note 2. Vgl. auch George Scherger: „Evolution of modern L i b e r t y " 1904, S. 4: „The so-called principles of 1789 were, as is one of the ai ms of this treatise to show, identical with the principles of the American Revolution." Auch in Frankreich ist diese seinerzeit von E . Boutmy in den „Annales des Sciences Politiques" 1902, X V I I , 4 1 5 — 4 4 3 (wieder veröffentlicht in „Etudes Politiques" 1907, S. 1 1 7 — 1 8 2 ) heftig bekämpfte These mit vollem Nachdruck vertreten worden, und zwar von keinem geringeren als Alphonse Aulard. Vgl. A . A . „ E t u d e s et Leçons sur la Révolution Française." 8 m e Série, I I I : „ L a Révolution Américaine et la Rév. Franç." Geschrieben im Februar 1 9 1 8 , vom selben Autor, Histoire politique de la Rév. Franç. 3 e éd. Paris 1905, p. 19 ff.

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So urteilen schon die jungen Männer, die ohne Unterschied der Nation, getrieben von einer ungeduldigen Vorahnung der großen europäischen Umwälzung zu den Fahnen Washingtons eilen, nicht um an einem bloßen Krieg zwischen zwei Völkern teilzunehmen, sondern um gegen die allgemeine, menschenfeindliche Tyrannei mitzukämpfen für die Sache der Freiheit, der Menschenwürde und Gerechtigkeit, um in der Neuen Welt ein Asyl der Verfolgten und Unterdrückten zu errichten und eine bessere Zukunft zu sichern 1 ). Nach dem Pariser Frieden und ganz besonders mit dem Jahre 1789 werden diese Gedanken in Europa allgemein verbreitet und als selbstverständlich betrachtet. Die französischen Patrioten erkennen und feiern in der Amerikanischen Republik die Schwester und Lehrmeisterin, die siegreiche Kampfes- und Glaubensgenossin. In solcher Gesinnung lassen sie durch Thomas Paine den Schlüssel der Bastille an George Washington überreichen. Seither ist der Gedanke, den der Bastille-Schlüssel in Mount Vernon ausdrücken soll, zu einer traditionellen These ge') Als typisch ist der junge La Fayette zu betrachten „Mémoires, correspondances et manuscrits du Général L., publiés par sa famille, 1837 I. 89 ,,le bonheur de l'Amérique est intimément lié au bonheur de toute l'humanité"; an M me La Fayette, 16. Juni 1778, „mon coeur a toujours été bien convaincu qu'en servant la cause de l'humanité et celle de l'Amérique, je combattais pour les intérêts de la France". III. 199, an Dr. Bolman, 23. Nov. 1793 „Croyez vous que j'ai été en Amérique pour me faire quelque reputation militaire ? C'est pour la liberté. Quand on l'aime on n'est tranquille qu'après l'avoir établie dans son pays." IV. 427, an Hamilton, 12. Aug. 1789, „L'amour passioné de la liberté qui m'a conduit en Amérique me disposait naturellement à adopter son système démocratique et républicain". Vgl. auch Franklin an Samuel Cooper, 1. Mai 1777, „The Writings of B. F. ed. A. H. Smyth, N. Y. 1907, VII. 56, „All Europe is on our side of the Question, as far as Applause and good Wishes can carry them. Those who live under arbitrary power do nevertheless approve of Liberty, and wish for it; they almost despair of recovering it in Europe; they read the Translations of our separate Colony Constitutions with Rapture; and there are such Numbers everywhere who talk of removing to America, with their Families and Fortunes, as soon as Peace and our Independence shall be established, that 'tis generally believed we shall have a prodigious Addition of Strength, Wealth, and Arts from the Emigration of Europe; and 'tis thought, that, to lessen or prevent such Emigrations, the Tyrannies established there must relax, and allow more Liberty to their People. Hence 'tis a common observation here, that our Cause is the Cause of a l l M a n k i n d , and that we are fighting for their Liberty, in defending our own. 'Tis a glorious Task assign'd us by Providence; which has, I trust, given us Spirit and Virtue, equal to it, and will at last crown it with Success."

worden. E r hat sich — sei es ausdrücklich betont oder als selbstverständliche Voraussetzung — in einer langen Reihe von Geschichtswerken aus beiden Kontinenten bis heute erhalten, und in den Vereinigten Staaten ist die Auffassung von 1 7 7 6 als dem plötzlichen Beginne einer neuen Welt und der Geburtsstunde eines neuen Zeitalters im Sinne eines glücklicheren und besseren 1 7 8 9 vielfach zu einer Art offiziellen Dogmas erhoben 1 ). Ganz aber fehlt der Widerspruch nicht — und zwar kommt er gerade von den Führern der amerikanischen Freiheitsbewegung selbst und von ihrem gewaltigen Freunde, Edmund Burke. Die Führer von '76 und unter ihnen gerade die fähigsten und bedeutendsten sind später in der weit überwiegenden Mehrzahl Föderalisten 2 ) und nicht nur „offiziell", sondern aus innerer Überzeugung entweder ausgesprochene Gegner oder zum mindesten skeptische und pessimistische Beobachter der Französischen Revolution. Die Haltung Burkes ist noch auffallender. E r ist zugleich der wärmste Verteidiger der Kolonien und der klassische Feind des Geistes von '89. Als seine „Reflections on the Revolution in France" (1790) erschienen, wurde er von der einen Seite freudig als Bekehrter begrüßt, von der anderen als Abtrünniger, Überläufer und Verräter geschmäht, ja manche zweifelten sogar an seinem Vgl. etwa George Bancroft, History of the U. S., IV. 149, zur Virginia Bill of Rights: „Virginia moved from charters and customs to primal principles; from the altercation about facts to the contemplation of immutable truth. She summoned the eternal laws of man's being to protest against all tyranny. The English petition of rights in 1688 was historic and retrospective; the Virginia declarations came out of the heart of nature and announced governing principles for all peoples in all time. It was the voice of reason going forth to speak a new political world into being. At the bar of humanity Virginia gave the name and fame of her sons as hostages that her public life should show a likeness to the highest ideas of right and equal Freedom among men." A. Rein, Die drei großen Amerikaner, Hamilton, Jefferson, Washington, Bd. VII der „Klassiker der Politik", Berlin 1923, S. 27. „Man kann so sagen: „Den Amerikanern erscheinen ihre Revolution und ihre Verfassungsgründungen gegen Ende des 18. Jahrhunderts wie ein großer geschichtlicher Protest gegen Machiavell, insofern der Name Machiavell ein älteres politisches System bezeichnete. Mit der Unabhängigkeitserklärung und den neuen Staatsverfassungen, die sie zur Folge hatte, soll ein neues Prinzip in das Leben der Völker eingeführt worden sein. Mit ihnen sei der wahre Antimachiavellismus der Tat (nicht nur der Literatur) geschaffen worden. So etwa kann man kurz und formelhaft den amerikanischen Geschichtsglauben zusammenfassen." ') Vgl. A. Rein, op. cit. S. 22, „Bei den Föderalisten vereinigten sich die militärisch und diplomatisch fahrenden Männer der Revolutionszeit, the gentlemen of America." 1*



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Verstand ). In der Tat mag es merkwürdig erscheinen, daß derselbe Mann in dem Erfolg der Amerikanischen Freiheitsbewegung eine Gewähr, in dem der Französischen eine Gefahr für die englische Freiheit erblickt, daß er sich nicht genug tun kann in erbitterten Angriffen auf die französische Erklärung der Menschenrechte — diesen „digest of anarchy" — während er für die fast gleichlautenden Kundgebungen der Amerikaner nicht ein einziges Wort des Tadels findet. Sollte Burke tatsächlich geschwenkt haben ? Falls man an der Gleichsetzung des politischen Denkens der beiden Revolutionen festhält, bleibt allerdings kein anderer Ausweg; ja man muß sogar eine zweimalige Kehrtwendung — um nicht zu sagen einen Umfall — des großen Parlamentariers annehmen: zuerst von der frühen Satire auf das abstrakte Politisieren in der „Vindication of Natural Society" (1756) zur Verteidigung der Kolonien und dann wieder von hier aus zu den „Reflections". Eine Untersuchung dieser Schriften wird jedoch die gänzliche Unhaltbarkeit einer solchen These ergeben und zeigen, daß Burke ohne Wanken seiner Feindschaft gegen den politischen Rationalismus treu geblieben ist2). Er versäumt keine Gelegenheit, die „metaphysical disquisitions", die „Doctors of Metaphysics", „refining speculatists" anzugreifen und zu verhöhnen, und nicht zum mindesten gerade in seinen Reden zum Streite mit den Kolonien3). „Ich wiederhole es noch') Vgl. als ein typisches Beispiel Dr. Joseph Priestley, „Letters to the R. H. Edmund Burke", reprinted N. Y . 1791, S. I l l : „That an avowed friend of the American revolution should be an enemy to that of the French, which arose from the same general principles, and in a great measure sprung from it, is to me unaccountable." J ) Vgl. Leslie Stephan, History of English Thought in the Eighteenth Century, London 1927, vol. II, cap. X , Abs. I X , p. 219 ff., bes. p. 236.

*) „Again, and again, revert to your old principles. . . . I am not here going into the distinctions of rights, nor attempting to mark their boundaries. I do not enter into these metaphysical distinctions; I hate the very sound of them. Leave the Americans as they antiently stood, and these distinctions, born of our unhappy contest, will die along with it. They and we, and their and our ancestors, have been happy under that system. Let the memory of all actions in contradiction to that good old mode, on both sides, be extinguished forever. Be content to bind America by laws of trade: you have always done it. Let this be your reason for binding their trade. Do not burthen them by taxes: you were not used to do so from the beginning. Let this be your reason for not taxing. These are the arguments of states and kingdoms. Leave the rest to the chools; for there only they may be discussed with safety. But if, intern-



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mals, kehrt zu Euren alten Grundsätzen zurück . . . Ich will mich hier nicht mit der spitzfindigen Unterscheidung von Rechten abgeben, noch will ich versuchen, ihre Grenzen zu bestimmen. Ich lasse mich in solche metaphysische Unterscheidungen nicht ein; ihr bloßer Name ist mir verhaßt. Laßt die Amerikaner wie sie vor alters standen, und diese Unterscheidungen, die aus unserem unseligen Zwist entstanden sind, werden mit ihm verschwinden. Sie und wir, ihre Ahnen und die unseren sind unter diesem Regierungssystem glücklich gewesen. Laßt die Erinnerung an alle Handlungen, die in Widerspruch stehen zu diesem guten alten Brauch, auf beiden Seiten für immer vergessen sein. Seid zufrieden Amerika durch Handelsgesetze zu binden: Ihr habt das immer getan. Das soll Euer Grund sein, ihren Handel zu binden. Belastet sie nicht mit Steuern: Ihr habt das nicht von Anfang an getan. Das soll Euer Grund sein, keine Steuern zu erheben. Das sind die Argumente von Staaten und Königreichen. Das Übrige überlaßt den Schulen; denn dort allein kann darüber ohne Gefahr diskutiert werden. Aber wenn Ihr, unbedacht, töricht, verhängnisvoll Sophistereien treibt und die Quelle aller Herrschaft vergiftet, indem Ihr aus der unbegrenzten und unbegrenzbaren Natur der höchsten Souveränität Folgerungen und Schlüsse ableitet, die denen, über die Ihr herrschen sollt, verhaßt sind, so werdet Ihr sie auf diese Weise lehren, diese Souveränität selbst in Frage zu ziehen. Wenn man ihn hart bedrängt, wendet sich der Eber um und stürzt sich auf die Jäger. Wenn diese Souveränität und ihre Freiheit sich nicht vereinbaren lassen, was werden sie dann wählen ? Sie werden Euch Eure Souveränität ins Gesicht schleudern. Niemand läßt sich in die Knechtschaft hineinargumentieren". Selbst nach dem Abfall sieht Burke in den Amerikanern Verteidiger der alten englischen Freiheitstradition. „Es besteht Gefahr, daß die Freiheit bei den Engländern unbeliebt wird. . . . Die Grundsätze unserer Väter werden uns verdächtig, weil wir sie perately, unwisely, fatally, you sophisticate and poison the very source of governement, by urging subtle deductions, and consequences odious t o those you govern, from the unlimited and illimitable nature of supreme sovereignty, you will teach them by these means to call that sovereignty itself in question. When you drive him hard, the boar will surely turn upon the hunters. If that sovereignty and their freedom cannot be reconciled, which will they take ? They will cast your sovereignty in your face. Nobody will be argued into slavery " „Speech on American Taxation", 19. April 1774.



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den gegenwärtigen Widerstand unserer Kinder beseelen sehen" 1 ). Selbst die Unabhängigkeitserklärung, die neuen Bills of Rights, die republikanischen Verfassungen der abgefallenen Staaten vermögen diese Überzeugung nicht zu erschüttern. In ohnmächtiger, verzweifelter Anklage klingt sie nur schärfer, bitterer und klarer: „Drei Millionen Untertanen von Großbritannien suchen Schutz für englische Vorrechte in den Armen Frankreichs!" 2 ) Hier ist eine der üblichen genau entgegengesetzte Auffassung der Amerikanischen Revolution. Es ist gerade der konservative Politiker, der ängstliche und eifersüchtige Hüter der Tradition, der Gegner alles spekulativen und abstrakten Denkens, kurz es ist derselbe Burke der „Reflections", der zugunsten der revolutionären Kolonien eintritt. Es bleibt also kein Zweifel, daß der große Engländer in der Amerikanischen und in der Französischen Revolution und in ihrem jeweiligen Geiste zwei grundsätzlich verschiedene, sogar entgegengesetzte Bewegungen erkennt. Wollte man Burkes Ansicht über den Unterschied zwischen 1776 und 1789 genauer darlegen, so könnte man einfach mutatis mutandis die aus demselben Geiste entstandenen Ausführungen abschreiben, in denen zu Anfang der „Reflections" die Glorreiche Revolution von 1688 mit den Vorgängen in Frankreich verglichen ist. Man hätte eine konservative, auf möglichste Wahrung der Tradition ängstlich bedachte und vorsichtig pietätvoll nur das Unumgänglichste ändernde Bewegung einem ungeheuren und vermessenen Experimente gegenüberzustellen, in dem unterschiedslos alles Bestehende niedergerissen wird, um ganz von vorne anzufangen und nach einem fertig ausgeklügelten Rezept das neue Idealreich der abstrakten Vernunft zu gründen. Es darf nun freilich nicht verschwiegen werden, daß Burke in der Auseinandersetzung über die Kolonialpolitik nicht nur das Ministerium, sondern auch die andere Seite mit dem typischen Vorwurf des Doktrinarismus angreift; zwar nicht die Kolonisten selbst, aber eine kleine Gruppe von ihren englischen Verteidigern, die auf Grund des Naturrechtes und ähnlicher Theorien die Unabhängigkeit der Kolonien — und zwar früher schon als diese selbst — gefordert hatten und die in dem Kampfe der Neuen Welt die Verwirklichung ihrer eigenen Ideale sahen oder erhofften. x

) „Liberty is in danger of being made unpopular to Englishmen. The principles of our forefathers become suspected to us, because we them animating the present opposition of our children." „Letter to Sheriffs of Bristol", 3. April 1777. *) „Three millions of the subjects of Great Britain are seeking protection to English privileges in the arms of France!" Ibid.

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Gegen sie, als gefährliche Doktrinäre, wendet sich Burke, und zwar ist es genau wie dreizehn Jahre später der liebenswürdige Dr. Price, den er sich als Sündenbock aussucht1). Price antwortet mehr verduzt als verletzt auf den unerwarteten und ihm unverständlichen Angriff des von ihm verehrten freiheitlichen Führers2). Cartwright, ein Mitglied derselben radikalen Gruppe, antwortet ausführlicher. Er stellt bewußt und ausdrücklich dem bloßen Herkommen, der bloßen Präzedenz, das durch keine noch so alte Tradition aufzuhebende, absolute und unabänderliche Sein-sollen gegenüber, wie es durch die souveräne Vernunft, die Natur und die göttliche Weltordnung ewig gültig und unabwendbar geoffenbart ist8). Damit ist der Zwischenfall zunächst zu Ende. Ein halbes Menschenalter später steht die Welt in Flammen und für lange Zeit werden sich Revolution und Allianz, die Neue und die Alte Zeit, die rationalistische und die historische Schule in gewaltiger Schlacht gegenüberstehen und die Menschheit in zwei feindliche Lager spalten. Hier, auf englischem Boden, kreuzen die Vorposten der großen Heere in einem ersten Geplänkel die Waffen. Beide Parteien aber stehen da auf seiten der Kolonisten und beide berufen sich auf ihr Beispiel. Angesichts dieses Widerstreites drängt sich die Frage nach dem Denken der amerikanischen Revolutionäre selbst auf, um zu erfahren, ob sie die Argumente von Burke oder die von Price vertreten, ob sie sich zu den Ideen von 1688 oder zu denen von 1789 bekennen. II. Wer nun erwartete, das revolutionäre Denken der Kolonien ähnlich dem Europas in einer umfassenden, feingebildeten und philosophisch fundierten Literatur ausgedrückt zu finden, der würde sich sehr enttäuscht sehen. In der Neuen Welt fehlen dazu die Philosophen, die Poeten, die Schriftsteller und Weltverbesserer und auch der große Schwärm kleiner Skribenten und Literaten, die anderer Leute Gedanken als philosophische Kleinmünze unter die Menge bringen. Weiterhin fehlt das entsprechende große Publikum, die Klasse der allgemein geistig Interessierten und Ge*) „Letter to the Sheriffs of Bristol", 1777. ') „Two Tracts on Civil Liberty", 1778, S. IV. „ 1 think it scarcely possible that his (Burkes) ideas and mine on this subject should be very different." Vgl. auch op. cit. S. 73. s ) ,,A Letter to Edmund Burke, Esq.; Contraverting the Principles of American Government, laid down in his lately published Speech on American Taxation." London 1775.



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bildeten, sei es des Adels, des Bürgertums, der Intellektuellen oder des geistigen Proletariats. Schließlich fehlt auch die nötige Bühne, das Kaffeehaus, der Salon, das Theater, die Universität und Akademie, der Hof und der Ideenmarkt der Hauptstadt. Zwar ist die Luft der Aufklärung wohl in manchen Einzelströmungen nach Amerika gedrungen, ist aber weit davon entfernt geblieben als Ganzes dort die allgemeine, homogene Atmosphäre zu bilden, die in der alten Welt das geistige Phänomen der Französischen Revolution erst ermöglicht. Schließlich ist ja auch nichts natürlicher als daß in einem weit entfernten, noch dünnbesiedelten Neulande am äußersten Rande des Abendlandes, wo die Intelligenz fast nur aus Theologen und Juristen besteht, kein sonderlich fortschrittliches und einflußreiches Geistesleben herrscht1). Daher ist es auch nicht überraschend, daß die Amerikanische Revolution, die sich in einer schon aus äußerlichen Gründen bescheideneren kulturellen Umgebung abspielt, weit spärlicher und einseitiger als die Französische von ideologischen Faktoren beeinflußt ist und eine weit schwächere geistige Resonanz hervorruft. Und zwar soll hier nicht etwa der Gesamtkomplex der beiden Umwälzungen gegeneinander abgewogen werden, sondern nur das Verhältnis, das jeweils zwischen dem unmittelbar politischen Geschehen und dem allgemeinen Kulturleben besteht. In Europa ist die Revolution ein geistiges, philosophisches Ereignis allerersten Ranges, lange vor und lange nach 1789 ist sie als solches von ungeheuerster Bedeutung. Sie fällt in eine Zeit der höchsten Kulturblüte und findet so gut wie in allen Gebieten des Wissens, in der Philosophie, in den gesamten Staatswissenschaften, in Recht, Religion, Erziehung, Geschichtswissenschaft und Strategie, in der bildenden Kunst, Dichtung und Musik ihren Widerhall, und selbst die Sprache, die Etiquette, die Kleidung und Haartracht zeugen von dem gewaltigen Wandel. Die Bedeutung der Amerikanischen Revolution dagegen liegt viel einseitiger und ausschließlicher auf politischem, wirtschaftlichem und sozialem, kurz auf praktischem Gebiete. Ein großes philosophisches Ereignis aber ist sie für die Neue Welt nicht, und die Geschichte der amerikanischen Philosophie, Kunst, Literatur, Mode usw. ist nur verhältnismäßig wenig oder gar nicht an ihr beteiligt und weiß daher nur wenig oder nichts von ihr zu berichten. *) Vgl. P. F. L. Becelaere, L a Philosophie en Amérique depuis les origines, N. Y . 1904, p. 51, 56; Isaac Woodbridge Riley, American Philosophy, The early schools, N. Y . 1907, p. 1 1 ; Vernon Louis Parrington, Main Currents in American Thought, vol. I, The Colonial Mind 1620—1800. N. Y . 1927.



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Das Denken der aufständischen Kolonien muß vielmehr in Zeitungen, Reden, Predigten, Debatten, offiziellen Kundgebungen, vor allem aber in den „Pamphlets" gesucht werden1). In Gelegenheitsschriften also und in Äußerungen, die erst durch ganz bestimmte Ereignisse hervorgerufen sind. Mit dem Stamp Act setzt die Flut dieser Kampfesliteratur ziemlich unvermittelt ein, um nach der verhältnismäßig sehr kurzen Zeit von zwölf Jahren wieder abzuebben. Diese Tatsache, gewissermaßen Titel, Datum und Seitenzahl der amerikanischen Revolutionsschriften, verraten, daß in den Kolonien außer den schon erwähnten Gründen auch der langanhaltende, allgemeine Spannungszustand fehlt, der zur Bildung einer weitausgreifenden geistig-politischen Aktion erforderlich ist. In Frankreich sieht man die Unzufriedenheit über ein halbes Jahrhundert lang anwachsen, sich vertiefen und auf immer weitere Gebiete übergreifen; von der praktischen Tat abgedrängt, kann sie sich nur in Wünschen und Sehnen äußern, in Spotten, Höhnen und Verfluchen und anderseits in den überschwänglichsten und verstiegensten Hoffnungen und Erwartungen, bis die angesammelte unheimliche Spannung zwischen Ideal und Wirklichkeit sich in einer Katastrophe entlädt. In den Kolonien kann es zu einer solchen Spannung und zu einem phantastischen Idealbilde überhaupt nicht kommen; denn gleichzeitig mit dem Auftreten des Übels beginnt bei ihnen die tätige Abhilfe und dank ihrer Verfassung kann sich ihre Unzufriedenheit in politischem Handeln auswirken, ehe sie zu einer Weltanschauung hinaufgesteigert wird. Daher vermißt man auch in den Kolonien jenen höhnischen, respektlosen, sarkastischen und frivolen, blasphemischen, grausamen und doch wieder sentimentalen, weichen, hoffnungsfrohen, heroischen, erhabenen, verstiegenen und prophetischen, kurzum literarischen Ton, der die Sprache der Französischen Revolution kennzeichnet. Die Kolonisten drücken sich wesentlich nüchterner, sachlicher und konkreter aus, und selbst die klassischen Formulierungen ihres Denkens behalten eine unverkennbar juristische und amtliche Note. Hiermit ist ein weiterer charakteristischer Umstand im Geist der Amerikanischen Revolution berührt. Außer dem Gewichtsund Spannungsverhältnis zwischen moralischen und praktischen Faktoren ist — aufs engste damit zusammenhängend — auch das Objekt und Thema der Auseinandersetzung diesseits und jenseits des Ozeans ein verschiedenes. In Frankreich richtet sich die ') Vgl. hierüber Moses Coit Tyler, The literary history of the American Revolution 1763—1783, N. Y . 1897, 2 Bände.



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Offensive der revolutionären Gedanken auf ganzer Front gegen eine lange, schier unabsehbare Reihe von tatsächlichen oder vermeintlichen Übelständen. Man möchte meinen, die gesamte Wirklichkeit, a l l e s Bestehende in Staat und Gesellschaft werde als Mißbrauch empfunden und bekämpft. In Amerika sind die meisten der Forderungen von 1789 ohnedies schon längst verwirklicht und der Angriff geht nur gegen eine einzelne, eng umgrenzte Stellung. Die ganze Diskussion dreht sich eigentlich um die Organisation des englischen Imperiums, d. h. um die Grenzen der Oberherrschaft des Mutterlandes über die Kolonien, sie betrifft also lediglich einen, wenn auch wichtigen, so doch nur schmalen Ausschnitt des bestehenden Zustandes oder genauer der bestehenden Verfassung. In demselben Sinne einer Einschränkung und Abgrenzung der Streitfrage wirkt weiter die jeweils verschiedene Natur der kämpfenden Parteien. Im Gegensatz zur Situation von 1789 ist es in Amerika nicht das Individuum, das als solches der Deckung durch das positive Recht entblößt und dieses bewußt mißachtend mit der ganzen Fülle seiner unbedingten natürlichen Ansprüche dem legitimen Staat revolutionär gegenübertritt, sondern selbst legitime, konstituierte Staaten machen ihre positiven Rechte und Privilegien, ihr „gutes altes Recht" dem übergeordneten Staatswesen gegenüber geltend. Der Streit spielt sich daher auf dem festen Boden der schon bestehenden Verfassung ab, der kolonialen, englischen und imperialen, und er flutet bis zum Appell an die Waffen nur selten und widerwillig über die Ufer der staatsrechtlichen Kanäle. Hiermit ist der grundsätzliche Unterschied der Argumentation und überhaupt des Denkens von 1789 und von 1776 gegeben. Will man den Gegensatz unter ein Schlagwort bringen, so muß man einem allgemein menschlichen und grundsätzlichen, ethisch-politischen, gesinnungsmäßigen und spekulativen Inhalt und Geist der Diskussion einen spezifisch angelsächsischen und staatsrechtlichen gegenüberstellen. Der besondere Charakter des englischen Rechts ist daher von entscheidender Bedeutung für die Amerikanische Revolution. Auf dem europäischen Kontinent ist das Recht — nicht zuletzt im 18. Jahrhundert — ein dogmatisch festgelegtes, straff zusammenhängendes rationales System, zeitlos gedacht und absolut; mit der Politik aber hat es eine lediglich passive Verbindung: es ist dem Willen des Staatsoberhauptes untergeordnet, von ihm geschaffen. Die Parallele zu dem rationalistischen Geiste von 1789 und zu dem Vorgehen der Revolution, die das von ihr selbst

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neu geschaffene Recht wie früher der absolute Fürst selbstherrlich beugt, ist offensichtlich. England dagegen liefert das Schulbeispiel eines kontinuierlich gewordenen, jeweils im Anschluß an ein besonderes Bedürfnis vorsichtig weiterentwickelten Rechts, das aus Herkommen, Gebrauch und Umstand organisch sich anpassend, gewachsen und wachsend, bunt und immer neu und doch konservativ und traditionell ist wie das Leben selbst, dem es entspringt. Mit dem Staat aber ist es auf die denkbar innigste Weise verbunden: es ist nicht abgelöstes, gemachtes Produkt, systematisierter Wille des Fürsten, sondern Erbweisheit und Erbgut des Volkes, Lebensprinzip und Lebenselement des Staates selbst. Nirgends spielen die großen Rechtsdokumente und die Rechtstradition eine so einzigartige und grundlegende Rolle im staatlichen Leben, nirgends ist die Rechtsgeschichte in so hohem Maße zugleich politische Geschichte und nirgends ist der Rechtsgedanke so stark im Bewußtsein des Volkes verwurzelt wie in England. III. Von hier aus gewinnt die Tatsache, daß die Wortführer der Kolonien zum allergrößten Teile Juristen sind, eine grundlegende Bedeutimg 1 ). Durch sie wird das Denken der Amerikanischen Revolution mit jenem legalistischen, bedächtigen, realistischen, konservativen und „historischen" Geiste durchsetzt, der vor raschen Experimenten und Abstraktionen zurückschreckt, anderseits aber die ererbten Rechte und Freiheiten mit zäher Bestimmtheit verteidigt. Bekanntlich hat Burke das ähnliche Überwiegen der Advokaten in der französischen Nationalversammlung für unheilvoll gehalten und verhöhnt. In seiner Entgegnimg bemerkte dazu Priestley mit einem ironischen Seitenblick auf die frühere Haltung seines jetzigen Gegners, in Amerika hätten doch auch Juristen eine führende Rolle gespielt, und zwar zum Segen ihres Landes. Der Einwand des englischen Radikalen übersieht den wesentlichen Unterschied der beiden Fälle. Die amerikanischen Lawyers gehören der sozialen Oberschicht an, die politisierenden Advokaten in Frankreich dagegen nicht. Letztere sind wegen ihrer Abkömmlichkeit und weiten Verbindungen, vor allem aber wegen ihrer besonderen Sprechfertigkeit in der National') „ I n no country, perhaps, in the world is the law so general a study (as in America). The profession itself is numerous and powerful, and in most provinces it takes the lead. The greater number of deputies sent to Congress were lawyers. But all who read, and most do read, endeavour to obtain some smattering in that science." E. Burke Works II. 124/5.

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Versammlung; mit ihren spezifisch juristischen Kenntnissen aber können sie in ihrem neuen Amte, das an sich schon eine revolutionäre Erscheinung ist, nur wenig anfangen, wenn diese nicht gar hinderlich wirken. Denn im 18. Jahrhundert ist das Recht auf dem Kontinent anders als in den angelsächsischen Ländern von rationalistischen Ideen durchsetzt. Die Lawyers in Amerika dagegen sind meistens schon lange mit der parlamentarischen Arbeit vertraut und sie sind gerade als Fachkenner von Recht und Verfassung die berufenen, man kann sagen beruflichen Vertreter der streitenden Kolonien. In einem Disput also, der auf Grund von Recht und Verfassung, für Recht und Verfassung und durch Kenner von Recht und Verfassung in einem Lande mit einer starken Rechtstradition geführt wird, ist es nur natürlich, daß juristische und konstitutionelle Argumente überragend im Vordergründe stehen. Es ist englisches und koloniales Recht, gute alte angelsächsische Erbweisheit, die hier das Wort hat. Aus dieser vertrauten, heimischen Tradition erwächst der Geist von '76, alle anderen Quellen und Einflüsse sind daneben von untergeordneter oder verschwindender Bedeutung; selbst Montesquieu, der doch über die englische Verfassung schreibt, dringt erst allmählich im Verlauf der Revolution und besonders der folgenden Jahre ein, Voltaire, Rousseau und die Enzyklopädisten spielen — während sie zu derselben Zeit in England schon Schule gemacht haben — in Amerika so gut wie gar keine Rolle. Es genügt zu sehen, wie sich auf die Kunde vom Stamp Act sofort, spontan im ganzen Lande der Widerstand erhebt : die alten Rechte der Kolonien sind in Gefahr! Jeder weiß es, fühlt es, ohne erst studieren zu müssen. Den Juristen fällt es dann zu, das Bewußtsein der Rechtsverletzung fachgemäß zu bestätigen und zu festigen1). Sie werden denn auch nicht müde, alte englische Rechtssätze, Common Law und Magna Charta, Bill of Rights und ähnliche Dokumente ins Treffen zu führen, sie produzieren ihre Charters und Privileges, zitieren Acts und Statutes, untersuchen Präzedenzfälle und konsultieren die Autoritäten der Rechtswissenschaft, um die ererbten „American Liberties", ihre l ) Man vergleiche z.B. das in Frankreich kaum denkbare Argument, mit dem sich J . Dickinson in seinen „Letters from a Farmer" bei seinen Lesern empfiehlt. „ I have acquired, I believe, a greater knowledge in history, and the laws and constitution of my country, than is generally attained by men of my class" . . . „ I have looked over e v e r y s t a t u t e relating to these colonies, from their first settlement to this time; and I find . . . etc.", S 3 bzw. 7.



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verbrieften „Privileges of natural born Englishmen", ihr altes „Birthright" zu legitimieren und zu schützen. Den Verlauf dieser Diskussion im einzelnen zu verfolgen, ist hier nicht nötig; mit manchen Schwankungen und Widersprüchen führt sie schließlich zu einer umfassenden Untersuchimg der Verfassung und des Staatsrechtes, das bezeichnenderweise das einzige Gebiet ist, in dem die Amerikanische Revolution originelle Gedanken gebracht hat 1 ). Hier genügt es zu beachten, wie die Kolonisten die gesamte Streitfrage auf das rechtliche Gebiet verlegen. So wird z. B. die handelspolitische Gesetzgebung des Parlaments als wirtschaftlich drückend empfunden, der entscheidende Angriff richtet sich aber nicht gegen die ökonomische, sondern gegen die staatsrechtliche Seite der betreffenden Bestimmungen und in gut angelsächsischer Weise legen die Amerikaner den größten Wert darauf, in ihrem Widerstande als die Verteidiger ihrer verbrieften Rechte und Freiheiten dazustehen. „Präzedenzfälle beweisen, daß schon immer die Besteuerung der Kolonisten mit ihren verfassungsmäßigen Rechten und Privilegien für unvereinbar gehalten worden ist" 2 ); „das ist, klar gesprochen, ein Ungeheuer unter unseren Gesetzen, es hat nicht einen einzigen britischen Zug" 3 ); „ihre Privilegien werden verletzt" 4 ); „verfassungswidrig und zerstört die Freiheit dieser Kolonien" 6 ); „Das nenne ich eine Neuerung, und zwar eine höchst gefährliche Neuerung" 8 ); „manche mögen diese Akte für belanglos halten, weil die Abgaben so gering sind. Ein verderblicher Irrtum! Das gerade ist für mich das allerbeunrahigendste . . . Sie (die Engländer) wollen dadurch einen Präzedenzfall für künftigen ') A. C. McLaughlin, ,,The Courts, the Constitution and the Parties", Chicago. Ch. H. Mcllwain, „ T h e American Revolution. A constitutional Interpretation", N. Y . 1925. Randolph Greenfield Adams, „Political Ideas of the American Revolution", Durham 1922. Auch Gottfried Koch, Beiträge zur Geschichte der politischen Ideen Bd. II, S. 119 ff. Berlin 1896. *) „Precedents . . . prove that the Imposition of a Tax upon them (Colonists) hath constantly been held to be inconsistent with their Constitutional Rights and Privileges." Daniel Dulaney, „Considerations on the Propriety of imposing Taxes etc." London 1766. S. 58. 3) „ I t is, to speak plainly, a prodigy in our laws; not having one B r i t i s h feature." John Dickinson, „Letters from a Farmer", Phila. 1768. S. 30. 4) „their privileges are invaded". Op. cit. S. 32. ') „unconstitutionel and . . . destructive to the liberty of these Colonies". Op. cit. S. 7. ') „This I call an innovation; and a most dangerous innovation." Op. cit. S. 8.



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Gebrauch schaffen" ); „was haben diese Kolonien noch zu wünschen, solange sie weiter frei bleiben? (!) Was haben sie zu befürchten, außer hinterlistigen Anschlägen ihre Freiheit zu stürzen ?" . . . Ihr Glück ist auf ihre Verfassung gegründet und es ist dadurch zu fördern, daß man diese Verfassung in unverminderter Kraft erhält, in allen ihren Teilen. Ein Fleck, eine faule Stelle, und sollte sie auch noch so ferne von den lebenswichtigen Teilen sein, sollte uns zur Abwehr aufrufen. Wir haben alle Rechte, die wir zu unserem Gedeihen brauchen"2); „Ich meinesteils bin entschlossen, für die Freiheit zu streiten, die mir meine Ahnen überliefert haben. Ob ich aber Erfolg haben werde oder nicht, hängt von Euch ab, Landsleute"3). „Offenkundig und grundsätzlich verfassungswidrig"4); „vollständiger Umsturz unserer geheiligten Verfassung"6); „in Widerspruch zu den allerältesten und allerwichtigsten Grundsätzen verfassungsmäßiger Freiheit"9); „eine wahrhaft beunruhigende Neuerung, da sie gerade die Wurzel des Rechts der Volksvertretung trifft" 7 ); „die Grundlage, um mit einem Schlage das ganze System der politischen Freiheit in den Kolonien abzuschaffen"8); „mit den verfassungsmäßigen Frei') „Some persons may think this act of no consequence, because the duties are so s m a l l . A fatal error. T h a t is the most alarming circumstance to me . . . they (English) intend by it to establish a precedent for future use." Op. cit. S. 37. *) What have these colonies to ask, while they continue (!) free ? Or what have they to d r e a d , but insidious attempts to subvert their freedom? . . . Their happiness is founded on t h e i r c o n s t i t u t i o n ; and it is to be promoted, by preserving that constitution in unabated vigor, t h r o u g h o u t e v e r y p a r t . A spot, a speck of decay, however remote it may seem from the vitals, should be alarming. We have all the rights requisite for our prosperity." Op. cit. S. 67. s ) „For my part, I am resolved to contend for the liberty delivered down to me by my ancestors; but whether I shall do it effectually or not, depends on you, my countrymen." Op. cit. S. 7 1 . ') „Manifestly and fundamentally unconstitutional." Arthur Lee, „The political Detection . . . Letters signed Junius Americanus." London 1770. S. 80. ') „absolute subversion of our sacred constitution." Op. cit. S. 69. *) „contrary to the most antient and most important principles of constitutional liberty." Op. cit. S. 70. *) „an innovation truly alarming, as it struck at the very root of representation." Op. cit. S. 70. •) ,,the foundation for abolishing at once the whole system of civil liberty in the Colonies." Op. cit. S. 22.

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heiten des Volkes unverträgliche Grundsätze" 1 ); „ihr altes, unbezweifeltes Recht zerstörend" 2 ); „in Widerspruch mit den Grundrechten britischer Untertanen" 3 ); „gegen das Gesetz" 4 ); „Ich habe gezeigt, daß (das ganze System von Gesetzen und Verordnungen, die seit dem Jahre 1763 für unsere Kolonien erlassen worden sind) — die elementaren und feststehenden Grundsätze britischer Freiheit verletzt und durchaus verschieden ist von dem Plane, den die Weisheit und Gerechtigkeit unserer Ahnen eingerichtet hatte" 8 ); „widerlegen, daß unsere gegenwärtigen Ansprüche neu sind" 8 ); „aus den verschiedenen Charters ergibt sich klar genug, daß die Rechte, die wir jetzt fordern, ebenso alt sind wie die erste Besiedelung dieser Kolonien" 7 ). Das ist das entscheidende, immer wiederholte Argument, das hartnäckig den Ansprüchen des englischen Parlaments entgegengesetzt wird. Die Verwandtschaft dieser Einstellung mit der Auffassimg Burkes ist offensichtlich. Die Amerikaner fühlen sich als die Hüter und Verteidiger des guten alten Rechts, des englischen Rechts 8 ). >) „principles incompatible with the constitutional liberties of the people." Op. cit. S. 109. *) „subversive of their antient and undoubted right." Op. cit. S. 973 ) „contrary to the fundamental rights of British subjects." Op. cit. S. 99. *) „against law" (Op. cit. S. 99). •) Op. cit. S. 103, „ I have shown (the whole system of laws and regulations, which have been made for our colonies since the year 1763) to be subversive of the first and fixed principles of British liberty and entirely different from the plan, which the wisdom and justice of our ancestors established." •) Alexander Hamilton, „The Farmer refuted" 1775, Works ed. H. C. Lodge, N. Y. 1904, Bd. I, S. 174, „confute the novelty of our present claims." *) Op. cit. Bd. I, S. 172, „ I t is sufficiently evident, from their respective charters, that the rights we now claim are coeval with the original settlement of these colonies." •) A. Lee, Op. cit. S. 123, „the Americans consider themselves as british subjects, entitled to all the rights and privileges of freemen . . . (dort zitiert aus einem Brief des Committe of the Merchants of Philadelphia, 8. April 1769); S. 79. „ A m e r i c a , viewed in its true light, is a nursery for B r i t i s h Liberty, which it is our interest to preserve inviolable. There, when foreign or domestic force, which must one day happen, shall have triumphed here over the noble struggles of freedom, the desperate survivers may find their liberties and laws preserved from ruin. There the B r i t i s h constitution may rise anew, like a Phoenix from her parental ashes, to glory, strength, and happiness."



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Es b r a u c h t k a u m b e t o n t z u w e r d e n , d a ß s i c h ihr W i d e r s t a n d d a h e r i n allererster L i n i e a n d e m V o r b i l d e d e s M u t t e r l a n d e s i n s p i r i e r t ; m i t S t o l z w e i s e n sie a u f ihre e n g l i s c h e n A h n e n , d i e in r u h m v o l l e n K ä m p f e n die a l t e n F r e i h e i t e n g e g e n die Ü b e r g r i f f e einer t y r a n n i schen Regierung verteidigt und wiederhergestellt haben. Solcher V ä t e r u n d solcher V e r g a n g e n h e i t g e l t e es, s i c h w ü r d i g z u e r w e i s e n u n d das teure G u t der ererbten Rechte gegen die neuerliche Bedrohung mannhaft zu schützen und den Enkeln unversehrt zu ü b e r l i e f e r n . D a s solle n i c h t S t r e b e n n a c h N e u e r u n g sein u n d Rebellion, sondern W a h r u n g und E r h a l t u n g des alten freien Z u s t a n d e s u n d l e g a l e r W i d e r s t a n d ; u n d die K o l o n i s t e n w e r d e n n i c h t m ü d e z u b e t o n e n , d a ß die Z e n t r a l r e g i e r u n g d e r A n g r e i f e r i s t , d e r N e u e r e r u n d R e v o l u t i o n ä r , der s i c h v o r g e n o m m e n h a t , d a s Überkommene z u stürzen und neue und unrechtmäßige Ansprüche mit Gewalt durchzusetzen1). D e n n k a u m e t w a s ist f ü r d e n G e i s t d e r A m e r i k a n e r so b e z e i c h n e n d u n d d a b e i d e m d e r F r a n z o s e n v o n 1 7 8 9 so e n t g e g e n g e s e t z t , als d a s ä n g s t l i c h e B e s t r e b e n selbst i m t ä t l i c h e n W i d e r s t a n d u n d in a n d e r e n r i s k i e r t e n M a ß n a h m e n die F o r m u n d d e n A n s p r u c h der L e g a l i t ä t z u w a h r e n . D e r v o n B u r k e g e r ü h m t e , >) J. Otis, ,,A Vindication of the British Colonies", Boston 1765, S. 32, ,,we . . . shall rest content with the laws, customs and usages of our ancestors, bravely supported and defended with the monarchy, and from age to age handed down." „The Rights of the British Colonies asserted and proved", Boston 1764, S. 47. „This is government! This is a constitution! (Von der engl. Verfassung) to preserve which, either from foreign or domestic foes, has cost oceans of blood and treasure in every age . . . " A. Hamilton, ,,A full vindication of the measures of Congress" 1774, Op. cit. S. 33, ,,You would be a disgrace to your ancestors, and the bitterest enemies to yourself, if you did not act like men, in protecting and defending those rights you have hitherto enjoyed." Dickinson, „Letters from a Farmer", Philadelphia 1768, S. 16, „If at length it become u n - d o u b t e d , that an inveterate resolution is formed to annihilate the liberties of the governed, the E n g l i s h history affords frequent examples of resistance by force." S. 18, „ I t is worthy of remark, how watchful our wise ancestors were, lest their services be encreased beyond what the law allowed''; (aus Coke zitiert) S. 23. „The people of Great Britain, in support of their privileges, boast much of their antiquity. It is true they are antient; yet it may well be questioned, if there is a single privilege of a British subject, supported by longer, more solemn, or more uninterrupted, testimony, than the exclusive right of taxation in these colonies." Ch. H. McIIwain,, „The American Revolution, A Constitutional Interpretation", N. Y . 1923. S. 1/2: „ T h e Americans stautly insisted during the whole of their contest with Parliament to the summer of 1776 that their resistance was a constitutional resistance to unconstitutional acts."



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rechtliche und konservative Sinn der Revolution von 1688, die in demselben Augenblicke, in welchem sie aus Not das Recht in einem Punkte bricht, es doch wieder möglichst wahrt, indem sie einen Verwandten des abgesetzten Königs auf den Thron beruft, findet in der Amerikanischen Revolution seinen grotesken Ausdruck, wenn die Assembly von Virginia dem königlichen Gouverneur, den sie selbst konsequent ignoriert und durch passiven Widerstand hinausgeekelt hatte, allen Ernstes eine Abordnung nachschickt mit der merkwürdigen Bitte, er möge seinen — allem Anschein nach republikanischen — Nachfolger ernennen. Es versteht sich, daß die Kolonisten, nachdem sie sich so entschieden auf den Standpunkt des Rechts der Väter gestellt haben und bis zum Abfall betonen, daß sie „act out of a melancholy necessity, and are the innocent causes in selfdefence"1) die kolonialen Verfassungen, wie sie vor der Verletzung durch das Parlament bestanden hatten, nur loben, und sich bis zum offenen Bruch davor hüten ihrerseits neue Forderungen und Reformpläne aufzustellen, die über eine Wiederherstellung oder verstärkte Sicherung des früheren Zustandes hinausgehen. Wie weit nun die staatsrechtlichen Argumente der Amerikaner tatsächlich haltbar sind, ob also ihre Ziele unter dem Vorwande bloßer Wiederherstellung nicht doch tatsächlich Neues enthalten, das ist freilich eine Frage für sich2). Hier braucht sie nicht entschieden zu werden, denn ob man sie bejaht oder verneint, oder beides zugleich, sie ist kein Einwand gegen den legalistisch-konservativen, echt angelsächsischen Geist der Kolonisten8). l ) A. Hamilton, „ A füll Vindication oi the Measnres of Congress", Dez. 1774; Works ed. H. C. Lodge, N. Y . 1904. S. 25. *) Mcllwain, op. cit., kommt in seiner eingehenden Untersuchung der Streitfrage zu dem Ergebnis, daß die Argumentation der Amerikaner bis zum Bruch mit der Krone rechtlich durchaus begründet, ihr Widerstand also verfassungsmäßig und nicht revolutionär war. Claude H. van Tyne, The Causes of the War of Independence, London 1922, dagegen betont in Übereinstimmung mit der These seines ganzen Buches, daß die Amerikaner allmählich und unbewußt eine eigene Auslegung der englischen und imperialen Verfassung ausgebildet hatten, die von der englischen Auslegung verschieden war und mit dieser schließlich in unvermeidbaren Konflikt geraten ist. Van Tyne ist geneigt, die englische Auslegung als die richtige zu betrachten, gibt aber selbst zu, daß sich die Amerikaner auf englische Autoritäten (Coke, Locke, Blackstone) stützen konnten und daß eine Minderheit in England selbst die amerikanische Auslegung vertrat. Vgl. bes. Cap. V I I I u. I X . 3 ) Homer C. Hockett, Political and Social History of the United States 1492—1828, N. Y . 1925, S. 168, „Americans were not dissatisfied

Beiheft d. H. Z. 17.

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IV. Wie aber verträgt sich mit diesem tiefgehend legalistischen und traditionellen Sinne das naturrechtliche Argument, das doch schon früh in der Ideologie der Amerikaner auftritt ? Die Frage entspringt einer Auffassung von der Rolle des Naturrechts, die offensichtlich aus der Erfahrung der Französischen Revolution stammt. Im Frankreich der Revolution sind tatsächlich natürliches und positives Recht unvereinbare und unversöhnliche Gegensätze. In England dagegen, und noch mehr in Amerika, sind durch die fortgeschrittene politische und soziale Verfassung die Gedanken des Naturrechts schon weitgehend verwirklicht, und daher nimmt dieses auf dem ganz anderen realen Untergrunde einen anderen Charakter und eine andere Bedeutimg an 1 ). Locke schreibt seine berühmten Essays nach, nicht vor der Revolution, um nachträglich, wie er selber sagt, dem bestehenden Zustande eine höhere Rechtfertigimg zu geben. Das neue Herrscherhaus wird durch die Vertragstheorie, die Bill of Rights durch die natürlichen Menschenrechte legitimiert. Das Naturrecht schlüpft sozusagen in die gegebenen politischen Verhältnisse und in das positive Recht hinein, um sie zu festigen und zu erhalten2). Von hier aus erklärt sich, wieso Lockes Gedanken in Frankreich — von der praktischen Wirklichkeit abgedrängt — einen mehr und mehr abstrakten und revolutionären Charakter annehmen, während sie in England umgekehrt eher zu selbstgefälliger Zufriedenheit with the forms of government under which they had been living. All the evidence goes to show that they were deeply imbued with the spirit of English institutions, and desired to follow beaten paths rather than to attempt experiments and innovations. The Revolution was directed against external control; It was a fight for home rule. The states therefore made only such changes as were required by the new status of independence", S. 169, „ A s a forward movement towards democracy the Revolution miscarried for the time being." 1 ) Vgl. Paul Janet, Histoire de la science politique dans ses rapports avec la morale, 3e édition, tome II, p. 547, ,,il (Hutcheson) manque d'originalité; il reproduit, sans y ajouter, les idées de Locke, mais ce qui est intéressant ici, c'est de voir ces idées tellement répandues, et devenues si familières qu'elles avaient pénétré dans l'enseignement, et qu'on les retrouve jusque dans les manuels d'université. Rien de plus curieux que de voir des doctrines qui allaient bientôt prendre en France une apparence si formidable, résumées pour des écoliers d'école en propositions évidentes et devenues avec le temps entièrement innocentes." *) Vgl. A. de Chambrun, Droits et Libertés aux Etats-Unis. Leurs origines et leurs progrès, Paris 1891, p. 51 ff. „ L e droit anglais et les principes de la philosophie de Locke sont ici en parfait accord."

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und Stagnation führen. Zur selben Zeit etwa, in der Rousseau seine umstürzlerischen Schriften verfaßt, kann Blackstone mit seinen Commentaries1) in gänzlich unrevolutionärer, ja ausgesprochen konservativer Absicht den Versuch unternehmen, nach Lockes Anweisung das Naturrecht systematisch in das positive englische Recht hineinzuarbeiten. Der einzigartige Vorzug der englischen Verfassimg — so meint er — besteht darin, das Naturrecht erhalten zu haben und auf ihm aufgebaut zu sein, und dem Engländer die absoluten Rechte unmittelbar anzuerkennen oder durch sinnreiche Bestimmungen zu schützen. Er ist dann nur konsequent, wenn er die naturrechtlichen Gebote selbst für Krone und Parlament als bindend erklärt, womit deren volle Souveränität, auf die er anderseits wieder großen Wert legt, freilich nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Das Werk Blackstones, das kurz vor dem Stamp Act erscheint, erfreut sich in den Kolonien großer Beliebtheit; Burke meint, es seien ebensoviele Exemplare der Commentaries nach der Neuen Welt verkauft worden wie in England selbst, was durch die sehr häufigen Zitationen in der kolonialen Revolutionsliteratur auch durchaus glaubhaft gemacht wird2). Es versteht sich, daß die halboffizielle Autorität eines Blackstone die Amerikaner in der — seit Locke übrigens in England schon allgemein vertretenen — Ansicht bestärken muß, die das natürliche in das positive Recht hineinprojiziert. Und wenn ein Mann wie Lord Camden im Parlament erklären kann: „It is an unalterable right, in nature, engrafted into the British constitution as as fundamental law, that taxation must be with the consent of the taxed", so scheint die Theorie, die das Naturrecht nicht nur als Basis, sondern gleich als Teil der englischen Verfassung betrachtet, vollends offizielle Anerkennung zu finden3). Indem die Amerikaner also Inhalt und Autorität des positiven Rechts aus dem natürlichen herleiten, neigen sie anderseits wieder dazu, dem Naturrecht die unmittelbare Verbindlichkeit des positiven zuzuschreiben. In demselben Sinne einer Annäherung und gar Verschmelzung der beiden Rechte wirkt weiter auch die Rechtsprechung in den ') Blackstone, Commentaries on the Laws of England, zuerst erschienen 1765; vgl. bes. die Einleitung, welche die Rechtstheorien B.s enthält. Vgl. G. Koch, Beiträge z. Gesch. d. polit. Ideen u. d. Regierungspraxis. Bd. II. Demokratie und Konstitution 1750—1791. Berlin 1896. S. 73 f. J) 1774 erschien die amerikanische Ausgabe von 1400 Exemplaren; vgl. Hammonds Blackstone-Ausgabe, Preface p. VIII. 3) Duke of Grafton bezeichnete die Boston Port Bill etc. als „violation of the law of nature".

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Kolonien. Im allgemeinen gilt dort das Common Law, ergänzt durch englische und eigene Statutes; doch wo dieses unzureichend oder zweifelhaft ist, pflegen die Richter zu dem Naturrecht zu greifen und danach zu entscheiden1), wodurch dieses auch praktisch und sichtbar gewissermaßen in die Rechtsprechimg aufgenommen und seinerseits wieder legalisiert wird. Es wäre demnach verfehlt, unter dem Naturrecht in Amerika und in Frankreich jedesmal dieselbe Sache zu verstehen. Die Menschenrechte, die der französische Philosoph verficht, sind ein erhabenes, halb sittliches und religiöses, tatsächlich menschheitliches Ideal, aber abstrakt, verschwommen und weltfern, ein „Sein-Sollen", das bei der Berührung mit der Wirklichkeit höchst rechtswidrig und revolutionär wird. Für den Amerikaner ist das nämliche Wort oft nur ein feierlich gelehrter Name für die altbekannten englischen Grundrechte, es entbehrt des revolutionären, enthusiastischen, universalen, prophetischen und messianischen Schwunges, bezeichnet aber für ihn eine praktische, handfeste und konkrete politisch-juristische Sache, ein „Sein" und „Haben", ein teures Gut, das er von den Vätern ererbt schon lange im gewohnten Recht besitzt und das er entschlossen ist, unverletzt und unvermindert seinen Enkeln zu überliefern. In diesem Sinne also, als Ausdruck des traditionellen „legal mind" und nicht als revolutionärer Aufruf muß die Berufung der Kolonisten auf ihre „natural rights" verstanden werden2). Schon die formelhaft wiederkehrende Zusammenstellung „by the immutable laws of Nature, the principles of the English Constitution, and the several Charters or Compacts" weist auf den grundsätzVgl. z. B. die beiden in F. Bd. I veröffentlichten Untersuchungen aus der Rechtspraxis des jungen Jefferson. *) Vgl. etwa die Massachusetts Circular Letter von 1768, „The House have humbly represented to the ministry their own sentiments, that his Majesty's high court of Parlament is the supreme legislative power over the whole empire; that in all free states the constitution is fixed, and as the supreme legislative derives its power and authority from the constitution, it cannot overleap the bounds of it, without destroying its own foundation; . . . that it is an essential, unalterable right, in nature, engrafted into the British constitution, as a fundamental law (vgl. S. 19) . . . that what a man has honestly acquired is absolutely his own, which he may freely give, but cannot be taken from him without his consent; . . . that the acts made there (Parliament), imposing duties on the people of this province, with the sole and express purpose of raising a revenue, are infringements of their natural and constitutional rights . . ." Hier wird im Namen des Gesetzes das Naturrecht und im Namen des Naturrechtes das Gesetz gefordert.



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liehen Unterschied gegenüber dem Naturrecht von 1 7 8 9 hin. W a s sich in Frankreich auf Tod und Leben bekämpft 1 ), geht in Amerika Hand in Hand und stützt sich gegenseitig. Nur so erklärt sich die Tatsache, daß die amerikanischen Pamphletisten zu den nämlichen Ergebnissen und Forderungen gelangen, gleichviel ob sie das Naturrecht benützen oder nicht, oder ob sie es gar ausdrücklich ablehnen8). Und wenn sie Dinge wie Schwurgerichtsbarkeit, Bewahrung vor stehenden Heeren im Frieden, Bewahrung vor Einquartierung und dergleichen als natürliche Rechte fordern, so ist klar, daß dieses Naturrecht tatsächlich nur das englische Recht sein kann 3 ). Damit stimmt auch überein, daß wohl viele amerikanische Pamphlets das konstitutionelle Argument allein benützen, während kein einziger Amerikaner sich ausschließlich auf die naturrechtliche Begründung stützt, ohne zugleich die positiv staatsrechtliche durchzuführen 4 ). *) In Frankreich ist der Versuch einer Vereinigung des natürlichen mit dem positiven, nationalen Rechte von den Parlamenten zwar auch unternommen worden, doch mußte er nach Lage der Dinge mißglücken. Vgl. A. Wahl, ,,Die politischen Ansichten des offiziellen Frankreich im 18. Jahrhundert", Tübingen-Leipzig 1905; Wilhelm Rees, „Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789", Leipzig 1912. J ) Vgl. z. B. D. Dulaney, Op. cit. Preface „In the Opinion of a great Lawyer, an Act of Parliament may be void, and of a great Divine, all Men have natural, and Freemen legal Rights, which they may justly maintain, and no legislative Authority can deprive them of. Cases may be imagined in which the Truth of these Positions might, in Theory, be admitted ; but in Practice, unless there should be very peculiar Circumstances, such as cannot be supposed to exist during the Prevalence of the Power that introduced it, who would rely upon the Authority of Opinions, or the Principles of them, for the Protection against the Penalities of a n y positive L a w ? " 3 ) Man vergleiche etwa die von Samuel Adams verfaßte — als Vorbild der sog. Declaration of Rights von 1774 und der Virginia Bill of Rights bedeutsame — Declaration of Rights des Bostoner Townmeetings vom 20. Nov. 1772: „The Colonists are, by the laws of God and nature, and by the common law of England, declared to be entitled to all the natural, essential, inherent and inseparable rights, liberties, and privileges of natural born Englishmen." Wels, Life of Samuel Adams Bd. I, S. 500—508. *) Eine Ausnahme bildet die eine Stelle im „Farmer refuted", wo der junge Hamilton trotzig ausruft: „The rights of mankind are not to be rumagged for among old parchments or musty records. They are written, as with a sunbeam, in the whole volume of human nature, by the hand of Divinity itself, and can never be erased or obscured by mortal power." (Works of A. Hamilton ed. H. C. Lodge, N. Y. 1904, I. 113.) Gerade diese Stelle ist als Motto vor die Ausgabe der Werke Hamiltons gesetzt worden.



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Als Beispiel für diese zweite Gruppe der Beweisführung und überhaupt für die Rolle, die das Naturrecht in Amerika spielt, sei James Otis zitiert, der dieses als erster1) zur Verteidigimg der Kolonien benützt — angeblich schon in seiner freilich sehr unsicher überlieferten Rede gegen die Writs of Assistance. In einem Pamphlet gegen den Gouverneur aus dem Jahre 1762, stellt er folgende Sätze auf: „ 1 . Gott hat alle Menschen von Natur gleich gemacht. 2. Die Vorstellungen irdischen Vorrangs und Vorzugs und irdischer Würde sind anerzogen, zum mindesten erworben, nicht angeboren. 3. Könige sind (und Gouverneure von Pflanzungen sollten es sein) zum Besten des Volkes da, nicht umgekehrt das Volk für sie. 4. Keine Regierung hat ein Recht, die Untertanen zu Kleppern, Eseln und Sklaven zu machen; die Natur hat von beiden ersteren genug erschaffen für alle rechtmäßigen Zwecke des Menschen, vom harmlosen Bauern auf dem Felde bis zum feinsten Politiker im Kabinette; letztere aber hat sie nicht erschaffen, was unfehlbar beweist, daß sie unnötig sind. 5. Obwohl die meisten Regierungen de facto willkürlich sind und folglich die Geißel und das Ärgernis der Menschheit, sind doch keine de jure willkürlich". Nach diesen für amerikanische Verhältnisse — vielleicht aus persönlichen Gründen — ganz außergewöhnlich scharfen Bemerkungen fährt Otis mit der größten Selbstverständlichkeit unmittelbar fort. „6. Die englische Regierungsverfassung, wie sie jetzt in Seiner Majestät Person und Familie eingerichtet ist, ist die weiseste und beste der Welt. 7. Der König von Groß-Britannien ist der beste sowohl wie der glorreichste Monarch auf dem Erdenrund und seine Untertanen sind die glücklichsten des Universums. 8. Es Indes muß jedem, der die Kontroverse Hamilton-Seabury verfolgt, klarwerden, daB der zitierte Passus ein durchaus unfreiwilliger RQckzug des in die Enge getriebenen Hamilton ist, worüber Pathos und Sperrdruck nur hinwegtäuschen sollen. Die Stelle steht denn auch in Widerspruch mit dem ganzen Pamphlet, in dem Hamilton, statt die klare Sonnenschrift vorzulesen, selbst gründlichst „in alten Pergamenten und muffigen Urkunden stöbert", um abschließend zu behaupten: ,,It is sufficiently evident, from the respective charters (!), that the rights we now Claim are coeval with the original settlement of these colonies." Hätte Hamilton das reine Naturrecht ernstlich für eine brauchbare Grundlage der amerikanischen Forderungen gehalten, so würde er sich die mühsame verfassungsrechtliche Untersuchung bestimmt erspart haben wie Price, Paine oderBrissot. Vgl. Scherger, Evolution of modern Liberty 1904, S. 1 1 3 ; auch Alex Bein, Die Staatsidee Alexander Hamiltons in ihrer Entstehung und Entwicklung, MünchenBerlin 1927. S. 38. *) Abgesehen von John Wises Schrift, die aber nicht in der Revolutionsepoche entstanden ist.



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wird alleruntertänigst angenommen, der König wolle alle Gouverneure der Pflanzungen seinem königlichen Beispiele folgen lassen in einer klugen und strikten Einhaltung der Grundsätze der Britischen Verfassung, durch welche in Verbindung mit seinen anderen königlichen Tugenden er in den Herzen eines tapferen und großmütigen, freien und treuen Volkes zu herrschen vermag. 9. Das ist der Gipfel, das non plus ultra menschlichen Glückes und Ruhmes. 10. Der König von Frankreich ist ein despotischer, willkürlicher Fürst und folglich sind seine Untertanen sehr elend" 1 ). Diese ganze Erklärung ist von etwa viermal längeren Zitaten aus Locke begleitet. Drei Jahre später 2 ) kann Otis seine Gedankengänge auf Grund der inzwischen erschienenen Commentaries von Blackstone systematischer und eingehender ausführen. Eine wenig abweichende Verwendung des Naturrechts findet sich etwa gleichzeitig im Süden bei dem Virginier Richard Bland: „ D a wir also aus den Gesetzen des Königreiches oder aus der alten ') James Otis, ,,A Vindication of the Conduct of the House of Representatives of the Province of Massachusetts-Bay", Boston 1762, S. 17. „ 1 . God made all men naturally equal. 2. The ideas of earthly superiority, preheminence and grandeur are educational, at least acquired, not innate. 3. Kings were (and plantation Governors should be) made for the good of the people and not the people for them. 4. No government has a right to make hobby horses, asses and slaves of the subject, nature having made sufficient of the two former for all the lawful purposes of man, from the harmless peasant in the field, to the most refined politician in the Cabinet; but none of the last, which infallibly proves they are unnecessary. 5. Tho' most governments are de f a c t o arbitrary, and consequently the course and scandal of human nature; yet none are de j u r e arbitrary. 6. The British constitution of government, as now established in his Majesty's person and family, is the wisest and best in the world. 7. The King of Great Britain is the best as well as the most glorious Monarch upon the Globe, and his subjects the happiest in the universe. 8. It is most humbly presumed the King would have all his plantation Governors follow his royal example in a wise and strict adherence to the principles of the British constitution, by which in conjunction with his other royal virtues, he is enabled to reign in the hearts of a brave and generous, free and loyal people. 9. This is the summit, the ne plus ultra of human glory and felicity. 10. The French king is a despotic arbitrary prince, and consequently his subjects are very miserable." 2 ) In ,,A Vindication of the British Colonies", Boston 1765, S. 8, übernimmt O. genau die These Blackstones: „The natural absolute personal rights of individuals, are so far from being opposed to political or civil rights, that they are the very basis of all municipal laws of any great value" usw. Es ist bemerkenswert, daß O. trotzdem wie Blackstone die absolute Souveränität des englischen Parlaments noch anerkennt.



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Geschichte keine Aufklärung erhalten, die uns in unserer Untersuchung (zur Feststellung der rechten Verbindung zwischen den Kolonien und dem Mutterlande) leiten könnte, müssen wir unsere Zuflucht zu den Gesetzen der Natur nehmen und zu jenen Menschenrechten, die aus ihr hervorgehen. Ich habe zuvor bemerkt, daß Untertanen, wenn sie ihrer bürgerlichen Rechte beraubt werden oder mit der Stellung, die sie in der Gemeinschaft einnehmen, unzufrieden sind, ein natürliches Recht haben, aus der Gemeinschaft, deren Mitglieder sie sind, auszutreten und in ein anderes Land überzusiedeln. Wenn nun Menschen dieses Recht ausüben und ihr Land verlassen, gewinnen sie ihre natürliche Freiheit und Unabhängigkeit wieder: die Gerichtsbarkeit und die Souveränität des Staates, den sie verlassen haben, erlischt; und wenn sie sich zusammenschließen und in gemeinsamer Ubereinkunft von einem neuen Lande Besitz ergreifen, werden sie zu einem souveränen Staate, der unabhängig ist von dem Staate, aus dem sie fortgezogen sind. Wenn nun die Untertanen Englands ein natürliches Recht haben, ihr Land zu verlassen und, indem sie auswandern und sich zusammenschließen, eine neue politische Gesellschaft und einen unabhängigen Staat zu bilden, so müssen sie auch ein Recht haben, durch Vertrag mit dem Souverän der Nation in ein neues Land überzusiedeln und eine politische Verfassung nach Maßgabe dieses Vertrages zu bilden. In einem solchen Falle müssen die Bestimmungen des Vertrages für beide Parteien verpflichtend und bindend sein, sie müssen für diese neue Gesellschaft die Magna Charta, die grundlegenden Regierungsprinzipien sein; und jede Verletzung derselben muß unrecht sein, und es darf ihr Widerstand geleistet werden. Es ist also notwendig, zu untersuchen, ob irgendein solcher Vertrag geschlossen worden ist zwischen dem Souverän und jenen englischen Untertanen, die sich in Amerika niedergelassen haben" 1 ). Diesen Vertrag findet Bland ') Richard Bland, „ A n Inquiry into the Rights of the British Colonies", Williamsburg 1766; dort auch der Satz: ,,it is from the Laws of the Kingdom, founded upon the Principles of the Law of Nature, that we are to show the Obligation every Member of the State is under to pay Obedience to its Institutions." „ A s then we can receive no light from the Laws of the Kingdom, or from ancient History, to direct us in our Inquiry (in fixing the proper connection between the Colonies and the Mother Kingdom), we must have recourse to the Laws of Nature, and those rights of Mankind which flow from it. I have before observed that when Subjects are deprived of their civil Rights, or are dissatisfied with the Place they hold in the Community, they have a natural Right to quit the Society of which they are Members, and to retire into another Country. Now when

— 25 — selbstverständlich in den kolonialen Charters, die er sofort mit umständlich-gründlicher rechtshistorischer Gelehrsamkeit von ihren ersten Anfängen an untersucht. So verliert der Pseudorevolutionär bei dem hoffnungsreich begonnenen Fluge in die Höhen der naturrechtlichen Spekulation gar bald den Atem, um mit desto größerer Wucht wieder auf dem festen Boden des positiven Rechts zu landen. Beispiele dieser Art ließen sich leicht zum Überfluß vermehren, ohne daß sie etwas grundsätzlich Neues brächten. Immer wieder führt das „absolute" Recht auf die ererbte Verfassung zurück, es hat nicht nur die Privilegien der englischen Untertanen, sondern selbst die königliche Prärogative zu bekräftigen. Das Auffallende an diesem Naturrecht des Neuen Kontinentes ist tatsächlich die Verschiedenheit von dem des Alten und man möchte sich oft genug darüber wundern, wie es die Amerikaner fertig bringen, die logische Folgerung zu einem revolutionären Reformprogramm zu vermeiden, das nach unseren Vorstellungen die selbstverständliche und unausweichliche Konsequenz der Naturrechtstheorie ist. Es mag dem kontinentalen Europäer wohl merkwürdig erscheinen, daß die Kolonisten den—der naturrechtlichen Lehre logisch doch sehr naheliegenden — republikanischen Gedanken erst dann aufnehmen oder besser: sich mit ihm abfinden, nachdem ihn ein Europäer ihnen überzeugend verkündet hatte, nachdem sie vom Könige selbst aufgegeben und durch die Entwicklung der Ereignisse tatsächlich schon zu Republikanern geworden waren; und man kann nicht zweifeln, daß die republikanische Idee und damit diese eine Seite der naturrechtlichen auf dem Wege zur Unabhängigkeit Men exercize this Right, and withdraw themselves from their Country, they recover their Natural Freedom and Independence: the Jurisdiction and Sovereignty of the State they have quitted ceases; and if they unite, and by common consent take Posession of a new Country, become a sovereign State, independent of the State from which they departed. If then the Subjects of England have a natural Right to relinquish their Country, and by retiring from it, and associating together, to form a new political Society and independent State, they must have a Right, by Compact with the Sovereign of the Nation, to remove into a new Country, and to form a civil Establishment upon the Forms of the Compact. In such a Case the Terms of the Compact must be obligatory and binding upon the Parties, they must be the Magna Charta, the fundamental Principles of Government to this new Society; and every Infringment of them must be wrong, and may be opposed. It will be necessary then to examine whether any such Compact was entered into between the Sovereign and those English Subjects who established themselves in America."



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viel eher ein Hindernis als eine Hilfe, geschweige denn die treibende Kraft bedeutet. Damit ist auch klar, wie die vielgenannte naturrechtliche „Grundlage" der Bills of Rights von 1 7 7 6 aufzufassen ist. Ein Vergleich mit dem unmittelbaren Vorläufer, der sogenannten Bill of Rights des Continentalen Congresses 1 ), in der noch an das Naturrecht und an die englische Verfassung und an die Charters appelliert wird, zeigt, daß dieses L a w of Nature von 1 7 7 6 in Wirklichkeit nur eine Art Restbestand ist; es bleibt allein stehen, wenn mit der Trennung vom Mutterland die Berufung auf Verfassung und Charter hinfällig wird. Ein Ausgangspunkt ist es nur in einem sehr blassen, rein theoretischen und abstrakten Sinne, aber nicht praktisch und historisch. W o die „natürlichen" Rechte dieser Bills tatsächlich herkommen, sagt schon deutlich genug der Wortlaut der einzelnen Artikel, der oft kaum verändert aus Common Law, Magna Charta, Declaration of Rights, Habeas Corpus und ähnlichen Dokumenten übernommen ist. E s sind alte englische Rechte und Freiheiten, die hier, wie so oft schon in diesem Streite, noch einmal und endgültig gegen die Rechtsverletzungen des Mutterlandes protestierend verkündet und wiederbestätigt werden 2 ). ') Vgl. auch die Bostoner Declaration S. 21, Note 3. *) Der Jellinekschen These vom religiösen Ursprung der gesetzlichen Aussprache von Menschenrechten schließe ich mich nicht an. Zwar folge ich Jellinek soweit er den I n h a l t der Bills betrachtet und ihren Grundgedanken der Einschränkung der Staatsgewalt zugunsten des Individuums; diese führt Jellinek selbst auf die englischen Vorbilder, die jüngsten Rechtsverletzungen und auf die traditionelle englische Staatsauffassung zurück. Auch der konservative Charakter der Bills von 1776, „die in Wahrheit nichts getan haben als den faktischen Rechtszustand in bestimmte allgemeine Formeln auszuprägen", wird von ihm energisch betont und ebenso wird der große Unterschied der praktischen Bedeutung der amerikanischen und der französischen Erklärungen deutlich erkannt. Was dagegen den Ursprung der gesetzlichen F o r m u l i e r u n g der Rechte als natürlicher Rechte betrifft, weiche ich von Jellinek ab. Während dieser ein Zurückgreifen auf religiöse Kräfte für notwendig hält, scheint mir die oben erklärte Herleitung der neuen Formulierung aus der englischen Rechtslehre der Zeit, welche englisches positives und natürliches Recht vermengt oder gleichsetzt, in Verbindung mit der Trennung vom Mutterland und dessen Recht so naheliegend und vollständig, daß sich jede andere Ableitung erübrigt. Gegen die These vom religiösen Ursprung sind schon von anderer Seite mancherlei Bedenken geäußert worden. A. Wahl, Histor. Zeitschr. Bd. 103, S. 79—85 (1909), weist darauf hin, daß sich der Begriff der Menschenrechte im Keime schon vorfindet, ehe von Toleranz die Rede ist.



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In den Rechtserklärungen von 1 7 7 6 findet sich freilich ein Artikel, der für die meisten Staaten eine Neuerung bedeutet, nämlich die Verkündung der Glaubensfreiheit. Zwar ist auch seine Entstehung aus dem Kampfe mit dem Mutterlande zu erklären, als Reaktionserscheinung gegen die englische Kirchenpolitik und gegen das Gerücht von der bevorstehenden Errichtung eines amerikanischen Bischofsitzes. In Virginia endlich, wo die Religionsfreiheit zuerst verkündet wird, in den anderen Südstaaten und in New Y o r k ist sie auch als ein Schlag gegen die vielfach loyalistische Staatskirche zu verstehen und weiter ist sie ganz allAuch betont er, daß die Religionsfreiheit in Amerika nirgends vor 1776 als natürliches Recht bezeichnet oder begründet wird und daß sie selbst in der Revolution noch nicht mit den eigentlichen Menschenrechten ganz verschmolzen ist. Michael Freund, Die Idee der Toleranz im England der großen Revolution, Halle 1924, bes. S. 245 f., weist überzeugend nach, daß von der Toleranzidee Roger Williams kein Weg zu einer Erklärung der Menschenrechte führt. Hashagen macht darauf aufmerksam, daß in der amerikanischen Revolution von einer religiösen Bewegung als einem treibenden Momente bei der Abfassung der Bills nicht die Rede sein kann, daß vielmehr die Entstehung des Religionsartikels abseits von der der übrigen Artikel erfolgt. G. A. Salander, Vom Werden der Menschenrechte, Leipzig 1926, beobachtet, daß in der Verfassung des puritanischen New Hampshire, der ersten revolutionären Verfassung in Amerika, sowie in Rhode Island eine Bill of Rights fehlt, während gerade in dem auf religiösem Gebiete trägen Virginia durch den anglikanischen und konservativen Mason die erste Erklärung der Menschenrechte entsteht, ohne daß sich ein Zusammenhang mit den dissenterischen Ideen nachweisen ließe. Auch hat er den von Jellinek zu groß gezeichneten Unterschied zwischen den englischen und amerikanischen Bills auf das richtige Maß zurückgeführt und dafür die Unterschiede zwischen den einzelnen amerikanischen Erklärungen selbst hervorgehoben. Über die Aufnahme bzw. Ablehnung der These Jellineks unterrichten am besten W. Rees, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789", Leipzig 1912, S. X I ff., 1 ff., sowie die Vorworte der neuesten Auflage von Jellineks „Erklärung", MünchenLeipzig 1927. Es sei bei dieser Gelegenheit ausdrücklich betont, daß sich Jellineks vielgenannte Behauptungen sowohl über den religiösen Ursprung wie über die Vorbildlichkeit der amerikanischen Rechteerklärungen für die französischen nicht — wie immer wieder fälschlich verstanden wird — auf die Erklärungen der Menschenrechte ü b e r h a u p t beziehen, und noch viel weniger auf die ganze Revolutionsideologie der beiden Kontinente. Jellinek behandelt — trotz gegenteiligen Anscheines, vgl. S. 1, Note 1 — lediglich die Frage der gesetzlichen Aussprache von Rechten als von natürlichen, angeborenen, subjektiven, vor- und überstaatlichen Rechten, im Gegensatz zur Anerkennung derselben Rechte als vom Staate geschaffener und verliehener, ererbter und spezifisch nationaler Rechte. Diese für den



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gemein ein geschickter A k t der Kriegszielpropaganda 1 ). Der entscheidende Faktor war aber sicher die politische Notwendigkeit, das einheitliche Zusammenarbeiten der Kolonien zu ermöglichen8) (man denke an das Bundesheer), die doch oft selbst konfessionell gemischt 8 ) und voneinander unterschieden waren. All das zeigt wohl, daß in Amerika, wo überdies schon von früher her wesentliche Vorarbeiten bestehen, die Religionsfreiheit ungleich stärker von konkreten und praktischen Faktoren bedingt ist als in Frankreich, wo sie einer ganz anderen, fast ausschließlich philosophischen und prinzipiellen Quelle entspringt; das ändert aber nichts an der Tatsache, daß der Religionsartikel in den meisten Amerikanischen Staaten eine gesetzliche Neuerung ist. Um so lehrreicher ist es zu beobachten, daß selbst diese einzige wesentliche Neuschöpfimg in der Praxis keinen plötzlichen Umsturz bedeutet 4 ). Trennung von Kirche und Staat wird 1 7 7 6 noch nirgends durchgeführt und entgegen dem radikalen Wortlaut der Bills of Rights enthalten die Revolutionsverfassungen meistens doch wieder Bestimmungen gegen Andersgläubige oder Atheisten, Staatsrechtler sehr wichtige Unterscheidung ist für den Historiker von geringerem Interesse, weil sie — wie das Beispiel Amerikas und Englands zeigt — praktisch nur wenig bedeutungsvoll ist. Den praktisch eingestellten Amerikanern scheint ihre eigene, von Jellinek entdeckte Entdeckung gleichgültig gewesen zu sein, denn schon in der Unionsverfassung haben sie die gesetzliche Aussprache von Menschenrechten wieder ohne Kampf aufgegeben. Es wäre also verfehlt, anzunehmen, meine ganze These über den Geist von 1776 und über sein Verhältnis zur französischen Revolutionsideologie stehe in Gegensatz zu Jellineks These. Der Widerspruch betrifft nur den Ursprung des Eindringens der naturrechtlichen Formulierung in die positive Gesetzgebung, also eine Einzelfrage, die in meiner Untersuchung nur peripherisch liegt. *) Diese Seite behandelt am eingehendsten Hashagen. 2 ) In analoger Weise hatte die Not des Siebenjährigen Krieges die Toleranz in Va. mächtig gefördert; vgl. Henry R. Mc Ilwaine, „The Struggle of Protestant Dissenters for religious Toleration in Virginia," Baltimore 1894, p. 63. 3 ) Jeffcrson meint, daß in Virginia zur Zeit der Revolution */3 der Bevölkerung nicht der Staatskirche angehört haben. 4 ) G. A. Salander, Vom Werden der Menschenrechte, Leipzig 1926: ,,Es lag mir viel daran, zu zeigen, wie die Dinge (in Virginia) standen, als die Virginia Bill erlassen wurde und inwieweit sie durch den Erlaß (des Religionsartikels in der Va. Bill von 1776) verändert wurden. Sehr einschneidend ist die Veränderung nicht gewesen." Jeffersons Bezeichnung des Zustandes, wie er durch den obenerwähnten Religionsartikel geschaffen wurde, als einer „religions slavery" ist allerdings als übertrieben zu betrachten. Vgl. seine Notes on Virginia.

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welche die Gewissensfreiheit empfindlich einschränken. So bleibt es in der Kirchenpolitik der jungen Republiken viel mehr als gemeinhin angenommen wird einfach beim Alten und erst später, nach dem Beispiel von Virginia und der Unionsverfassung findet der Grundsatz der vollen Glaubensfreiheit und der restlosen Aufhebung des Staatskirchentums in den einzelnen Staaten allmählich allgemeine Anerkennung. Aber noch acht Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung muß ein so warmer Freund der Amerikaner wie Richard Price mit Bedauern feststellen, daß die konfessionelle Beschränkung des passiven Wahlrechts in manchen der neuen Staaten noch schlimmer sei als in England selbst1). V. Hiermit ist die Untersuchung des Geistes der Amerikanischen Revolution vom Gebiete des Wortes und Gedankens auf das der Tat übergegangen. Und wenn auch bei den Toleranzgesetzen die Praxis sich als viel konservativer2) erweist als die Theorie, so kann man doch fragen, ob nicht in anderen Fällen, überhaupt bei der Neuordnung von 1776, die Taten trotz der gemäßigten rechtlich-konservativen Reden nicht doch einen — wenn auch uneingestandenen — neuen und revolutionären Geist verraten. Fällt doch mit der Erklärung der Unabhängigkeit die Bindimg durch das alte Recht und die Rücksicht auf die englischen Liberalen, um deren Unterstützung man durch whiggistische Haltung geworben hatte, weg, so daß die Amerikaner bei ihrer Verfassungsarbeit in hohem Maße frei sind, rein rational vorzugehen und die Theorien der Zeit zu verwirklichen. Hören wir zunächst wie der vorwärtsdrängende Stürmer John Adams — nebenbei der Verfasser der Massachusetts Bill of Rights — Ende 1775 beim Congress für die Schaffung neuer Konstitutionen Stimmung macht: ,,Mr. Ruthledge wollte meine Meinung l ) Vgl. R. P. „Observations on the Importance of the Am. Revol." reprinted Boston 1784, S. 41. Auch Turgot tadelt die konfessionelle Beschränkung des Wahlrechts in seinem Briefe an Price vom 20. I I I . 1778. ') Am nachdrücklichsten hat den „essential, unrecognized conservatism" der Amerikanischen Revolution Barrett Wendell in „Liberty Union and Democracy", N . Y . 1906 hervorgehoben. Vgl. S. 85: „Alone in history, its (the American Revolutions) truely vital purpose was not to overthrow an immemorial system of government and society, replacing it by some philantropic and untested new one. The vital purpose of the American Revolution was . . . to maintain against reactionary innovation that historical continuity, those immemorial traditions of our own. . . . Alone of revolutions ours was essentially conservative."

— 30 — über eine geeignete Regierungsform für einen Einzelstaat wissen. Ich antwortete ihm, daß jede Regierungsform, mit deren Einrichtung das Volk einverstanden sei, besser sei als überhaupt keine, selbst wenn es alle Macht dem Abgeordnetenhause übertrüge und dieses Gouverneure und Richter zu ernennen habe. Ich hoffe freilich, das Volk würde klüger sein und die englische Verfassung dem Geiste und dem Inhalte nach erhalten, soweit es die Umstände dieses Landes erfordern oder gestatten. Es habe in Amerika niemals erbliche Ämter gegeben und sie würden oder sollten weder eingeführt noch vorgeschlagen werden. Ich hoffe vielmehr, daß die drei Zweige einer Legislatur erhalten bleiben, eine vollziehende Gewalt, unabhängig vom Senate oder vom Rate, und das Abgeordnetenhaus und vor allen Dingen die Unabhängigkeit der Richter". Dann weiter: „Obwohl die Opposition noch hartnäckig war, begannen viele Mitglieder des Kongresses mich mit mehr Geduld anzuhören, und manche fingen an, höfliche Fragen an mich zu stellen. ,Wie kann das Volk eine Verfassung machen ?' Meine Antwort war: ,Durch Versammlungen von Abgeordneten, die frei, ehrlich und im Verhältnis gewählt sind . . .' ,Aber das Volk versteht doch nichts von Verfassungen!' ,Ich glaube mit einer solchen Annahme befinden Sie sich gar sehr im Irrtum'.. . . ,Und was für eine Verfassung würden Sie dann anraten?' .Eine Verfassung, die der Regierung, unter der wir geboren sind und gelebt haben, möglichst gleicht, soweit es die Umstände des Landes gestatten. Könige haben wir nie unter uns gehabt. Adelige haben wir nie gehabt. Nichts Erbliches hat es je im Lande gegeben; auchwird das Land solche Dinge gar nicht brauchen. Aber Gouverneure und Räte haben wir immer schon gehabt, sowie Abgeordnete. Eine Legislatur in drei Zweigen sollte beibehalten bleiben und unabhängige Richter'" 1 ). *) „Mr. Ruthledge asked my opinion for a proper form of government for a State. I answered him that any form that our people would consent to institute, would be better than none, even if they placed all power in a house of representatives, and they should appoint governors and judges, but I hoped they would be wiser, and preserve the English Constitution in its spirit and substance as far as the circumstances of this country required or would admit. That no hereditary powers ever had existed in America, nor would they, or ought they to be introduced or proposed; but that I hoped the three branches of a legislature would be preserved, an Executive, independent of the senate or council, and the house, and above all things, the independence of the judges". „Although the opposition was still inveterate, many members of Congress began to hear me with more patience, and some began to ask me civil questions." „How can the people institute governments ?' My answer was, ,By conventions of representa-



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Das scheint allerdings eine recht konservative „burkesche" Revolution und Demokratie zu sein; doch schließlich handelt es sich nur um einen ersten Vorschlag, noch dazu aus der Zeit vor der Unabhängigkeit. Lassen wir uns also von einem Mann, der ganz gewiß nicht versäumen wird, die neuen Errungenschaften der Revolution rühmend hervorzuheben, von Thomas Jefferson selbst erzählen, was dann in Wirklichkeit die Verfassungen von 1 7 7 6 und der folgenden Jahre Neues bringen. „ I n der letzten Revolution", so schreibt er für die Encyclopédie, „waren die Änderungen, die durch ihre (der amerikanischen Staaten) neue Staatsform notwendig wurden, leicht gemacht. E s war nur nötig zu sagen, daß die gesetzgebende, die richterliche und die vollziehende Gewalt, die bisher von Personen von der und der Eigenschaft ausgeübt worden war, von nun ab von Personen ausgeübt werden sollte, die auf die und die Weise zu ernennen seien. Das war es, was ihre Verfassungen getan haben" 1 ). Jeffersons Aussage kann kaum eine Übertreibung genannt werden 2 ). Denn in der T a t zeichnen sich die neuen Verfassungen gerade durch die größtmögliche Wahrung der traditionellen Fortives, freely, fairly, and proportionally chosen. . . .' .But the people know nothing about constitutions'; ,1 believe you are much mistaken in that supposition; . . .' .But what plan of government would you advise?' ,A plan as nearly resembling the government under which we were born, and have lived, as the circumstances of the country will admit. Kings we never had among us. Nobles we never had. Nothing hereditary ever existed in the country; nor will the country require any such thing. But governors and councils we have always had, as well as representatives. A legislature in three branches ought to be preserved, and independent judges'." „On the late Revolution the changes which their (der amerikanischen Staaten) new form of government rendered necessary were easily made; it was only necessary to say that the powers of legislation, the judiciary, and the executive powers, heretofore exercised by persons of such and such descriptions shall henceforth be exercised by persons to be appointed in such and such manners. This was what their constitutions did." Vgl. auch Jefferson an Samuel Kercheval, 12. Juli 1816, F. X . 37, ,,In truth the abuses of monarchy had so much filled all the s p a c e of political contemplation, that we imagined everything republican which was not monarchy. We had not yet (in 1776) penetrated to the mother principle, that .governments are republican only in proportion as they embody the will of their people, and execute it.' Hence, our first constitutions had really no leading principles in them." *) Es sei hier auf das Werk von Allan Nevins „The American States during and after the Revolution, 1775—1789", N. Y . 1924, verwiesen.



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men und Zustände der Kolonialzeit aus 1 ). Abgesehen von der Glaubensfreiheit und den von Jefferson erwähnten unumgänglichen Änderungen, ist nur die Schwächung der Gouverneursmacht zugunsten des Unterhauses als eine den meisten Staaten gemeinsame innerpolitische Neuerimg zu erwähnen. Doch selbst in diesem Falle läßt sich die Kontinuität daran erkennen, daß meistens einem schwachen englischen ein entsprechend schwächerer amerikanischer Gouverneur folgt und umgekehrt. Die Verteilung von Ein- und Zweikammersystem in den einzelnen Staaten ist nach 1776 dieselbe wie vorher; außer in Pennsylvania, wo aus besonderen Gründen außergewöhnliche Zustände herrschen, werden kaum politische Experimente versucht. Nur in New Hampshire wird das Wahlrecht durch Senkimg des Zensus erweitert, in den anderen Staaten bleibt es noch bis ins 19. Jahrhundert hinein ein Vorrecht der Besitzenden. Ähnlich verhält es sich mit der an das System der Rotten Boroughs erinnernden ungleichen Wahlkreisverteilung zugunsten der älteren und reicheren Grafschaften des Ostens. Den auffallendsten Beweis des durch seltene Ausnahmen nur bestätigten Konservatismus und Traditionalismus liefert aber das Beispiel von Connecticut und Rhode Island. Diese zwei Kolonien sind die einzigen, die durch ihre Verfassungen — sie wählen ihre Gouverneure selbst — nicht mit dem Mutterland verbunden waren; für sie also enthält der Abfall nicht wie für alle anderen Staaten einen äußeren zwingenden Grund zur Verfassungsänderung. Und beide behalten denn in der Tat ihre alten Charters von 1662 und 1663 unverändert bis 1818 beziehungsweise 1842 bei. Connecticut wird sogar vom selben Gouverneur von der Kolonialzeit durch die Revolution zur Unabhängigkeit geführt. Hier also, wo die Trennung vom Mutterland nicht zwangsläufig eine Umorganisation bedingt, scheint die Revolution überhaupt ohne ein sichtbares innerpolitisches Ergebnis zu verlaufen. So kann man wohl sagen, daß die Handlungen der Amerikaner den traditionellen, angelsächsischen Charakter ihrer Worte durchaus bestätigen, und die von Edmund Burke vertretene Auffassung des Unabhängigkeitskampfes erweist sich als die richtige. Freilich bedeutet das Ausscheiden aus dem Imperium eine revolutionäre *) Nevins op. cit. p. 677, „the new governments were an organic and uninterrupted growth from the old". Homer C. Hockett, Political and Social History of the United States 1492—1828, N. Y . 1925, p. 166/7, ,,It is a remarkable fact that as to its frame of government every state followed closely the model of its government before the Revolution. . . . The states therefore made only such changes as were required by the new status of independence."



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Tat, aber sie ist — wie Burke von 1688 sagt — zur Rettung und Erhaltung der bedrohten alten Freiheit und des alten Rechts unternommen und nicht um das neue Reich der souveränen Vernunft zu verwirklichen1). Sowohl das Denken wie das Handeln der Neuen Welt stammt aus der englischen und kolonialen Staatsund Rechtstradition. Von dem Geist von 1789 aber, den ein Price und die übrigen europäischen Reformer in dem damaligen Amerika schon zu sehen glauben, sind noch kaum Spuren zu entdecken. Selbst die im abstrakten Kerne identische Naturrechtslehre der Amerikanischen und der Französischen Revolution erweist sich in der verschiedenen praktischen und geistigen Umgebung so entgegengesetzt wie Erklären und Fordern, Erhalten und Umstürzen, kühles Erkennen und weltbewegendes Glauben. Zum Schluß mögen noch die ersten Münzen der Vereinigten Staaten vielleicht besser als Worte den Unterschied zwischen angelsächsischer Liberty und französischer Liberté illustrieren. Als die neue Unionsregierung beschloß, ihre eigenen Geldstücke herauszugeben, wünschte sie auf diesen das Haupt der Freiheit dargestellt zu haben. Aus technischen Gründen mußte die Ausführung des numismatischen Auftrages nach Paris vergeben werden. Es kamen von dort Münzen zurück, auf denen ein klassischer Frauenkopf mit der Inschrift „Liberty" zu sehen war; doch hatte der französische Künstler, von der bloß schriftlichen Sinneserklärung unbefriedigt, die Freiheit mit aufgelösten, wild im Winde flatternden Haaren dargestellt. Später, als die Amerikaner ihre Münzen selber herstellten, erschien auf diesen wieder die hohe Himmelstochter, diesmal aber ordentlich frisiert2). Es ist bemerkenswert, daß selbst ein so gläubiger Anhänger Jeffersons wie H. S. Randall nicht umhin kann, seinem verehrten Helden zu widersprechen mit der Behauptung: „ I t must be confessed that our ancestors (1775) drew the sword, not to vindicate .natural rights', trampled down by the attempt of England to govern them, but as British subjects in every sense of the word, merely attempting to redress the wrongs inflicted by a legal, but an unjust government." Vgl. Henry Stephens Randall, The Life of Th. Jefferson, 3 vol., Philadelphia 1865, I. 1 1 7 . Randall hat hier selbstverständlich das französische, revolutionäre, nicht das zu seiner Zeit vergessene englische und konservative Naturrecht im Sinne. *) Wendell op. cit. S. 108/9.

Beiheft d. H. Z. 17.

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Zweites Kapitel. Sehr verschieden von dem bisher betrachteten Geiste von 1776, wie er sich bei den Amerikanern selbst offenbart, sind die Vorstellungen, welche die Unabhängigkeitsbewegimg in den Köpfen oder Herzen der europäischen Reformer, Patrioten und Philosophen erweckt. Während in der Neuen Welt die alten Ideen der Tradition den Kampf begleiten, erscheint derselbe Kampf zur selben Zeit in der Alten Welt als das Ergebnis und die Verwirklichung einer neuen Lehre. Diese zweite, europäische Auffassung von 1776 gilt es nun nach der amerikanischen in ihren bedeutendsten Vertretern kennen zu lernen. Denn mit den verschiedenen Ideologien soll Ausgangspunkt und Endpunkt klar gezeichnet werden, ehe die zwischen beiden liegende Entwicklung verfolgt werden kann, die Thomas Jefferson und mit ihm sein Volk im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts durchmacht. Erst wenn die beiden entgegengesetzten geistigen Kräfte erfaßt sind, wird ihr Wechselspiel und Widerstreit recht verständlich werden. Im Vorhergehenden ist das bekannteste Pamphlet der Amerikanischen Revolution, Thomas Paines1) „Common Sense" übergangen worden, denn die kleine nicht ganz sechs Monate vor der Unabhängigkeitserklärung veröffentlichte Schrift gehört wohl durch ihren Erscheinungsort und durch ihre Thema nach Amerika — der Herkunft und dem Geiste nach ist sie durchaus europäisch. Beim Schreiben des Werkchens ist der Verfasser erst wenig über ein Jahr im Lande. Ein Engländer und halber Quäker, gehört er zu jener stark von Rousseau beeinflußten, kleinen Gruppe von politisch radikalen Dissentern, die in Price und Priestley ihre bedeutendsten Vertreter haben2). Und schließlich ist Paine nicht Vgl. Horace Daniel Conway, „The Life of Th. P.'*, 2 vols. 1893; ferner den Artikel von Leslie Stephen in,,Dictionaryof National Biography", London 1895, vol. X L I I I . p. 69—79; „ T h e Writings of Th. P . " ed. H. D. Conway, N.Y.-London 1894; ,,Th. P.'s Complete Works", N . - Y . 1922. *) Vgl. Leslie Stephen, History of English Thought in the Eighteenth Century, London 1927, Vol. II, cap. X, Abs. X . „The Revolutionists"; ferner Harold J. Lasky, Political Thought in England from Locke to Bentham.



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wohlbestallter und gutbürgerlicher Lawyer, sondern Journalist und Literat, eine unruhige, etwas abenteuerliche revolutionäre Existenz, wie sie in den Kolonien selbst von Patrick Henrys Frühzeit nicht verwirklicht wird. Wie der Verfasser, hebt sich das Werk aufs schärfste von der amerikanischen Umgebung ab. Europas reichgerüstete Revolutionsideologie tritt mit „Common Sense" zum ersten Male in der Neuen Welt auf. Sie bringt eine ungeheure Erweiterung, ja einen gänzlichen Umschwung der politischen Argumentation. Statt der mühsamen juristischen Gelehrsamkeit, ergreift die freie Vernunft, der „gesunde Menschenverstand" das Wort. Wo die kolonialen Pamphletisten umständlich und doch oft nur mangelhaft den Rechtsbruch nachweisen und mit ihren legaüstischen Skrupeln auf einer schon unmöglich gewordenen Wiederherstellung bestehen, da zeigt Paine, unbekümmert um bloß irdische Rechte, kühn vorwärts weisend inmitten neuer Ideale das hohe Ziel der Zukunft. Er nimmt den Juristen das Naturrecht aus den Händen und führt es aus der legitimistischen Defensivstellung heraus entschlossen zur revolutionären Offensive gegen die Verfassung. Mit der Gleichheit und mit den Menschenrechten macht er wirklich Ernst und greift mit der typischen, religiös bedingten Staatsfeindlichkeit des Dissenters die bestehende Ordnimg rücksichtslos an. Gott hat alle Menschen frei und gleich gemacht, nicht Herren und Knechte, nicht Könige und Untertanen. Früher hat es keine Könige gegeben, sie sind als Räuberhäuptlinge gekommen, eine Erfindung des Teufels, die Geißel der Menschheit, führen die Völker nur in Blut und Elend und werden dafür noch verehrt und bezahlt. Erbfolge ist widersinnig, verderblich und sündhaft. E i n ehrlicher Mensch ist wertvoller als alle gekrönten Schufte, die je gelebt haben. Die Natur, die Vernunft, die Erfahrung, die Gerechtigkeit und das Wort Gottes selbst verurteilen die Monarchie. Die alte Voreingenommenheit für die englische Verfassung müssen die Amerikaner jetzt endlich aufgeben. Man lasse sich nichts vormachen: auch in England ist des Königs Wille, des „royal brüte of Britain" Wunsch, Gesetz, nicht anders als in Frankreich. Die englische Verfassung mit ihrem vielgerühmten System der Checks and Balances hat etwas grenzenlos Lächerliches, sie ist der reine Blödsinn, „a mere absurdity". Nicht besser steht es mit der Abhängigkeit der Kolonien von England: sie ist gegen die Vernunft, gegen den gesunden Menschenverstand, gegen die elementarsten und die höchsten Interessen Amerikas, gegen die natürliche Ordnung des Universums selbst. Der Satellit kann nicht größer sein als der Planet. Und Engländer nennt man und

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nennen sich die Kolonisten ? Sind sie nicht aus allen Teilen Europas übers Meer gezogen? Was redet man von Dankespflichten an das Mutterland ? Nicht den Armen einer liebenden Mutter sind die ersten Siedler entflohen, sondern ein Ungeheuer hat sie grausam verstoßen, und die Wut, die die Väter aus der Heimat vertrieben hat, verfolgt noch heute die Enkel. Nur Armut und Sklaverei, Krieg und Elend hat Amerika für seine treuen Dienste geerntet und wird es weiter ernten, solange der widernatürliche Bund besteht. Und da glauben die Kolonisten, es könne durch den Widerruf von ein paar Verordnungen, durch den Rücktritt von ein paar Ministern geholfen werden ? Jetzt, da selbst der Kurzsichtigste die harte Unversönlichkeit des Briten erkennen muß, da in offenem Kampfe des ganzen Landes Gut und Leben und Ehre und das Glück der Kinder eingesetzt sind, und da die Unabhängigkeit schon in nächster Zeit ohnedies unabwendbar fällig ist: da wissen die Amerikaner nichts anderes zu wünschen und zu fordern als eine verderbliche, unmögliche Rückkehr in einen unhaltbaren und hoffnungslosen Zustand! Wahrlich ein unglaubliches, ein nie gesehenes Schauspiel! „legislation without law; wisdom without a plan; a Constitution without a name; and, what is strangely astonishing, perfect independence contending for dependence" 1 ). Alle Vorbedingungen sind vorhanden, unwiderstehliche Hilfsmittel eingesetzt, ein Stehenbleiben, ein Zurück ist unmöglich, die Unabhängigkeit unvermeidbar, der Erfolg sicher, und noch zögern die Kolonisten: ihnen fehlt nur eines zum erlösenden Entschluß: „If there is any true cause of fear respecting independence, it is because no plan is yet laid down. Men do not see their way o u t . . ." 2 ). Es ist höchst bezeichnend, wie dem europäischen Radikalen, der nach Amerika kommt, gerade dieses Fehlen eines reformfreudigen, positiven Programmes, eines hinreissenden Glaubens und revolutionären Ideals so überraschend, ja unfaßbar erscheint. Die Alte Welt — erdrückt von der Last einer unheilvollen Geschichte und von Despoten gefesselt — verzehrt sich doch in der Sehnsucht nach einer goldenen Zukunft, sie lebt von ihren Plänen zur Beglückung der Menschheit und von dem leidenschaftlichen Glauben an das freie Reich der Vernunft und des Friedens — und hier in der Neuen Welt hat ein glückliches Volk ohne Geschichte schon fast das Joch des Tyrannen abgeworfen, aber verblendet, in einem törichten Vorurteil für Recht und Tradition fordert es Paine's Complété Works, N. Y . 1922, vol. II, p. 55. «) Op. cit. 33.

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in diesem selben Augenblick der Befreiung nichts anderes als die Rückkehr unter das alte Joch und unter dieselbe halbtyrannische Verfassung, die die aufgeklärten Radikalen Englands vergebens zu reformieren, frei und vernünftig zu gestalten versuchen. Das einzige Volk, das die Mittel zur Erfüllung besitzt und das zum erlösenden Beispiel werden könnte, weiß nichts von jener hohen Sehnsucht, weiß nichts von den Plänen und von dem Glauben an eine neue Zeit. Es ist nur selbstverständlich, daß Paine freudig versucht, diesem für ihn erstaunlichen Mangel abzuhelfen. Aus dem überreichen Vorrat europäischer Revolutionsideologien — von deren Kenntnis er schon überzeugende Beweise gegeben hat — braucht er nur ein paar erhebende Gedanken und ein Zukunftsideal herauszuwählen, und die Amerikaner werden endlich wissen, wofür sie eigentlich gekämpft haben und vor allem wofür sie weiterkämpfen müssen. Noch nie hat die Sonne einen gewaltigeren, gerechteren Streit gesehen. Hier geht es nicht um einige Punkte der Verfassung, sondern um universale, ewige Menschenrechte und Menschenwürde. Dies ist nicht der Kampf einer Stadt, einer Grafschaft, einer Provinz oder eines Reiches, sondern eines Kontinents, ja der gesamten Menschheit. Es handelt sich nicht um die Entscheidung für einen Tag, für ein Jahr oder ein Menschenalter — die spätesten Geschlechter bis zum Ende der Zeit werden vom jetzigen Entschluß betroffen. Denn jetzt ist die Geburtsstunde einer Neuen Welt, jetzt der Beginn einer neuen Zeit. Amerika hat ein natürliches Recht auf Unabhängigkeit und auf eine eigene Regierung. Es gilt, den nie wiederkehrenden Augenblick zu nützen, den fast alle Völker töricht versäumt haben, und nach einem vernünftigen Plan den Staat zu organisieren, ehe ein Tyrann sich aufgeschwungen hat, dem dann die Freiheit langsam und mühsam erst wieder abgerungen werden muß. Die Neue Welt tritt jetzt in den Naturzustand zurück; sie hat den unermeßlichen, seit der Sintflut verlorenen Vorteil ganz von vome anfangen können; sie kann ungehindert, belehrt durch die Erfahrung der anderen Völker, sich selbst eine freie, vernunftgemäße Verfassung geben. Wohl ist der Staat auch im besten Falle nur ein notwendiges Übel; Amerika aber ist es vorbehalten, nach den Geboten der Natur und Gerechtigkeit in einem freiwilligen, ehrlichen Vertrage die im verletzlichen Rechte der Individuen zu sichern und den Staat — von uralten Mißbräuchen endlich befreit — auf die ihm zustehende Aufgabe des Schutzes von Leben, Eigentum und Gewissensfreiheit zu beschränken.



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Konstituierende Versammlungen mögen demokratische Verfassungen geben mit jährlichen Wahlen, zahlreicher gleicher Vertretung, einer Kammer mit einem Präsidenten, und vor allem soll jetzt die amerikanische Einheit auf vernünftigem und friedlichem Wege begründet werden. Dann werden diese Republiken das höchste Ideal der Staatskunst verwirklichen mit dem geringsten Aufwand das größte Glück der Individuen zu sichern. „Oh Ihr, die Ihr die Menschheit liebet! Ihr, die Ihr wagt, nicht nur der Tyrannei, sondern auch dem Tyrannen zu widerstehen, tretet vor! Jeder Fleck der Alten Welt ist überschwemmt von der Unterdrückung. Die Freiheit ist um das ganze Erdenrund gehetzt worden. Asien und Afrika haben sie längst vertrieben, Europa betrachtet sie als eine Fremde und England hat ihr Zeichen gegeben zu gehen. Oh, empfanget die Verstoßene und bereitet zur Zeit eine Zuflucht für die Menschheit"1). Durch die Trennimg wird Amerika weiterhin vor der üppigen Verderbtheit Europas bewahrt bleiben. Es wird nicht mehr in die britischen Angriffskriege verwickelt werden; „England to Europe, America to itself!" Es soll nützlichen und freundschaftlichen Verkehr mit allen Nationen pflegen, sich aber fernhalten von den grausamen und sinnlosen Kriegen der zu vielen Könige Europas. Von diesem Unglück bewahrt wird die Neue Welt in Frieden und Freiheit gedeihen zum Besten der verfolgten Menschheit. Dies etwa sind — abgesehen von den zahlreichen unmittelbar praktischen Gründen — die Argumente, mit denen Paine die Kolonisten zur Unabhängigkeit zu bewegen sucht. Gedanken, die zu jener Zeit besonders in Frankreich und England zum Gemeingut der radikalen Opposition gehören, werden hier zwar oft in flüchtiger, aber lebendiger und geschickt popularisierter Form und in einem äußerst glücklichen Moment für den amerikanischen Kampf nutzbar gemacht. An sich freilich sind die Ideen Paines nicht originell. Gerade durch den Mangel an Originalität aber ist „Common Sense" dazu geeignet, den Unterschied zwischen europäischer und amerikanischer Revolutionstheorie zu beleuchten. Die englische Verfassung war die feste Grundlage und die Grenze der kolonialen Beweisführung gewesen; mit ihr wollten sie die englischen An1 ) „ O ye that love mankind! Y e that dare oppose, not only the tyranny, but the tyrant, stand forth! Every spot of the old world is overrun with oppression. Freedom hath been hunted round the globe. Asia and Africa have long expelled her, Europe regards her like a stranger, and England hath given her warning to depart. O ! receive the fugitive, and prepare in time an asylum for mankind." Op. cit. 36.

— 39 — Sprüche zurückweisen und ihre eigenen rechtfertigen und für sie kämpften sie. Gerade die englische Verfassung greift Paine an und mit ihr verwirft er implicite die ganze bisherige Argumentation der Amerikaner. Wenn er dafür an die ursprünglichen, absoluten Menschenrechte — die jetzt im Gegensatz zu den positiven Rechten stehen — und an die freie Vernunft allein appelliert, so ist die ganze Streitfrage von einer staatsrechtlichen Ebene auf eine sittlichmenschliche gehoben und der früher nur angelsächsische Horizont zu einem universalen erweitert. Das bedeutet aber weit mehr als einen bloßen Kostüm- und Szenenwechsel; auch die Rollen und die Handlung des Stückes sind fast zur Unkenntlichkeit verändert. Nicht ein Teil der englischen Untertanen steht der Zentralregierung gegenütx r, sondern ein Kontinent dem anderen, ein Volk dem König, freie Republikaner einem Tyrannen. Aus konkreten Personen, die der Gewalt des Augenblickes gehorchen, sind so ideale Gestalten geworden, Vertreter einer Idee, Repräsentanten ihrer Gattung. Der Streit um die Auslegung der Verfassimg, um Sicherung der verbrieften Privilegien wird zu einem erhabenen Kampf um die höchsten Ideale und Schicksale der Menschheit hinaufgesteigert, die staatsrechtliche Krise zu einem weltgeschichtlichen Moment, zur Geburtsstunde einer neuen Zeit und neuen Welt. Aus diesen Vorstellungen heraus erhebt Thomas Paine als erster klar und entschieden die Forderung der Unabhängigkeit und Republik. Es wäre freilich übertrieben, deshalb den Europäer als den geistigen Vater der amerikanischen Unabhängigkeit und Staatsform zu bezeichnen1). Damals, Anfang 1776, hat sich der Konflikt schon so zugespitzt, daß der Abfall der Kolonien und damit auch die Republik unausweichlich kommen muß. Trotzdem aber bleibt es bemerkenswert, daß nicht ein Amerikaner, sondern ein europäischer Radikaler zuerst das revolutionäre, bisher ängstlich vermiedene Wort ohne Hemmung ausspricht. Aus dem anderen Temperament allein ist das sicher nicht zu erklären, erst die grundsätzlich andere Auffassung des ganzen Streites mit England macht Paines Forderung zur Selbstverständlichkeit. Was die Amerikaner in ihrem Streben nach Legitimität zögernd nur als die äußerste, leider unvermeidlich gewordene Konsequenz des Kampfes um ihre alten Rechte hinstellen, als bittere Notwendigkeit, als letztes Mittel zur Erhaltung ihrer bedrohten Freiheiten rechtfertigen, das faßt Paine von vorneherein als das Ziel und die treibende Kraft des ganzen Kampfes auf. Was Hindernis war, wird ') Paine selbst tat es, er liebte es, seine Feder mit Washingtons Schwert zu vergleichen.



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zur Hilfe, was Mittel war, wird zum Zweck und der konservative „Legal Mind" macht einem bewußten, ausgesprochenen revolutionären Geiste Platz. II. Fast gleichzeitig mit .Common Sense' — im Februar 1776 — veröffentlicht in England Richard Price, ebenfalls ein Dissenter und Radikaler und ein ausgemachter Idealist, eine kleine Schrift über den Streit mit den Kolonien: „Observations on the Nature of Civil Liberty, the Principles of Government, and the Justice and Policy of the War with America" 1 ). Eindeutiger als bei Paine ist es nicht eigentlich ein politisches Interesse, das ihn an die Seite der Kolonisten führt, sondern der religiös sittliche Wille des Dissenters, die Hoffnung auf Besserung der Welt, man kann fast sagen christliche Nächstenliebe. Er tritt also im Grunde nicht für die Amerikaner als solche ein, und selbstverständlich noch weniger für ihre Charters und Privileges — ihm, dem Geistlichen liegt vielmehr daran, die leidende Menschheit, die Menschenfreiheit und Menschenwürde, gegenseitige Duldung und Gerechtigkeit in diesem Kampfe zu fördern. Viel klarer und radikaler als Paine geht er von den göttlichen Rechten aus — man möchte fast sagen von der aufgeklärten göttlichen Gerechtigkeit. Er schreibt den Kolonisten seine humanitären Ideale und die Gründung seines Idealreiches zu und verleiht damit dem politischen Kampfe eine sittlich-menschheitliche Bedeutung und den Amerikanern eine moralische Überlegenheit gegenüber dem verderbten Mutterland, die diesen selbst während der zwölf Jahre, die der Streit schon währte, noch nicht aufgefallen war. „Ich habe von einem obersten Grundsatze eine Anzahl von Folgerungen abgeleitet, die mir unanfechtbar scheinen. Diese wollte ich auf die große Streitfrage zwischen dem Königreiche und den Kolonien angewandt wissen . . . Man möge beachten, daß ich mich entschlossen habe, die Streitfrage unter dem Gesichtspunkte der allgemeinen Prinzipien bürgerlicher Freiheit zu behandeln, und nicht unter dem Gesichtspunkte des Brauches früherer Zeiten oder der Charters der Kolonisten . . . Ich wünsche viel') 1777 folgten die „Additional Observations". Beide Schriften erschienen 1778 vereint unter dem Titel „Two Tracts on Civil Liberty". Über Price vgl. William Morgan, „Memoirs of the Life of the Rev. Richard Price", London 1 8 1 5 ; Roland Thomas, „Richard Price", London 1924; „Letters to and from R. Price 1767—90" aus Proceedings of the Mass. Hist. Society 1903; Leslie Stephen, op. cit.; H. J . Lasky, op. cit.



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mehr, daß der Streit vor ein höheres Forum kommt und zu einer sichereren Entscheidung. Die Fragestellung für alle freisinnigen Untersuchungen sollte nicht lauten: welche Oberhoheit gewähren Präzedenzfälle und Charters, sondern welche Oberhoheit gewähren die Vernunft, die Billigkeit und die Menschenrechte" 1 ). „Und es mag gestattet sein, die Kolonisten mit Absicht zu begünstigen und durch sie die übrige Menschheit, indem man mithilft, in einem ausgedehnten, mit allen Vorzügen ausgestatteten Lande eine Regierungsform und eine zukunftsreiche Macht zu begründen, die die Welt in Staunen setzen wird; wo jedes Gebiet menschlicher Forschung der offenen Diskussion freigegeben sein soll, und wo die Freunde der Freiheit aus allen Erdteilen eine sichere Zuflucht finden sollen vor weltlicher und geistiger Tyrannei" 2 ). „Die Trennung der Neuen von der Alten W e l t . . . wird eine neue Ära in den Anniden der Menschheit eröffnen und eine Umwälzung hervorrufen, die vielleicht bedeutender sein wird als irgendeine, die die Menschheit bisher erlebt hat" 3 ). Die Verschiebung und Hinaufsteigerung der Streitfrage ist im Schema dieselbe wie bei Paine. Während aber dieser nur flüchtig und unsystematisch diesen oder jenen Gedanken der Aufklärung herausgreift und in den Streit schleudert, entwickelt Price, der über eine viel feinere, solidere und reichere Bildimg verfügt, streng methodisch und aufs klarste formuliert die ganze, nicht unoriginelle 1 ) „1 have from one leading principle, deducted a number of consequences, that seem to me incapable of being disputed. I have meant that they should be applied to the great question between this Kingdom and the Colonies, . . . I beg it may be attended to, t h a t I have chosen to try this question b y the general principles of Civil L i b e r t y ; and not by the practice of former times; or b y the C h a r t e r s granted the Colonies . . .. B u t I wish to have this question brought to a higher test, and surer issue. The question with all liberal enquiries ought t o be, not what jurisdiction over them P r e c e d e n t s and C h a r t e r s give, but what reason and equity, and the rights of humanity give." T w o tracts, S. 31/2.

*) „ A n d it may be permitted on purpose to favor them (Colonists) and in t h e m the rest of mankind; b y making w a y for establishing in an extensive country possessed of every advantage, a plan of government and a growing power that will astonish the world and under which every subject of human enquiry shall be open t o free discussion, and the friends of Liberty, in every quarter of the globe, find a safe retreat from civil and spiritual t y r a n n y . " „ T w o Tracts", London 1778, S. 103. 3) „ T h e disruption of the n e w from the o l d world. . . . Will begin a new aera in the annals of mankind; and produce a revolution more important perhaps, than any that has happened in human affairs." „ A d d i tional Observations", 1777, S. 87.

— 42 — Staatsphilosophie, die er auf den schwebenden Zwist und die zukünftige Organisation Amerikas angewendet wissen will. Price geht dabei von dem Begriff der Freiheit des Individuums aus. Freiheit ist Selbstbestimmung, Herr seiner Entscheidungen sein, d. h. so Handeln oder Nichthandeln können, wie man es selbst als das Beste erkennt. Religionsfreiheit bedeutet also: Gott nach den Geboten des eigenen Gewissens verehren, sittliche Freiheit: unbeeinflußt von bösen Leidenschaften das ab gut Erkannte tun, bürgerliche oder politische: ohne Zwang nur nach seinem eigenen Willen handeln, sein eigener Gesetzgeber sein. Ebenso wie die religiöse Selbstbestimmung ist die politische ein allen Menschen von Gott gleichermaßen gegebenes Recht, ein unveräußerliches, unverletzliches und nicht genug zu schützendes Gut. Sobald die Handlungen eines Menschen von einem fremden Willen bestimmt werden, beginnt Sklaverei. Daß alle Menschen gleich sind, bedeutet also, daß niemand, unter keinen Umständen ein Recht haben kann, über einen anderen zu herrschen, ihm seinen Willen aufzuzwingen. Der König oder das Parlament können also gar nicht souverän sein, denn dann würde der Wille eines einzelnen oder einer Gruppe über die Gesamtheit bestimmen, nicht die Gesamtheit über sich selbst. Und ebenso ist die Unterordnung eines Landes unter ein anderes, die Abhängigkeit einer Kolonie von der Regierung des Mutterlandes mit dem Begriff der Freiheit unvereinbar. Aus dem Recht auf Selbstbestimmung leitet sich auch das Recht auf Staatsgründung ab. Wenn sich Individuen zu einem Gemeinwesen zusammenschließen, so können sie ihre Freiheit dadurch nicht beschränken oder gar aufgeben, denn der Staat selbst ist nichts anderes als eine freiwillige gegenseitige Anerkennung und Sicherung der Freiheit, eine gegenseitige vertragsmäßige Einrichtung zum Schutze aller Bürger gegen jede gewaltsame Beschränkung ihrer Selbstbestimmimg. Nur die Gesamtheit der freien Bürger also kann souverän sein, und zwar ist sie das dauernd, in jedem Augenblicke — wie bei Rousseau — und nicht nur potentiell oder im Akte der Revolution wie bei Locke, bei Blackstone und den Whigs. Nur der Staat ist daher für Price frei, in dem jeder Bürger sein eigener Gesetzgeber ist, d. h. in dem die Regierung durch gemeinsames Einverständnis vom Volke für das Volk eingerichtet ist, restlos den Willen der Gesamtheit darstellt, und in jedem Augenblicke vom Volke abhängt, und von ihm geändert werden kann. In diesem Falle sind Steuern nur freiwillige Gaben, Gesetze freiwillige Vereinbarungen zu besonderen Zwecken und die Be-

— 43 — amten und Behörden sind lediglich Beauftragte oder Verwalter, die für die Ausführung dieser Vereinbarungen zu sorgen haben. Volle Freiheit kann nur in kleinen Gemeinwesen verwirklicht werden, wo jeder Bürger unmittelbar an der Regierung teilnimmt; durch das Abgeordneten-System kann jedoch auch in beliebig großen Staaten ein durchaus befriedigendes Maß von Freiheit gewahrt bleiben. Dann aber müssen alle Bürger gleiches aktives und passives Wahlrecht haben, die Wahlen müssen häufig und frei und die Abgeordneten dem Volke für ihre Handlungen verantwortlich sein. Sobald aber die Volksvertretung die ihr übertragenen Befugnisse überschreitet, oder von einem anderen als dem Willen der Wähler abhängig wird oder sobald sie sich etwa durch ein stehendes Heer oder durch Finanzoperationen Machtmittel schafft, die sie von der steten Kontrolle durch das Volk unabhängig machen, wird auch sie zum Tyrannen. Gegen solche Gefahren kann die Freiheit gar nicht eifersüchtig genug gehütet werden und es kann überhaupt nicht zu viel wahre Freiheit, d. h. Selbstbestimmung geben; selbst wenn diese gelegentlich zu Unordnung und Aufruhr führt, ist das als ein erfreuliches Zeichen zu betrachten, daß das Volk noch über seine Rechte wacht und solche Störungen sind jedenfalls besser und harmloser als die dauernde pseudorechtliche Unterdrückung in einer despotischen Ordnung. Mehrere freie Staaten können sich endlich genau wie die Individuen in der Weise zusammenschließen, daß sie sich gegenseitig ihre Freiheit garantieren, d. h. daß sie ihre inneren Angelegenheiten selbst regeln, während sie die Vertretung der gemeinsamen und äußeren Interessen einem Bundessenat übertragen, in den jeder seine Vertreter schickt. Der Senat hat auch als oberster Schiedsrichter Streitigkeiten unter den Bundesmitgliedern zu schlichten, die sich freiwillig verpflichten, den Schiedsspruch anzuerkennen. Durch den Beitritt neuer Staaten kann sich ein solcher Bund erweitern bis er einen ganzen Kontinent umfaßt, ja es ist denkbar, daß er schließlich alle Völker der Erde vereint und der Menschheit den ewigen Frieden bringt. So konstruiert Price vom Recht des Individuums auf Freiheit geradlinig durch bis zum Völkerbund und zum ewigen Frieden, in einer ganz abstrakten, mathematischen Weise, die vielfach an Rousseau erinnert und auch zweifellos von diesem beeinflußt ist. In bezeichnender Weise aber unterscheidet sich der englische Dissenter aufs schärfste von dem Genfer, wenn es sich darum handelt, die Aufgabe des Staates zu bestimmen. Während die Demokratie des Contrat Social die Allmacht des absolutistischen



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Königtums ungeschmälert, ja erhöht erbt, ist Price ängstlich bemüht, das Tätigkeitsfeld des Staates aufs engste zu beschränken. Der englische Andersgläubige ist gewohnt, im Staate vor allem den gewaltsamen Unterdrücker zu sehen und die Macht als böse, sündhaft und höchst gefährlich zu betrachten. Wen die Macht einmal über seine Nebenmenschen erhoben hat, den vergiftet sie, und kaum einer hat der Versuchung widerstehen können, übertragene Macht zu Unrecht zu behalten und zu schlechten Zwecken zu benützen. Daher muß nichts mit solchem immer wachem Mißtrauen bewacht werden wie Macht, Machthaber und Machtgebrauch. Wären alle Menschen sittlich frei, d. h. wäre ihre freie Selbstbestimmung nicht getrübt, so würden sie niemals die Selbstbestimmung der Nebenmenschen verletzen und der Staat wäre überhaupt überflüssig. Erst durch die Unvollkommenheit der sittlichen Selbstbestimmung bei den Menschen wird der Staat notwendig und er hat in erster Linie die Aufgabe, die Freiheit Aller zu erhalten. Selbst da, wo er Zwangsgewalt anwendet, darf es nur um der Freiheit willen geschehen, nur um den Übergriff eines Mächtigeren in die Selbstbestimmungsrechte eines Schwächeren zurückzuweisen und so allen Bürgern zu ermöglichen, nach ihrem eigenen Erkennen und nicht nach einem fremden Willen zu handeln. Sobald aber der Staat mehr tut als zu diesem seinem Zwecke unbedingt notwendig ist, verfährt er gegen seine Bestimmung und wird zur bösen Gewalt und Tyrannei. Es ist klar, daß dieser Staat im Grunde eine moralische Einrichtung und diese politische Freiheit — ein Korrelat der religiösen und sittlichen — im Grunde selbst ein sittlicher Begriff ist. Es bedürfte gar nicht erst der ausdrücklichen Betonung des Schutzes der Glaubensfreiheit als der vornehmsten Aufgabe des Staates, um die naheliegende religiöse und ethische Wurzel zu zeigen, aus der diese Staatstheorie hervorwächst. Es ist daher von Bedeutung, daß Price in seinen Glauben eine Reihe von humanitären und utilitaristischen Gedanken der Aufklärungsphilosophie aufgenommen hat. Sein Christentum ist „the perfection of reason", seine Tugend wesentlich Philanthropie. Nur wo Priester und Könige im Bunde mit unrechter Macht herrschen und unterdrücken, da wird die Lehre Gottes zu finsterem Aberglauben, die Nächstenliebe zu grausamer Intoleranz und der freie Menschengeist zu scheuem, feigem Dienersinn. Was kann die Menschheit mehr erniedrigen und entwürdigen als von Geburt an zu einem Wesen, das nicht besser ist als wir, als dem Herren unseres Schicksals emporzublicken und seinen Willen als Gesetz anzunehmen. Wie sollen Menschen einen erhabenen



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Gedanken fassen, die wie das Vieh im Joch getrieben werden und nicht wagen dürfen, über die wesentlichsten Dinge zu denken oder gar zu sprechen ? Die bedauernswerten Sklaven des Despotismus, die wie die Herden eines Gutes von einem Herren auf den anderen vererbt werden, leben in öder Dumpfheit dahin, ohne Ansporn zum Besseren, ohne edlen Ehrgeiz; ihre natürlichen Anlagen verkümmern und ihre gottgegebene Menschenwürde ist geschändet. Wenn aber die jahrhundertealten Ketten gesprengt werden und der Bürger im freien Staat seine Rechte gesichert weiß, dann erhebt ihn das Bewußtsein, sein eigener Herr zu sein, seinen Glauben und sein Handeln selbst zu bestimmen und gibt ihm Stolz und Verantwortung, Größe und Glücksgefühl. Durch freie Vernunft und ehrliche Diskussion wird dann die wahre Religiosität und Tugend gefördert und Vorurteil und Bosheit weichen vor der ungehemmten Kraft der Wahrheit und Menschlichkeit. Rohe Macht, Laster, Krieg, Zerstörung und Elend verschwinden mit dem Tyrannen, statt dessen öffnet sich im freien Staat dem Unternehmungsgeist ein weites Feld und gibt allen Kräften und Anlagen einen gewaltigen Ansporn zu wetteifernder Tätigkeit, zur Verbesserung und zum Fortschritt. J e freier ein Land, desto reicher und reger das geistige Leben, denn die Freiheit ist der Boden, auf dem die Künste und Wissenschaften und große Männer gedeihen. Erziehung und Aufklärung werden sich allgemein verbreiten und der höherstrebende Forschergeist beglückt die fortschreitende Menschheit mit segensreichen Erfindungen. Schon hat es der Mensch gar weit gebracht, er mißt den Lauf der Gestirne, er fesselt den Blitz und erobert das Reich der Lüfte „und vielleicht ist es nicht zu überschwenglich, zu erwarten, daß (falls die Regierungen keine Hindernisse in den Weg legen) der Marsch des Fortschrittes nicht eher einhalten wird, als bis er von der Erde nicht nur das L a s t e r und den K r i e g vertrieben hat, sondern sogar den T o d selbst und jenen paradiesischen Zustand wiederhergestellt hat, der nach der mosaischen Geschichte unserem gegenwärtigen Zustande vorhergegangen ist" 1 ). In dieser Vision eines goldenen Zeitalters gipfelt Prices Freiheits- und Staatslehre. Es ist die religiös-sittlich begründete, universalistische und rationalistische Ideologie eines Philosophen *) Observations, S. 88, „and it may not, perhaps, be too extravagant to imagine that (should civil government throw no obstacles in the way) the progress of improvement will not cease tili it has excluded from the earth not only V i c e and W a r , but even D e a t h itself, and restored that P a r a d i s a i c a l State, which, according to the M o s a i c history preceeded our present State."



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im Sinne des 18. Jahrhunderts. Man erkennt leicht in den Vorstellungen des Dissenters eine weitgehende Ähnlichkeit, oft möchte man sagen eine wörtliche Übereinstimmung mit dem, was man heute populär ungenau, aber doch im wesentlichen mit Recht als spezifisch „Amerikanische Ideale" empfindet, und man kann in der Tat kaum die „Tracts on Civil Liberty" lesen ohne dabei aufs stärkste an W. Wilsons zuversichtlichen Glauben an die welterlösende Kraft der Demokratie und an die menschheitliche Mission der Vereinigten Staaten erinnert zu sein. Es verdient daher betont zu werden, daß es ein fast vergessener englischer Dissenter war, der als erster diese Ideale und diese Staatsauffassung mit der Neuen Welt in Verbindung gebracht hat. Damals aber als Price schrieb, waren seine Gedanken für Amerika — wo Rousseau noch so gut wie unbekannt war — eine gewaltige Neuerung; dem konservativen, historischen und realistischen Sinne von Burkes Verteidigung diametral entgegengesetzt, hatten sie mit den konkreten, juristischen und politischen Argumenten der kolonialen Wortführer kaum etwas gemein. Und obwohl der bestechenden „modernen" Ideologie des Radikalen gerade in jener Zeit eine ungeheure agitatorische Kraft innewohnte, obwohl sie als antienglisch, demokratisch und republikanisch den amerikanischen Verhältnissen oft viel besser entsprach als die überkommene englische Staatsauffassimg, so sollte es doch bis über die Französische Revolution hinaus dauern, ehe die neue Ideologie des Europäers in Amerika zur Herrschaft gelangte. In der Neuen Welt war nämlich mit der politischen Selbständigkeit noch lange nicht auch ein neuer politischer Geist, ein neuer nationaler Glaube entstanden, sondern ein solcher mußte erst allmählich und gegen den starken Widerstand einer alten bodenständigen Tradition von außen eingeführt werden. Als Zeuge dieser heute viel zu wenig beobachteten und doch für das politische Denken der Vereinigten Staaten äußerst bedeutsamen Tatsache sei Dr. Benjamin Rush, ein aufgeklärter philanthropischer Arzt aus Philadelphia zitiert, der folgendermaßen an Dr. Price schreibt: „Die Mehrzahl der Nöte unseres Landes und der mißverständlichen Urteile, die sich die Europäer über uns gebildet haben, sind aus dem Glauben entstanden, daß die Amerikanische Revolution schon fertig sei. Das ist durchaus nicht der Fall, vielmehr haben wir nur den ersten Akt des Dramas beendet. Wir haben zwar unsere Regierungsform geändert, aber es gilt jetzt noch in unseren Grundsätzen, unseren Meinungen und Sitten eine Revolution durchzuführen, bis diese Dinge der Verfassung, die wir angenommen haben, entsprechen. Das ist der schwierigste Teil der Aufgabe unserer



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Patrioten. Er erfordert mehr Weisheit und Stärke als Heere aus dem Lande zu treiben oder gefangen zu nehmen. Ich möchte nun, daß Ihre Feder diesem Gedanken Nachdruck verleihe. Richten Sie einen Mahnruf an die Führer unseres Landes, ihr Reich auf der Grundlage des Wissens und der Tugend aufzubauen, usw. . . . Das wird die Amerikanische Revolution zu einem Segen für die Menschheit machen. Sie haben Ihren Namen für dieses große Ereignis vor Welt und Nachwelt eingesetzt, Sie dürfen uns nicht verlassen bis nicht der Vorhang gefallen und der letzte Akt des Dramas beendet ist. Wenn Sie eine kleine Flugschrift an den Kongreß und die Parlamente der Einzelstaaten richten, wird das ganz bestimmt bei unseren Führern mehr Eindruck machen als hundert Schriften von unseren amerikanischen Bürgern"1). Hier also bittet ein Amerikaner in der Erkenntnis, daß die republikanische geistige Revolution in seinem Vaterlande erst noch durchgeführt werden muß, einen Ausländer um die Lieferung der nötigen Gedanken, man kann fast sagen um einen nationalen Glauben für die junge Republik. Den klugen Wunsch des Patrioten hat Price dann auch erfüllt durch die Veröffentlichung seiner „Observations on the Importance of the American Revolution and the Means of making it a Benefit to the World"2). Wie die „Two Tracts" das ') „Most of the distresses of our country and of the mistakes which Europeans have formed of us have arisen from a belief that the American revolution is over. This is so far from being the case, that we have only finished the first act of the drama. — We have changed our forms of government; but it remains yet to effect a revolution in our principles, opinions and manners, so as to accomodate them to the government we have adopted. — This is the most difficult part of the business of the patriots of our country. — It requires more wisdom and fortitude than to expell or to reduce armies into captivity. — I wish to see this idea inculcated by your pen. — Call upon the rulers of our country to lay the foundation of their empire in knowledge as well as in virtue, etc. . . . This will render the American revolution a blessing to mankind. As you have staked your reputation upon this great event with the world and with posterity, you must not desert us till you see the curtain drop and the last act of the drama closed. A small pamphlet addressed by you to the Congress and the Legislatures of each of the States would, I am sure, have more weight with our rulers than an hundred publications thrown out by the citicens of this country." — Vgl. William Morgan, „Memoirs of the Life of the Rev. R. Price", London 1815, S. 104. Ein ähnlicher Fall auf beschränktem Gebiet liegt in Jeff.'s Bitte an P., einen Aufruf gegen die Sklaverei an die Studenten des W. and M. Coli, zu richten. Vgl. Jeff.'s Brief an Price vom 7. Aug. 1785. 2

) London 1784; reprinted Boston 1784.

— 48 — systematischste und originellste Beispiel der Staatstheorie gewesen waren, die die Patrioten der Alten Welt der Neuen zuschrieben, so war jetzt diese neue kleine Schrift des Dissenters bei weitem das bedeutendste und vollständigste Zeugnis für das Bild, das sich das aufgeklärte Europa von Amerika, seiner Revolution und Zukunft machte. Price betrachtet wieder die amerikanischen Ereignisse nicht mit den nüchternen Augen des Politikers oder des Historikers; sondern als der mit hochgespannten Erwartungen erfüllte „Philosoph" der Zeit vor 1789 ist er nur zu bereit, die Bewohner der überseeischen Welt im Lichte seiner eigenen leuchtenden Ideale zu sehen 1 ). Freudig begrüßt er sie als die Streiter für die „universal liberty of mankind" und in ihren neuen Verfassungen glaubt er die plötzliche, weltbewegende Verwirklichung s e i n e r Staatstheorie zu erkennen. Auf allen Gebieten, so meint er, schreite gerade in seiner erleuchteten Zeit die freie Vernunft unaufhaltsam vorwärts; der herrlichste aber und folgenreichste unter ihren Siegen sei die Amerikanische Revolution. Noch nie seit der Einführung des Christentums habe die allgütige Vorsehung das Menschengeschlecht einen so gewaltigen Schritt seiner unausdenkbar glorreichen Bestimmung nähergeführt. J a , es ist das Werk Gottes selbst, der die Amerikaner auserwählt hat zu dem Volke, in dem alle Nationen der Erde gesegnet sein sollen. In Amerika soll das Reich der Freiheit und Vernunft, der Tugend und des Friedens erstehen und von dort sich ausbreiten über die ganze Welt bis sich das verheißene paradiesische Zeitalter erfüllt hat. Noch kein Volk ist im Plane der Vorsehung auf einen solchen verantwortungsvollen Posten gestellt worden wie das amerikanische. Seine Entscheidungen tragen die ungeheuerste weltgeschichtliche Bedeutung. Groß und edel hat es begonnen, doch drohen der Vollendung seines Werkes, des „fairest experiment ever tried in human affairs" 2 ) Gefahren und Hindernisse. Daher schickt sich Price an, helfend zu raten und zu warnen. E s versteht sich von selbst, daß der Dissenter die Politik der jungen Republiken konsequent von seinen eigenen menschheitlichen Idealen geleitet wissen will, daß er es also als ihre vornehmste Aufgabe betrachtet, die politische Freiheit, die Rede- und ') Vgl. schon das skeptische Urteil von Jeffersons holländischem Freunde J . G. van Hogendorp, L . C. 17, 8. Sept. 1 7 8 5 : ,,it appears to me that both these gentlemen (Price u. Mirabeau) are enthousiasts, little informed of local circumstances and forming a judgement on America rather from what they wish mankind to be, than from what it is." ') Observations, S. 69.



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ganz besonders natürlich die Glaubensfreiheit noch weiter und reiner zu verwirklichen als es schon geschehen ist. Auch ergibt sich aus seinen schon bekannten Grundsätzen ohne weiteres die eindringliche Warnung vor allen Privilegien, vor erblichen Titeln und Erstgeburtsrechten — lauter Keimen schlimmsten Unrechts — wie anderseits die Ablehnung der Sklaverei. Damit die Herrschaft des Friedens und der Gerechtigkeit in der Neuen Welt nicht gestört werde, müssen dort ferner stehende Heere 1 ), die gefährliche Stütze des Despotismus, weiter unbekannt bleiben; Republikanern ziemt es, ihre Freiheit selbst zu verteidigen statt sie der Gnade bewaffneter Sklaven anzuvertrauen. Dagegen empfiehlt es sich, die Bundesregierung zu stärken, damit sie erfolgreich unter den Einzelstaaten als friedlicher Vermittler wirken könne. Neuer dagegen ist, daß Price die Amerikaner nachdrücklichst mahnt, die Erziehung besonders aufmerksam zu pflegen. Sie sei unentbehrlich zur Schaffung und Erhaltung jenes Geistes, der allein einem freien Staate Bestand und Festigkeit verleiht. Freilich dürfe der Unterricht nicht wie bisher meistens voreingenommen eine bestimmte Lehrmeinung, einseitig ein fertiges Dogma verbreiten mit dem Erfolg, daß der unverbildete Geist eines einfachen Mannes der Wahrheit näher komme als die Mehrzahl der stolzen Gelehrten und Professoren; es sei vielmehr bei jeder Sache mit der Neutralität des Mathematikers Grund und Gegengrund zu zeigen, nicht die Wahrheit — denn wer besitzt sie sicher ? — sondern das Finden der Wahrheit zu lehren ohne Vorurteil und ohne Furcht vor Neuerung. Ja, es sei in der Erziehungskunst wohl noch ein Geheimnis zu entdecken, kraft dessen künftige Geschlechter in Seligkeit und Tugend heranwachsen werden. Denselben etwas naiven Optimismus des Aufklärers verrät der Rat zur Förderung des Glückes unter den Menschen fleißig Bevölkerungsstatistiken zu benützen. Eine besondere Spezialität, mit der Price früher schon in England hervorgetreten war, sind seine finanzpolitischen Pläne. Staatsschulden verwirft er als ungeheuer gefährlich für die Freiheit und für den Bestand der Nation, und Amerika solle sich schon aus Ehrgefühl und noch durch das traurige Beispiel Englands gewarnt beeilen, möglichst schnell abzuzahlen. Er rechnet dann ') Der Kampf gegen die stehenden Heere hatte bekanntlich in England eine große Rolle gespielt; viele Aufklärer hatten diese Einstellung übernommen. Vgl. etwa Siiyfes; die Amerikaner hatten die Feindschaft gegen das stehende Heer ohnedies schon vom Mutterlande geerbt und konnten sie in ihrer isolierten Lage auch durchfahren. Beiheft d. H . Z. 17.

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seinen Freunden vor, daß das innerhalb von 13 beziehungsweise von 201/« Jahren mit Hilfe eines „Sinking Fund" leicht geschehen könne und später soll ein Bundesschatz angelegt werden, der sich auf etwas geheimnisvolle Weise von selbst bald so vermehrt, daß in dem beneidenswerten Lande überhaupt keine Steuern mehr gezahlt werden brauchen. Bei weitem der interessanteste Teil von Prices Büchlein sind aber seine soziologischen Ausführungen: „Der glücklichste Zustand des Menschen ist der mittlere zwischen dem wilden und dem verfeinerten, oder zwischen dem wilden und dem üppigen Zustande. Das ist der Zustand der Gesellschaft in Connecticut und in manchen anderen amerikanischen Provinzen. Dort besteht die Bevölkerung, wenn ich gut unterrichtet bin, aus einer unabhängigen und tapferen Yeomanry, alle sind ziemlich auf derselben Stufe, in Waffen geübt, ihrer Rechte bewußt, in selbstgesponnenes Tuch gekleidet, von schlichten Sitten und der Üppigkeit fremd. Der Boden gewährt ihnen ein reichliches Auskommen und der Verdienst wird von fleißiger Hand leicht erworben; das bringt junge Ehen und zahlreiche Nachkommenschaft, langes Leben und schnelle Zunahme der Bevölkerung. Reichtum und Elend, hochmütige große Herren und kriechende Schmeichler sind ihnen gleich unbekannt. Sie stehen unter dem Schutze von Gesetzen, die (da sie ihr eigener Wille sind) sie nicht bedrücken können und einer gerechten Regierung, die, da sie keine einträglichen Ämter bietet, keinen Anlaß gibt zu Wahlbestechung und ehrgeiziger Intrige. Oh, ausgezeichnetes Volk, mögest du lange so glücklich bleiben und möge das Glück, das du genießest, sich über die ganze Erde verbreiten" 1 ). 1 ) „The happiest state of man is the middle state between the s a v a g e and the refined, or between the wild and the luxurious state. Such is the state of society in Connecticut, and some others of the A m e r i c a n provinces; where the inhabitants consist, if I am rightly informed, of an independent and hardy Y e o m a n r y , all nearly on a level — trained to arms — instructed in their rights — cloathed in homespun — of simple manners — strangers to luxury — drawing plenty from the ground — and that plenty, gathered easily by the hand of industry; and giving rise to early marriages, a numerous progeny, length of days, and a rapid increase — the rich and the poor, the haughty grandee and the creeping sycophant equally unknown — protected by laws, which (being their own will) cannot oppress; and by an equal government, which wanting lucrative places, cannot create corrupt canvassings and ambitious intrigue. — O distinguished people! May you continue long thus happy; and may the happiness you enjoy spread over the face of the whole earth!" Observations 57,58.



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Doch leider droht diesem rührenden Idyll böse Versuchung und Gefahr. Die europäischen Länder werden um die Wette die Amerikaner einladen und locken, mit ihnen Handel zu treiben und sich zu bereichern. Möchten doch ja die jungen Republiken diesen Lockrufen widerstehen und sich abwenden, abschließen von der Alten Welt! Mögen sie sich zufrieden auf das eigene riesige Land beschränken, das ihnen alles bietet, was zu einem einfachen und glücklichen Leben genügt 1 ). Was kann das verderbte Europa denn anderes bieten als Ansteckung von Luxus und Laster ? Wenn aber Amerika nicht standhält und sich in Handelsverkehr mit der Alten Welt einläßt, dann wird es unweigerlich in deren unglückliche und sinnlose Streitereien, Intrigen und Kriege mit hineingezogen werden — und schlimmer noch: in Amerika selbst werden Kaufherren und Spekulanten, Banken und Börsen einziehen. „Und sollte das geschehen, so wird jene Schlichtheit des Charakters dahin sein und jener männliche Geist, jene Verachtung des Tandes, die die wahre Würde ausmacht. Verweichlichung, Dienersinn und Käuflichkeit werden ihren Einzug halten und Freiheit und Tugend werden in der Verderbnis untergehen. So kann die Entwicklung der Ereignisse in den amerikanischen Staaten kommen. Unendlich besser wird es für sie sein, wenn sie aus Körperschaften von schlichten und ehrlichen Bauern bestehen, statt aus üppigen und prunkenden Kaufleuten. Wo in den Staaten herrschen die reinsten Sitten ? Wo leben die Einwohner am ehesten auf gleicher Stufe und am sorgenfreiesten ? Ist es nicht in jenen Gegenden im Inneren des Landes, wo die Landwirtschaft Gesundheit spendet, der Handel kaum bekannt ist ? Und wo sind anderseits die Einwohner am selbstsüchtigsten, üppigsten, liederlichsten und lasterhaftesten und gleichzeitig am unglücklichsten ? Ist es nicht die

') „ A n d should this happen, that simplicity of character, that manliness of spirit, that disdain of tinsel in which true dignity consists, will disappear. Effeminacy, servility and venality will enter; and liberty and virtue be swallowed up in the corruption. Such may be the course of events in the American States. Better i n f i n i t e l y will it be for them to consist of bodies of plain and honest farmers, rather than opulent and splendid merchants. —• Where in the states do the purest manners prevail ? Where do the inhabitants live most on an equality, and most at their ease ? Is it not in those inland parts where agriculture gives health, and trade is scarcely known ? — Where, on the contrary, are the inhabitants most selfish, luxurious, loose, and vicious; and at the same time most unhappy? Is it not along the sea coasts, and in the great towns where trade flourishes and merchants abound ?" — Observations S. 64.

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Küste entlang und in den großen Städten, wo der Handel blüht und die vielen Kaufleute sind?" 1 ) Diesen Ausführungen liegt die sehr richtige Erkenntnis zugrunde, daß die Idealdemokratie des Philosophen, in der statt Macht und Interesse nur Vernunft und Recht entscheiden sollen, nur in einer homogenen Bevölkerung ohne Klassen- und Interessengegensätze möglich ist; daher auch die — moralisch umkleidete und in jener rousseauisch denkenden Zeit ohnedies beliebte — Warnung vor dem die Gleichheit störenden merkantilen Interesse. Diese Auffassung war indes in Amerika noch kaum verbreitet. Es hatte zwar schon lange in den Kolonien ein Gegensatz zwischen dem ländlichen Westen und dem städtischen Osten bestanden, er war aber noch nicht in einer festen, gar nationalen Parteibildung oder Parteiideologie wirksam und bewußt geworden. Diese Scheidimg sollte erst später stattfinden, wenn unter Jeffersons und Hamiltons Führung im großen und ganzen die agrarische und die merkantile Schicht der Nation sich als Republikaner und Föderalisten gegenübertraten. Indem nun Price den Farmer allein zum Träger all seiner Ideale macht, ihn allein als den wahren Amerikaner und den wahren Republikaner hinstellt, den Kaufmann dagegen, der mit der traditionellen englisch-whiggistischen Ideologie recht gut weggekommen war, als europäisch- oder englisch-korrupt angreift, stellt er schon die höchst zugkräftige Ideologie für eine amerikanische agrarische Partei auf, noch bevor eine solche existiert. Es liegt hier also der merkwürdige Fall vor, daß ein Parteigegensatz, der erst später p o l i t i s c h existent werden sollte, schon im voraus von einem Ausländer i d e o l o g i s c h festgelegt und formuliert ist. J a noch mehr, in den Schriften des Ausländers Price findet sich ein systematisch geschlossener, hochfliegender und äußerst wirkungsvoller Nationalglaube fertig vertreten, lange bevor ihn das amerikanische Volk — für das er gedacht war — aufgenommen hatte, man kann sagen: bevor die Amerikaner einen eigenen Nationalgedanken besitzen, ist dieser in den Schriften eines Engländers fertig da. III. Während Price die Umdeutung und Idealisierung des Unabhängigkeitskrieges zum großen Teil sicher unbewußt aus der Stimmung des vorrevolutionären Europa heraus vornimmt, ist er sich anderseits doch wieder darüber klar, daß seine Vorstellungen und ') Man vergleiche die Gedankengänge in Fichtes „Geschlossenem Handelsstaat".



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Ideale den Amerikanern noch fremd und unbekannt sind, daß er sie erst belehren und aufklären muß. Er weiß zwar nicht, daß er ihnen eine grundsätzlich neue Revolutionsideologie bietet — er hatte ja auch den Gegensatz zwischen seiner Stellung und derjenigen Burkes nicht erkannt — wenigstens aber ist er sich dessen bewußt, daß er noch erklären und ergänzen muß. Denn trotz der irrtümlichen Auffassung der Revolution ist Price durch gute Verbindungen gar nicht schlecht über die tatsächlichen Zustände und Vorgänge in der Neuen Welt unterrichtet. Anders steht es mit den amerikanischen Kenntnissen der übrigen freiheits- und reformbegeisterten Europäer, ganz besonders der Franzosen, die sich zu demselben Thema äußern. Als Mably und Marmontel in der Absicht, eine Geschichte der Amerikanischen Revolution zu schreiben, sich an John Adams wenden, versucht dieser sie dadurch von ihrem Vorhaben abzuschrecken, daß er ihnen — mit der Bemerkung, sie seien schon bedenklich alt, zu einem solchen Unternehmen — ein erbarmungslos gründliches Verzeichnis nur der „unumgänglichsten" Quellen zusammenstellt. Am Schluß der stolzen Liste erwähnt er schließlich noch einige in Paris und London bereits erschienene Werke über das Thema; von deren Lektüre aber absolviert sie der boshafte Berater, denn, so meint er, „All these historiés (on the American War and the American Revolution) both in French and English, are only monuments of the complete ignorance of the writers of their subject" 1 ). Was hier John Adams in der ihm eigenen klaren Ausdrucksweise konstatiert, hat neuerdings B. Fay 2 ) für Frankreich mit größter Gründlichkeit bis ins Einzelste nachgewiesen, so daß nunmehr endgültig feststeht, daß das zeitgenössische Urteil der Franzosen über die Amerikanische Revolution durch so gut wie gar keine Sachkenntnis getrübt ist. Vom amerikanischen Standpunkt aus ist es aber durchaus unklug, wenn John Adams und gelegentlich auch Jefferson diese Unkenntnis beklagen. Wohl bestehen in Frankreich auch unangenehme Vorurteile, wie vor allem die selbst von Buffon vertretene unerhörte Meinung, daß in der Neuen Welt die Luft gar feucht und daher Mensch und Tier nicht stark und groß sei wie in *) 1782; vgl. Works of J. A. ed. by Ch. Fr. Adams, Boston 1851, V o l . V , S. 294. 2) Bernard Fay, L'Esprit Révolutionnaire en France et aux EtatsUnis à la Fin du X V I I I e Siècle, Paris 1924, S. 102: „Aucune connaissance de première main, aucune documentation sérieuse, beaucoup de l'enthousiasme et de la moralité." Vom selben Autor vgl. „Bibliographie critique des ouvrages français relatifs aux Etats-Unis (1770—1800)", Paris 1925.

— 54 — Europa, sondern viel kleiner und unscheinbarer1). Das ist aber so ziemlich das beleidigendste Mißverständnis, und im Ganzen neigen die Franzosen entschieden dazu, sich ein zu helles, oft genug unwahrscheinlich rosiges Bild von Amerika zu machen. Dem kommt schon die sentimentale Mode der Zeit entgegen, den weisen und unvermeidbar edlen Wilden und den sittenreinen und friedlichen Bauern zu idealisieren und sich für eine exotische und jungfräuliche Natur zu begeistern. Und gerade daß man so wenig von den Einrichtungen und Zuständen jener abgelegenen Küsten weiß, macht die Franzosen erst recht bereit, dort ihr hochfliegendes Sehnen und Wünschen verwirklicht zu glauben. Als daher die Kunde eintrifft, daß die Kolonisten in Aufruhr gegen eine tyrannische Obrigkeit seien, daß sie ihre Rechte — Menschenrechte — fordern und sich gar selbst neue, freie Verfassungen geben, da wirken die beiden geistigen Strömungen der Zeit — die sentimentale Unschuldsschwärmerei und die politische Reformphilosophie — zusammen, um die dürftigen Nachrichten zu einem rührenden Bilde in der Art Rousseaus zu ergänzen. Entzückt sieht man plötzlich in einem abgelegenen Kontinent seine kühnsten Erwartungen erfüllt, und seine utopisch geglaubten Theorien bestätigt von einem unverderbten, glücklichen, aufgeklärten Volke, das von erleuchteten Greisen geführt seine natürlichen Rechte mutig verteidigt und in schlichter Größe und rührender Einfalt nach den Geboten der Vernunft und Natur tugendhafte Staaten errichtet. Kurz, die Franzosen projizieren ähnlich wie Price nur zu bereitwillig die eigenen Ideale, von denen sie zum Überlaufen erfüllt sind, auf die Neue Welt — in Frankreich wird die Amerikanische Revolution erst zu einem „philosophischen" Ereignis. Franklin rettete die nationale Ehre, indem er, als er einmal ausgesucht lange Amerikaner und ausgesucht kurze Franzosen in seinem Hause versammelt fand, von ungefähr auf Buffons Theorie zu sprechen kam und mit seinen Gästen einen praktischen Gegenbeweis anstellte. Jefferson, der sich die Sache entschieden mehr zu Herzen genommen hatte, wollte nicht nachstehen und schrieb aus Paris dem Gouverneur von New Hampshire, er möge ihm als Beweis der zoologischen Überlegenheit seiner Heimat einen ganz besonders großen Elch für Buffons Naturalienkabinett schicken. Der Gouverneur ließ sich nicht zweimal bitten und mitten im tiefsten Winter zog eine ganze Abteilung Milizsoldaten in die Wildnis hinaus, den großen Elch zu jagen. Es mußte dann zum Transport des wertvollen Tieres viele Meilen lang ein Weg durch den Urwald gehauen werden, ehe Buffon zu den imposanten Knochen — ins Fell waren die Motten gekommen — und Jefferson zu einer nicht minder imposanten Rechnung kam.



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Nur so erklärt sich das starke, modisch übertriebene Interesse für ein weit entferntes, politisch noch wenig wichtiges Land, und wenn z. B. in der Encyclopédie der Artikel „Vereinigte Staaten" — die oft sehr umfangreichen Artikel über die Einzelstaaten gar nicht mitgerechnet — fast doppelt so lang ist als derjenige über England 1 ), so mag man daraus ersehen, wie stark durch die philosophische Brille die tatsächliche Bedeutung der Dinge verzerrt wird. Und es verdient daher besonders beachtet zu werden, daß die Franzosen viel weniger durch die Amerikanische Revolution wie sie in Wirklichkeit war, beeinflußt sind, als durch das selbstgeschaffene, aus dem eigenen, heimischen Denken hervorgegangene falsche Bild, das sie sich von ihr machen. Das Hauptmedium dieser Legendenbildung war Benjamin Franklin. Die Erfindung des Blitzableiters war gerade in jener Zeit ein äußerst glücklicher Meisterstreich gewesen und hatte dem seltsamen Manne aus dem fremden Kontinent den Ruf eines unergründlich weisen Wohltäters der Menschheit verschafft. Mit feinem Verständnis für die Franzosen und nicht ohne schauspielerisches Geschick hat es Franklin verstanden, diesen günstigen Eindruck und die vorteilhafte geistige Konjunktur für sein Land auszunutzen. Einfach und bescheiden trat er auf, aber würdig und immer leidend, ohne Etikette und ohne Perücke — er hatte von Natur aus sehr schönes Haar — als der schlichte und reine Sohn der Natur. Erfinder, Freund der hervorragendsten Gelehrten, Gründer wissenschaftlicher Gesellschaften und peinlich pünktlicher Besucher der Akademiesitzungen erschien der einfache Greis zugleich als ein Mann von ehrfurchtgebietendem, geheimnisvollem Wissen, und um so mehr bewunderte man die menschlich warme, volkstümliche und einfältige Art, mit der er seine tiefen Gedanken über die schöne Tugend und Rechtlichkeit zu verbreiten verstand. Überdies wußte er selbst durch seine aufgeklärte Güte und Toleranz und durch seine stille, quäkerhafte Wohltätigkeit die sentimentale Pariser Gesellschaft gewaltig zu rühren; die der Kirche entfremdeten Kreise waren entzückt, in ihm das willkommene Muster der natürlichen, sozialen und philantropischen Tugend ohne Priester, Dogmen und Mysterien zu entdecken. Und dieser ehrwürdige, unschuldige Greis war von den Engländern grausam mißhandelt worden ! Er hatte sich von seiner stillen Studierstube losgerissen und, ungeachtet seiner körperlichen Leiden, Mühen und Strapazen auf sich genommen, um seinen armen, unschuldig verfolgten, schlichten Landsleuten zu helfen. >) D a s Verhältnis ist 88 : 50.

— 56 — Einer solchen Vereinigung von natürlicher Unschuld, Weisheit und Tugend, vermochten die Franzosen nicht zu widerstehen; alles, was an aufgeklärten Geistern da war und auf die Befreiung der Welt hoffte, scharte sich gläubig um ihn, bewunderte, verherrlichte, verehrte, betete an. „Eripuit coelo fulmen sceptrumque tyrannis". Der bescheidene Greis hatte sieghaft bewiesen, wie die wohltätige Vernunft die Menschheit selbst von uralten, geheimnisvollen und unbezwingbar geglaubten Übeln befreit und wunderbar beglückt. Man schrieb ihm die Autorschaft der amerikanischen Verfassungen und der Unabhängigkeitserklärung zu, man hielt ihn für den Vater aller Bildung in der Neuen Welt, und glaubte, er und Washington und allenfalls noch Samuel Adams hätten ganz allein die Revolution gemacht. So wurde er bereitwillig von einem glaubensdurstigen und begeisterungsfähigen Kreis mit einem Kranz von Mythen umgeben und Franklin, der Amerikaner, der Sohn eines einfachen Wachsziehers, wurde zum unbestrittenen Nachfolger Voltaires als Patriarch der Philosophen; ja noch mehr, man schrieb ihm die Leidenskraft, die übermenschliche schlichte Güte und gar die Wunderkraft eines Heiligen des neuen philosophischen Glaubens zu. Durch diese halb mystische Gestalt Franklins, den man sich als den Typus des Amerikaners dachte, nahm die Beteiligung am amerikanischen Befreiungskampf den Charakter eines philosophischen Kreuzzuges an. Dieser begeisterte Franklinkult der Franzosen steht in einem merkwürdigen Gegensatz zu der nüchternen und sachlichen Denkweise der Amerikaner selbst, und er ist dadurch bedeutungsvoll, daß er einen guten Prüfstein bildet für die Verschiedenheit der „amerikanischen" Revolutionsideologie jenseits und diesseits des Ozeans. Ist es doch höchst bezeichnend, daß Franklin in seiner Heimat selbst lange nicht dieselbe Verehrung und Volkstümlichkeit genießt wie in Paris. Von den Amerikanern denkt niemand daran, seine natürliche Haartracht, seine dogmenlose, aufgeklärt-utilitaristische Morallehre und seine Erfindung des Blitzableiters mit den neuen Verfassungen in einen inneren Zusammenhang zu bringen, oder all diese Dinge auch nur propagandistisch in einer Linie als Zeugen des Geistes der Revolution zu präsentieren. Man weiß dort zu genau, daß man nicht für einen neuen Glauben, sondern für alte konkrete politische Rechte kämpft, die mit langen Haaren und Blitzableitern nicht das geringste zu tun haben; von der seligmachenden Kraft der Vernunft und Natur aber und von ihrem überpolitischen Reiche oder davon, daß man selbst gerade dabei sei, dieses zu gründen, hat man kaum eine Ahnung. Wenn also Franklin von seinen eigenen Landsleuten nicht zum Ideal-



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typus erhoben und nicht als der revolutionäre Philosoph lind Heilige gefeiert wird, so zeigt das eindeutig, daß die Ideale, die er — vermeintlich oder tatsächlich — verkörpert, unter ihnen nicht erkannt und wirksam geworden sind und daß sie eine revolutionäre Philosophie in jenem besonderen Sinne des späten 18. Jahrhunderts nicht besitzen. Erst in Paris kann Franklin das richtige Verständnis und die begeisterte Resonanz finden und mit überraschtem Staunen hört Amerika von dem ungeheuren Erfolg seines Sohnes1). Erst die mit glühenden Hoffnungen erfüllten Franzosen vermögen ihn mit einer Aureole zu umgeben, und in ihm die Verkörperung ihrer eigenen Ideale zu entdecken und zu feiern. Und ebenso konnte nur aus der neuen Gläubigkeit der europäischen Reformer der vorrevolutionären Zeit die Legende von den Amerikanern als den ersten Märtyrern der Philosophie geboren werden. Diese Idealisierung der Amerikanischen Revolution wird weiter durch die einzige authentische Quelle, die den Franzosen bekannt ist, durch die Texte der neuen Verfassungen und der Unabhängigkeitserklärung nicht etwa korrigiert, sondern das Mißverständnis wird durch sie nur noch gefestigt und vertieft. In diesen Dokumenten finden die Philosophen eine ganze Reihe ihrer „absoluten" Forderungen tatsächlich erfüllt — was schließlich kein Wunder ist, nachdem ihre „absoluten" Forderungen zum großen Teile ursprünglich an dem englischen Vorbilde orientiert waren. Ihr grundsätzlicher Irrtum aber entsteht daraus, daß ihnen die früheren, kolonialen Verfassungen, das englische und koloniale Recht, die vorangehende staatsrechtliche Diskussion, kurz der historische Hintergrund und Ursprung dieser Verfassungen so gut wie gänzlich unbekannt sind. Sie preisen und beneiden vielmehr die Neue Welt gerade wegen ihrer vermeintlichen Geschichtslosigkeit und glauben die neuen Konstitutionen seien wie der rousseausche Gesellschaftsvertrag sozusagen aus dem Nichts entstanden, die plötzliche Schöpfung der souveränen Vernunft, höchstens noch von der freiheitszeugenden Luft der amerikanischen Wälder beeinflußt. ') Vgl. Jeff. F. IV, 65. An Monroe, Paris. 5. J u l y 1785. ,.P. S. Europe fixes an attentive eye on your reception of Doct. Franklin (der von Paris in die Heimat zurückkehren sollte). He is infinitely esteemed. Do not neglect any mark of your appreciation which you think 639. 1534 or proper. It will honor you here." Ähnlich F. IV, 87. An Monroe, 28. Aug. 1785. „The reception of the Doctor is an object of very general attention, and will weigh in Europe as an evidence of the satisfaction or dissatisfaction of America with their revolution." Die Stelle ist schamhaft chiffriert.



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Indem die Verfassungen so aus ihrem geschichtlichen Zusammenhange herausgerissen werden, bekommen sie freilich — ohne daß an ihrem Wortlaute irgend etwas geändert wird — einen ganz anderen Sinn. Sie scheinen wirklich den Glauben und den Wunsch der Franzosen zu bestätigen, daß in Amerika mit einem Schlage eine allgemeine, ganz unerhörte Neuordnung stattgefunden und eine neue Epoche der Menschheitsgeschichte eröffnet habe. Bestimmungen, die weiter nichts als eine Wiederbestätigung oft uralter Rechte und Gewohnheiten sind, werden der Revolution zugute geschrieben, und was Produkt englischer Erbweisheit, konkreter geschichtlicher Umstände ist, ja überhaupt die ganze Revolution wird als das Werk der „Vernunft" gefeiert 1 ). „La révolution la plus étonnante, la seule peut-être qu'avoue la philosophie, appelle tous les regards sur l'autre Hémisphère", meint der begeisterte Mirabeau. Brissot schreibt eine Rechtfertigung des Abfalls der Amerikaner, in der er — was kein kolonialer Pamphletist getan hatte — die positiv staatsrechtliche Frage souverän ignoriert und einfach aus dem abstrakten Begriff des Eigentums seinen kühnen revolutionären Beweis deduziert2). Selbst ein Engländer, allerdings ein Dissenter und Rousseauschüler, behauptet: „The Americans . . . set a glorious example to France, and to the world. They formed a completely new (!) government on the principles of e q u a l l i b e r t y and the r i g h t s of men, without nobles, as Dr. Price expressively and happily said, without bishops and without a king" 3 ). Wo man die historische Kontinuität oder geCondorcet: ,,Es ist nicht genug, daß die Menschenrechte in den Büchern der Philosophen und in den Herzen tugendhafter Männer geschrieben stehen; es ist notwendig, daß die Schwachen oder Unwissenden sie in dem Beispiele eines großen Volkes lesen. Amerika hat uns dieses Beispiel gegeben." Zit. bei C. Becker. ,,The Declaration of Independence." N. Y . 1922, S. 230/1. 2) L'Indépendance des Anglo-Américains demontrée utile à la GrandeBretagne. Lettres extrait (sic!) du Journ. d'agriculture. Avril/Mai 1782. 3) Priestley, Letters to the R. H. Edmund Burke, 1791, Brief IV. Als merkwürdiges Zeugnis für die Verschiedenheit der Amerikanischen und der Französischen Revolution bzw. Auffassung der Revolution soll erwähnt sein, daß Priestley selbst später, als er die Vereinigten Staaten aus eigener Anschauung kennengelernt hatte, die oben zitierte Ansicht zurückgenommen und ins Gegenteil gewendet hat. Vgl. seine „Lectures on History and General Policy", Phila. 1803, Bd. II, Cap. X L I V , S. 132. „ T h e revolution in the states of North America was easy, because there were few things to change. Not only did the system of law, and the mode of administering it, continue the same, but the general spirit of liberty which they fostered from their first establishment in the country, though it had



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nauer die Anlehnung an das englische Vorbild bemerkt, rügt man sie und will sie durch die unbedingte Herrschaft der Vernunft ersetzt wissen: „Ich entdecke in der Mehrzahl der amerikanischen Verfassungen, schreibt Turgot, eine sinnlose Nachahmung der englischen Gebräuche. Statt alle Gewalten auf eine einzige zurückzuführen (nämlich die der Nation) errichtet man verschiedene Körper, ein Abgeordnetenhaus, einen Rat, einen Gouverneur, weil es in England ein Unterhaus, ein Oberhaus und einen König gibt. Man bemüht sich, die verschiedenen Gewalten ins Gleichgewicht zu bringen, als ob dieses Gleichgewicht der Kräfte, das man zum Ausgleich des ungeheuren Übergewichtes der Krone für nötig gehalten hat, in Republiken noch irgendeinen Sinn haben könnte, die auf die Gleichheit aller Bürger gegründet sind, und als ob alles Bilden von verschiedenen Körperschaften nicht eine Quelle des Zwiespaltes wäre" 1 ). Der bezeichnende Gegensatz zu den entsprechenden Äußerungen von John Adams drängt sich von selbst auf 2 ). Ebenso kann sich Demeunier, der Bearbeiter des politischen und ökonomischen Teiles der Encyclopédie nicht genug darüber wundern, daß die Amerikaner das alte englische Recht mit allen seinen Absonderlichkeiten, Unklarheiten und Überresten aus der finsteren Feudalzeit beibehalten, statt in dem aufgeklärten 18. Jahrhundert und bei einer so guten Gelegenheit wie einer Staatsgründung ein ganz neues, streng systematisches Gesetzbuch zu schaffen. Derselbe Debeen infringed by the absurd policy of the mother country, was the same; so that nothing was changed besides the executive power. There never had been any nobility in the country, no hereditary power of any kind, nor any general establishment of religion. The governors, who had before been appointed by the king of England, were afterwards chosen by the people; but they exercised the same powers with the preceeding governors and in the same manner." Dieser ganze Passus fehlt in der i. Ausgabe der „Lectures", Dublin 1788. *) Turgots Brief an Dr. Price. „ J e vois dans le plus grand nombre (des constitutions américaines) l'imitation sans object des usages de l'Angleterre. Au lieu de ramener toutes les autorités à une seule (celle de la nation), l'on établit des corps différents, un corps de représentants, un conseil, un gouverneur, par ceque l'Angleterre a une Chambre des Communes, une Chambre Haute et un Roy. On s'occupe à balancer les différents pouvoirs comme si cet équilibre de forces qu'on a pu croire necéssaire pour balancer l'énorme prépondérance de la royauté, pouvait être de quelque usage dans des Républiques fondées sur l'égalité de tous les citoyens, et comme si tout qui établit différentes corps n'était pas une source de divisions." 2

) Vgl. S. 29/30.



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meunier gibt weiter die schon (S. 31) zitierte Auskunft Jeffersons, daß sich mit der Revolution nur wenig geändert habe, folgendermaßen für die Franzosen übersetzt wieder: „Lors de la déclaration de l'indépendance les altérations qu'elle rendoit nécessaires se firent aisément. Tout se réduit à établire que la puissance judiciaire exercée jusqu'alors par telles et telles personnes, le serait désormais par des citoyens nommés de telle et telle manière et aucune des constitutions ne l'oublia" 1 ). In der Ubersetzung verschwinden also „the powers of législation" und „the executive powers" des Jeffersonschen Textes und es wird damit der Eindruck hervorgerufen, daß nur bei der Richterlichen Gewalt die Änderung gering war. Das ist wohl sicher mehr als ein bloßes Flüchtigkeitsversehen : der Franzose will anscheinend einfach nicht glauben, daß die Revolution in Amerika so wenig revolutionär ist. Kurzum, die Franzosen stellen sich den Papst viel päpstlicher vor als er ist, sie denken viel radikaler, revolutionärer, demokratischer und republikanischer als die Amerikaner selbst. Turgot geht in seiner republikanischen Gesinnungsstrenge soweit, zu mißbilligen, daß das freieste Volk der Welt durch das am meisten versklavte erlöst werde2). Unwillkürlich messen sie die amerikanischen Verfassungen an den Zuständen im eigenen Lande und interpretieren sie nach ihrer eigenen Reformphilosophie. Man 9telle sich nur vor, wie derselbe Satz, daß alle Menschen gleich und frei geboren sind und ein unverletzliches Recht auf Leben, Freiheit und Eigentum haben, eine ganz verschiedene Bedeutung annimmt, je nachdem er von einem Amerikaner oder von einem Franzosen gelesen wird. Der Amerikaner weiß genau, daß damit nur die und die ganz bestimmten alten Rechte und Freiheiten gemeint sind, wie sie schon in den und den Dokumenten genauer festgelegt sind. Er hat den Satz schon oft und schon lange vor dem Streite mit dem Mutterland gehört, ohne sich dabei im geringsten revolutionär vorzukommen. Er denkt mit Stolz und Ehrfurcht an Common Law, Magna Charta, Déclaration of Rights, Whig Principles, an Coke, Locke, Blackstone usw. Der Franzose nimmt denselben Satz wörtlich in seiner unbedingten und universalen Bedeutung und macht ein sittliches, halb religiöses Bekenntnis daraus. Er denkt an Vernunft, Natur, 1

) Encyclopédie Méthodique, Bd. 82, S. 399/400. ) Turgots Widerstand gegen Frankreichs Beteiligung am Kriege entsprang zwar Gründen der französischen Politik. Trotzdem bleibt das erwähnte Argument bezeichnend für die Auffassung der französischen Philosophen. 2



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Aufklärung, Fortschritt, Philanthropie, Revolution, Republik, Tugend, Friede, Weltbefreiung, Völkerversöhnung, an Voltaire, Rousseau, Diderot usw., kurz, er stellt ihn in sein fertiges philosophisches System hinein. Was der Amerikaner lediglich als eine Wiederbestätigung traditioneller Rechte vor eine nur wenig veränderte alte Verfassung stellt, das sieht sich von Frankreich aus wie eine ungeheure Neuerung an und wie der Ausgangspunkt eines neu entstandenen vernunftgemäßen Idealreiches; die Worte, die bei jenen aus einer ehrwürdigen Vergangenheit Kraft und Autorität gewinnen und zur Wahrung der Ordnung mahnen, wecken hier utopische Zukunftsvisionen und klingen wie ein Aufruf zur Revolution. Denn diese Worte tragen nicht ihre immer gleichbleibende Bedeutung in sich selber, sie bekommen ihren immer besonderen und verschiedenen Sinn erst aus der Lage, in der sie gebraucht werden und aus dem Gegner, gegen den sie sich richten. Diese Negations- und Komplementärbedeutung aber ist diesseits und jenseits des Ozeans eine andere. Für den aufständischen Kolonisten von 1776 ist „Freiheit" die Verneinung der englischen Übergriffe der letzten Jahre. Der Europäer stellt sich unter demselben Ausdruck die Abschaffung all der vielen Übel vor, die ihn bedrücken: revolutionäre Abschaffung der Privilegien der Krone, des Adels, der Kirche, der Zünfte, der Steuerpächter und aller ihrer politischen, sozialen, wirtschaftlichen und moralischen Begleiterscheinungen. Er legt so dem Begriff eine ungeheure Agressivbedeutung und damit anderseits auch eine ungeheure Heilsbedeutung bei, die ihm in der Neuen Welt nur in ungleich geringerem Maße anhaftet, er stellt ihn vor einen tiefdunklen Hintergrund, vor dem er eine entsprechend gesteigerte Leuchtkraft gewinnt. Als sich die Offiziere der Revolutionsarmee als Cincinnati zu einem Orden von aristokratischem Charakter zusammenschließen, gibt Aedanus Burke, ein Amerikaner, in einem .Pamphlet' seiner Mißbilligung Ausdruck. Mirabeau überarbeitet das Schriftchen und aus dem unzufriedenen Gemurmel des überseeischen Biedermannes wird ein schmetternder, fanatischer Sturmruf gegen die Aristokratie. „M. Burke", schreibt dazu Demeunier, nachdem er selbst seinen demokratischen Eifer an den Cincinnati gekühlt h a t . . . , " hat freilich ihre Gefahren in unvollkommener Weise geschildert, da er nur von seiner Einbildungskraft unterstützt war; ein Amerikaner konnte nicht mehr tun: denn um alle Übel der Aristokratie zu schildern, muß man sie in Europa studiert haben. Die Befürchtungen von M. Burke schienen in Amerika übertrieben, während man in Europa weiß, daß selbst M. de Mirabeau die ver-



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hängnisvollen Folgen des erblichen Adels, wie man sie in der Alten Welt verspürt, noch zu hell geschildert hat" 1 ). Es ist ganz richtig was Demeunier sagt: die Amerikaner schätzen die Demokratie nicht genug, weil sie ihr Gegenteil, die Aristokratie nicht kennen und nicht am eigenen Leibe erfahren haben. Man sieht aber auch, daß es den beiden Franzosen weniger darum zu tun ist, das eigene Übel der Neuen Welt als warnendes Beispiel vorzuhalten als vielmehr darum, dieses Übel selbst in indirekter Taktik anzugreifen. Man sagt Cincinnati — diese hatten übrigens inzwischen schon das ominöse Erblichkeitsprinzip aufgegeben — und meint damit die Privilegierten Frankreichs und Europas. Man interessiert sich nicht eigentlich für die Amerikaner als solche, sondern nimmt sie nur als willkommenen Vorwand, um die eigenen Ideen im eigenen Lande zu propagieren. „Man kann nicht anders als wünschen, daß dieses Volk den Grad des Glückes erreichen möge, dessen es fähig ist. Es ist die Hoffnung des Menschengeschlechts, es kann sein Vorbild werden. Es muß der Welt durch die Tat beweisen, daß die Menschen in Frieden und Freiheit leben können und nicht die Ketten aller Art brauchen, die ihnen Tyrannen und Schwindler aller Stände unter dem Vorwande des allgemeinen Wohles angelegt haben. Es muß das Beispiel der politischen und religiösen Freiheit, der Freiheit des Handels und des Gewerbes geben. Das Asyl, das es allen Unterdrückten aller Nationen öffnet, soll die Erde trösten. Die leichte Möglichkeit es zu benutzen, um sich den Folgen einer schlechten Regierung zu entziehen, wird die Regierungen zwingen, gerecht und aufgeklärt zu werden: die übrige Welt wird allmählich die Augen öffnen über die Nichtigkeit der Illusionen, denen sich die Politiker hingegeben haben" 2 ). Man weiß kaum, ob hier von ') ,,M. Burke . . . en montra les dangers d'une manière imparfaite, il est vrai, car il ne fut aidé que par son imagination; un américain ne pouvait rien faire de plus; pour peindre tous les maux de l'aristocratie, il faut les avoir étudiés en Europe. Les craintes de M. Burke parurent exagérées en Amérique, tandis qu'on sait en Europe que M. de Mirabeau lui - même a dessiné trop faiblement encore les funestes suites de l'aristocratie héréditaire, telles que l'on les éprouve dans l'ancien monde." (Encyclopédie 1. c. 411/414 ) *) Zitiert bei B. Fay, op. cit. S. 50/51. „11 est impossible de ne pas faire des v œ u x pour que ce peuple parvienne à toute la prospérité dont il est susceptible. Il est l'espérance du genre humain: il peut en devenir le modèle. Il doit prouver au monde par le fait que les hommes peuvent être libres et tranquilles, et peuvent se passer des chaînes de toute espèce que les tyrans et les charlatans de toute robe ont prétendu leur imposer



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den Vereinigten Staaten von Amerika oder vom Utopien der Aufklärung die Rede ist, unverkennbar aber ist es ein französischer Philosoph, der da spricht. Die Ziele, die er zeigt, haben mit denen von 1776 kaum mehr etwas zu tun, sie gehören zum Programm der französischen Reformer. Aus diesem Programm sind auch die guten Ratschläge entnommen, mit denen die Neue Welt überschüttet wird. Da sie im wesentlichen mit denen von Price übereinstimmen und den Ton auf die Vermeidung der Fehler des ancien régime legen, brauchen sie im einzelnen nicht nochmals aufgeführt zu werden 1 ) und es genügt, nur einige Änderungen und Ergänzungen zu erwähnen. An Stelle des aufgeklärten Christentums des Dissenters tritt bei den Franzosen in immer wiederholter Mahnung die kirchenlose oder kirchenfeindliche republikanische „vertu". Ins Praktische übersetzt bedeutet das unter anderem wieder Abwendung von der Verderbtheit und von der intrigenreichen, blutigen Politik Europas2). Insbesondere die Physiokraten bestehen darauf, daß Amerika sich der Landwirtschaft widmen, dagegen auf die Beteiligung am Seehandel verzichten solle, der unvermeidlich in auswärtige Kriege verwickle, den Charakter verderbe, tatsächlich unproduktiv sei und nur scheinbaren Reichtum bringe3). Kaufleute seien ihrer Natur nach vaterlandslos, Schmarotzer und korrumpierten unfehlbar Staat und Gesellschaft. England, das gerade durch seine kommerzielle Größe an den Rand des Verderbens geführt worden sei4), wird besonders gerne als warnendes Beispiel angeführt, wie überhaupt von den fortgeschritteneren Reformsous prétexte du bien publique. Il doit donner l'exemple de la liberté politique, de la liberté religieuse, de la liberté du commerce et de l'industrie. L'asile qu'il ouvre à tous les opprimés de toutes les nations doit consoler la terre. L a facilité d'en profiter pour se dérober aux suites d'un mauvais gouvernement forcera les gouvernements d'être justes et de s'éclairer: le reste du monde ouvrira peu à peu les yeux sur le néant des illusions dont les politiques se sont bercés." Am besten unterrichtet darüber B. Fay, op. cit. 2 ) Vgl. z. B . Encyclopédie Méthodique Bd. 82, S. 429. 3 ) Vgl. Gide et Rist, Histoire des doctrines économiques depuis les Physiocrates jusqu'à nos jours, Paris 1909, cap. I, S. 1—57: „Les Physiocrates"; Aug. Oncken, Geschichte der Nationalökonomie, Leipzig 1922, 1. Teil: „Die Zeit vor Adam Smith." Selbst A. Smith behält die seinem Systeme widersprechende Bevorzugung der landwirtschaftlichen vor der kaufmännischen Tätigkeit bei. *) Die pessimistische Betrachtung von Englands Zustand (Luxury) war besonders durch John Brown, „Estimate of Manners and Principles of the Times" 1757/8 vertreten worden; vgl. Leslie Stephen op. cit. vol. II,



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geistern Frankreichs gewisse englandfeindliche Vorstellungen vertreten werden, die in Amerika aufgenommen werden konnten. Die Vereinigten Staaten sollten es lieber anderen Nationen überlassen, das wenige, was sie vom Ausland bräuchten, bei ihnen einzuführen und ihnen den Überschuß der heimischen Produktion abzunehmen. Durch Freihandel würden sie überdies noch billiger einkaufen und teuerer verkaufen als wenn sie die ohnehin so schädlichen eigenen Kaufleute auf Kosten der Allgemeinheit gegenüber den Ausländern begünstigten. Weiter wird den jungen Republiken empfohlen, sich durch friedliche Eroberungen gewaltig zu vergrößern, Kriege aber, dieses fürchterliche Vorurteil aus einer finsteren Vergangenheit, weise und edelmütig zu vermeiden1). Ihre einzigen Feinde, die Indianer, sollten sie mit landwirtschaftlichen Werkzeugen und mit Lehrern versehen und nach dem Westen schicken. Schließlich schlägt Demeunier den Amerikanern als eine ihrer würdige Aufgabe vor, die nordafrikanischen Seeräuber zu vernichten. Sie sollten damit der Welt ein Beispiel ihrer aufgeklärten philanthropischen Politik geben und die europäischen Großmächte beschämen, die zu ihrer und der Menschheit Unehre aus borniertem und verbrecherischem Egoismus den räuberischen Barbaren Tribut zahlten2). Man erkennt in dieser Auffassung ohne weiteres den zuversichtlichen Geist der Aufklärungsphilosophie, der zur großen Revolution führt. Es ist daher nur selbstverständlich, daß mit dem Ausbruch der Revolution die Verherrlichung der Vereinigten Staaten in gewaltig erhöhtem Maße einsetzt. Allgemein werden dann die Amerikaner als Vorbild und Glaubens- und Kampfgenossen gefeiert; es wird ihnen spontan derselbe philosophische, religiös gefärbte Gedanke, derselbe sittliche Wille, derselbe edelmütige revolutionäre Schwung und dasselbe erhabene menschheitliche Ziel zugeschrieben, das die Besten von 1789 beseelt. So schafft das vorrevolutionäre und revolutionäre Frankreich ein Bild Amerikas nach dem eigenen Ebenbilde und Idealbilde. cap. X , Abs. VI, S. 195 f. Zweifel an der Vollkommenheit der englischen Verfassung drückt z. B. d'Argenson aus, Considérations sur le gouvernement ancien et présent de la France, Amsterdam 1764, S. 36—43. ') Selbst ein Gegner der amerikanischen Unabhängigkeit, der ehemalige Gouverneur von Massachusetts Th. Pownall gab später den Amerikanern dieselben Ratschläge: Abwendung von der europäischen Politik, territoriale Vergrößerung, Pflege der Landwirtschaft und des Freihandelsauch er weissagte der Neuen Welt eine glückliche und großartige Zukunft im Gegensatz zum unglücklichen und verderbten Europa. *) Encyclopédie, Bd. 82, S. 420.



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Es wiederholt die Aufgabe, die es ein Menschenalter zuvor England gegenüber erfüllt hatte. Damals hatten die Franzosen auf der Suche nach Reform der heimischen Mißstände unter Montesquieus Führung die englische Verfassung entdeckt, rationalisiertt idealisiert und zum allgemeingültigen Vorbild erhoben. Die nächste Generation, noch unbefriedigter und glaubensdurstiger „entdeckt" die Amerikanische Revolution und ihre Verfassungen, rationalisiert, ethisiert und idealisiert sie. Frankreich erst macht die Amerikanische Revolution zu einer Revolution auch auf geistigem Gebiete und von universaler Bedeutung und stellt die Neue Welt mit einer vollendeten Ideologie an die Spitze der Menschheit.

Beihelt d. H.Z. 17.

5

Drittes Kapitel. Es hat sich gezeigt, daß jenseits und diesseits des Ozeans zwei grundsätzlich verschiedene Ideologien die Amerikanische Revolution begleiten: wesentlich englisch, whiggistisch, legalistisch und traditionell die eine, die andere vorwiegend französischen Ursprungs, republikanisch, rationalistisch und universalistisch. Erst vor diesem doppelten Hintergrunde wird das Wirken und die Bedeutung von Thomas Jefferson, den man gerne als den Vater des politischen Denkens von Amerika bezeichnet, verständlich. Denn seine Bedeutung liegt gerade darin, daß er bei dem Eindringen der europäischen Ideologie in die Vereinigten Staaten die führende Rolle gespielt hat. Schon durch seine Geburt scheint Jefferson zum Wortführer der Demokraten oder Republikaner und zum Mittler zwischen amerikanischem und europäischem Geiste bestimmt zu sein. Wer an den Einfluß der Rasse glaubt, mag bereits dem wallisischen Ursprung der Familie eine besondere, unenglische Bedeutung zuschreiben und eine solche Ansicht ließe sich durch den Hinweis auf den unverhältnismäßig hohen Bruchteil von Wallisern unter den Revolutionsführern wohl plausibel machen1). Einen positiveren und wesentlicheren Bestimmungsfaktor bildet Jeffersons virginische Heimat. Virginia war von den dreizehn Kolonien in seiner sozialen Struktur am meisten dem alten Europa verwandt: es besaß eine eingesessene, reiche, privilegierte und politisch machtvolle Aristokratie, ein anglikanisches Staatskirchentum nach englischem Muster und anderseits im Westen eine schnell wachsende Schicht von wirtschaftlich und politisch benachteiligten Kleinbauern. Vielfach nichtenglischer Abstammung hatten diese weniger Anhänglichkeit für England und für die angelsächsische politische Tradition der Kolonie und durch die rasche Verbreitung des Dissentertums unter ihnen gerieten sie noch weiter in Opposition zur bestehenden Ordnung. Es versteht sich, daß in diesem schon ziemlich klaren Klassenunterschied die Unterlage für eine tiefgehende und dauernde Parteibildung vorhanden war und daß Vgl. denAufsatz von Dr. Joseph Roberts in ,,Y Tracthohydd" 1900.



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die europäische demokratische Revolutionsideologie, die aus einer ähnlichen Situation entstanden war, im Westen von Virginia auf einen besonders fruchtbaren Boden fallen mußte. Durch seinen Vater, der sich erst selbst hatte emporarbeiten müssen, neigte Jefferson der „demokratischen" Schicht zu und frühe Sympathien in dieser Richtung sind sicher durch seinen Geburts- und Wohnort im damaligen Westen des Landes erhalten und verstärkt worden. Trotzdem wäre es verkehrt, Jefferson als den typischen Westler, etwa im Sinne eines Patrick Henry oder eines Jackson zu bezeichnen1). Im Gegenteil, kein Amerikaner war in Geschmack und Lebenshaltung, in Geist und Bildung so sehr Grand Seigneur als gerade Jefferson. Durch seinen reichen Grundbesitz und durch seine Mutter, eine geborene Randolph, war er mit den führenden Familien der Kolonie verbunden. Er gehörte zur Pflanzeraristokratie, der einzigen Klasse in Amerika, die, der Erwerbstätigkeit entledigt, Muße hatte den politischen Beruf durch geistige Beschäftigimg und feinere Bildung zu bereichern. Dabei war es von Bedeutimg, daß diese Schicht, wie überhaupt der ganze weltlichere Süden, wo die oft laxe Geistlichkeit an Einfluß eingebüßt hatte, für die neuen, liberalen Aufklärungslehren und weiterhin für die französischen Ideen weit empfänglicher war als der religiös gebundene, moralisch strenge und sozial mehr homogene Norden. Von den beiden Tendenzen, die Jeffersons Laufbahn beeinflussten, Demokratie des Westens und höhere Bildung des Ostens, ist bezeichnenderweise letztere zuerst zur Ausbildung gekommen. Schon früh verriet der junge Virginier rasche Auffassungsgabe und vielseitigen Lerneifer, und der natürlichen Anlage kam die Wahl der Lehrer glücklich entgegen. Besonders an zwei von diesen erinnerte sich Jefferson noch im Alter mit tiefer Dankbarkeit, an einen Dr. Small, dem er einen entscheidenden Einfluß auf sein Leben zuschrieb und an George Wythe, den trefflichen Lehrer von Marshall, Monroe und Henry Clay. Beide Erzieher waren Männer von liberalen und aufgeklärten „fortschrittlichen" Ansichten und mit ihnen zusammen nahm Jefferson an der regelmäßigen „partie quarrte" im Hause des Gouverneurs Fauquier, eines gebildeten Weltmannes, teil. „To the habitual conversations in these occasions, heißt es, I owed much instruction". So wußte sich der junge Student Zugang zum geistig regsten und freiesten und gesell') Den „westlichen" Charakter Jeffersons betont besonders William E. Dodd, Statesmen of the Old South (Jefferson, Calhoun, Jefferson Davis), N. Y . 1911, S. 1—88.

5*



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schaftlich vornehmsten Kreis zu verschaffen, den die Kolonie zu bieten hatte. Jefferson studierte wie jeder, der nicht Geistlicher werden wollte, Jura; aber obwohl er einige Jahre mit gutem Erfolg als Lawyer tätig war, vermochte ihn dieser Beruf nicht sonderlich anzuziehen, und seine Interessen gingen schon früh weit über das Gebiet der Rechtswissenschaft hinaus. Am besten lassen sich wohl aus den Studienplänen, die er für jüngere Freunde entworfen hat, Schlüsse auf seine eigene Ausbildung ziehen. Das auffallende an diesen Erziehungsprogrammen ist eine ausgeprägt utilitaristische, aufklärerische und fortschrittliche Tendenz und das Streben nach Universalität des Wissens. Nur eine Lücke ist zu erwähnen, die Morallehre. „Moral Philosophy. I think it lost time to attend lectures on this branch. State a moral case to a plowman and a professor. The former will decide it as well, and often better than the latter, because he has not been led astray by artificial rules" 1 ). Dieselbe Abneigung wie gegen Moralphilosophie bekundete er gegen alles spekulative Denken, gegen alle Metaphysik. „ I revolt against all metaphysical readings . . . Some acquaintance with the operations of the mind is worth acquiring. But any one of the writers suffices for that: Locke, Kaims 2 ), Hartley, Reid, Stewart, Brown, Tracy usw. These dreams of the day, like those of the night, vanish in vapour, leaving not a wreck behind. The business of life is with matter. That gives us tangible results. Handling that we arrive at the knowledge of the axe, the plough, the steamboat and everything useful in life; but from metaphysical speculations I have never seen one useful result" 3 ). Jefferson empfand gar nicht das Bedürfnis, sich über die von ihm gar nicht vermuteten philosophischen Grundlagen seiner Ansichten klarzuwerden und zog es vor, sich einfach auf seine gesunden Sinne und auf seinen gesunden Menschenverstand zu verlassen. Als John Adams, ein Skeptiker mit einem zähen spekulativen Äderchen, der sogar von der deutschen Philosophie etwas hatte läuten hören, dem alten Jefferson mit verzwickten Fragen über Geist und Materie, Seele und Gott und so weiter auf den Leib rückte, ') An Peter Carr, Dr. R. Price.

10. Aug.

1787; vgl.

S.

49 die

Gedanken

2) Gemeint ist der Schotte Lord Henry Homes Kames. mon Place Book", herausgegeben von G. Ghinard, S. 17.

von

Vgl. „Com-

8) An Clark Sheldon, der um Jeffersons Protektion für die Veröffentlichung seines philosophischen Werkes nachsuchte, 5. Dez. 1825. Vgl. G. Chinard, ,, Jefferson et les Idéologues", Baltimore Md.-Paris 1925, S. 282.



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streckte dieser nach wenig rühmlichem Widerstande die Waffen und flüchtete in einen bequemen Agnostizismus1). Jefferson war kein starker und auch kein feiner Denker2), aber er verstand es anzuregen, zu beeinflussen, zu schmeicheln, zu bestechen und zu werben. Sein Denken hat etwas merkwürdig Müheloses, Leichtes, Selbstverständliches, jugendlich Sicheres. Er hatte die Gabe, was er sagte, von keinen Zweifeln beirrt, klar, flüssig, glatt und plausibel vorzubringen, mitunter etwas billig aber immer propagandistisch sehr geschickt. Gerade seine Neigung zu übermäßiger Simplifikation, seine Problemlosigkeit, seine praktische, optimistische Einstellung, sein Appell an den einfachsten gesunden Menschenverstand machten seine Gedanken für die große Masse ohne Anstrengung verständlich und einleuchtend. In seinen „Notes on Virginia" weist er den Vorwurf, Amerika sei seinen Beitrag zur kulturellen Entwicklung der Menschheit noch schuldig geblieben, mit folgender Überlegung zurück: die Vereinigten Staaten haben in Washington, Franklin und Rittenhouse drei Genies bei drei Millionen Einwohnern (sonst rechnete er immer mit vier Millionen) — erst wenn Frankreich mit seinen 24 Millionen mehr als 24 Genies und England bei einer Einwohnerzahl von 7 Millionen mehr als 7 Genies nachweisen könnten, sei der Vorwurf berechtigt. Das Argument ist nicht gerade tief; aber es ist klar, für jedermann, der zählen kann, verständlich, und es befriedigt die Menge viel besser als eine feinere und kritischere Überlegung. Es versteht sich, daß ein solcher Geist sich früh und ohne inneren Kampf von der Kirche trennte. „ I am a Christian". „ I am an Epicurean". „ I am a Materialist". Jefferson widerspricht sich mit diesen Aussagen nicht; er hat von allen etwas, im Ganzen nähert er sich am ehesten einem aufgeklärten Christentum, das der Dogmen und Mysterien, der strengen, der tragischen und der heroischen Züge entledigt auf eine utilitarisch-praktische wohlmeinende bürgerliche Menschenfreundlichkeit hinausläuft. Für die Weltordnung und das Jenseits — falls es ein solches geben sollte — läßt er in optimistischer Zuversicht eine gütige Vorsehung sorgen, über die er sich nicht weiter den Kopf zerbricht. Kurz, es ist der vernunftgemäße, vorwiegend diesseitige, humanitäre ') Vgl. „Correspondence of John Adams and Th. Jefferson 1 8 1 2 — 1 8 2 6 , selected with comment by Paul Wistach", Indianapolis 1925. 2 ) Die „Philosophie" Jeffersons hat am eingehendsten I. W. Riley, op. cit. S. 266 ff. untersucht; vom Vorwurf philosophischer Begabung ist danach Jefferson freizusprechen.



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und ziemlich dünne Glaube, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts nicht selten begegnet1). Abgesehen von dem philosophischen und religiösen Gebiet, waren Jeffersons Interessen erstaunlich rege und vielseitig. Eine solide klassische Ausbildung verschaffte ihm eine lebenslängliche Vertrautheit mit den griechischen und besonders lateinischen Autoren, deren reinigender Einfluß sich auch in seinem sauberen und klaren, gelegentlich rhetorisch gesteigerten Stile bemerkbar macht. Früh lernte er Französisch — unter seiner Initiative wurde der erste Lehrstuhl für Französisch an einer amerikanischen Hochschule errichtet — dann Altsächsisch für rechtshistorische Studien, weiter Italienisch und Spanisch. Das Deutsche und deutsches Geistesgut sind ihm trotz einer Rheinreise fremd geblieben; in den anderen Sprachen aber waren ihm die dichterischen Meisterwerke ziemlich gut bekannt, abgesehen von der Romanliteratur, die er nicht leiden mochte. Mehr freilich als zu literarischem Genüsse dienten ihm seine Sprachkenntnisse zu praktischeren und nützlicheren Zwecken. Jeffersons politische, staats- und völkerrechtliche, nationalökonomische, historische, religionsgeschichtliche, ethnographische, pädagogische und vielerlei naturwissenschaftliche und technische Kenntnisse bezeugen eine überraschend umfassende Belesenheit in der ausländischen wissenschaftlichen Literatur. Seine Bibliothek2), die beste Privatbücherei des Landes und der Grundstock der Library of Congress, enthielt denn auch so viele fremdsprachige, besonders französische Werke, daß daran Anstoß genommen wurde. Ein enges, persönliches Verhältnis verband ihn mit der Musik und den bildenden Künsten. Selbst ein eifriger Geigenspieler, plante er einmal, sich aus Europa musikalische Gärtner, Köche und Diener kommen zu lassen, um auf diese kluge Weise sich eine kleine Hauskapelle zu verschaffen. Die bekannte Washingtonstatue von Houdon ist seiner Vermittlung zu verdanken und seine Anregung zu einem Reiterdenkmal vom selben Meister ist nur aus Geldmangel nicht ausgeführt worden3). *) Über die religiösen Anschauungen Jeffersons vgl. die ,, Jefferson Bible", eine in ein paar Abenden mit Schere und Kleister zusammengestellte Auswahl von Bibelstellen aus dem Neuen Testament. a ) „History of Library of Congress S. 68—104: Purchase of the Jefferson Library", Government Printing Office, Washington D. C. 1904 Francis W. Hirst, Life and Letters of Th. Jefferson, N. Y . 1926, S. 505 ff. ') Vgl. Brief an Virginia Delegation in Congress, vom 12. Juli 1785 (L. C.) und Houdons Angebot vom 29. Juni 1786 in Jeff. Papers, L. C.



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Unter allen Künsten aber galt seine besondere Vorliebe der Baukunst. Trotz der verständnislosen Kritik seiner Landsleute ist es ihm gelungen, in der Einführung des klassizistischen „republikanischen" Stiles in Amerika bahnbrechend zu wirken 1 ). Von Paris aus ließ er die schon begonnene Errichtung des Capitols in Richmond aufhalten, bis er ein befriedigendes Modell nach der Maison Quarrte von Nimes besorgt hatte; er interessierte sich außerordentlich und selber mitwirkend für die Errichtung der neuen Bundeshauptstadt, und wo nur in seiner Nähe gebaut wurde, war er bereit, allen Anfeindungen zum Trotz für eine würdige künstlerische Gestaltung einzutreten. Dabei ging sein Wirken gerne und oft über das des bloßen geschmackvollen Beraters hinaus: er war selbst ein autodidaktischer Architekt von ungewöhnlicher Begabung. Für die von ihm gegründete University of Virginia in Charlottesville hat er einen Campus geschaffen, der in seiner Stileinheit und großzügigen, planmäßigen Anlage noch immer in den Vereinigten Staaten unerreicht dasteht. Dabei vergaß er nicht, an jedem der einzelnen Gebäude eine andere antike Säulenordnung zu verwenden, zur ästhetischen Belebung einerseits, anderseits aber damit die Studenten stets einen architektonischen Anschauungsunterricht vor Augen hätten. Nicht weit von der Universität liegt Jeffersons intimste Schöpfung, sein eigener Wohnsitz Monticello, ein entzückendes kleines Gebäude von einem seltenen, stark persönlichen Reiz, das trotz der fehlenden Inneneinrichtung noch deutlich den kultivierten Geist seines Besitzers verrät. Der Vergleich mit Mount Vernon, dem Wohnsitze Washingtons, ist bezeichnend für den Unterschied der beiden amerikanischen Führer. Dort der gegebenen Bodengestaltung geschickt und zwanglos angepaßt, von Wirtschaftsgebäuden umgeben, ein stattliches Herrenhaus im landesüblichen Holzmaterial und im traditionellen Baustile, ohne besondere künstlerische Prätentionen sicher hingestellt. Washington hat Mount Vernon geerbt Wie sehr Jefferson mit seinen künstlerischen Bestrebungen seinen Landsleutcn vorauseilte, zeigt ein Brief an Washington vom 10. Juli 1785, L. C., in dem er den General erst darauf aufmerksam machen muß, daß er einen großen Künstler wie Houdon nicht wie einen Handwerker behandeln und nicht am Bediententische essen lassen dürfe. Vgl. auch den Brief an Madison wo Jefferson seine künstlerischen Interessen rechtfertigt, um nicht zu sagen entschuldigt; vgl. A. Jay Nock, J e f f y s o n , N. Y . 1926, S. 281. *) Vgl. Fiske Kimball, Thomas Jefferson Architect, Original Designs in the Collection of Th. Jefferson Coolidge, Junior, with an Essay and Notes by F. K., Boston 1916.



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und nur wenig daran geändert. Den Namen trägt das Gut nach einem Engländer, dem königlichen Admirai, unter dem der Bruder gedient hatte. Jefferson baute vor einer weiten Rasenfläche, die auf dem Gipfel eines steilen Hügels erst künstlich geschaffen werden mußte, von Grund auf neu und trotz der verhältnismäßig beschränkten Mittel und Ausmaße mit einer repräsentativen Absicht und einer gewissen Großzügigkeit. In unendlicher Liebe sein Leben lang ändernd und verbessernd, hat er schließlich ein wohlgegliedertes, streng symmetrisches und in sich geschlossenes Gebäude im neuen klassizistischen Stile vollendet, einstöckig, mit einem Säulenvorbau, einer Kuppel, einer Eingangshalle, so daß man mehr an ein vornehmes europäisches Jagd- oder Landschlößchen erinnert ist als an das übliche Herrenhaus eines virginischen Gutshofes. „Mr. Jefferson est le premier Américain qui ait consulté les Beaux-Arts pour savoir comment il se mettroit à couvert", bemerkte ein französischer Besucher 1 ). Es ist in der Tat der Wohnsitz eines geschmackvollen weltmännischen „Philosophen", im Namen wie in der Bauart landesfremd, ein klein wenig gemacht und gelehrt und doch mit der amerikanischen Umgebung glücklich verbunden. Derselbe fortschrittliche, verbesserungsfreudige, erzieherische Eifer, der den Reformer auch in seiner künstlerischen Tätigkeit nicht verließ, wirkte sich unmittelbarer in seiner starken Neigung zu den Naturwissenschaften aus. In seinen „Notes on Virginia", einer mustergültigen Landesbeschreibung, zeigt sich Jefferson ebensowohl wie auf staatswissenschaftlichem Felde auch auf geologischem, meteorologischem, zoologischem und botanischem Gebiete gut über die europäische Forschung der Zeit unterrichtet. Der aufs Nützliche gerichtete Sinn des Aufklärers lenkte freilich seine Aufmerksamkeit besonders auf die praktische Anwendung der Naturwissenschaft in Geographie und vor allem Technik und Landwirtschaft. Er sammelte und zeichnete selber Karten und setzte sich nachdrücklich für die Erforschung des Westens ein ; er konstruierte einen verbesserten Pflug, der ihm die Anerkennung der Pariser Akademie eintrug, und außerdem soll er die Menschheit mit der Erfindung des Drehstuhles beglückt haben. In seinem Hause brachte er eine faltbare Leiter unter, einen kleinen Aufzug für Weinflaschen, eine Doppeltüre, deren Flügel sinnreich so miteinander verbunden sind, daß sie sich gleichzeitig öffnen. Für 1 ) Marquis François Jean Chastellux „Voyages . . . dans l'Amérique Septentrionale", Paris 1786, Bd. II, S. 34.



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Kopiermaschinen, Patentlampen, Thermometer, Barometer, Hygrometer, Entfernungsmesser, Schrittzähler und dergleichen Instrumente hatte er eine wahre Leidenschaft, und was sich nur messen ließ, das mußte er messen und was sich verbessern ließ, verbesserte er. Seine europäischen Reisebücher zeigen, wie er unermüdlich beobachtend, vergleichend, lernend jede praktische Anregung freudig aufnahm, um was er als vernünftig und nützlich erkannt hatte in seiner Heimat einzubürgern: sei es nun ein besonders wollreiches Schilf, der Olivenbaum, die Rüdesheimer Rebe, eine Makkaronimaschine, ein neues Mahlverfahren, eine Blume oder nur ein Küchenrezept. Er hörte, daß es in Siam einen Reis gebe, der auf trockenem Boden wachse; er ruhte nicht, bisereine Sendung dieser Reissaat nach Amerika verfrachtet hatte, um zu versuchen, ob damit das ungesunde Arbeiten in den nassen Reisfeldern nicht überwunden werden könne. Seinen eigenen Besitz hat er zu einem wahren Versuchsgute gemacht, auf dem er unverzagt neue Produkte, neue Maschinen und neue Arbeitsmethoden ausprobte. Dabei ging er mit einer auffallenden Liebe für Details methodisch exakt und mathematisch vor und legte allerhand Tabellen an, über die Leistungsfähigkeit seiner Arbeiter, eines Schubkarrens, eines Wagens, Pferdes, Feldes, oder über den Nährwert eines Schinkens oder Stockfisches; er notierte dreimal am Tage die Temperatur und oft auch die Windrichtung. Als Präsident der Vereinigten Staaten fander noch Zeit, eine Statistik aufzustellen, in der er acht Jahre das erste und das letzte Erscheinen von siebenunddreißig verschiedenen Gemüsearten auf dem Washingtoner Markte verzeichnet hat. Trotz, oder vielleicht wegen dieser pedantischen Gewissenhaftigkeit und trotz der übertrieben genauen Eintragungen in seinen Ausgabebüchern — am selben Tage, an dem er sich die rechte Hand gebrochen hatte, notierte er darin mit der linken lächerlich geringe Ausgaben weiter — hat er im Gegensatz zum geschäftstüchtigen Washington den finanziellen Ruin erlebt. Glücklicher Optimist bis an sein Ende, hat er es nicht einmal recht gemerkt; er ist bald nach der finanziellen Katastrophe gestorben, genau am 50. Jahrestage der Unabhängigkeitserklärung und gleichzeitig mit seinem Freunde John Adams. Man könnte versucht sein, die Vielseitigkeit von Jeffersons Beschäftigungen als oberflächlichen Dilettantismus auszulegen. Man täte damit Unrecht. Die Neigung zu enzyklopädischer Bildung war ein Zug der Zeit — man denke nur an die Mannigfaltigkeit der Interessen eines Goethe - und außerdem konnte und mußte der Virginier im damaligen Amerika eine Menge Dinge selber tun,



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die er in Europa oder heutzutage zweckmäßiger den Spezialisten überlassen hätte 1 ). Zudem war die bunte Reihe seiner Tätigkeiten doch nur der vielfältige Ausdruck eines einzigen Strebens: Erziehung und Förderung der Menschheit durch die Vernunft. Ob er, noch kaum ein Jüngling, seine öffentliche Laufbahn mit der Schiffbarmachung eines benachbarten Flusses eröffnete, ob er sich für die bessere Behandlung der deutschen Kriegsgefangenen einsetzte, ob er als Präsident die Schicksale seines Volkes lenkte, ob er die Universität von Virginia gründete oder ob er schließlich sich zu einer Art freiwilligen Propagandaagenten für die neuerfundenen Zündhölzchen machte, immer stand derselbe Wunsch des Aufklärers dahinter, seinen Mitbürgern und der Menschheit zu nützen. So erkennt man bei dem Manne, der so wenig von der Morallehre hielt, gerade ein moralisches Streben als den Urgrund seines Handelns. Es war freilich keine Heldenmoral; für heroische Unerbittlichkeit und Tragik hatte Jefferson gar kein Verständnis, er war viel zu normal zum Märtyrer. Eine diplomatische, vorsichtige und optimistische Natur liebte er es, mit den Menschen, mit sich selbst und mit dem Schicksal gut zu stehen und für seine Uberzeugimg einen übermäßigen Preis zu zahlen, wußte er zu vermeiden. Auch in seinem moralischen Verhalten blieb Jefferson der Rationalist und Utilitarist. Tue das Gute, es lohnt sich, denn das wohlverstandene Eigeninteresse stimmt mit den Forderungen des Sittengesetzes überein. Philistermoral also? Sagen wir lieber Aufklärermoral, um damit auszudrücken, was seine Zeit Jefferson zugetragen hat. In der Ethik des 18. Jahrhunderts stand nicht das Individuum in selbstquälerischer Gewissensnot seinem Gott und einem unerbittlichen Sittengebot gegenüber, sondern voll Zuversicht der einzelne Mensch der Menschheit. Tätig, mit einem Teil Sentimentalität fürs Gemüt, die Sitten mildern, Friede und Toleranz verbreiten, menschenfreundliche Gesetze entwerfen, das Wissen fördern, nützliche Erfindungen machen, Sümpfe trocken legen, Straßen und Kanäle bauen, kurz, die Welt verbessern, ohne daß man es sich dabei — solange man dem Nächsten nicht schadete — gerade besonders schlecht gehen zu lassen brauchte, darin etwa bestand die humanitäre Sittlichkeit der Aufklärung. Wir neigen heute leicht dazu, hinter der offensichtlichen selbstzufriedenen Plattheit das echte menschheitliche Ethos dieser Weltanschauung zu übersehen, in der doch auch ') Er hat sogar die Backsteine zu seinem Hause selber gebrannt, die Fenster mußte er aus England kommen lassen.



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größere Geister und stärkere Persönlichkeiten als Jefferson Halt und Befriedigung gefunden haben. Denn gar so weit ist der praktische Idealismus des Amerikaners vom Geist des Faust im zweiten Teil nicht entfernt. Man mag lächeln über seinen Zopf und über seine Schwächen, er hat sich nach einem reichen Leben eine Grabschrift setzen können, die doch zur menschlichen Achtung zwingt: Author of the Declaration of American Independence — of the Statute of Virginia for religious freedom — and Father of the University of Virginia. II. Man sollte erwarten, daß Jefferson, der Mann des Westens und des Fortschritts einerseits, der Aufklärung, Vernunft und europäischen Bildung anderseits und nicht wie die meisten seiner Kollegen vorwiegend juristisch eingestellt, von Anfang an den Streit mit dem Mutterlande nicht als Whig, sondern als Demokrat oder gar als Republikaner geführt hätte und nicht mit den englischen staatsrechtlichen Argumenten, sondern mit rationalistischen, revolutionären, menschheitlichen Gründen. Kurz, man sollte meinen, daß er von Anfang an die Revolution so auffaßte, wie die europäischen Reformer, als einen philosophischen, humanitären Kampf um die Gründung des Reichs der Freiheit, der Vernunft und der Menschenwürde. Das war nicht der Fall. Wohl trat Jefferson, sobald er in das House of Burgesses 1 ) gewählt war (1769) der radikalen Gruppe bei — Partei wäre zu viel gesagt — die sich um Patrick Henry und Richard Henry Lee gebildet hatte. Diese sogenannten Radikalen unterschieden sich aber von den Konservativen nicht etwa durch eine eigene Ideologie oder Weltanschauung; Radikale und Konservative handelten und dachten beide als Whigs und beide Gruppen — eigentlich nur linker und rechter Flügel der selben Partei — verfolgten dasselbe Ziel der Erhaltung der kolonialen Rechte gegen die Ansprüche des Parlaments. Der Unterschied bezog sich vornehmlich auf das Tempo, die Taktik mit der dieses gemeinsame Ziel erreicht werden sollte; die einen sahen den kommenden Bruch voraus und drängten auf die Entscheidung mit den Waffen, wo die anderen in der Hoffnung auf Wiederversöhnung mit dem Mutterlande noch an die Wirkung des Boykotts glaubten und den Krieg solange als möglich hinausschoben. Demokratischer waren die Radikalen mehr durch die Herkunft als durch die ÜberDas Unterhaus von Virginia; das Oberhaus hatte damals schon sehr an Bedeutung verloren.



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zeugung ihres Führers Henry und vorerst nur potentiell kraft des größeren Bruchteiles von westlichen Kleinbauern unter ihren Wählern. Sie hatten aber nicht, wie gesagt, ein eigenes demokratisches Parteiprogramm oder gar eine fertige demokratische Ideologie1). Auch Jefferson hat bis zur Unabhängigkeit, solange also als sich die Auseinandersetzung gegen England richtete, keine neuen „demokratischen" Gedanken eingeführt und obwohl ein Extremer unter den Radikalen, ist er keineswegs von vornherein mit einer vorgefaßten republikanischen Überzeugung in den Kampf getreten. Noch im Juli 1774 plante er die Kolonien gegen das Londoner Parlament durch eine unerhörte Steigerung der königlichen Prärogative in England zu schützen2). Der später so gehaßte und geschmähte König sollte die Leitung des Imperiums, die das Parlament gegen Recht und Verfassung an sich gerissen habe, wieder selbst übernehmen und sogar das längst außer Übung gekommene königliche Vetorecht neu beleben. Wenn auch eine gleichzeitige Einschränkung der fürstlichen Macht in bezug auf die Kolonien gefordert war, so zeigt doch der höchst merkwürdige Vorschlag, daß Jefferson nicht aus philosophischer Überzeugung, sondern erst durch die Entwicklung der politischen Lage zum Republikaner geworden ist. Wie für seine Landsleute, war auch für ihn die Erhaltung der kolonialen Privilegien das primäre Ziel. Auch er vertrat das legalistische, whiggistische, konservative und defensive Programm der Wiederherstellung der verletzten verfassungsmäßigen Rechte und kämpfte „for the reestablishement (!) and guaranteing such their (of the colonists) constitutional rights, when, where and by whomsoever invaded" 8 ). Selbst nach Lexington noch schrieb er an einen loyalistischen Verwandten ,,My first wish is a restauration (!) of our just rights"4). Während die Kolonisten lediglich l ) Über die etwas komplizierten und schwankenden politischen Verhältnisse von Virginia vgl. H. J . Eckenrode, „ T h e Revolution in Virginia", Boston und New Y o r k 1 9 1 6 . Jeffersons Rolle in der virginischen Politik behandelt auch Dodd, op. cit. l ) E s ist möglich, daß Jeffersons Vorschlag durch Blackstone beeinflußt ist, der die formal-juristische mehr als die tatsächliche Machtverteilung der englischen Verfassung betonte und dadurch die königliche Prärogative gegenüber der parlamentarischen Macht ungebührlich vergrößert zeigte. 3 ) Resolution of Albemarle County, July 26, 1774, F. I, 419. Vgl. auch Motion in Convention of Va. March 24, 1 7 7 5 , F . I, 451 „for the preservation (!) of our (American) independent rights". 4 ) An John Randolph, Aug. 25, 1 7 7 5 , F . I, 482.



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ihr verbrieftes Recht verteidigten, habe das Mutterland durch gesetzwidrige Handlungen und unerhörte Verfassungsbrüche den ganzen Streit begonnen. „These their natural and legal rights have in frequent instances been invaded by the Parliament of Great Britain". „Complaints are excited by many unwarrantable encroachments and usurpations, attempted to be made by the Legislature of one part of the Empire upon those rights which God and the laws have given equally to all" 1 ). Er protestierte im Namen des Rechts und der Verfassung gegen die Neuerung: ,,a new executive power unheard of till then, that of a British Parliament" 2 ), „acts of power, assumed by a body of men, foreign to our constitutions, and unacknowledged by our laws" 3 ), „power beyond every limit known or provided by the laws" 4 ), proceedings criminal against our laws',6), „an innovation on the established usage" 6 ), „claim of Parliamant. . . novel and of late date" 7 ), „this new legislation"8), „Parliament then (1763) for the first time asserted a right of unbounded legislation over the colonies of America"'). Es ist auffallend, daß Jefferson, der „Philosoph", auch mit dem naturrechtlichen Beweis nicht großzügiger umging als seine juristischen Streitgenossen. Er hatte selber vor den heimischen Gerichten mit dem natürlichen und dem positiven Recht durcheinander operiert und ebenso machte er es in seiner Argumentation gegen England. . . . „these privileges (!) they (colonists) hold as the common rights of mankind, c o n f i r m e d by the political constitutions they have respectively assumed, and also by several charters of compact from the Crown" 10 ). Er teilte demnach die übüche Auffassimg, daß das Naturrecht in der Verfassung schon enthalten und bestätigt sei. Auch schien ihm dieses unrevolutionäre Naturrecht allein nicht tragfähig genug als Unterlage für die amerikanischen Ansprüche, es führte ihn vielmehr wieder zurück zum positiven Recht. Er studierte also mit patriotischem „Summary View of the Rights of British America", F. I, 429, Juli 1774. 2 ) Ibid. 438. 3 ) Ibid. 439*) Ibid. 442. s

) «) ') •) •) 10 )

Ibid. 447Ibid. 453. Ibid. 442. Ibid. 467. Ibid. 466. Resolutions of Albemarle County, July 26, 1774, F. I, 419.



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Eifer Charters und Conventions, Acts und Bills und Statutes und Autoritäten der Jurisprudenz, um die Legalität des amerikanischen Standpunktes nachzuweisen, und noch 1781 setzte er noch einmal genau das staatsrechtliche Verhältnis zwischen England und den Kolonien auseinander, um die juristische, nicht nur moralische Berechtigimg des Verhaltens der Amerikaner auch nachträglich zu verteidigen1). Während sich Jefferson bisher in seiner Argumentation und Ideologie nicht von den anderen Führern der Kolonien unterscheidet, verrät sich doch an einer Stelle der radikale Reformer. In seiner „Summary View", demselben Pamphlet, das die Wiedereinführung des königlichen Vetos vorschlug, verlangte er die Aufhebung nicht nur der umstrittenen Akte seit 1764, sondern gleich der gesamten parlamentarischen Gesetze, die die Kolonien betrafen, also auch aller Bestimmungen zur Regulierung des imperialen Handels, und ferner die Aufhebung des Rechts der Krone, Ländereien in Virginia zu vergeben2). Diese Ansprüche waren so weitgehend, daß sie selbst von den Radikalen abgelehnt wurden. Endlich also ein echter Revolutionär, der offen mit der Vergangenheit und mit dem alten Recht bricht und ein neues, positives Programm vertritt, das über bloße legale Wiederherstellung hinausgeht ? Durchaus nicht. Jefferson hätte sich ein solches Kompliment damals gar sehr verbeten. Hatte er doch mit vieler Mühe die alten Rechtsurkunden untersucht, um zum Ergebnis zu kommen, daß alle Ansprüche des englischen Parlaments gegenüber Virginia ohne rechtliche Grundlage und ein offener Bruch der Verfassung seien. Er vertiefte sich weiter in das altsächsische Recht und die Ursprünge des Feudalrechts in England zur Zeit Wilhelms des Eroberers und fand heraus, daß die Übertragung des königlichen Lehensrechtes auf Virginia auf einem Irrtum beruhe. Die Kolonisten hätten zwar aus Unwissenheit oder Unachtsamkeit bisher, d. h. anderthalb Jahrhunderte lang keinen Einspruch erhoben, was er verlange, sei aber doch nichts anderes als bloß die Wiederherstellung eines guten alten Rechts. Sogar bei diesen radikalen, offensichtlich revolutionären Forderungen also, zog es Jefferson vor, durch einen, wenn auch noch so fadenscheinigen Rechtsbeweis den Anspruch auf Legalität zu wahren, statt etwa wie Brissot souverän bloß mit dem Begriff des freien Eigentums die ganze englische Handelsgesetzgebung „Notes on Virginia." F. III, 221. ) Diese Stellung gab Jefferson Gelegenheit, die wirtschaftlichen Beschwerden stärker zu betonen. 2



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über den Haufen zu argumentieren oder statt sich einfach auf die absoluten Menschenrechte zu berufen. An diesem Falle sieht man besonders deutlich, wie ferne es damals noch Jefferson lag, an die allheilende „Vernunft" und an revolutionäre Begeisterung zu appellieren und einen neuen erlösenden Glauben zu verkünden. Er war nicht der revolutionäre Philosoph und Vorläufer des Französischen Umsturzes, er dachte als der angelsächsische Jurist, noch juristischer, wenn möglich als seine Landsleute. Damals war er noch, wie ein Zeitgenosse von ihm sagte: „the greatest rubber off of dust that he has ever met with" 1 ). III. Auch in der Unabhängigkeitserklärung2) vertrat Jefferson dieselbe „defensive" Auffassung der Revolution und dieselbe legalistische Ideologie, auf der er immer gleich den anderen Amerikanern bestanden hatte. Zwar geht die allgemeine, traditionelle Ansicht dahin, der Virginier habe in diesem Dokumente mit philosophischem, ja prophetischem Geiste die Grundgedanken amerikanischer Demokratie verkündet, die Gedanken, die später Frankreich und die Welt erobert und umgestaltet hätten. Doch wie steht es mit dieser Behauptung ? Die Disposition der Erklärung ist die eines juristischen Dokumentes: erst Preambel, dann Zitierung des Gesetzes, weiter Feststellung des Tatbestandes mit ausführlicher Aufzählung der einzelnen Handlungen, durch welche der Angeklagte das Gesetz verletzt hat und schließlich Verkündung des Urteils. Ebenso die Sprache. Als bestes Beispiel der streng juristischen Ausdrucksweise diene der Schlußabsatz, wie er in Jeffersons Entwurf lautete, bevor er vom Kongress abgeändert wurde8). „We therefore the representatives of the United States in General Congress assembled in the name and by the authority of the good people of these states, reject and renounce all allegiance and subjection to the Kings of Great Britain and all others who may hereafter claim by, Der Ausspruch soll von Duane aus dem Jahre 1775 stammen; vgl. „Life and Works of John Adams" by his Grandson, vol. II, S. 430. 2) Über die Unabhängigkeitserklärung vgl. John H. Hazelton, „ T h e Declaration of Independence", N. Y . 1906; Carl Becker, „The Declaration of Independence; a study in the history of political ideas", N. Y . 1922. Friedenwald, „The Declaration of Independence, an Interpretation and Analysis". Der Text ist S. 188 wiedergegeben. 3) Die verschiedenen Texte der Unabhängigkeitserklärung vgl. bei Hazelton.



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through, or under them; we utterly dissolve all political connection which may heretofore have subsisted between us and the people or parliament of Great Britain, and finally we do assert and declare these colonies to be free and indépendant and that as free and indépendant states, they have full power to levy war, conclude peace, contract alliances, establish commerce, and to do all other acts and things which indépendant states may of right do . . ." Die entscheidenden Sätze, die das Schicksal eines Kontinents bestimmen sollten, in der umständlichen und lähmenden Diktion eines zünftigen Notars ! Das ist um so bedeutsamer, als Jefferson an anderen Stellen der Unabhängigkeitserklärung gezeigt hat, daß er, wenn er wollte, über einen klassischen Stil von erhabener Sprachform verfügen konnte. Die traditionelle juristische Ausdrucksweise am entscheidenden Punkte, gerade da, wo die rechtliche Verbindung mit England zerrissen wird, ist also mit voller Absicht gewählt und sie gehört zum Wesen der Erklärung selbst. Mit einer korrekten Verbeugung wendet sich Jefferson an die öffentliche Meinung der Welt, nicht mit einem ungestümen Schrei „An alle !" und nicht um die Menschheit zum Umsturz aufzurufen — ganz im Gegenteil, er will vor ihr die Amerikaner rechtfertigen, sie vom Vorwurf der Rebellion reinigen und ihnen eine rechtliche Stellung unter den Völkern geben. Durch das ganze Dokument geht das Streben, die ehemaligen Kolonien von aller revolutionären Absicht und revolutionären Schuld freizusprechen. Volle zwei Drittel des Textes sind dem Nachweis gewidmet, daß England die Verfassung verletzt hat, England der Angreifer und England der „Revolutionär" ist. Trotz der einzeln aufgezählten unerhörten Übergriffe haben die Kolonien in Geduld gelitten1) und das Übel getragen, solange es erträglich war2) ; sie haben bei jedem neuen Schritt der Unterdrückung in der unterwürfigsten Weise petitioniert 3 ) ; sie haben sich an ihre Brüder in England gewendet und sie wiederholt warnend auf die Versuche ihres Parlaments aufmerksam gemacht, eine rechtswidrige Herrschaft über Amerika zu errichten 4 ); sie haben sie daran erinnert, daß diese Ansprüche ') „patient sufferance." 2 ) „suffer while evils are sufferable." 3 ) „In every new stage of these oppressions we have petitioned for redress in the most humble terms." 4 ) „Nor have we been wanting in attentions to our British brethren. We have warned them from time to time of the attempts by their legislature to extend an unwarrantable jurisdiction over these our states."



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verfassungswidrig waren 1 ); sie haben an ihre Gerechtigkeit und Großmut appelliert und sie bei den Banden ihrer Blutsgemeinschaft beschworen, diese Usurpationen von sich zu weisen2). Ihre Geduld, ihre Bitten, ihre Mäßigung waren vergeblich. Das englische Volk will die Trennung3) und der König hat selber die Herrschaft über Amerika abgedankt 4 ). Wenn sich jetzt endlich die Kolonien unabhängig erklären, so handeln sie unter Zwang, in gerechter Notwehr. Das wird durch das ganze Dokument betont und viermal ausdrücklich ausgesprochen5). Die Trennung vom Mutterland wird daher nicht freudig als der ersehnte, glorreich errungene Siegespreis verkündet, sondern mit Ergebenheit als bittere Notwendigkeit hingenommen. „We must therefore acquiesce in the necessity which denounces our eternal separation". Wie eine revolutionäre Tat auf weniger revolutionäre Weise gerechtfertigt und dargestellt werden soll, ist schwer vorzustellen®). Man beachte weiter, daß Jefferson so tut als sage sich Amerika nur vom Könige los, der ohnedies schon von selbst abgedankt habe. Die Oberherrschaft des englischen Parlaments aber, um die doch in Wirklichkeit der ganze Streit ging, erwähnt er nur nebenbei und stellt es so hin, als habe das Parlament in Amerika überhaupt nie etwas zu sagen gehabt und als sei die Lossage vom Parlament lediglich eine kleine Formalität, die er nur aus juristischer Gewissenhaftigkeit erledige. Mit dieser auffallenden Wendung unterschlägt er die eigentlich revolutionäre Tat Amerikas und zeigt nur den verhältnismäßig geringfügigen Bruch mit dem König, der auf diese Weise auch für alle Sünden des Parlaments verantwortlich gemacht werden kann und so seine Absetzimg um so besser ') We have reminded them of the circumstances of our emigration and settlement here, no one of which could warrant so strange a pretention . . . that submission to their parliament was no part of our constitution nor ever in idea, if history be credited." (Entwurf.) *) we have appealed to their native justice and magnanimity as well as to the ties of our common kindred, to disavow these usurpations." 3) ,,Be it so, since they (these unfeeling British brethren) will have it." *) ,,He has abdicated government here . . . " 6) ,,it becomes necessary to dissolve . . ."; it is their right, their duty to throw off . . ."; „necessity which constrains them to . . ."; „ W e must . . . acquiesce in the necessity which denounces our eternal separation." ') Es ist denkbar, daß die Rücksicht auf die französische Regierung, deren Hilfe durch den Abfall erkauft werden sollte, mäßigend auf die Fassung der Erklärung gewirkt hat. Beweisen läßt sich das freilich nicht. Mir scheint die Rücksicht auf den „legal mind" und auf die vielfach noch zögernde Stimmung der Amerikaner selbst viel näher zu liegen. Beiheft d . H . Z. 17.

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zu verdienen scheint. Der Zweck dieser Darstellung ist klar: die revolutionäre „Schuld" Amerikas und der revolutionäre Charakter der Unabhängigkeitserklärung soll auf ein Minimum verringert, die des Gegners gesammelt und erhöht werden. Man wird einwenden, daß nicht die g a n z e Unabhängigkeitserklärung, sondern nur die erste Hälfte des zweiten Absatzes das erlösende, grundlegende Credo verkünde, das ein neues Zeitalter eröffnet habe. Das heißt aber mit anderen Worten: während sich Jefferson einerseits die größte Mühe gibt, überzeugend die inoffensive Haltung der Kolonisten zu beweisen und während er sich über die Neuerungen und Verfassungsbrüche der Engländer hoch entrüstet, soll er plötzlich ohne zwingenden Grund eine umwälzende, höchst revolutionäre Theorie verbreiten, die mit dem ganzen Rest der Erklärung in krassem Widerspruch steht und die wiederholte Berufung auf unausweichliche Notwehr glatt widerlegt. Ein solcher Mangel an Logik in der Geburtsurkunde der Vereinigten Staaten wäre doch wohl zu merkwürdig. Was steht in der bekannten Stelle: ,,We hold these truths to be seifevident that all men are created equal, that they are endowed by their creator with inherent and inalienable rights, that among these are life, liberty, and the pursuit of happiness; that to secure these rights governments are instituted among men deriving their just powers from the consent of the governed; that whenever any form of government becomes destructive of these ends, it is the right of the people to alter or to abolish it, and to institute new government, laying its foundation on such principles and organizing its powers in such form as to them shall seem most likely to effect their happiness. Prudence indeed will dictate that governments long established should not be changed for light and transient causes . . . " Es ist darüber gestritten worden, ob diese „selbstverständlichen" Gedanken neu und originell seien oder nicht, und aus welchen Quellen sie stammen könnten 1 ). Auf solche Fragen hat Jefferson selbst die beste Antwort gegeben. „. . . not to find new principles, or new arguments, never bevore thought of, not merely to say things which had never been said before; but to place before mankind the common sense of the subject, in terms so plain and firm as to command their assent . . . Neither aiming at originality of principles or sentiments, nor yet copied from any particular and previous writing, it was intended to be an expression of the ') Vgl. Alfred O' Rahilly, „The sources of English and American Democracy" in „Studies", June 1919.



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American mind . . . All its authority rests then on the harmonizing sentiments of the day, wether expressed in conversation, in letters, printed essays or the elementary books of public right, as Aristotle, Cicero, Locke, Sidney etc." 1 ). Mit der Berufung auf die „harmonizing sentiments of the day" hat Jefferson schon die Antwort auf die andere und fruchtbarere Frage nach dem Sinn der Sätze angedeutet. 1688 und 1789 werden etwa dieselben Worte gebraucht wie 1776 und jedesmal bedeuten sie etwas anderes: in England Vorherrschaft eines Parlaments der Privilegierten über die Krone; in Frankreich Vorherrschaft des Dritten Standes über alle Privilegierten; in Amerika nationale Unabhängigkeit. Wer heute die Sätze Jeffersons als Volksherrschaft, allgemeines gleiches Wahlrecht, Republik usw. auslegt2), liest in sie, unwillkürlich durch die Erfahrung der Französischen Revolution und späterer Entwicklung beeinflußt, einen Sinn hinein, den sie 1776 gar nicht hatten. Wenn man schon die Theorie der Unabhängigkeitserklärung innerpolitisch auffaßt, so muß man es im Sinne der Zeit, nach den „harmonizing sentiments of the day" tun; und die Zeit faßte sie ganz eindeutig so auf, wie sie Locke gemeint hatte, als Grundlage der englischen Rechte und Freiheiten oder einfach als diese englischen Grundrechte und -Freiheiten selbst. Denn um diese war doch die letzten zwölf Jahre gestritten worden und der „American mind" hatte sie immer wieder mit denselben Gedanken Lockes begründet, die jetzt Jefferson wiederholt. Übrigens ist in der Unabhängigkeitserklärung selbst deutlich genug an konkreten Beispielen ausgeführt, was unter den „inalienable rights" zu verstehen ist. Die unveräußerlichen Rechte werden festgestellt; der König habe diese Rechte verletzt; „facts", Tatsachen sollen das beweisen; und was hat der König dann „tatsächlich" verletzt? Außer den allgemeinsten und elementarsten Geboten der Menschlichkeit und Pflichterfüllung nichts anderes als „the free system of English laws" 3 ). Diese konkrete, rückblickende Bedeutung ist allerdings später ganz vergessen worden und hat einer neuen Platz gemacht. Wenn z. B. die Demokratische Partei die Prinzipien der Unabhängig') Memorial Edition X V I ,

117.

2

) Als die Sklavenfrage in den Vordergrund der amerikanischen Geschichte rückte, verwendeten die Abolitionisten mit Vorliebe Jeffersons Sätze als Angriff gegen die Sklaverei. 3

) Der Ausdruck stammt aus der Unabhängigkeitserklärung selbst.

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— 84 — keitserklärung in ihr Programm aufnahm 1 ), dachte sie sicher nicht mehr an die englischen Grundrechte, sondern sie wollte sich eindeutig zur Republik und Demokratie bekennen. Sie dachte wohl auch nicht daran, daß sie Prinzipien aufnahm, die zur Verteidigung einer Dynastie gedient hatte, und die gerade in ihrer Zeit wieder den Thron eines Herrschers stützten, der ihnen wenig sympathisch war. Die Partei vergaß auch, daß in diesen Prinzipien von Republik und Demokratie gar nicht die Rede ist. Daß Jefferson die alten englischen Grundrechte und nicht die revolutionären Menschenrechte im Sinne von 1789 meinte, ist weiter bezeugt durch das Fehlen von allerhand Gedanken, die mit der Verkündung dieser umwälzenden Ideen füglich verbunden werden und die auch heutzutage, entsprechend der veränderten Bedeutung und Auffassung der Principles, stets in den Festreden zum 4. Juli gehört werden können. In der Unabhängigkeitserklärung selbst aber wird nichts von Demokratie und Republik gesagt, nichts von nationaler Einheit und nichts von der großen Zukunft des Kontinents. Das ganze Zukunftsprogramm beschränkt sich, abgesehen von der Verkündung der Selbständigkeit, auf die magere Bemerkung: ,,We must endeavour to forget our former love for them (our British brethren). . . the road to happiness and glory is open to us too, we will climb it apart from them". ') Aus den Platforms der Demokratischen Partei von 1836, 1840, 1852, 1856 und 1884: „Resolved, that the liberal Principles embodied by Jefferson in the Declaration of Independence, and sanctioned in the Constitution, which makes ours a land of liberty and the asylum of the oppressed of every nation, have ever been cardinal principles in the Democratic faith." Aus den Platforms der Republikanischen Partei von 1856, i860 und 1868: „Resolved . . . That the maintenance of the principles promulgated in the Declaration of Independence and embodied in the Federal Constitution is essential to the preservation of our republican institutions." Die Principles of the Declaration sind ferner aufgenommen in folgende Party Platforms: Liberty Abolitionist Party (Antislavery) 1843; Free Soil 1852; Prohibition 1872; United Labor 1888; Socialist Labor 1896. Vgl. „The National Conventions and Platforms of all Political Parties 1789— 1904" edited by Th. Hudson McKee, Baltimore 1904. Ein Vergleich dieser Parteiprogramme zeigt besonders deutlich, wie die Principles einen fortwährenden Bedeutungswandel durchgemacht haben. In den Acts zur Aufnahme von Nebrasca, Nevada (1864) Colorado (1874), North Dakota, South Dakota, Montana, Washington (1889) und Utah (1896) in die Union findet sich die Bestimmung, daß die Verfassungen dieser Staaten mit der Bundesverfassung und mit den Prinzipien der Unabhängigkeitserklärung nicht in Widerspruch stehen dürfen.



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Es fehlt vollständig das Bewußtsein, die fortgeschrittenste, freieste, glücklichste Nation der Welt und Führer der Menschheit zu sein, in ihrem Namen zu handeln und ihr Schicksal bis in die spätesten Geschlechter zu bestimmen. Es fehlt der Aufruf an die Völker zum gemeinsamen Kampf gegen die Tyrannen, es fehlt der Krieg den Palästen, der Friede den Hütten, es fehlt das Versprechen oder die Vision einer neuen und glücklicheren Zeit, es fehlen die Ideale des Fortschritts und der Tugend, der Aufklärung, der Völkerversöhnung und des Weltbürgertums. Es wird nichts gesagt von dem Reiche der Vernunft und Gerechtigkeit, wo es keine Herren und keine Knechte geben soll, und es wird nicht den Unterdrückten aller Nationen ein Asyl der Freiheit und des Friedens geboten. Solche Gedanken sind erst später mit den Sätzen Jeffersons verbunden worden, und dieser Bedeutungswechsel spiegelt sich in dem Akzentwechsel der Unabhängigkeitserklärung klar wieder. Es ist nämlich kein Zweifel, daß sich erst im Laufe der Zeit der Ton von dem langen königlichen Sündenregister weg auf die theoretische Stelle verschoben hat. In einer Sammlung zeitgenössischer amerikanischer Urteile über die Unabhängigkeitserklärung1) findet sich kein einziges, das die klassischen Sätze auch nur erwähnte. Zwei Loyalisten, Hutchinson2) und Lind3) wiesen in ihren Entgegnungen ausführlich und Punkt für Punkt den Vorwurf des Verfassungsbruches zurück — die Theorie der Unabhängigkeitserklärung taten beide mit ein paar kurzen Bemerkungen ab4). Die bekannten Sätze machten also in Amerika weder den Freunden noch den Feinden der Unabhängigkeit einen besonderen Eindruck und sie vermochten weder Hoffnung noch Furcht zu wecken. Den neuen Sinn und die damit gewaltig gesteigerte Bedeutung haben sie erst durch die Interpretation im Sinne der französischen Revolutions-Ideologie zunächst in Europa und dann in Amerika gewonnen. Am bedeutsamsten aber ist die frühe Auffassung Jeffersons selbst. Als er 1782 die „Notes on Virginia" schrieb, war er eifrig bemüht, Amerika von seiner besten Seite zu zeigen. Er verteidigte in einer eingehenden Kontroverse gegen Buffon die zoologische *) Hazelton op. cit. Cap. X , p. 220—239, „The Effect of the Declaration and what was thought of it." 2 ) Thomas Hutchinson „Strictures upon the Declaration of the Congress in Philadelphia: In a Letter to a Noble Lord", London 1776. 3 ) John Lind „An Answer to the Declaration of Congress", London 1776. *) Man vergleiche damit das entgegengesetzte Verhalten Burkes, der gerade den Geist und die Theorie der Französischen Revolution bekämpft.



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Überlegenheit seiner Heimat, rühmte ihre Schönheit, ihren Reichtum, ihr Klima, die Intelligenz der Eingeborenen und Kolonisten usw. Als er dann (unter Query XIII) auf die Trennung vom Mutterland zu sprechen kam, setzte er wieder genau die geschichtliche Entwicklung des staatsrechtlichen Verhältnisses zwischen England und Virginia bzw. Amerika auseinander, brachte ähnlich wie in der Unabhängigkeitserklärung eine Liste der englischen Übergriffe, um dann folgendermaßen fortzufahren: ,,No alternative was presented but resistance or unconditional submission. Between these could be no hesitation. They closed in the appeal to arms. They declared themselves independent states. They confederated into one great republic . . . In each state separately a new form of government was established. Of ours (Virginia) particularly the following are the outlines" 1 ). Und dann ließ er eine Kritik der virginischen Verfassung vom demokratischen Standpunkt aus folgen. Hier also ließ Jefferson die denkbar beste Gelegenheit ungenutzt, ein Preislied auf die Politik und vor allem auf den politischen Glauben der Vereinigten Staaten einzufügen, etwa von der Art, wie sie im damaligen Europa begeistert aufgenommen wurden. Statt aber neben den amerikanischen Bergen, Flüssen, Pflanzen, Tieren und Menschen auch die „Amerikanischen Ideale" zu verherrlichen oder wenigstens die menschheitliche Bedeutung der Unabhängigkeit hervorzuheben, warf er wieder die Rechtsfrage auf. Von den Gedanken der Unabhängigkeitserklärung wiederholte er die Anklage, die Notwehr und die Verkündung der Selbständigkeit. Diese galten ihm als wesentlich. Den Teil des Dokuments aber, der heute allen anderen voran, oder allein im Gedächtnis der Amerikaner haftet, die „Principles of the Declaration" hielt damals ^ihr Verfasser selbst nicht einmal einer Erwähnung wert. IV. Mit der Unabhängigkeitserklärung war die Diskussion mit England abgeschlossen und die Entscheidung an die Waffen übergegangen. In Virginia hatten die Wahlen von Frühjahr 1776 eine radikale Mehrheit gebracht und Patrick Henry wurde zum ersten republikanischen Gouverneur seines Heimatstaates. Sein Programm, die Unabhängigkeit, war verwirklicht, er stand am Ziele und sah keine neuen Aufgaben mehr vor sich. Seit seinem Siege trat vielmehr immer stärker die konservative Seite in ihm hervor, bis schließlich aus dem einstigen radikalen Stürmer fast ein Kandidat der Föderalisten geworden war. Für Patrick Henry und die ») „Notes", F. III, 221.

— 87 — Seinen, und erst recht für die Konservativen war die Revolution mit der Trennung von England vollendet. Mehr hatte ja keine der beiden Gruppen gewollt; man nahm noch die Änderungen in der Verfassung vor, die durch die Unabhängigkeit notwendig geworden waren, man bestätigte die englischen Rechte und Freiheiten und die Glaubensfreiheit dazu, und die Republik war fertig. „ . . . das Volk scheint mit der gleichen Selbstverständlichkeit die monarchische Staatsform aufgegeben und die republikanische angenommen zu haben, mit der man ein altes Kleid abgelegt und ein neues anzieht" 1 ). Nicht gerade die Stimmung eines Volkes, das sich anschickt, als erstes eine weltbefreiende Idee in die Wirklichkeit umzusetzen. Die republikanische Staatsform war tatsächlich für das damalige Amerika nicht mehr Eds bloß ein neues Kleid, ja nicht einmal das, denn man hatte gleichsam den guten alten Stoff beibehalten und nur die Knöpfe mit der Krone abgeschnitten und durch republikanische ersetzt. In dieser Feierabendstimmung trat Jefferson voller Reformeifer mit einem eigenen neuen Programm hervor. Sobald der Streit mit England durch den Abfall gelöst war, eröffnete er auf der innerpolitischen Front einen Angriff gegen die „Aristokraten" und schwang sich damit zum Führer der Demokraten auf 2 ). Noch wenige Tage vor der Unabhängigkeitserklärung sandte er von Philadelphia einen Verfassungsentwurf 3 ) nach Virginia, der schon manche deutliche Zeichen systematischer Demokratie trug: Abstimmung nach Wählerzahl statt nach ungleichen Grafschaften, Bestimmungen gegen Wahlbestechung, reichliche Anwendung des Rotationsprinzips, scharfe Trennung der Gewalten, Abschaffimg der Primogeniturrechte und schließlich Annahme und Änderung der Verfassung durch Volksentscheid. Der Entwurf wurde abgelehnt und statt dessen eine Verfassung angenommen, die der kolonialen sehr ähnlich war und den Wünschen des Reformers nur wenig entsprach4). *) Jefferson an Benjamin Franklin, 13. Aug. 1777, F. III, 131. ,,the people seem to have laid aside the monarchical, and taken up the republican government, with as much ease as would have attended their throwing off an old, and putting on a new suit of clothes." 2) Vgl. Eckenrode, „ T h e Revolution in Virginia", S. 195. „Jefferson . . . had changed the Revolution from a struggle for external political liberty into a movement for social reform, and in so doing displaced Henry from his chieftainship." 3) F. II, 7—30, Juni 1776. 4) Eine eingehende und für Jeffersons politisches Denken charakteristische Kritik der Virginischen Verfassung findet sich in den „Notes", Query XIII, 1782.



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Jefferson ließ sich nicht entmutigen. Was er nicht auf einen Schlag hatte durchsetzen können, versuchte er auf Umwegen durch eine Reihe von gesetzlichen Änderungen nachträglich zu erreichen. Er brachte Gesetze ein zur Sperrung der Sklaveneinfuhr 1 ), zur Aufhebung des Fideikommisses2) und zur Abschaffung des Primogeniturrechts. Ein weiteres beantragte die Verlegung der Hauptstadt von Williamsburg nach dem Zentrum des Staates, angeblich aus militärischen Gründen, tatsächlich aber um zu verhindern, daß die Abgeordneten des „aristokratischen" Ostens nur infolge der geringeren Entfernung vom Sitze der Regierung schnell eine Mehrheit zusammenbringen konnten, die ihnen tatsächlich nicht zukam 3 ). Gleichzeitig machte er sich, von Pendle ton und Wythe unterstützt, an die Revision der in Virginia geltenden Statutes 4 ) — in der Hauptsache nur eine vereinfachte Sammlung alter Gesetze, in der jedoch die Strafbestimmungen nach den humanitären Gesichtspunkten der Zeit gemildert wurden5). Es folgte dann der wichtigste von den Reformvorschlägen, das Gesetz zur Einführung der Glaubensfreiheit8). Nachdem der Religionsartikel der Virginia Bill of Rights angenommen war, wußte niemand, was er praktisch eigentlich bedeute, und man hatte sich mit provisorischen Kompromissen weitergeholfen. Jefferson löste die Frage durch die volle Trennung von Kirche und Staat, die dann für ganz Amerika vorbildlich wurde. Das ganze Reformwerk und überhaupt der Geist der Freiheit sollte schließlich durch die „allgemeinere Verbreitung des Wissens" vor dem stets drohenden Verfall geschützt werden. Jefferson entwarf dazu einen großzügigen, für die Verhältnisse utopisch kühnen Plan zur Schaffung eines staatlichen Er*) F. II, 201 eingebracht Juni 1779. Der Vorschlag war schon im Verfassungsentwurf von 1776 enthalten. Da die Einfuhr durch die englische Blockade sowieso gesperrt war, bedeutete das Gesetz wenig mehr als eine Geste. Ein Gesetz zur Sklavenemanzipation war zwar vorbereitet, Jefferson wagte aber nicht, es vorzulegen. •) F. II, 103; 14. Okt. 1776. *) F. II, 106; 14. Okt. 1776. *) Beantragt und begonnen Okt. 1776, vollendet Juni 1779. *) F. II, 203 f. ,,A Bill for proportioning crimes and punishments", '779') F. II, 237; vorgelegt 13. Juni 1779. Jefferson behauptet (Notes on Virginia Query X V I I , F. III, 262), daß zwei Drittel der Bevölkerung, und zwar die ärmere Klasse zu Beginn der Revolution nicht der Staatskirche angehörte. Der Kampf gegen die Staatskirche hatte in Virginia schon 1755 mit dem „ T w o Penny A c t " begonnen und endete erst 1786 mit der epochemachenden Lösung Jeffersons. Vgl. H. J. Eckenrode, „Separation of Church and State in Virginia".

— 89 — ziehungswesens von der Elementarschule bis zur Universität und Staatsbibliothek 1 ). Darin war beantragt, daß unter den unbemittelten Schülern jährlich so und so viele der Begabtesten ausgesucht und auf Staatskosten weiter ausgebildet würden, damit „without regard to wealth, birth or other accidental condition or circumstance" „those persons whom nature has endowed with genius and virtue, should be rendered by liberal education worthy to receive, and able to guard the sacred deposit of the rights and liberties of their fellow citicens". Die Vorschläge Jeffersons bilden zusammen ein Programm 2 ), das im damaligen Amerika einzigartig dastand. Wohl waren in manchen Staaten eine oder auch mehrere seiner Forderungen schon längst erfüllt, und auch für das „aristokratische" Virginia bedeuteten sie keinen revolutionären Umsturz. Nur einige von den Gesetzen wurden sofort angenommen, manche erst nach vielen Jahren, andere überhaupt nicht3). Gewissermaßen wissenschaftlich-gelehrten, nicht leidenschaftlichen Charakters, von oben, d. h. von einer verantwortlichen, der öffentlichen Meinung vorauseilenden4) Regierung vorgeschlagen und durchgeführt und nicht von den drängenden Massen erzwungen und verhältnismäßig beschränkt in ihrer Tragweite sind sie viel eher republikanische Parallelen zu den Reformen des aufgeklärten Fürstentums als zu dem Französischen Umstürze. Sie brachten also lediglich eine Aera der Reformen. Gerade das aber war das Einzigartige. In keinem der anderen Staaten war so wie in Virginia die Republik zum immittelbaren Ausgangspunkt einer systematischen Reformbewegung geworden; in keinem war, sobald der Abfall die außenpolitische Frage gelöst *) F. II, 220 und 236; Juni 1779; vgl. auch H. B. Adams, Jefferson and the University of Virginia, U. S. Bureau of Education Circular, N. I. 1888. 2) Wertvolle Bemerkungen Jeffersons über seine Reformpläne finden sich in den „Notes" unter Queries X I I , X I V , X V , X V I I , 1782 und in seiner „Autobiography" F. I, 48—69, 1821. 3) Sperre der Sklaveneinfuhr und Abschaffung des Fideikommisses (und der Primogeniturrechte ?): 1776; Verlegung der Hauptstadt: 1779; von den 126 revidierten Statutes waren 1785/86 nur 56 angenommen; Trennung von Kirche und Staat: 1786; Milderung der Strafen in abgeänderter Form und Gesetz über die Elementarschulen in unwirksamer Form: 1796; Gründung der Universität: 1819. 4) „Autobiography", M. E. I, 67: „The revisors had adopted their (i. e. Beccaria's and other writers) opinions: but the general idea of our country had not yet advanced to that point."



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hatte, auf der innerpolitischen Front ein so breiter Angriff gegen „Aristokraten" und Privilegierte eröffnet worden. Jefferson gab jetzt offen das amerikanische Programm der Wahrung der alten englischen Rechte auf und folgte einem neuen, in die Zukunft gerichteten Staatsideal. Denn was er jetzt forderte, hatte mit den Beschwerden Amerikas gegen England, mit Verteidigimg und Schutz der Verfassung und der alten Rechte der Kolonien wenig oder nichts mehr zu tun. — Er wollte jetzt neue Rechte für eine innere, soziale Reform, Änderung der Verfassung und Angriff auf eine herrschende Klasse. Und entsprechend dem neuen Ziele war auch der Geist, den er nunmehr bekundete, ein anderer als der „Geist von '76". Es war offensichtlich etwas vom Geist der Aufklärung, der da einzog. Das Streben nach Humanität und sozialer Gerechtigkeit, der Kampf gegen feudale Ungleichheit und Privilegien, das Mißtrauen gegen die Mächtigen und anderseits das Vertrauen in die Freiheit des Denkens und in die Macht der Erziehung, der Glaube an die Güte und Weisheit des Volkes und schließlich der zuversichtliche Reformeifer selbst, das alles weist deutlich auf das Denken des 18. Jahrhunderts. Und wenn Jefferson berichtet, er habe damals den vermittelnden Vorschlag dem erstgeborenen Sohn wenigstens ein doppeltes Erbteil zu belassen mit der Begründung zurückgewiesen, daß dieser doch auch nicht doppelt soviel essen und arbeiten könne als seine jüngeren Geschwister1) oder wenn er gegen den Glaubenszwang unter anderem das Argument anführt „es schadet mir nichts, wenn mein Nachbar behauptet, es gebe zwanzig Götter oder keinen Gott. Das stiehlt mir nichts aus der Tasche und bricht mir nicht mein Bein" 2 ), so glaubt man den typischen, zwar nicht gerade tiefsinnigen Aufklärer zu erkennen, der daran geht, unbekümmert um Tradition und Autorität einzig nach den Geboten der allheilenden Vernunft abstrakte Ideale zu verwirklichen. Man ist versucht, die Gedanken des Reformers — die freilich schon zu einem internationalen Gemeingut geworden waren — auf die kräftigsten und lautesten Vertreter des Rationalismus zurückzuführen, auf die französischen „philosophes". So wenig sich nun leugnen läßt, daß manche Züge der Aufklärung in dem virginischen Reformplan zu finden sind, so war Vgl. Autobiography ) „ N o t e s " , F . I I I , 2 6 3 ; 1782, ,,it does me no injury for my neighbour to say there are twenty gods or no god. It neither picks my pocket nor breaks my leg." 2



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Jefferson doch nicht, wie es auf den ersten Blick scheinen möchte, ein Schüler der Franzosen: er war nicht ein Feind der „finsteren Vergangenheit", er folgte nicht einfach der selbstherrlichen Vernunft, noch war sein Idealstaat der noch nie dagewesene oder in eine phantastische Urzeit zurückverlegte, abstrakte Staat der Raison. Schon in dem Verfassungsentwurf von 1776 findet sich eine Stelle, die stutzig machen muß: „Descents shall go according to the laws (of) Gavelkind, save only that females shall have equal rights with males" 1 ). Gavelkind war eine Bestimmung aus dem altsächsischen Recht, welche die Teilbarkeit des Erbgutes vorsah. Warum aber greift da Jefferson noch auf das Erbrecht gerade der Alten Sachsen zurück, wenn er doch schon entdeckt hatte, daß Geschwister gleich viel essen. War das nicht Grund genug für die Reform ? Dann heißt es von der Sprache seiner Gesetzesrevision" . . . I wished to exhibit a sample of reformation in the barbarous style into which modern statutes have degenerated from their ancient simplicity" 2 ). „Degenerated" und „ancient simplicity" — eine Äußerlichkeit nur, aber immerhin: die alte Zeit hatte einen mustergültigen Vorzug, der durch späteren Verfall verloren gegangen war. Deutlicher spricht schon eine Stelle, in der die „practice of our wise British ancestors8)" gerühmt und als Vorbild empfohlen wird und schließlich heißt es ganz klar: „Are we not the better for what we have hitherto abolished of the feudal system ? Has not every restitution of the antient Saxon laws had happy effects ? Is it not better now that we return at once into that happy system of our ancestors the wisest and most perfect ever yet devised by the wit of man, as it stood before the 8th century" 4 ). Jefferson teilte also die von J . Hare und den Levellern, von Montesquieu und Blackstone und von einer ganzen Reihe anderer Gelehrter, besonders englischer Juristen, vertretene Ansicht, wonach die Alten Germanen bzw. Sachsen sich einer vorbildlichen demokratischen Freiheit erfreut hätten, die im Feudalismus und Absolutismus zugrunde gegangen sei4). Nur in England sei diese ursprünglich gemeingermanische Freiheit erhalten oder restauriert F . II, 26; Juni 1776. ) F. II, 203; an W y t h e I. Nov. 1 7 7 8 . 3 ) F . II, 7 9 ; 13. Aug. 1776. 4 ) F . II, 80; 13. Aug. 1776. ') Vgl. Erwin Hölzle, „ D i e Idee einer Altgermanischen Freiheit vor Montesquieu; Beiheft 5 der Historischen Zeitschrift. München und Berlin 1925. 2



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worden. Dieses altsächsische freie Recht reiner als in England wiederherzustellen und vollends von den feudalen Schlacken zu befreien, war also die Absicht des virginischen Reformers. Man könnte nun einwenden, daß die Hypothese der altsächsischen Freiheit eine praktisch bedeutungslose Äußerlichkeit sei, denn es mache kaum einen Unterschied, ob man das Idealreich in eine fabelhafte Urzeit des Menschen verlege, oder zu den edlen Wilden oder in das England des achten Jahrhunderts. In Wirklichkeit sei doch jedesmal die souveräne Vernunft Führer und Vorbild, die Alten Sachsen aber seien das ebensowenig wie die Urmenschen oder die Wilden. Dem Einwand widerspricht schon die Tatsache, daß Jefferson, im Gegensatz zu den Reformern, die sich herzlich wenig um die genaue Erforschung ihrer Jdealvölker (Amerikaner!) und Idealzeitalter kümmerten, gründlich das Altsächsische gelernt hat und gerne für dessen Verbreitung eingetreten ist 1 ); er wird vollends widerlegt durch sein „Common Place Book" 2 ), einen stattlichen Band von Exzerpten und Zitaten, von denen ein großer Teil zweifellos als Vorarbeit für die Verfassungs- und Reformpläne gedient hat. Diese Notizen gestatten einen sehr guten Einblick in die Arbeitsweise und Gedankenwelt Jeffersons, und da zeigt sich, daß er die „philosophes" nur ganz wenig benützt hat. Zwei Auszüge aus Helvitius über „Seele" und „Atheismus" sind die einzigen Stellen philosophischen Inhalts. Rousseau ist überhaupt nicht erwähnt und es ist durchaus möglich, daß seine Schriften dem Reformer imbekannt waren. Voltaires Werke werden lediglich als Material- und Kuriositätensammlung behandelt, die Gedanken und die Weltanschauung des Aufklärers übergeht das Common Place Book. Selbst Locke, dessen Benützung freilich an anderer Stelle bezeugt ist, wird nur einmal zitiert. Sehr reichlich dagegen ist Beccaria vertreten, auf den auch die Begleitnoten zur „Bill for proportioning crimes and punishments" wiederholt verweisen, und die Auszüge aus Montesquieu3), gegen den Jeffer') Schon in dem Plane einer Reorganisation des William and Mary Colleges war eine Professur „of the ancient languages, oriental and northern" vorgesehen. F. II, 234; 1779. 2) „The Common Place Book of Thomas Jefferson; with an introduction and notes by Gilbert Chinard", Baltimore und Paris 1926. Für die folgenden Ausführungen vgl. die Einleitung Chinards. 3) Über das Verhältnis Jeffersons zu Montesquieu vgl. G. Chinard : „Pensées choisies de M., tirées du Common Place Book of Jefferson; Etudes Françaises, 4e cahier", Paris 1925. Jeffersons Auszüge betreffen Volkssouveränität, Aufstieg und Verfall der demokratischen Staatsform,

— 93 — son später eine entschiedene Abneigung faßte, nehmen mehr Raum ein als die aus irgendeinem anderen Autor. Der weitaus überwiegende Teil des Common Place Books aber stammt aus juristischen, historischen und rechtsgeschichtlichen Werken. Lord Kames1), John Dalrymple2), Simon Pelloutier3), Abraham Stanyan4), Henry Spelman5), William Somner*), Francis Stoughton Sullivan"), William Eden8), Robert Molesworth8), René Aubert de Vertot10) sind gründlich verarbeitet und ferner werden Bracton, Coke Littleton, Mansfield, Blackstone und noch eine Reihe anderer Juristen und Historiker häufig zitiert. Was Jefferson bei diesen Gelehrten suchte, waren vor allem möglichst genaue Nachrichten über föderative Verfassungen11), Zerstörung der Republik durch Berufsheere, Milderung der Strafgesetze, republikanische Bundesverfassungen, bürgerliche Freiheiten, Besteuerung, Sklaverei, Handelspolitik, Ostrazismus, Klima und Verfassung. Die bekannten Stellen aber die englische Verfassung und die Trennung der Gewalten fehlen. ') „Historical Law Tracts" 1758. 2 ) „Essay towards a general History of Feudal Property in GreatBritain", London 1757. *) „Histoire des Celtes" und „Histoire des Galates", Paris 1771. *) „Grecian History down to the Death of Philip Macedon", London 1739 und „An Account of Switzerland written in the year 1 7 1 4 " , London 1714. Jefferson fand in Stanyans Griechischer Geschichte Beispiele der Unabhängigkeit der griechischen Kolonien von den Mutterstädten. ®) „Glossarium Archaiologicum", Auszöge Ober die Alten Sachsen und das Eindringen des Feudalrechts in England mit den Normannen. •) „Treatise on Gavelkind", London 1660 und 1727. ') „An historical treatise of the feudal laws, and the constitution and laws of England", London 1772. 8 ) „Principles of Penal law." ') „ A n Account of Denmark as it was in the year 1692", London 1694. Daraus der bezeichnende Auszug „All Europe was beholden to the Northern nations for introducing or restoring a constitution of government far excelling all others that we know in the world. It is to the antient inhabitants of these countries, with other neighboring provinces, that we owe the original of parliament formerly so common, but lost within this last age in all kingdoms but those of Poland, Great Britain and Ireland. Denmark was till 1660, governed by a king chosen by the people of all sorts." Jefferson bringt dann eine lange Liste, die beweisen soll, daß die englische Krone niemals erblich gewesen sei. 10 ) „Histoire des Révolutions en Suède", Paris 1768. 11 ) ,,. . . articles worthy of attention in constituting an American Congress", Common Place Book, S. 205.



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über die Geschichte, besonders Rechtsgeschichte der Germanen bzw. Sachsen und über die Ursprünge des Feudalrechtes, besonders soweit es Eigentum und Erbfolge betrifft 1 ). Sieht man die mühsamen und gewissenhaften Untersuchungen, die Jefferson über diese Fragen anstellte, so kann man kaum noch behaupten, die Alten Sachsen seien für ihn lediglich ein für seine Zwecke zusammenphantasiertes Idealbild gewesen nach der Art der rousseauschen Naturmenschen, noch wird man den Reformer als den Rationalisten, Träumer und Dogmatiker bezeichnen, der selbstsicher die Welt nach einem abstrakten Formelideal ganz neu einrichten wollte. Jefferson betrachtete die Sachsen nicht als der begeisterte Philosoph, sondern als der gewissenhafte, fast pedantische Jurist; es steckte noch sehr viel von dem angelsächsischen Lawyer in ihm, der erst sorgfältig Präzedenzfälle sucht und prüft, bevor er sich entscheidet und handelt. Bezeichnend für diese juristische Mentalität sind die Vorarbeiten für das Gesetz über die Religionsfreiheit. Jefferson übernahm wohl die theologischen und philosophischen Argumente von Milton und Locke 2 ), auch da wieder gründlich bis auf das frühe Christentum und die ersten Häretiker zurückgreifend. Die Gründe der beiden Engländer müssen ihn aber doch nicht befriedigt haben, denn er machte sich selbständig an eine eingehende rechtshistorische Untersuchung, die ihn zum Ergebnis brachte „that Christianity neither is, nor ever was, a part of the Common Law" s ). Ähnlich stellte er fest, daß die staatliche Eintreibung der Kirchensteuer erst in der Feudalzeit unter Verletzung der alten Rechte des Volkes eingeführt worden war. Erst nachdem er so sein juristisches Gewissen durch die Überzeugung beruhigt hatte, daß dem Glaubenszwang und der Verbindung von Kirche und Staat die rechtliche Grundlage fehlte, brachte er sein Reformgesetz ein. Die Glaubensfreiheit von Virginia ist also einem ganz anderen Geiste entsprungen als die entsprechenden Gesetze der Französischen Revolution und Chinard hat wohl Recht, wenn er meint, daß Jefferson bei seinem Appell an die „natural rights of mankind" die ursprüngliche Reinheit der altsächsischen Einrichtungen und das „folk right" im Sinne gehabt habe4). Bei den Gesetzen zur Abschaffung des Fideikommisses und der Primogeniturrechte ') So zitierte Jefferson z. B. aus W. Robertsons „History of the Reign of the Emperor Charles V . " London 1769 gerade die Stellen über die Germanen und das Feudalrecht. 2) F. II, 92 und Comm. PI. B. Appendix. 3) F. I, 364 f., dort falsch datiert, und Comm. PI. B. 351 f. 4) Vgl. Comm. PI. B. Introduction, S. 59.



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liegt der rechtshistorische Ursprung viel klarer und eindeutiger zu Tage, so daß gerade die drei wichtigsten Reformen Jeffersons nicht auf abstrakt-retionalistisches, sondern auf historisch-juristisches Denken zurückzuführen sind1). Es bleibt freilich immer noch die Frage, wieweit denn für den Virginier das altsächsische Recht — so ernst und genau er es damit auch nehmen mochte — tatsächlich „ Quelle" seiner Reformideen war und wieweit er darin nur die Bestätigung von Gedanken suchte und fand, die ihm schon vorher und unabhängig davon der Geist der Zeit zugetragen hatte. Ganz und befriedigend läßt sich diese Frage nicht lösen. Ein Fall 2 ) aber kann da wenigstens einen wertvollen Fingerzeig geben. In der „Bill for proportioning crimes and punishments" folgte Jefferson den humanitären Grundsätzen von Montesquieu und besonders Beccaria. Um so überraschender ist es dort die Einführung der grausamen „lex talionis" und des „membrum pro membro" zu entdecken. Es war eine Wiederherstellung des altsächsischen Rechts. Hier also, wo das aufgeklärte Denken des 18. Jahrhunderts und das altsächsische Vorbild sich scharf widersprechend gegenüberstanden, entschied sich Jefferson, wenn auch nur zögernd3), für das Beispiel der Alten Sachsen. Das Wichtigste aber bleibt, daß Jefferson überhaupt jene typisch englische, stolze Verehrung der Vergangenheit seines Volkes und jenen typisch englischen .legal mind' beibehielt; daß er überhaupt das Bedürfnis empfand, seine Reformen historisch und juristisch zu rechtfertigen; daß er für sie an die Autorität der Geschichte, der ererbten englischen Freiheiten, an das gute alte Recht appellierte; kurz, daß er, wie er es später seinen Gegnern vergeßlich und verächtlich vorwarf, selbst „den gotischen Gedanken" hatte „um den Menschengeist vorwärts zu bringen, nach rückwärts zu blicken, statt nach vorwärts", daß er selbst „der beschränkte ') E s ist sehr wohl möglich, daß der Hauptteil des Common Place Book aus der Zeit vor 1 7 7 6 datiert, so daß die Gedanken der „ S u m m a r y V i e w " (their Saxon ancestors . . . had established there (in England) that system of laws which has so long been the glory and protection of that country." F . I. 430) und auch der Unabhängigkeitserklärung mit der Idee einer altsächsischen Freiheit in Verbindung zu bringen wären. Vgl. Comm. Pl. B . Introduction. Der Gegensatz zum Denken der französischen Revolutionäre wird besonders klar durch den Vergleich mit Brissots Spruch : ,,La propriété c'est le vol", oder mit Mably, Morelly, Turgot, die das Problem des Eigentums philosophisch behandeln und nicht juristisch. 2 ) E r ist von Chinard übersehen und dürfte doch seine Schlußfolgerung modifizieren. 3 ) F. II, 204; an G. Wythe, 1. Nov. 1778.



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Frömmler" war, „der in den Annalen unserer Vorväter sucht, was am vollkommensten sei in Politik, Religion und Wissenschaft" . Man sieht, wie weit noch Jefferson vom Geist von 1789 entfernt war. Er war zwar trotz Franklin der aufgeklärteste, fortschrittlichste, demokratischste Amerikaner der Zeit, er hatte eine angeborene Neigung zu radikaler, rationalistischer Argumentation, er war der Führer gerade desjenigen Staates, auf den sich wegen seiner sozialen Struktur die europäische Revolutionsideologie am leichtesten übertragen ließ; trotz aUedem ist es ihm aus eigener Kraft nicht gelungen, die Amerikanische Revolution in die europäische Revolutionsphilosophie hineinzustellen und selbst in seinem Reformprogramm hat er nicht vermocht, sich von der übermächtigen angelsächsischen Tradition mit ihrem legalistischen Denken und ihrer Achtimg vor den Entscheidungen der Väter freizumachen und rückhaltlos der reinen Vernunft zu folgen und ihre leuchtenden Ideale aufzunehmen. Es ist mehr als eine bloße Äußerlichkeit und Spielerei, die sich in Jeffersons Vorschlag zu einem Siegel der Vereinigten Staaten ausdrückt. „Die Kinder Israels in der Wüste, am Tage von einer Rauchwolke, nachts von einer Feuersäule geführt „ — das sieht sehr so aus wie eine zuvorkommende Konzession des Virginiers an die puritanischen Mitbürger im Norden —" und auf der anderen Seite Hengist und Horsa, die sächsischen Führer, von denen wir uns rühmen abzustammen, und deren politische Leitgedanken und Regierungsformen wir angenommen haben" 2 ). Es ist ein treffendes Symbol des damaligen politischen Denkens von Thomas Jefferson. ') A n Priestley, 27. J a n . 1800, F . V I I , 406 f. „Pardon, I pray you, the temporary delirium which has been excited here, but which is fast passing away. The Gothic idea that we are to look backwards instead of forward for the improvement of the human mind, and to recur to the annals of our ancestors for what is most perfect in government, in religion and in learning, is worthy of those bigots in religion and government, by whom it has been recommended, and whose purposes it would answer." 2 ) Vgl. F . I, 420; dort zitiert aus John Adams, Familiar Letters, ed. by Ch. Fr. Adams, N. Y . 1876, 2 1 1 ; 14. Aug. 1 7 7 6 ; Randall op. cit. I, 192; Harpers Magazine Juli 1856. „ T h e children of Israel in the wilderness, led by a cloud by day and a pillar of fire by night and on the other side, Hengist and Horsa, the Saxon chiefsfrom whom we claim the honor of being descended, and whose political principles and forms of government we have assumed."

Viertes Kapitel. I. Im Juni 1779 und 1780 wurde Jefferson, nunmehr der anerkannte Führer der virginischen Reformpartei, zum Gouverneur seines Heimatstaates gewählt. Er schien den Gipfel seiner politischen Laufbahn erreicht zu haben, als gegen Ende seines zweiten Amtsjahres die englischen Truppen in Virginia einbrachen, ihn selbst um ein Haar gefangen nahmen und das ganze Land durchzogen, ohne daß der mächtigste und größte Staat der Union fähig gewesen wäre, wenigstens einen ehrenvollen Widerstand zu leisten. Zu Recht oder Unrecht machte man den Gouverneur für die erlittene Demütigung verantwortlich, man beschuldigte ihn sogar der Feigheit und wahrscheinlich hat nur der endgültige Sieg von Yorktown (19. Okt. 1781) eine gegen ihn beantragte parlamentarische Untersuchung verhindert. Aufs tiefste durch die Beschuldigungen seiner Mitbürger verletzt, versicherte Jefferson, er wolle sich für immer vom öffentlichen Leben zurückziehen, um sich seiner Familie und seinen Studien zu widmen. Derartige Erklärungen pflegte er zwar nicht gerade selten abzugeben, um sich dann gerne wieder vom Volke zum „martyrdom of office" schleifen zu lassen. Diesmal aber war ihm sein Entschluß ernster als ihm lieb war, denn nach dem Vorgefallenen schien tatsächlich seine politische Laufbahn zu Ende 1 ). Indes hielt es Jefferson nicht lange in seiner Zurückgezogenheit aus2) und er ergriff, vom Tode seiner Frau mitbestimmt, bald eine Gelegenheit, ins öffentliche Leben zurückzukehren; freilich nicht mehr im Dienste Virginias, sondern nur im Dienste der Confederation, was damals entschieden „weniger" bedeutete3). Nach') Dodd, Statesmen of the Old South, und Eckenrode, The Revolution in Virginia. 2 ) In diese Zeit der Zurückgezogenheit fällt die Abfassung der „Notes on Virginia". 3 ) Die durch ihre Verfassung ohnedies schon schwache Bundesregierung war seit dem Aufhören der äußeren Gefahr durch die Gleichgültigkeit der Einzelstaaten aufs schwerste gelähmt. Für wichtigere Angelegenheiten Bs'beft d. H. Z. 7.

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dem sich seine Ernennung zum Friedensunterhändler (Nov. 1782) als verspätet erwiesen hatte, ließ er sich (Juni 1783) in den Bundeskongreß wählen. 1 ) Ein Jahr später reiste er nach Paris mit dem Auftrage, zusammen mit Franklin und John Adams Handelsverträge mit verschiedenen Mächten zu schließen. März 1785 endlich wurde er als Nachfolger Franklins zum Gesandten am Französischen Hofe ernannt. Die Annahme der Mission nach Frankreich, war ein kaum verhüllter Rückzug2). Das entscheidende politische Kampfgebiet lag in Virginien und nicht in Annapolis oder in Paris, und die früheren Rivalen Jeffersons hätten sicher einen Posten als Unterhändler in Europa ausgeschlagen. Indes sollte der fünfjährige Aufenthalt in Paris, der ursprünglich einen Rückzug bedeutet hatte, für Jefferson eine große Bereicherung und eine äußerst wertvolle Vorbereitung für seinen späteren Aufstieg als Führer der Republikanischen Partei werden. Was freilich die unmittelbar praktische Politik anging, hatte ein freiheitlicher Mann, der aus dem fortgeschrittensten Lande der Erde kam, im Frankreich Ludwig X V I . kaum etwas zu lernen. Dazu waren die demokratischen und liberalen Einrichtungen Englands und vollends Amerikas denen des Kontinents zu sehr überlegen. Und doch war, wenn auch auf negativem Wege, nicht zuletzt die lebendige Berührung mit dem Ancien Régime gerade für den Demokraten und Amerikaner Jefferson von großem Wert. Man erinnere sich, daß in der Neuen Welt die langandauernden Mißbräuche und die langandauernde Unzufriedenheit war das halbleere Haus meist beschlußunfähig und selbst zur Ratifikation des Friedensvertrages konnte nur nach langer Zeit und mit großer Mühe die gesetzliche Zahl von Abgeordneten zusammengebracht werden. Vgl. J . B. Mc Master, History of the people of the United States, N. Y . 1883, Bd. I, S. 1 3 1 . l ) Auf Jeffersons Arbeit im Kongreß geht das Münzsystem der Vereinigten Staaten zurück. Vgl. „Notes on the Establishment of a Money Unit, and of a Coinage for the U. S . " , April 1784, F. III, S. 446 ff. und „Autobiography", F. I, 73. Das Dezimalsystem war freilich schon vorher von Governor Morris vorgeschlagen worden. Die verdienstvollste Leistung Jeffersons aus dieser Zeit ist der Antrag über die Regierung des Westlichen Territoriums, der als Vorlage für die bekannte „Ordinance of 1 7 8 7 " von bleibender Bedeutung geworden ist. Von letzterer unterscheidet sich Jeffersons Plan durch die Bestimmung, daß für alle neuaufzunehmenden Staaten — die nördlichen und die südlichen — vom Jahre 1800 ab die Sklaverei verboten sein solle. Vgl. „Report of Government for the Western Territory", März 1784, F. III, 429. *) Vgl. Dodd op. cit.



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gefehlt hatten, die als Gegenstoß eine hochgespannte revolutionäre Ideologie mit erhabenen Idealbildern erzeugt hätten. Und man erinnere sich weiter, daß das Gesichtsfeld Jeffersons und erst recht das seiner Landsleute noch kaum über die angelsächsische Welt hinausgereicht hatte. Der bis dahin geläufige Vergleich der jungen Repubüken mit dem zu ähnlichen und zu nah verwandten Mutterlande aber, hatte wiederum keinen starken Kontrast geboten ; er war auch nicht so unbedingt vorteilhaft und damit nicht besonders geeignet gewesen, in Amerika das Bewußtsein der nationalen Besonderheit und das Gefühl der eigenen Überlegenheit zu wecken. Im vorrevolutionären Frankreich dagegen hatte der amerikanische Demokrat zum ersten Male Gelegenheit, den Gegensatz, den Feind, das Übel und den Widerstand kennenzulernen, gegen den sich die französische Revolutionsphilosophie richtete. Er sah das Elend der unteren Volksschichten neben dem schrankenlosen Luxus der oberen, die erdrückende ungerecht verteilte Steuerlast, die sinnlosen Reste aus der Feudalzeit, die Rechtlosigkeit ganzer Klassen, die Mißstände bei den Steuerpächtern, die lächerliche Anwendung der Zensur, die Unterdrückung Andersgläubiger, und die Hilflosigkeit der absoluten Regierung, die trotz aller äußeren Machtmittel dem Ansturm der öffentlichen Meinung schwächlich unterlag. „In der Tat, es ist schwer zu begreifen . . aber es ist eine Tatsache: trotz der Milde seiner Herrscher ist das Volk zu Staub zermalmt durch die Mängel der Regierungsform. Von zwanzig Millionen Menschen, die in Frankreich leben sollen, sind nach meiner Meinung neunzehn Millionen elender und verkommener in jedem Umstände des menschlichen Daseins als das allerelendeste Individuum der ganzen Vereinigten Staaten" 1 ). „In Europa geht die Menschenwürde in willkürlichen Standesunterschieden unter, das Menschengeschlecht ist in verschiedene Stufen der Erniedrigimg geteilt, die Masse krümmt sich unter dem Gewichte der Wenigen und die bestehende Ordnung kann der Betrachtung eines denkenden Wesens kein anderes Bild bieten als das Bild Gott des Allmächtigen und seiner Engel, die unter ihren Füßen die Scharen der Verdammten zertreten" 2 ). Was Jefferson hier beobachtete, war gewissermaßen die Negation der Demokratie und erst durch das Erleben dieser Negation gelangte er wie die Franzosen zu einer vollen und leidenschaftliche^ und schließlich dogmatischen Bejahung und Idealisierung der ') An Mrs. Trist. 18. Aug. 1785. „Observations for the article Etats-Unis prepared for the Encyclopédie", 24. Januar 1786. 2)





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demokratischen Ordnung. Weiterhin bildete das Ancien Régime den dunklen Hintergrund, vor dem jetzt der Amerikaner — wie früher schon die europäischen Reformer — sein Vaterland und dessen Besonderheit mit erhöhter Leuchtkraft und Schärfe sich abheben sah. In diesem Sinne erlebte er den Gegensatz der kolonialen sozialen Ordnung und der historisch erwachsenen Gesellschaftsstruktur Europas. „Das Vergnügen einer Reise (nach Frankreich), schrieb er damals an seinen Freund Monroe, wird geringer sein als Sie erwarten, der Nutzen aber größer. Sie werden Ihr eigenes Land vergöttern lernen und seinen Boden, sein Klima, seine Gleichheit, seine Freiheit, seine Gesetze, sein Volk und seine Sitten. Großer Gott ! Wie wenig wissen meine Landsleute, welch reiche Segnungen sie genießen, Segnungen wie sie kein anderes Volk der Erde besitzt. Ich muß gestehen, ich hatte selber keine Ahnung davon . . . Kommen Sie also und sehen Sie die Beweise und wenn Sie zurückkehren, fügen Sie Ihr Zeugnis zu dem eines jeden denkenden Amerikaners, um unsere Landsleute davon zu überzeugen, wie sehr es ihr Vorteil ist, jene Eigentümlichkeiten in ihrer Verfassung und in ihren Sitten, denen sie alle diese Segnungen verdanken, von Ansteckung unbefleckt zu wahren". Ähnlich schriebereinem jungen Amerikaner, der gerade in Europa reiste: ,,Was sollen wir von dem Zustande des Menschengeistes in einem Lande denken, wo so ein elendes Ding wie dieses1) den Staat in krampfhafte Zuckungen versetzt, und wie sehr müssen wir dagegen unsere Lage in einem Lande glücklich preisen, wo der ungebildetste Bauer ein Solon ist im Vergleich zu den Urhebern dieses Gesetzes. Es gibt oft eine Bescheidenheit, die sich selbst Unrecht tut; unsere Landsleute besitzen diese, sie wissen nichts von ihrer eigenen Überlegenheit. Sie aber sehen sie, Sie sind jung, Sie haben Zeit und Fälligkeiten sie zu belehren. Verfolgen Sie die Sache solange Sie in Europa sind in allen Fällen, die sich Ihnen bieten und lassen Sie Ihre Landsleute daraus Nutzen ziehen, indem Sie sie lehren, sich selbst zu kennen und zu schätzen" 2 ). Solche Gedanken kehren wie ein Leitmotiv in Jeffersons Pariser Briefwechsel wieder. Wenn er von den Übeln des französischen Absolutismus spricht, knüpft er fast immer eine demokratische Lehre daran, die dann meistens zugleich eine Steigerung seines patriotischen Stolzes mit sich bringt. „Ich war ein großer ') Toleranzedikt von Versailles, Nov. 1778; vgl. R. Holzmann, Französische Verfassungsgeschichte, München-Berlin 1910. S. 480. *) An Ruthledge jun., Febr. 1788.



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Gegner der Monarchie ehe ich nach Europa kam. Ich bin es zehntausendmal mehr seit ich gesehen habe, was sie ist" 1 ). „Trotz aller Mängel unserer Verfassungen, der allgemeinen oder der besonderen, ist der Vergleich unserer Regierungen mit denen Europas wie ein Vergleich von Himmel und Hölle . . . Und doch höre ich, daß es unter uns Leute gibt, welche meinen, die Erfahrungen unserer Verfassungen haben schon bewiesen, daß republikanische Verfassungen nicht gut tun. Schickt diese Herren nur hierher, die Segnungen der Monarchie zu zählen" 2 ). „Die europäischen Regierungen sind solche von Geiern über Tauben. Die besten Schulen des Republikanismus sind London, Versailles, Madrid, Wien, Berlin usw. 3 )". Ähnlich sind die Erfahrungen des Virginiers mit der Aristokratie. Er habe früher, solange er nur amerikanische Vorstellungen gehabt habe, den Orden der Cincinnati in seiner reformierten Gestalt nicht mehr für gefährlich gehalten, was er aber in Europa gesehen habe, müsse er gestehen, habe seine Ansicht geändert 4 ). „Um zu wissen, welche Menge von Übeln aus dieser verderblichen Quelle (der Aristokratie) fließt, muß einer in Frankreich sein"®). Dann wieder verglich er den Stand der Volksbildung in den beiden Kontinenten. „In diesen Ländern sind Unwissenheit, Aberglaube, Armut, und jede Art der Unterdrückung von Geist und Körper in der Masse des Volkes so fest gegründet, daß ihre Erlösung davon niemals erhofft werden kann. Wenn der Allmächtige tausend Söhne gezeugt hätte statt eines, so wären sie einer solchen Aufgabe nicht gewachsen gewesen. Wenn alle Herrscher Europas daran !) An Washington, 2. Mai 1788. An Joseph Jones, 14. Aug. 1787. ') An Governor Ruthledge, 6. Aug. 1787. 4) An Washington, 4. Nov. 1786. „ W h a t has heretofore passed between us on this institution, makes it my duty to mention to you that I have never heard a person in Europe, learned or unlearned, express his thoughts on this institution, who did not consider it as dishonourable and distinctive to our governments and that every writing which has come out since my arrival here, in which it is mentioned, considers it, even as now reformed, as the germ whose development is one day to destroy the fabric we have reared. I did not apprehend this while I had American ideas only (!). But I confess that what I have seen in Europe has brought me over to that opinion". Die Stelle zeigt besonders deutlich, wie die Anschauung des Ancien Régime den Amerikaner zur Aufnahme der französischen Ideologie bewegt. Beide, Einrichtungen und Revolutionsideen, gehören und wirken zusammen. Eine ganz ähnliche Stelle findet sich auch in den Noten zur Encyclopédie. An Wythe, 13. Aug. 1786. 2)



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gingen, den Geist ihrer Untertanen von ihrer jetzigen Unwissenheit und ihren Vorurteilen zu befreien und das mit demselben Eifer, mit dem sie jetzt das Gegenteil erstreben, so würden keine tausend Jahre sie auf dieselbe hohe Ebene bringen, auf der bei uns das gemeine Volk anfängt 1 )". Daran knüpft sich gleich wieder die Lehre und die Mahnung: „Ich glaube bei weitem das wichtigste Gesetz von unserer ganzen Gesetzesrevision ist dasjenige für die Verbreitung des Wissens unter dem Volke. Es gibt keine andere sichere Grundlage zur Erhaltung von Freiheit und Glück . . . Predigen Sie, werter Herr, einen Kreuzzug gegen die Unwissenheit " 1 ). Ein andermal betrachtete er das unsittliche Leben der europäischen Gesellschaft und nachdem er die müssige, frivole, vergnügungssüchtige und ewig unbefriedigte Pariser Dame geschildert hatte, fuhr er in idyllischen Tönen fort: „In Amerika dagegen erfüllt die Gesellschaft des Gatten, die hebende Sorge der Kinder, die Arbeit für den Haushalt und die Verbesserung der Wirtschaft jeden Augenblick mit einer gesunden und nützlichen Tätigkeit. Jede Anstrengung ist ermutigend, denn zu der gegenwärtigen Freude gesellt sie das Versprechen eines Nutzens in der Zukunft. Die Stunden der Muße werden ausgefüllt von der Gesellschaft wahrer Freunde, deren Zuneigung nicht dünn wie Spinngewebe ist, weil sie sich über tausend Dinge erstrecken muß. — Das ist das Bild in dem Lichte, in dem es sich meinem Geiste zeigt" 2 ). Die Beispiele zeigen zur Genüge, wie die Berührung mit den Übeln des Absolutismus für Jefferson eine Bestätigung, Festigung, Kräftigung und auch Steigerung seines ursprünglichen demokratischen Glaubens und seines Patriotismus bedeutet. Indes merkt man den erwähnten Urteilen — besonders den zuletzt zitierten mit dem deutlichen rousseauschen Einschlage — schon an, daß sie nicht allein auf eigenes Beobachten und Erfahren, auf selbständiges Vergleichen und Nachdenken zurückgehen. Sicher muß man manche tendenziöse Übertreibungen und zu dunklen Töne in dem Bilde Europas auf die begreifliche Absicht des Gesandten zurückführen, sein Vaterland vor ähnlichen Übeln abzuschrecken. Darüber hinaus aber zeigen sich doch in der dogmatisch-fertigen Art, in der Frankreich und besonders Amerika gesehen sind, unverkennbare Spuren der französischen revolutionären Ideologie. Es ist freilich unmöglich zu sagen, bis wohin der direkte Einfluß der tatsächlichen Zustände Frankreichs reicht und wo derjenige der Theorien beginnt. Beide Gruppen gehören aufs engste zu*) An Wythe, 13. Aug. 1786. *) A n Mis. Bingham, 7. Febr. 1787.



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sammen, die Mißstände des Absolutismus sind nicht nur der Grund, sie sind auch die eigentliche Begründung und Rechtfertigung der europäischen Ideologie, sie führen zu dieser hin 1 ) und sind gewissermaßen ein Teil dieser Ideologie. Indes wird man nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß Jefferson in Paris mehr noch als unmittelbar durch das Leben selbst von der Seite der Theorien her beeindruckt worden ist. Dafür spricht schon der wenig entwickelte realistische Sinn des Virginiers und anderseits seine schon früher beobachtete starke Neigung zum glatten, abstrakten, rationalistischen, man möchte fast sagen mathematischen Denken der Aufklärung. Dann aber hat der Amerikaner selbst bezeugt, daß er außer von den tatsächlichen Zuständen auch von der französischen revolutionären Philosophie gelernt hat. Zunächst mußte er zugeben, daß er in Europa eine schärfere Verurteilung der Aristokratie und besonders eine viel entschiedenere Ablehnung des Prinzips der Wiederwählbarkeit des Staatsoberhauptes eingetroffen habe als in Amerika 2 ). Auch berichtete er, daß die Franzosen darangingen, in ihren Provinzialvereammlungen eine Volksvertretung zu schaffen, die vollkommener sei als die in den amerikanischen Staatsparlamenten 3 ). Sogar die Wertschätzung der amerikanischen Bills of Rights schien ihm in Frankreich höher zu sein als in ihrem Ursprungslande selbst4). Dann wieder führte er zu verschiedenen ') Vgl. s . IOI, Note 4. 2 ) A n Monroe, 9. A u g . 1788 the principle of necessary rotation in the S e n a t e and Presidency. W i t h respect t o the last particularly, i t is as universally condemned in Europe as i t is universally u nani mad v e r t e d on in America, I have never heard a single person here speak of it w i t h o u t c o n d e m n a t i o n . " W i e Jefferson Ober die geistige Freiheit in E u r o p a und in A m e r i k a dachte, l ä ß t sich daraus entnehmen, d a ß er seine N o t e s on Virginia in E u r o p a ohne Bedenken veröffentlichte (sie w u r d e n z w a r in F r a n k reich v o n der Zensur verboten — vgl. a n Stockdale, 16. Juli 1788, L . C. — , was aber k a u m eine praktische B e d e u t u n g g e h a b t hat). D a g e g e n h a t er sich zur Veröffentlichung seines W e r k e s in A m e r i k a nur sehr zögernd und mit manchen Bedenken entschlossen. Diese B e d e n k e n bezogen sich nicht nur auf seine Angriffe gegen die Negersklaverei, über die m a n in F r a n k reich selbstverständlich weit radikaler und idealistischer dachte, als in den Vereinigten S t a a t e n . Über die Vorgeschichte dieser V e r ö f f e n t l i c h u n g vgl. die einleitenden Bemerkungen in der A u s g a b e v o n Ford. 3) A n Colonel W . S. Smith, 2. A u g . 1788, L. C. ,,. . . provincial assemblies in w h i c h there will be a more perfect representation of the people than in our state assemblies." 4) A n Hopkinson, 14. März 1789, L . C. ,,the enlightened p a r t of Europe have given us the greatest credit for inventing this instrument



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Malen aus, daß die Engländer sich zwar schon früh an das Befreiungswerk gemacht hätten, bald aber in einer Art von „half reformation" stecken geblieben und eingeschlafen seien, und daß sie jetzt nicht mehr durch „gross absurdities" angeregt würden, die verbliebenen Vorurteile in Zweifel zu ziehen. Die Franzosen dagegen, meinte er, die gegen den krassesten und unverhülltesten Absolutismus zu kämpfen haben, „give a full scope to reason and strike out truths as yet unperceived and unacknowledged on the other side the channel" 1 ). Wenn man weiß, wie sehr Jefferson, ehe er nach Europa kam, noch in englischem politischem Denken befangen war, wird man leicht aus solchen Äußerungen das Geständnis herauslesen können, daß er selbst von den französischen Reformern belehrt und von seinen englischen Vorurteilen befreit worden ist. Auch liegt es sehr nahe, jedesmal, wenn er die überlegene radikale Ideologie Frankreichs der „half reformation" und den „remains of prejudice" Englands gegenüberstellt, statt „England" „Amerika" oder doch „englische Tradition in Amerika" zu lesen. Das zeigt sich schon deutlich in einem Briefe, in dem der amerikanische Gesandte schreibt, daß „the course of reflections in which we (!) are immersed here (Paris) on the elementary principles of society" ihn auf einen neuen Plan gebracht habe, den er seinen Landsleuten zur Annahme empfiehlt, damit sie der Vernunft statt der verderblichen englischen Tradition folgten 2 ). Endlich aber bezeugte Jefferson ausdrücklich, daß die französischen politischen Schriftsteller für ihn und seine Landsleute vorbildlich seien. Als zu Beginn der Revolution immer kühnere und weitgehendere Forderungen aufgestellt wurden, schrieb er bewundernd an Thomas Paine, also gerade an den radikalsten Sprecher der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung, „the writers of this country now taking the field freely and unrestrained or rather of security for the rights of the people (nämlich die Bills of Rights), and have been not a little surprised to see us so soon give it up." (Im Entwurf der Bundesverfassung.) An Humphreys, 18. März 1789, L. C. „ T h e writings published on this occasion are some of them very valuable: because unfettered by the prejudices under which the English labour, they give a full scope to reason and strike out truths as yet unperceived and unacknowledged on the other side the channel. An Englishman, dozing under a kind of half reformation, is not excited to thinlc by much gross absurdities as stare a Frenchman in the face wherever he looks, whether it be towards the throne or the a l t a r — The press groans with daily productions, which in point of boldness make an Englishman stare, who hitherto has thought himself the boldest of men." «) Vgl. S. 119.



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revolted by prejudice, will rouse us a l l (!) from the errors in which we (!) have hitherto been rocked" 1 ). Die Amerikaner, er selbst und sogar Thomas Paine waren also bisher in Irrtümern befangen und von diesen Irrtümern werden sie jetzt von den Franzosen befreit werden. Wenn man bedenkt, wie oft Jefferson gerade von den europäischen Reformern zu hören bekam und wie gerne er es selber in nationalem Stolze glaubte, daß sein Vaterland das unerreichte Musterland der Freiheit und die Lehrmeisterin Europas sei2), muß man diesem Geständnis, daß es sich umgekehrt verhalte, ein besonders großes Gewicht beilegen. Nachdem durch das Zeugnis des Amerikaners selbst feststeht, daß er Gedanken aus der französischen Ideologie aufgenommen hat, scheint es zunächst geboten zu verfolgen, von welcher Seite ihm diese zugeführt worden sind. Man kann ohne weiteres drei Gruppen von Quellen unterscheiden, Bücher, Freunde und Bekannte und schließlich die politische Stimmimg und die politischen Ereignisse im vorrevolutionären und besonders im revolutionären Paris. . Welche Bücher Jefferson während seines Aufenthaltes in Europa keimen gelernt hat, läßt sich ziemlich gut aus verschiedenen Listen entnehmen, in denen er die Werke aufzeichnete, die er für sich oder seine amerikanischen Freunde erwarb3). Bezeichnenderweise fehlen darin juristische und rechtshistorische Schriften fast ganz4). Um so mehr treten die Philosophen, Reformer und Patrioten, kurz, die geistigen Vorbereiter der Französischen Revolution in den Vordergrund. Voltaire6), An Th. Paine, 17. März 1789, L. C. 2)

Der Gedanke, daß das gebildetere Europa dem amerikanischen Naturvolke mit seinen „lumières" beistehen solle, kommt zwar in Frankreich vor (vgl. Fay), doch war Jefferson solchen Ansichten begreiflicherweise wenig geneigt. 3) Von Werken, die kein politisches Interesse bieten, ist hier selbstverständlich abgesehen. Bedeutendere Bücherlisten finden sich L. C. X I , 1904, Dez. 1784; 1. Sept. 1785 u. Mass. Hist. Soc. V, 371, V, 487, V. 478. 4) Es finden sich Grotius, Mare Liberum, Lugd. Bat. 1633; Seldeni, Mare clausum, Elzevir 1636; Vattel, Questions de Droit naturel; Scriptores de jure nautico et maritimo cum praefatione Heinecci, Halae 1740; Chr. Wolff, Droit de la Nature. Diese Werke haben wohl bei den amtlichen Aufgaben des Gesandten (Handelsverträge) Verwendung gefunden. s)

Wohl sämtliche Werke; Jeff, bestellt „Suite de Voltaire".

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Diderot ), Helvetius ), Holbach ), die Encyclopédie, Mably4), Brissot de Warville8), Condorcet8), Mirabeau7), Chastellux8) werden genannt; von nichtfranzösischen Autoren sind Friedrich der Große8), Price10) und Priestley11) vertreten. Zu Beginn der RevoOeuvres dramatiques; Sur les Aveugles; Sur la Morale. *) Oeuvres 5 vol. 8°. De l'Esprit; de l'Homme. Ferner „Vie de Voltaire". ') Système de la Nature, das unter Diderots Mitarbeit entstanden ist. *) Sämtliche Werke, ferner einzeln „Principes des Loix" und „Observations sur les Guerres". ®) Theorie des Loix criminelles, Berlin 1 7 8 1 ; Le Philadelphien à Génève, ou lettres d'un Américain etc., Dublin 1783 ; Examen critique des voyages dans l'Amérique septentrionale de M. le Marquis de Chastellux, dans lequelle on réfute principalement ses opinions sur les quakers, sur les nègres, sur le peuple et sur l'homme, Londres 1786; De la France et des Etats-Unis, ou de l'importance de la révolution d'Amérique pour le bonheur de la France, des rapports de ce royaume et des Etats-Unis, des avantages réciproques qu'ils peuvent retirer de leurs liaisons de commerce . . . par Etienne Clavière et J . P. Brissot de Warville, Londres 1787. Wahrscheinlich hat Jefferson das erst nach seiner Abreise veröffentlichte Werk Brissots: Nouveau Voyage dans les Etats-Unis de l'Amérique septentrionale fait en 1788, Paris 1791, im Manuskript gekannt. '),, Reflexions sur l'Esclavagedes Nègres"; Jeffersons Bestellung „Essais sur les assemblées provinciales" dürfte Condorcets (nach Barbier) „Essai sur la constitution et les fonctions des assemblées provincales, 1788, betreffen oder dessen" Sentiments d'un républicain sur les assemblées provinciales et les Etats généraux, suite de „Lettres d'un citoyen des Etats-Unis etc.", Philadelphia 1788. Die „Déclarations des Droits anglais" ist wohl das von Jeffersons Freund Ph. Mazzei ins Englische übersetzte Schriftchen Condorcets „Déclaration des droits, traduite de l'anglais avec l'original à côté". Londres 1789. ') Jefferson bestellt „Suite à Mirabeau"; es kann sich ebensogut um den Vater wie um den Sohn Mirabeau handeln. Die von Franklin veranlaßten „Considérations sur l'ordre de Cincinnatus", 1788, hat Jefferson sicher gekannt. Ferner besaß er die „Histoire secrète de la cour de Berlin", Alençon 1789, und die „Lettre aux Bataves". Vom älteren Mirabeau hatte er den „Ami des Hommes". 8 ) „De la Félicité publique, ou Considérations sur le sort des hommes dans les différentes époques de l'histoire", zuerst Amsterdam 1772; „Voyages de M. le Mis de Chastellux dans l'Amérique septentrionale, dans les années 1780, 1781 et 1782", Paris 1786. *) „Oeuvres"; ferner eine „Vie de Frédéric I I " in 4 Bänden. 10 ) ,,Two Tracts on Civil Liberty" 1778; „Observations on the Importance of the American Revolution and the Means of making it a Benefit to the World", London 1784. Vgl. Kap. II, Abschn. II. 11 ) „An Essay on the first principles of government and on the natur« of political, civil and religious liberty", London 1771.



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lution vermehrt sich die Liste von Werken dieser Tendenz um eine ganze Reihe politischer Gelegenheitsschriften, deren Titel oft gar nicht angegeben wird. Auffallend ist, daß Rousseau fehlt, und anderseits daß nationalökonomische Bücher, besonders aus der physiokratischen Schule, verhältnismäßig häufig sind. Nicht nur kehrt der Name Turgots1) sehr oft wieder, auch der ältere Mirabeau2), Dupont de Nemours8), Necker4), Clavière, Brissot und Condorcet gehören in diese Reihe. Eine Gruppe für sich bilden die in denselben Kreisen der europäischen Reformer entstandenen Werke über die Amerikanische Revolution und die Vereinigten Staaten. Viele davon sind Jefferson, der übrigens die Literatur über Amerika systematisch sammelte6), von den Verfassern zugesandt worden—an sich schon ein Zeichen ihrer amerikafreundlichenTendenz — bei nicht wenigen hat er Pate gestanden. Von dem Artikel „EtatsUnis" in der Encyclopédie hat er den größeren Teil geschrieben. Dagegen hat er Brissot und Clavière8), Soulès7), Gordon8), Mazzei9) ') „Réflections sur la formation et la distribution des richesses" zuerst 1766; „Lettres sur les grains, écrites à M. l'abbé Terroy, contrôleur général" zuerst 1771. Ferner ist eine ,,Vie de Turgot" erwähnt, vielleicht „Mémoires sur la vie et les ouvrages de M. Turgot", Philadelphia 1782, von Dupont de Nemours oder „Vie de Turgot", Londres 1786, von Condorcet. 2 ) Siehe ') S. 106. 3 ) „Lettre à la chambre du commerce de Normandie, sur le .Memoire' qu'elle a publié relativement au traité de commerce avec l'Angleterre", Rouen et Paris 1788; „Oeuvres posthumes de M. Turgot, ou Mémoire de M. Turgot sur les administrations provinciales, mis en parallèle avec celui de M. Necker, suivi d'une lettre sur ce plan et des observations d'un républicain sur ces mémoires", Lausanne 1787; das „Mémoire" ist von Dupont, die „Observations" sind von Brissot. *) „Sur la Législation et le Commerce des Grains" Paris 1775; „De l'importance des idées réligieuses", Londres 1788. „Eloge de Colbert." 5 ) Ersammelte historische, (besonders spanische) naturwissenschaftliche, geographische Werke über Amerika, auch Karten usw. •) „De la France et des Etats-Unis" von Etienne Clavière und Brissot, London 1787; siehe S. 106, Note 5. 7 ) François Soulès, „Histoire des troubles de l'Amérique anglaise, écrite sur les mémoires les plus authentiques", 1787. Der selbe Soulès hat später Paines „Rights of Man" übersetzt. 8 ) William Gordon, „The History of the rise, progress and establishment of the independence of the Unites-States of America including an account of the late War, and of the thirteen Colonies, from their origin to that period", London 1788. *) „Recherches historiques et politiques sur les Etats-Unis de l'Amerique septentrionale", Colle et Paris 1788.



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und Chas1) nur gelegentlich geholfen, sei es, daß er ihnen auf besondere Fragen Auskunft erteilte, oder daß er Quellen lieferte und Literatur empfahl, Augenzeugen beibrachte oder das fertige Manuskript auf Irrtümer hin durchsah. Außerdem kannte er noch die Schriften über Amerika von Raynal2), Mably3), d'Auberteuil4), Chastellux6), Price, Robertson«), Tarleton7), Hollis8), Hartley9), Sinclair10) und andere. Die Tendenz dieses Bücherverzeichnisses ist augenfällig genug. Vergleicht man die darin genannten Autoren mit denen, die früher im „Common Place Book" benützt worden waren, so zeigt sich klar eine bedeutsame Veränderung im Gesichtskreis und in den Interessen des Amerikaners: die Engländer werden von den Franzosen abgelöst, die Juristen und Rechtshistoriker von den „Philosophes", an Stelle des traditionell gebundenen Denkens tritt das rationalistische und abstrakte, und an Stelle des mehr oder weniger konservativen Geistes ein mehr und mehr radikaler und revolutionärer. Endlich wird in der europäischen Literatur 1

) Jefferson hat in Paris das Manuskript einer Gesch. d. Amerik. Rev. eines Mr. Ohas zum Teil gelesen. (Vgl. an Chas. 7. Dez. 1786, L. C.) Wahrscheinlich handelt es sich um die erst später erschienene „Histoire politique et philosophique de la révolution d'Amérique septentrionale par les citoyens Chas et Lebrun", Paris. An I X (1800). 2 ) Abbé G. Thomas Raynal, „Histoire philosophique et politique des établissements et du commerce des Européens dans les deux Indes", Amsterdam 1770; „Revolution de l'Amérique", 1781. *) „Observations sur le gouvernement et les loix des Etats-Unis d'Amérique", Amsterdam 1784. *) Hilliard d'Auberteuil, „Histoire de l'administration de Lord North . . . et de la guerre de l'Amérique septentrionale jusqu'à la paix etc.", Londres et Paris 1784. Jefferson lehnte diese Schrift ab. H. d'Auberteuil hatte schon früher aber Amerika geschrieben, „Essais historiques et politiques sur les Anglo-Américains", Bruxelles 1782. 5 ) Vgl. Note 8, S. 106, dazu G. J . Wilkie, „Remarks of Chastellux travels", 1787. •) „History of America" zuerst 1777. ') Lieutenant-General B. Tarleton, „ A History of the Campaigns of 1780 and 1781, in the Southern Provinces of America", London 1786. 8 ) Thomas Hollis, „Memoirs ed. by Francis Blackburne", London 1780. •) David Hartley M. P., wohl „Substance of a Speech in Parliament upon the State of the Nation, and the present civil War with America", London 1776; „Letters on the American War", London 1779. 10 ) Sir John Sinclair M. P.; sein Buch „the first that ever was published asserting the propriety of a general colonial emancipation", kann ich nicht finden.

— 109 — über Amerika die französische Ideologie auf die Neue Welt übertragen und ergibt jene schon bekannte idealisierte Auffassung der Unabhängigkeitsbewegung und der Vereinigten Staaten. Ähnliche Eindrücke wie aus der Literatur hat Jefferson in Paris durch seinen Verkehr erfahren. Schon zu Franklins Zeit war die amerikanische Gesandtschaft ein Treffpunkt von freigesinnten und zugleich amerikabegeisterten Männern und so blieb es auch, als der Virginier zum Nachfolger ernannt war; nur daß die oppositionelle wie die proamerikanische Tendenz sich verschärfte und verstärkte, je näher die Revolution heranrückte. Unter diesen Freunden der Menschen und der „Freien Amerikaner"1) stand dem Virginier der junge General La Fayette am nächsten, der als eine Art freiwilliger Gesandter mit dem offiziellen Vertreter der Vereinigten Staaten aufs engste zusammenarbeitete2); er war auch der anerkannte Führer der amerikanischen Partei in Frankreich. In ähnlicher Weise wirkten Brissot de Warville3), Dupont de Nemours4), der Freund und Schüler Turgots, und Saint *) „Américains Libres" statt des bis dahin üblichen „Anglo-Américains" scheint von Brissot zu stammen. Vgl. Jefferson an Brissot, 16. Aug. 1786, L. C. „ I am also particularly pleased with your introduction (zu „De la France et des Et.-U.). You have properly observed that we can no longer be called Anglo-Americans. That appellation now describes only the inhabitants of Nova Scotia, Canada etc. I had applied that of FederoAmericans to our citizens, as it would be not so decent for us to assume to ourselves the flattering appellation of Free Americans". *) Autobiography F. I, S. 90. ') 1787 gründete Br. zusammen mit Crèvecœur und Clavière eine „Société Gallo-Américaine". Er und Clavière versuchten in Europa eine Anleihe für Amerika aufzubringen. 1788 gründete er nach englischem Muster mit Clavière und Mirabeau die „Société des Amis des Noirs", in der L a Fayette, La Rochefoucault, Volney, Tracy, Mirabeau, Condorcet, Petion und Siéyès Mitglieder waren. Jefferson lehnte Brissots Einladung, beizutreten, mit dem Hinweis auf seine amtliche Stellung ab. Voll Begeisterung für die Amerikaner — „dont je me regarde déjà comme le frère" (10. Nov. 1786 an Jefferson L. C.) — besuchte er 1788 die Vereinigten Staaten. Nach einem Briefe Jeffersons an seinen Sekretär Short vom 9. Febr. 1789, L. C., hat Br. nach dieser Reise die Absicht gehabt, mit Frau und Kindern nach Amerika überzusiedeln. 4 ) Pierre Samuel Dupont de Nemours, 1739—1817, besonders als volkswirtschaftlicher Schriftsteller bekannt. Vergennes verwendete ihn bei den Friedensverhandlungen von 1782/83, unter Colonne bekleidete er hohe Staatsstellungen im Handelsministerium, wo er mit Jefferson zusammenarbeitete, um die Handelsbeziehungen zwischen Frankreich und Amerika zu erleichtern. Jefferson schätzte ihn außerordentlich hoch. Die



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John de Crevecœur 1 ) mit Jefferson eifrig für die jungen Republiken. Der zu seiner Zeit sehr geschätzte Dichter und Aufklärer Saint Lambert 2 ) übersetzte den „Virginia Act for religious Freedom", der Schriftsteller Abbé Morellet3) die „Notes on Virginia". Ferner gehörten Chastellux4), Condorcet, Malesherbes, St. Etienne de Rabault, der Duc de la Rochefoucauld5), Volney, Cabanis6) und später Thomas Paine in diesen Kreis, und sehr wahrscheinlich hat Jefferson auch Clavière und Mirabeau persönlich kennen gelernt. Durch seine amtliche Stellung sowie durch seinen Verkehr im Hause der Madame Houdetot7), der Madame Tessè, der Madame de Brehan8), der Duchesse de la Rochefaucauld d'Anville, der Madame Necker und besonders durch seine Freundschaft mit La Fayette kam er weiterhin mit den geistigen und politischen Führern Frankreichs in Berührung. Teils auf einer kurzen Reise Beziehungen der beiden dauerten auch später an, als Dupont 1799 und endgültig 1803 nach den Vereinigten Staaten auswanderte, wohin er schon seine Familie vorausgeschickt hatte. Bei der Louisiana-Frage verwendete ihn Jefferson als inoffiziellen Gesandten. ') Vgl. Fay, op. cit. *) Charles François Marquis de St. Lambert, 1717—1803, der erfolgreiche Nebenbuhler Voltaires und Rousseaus, Freund von Grimm und Diderot, eifriger Mitarbeiter der Encyclopédie, vertrat materialistische Grundsätze. *) André Morellet, 1727—1819, Studiengenosse von Turgot, Freund von Diderot, d'Alambert, Malesherbes, Holbach, Franklin, Landsdown, Mitarbeiter an der Encyclopédie, Übersetzer von Beccaria. E r hat bei den Friedensverhandlungen von 1782/83 mitgewirkt; während des Terrors zeichnete er sich durch seine mutige und humane Haltung aus. *) François-Jean Marquis de Chastellux, 1734—1788, ein gebildeter Offizier, hatte unter Rochambeau am amerikanischen Feldzug teilgenommen und sich bei dieser Gelegenheit mit Washington und Jefferson befreundet. Er war auch Mitarbeiter der Encyclopédie. s ) De la Rochefoucauld d'Anville hat die Verfassungen der 13 Staaten für die Encyclopédie übersetzt; Riley, op. cit. p. 258. •) Gilbert Chinard, Jefferson et les Idéologues, d'après sa correspondance inédite avec Destutt de Tracy, Cabanis, J.-B. Say et Aug. Comte, Baltimore-Paris 1925, unterrichtet über die Zeit nach Jeffersons Rückkehr, teils über das Weiterleben alter, teils über die Anknüpfung neuer Beziehungen zu den genannten Franzosen. 7 ) Vgl. Gilbert Chinard, Les amitiés américaines de Mme d'Houdetot, d'après sa correspondence inédite avec Benjamin Franklin et Thomas Jefferson, Paris 1924. 8 ) Vgl. Gilbert Chinard, „Trois amitiés françaises de Jefferson: M me de Brehan, Mme de Tessé, Mme de Corny", Paris 1927.



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nach England 1 ), teils in Paris traf der Virginier auch noch mit einigen Engländern zusammen, die sich für Amerika und die Französische Revolution erwärmten, wie dem Dr. Price, dessen Freund und Biograph Morgan, dem Marquis Landsdown, dem M. P. Hartley, dem Sir John Sinclair und anderen. Schließlich finden sich unter den Papieren Jeffersons noch eine Reihe von Briefen längst vergessener Männer, die dieselbe Begeisterung für Freiheit und Amerika bekunden wie die führenden Reformer. „Je m'intéresse bien cordialement" schrieb ihm z. B. ein nicht weiter bekannter Franzose, „à la Prospérité d'un Pays que je considère comme l'azile de la sagesse des mœurs, et de la liberté, l'example et l'admiration des deux mondes, et dont l'idée . . . ne peut être reveillée sans exciter un saint Enthousiasme". Solche Gedanken und Gefühle sind typisch genug und sie müssen gerade durch ihre Häufigkeit und ihren gewissermaßen anonymen Charakter auf den Amerikaner gewirkt haben. II. Diese Eindrücke aus der Literatur und aus dem gesellschaftlichen Verkehr wurden endlich durch den Ausbruch der Revolution außerordentlich vertieft. Es braucht kaum gesagt zu werden, mit welcher gespannten, ja leidenschaftlichen Anteilnahme er den Kampf um die Freiheit miterlebte. Er wohnte regelmäßig den Sitzungen der Nationalversammlung in seiner Eigenschaft als Gesandter bei, und er befand sich überhaupt in einer außergewöhnlich günstigen Stellung, um die politische Entwicklung in Paris zu verfolgen. Er sagt selber, daß er die führenden Patrioten der Nationalversammlung gut gekannt hat 2 ), und daß diese gern auf ihn hörten, da er aus einem Lande kam, das eine ähnliche Umwälzung erfolgreich durchgemacht hatte 3 ). Diese Aussage legt es nahe, anzunehmen, daß sich der Virginier nicht immer mit der bloß passiven Rolle des Zuschauers begnügte. Zwar hat er die Aufforderung abgelehnt, die das mit der Abfassung eines Verfassungsentwurfes beauftragte Komitee der Nationalversammlung an ihn richtete, er möge an den Beratungen teilnehmen, da „es keine Ausländer für ihn geben könne, wenn es sich um das Glück ') i. März 1786 bis 26. April 1786. 2)

An Demeunier F. V I I , 12 ,,I was intimate with the leading characters of the year 1789. So I was with those of the Brissotine party who succeded them". 3)

Autobiography, F. I, 129.



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der Menschheit handle" 1 ). Indes konnte ein Gesandter, welcher meinte, „daß wir mit der Masse des Volkes und nicht nur mit ihrer Regierung verbündet sind" 2 ), nichts Anstößiges dabei finden, wenn er inoffiziell, indirekt, durch Beeinflussung, wie es überhaupt seiner Art entsprach, den Gang der Ereignisse zu beeinflussen strebte. Da diese Versuche begreiflicherweise meistens die Form von mündlichen Besprechungen und Beratungen mit befreundeten französischen Revolutionären annahmen, sind sie nur noch in Ausnahmefällen feststellbar. Da empfahl er das eine Mal dem General La Fayette die verbesserte englische Verfassung als die beste, für die Frankreich im Augenblicke reif sei, ein andermal redete er ihm eifrig zu, gegen seine Instruktionen, aber seiner Überzeugung getreu zum Dritten Stande überzugehen3), dann wieder machte er einen französischen Politiker auf den großen Wert des Jury-Systems aufmerksam4). Durch seinen Freund, den Duc de la Rochefoucauld ließ er aus England stammende Flugschriften unter die Mitglieder der Nationalversammlung verteilen6). Im Anschluß an eine Besprechung, die er mit La Fayette und St. Etienne de Rabaut gehabt hatte, schickte er diesen beiden den Entwurf einer „Charter of Rights", die vom König in einer „Séance Royale" präsentiert und vom Monarchen sowie von jedem Mitglied der Drei Stände unterzeichnet werden sollte4). Mit diesem Plane, den die beiden Franzosen zunächst ihren Kollegen zeigen sollten, wollte der Amerikaner nichts Geringeres erreichen als die Sicherung der bisherigen revolutionären Errungenschaften durch das sofortige Abbrechen und Vertagen der Ständeversammlung und damit der Revolution selbst. Später, als die Nationalver') Brief des Erzbischofs v o n Bordeaux an Jefferson v o m 20. Juli 1789, L . C. Jefferson begründete seine Absage, v o m 22. Juli 1788 L. C. m i t Überarbeitung; erst als Nebenargument erwähnte er „ l a méfiance et peutêtre les calomnies qu'auroient pu être inspirées contre leurs (membres de l'Assemblée) démarchés, quand on auroit publié q u ' u n républicain zélé y a v o i t assisté, q u ' u n étranger adressé nommement ( 1) a u Chef de la nation a v a i t été permis de se mêler à des discussions où il é t a i t question d'abreger les pouvoirs de ce Chef, et de changer essentiellement la forme du gouvernement". 2 ) A n Dumas, 14. N o v . 1787, L. C. „ . . . for it is with t h e mass of the nation we are allied, and not merely with their g o v e r n o r s " . 3) A n L a F a y e t t e , 6. Mai 1789, L. C. und an Washington, 10. Mai 1789, L . C. 4) A n A b b é Arnoud, 19. Juli 1789, L. C. 4) A n Vaughan, 13. Sept. 1789, L. C. •) A n L a F a y e t t e , 3. Juni 1789, L. C. und an St. Etienne de R a b a u d , 3. Juni 1789, L. C.

— 113 — Sammlung über der Frage des königlichen Vetorechtes sich bedrohlich spaltete, lud La Fayette kurzerhand acht führende Abgeordnete verschiedener Richtungen in die amerikanische Gesandtschaft zu einer Sitzung ein 1 ). Jefferson erzählte später, er habe dieser sechsstündigen Beratung nur als stummer und bewundernder Zeuge beigewohnt2). Ein anderer Teilnehmer dagegen, Mounier, behauptete das Gegenteil 3 ), und zwar schon kurz nach dem Ereignis, so daß man annehmen muß, daß der Amerikaner aktiv in die Diskussion eingegriffen hat, die er selbst „wahrhaft würdig fand, mit den feinsten Dialogen des Altertums in eine Parallele gestellt zu werden, die Xenophon, Plato und Cicero überliefert haben". Schließlich steht noch fest, daß er auch an der Entstehung der La Fayetteschen Erklärung der Menschenrechte beteiligt gewesen ist4). Nachdem Jefferson dergestalt an dem französischen Umsturz mitgewirkt hat, ist es nur natürlich, daß er in seinen Äußerungen und Berichten erst recht mit der Revolutionspartei sympathisierte. Die erwähnten Versuche, eine überschnelle Entwicklung abzubremsen, dürfen nicht so verstanden werden, als sei er mit der Revolution als solcher nicht einverstanden gewesen. Diese Bedenken bezogen sich lediglich auf die Taktik und Methode mit der das Ziel erreicht werden sollte, das auch er begeistert gut hieß. Und jedesmal, wenn die Franzosen entgegen seinen vorsichtigen Ratschlägen einen kühnen Schritt vorwärts getan hatten, billigte er das Geschehene nur mit desto größerer Freude und Bewunderung, wie er überhaupt die Stimmungswechsel der Revolutionäre bereitLa Fayette an Jefferson, Aug. 1789, L. C. 8686. „these Gentlemen wish to consult you and me, they will dine tomorrow at your house as mine is always full." .*) Autobiography F. I, 145 (1821). s ) Jean-Joseph Mounier, „Exposé de la conduite de M. Mounier dans l'assemblé nationale et des motivs de son retour en Dauphiné". Paris, Nov. 1789, S. 41. Mounier erwähnt die Sitzung und behauptet: „II (Jefferson) porta, en faveur de mes principes, un jugement favorable." Mouniers Zeugnis ist etwa drei Monate, dasjenige Jeffersons 32 Jahre nach dem Ereignis entstanden. Wenn die Behauptung des Franzosen richtig ist, so hätte Jefferson wohl Grund gehabt zu verschweigen, daß er „Monsieur Veto" unterstützt hatte, der sich bald darauf von der Revolution lossagte. Auch war man in Amerika nach den Erfahrungen mit Genet (Vgl. S.175) gegen die Einmischung von Gesandten in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates besonders empfindlich. Das mag Jefferson veranlaßt haben, sein Eingreifen in die Franz. Rev. als möglichst harmlos hinzustellen. 4) Darüber werde ich demnächst einen besonderen Aufsatz veröffentlichen. Beiheft d. H. Z. 17.

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willig mitmachte. In seinen Berichten, auch in den amtlichen an den Außenminister Jay, trat nur allzudeutlich der neutrale, sachliche und selbständige Beobachter hinter dem tendenziösen Parteigänger zurück 1 ). Die Unruhen und Schießereien, betonte er eifrig, hätten mit den politischen Fragen nicht das geringste zu tun 2 ), und selbst ein Einbruch in sein Haus vermochte seine frohe Zuversicht nicht zu dämpfen; im Gegenteil, er fühle sich in Paris so sicher wie nur irgendwo3), und seine Freunde sollten nur ohne Bedenken herkommen. Die Führer des Dritten Standes bezeichnete er als „firm and cold . . . , cool, temperate and sagacious" und ,,of very superior abilities", jede ihrer Handlungen habe sich durch „caution and wisdom" ausgezeichnet4) und sie seien deshalb auch durchaus fähig, das „superb edifice" ihrer neuen Verfassung glücklich zu Ende zu führen6). Selbst ein Krieg könne das begonnene Werk nicht mehr verhindern6), Frankreich werde Europa befreien, er wolle sich steinigen lassen, wenn nicht alles gut ausgehe7). Die Vertreter des Adels dagegen hätten „einfach ihren Verstand verloren", sie seien so wütend, daß sie selten überhaupt verhandeln könnten und ihre Entschlüsse fand er „very injudicious". In übereilter Feindseligkeit beschuldigte er die Hofpartei, die Engländer und den Preußenkönig aller möglichen schwarzen Pläne8), und man erkennt in solchen Urteilen oft das Echo der Ansichten eines La Fayette, Brissot und anderer Patrioten aus jenen aufgeregten Tagen. Kurz, die Berichte des Amerikaners9) zeigen zur ') An Jay, 9. Mai 1789. „The progress of light and liberality in the order of the Noblesse has equalled expectation in Paris only and it's vicinities. The great mass of deputies of that order which come from the country shew that the habits of tyranny over the people are deeply rooted in them." ») 1. c. ') An Trumbull, 5. Aug. 1789, L. C. 4) An Madison, 18. Juni 1789. ®) An Paine, 11. Juli 1789. •) An Vaughan, 13. Sept. 1789, L. C. ') An Conte Diodati, 3. Aug. 1789, L. C. ,,I have so much confidence on the good sense of man, and his qualification for self-government, that I am never afraid of the issue where reason is left free to exert her force; and I will agree to be stoned as a false prophet if all does not end well in this country. Nor will it end with this country. Hers is but the first chapter of the history of European liberty." 8) An Jay, 19. Sept. 1789. •) Eine Zusammenstellung von veröffentlichten Urteilen Jeffersons über die Französische Revolution findet sich bei Hazen, „American Opinion of the French Revolution", Baltimore 1897. Der Vergleich mit den Ansichten von Gov. Morris (zum Teil auch bei Hazen) zeigt besonders deutlich, wie stark Jefferson französisch dachte.



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Genüge, daß er von der französischen Ideologie und von der gewaltigen Sturmflut des revolutionären Enthusiasmus ergriffen gegen Ende seines fünfjährigen Aufenthaltes in Paris das Denken eines französischen Patrioten angenommen hatte. III. Damit ist der Endpunkt der Entwicklung bezeichnet, die Jefferson unter den Eindrücken seiner Berührung mit Europa durchgemacht hat. Es bleibt noch zu verfolgen, wie sich im einzelnen die Wandlung seines politischen Denkens vollzieht. Das erste, was er gleichzeitig mit dem Erkennen und Ablehnen der Zustände in Frankreich übernahm, war die aus diesen Übeln entstandene Steigerung, Leidenschaftlichkeit, Heftigkeit und Unversöhnlichkeit der französischen Ideologie. Zusammen mit dem Gegner und Widerstand lernte er die ungeheuere Spannung und Explosivkraft der französischen Theorien kennen, ihre schwungvolle, revolutionäre, sittliche, dogmatische, messianische und halb religiöse Kraft. Von dieser Leidenschaftlichkeit angesteckt, wurde auch der Amerikaner enthusiastisch, radikal, „wild". „Der Baum der Freiheit muß von Zeit zu Zeit mit Patriotenblut und Tyrannenblut aufgefrischt werden; das ist sein natürlicher Dung" 1 ). „Wir müssen den Thron des Himmels mit ewigen Bitten umlagern, diese Klasse von Löwen, Tigern und Mammuts in Menschengestalt, die man Könige nennt, aus der Schöpfung auszurotten ; es soll durch sie umkommen der nicht sagt .Erlöse uns, o Herr', und daß so wir sagen mögen, einer und alle, oder umkommen, das ist der glühende Wunsch von Thomas Jefferson" 2 ). Das *) An Col. Smith, 13. Nov. 1787. *) An Humphreys, 14. Aug. 1787. Vgl. auch an Jay (I), 6. Aug. 1787, „ W i t h a pride and egotism planted in the heart of every (I) king he (king of Prussia) considers her (his sisters) being stopped in the road as a sufficient cause to sacrifice a hundred or two thousand of his own subjects and as many of his enemies and to spread fire, sword and desolation over the half of Europe." An Bellini, 25. Juli 1788, L. C. „ Y o u are too wise to feel an interest in the squabbles in which the pride, the dissipations and the tyranny of kings keep this hemisphere constantly embroiled." An Washington, 2. Mai 1788, „There is scarcely an evil known in these countries which may not be traced to their king as it's source, nor a good which is not derived from the small fibres of republicanism existing among them. I can further say with safety there is not a crowned head in Europe whose talents or merits would entitle him to be elected a vestryman by the people of any parish in America." An Madison, 15. M&rz 1789, ,,An apostasy from republicanism to royalism is unprecedented and impossible".





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ist unverkennbar das Pathos der Französischen, nicht der Amerikanischen Revolution; es ist aber auch europäisch, das heißt aus den europäischen Zuständen heraus gedacht. Hier konnte man mit einem gewissen Recht Rebellionen für heilsam halten und verherrlichen, in Amerika aber lagen die Dinge damals genau umgekehrt; dort bestand die Gefahr für die Freiheit sicher nicht in irgendwelchen Tyrannen, die man vergeblich gesucht hätte, sondern in der zur Anarchie ausgearteten Demokratie. Gerade der Aufstand in Massachusetts (Shays Rebellion), auf den sich Jeffersons Ausspruch bezog, hatte bei den amerikanischen Patrioten ernste Befürchtungen erregt und die Worte ihres Gesandten, die unter einem außeramerikanischen Gesichtspunkt urteilten, mußten ihnen als fremd und nicht am Platze erscheinen. Ebenso bezeichnet die Verallgemeinerung des Hasses gegen den König, Georg III., zu einem Hasse gegen die Könige überhaupt den Ubergang von der amerikanischen zu der europäischen Revolutionsideologie. In der Alten Welt war die Entstehung des Hasses gegen alle Fürsten möglich, verständlich und sinnvoll, nicht aber in der Neuen Welt, wo man sich mit dem absolutesten König verbündet hatte, um den weit weniger absoluten abzusetzen1). Jefferson übernahm also die erhöhte Leidenschaftlichkeit, wie die beiden Beispiele schon zeigen, nicht als etwas Äußerliches und Abgelöstes, wie eine Farbe etwa, mit der er seine früheren Ansichten nur greller angestrichen hätte, sondern dieses neue Pathos entsprach und entsprang einem neuen und veränderten Denken, es war, obwohl es gelegentlich schülerhaft, literarisch und nicht recht überzeugend klingt, nur eine Seite des allgemeineren und tieferen Wandels von den amerikanischen Ideen zu den französischen. Als ein Hauptunterschied der beiden Lehren ist schon die andere Stellung und Bedeutung des Naturrechts erkannt worden. Jefferson war bis dahin gewohnt gewesen, das natürliche Recht oder Bruchstücke desselben je nach Bedarf in das positive aufgenommen und eingebettet zu sehen. In Paris dagegen konnte er beobachten, wie das absolute und vernünftige Recht tatsächlich zur Grundlage gemacht wurde, auf der die Revolutionsideologie sich streng folgerichtig aufbaute, um selbständig und unbekümmert um Tradition und positives Recht, vielmehr im Gegensatz zu diesen ihre neuen und unbedingten Forderungen aufzustellen. E r sah zum ersten Male, daß das englische oder amerikanische ') Wie stark bei den Amerikanern noch die Sympathie für Ludwig XVI. war, sollte ihre Haltung bei seiner Hinrichtung zeigen. Vgl. Hazen, op.cit.



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Recht zur Verteidigung der Freiheit und Demokratie gar nicht notwendig war, ja daß die kontinentalen Revolutionäre ohne solche ererbte Stützen oder Bindungen viel sicherer, klarer und eindrucksvoller den Idealstaat und eine bessere Menschheit forderten 1 ). Der Werbekraft dieser radikaleren und geschlosseneren Revolutionslehre erlag auch der virginische Demokrat. Mit seinen und seiner Landsleute Legitimitätsbestrebungen hatte er bei den Franzosen kein Glück2), sie interessierten sich gar nicht für alte Charters, Acts, Common Law, Bills und Lawyers, noch wollten sie von der Vorbildlichkeit der Alten Sachsen etwas wissen. Was sie in der Neuen Welt suchten und zu finden glaubten, war gerade das Nichttraditionelle, das Nichtenglische, das über das englische Muster Hinausgehende, war der neue, umwälzende, beglückende, aufgeklärte Geist, kurz, ihre eigene französische Revolutionsphilosophie. Jefferson fügte sich dieser Richtung und verleugnete einfach die englische Vergangenheit seiner Heimat und seines eigenen Denkens. Seit seiner Ankunft in Paris sprach er nicht mehr von Legitimität und englischen Juristen, nicht von den kolonialen Charters und ihren ererbten und verbrieften Freiheiten, noch verriet er seine frühere stolze Begeisterung für die sächsischen Vorfahren. Den Tadel, den ihm Demeunier für die grausamen virginischen Strafgesetze — lex talionis usw. — in der Encyclopédie erteilte, steckte er ein und er wagte anscheinend nicht den Ursprung dieser Strafbestimmungen anzugeben8). Diese ominösen altsächsischen Überreste und überhaupt die Beibehaltung des englisch-kolonialen Rechts waren wohl auch der Grund, weshalb der Virginier jetzt in Europa sein verdienstvolles und vorbildliches Werk und in Wahrheit die fortschrittlichste und demokratischste Reform von Amerika, den „Revised Code of Laws" als uninteressant und unbedeutend hinstellte und offenbar zu verstecken suchte1). Auch hat er den verständnislosen und tadelnden Rat desselben Demeunier im befreiten Amerika ein von Grund ') Der Eindruck der Überlegenheit der rationalistischen Ideologie über die rechtlich-historische muß sich bei Jefferson verstärkt haben, als die französischen Parlamente, die sich wie die Engländer und Amerikaner auf die ererbten alten Rechte beriefen, von den radikalen Revolutionären als reaktionär hingestellt, überholt und besiegt wurden. Jefferson sympathisierte mit der Parlamentsbewegung nicht. 2) Schon Chastellux, „Voyages", wundert sich darüber, daß es die Amerikaner für nötig hielten, ihm immer wieder ausführlich zu beweisen und zu belegen, daß sie „im Recht" seien. 3) Vgl. S. 95. Encyclopédie Méthodique, Bd. 82, S. 404. 4) An Hogendorp, 13. Okt. 1785.



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auf neues, vernunftgemäßes, d. h. untraditionelles Gesetzbuch zu verfassen1) nicht zurückgewiesen. Und während er sonst sein Vaterland gegen den geringsten Tadel mit einer fast lächerlichen Eifersucht in Schutz nahm, hat er nie auf den Vorwurf der französischen Reformer erwidert, daß die Amerikaner in manchen Fällen geistlos englische Vorbilder übernähmen, statt ihre Einrichtungen selbständig vorbildlich vernünftig zu gestalten2). In diesen selben Zusammenhang gehört schließlich seine während des Pariser Aufenthaltes erfolgte Abkehr vom englandbegeisterten Montesquieu, der noch im „Common Place Book" eine so hervorragende Stelle eingenommen hatte8). Die Übernahme der französischen Ideologie äußert sich also zunächst negativ, als das Aufgeben der englischen politischen Tradition. Gerade diese Tradition aber hatte in der Argumentation der Kolonisten die entscheidende Rolle gespielt, und Jeffersons „Bekehrung" bedeutet einen äußerst tiefgehenden Wandel, sie ist kaum weniger als das Verleugnen des Geistes von 1776. Um diesen wahrlich nicht geringen Preis aber — um dieses Opfer, wenn man so will — erkaufte der Amerikaner anderseits manche ansehnliche Vorteile. Zunächst konnte er von seinem neuen Standpunkt aus den aus der Unabhängigkeitsbewegung fortdauernden Haß und Kampf gegen das Mutterland viel besser und tiefer begründen und breiter ausdehnen. Er griff jetzt nicht nur einzelne illegale Akte oder einzelne feudale Mißbräuche des an sich guten engüschen Systems an, sondern er verwarf dieses politische System selbst. Während er früher gemeint hatte, England sei im achten Jahrhundert mustergültig gewesen und habe erst in der Feudalzeit einiges von seiner ursprünglichen Freiheit eingebüßt, behauptete er neuerdings, das Inselreich habe zwar früh schon einige Vorurteile abgestreift, aber nur um desto hartnäckiger bei den anderen zu verharren. Damit hat sich die Lage zuungunsten Englands grundsätzlich verschoben. Statt dem zeitgenössischen England — und zugleich Amerika — das „wahre" England des frühen Mittelalters, aber eben doch England vor*) John A d a m s dagegen erwiderte T u r g o t in seiner „ D e f e n c e of the American Constitutions"

1787.

D a s B u c h scheint in F r a n k r e i c h nicht ge-

fallen zu h a b e n ; v g l . Short an Jefferson, 26. März 2)

Encyclopédie,

1787, L . C.

B d . 82, S. 402.

*) Schon v o n Chinard e r k a n n t und richtig g e d e u t e t ; „ P e n s é e s sies de Montesquieu 1925, Introduction.

tirées

du .Common

Place

Book'

de T . J . "

choiParis

V g l . a u c h R . Redslob, „ D i e Staatstheorien der F r a n -

zösischen N a t i o n a l v e r s a m m l u n g v o n 1789", L e i p z i g 1912, über den K a m p f zwischen Montesquieu und Rousseau in der

Nationalversammlung.



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zuhalten, wird ihm jetzt das Prestige, jemals den vollkommenen Staat gebildet zu haben genommen; das Vorbild, von dem aus es angegriffen wird, liegt außerhalb Englands, es ist der dem Mutterlande neue und grundsätzlich fremde Vernunfts- und Freiheitsstaat der kontinentalen Revolutionsphilosophie. Kurz, es wird die rationalistische und universale Freiheit der Franzosen gegen die ererbten und nur-englischen Freiheiten der Briten ausgespielt, und nicht die englische Tradition sondern die souveräne Vernunft, mit anderen Worten, das revolutionäre Frankreich und dessen Ideal-Amerika soll fortan das Vorbild der Neuen Welt sein. „It will be an instance the more", so empfahl er von Paris aus seinen Landsleuten einen reichlich abstrakten Reformplan, „of our taking reason for our guide instead of English precedent, the habit of which fetters us with all the political heresies of a nation equally remarkeable for its early excitement from some errors and long slumbering under others 1 )". Diese zentrale These begleiten dann noch eine Menge kleinere Angriffe gegen England und sie bekräftigen seine Aufforderung an Amerika, eine englandfeindliche und franzosenfreundliche innere und äußere Politik zu treiben2). An Madison, 6. Sept. 1789. *) Die Engländer seien unvernQnftig, und ihre Handlungen könne man immer genau voraussagen als das gerade Gegenteil dessen, was der gesunde Menschenverstand und ihr eigenes Interesse gebiete. (An W. S. Smith, 22. Juni 1785.) Ihre tierische Nahrung mache sie unempfänglich für die Kultur, Versuche, sie zu bändigen (to tame), hätten in der KOche zu beginnen und nicht in der Kirche oder mit der Philosophie. (An Mrs. Adams, 25. Sept. 1785, L . C.) Man müsse ihnen mit Fußtritten gute Manieren beibringen. (An Smith, 28. Sept. 1787.) Ihre Architektur sei die miserabelste, die er je gesehen habe. (An Page, 4. Mai 1786, L. C.) Ihre Zeitungen seien schlecht, und das gerade Gegenteil dessen, was sie behaupteten, sei mit mathematischer Gewißheit wahr. (An Hopkinson, 1. Aug. 1787, L. C. und an Cutting, 24. Juli 1788, L. C.) Sie hätten nur wenige Gelehrte und diese seien weniger gebildet und unendlich weniger vorurteilsfrei als die französischen. (An Wythe, 13. Aug. 1786, L. C.) Man müsse die Kunde von den englischen Kriegsgreueln der Nachwelt zum gerechten Abscheu überliefern. (An Ramsay, 9. Juli 1786, L. C.) Die britischen Kaufleute hätten durch listige Manöver die amerikanischen Pflanzer in Schuldknechtschaft gebracht und zu einer Art Eigentum gemacht. (Noten zur Encyclopédie.) Der Handel Amerikas mit England sei nachteilig und verderblich. Zwar seien die Engländer weniger unterdrückt als die Franzosen, aber sie seien keineswegs das freigesinnte Volk, wie man in Amerika glaube. Es bedürfe nur eines halben Auges, um zu sehen, daß sie voll Anbetung für vornehme Geburt, Reichtum und Pomp, in ihrem Charakter schon die Grundlagen zur Errichtung des Despotismus trügen. Überhaupt



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Damit ist Jefferson der erste Amerikaner, der bewußt und systematisch das englische politische Denken mit den Waffen des französischen Rationalismus angreift. Er zeichnete mehrere Jahre im voraus den französisch-englischen Gegensatz, der, nachdem gehe England seinem Untergange entgegen. Der neue französische Kriegshafen von Cherbourg ermögliche die Zerstörung seines Handels, werde es znr Schaffung eines stehenden Heeres zwingen, und dann sei es vollends aus mit der britischen Freiheit. (Alles im Brief an Wythe, 13. Aug. 1786.) Die Franzosen hätten in drei Monaten die Macht des Königs durch den bloßen Druck der öffentlichen Meinung ebensosehr beschränkt und ebensoviele Rechte erworben wie die Engländer in all den Kämpfen gegen die Stuarts. (An Adams, 30. Aug. 1787.) Auch erlaube man sich in Paris eine viel kühnere Sprache gegen die Regierung als in London. Die neue französische Verfassung werde nicht die vielen kapitalen Fehler der englischen haben und werde dieser weit überlegen sein. (An Conte Diodati, 3. Aug. 1789.) Die politischen Denker in Frankreich hätten Wahrheiten entdeckt, die jenseits des Kanals noch unerkannt seien. Der edlen Französischen Revolution seien die Engländer feindlich gesinnt, sie wünschten ihr Mißlingen und suchten es herbeizuführen. (An Trumbull, 5. Aug. 1789.) Für Amerika hätten die Engländer nur blinden Haß und Verachtung. Man müsse sie als erklärte Feinde betrachten und behandeln. (An J a y , 23. April 1786.) Sie seien imstande, die nordafrikanischen Seeräuber gegen die Vereinigten Staaten geheim zu unterstützen. (An Jay, 23. Mai 1786.) Die Vereinigten Staaten sollten an Frankreich eine Stütze gegen das Inselreich suchen. (An Madison, 30. Jan. 1787.) Zunächst müsse man versuchen, den amerikanischen Handel von England weg nach Frankreich zu leiten. Zollpolitik, Navigationsakte, Warensperre seien die geeigneten Handhaben, das „English vassallage" zu brechen. (An Adams, 19. Nov. 1785; an T. Pleasants, 8. Mai 1786; an Ross, 8. Mai 1786.) Die gleiche Behandlung von England und Frankreich durch die Vereinigten Staaten sei unvernünftig, im höchsten Grade unmoralisch und machiavellistisch. (An Madison, 28. Aug. 1789.) Im Falle eines europäischen Krieges werde England aus Dummheit und Bosheit den Amerikanern nicht erlauben, neutral zu bleiben. Es werde ihre Schiffe anhalten, untersuchen, sie schikanieren und unter den nichtigsten Vorwänden beschlagnahmen und die Republik einfach zwingen, ihm Nova Scotia und Kanada abzunehmen, welche zu besitzen gar nicht ihr Interesse sei. Amerika sei daher niemals sicher, solange nicht seine Magazine mit Waffen gefüllt seien. Man solle die Zeit des Waffenstillstandes oder Friedens, ohne einen Augenblick zu zögern, zu Rüstungen gegen England benutzen und kein Mittel versäumen, für diesen Zweck Geld aufzubringen. (An J a y , 3. Nov. 1787.) Alle diese Urteile finden sich in Jeffersons Pariser Briefen. Der größte Teil der Argumente und des englandfeindlichen Programms, das später von der Republikanischen Partei gegen die förderalistische Politik Hamiltons angeführt wird, hat also Jefferson schon vor Ausbruch des englisch-französischen Ringens in Paris entworfen.



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er in den Revolutionskriegen zum offenen Ausbruch gekommen war, in Amerika das große Ringen der Republikanischen gegen die Föderalistische Partei bestimmen sollte. Die Herkunft dieser englandfeindlichen Gedanken ist hier leicht zu erkennen; sie stammen von den französischen Revolutionären, besonders denen aus dem Kreise um La Fayette 1 ), die in innerfranzösischer Absicht ihren nach Amerika projizierten Idealstaat gegen das imbefriedigende englische Vorbild Montesquieus ausspielen, und von den englischen Radikalen, vor allem von Paine 2 ) und Price3). Indem sich Jefferson dergestalt von der englischen Tradition ab- und den französischen Idealen zuwandte, änderte er auch seine Auffassung der Vereinigten Staaten. Er tauschte gewissermaßen das tatsächliche, wesentlich englische Amerika gegen das imaginäre, aber weit zeitgemäßere und schönere ideale Amerika ein, wie es in den Köpfen der europäischen Aufklärer existierte. Die Briefe, die der Gesandte in Paris erhielt, lassen sich leicht in zwei Gruppen teilen: solche, die ein zuversichtliches und meist sehr überschwängliches Urteil über die jungen Republiken fällen; diese stammen von Europäern; die anderen dagegen, die niemals begeistert, oft recht bedenklich und mitunter verzweifelt ernst klingen, kommen aus der Neuen Welt. Jefferson selbst folgte nicht den Amerikanern, sondern den schmeichelhaften Urteilen seiner europäischen Freunde. Dazu mußte er allerdings wie diese die tatsächlichen Zustände seiner Heimat verkennen. Diese Voraussetzung hat er überraschend gut erfüllt. Nachdem seine eigenen ') Die starke Abneigung L a Fayettes gegen England und die englische Verfassung ist bekannt. a) Vgl. Kap. I I ; auch Paines Zustimmung zu Jeffersons Ansichten über die Engländer in seinem Brief an Jefferson vom 10. April 1789, L. C. 3) Vgl. Kap. I I ; auch Price an Jefferson, 8. Aug. 1789, L. C. „In a note which I sent to Count, now the Marquis de Mirabeau b y Morgan, I observed to him that the last step in the progress of human improvement will probably be the separation of religion and matters of Speculation from the interference of civil power. The United States of America have happily taken this step. It cannot, I suppose, at present be attempted in France without too much danger; but it seems likely to be gained there long before it will be gained in England. — Indeed the Patriots of France pay us too great a compliment b y speaking of us, as I find they do, as their model, and considering themselves as imitating us. I scarcely believe we are capable of making such an exertion as the French nation is now making with a spirit and unanimity altogether wonderful. We are duped by the forms of liberty. . . . Our patriots are vicious men. usw."



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Landsleute ihn sehr wohl über den Emst der Lage unterrichtet hatten 1 ), brachte er es fertig, zu behaupten, daß das englische Ministerium durch seine Zeitungen so lange schamlos verlogene Nachrichten über die angebliche Anarchie in Amerika verbreitet habe, bis die ganze Welt und die Amerikaner selbst daran geglaubt hätten. In Wirklichkeit existiere diese Anarchie gar nicht2). Lieber als etwas Ungünstiges über die Musterrepublik zu glauben, nahm er an, nach dreijähriger Abwesenheit besser zu wissen, was in den Vereinigten Staaten vorging als die Amerikaner selbst. Dermaßen unerschütterlich in seinem republikanisch-patriotischen Glauben konnte Jefferson ungestört durch die Wirklichkeit darangehen, sich ein neues und vollkommenes Vaterland zu konstruieren. Die auch zeitlich ersten Anfänge dieses Prozesses — soweit sie sich aus dem Vergleich mit dem bösen und unglücklichen Europa ergaben, sind schon bekannt. Bei ihnen aber hatte es sich noch weniger um eine eigentliche Neugestaltung als um eine bloße Höherschätzung gehandelt. Eine wirkliche Umbildung dagegen und einen großen Schritt weiter auf dem Wege zur Idealisierung bedeutete es schon, wenn Jefferson gleichzeitig mit der Unterschlagung der traditionellen englischen Züge in einseitiger und gewaltsamer Weise die vernunftgemäßen und aufgeklärten Züge Amerikas hervorhob. Er stellte gerade das als typisch amerikanisch hin, was die französischen Reformer so sehr in der jungen Republik zu sehen wünschten, eben die Auswirkung und Verwirklichung ihrer eigenen Aufklärungsphilosophie: den in Frankreich sehr gefeierten Virginia Act for religious Freedom3), die Pressefreiheit, Washington an Jefferson, Mai 1787: for the situation of the general government (if it can be called a government) is shaken to it's foundation and liable to be overset by every blast. — In a word it is at an end, and unless a remedy is soon applied, anarchy and confusion will inevitably ensue." Id. 31. Aug. 1788, ,,It is nearly impossible for anybody who has not been on the spot to conceive (from any description) what the delicacy and danger of our situation have been". 2)

An Smith, 13. Nov. 1787.

*) An Madison, 16. Sept. 1786. ,,The Virginia act for religious freedom has been received with infinite approbation in Europe and propagated with enthusiasm . . . it has been translated into French and Italian, has been sent to most of the courts in Europe. . . . In fact it is confortable to see the standard of reason at lenght erected, after so many ages during which the human mind has been held in vassalage by kings, priests and nobles (jetzt auf europäischem Hintergrund gesehen wie schon bei Price S. 58 u. I2i N. 3.): and it is honorable for us to have produced the first legislature who has had the courage to declare that the reason of man



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die Bills of Rights, die man unhistorisch und absolut auffaßte und nach Jeffersons eigenem Zeugnis in Frankreich höher schätzte als in Amerika selbst 1 ), die ebenfalls unhistorisch gesehenen Verfassungen, die Unabhängigkeitserklärung, in der die Reformer im Gegensatz zu den Amerikanern gerade den theoretischen im Sinne der eigenen Theorien verstandenen Teil bewunderten2) und weiter die Gleichheit, die Freiheit, die Schlichtheit und Tugend, und vor allem den aufgeklärten Geist der Neuen Welt. Das alles betrachtete er jetzt als wahrhaft und eigentlich amerikanisch. Als die verfassunggebende Versammlung in Philadelphia tagte, brach der Gesandte mit einem mitleidigen Seitenblick auf die Möglichkeit eines blutigen Aufruhrs in Frankreich in die begeisterten Worte aus: „Wir müssen uns glücklich preisen, daß Mißbräuche bei uns noch nicht Erbgut geworden sind, und daß jede Bevölkerungsklasse für eine vernunftgemäße und gemäßigte Verfassung eintritt. Daß wir unsere weisen und guten Männer versammeln können, damit sie unsere Regierungsform besprechen, ihre Mängel diskutieren und Abhilfe schaffen, alles mit derselben Kühle, als behandelten sie ein landwirtschaftliches Problem. Das Beispiel, das wir der Welt gegeben haben, ist einzigartig, nämlich unsere Regierungsform zu ändern ohne Blutvergießen, unter der Herrschaft der Vernunft allein" 3 ). Dieses erfreuliche Bild von weisen und guten Männern — Philosophen4), Halbgötter6), heißt es ein andermal — die sich schlicht und einträchtig zusammensetzen, may be trusted with the formation of its own opinion." Jefferson vergißt die rechtshistorischen Vorarbeiten, sowie die praktischen und historischen Vorbedingungen für das Gesetz. Er zeigt es nach französischer Art losgelöst als die souveräne Schöpfung des aufgeklärten Geistes allein. Vgl. S. 103. Note 4. a) Condorcet: „Die Urkunde, die die amerikanische Unabhängigkeit erklärt, ist eine schlichte und erhabene Darlegung jener so heiligen und so lange vergessenen Menschenrechte." Zitiert bei C. Becker, „Declaration", S. 230/1. 3) An Izard, 17. Juli 1788. „ H a p p y for us that abuses have not y e t become patrimonies, and that every description of interest is in favor of rational and moderate government. That we are yet able to send our wise and good men together to talk over our form of government, discuss it's weaknesses and establish it's remedies with the same sang-froid, as they would a subject of agriculture. The example we have given to the world is single, that of changing our form of government under the authority of reason only, without bloodshed." *) An Dumas, 10. Sept. 1787: ,,. . . with all the coolness of philosophers." s) An Adams, 30. Aug. 1787. „ I t is really an assembly of demigods."



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um nur von der wohltätigen Vernunft geleitet das Glück ihres Volkes zu beraten, während andere Nationen sich in sinnlosen Krieg und Aufruhr stürzen, zeigt, wie sehr Jefferson sein Vaterland vom europäischen Standpunkt aus und durch die Brille der französischen Enthusiasten idealisiert sah und gründlich mißverstand 1 ). Eine ähnliche Tendenz verrät es, wenn er in der Encyclopédie schrieb, daß man in Amerika nie einen anderen Unterschied zwischen Mensch und Mensch gekannt habe als den von Personen im öffentlichen Amte, die ihre Macht unter der Autorität der Gesetze ausübten und von Privatpersonen. „Unter den letzteren, heißt es weiter, stand der ärmste Arbeiter mit dem reichsten Millionär auf derselben Stufe, und meistens stand er günstiger, wenn ihre Rechte zu widerstreiten schienen. Man hat sehen können, wie ein Schuster oder sonst ein Handwerker von der Stimme seines Landes aus der Werkstatt auf den Amtssessel berufen, ohne weiteres allen Respekt und Gehorsam gefunden hat, den die Gesetze seinem Amte zuerkennen. Von Unterschieden nach Geburt und Titel aber hatten sie ebensowenig eine Vorstellung wie von den Zuständen auf dem Mond oder den Planeten. Sie wußten nur vom Hörensagen, daß es solche gäbe, und wußten auch, daß sie von Übel sein müßten 2 )". Darauf folgt dann als die übliche dunkle Folie das unglückliche Europa, das durch künstliche Standesunterschiede schmählich entwürdigt erscheint. Es ist wieder die Tendenz des Amerikaners, sein Land entsprechend den Wunschvorstellungen seiner französischen Freunde zu zeichnen und man kann sich wohl denken, welchen Anklang er gerade mit solcherlei geschickt frisierten Erzählungen bei der reformbegeisterten und sentimentalen Pariser Gesellschaft finden mußte. Wiederum französische Färbung zeigt der Gedanke, mit dem Jefferson in dem Artikel für die Encyclopédie zu erklären versuchte, warum gerade Rhode Island so oft die guten und gemeinnützigen Absichten der Schwesterstaaten in egoistischer Weise durchkreuzt habe. Die Bevölkerung des kleinen Rhode Island, meinte der Virginier, gehöre so gut wie ausschließlich der städtisshen und merkantilen Klasse an, während das benachbarte Connecticut rein landwirtschaftlich sei. Es genüge sich zu erinnern, daß Städter und besonders Kaufleute notorisch egoistisch, vaterlandslos und verderbt des Gemeinsinnes entbehrten, daß Land*) Vgl. Ch. A. Beard, „ A n Economic Interpretation of the Constitution of the U. S.", N. Y . 1913, einen sehr ernüchternden Kommentar zu Jeffersons Auffassung. 2) Noten für die Encyclopédie.



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wirte dagegen durch Schlichtheit, Tugend und Patriotismus sich auszeichneten und man werde verstehen, warum sich Rhode Island im Gegensatz zum musterhaften Connecticut so schlecht benommen hätte. In Wirklichkeit lag die Sache genau umgekehrt, und die verschuldeten Farmer, nicht die Gläubiger in den Städten, waren für die bedauerliche Haltung der kleinen Republik verantwortlich. Jefferson dachte hier europäisch, dogmatisch physiokratisch 1 ), ebenso wie wenn er, gleich Price2), wiederholt meinte, daß das wahre Amerika nur auf dem Lande zu finden sei und nicht in den von Europa verseuchten Städten 3 ). Solche — großenteils sicher unbewußte — mißverständliche Auffassung und gefärbte Darstellung muß nun dem Gesandten als nicht ganz zureichend erschienen sein, um den Eindruck von den Vereinigten Staaten als dem „pays de la raison et du bonheur" 4 ) hervorzurufen. Denn gelegentlich half er um des guten Zweckes willen im Schwünge menschheitsbeglückender Begeisterung der amerikanischen Vollkommenheit aus eigenen Mitteln noch etwas nach. So machte er einem Franzosen, der die Neue Welt mit seinem Patentmittel gegen Straßenraub beglücken wollte, die beruhigende Mitteilung, daß Straßenraub dort imbekannt sei. (Nur englische Deserteure hätten nach Kriegsende die Umgebung der großen Städte eine Zeitlang unsicher gemacht.)5) Ein andermal setzte er die kaum minder erfreuliche Nachricht in die Welt, daß in Amerika die Bauern Homer lesen könnten6). Mit diesen Behaup1 ) Die physiokratische Bevorzugung der ländlichen Bevölkerung hatte Jefferson zwar schon früher einmal in den „Notes on Virginia" geäußert. (Dort vielleicht von Franklin beeinflußt.) Erst seit seiner Ankunft in Frankreich aber stellte er diesen Gedanken mehr und mehr in verschärfter Form in den Vordergrund, und vor allem knüpfte er erst hier die weiteren Folgerungen daran, die schon die europäischen Reformer im Hinblick auf Amerika aufgestellt hatten. 2) Vgl. S. 50—52. a ) A n Jay, 23. Aug. 1785. An Hogendorp, 13. Okt. 1785. An Madison, 24. Dez. 1787. „ I think our governors will remain virtous for many centuries: as long as they are chiefly agricultural; and this will be as long as there shall be vacant lands in any part of America. When they get piled up one upon another in large cities as in Europe, they will become corrupt as in Europe." 4) Madame de Houdetot an Jefferson, L. C. 6917. ') An De Lormerie, 6. Juli 1787, L. C. ,,. . . public robbery and unsafe highroads. But it is a happy truth for us, Sir, that these evils do not exist with us, and never did exist in our part of America, etc." •) An Crevecceur, 15. Jan. 1787, L. C. „Ours are the only farmers who can read Homer." Crevecffiur sollte das in die Zeitung setzen.



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tungen sollte wohl der erwartungsvollen Welt bewiesen werden, welch wohltätige Wirkung im Experimentierfeld Amerika die politische Freiheit auf die Sitten wie auf die Volksbildung schon gehabt habe 1 ). Schließlich machte er die erstaunliche Feststellung, d a ß die Vereinigten S t a a t e n den Handel vollkommen sich selbst überließen und strikten Freihandel trieben 2 ). Diese Behauptung wirkt merkwürdig im Munde eines Gesandten, dessen H a u p t tätigkeit gerade darin bestand, durch staatliches Eingreifen den amerikanischen Handel aus seinen gewohnten B a h n e n zu lenken, der außerdem energisch die Erweiterung der handelspolitischen Befugnisse der Zentralregierung forderte und der auch stets empfahl, die Handelsregulierung als politisches Druckmittel zu benützen 3 ). Diese Dinge sind hier nicht erwähnt, um Jeffersons Moral zu prüfen; vielmehr soll die Tatsache, d a ß selbst der Mann, der eine Unterscheidimg von privater und politischer Moral entrüstet ablehnte 4 ), doch auch Konzessionen machte, verdeutlichen, wie *) Es handelt sich offenbar um eine Vorwegnahme des Wunsches, den Jefferson in einem Brief an Dr. Willard vom 24. März 1789, L. C. äußert. „We have spent the prime of our lives in procuring them (i. e. the young men of America) the precious blessing of liberty. Let them spend theirs in shewing that it is the great parent of science and of virtue ; and that a nation will be great in both always in proportion as it is free." Vgl. damit die identischen Gedanken von Price S. 45. 2 ) Aus einem Exposé über die amerikanische Walfischfängerei, das er 19. Nov. 1788 an L a Fayette, De L a Luzerne, Montmorin, Necker und St. Lambert schickte: „The system of the United States is to use neither prohibition nor premiums. Commerce there regulates itself freely, and asks nothing better." An Cavalier, 27. Juli 1789: „neither our republic nor its ministers meddle with anything commercial. They leave their commerce free, to their citizens and others, convinced that it is never better than when left to itself." 3 ) Besonders befürwortete er Zollkrieg und Navigationsakte gegen England. Bemerkenswert ist auch sein Vorschlag, auf Waren aus europäischen Staaten eine Art Strafzoll zu legen, dafür, daß diese Staaten die nordafrikanische Seeräuberei beschützten (protect). Die Einnahmen aus diesem Zolle sollten den Tribut Amerikas an die Seeräuberstaaten decken. Vgl. an Maj. Gen. Greene, 12. Jan. 1786. 4 ) An Madison, 28. Aug. 1789. „To say that gratitude is never to enter into the motives of national conduct, is to receive a principle which has been buried for centuries with it's kindred principles of the lawfulness of assassination, poison, perjury etc. All of these were legitimate principles in the dark ages which intervened between antient and modern civilisation, but exploded and held in just horror in the 18th century. I know but one code of morality for men whether acting singly or collectively — he who



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stark der Wunsch in ihm sein mußte, der ihn zu diesen Konzessionen veranlaßte: der beherrschende Wunsch nämlich, sein Vaterland den Idealen der französischen Revolutionsideologie anzugleichen. Es war daher nur natürlich und sogar unvermeidlich, daß Jefferson das dergestalt idealisierte Amerika als das Vorbild und als die Schwester des revolutionären Frankreich betrachtete, und es war für ihn nur mehr eine willkommene Bestätigung seines eigenen Wunsches und Glaubens, was er August 1789 nach Hause berichten konnte: „Man kann unmöglich eine günstigere Stimmung uns (Amerikanern) gegenüber wünschen, als sie in dieser (National-) Versammlung herrscht. Unsere Handlungen sind bei jeder Gelegenheit als ihr Vorbild betrachtet worden; und obgleich die Menschen in der Hitze der Debatte gemeinhin geneigt sind, jeder Autorität, die der Gegner anführt, zu widersprechen, hat man die unsere wie die der Bibel behandelt, die man auslegen aber nicht bezweifeln kann" 1 ). IV. In derselben rationalistischen Philosophie weiterfahrend, der er schon diese idealisierte Auffassung der Vereinigten Staaten entnommen hatte, mußte Jefferson mit einer gewissen Notwendigkeit und wiederum im Anschluß an die europäischen Reformer auch zu einem neuen Staatsbegriff und zu einem neuen, in die Zukunft weisenden Programm für sein Vaterland gelangen. Denn die neue Welt sollte doch reiner und weiter als es tatsächlich oder vermeintlich schon geschehen sei, den Freiheits- und Vernunftsstaat verwirklichen und die hochfliegenden Wünsche der erwartungsvollen Freunde der Menschheit erfüllen. Damit mußte sich der Freiheitsbegriff des neuen Amerika ändern. Nicht mehr um ererbte, spezifisch englische Freiheiten sollte es sich handeln, die ihre Heiligkeit und Kraft von den Toten says I will be a rogue when I act in company with a hundred others but an honest man when I act alone, will be believed in the former assertion, but not in the latter. If the morality of one man produces a just line of conduct in him, acting individually, why should not the morality of 100 men produce a just line of conduct in them acting together?" *) A n Madison, 28. Aug. 1789. ,,It is impossible to desire better dispositions towards us, than prevail in this assembly. Our proceedings have been viewed as a model for them on every occasion; and tho' in the heat of debate men are generally disposed to contradict every authority urged by their opponents, ours has been treated like that of the bible, open to explanation but not to question."



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der Nation, von der Geschichte und dem Rechte erhielten, sondern um die revolutionäre und absolute Freiheit, die jeder Mensch gleichermaßen lediglich auf Grund seiner Existenz zu fordern h a t t e . Nicht mehr im unverletzlichen Gesetze also lag die neue Freiheit, sondern in den Individuen, im souveränen Volk 1 ), und wollte dieses seine Freiheit wahren, so mußte es selbst darüber wachen und von Zeit zu Zeit aufstehen und rebellieren. Wie Gewitter in der Natur, so sind im Staate Aufstände notwendig, und man darf nicht durch zu harte Strafen den revolutionären Geist entmutigen. Denn jede Regierung wird durch den Besitz der Macht vergiftet, zwangsläufig und unentrinnbar böse und tyrannisch, wenn nicht das Volk die Machthaber durch eine Revolution gelegentlich daran erinnert, daß es seine Rechte zu verteidigen weiß 2 ). Nachdem jede Regierung ihrer Natur nach eine stete Gefahr für die Freiheit des Volkes ist) 3 , muß sie so eingerichtet werden, *) An Washington, 4. Jan. 1786, „ I t is an axiom in my mind that our liberty can never be safe but in the hands of the people, und that, too, of the people with a certain degree of instruction." 2 ) An Ed. Canington, 16. Jan. 1787, ,,I am persuaded myself that the good sense of the people will always be found to be the best army. They may be led astray for a moment, but will soon correct themselves. The people are the only censors of their governors: and even their errors will tend to keep these to the true principles of their institution. To punish these errors too severely would be to suppress the only safeguard of the public liberty." An Mrs. Adams, 22. Febr. 1787, „The spirit of resistance to government is so valuable on certain occasions, that I wish it to be always kept alive. It will be often exercised when wrong, but better so than not to be exercised at all. I like a little rebellion now and then, it is like a storm in the atmosphere." An Col. Smith, 13. Nov. 1787, „God forbid we should ever be 2p years without such a rebellion . . . If they (people) remain quiet under such misconceptions it is a lethargy, the forerunner of death to the public liberty. We have had 13 states independent 1 1 years. There has been one rebellion. That comes to one rebellion in a century and a half for each state. What country before ever existed a century and a half without rebellion ? And what country can preserve its liberties if their rulers are not warned from time to time that their people preserve the spirit of resistance ? Let them take arms. The remedy is to set them right as to facts, pardon and pacify them." An Madison, 13. Jan. 1787, „ 1 hold it that a little rebellion now and then is a good thing, and as necessary in the political world as storms in the physical." Vgl. Price S. 43. 3 ) An E. Canington, 16. Jan. 1787, „If once they (people) become inattentive to the public affairs, you and I, and Congress, and Assemblies, judges and governors shall all become wolves. It seems to be the law of our general nature, in spite of individual exceptions."



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daß sie möglichst schwach bleibt 1 ), vor allem daß sie möglichst wenig eigene Macht hat, die sie gegebenenfalls gegen die Bürger wenden könnte. Am besten wäre wohl ein Zustand ohne alle Regierung wie bei den Indianern, wo die bloße öffentliche Meinung an Stelle der Gesetze tritt, und analog wären Zeitungen ohne Regierung einer Regierung ohne Zeitungen unbedingt vorzuziehen. In größeren Gemeinschaften aber lasse sich, wohl aus technischen Gründen, eine Regierung nicht vermeiden 2 ). Doch müsse man ihre Aufgabe und Wirksamkeit auf das allernotwendigste beschränken 3 ) *) An Col. Forest, 31. Dez. 1787, „ I own I am not a friend to a very energetic government. It is always oppressive. It places the governors indeed more at their ease, at the expense of the people." Ähnlich an Madison, 20. Dez. 1787. 2 ) An Madison, 30. Jan. 1787, „Societies exist in three forms sufficiently distinguishable. 1. without government, as among our Indians, 2. under governments where the will of every one has a just influence, as is the case in England in a slight degree, and in our states in a great one. 3. under governments of force: as is the case in all other monarchies and in most of the other republics. To have an idea of the curse of existence under these last, they must be seen. It is a government of wolves over sheep. It is a problem not clear in my mind, that the first condition is not the best. But I believe it to be inconsistent with any great degree of population. The second state has a great deal of good in it. The mass of mankind under that enjoys a precious degree of liberty and happiness." An E. Carrington, 16. Jan. 1787, „The basis of our governments being the opinion of the people, the very first object should be to keep that right; and were it left to me to decide whether we should have a government without newspapers, or newspapers without a government, I should not hesitate a moment to prefer the latter . . . I am convinced that these societies (as the Indians) which live without government enjoy in their general mass an infinitely greater degree of happiness than those who live under European governments. Among the former public opinion is in the place of law, and restrains morals as powerfully as laws ever did anywhere. Among the latter, under the pretence of governing they have divided their nations into two classes, wolves and sheep." An Governor Rutlege, 6. Aug. 1787, „And we think ours a bad government. The only condition on earth to be compared with ours, in my opinion is that of the Indians, where they have still less law than we." Es zeigt sich hier wieder der Zusammenhang zwischen der Verschärfung von Jeffersons demokratischen Forderungen und seinen europäischen Erfahrungen. 3 ) Es hat manchmal fast den Anschein, als sei die Aufklärung des Volkes die einzig legitime Handhabe der Regierung. Vgl. an E. Carrington, 15. Jan. 1787, „The way to prevent these irregular interpositions of the people is to give them full information of their affairs through the channel of the public papers, and to contrive that those papers should penetrate the whole mass of the people." An Col. Forest, 31. Dez. 1787, Beiheft d. H . Z . 17.

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und eine Regierung, von der man nichts spürt, sei der Gipfel der Staatskunst. Vor allem aber muß dafür gesorgt sein, daß das Volk unbedingt herrscht und daß die Obrigkeit ihm unbedingt gehorcht und sich auf die strikte Ausführung seiner Befehle beschränkt. Die Regierung wird damit zu einem technisch bedingten ausführenden Organ des Volkswillens, eigentlich zu einem bloßen Instrument ohne eigenen Willen, ohne eigene Macht, und man könnte fast sagen ohne eigenen Verstand; denn Wille, Macht und Einsicht gehören dem souveränen Volke an, nicht der Maschinerie, die es sich zur Regelung seiner Angelegenheiten konstruiert hat. Der Gedanke der Volkssouveränität, der im Grundzug den Angelsachsen schon längst bekannt war, der aber selbst in der Unabhängigkeitserklärung noch mit mancherlei Einschränkungen, Vorbehalten und Entschuldigungen versehen war, wurde jetzt von Jefferson mit einer konsequenten Schärfe und Intransigenz herausgestellt, wie das nur in Frankreich üblich war. Aus der potentiellen Volkssouveränität Lockes und der Unabhängigkeitserklärung, die nur im Notfall ausnahmsweise in Aktion tritt, wurde die dauernd wirksame Volkssouveränität Rousseaus. Am unzweideutigsten tritt das in einem Plane hervor, den der Amerikaner noch kurz vor seiner Abreise von Paris unter dem Eindrucke der staatstheoretischen Diskussionen der Revolution (4. August) gefaßt hat. Jefferson entnahm da der Statistik, daß nach 34 Jahren die Mehrheit der Bevölkerung eines Landes gestorben sei, und stellte dann noch genauer fest, daß die Mehrheit der Wahlberechtigten schon nach 19 Jahren tot sei. Jede Verfassung, so schloß er weiter, jedes Gesetz, jeder Staats vertrag, könne also spätestens 19 Jahre nach der Entstehung nicht mehr auf dem Willen der Mehrheit beruhen und müsse daher automatisch seine Geltung verlieren, sofern nicht die inzwischen heran„And say finally whether peace is best preserved by giving energy to the government or information to the people. This last is the most certain and most legitimate engine of government. Educate and inform the whole mass of the people, enable them to see that it is their interest to preserve peace and order, and they will preserve it. And it requires no very high degree of education to convince them of this. They are the only sure reliance for the preservation of our liberty." Später ging Jefferson in seinem Vertrauen in die Vernunft und Güte der Menschen noch weiter und meinte, an Attorney General Levi Lincoln, 24. März 1802, „ I would wish much to see the experiment tried of getting along without public prosecutions for libels. I believe we can do it. Patience and well doing, instead of punishment, if it can be found sufficiently efficacious, would be a happy change in the instruments of government."

— 131 — gewachsene neue Mehrheit freiwillig und ausdrücklich eine Erneuerung der verjährten Bestimmungen beschließe. Kein Volk könne also das Recht haben, Verfassungen, Gesetze und Verträge anzunehmen, die eine Geltungsdauer von mehr als 19 Jahren haben sollten, und vor allem dürften keine Staatsschulden aufgenommen werden, die nicht innerhalb dieser Frist abgezahlt würden. Denn die spätergeborene Mehrheit könne keinesfalls verpflichtet werden, Geld, das nicht sie empfangen und genossen habe, zurückzuzahlen. Andernfalls würden die Toten über die Lebenden herrschen, jede Generation könnte der willkürlichste Tyrann der darauffolgenden sein und die Volkssouveränität würde zu einer bloßen Illusion. Mit diesem merkwürdigen Plane 1 ) hat der Virginier den Höhepunkt der Französierung seines politischen Denkens erreicht und sich zugleich am weitesten von der englisch-amerikanischen, traditionalistischen, historischen Staatsauffassung entfernt. Dieser Staat ist also eine im höchsten Maße atomistische, utilitaristische, rationalistische und abstrakt konstruierte Sache. Im Grunde ist er nur die mathematische Summe der gerade lebenden Individuen, die aus wohlverstandenem Eigeninteresse wie ein Verein sich eine gefügige Verwaltungsmaschinerie eingerichtet haben, mit deren Hilfe sie einige gemeinsame Angelegenheiten rein sachlich erledigen lassen. Ein eigenes Ethos, ein eigenes Leben und Lebensgesetz, eine eigene Kontinuität und Geschichte und ein autonomer Wille kommt ihm nicht zu. So sehr ist er nur ein subalternes, gemachtes, an sich lebloses Produkt und Werkzeug der Vernunft — oder genauer des wohlaufgeklärten Eigennutzens der Individuen — daß er sich, sofern es dieser Eigennutz gebietet, einfach zerschneiden und in neue selbständige Staatsgebilde zerlegen läßt2). Politisches Machtstreben, seiner Natur nach unvernünftig, böse und gefährlich, ist dem Staate Jeffersons fremd. Konflikte können ohne Machtanwendung durch den aufgeklärten gesunden Menschenverstand friedlich beigelegt werden, und der *) Zuerst an Madison, 6. Sept. 1789, dann des öfteren entwickelt. Madison und die Amerikaner lehnten den Plan natürlich ab, so daß ihn Jefferson auch zurückzog. ') Jefferson mutete diese Operation seinem eigenen Vaterlande zu, dessen Präsident er gerade war. An J . Priestley, 29. Jan. 1804, „Whether we remain in one confederacy, or form into Atlantic and Mississippi confederacies, I believe not very important to the happiness of either part." Vgl. damit Price, der aus derselben Staatsauffassung heraus die Forderung aufstellt, die drei Königreiche sollten „perfectly independent from one another" sein. Thomas, op. cit. p. 136.





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Krieg, ein unvernünftiges Vorurteil, „ist immer eine teuere und unselige Sache und manchmal verliert man ihn." 1 ) Dieser selbe aufgeklärt friedfertige, harmlose und spießige Staat des Rationalismus schlägt aber unversehens in ein nach innen allmächtiges, nach außen schrankenlos imperialistisches Ungeheuer um. Das ist nicht allein die empirisch oft beobachtete Entwicklung, sondern innere, unausweichliche logische Notwendigkeit. Es ist ein Axiom des jeffersonschen Rationalismus, daß die Vernunft, das wohlverstandene Eigeninteresse, wenn es freies Spiel hat, das politische Leben harmonisch regelt und jeden Konflikt friedlich beizulegen imstande ist2). Die tragische Notwendigkeit eines Kampfes zwischen zwei gleichberechtigten entgegengesetzten politischen Kräften existiert für den Vernunftsgläubigen nicht. Wenn ein Konflikt ausbricht, so kann er nur durch eine Störung der Vernunft, d. h. durch Unvernunft hervorgerufen sein. Es sind daher für den Vernunftstaat überhaupt keine anderen Konflikte denkbar, als Konflikte zwischen einer Partei der Vernunft und einer Partei der Unvernunft. Durch das weitere Axiom, daß das Vernünftige zugleich nützlich und moralisch gut sei, das Unvernünftige aber zugleich schädlich und böse, und durch die ohnedies moralistische Tendenz des angelsächsischen Charakters wird die fatale Ungleichheit des Gegnerpaares noch fataler gesteigert zu einem Gegensatz zwischen einer vernünftigen, nützlichen und moralisch guten Partei und einer unvernünftigen, schädlichen und bösen. Ja noch mehr; der Gegner der Vernunftspartei bekämpft die Vernunft, bekämpft damit die Grundlage aller menschlichen Gemeinschaft und stellt sich außerhalb dieser Gemeinschaft als ein Feind der Menschheit. Hier gibt es kein EntA n H o g e n d o r p , 29. Juli 1785.

„War . . .

calamitous, a n d s o m e t i m e s u n s u c c e s s f u l . "

is a l w a y s e x p e n s i v e and

Später, i m F i f t h A n n u a l

Mes-

sage, 3. D e z . 1805, bezeichnete er den K r i e g als „ t h e unprofitable contest, as i m p r o f i t a b l e as it is immoral, of t r y i n g w h i c h p a r t y can do the other the

most h a r m . "

Madison

erinnerte sich, d a ß

A m e r i k a eine der

krieg-

führenden P a r t e i e n sein würde und verbesserte r i c h t i g : „ A s improfitable as immoral .seems t o be applicable t o b o t h parties. as the following is suggested. the other.'"

A n Madison, 22. Sept. 1785, „ T h e

d o m p a y s for its losses."

An

S o m e such substitute

, A s p a i n f u l on t h e one side as immoral on most successful war

sel-

Ross, 8. Mai 1786, „ O p e n i n g rivers, canals

a n d roads; h o w m u c h more rational is this disposal of public m o n e y than t h a t of w a g i n g 2)

war."

A n Conte

Diodati,

3. A u g . 1789, „ I

h a v e so much confidence in

t h e g o o d sense of man, and his q u a l i f i c a t i o n for s e l f g o v e r n m e n t , t h a t

I

a m never afraid of the issue where reason is l e f t free t o e x e r t her force."



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rinnen: wer gegen den V e r n u n f t s t a a t ist, der ist entweder v e r r ü c k t oder d u m m , zerstörend, boshaft u n d ein F e i n d der menschlichen Gesellschaft. U n d wie die Kirche der geoffenbarten Religion im Besitze der alleinseligmachenden L e h r e ihre Gegner als Häretiker und A p o s t a t e n betrachtet u n d nicht dulden darf, genau so betrachtet und b e k ä m p f t der Vernunftsgläubige, nicht minder im Besitze der alleinseligmachenden Lehre, seine Gegner als „ H ä r e t i k e r " , „ A p o s t a t e n " 1 ) und „ G ö t z e n d i e n e r " , nicht eigentlich als politische Gegner. D a m i t kehrt J e f f e r s o n , jetzt der F e i n d einer dunklen, pfäffischen Vergangenheit, im Prinzip zur S t a a t s a u f f a s s u n g dieser selben Vergangenheit zurück. D e n n auch er kennt keine A u t o n o m i e des S t a a t e s ; dieser ist nur S c h ö p f u n g und Diener und Streiter Gottes, z w a r nicht des geoffenbarten G o t tes des Mittelalters, sondern des Gottes des 1 8 . J a h r h u n d e r t s , der V e r n u n f t 2 ) . N u r kennt J e f f e r s o n nicht den segensreichen, lindernden Dualismus v o n S t a a t und K i r c h e , sondern er bekennt sich zu dem monistischen S y s t e m der Theokratie, zur T h e o k r a t i e der V e r n u n f t , wenn m a n so sagen k a n n , zur L o g o k r a t i e 3 ) . ') Aus dem bekannten Briefe an Mazzei, 27. April 1796, ,,It would give you a fever were I to name to you the apostates (!) who have gone over to the heresies (!), men who were Samsons in the field and Solomons in the council, but who had their heads shorn by the harlot E n g l a n d . " Gemeint sind die Föderalisten, Washington mit eingeschlossen. Schon früher an Madison, 15. März 1789, „ W e were educated in royalism: no wonder if some of us retain that idolatry (!) still. Our young people are educated in republicanism. An apostasy (!) from that to royalism is unprecedented and impossible." An Th. Cooper, 9. J u l i 1807, „ I t is to be considered as apostasy only when they (Republicans) purchase the votes of the federalists, with a participation in honor and power." Hier kommt auch die dogmatische Intransigenz der Orthodoxen gegen die Ungläubigen zum Vorschein. 2 ) Jefferson ordnet sogar das Mehrheitsprinzip, d. h. also das ganze demokratische Prinzip der Vernunft unter, wenn er meint, daß der Wille der Mehrheit, um gültig zu sein, auch gerecht — mit anderen Worten: vernünftig — sein müsse. 3 ) Es liegt hier nahe, die amerikanische Demokratie oder Logokratie Jeffersons als eine modernisierte Form oder Fortsetzung der früheren amerikanischen Theokratie aufzufassen. Der Unterschied zwischen den beiden Staatsauffassungen ist weniger groß als es zunächst scheinen möchte. Auch ist der religiöse Charakter des modernen amerikanischen politischen Glaubens kaum zu leugnen. Man denke nur an die erdrückende Geschlossenheit, dogmatische Starrheit und K r a f t und unbedingte, jeden Zweifel abweisende „Sicherheit" dieses Glaubens; an sein Unverständnis und seine Unduldsamkeit gegenüber einer anderen, nichtamerikanischen politischen Überzeugung; an den Glauben an die „Unfehlbarkeit" der „ V ä t e r " , an die



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D a m i t schlägt aber die Lehre der Freiheit und Duldung u m in Gewalt, Fanatismus und Intoleranz im Namen der intolerantesten aller Mächte, der allgütigen, Glück, Leben, Frieden und Erfolg spendenden Vernunft. Denn gegen Unvernunft und Bosheit kann und muß selbst die Vernunft und Güte — so ungern sie es tut — wenn die Aufklärungs- und Bekehrungsversuche erfolglos sind, schließlich nur mit roher Gewalt vorgehen 1 ). Über die Art der Gewaltanwendung entscheidet wiederum die Vernunft, mit anderen W o r t e n : die Vemunftspartei verfährt mit ihrem Gegner, dem Verstockten und Ausgestoßenen, so wie s i e es für gut hält, sie ist Ankläger, Richter und Henker oder Irrenarzt in einer Person und h a t noch obendrein den Segen der Vernunft, beziehungsweise Gottes. So konnte denn auch Jefferson jeden politischen K a m p f der Vergangenheit oder Gegenwart nur als die Folge boshafter U n vernunft erklären,und er mußte wenigstens e i n e schuldige Partei finden 2 ). Ebenso mußte er seine Gegner, seien es die Engländer oder Föderalisten, als geistig und moralisch minderwertig beeigene Auserwähltheit (nur äußerlich merkwürdigerweise gerade rassetheoretisch begründet) und an die Gottgewolltheit des Reichtums, Glückes und Erfolges des Landes, mit dem sie „belohnt" worden sind; an den Glauben an die weltbefreiende Kraft der amerikanischen Ideen, seine Expansionsund Missionslust; ferner an den an Heiligenverehrung und Reliquienglauben grenzenden Kult der Großen der Nation, der Flagge und der „heiligen" Stätten der eigenen Geschichte und schließlich an die Mythisierung der eigenen Geschichte. Auch könnte es scheinen, als ob sich die offizielle Religiosität der Kirchen (die als „unamerikanisch" empfundene katholische ausgenommen) in die gemeinsame nationale Grundreligion einordnete. Das sind freilich nur Vermutungen, und es dürfte wohl schwer fallen, die tieferliegenden, unterbewußten Zusammenhänge zwischen der offenen, kolonial-amerikanischen und der verborgenen, modern-amerikanischen Theokratie aufzudecken. Der Gedanke ist deshalb auch nur als eine mögliche Hypothese erwähnt. 1 ) An Madame de Staël, 16. Juli 1807, „ B u t when patience has begotten false estimates of its motives, when wrongs are pressed because it is believed they will be borne, resistance becomes morality." 2 ) Das Verfahren ist sehr summarisch; für alle Kriege und Revolutionen der Vergangenheit — was Europa betrifft, auch der Gegenwart — werden immer die bösen „kings, priests and nobles" verantwortlich gemacht. An Bellini, 25. Juli 1788, „You are too wise to feel an interest in the squabbles in which the pride, the dissipations, and the tyranny of kings keep this hemisphere constantly embroiled." Vgl. auch an J a y , 6. Aug. 1787, und nahezu jede seiner Äußerungen über europäische Politik und Geschichte.



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t r a c h t e n 1 ) , und weiterhin war es für den Vernunftgläubigen — unter der Voraussetzung, daß die Union der Vernunftsstaat sei — nicht etwa bloße chauvinistische Phrase, sondern wohlbegründete und unumstößliche Sicherheit, wenn er gleich für alle Zukunft prophezeite: „Whenever war supervenes, it will be the war of our constituents, which, forced on them by the injustice of other nations, we need not fear they will be wanting to their own interest and s a f e t y " 2 ) . Damit aber nimmt jeder Krieg zwangsläufig den Charakter eines Kreuzzuges an, oder genauer den Charakter einer erzieherischen Strafexpedition 3 ). Denn es wird ja immer nur für ') Jeffersons Ansichten über die Engländer vgl. S. 119, 2; ferner die vielen späteren Stellen, bes. an Madison, 23. April 1804, „She (England) is now a living example that no nation however powerful, any more than an individual, can be unjust with impunity. Sooner or later public opinion, an instrument merely moral in the beginning, will find occasion physically to inflict its sentences on the unjust . . . The lesson is useful to the weak as well as the strong." Über die Föderalisten vgl. Kap. V ; ferner an James Sullivan, 21. Mai 1805, „Those of whose system of politics morality makes no part" und an Levi Lincoln, 26. Aug. 1801, „Of the monarchical federalists I have no expectations. They are incurables, to be taken care of in a mad house, if necessary, and on motives of charity." 2 ) Fifth Annual Message, 3. Dez. 1805. 3 ) Bezeichnend ist Jeffersons Behandlung der nordafrikanischen Seeräuber. Seeräuberei ist erstens böse, zweitens schädlich, weiter aber auch unvernünftig vom Standpunkte der Seeräuber selbst. Da diese Vernunftsgründen leider nicht zugänglich sind, will sie Jefferson mit Gewalt zwingen, ihren falsch verstandenen Eigennutz aufzugeben, um dann aus den Seeräubern Landwirte zu machen. Damit werden, meint Jefferson, nicht nur die Amerikaner, sondern auch die Nordafrikaner glücklicher sein. Autobiography F. 1,94. Es wäre dann nur logisch zu verlangen, daß der gewaltsam Bekehrte die segensreichen Prügel bezahlen und sich dafür reumütig bedanken sollte. So weit ist aber Jefferson selbst noch nicht gegangen. Ahnlich ist seine humane, aufgeklärte Politik gegen die Indianer. Jefferson meint, das eigene wohlverstandene Interesse müsse den Indianern gebieten, ihr Jägerleben aufzugeben und statt dessen Landwirtschaft zu treiben. Die segensreiche Harmonie der Interessen unter der Herrschaft der Vernunft zeigt sich dann darin, daß die Indianer große Teile ihrer Länder an die Amerikaner verkaufen können, die sie notwendig brauchen. Daß aber die meisten Indianer für das Bauemleben von Natur aus einfach untauglich sind, kann der Vernunftgläubige nicht zugeben; denn dann wäre ja die tragische Notwendigkeit eines Existenzkampfes zwischen der weißen und der roten Rasse gegeben, und das gerade im Lande der Vernunft. Daher kann Jefferson die Weigerung der Indianer, ihr Nomadenleben aufzugeben, nur auf boshafte, schuldhafte Unvernunft, auf die indianischen „kings, priests and nobles" zurückführen (vgl. Second Inaugural Address, 4. März 1805).



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die Wiederherstellung der Herrschaft der Vernunft, der Güte und des wohlaufgeklärten Eigennutzes gekämpft, also zum wahren Besten des schuldigen Gegners selbst, dessen falsch verstandener und boshafter Eigennutz die vernunftgemäße Harmonie gestört und die ganze bedauerliche Aktion notwendig gemacht hat 1 ). Es war also nur konsequent, wenn Jefferson, eine durchaus unkriegerische Natur, einerseits den Krieg als ein verderbliches Vorurteil aufgeklärt ablehnte, andererseits aber, sobald ihm der böse Gegner die bewaffnete Entscheidung aufgezwungen hatte, die heilige Pflicht des Kampfes predigte und zu einem blinden und fanatischen Kriegshetzer wurde. Ebenso konnte er einerseits die Schwäche der Konfederationsregierung als einen großen Vorteil preisen, und unmittelbar darauf in logischer Weiterentwicklung seines Staatsgedankens behaupten, diese Regierung sei gar nicht schwach. Denn wenn sich ein Einzelstaat weigere, seine Verpflichtungen gegen den Bund zu erfüllen, so könnten die anderen Staaten den Säumigen oder Widerspenstigen mit Gewalt dazu zwingen, und zwar auf Grund eines angeblichen, nur aus Taktgefühl in der Verfassung nicht ausgesprochenen naturrechtlichen Satzes 2 ); und als harmlosestes Zwangsmittel schlägt der Virginier die Verwendung einer Kriegsflotte gegen den schuldigen Und gegen diese boshafte Unvernunft muß leider, nachdem es die Indianer selbst nicht anders wollen, mit Gewalt vorgegangen werden. E s ist ein häufiges Mißverständnis des kontinentalen Europäers, in solchen Fällen ohne weiteres von Hypokrisie zu reden. Hypokrisie liegt aber nur bei „mala fides" vor, also nur dann, wenn der Handelnde selbst, nicht schon wenn ein anderer den Widerspruch zwischen seinem egoistischen Handeln und seinen altruistischen Reden erkennt. Eine solche Selbsterkenntnis darf aber nicht ohne weiteres angenommen werden. Vielmehr hat sich gerade bei Jefferson gezeigt, daß die scheinbar hypokritische Argumentation nicht erst für den besonderen Einzelfall zurechtgezimmert wird, sondern sich aus dem ganzen philosophischen System zwangsläufig ergibt. ') In den nächstfolgenden Ausführungen ist die bisher eingehaltene chronologische Reihenfolge vorübergehend unterbrochen und es wird gelegentlich auf die Zeit nach 1800 vorausgegriffen, um die Staatsauffassung Jeffersons im Zusammenhange darstellen zu können. Wenn die imperialistische Politik der Union bzw. des revolutionären Frankreich hier nur von der ideologischen Seite betrachtet wird, so soll damit keineswegs die E x i stenz der daneben oder dahinter wirkenden machtpolitischen Faktoren geleugnet werden. 2 ) Daß ein Vertragspartner das Recht habe, den anderen Partner zur Erfüllung des Vertrages zu zwingen.



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1

Einzelstaat vor ). Der ideologische Ursprung dieser merkwürdigen Strafflotte ist offensichtlich derselbe wie der der Guillotine : beide Instrumente wirken — zwar mit verschiedener Schärfe, aber auch unter sehr verschiedenen Umständen — nur halb verfassungsmäßig, naturrechtlich für die Erhaltung der Vernunft und des bedrohten Vernunftstaates. Beide bezeugen, daß die Vernunft keine Kompromisse schließen kann, daß sie Konflikte mit ihrem Gegner, der Unvernunft und Bosheit, nur durch rohe Gewalt, mit der Guillotine oder mit Kriegsschiffen, zu lösen vermag. Und wie die französische Revolution, die mit der Befreiung des Individuums begonnen hatte, bald zu einer unerhörten Staatsallmacht führte, so hat später Jefferson mehr als irgendeiner seiner Vorgänger und Nachfolger im Weißen Hause dazu beigetragen, die Macht der Unionsregierung und des Präsidenten zu steigern. E s war kein Zufall, daß gerade er, der aufgeklärte Freiheitsapostel, mit seiner Embargopolitik sich gewaltsame Eingriffe in die Freiheit der Einzelnen erlaubte von einer Schärfe, die als despotisch und napoleonisch empfunden wurde, und die bis zum Sezessionskriege nicht wieder erreicht worden ist. Am deutlichsten zeigt sich die Verwandtschaft des jeffersonschen Staatsbegriffes mit dem des revolutionären Frankreich in der außenpolitischen imperialistischen Haltung. Wie die Franzosen der Revolution ohne Achtung vor den „unvernünftigen" historischen Rechten anderer Staaten mit Gewalt ein großes Reich der Vernunft bilden wollten, so wollte Jefferson, der nicht einmal die Unteilbarkeit des eigenen Staates achtete, noch kühner und aggressiver gleich den ganzen amerikanischen Kontinent annektieren. Schon 1786, zehn, beziehungsweise drei Jahre nach der Entstehung der Vereinigten Staaten, zu einer Zeit, da man überhaupt noch an der Lebensfähigkeit der neuen Nation zweifeln konnte, stellte der amerikanische Gesandte, ohne im geringsten provoziert zu sein, mit der größten Selbstverständlichkeit und ohne die geringste politische Notwendigkeit ein imperialistisches Programm auf, das eine würdige republikanische Parallele zu den kühnsten Träumen eines Napoleon bildete. „Unsere Confédération muß als das Nest betrachtet werden, von dem ganz Amerika, Nord und Süd, bevölkert werden muß 2 )". Und mit der nämlichen SelbstverständNoten für die Encyclopédie. Vgl. auch an Monroe, 1 1 . Aug. 1786. „There ne ver will be money in the treasury (of the Confederacy) tili the Confederady shows its teeth. The states must see the rod; perhaps it must be feit by some one of them." 2 ) Noten für die Encyclopédie, wo Jefferson bei der Berechnung der zukünftigen Einwohnerzahl der Vereinigten Staaten die Bodenfläche des



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lichkeit betrachtete er es immer als die providentielle Funktion Spaniens, des Verbündeten im Unabhängigkeitskriege, seine amerikanischen Besitzungen so lange vor dem Zugriffe stärkerer europäischer Staaten zu bewahren, bis die Union „bereit" wäre, diese Gebiete „entgegenzunehmen". Das ungeheure Gebiet von Louisiana mit dem wichtigen New Orleans hat er noch selber in einer äußerst glücklichen Beteiligung an dem Länder- und Völkerschacher Napoleons für sein Land erworben1). Dann hat er Florida, Cuba, Mexico und Kanada in ein noch bescheidenes vorläufiges Annexionsprogramm aufgenommen8). Man sieht, es ist derselbe elementare, vermessene Eroberungs- und Expansionsdrang im Namen der neuen Freiheit in der Neuen wie in der Alten Welt, es ist dasselbe Wechselspiel zwischen dem Pazifismus der segensreichen Vernunft und zwischen blutigem Kampf und Kreuzzug für die Segnungen der Vernunft3). Die Franzosen der Revolutionszeit verkünden die neue Aera des Friedens und der Verbrüderung und werden bald ausziehen, die Welt zu erobern: ganz ähnlich weist Jefferson der Union die schöne Rolle zu, als eine freie Republik des Friedens den Völkern ein Vorbild zu sein und ihnen zu zeigen, daß der Krieg vermeidbar und überflüssig ist4). ganzen amerikanischen Kontinents zugrunde legt. An A. Stuart, 25. Jan. 1786, „Our confederacy must be viewed as the nest from which all America, North and South is to be peopled. We should take care too not to think it for the interest of that great continent (Jefferson spricht schon im Namen des zukünftigen panamerikanischen Reiches, während er noch im selben Brief die Möglichkeit der Spaltung der Confederation bekämpfen muß) to press too soon on the Spaniards. Those countries cannot be in better hands. My fear is that they are too feeble to hold them till our population can be sufficiently advanced to gain it piece by piece. The navigation of the Missisipi we must have. This is all we are as yet ready to receive." Vgl. S. 142, 2. ') „ I n taking Louisiana we were the accomplices of the greatest highway man of modern history." (Channing, zit. bei Hockett, op. cit.) 2 ) The Writings of Th. J., ed. A. H. Washington, N. Y . 1857, Bd. V, 164 u. 444. s ) Vgl. Hermann Oncken: „Amerika und die großen Mächte, Eine Studie über die Epochen des Amerikanischen Imperialismus", zuerst in „Studien und Versuche zur neueren Geschichte. Max Lenz gewidmet von Freunden und Schülern", Berlin 1910, S. 421—480, dann in „Historischpolitische Aufsätze und Reden", München-Berlin 1914, Bd. I, S. 37—94. Ferner Gertrud Philippi, „Imperialistische und Pazifistische Strömungen in der Politik der Vereinigten Staaten während der ersten Jahrzehnte ihres Bestehens, 1 7 7 6 — 1 8 1 5 " , Heidelberger Abhandlungen 45, Heidelberg 1914. 4 ) An den Zaren, 19. April 1806, Wash. Ed. V, 7, „America . . . a distant and infant nation, unoffending in its course, unambitious in its views."



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Während Europa in endlosem Streit sich selbst zerfleische und das Buch der Geschichte mit den Erzählungen von Krieg und Aufruhr fülle, kenne er keinen anderen Ehrgeiz für sein Land als ihm den Frieden zu erhalten und ihm eine stille aber glücklichere Entwicklung zu sichern, die dem Geschichtsschreiber keinen Stoff zu Berichten liefern solle1). Vier Tage nach diesen für" das Ausland berechneten idyllischen Friedenstönen richtet er an das wehrlose Spanien die Drohung: „Wir brauchen nur einen Monat um die Stadt Mexiko zu erobern" 2 ). Der Madame de Staël rühmt er sein Land als die heilige Zufluchtsstätte der Unglücklichen aller Länder, „wo der Wolf mit dem Lämmlein lebet, und der Leopard sich mit dem Zicklein niederläßet", und im selben Briefe ruft er aus : „Sonst ist es sündhaft, jetzt aber gottgefällig für Krieg und Zwist unter den Nationen zu beten, als für das einzige Mittel, um ihre verbrecherischen Verbindungen zu lösen" 3 ). Selbst die Taktik und Methode der Eroberung ist die nämliche diesseits und jenseits des Ozeans. Die Jakobiner fallen in den Niederlanden ein, das angebliche Recht der freien Schiffahrt auf dem Unterlauf der Scheide zu sichern, das ihnen bzw. den befreiten Belgiern als Anwohnern des Oberlaufes von Natur aus zustehe. Genau so tritt Jefferson mit der Forderung an Spanien : freie Schiffahrt auf dem Unterlaufe des Mobile für die Amerikaner, die den Oberlauf beAn Gov. Cabell, 29. Juni 1807, „This will leave Congress free to decide whether war is the most efficacious mode of redress in our case, or whether, having taught so many other useful lessons to Europe, we may not add that of showing them that there are peaceable means of repressing injustice, by making it the interest of the aggressor to do what is just, and abstain from future wrong." 1 ) An Conte Diodati, 29. März 1807, Wash. Ed. V, 61, „Were I in Europe, pax et panis would certainly be my motto. Wars and contentions, indeed, fill the pages of history with more matter. B u t more blest is that nation whose silent course of happiness furnishes nothing for history to say. This is what I ambition for my own country, and what it has fortunately enjoyed for now upwards of twenty years, while Europe has been in constant volcanic eruption." 2) An Bowdoin, 2. April 1807, Wash. Ed. V, 63, „ W e ask but one month to be in possession of the city of Mexico." a) An Mme de Staël, 6. Sept. 1816, veröffentlicht in „ R e v u e de Littérature Comparée, Okt. 1922, S. 621—640, Gilbert Chinard, La Correspondence de Mme de Staël avec Jefferson", „this sanctuary of the unfortunate of every country where the wolf dwells with the lamb, and the leopard lieth down with the kid", „ I n general, it is sinful, but now pious, to pray for war and strife among nations, as the only means of dissolving their criminal combination."



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sitzen, oder Erzwingung dieses natürlichen Rechtes durch Gewalt 1 ). Und wie die Franzosen die fremde Sitte und Sprache der annektierten Länder als störend im Einheitsstaat der Vernunft empfanden und bekämpften, so versuchte später Jefferson, nur noch gewaltsamer und rücksichtsloser, den nationalen Widerstand des annektierten Louisiana zu brechen, indem er sich bemühte, dort eine Kolonie von angloamerikanischen Soldaten und Reservisten auf Kosten der neuen Provinz anzusiedeln, die so groß sein sollte, daß sie die eingesessene Bevölkerung überstimmen und entnationalisieren könnte 2 ). ') An John Dickinson, 9. Aug. 1803, F. V I I I , 261, „ t h e principle of natural right we have always urged and are now urging t o her (Spain), that a nation inhabitating the upper part of a stream has a right of innocent passage down that stream to the ocean. . . . B u t in the meantime we shall enter on the exercise of the right of passing down all the rivers which rising in our territory run thro' the Floridas." A n Monroe, 4. Jan. 1804, F. V I I I , 289, ,,It is probable that the inhabitants of Louisiana on the left bank of the Mississippi and inward eastwardly to a considerable extent, will very soon claim to be received under our jurisdiction. (Hier ist die vom revolutionären Frankreich angewandte T a k t i k des Imperialismus nachgeahmt, die Annexion fremder Gebietsteile auf Wunsch der Annektierten.) For Mobile and the Eastern end we shall await favorable conjunctures. If they refuse to let our vessels have free ingress and egress in the Mobile and from the Tombiggy settlements, and if Spain is at war, the crisis will be speedy." Man vergleiche damit die Sprache der französischen Revolutionäre: „Conseil Exécutif Provisoire; Soixante-cinquième séance, 16. nov. 1792; Le conseil éxécutif . . . a observé . . . i ° que les gênes et les entraves que jusqu'à présent la navigation et le commerce ont souffertes tant sur l'Escaut que sur la Meuse sont directement contraires aux principes fondamentaux du droit naturel que tous les Français ont juré de mainténir; 2 0 que le cours des fleuves est la propriété commune et inaliénable des habitants de toutes les contrées arrosées par leurs eaux; qu'une nation ne saurait sans injustice prétendre au droit d'occuper exclusivement le canal d'une rivière et d'empêcher que les peuples voisins, qui bordent les rivages supérieurs, ne jouissent du même avantage; qu'un tel droit est un reste des servitudes féodales, ou du moins un monopole odieux qui n'a pu être établi que par la force, ni consenti que par l'impuissance; qu'il est consequemment révocable dans tous les moments et malgré toutes les conventions, parceque la nature ne reconnaît pas plus de peuples que d'individus privilégiés et que les droits de l'homme sont à jamais impresscriptibles." (Aus A. Aulard, Recueil des Actes du Comité de Salut public avec la correspondance officielle des représentants en mission, Paris 1889 bis 1897, B d S. 239—240.) Vgl. auch H. A. Goetz-Bernstein, „ L a Diplomatie de la Gironde; Jacques-Pierre Brissot, Paris 1912, S. 360. 2) Circular to Cabinet on Defence of New Orleans, 28. Febr. 1806, u. a. a. O. An James Monroe, 24. Nov. 1801, „ H o w e v e r our present interests



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Diese Machtauseinandersetzungen aber, die dem rationalistischen Staat drohten, so oft er mit einer weniger aufgeklärten Macht zu tun hatte, empfand freilich Jefferson als bedauerliche Ausnahme und Störung, besonders da, wo sie gefährlich werden konnten, nämlich Europa gegenüber. Er wollte sie deshalb nach Möglichkeit verhüten, und zwar dadurch, daß man von vorneherein jede Berührung des Vernunftstaates mit den Mächten der Unvernunft ausschaltete. Praktisch bedeutete diese schon durch die geographischen Gegebenheiten angezeigte Selbstisolierung des Idealstaates den Verzicht auf eine so unaufgeklärte, charakterverderbende und gemeingefährliche Beschäftigung wie den Handel, insbesondere den Seehandel, und andererseits Abschließung Amerikas von dem notorisch unvernünftigen und bösen Europa. So übernahm er also die Mahnung eines Raynal, Mably, Brissot oder Price, die Neue Welt möge der Lockung, sich durch Handel und Industrie scheinbar zu bereichern, widerstehen und sich allein der Landwirtschaft widmen, damit sie tugendhaft, frei may restrain us within our own limits, it is impossible not to look to distant times, when our rapid multiplication will expand itself beyond those limits, and cover the whole northern, if not the southern continent, with a people speaking the same language (!), governed in similar forms (!), and by similar laws (!), nor can we contemplate with satisfaction either blot or mixture on that surface." Dieser zunächst auf Neger-Strafkolonien auf dem amerikanischen Kontinent bezügliche Gedanke findet selbstverständlich auch auf andere nicht angloamerikanische Siedlungen Anwendung. Die Erwerbung Louisianas sollte ,,a wide-spread field for the blessings of freedom and equal laws" öffnen und ,,a blessing to our newly-adopted brethren" sein „securing to them the rights of conscience and of property." (Third Annual Message, 17. Okt. 1803.) Es sollte die „so desirable uniformity of law" mit der Union hergestellt werden. (An John Breckenbridge, 24. Nov. 1803.) Die Parallele zur Ideologie des revolutionären Frankreich ist unverkennbar. Als aber die „newly-adopted brethren" sich gegen die Segnungen amerikanischer Herrschaft in Unvernunft sträubten, erkannte Jefferson, daß sie „as yet as incapable of selfgovernment as children" (an Dewitt Clinton, 2. Dez. 1803) seien und stellte sie kurzerhand unter Militärherrschaft. Vgl. Henry Adams, History of the United States of America, N. Y . 1889, Vol. II, p. 125, „Louisiana received a government in which its people, who had been solemnly promised all the rights of American citizens, were set apart, not as citizens, but as subjects lower in the political scale than the meanest tribes of Indians, whose right of selfgovernment was never questioned", p. 130, (Jefferson) „made himself monarch of the new territory, and wielded over it, against its protests, the powers of its old kings."



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und glücklich bleibe ). Im Sinne dieser Menschenfreunde und Tugendschwärmer, die in Amerika ein reines, aufgeklärtes und idyllisches Naturvolk bewahren wollten, führte Jefferson schon in Paris scharfe Angriffe gegen die Kaufleute2) und klagte den Luxus, die Verschwendungssucht, das Schuldenmachen und die Spekulationswut der Amerikaner aufs bitterste an. Handel und Spekulation brächten nur einen falschen und scheinbaren Reichtum ins Land3), sie verderbten die guten und schlichten Sitten, die für die republikanische Freiheit bürgten, sie seien die Feinde der wahren Demokratie4), sie seien Vasallen Englands und bringen die Republik in Abhängigkeit vom Inselreich8). Um ihrem unheilvollen Treiben zu steuern, solle man imbarmherzig gegen Schuldner vorgehen und mit dem Kerker jeden davon abschrecken zu begehren, was er nicht bar bezahlen könne*). Wenn aber selbst die Gesetzgeber, von unsinniger Verschwendungssucht ergriffen, zu Schuldnern geworden seien und damit die Quelle des Gesetzes verstopft sei, so müsse der Verlust des Kredits seine Landsleute *) An Brissot de Warville, 16. Aug. 1786, „Were I to select any particular passages (of the sheets of your work on the Commerce of France and America) as giving me particular satisfaction, it would be those wherein you prove to the United States that they will be more virtuous, more free and more happy, employed in agriculture, than as carriers or manufacturers. It is a truth, and a precious one for them, if they could be persuaded of it." Das entspricht merkwürdigerweise der vorrevolutionären englischen Ansicht über die Wirtschaftsaufgabe der amerikanischen Kolonien. 2 ) Noten für die Encyclopédie „Merchants are the least virtuous (citizens), and possess the least of the amor patriae." An J . Blair, 13. Aug. 1787, u. a. a. O. An Madison, 20. Dez. 1787, „ I think our governments will remain virtuous for many centuries: as long as they are chiefly agricultural; und this will be as long as there shall be vacant lands in any (!) part of America. When they get piled up one upon another in large cities, as in Europe, they will become corrupt as in Europe." Hier liegt eine ideologische Wurzel von Jeffersons agrarischer und rationalistischer Expansionspolitik, die dann auch von ihm und der agrarischen Partei durchgeführt worden ist. 3 ) An Washington, 14. Aug. 1787, „Agriculture will in the end contribute most to real wealth, good morals and happiness. The wealth acquired by speculation and plunder is fugacious in its nature and fills society with the spirit of gambling." 4 ) Siehe Note 2. ') An T. Pleasants, 8. Mai 1786, „Their vassallage to Great Britain." •) An T. Pleasants, 8. Mai 1786, „We should try whether the prodigal might not be restrained from taking on credit the gawgaw held out to him in one hand, by seeing the keys of a prison in the other."



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retten 1 ), und er ging so weit, die Zerstörung des amerikanischen Kredits durch England zu begrüßen, da sie eine heilsame Wirkung habe 2 ). „Dürfte ich meiner eigenen Theorie folgen", schrieb er, „so würde ich wünschen, daß cille meine Landsleute weder Handel noch Schiffahrt treiben, sondern sich Europa gegenüber genau so verhalten wie China3). Dann würden wir Kriege vermeiden und alle unsere Bürger wären Landwirte" 4 ). Die Zeit werde zwar kommen, da auch Amerika an Übervölkerung und Überproduktion leiden werde, „aber dieser Tag, denke ich, liegt noch ferne, und wir könnten lange unsere Arbeiter in Europa halten, während Europa Rohmaterialien und selbst Lebensunterhalt von Amerika bezöge" 6 ). Durch Freihandel werde dann Amerika selbst vorteilhafter einund verkaufen, als wenn es durch Schutzzoll eigene Kaufleute bevorzugte'). „Aber das ist nur Theorie, und zwar eine Theorie, der zu folgen den Dienern Amerikas nicht freisteht" 7 ). Denn er erkannte an, daß eine demokratische Regierung wie die amerikanische sich dem Willen der Wähler zu fügen habe, die nun einmal leider entschlossen waren, auch auf der See und im Weltverkehr eine Rolle zu spielen. An diese Notwendigkeit machte er das Zugeständnis, daß die klügste Politik für die Vereinigten Staaten eine stete und eifrige Pflege der Landwirtschaft sei mit gerade so viel Handel als nötig sei, um deren überschüssige Produktion abzunehmen8). Was aber werde die unvermeidliche Folge des amerikanischen Seehandels sein? Häufige Kriege, ohne Zweifel, und weiterhin die Notwendigkeit, eine Kriegsflotte zu bauen. Und so lange diese nicht stark genug sei, müßten die Vereinigten Staaten im Kriegsfalle sofort auf eigenen Seeverkehr ganz verzichten und An W. Hay, 4. Aug. 1787, „ W h a t is to extricate us, I know not, whether law or loss of credit. If the sources of the former are corrupted so as to prevent justice, the latter must supply its place." 2 ) An Hogendorp, 13. Okt. 1785, „They (the English) have destroyed our credit, and thus checked our disposition to luxury." *) China zum Vorbild zu erheben, war eine Vorliebe der Physiokraten. Vgl. Aug. Oncken, Geschichte der Nationalökonomie, erster Teil. Leipzig 1922. 4) An Hogendorp, 13. Okt. 1785. 5) Loc. cit. *) Encyclopédie Méthodique, Bd. 82, S. 420 r. ') An Hogendorp, 13. Oktober 1785. 8) An W. M. Cary, 12. Aug. 1787, ,,A steady application to agriculture with just trade enough to take off its superfluities is our wisest course."



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andere Nationen einladen, mit ihren Schiffen die amerikanische Einfuhr und Ausfuhr zu übernehmen 1 ). Derselben physiokratischen Unterschätzung und Anfeindung des Handels entsprang auch die Sorge, mit der Jefferson der Möglichkeit eines europäischen Krieges entgegensah, in dem Amerika neutral bliebe. „Ein Krieg zwischen England und Frankreich scheint uns auf den ersten Blick Vorteil zu versprechen. Aber er würde uns im ganzen vielleicht doch mehr schaden. Er würde uns von der Landwirtschaft, unserem klügsten Berufe, ablenken, uns der Kaperei zuleiten, in den Strudel der Spekulation stürzen, uns verleiten, über unsere Verhältnisse Handel zu treiben und würde unseren Sitten und schließlich auch unserem Vermögen Schaden zufügen" 2 ). Man sieht, wie hier schon Jefferson aus der französischen Ideologie Argumente entnahm, die erst später gegen die Föderalisten Verwendung finden sollten, und wie er in der Pariser geistigen Atmosphäre wesentliche gedankliche Grundlagen für seine zwei Jahrzehnte darauf verwirklichte Embargopolitik 3 ) vorbereitete. Schließlich sollte sich dieser Vernunftstaat auch äußerlich zu erkennen geben durch die später so genannte ,,Jeffersonian Simplicity". Zwar stellte man sich in Paris vor, daß bei dem unverderbten Naturvolke der Amerikaner von selber schon schlichte und natürliche Umgangsformen herrschten; der Gesandte selbst aber wurde erst in Paris mit diesem Ideale ungekünstelter Manieren bekannt: er bewunderte gar sehr die angenehme Leichtigkeit der französischen gesellschaftlichen Sitten, er sah und hörte, wie man die natürliche Haartracht Franklins als ein Symbol amerikanischer Freiheit feierte, wie der nahenden Revolution die ersten Perücken zum Opfer fielen — sein Freund Brissot war auch hierin ein Vorkämpfer — und wie die Pariser Gesellschaft anfing, selbst bei großen Einladungen im Straßenanzug zu erscheinen, während der Hof und das diplomatische Korps seine unphilosophische und gleichheitsfeindliche Gesinnung durch das Festhalten an der alten feierlichen Kleidung bekundete 4 ). Weiterhin ist es der Begeisterung ») An J. Jay, 23. Aug. 1785. An W. M. Cary, 12. Aug. 1787. 3) Vgl. Louis Martin Sears, Jefferson and the Embargo, LondonCambridge 1928. 4) An Col. Humphreys, 14. Aug. 1789, „The habit habillé is almost banished, and they begin to go even to great suppers in frock; the court and diplomatic corps however must always be excepted. They are too high to be reached by any improvement. They are the last refuge from which etiquette, formality and folly will be driven. Take away these and they would be on a level with other people." 2)



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der Französischen Revolution für die Abschaffung aller Standesunterschiede zuzuschreiben, wenn Jefferson im August 1789 nach Hause schrieb, man möchte in Amerika von nun an die Ausdrücke „Excellency, Honor, Worship, Esquire" für immer abschaffen und durch die Bezeichnung „Mister" ersetzen1). Besonders aber machte der Virginier in Paris die Bekanntschaft eines Comte de Moustier und dessen Schwester, der Marquise de Brehan. Beide müssen geschworene Feinde aller Etikette und Formalität gewesen sein und vollendete Muster eines schlichten und natürlichen Benehmens; sie „simple beyond example in her dress, tho' neat, hating parade and etiquette, and affable" 2 ); es sei immöglich, eine bessere, liebenswürdigere, bescheidenere, in Manieren, Kleidung und Gesinnung einfachere Frau zu finden. Das Mittel, ihre Freundschaft zu gewinnen, sei, sie ohne einen Schatten von Etikette aufzunehmen und zu behandeln3). Er, ein ausgemachter Reformer, war nicht minder „a great enemy to formality, etiquette, ostentation and luxury" 4 ), „gar nicht geizig, aber ordentlich in seinen Geldangelegenheiten, vornehm aber einfach, ein Freund natürlicher, nicht prunkender Geselligkeit, offen, ehrlich und des Englischen mächtig wie ein Einheimischer"6). Jefferson war von den beiden und ihren Eigenschaften aufs äußerste entzückt und beschloß, diese in seinem Vaterlande einzuführen. Moustier wurde auf sein Betreiben zum Gesandten in Amerika ernannt und seine für die Neue Welt schwärmende Schwester sollte ihn begleiten6). Der Virginier setzte große Hoffnungen auf den günstigen Einfluß, den die Gesandten auf seine Landsleute ausüben sollten7), und ermahnte sie vor ihrer Abreise noch ausdrücklich, der Nachahmung europäischer oder englischer Sitten, die sie leider in den amerikanischen Städten vorfinden würden, entgegenzuwirken und ja ihre eigenen beizubehalten, die für ihre Wirte ') An Carmichael, 9. Aug. 1 7 8 9 ; wohl Echo des 4. August. ) An Mrs. Adams, 30. Aug. 1787. 3 ) A n J . J a y , 8. Okt. 1787. «) An Madison, 8. Okt. 1787. s ) An Mrs. Adams, 30. Aug. 1787. e ) Sie nahm auch ihren 17jährigen Sohn mit nach Amerika, damit dieser eine männlichere und weniger Versuchungen ausgesetzte Erziehung genösse. Auch Dupont de Nemours schickte seinen Sohn mit Moustier und Madame de Brehan nach Amerika. ') An Mrs. Adams, 30. Aug. 1787, ,,I cannot help hoping a good effect of her (Madame de Brehans) example . . . etc." An J . J a y , 8. Okt. 1787, ,,He (Moustier) goes with a resolution to add no aliment to it (ostentation and lexury)." 2

Beiheft d. H . Z . 1 7 .

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das Muster der Vollkommenheit bilden sollten1). Er gab ihnen noch ausnehmend warme Empfehlungsbriefe mit, in denen jedesmal ihre besondere Tugend hervorgehoben war, und zur Erleichterung ihrer Mission schickte er ihnen verständnisvoll noch einen Vorrat guten Frontignanwein aufs Schiff 2 ). Dermaßen ausgerüstet zog der Vertreter des absoluten Königs übers Meer, um die freien Söhne der Neuen Welt republikanische Schlichtheit zu lehren. Bald kam auch Nachricht vom neuen Gesandten, aber leider recht betrübliche Nachricht. „Er habe mit Bedauern und zu seiner großen Überraschung gefunden, daß in einer Republik, die der Vollkommenheit nachstrebe, die Etikette übertriebener und verschrobener sei als an den Höfen von Deutschland und Italien, und daß sie den Verkehr mit Menschen gar sehr erschwere. Die Gesellschaft hoffe er zwar noch zu reformieren, dagegen müsse er sich seufzend den Beschlüssen des Kongresses fügen, die zwischen ihm und den Abgeordneten eine Schranke errichten sollten. Er werde diese ihm sehr unangenehmen Fragen natürlich ganz ohne Leidenschaft behandeln, müsse aber doch sehr bedauern, daß sie bei einem Volke eine so große Rolle spielten, das sich lieber um die wahren Aufgaben der Souveränität kümmern sollte, statt sich mit Pomp und kleinlichen Zeremonien zu beschäftigen" 3 ). Noch schmerzlicher enttäuscht war die gute Madame de Brehan, die vergebens nach dem idyllischen Naturvolke suchte, von dem sie in Frankreich geschwärmt hatte, und die Unglückliche schrieb an Jefferson in wahrlich herzerweichenden Tönen4). So folgte eine bewegte Klage über die amerikanische Etikettenreiterei der anderen, bis Moustier schließlich die Geduld verlor und heraus*) An Moustier und Madame de Brehan, 9. Okt.1787, L.C., „TheCount de Moustier will find the affections of the Americans with France, but their habits with England. Chained to that country by circumstances, embracing what they loathe, they realize the fable of the living and the dead bound together." ,,The imitation of european manners which you will find in our towns will, I fear, be little pleasing. I beseach you to practice still your own, which will furnish them a model of what is perfect." An Brehan, 9. Mai 1788, L.C., „Encourage them (the Americans) in that simplicity which should be the ornament of their country." 2) Moustier an Jefferson, 3. Nov. 1787, L. C. 3) Moustier an Jefferson, 13. Febr. 1788, L. C. 4) Madame de Brehan an Jefferson, 29. Dez. 1788, L. C., ,,I regret sincerely your society here. Everybody in the United States does not think like you. In general they are not fond of candor, simplicity and goodness; I had but those qualifications to offer them, they were not sufficient. You thought that I would be loved by your countrymen . . . how much have you been deceived."



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platzte: „Quand le Président (Washington) est en santé j'en suis reçu comme d'un Roi et avec plus de dignité que je ne l'étois par l'Electeur de Trêves . . . J'avois espéré avoir échappé à la gêne et à l'étiquette en venant dans une Republique composée d'un peuple que je croiois neuf, mais il y a ici des idées de grandeur dans les personnes publiques et de formalités dans toutes les classes qui font regarder l'Europe en général et surtout la France comme le pays de l'aisance et de la simplicité. Passe encore pour les premiers personages dans les occasions, mais de voir toujour la corde tendue c'est bien serieux et c'est un genre de jouissance dont je ne conçois ni l'agrement ni l'utilité" 1 ). Aber auch die Amerikaner ließen mit ihren Protesten nicht lange auf sich warten. Sie meinten, daß die beiden Franzosen mit ihrem Schlichtheitsgetue und ihren seltsam romantischen Vorstellungen von der Neuen Welt ziemlich sonderbare und unangenehme Menschen seien, ja sie müssen sie einfach unausstehlich und verrückt gefunden haben. „Madame de Brehan", schrieb ein biederer Volksvertreter, hinter den sich die verschnupfte Gemahlin gesteckt hatte, „appears very inquisitive after information. She does not find the country answer Mr. Crevecœurs2) description of it. Some Ladies have thought she rather undervalued them, when she appeared, in a considerable company, with a three cornered muslin handkerchief tyed round her head, nearly in the fashion of the Negro Women in the West Indies" 3 ). Dann kam noch schlimmerer Skandal. In seiner rührenden Einfalt hatte Moustier mit seiner Schwester und deren 18 jährigem Sohne — horribile dictu — einen gemeinsamen Haushalt. Das gab Anlaß zu den dunkelsten Gerüchten, alle Guten mieden die angeblichen Sünder, ihre Stellung wurde unhaltbar; Jefferson selbst ließ seine Schützlinge eiligst zurückberufen und betraute La Fayette mit der Erledigung der heiklen Aufgabe. So endete der seltsame Versuch. Die Episode hat aber doch ihre Bedeutung. Sie hatte gezeigt, daß zwischen dem idealen Amerika der französischen Reformer und dem gleichzeitigen Amerika der Wirklichkeit noch ein großer Unterschied bestand, und daß die Republik für die Einführung republikanischer Schlichtheit aus Europa noch nicht reif war. ') Moustier an Jefferson, 24. Juni 1789, L. C. Einer der ganz wenigen Amerikaner, die, ohne sich auf Etikettenfragen zu versteifen, mit Moustier verkehrten, war Alexander Hamilton. 2 ) CrevecCEur, Jeffersons Freund, hatte eine rousseauisch idyllische Schrift über das Leben in Amerika geschrieben. Vgl. B. Fay. *) David Humphreys an Jefferson, 29. Nov. 1788, L. C. 10*



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Erst die Französische Revolution und nicht, wie man immer behauptet, der ursprüngliche natürliche Geist des Westens 1 ) sollte auch in den Vereinigten Staaten das Verständnis für Moustiers demokratisches Ideal der Einfachheit schaffen. Als dann in der veränderten Atmosphäre Jefferson dieselben Vorwürfe seines französischen Freundes gegen den königlichen Pomp, die „idées de grandeur" und „formalités", kurz gegen das „unrepublikanische" Gebaren der Regierung wiederholte, da trugen sie nicht wenig zum Sturze der Föderalisten bei ; und als er, genau wie Moustier, sich ostentativ eines unformellen Benehmens befleißigte, als er die Etikette abschaffte 2 ), mit Levées und festlichen Empfängen des Präsidenten aufräumte und den englischen Gesandten in Pantoffeln empfing8), da erkannten seine Landsleute darin das Zeichen des wahren Volksfreundes. So wurde mit der Jahrhundertwende die vor kurzem verschmähte republikanische Schlichtheit des französischen Gesandten als „Jeffersonian Simplicity" zu einer anerkannten amerikanischen Tugend. Nur der unverbesserliche alte Brummbär und Spötter John Adams grollte weiter: „ I h e l d levées once a week, that all my time might not be wasted by idle visits. Jeffersons whole eight years (of presidency) was a levée. I dined a large company once or twice a week. Jefferson dined a dozen every day. Jefferson was for liberty and straight hair. I thought curled hair was as republican as straight" 4 ). *) Die Tatsache schlichter Umgangsformen bestand freilich schon längst im amerikanischen Westen und längst vor dem amerikanischen Westen. Hier aber handelt es sich um den Gedanken, diese schlichten Umgangsformen programmatisch gefordert, zum Zeichen demokratischer, politischer Gesinnung und zum Ideal erhoben (salonfähig gemacht) zu haben. Dieser Gedanke aber, die Bewußtheit, die Gewolltheit, die Systematisierung, Symbolisierung, Idealisierung der schlichten Sitten stammt aus dem rousseauisch-republikanisch denkenden Europa, und nicht aus dem amerikanischen Westen, der den Gedanken wohl aufgenommen, nicht aber geschaffen hat. In diesem Sinne kann man sagen, daB Jefferson, an der Frontier geboren, erst nach Paris gehen mußte, um den Westen zu entdecken. Vor seinem Pariser Aufenthalt wird man bei ihm die „angeborene" Schlichtheit des Westlers vergebens suchen. *) Vgl. Canons of Etiquette to be observed by the Executive, F. I X . 454. 3) Vgl. Henry Adams, History of the United States of America during the first administration of Th. Jefferson, N. Y. 1889, vol. II. p. 360 ff. *) J. Adams an Rush, 25. Dez. 1811.

Fünftes Kapitel. I. Im Herbst 1789 reiste Jefferson von Paris ab, heim nach Amerika. Er hatte den schönsten und edelsten Teil der großen Revolution miterlebt, er war erfüllt von ihren Idealen, und voll Vertrauen in ihr Gelingen glaubte er, bei seiner baldigen Rückkehr würde die Umwälzung schon glücklich beendet sein und den Franzosen Freiheit und Frieden geschenkt haben. Die Abreise des Gesandten hat eine merkwürdige symbolische Bedeutung. In dem Augenblicke, in dem sich der politische Rationalismus in der Alten Welt vollendet, erfüllt und überschlägt, verläßt der Vertreter der Vereinigten Staaten den Kontinent. Er sollte ihn nie wieder betreten. Statt dessen aber sollte er die Ideale, die er in Europa aufgenommen hatte, und die er mit übers Meer nahm, in der Neuen Welt zum Siege und zur Herrschaft führen. Zunächst freilich waren die Aussichten für eine solche Aufgabe keine günstigen. Zwar wurde Jefferson gleich bei seiner Rückkehr von dem Präsidenten Washington als Secretary of State in sein Kabinett aufgenommen; aber wenn er gehofft hatte, die neue Regierung werde in edlem Wettstreite mit dem neuen Frankreich an der Begründung und Festigung der Aera der Vernunft, der Freiheit und der Tugend mitarbeiten, so hatte er sich sehr getäuscht. Mit seinen französischen Kleidern, französischen Erinnerungen, französischen Idealen und Hoffnungen, kam er sich in der Heimat fremd, unverstanden und einsam vor, und die ersten Eindrücke des Heimgekehrten waren den Enttäuschungen seiner Freunde Moustier und Brehan nur zu ähnlich. Denn er und die Amerikaner hatten sich in den letzten fünf Jahren in entgegengesetzter Richtimg auseinanderentwickelt. Während er in Europa die Übel des Absolutismus kennen und verabscheuen lernte, erfuhren seine Landsleute zu Hause die Gefahren einer überspannten Volksherrschaft; während er seinen demokratischen und republikanischen Glauben festigte, enthusiastisch übersteigerte und dogmatisierte, nahm in den Vereinigten Staaten das Vertrauen in die Heilkraft der Selbstregierung ab; und während er wie seine fran-

— 150 — zösischen Freunde eine übermächtige Herrschaft bekämpfte, schwächte und niederriß, um die Menschheit zu befreien, machten sich die Amerikaner an den Aufbau einer starken und straffen Regierung, um eine Nation zu gründen. So war als Reaktion gegen die an Anarchie grenzende Krise der Nachkriegsjahre die neue Verfassung von Philadelphia entstanden. Jefferson hatte sie zwar schon in Paris gesehen, er hatte auch die Wiederwählbarkeit des Präsidenten, das Fehlen des Prinzips der Rotation und das Fehlen einer Bill of Rights mißbilligt, um sich dann doch mit der Ratifikation durch die Mehrheit einverstanden zu erklären. Die entscheidende soziale und politische Bedeutung der Konstitution aber hatte er vollkommen verkannt. Es war ihm ganz entgangen, daß an ihrem Zustandekommen die städtische und merkantile Schicht in überwältigender Mehrheit beteiligt gewesen war und dabei ihre Interessen erfolgreich vertreten hatte. Ebensowenig hatte er bemerkt, daß die außerordentliche Macht des Präsidenten, der starke und sorgsam ausgewählte Senat, das Revisions- und Vetorecht des unangreifbar verschanzten Obersten Gerichtshofes und die Erschwerung von Verfassungsänderungen die neue Regierung zu einem „Diener des Volkes" machte, der in hohem Grade die Möglichkeit hatte, sehr energisch nach eigenem Gutdünken für das Wohl seines Herren zu sorgen. Noch hatte er gewußt, daß gerade das die Absicht der neuen Regierung war. So war ihm auch die Parteibildung in Amerika unverständlich geblieben, und während in der Heimat Freunde und Feinde der Verfassung als „Föderalisten" und „Antiföderalisten" oder als „Continental Party" und „State Rights Party" einander bekämpften, betonte Jefferson von Paris aus, daß er weder zu den einen noch zu den anderen gezählt werden wolle. Es scheint auch, daß er in dieser unentschlossenen oder überparteilichen Haltung in das Kabinett eingetreten ist und in der ehrlichen Erwartung, er werde mit seinen Kollegen harmonisch zusammenarbeiten können. Tatsächlich verbanden ihn, der schon früh ein Freund der amerikanischen Einigkeit gewesen war, einige seiner Ansichten mit der neuen Regierung: wie diese hielt er die Zusammenfassung der dreizehn Staaten zu einem einzigen — wenn auch nur in außenpolitischer Beziehung — für notwendig, und auch für die Vereinigung der handelspolitischen Hoheitsrechte in der Zentralregierung, für die energische Sanierung der Bundesfinanzen und selbst für die Schaffung einer Bundesflotte hatte er sich eingesetzt unter dem Eindrucke mancher unerfreulichen Erfahrungen, die er als Gesandter gemacht hatte. Der tiefe Gegensatz der Staatsauffassung und Weltanschauung aber, der Jeffer-



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son und den spiritus rector der neuen Regierung, den Finanzminister (Head of the Treasury) Alexander Hamilton von einander trennte, mußte schon nach kurzer Zeit ein Zusammenwirken der beiden unmöglich machen. Alexander Hamilton 1 ) war ein Ausländer aus Britisch Westindien, Sohn eines Schotten und einer französischen Hugenottin. Früh schon in New York eingewandert, hatte er als ganz junger Student in den Flugschriftenstreit gegen England eingegriffen, war während des Freiheitskrieges Washingtons Sekretär gewesen, dann als Jurist und Politiker in New York tätig; bei der Entstehung und besonders bei der Annahme der Verfassung von Philadelphia hatte er eine führende Rolle gespielt, und zuletzt war er von Washington als Finanzminister in sein Kabinett aufgenommen worden. Er war ein Mann von glänzender Begabung, scharf, zielsicher, edel, ehrgeizig und selbstbewußt, streng gegen sich und andere, eine dynamische und militärische Natur von reinem und glühendem Wollen, von unbestechlichem Rechts- und Pflichtgefühl und erfüllt von einer leidenschaftlichen, geradezu antiken Hingabe an den Staat. Mit wenig Achtung vor den Menschen und vor der Masse, deren billigen Beifall er verschmähte, auf deren Hilfe er aber doch wieder angewiesen war, war er geschaffen zum allmächtigen Minister eines aufgeklärten Despoten; in einer Demokratie mußte er schließlich eine tragische Rolle spielen. Er konnte im Bewußtsein seiner überlegenen Einsicht, seines Rechts und seiner reinen und hohen Absicht gelegentlich schroff und verletzend sein und sich sogar zu schweren politischen Fehlern hinreißen lassen. Nach seinem Sturze hat er der Wahlheimat das stolze Wort gesagt, dieses Land sei nicht für ihn gemacht2). In der Tat stand seine politische Gesinnung3) in merkwürdigem Gegensatze zu der seines Landes, oder vielmehr seiner Zeit. Es wird berichtet, daß er einmal in größerer Gesellschaft auf die Behauptung, die englische Verfassung sei die beste der Welt, wenn man sie von ihren Mißbräuchen befreie, geantwortet habe, wenn man die Mißbräuche abschaffe, würde die ganze Verfassung nicht mehr funktionieren. Es war sicher unklug, das offen zu sagen, aber der Ausspruch zeugt von einem seltenen politischen Instinkt und F. Scott Oliver, Alexander Hamilton, An Essay on American Union, London 1906. s ) The Works of A. Hamilton, ed. H. Cabot Lodge, N. Y . 1885/6, Bd. V I I I , 591. 27. Febr. 1802. 3) Alex Bein, Die Staatsidee Alexander Hamiltons in ihrer Entstehung und Entwicklung, München-Berlin 1927, Beiheft 12 der Hist. Zeitschrift.



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Scharfblick, mit dem Hamilton in einer Zeit der Theoretiker, Moralisten und Dogmatiker rücksichtslos die Wirklichkeit erkannte und wollte. So glaubte er denn auch nicht wie die Rationalisten an den natürlichen Edelmut, an die Güte oder auch nur Aufklärbarkeit des Menschen, auch nicht an die unfehlbare Weisheit des Volkes, noch hielt er es für geraten, sich schon auf ein bevorstehendes goldenes Zeitalter einzurichten. Der ewige Friede sei ein Traum, und die Zeit, da widerstreitende Interessen von selbst in eine beglückende Harmonie zusammenklängen, wenn man die Dinge nur sich selbst überließe, und da der Verkehr unter den Nationen von einer aufgeklärten Moral geleitet würde, die liege noch recht ferne. Einstweilen zeige die Erfahrung und das Leben, daß die Politik von Eigennutz und Machtstreben, Ehrgeiz, Ruhmsucht, Haß und von allerlei niederen Interessen und Leidenschaften bestimmt werde, und daß die Natur des Menschen in Amerika auch nicht anders und besser sei als auf der übrigen Erde. Danach aber, nach dieser ob erfreulichen oder unerfreulichen Wirklichkeit, habe man sich in der Politik zu richten. Schon während des Unabhängigkeitskrieges hatte er die Schwächen der amerikanischen Regierungsweise erfahren und erkannt. Von da ab, also gerade in der entscheidenden Zeit, in der Jefferson außer Landes war, trieb ihn die bedenkliche Entwicklung der Ereignisse immer mehr zu der Überzeugung, daß die Gefahr für die Freiheit in den Vereinigten Staaten von der Seite der Volkswillkür, nicht von der Regierung komme. Diese müsse man schützen und stärken, indem man ihr endlich ohne Mißtrauen genügend Macht verleihe, das blieb von nun an seine dauernde Forderung. Macht, und gar freiwillig übertragene Macht, sei durchaus nicht böse und verderblich, wie man immer behaupte, sie sei vielmehr segensreich und unentbehrlich, um nach außen unter den anderen Nationen eine würdige und geachtete Rolle zu spielen, und sie sei ebenso unentbehrlich, um im Innern das Recht, die wahre, geordnete Freiheit und das Gedeihen der Bürger zu sichern. Denn er konnte sich das Wohl der Individuen nicht getrennt vom Wohle eines mächtigen, rechtlichen und blühenden Staatswesens denken, er wollte Freiheit und Recht durch Gesetz und Staat, nicht gegen diese. Freilich sollte sein Staat ein Höheres und Edleres sein als die bloße Summe der Individuen: er sollte mehr Einsicht, mehr Beständigkeit, mehr Verantwortung, mehr Pflichtgefühl, mehr Disziplin, mehr Ehre und mehr Selbstachtung und Ansehen haben als die Einzelnen, aber dazu auch genügend Autorität und Macht; und zwar legale Macht in solchem Ausmaße, daß er selten nur gezwungen sei, sie zu gebrauchen, niemals aber



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die Verfassung zu verletzen, um sich gegen das Gesetz die notwendige Macht erst zu verschaffen. Denn dann erst habe man einen ordentlichen Staat, wenn die Regierung im Einklang mit dem Gesetze unabhängig von der kurzsichtigen Laune und gesetzlosen Willkür des Volkes stark genug sei, um selbst aktiv in das Leben der Nation einzugreifen, ordnend, treibend, fördernd, führend, statt die Dinge sich selbst zu überlassen, und wenn sie fähig sei, die auseinanderstrebenden Kräfte der Individuen zu gemeinsamem, segensreichem Wirken zusammenzufassen und zu steigern, wenn nötig mit Gewalt, gegen den Willen des Volkes, zum Besten des Ganzen. Ob eine Republik überhaupt ein wirklich befriedigendes Staatswesen bilden könne, hatte Hamilton schließlich bezweifelt. Als sein Vorbild und Muster galt ihm die englische Staatsform: sie halte den besten Ausgleich zwischen Macht und Recht, zwischen Energie der Regierung und Freiheit des Individuums, zwischen klugem Beharren und gesundem Fortschreiten. Er war sich aber klar, daß diese Verfassung in Amerika nicht eingeführt werden konnte; in der Konvention von Philadelphia trat er für drastische Unterordnung der Einzelstaaten unter einen machtvollen, straff organisierten Einheitsstaat ein, dessen Präsident und Senat auf Lebenszeit gewählt sein sollten. Mit seinem Entwürfe drang er nicht durch, und die Verfassung, die schließlich ausgearbeitet wurde, befriedigte ihn nicht. Sie war aber wenigstens ein Schritt vorwärts zu seinem Ziele, und er setzte sich in selbstloser Weise mit aller Kraft und äußerstem Geschick für ihre Annahme ein. Als Washingtons Finanzminister konnte er endlich durch Taten seinem hohen Staatsgedanken dienen. Mit genialer Kühnheit und Energie ging er daran, auf Grund der Verfassung, die damals nur auf dem Papiere stand, doch noch ein einheitlich zusammengestrafftes, mächtiges und blühendes Staatswesen zu schaffen. Mit meisterhaftem Geschick stellte er seinen Prinzipien gemäß Rechtsgesinnung, Patriotismus und Staatsgesinnung, aber auch Ehrgeiz, Machtstreben, Eitelkeit und Eigennutz, besonders ökonomischen Eigennutz, in den Dienst dieser Aufgabe. Vor allem erkannte er den engen Zusammenhang von Wirtschaft und Politik im modernen Staate, und darnach verfuhr er. Unter seiner Führung übernahm die Union die Schulden der Einzelstaaten (assumption) und verpflichtete sich weiter, die stark entwerteten Schuldscheine der Konföderation zum Ausgabewerte anzuerkennen (funding). Mit einem Schlage war so nach der Krisen- und Inflationswirtschaft der vorhergehenden Jahre ein rechtlicher und stabiler Zustand geschaffen, und gleichzeitig



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war damit das Wirtschaftsinteresse von den Einzelstaaten abgelöst und an die Zentralregierung gefesselt, die dadurch gewaltig an Macht gewann. Der nächste Schritt des Finanzministers war die Gründung einer Staatsbank zur Förderung des Handels und zugleich zur Festigung und Erweiterung des Regierungseinflusses. Diese Maßnahme wurde als verfassungswidrig angegriffen, und tatsächlich stand in der Konstitution nichts von der Errichtung einer Staatsbank. Hamilton verteidigte sein Werk mit der Begründung, daß die Regierung befugt sei, auch solche in der Verfassung nicht ausdrücklich aufgezählte Maßnahmen zu ergreifen, die zur Ausübung der ausdrücklich erwähnten Regierungsrechte notwendig seien. Leugne man das, so seien auch die ausdrücklich erwähnten Rechte illusorisch (Doctrine of implied powers). Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Auslegung und gab damit die folgenschwere Entscheidung, welche die rechtliche Grundlage für eine ungeheure Machtsteigerung der Bundesregierung geschaffen hat. Weiter führte Hamilton einen gemäßigten und vernünftigen Merkantilismus ein. Nicht daß er, wie man ihm oft vorgeworfen hat, den Handel auf Kosten der Landwirtschaft bevorzugen wollte — die Förderung des Handels sollte indirekt auch den Farmern zugute kommen — aber freilich lag ihm persönlich der Handel näher, und vor allem war dieser und sein Träger, die soziale Oberschicht, für sein Ziel eines reichen und mächtigen Staates, der mit anderen Nationen kraftvoll wetteifere, weit brauchbarer als die schlecht organisierte und organisierbare, weniger rührige und vielfach partikularistische und regierungsfeindliche Landbevölkerung. Diese großzügige und zielsichere, ökonomisch orientierte Politik begleitete — wiederum unter Hamiltons Initiative — eine gewisse Steigerung der militärischen Rüstungen, eine selbstbewußte Betonung der Staatsautorität gegenüber Volkswillkür und öffentlicher Meinung, und schließlich sollte die Würde und Größe des Staates auch äußerlich zum Ausdrucke kommen: der Präsident umgab sich hoheitsvoll mit einem nahezu königlichen Pomp, er fuhr in einer prächtigen Staatskarosse, hatte eine „Hofloge" im Theater, hielt feierliche Levées, gab festliche Empfänge mit strenger Etikette, kurz, er hielt regelrecht Hof. Wie sehr diese ganze Denkart und Politik Hamiltons Jefferson mit Notwendigkeit widerstreben mußte, braucht nicht im Einzelnen ausgeführt zu werden1). Es genügt, daran zu erinnern, daß mit überraschender Genauigkeit gerade das eintrat, wovor Dr. Vgl. die knappe Gegenüberstellung von bei A. Rein, op. cit. S. 26 ff.

Jefferson und

Hamilton



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Price die junge Republik immer gewarnt hatte, nämlich englische politische Methode, und daß die Regierung der Vereinigten Staaten statt eines humanitären, ethischen oder gar idyllischen Ideals ein recht politisches und irdisches Ziel verfolgte und in einer Zeit des höchsten Individualismus gar auf einen kollektivistischen Machtstaat zusteuerte. Aber auch außerhalb des Kabinettes mußte die tatkräftige Politik des Finanzministers Opposition erregen. Durch die rasche und unerwartete, wohl über die Absichten der Konvention hinausgehende Machtsteigerung der Zentralregierung wurde die frühere Gegnerschaft gegen eine zu starke und zu zentralistische Verfassung neu angefacht. Bei der großen Vermögensverschiebung, welche durch Hamiltons Finanzgesetze entstand, waren weite, besonders ländliche Kreise leer ausgegangen, und es hatte auch das unerfreuliche Treiben von Spekulanten eingesetzt, die in Eilwagen aufs Land fuhren und bei armen Farmern und Veteranen um billiges Geld Schuldzertifikate aufkauften, ehe sich die Kunde von der Aufwertung dahin verbreitet hatte. Das Bewußtsein der Betrogenen, den unsauberen Gewinn dieser Schieber nun in Form von erhöhten Steuern noch ein zweites Mal zahlen zu müssen, steigerte das Gefühl des Unrechts und schuf eine Verbitterung, die sich nicht zuletzt gegen die Regierung richtete, besonders als bald bekannt wurde, daß eine nicht geringe Zahl von Abgeordneten an diesen Geschäften persönlich interessiert oder beteiligt war 1 ). Und schließlich fühlte sich überhaupt die ländliche und agrarische Klasse zu Recht oder Unrecht gegenüber der städtischen und merkantilen von der Regierung benachteiligt. Diese Oppositionellen aber waren noch zerstreut und zersplittert und nicht organisiert, ihre Bestrebungen waren vielfach mit lokalen Sonderinteressen durchsetzt; auch haftete ihnen noch das Odium der eben erst überstandenen anarchischen Zustände an, und dann hatten sie keine rechten Führer, kein verbindendes und vor allem — wie schon ihre nachteilige Bezeichnimg der „Antiföderalisten" verrät — kein positives Programm. Mit bloßer Verneinung aber war, da noch das unerfreuliche Negativum der letzten Jahre in aller Erinnerung stand, nicht aufzukommen gegen die imponierenden Leistungen und glänzenden Erfolge der neuen Regierung, welche die Nation vom Rande des Verderbens gerettet und Recht und Ordnung geschaffen hatte, um so weniger, als der gewaltige Name ') Charles A. Beard, „Economic Origins of Jeffersonian Democracy", N. Y . 1915, und vom selben Autor ,,An Economic Interpretation of the Constitution of the United States", N. Y . 1925.



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Washingtons die Maßnahmen des Finanzministers deckte, der sich auch noch auf eine festgefügte und mächtige Schar von Anhängern besonders in der einflußreichen und gebildeten Oberschicht stützen konnte. So stand denn Jefferson in dem angehenden Kampfe zwischen Föderalisten und Antiföderalisten im Grunde doch wieder allein. Denn er war ja kein Antiföderalist wie die anderen, sein Widerstand gegen Hamilton entsprang nicht partikularistischen, ökonomischen, lokal- oder tagespolitischen Motiven und kleinlichen Leidenschaften, sondern er opponierte aus einem tieferen, dauernden und prinzipiellen Grunde, von seinem entgegengesetzten Staatsgedanken und seiner entgegengesetzten Weltanschauung aus für seine menschheitlichen Ideale. II. Diese für Jefferson und für die Antiföderalisten ungünstige Parteilage sollte sich aber wie mit einem Schlage ändern, als mit dem Ausbruch des ersten Koalitionskrieges der Widerhall der europäischen Kämpfe auf den beginnenden föderalistisch-antiföderalistischen Gegensatz hereinplatzte. Der Eindruck dieser Kämpfe auf die politisch stark interessierten Amerikaner, bei denen die öffentliche Meinung eine große Rolle zu spielen hatte, war naturgemäß ein ungeheurer. Dazu befanden sich die Vereinigten Staaten in einer grundsätzlich anderen Lage dem weltbewegenden Ringen gegenüber als die europäischen Mächte, bei denen die außenpolitische Notwendigkeit zugleich die innere Entscheidung für oder wider die Revolution fällte. Während in England z. B. die Radikalen, die ideologisch schon weiter fortgeschritten waren als in Amerika, durch den einseitigen außenpolitischen Druck so erledigt wurden, daß sie erst ein Menschenalter später utilitaristisch verkappt wieder zum Vorschein kommen konnten, förderte, steigerte und erhitzte in Amerika der unentschiedene und doppelseitige Druck beide Parteien. Auch besaß die junge, mit einem neuen Experiment beschäftigte Republik noch nicht die starke nationale Tradition, nicht den abgeschlossenen nationalen Charakter und das eigene moralische Schwergewicht, das nötig gewesen wäre, um in dem menschheitserschütternden Kampfe sich auch innerlich geschlossen, fest und selbständig zu behaupten. So konnte sich denn auf dem neutralen Boden der Vereinigten Staaten wie in keinem anderen Lande, von der europäischen geistigen, politischen und militärischen Entwicklung mächtig beeinflußt und angefeuert, aber nicht entschie-



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den, das große Ringen der revolutionären und der gegenrevolutionären Mächte der Alten Welt im inneren Parteikampfe wiederholen. Rasch wurden also im großen ganzen die Föderalisten zu einer proenglischen, die Antiföderalisten zu einer profranzösischen Partei, die eigentlich amerikanischen Interessen traten hinter der Stellungnahme für den einen oder anderen der beiden großen Streiter sehr stark, gelegentlich völlig zurück, und der Parteikampf erreichte bald eine Hitze und Erbitterung, die mit den vorherigen, inneramerikanischen Differenzen in keinem Verhältnisse mehr stand 1 ). Die europäische Abhängigkeit der politischen Einstellung der Amerikaner in dieser Zeit kann man kaum überschätzen 2 ). War doch selbst der Außenminister Jefferson nach der feierlichen Neutralitätserklärung Washingtons durchaus Parteigänger im europäischen Konflikte, wenn er die Engländer als „die Verschwörer gegen die Menschenfreiheit", die Franzosen als die „Vorkämpfer derselben" 3 ) betrachtete, oder wenn er selbst in offiziellen Schriftstücken die Sprache und die Argumentation der Jakobiner annahm, indem er Ludwig X V I . „Louis Capet" 4 ) nannte und die Revolution „die heiligste Sache, für die sich je die Menschheit eingesetzt hat" 6 ), indem er den völligen Austausch des französischen und amerikanischen Bürgerrechts vorschlug4), oder An Monroe, 4. Juni 1793, F . V I , 282, „ T h e war has kindled and brought forward the two parties with an ardour which our own interest merely could never excite." J) Die Abhängigkeit geht bis in die Äußerlichkeiten der Mode, vgl. McMaster, op. cit. I, 543, „Since the fall of the Bastille, it was said complainingly, every Republican must dress like a Frenchman, and every Federalist like a subject of King George . . ." usw. 8) An J. Madison, 12. Mai 1793, F. V I , 251, „ T h e Conspirators against human liberty and the Assertors of i t " ; später an Tench Coxe, 1. Juni 1795, F. V I I , 22, „ I congratulate you on the successes of our two allies (! Franzosen und Holländer) . . . It proves that there is a God in heaven, and that he will not slumber without end on the iniquities of tyrants, or their Stadtholder." Die Erwähnung Gottes ist bei Jefferson selten und daher bedeutungsvoll. 4)

Bericht an Washington, 28. April 1793, F. VI, 220. „Cabinet opinion on the .Little Sarah'", 8. Juli 1793, „respect to the most sacred cause that ever man has engaged in." 6)

') An Gov. Morris, amerikanischen Gesandten in Paris, 30. Dez. 1792, F. VI, 151, „Mutual good offices, mutual affection und similar principles of government seem to have destined the two people (France and America) for the most intimate communion, and even for a complete exchange of citizenship among the individuals composing them."



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sich dagegen verwahrte, daß „die zwei einzigen Republiken der Erde den Bund der Könige mit dem Schauspiel gegenseitiger Zerstörung wegen zweier Kanonen erfreuten". „Noch würde ich", fuhr er fort, „aus unendlich gewichtigerem Grunde dieses Land zu jenem Bunde gesellen, den Ausgang des Kampfes wenden und unsere Hand es sein lassen, die den Hoffnungen der Menschheit den letzten Stoß versetzt" 1 ). Schließlich hat er seine parteiische Stellungnahme für Frankreich und seinen Glauben, daß es um die höchsten Geschicke der Menschen gehe, hinter denen nur nationale Interessen zu verschwinden hätten, dadurch bezeugt, daß er auf eigene Faust mit dem Auslande Politik trieb gegen die Regierung, an der er selber teilnahm, und die er selber zu vertreten hatte. Unter der Hand ließ er einem Leiter der französischen Politik einen Brief zukommen, in welchem er in unmißverständlichen Worten die amerikanische Regierung als eine schwache, zahlenmäßig geringe, aristokratisch und monokratisch gesinnte Minorität hinstellte. Der Überbringer werde der französischen Regierung über das wahre Kräfteverhältnis der amerikanischen Parteien genauere Auskunft geben, und dann schließt der Außenminister des neutralen Staates mit dem freudigen Ausdrucke seiner „ewigen Treue zu den Prinzipien Ihrer (Französischen) Revolution" und mit der „Versicherung aufrichtiger Brüderlichkeit für die Bürger Frankreichs" 2 ). In analoger Weise fanden die politischen und militärischen Entscheidungen der Alten Welt in der Neuen ihren starken und deutlichen Widerhall. Die Antiföderalisten feierten die „glorious news" der französischen Siege wie eigene Siege mit Glockengeläute und Illuminationen, Errichten von Freiheitsbäumen und Anstecken von Kokarden, während die Föderalisten die Siege der Verbündeten bejubelten, die jedesmal eine Stärkimg ihrer Stellung mit sich brachten. Jefferson selbst sagte, daß man die Nieder*) „Cabinet opinion on the .Little Sarah'", 8. Juli 1793, „Because I would not gratify the combination of kings with the spectacle of the two only republics on earth destroying each other for two cannons; nor would I, for infinitely greater cause, add this country to that combination, turn the scale of contest, and let it be from our hands that the hopes of man receive their last stab." 2) An Brissot de Warville, 8. Mai 1793, F. VI, 248, „ W e too have our aristocrats and monocrats, and as they float on the surface (!) they show much, though they weigh little. For their more particular description . . . etc." „ 1 am happy in a safe occasion of answering you that I continue eternally attached to the principles of your revolution . . . accept assurances of sincere confraternity with your citizens."



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lagen der Franzosen in Philadelphia, der damaligen Bundeshauptstadt, ebenso empfindlich spürte wie in Paris 1 ); er betete für günstige Nachrichten aus Europa im Interesse des bevorstehenden amerikanischen Kongresses 2 ), er war selbst überrascht zu sehen, wie sehr das Schicksal der amerikanischen Regierungsform von den Ereignissen in Frankreich abhing 3 ), und betonte, daß der Feldzug des Sommers 1 7 9 3 auch das Schicksal der Vereinigten Staaten entscheiden werde: „Denn wenngleich sein Ausgang keine unmittelbare Veränderung unserer Verfassung mit sich bringen würde, so wird er doch den Ton und die Prinzipien ihrer Handhabung in einer Weise beeinflussen, daß in dem einen Falle aus ihr etwas ganz anderes wird als im entgegengesetzten Falle" 4 ). Später stellte er mit Genugtuung fest, daß der Erfolg des republikanischen Gedankens in Frankreich diesen auch in den Vereinigten Staaten außer Gefahr bringe 5 ) um dann doch wieder zu fordern, daß „nichts anderes die republikanischen Prinzipien der amerikanischen Regierung dauerhaft begründen könne, als die Einführung derselben in England. Frankreich werde der Apostel dieser Sache sein" 6 ), *) An J . Monroe, 5. Mai 1793, F. VI, 283, „Their (French) defeats are as sensibly felt at Philadelphia as at Paris, and I foresee that we are to have a trying campaign of it." 2 ) An J . Monroe, 4. Juni 1793, F. VI, 282, ,,I pray that the (European) events of the summer may not damp the spirit of our approaching Congress, to whom we look forward to give the last direction to the government in which we are embarked." 3 ) An Th. Mann Randolph, 7. Jan. 1793, F. VI, 157, ,,. . . that the form our government was to take depended much more on the events of France than anybody had imagined." *) An Harry Innes, 23. Mai 1793, F. VI, 265, „This summer (gemeint ist der Feldzug in Europa) is of immense importance to the future of mankind all over the earth, an not a little so to ours. For tho' its issue should not be marked by any direct change in our constitution, it will influence the tone and principles of its administration so as to lead it to something very different in the one event from what it would be in the other." 6 ) An Monroe, 26. Mai 1795, F. VII. 17, „Our comfort is that the public sense is coming right on the general principles of republicanism, and that its success in France puts it out of danger here." Schon früher an William Short, 3. Jan. 1793, F. VI, 155, „The successes of republicanism in France have given the coup de grace to their (Federalists) prospects, and I hope to their projects." •) An E. Randolph, 27. Juni 1797, F. VII, 155/6, „But nothing can establish firmly the republican principles of our government but an establishment of them in England. France will be the apostle for this." Der Gedanke ist sehr gemildert im Brief an P. Fitzhugh, 23. Febr. 1798, F. VII, 211.



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und mit dem Erfolge des Einfalles in England stehe und falle der Republikanismus in der Neuen Welt 1 ). So sehr nun Jefferson mit seiner Erkenntnis der engen Verknüpftheit der amerikanischen Parteilage mit den europäischen Waffen recht hat, die amerikanische Entscheidung sollte schließlich nicht, wie er erwartet hatte, mit der viel späteren europäischen fallen. Auch die unmittelbare politische Berührimg der Vereinigten Staaten mit den kriegführenden Nationen hat — nachdem einmal eine revolutionsfreundliche und eine revolutionsfeindliche Partei in Amerika entstanden war — nur noch ein vorübergehendes und jähes Auf und Ab der einen oder der anderen Partei mit sich gebracht. Die Ankunft des revolutionären französischen Gesandten, seine Überwerfung mit Washington, der Vertrag mit England (Jays Treaty), die seerechtlichen Konflikte, die Beschießung eines amerikanischen Kriegsschiffes durch die Engländer oder die herausfordernde, schnöde Behandlung amerikanischer Gesandter durch die Franzosen, alle diese Ereignisse haben ebenso wie die wechselnden Siege und Niederlagen auf dem Alten Kontinent ihre dauernde Bedeutung für die Neue Welt dadurch gehabt, daß sie als eine gewaltige dramatische Darstellung des Ringens zweier geistiger Mächte das Eindringen und Durchdringen europäischer Ideen und Ideologien in Amerika mächtig förderten. Und durch diese geistigen Mächte wurde dann, während in der Alten Welt die Lage trotz bedeutender französischer Vorteile in der Schwebe blieb, der Parteikampf der Neuen Welt zur Entscheidung gebracht. Die Wirkung der französischen Revolutionsideen auf die Vereinigten Staaten erzählt in kurzen und treffenden Worten der französische Gesandte Fauchet: „Betrachten wir endlich die Lage, in welche "unsere republikanische Revolution die Dinge und die Parteien gebracht hat. Die Antiföderalisten entledigen sich eines imbedeutenden Namens und nehmen den der .Patrioten' oder .Republikaner' an"; Jefferson ergänzt den Bericht durch die Mitteilung, daß auf die Nachricht der Kanonade von Valmy hin „die Republikaner jubeln und den Namen von .Jakobinern' annehmen, der ihnen zwei Monate vorher als eine Beschimpfung angeheftet worden war". „Ihre Gegner werden zu .Aristokraten', trotz ihrer Anstrengungen, die vorteilhafte Täuschung der früheren Namen aufrechtzuerhalten; die Meinungen stoßen und bedrängen *) An Madison, 7. Juni 1798, F. VII, 268, „Never was any event so important to this country since its revolution, as the issue of the invasion of England. With that we shall stand or fall."



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einander; die aristokratischen Anschläge, die früher so unbedeutend erschienen waren, steigen in der Erinnerung auf; der Finanzminister, der als ihr Urheber gilt, wird angegriffen; seine Operationen und Absichten werden der öffentlichen Meinung angezeigt; . . . inzwischen bilden sich demokratische Vereine (Populär Societies); politische Ideen finden einen gemeinsamen Mittelpunkt; die Patriotenpartei vereinigt sich und schließt sich enger zusammen; sie erringt eine gewaltige Mehrheit in der Legislatur; das Darniederliegen des Handels, die Knechtung der Schiffahrt und die Unverschämtheit Englands stärkt sie; es erhebt sich ein Sturm von Erklärungen und Kritiken gegen die Regierung, welcher sogar diese selbst in Erstaunen setzt" 1 ). Damit sind die wesentlichen Punkte der Entwicklung richtig hervorgehoben. Der natürliche oder normale Verlauf des amerikanischen Parteikampfes wurde durch das Einbrechen der Revolutionsideen jäh unterbrochen; die Amerikaner machten jetzt in Massen dieselbe Entwicklung durch, die schon früher Jefferson in Paris erlebt hatte, d. h. sie übernahmen eine glänzend ausgebaute, höchst einsteckende und suggestive Kampfesideologie mit fertigen Schlagworten, Dogmen, Vorwürfen, Idealen und Versprechungen und gingen zur Offensive über. Damit war nicht nur die gedankliche Einigkeit unter den Feinden der Regierung hergestellt, sondern auch die Verbindung mit Jefferson, der als der Verkünder der Gleichheit und Freiheit der Menschen, als der Urheber der virginischen Reformen und als der bekannte und persönliche Freund der Pariser Revolutionäre der gegebene Führer der demokratischen und „französischen" Partei sein mußte. Am Silvestertag 1793 trat er, offenbar mitbestimmt durch die Erfolge der französischen Heere, aus der Regierung aus, der er nur noch ein kurzes Leben zutraute, um, auf seine neuentstandenen Gesinnungsgenossen gestützt, den Kampf gegen Hamilton lind dessen Gefolgschaft durchzuführen. Schon nach knapp sieben Jahren hat er mit seinen Anhängern in einem der merkwürdigsten und folgenschwersten Parteikämpfe Amerikas2) den Sieg errungen. *) 10. brumaire, An I I I (3. Okt. 1794). Vgl. 19. Dez. 1792, F. VI, 147, „The republicans are rejoicing and taking to themselves the name of .Jacobins' which two months ago was affixed on them by way of stigma." 2 ) Eine sehr lebendige und unterhaltende, aber gegen Hamilton sehr voreingenommene und nicht immer zuverlässige Darstellung dieses Parteikampfes gibt Claude G. Bowers, Jefferson and Hamilton, the struggle for Democracy in America. New York 1926.

Beiheft d. H. Z. 17.

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Man mag sich mit Recht fragen, wie es denn kommen konnte, daß die Partei eines Washington und Hamilton, die die Vereinigten Staaten gerettet, ja erst geschaffen hatte, nach so kurzer Zeit unterlegen ist. Zweifellos hat die Politik von Washingtons Nachfolger Adams die Spaltung und damit die Niederlage der Föderalisten mit verschuldet. Auch die gerade in jener Zeit anwachsende Einwanderung aus Europa hat die Föderalisten geschwächt. Zwar haben Ausländer — nicht selten die lautesten und wildesten Schreier und Hetzer — in beiden Parteien eine Rolle gespielt und die Behauptung Hamiltons, daß die Wahl von 1800, die Jefferson zum Präsidenten machte, anders ausgefallen wäre, wenn die Zugewanderten auf beiden Seiten nicht mitgezählt hätten, muß man als unbewiesen betrachten. Trotzdem ist es sicher, daß die Einwanderer in ganz überwiegendem Maße der republikanischen Opposition Zuwachs brachten. Bei dieser fanden sie rückhaltlos ein Programm vertreten, das ihnen — gleichviel aus welchem Lande sie kamen — schon von den europäischen Kämpfen her wohl vertraut war, während die an sich schon viel selteneren Reaktionäre unter den Einwanderern bei der neutralen und immerhin doch freiheitlichen und republikanischen Regierungspartei einen viel schwereren und gar nicht immer nützlichen und erwünschten Anschluß fanden. Es war auch nicht eine bloße propagandistische Geste, wenn die föderalistische Regierung, als ein Krieg mit Frankreich unvermeidlich schien, zur Bekämpfung der franzosen- und revolutionsfreundlichen Partei zusammen mit den Verordnungen gegen Aufruhr (sedition act) auch Verordnungen gegen Ausländer (alien act) erließ, und damit Ausländer und Aufrührerische d. h. Republikaner als zusammengehörig kennzeichnete. Andererseits wußte auch Jefferson sehr wohl, was er tat, wenn er, zur Macht gelangt, auf einmal menschenfreundlich wurde, seinen früheren ausgesprochen einwanderungsfeindlichen Standpunkt aufgab, und trotz anderer Bedenken eine einwandererfreundliche Politik einführte. Früher, vor der Französischen Revolution, hatte er eben das Eindringen schwer assimilierbarer, städtischer und monarchisch gesinnter Elemente befürchtet, die den Vernunfts- und Freiheitsstaat gefährden könnten, während er sich später überzeugte, daß die Einwanderung vorwiegend gute Republikaner ins Land brachte. Der entscheidende Faktor bei der Niederwerfung der Föderalisten war aber der überlegene Ansturm der Ideen von 1789. Wie die Revolutionsideale in Frankreich Massenheere aufriefen und den kleinen Armeen der Fürsten entgegenwarfen, so schufen sie in den Vereinigten Staaten aus Leuten, die früher in der Politik passiv und indolent gewesen waren oder



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doch keine eigene Rolle gespielt hatten, Massenheere von Wählern, die ihre Gegner einfach erdrückten. Denn die Verfassung von Philadelphia und die neue Regierung war von einer auserwählten, tüchtigen und zielbewußten Minorität der Oberschicht, von einer „Aristokratie" gebildet und getragen, und diese konnte sich in einem Lande, wo die Mehrheit zu entscheiden hatte, nach dem Entstehen einer Massenpartei schwerlich lange halten. Die föderalistische Regierung war ursprünglich und an sich weder für noch gegen die Französische Revolution gewesen, sie hatte sich eine amerikanische Aufgabe gestellt und arbeitete an dieser erfolgreich und ohne auf bedrohlichen Widerstand zu stoßen weiter, bis die internationale Welle der Revolutionsbewegimg in die Vereinigten Staaten hereinschlug. Die überwiegende Mehrheit der Amerikaner ergriff offen und stürmisch für „France and Liberty" Partei1). Washington dagegen, seiner Verantwortung sich bewußt, verhielt sich abwartend und zurückhaltend, erklärte die Neutralität, um sich freie Hand zu wahren und gegebenenfalls nach dem Gebote 'der Staatsraison zu entscheiden. Schon damit war die der französischen Revolutionsideologie so geläufige und erwünschte Scheidung und Trennung von Volk und Regierung gegeben. Die Regierung hinderte das Eingreifen zugunsten der Menschenrechte und widersetzte sich dem Wunsche des Volkes, also war sie, sagte die republikanische Opposition, gegen die Sache der Menschenrechte und gegen die Freiheit des Volkes, und sie wurde kurzerhand in das fertig übernommene Schema „Tyrannen" eingereiht. Jede ihrer vergangenen oder gegenwärtigen Handlungen wurde von jetzt ab in einem veränderten, französischen Lichte, unter dem neuen und simplen Aspekte Revolution oder Reaktion gesehen und mit den mißtrauischen und argwöhnischen Augen des überall tyrannenwitternden Freiheitsfanatikers. Die Regierung hatte sich Macht verschafft und strebte nach mehr Macht : das galt schon für ein untrügliches Zeichen gefährlicher freiheitsfeindlicher Anschläge; denn eine „freie" Regierung brauchte und wünschte keine andere Macht als die freiwillige Hilfe der Bürger. Diese Regierung aber rüstete und schuf sich 1 ) Vgl. den Bericht Genets, „L'Amérique toute entière s'est levée pour reconnaître en moi le ministre de la République Française ; la voix du peuple continue à neutraliser la déclaration de neutralité du Président Washington. Je vis ici au milieu de fêtes perpétuelles; je reçois des adresses de toutes les parties du continent, je crois avec plaisir que ma manière de traiter plaît à nos frères des Etats-Unis et je suis fondé à croire . . . que ma mission sera heureuse sous tous les rapports." Zitiert in H. A. Goetz-Bernstein, La Diplomatie de la Gironde, Jacques Pierre Brissot, Paris 1912. 11*



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durch ihre Finanzpolitik und ihre Auslegung der Verfassung Machtmittel, die sie unabhängig vom Willen des Volkes verwenden konnte, also mußte sie nach der Errichtung einer Zwangsherrschaft, nach einer Monarchie streben. Sie behauptete zwar nur für „law and order" einzutreten; aber genau dasselbe sagten doch auch die europäischen Tyrannen, man wußte also schon, was das zu bedeuten habe. Sie verlangte Autorität und Vertrauen vom Volke; freilich, man sagte Autorität und Vertrauen und meinte Bevormundung und passiven Gehorsam; die so redeten, das waren „kings, priests and nobles". „Kings" und „Nobles" waren allerdings in Amerika mit bestem Willen nicht zu finden, aber sie gehörten nun einmal ins Programm, und man entdeckte denn auch bald wenigstens Freunde von Fürsten und Adeligen und solche, die es gerne werden wollten. Hamilton hatte sich gegen die republikanische Staatsform geäußert. Washington hatte sehr kritisch über die Unfehlbarkeit und den Edelmut des Volkes geurteilt; früher war das eine politische Ansicht gewesen, jetzt galt es als Häresie, geradezu als ein Verbrechen und ein offenes Bekenntnis zur Monarchie. Man brauchte doch bloß das pompöse, „unrepublikanische" Auftreten Washingtons zu betrachten „inveloped in the rags of royalty" 1 ), gleich als wollte er seine despotische Gesinnung ostentativ kundgeben. Und wer waren denn die Anhänger der Regierung? Als „paper men, stockjobbers, speculators" hatte man sie schon lange erkannt, jetzt aber bestätigte sich's, daß Kaufleute vaterlandslos, Freunde des Lasters und des Despotismus waren. Auch glaubte man jetzt erst ihren wahren Charakter zu durchschauen: sie waren „fashionable people" der Oberschicht, schlössen sich zu einer intriganten Clique zusammen, benahmen sich und dünkten sich feiner und besser als das „Volk", und ihre wahre Absicht war unter Hamiltons Führung nach englischer Methode, „commerce mad, navigation mad, navy mad", und mit allerhand Korruption ihre geliebte englische Verfassung mit König und Lords einzuführen und dann selbst die Lords zu spielen. Sie haßten die Revolution und ihre Anhänger, regierten rücksichtslos für ihre eigenen Interessen gegen die des Volkes, sie waren Feinde der Republik und der Nation, echte „aristocrats, monocrats, kingjobbers", „completely dazzled by the glittering of crowns and *) Washington wurde in der republikanischen Presse unter Jeffersons Mitwissen, wenn nicht Schutze, in der gehässigsten Weise angegriffen. An Madison, 9. Juni 1793, F. VI, 293, „ I think he feels these things more than any person I ever met with . . . Naked he would have been sanctimoniously reverenced, but inveloped in the rags of royalty they can hardly be torn off without laceration."



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coronets" 1 ). Auch die Geistlichkeit blieb nicht verschont. Zusammen m i t der Revolutionsbegeisterung war eine beträchtliche freidenkerische, kirchen- und religionsfeindliche Strömung in Amerika eingedrungen, und Jefferson ließ sich vom Beispiel der Franzosen zu wildem Pfaffenhaß hinreißen: „The riddle of all priesthood is solved in four words — ,Ubi panis, ibi D e u s ' " 2 ) . Weltliche und geistliche Tyrannei gehörten nun einmal in der Ideologie der europäischen Revolutionäre zusammen, und so fing man denn auch in Amerika an, im Namen der Vernunft und Philosophie, des Fortschritts und der Freiheit gegen „bigotry and despotism 3 )", „fanatism and monarchy", „church and king" 4 ) und „priestcraft" zu wettern. Man beschimpfte die Föderalisten als „priestridden" 6 ), sie seien Dunkelmänner, ängstliche Feinde des „sacred name of philosophy"®) und des Fortschritts der Wissenschaft ; sie wollten die Zeit der Hexenverbrennungen und die Zeit des Vandalismus zurückbringen 7 ). Seine eigene frühere BegeiAn Madison, 28. Dez. 1794. F. VI, 516. ') An Dr. Rush. 3 ) An Dr. Hugh Williamson, 10. Juni 1801, F. VII, 481; „ I still dare to use the word philosophy, notwithstanding the war waged against it by bigotry and despotism." 4 ) An J . Priestley, 18. Jan. 1800, F. V I I , 406; „How deeply have I been chagrined and mortified at the persecutions which fanatism and monarchy have excited against you, even here . . . You have sinned against church and king, and can therefore never be forgiven." 5 ) An Madison, 2. März 1798, F. VII, 2 1 3 ; „ B u t they (Vermont und Connecticut, beide föderalistisch) are so priestridden, that nothing is expected from them, but the most bigoted passive obedience." •) Sein Programm im Brief an E. Gerry, 26. Jan. 1799, F. VII, 327; „ I am for encouraging the progress of science in all its branches; and not for raising a hue and cry against the sacred name of philosophy; for awing the human mind by stories of rawhead and bloody bones to a distrust of its own vision and to repose implicitly on that of others; to go backwards instead of forwards to look for improvement; to believe that government, religion, morality, and every other science were in the highest perfection in ages of the darkest ignorance, and that nothing can ever be devised more perfect than what was established by our forefathers." Vgl. damit Ende von Kap. I I I . Wie wenig gleicht dieser revolutionäre Geist dem Geiste von 1776, auf den sich Jefferson doch immer berief. ') An J . Priestley, 2 1 . Marz 1801, F. V I I I , 2 1 ; „What an effort, my dear Sir, of bigotry in Politics and Religion have we gone through! The barbarians really flattered themselves they should be able to bring back the times of vandalism, when ignorance put everything into the hands of power and priestcraft. All advances in science were proscribed as innova-



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sterung für die alten Sachsen und für das altenglische Recht völlig verleugnend, griff jetzt Jefferson seine Gegner an: „Der gotische Gedanke, daß wir nach dem Fortschritt des Menschengeistes rückwärts statt vorwärts schauen müssen, daß wir in den Annalen unserer Vorfahren nach der Vollkommenheit in Politik, Religion und Wissenschaft zu suchen haben, ist jener Frömmler in Religion und Politik würdig, die diesen Gedanken empfehlen, der ihren Plänen dient"1). Alle die erwähnten Vorwürfe wurden schließlich tions. They pretended to praise and encourage education, but it was to be the education of our ancestors. We were to look backwards, not forwards, for improvement; the president himself declaring, in one of his answers to addresses, that we were never to expect to go beyond them in real science. This was the real ground of all the attacks on you. Those who live by mystery and charlatanrie, fearing you would render them useless by simplifying the Christian philosophy . . . endeavoured to crush your well earnt and well-deserved fame. But it was the Lilliputanians upon Gulliver. Our countrymen have recovered from the alarm into which art and industry had thrown them; science and honesty are replaced on their high ground; and you, my dear Sir, as their great apostle, are on its pinnacle. It is with heartfelt satisfaction that, in the first moments of my public action, I can hail you with welcome to our land, tender you the homage of its respect and esteem, cover you under the protection of those laws which were made for the wise and good like you, and disdain the legitimacy of that libel on legislation (alien act), which under the form of a law, was for some time placed among them." An E. Gerry, 29. März 1801, F. V I I I , 40; „The aegis of government, and the temples of religion and of justice have been prostituted there (New England) to toll us back to the times when we burnt witches." l ) An J. Priestley, 27. Jan. 1800, F. VII, 413. Vgl. auch „Second Inaugural Address", 4. März 1805, F. VIII, 345, „ B u t the endeavors to enlighten them (die Indianer, die nach Jeffersons Zeugnis statt der Reaktionäre genannt werden) on the fate which awaits their present course of life, to induce them to exercise their reason, follow its dictates, have powerful obstacles to encounter; they are combated by the habits of their bodies, prejudice of their minds, ignorance, pride, and the influence of interested and crafty individuals among them, who feel themselves something in the present order of things, and fear to become nothing in any other. These persons inculcate a sanctimonious reverence for the customs of their ancestors; that whatsoever they did, must be done through all time; that reason is a false guide, and to advance under its counsel, in their physical, moral or political condition, is perilous innovation, that their duty is to remain as their Creator made them, ignorance being safety, and knowledge full of danger; in short, my friends, among them is seen the action and counteraction of good sense and bigotry; they, too, have their antiphilosophers, who find an interest in keeping things in their present state, who dread reformation, and exert all their faculties to maintain the ascendency

— 167 — in der Beschuldigung zusammengefaßt und gesteigert, die Föderalisten seien „Tones", „Engländer". Sie ahmten sklavisch und würdelos alle reaktionären Schritte der ärgsten Feinde der Menschenfreiheit nach1), sie machten mit ihnen gemeinsame Sache, sie hätten sich verschworen, das Land in den Bund der Fürsten gegen die Freiheit zu zwingen, um mit englischer Hilfe die gehaßte republikanische Staatsform in Amerika zu stürzen und eine Monarchie zu errichten2). Ja, Jefferson scheute nicht einmal vor der Verdächtigung zurück, manche Mitglieder der Regierungsof habit over the duty of improving our reason, and obeying its mandates." An M. Randolph, 3. Mai 1798, zur Verteidigung Volneys gegen alien and sedition acts, „ I t suffices for a man to be a philosopher, and to believe that human affairs are susceptible of improvement, and to look forward, rather than back to the gothic ages, for perfection, to mark him as an anarchist, disorganiser, wicked enemy (?) of the Government." ') An E. Gerry, 13. Mai 1797, F. VII, 123, „Indeed, my dear friend I am so disgusted with this entire subjection to a foreign power." An Horatio Gates, 30. Mai 1797, F. VII, 130, „ 1 wish any events could induce us to cease to copy such a model (England), and to assume the dignity of being original. They had their paper system, stockjobbing, speculations, public debt, moneyed interest, etc., and all this was contrived for us. They raised their cry against jacobinism and revolutionists, we against democratic societies and anti-federalists; their alarmists sounded insurrection, ours marched an army to look for one, but they could not find it. I wish the parallel may stop here, and that we may avoid, instead of imitating, a general bankruptcy and disastrous war. . . . Those who have no wish but for the peace of their country, and its independence of all foreign influence have a hard struggle indeed, overwhelmed by a cry as loud and imposing as if it were true, of being under French influence, and this is raised by a faction composed of English subjects residing among us, or such as are English in all their relations and sentiments." ') An Harry Innes, 23. Mai 1793, F. VI, 265; „if great successes were to attend the arms of the kings, it is far from being certain they might not chuse to finish their job completely, by obliging us to change in the form of our government at least, a change which would be grateful to a party here, not numerous, but wealthy and influential." An E. Rutlege, 30. Nov. 1795, F. VII, 40; „this infamous act (Jay's Treaty), which is really nothing more than a treaty of alliance between England and the Anglomen of this country against the legislature and the people of the United States." An Madison, 27. M&rz 1796, F. VII, 69; „where a faction has entered into a conspiracy with the enemies of their country to chain down the legislature at the feet of both." An Mazzei, 24. April 1796, F. VII, 75; „an Anglican, monarchical and aristocratical party has sprung up, whose avowed object is to draw over us the substance, as they have already done the forms, of the British government."



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partei wollten Georg III. wieder zum Könige der Vereinigten Staaten machen1). Gegenüber diesen heftigen Angriffen befand sich die Regierung in einer ungünstigen ideologischen Stellung. Der große moralische Kampf der Alten Welt spielte sich zwischen den extremen Parteien ab, zwischen Jakobinern auf der einen, Tones und Absolutisten auf der anderen Seite. Während nun die Republikaner sofort herzhaft und entschieden für die Revolutionären Partei ergriffen und am äußersten Ende des Hebels ansetzten, nahmen die Föderalisten zu dem europäischen Ringen nur widerwillig und mit halbem Herzen Stellung. Wohl waren sie Gegner von Aufruhr, Willkür und Gesetzlosigkeit, aber sie traten doch auch für gesetzliche Freiheit, für Demokratie und Republik nach den Grundsätzen der geltenden Verfassung ein. Sie brachten den Männern von 1789 manche Sympathien entgegen, äußerten aber gleichzeitig ihre Befürchtungen vor den Ausschreitungen der einmal entfesselten Masse2). So standen sie denn bei dem neuen Parteikampfe, der sehr gegen ihren Willen von der Alten auf die Neue Welt übergriff, — Washington wie Hamilton hatten eine parteilose nationale Regierung gewünscht — unentschieden in der Mitte, mit anderen Worten, sie kamen zwischen zwei Stühle zu sitzen. Washington erklärte die Neutralität: es hielt schwer genug, sie nach Außen zu wahren, sie im Innern aufrechtzuerhalten, erwies sich als unmöglich. Von Links hart bedrängt, durch ihre Verantwortung in ihrer agitatorischen Bewegungsfreiheit gehemmt und zu unpopulären Maßnahmen gezwungen, setzte sich die Regierung zur Wehr. Nach Lage der Dinge war es dabei schlechterdings unvermeidlich, Argumente der europäischen Reak') An Stephens Thompson Mason, 11. Okt. 1798, F. V I I , 282; „ F o r my own part I consider those laws (alien and sedition laws) as merely an experiment on the American mind, to see how far it will bear an avowed violation of the constitution. If it goes down we shall immediately see attempted another act of Congress, declaring that the president shall continue in office during life, reserving to another occasion the transfer of the succession to its heirs, and the establishment of the Senate for life. A t least this may be the aim of the Oliverians, while Monk and the Cavaliers (who are perhaps the strongest) may be playing their game for the restoration of his most gracious Majesty George the Third. That these things are in contemplation I have no doubt . . ." 4) Vgl. als bezeichnend für die Stellung der Föderalisten zur Französischen Revolution den schönen Brief Hamiltons an Lafayette vom 6. Okt. 1789, Works, III, 206, in dem Glückwünsche und Hoffnungen mit Warnungen und Befürchtungen vermischt sind.



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tionäre zu verwenden. So bekämpften denn die Föderalisten ihre Gegner als ehrgeizige und verantwortungslose Demagogen, die das Volk gegen ihre bewährten alten Führer aufhetzten, um selbst an die Macht zu kommen, als gefährliche Umstürzler, wilde Revolutionsfanatiker, Feinde der Ordnung, des Rechts, der Gesetze und jeder anständigen Regierung, als Utopisten und „Philosophisten", von den verderblichen und teuflischen Lehren der Pariser Schwarzkünstler angesteckt, blinde Verehrer des „Heiligen" Voltaire, des „Heiligen" Mirabeau und all der „Heiligen" der Französischen Revolution, die sich nacheinander gegenseitig totgeschlagen hätten. Sie seien Jakobiner, Sanskulotten, Anarchisten, Deisten und Atheisten, äfften die Franzosen sogar in ihrer liederlichen, närrischen Mode und Manier nach, sie wollten mit Hilfe des Pöbels, mit Hilfe von Räubern, Mordbrennern und Bluthunden dieselben terroristischen Zustände wie in Frankreich herbeiführen. Ausländer seien sie, französische Spione, französische Agenten, die Hefe der französischen Jakobiner, Vagabunden, Schwindler und Galgenvögel, die der Justiz ihrer Heimat entlaufen seien, und die es nach dem rechtmäßigen Erbe der geborenen Amerikaner gelüste. Jeder anständige Amerikaner müsse sich gegen diese neugebackenen Bürger wehren, die in den Vereinigten Staaten nichts zu suchen hätten. Die Republikaner aber unterstützten diese Ausländerbande, um sie zu ihren unheilvollen Zwecken zu gebrauchen, sie seien von den Franzosen bezahlt und hätten sich mit ihnen verbündet, um ihnen ihr Vaterland auszuliefern, wie es die „Patrioten" der Nachbarländer Frankreichs getan hätten. Am liebsten würden sie George Washington, der ihnen ihre berühmte und viel mißbrauchte Freiheit geschenkt habe, ihren französischen Freunden opfern 1 ). Durch solche revolutionsfeindliche, in ihren letzten von Europa her bekannten und veranschaulichten Konsequenzen monarchistische Reden erweckten nun die Föderalisten den Eindruck, daß sie Stockreaktionäre seien und gaben damit den republikanischen Angriffen gegen „Tyrannen, Monokraten, Anglomanen" usw. neue Nahrung. Das hätte wenig geschadet, wenn die Föderalisten nun auch tatsächlich entschlossene Monokraten gewesen wären und mit dem Odium auch die Stärke und die Vor') Vgl. C. Carpenter, „Memoirs of the Hon. Thomas Jefferson, containing a concise history of these states from the acknowledgement of their Independence, with a view of the rise and progress of French Influence and French Principles in that Country." 2. Vol. 1809, anonym wahrscheinlich in New York erschienen.



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züge der extremen reaktionären Stellung angenommen hätten. So war es aber nicht. Wohl war die Regierung nach dem Terror und nach den Erfahrungen im eigenen Lande von der Französischen Revolution abgerückt und hatte bei den europäischen Reaktionären ideologische Anleihen gemacht; sie wollte aber nicht rtiökhaltlos zu den Reaktionären übergehen, sondern immer noch neutral, föderalistisch und verfassungsgemäß demokratisch bleiben. Damit kam aber in die Regierungspartei ein innerer Zwiespalt, ein inneres Hin- und Herschwanken zwischen neutralem amerikanischem Föderalismus und aktiver europäischer Reaktion, das unheilvoll schwächend wirkte und das gerade für eine Minderheitspartei wie die föderalistische verderblich werden mußte, die sich nur durch geschlossenes, energisches, unbeirrtes und führendes Handeln an der Macht behaupten konnte. Als nach der Herausforderung der amerikanischen Gesandten in Paris das Nationalgefühl leidenschaftlich aufwallte und sich Gelegenheit bot, das Land an der Seite Englands in den Krieg gegen die Revolution zu führen, verstanden es die Föderalisten nicht, die Situation entschlossen auszunützen. Die Feindseligkeiten gegen die Franzosen waren schon eröffnet, als sie wieder schwankend wurden und überstürzt zur Neutralität zurückkehrten. Überzeugte Reaktionäre hätten anders gehandelt und hätten sich die Gelegenheit, die konservative Sache durch den Bund mit der nationalen Bewegung und mit den revolutionsfeindlichen Mächten zu retten, sicher nicht entgehen lassen. III. Soweit war der ideologische Kampf in der Neuen Welt eine Übernahme und Wiederholung, ein Flügelgefecht des Kampfes in der Alten. Die Quellen und die klassischen Darstellungen der feindlichen Gedankenrichtungen sind in Europa zu finden, das „Textbook" der Republikaner waren die „Rights of Man" von Thomas Paine1), das der Föderalisten die Schriften Burkes. Ein ') An Th. Paine, 19. Juni 1792, F. VI, 87; „Would you believe it possible that in this country there should be high and important characters who need your lessons in republicanism and do not heed them ? It is but too true that we have a sect preaching up and panting after an English constitution of king, lords and commons and whose heads are itching for crowns, coronets and mitres. But our people, my good friend, are firm and unanimous in their principles of republicanism, and there is no better proof of it than that they love what you write and read it with delight. The printers season every newspaper with extracts from your last, as they did before from your first part of the Rights of Man. They have both



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spezifisch amerikanisches Interesse aber und einen spezifisch amerikanischen Charakter erhielt der Streit durch die Auseinandersetzung über die nationale Frage. Damit ist nicht der bloße Vorwurf gemeint, den jede der beiden Parteien dem Gegner machte, daß er „ausländisch" sei, „englisch", bzw. „französisch", und durchaus unamerikanisch, sondern der Streit um die Nachfolgerschaft der Freiheitskämpfer von 1 7 7 6 , um die Ideale der Unabhängigkeitsbewegung. „Der Krieg zwischen Frankreich und England", schrieb Jefferson", scheint eine nicht erwartete Folge zu haben. Der ganze alte Geist von 1 7 7 6 lodert wieder a u f " 1 ) . „Der Geist von 1 7 7 6 ist nicht tot, er hat nur geschlummert" 2 ). „Unsere Landsleute sind wesentlich republikanisch; sie bewahren unverändert die Grundsätze von 1 7 7 5 " 3 ) . „Meine Prinzipien sind dieselben, nach denen ich vom Jahre 1 7 7 5 bis auf den heutigen Teig gehandelt habe, und es sind dieselben, ich bin dessen sicher, wie die der großen Masse des amerikanischen Volkes" 4 ). Gleichzeitig mit diesen Behaupserved here, to separate the wheat from the chaff, and to prove that tho' the latter appears on the surface, it is on the surface only. The bulk below is sound and pure. Go on then in doing with your pen what in other times was done with the sword: shew that reformation is more practicable by operating on the mind than on the body of man, and be assured that it has not a more sincere votary nor you a more ardent wellwisher than Yours etc." An Th. Paine, 18. März 1801, F. V I I I , 18, „Your letters of Oct. ist, 4th, 6th, 16th came duly to hand and the papers which they covered were according to your permission, published in the newspapers and in a pamphlet, and under your own name. These papers contain precisely our principles and I hope they will be generally recognized here." 1776 hatte sich Paine scharf als europäisch vom Denken der Kolonisten abgehoben; daß die Republikaner jetzt die im Vergleich zu „Common Sense" radikaleren „Rights of Man" als Standardwerk annahmen, zeigt, welchen Weg sie zurückgelegt hatten. ') An Monroe, 5. Mai 1793, F. VI, 238, „The war between France and England seems to be producing an effect not contemplated. All the old spirit of 1776 is rekindling." 2 ) An Th. Lomax, 12. März 1799, F. VII, 373, „The spirit of 1776 is not dead. It has only been slumbering. The body of the American people is substantially republican." J ) An James Lewis, Junior, 6. April 1798, F. VII, 235, „They (our countrymen) are essentially republican. They retain unaltered the principles of 1775, and those who are conscious of no change in themselves have nothing to fear in the long run." *) An Samuel Smith, 22. Aug. 1798, F. VII, 277, „They (my principles) are the same I have acted on from the year 1775 to this day, and are the same, I am sure, with those of the great body of the American people."



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tungen erhob sich der Vorwurf gegen die Föderalisten, daß sie Tones seien, die Tones von 1776, die auf seiten Englands gegen die amerikanische Freiheit gestanden hätten 1 ). Die Anklage des Verrats am Geiste der Revolution machte nicht einmal vor Washington halt. „Unsere politische Lage hat sich wundersam verändert seit Sie uns verlassen haben. An Stelle jener edlen Begeisterung für Freiheit und Republik, die uns triumphierend durch den Krieg geführt hat, ist eine anglikanische, monarchistische und aristokratische Partei aufgekommen, die eingestandenermaßen das Ziel verfolgt, nicht nur die Form, sondern auch die Substanz der englischen Regierung über uns zu bringen. Die Hauptmasse unserer Bürger jedoch bleibt ihren republikanischen Prinzipien treu; die ganze landwirtschaftliche Klasse ist republikanisch und auch eine große Zahl von Gebildeten. Gegen uns sind die Vollziehende und die Richterliche Gewalt, zwei von drei Zweigen der Gesetzgebenden, alle Regierungsbeamten, alle, die Beamte werden wollen, alle ängstlichen Leute, die die Ruhe des Despotismus der stürmischen See der Freiheit vorziehen, britische Kaufleute, Amerikaner, die mit britischem Kapital arbeiten, Spekulanten und Besitzer von Bankpapieren und Staatspapieren, einer Einrichtung, die zum Zwecke der Korruption erfunden wurde und um uns in allen Dingen den faulen wie den gesunden Teilen des englischen Musters anzugleichen. Sie würden das Fieber kriegen, wollte ich Ihnen die Apostaten bei Namen nennen, die zu den Häresien übergegangen sind, Männer, die wie Samson im Felde waren und wie Salomon im Rate, die sich aber das Haupt von der Hure England haben scheren lassen. Kurz, wir werden wahrscheinlich die Freiheit, die wir erworben haben, nur durch ununterbrochene Mühen und Gefahren erhalten können. Aber wir werden sie erhalten; wir haben so viel Macht und Reichtum auf der guten Seite, daß keine Gefahr besteht, es könnte je Gewalt gegen uns versucht werden. Wir brauchen nur aufzuwachen und die lilliputanischen Fesseln zu sprengen, mit denen man uns während des ersten ') A n Robert Livingston, 23. Febr. 1799, F . V I I , 369, „ W h a t person who remembers the times and tempers we have seen would have believed that within so short a period not only the jealous spirit of liberty which shaped every operation of our revolution, but even the common principles of English whiggism (man beachte diese Unterscheidung, die man 1 7 7 6 ängstlich vermieden hatte) would be scouted, and the tory principle of passive obedience under the new-fangled names of .confidence and responsibility', become entirely triumphant. That the tories, whom in mercy we did not .crumble to dust and ashes', could so have entwined us in their scorpion tails that we cannot now move hand or foot."



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Schlafes gebunden hat" ). Dermaßen stellte Jefferson mit seinen Anhängern den Kampf der Republikaner gegen die Föderalisten als einen Kampf der Whigs von 1 7 7 6 gegen die Tories und Loyalisten desselben Jahres hin, als eine Verteidigung Amerikas und der „amerikanischen Prinzipien", die im Unabhängigkeitskriege gesiegt hätten, gegen einen erneuten Angriff der seinerzeit glorreich zurückgeschlagenen tyrannischen Grundsätze des nationalen Feindes. So drang endlich in Amerika die bei den europäischen Liberalen schon allgemein verbreitete Auffassung ein, welche die traditionalistische, rechtliche, anglo-amerikanische Freiheit mit der neuen, revolutionären Freiheit der Franzosen gleichsetzte und dementsprechend die Revolution von 1 7 7 6 und 1789 als Ausdruck eines und desselben Geistes betrachtete. Die Föderalisten setzten sich gegen diese Auffassung entrüstet zur Wehr. Sie selbst, sagten sie, mit ihrem Washington an der Spitze, seien doch die Streiter von 1776, s i e hätten die Freiheit verteidigt, brave, l ) An Ph. Mazzei, 27. März 1796, F. VII, 69; „The aspect of our politics has wonderfully changed since you have left us. In place of that noble love of liberty, and republican government which carried us triumphantly through the war, an Anglican, monarchical and aristocratical party has sprung up, whose awoved object is to draw over us the substance, as they have already done the forms, of the British government. The main body of our citizens, however, remain true to their republican principles: the whole landed interest is republican, and so is a great mass of talents. Against us are the Executive, the Judiciary, two out of three branches of the Legislature, all the officers of the government, all who want to be officers, all timid men who prefer the calm of despotism to the boisterous sea of liberty, British merchants and Americans trading on British capitals, speculators and holders in the banks and public funds, a contrivance invented for the purpose of corruption, and for assimilating us in all things to the rotten as well as the sound parts of the British model. It would give you a fever were I to name to you the apostates who have gone over to the heresies, men who were Samsons in the field and Salomons in the Council, but who have had their heads shorn by the harlot England. In short we are likely to preserve the liberty we have obtained only by unremitting labors and perils. But we shall preserve them; and our mass of weight and wealth on the good side is so great, as to leave no danger that force will ever be attemptet against us. We have only to awake and snap the Lilliputanian cords with which they have been entangling us during the first sleep which succeeded our labors." Der Brief war an einen damals in Europa lebenden Italo-Amcrikaner gerichtet, der froher schon als Mittelsmann zwischen Jefferson und der Presse gewirkt hatte, und wurde zuerst in französischen Zeitungen veröffentlicht. Der Angriff auf Washington erregte in Amerika groBes Aufsehen und Mißfallen, Washington gab von da ab den Verkehr mit Jefferson auf.



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alte Veteranen der Revolution seien später nochmals ausgezogen diese Freiheit gegen die gesetzlose Willkür verführter Rebellen zu schützen1). Die Republikaner aber, die seien „post-revolutionpatriots", die mit frechen Worten die amerikanische Freiheit verdrehten und mißbrauchten. Was sie wollten, sei gar nicht wahre und ordentliche Freiheit, sondern Unordnung, Willkür, Aufruhr, Herrschaft der Straße und der Demagogen, Terror und Volksdespotismus wie in Frankreich. Die leidenschaftlichen Übertreibungen abgerechnet, hatten die Föderalisten nicht so unrecht. Es bedürfte zwar einer eigenen Untersuchung, um die Verteilung der früheren Whigs und Tones auf die neuen Parteien genauer festzustellen; soviel aber ist sicher, daß die Führer von 1776 in der ganz überwiegenden Mehrzahl auf Seiten der Regierung standen. Soviel ich sehe, hielt nur einer von ihnen, Samuel Adams, zu Jefferson 2 ). Auch war es kein Zufall, daß die geistig bedeutendsten unter seinen Gesinnungsgenossen in Amerika und die, mit denen er sich am besten verstand, entweder wie Madison und Monroe seine Schüler aus der jüngeren Generation waren8), oder aber Europäer wie Gallatin, Volney, Dupont de Nemours, Priestley und Paine, ganz abgesehen von den Freunden in Paris. Daß sich die Einwanderer, denen das Erlebnis der Vorgänge von 1776 abging, zum größten Teil den Republikanern anschlössen, wurde schon erwähnt. Schließlich ging selbst l ) „Memoirs etc". I, 13, „During that period, the people, untainted by the vitiating spirit of party, and uninfluenced by the dishonest practices of ambitious demagoges were universally disposed to delegate the supreme authority to those, who had given freedom to the States, and to give the guardianship of their infant independence to its legitimate parents . . . and at the outset of the Republik it was so." Op. cit. I, 21, „Scarcely had this society (Cincinnati) been organised, when the whole pack of postrevolution patriots, who reserved their hostility for the friends and revolutionary heroes of the country, attacked it with the utmost ferocity. The demagoges and democrates of the day usw." Op. cit. I, 39, „ I t was on this occasion (Niederschlagung von Shay's Rebellion) the brave old veterans of the Revolution, who abhorred the loose spirit of the time, rallied round the government and laws, and shewed that the patriotism which animated them of old still glow with fervour in their bosom." Ein zweischneidiges Argument dagegen war es, wenn man behauptete, Jefferson und manche andere hätten hauptsächlich aus pekuniärem Interesse die Unabhängigkeit erstrebt, um ihre Schulden an die Engländer loszuwerden; vgl. op. cit. I, 49. s ) Jefferson an Samuel Adams, 26. Febr. 1800. 3 ) Eine Ausnahme bildet der früher S. 46 erwähnte freisinnige Arzt aus Philadelphia, Dr. Benjamin Rush.



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die erste Parteiorganisation der Regierungsfeinde auf einen Ausländer zurück, auf den Gesandten des revolutionären Frankreich, Genêt mit seinen demokratischen Vereinen. Auch mit der Unterscheidung des Geistes von 1776 und des Geistes von 1789 hatten die Föderalisten recht. Als der erwähnte ungestüme Genêt1) anfing, auf neutralem Gebiete, trotz der Proteste der Regierung im Namen der Menschenrechte und der Volkssouveränität, auf die die amerikanische Verfassung aufgebaut sei, Leute anzuwerben und Kaperschiffe auszurüsten, sich darüber mit Washington überwarf und schließlich offen drohte, über den Kopf des Präsidenten hinweg das Volk aufzurufen, da zeigte sich augenfällig, welcher Gegensatz zwischen dem französischen und dem amerikanischen Freiheitsbegriff, zwischen französischer und amerikanischer Volkssouveränität bestand ; ein Gegensatz, der kaum besser als durch die konträren Charaktere von Washington und von Genêt veranschaulicht werden könnte. Ein analoger Zusammenstoß der neuen und der alten Freiheit war es, als Thomas Paine seinen früheren Freund Washington, dem er noch den ersten Teil seiner „Menschenrechte" gewidmet hatte, über dessen Haltung gegenüber Frankreich enttäuscht in maßloser Weise als Tyrannenfreund und Despoten schmähte2). Am deutlichsten aber tritt der Unterschied von amerikanischer und französischer Révolutions- und Freiheitsgesinnung in einer Episode hervor, die ein föderalistischer Pamphletist überliefert. Am Neujahrstage 1796 überreichte der französische Gesandte Adet dem ersten Präsidenten eine Trikolore und ein Freundschaftsschreiben seiner Regierung. In seiner begleitenden Rede betonte er, daß Frankreich für seine eigene Freiheit und für die Freiheit des ganzen Menschengeschlechts kämpfe. „Ich bin überzeugt", fuhr der Franzose fort, „daß alle Bürger mit einem Gefühl der Freude diese Fahne empfangen werden — anderswo der Schrecken der Feinde der Freiheit, hier das sichere Unterpfand treuer Freundschaft — besonders wenn sie sich erinnern, daß sie Männer zur Schlacht führt, die mit ihnen ihre Mühsalen geteilt haben und die zur Freiheit vorbereitet wurden, indem sie ihnen halfen, die ihre zu erwerben". Diese Rede, bemerkt der Pamphletist, habe Washington in eine heikle ') Jefferson war anfänglich für Genêt und seine Mission sehr eingenommen, vgl. an Madison, 19. Mai 1793, F. VI, 260; erst als sich herausstellte, daß der taktlose Übereifer des Franzosen der französischen und republikanischen Sache nur schadete, mußte Jefferson selbst seine Abberufung herbeiführen. s ) „Letter to George Washington by Thomas Paine", Philadelphia. 1796.



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Situation gebracht. Als Oberhaupt eines neutralen Staates konnte er die Anspielung des Gesandten nicht mit unverhüllter Entrüstung zurückweisen; „noch aber konnte sein unabhängiger Geist — stolz auf die Art seines Volkes und auf jenen Eifer in der Sache der Freiheit, der von der ersten Fußspur, welche die britischen Kolonisten dem Sande Amerikas eindrückten, es ausgezeichnet hatte, und der in Wahrheit der große Urquell ihrer Kolonisation war — die versteckte Andeutung ertragen, die in den Worten Adets lag, daß nämlich Frankreich den Amerikanern geholfen habe, ihre Freiheit zu e r w e r b e n . " Blitzschnell habe Washington überlegt, „Ihr wollt uns geholfen haben, unsere Freiheit zu erwerben ? Nein, Herr! — Die Freiheit war unser, ehe ihr auch nur ihren Namen kanntet oder wagtet, ihn in eurem Lande auszusprechen. Wir, unsere Väter, und unserer Väter Väter wurden schon als unanfechtbare Erben der Freiheit geboren und das sollen Sie jetzt hören!" Dann begann er mit einer majestätischen Feststellung der Unwahrheit der Andeutung des Franzosen; die Hoheit des Weisen und des Patrioten auf der Stirn, das flammende Feuer des Heldengeistes in den Blicken, mit einer feierlichen Stimme und mit einem Nachdrucke, der allen, die da Zeugen waren, unvergeßlich blieb, brach er das Schweigen mit den folgenden Worten: ,, Bom, Sir, in a land of liberty; having early learned its value; having engaged in a perilous conflict to defend it; having, in a word, devoted the best years of my life to secure its permanent establishment in my country; my anxious recollections, my sympathetic feelings, and my best wishes are irresistibly excited, whensoever I see an oppressed nation unfurl the banners of Freedom. Es freut mich, fuhr er fort, daß die revolutionären Bewegungen so vieler Jahre zur Bildung einer Verfassung geführt haben, die dem großen Ziele, für das Sie gekämpft haben, Bestand verleihen soll. Es freut mich, daß die Freiheit, die Sie solange mit Begeisterung umarmt haben, j e t z t ein Asyl findet im Busen einer ordnungsgemäß organisierten Regierung." „So hat Washington", bemerkt noch sein Verehrer, „geschickt die unwahre Andeutung Adets auf ihre richtige Bedeutung zurückgewiesen und ihm deutlich gesagt: Wir sind immer schon frei gewesen und freuen uns, daß ihr, ein unfreies Volk, wagt, die Banner der Freiheit zu entfalten" 1 )! Man kann l ) Memoirs etc. I, 271, „ I am convinced that every citizen will receive with pleasing emotion this flag — elsewhere the terror of the enemies of liberty; here the certain pledge of faithful friendship — especially when they recollect that it guides to combat men who have shared their toils, and who were prepared for liberty by aiding them to acquire their own." . . . „nor could his independent spirit (proud as it was of his countries cha-



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noch hinzufügen, er hat ihm auch klar zu verstehen gegeben, daß seine Sympathie nicht der taumelnden und regellosen Freiheit der Willkür galt, sondern der gesicherten und gesetzlichen Freiheit der Ordnung und des Rechts, wie sie Amerika besaß und wie sie Frankreich durch seine neue Verfassung endlich gewinnen sollte. Es war der Aristokrat der Freiheit, der im besten Geiste Burkes und in feiner und doch bestimmter Weise den Parvenu der Freiheit zurechtwies. Aber trotzdem sie objektiv im Recht waren, hatten die Föderalisten auch im Kampf um die nationale Frage die schwächere Stellung zu verteidigen. Es kam ja garnicht darauf an, wer in Wirklichkeit recht hatte, sondern darauf, welche Partei leichter und besser überzeugte und mehr Leute für ihre Auffassung des Geistes von 1776 zu gewinnen vermochte. Und da fanden die Republikaner Argumente genug, um ihre These durchzusetzen. Frankreich hatte für die Freiheit von 1776 gekämpft, Frankreich kämpfte für die Freiheit von 1789. England war der Feind der Amerikanischen Revolution gewesen, England war der Feind der Französischen. Und sagten es nicht die Franzosen selbst durch ihr Volk, durch ihre Nationalversammlung, durch ihre Gesandten, daß sie den ruhmreichen Spuren der Amerikaner gefolgt seien, daß sie ihre Gesinnungsgenossen sein wollten und ihre Brüder. Und waren Paine, Price, Priestley, La Fayette, Jefferson und alle die Freunde der Amerikanischen Revolution jetzt nicht wieder Freunde der Französischen? Konnte man da noch zweifeln, daß Burke, daß Washington und andere Föderalisten Abtrünnige waren und Überläufer ? Bei Washington übrigens wußte man noch gar nicht, racter, and oí that zeal in the cause of freedom which, from the first footstep printed on the sands of America by the British colonists, had distinguished them, and which in truth was the great mainspring of their Colonisation) brook the insinuation contained in the conclusion of Adets address, that France had aided them a c q u i r i n g their liberty." „You help us to a c q u i r e liberty! No, Sir I — Liberty was ours before the name of it was known to you, or dared to be uttered in your country. We and our fathers, and our father's fathers came into the world the indefeasible heritors of liberty, and you shall be told so." ,,He set out with a majestic assertion of the falsehood of the Frenchman's insinuation, and while the glories of the sage and the patriot stood upon his brow, and the fire of the heros spirit flashed from his eyes, he in a solemn tone of voice and with an emphasis which never was forgotten by those who witnessed it, broke the silence with the following words: „Born etc. . . . Thus dexterously he turned the false insinuation of Adet into the true channel, and plainly told him. We have ever been free, and rejoice to see you, an o p p r e s s e d n a t i o n , dare to u n f u r l the b a n n e r s of freedom." Beiheft d. H. Z. 17.

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ob nicht er oder sein Name von dem verschlagenen und skrupellosen Hamilton nur schändlich mißbraucht werde. Weiter aber: man war doch in Amerika von einem König tyrannisch unterdrückt worden — wie in Frankreich; man hatte eine Revolution gemacht — wie in Frankreich; man hatte für die Freiheit gekämpft — wie in Frankreich; man hatte den König abgesetzt — wie in Frankreich ; man hatte eine Republik gegründet — wie in Frankreich; man hatte endlich die Konservativen, die Tyrannen, den Adel, den König glorreich besiegt und vertrieben wie in Frankreich. J a , noch mehr: dieselben erhabenen Ideale hatten die Männer von 1776 und die Männer von 1789 in die Schlacht geführt. Im Namen der Menschenrechte waren die Kolonisten aufgestanden, im Namen der Menschenrechte erhoben sich die Franzosen. Und schließlich hatte man in fast denselben Worten das hohe Ziel gezeigt: ein Reich zu gründen, in dem cille Menschen frei und gleich sind und ihre unveräußerlichen Rechte voll genießen. Wie stark die Suggestivkraft solcher Gedanken war, läßt sich am besten daran erkennen, daß ihr derselbe Föderalist erlag, der mit solchem Stolze Washingtons Antwort an Adet berichtet hatte. „Mit einzigartiger List und Frechheit", sagt er, „wiederholten die Unzufriedenen gegen ihre gegenwärtigen, rechtmäßigen Herrscher dieselben Argumente, welche diese Herrscher erst vor kurzem gegen die ihrigen verwendet hatten, d. h. gegen die britische Regierung; sie beschuldigten sie genau der gleichen tyrannischen Handlungen, welche jene früher der englischen Regierung vorgeworfen hatten; sie zitierten gegen sie ihre eigene Unabhängigkeitserklärung und wiesen auf die Fälle, in denen die Regierung der Staaten die Grundsätze verletzt hatte, welche diese Erklärung enthielt. ,Ihr habt erklärt', sagten sie, ,daß alle Menschen gleich erschaffen sind, daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind, als da sind Leben, Freiheit und das Streben nach Glück, daß Regierungen von den Menschen eingesetzt sind, um diese Rechte zu sichern, und daß sie ihre rechtmäßige Macht nur durch die Zustimmung der Regierten erhalten; daß, wenn irgendeine Regierungsform zum Zerstörer dieser Aufgabe wird, es das Recht des Volkes ist, sie zu ändern oder abzuschaffen und eine neue Regierung einzusetzen'. Das', so sagten sie, ,sind die Grundsätze, für die wir das Schwert gegen unseren früheren Souverän gezogen haben. Das war die Bedingung, für die wir alles aufs Spiel gesetzt haben. Wir haben unsere Schuldigkeit getan. Wie haben der Congreß und andere Männer an der Macht die ihre getan? Statt daß wir alle gleich geworden sind, ist die Ungleichheit größer denn je.' In solcher Weise fuhren sie fort,



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und gebrauchten gegen den Kongreß nicht nur dessen eigene frühere Argumente gegen England, sondern sie übernahmen sogar ganz dieselben Schmähungen, die dieser gegen den König von England erhoben hatte. Nichts konnte die Bosheit ihrer Sprache überbieten . . . " 1 ) Gegen solche Angriffe war der Föderalist wehrlos. Denn damit, daß er sie listig, frech und boshaft nannte, war noch nichts geholfen, und die Antwort ist er ihnen schuldig geblieben. Er war nicht imstande, seinen Gegnern zu sagen, daß man 1776 für die Erhaltung der alten Rechte gekämpft hatte und nicht für neue, und daß die Unabhängigkeitserklärung seinerzeit einen ganz anderen Sinn gehabt hatte als der, den sie jetzt hineinlegten. Wieder zeigte sich, daß eine selbständige Stellung zwischen den beiden extremen Parteien nicht zu halten war; wie zwei gewaltige gegenüberliegende Magnetberge zogen die Extreme alles, was sich zwischen und neben ihnen befand mit unwiderstehlicher Kraft zu sich her, man mußte für die französische Freiheit sein oder gegen sie, aber Bedingungen, Kompromisse oder Unterscheidungen wie die Unterscheidung der Freiheit von 1776 und der Freiheit von 1789 waren nicht mehr möglich. Und der Föderalist selber wurde fortgerissen und glaubte schließlich, wenn auch widerwillig, an die These der Gegner, daß die amerikanische Revolution dasselbe Ziel gehabt hätte, wie die französische. Kam also diese Auffassung nur durch Mißverständnis, Verdrehung und Trugschluß und zu Unrecht zum Siege ? Nein. Die Revolution der Neuen war zwar etwas ganz anderes als die der Alten Welt; der Geist von 1776 war auch etwas ganz anderes als der Geist von 1789; auch hatten die Republikaner nicht, wie sie *) Memoirs, I. 35; „They . . . with matchless cunning and boldness retorted upon their present legal rulers the reasoning which those rulers had but a short time before employed against theirs, that is to say, against the British government; charging them with the very same acts of tyranny with which they had before charged the government of England, quoting against them their own declaration of independence, and pointing out where the government of the States had in practice violated the principles which that declaration contained. ,You declared, said they, that all men are created equal etc. . .' .These, said they, are the principles on which we drew the swords against our former sovereign. This was the condition, on which we hazarded our all. We have fulfilled our part. How has Congress and other men in power fulfilled theirs ? Instead of becoming all equal, the inequality is greater than ever.' Thus they went on, not only employing against Congress its own former arguments against Britain, but absolutely adopting the very invective which had been used by them against the king of England. Nothing could exceed the virulence of their language. . . . " 12»



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gern behaupteten, die Prinzipien der Unabhängigkeitsbewegung unverändert beibehalten. Aber gerade weil dem so war, weil sie den Geist von 1776 nicht unverändert beibehalten hatten, hatten die Republikaner in dem Punkte recht, auf den es ankam, in der nationalen Frage. Der Sinn von 1776 war die nationale Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten gewesen. Sie war erreicht worden auf politischem Gebiete, auf geistigem Gebiete aber nicht. Im Namen englischer politischer Ideen hatten sich die Kolonisten erhoben, und diese englischen politischen Ideen behielten sie und später die Föderalisten noch bei. Das aber bedeutete, daß die Föderalisten nach dem militärischen und politischen Siege noch die politische Ideologie eines anderen Volkes vertraten, und zwar gerade die des nationalen Feindes. Ihr politisches Denken — obwohl das Denken von 1776 — war also nicht selbständig und national amerikanisch. Die Republikaner dagegen ließen die Ideen von 1776 fallen, oder besser, sie deuteten und formten sie um. Aber gerade weil sie mit der amerikanischen — und zugleich englischen! — politischen Tradition brachen, und weil sie eine französische, unamerikanische Ideologie vertraten, waren sie die nationale Partei. Denn nach Lage der Dinge mußte die nationale Verselbständigung der jungen Republik vor allem in der Loslösung vom Mutterland bestehen1). Und indem sie mit Hilfe der neuen französischen Ideen diese Löslosung, die 1776 nur auf praktisch politischem Gebiete erfochten war, nun auch auf geistigem durchführten, hatten sie in der Tat den Anspruch darauf als die wahren Nachfolger der Freiheitskrieger, und als die wahren Vertreter des Geistes von 1776 zu gelten. Paradox ausgedrückt: sie waren die nationale Partei, weil sie die unamerikanische waren, und sie waren die Nachfolger der Freiheitsstreiter von 1776, weil sie die Ideen dieser Freiheitsstreiter abgelegt hatten. IV. Der Sieg der Ideen und Ideelle der Republikaner, der in der Wahl Jeffersons zum Präsidenten, in der sog. „Revolution of 1800" zum Ausdruck kam, war für die Vereinigten Staaten von ungeheurer und unabsehbarer Bedeutung. Bis dahin war 1776 das Jahr der Unabhängigkeit der Kolonien gewesen. Die Republikaner sahen es anders; sie sahen es mit europäischen Augen als das Jahr, 1 ) Jefferson ging in seinen Bestrebungen, die geistige Abhängigkeit Amerikas von England zu brechen, so weit, selbst eine eigene amerikanische Sprache zu fordern; vgl. an John Waldo, 16. Aug. 1813.



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in dem zum ersten Male in der Menschheitsgeschichte die Ideale der Freiheit, Gleichheit und Menschenrechte gesiegt hatten; sie legten der „Revolution" und „Republik" die damals gesiegt hatte, die neue, gewaltig gesteigerte, fordernde und verpflichtende, beglückende und befreiende, menschheitliche und messianische Bedeutung bei, die durch den großen französischen Umsturz in diese beiden Worte gelegt worden war. Sie erst machten die Amerikaner zu stolzen und selbstbewußten Republikanern in diesem neuen und höheren Sinne; sie projizierten die höchsten und erhabensten Ideale und Ziele von 1789 in ihren Unabhängigkeitskampf zurück; sie erhöhten den alten Glanz von 1776 durch den neuen und strahlenden Glanz von 1789; kurz, sie machten die amerikanische Unabhängigkeit und die neue Aera der Weltbefreiung zu Zwillingsbrüdem desselben Jahres lind machten so die Amerikaner zu dem Volk an der Spitze der Zivilisation, das mit seiner eigenen Befreiung für die Sache der Menschheit gekämpft und die Befreiimg der Menschheit, eine neue Aera der Geschichte eröffnet hatte. Und damit, mit diesem stolzen Gedanken, war der Kern des amerikanischen Nationalgedankens gegeben. Freilich, um diesen Nationalgedanken vollends und wahrhaft selbständig und amerikanisch zu machen, mußte noch ein letzter Schritt getan werden. Wohl konnte Jefferson stolz verkünden: Es ist unser Ruhm, daß wir zuerst die Kugel der Freiheit in Bewegung gesetzt haben, die, wie es meine fromme Überzeugung ist, um den ganzen Erdball rollen wird1). Das Prestige der Priorität hatte Amerika, aber die Ehre, Streiter für die Menschheitsbefreiung zu sein, mußte es mit Frankreich teilen, ja, Frankreich hatte sogar zweifellos die Führung übernommen. Man konnte noch den Republikanern sagen, sie ahmten nur sklavisch die Franzosen nach, denn noch lautete ihr Schlachtruf „France and Liberty". Die geistige Abhängigkeit von England hatten sie zwar mit Frankreichs Hilfe gelöst, aber wollten sie wirkliche und nationale Amerikaner werden, so mußten sie auch noch die Abhängigkeit von Frankreich aufgeben. Die europäischen Freunde der jungen Republik hatten das schon längst gefordert: Die Neue Welt sollte sich von dem verderbten und unrettbaren Kontinent abwenden und ja nicht sein Beispiel nachmachen, sondern in ihrem glücklicheren Weltteil selbständig nur den Geboten der Vernunft An Tench Coxe, 1. Juni 1795, F. VII, 22; „This ball of liberty I believe most piously, is now so well in motion that it will roll round the globe. At least the enlightened part of it, for light and liberty go together. It is our glory that we first put it into motion."



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und der Gerechtigkeit folgen. Als dann aber Frankreich selbst die Sache der Vernunft und Gerechtigkeit aufgenommen und verbreitet hatte, hatten die Amerikaner den überholten Rat vergessen ; sie sollten ihn bald wieder befolgen. Zugleich mit dem Siege kam für Jefferson und seine Partei auch die Verantwortung näher und damit die Notwendigkeit der Neutralität, wenigstens der äußeren Neutralität auch Frankreich gegenüber. Diese war jetzt auch im Inneren leichter durchzuführen als seinerzeit für Washington. Die beiden kriegführenden Parteien Europas hatten den Vereinigten Staaten übel mitgespielt, und nachdem die Amerikaner trotz langen und lebhaften Streitens über diese Frage immer noch nicht herauskriegen konnten, von wem sie nun eigentlich mehr Fußtritte bekommen hatten, kühlten sich ihre Sympathien für die Franzosen sowohl wie für die Engländer merklich ab, und sie fingen an, sich auf sich selber zu besinnen. Auch daß der Krieg in Europa mehr und mehr den Charakter eines Kampfes zwischen „Freiheit" und „Despotismus" verlor, trug dazu bei. Dann aber war den Republikanern selbst auch die Gefahr ihrer Verbindung mit Frankreich deutlich zu Bewußtsein gekommen. Als die krasse Herausforderung der amerikanischen Gesandten durch Frankreich (X.Y.Z. Affair, 1798) seine Partei in arge Bedrängnis gebracht hatte, erklärte Jefferson „Das ungeheuerliche Vorgehen Frankreichs gegen unser Land hätte beinahe unsere Freiheit zerstört. Die Englandfreunde und die Monokraten hatten so schlau die Sache Frankreichs mit der Sache der Freiheit vermengt, daß sie beide miteinander hinuntergingen. Ich schließe mich ehrlich Ihrer Meinung an, daß wir jeder politischen Verbindung mit irgendeiner ausländischen Macht abschwören müssen 1 )". Es war eine ernste Warnung gewesen und sie wurde beherzigt. Als dann Jefferson die ersten Nachrichten von Napoleons Staatsstreich erhielt, rückte er entschlossen von Frankreich ab. „ E s ist äußerst wichtig", sagte er, „daß unsere Landsleute einsehen lernen, daß ihr Charakter und ihre Lage wesentlich verschieden ist von der französischen; und daß — welches auch das Schicksal des Republikanismus drüben sein mag — wir doch imstande sind ihn hier ungeschmälert zu erhalten. Unser Schiff ankert so weit *) An Th. Lomax, 12. März 1799, F. VII, 373; „The atrocious proceedings of France towards this country, had well nigh destroyed its liberties. The Anglomen and monocrats had so artfully confounded the cause of France with that of freedom that both went down in the same scale. I sincerely join you in abjuring all political connection with every foreign power."



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von dem ihren entfernt, daß im Falle das ihre in die Luft fliegt, unseres immer noch in Sicherheit ist, wenn wir es nur wollen" 1 ). Die Herrschaft Napoleons hat dann die Trennung vollends besiegelt2). Das republikanische Frankreich war tot, sein Erbe, die Vertretung der Ideale von 1789 und die Führung im Kampfe der Befreiimg der Menschheit, fiel an Amerika. Jetzt endlich war der amerikanische Nationalgedanke selbständig und fertig. Jetzt waren die Vereinigten Staaten d a s Land der Freiheit: Aus tiefster Knechtschaft war es 1776 strahlend auferstanden im Kampfe für die heilige Sache der Menschenfreiheit3) gegen jahrtausendealte Tyrannei 4 ). E s hatte das durchaus neue Reich der Vernunft gegründet, frei von den Vorurteilen aller Geschichte5). Sein Sieg war der Sieg der Menschenrechte ') An John Beckenridge, 29. Jan. 1800, F. VII, 417, „A great revolution has taken place in Paris. . . . Perhaps it may end in their establishing a single representative and that in his (Napoleons) person. I hope it will not be for life for fear of the influence of the example on our countrymen. It is very material for the latter to be made sensible that their own character and situation are materially different from the French; and that whatever may be the fate of republicanism there, we are able to preserve it inviolate here. . . . Our vessel is moored at such a distance, that should theirs blow up, ours is still safe, if we will but think so." s ) Als Napoleon Louisiana erwarb, erwog Jefferson sogar, ein BQndnis mit England gegen Frankreich einzugehen. *) An Samuel Adams, 26. Febr. 1800, F. VII; ,,A letter from you after three and twenty years of separation recalls to my mind the anxious days we then passed in struggling for the cause of mankind. Your principles have been tested in the crucible of time, and have come out pure. You have proved that it was monarchy, and not merely British monarchy you opposed." 4 ) An John Adams, 28. Febr. 1796, F. VII, 56, „This, I hope, will be the age of experiments in government, and that their basis will be founded in principles of honesty, not of mere force. We have seen no instance of this since the days of the Roman republic, nor do we read of any before that. Either force or corruption has been the principle of every modern government. . . . If ever the morals of a people could be made the basis of their own government it is our case. Never was a finer canvas presented to work on than our countrymen. All of them engaged in agriculture or the pursuit of honest industry, independent in their circumstances enlightened as to their rights and firm in their habits of order and obedience to the laws." An John Norvell, n . Juni 1807. Wash. Ed. V. 90. „History in general only informs us what bad government is." s ) An Major Cartwright, 5. Juni 1824, M. E. XVI, 43, „While the English people had to accept some of the inheritance of the past, our Revolution commenced on more favorable ground. It presented us an album on which we were free to write what we pleased. We had no occasion to



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gewesen und mit ihm war ein neues, ein freies und glückliches Zeitalter angebrochen1). Von der Natur mit einem großen, jungfräulichen, reichen Lainde gesegnet, frei von der erdrückenden Last einer langen und unglücklichen Vergangenheit, durch einen Ozean gütig getrennt von den völkermordenden Kriegen des anderen Kontinents2), ohne Armut und ohne Reichtum, war das amerikanische Volk wie kein anderes begünstigt und bestimmt, search into musty records, to hunt up royal parchments, or to investigate the laws and institutions of a semi-barbarous ancestry." Man vergleiche damit Jeffersons entgegengesetzte Ansichten aus der Revolutionszeit selbst. Autobiography, F . I, 96, „Celebrated writers of France and England had already sketched good principles on the subject of government. Y e t the American Revolution seems first to have awakened the thinking part of the French nation in general from the sleep of despotism in which they were sunk. The officers too who had been to America, were mostly young men, less shackled by habit and prejudice, and more ready to assent to the suggestions of common sense, and feeling of common rights. They came back with new ideas and impressions, the press, notwithstanding its shackles, began to disseminate them. Conversation assumed new freedoms. Politics became the theme of all societies usw." Hiermit beginnt Jefferson seine Erzählung der Französischen Revolution; er beendet sie mit folgender Betrachtung (147): „ A s yet we are but in the first chapter of its (Revolution's) history. The appeal to the rights of men, which had been made in the United States was taken up by France, first of the European nations. From her the spirit has spread over those of the South. The tyrants of the North have allied indeed against it, but it is irresistible. Their opposition will only multiply its millions of human victims; their own satellites will catch it, and the condition of man thro' the civilized world will be finally and greatly ameliorated. This is a wonderful instance of great events from small causes. So inscrutable is the arrangement of causes and consequences in this world — allerdings — that a twopenny duty on tea, unjustly imposed in a sequestered part of it, changes the condition of all its inhabitants." *) Vgl. Inaugural Address, 4. März 1801, F . V I I I , p. 3. Die von den europäischen Philosophen gepredigte Verachtung des bösen und verderbten Europa hat Jefferson eifrigst gepflegt. Die „belligerent tyrants of Europe", „European Wrongdoers", „Folies and Crimes of Europe" usw. sind ihm selbstverständliche Begriffe geworden. Auch die selbstgefällige mit der Rolle des edlen Menschenbefreiers schwer zu vereinende Betrachtung Europas ist ihm durchaus nicht fremd gewesen. Vgl. z. B . an Dr. Ben. Rush, 4. Okt. 1803, F. V I I I , 265, wo er meint, das „common herd of cattle", d. h. die harmlosen Amerikaner sollten mit Gleichmut dem Kampfe der „lyons and tygers" von Europa zusehen. Am bezeichnendsten an Tarswell, 10. April 1800, Mass. Hist. Society; „There is nothing in nature corresponding with the man of Europe, except the tyger of Africa. Heaven send us peace and good prices, and preserve us in our sober. . . . " (Das letzte Wort im Abzug unleserlich.)

— 185 — unter den glücklichsten Auspizien eine neue Menschheit zu schaffen. Es hatte die erhabensten Ideale der Zivilisation auf sein Banner geschrieben, es war die Hoffnung und der Führer der Menschheit1) und mußte jetzt sein Versprechen erfüllen2). Seine herrliche Mission war es, den unterdrückten Völkern der Erde zu zeigen, daß der Mensch frei ist und keinen Meister braucht, daß er nicht Herr und nicht Knecht sein soll, daß er imstande ist, ohne Könige, Privilegierte und Priester sich selbst zu regieren und den Gipfel des Glückes zu erreichen in einer freien Republik3); daß eine Republik, ohne Zwang und Gewalt zu benützen, durch die freiwillige Treue der Bürger die stärkste Regierung ist4), und daß 1

) Inaugural Address, „ B u t would the honest patriot, in the full tide of successful experiment abandon a government which has so far kept us free and firm on the theoretic and visionary fear that this government, the worlds best hope may, by possibility, want energy to preserve itself?" *) An Joseph Priestley, 19. Juni 1802, F. V I I I , 158, „ A nation, composed of such materials, and free in all its members from distorting wants, furnishes hopeful implements for the interesting experiment of self-government; and we feel that we are acting under obligations not confined to the limits of our own society. It is impossible not to be sensible that we are acting for all mankind; that circumstances denied to others, but indulged to us, have imposed on us the duty of proving what is the degree of freedom and selfgovemment in which a society may venture to leave its individual members." An Governor Hall, 6. Juli 1802, F. V I I I , 156, „Nor are we acting for ourselves alone, but for the whole human race. The event of our experiment is to show whether man can be trusted with selfgovemment. The eyes of suffering humanity are fixed on us with anxiety as their only hope, and on such a theater for such a cause we must suppress all smaller passions and local considerations." ') Second Inaugural Address, 4. März 1805, F. V I I I , 346, „Nor was it uninteresting to the world that an experiment should be fairly and fully made, wether freedom of discussion, unaided by power, is not sufficient for the propagation and protection of truth — wether a government conducting itself in the true spirit of its constitution with zeal and purity, and doing no act which it would be unwilling the whole world should witness, can be written down by falsehood and diffamation. The experiment has been tried; you have witnessed the scene; our fellow citizens have looked on, cool and collected; they saw the latent source from which these outrages proceeded; they gathered around their public functionaries, and when the constitution called them to the decision by suffrage, they pronounced their verdict, honorable to those who had served them, and consolatory to the friend of man, who believes he may be intrustet with his own affairs." *) An Governor Tiffin, 2. Febr. 1807, „The hand of the people has given the mortal blow to a conspiracy which in other countries, would have called for an appeal to armies, and has proved that government to be the strongest of which every man feels himself a part."



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sich Gerechtigkeit und Freiheit als die beste Politik erweisen. Es sollte ein Asyl sein für alles Gute und Edle1), es sollte gastlich die Verfolgten und Armen aller Länder aufnehmen und sie teilnehmen lassen an seiner Freiheit und seinem Glück2). Ohne an den sinnlosen Kriegen anderer Länder teilzunehmen, gerecht und großmütig auch gegen seine Feinde und frei von ehrgeizigen Absichten3) sollte es in innerem und äußerem Frieden4) blühen und gedeihen, die edelsten Wünsche der Menschheit zu erfüllen. So sollten die Vereinigten Staaten von Amerika ein erhabenes Denkmal sein für die anderen Völker4), das Vorbild ihres Strebens und ihr Leitstern auf dem Wege zum Fortschritt. Das war fortan der Glaube des amerikanischen Volkes. Und wenn man fragt, was dieses Volk von Einwanderern, die aus aller Herren Länder zusammengekommen sind, ohne gemeinsame Rasse, ohne gemeinsame Geschichte, Tradition und Erinnerung, ohne gemeinsame Religion, Kultur und Gewohnheit, was dieses Volk, das keine eigene amerikanische Sprache besitzt, zu einer Nation zusammengeschmolzen und erhoben hat, so hat die Antwort zu lauten: Es war ihr gemeinsamer Glaube, der sie iille beseelte, ihr Glaube an die Größe und Gerechtigkeit, an die Mission und die Zukunft der amerikanischen Demokratie, der amerikanischen l ) An Priestley, 27. Jan. 1800, F. VII, 413, ,,My country, the asylum of whatever is great and good." *) First Annual Message, 8. Dez. 1801, F. VIII, 108, „And shall we refuse the unhappy fugitives from distress that hospitality which the savages of the wilderness extended to our fathers arriving in this land ? Shall oppressed humanity find no asylum on this globe ?" *) An den Zaren, 19. April 1806, F. VIII, 439, ,,A distant and infant nation, unoffending in its course, unambitious in its views." *) An Mme. de Staël, 6. Sept. 1816, „This sanctuary of the unfortunate of every country . . . where the wolf dwells with the lamb, and the leopard lieth down with the kid." 5) An John Dickinson, 6. März 1801, F. VIII, 7, „A just and solid republican government maintained here, will be a standing monument and example for the aim and imitation of other countries; and I join with you in the hope, and belief that they will see from our example, that a free government is of all others the most energetic; that the inquiry which has been excited among the mass of mankind by our revolution and its consequences, will ameliorate the condition of man over a great portion of the globe. What a satisfaction have we in the contemplation of the benevolent effects of our efforts, compared with those of the leaders on the other side, who have discountenanced all advances in science as dangerous innovations, have endeavoured to render philosophy and republicanism terms of reproach, to persuade us that man cannot be governed by himself."



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Ideale. Thomas Jefferson war der erste Bürger der Neuen Welt, der diesen Glauben vertrat und verbreitete, und in diesem Sinne war er der erste Amerikaner. E r war nicht der Gründer der amerikanischen Demokratie. Deren Wurzeln reichen weit zurück nach England. Er war aber der Gründer der Bewußtheit der amerikanischen Demokratie, ihrer Verherrlichung, ihres Stolzes und ihrer menschheitlichen Mission. Er hat seinem Volke den Glauben gegeben, der es zu einer Nation gemacht hat. Blicken wir zurück auf das Werden dieses Glaubens. Am Ende der zivilisierten Welt erhebt sich ein Teil der englischen Nation, seine ererbten englischen Rechte siegreich zu verteidigen. Das vorrevolutionäre Europa, erfüllt von heißem und unbefriedigtem Sehnen nach Freiheit und Gleichheit, Gerechtigkeit und Vernunft, horcht erwartungsvoll auf und glaubt in seinem Überschwange an den Küsten der Neuen Welt seine kühnsten und edelsten Träume erfüllt zu sehen. Begeistert schreiben die europäischen Liberalen der neuentstandenen Republik ihr eigenes erhabenes Streben zu, sie feiern sie als ihren Vorkämpfer und Messias und stellen sie vom Nimbus der Ideale ihrer eigenen Revolutionsphilosophie verklärt an die Spitze der hoffenden Menschheit. — Ein Streiter für die ererbten amerikanischen Rechte kommt Jefferson nach Frankreich; er sieht und erlebt das Herannahen und den Ausbruch der großen europäischen Revolution; und er kehrt in die Heimat zurück, erfüllt von dem Denken und Wollen der Männer von 1789, und erfüllt von dem Wunsche, die Neue Welt dem hohen Idealbilde anzugleichen und sie den Glauben zu lehren, den die europäischen Revolutionäre ihr zugeschrieben hatten. Von dem gewaltigen Widerhall des europäischen Umsturzes unterstützt, gelingt ihm seine Aufgabe. Unter seiner Führung lernt Amerika, seinen Freiheitskampf mit europäischen Augen zu sehen und nimmt die Ideale von 1789 als eigene auf. Als dann das freie Frankreich untergeht, tritt Amerika das Erbe an, Vorkämpfer der neuen Freiheit zu sein. Als Sinnbild dieses Glaubens und als Sinnbild Amerikas steht am Eingange des Hafens von New York die Freiheitsstatue. Es war ein französischer Künstler, der es entworfen hat, Frankreich hat es der Neuen Welt geschenkt. Auch darin liegt Symbol.

Text der Unabhangigkeitserklarung in Jeffersons Entwurf. A Declaration by the Representatives of the U N I T E D S T A T E S in General Congress assembled. When in the course of human events it becomes necessary for one people to dissolve the political bands which have connected them with another and to assume among the powers of the earth the separate and equal station to which the laws of nature and of natures God entitle them, a decent respect to the opinions of mankind requires that they should declare the causes which impel them to the separation. We hold these truths to be selfevident that all men are created equal; that they are endowed by their creator with inherent and inalienable rights, that among these are life, liberty, and the pursuit of happiness; that to secure these rights governments are instituted among men deriving their just powers from the consent of the governed; that whenever any form of government becomes destructive of these ends, it is the right of people to alter or to abolish it, and to institute new government, laying its foundation on such principles and organizing its powers in such form, as to them shall seem most likely to effect their happiness. Prudence indeed will dictate that governments long established should not be changed for light and transient causes: and accordingly all experience has shewn that mankind are more disposed to suffer while evils are sufferable, than to right themselves by abolishing the forms to which they are accustomed. But when a long train of abuses and usurpations begun at a distinguished period and pursuing invariably the same object, evinces a design to reduce them under absolute despotism, it is their right, it is their duty, to throw off such government and to provide new guards for their future security. Such has been the patient sufferance of these colonies, and such is now the necessity which constrains them to expunge their former systems of government. The history of the present king of Great Britain is a history of unremitting injuries and usurpations, among which appears no solitary fact to contradict the OF AMERICA

— 189 — uniform tenor of the rest; but all having in direct object the establishment of an absolute tyranny over these states. To prove this let facts be submitted to a candid world, for the truth of which we pledge a faith yet unsullied by falsehood. He has refused his assent to laws the most wholesome and necessary for the public good: He has forbidden his governors to pass laws of immediate and pressing importance, unless suspended in their operation till his assent should be obtained, and when so suspended, he has utterly neglected to attend to them. He has refused to pass other laws for the accommodation of large districts of people unless those people would relinguish the right of representation, in the legislature, a right inestimable to them, and formidable to tyrants only. He has called together legislative bodies at places unusual, unconfortable and distant from the depository of their public records, for the sole purpose of fatiguing them into compliance with his measures. He has dissolved Representative houses repeatedly and continually for opposing with manly firmness his invasions on the right of the people: He has refused for a long time after such dissolutions to cause others to be elected whereby the legislative powers incapable of annihilation, have returned to the people at large for their exercise, the state remaining in the mean time exposed to all the dangers of invasion from without and convulsions within: He has endeavored to prevent the population of these states, for that purpose obstructing the laws for naturalization of foreigners ; refusing to pass others to encourage their migrations hither; and raising the conditions of new appropriations of lands: He has suffered the administration of justice totally to cease in some of these states, refusing his assent to laws for establishing judiciary powers: He has made judges dependant on his will alone, for the tenure of their offices and the amount and payment of their salaries: He has erected a multitude of new offices by a self-assumed power and sent hither swarms of officers to harass our people and eat out their substance: He has kept among us in times of peace, standing armies and ships of war without the consent of our legislatures: He has affected to render the military, independent of and superior to the civil power:



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He has combined with others to subject us to a jurisdiction foreign to our constitutions and unacknowledged by our laws, giving his assent to their acts of pretended legislation, for quartering large bodies of armed troops among us; for protecting them by a mock trial from punishment for any murders wich they should commit on the inhabitants of these states; for cutting off our trade with all parts of the world; for imposing taxes on us without our consent; for depriving us in many cases of the benefits of trial by jury; for transporting us beyond seas to be tried for pretended offences; for abolishing the free system of English laws in a neighbouring province, establishing therein an arbitrary government and enlarging its boundaries so as to render it at once an example and fit instrument for introducing the same absolute rule into these colonies; for taking away our charters, abolishing our most valuable laws, and altering fundamentally the forms of our governments, for suspending our own legislatures and declaring themselves invested with power to legislate for us in all cases whatsoever. He has abdicated government here, withdrawing his governors, and declaring us out of his allegiance and protection. He has plundered our seas, ravaged our coasts, burnt our towns and destroyed the lives of our people: He is at this time transporting large armies of foreign mercenaries to complete the works of death, desolation and tyranny already begun with circumstances of cruelty and perfidy unworthy the head of a civilized nation. He has endeavored to bring on the inhabitants of our frontiers the merciless Indian savages, whose known rule of warfare is an undistinguished destruction of all ages, sexes, and conditions of existence. He has incited treasonable insurrections of our fellow citizens, with the allurements of forfeiture and confiscation of our property : He has constrained others, taken captive on the high seas to bear arms against their country, to become the executioners of their friends and brethren, or to fall themselves by their hands: He has waged cruel war against human nature itself, violating its most sacred rights of life and liberty in the persons of a distant people, who never offended him, captivating and carrying them into slavery in another hemisphere, or to incur miserable death in their transportation thither. This piratical warfare, the opprobium of infidel powers, is the warfare of the Christian king of Great Britain. Determined to keep open a market where MEN should be bought and sold, he has prostituted his negative for

— 191 — suppressing every legislative attempt to prohibit or to restrain this execrable commerce: and that this assemblage of horros might want no fact of distinguished dye, he is now exciting those very people to rise in arms among us, and to purchase that liberty of which he has deprived them by murdering the people upon whom he also obtruded them; thus paying off former crime committed against the liberties of one people, with crimes which he urges them to commit against the lives of another. In every stage of these oppressions we have petitioned for redress in the most humble terms; our repeated petitions have been answered only by repeated injuries. A prince whose character is thus marked by every act which may define a tyrant, is unfit to be the ruler of a people who mean to be free. Future ages will scarce believe that the hardiness of one man adventured within the short compass of twelwe years only, to build a foundation, so broad and undisguised for tyranny over a people fostered and fixed in the principles of freedom. Nor have we been wanting in attentions to our British brethren. We have warned them from time to time of attempts by their legislature to extend an unwarrantable jurisdiction over these our states. We have remined them of the circumstances of our emigration and settlement here, no one of which could warrant so strange a pretension: that these were effected at the expense of our own blood and treasure, unassisted by the wealth or strength of Great Britain: that in constituting indeed our several forms of government, we had adopted a common king, thereby laying a foundation for perpetual league and amity with them: but that submission to their parliament was no part of our constitution nor ever in idea, if history be credited; and we have appealed to their native justice and magnanimity, as well as to the ties of our common kindred, to disavow these usurpations which were likely to interrupt our connection and correspondence. They too have been deaf to the voice of justice and of consanguinity, and when occasions have been given them, by the regular course of their laws of removing from their councils the disturbers of our harmony, they have by their free elections re-established them in power. At this very time they are permitting their chief magistrate to send over not only soldiers of our own blood, but Scotch and other foreign mercenaries, to invade and destroy us. These facts have given the last stab to agonizing affections, and manly spirit bids us to renounce forever these unfeeling brethren. We must endeavor to forget our former love for them, to hold them as we hold the rest of mankind enemies in war, in peace friends.



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We might have been a free and a great people together; but a communication of grandeur and of freedom it seems, is below their dignity. Be it so, since they will have it: the road to happiness and to glory is open to us too ; we will climb it apart from them, and acquisce in the necessity which denounces our eternal separation ! We therefore the representatives of the United States in General Congress assembled in the name and by the authority of the good people of these states, reject and renounce all allegiance and subjection to the kings of Great Britain and all others who may hereafter claim by, through, or under them ; we utterly dissolve all political connection which may heretofore have subsisted between us and the people or parliament of Great Britain, and finally we do assert and declare these colonies to be free and indépendant, and that as free and indépendant states, they have full power to levy war, conclude peace, contract alliances, establish commerce, and to do all other acts and things which indépendant states may of right do. And for the support of this declaration we mutually pledge to each other our lives, our fortunes, and our sacred honour.

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Inhaltsverzeichnis. Seite

Erstes Kapitel. Der Geist der Amerikanischen R e v o l u t i o n I. Widersprechende Auffassung der Amerikanischen Revolution: Burke und Price II. Amerikanische und Französische Revolution III. Die juristische, spezifisch englische Argumentation der Amerikaner IV. Das naturrechtliche Argument in der Amerikanischen Revolution V. Der konservative Charakter der Amerikanischen Revolution Zweites Kapitel. Die zeitgenössische radikale A u f f a s s u n g der A m e r i k a n i s c h e n R e v o l u t i o n in E u r o p a I. Thomas Paine II. Dr. Richard Price I I I . Die französischen Reformer D r i t t e s K a p i t e l . J e f f e r s o n s p o l i t i s c h e s D e n k e n v o r dem P a r i s e r A u f e n t h a l t (vor 1784) I. Jeffersons Charakter und Bildung II. Jeffersons amerikanische Revolutionsideologie vor 1776. . . I I I . Die Unabhängigkeitserklärung IV. Jeffersons Virginisches Reformprogramm V i e r t e s K a p i t e l . J e f f e r s o n in P a r i s (1784—1789): D e r W a n del s e i n e s p o l i t i s c h e n D e n k e n s I. Eindrücke aus den Zuständen des Ancien Régime, aus der Literatur, dem Verkehr II. Ausbruch der Französischen Revolution I I I . Übergang von der englisch-amerikanischen zur französischen Revolutionsideologie IV. Jeffersons neue Staatsauffassung (Rationalistischer Staatsaufbau S. 127; Pacifismus und Imperialismus S. 1 3 1 ; Handel, Kaufleute, Embargo S. 1 4 1 ; Erster Versuch in ,, Jeffersonian Simplicity" S . 1 4 4 ) F ü n f t e s Kapitel. Eindringen der Französischen R e v o l u t i o n s i d e e n in A m e r i k a u n d J e f f e r s o n s S i e g I. Jeffersons Rückkehr. Das Föderalistische Amerika II. Widerhall der Französischen Revolution in Amerika . . . . I I I . Die neue Auffassung von 1776 IV. Die amerikanischen Ideale Text der Unabhängigkeitserklärung in Jeffersons Entwurf . . . Literaturverzeichnis

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Dic Deutsdien im amerikanischen Bürgerkriege. Von Wilhelm Kaufmann. 602 S., Gr.-8°. 1911. Leinen M. 1 0 . -

Montesquieu und die Verfassungen der Vereinigten Staaten von Amerika. Von H. Knust. 168 S., 8°. 1922. Brosch. M. 3.60

Edmund Burke und sein politisches Arbeitsfeld. Von R. Lennox. 316 S., Gr.-8». 1923. BrosA. M. 6 . - , geb. M. 7.50

Historische Zeitschrift B e g r ü n d e t von H e i n r i c h v o n Sybel.

Herausgeber F r i e d r i c h M e i n e c k e und A l b e r t B r a c k m a n n unter Mitwirkung von Otto Hintze, Otto Krauske, Max Lenz, Erich Mareks, Hermann Oncken> Hans Rothfels.

Erscheinungsweise und Preis Die Historische Zeitschrift erscheint jährlich in 2 Bänden zu je 3 Heften. Seit 1858 liegen 140 Bände vor. Heft 1 des 140. Bandes erschien Mitte 1929. Der Bezugspreis der H. Z. beträgt im Abonnement für jedes Heft M. 8.50, für den Band M. 25.—. Studierende erhalten die H. Z . unter Vorlage einer Bescheinigung des Seminars oder des Dozenten zu einem Vorzugspreis von M. 19.— pro Band. Bestellungen können bei jeder Buchhandlung oder dem Verlag aufgegeben werden.

Programm Grundaufgabe der Historischen Zeitschrift ist es, die Geschichtsforschung so zu pflegen, daß sie der strengen Wissenschaft und den großen Bedürfnissen menschlich'universaler Bildung zugleich genfigt. Sie läßt nicht bloß die sog. »eigentlichen Historiker« zu Wort kommen, sondern die historisch gerichteten Vertreter aller Geisteswissenschaften Oberhaupt. Sie setzt ihren Stolz darein, sich unabhängig zu erhalten von dem beherrschenden Einfluß bestimmter Schulen, Parteien und Konfessionen. Sie hat den Ehrgeiz, ein universales geschichtliches Organ zu sein.

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Heftl Calvins Staatsanschauung und das konfessionelle Zeitalter. Von Dr. H a n s B a r o n . 130S. 8°. 1924. Brosch. M.3.70 HeftZ D i e Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der modernen Welt, Von Prof. Dr. E r n s t T r o e l t s c h . 4. Aufl. 110 S. 8°. 1925. Geb. M. 3.50 Hefts E n g l a n d s Stellung zur deutschen Einheit 1848-1850. Von Dr. H a n s Predit. 192S. 8°. 1925. Brosdi. M.5.50 Heft 4 D e r tierisdie Magnetismus in Preußen vor und nach den Frei-» heitskriegen. Aktenmäßig dargestellt von Prof. Dr. W i l h e l m E r m a n . 128 S. 8°. 1925. Brosdi. M.4.80 Heft 5 D i e Idee einer altgermanisdien Freiheit vor Montesquieu. Fragmente aus der Geschichte politischer Freiheitsbestrebungen in Deutschland, England und Frankreich vom 16. bis 18. Jahrhundert. Von Dr. E r w i n H ö l z l e . 118S. 8». 1925. Brosdi.M. 5 . Heft6 Rankes Begriff der Weltgeschichte. Von Dr. G e r h . M a s u r . 141S. 8°. 1926. Brosdi. M.5.30 Heft 7 Drei Gestalten aus dem modernen Katholizismus. J. A . Möhler, Melchior von Diepenbrodt, J. J. Döllinger. V o n P r o f . Dr. F r i t z V i g e n e r . 192 S. 8°. 1926. Brosch. M. 8.50 Heft 9 Anton G r a f zu Stolberg»Wernigerode, ein Fretind und Rat» gefaer K ö n i g Friedrich Wilhelms I V . Von Dr. O t t o G r a f z u S toi b er g - W e r n i g e r o d e . 144S. 8°. 1926. Brosch. M.5.50 Heft 9 Zwischen Nationalismus und Demokratie. Gestalten der französischen Vorrevolution. Von Dr. E . H o f f m a n n - L i n k e . 324S.8» 1927. Brosch. M.9.50 Heft lO D i e italienische Kaiserpolitik des deutschen Mittelalters. Mit besonderem Hinblick auf die Politik Friedrich Barbarossas. Ein Beitrag zur Frage der historischen Urteilsbildung. Von P r o f . Dr. G e o r g v o n B e l o w . 167S. 8°. 1927. Brosch. M . 7 . Heft 11 Mazzinis politisches Denken und Wollen in den geistigen S t r ö ' mungen seiner Zeit. Von O t t o V o ß l e r . 87 S. 8°. 1927. Brosch. M. 4 . ~ Heft 12 D i e Staatsidee Alexander Hamiltons in ihrer Entstehung und Entwicklung. Von A l e x a n d e r Bein. 191 S. 1 Taf. 8". 1927. Brosch. M . 8 . ~ Heft 13 E i n Jahrzehnt deutsch-amerikanischer Politik . Von H e r m a n n L e u s s e r . 114 S. 8°. 1928. Brosch. M. 5 . Hcft 14 D i e politische Entwicklung Ulrichs von Hutten während der Entscheidungsjahre der Reformation. Von Dr. F . W a l s e r . 143 S. 8°. 1928. Brosch. M. 6.— Heft IS Ranke und Hegel. Von Dr. E r n s t S i m o n . 220 S. 8°. 1928. Brosdi. M. T.HeftVon 16 Prof. Kriegsgeschichte Dr. W i l h e l m des E r bMittelalters. en. 144 S. 8°. 1929. Brosch. M. 7.50 R.OLDENBOURG/MÜNCHEN UND

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